Glaube und Vernunft: Teil IV/2 1953–1989 [Reprint 2015 ed.] 9783111617329


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Table of contents :
Inhaltsübersicht
Vorwort
VII. Die Mißgeburt Der Tragödie Aus Der Zustimmung Der Gleichgültigen
VIII. Von Karl Marx bis zu Franz Kafka
IX. Der Sturm. Der Drang
X. Der Neuabsolutismus
XI. Eine farblose Auflösung
XII. Philosophie an den Universitäten Brünn und Olmütz
XIII. Philosophie an den Universitäten Brünn und Olmütz
XIV. Epilog
Ein zum Teil autobiographisches Nachwort
Übersichtliche Grundliteratur
Personenregister
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Glaube und Vernunft: Teil IV/2 1953–1989 [Reprint 2015 ed.]
 9783111617329

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Für meine geliebte Frau Blanka

Karel Mächa

Glaube und Vernunft Die Böhmische Philosophie in geschichtlicher Übersicht Teil IV/2 1953 - 1989

Mährische Landesbibliothek Brünn 1998

CIP-Kurztitelaufnahme der Mährischen Landesbibliothek Macha, Karel Glaube und Vernunft: Die böhmische Philosophie in geschichtlicher Ubersicht / Karel Macha. - Brno; Mährische Landesbibliothek Teil 4/2. 1953-1989. - 1998 M D T 1(437.1) (091) ISBN 80-7051-111-7

©Karel Macha München Alle Rechte vorbehalten • All Rights Strictly Reserved Jede Art der Vervielfältigung ohne Erlaubnis des Autors ist unzulässig Satz, Druck, Binden: Mährische Landesbibliothek, Brno ISBN 80-7051-111-7

Inhaltsübersicht Vorwort VII. Die Mißgeburt der Tragödie aus der Zustimmung der Gleichgültigen. 1. 1953: Nach dem Tode J. W. STALINs. - Die Hochschulreform und ihre Folgen: „Prom. phil." Die Rolle Philosophischen Fakultät der KarlsUniversität. Das Thema „Jan HUS" als neues Politicum. Die Begründung der „Philosophischen Zeitschrift der TschAW". Die „Basis-und-Uberbau" Diskussion 2. 1954—1955: Die neue Philosophengeneration. Die Aufhebung der HPWW. Die Wiederentdeckung G. W. Fr. HEGELs. . . . und die „bürgerliche Pseudowissenschaft", die Kybernetik 3. 1956: Der XX. Parteikongreß der KP UdSSR und seine Auswirkung in der tschechischen ML Philosophie. Die Rolle der Schriftsteller. Das „falsche Bewußtsein" des Revisionismus. Der Tod des Emil UTITZ 4. 1957-1958: Neue Geschichte der akademischen Philosophie: „Institut für Philosophie der TschAW" und Jan PATOCKA. György LUKÄCS: ein Prüf- und Stolperstein. Die „Ideologische Konferenz über die tschechische Philosophiegeschichte" in Liblice VIII. Von Karl M A R X bis zu Franz K A F K A 1. 1959: „Konservative Revolution" und die KP-Resolution „Für die Reinheit der ideologischen Arbeit". L. TONDL, K. KOSiK. Neues Direktorium: J. SROVNAL, VI. RUML, Zd. MLYNÄft. Der Magus kehrt zurück: Ernst KOLMAN und sein zweiter Prager Aufenthalt 2. 1960-1962: K. MARX und seine „Pariser Manuskripte". Philosophische Fakultät der Karls-Universität. Eine hussitisch-marxistische -Opposition: R. KALIVODA contra M. MACHOVEC 3. 1963: Le clou: die Franz-KAFKA-Konferenz. Die Erneuerung der Soziologie. Die Wiederzulassung der christlichen Pliilosophie IX. Der S t u r m . Der Drang 1. 1964—1965: Philosophie an der Karls-Universität. I. SVITÄK. Die neue Version der „Philosophischen Zeitschrift der TschAW". Das zweite Leben der „bürgerlichen Philosophie": Josef KRÄL, Josef Ludvik FISCHER, Jan PATOÜKA. M. MACHOVEC und seine atheistische Mission. Die Erneuerung der christlichen Philosophie 2. 1966—1967: Die Rolle der Schriftsteller. Das zuwerwartende Ende der NOVOTNf-Ära 3. 1968: Die herrliche, die kaiserlose Zeit. Der Zauberlehrling und sein Besen: die DUBCEK-Ara. Die Befreiung der Philosophie vom Einfluß der KPTsch. Das Erbe T. C,. MASARYKs: Die Politik einer absoluten Moral. Die „Wilden": I. SVITÄK, L. SOCHOR. Die Demagogenjagd. Die Götterdämmerung. L. HRZAL X. D e r Neuabsolutismus. 1. 1969-1970: Der Schock: nach dem Panzereinzug. Die Philosophie an der Karls-Universität

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2. Nach 1970: Die Meistersinger von Prag. „Die Belehrung aus der Krisenentwicklung". Neue Despoten: L. HRZAL, J . NETOPILiK. Ignorantia mystica: I. HRÜZA. Docet fabula: R. RICHTA, VI. RUML, J. ZELEN?. Und das neue „Institut für Philosophie und Soziologie der TschAW". J . C E R N ? et cons. Philosophische Fakultät der Karls-Universität 3. D i e 7 0 e r J a h r e : R. RICHTA und seine politische Aufgabe in der Philosophie. „Die Theorie wissenschaftlich-technischer Revolution": und ihre Protagonisten. Der endgültige Abgang von E. KOLMAN. Das philosphische Rokoko - die Kunst, fröhlich zu sein... Philosophie an der Karls-Universität im „Charta-Jahr 1977" XI. E i n e farblose Auflösung 1. 1981—1987: Philosophie an der Karls-Universität Prag. Fünfzehn Jahre nach der „Belehrung aus der Krisenentwicklung". „Philosophie als produzierende Kraft". Die Erforschung des „gesellschaftlichen Bewußtseins". Die Globalistik: und das Problem „Menschheit". „Wissenschaftlicher Atheismus", Ethik, Anthropologie, Logik. Marxistische Soziologie in ihrer philosophischen Dimension 2. 1988—1989: Vanitas vanitatum, et omne est vanitas... Kraftlose Aufgabe der Parteiaufträge. Philosophische Fakultät der Karls-Universität im Sterbe- und Wendejahr. „Philosophische Zeitschrift der TschAW"

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XII. P h i l o s o p h i e an den Universitäten B r ü n n und Olmütz. 1. Universitas P u r k y n i a n a Brunenesis. Untergang der Universitas Masarykiana Brunensis: „Die Große sozialistische Oktoberrevolution und unsere nationale Freiheit". Brünn 1950-1989: vom Marxismus-Leninismus zum Masarykismus zurück. Jaroslav KUDRNA, Vladimir KUBES, Ludvik TOSENOVSKY, Jan MACKÜ, Hanus STEINER, Vitezslav GARDAVSK?, Jifi SEDLÄK, Jin CETL, Jaroinir BARTOS, Josef DOMANSKt, Milos DOKULIL, Lubomir N O V t , Jin GABRIEL, Karel HLAVOfi, Pavel MATERNA, Petr HORÄK, Josef SMAJS, Ivana HOLZBACHOVÄ, Jaroslav HROCH, Jan ZOUHAR, Josef KROB 269 2. Universitas P a l a c k i a n a Olomucensis. Die ruhmlose Vorgeschichte: Jaromír HRBEK et cons. Die Kapazitäten: Josef Ludvik FISCHER, Jirina POPELOVÁ. Die Marxisten-Leninisten: Fr. LÓN, E. MANDÁK, V. LOSÍK u.a. Nach der „Wende 89": Jan STÉPÁN, Pavel FLOSS, Karel FLOSS, Lubomir VALENTA, Zdenék NOVOTN?, Jan BftEZINA, Bfetislav HORYNA, Ivan BLECHA u.a 285 XIII. T s c h e c h i s c h e Exilphilosophie. Die vielen Namen des tschechischen Exils. Tomás SPIDLÍK SJ, Jan Milic LOCHMAN, Karel VRÁNA, Rio PREISNER, Nikolaus LOBKOWICZ, Erazim Václav KOHÁK, Karel SKALICK?, Václav BÉLOHRADSK? .. 295 XIV. E P I L O G

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E i n zum Teil autobiographisches Nachwort

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Übersichtliche Grundliteratur

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Personenregister

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Vorwort „Tibi soli peccavi et malum coram te feci: ut justificeris in sermonibus tuis, et vincas cum judicaris. Ecce enim in iniquitatibus conceptus s u m . . . Ecce enim veritatem dilexisti: incerta et occulta sapientiae tuae manifestati mihi." (Psalm 50, 6-8)

Die Frage, die in diesem Band gestellt wird, eignet sich auch als eine der Hauptfragen der modernen Philosophieentwicklung. Es geht um das Problem einer un - persönlichen, besser gesagt: persönlichkeitsfreien Denkweise, die nach dem Februar 48 als eine beinahe allgemeine Erscheinung in Mitteleuropa vor die Augen der staunenden Öffentlichkeit tritt. Und, es handelt sich u m eine vorrangig wohl anthropologische Aufgabe: einer philosophischen Zeitgeschichte, die, leider, zuerst den politischen Hintergrund der Ideologien in Frage stellen muß, bevor m a n überhaupt philosophisch zu lesen beginnt.Jegliche metaphysischen Ansprüche sollte man bereits im Vorraum der philosophisch-politischen Reflexion gleichsam mit Schirm und Mantel ablegen. Ein unbefangener Beobachter dürfte jedoch das Woher und Wohin der Marxismusströmungen im Bereich der tschechischen Philosophie bald feststellen: da bietet sich nun für einen kühnen Historiker eine interessante Aufgabe an. Folgendermaßen ergibt sich der Analyse der Dinge, Verhältnisse und Charaktere ein Idealtypus eines philosophierenden Philisters, in seiner nüchternen, trockenen, falsch-sozialistischen, berechnenden, platten und langweiligen Gedankenwelt: mag er sich dabei als „Orthodoxer" oder „Revisionist" verkaufen. Es gibt und es gab wohl auch Träumer, über deren Märchenreich der Kommunismus-Phantasie der nüchterne Alltag einer „real-sozialistischen" Gesellschaft nie eine Macht hatte. - Auch die gehören, a m Rande meiner Beobachtung, der marxistischen Denkweise an ( - bevor sie von einem wachsamen Aufsichtsbeauftragten auf frischer Tat ertappt w e r d e n . . . ) Sie waren immer wenige und wenig bedeutende. Auch die werden nicht vergessen. - Nun liegt der Auftrag des vorliegenden Bandes in der Tat darin, das im Band I V / 1 angefangene Bild der tschechischen philosophischen Kultur zu vervollständigen und in einem globalen Abriß zu überschauen. Und weil dazwischen auch ein „Wörterbuch tschechischer Philosophen" erscheint, kann ich mich völlig auf die Marxismusfrage konzentrieren. Die Konstanten eines Marxismus-Leninismus bleiben auch in unserer Ge-

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genwart weiterhin aktuell. Die tschechischen Versuche, geltende denkerische Ausdrucksformen zu reflektieren, „neu" (d.h.„marxistisch") zu formieren, zu fundieren und auf wenig bekannte Realität hin zu öffnen, haben bei aller Unterschiedlichkeit das Wesentliche mit dem europäischen Denken gemeinsam. Nun es ist doch eine armselige Existenz einer einst großartigen philosophischen Kultur inmitten des tiefsten Stalinismus. So ist die tschechische marxistische Philosophie auch nach 1953 durch die zwangsmäßig „legale" Befangenheit im Umgang mit dem „Problem des Menschen" abgezeichnet; durch ein erschreckendes Unvermögen, die neue Situation der Gesellschaft zu meistern; durch die Flucht in die Gewohnheit (aller Denominationen); durch den Escapismus in eine „klassische" Thematik, die keine wirklichen Probleme aufwirft; in eine imaginäre „denkerische" Freiheit - alle diese Symptome erlauben dem unbefangenen Beobachter von einem starren Gegensatz von Theorie und Praxis, oder einfach über eine „Krankheit der Philosophie" zu sprechen. Eine Kafka-Realität: in der man zum öffentlichen Beweis seiner Arbeit gezwungen wurde, ohne dabei seine wahre Erudition auszudrücken. - Eine Scheinfreiheit der ML-Theoretiker, durch Autozensur geregelt und von den hintergründigen „Behütern des reinen Feuers" (L.STOLL) überschattet und manipuliert. Die Verantwortlichen dieses Zustands sind dabei von den einfachen wissenschaftlichen Mitarbeitern strengstens zu unterscheiden. Es gibt Phantasie, und es gibt Realität: darüberhinaus gibt es auch „phantastische Realität". In der Tat würde man zu einem Hellseher werden müssen, um die schier unglaublichen Mutationen der - gestern noch „bürgerlichen", bald darauf schon äußerst „marxistischen" philosophischen Transvestiten zu fassen.Nun was immer gilt, sind Daten und Fakten des tschechischen kommunistischen Who' s Who. - Die Fakten sind unnachgiebig.

München, am 2. Januar 1998

K.M.

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VII.

D i e Mißgeburt der Tragödie aus der Zustimmung der Gleichgültigen

„Os habent, et non loquentur: oculos habent, et non videbunt.

Aures habent, et non audient: neque enim est spiritus in ore ipsorum". (Psalm 134, 16-17)

1. 1953: Nach dem Tode J. W. STALINs. - Die Hochschulreform und ihre Folgen: „Prom. phil." Die Rolle der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität. Das Thema „Jan Hus" als neues Politicum. Die Begründung der „Philosophischen Zeitschrift der TschAW". Die „Basis-und-Uberbau" Diskussion.

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Die sog. Reform des Hochschulstudiums in der Tschechoslowakei hat vor allem die Humanwissenschaften getroffen. Die Annäherung an das Sowjetmuster (was eigentlich der Autor dieser Reform, Zdenek NEJEDLY erreichen wollte) wurde mit einem gänzlich anderen ideologischen Paradigma verbunden als es der tschechisch-österreichischen 1 Hochschultradition entsprechen konnte. Zdenek NEJEDLV hat sich also in die Geschichte der Tschechischen Pädagogik unvergeßlich als Reformier eingetragen. Der herostratische Ehrgeiz dieses kleinen Mannes schien keine Grenzen zu kennen: parallel dazu wurde auch die Reform der Gymnasien verwirklicht, wonach die klassischen Sprachen von den Schulen der Mittleren Reife abgeschafft wurden: dieser Schritt hat wohl am empfindlichsten eben das Philosophiestudium getroffen. Die NEJEDLY-Reform ging unverkennbar in die Richtung „Sowjetisierung der tschechischen Schulen" - auch in dieser Hinsicht hat sich das unselige Jahr 1953 in die Geschichte traurig eingetragen. Es bleibt zu bemerken, daß mit dem Studienjahr 1953-54 auch die neue Institution der „wissenschaftlichen Aspirantur" ins Leben tritt. Bei dieser buchstäblich von den Sowjethochschulen übernommenen Studienform wurde den besonders Begabten (und Überzeugten) die Möglichkeit angeboten, binnen weiterer drei Jahre eine Kandidatur-Dissertation zu schreiben, diese zu verteidigen und den Titel „CSc." zu erreichen; auf Grund dessen durften sie als Anwärter der Forschungs- und Lehrstellen an den Hochschulen betrachtet werden. Und da die vorherige Titulatur (vor allem der von den Apparatschiks herzlich gehaßte Doktortitel) aufgehoben wurde, sollte nun die Sowjetnomenklatur den „bürgerlichen Müll" voll ersetzen. - 2 l Z u m A u s g a n g s p u n k t der tschechischen Hochschulen vor 1953 war i m m e r noch das österreichische Reglement, dessen M i t a u t o r (im Bereich der Philosophie) Franz E X N E R war. Eine k. k. b ö h m i s c h e Universität war vor 1918 f ü r 900.000 Einwohner d e r betreffenden Region vorgesehen; eine ein solches S t u d i u m Generale ermöglichende Universität war erst mit vier F a k u l t ä t e n ( f ü r Medizin, J u r a , Philosophie und Theologie) komplett und als solche a n e r k a n n t ; der Titel „Philosophiae Doctor", „ P h D r " , wurde üblicherweise im Verhältnis 1:10 der Absolventen ( „ M a g i s t e r " ) vergeben: f ü r die D o k t o r w ü r d e h ä t t e dann jeder K a n d i d a t vorgesehen, von seinem künftigen D o k t o r v a t e r aufgefordert, konsultiert und zuletzt auch empfohlen werden müssen: es war absolut notwendig eine Doktordissertation vorzulegen u n d (üblicherweise in bereits g e d r u c k t e r Form) auch zu verteidigen: eine Dissertation wäre unter normalen Ums t ä n d e n nicht zwei J a h r e nach dem Absolutorium des Philosophiestudiums'von der F a k u l t ä t akzeptiert worden; f ü r alles galten genaue Vorschriften und Hinweise. Die einzige A u s n a h m e unter allen Lebenden war diesmal „JUDr Alexej C E P l C K A " , der Minister f ü r Volksverteidigung... Sein Titel wurde auch bei ganz feierlichen Gelegenheiten vor seinen N a m e n geschrieben. (Allerdings galt C E P l C K A als designierter Nachfolger von Klement G o t t w a l d . - ) Sonst wurden die Doktortitel als solche aufgehoben. - Und auch die Nachfolge der „Protektorats-Zeit" (in der die tschechischen Hochschulen geschlossen waren) h a t mitgewirkt: d a s Chaos der Doktorate nach 1945 (als eine Handvoll neuer Titel neu e n t s t a n d - z.B. „ R C D r " - rerum commercialium doctor, „ R M D r " - rerum musicalium d o c t o r , „Paed.Dr." - paedagogicae doctor, „RSDr" - rerum socialium doctor), wonach sich b e i n a h e ein jeder D i p l o m k a u f m a n n mit einem Doktortitel ausweisen konnte, wurde also a u f g e h o b e n , d a m i t a b e r auch die Möglichkeit, auf entsprechendem Niveau den D u r c h s c h n i t t von den A u s n a h m e n zu unterscheiden. S t a t t dessen beherrschte das Feld ein Chaos der Neupromovierten- „promovierte Historiker", „promovierte P ä d a g o g e n " , „promovierte J o u r n a l i s t e n " , „promovierte Juristen" usw. - wobei das Beste mit A b s t a n d der „promovierte Arzt" war — d a wollte m a n c h e Patientin lieber von einem „richtigen D o k t o r " b e h a n d e l t werden... 2 D e n offiziellen S t a n d p u n k t dazu s. bei: HAVLlN, J.: „Der Sieg des a r b e i t e n d e n Volkes

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Erst mit dem Jahr 1953 beginnt der „Untergang des Abendlandes" in der tschechischen Hochschulpädagogik also. - Nicht zu unterschätzen: die Philosophische Fakultät, wie immer auch ihrer besten Kapazitäten beraubt, verfügte trotzdem über standhafte Persönlichkeiten, deren Ausstrahlungskraft in keinem Verhältnis zu deren Verhalten im „Februar 48" stand. So haben sich unter der zeitweiligen Führung von Jirina Popelovä neue Hoffnungsträger der tschechischen Philosophie wie Vojtech T L U S T Y , Dusan S l N D E L Ä R u.a. versammelt, die der politisch-profilierten Konkurrenz der Hochschule L. S T O L L s ohne weiteres Paroli bieten konnten. Auch nach dem Februar 48 sind übrigens an der Philosophischen Fakultät der Prager Universität kompetente Forscher auf dem Gebiet der Francophonie, Anglistik, Slawistik etc. geblieben - sie haben sich wohl bereit erklärt, mit dem neuen Regime mitzumachen. Im Hinblick auf die konfliktlose Vision der absolut kommunistischen Zukunft begann die altertümliche Universität ein zweites Nachkriegs-Leben zu leben, wozu auch ihre neuen Philosophen mit ihren hoffnungsreichen Kräften beigetragen haben. Der Untergang der traditionellen Werte wurde mit lächelnder Miene und unter der Musikkulisse „proletarischer Lieder" kamoufliert: wer alles sang damals nicht im Chor der neuen, hungrigen Assistenten? - Lieber nicht daran erinnern... Die neu konstituierte Situation der Universitätsphilosophie hat den „Berufsphilosophen" ein deutliches Ubergewicht, den übrigen Studienbereichen gegenüber, gewährleistet: es wurden nun einunddreißig Professoren und Dozenten bestellt, 3 um die drohende Studentenmasse in blauen KPTsch-JugendVerbands (Fortsetzung2

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im F e b r u a r 48 — d e r W e g zur E n t f a l t u n g d e r sozialistischen K u l t u r und d e r A u s b i l d u n g in d e r T s c h e c h o s l o w a k e i " ( „ V i t e z s t v i p r a c u j i c i h o lidu v ünoru 48 - cesta k r o z v o j i socialisticke k u l t u r y a v z d e l ä n i v Ceskoslovensku); in: „ Z u m 30. Jubiläum des siegreichen F e b r u a r s " ( „ K 30. v y r o c i v i t e z n e h o ü n o r a " , tsch.), P r a g 1978 3

I m S t u d i e n j a h r 1953-54 g i b t es zwei Lehrstühle f ü r Fachphilosophie an der U n i v e r s i t ä t

Prag: „ L e h r s t u h l f ü r G e s c h i c h t e der P h i l o s o p h i e " : Leitende Professorin: PhDr.Jirina Popelovä Sekretär: P h D r . D u s a n Machovec S e m i n a r : „ S e m i n a r f ü r P h i l o s o p h i e und für die Sozialwissenschaft" Lehrgegenstand: „Philosophie" P r o f e s s o r e n : P h D r . J a n Blahoslav K o z ä k , P h D r . J i r i n a P o p e l o v ä - O t ä h a l o v ä D o z e n t e n : P h D r . Josef Benes (-endlich! Eine H a b i l i t a t i o n mit 52 J a h r e n . . . ) , P h D r . M i l a n M a c h o v e c ( - e i n e Habilitation m i t 27 J a h r e n . . . ) , R N D r . O t a k a r Zieh Fachassistenten: R S D r . I v a n Svitäk ( - d e r m i t d e m A u f h e b e n d e r H P W W auch seinen Studienabschluß vollendet und seinen - z w e i t e n - D o k t o r t i t e l erreicht h a t . . . ) , PhDr.Dusan Sindelär Assistenten: P h D r . D u s a n Machovec A s p i r a n t e n : P h D r . K a r e l B e r k a , P h D r . Z d e n e k Horsky, R S D r . M i r o s l a v Jauris, P a v e l M a t e r n a , PhDr.Jaroslava

Peskovä,

RSDr.Jaroslav

Pomazal

( - d e r sein

Doktorat,

ebenso

wie

die

K o l l e g e n I . S v i t ä k , J . B e r ä n e k , J.Prenosil und der i m m e r zu bescheidene M . J a u r i s als einen L a s t - M i n u t e - T i t e l noch an der H P W W erreicht h a t . . . ) Externer Lehrer: P h D r . M i r k o Novak „ L e h r s t u h l f ü r D i a l e k t i s c h e n und Historischen M a t e r i a l i s m u s " : Leiter: Doc.PhDr.Ladislav Tondl Sekretäre des Lehrstuhls: P h D r . V o j t e c h T l u s t y ( f ü r A u f g a b e n des Universitätslehrstuhls), Miluse K r a u s o v ä ( f ü r A u f -

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Hemden in ihrer Wissensgier zu befriedigen. Außerdem gab es bereits seit Februar 48 auch ein „Institut des ML", das die propagandistischen Aufgaben der Universität flächendeckend übernehmen sollte; allerdings mußten bei der nun großen Studentenzahl auch beide Lehrstühle für Philosophie aushelfen. Zum ersten Male in der Geschichte der Karls-Universität wird zum Lehrgegenstand der Philosophen „Dialektischer und Historischer Materialismus": ta meta ta physika... Der neue Lehrstuhlinhaber für eigentlich marxistische Philosophie hieß Ladislav T O N D L , 4 ein Spezialist im Bereich des „Dialektischen Materialismus", vor allem der ML Gnoseologie. Im Studienjahr 1953-54 liest L. TONDL zu einem wohl sehr aktuell-politisch profilierten Thema, das er als „Geschichte der marxistischen Philosophie im Zeitalter LENINs und STALINs (sie!) bezeichnet". - Außerdem ein PflichtPensum aus dem Bereich des „Dialektischen Materialismus".Der neue Lehrstuhlinhaber hat mit diesem Studienjahr eine politische Laufbahn angetreten, die er nicht gewöhnt war, und wo es für ihn auch keine haltbare Lobby gab: er gehörte weder zu den Schülern E. KOLMANs, (die sich in jener Zeit aus der Philosophischen Fakultät zurückgezogen haben) noch zu dem Seminar L. SVOBODAs, das zur gleichen Zeit mehrheitlich den philosophischen Lehrstuhl beherrschte, obgleich das Oberhaupt nicht mehr im Amte war). L. TONDL schien aus einer Wüste zu kommen, ohne dabei vom KPTschApparat unterstützt zu sein - als ein seltsames Überbleibsel einer politischen Hochschule 5 die es nicht mehr gab. - Und weil jede einschränkende Reform Fortsetzung3:) gaben des Fakultätslehrstuhls) Lehrgegenstände: Dialektischer und Historischer Materialismus Professor: P h D r . K a r e l Galla Dozenten: P h D r . J i r i Cvekl (Habilitation mit 34 J a h r e n ) , PhDr.Ladislav Tondl (Habilitation mit 29 J a h r e n ) Fachassistenten: P h D r . J a r o s l a v E n g s t , PhDr.Vojtech Tlusty, P h D r . J a r o s l a v Volek Assistenten: Josef Adamec, prom.phil., Frantisek Cizek, prom.phil., Miluse Krausovä, Jiri Novotny, prom.phil., Zdenek Pokorny, PhDr.Miloslava Volkovä Aspiranten: R S D r . J a n Beranek, P h D r . J i r i Pesek, RSDr.Josef Prenosil E x t e r n e r Lehrer: P h D r . M i r k o Noväk 4 T o n d l , Ladislav, Prof., P h D r . , DrSc., a m 28. F e b r u a r 1924 in Z n a i m / M ä h r e n geboren; s t u d i e r t e Philosophie, Soziologie u n d Staatstheorie an der Karls-Universität Prag. - Noch als S t u d e n t w u r d e er „wissenschaftliche Hilfskraft" bei Prof.Dr.Radim Foustka. Seit 1949 Assistent a m Lehrstuhl des Dialektischen und Historischen Materialismus d e r H P W W ; 1953 habilitiert. N a c h d e m er zu E n d e d e r 50er J a h r e „kritisiert" wurde, m u ß t e er seine leitende Stelle a u f g e b e n . 1968 h a t er die e r s t e Forschungsstätte f ü r Theorie und Methodologie der Wissenschaft (bei der TschAW) in d e r Tschechoslowakei gegründet; nach d e m Panzereinzug mußte er die TschAW verlassen; er h a t dann als P r o j e k t a n t im Bereich der Automatisierung und Informatik gewirkt. Seit 1990 ist er Direktor des „Institutes f ü r Theorie und Geschichte der Wissenschaft der TschAW" in P r a g . - Aus seinem Werk: - „ P r o b l e m e der Semantik" ( „ P r o b l e m y semantiky"), P r a g 1966; - „Mensch und Wissenschaft" („Clovek a veda"), P r a g 1969; - „ M e t h o d e n der S y s t e m a u s w e r t u n g der technischen Innovationen und Investitionen" („Met o d y systemoveho hodnoceni technickych inovaci a investic"), P r a g 1985. 5 U b r i g e n s lesen auch a n d e r e Kollegen tüchtig zum T h e m a „Marxismus-Leninismus": Jiri

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im Grunde ein Ausdruck des verborgenen Sadismus ist, wurde mit dem Titel „promovierter Philosoph" jegliche Möglichkeit der Doktortitel aufgehoben: es gab keine Doktoren in der Tschechoslowakei m e h r . . . ) Ladislav T O N D L gehörte bereits in der grauenvollen Zeit der HPWW zu den auffälligsten Assistenten von Ladislav S T O L L : seine Erudition und Übersicht war bei jeder öffentlichen Versammlung allen Anwesenden laut zu spüren, seine Erscheinung war jedoch alles andere als angenehm. Ein jeder Parteigenosse fühlte in ihm einen ehrgeizigen Mitläufer der Revolution, ein jeder Kollege sah in ihm einen unbequemen Konkurrenten. So hat der junge, offensichtlich begabte und mit viel Fleiß und Kraft unermüdlich arbeitende Forscher, seine eigene Zukunft untergraben, noch nicht davon wissend, wie langsam und geduldig die Partei die Liquidation ihrer Gegner vorzubereiten weiß . Das spitzte sich danach massiv zu, als die Sintflut der HPWW-Philosophen die Ufer der Philosophischen Fakultät erreicht hat: TONDL, als neuer Leiter des Lehrstuhls für Dialektischen und Historischen Materialismus ernannt, hat sich nun in seiner neuen Funktion viel öffentlicher ausbreiten müssen als er vielleicht selber wollte, wobei man von ihm gleichwohl rührende Stichworte ideologischer Art zu erwarten hat. Dem ideologischen Anspruch war der junge Katechumen des Marxismus-Leninismus nicht eben gewachsen: nach den einführenden zwei Semestern,, in denen er seine Auditorien mit den „Philosophischen Heften" V. I. LENINs quälte ohne dabei etwas Verbindliches mitzuteilen, war schon ziemlich klar, daß T O N D L zwar ein eifriger Professor, kaum aber mal ein parteibewußter Ideologe sein kann. - Nun sollte es noch einige Jahre dauern bevor L.Tondl von seinen mächtigen KPTsch-Gegnern entmachtet wurde.Aus dem alternativen Programm des LDHM sind noch einige interessierende Fortsetzung:) Cvekl z u m „Historischen Materialismus"; Ivan Svitäk z u m „ M a r x i s m u s und Religion"; Milan Machovec zur „Geschichte der marxistischen Philosophie in B ö h m e n " ; auch Josef Benes, zur „Kritischen Analyse der bürgerlichen Philosophie im 19. J h . " ; und J i f i n a Popelovä zur „Geschichte der marxistischen Philosophie".-) S . d a z u : „Universitas Carolina Pragensis. Vorlesungsverzeichnis der PhilosophischHistorischen F a k u l t ä t im S t u d i e n j a h r 1953-54", P r a g 1 9 5 3 Übrigens geschieht z u m ersten Male, daß man das Vorlesungsverzeichnis nicht in gedruckter Form, sondern nur als T y p o s k r i p t vervielfältigen ließ . . . D a s philosophische S t u d i u m wurde früher nicht zeitlich eingeschränkt: der K a n d i d a t h ä t t e sich z u m Abschluß seiner Studien nur mit ausreichender Anzahl an erfolgreich bestandenen P r ü f u n g e n ausweisen müssen. Dieses P a r a d i g m a hat sich zwar von den, in Deutschland üblichen Mustern, nicht wesentlich unterschieden; doch war es Wien, nicht Berlin oder Leipzig, was für P r a g als Maßstab des philosophischen S t u d i u m s galt. Die R e f o r m b e s t a n d übrigens zu einem guten Teil in der „Unifikation" unterschiedlicher Hochschulen, sowohl humaner als auch naturwissenschaftlicher und technischer Art: diese b e s t a n d wieder in gemeinsamen Grenzsetzungen (vor allem in der Einschränkung des Stud i u m s auf höchstens zehn, typischerweise aber auf acht Semester) und in der Unification der Nomenklaturen. Anstelle der bisherigen Magisterien (die wohl als bloß a b s t r a k t e und im G r u n d e nicht b e n u t z t e T i t u l a t u r vorhanden waren) entstand der neue Titel, „promovierter P h i l o s o p h " : in der P h a n t a s i e der Ministerialen „etwas mehr als Magister, etwas weniger als Doktor." Der K u l t u s m i n i s t e r Vaclav Kopecky hat den Doktortitel als einen „bürgerlichen" Titel erklärt: d a s gefährlichste Schimpfwort der 50er J a h r e ü b e r h a u p t . . .

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P e r s ö n l i c h k e i t e n u n t e r d e n j u n g e n A s s i s t e n t e n zu e r w ä h n e n . Vojtech T L U S T ^ ,

ein F r e i s c h ä r l e r i m K r e i s s o n s t g e s e l l i g e r M a r x i s t e n , w u r d e

6

eigentlich z u m direkten Gegner von J . B . K O Z Ä K Ludvik S V O B O D A

gesehen)

k a u m gespielt hat.

Der britisch-empirische,

enischen

Renaissance

(so h a t e s s e i n

Lehrmeister

v o r a u s b e s t i m m t : e i n e R o l l e , d i e er

geprägte T L U S T ^

tatsächlich

u n d leicht v o m G e i s t d e r

vertrat den S t a n d p u n k t

bensskepsis: der im G r u n d e gläubige K O Z Ä K

stand an einem ganz

itali-

einer

Le-

anderen

Pol der W e l t a n s c h a u u n g - zwischen diesen beiden G e g e n s ä t z e n b e s t a n d

gar

keine Beziehung. V o j t e c h T L U S T t b e g a n n m i t einer äußerst a b s t r a k t e n

Zeit-Raum-Materie-

T h e m a t i k , w e l c h e r er a u c h s e i n e K a n d i d a t s d i s s e r t a t i o n g e w i d m e t h a t .

Nicht

viel s p ä t e r h a t er d o c h zur a m e r i k a n i s c h e n S o z i o l o g i e , einer E r i n n e r u n g a n s e i n e j u n g e n J a h r e , g e w e c h s e l t u n d h a t in i h r e m U m f e l d sein W e r k ( z u m e i s t in Mitarbeit mit seinem Partner J . K L O F Ä C ) 7

weiter f o r t g e s e t z t : eine der vie-

len U m g e s t a l t u n g e n des trickreichen Z a u b e r e r s , der öffentlich öfter als M a r x i s t auftrat. Jaroslav

VOLEK,8

e b e n s o ein e h e m a l i g e r A s s i s t e n t

der H P W W , h a t

mit

s e i n e r D i s s e r t a t i o n z u m „ H a r m o n i e - P r o b l e m " a u f sich a u f m e r k s a m g e m a c h t . Dieser ü b e r a u s g e l a s s e n e u n d unter allen U m s t ä n d e n kühlen K o p f b e w a h r e n d e M a n n w u r d e n a c h J ä h r e n e i n e d e r S t ü t z e n d e r m a r x i s t i s c h e n Ä s t h e t i k in P r a g , e T l u s t y , Vojtech, Prof., PhDr., DrSc., am 5. J a n u a r 1921 in Pilsen geboren - am 22. August 1989 in P r a g verstorben. Studierte Philosophie und Soziologie an der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität (Seminar von L.Svoboda), wo er bei seinem Seminarleiter dann auch als Assistent geblieben war. Nach seiner Habilitation (1959) hat er als leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter des Lehrstuhls des Dialektischen und Historischen Materialismus an der Medizinischen Fakultät der Karls-Universität (Lehrstuhlinhaber R S D r . Josef Prenosil) gewirkt. Nach dem Panzereinzug 1968 zwar durch die Säuberung erfolgreich durchgekommen, wurde er doch ins „Institut für d a s Weiterstudium der Arzte" in Prag strafversetzt. Aus seinem Werk s.vor allem: T L U S T f , Vojtech: „Zeit und R a u m " ( „ C a s a prostor", tsch.), Prag, S N P L , 1958 7 K L O F Ä C , J . - T L U S T Y , V.: „Gegenwärtige empirische Soziologie" („Soucasnäempiricka sociologie", tsch.), P r a g , Orbis 1959, dt.Ubersetzung im Dt. Verlag der Wissenschaften, BerlinD D R 1963 Von dsn. s. auch: „Gegenwärtige Soziologie" ( „ S o u d o b ä sociologie", tsch.), I.Teil P r a g , S N P L 1965, II.Teil P r a g , S N P L 1967 8 Volek, Jaroslav, am 15. Juli 1923 in Trencin geboren - am 22. Februar 1989 in P r a g verstorben; studierte 1941-1946 am Prager Musikkonservatorium Theorie und Instrumentation (bei 0 . Sin und M. Krejci), dann die Musikwissenschaft an der „Meisterschule" (bei J . ftidky) ds. Er setzte seine musikwissenschaftlichen Studien 1946-1952 an der Karls-Universität in P r a g und Comenius-Universität in Bratislava fort. Seit 1950 war er als Assistent der HPWW, bzw. seit 1952 der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität, zuerst im Bereich des DHM, bald danach im Bereich der Ästhetik tätig; 1968 wurde er zum Professor für Ästhetik ernannt: bald darauf, nach dem Panzereinzug, seines Amts enthoben, entlassen und persekuiert.- Erst viel später war er wieder publikationsfahig.Aus seinem Werk s.: - „Theoretische Grundlagen der Harmonie unter dem Gesichtspunkt einer wissenschaftlichen Philosophie gesehen" („Theoreticke zäklady harmönie z hfadiska vedeckej filozöfie"), Bratislava 1954; tschechische Ubersetzung P r a g 1961; - „Kapitel aus der Geschichte der Ästhetik" („Kapitoly z dejin estetiky"), P r a g 1969; - „Modalität und deren Formen vom Standtpunkt der Musiktheorie" ( „ M o d a l i t a a jeji formy z hlediska hudebni teorie"); Prag 1980; - „Struktur und Persönlichkeiten der Musik" ( „ S t r u k t u r e a osobnosti hudby"), P r a g 1988; u.a.

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bis er, wie manche Andere, der Rache der Panzersieger, zum Opfer fiel. Es war nicht nur die Gabe des Philosophenhimmels, es waren auch die rednerische Fähigkeit und die Durchsetzungskraft in den Groß Versammlungen, die einem seinen Platz an der Sonne gewährt haben: so bedeutete Ankunft der hundertköpfigen Schar aus der H P W W eine ernstzunehmende Konkurrenz (und kaum ein Glück) für die, sonst wesentlich mehr sachlich orientierte Belegschaft der Philosophischen Fakultät: nun, eben unter den erschwerten politischen Bedingungen reifte die tragende Generation der Nachfebruarphilosophie heran.Jaroslav Volek, ein vielbegabter junger Musikologe, hat mit seiner Musiktheorie bei den Marxisten das erreicht, wovon manche seiner Patent-Leninistischen Kollegen nur geträumt haben, d.h.die Professur der Philosophie an der KarlsUniversität Prag: und hat auf diese ungewöhnliche Art an die Tradition von Otakar H O S T I N S K t und Otakar ZICH Sen. angeknüpft. Der dritte im Bund, ebenso einer der Hoffnungsträger der Philosophischen Fakultät, Dusan S l N D E L Ä f t , 9 ein Spezialist im Bereich der bildenden Kunst, hat die Bitterkeit seines persönlichen Schicksals danach schmerzlich erlebt, als er an schleichender Erblindung zu leiden begann. Dieser zweifelsohne Begabte seiner Generation, hat sodenn sein Werk im tragischen Widersatz zum allmählichen Niedergang seiner geistigen Kräfte realisiert... Auch unter den Logikern des LDHM konnten sich die neuen Kräfte der HPWW-Herkunft sehen lassen. Unter Otakar ZICH (der zuerst im Rahmen des TONDL-Lehrstuhls als Dozent für Logik erschien) haben sich an dem Unterricht der ehemalige H P W W - Assistent Miroslav J A U R I S und der Philosophieabsolvent Miroslav MLEZIVA beteiligt. Neben ihnen noch Pavel M A T E R N A , nicht viel später Karel B E R K A . Unter 0 . ZICHs Ägide wurde zuerst das, an STALINs Hinweise erinnernde Programm einer „dialektischen Logik" gestartet (das wiederum nach STALINs Tode niemanden mehr interessierte: der einzige, der mit diesem Ansatz für eine gewisse Zeit noch zu manipulieren schien, Pavel M A T E R N A , hat bald Prag verlassen und sich als Aufenthaltsort Brünn ausgesucht.) Die sog. dialektische Logik wurde noch für eine Ubergangsperiode 1955-1959 in Bratislava durch Vojtech F I L K O R N , 1 0 wenn auch aus anderen Gründen, vertreten. Dann ver9 5 i n d e l ä r , Dusan, Prof., P h D r . , D r S c . , am 23. März 1927 in R e j d i c e / G a b l o n z geboren. Studierte an der Karls-Universität P r a g ; 1951-58 Assistent und Fachassistent am Lehrstuhl für Geschichte der Philosophie; spezialisiert im Bereich „Ästhetik" (wo er auf die Spuren von Emil Utitz zu gehen suchte); habilitiert 1959; bis 1990 Dozent, bzw. Professor für Ästhetik; darüberhinaus las er auch an der Akademie der bildenden Künste u.a. - Chefredakteur der R e v u e „Bildende K u n s t " , bzw. der Revue „ Ä s t h e t i k " . Aus seinem reichen Werk s.:

- „Das P r o b l e m des Schönen in der gegenwärtigen Kunst und Ästhetik" („Problem kräsna v soucasnem umeni a e s t e t i c e " ) , P r a g 1958; - „Ästhetisches Wahrnehmen" („Esteticke vnimäni"), P r a g 1961; - „Sinn der Dinge" („Smysl veci"), P r a g 1963; - „Ästhetik der Situationen" ( „ E s t e t i k a s i t u a c i " ) , P r a g 1976; - „Ästhetik des angewandten Schaffens" ( „ E s t e t i k a uzite t v o r b y " ) , P r a g 1978; - „Schöpferische Ä s t h e t i k " („tvoriva e s t e t i k a " ) , Prag 1982; - „Paradox der K u n s t " („Paradox u m e n i " ) , Prag 1986; - „Die K u n s t im gesellschaftlichen Bewußtsein" („Umeni ve vedomispolecnosti"), P r a g 1988; usw. 1 0 F I L K O R N , Vojtech, eine Ubernationale Persönlichkeit der slowakischen Philosophie, am

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schwand sie endgültig von der philosophischen Szene. Ein schicksalhaftes, ein ominöses Thema der tschechischen Geschichte - „Johannes Hus" - tritt, per Zufall der Chronologie, gerade im Jahre 1953 in Vordergrund.Was für ein Jahr! - Durch die brutale „Währungsreform" hat die kommunistische Regierung den tschechischen Menschen um seine letzten Ersparnisse gebracht: und hat die letzten Überbleibsel des Vertrauens verspielt. Die „Prozesse" gegen die „konspirativen Gruppen" haben weiteren harmlosen Antikommunisten ihr Leben gekostet.- Und in der ML- Philosophie erfolgt der erste große Auftritt einer neuen Hoffnung der tschechischen „marxistischen Front", Milan MACHOVEC. Sein Buch „Jan Hus' Lehre in der Tradition der Tschechischen Nation" 1 1 gibt den Anlaß zu einer wütenden Diskussion, in welcher sich die offiziellen Sprecher der KPTsch - Frantisek GRAUS (Historiker) und die Kritiker-Gemeinschaft, Karel KOSiK - Vladimir RUML (Philosophie) mit dem eigenwilligen Autor hart auseinandergesetzt haben. Nun, wer war dieser junge Quasi-Marxist in der Tat? - 1 2 Der junge MACHOVEC wollte ein Musiker, ein Musikkritiker oder Literaturrezensent, nicht aber „Logiker", „Dialektiker" oder bloß ein philosophischer Bücherwurm sein: seine Welt war am liebsten ein Konzertsaal oder Theater - andererseits war er kein Romancier, kein Gaukler oder „Künstler", sondern ein echt musischer Geist mit unüberwindlichem Drang zum Dramatischen der Menschenwirklichkeit. - Doch nicht Musik, sondern „Logik": als vorübergehender Sieg der Lebensabsurdität... 1 3 Fortsetzung10:) 8.4.1922 in P r a v e n e c ( P r i e v i d z a ) g e b o r e n ; im lateinisch-ungarischen S e m i n a r z u e r s t erzogen; es f o l g t e n die p h i l o s o p h i s c h e n S t u d i e n in T ü b i n g e n , erst s p ä t e r a u c h in B r a t i s l a v a ; 1948 „ P h D r " und L e h r e r d e r Philosophie, a n d e r U n i v e r s i t ä t B r a t i s l a v a ; 1955 h a b i l i t i e r t ; 1960 „ D r S c " ; 1963 „ M i t g l i e d - K o r r e s p o n d e n t S A W " ; 1968 V i z e d i r e k t o r d e r SAW. 11 Machovec, M i l a n : „ J a n H u s v t r a d i c i ceskeho n ä r o d a " , NCSAV, P r a h a 1953 12 U b e r d a s B i o g r a p h i s c h e des G e n a n n t e n wird etwas s p ä t e r gesprochen: bleiben wir z u e r s t bei d e m p s y c h o g r a p h i s c h e n A n s a t z , wie er sich in ü b e r r a s c h e n d reifer F o r m b e r e i t s bei d e m b e g i n n e n d e n Milan M a c h o v e c zeigt u n d e n t w i c k e l t . Die publizistische L a u f b a h n eines s p ä t e r b e r ü h m t e n P h i l o s o p h e n - der sich b e i n a h e bis z u r „ W e n d e 89" ü b r i g e n s als M a r x i s t gegeben h a t - b e g i n n t im J a h r e 1946. - B e r e i t s in sein e r e r s t e n R e z e n s i o n , d i e d e r Z w a n z i g j ä h r i g e veröffentlicht h a t ( - d a s J e a n A n o u i l h ' D r a m a „ A n t i g o n e " ) schlagen alle wichtigen A k z e n t e d e r Machovec' Moralphilosophie ins Auge : d a s a n t i k e T h e m a d e r u n p e r s ö n l i c h e n G e r e c h t i g k e i t einer Sophokleischen T r a g ö d i e : „ d a s M ä d c h e n " l e h n t a b : „sie will ihren B r u d e r b e g r a b e n , obgleich sie weiß, es ist u m s o n s t " . . . n u n , „ j e m a n d m u ß es t u n . . . " ( „ W e r h a t R e c h t : K r e o n o d e r A n t i g o n e ? " , in „ D n e s e k " , 1946-1947, N r 23, 362-364). — E i n e I n s p i r a t i o n , d i e von den e r h a b e n e n M o t i v e n d e r A n t i k e a u s g e h e n d , z u m ewig-menschlichen T h e m a einer f a u s t i s c h e n T r a g ö d i e s t r e b e n d , zuletzt d o c h m i t d e m Beigeschmack des d e k a d e n t e n „ U m s o n s t " in sich r u h e n bleibt . . . Ein Ego, d a s sich von seiner A n i m a nie richtig t r e n n e n k o n n t e . . . ,3 B e r e i t s d a s e r s t e O p u s des j u n g e n G e l e h r t e n , „Logik", v e r r ä t Züge einer A u s n a h m e p e r sönlichkeit. - N u n , w a r es in einer E p o c h e , in welcher es n u r e i n e m , großen, „genialen Philos o p h e n " e r l a u b t war, vor die Meissen als Persönlichkeit z u t r e t e n (was er üblicherweise in einer G e n e r a l u n i f o r m t a t ) , J . V . S t a l i n n ä m l i c h . . . W a r es also echt schwer, g e r a d e 1952 ein L e h r b u c h d e r Logik zu s c h r e i b e n - Keinen d u r f t e ü b e r r a s c h e n , d a ß die, a n s o n s t e n w e l t f r e m d e M a chovec - „Logik" m i t Z i t a t e n u n d Beispielen a u s d e m Werk S t a l i n s buchstäblich gespickt i s t . -

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Milan M A C H O V E C 1 4 war bereits im Jahre 1953 eine bekannte, j a sogar eine leicht gefährlich berühmte Gestalt der tschechischen Philosophie: wofjir ganz besonders seine KPTsch-Parteikritiker gesorgt haben. - Auf der anderen Seite war es auch die begreifbare binnenuniversitäre Konkurrenz der schmalspurig denkenden Kollegen, die einem jungen Genie seine Existenz innerhalb des LDHM bitter gemacht hat. Daß es für sein Konzept der tschechischen Philosophiegeschichte kaum noch auch Raum gab, ließen ihn sowohl die ältere POPELOVÄ (deren Domäne dies war) als auch die gleichaltrigen Marxisten zur Kenntnis nehmen. So entwuchs Milan MACHOVEC schlagartig der gemeinsamen Forschungsbasis des LDHM (die er verächtlich als „kategoriellen Wahnsinn" bezeichnet hat) und hat nach einem neuen Problemfeld gesucht: das Thema „Ethik" lag ihm am nächsten. Überraschenderweise hat sich 1953 der gerade etablierte Logiker Milan MACHOVEC im Bereich der „Geschichte der tschechischen Philosophie" habilitiert und ist der minuziös-marxistischen Thematik entwichen. So erscheint auch sein Werk „Jan Hus' Lehre in der Tradition der tschechischen Nation" einem neutralen Beobachter mehr als ein religiös-philosophischer Fortsetzung13:) — D a wurde es nahezu zur Parteipflicht von zwei Mitautoren (die sich sonst herzlich mißacht e t , später auch gehaßt haben), VI.Ruml + K.Kosi'k, diese infame Sache (in welcher sich der geniale Stalin mit einem solchen Aristoteles duzen m u ß t e . . . -) an den öffentlichen Pranger zu stellen. - So erschien in der K P T s c h - R e v u e „Neuer Gedanke" eine Rezension, die in ihrem harten Ton und ihrer unbekümmerten Parteisouveränität nicht zu überbieten wäre - und die zu den schönsten Stücken eines tschechischen Stalinismus g e h ö r t . . . D e r Inhalt, sowohl des rezensierten Werkes als auch der Rezension ist übrigens, nicht so wichtig: aber der T o n ! . . . Es bleibt nur hinzufügen, daß ein anderer, ein noch jüngerer Assistent der selben „Hochschule für Politik und Ökonomik" (der in Konkurrenz mit M.Machovec auch einen Kurs der Logik gelesen h a t ) , im selben J a h r auch sein Buch unter demselben Titel, „Logik", herausgegeben h a t : den R u h m und auch den Krach des entsprechenden Skandals jedoch keineswegs erreicht h a t . . . - Machovec, M . : „ L o g i k " ( „ L o g i k a " ), Prag 1952 - Kosik, K . - R u m l , VI.: „Logika", NM 1952, 4, 5b f - Tondl, L.: „ L o g i k " ( „ L o g i k a " ) , Lehrtexte der H P W W , Prag 1952 1 4 M a c h o v e c , Milan, Prof., P h D r . , Dr.h.c., DrSc., am 23. August 1925 in Prag als Sohn des Gymnasialdirektors Frantisek Machovec geboren; streng katholisch (bei den „slawischen Benediktinern" im Kloster Prag/Emauz) erzogen; studierte Philosophie, katholische Theologie und klassische Philologie an der Karls-Universität (1945-1948). Seit 1950 Assistent an der „Hochschule für Politik und Ökonomik" in Prag ( R e k t o r Ladislav Stoll; zugleich Lehrstuhlinhaber für Philosophie; M. Machovec war übrigens wissenschaftlicher Sekretär dieses Lehrstuhls. E r las „Einleitung in die Philosophie" und „Logik".) Seit 1953 Dozent der Philosophiegeschichte an der Philosophisch-historischen Fakultät der Karls-Universität. 1968 zum „Professor für Philosophie" daselbst ernannt. 1970 seines Amts enthoben und von der KarlsUniversität entlassen. Seit 1990 wieder in seinem Lehrstuhl als Professor tätig. In den 70er und 8 0 e r J a h r e n als „Dissident" aktiv (Signatar der „Charta 7 7 " ) . Aus seinem umfangreichen Werk s.weiter: - „Logik" ( „ L o g i k a " ) , P r a g 1952; - „Utopien der S e k t i r e r " („Utopie blouznivcü a s e k t ä f ü " ) , zusammen mit seiner Frau M a r k e t a fy^chovcova, P r a g 1960; - „Vom Sinn des menschlichen L e b e n s " („Smysl lidskeho zivota"), Prag 1965 (auch dt.); - ,',Der Hl.Augustin" („Svaty Augustin"), Prag 1967; - „T-.G . M a s a r y k " , P r a g 1968; - „Jesus für A t h e i s t e n " , S t u t t g a r t 1965 (in viele Sprachen übersetzt); die neue tschechische Variante erschien unter dem Titel „Jesus für den modernen Menschen" („Jezis pro moderniho clovika"), Prag 1990.

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Versuch, die tschechische Geschichte unter diesem Gradmesser zu sehen, als ein in der Tat politisches Buch, mit welchem das Regime etwas anfangen hätte können.Ein umfangreiches Werk: übrigens: man schrieb nach dem Februar 48 nur schmale Broschürchen (um sich dem sowjetischen Muster noch mehr anzunähern . . . ) - das erste tatsächliche Werk der tschechischen Philosophie nach 1945. Und zwar als Frucht der neuen Generation. Die vielseitige Bedeutung des Buches machte seine Relevanz für die Kreise der Parteihistoriker und -philosophen provokant: M A C H O V E C sprach, nach fünf Jahren des Marxismus, wieder über „Tradition",sogar „tschechische Tradition"; der MASARYKsche Anhaltspunkt „Jan H U S " 1 5 durfte nicht übersehen werden; MACHOVEC versuchte unter diesem Gesichtspunkt die gesamte tschechische Gedankengeschichte in eine sinnvolle Richtung zu integrieren und dank seiner Erudition fand er auch überzeugende Argumente. Das zuletzt Unglückliche hat vielleicht Zdenek Nejedly verschuldet: Machovec suchte auf dieser geschichtlichen Grundlage die aktuelle Politik und Konzepte der KPTsch als die einzig konsequente Ausmündung der Tradition, der Politik, der Moral, j a des tschechischen Humanismus zu erklären.- Also doch ein scheinpolitischer Anhang. Ad vocem „Tradition": eine akademische Auffassung (der von Machovec schweigsam befragten „Teilphilosophen" - eines HUSSERL-, eines H E G E L Typus e t w a . . . ) hätte eine „Philosophie in Böhmen" ohne weiteres akzeptiert - wobei diesen Autoren jedoch eine „tschechische Philosophie" als ein äußerst bedenklicher Begriff vorkam. Ebenso wenig akzeptabel erschienen die Versuche der national veranlagten Traditionalisten (die jedoch nur schweigen durften) die Intentionen der tschechischen Ursprungsphilosophie aufzunehmen, und die erwähnte „Tradition" in ihrer eben nicht genügend begrifflich ausgereiften Gestalt zu erneuern. (In späteren Jahren schließt sich MACHOVEC einem „undogmatisch fortentwickelten Marxismus" westlicher Prägung und „humansozialistischer" Tendenz an, der ihm geeignet zu sein scheint, die grundlegenden Mißverständnisse zu vermeiden.) In ihrer allgemeinen Zielsetzung und weltanschaulichen Grundlegung wendet sich die Geschichtsauffassung M A C H O V E C ' gegen den Objektivismus, der im Bereich der Naturwissenschaften zwar über eine gewisse, wenn auch nicht uneingeschränkte, Macht verfügte, und der im Bereich der tschechischen Geistesgeschichte einen „dogmatischen Naturalismus" etabliert hat. Der Bezug zur historisch-wirklichen Welt der tschechischen Tradition, der für die marxistischorientierte Philosophiegeschichte auch als Bezug der „gesellschaftlichen Praxis" aufgefaßt werden kann, ist in diesem Fall bewußt in Rechnung zu stellen: weil er den Rahmen abgibt, in dem der ganze Sinn und Telos dieser Tradition reflektiert werden kann. Nun, nicht nur d a s . Es wäre ein Mißverständnis, Milan M A C H O V E C als einen politischen Denker zu sehen. Zwar von den MASARYKschen Motiven der tschechischen Geschichte hellauf begeistert und von Zdenek N E J E D L Y ZU den aktuellsten Aufgaben der Politik inspiriert, dachte M A C H O V E C im tiefsten Innern immer religiös: nicht die zeitgemäßen als eben die ewigen Motive der Geschichte stellen seiner l 5 M A C H O V E C , Milan: „Jan HUS' Lehre und Bedeutung in der Tradition der tschechischen Nation" („Husovo ucenia vyznam v tradici ceskeho näroda, tsch.), NCSAV, Prag 1953

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Auffassung nach das zuletzt Sinngebende dar. Das eigentlich „marxistische" Motiv bei M. MACHOVEC ist die Kritik am Katholizismus, besonders an der katholischen Kirche. Diese Tendenz entspricht genau der philosophisch-historischen Position von Zdenek N E J E D L ^ , den nur seine freidenkerische Neigung mit den sonst berufsmäßigen Marxisten verband. Andererseits scheint der junge MACHOVEC keine genuine Religionsphilosophie im engeren Sinne anzustreben: ein Historiker will er sein.In der T a t wirkte der „Marxist" MACHOVEC als eine Vorhut des Antikatholizismus, bei dem wohl von den Protestanten begonnenen, organisierten und stimulierten „christlichmarxistischen" Dialog. Von dieser Seite gesehen, war das „Hus-Buch" ein Schlag in strategisch wichtige Richtung. Bereits in diesem Buch hat sich Milan Machovec als Mittler zwischen den Christen und Marxisten angeboten: bereits in diesem Buch hat er seine Hand in die protestantische Richtung ausgestreckt. (Und Josef Lukl H R O M Ä D K A hat es zweifelsohne begriffen.-) Obgleich er mit der existenten katholischen Kirche 1 6 immer gut auskam, hat er an seiner antikatholischen Aversion kaum etwas geändert. Mit der Konzeption MACHOVEC war, scheinbar, keineswegs ein politisches Risiko verbunden - der junge Mann dachte ganz anders als die Berufsfunktionäre auf dem Feld der Philosophie, die nun die Prager Szene beherrschten. Nun, eben diese unterschiedliche, diese „NEJEDLY-Denk weise", der sich M. M A C H O V E C bediente, wurde ihm zum Verhängnis. Es handelt sich wohl um ein theoretisch schwieriges Vorhaben. Die Erforschung der geschichtlichen Wirklichkeit und Wirksamkeit der tschechischen Tradition verlangt für ihre Selbstaufklärung eine Theorie („Metatheorie"), die sich nicht nur ihrer „praktisch-historischen", sondern auch ihrer in die Zukunft eingeschlossenen Entwicklungsbedingungen bewußt sein muß. Nun, diese, par excellence politische Inversion des Traditionsbegriffes war in M . M A C H O V E C ' Geschichtsauffassung kaum je bewußt vertreten.Unter den Marxisten war Milan MACHOVEC eigentlich unerwünscht. Mit gemischten Gefühlen, mit Ressentiments und mit offenem Spott wurde der fromm katholische Mann und Theologiestudierende (der über Nacht zum Marxismus gewechselt hat) betrachtet. Allen zum Trotz hat sich der junge Philosoph doch durchgesetzt und seine glänzende, ganz ungewöhnliche Gabe öffentlich unter Beweis gestellt. - Ein 1 8 N e n n e n wir zumindest die Höhepunkte: - 1 9 6 9 Besuch in R o m . - Prof. Machovec wohnt übrigens im katholischen Seminar „Nepom u c e n u m " . - Es wird ihm eine private Audienz beim Papst möglich gemacht. - Ein Kniefall wird allerdings nicht verlangt. — Auch das Kirchenoberhaupt freut sich über den Besuch des ersten tschechoslowakischen Atheisten. — Wurde übrigens mal ein KP-Mitglied bei einer Privataudienz empfangen? — Rekordverdächtig... — 1 9 6 7 - 1 9 7 0 zahlreiche K o n t a k t e mit den vordergründigen katholischen Theologen. Aus „Jesus für Atheisten" wird allmählich ein „Marx für Pfarrer". - Falls man es noch nicht gelesen h a t ? — Eine B i l d u n g s l ü c k e . . . — 1 9 6 8 - 1 9 7 0 : Gastprofessur am katholischen theologischen Lehrstuhl der Wiener Universität.— Nicht zuletzt war M.Machovec als Organist in den Prager Kirchen bekannt - zuerst in Prag-Modrany, später in St.Antonius in P r a g 7. - Übrigens von der katholischen Kirche in seinen schwersten Jahren u n t e r s t ü t z t . -

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wenig glücklicher Individualist des tschechischen Marxismus allerdings.- Das Unglückliche der „HUS-Geschichte" aus dem Jahre 1953: Milan MAC H O V E C hat sich für die philosophiegeschichtliche Konzeption von Zdenek N E J E D L ^ an dem Punkt der geschichtlichen Entwicklung engagiert, an welchem sich die Sterne des alten Mannes schon ihrem Untergang zuneigten, und der sonst immer noch mächtige Minister nun, von den „Jüngern" KOLMANs respektslos „Opa" genannt, zwar nicht öffentlich, doch hinter vorgehaltener Hand wurde an der Universität (und bald auch an der Akademie) angegriffen. (-Der junge Historiker Frantisek CERVINKA ließ auch wissen, daß er eine kritische N E J E D L ^ - B i o g r a p h i e geschrieben hatte, die er jedoch nicht zu Lebzeiten des Betroffenen herausgeben m ö c h t e . . . ) Man hat das Dahinscheiden von NEJ E D L ' i ' zynisch erwartet. - Zwar wurde zeitweise auch M.MACHOVEC' Buch ohne Zögern herausgegeben (-den Text übrigens las sein Autor noch im allerletzten Semester der H P W W , im SS-1952, vor seinen Hörern), doch auch da war es schon später als man denken konnte.So stand nun Milan M A C H O V E C ohne jegliche Rückendeckung seinen Kritikern gegenüber ( - und „konnte nicht a n d e r s " . . . ) - So leisen die Mitarbeiter des „Lehrstuhls der KPTsch-Geschichte" das M . M A C H O V E C - Buch kapitelweise und unter der Lupe, um in jedem Satz wieder einen neuen „ideologischen Fehler" zu entdecken... So überlegten die Universitäts-Berufsmarxisten „praktische Schritte" gegen diesen „ideologischen Abweichler" (dessen Namen man j a kaum unter einen „Kosmopolitismus" oder „Idealismus" - zwei Begriffe aus dem KPTsch-Gruselkabinett - eingliedern k o n n t e ) . . . Und in diesem unbeschreiblichen Chaos wurde nun die - wohl hussitische Tradition der tschechischen ML-Philosophie wie ein unerwünschtes Kind, inter feces et urinas, geboren.So wurde der Autor in einer Plenarversammlung der Philosophisch-historischen Fakultät im Sommersemester 1953 feierlich verurteilt, so hatte nun der Dozent um die Verlängerung seines Lehrauftrags öffentlich nachzusuchen... Ein Autodafe vielleicht? - Bei welchem der Verurteilte allem, aber gar allem abschwören muß ? - Weis auch ein jeder reumütig tut? - Aber sicher... - Die „Philosophische Zeitschrift" der TschAW stand in der direkten Nachfolge der traditionellen theoretischen Revue der tschechischen Philosophie, „Tschechischer G e d a n k e " . 1 7 1 7 „ T s c h e c h i s c h e r Gedanke" - „Ceskä Mysl" (im weiteren T e x t nur C M ) , war nach 1918 als Organ der ganzen tschechoslowakischen Philosophie (inwieweit dieses Vorhaben überhaupt notwendig war) vorgesehen - in der Tat haben sich an der CM enthaltenen Produktion mehrheitlich tschechische Autoren (davon z . T . auch die in Bratislava wirkenden tschechischen Philosophielehrer) beteiligt. Diese „tschechoslowakisch-slowakische" Beziehung hat nach 1958 auch im akademischen Bereich merkwürdige Gestalt angenommen: neben der „Tschechoslowakischen" Akademie der Wissenschaften (in deren Präsidium tatsächlich auch die Repräsentanten der slowakischen Wissenschaft saßen) gab es parallel dazu auch die „Slowakische Akademie der Wissenschaft e n " in B r a t i s l a v a (die die entsprechenden wissenschaftlichen Revues herausgab). So gab es wohl auch ein „Institut für Philosophie" in der SAW, und eine Zeitschrift: die, gemäß der unruhigen P h a n t a s i e der Herausgeber bald „Filozofia", dann „Otazky marxistickej filozofie", später „Filozoficky casopis", zuletzt doch wieder „Filozofia" hießt - eine typische zweigleisige Existenz ein und derselben marxistisch-leninistischen Philosophie in der Tschechoslowakei...

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Von dem „Tschechischen Gedanken" hat die FC nur den Untertitel - „Philosophische Zeitschrift", nicht aber die ursprüngliche Idee (einer tschechischen Philosophie), und auch nicht den hohen Rang geerbt, der eine tschechische Philosophie und ihre Revue, ob unter Frantisek KREJCI oder unter Josef KRÄL, ausgezeichnet hatte. Die Tradition, zumindest dem Namen der Redaktionsmitglieder nach, ging scheinbar nicht ganz zu Ende; 1 8 in der Tat war die FC von der CM durch Kontinente getrennt. Nun war das Ewig-Ambivalente der tschechischen Gedankengeschichte: die FC, im Tiefpunkt aller tschechischen theoretischen Publizistik, war doch schon etwas mehr als die gar nicht tschechische „Sowjetwissenschaft-Philosophie", die von D. SLEJSKA im „Tschechoslowakisch-Sowjetischen Institut" ab 1951 (und auch noch später, als SLEJSKA bereits in der TschAW saß) herausgegeben wurde... Wer konnte sich darüber freuen?„Die Sowjetwissenschaft-Philosophie" war zwar ein erbärmliches Organ, dessen Aufgabe - Ubersetzungen richtungsmäßiger Werke der Sowjetwissenschaft aus dem Russischen zu veröffentlichen - manches verdeutlicht und nichts vorgetäuscht hat. Die Nachfolgezeitschrift der TschAW wollte aber gleich den Eindruck machen, die hohen Geister der tschechischen Philosophie hätten sich versammelt, um die Schlagsahne ihrer Weisheit dem Volke anzubieten... 18

D a s R e d a k t i o n s g r e m i u m („Der Redaktionsrat") der „Philosophischen Zeitschrift" im J a h r e 1953 läßt keinen Zweifel d a r ü b e r zu , daß es inzwischen zu einer M a c h t ü b e r n a h m e auch i n n e r h a l b der tschechischen Philosophie gekommen war. - Einen einzigen N a m e n aus dem G r e m i u m des „Tschechischen Gedankens" gibt es doch: Ladislav R I E G E R - der Chefred a k t e u r und persönlich Verantwortliche. — Diese Funktion war durch j e n e A u t o m a t i k der T s c h A W b e g r ü n d e t , a u f g r u n d deren der Kabinettsleiter zugleich der H a u p t r e d a k t e u r der entsprechenden R e v u e wurde. - N u n , nicht allzulange hat dieses Provisorium a u s h a l t e n dürfen: a b der 4 . N u m m e r der FC im J h g . 1955 kann der a u f m e r k s a m e Leser feststellen, d a ß der einzige Professor f ü r Philosophie u n t e r den Akademikern in der TschAW Ladislav R I E G E R , d u r c h den philosophischen E x p o n e n t e n der KPTsch Vl.RUML, abgelöst w u r d e . U n t e r J e u weiteren N a m e n finden wir im G r e m i u m der FC Jirina P ü P E L O V Ä (geboren 1904), Ludvik S V O B O D A (1903), O t a k a r ZICH (1908). - Alle a n d e r n d a n n schon junges Blut von 1948: Jifi C V E K L (1919), Karel K O S i K (1926), Vladimir RUML (1923), Ladislav T O N D L (1926), Milan M A C H O V E C (1925); als Redaktionssekretär (und gleichzeitig als S e k r e t ä r des K a b i n e t t s f ü r Philosophie) war der c h a r m a n t e Bedrich BAUMAN t ä t i g , ein b e z a u b e r n d e r j u n g e r M a n n , der bald spurlos verschwand und nach Jahren als Professor f ü r Philosophie in Auckland (New Zeeland) wiederentdeckt wurde. . . D a ß es bei der F C auch einen Vilem P E C H als „Sprachberater" gab, das könnte m a n , in b e z u g auf das gegebene Niveau der FC, für einen zeitgemäßen makabren Witz h a l t e n . . . — Gewisse Vorzüge h a t t e die F C , inj Vergleich zu der lokal-tschechischen CM, doch: zweisprachige (ab d e r 4. Nr. des J h g s . 1953 viersprachige) Inhaltsverzeichnisse, Russisch an erster Stelle. - Sonst war alles andere, von den Namen d e r Editoren, bis zur Q u a l i t ä t des P a p i e r s , ganz anders, nicht a b e r besser. Der Leser? - K a u m . - Schon das erste Heft, das unglücklicherweise zu STALINs Todestag erschien, h ä t t e nur mit gemischten Gefühlen akzeptiert werden können. Zwei T r a u e r p h o t o g r a p h i e n ( - von STALIN u n d vom bald d a r a u f verstorbenen Staatspräsidenten der CSR, K l e m e n t G O T T W A L D ) , beide in den G e n e r a l u n i f o r m e n . . . Die Trauertelegramme: f ü r die h a b e n der P r ä s i d e n t der Akademie, Zdenek N E J E D L ^ , und deren H a u p t s e k r e t ä r Frantisek S O R M , f ü r die Sowjetische Akademie der Wissenschaften N ß S M ß J A N O W u n d deren H a u p t s e k r e t ä r A . V . T O P C l J E V k o n d o l i e r t . . . Und darüberhinaus ein „Aufruf der K P an die „tschechoslowakischen A r b e i t e r der Wissenschaft", eine Sintflut von P h r a s e n , deren h a r t e r Kern die „Hingabe a n den großen STALIN" beinhaltete - das war der neuen R e v u e nun ungewolltes V o r w o r t . . .

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Nun, das stimmte tatsächlich nur auf dem Papier... - Die STALIN - Periode ging zu Ende, als ein ganz anderes Stichwort, „Tradition", am Horizont der tschechischen Philosophie erschien... Per Ironie der Geschichte wurde dieser Wandel durch keinen anderen als durch Zd. NEJEDL^ veranlaßt... und, und, u n d . . . Im Scheinkontrapunkt der „tschechoslowakisch-sowjetischen Freundschaft", im Symphonieorchester der wohl ewigen tschechischen Ergebenheit den „Sowjetischen Befreiern" gegenüber, setzt sich nach 1948 immer mehr der Moskauer Generalbaß durch... Im Jahre 1953 ist es schon so weit: das auf den „Großen Stalin" hinweisende Thema „Basis und Überbau" wird zur Pflichtübung aller Wissenschaften (und Künste allerdings a u c h . . . ) , und es gibt keine Möglichkeit auszuweichen... 1 9 Der Name „Persönlichkeitskult J. V. STALINs" reicht nicht, um die allgemeine Begeisterung, die das ganze Land beherrschte, zu beschreiben. Der tschechische Kleingeist bekam wieder einmal die Chance sich zu bestätigen. Den Orgien der servilen Huldigung gegenüber dem Unbekannten, dem Idol, dem Größten aller Zeiten wurden keine Grenzen gesetzt. Man hat zum ersten Male in der Geschichte der Nachfebruar-Tschechoslowakei die „spontane Initiative von unten" erwartet... Für einige schwierige „Fälle", deren Nachfebruarschicksal noch nicht entschieden war, gab es bei dieser herrlichen Gelegenheit die sozusagen letzte Chance, ihre positive Beziehung zum neuen Regime zu beweisen: die Entwicklung der Tschechoslowakei nach dem 9. Mai 45 ist übrigens eine unaufhörliche Kette der Alibismen, und das STALIN-Jubiläum war da keine Ausnahme. So sind die Mimiker ungewollt auch zum Bestandteil einer sonst besserer Taten würdigen Philosophiegeschichte im böhmischen Bereich geworden... 2 0 10 Z w i s c h e n 1953-55 erreicht die philosophische Nachfolge STALINs ihren H ö h e p u n k t : im J a n u a r 1953 wird die „Gesamtstaatliche Konferenz über die Logik, im Lichte von STALINs Arbeit „Uber den M a r x i s m u s in d e r Sprachwissenschaft" veranstaltet; im November 1953 eine ähnliche Konferenz „Uber einige Fragen der Philosophie im Lichte des Werkes von J. V. STALIN"; 1954 wird im L D H M der Philosophischen F a k u l t ä t der Karls-Universität die Diskussion ü b e r F. V. K O N S T A N T I N O V s Buch „Historischer Materialismus" veranstaltet - d a t r e t e n zum ersten Male einige kritische S t i m m e n auf . . . 20 D e r Anlaß z u r „Basis-Uberbau-Diskussion" kam von STALIN selbst - durch seine Broschüre „Uber d e n Marxismus in der Sprachwissenschaft". A n h a n d der STALINschen Kritik des sowjetischen Sprachtheoretikers Ja. N. M A R R (-einer Kritik, die wohl nur als Anlaß zu einer U m g e s t a l t u n g der sowjetischen Wissenschaft dienen sollte) wurde eine riesige und s c h m e r z h a f t e Diskussion g e s t a r t e t , der sich kein wissenschaftlicher Mitarbeiter, kein Universitätslehrer, j a bald kein öffentlich sich betätigender F u n k t i o n ä r entziehen d u r f t e . D e r marxistischen Philosophie, vor allem den „historischen Materialisten" s t a n d in diesem Fall eine entscheidend kritische Rolle z u . STALIN, J.V.: „Uber den Marxismus in der Sprachwissenschaft" („O marxismu v jazykovede", tsch.), P r a g 1950 S. d a z u : HRZAL, L . - N E T O P I L l K , J.: „Ideologischer K a m p f in der Entwicklung tschechischer Philosophie", 2. Aufl., P r a g 1983, 55-56. - Der N a m e „STALIN" ist bei den zitierten Autoren nicht mehr tabuisiert; STALINs Werke werden in der (sonst umfangreichen Bibliographie) nicht g e f ü h r t . Der Meinungswandel - von einer ursprünglich „bürgerlichen Philosophie" z u m Stalinismus ist anschaulich a m Beispiel des Rechtsphilosophen R a d i m F O U S T K A zu fassen. Ein j u n g e r M a n n einer alten tschechischen patriotischen Familie. - F O U S T K A , R a d i m (1921), als Sohn des Philosophen Bfetislav F O U S T K A , in allerbester Prager bürgerlicher Familie geboren: in seinem V a t e r h a u s gingen die Stützen d e r Masarykschen Republik, u.a. die Philosophen

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Die entscheidenden Impulse der neuen Verhaltensformen sind zwar von oben her, und unter einem starken Leistungsdruck aufgetaucht: man hat doch die „Initiative von unten her" erwartet, und dementsprechend auch die Menschen bewertet. „Man" hat sich nicht getäuscht... Das Thema „Basis und Uberbau" hat in den Jahren 1950-52 die gesamte philosophische Öffentlichkeit dermaßen absorbiert, daß man kaum einen Autor findet, der sich mit dieser Pflichtaufgabe, auch einmal etwas darüber zu schreiben, nicht konfrontiert hätte. Merkwürdigerweise hat sich für das labyrinthische Untergeschoß der „Basis" niemand interessiert: es gab keine offizielle Psychologie (nur „Physiologie der höheren nervlichen Tätigkeit" im Sinne I. P. PAVFortsetzung20:) F r a n t i s e k D R T I N A , J o s e f K R Ä L , J a n Blahoslav K O Z Ä K , a u c h E d w a r d B E N E S , u n d , nicht n u r e i n m a l , T . G . M A S A R Y K ein u n d aus. - (Eine tschechische J a m e s Mill, J . S t . M I L L G e s c h i c h t e in d e r T a t . . . ) Der V a t e r , d e r „erste tschechische P r o f e s s o r f ü r P h i l o s o p h i e " ( u n d d i r e k t e r M A S A R Y K - N a c h f o l g e r a u f dessen L e h r s t u h l ) , ein „ P r ä s i d e n t d e r Anti-AlkoholLiga" übrigens, g a l t als A u s b l ü t e d e r bürgerlichen T u g e n d e n . Sein Sohn R a d i m F O U S T K A , ursprünglich ein S y m p a t h i s a n t d e r S o z i a l d e m o k r a t i e , schloß sich z u l e t z t j e n e m Teil d e r tschechischen S P D a n , die die b e r ü h m t e Fusion m i t d e r K P T s c h 1948 vollzogen h a t . D a ß d e r G e n o s s e F O U S T K A zu s e i n e m N a m e n noch ein „ N . " ( - sein e r S o w j e t g e m a h l i n N a t a l j a z u l i e b e ) , hinzufügen b e g a n n , d a s w ü r d e m a n nicht u n b e d i n g t als ein S t r e b e n n a c h e i n e m „noch russischeren" I m a g e begreifen müssen (-die S p a n i e r , die A m e r i k a n e r t u n es a u c h . . . ) D a ß er a b e r urplötzlich z u m I n t e r p r e t e n des S o w j e t r e c h t s u n d d e r S o w j e t i s c h e n S t a a t s t h e o r i e avancierte, d a r ü b e r sind die Zeitgenossen schon etwas bes o r g t . W ä r e ein d i a l e k t i s c h e r M a t e r i a l i s m u s f ü r R . F O U S T K A noch 1946 bloß eine „Art des politischen D e n k e n s " gewesen, w u r d e bald d a n a c h J . V . S T A L I N s politische D e n k a r t zur nahezu einzig möglichen (jedenfalls vorbildlichen und persönlich verpflichtenden) Denkweise d e s P o l i t i s c h e n . W ä r e f ü r seinen V a t e r Bretislav d e r m a s a r y k s c h e S t a a t ein p l a t o n s c h e s Ideal gewesen, war f ü r seiner^ S o h n R a d i m doch die „Volksdemokratische R e v o l u t i o n " i m m e r noch d e r b e s t e Ausweg, d i e s e m u m s t ä n d l i c h e n bürgerlichen Übel zu e n t g e h e n . . . U n d , weil ein j e d e s B o n u m a u c h ein e n t s p r e c h e n d e s G e g e n ü b e r b r a u c h t , w u r d e d a s . S c h l i m m s t e den „Faschistoiden" gerne zugeschrieben. M a n k a n n sich n a c h J a h r e n d i e F r a g e stellen, was eigentlich die Juristische F a k u l t ä t (in d e n politischen K r i s e n ¡Himer u a s gewerbliche Interesse g e m e i n s a m u n d einheitlich v e r t e i d i g e n d ) sich v o n e i n e m s o l c h e n M e i n u n g s w a n d e l versprochen h a t - die E r h a l t u n g d e r R e c h t s k o n t i n u i t ä t mit d e r M A S A R Y K s c h e n T r a d i t i o n vielleicht? A n h a n d eines großen V a t e r n a m e n s vielleicht? - „ D a lachen die G ö t t e r , d a weinen d i e G ö t t i n n e n a l l e . . . " - A u s F O U S T K A s P r o d u k t i o n dieser J a h r e s.: - „ D i a l e k t i s c h e r M a t e r i a l i s m u s als A r t des politischen D e n k e n s " ( „ D i a l e k t i c k y m a t e r i a l i s m u s j a k o z p ü s o b p o ü t i c k e h o m y s l e n i " , tsch.), P r a g , P r ä c e 1946, 43 S. - U b e r R . F o u s t k a im Feb r u a r 4 8 s.: V. Cerny, „ M e m o i r e n " ( „ P a m e t i " ) , IV, T o r o n t o 1983, S.225. F O U S T K A , R . - R U M L , VI. - T O N D L , L.: „ E r g ä n z u n g e n z u r S t a a t s - und R e c h t s t h e o r i e " ( „ D o p l n k y k t h e o r i i s t a t u a p r ä v a " , tsch.), P r a g , S t ä t n i n a k l a d a t e l s t v i 1951, 94 S. F O U S T K A , R.: „ F u n k t i o n des Sowjetrechts bei d e r B i l d u n g n e u e r gesellschaftlicher Verhältnisse" ( „ F u n k c e s o v e t s k e h o p r ä v a pri v y t v ä r e n i novych spolecenskych v z t a h ü " , t s c h . ) , S V - S t ä t a p r ä v o , 1953, Nr. 2, 289-297 Von d s . s.: „Die n a t i o n a l e F r a g e " ( „ N ä r o d n o s t n i o t ä z k a " , tsch.), P r a g , S P N , 1952, 74 S. - ( J . V. S T A L I N als d i e a l l e r h ö c h s t e A u t o r i t ä t der „ N a t i o n a l f r a g e " - ein z e i t g e m ä ß e s K l i s c h e e . . . ) - D e r S t a a t : sein Wesen, seine H e r k u n f t u n d E n t w i c k l u n g " ( „ S t ä t , jelio vznik a p o d s t a t a " , t s c h . ) , P r a g , S N P L 1954. (S. auch die Rezension dieser A r b e i t bei D. S L E J S K A , „ P o p u l ä r e s B u c h ü b e r d i e S t a a t s t h e o r i e " ( „ P o p u l ä r n i k n i h a o theorii s t a t u " , t s c h . ) , NM 1954, N r . 4, 537-560 - „ D i e F r a g e d e r F a c h i s i e r u n g d e r G e s e t z g e b u n g d e r bürgerlichen Tschechoslowakischen R e p u b l i k " ( „ O t ä z k a fasizace z ä k o n o d ä r s t v i Ceskoslovenske r e p u b l i k y " , tsch.), P r a g , NCSAV, 1958, 122 S.

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LOVs), es gab keine Psychoanalyse, und dieses Wort wurde sogar strengstens tabuisiert; es gab keine Anthropologie - den Gegenstand dieser Disziplin ließ der Oberpriester der Basis-Uberbau-Götzendienste, Dragoslaw SLEJSKA, 2 1 seiner teilweise soziologischen Geschichte zum Trotz, in seinem Vorschlag der Klassifikation der Sozialwissenschaften einfach in den Gegenständen der Nachbardisziplinen aufgehen. - Der „Mensch" verschwand einfach. - Traurig.- Nun, was für ein „anthropologischer Hintergrund" hat „J.V.Stalins Persönlichkeitskult" möglich gemacht? Gab es damals noch ein „nationales" oder schon nur ein „gesellschaftliches Bewußtsein"?- Keine Antwort. - Vielleicht, um noch einmal mit J.W.Goethe zu sprechen, „Denn wenn es keine Hexen gäbe, welch Teufel möchte Teufel sein?"So stand urplötzlich der unschuldige junge Sowjetabsolvent Dragoslaw SLEJSKA, in der Mitte des gedanklichen Geschehens in der Tschechoslowakei: da er nicht nur als solcher, sondern auch als Herausgeber der, für die ganze Diskussion verantwortlichen Zeitschrift „Sowjetwissenschaft-Philosophie" ein tadelloses Echo und die fruchtbaren Ergebnisse der Diskussion garantieren mußte. Zwar war der ursprüngliche Ansatz - die Kritik der Sprachwissenschaftler - längst verjährt. Es blieb doch, als ein ahistorisches Appendix, das Thema „Basis und Uberbau" ( - d.h.die eigentliche Absicht STALINs: die Humanwissenschaften noch enger an die KP anzunähern) an der Sozialphilosophie kleben, mit welchem der inzwischen verstorbene Initiator der Diskussion seine Zeit belastet hat. - 2 2 21

Der gestrige Theologiestudierende Dragoslaw Slejska (-der seine ersten veröffentlichten Artikel mit dem Titel „ T h C " - „Theologiekandidat" - unterzeichnet h a t ) , j e t z t ein SowjetK a n d i d a t , s t a m m t aus einer ganz a n d e r e n Ecke als die übrigen der TschechoslowakischHussitischen-Kirche: etwas verwirrt, von d e m noch lebenden Nestor der tschechischen Soziologie, Emanuel C H A L U P N V in den Kriegsjahren geistig (wenn auch mit S p o t t und Ironie) e r n ä h r t , behielt schon der Adept S L E J S K A ein dickes Fragezeichen hinter seinem wissenschaftlichen V o r h a b e n , das er nun auf sowjetische Art einzulösen suchte. Durch die geistige N ä h e seiner sowjetischen Gemahlin Apolina immer tiefer in die Kreise der Sowjetwissenschaft versunken, verlängerte er sein S t u d i u m in der UdSSR um weitere drei J a h r e , und verschrieb sich, j e t z t als wissenschaftlicher Aspirant, völlig der neuen T h e m a t i k und Sprache: ja, d e r m a ß e n intensiv übrigens, daß er nach seiner Rückkehr nach P r a g die erste Landessprache d e r M u t t e r B o h e m i a zum zweiten Male zu lernen h a t t e ; nicht immer erfolgreich. Seine erste Schrift, die er tschechisch veröffentlicht hat, „Uber den Heroismus des sowjetischen Volkes", gilt noch bis heute als Schmuckstück des Stalinismus: im Fall-SLEJSKA ein bloßer Reflex der Zeit in einer e m p f i n d s a m e n Seele . . . Slejska, Dragoslav, P h D r . (-sowjetischer Titel in P r a g als Doktortitel nostrifiziert), DrSc. geb. a m 29.1.1923 in Cuprija/Zilli (heute Slowenien); studierte in P r a g Theologie, dann Philosophie; es folgten die Studien in der UdSSR; 1952 Mitbegründer des „ K a b i n e t t s f ü r Philosophie der T s c h A W " und bis zu seiner Entlassung nach 1970 wissenschaftlicher Mitarbeiter der TschAW. 1970-76 wiss. Angesstellter in Pardubitz; 1976-1983 wiss.Mitarbeiter im „Ins t i t u t der technischen Entwicklung und Informationen" in Prag; a b 1990 Konsultant des „Soziologischen I n s t i t u t s der TschAW" in P r a g . - Zwischen 1969-1989 P u b l i k a t i o n s v e r b o t . 22 E i n e n Mangel an Parteidisziplin h ä t t e m a n dem jungen Ideologen S L E J S K A nicht anlasten können: J. V. STALIN gab seine R e d e „Uber den Marxismus in der Sprachwissenschaft" heraus, D . S L E J S K A schrieb haufenweise ü b e r die Fragen der Sprachwissenschaft ( - einer Disziplin übrigens, die er in der Tat nie, als Fachwissenschaft, studiert h a t . - ) J . V. STALIN g a b sein Werk „Die ökonomischen Probleme des Sozialismus" heraus, D. S L E J S K A schrieb ü b e r die ökonomischen Probleme, nicht nur in der UdSSR; Es wurde das Werk J. W. Stalins zum T h e m a „Der Bund der Arbeiterklasse und der

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Der instinktlos gläubige Stalinist SLEJSKA ahnte von der ungewollten Ironie seiner wohl historischen Rolle nichts.Er fühlte sich in ihr völlig bestätigt:da kam seine Sowjeterudition (die innerhalb der tschechischen Philosophie mit vielen Fragezeichen versehen wurde) zur klaren, j a unverdient kriterialen Geltung. 2 3 Fortsetzung22:) B a u e r n " herausgegeben - D.Slejska schrieb also über den Bund der Arbeiterklasse mit den B a u e r n : eine nahezu sklavenhafte Ergebenheit gegenüber dem Götzen der ML-Theorie. S.: „Fragen der Basis und des U b e r b a u s im Ubergangsstadium von Kapitalismus z u m Sozialismus im Licht der Werke des Genossen STALIN über die Sprachwissenschaft" ( „ O t ä z k y zäkladny a n a d s t a v b y za prechodneho o b d o b i od kapitalismu k socialismu ve svetle praci s o u d r u h a STALINa a o jazykovede"), SV - F 1952, Nr.2, 306-311. - „Gesellschaftliche Rolle und Klassencharakter des U b e r b a u s " („Spolecenskä üloha a tridnost n a d s t a v b y " ) , SV - F 1953,, 655-6. - „Noch einmal über die Fragen des Ü b e r b a u s " („Jeste j e d n o u o otäzkäch n a d s t a v b y " ) , SV - F 1955, Nr.4, 623-624; siehe dazu auch den Beitrag einer Schülerin S L E J S K A S : T Ä B O R S K Ä , J.: „Zur Diskussion über den Überbau und seine B e d e u t u n g f ü r die L i t e r a t u r " („K diskusi o n a d s t a v b e a jejim v y z n a m u pro literaturu"), SV - F 1955, Nr.4, 645-655. Wie gesehen, s t a n d die Revue „Sowjetwissenchaft - Philosophie" ihrem C h e f r e d a k t e u r uneingeschränkt zur V e r f ü g u n g . Siehe a u c h : - „Zur tschechischen Ausgabe des Buches von G L E Z E R M A N „Liquidierung der a u s b e u t e rischen Klassen und Ü b e r w i n d u n g der Klassenunterschiede in der U d S S R " " („K ceskemu vydäni G L E Z E R M A N o v y knihy „Likvidace vykorist'ovanych trid a prekonäväni tridnich rozdilü v S S S R " ) , SV - F 1953, Nr.2, 322-331. - „Die Lehrsätze STALINs ü b e r die objektiven Gesetze und einige Fragen der Gesellschaftswissenschaften" („STALINovy poucky o objektivnich zäkonech a nektere otäzky spolecenskych ved"), SV - F 1953, N r . l , 206-258. - „Uber die Gesellschaftsentwicklung" („O vyvoji spolecnosti"), Prag, Orbis 1953, 22 S. . - „ S a m m e l b a n d der Werke sowjetischer Autoren über das Werk STALINs „Ökonomische P r o b l e m e des Sozialismus in der UdSSR" („Sbornik praci sovetskych a u t o r ü o STALINove dile „Ekonomicke problemy socialismu v SSSR"); Rezension des Buches „Zum S t u d i u m des Werkes STALINs, „Ökonomische usw". („Ke studiu dila J. V. STALINa „Ekonomicke problemy e t c . " ) , SV - F 1953, , 434-439. - „J. V. STALINs Lehre über die vorläufigen Bedingugen des Ubergangs zum Kommunismus" („Uceni J. V. STALINa o predbeznych podminkäch prechodu ke komunismu". K praci „Ekonomicke problemy socialismu v SSSR"); in: P r a h a - Moskva 1953, Nr 3, 42-58. „Die Rolle des B u n d e s der Arbeiter und Bauern beim Aufbau des Sozialismus" („Üloha svazku delnikü a rolnikü pri b u d o v a n i socialismu v nas! zemi"), FC 1955, 3, 217-245. „Einige A n n a h m e n schöpferischer Arbeit im Bereich des Historischen Materialismus" („Nektere p r e d p o k l a d y tvürci präce v oblasti historickeho materialismu"); aus der Diskussion über das L e h r b u c h „Historischer Materialismus"", FC 1955, 2, 199-210. Typisch f ü r die damalige Einstellung der R e d a k t i o n der FC: Beitrag von SLEJSKA veröffentlicht in extenso, über SVITÄK nicht berichtet. - Typisch f ü r Entwicklungsdynamik der Zeit: um zwei N u m m e r n s p ä t e r SVITÄKs Beitrag in solo („Zu einigen Fragen der Methoden des Historischen Materialismus" - „K n e k t e r y m otäzkäm m e t o d historickeho materialismu", FC 1955, 4, 369-374); mittlerweile h a t S L E J S K A die P a r t i e verloren, und wurde, als „Erzdogmatiker" von SVITÄK a b g e s t e m p e l t , b e i n a h e auf Eis gelegt.2a M a n g e l an Parteidisziplin war es also nicht, wodurch sich SLEJSKA von seinen Kollegen, in den Augen der K P T s c h - A u f s i c h t s b e a m t e n unsympathisch unterschied. Es lag jedoch seiner ganzen, sonst äußerst parteilich gedachten Tätigkeit ein Unbehagen zugrunde, das seinen Dienst an der K P s c h a t t e n h a f t vorgezeichnet h a t - die tatsächlichen Intellekte der K P (von d e r j u n g e n Generation vor allem V. RUML und R. RICHTA) lehnten den Bärendienst des eifrigen Schreibers als ein gefährliches und im G r u n d e gegen die Interessen der Partei sich entwickelndes Vorhaben a b . Und weil d e r tolpatschige Ideologe sich zumeist auch mit einer blind großrussischen Sturheit u n d einer gewissen ungewollten Arroganz des Besserwissers auszeichnete, f a n d seine sonst verdienstvolle ideologische Tätigkeit auch in der breiteren Öffentlichkeit wenig B e w u n d e r u n g .

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Der Sinn und Inhalt dieser pseudowissenschaftlichen Vielschreiberei ist undeutlich ( - vorwiegend geht es um einen bloßen Nachhall der zeitgemäß veröffentlichten Werke russischer Sprache), ihre philosophische Bedeutung ist winzig. Einen tatsächlichen Gedanken würde der aufmerksame Leser nur an einem seiner glücklichen Tage entdecken können. - Nun, der selbstbewußte Ton, der heilige Ehrgeiz des jungen Autors und sein ein bißchen komisches Charisma gehen über alles. 24 - Nun, nicht nur ein einziger Irrlehrer war schuld: die Zeit war geistig krank.- In Böhmen der 50er Jahre ging die Uhr anders. „Basis und Überbau", kein bloß förmliches Engagement der Hofphilosophen: es ging um das heiße Eisen der „Ideologie". Denn eben die „Zugehörigkeit zum Überbau" war zwingend unmittelbar mit der ideologischen Aufgabe der Wissenschaft verbunden. So beschäftigte die ansonsten wenig intelligente Frage, „was wozu gehört" (zur Basis - oder zum Uberbau? Tertium non d a t u r . . . ) auch die renommierten Forscher in den nicht nur humanwissenschaftlichen Disziplinen: so wurde die Frage nach der Rolle der Ideologie in allen möglichen Forschungsbereichen, sogar im Sportwesen, im Eisenbahngrundbau, in der stomatologischen Medizin usw. (weis uns das Protokoll der „Ideologischen Konferenz in Brünn 1952" bezeugt) bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten gestellt. - Eigentlich nur eine mechanische Konsequenz der Diskussionen über „Parteiwesen und Parteilichkeit" aus der Vor- und Nachfebruarzeit: die Jünger K O L M A N s sind von der ideologischen Servilität der Wissenschaftler empört, Fortsetzung23:) Es d a u e r t e j e d o c h z i e m l i c h lange, bis S L E J S K A z u m ersten M a l e öffentlich kritisiert w u r d e : dies geschah a u f d e m B o d e n d e r Philosophisch-Historischen F a k u l t ä t im Jahre 1955, und sein A n g r e i f e r war e b e n v o n dieser Fakultät z u m „ K a b i n e t t f ü r P h i l o s o p h i e " gewechselt, j a er war e b e n M i t g l i e d einer von D . S L E J S K A g e l e i t e t e n A b t e i l u n g des Historischen M a t e r i a l i s m u s dieses K a b i n e t t s g e w o r d e n . E r hieß I v a n S v i t ä k und stand m i t seinem „ A n t i - S l e j s k a " in den S t a r t l ö c h e r n seiner neuen L a u f b a h n . 24

D e r Allesleser hat d a m a l s , aus lauter Abscheu vor der „bürgerlichen P h i l o s o p h i e " , nie -

wie er selber ö f f e n t l i c h b e k a n n t e - ein B u c h ' von H E G E L gelesen. ( D a z u später von K o l l e g e n g e z w u n g e n , hat e r , w i e d e r seiner E r k l ä r u n g nach, die „ G e s c h i c h t e der P h i l o s o p h i e " eine „ g a n z e W o c h e s t u d i e r t , d o c h nicht einen interessanten Gedanken g e f u n d e n . . . " ) - D a s Beispiel K O L M A N s w i r k t e sich aus: auch m i t solch einer Ausrüstung war es möglich, den Rest d e r W e l t marxistisch zu e r b a u e n . . . - A l l e r d i n g s blieb er, als d i e l e t z t e A u s n a h m e , unter seinen elastischen K o l l e g e n , allein und einsam.— S.weiter: - „ D a s V e r h ä l t n i s des G e g e n s t a n d e s des Historischen M a t e r i a l i s m u s z u m G e g e n s t a n d anderer Gesellschaftswissenschaften" ( „ P o m e r p f e d m e t u historickeho materialismu k p r e d m e t u j i n y c h spolecenskych v e d " , tsch.), F C 1956, N r . 4 , 565-584 Andererseits

hatte der

sonst

immer

geradlinige

Internationalist

SLEJSKA

von

seinen

tschechisch-nationalen G e g n e r n m a n c h e Unfairness einstecken müssen, wie er selbst m i t einiger Bitterkeit b e m e r k t . - Es w ä r e d a viel zu z i t i e r e n . — A l s B e l e g m a t e r i a l z u m G e s a g t e n s.weiter z u m i n d e s t : -

„Gesellschaftliches G e s e t z und W i d e r s p r u c h " ( „ S p o l e c e n s k y zäkon a r o z p o r " , tsch.), F C

1957, N r . 5 , 710-724 -

„Produktionskräfte,

Produktionsverhältnisse

und

Veränderungen

in

ökonomischer

V e r w a l t u n g " ( „ V y r o b n i sily, v y r o b n i v z t a h y a z m e n y v hospodärskem z f i z e n i " , tsch.), F C 1958, N r . 6 , 847-860 „ U b e r G n o s e o l o g i e und ü b e r A b s i c h t l i c h k e i t " ( „ O gnoseologii a z ä m e r n o s t i " , tsch.), F C 1958, N r . l , 74 f

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allein sie war nur die Frucht der gleichen Idee. Die frühe expressive Emphase, das Herbeizitieren stalinistischer Geister und harmonisierender Kräfte der Marxismusklassiker war aber bald vorbei: bereits nach 1953 schrieb man im Herzen Europas über J.V.STALIN viel vorsichtiger - nur noch in verspäteten Collagen der tschechischen 60er Jahre spiegelt sich diese Thematik wider. - Schon damals: „Zu s p ä t " . -

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2.

1954-55: Die neue Philosophengeneration. Die Aufhebung der H P W W . Die Wiederentdeckung G . W. Fr. H E G E L s . . . . und die „bürgerliche Pseudowissenschaft", die Kybernetik . . .

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- Nur Wenige würden heute zugeben, was sie in den 50er Jahren wirklich studierten. Man wird heute glauben wollen, man studierte keinen „Dialektischen und historischen Materialismus", sondern „Ontologie" und „Gnoseologie", mitsamt etwas Psychologie... ( - Die letztgenannte Disziplin wurde damals vom Regime schlicht und einfach verboten.-) Man will heute nichts davon hören, daß man damals erniedrigende Diplome, als Bestätigung der Spezialisierung „Philosophiegeschichte und Geschichte der K P T s c h " bekam - nein, man will lieber „Neuere Geschichte und philosophische Klassik" studiert h a b e n . . . Alles Schall und Rauch. Man bekam keine Doktordiplome alten guten Stils mehr, sondern nur neue Gesellenbriefe auf sowjetische Art, mit Ernennung zum „promovierten Philosop h e n " - einem Titel, der sonst als Witz für ein Kabarett im Prager Nachtbetrieb „Reduta" (I. SV1TÄK w o h l . . . ) galt. Die neue Philosophengeneration aus den Jahren 1953-54 gehörte unter die tatsächlich Betroffenen. Nur wenige würden sich heute wieder zu ihrem damaligen Kommunismus, zu ihrem Marxismus-Leninismus bekennen - zu einer unseligen Idee, die ihnen zur lebensspendenden Basis über die ersten Hundejahre des Lebens hinweg wurde: nun, falls einer tatsächlich ein Marxist zwischen 1949-89 war, kann er sich heute nicht nur als ein bloßer „Humanist", „Demokrat" oder „Masarykianer" g e b e n . . . Das wäre zumindest unehrlich, nicht wahr. Nun müssen wir bei dieser Gelegenheit an jene Schar ML-Philosophen erinnern, deren Namen im Vorlesungsverzeichnis der halbewigen „Universitas Carolina Pragensis" im J a h r e 1954 stand.. . 2 5 „Vorlesungsverzeichnisse" der Karls-Universität der 50er Jahre: welch ein Material für einen Gewissensforscher... Das einzig gültige tschechische „ W h o ' s who": Sammelbände zur Erforschung des „sozialistischen Bewußtseins" aus einer Zeit, in welcher es um die Zukunft der Nation ging. Wer war wer im philosophischen Prag in der Epoche einer allgemeinen Moralkatastrophe? Waren es nicht die Nietzsches „Guten und Gerechten"? War es nicht die Elite der kommunistischen Intellektuellen? Wer möchte es auch noch heute bestreiten? Die neue Saat eines Ladislav S T O L L und seiner H P W W hat im Jahre 1953 die Mauern einer Karls-Universität gestürmt. Das J a h r 1953/54 ist ein Umbruchjahr - im Fachbereich „Philosophie" werden 1954 die neuen Absolventen reihenweise als Assistenten angestellt... Es handelt sich, verständlicherweise, um besonders treue Parteigenossen, sozusagen Idealisten... Ein nach wie vor nie erreichter Zustand der Universität. 2 S Übrigens wieder ein J a h r einer neuen Hoffnung: die Währungsreform schien vergessen zu sein - und man war, als Absolvent, immerhin dreiundzwanzig J a h r e j u n g . . . Im S t u d i e n j a h r 1 9 5 4 / 5 5 unterrichten an der Karls-Universität folgende Genossen und Genossinnen: Lehrstuhl des Dialektischen und Historischen Materialismus: Lehrstuhlinhaber: D o c . Dr. Ladislav Tondl St Lehrstuhlsekretäre: P h D r . Vojtech Tlusty (für die Aufgaben der Karls. Universität) + + P r o m . phil. P e t r Olsansky (für die Aufgaben der Fakultät für Philosophie) St Am Lehrstuhl werden folgende Lehrgegenstände unterrichtet: Philosophie. (Dialektischer und Historischer Materialismus)

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Das Jahr 1953/54 hat sodenn die Weiterentwicklung der ML-Philosophie in der Tschechoslowakei (ganz besonders aber in Prag) deutlich markiert - ob es ein Glück für die tschechische geistige Kultur war, darüber könnte man wohl s t r e i t e n . . . 2 0 Mit der Etablierung der Lehrer- und Studentkader der ehema(Fortsetzung25 Dozenten:

):

Fachassistenten:

Assistenten:

PliDr. Jiri Cvekl P h D r . Ladislav Tondl Miluse Krausová P h D r . Vojtëch Tlusty P h D r . Jaroslav Volek + Adamec, Josef + + D r a g a n , Vladimir + + Huláková, Marie + + Janousek, J a r o m i r + + Karásek, Josef + + Marusiak, M a r t i n + + Mleziva, Miroslav + Novotny, Jiri + + Olsansky, P e t r + + P á t e k , Zdenëk + Pokorny, Zdenëk + + P r ù c h a , Milan + + Príhodová, Eva + + Sedlák, J a r o m í r + + Svarcová, Helena P h D r . Miloslava Volková

Aspiranten:

St St

St St St St St St St St St St St St St St P h D r . Jiri Pesek RSDr. Josef Prenosil

Lehrstuhl der Geschichte der Philosophie: Leitende Professorin: Lehrstuhlsekretär: Lehrgegenstand: Philosophie (Geschichte der Philosophie) Professoren:

P h D r . Jirina Popelová-Otáhalová P h D r . Dusan Machovec

P h D r . J a n Blahoslav Kozäk P h D r . Jirina Popelovä-Otähalovä Dozenten: P h D r . Josef Benes P h D r . Milan Machovec R N D r . O t a k a r Zieh RSDr. Ivan Svitäk Fachassistenten: P h D r . Milan Sobotka (fälschlicherweise angeführt als „Dr Milan Sobota" - f ü r P r a g d a m a l s ein ganz u n b e k a n n t e r N a m e . . . ) Assistenten: P h D r . Dusan Machovec Vilem Placek Aspiranten: P h D r . Zdenek Horsky St RSDr. Miroslav Jauris Pavel M a t e r n a P h D r . Jaroslava Peskovä RSDr. Jaroslav Pomazal St Vaclav Prochäzka + St E x t e r n e Lehrer: P h D r . J a n Fiser (Mit einem Kreuzchen ( + ) werden die Absolventen des J a h r e 1953 signiert; mit zwei Kreuzchen ( + + ) die Absolventen des J a h r e s 1954: insgesamt alle bereits „Promovierte Philosophen" ( p r o m . phil.), keine „ P h D r " mehr a l s o . . . Mit d e m Zeichen „St" ( S t o l l . . . ) werden die bisherigen Studierenden, bzw. Lehrer der „Hochschule f ü r Politische und Ökonomische Wissenschaften" ( H P W W ) bezeichnet. - ) 20 D i e ML-Geschichte der Slowakei wird in meiner Abhandlung nicht eingeschlossen; ausnahmsweise nenne ich in diesem Z u s a m m e n h a n g doch drei Namen:

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ligen H P W W schien der Niedergang der einst altertümlichen Philosophischen Fakultät besiegelt zu sein. Noch niemand hat an eine künftige Radikalisierung der Universität gedacht, die wohl auf die gleichen Gründe zurückgeführt werden konnte: nun es war gerade die gnadenlose Ethik eines „revolutionären Humanismus", 2 7 die sich nach einigen Jahren gegen die immer korruptere KPTsch(Forts etzung26 ): P r o m . phil. Cenek Novotny (1931, geb. in 2irovnice, Südböhmen) P r o m . phil. Bohus J a n c a n k (1931, geb. in Veseli / March) Beide G e n a n n t e n wurden s p ä t e r Lehrstuhlinhaber in Bratislava. G a n z besondere Bedeut u n g g e b ü h r t jedoch einem Slowaken, P r o m . phil. Miroslav Kusy, der im J a h r e 1954 bei Prof. Dr. O t a k a r Zieh in P r a g promoviert h a t : Kusy, Miroslav, geb. am 1. D e z e m b e r 1931 in Bratislava; 1957-1962 Fachassistent der Fakult ä t f ü r Philosophie an der Comenius-Universität in Bratislava; 1962-1966 Dozent, 1967-1970 Professor f ü r Philosophie der Naturwissenschaften ds. Zwischen O k t o b e r 1968 und April 1969 Leiter der Abteilung für Ideologie am ZK der Kommunistischen Partei der Slowakei in Bratislava; als G.Husäks Gegner und als einer d e r H a u p t t h e o r e t i k e r des Reform-Kurses aus der KPS ausgeschlossen und b e s t r a f t (ein Arbeiter im Betonwerk in Bernoläkovo / Südslowakei), später ein Soziologe im Bereich der Urbanistik in Bratislava ( „ U r b i o n " ) . Seit November 1989 Präsidiumsmitglied des Slowakischen Nationalrates und Rektor der „Comenius-Universität"; seit 1991 Direktor der Präsidentskanzlei in Bratislava. Hauptwerke: — „ E i n f ü h r u n g in die Philosophie" („Üvod do filosofie"), Bratislava 1961; — „Uber die Theorie-Praxis-Beziehung" („O vzt'ahu teörie a praxe"), Bratislava 1962; — „Philosophie der Politik" („Filozöfia politiky"), Bratislava 1966. 27 D i e im eigentlichen Sinne verantwortlichen Lehrer sind auch d a beim N a m e n zu nennen — es sind die Seminarinhaber Ladislav Tondl (Seminar des Dialektischen Materialismus), Jiri Cvekl (Seminar des Historischen Materialismus), Milan Machovec (Seminar f ü r Geschichte d e r tschechischen Philosophie), Mirko Noväk (Seminar f ü r Ästhetik) - ganz besonders in diesen Seminaren wurden die „ I n t a k t e n " (des ehemaligen H P W W ) f ü r ihre Diplomarbeiten vorbereitet - in diesen Seminaren g a b es beinahe tödliche Konzentration der „Parteilichkeit", die jeglichen freischwebenden philosophischen Geist zum Stillschweigen f ü h r t e . Zu einigen N a m e n der aus d e r H P W W kommenden Assistenten des Dialektischen und Historischen Materialismus: - Vladimir D r a g a n (geb. 1931 in Dacice / S ü d b ö h m e n ) , späterer Lehrer des DHM an der Naturwissenschaftlichen F a k u l t ä t der UK; - Josef A d a m e c (geb. 1930); absolvierte im M.Machovec - Seminar im J a h r e 1953. Josef A D A M E C , einer der „Arbeiterkader" der neuen Generation, ein gelernter Schneider von eifriger Erkenntnisneugier und wütender Lebenskraft, einer d e r „Neuen Wilden" der Philosophie, der alle Ideale d e r K P T s c h mit erschreckendem E m s t aufgriff: ein solcher, der sich f ü r „alles, was geschieht", als K o m m u n i s t eben, verantwortlich f ü h l t e . . . Der beste Weg also, im Milieu der halbherzigen und heuchlerischen Halbmarxisten zu s c h e i t e r n . . . Aus seinen Arbeiten s.: „Der dialektische Materialismus" (tsch.) FC 1959, Nr.2, 266-170 A D A M E C , Josef T L U S T i , Vojtech: „Philosophische Fragen der Genetik" / t s c h . ) , FC 1964, Nr.3, 439-442 A D A M E C , Josef - C E R N ^ , Milos: „Ideologische Probleme der gegenwärtigen Genetik" (tsch.), FC 1964, Nr.5, 717-724. Marie Huläkovä (1929), erste K P T s c h - D a m e in einer sonst grauenvollen Schar der Philosophen; slowakischer Herkunft. - Sie f ü h r t e lebenslang das K P T s c h - W o r t in den Versammlungen und war oft als Vorsitzende der KPTsch-Organisation (ob schon in der KPTsch-Parteihochschschule oder im „Institut f ü r Philosophie" der TschAW aktiv tätig; sonst hat sie ihre Kandidat-Dissertation („CSc.") zum T h e m a „Sozialistische K u l t u r " geschrieben; J a r o m i r J a n o u s e k (1931), s p ä t e r e r Professor der Psychologie (bis 1989) wurde als eines der Talente nach Moskau zum S t u d i u m geschickt — ein Wissenschaftler u n t e r den Ideologen, t r o t z d e m im November 1989 zu leicht b e f u n d e n . . . Jozef (Josef) Karäsek (1931), ein sich wechselweise als Tscheche oder Slowake gebender M a n n , der jedoch von der slowakischen Seite nicht f ü r echt-slowakischer Repräsentanten

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Bürokratie, und gegen den immer parasitären „sozialistischen Staat" wenden sollte: so wurde aus den übereifrigen Mitgliedern einer kommunistischen Jugend (Fortsetzung11): g e h a l t e n wurde; M a r t i n Marusiak (1932) demgegenüber „der Slowake" (was im damaligen Prag, wenn nicht g e r a d e als C h a r i s m a , d a n n sicher als ein Beruf gesehen w u r d e . . . ) M. Marusiak war ein beinahe schulmäßiges Beispiel eines durch die Februar-Revolution geprägten Philosophen, der nur d a n k dem kommunistischen Regime eine C h a n c e bekam, in der theoretischen Philosophie eine Rolle zu spielen. Im Normalfall des Geschichtlichen h ä t t e er wahrscheinlich n u r den Weg zu einer Dorflehrerstelle offen g e h a b t . Eines Dorfes übrigens in der tiefsten Slowakei, woher er auch kam. Nun b e k a m er dank dem Februar die Chance: er hat mit einem mächtigen Sprung den Posten eines Berufsphilosophen erreicht. So h a t ihm erst der Erfolg von G.Husäk im J a h r e 1969 eine tatsächliche Befreiung geb r a c h t - „was war, das war" galt damals, und MARUSIAK hat sich gerne und öffentlich zum neuen Kurs b e k a n n t . . . I m J a h r e 1955 h a t t e wohl auch er den Eindruck gemacht, mit dem „Stalinismus" ä u ß e r s t unzufrieden zu sein . . . - M e h r möchte ich dazu nicht sagen. - z u m Biographischen des G e n a n n t e n s.: M A R U S I A K , M a r t i n (1932), geboren in Hybe in der Nähe von Krivän, s t u d i e r t e in P r a g zwischen 1950 und 1954 an der H P W W und folgte u n m i t t e l b a r danach dem Ruf eines Assis t e n t e n f ü r Philosophie. — Nach 1968 starker Befürworter der neuen, „slowakischen" Regierungslinie und vielleicht infolgedessen auch einer der Stabilisatoren derselben. Aus seinem Werk s.: - „Die Probleme d e r E h e und der Familie" („Problemy manzelstva a rodiny", slow.), P r a g 1963 - „ M a r i e Ossowska — „Moralnosc mieszczariska" (slow.), FC 1958, Nr.6, 610-620 M A R U S I A K , M.: „Sozialpsychologische Aspekte im Werk von V.I.LENIN" („Sociälnepsychologicke a s p e k t y v diele V.I.LENINa", slow.), FÖ 1970, Nr.4, 690-701 - In d e r H R Z A L - N E T O P I L l K - Bilanz fehlt sein Name. Miroslav Mleziva (geb. 21. März 1929 in Pilsen - frühzeitig a m 6. Mai 1990 in P r a g verstorben) seit 1954 Assistent, a b 1958 Fachassistent an dem Lehrstuhl f ü r Logik (Prof.Dr.O.Zich) der Philosophischen F a k u l t ä t ; 1964 habilitiert ds. M. Mleziva, ursprünglich einer der „revolutionären K a d e r n " der Philosophischen F a k u l t ä t , h a t sich im Laufe d e r J a h r e immer tiefer ins Studium der Naturwissenschaften, der logischen S e m a n t i k und den sog. „non-klassischen Logiken" gewidmet. Ans seinem Werk s. vor allrm: - „Uber die drei-Werte-Logik" („O trojhodnotove logice"), P r a g 1964; - „Non-klassische Logiken" („Neklasicke logiky"), P r a g 1970. - J i f i Novotny (1930), aus d e m Milan Machovec Seminar verschwand bald im diplomatischen Dienst; P e t r Olsansky (1931), d e r seine organisatorischen und pansophischen Neigungen zuerst der F a k u l t ä t f ü r Philosophie, s p ä t e r dem Lehrstuhl f ü r Philosophie der Medizinischen Fakultät in den Dienst gestellt h a t , hat leider Gottes, sein großes Buch nie abgeschlossen; Zdenek P ä t e k (1929), ein Arbeiterkader ( - gelernter G ä r t n e r ) h a t sich meistens als KPTschF u n k t i o n ä r öffentlich profiliert; bald ging er zur Hochschule f ü r Landwirtschaft über und w u r d e dort L e h r s t u h l i n h a b e r der Grundlagen des ML. Dieser kernige, herzensgute Mann h a t sich gegen den A p p a r a t in den „Krisenjahren 68-69" gestellt und wurde auch dementsprechend bestraft: seine besten J a h r e mußte er als Versicher u n g s v e r t r e t e r der Tschechoslowakischen Versicherunsanstalt verbringen; Zdenek Pokorny (1929) versuchte wiederholt (und zwar siebenmal n a c h e i n a n d e r . . . ) eine Stelle eines „wissenschaftlichen Aspiranten" des „Institutes f ü r Philosophie" zu erwerben: erfolgslos. . . Vielleicht h a b e n sich gegen ihn unsichtbare K r ä f t e persönlicher Art a u s g e w i r k t . . . ; Milan P r ü c h a (1931), einer der drei nach Moskau geschickten Hoffnungsträger (gemeinsam mit J a r o m i r J a n o u s e k u n d E d u a r d Urbänek übrigens), ein geborener Diskussions-Leader, ist 1968 nach Deutschland emigriert. - Eva P r i h o d o v ä (1931), s p ä t e r mit dem Kollegen-Assistenten Oldrich Prochazka verheirat e t (als „Pfihodovä-Prochäzkovä", resp. „Prochäzkovä" u m g e n a n n t ) , eine Arteitsbiene, h a t ihrem Lehrstuhl widerstandslos, und zwar gut gedient; - J a r o m i r Sedläk (1925), ein vielbegabter KPTsch-Politiker, ein Mann mit erstaunlichem

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der Hochschule f ü r P o l i t i k ein R i s i k o f a k t o r N r . 1. Und dank diesem unerwarteten Geschenk ( - keineswegs dank der eigenen „subversiven K r ä f t e " - von w o sollte m a n sie j a herkriegen!) wurde j e t z t d i e Philosophische Fakultät zur gut v o r b e r e i t e t e n Z e i t b o m b e , zur „ A n s t a l t für allgemeine V e r u n s i c h e r u n g " . . . Diese G e n e r a t i o n der M L

Philosophen kennt keinen laschen

Liberalismus:

nein, diesen „neuen M e n s c h e n " ist nichts radikal genug. U n d d i e Folgen des überspitzten S T A L I N - und K I R O W m a r x i s m u s ( „ w i e eine reine F l a m m e zu b r e n n e n ! " ) traten und treten m i t der theoretischen Orientierung dieser jungen Menschen g e h ä u f t zutage. - Nun hat auch der parteitreue M a r x i s m u s seine G r e n z e n : übertriebener

M a r x i s m u s war ein kranker Marxismus, wie sich

bald schmerzlich zeigen sollte. Eine echte, d.h. hinterlistige Marxsche Dialektik, w u r d e eigentlich nie erreicht: jegliche Falschheit, j e d w e d e Halbherzigkeit und Unentschiedenheit lag diesen jungen Philosophen fern. I m Jahre

1954 ist es vor a l l e m der G O R B A T S C H O W - J a h r g a n g

1931, der

in den B r e n n p u n k t der politischen Philosophie k o m m t . Vergessen wir dann nicht, es ist eine hoffnungsreiche G e n e r a t i o n der K P T s c h : sechs Jahre nach der kommunistischen M a c h t ü b e r n a h m e i m Februar 48. Es sind i m m e r noch nur h a l b b e w u ß t e P r o d u k t e ihrer Z e i t , diese j u n g e n Philosophen. U n d wie i m m e r auch noch ein unbeschriebenes B l a t t , ist doch auch schon diese Generation durch die Erbsünde des K o m m u n i s m u s v o r b e l a s t e t . . . U m d e m unzutreffenden Eindruck entgegenzuwirken, die genannte j u n g e Philosophengeneration als eine alternative Parallele der einzig ernstzunehmenden „bürgerlichen P h i l o s o p h i e " aufzufassen, bleibt daher noch viel, viel zu ergänzen. - Schon deswegen, daß, in der gegebenen Gestalt, diese G e n e r a t i o n eigentlich bestens nur für eine e i n z i g e A u f g a b e - eine „humanistische" A p o l o g i e des M a r x i s m u s - L e n i n i s m u s - erzogen wurde. D i e Lehrer dieser G e n e r a t i o n haben sehr viel d a f ü r g e t a n , um unter der studentischen Jugend eine kritische Einstellung zur spätkapitalistischen Gesellschaft zu wecken: ganz wenig j e d o c h , u m den W e r t einer philosophischen W a h r h e i t zu bewahren. D i e g e n a n n t e „ P a r t e i l i c h k e i t " galt d a m a l s allerdings für die erste, sehr ehrenvolle Eigenschaft eines j e d e n K P T s c h - G e n o s s e n , eines „ K ä m p f e r s an der Front der P h i l o s o p h i e " . . . O d e r , über d i e des Genossen L . S T O L L historische S c h u l d . . . Vergessen wir auch nicht, daß diese G e n e r a t i o n j u n g e r M a r x i s t e n bald scheitern muß: entweder an ihrer K r i t i k des K o m m u n i s m u s (was m i t den individu(Fortsetzung27 ): Selbstbewußtsein, hat in den A r m e i l der Prager A l m a M a t e r nur kurze Zeit verweilt: seine Ambitionen führten ihn zunächst zur KPTsch-Partei-Hochschule in P r a g , dann in die ideologische Redaktion der K P T s c h - Z e i t u n g „ R o t e s R e c h t " . - Später als Kulturattache der Tschechoslowakei in London,; dann Botschafter in Sri Lanka; nach 1968 (das er als einer der dogmatisch-parteitreuen gut überstand) wurde er Direktor des „Institutes f ü r Politik und Ö k o n o m i k " in P r a g . - Nach der „Wende 89" einer der aktivsten Antreiber einer neuen Kommunistischen Partei der Tschechischen Republik. — Helena Kucerovä-Svarcovä (1931), später die First L a d y der KPTsch-Partei-Hochschule, hat an der Philosophischen Fakultät begonnen; ihr unbestreitbares politisches Talent hat ihr bald neuen R a u m innerhalb der K P T s c h - I d e o l o g i e angeboten; nach dem 68er Panzereinzug wurde auch sie auf Eis gelegt; Von ds. s.: „ U b e r die Ergebnisse usw." ( „ O vysledcich pracovni porady o dejinäch ceske a slovenske filozofie v Bratislave" tsch.), F C 1963, Nr.3, 468-486.

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eilen Tragödien bezahlt wird), oder an einer schicksalhaften Zustimmung zu einem Panzer-Kommunismus nach August 68. Andererseits, war es eben die schwarz-weiße Wertekonfrontierung, die der KPTsch ihre entscheidendsten Gegner gebracht hat. - Die Kehrseite der Medaille: das ideologische Monopol eines Marxismus-Leninismus hat, ungewollt, auch die späten Abtrünnigen im Schoß der KPTsch heranwachsen lassen, ja, er hat diese „mit geschichtlicher Notwendigkeit" produziert... Nun hatte hier der zwischen Glaube und Vernunft gespannte Spagat zur Folge, daß die einsetzende Krise eines ML - Historismus zu einem Umschlag zukunftsoffener Kulturaneignung in zukunftsskeptische Kulturkritik führte. Oder, in anderen Worten gesagt, die Schuld der wissenden, älteren Philosophielehrer (einen J. B. KOZÄK nicht ausgenommen) war im Bereich der Philosophiegeschichte womöglich noch größer als in jenem „dialektischen und historischen Materialismus", der sowieso von dem KPTsch-Apparat nie ernst genommen wurde... Ahnliches wie über die „dialektischen" Materialisten und hysterischen Materialistinnen gilt auch für den Lehrstuhl der Philosophiegeschichte. 28 Nur die Thematik hat die Angestellten dieser Hälfte des wohl gemeinsamen ML-Faches unterschieden. Bemerken wir noch, daß am Rande dieses Erdrutsches auch der nun neue Professor für Ästhetik, Mirko Novak, seine Interessen nicht dem Zufall überlassen hat - ein neuer „Lehrstuhl für Ästhetik und Kunsttheorie" war in statu nascendi...29 28

D i e meisten Philosophen wurden oder werden anderswo in meinem T e x t genannt: von den N i c h t g e n a n n t e n bleibt zu bemerken: - Jaroslav P o m a z a l (1927), ein lieber, bescheidener Mann (der sich nicht durchzusetzen wußte), ein Spezialist f ü r die Fragen der russischen Philosophiegeschichte, verschwand im L a u f e der Zeit von der philosophischen Bühne öline eine deutliche S p u r zu hinterlassen; - Vaclav P r o c h ä z k a (1930), auch ein „Arbeiterkader" aus dem Milan Machovec Seminar (wo er sich mit den ..philosophischen Aspekten des Karel Havlicek Borovskys-Werk" beschäftigt h a t ) w u r d e im K r i s e n j a h r 68 aus der KPTsch ausgeschlossen und wurde zwangsweise zum T r a m f a h r e r d e r G r o ß s t a d t P r a g befördert. - Erst nach der „Wende 89" zurückgekehrt. - I m J a h r e 1954 gehören auch Jaroslava Peskovä mit ihrem Mann Jiri Pesek z u m G r u n d kader der Philosophischen F a k u l t ä t . J.Peskovä fühlt sich weder mit den hektischen noch mit den dialektischen Materialisten innerlich verbunden - die spätere Geschichte wird es auch genug hochzuschätzen wissen. Aus ihrem Werk s.: P E S K O V Ä , J a r o s l a v a : „Philosoph und Mensch Frantisek K R E J C I " („Filozof a clovek Frantisek K R E J d " , tsch.), F C 1958, Nr.6, 923-932. 20 „Lehrstuhl f ü r Ästhetik und Kunstgeschichte (wird gerade errichtet)": Leitender Professor: P h D r . Mirko Noväk Lehrstuhlsekretär: P h D r . Dusan Sindelär Leh rgegenstände: Geschichte d e r Ästhetik Allgemeine Ästhetik Professor: P h D r . Mirko Noväk ( - seine damalige W o h n s t ä t t e war noch in B r ü n n , unter charakteristischer Anschrift „Stalins-Garten 3 5 " . . . ) D o z e n t : P h D r . J a r o m i r Lang Fachassistenten: P h D r . Dusan Sindelär P h D r . P e t r Tucny (ein b e r ü h m t e r Entdecker der sozialismusfreundlichen Schaufelstiele: die A r b e i t e r sollten auch bei der schwersten Bergarbeit ästhetische Gefühle s p ü r e n . . . ) Aspirant: P h D r . Oldfich Vyhnalik

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Und auch der Fachsoziologe Karel GALLA hat bis dato seinen Umzug (mit der wichtigen Zwischenstation „Historischer Materialismus") vollzogen; er hat sich nun als „Professor für Pädagogik" 3 0 an der Philosophischen Fakultät der Universitas Carolina etabliert. Die beginnende Krise der tschechoslowakischen „sozialistischen Gesellschaft" scheint sich auch in der Philosophie bereits im Jahre 1955 zu zeigen. Es mehren sich Anzeichen der Radikalisierung auch im Bereich der sowohl universitären 31 30 S i e h e die Belegschaft des „Lehrstuhls für Pädagogik": Leitender Professor: Akademiker Otakar Chlup Lehrstuhlssekretär: Paed. Dr. Richard Sedlaf Lehrgegenstand: Pädagogik. Professoren: P h D r . Karel Galla Akad. O t a k a r Chlup E x t e r n e Lehrer: Doc. RNDr. et Paed. Dr. Frantisek Kahuda (der spätere Minister f ü r Schulwesen) Doc. R N D r . Frantisek Hyhlik P h D r . Pravoslav Hykes. Es könnte dabei am R a n d e der Zusammenhänge ein zeitgemäßes Wortspiel erwähnt werden: - „Was ist eigentlich Wissenschaftliches an der Kom-Pädagogik"? - „Nicht einmal ein H a a r . . . " ( - tschechisch: „Ani Chlup!") 31 Verfolgen wir zunächst die S t r u k t u r der Philosophischen Fakultät im Studienjahr 1955/56. Unter der Ägide des nach wie vor „Lehrstuhlvorstands" Ladislav Tondl h a t sich in der Zwischenzeit eine ziemlich gefährliche G r u p p e der zu manchen Dingen bereitwilligen Mitarbeiter herausgebildet: - RSDr. Josef Prenosil ( - der berüchtigte Präger „Partei- Jose"), ist mittlerweile kein einfacher „wissenschaftlicher Aspirant" sondern ein „Fachassistent" geworden; - sein damaliger Alter ego, Jan Beränek, d e r spätere Professor und Direktor des „Institutes des ML an der Karls-Universität" der 70er und 80er Jahre, hat mit J.Prenosil ein Zweigespann der T h r o n a n w ä r t e r in einmütigem Schulterschluß gebildet; - der Dritte im Bund, ein engster Freund der beiden Genannten, P h D r . Jaroslav Klofäc (ein bisheriger Stellvertretender Direktor des ML am Prager Technikum), ist ebenso wie sein anderer Freund, Vojtech Tlusty, an die Anti-Tondl Seite gewechselt; - u n d die ganze G r u p p e dieser KPTsch-Ideologen hat eine Rückendeckung von Miluse Krausovä (sonst eine verträumte, liebe Seele) bekommen. Im Abgrund des K P T s c h - A p p a r a t s verschwand zwar der Oberdemagoge J a r o m i r Sedläk s t a t t dessen wurde der Lehrstuhl um neue Assistenten (d.h. neue Absolventen) erweitert es sind: - P r o m . phil. Bretislav F a j k u s (1932); St - P r o m . phil. Ivan K u c h ä r (1932); St - P r o m . phil. Anita Kristlovä ( - die jedoch bald scheitern wird: es sollte unter anderem nicht nur ihre Schuld sein); - P r o m . phil. Miroslav Skyba (1932); St - P r o m . phil. Ivo Tretera (1932); St - P r o m . phil. O t a Zähora (1932); St Außerdem wird ein älterer Kollege, P h D r . Oldrich Prochäzka, angestellt. Unter den wissenschaftlichen Aspiranten lesen wir nun folgende Namen: - Zdenek Dubsky - Ing. Miloslav Kral (ein ehemaliger Bauingenieur, dessen Weg in KPTsch-Parteihochschule bald f ü h r e n wird); - P r o m . phil. Miroslav Kusy (1931) — der mit der Verspätung eines Semesters promoviert hat; - P h D r . Jiri Pesek. Außerdem „Externe Lehrer": - Dr. Zora Pazourkova - Alois Svec

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als auch akademischen Philosophie. Ladislav T O N D L gerät nun bei jeder Sitzung seines Lehrstuhls unter Beschuß: von einer Seite schießen die „Fundamentalisten" P R E N O S I L k Comp.; auf der anderen Flanke steht, als eindrucksvoller Solitär, doch nicht unwirksam - eine Sphinx, J. B. K O Z Ä K , dessen platonisch erhabene Maske stillschweigend zum Maß aller Dinge eines wirklichen Universitätsprofessoren wird. Die Freunde von L. T O N D L - M. M A C H O V E C , J. C V E K L , 0 . ZICH, können die drohende Krisis nicht endgültig entschärfen. Es muß alles bestens für einen coup d'etat vorbereitet sein. - Der Maulwurf der Geschichte wühlt weiter. Und auch aus dem Studienprogramm beider philosophischen Lehrstühle läßt sich auch zwei Jahre nach J. V. S T A L I N s Tode sehen: 32 der „Geniale" lebt in den Vorträgen seiner dienlichen Gelehrten bis zur „Umwertung aller Werte" am X X . Parteitag der K P der Ud SSR weiter... Fortsetzung1): Und auch der „Lehrstuhl für die Geschichte der Philosophie wird „parteilich gestärkt" - es kommen als neue M i t a r b e i t e r dazu: - Jindrich Srovnal (1926), der wohl erste sowjetische „ K a n d i d a t der philosophischen Wissenschaften" ( „ C S c . " ) der Philosophischen Fakultät P r a g ; seinen Titel hat er am Moskauer „ I n s t i t u t der Sozialwissenschafteil" ( - I n s t i t u t der K P der U d S S R ) erworben; bald wird er als erster Philosoph des (einmal wieder von L . Stoll geführten) K P T s c h „Instituts der Sozialwissenschaften" an der KPTsch-Parteihochschule in P r a g installiert. (-Dieses Institut wird nun für ewig als „ S t o l l - W e r k " a b g e s t e m p e l t . . . ) Es sollte bemerkt werden, daß Jindrich Srovnal bereits seit 1949 als Assistent der Philosophiegeschichte an der H P W W unter L . Stoll gedient hat. - Unter den Assistenten des Lehrstuhls können wir drei neue Namen lesen: P h D r . Karel Berka - d e r aus der Universität Brünn zur Karls-Universität gewechselt war, nachdem er bereits 1954 den W e t t b e w e r b der neuen „wissenschaftlichen A s p i r a n t e n " der T s c h A W erfolgreich bestanden hat; er wird bald zu den Stützen von Prof. Otakar Zieh gehören; - Protn. phil. Milena Jetmarovä (1931), eine Hörerin von Jirina Popelovä, auf „Geschichte der tschechischen Philosophie" (in einer verdeckten Konkurrenz zu Milan Machovec und in herzlicher Zuneigung zu ihrer Lehrerin agierend) spezialisiert. - Nicht viel später wird sie „ M i l e n a T l u s t ä " (als Gemahlin von Vojtech T l u s t y ) heißen; - P r o i n . phil. E v a M l y n ä r o v ä (1931), eine Absolventin der Lomonosow-Universität in Moskau, die nach P r a g mit ihrem neuen Gemahl Zdenek Mlynär (1930), dem späteren W i e n e r Emigranten, kam. - Nicht viel später läßt sie sich scheiden und soll Jiri Sotola, den Dicliterkönig der sozialistischen Tschechoslowakei, heiraten, um die Last der Philosophie lieber zu vergessen.— - U n t e r den „wissenschaftlichen Aspiranten" lesen wir wieder die Namen: - P h D r . V l a d i m i r Horsky - der zur Philosophie eigentlich von der Mathematischphysikalischen Fakultät gewechselt war. - Auch V. Horsky wird 1968 nach Deutschland emigrieren: er b e k o m m t eine Bibliothekar-Stelle im Bundesinstitut für Internationale und Ostwissenschaftliche Studien ( B l O s t ) in K ö l n , dessen ideologische Hauptaufgabe der K a m p f gegen den Kommunismus wird. Nicht uninteressant, daß B l O s t dem westdeutschen Innenministerium untergeordnet wird. - Übrigens bleibt Horsky auch in Westdeutschland ein Marxist, ein „Sozialist mit menschlichem G e s i c h t " . . . Die N a m e n der anderen Mitaspiranten bleiben bestehen. - Und - unter den „Externen Lehrern" können wir den Namen von Ivan Svitäk lesen, der mittlerweile zum „ K a b i n e t t für Philosophie der T s c h A W gewechselt ist. 8 2 I m letzten Studienjahr vor dein genannten Anti-Stalin Parteitag lesen folgende Damen und Herren u. a. Folgendes: - L . T o n d l : - „Marxistische Erkenntnistheorie"; - „ S e m i n a r des Dialektischen Materialismus"; - V . T l u s t y : - „Dialektischer Materialismus"; - „Grundkategorien der materialistischen T h e o r i e " ; - „ A n a l y s e von V.I.Lenin „Materialismus und Empiriokritizismus";

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Nach einer Antwort wird nun bei H E G E L gesucht. Ein Hegelianismus - ein „auf den Kopf gestellter M A R X " - wurde zur herrschenden Philosophie in der kommunistischen Tschechoslowakei nach 1948. Nun gab es aber kaum etwas, was man auf den Kopf stellen könnte, weder von der marxistischen noch von der hegelianischen Seite. Sowohl H E G E L als auch M A R X waren im Lande (und gar nicht schon im Originalton) kaum bekannt. Der tschechische Marxismus hat also seine Existenz von Anfang an unter falschen Vorgaben gestartet - und falsch war auch die Entscheidung der „progressiven Marxisten", gegen einen sowjetisch karikierten „dialektischen Materialismus" einen echten H E G E L zu stellen. Nicht einmal ein Ernst KOLMAN selbst hat einen H E G E L in dessen Originalsprache zitieren können. Etwas ähnliches betraf die „Klassiker des Marxismus-Leninismus" höchstpersönlich. Nach 1948 wurden die Schriften von Karl M A R X und Friedrich E N G E L S in riesigen Auflagen verlegt: unvergleichbar mehr als sämtliche bisherige im Tschechischen erschienene philosophische Literatur auch umfassen durfte. Nun wurden die kilometerweise in den Bibliotheken stehenden Politbücher vom „Mann auf der Straße" kaum, j a gar nicht, berührt: fremd sind sie für die „Arbeiterklasse" geblieben, ebenso fremd wie die Marxisten-Kaste selbst. Es klebte auf dieser Intellektuellenschicht ein uralter Fluch: die Marxisten waren Fremdlinge im eigenen Lande, im eigenen Volk. Eine gehaßte Elite schlechthin. - Hegel und die Slawen: 3 3 ein großes Thema, das nach Dmytro Tschizewskij kaum ein kompetenter Autor noch behandelt hat. Nun, nicht nur an der Moldau wuchert die Seuche: auch von Moskau her wird die neue tschechoslowakische Marx-Lenin-Philosophie von einem Landsmann unterstützt, der sich überraschenderweise zu Wort meldet. - Ernst KOLMAN. Eine Stimme aus dem geistigen Jenseits? - Lebt der Autor noch? Nein? (Oder hat es ihm noch keiner gewagt zu sagen, daß ihn die Tschechen gerne vergessen haben?) - Die Propheten haben sieben Leben. - Mit der von ihm in zahlreichen Selbstdarstellungen entwickelten Manier bestimmt Ernst KOLMAN, der virtuose Demagoge, die philosophische Orientierung des tschechischen Marxismus: oder Fortsetzung^2 ): - J . Cvekl: — „Uber die Rolle der Volksmassen und der Persönlichkeit"; - „Probleme unserer Kulturrevolution"; — „Seminar des Historischen Materialismus"; - J . Srovnal: - „Geschichte der M L Philosophie"; - J . Klofac: - „Historischer Materialismus"; - „Seminar des Historischen Materialismus"; - J . B e n e s : - „Geschichte der vormarxistischen Philosophie"; - „Kritik der bürgerlichen Philosophie des X I X . und X X . J h s . " ; - M . Machovec: - „Bürgerliche Philosophie in Böhmen in X I X . und X X . J h . " ; - J . Otähalovä: - „Geschichte der russischen Philosophie"; - „ E t h i k " . - S u m m a : ein Traumprogramm einer leninistischen Philosophie. s s D i e allererste Diskussion auf den Seiten der neuen „Zeitschrift für Philosophie" betrifft nicht per Zufall den Zutritt zu Hegel. Es polemisieren L.Rieger und J.Cibulka, beide auf Grund der Kenntnis der Originalsprache Hegelscher Werke. ( J . Cibulka hat bei den ersten Ubersetzungen der Werke Hegels ins Tschechische nach 1948 mitgewirkt; L. Rieger war mit der deutschen klassischen Philosophie gut vertraut.) Eine Seltenheit in der T a t . - S . zu diesem T h e m a im weiteren T e x t (H. Marcuse, G. Lukäcs etc.)

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versucht sie zumindest zu bestimmen. - Un genre pittoresque. So werden die von K O L M A N vor sechs Jahren geschilderten Lustschlösser des Kommunismus erneut gemalt: in einer vornehm zurückhaltenden Terminologie eines Wissenschaftlers, der vor mathematisch-physikalischen Worten nur so strotzt, wird die Absicht Kolmans - nach Prag zurückzukehren - nun anschaulich: hinter der trügerischen Fassade seiner Rede steckt doch der alte, stalinistisch unversöhnliche und rücksichtslos polemische Hexer. - Ein Irrtum mit dreiundsechzig? - Oder eher eine unheilbare philosophische Krankheit? - Ernst K O L M A N läßt wiederum von sich reden: „Die Kybernetik wird von den Obskuranten dazu ausgenützt, die bürgerliche Soziologie und idealistische Philosophie zu „erfrischen" und ihnen ein wissenschaftliches Ansehen zu verleihen... " 3 4 - Eine Verkündigung. - „So spricht der Herr". - Der Autor wurde später viel zitiert. Und, obwohl er mit seinem Artikel vielleicht nur sein wissenschaftliches pouvoir wiederbeweisen (und sich als Berufsphilosoph von neuem wieder zu etablieren) suchte, wurde er dieses Artikels wegen öfters als philosophischer Reaktionär g e n a n n t . . . - Jedenfalls ein Beweis der tatsächlichen WeltaufFassung KOLMANs: die Kybernetik ist für ihn nicht unbekannt, sogar nicht ganz unsympatisch; sie ist doch, so KOLMAN, durch die „ideologische Gefahr" belastet, daß man durch ihre Vermittlung eine „bürgerliche Soziologie" ( - in der Tschechoslowakei in der U d S S R gab es sie damals nicht) und „idealistische Philosophie" wieder ernst nehmen kann. - Also „was heißt denn eigentlich eine Kybernetik?" - Ernst KOLMAN war im J a h r e 1955 für eine Berufsphilosophie ein für allemal abgeschrieben: schon durch sein hohes Alter an der Grenze des Möglichen. Und für die Sowjetphilosophie einfach nicht mehr brauchbar. - Von einer Rückkehr nach Prag konnte man nur t r ä u m e n 3 5 - nur der überraschende Stimmungswechsel, der nach 1956 zum Vorschein kam, hat den Gedankem an ein mögliches Engagement KOLMANs in der tschechischen Philosophie wieder möglich gemacht. - Die Kybernetik, die bürgerliche Pseudowissenschaft. - Ein drastisches Gegenüber zur „Jan-HUS-Diskussion". - Aber das ist eben das Interessante an den Philosophen: man fühlt sich für alles zuständig. -

3 4 K O L M A N , Ernest: „Was heißt Kybernetik?" („Cto takoje kibernetika?", russisch), i.d. „Fragen der Philosophie?" Voprosy filosofii, 1955, 4, 148 f 3 5 U b e r s i e h t man nun, von heutiger Perspektive her, die überraschend vielen Artikel, die A. K O L M A N nach 1956 in der Tschechoslowakei veröffentlicht hat, zwingt sich der Gedanke auf, die Hintermänner der tschechischen Kultur haben vielleicht schon damals seinen zweiten P r a g e r Auftritt vorbereitet . . . S . : KOLMAN, A.: „Kategorien der materialistischen Dialekt i k " , I, F C 1957, 1, 117-131; I I . Teil, F C 1957, 3, 441-456; („Quantität und Qualität" 4 4 1 - 4 4 4 ; „Notwendigkeit und Zufälligkeit", 448-451; „Das Außere und das Innere", 451-453; „Inhalt und F o r m " , 4 5 4 - 4 5 6 ) -

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3.

1956: Der XX. Parteikongreß der K P UdSSR und seine Auswirkung in der tschechischen ML Philosophie. Die Rolle der Schriftsteller. Das „falsche Bewußtsein" des Revisionismus. Der Tod des Emil UTITZ.

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„Das Leben ist wie eine Panik im brennenden Theater: Alle suchen den Ausgang, niemand findet ihn, einer bedrängt den anderen. Weh denen, die niederfallen: sie werden auf der Stelle totgetreten." (J. P. S A R T R E , „Die blanke Wahrheit"). - Nun, kaum einer in Böhmen wollte eine Panik im brennenden Theater riskieren... So werden bald auch die Träume falsch, die Grenzen - von einer befreienden Illusion bis zur Lebenslüge - werden doch fließend, so erfüllt sich das tschechische Schicksal darin, daß man im ununterbrochenen Ausweichen, dem Fremddruck der neuen Umstände, eben das bekommt, was man befürchtet hat . . . So ist das kleine intelligente (und nun von einer echt prinzipienlosen Regierung verwaltete) Volk mit den kleinen Sehnsüchten und einem großen AmerikaTraum selber ein Produkt aus der Fabrik der Illusionen. Der Schriftstellerkongreß wollte ein Zeichen setzen: die Schriftsteller als das Volksgewissen und -gedächtnis, als Zeugen und Freiheitskämpfer . . . Weis ist aus diesem Programm nach 1956 geblieben? *

Nun kommt die Moskauer Ernst K O L M A N - Stimme nicht von ungefähr: Prag ist längst ein wichtiger Stein auf dem Schachbrett der Sowjetpolitik geworden. - Auch in der Philosophie. - So wird in Moskau schon wieder ein neuer Plan für die ideologische Herrschaft des M L in der Tschechoslowakei geschmiedet. - Und die K P will sich in ihrer Hegemonie wieder behaupten. Mit der Brisanz einer Dynamitpatrone hat der X X . Kongreß der K P UdSSR Zutritt zu der „ideologischen Schatzkammer J. V. S T A L I N s " eröffnet - „ . . . alle sind wir schuld, Genossen" hat der Generalsekretär der KPTsch Antonin N O V O T N ^ als leitende Parole der binnenparteilichen Diskussionen geprägt. Im Sinne der offiziellen Herausforderung zu einer „genossenschaftlichen Diskussion" 36 wurde nun unter den Philosophen ein Versuch unternommen, in die Richtung eines „westlichen Marxismus" zu gehen: was daraufhin wieder als „Revisionismus" bezeichnet wurde. Antonin N O V O T N t stirbt zwanzig Jahre später, in Ungnade, doch herrlich, und zu seinem Begräbnis kommen rund fünftausend Trauergäste, obwohl niemand seine Bestattung öffentlich ankündigen durfte . . . Ende der 60er Jahre wurde N O V O T N Y für die ganze „kommunistische Periode" zur Rechenschaft gezogen, und man glaubte, die Grenze zwischen den Dogmatikern und den 8 8 D i e Prosektoren der längst toten Diskussion von 1956, L . H R Z A L und J. N E T O P I L i K , erwärmen das T h e m a von A n n o dazumal noch zweimal: 1975 und 1983, um noch einmal Lorbeeren zu sammeln. So sammeln sie für die K o m m e n d e n ein heute wertvolles Material zusammen, das die T h e m e n , Protagonisten, benutzten Prozeduren und Argumente aus den Jahren 1956/57 verewigt: kein Mensch kann diesen Genossen für Ihren Fleiß und ihre A r b e i t genug dankbar s e i n . . . S. dazu: Hrzal, L . - N e t o p i l i k , J.: „Ideologischer K a m p f in der Geschichte der tschechischen Philosophie" ( „ I d e o l o g i c k y b o j ve v y v o j i ceske filozofie"), P r a g , Svoboda 1983, 2. Aufl., S. 59 f. „Versuche zur Destruktion einer M L Philosophie nach dem X X . Parteitag der K P U d S S R "

- ( „ P o k u s y o destrukci marxisticko-leninske filozofie po X X . sjezdu K S S S " ) . -

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„demokratischen Sozialisten" klar markiert zu haben - nun, die Wirklichkeit des Jahres 1956 war viel einfacher: alle, alle sind schuld gewesen . . . Das Dogma einer „kollektiven Schuld" auf tschechische A r t . . . Andererseits, es war zum letzten Male, als die tschechische .Schuld-Frage als ein Wir-Bekentnnis gestellt wurde: sogar auch Antonin N O V O T N ^ selbst wagte es nicht, sich zur - gemeinsamen - Schuld zu bekennen.- Die Schuld und Sühne also, und so sind die TOLSTOI, D O S T O J E W S K I J , MASARYK unterschwellig wieder einmal d a b e i . . . Der Charakter dieser, gar nicht nur binnenparteilichen Auseinandersetzung ist aus dem Geiste einer moralisierenden Zeit zu begreifen: zu tief ist der Schock der Enthüllungen hineingedrungen. Eine humanistische Diskussion innerhalb der KPTsch - ein undankbares Geschäft, erst recht in einer „Gottwald-Partei", die bis 1956 allen Versuchen widerstanden h a t , eine halbwegs normale politische Ordnung auf ihrem Boden einzupflanzen. Die erfahrenen Taktiker der KPTsch erwarten vielleicht, daß sich der Proteststurm, wie gewöhnlich, zu einem lauen Lüftchen verflüchtigt: aber dem neu entbrannten Prozeß scheint der scharfe Wind des Jahres 1957 wirksam im Rücken zu wehen - so werden jetzt nicht nur die Taktiker, sondern auch die Strategen mit Recht beunruhigt. Die glorreiche Stalin-Trauerfeier aus dem Jahre 1953 wurde längst vergessen, die Autoren der Dithyramben hätten sich zu ihren alten Emotionen kaum noch bekennen wollen. Nun, das an den tschechischen Hochschulen immer noch dominierende Marxismuskonzept, nach dem Vorbild der Werke STALINs konzipiert, beruhte auf einem begrifflichen Instrumentarium, das man nach dem XX. Parteikongreß nur mit Ungunst weiter benutzen wollte. Die Geschichte des Erlebten und das Protokoll des Beobachteten resümierte nicht nur der UdSSR Parteisekretär Nikita Sergejewitsch C H R U S C H T S C H O W in seinem berühmten Referat, sondern ein Jeder derjenigen, die die ganze SLÄNSK'i'-Prozess-Geschichte (im tschechischen Bereich das Auffälligste des Stalinismus) betrachtet haben. So erlebt man jetzt eine Welle kritischer Aufrufe einer Wiedergutmachung, einer „Rehabilitation", die wieder eine gesunde Stimm u n g in die KPTsch hineinbringen sollte. Das J a h r 1956, oder „Zurück auf die Prozesse"... Nach einem dementsprechenden Kriterium haben sich nun auch die „Revisionisten" (sich selbst als die „Linke" der K P bezeichnend) von ihren Freunden von gestern abgesetzt. *

Betrachten wir unter dieser Sichtweise die Weiterentwicklung der ML Philosophie in der Tschechoslowakei nach dem Jahre 56, bekommen wir erst durch die Analyse der „humanistischen" Diskussion überhaupt die Chance, das Wesen jener Richtung, die seit 1956 unter dem DeckbegrifF des „Revisionismus" läuft, richtig zu begreifen. Der Ausgangspunkt dieser Diskussion selbst ist gut parteilicher Art: es ist die „Resolution des ZK K P der UdSSR über die Uberwindung des Persön-

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lichkeitskults und seiner Folgen": 3 7 es gibt für keinen Häretiker eine bessere Begründung als eben die aktuelle Enzyklik... „ . . . auch wenn der Auftritt gegen den STALIN-Kult einige zeitweilige Schwierigkeiten bringt", sagt der unbekannte Schriftsteller dieser Resolution, „bringt er . . . riesige positive Ergebnisse... " 3 8 Uberlegte Worte. - Man h ä t t e kaum voraussetzen können, daß man nach dreißig Jahren unter diesen positiven Ergebnissen auch die Propagation des marxistischen Humanismus im Rahmen einer Exil-Kommunistischen Plattform finden wird. Die revisionistische Rebellion wurde also von oben her gestartet: daß es sich um den Impuls eines primären Zentrums handelte, hätte m a n bald, als paralleles Echo im Bereich der sekundären Systeme - Polen, Ungarn, Tschechoslowakei, finden können. - Nun war die ewige Rückkehr der gleichen Kritik an den „Prozessen der 50er Jahre" bereits mit dem XX. Parteitag der K P UdSSR 1956 eine Rache ohne jegliches Risiko: schon die berüchtigte ChruschtschowRede hat einmal für ewig die Garantie gestellt, diese Prozesse müssen revidiert werden: auch für C H R U S C H T S C H O W selbst die Todes- und Lebensfrage. Es war nur eine Frage der Zeit, wann man das ganze Material der „Prozesse" zur Verfügung stellen wird. Auf diesem T h e m a haben sich nun die Repräsentanten sehr unterschiedlicher Richtungen profiliert. Eine ganz andere Frage entstand wohl für die Konsequenzen im Bereich der Kultur. Dieselben Kulturtäter, die die Zeit der gewalttätigen ersten Jahre der Nachfebruar-Tschechoslowakei bestimmt haben, saßen in ihren Stühlen fest. Vor allem Vaclav K O P E C K V , obwohl er dazwischen seinen Ruf auch in den Parteikreisen trostlos ruiniert hat, hat er durch seine berühmte Vitalität das lange Leben eines tatsächlichen Stalinismus garantiert. Der Schock der „Prozesse" hat das parteiliche Vorbewußtsein tschechischer kommunistischer Intellektueller tief verwundet. An diesem T h e m a reifte und differenzierte sich die einst ML-einheitliche Generation, die die Februar-Ereignisse unter dein Stichwort „Wer nicht mit uns geht, geht gegen uns" erlebt hat. Dieses „mit uns" und „gegen uns" wurde nun höchst fragwürdig. So riß das S t i g m a „Prozesse" die Diskutierenden immer wieder auf die gleichen Fragen zurück, von deren Erlösung man nichts anderes als eben eine „Konterrevolution" erwarten durfte. „Tschechische Revisionisten streben bekanntlich eine Vermenschlichung, Hurnanisierung und Demokratisierung des Marxismus an. . . . Man wird doch nicht den Verdacht los, daß auch dieser humanistische Uberbau wieder als ein Bestandteil eines abstrakten Konkreten gemeint wird, als Humanismus und Demokratie also, die auf der Negation eines, zwar unvollkommenen doch wirklichen Humanismus und einer, unvollkommenen doch wirklichen Demokratie gründen. Sie retten den Marxismus auf solche Art, daß sie zu seinem Rattenfänger-Ton noch einen, noch mehr verführerischen Triller, zugeben." (Rio PREISNER, „Tschechische Existenz") S. „ U s n e s e n i O v K S S S o p r e k o n a n i k u l t u osobnosti a j e h o d ü s l e d k ü " (tscli.), NM 1956, Nr. 7. 38 I b i d . , 666.

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Der N a m e „Revisionismus" sagt dem heutigen Leser nicht viel. Im Jahre 1956 war es, vielleicht, einer der Namen für die politische Hoffnung. Der Hauptbegriff, um welchen m a n sich dabei streiten konnte, hieß ein „marxistischer Humanismus". Oder, eine menschlichere Alternative zum bevorstehenden und offensichtlichen Niedergang einer europäischen Kultur in der Tschechoslowakei: der wieder m i t dem Namen eines „Stalinismus" symbolisiert wurde. - Alles verlorene, vergessene Begriffe unserer Gegenwart: die nicht weiter als bis zur „Wende 89" schauen will. - Der Revisionismus als eine Zauberformel also. Die „Prozesse" als p u n c t u m litis des tschechischen Revisionismus. - Zwar wurde dabei der Henker gehängt, doch der Barbarismus des Stalinismus hat nach wie vor die ganze Kommunistische Partei in Zweifel gestellt. - „Die Prozesse": als K a r d i n a l p u n k t aller revisionistischen Argumentation. Nun blieb auch der revisionistische Wahrheitsbeweis aus. - Zu kommunistisch, zu unglaubwürdig klang der KPTsch-Terminologie j a der N a m e eines „Revisionismus" selbst: die zumeist im Exil lebenden Historiker, Ökonomen, Politologen oder einfach die Kenner der Lage ließen sich nicht über den Tisch ziehen. Um die Lage der tschechoslowakischen ML-Philosophie jener Zeit ganzheitlich zu fassen, müssen wir ungewollt die damalige Position des Revisionismus in seinen eigenen Identitätsbegriffen wiederholen. Unter dem Gesichtspunkt des XX. Parteitags der K P UdSSR nämlich: denn diese Auseinandersetzung mit Stalin h a t t e auch in der tschechischen Philosophie ihre Folgen g e h a b t . So verbringen die Mitarbeiter des „Kabinetts für Philosophie" buchstäblich lange Wochen, vom Frühmorgen bis zur Nacht, in unendlichen Diskussionen, s t a t t zu studieren. - (Einige leben übrigens in diesem Seelenzustand bereits a b Februar 48: für sie blieb die „wissenschaftliche Arbeit" immer ein Fremdwort. . .) Die soziale, die mentale Unruhe einer ganzen Generation kommt d a deutlich zum Vorschein: eine Lage, aus welcher eine politische Schizofrenie (des gespalteten Bewußtseins und der aufgezwungenen politischen Proklamationen) notwendigerweise entsteht. Es ist sicher kein Glück, ein Angestellter an einem „Parteiinstitut" zu sein. Welch ein Unterschied zum Februar 48, in welchem die Kolman-Jünger die Rolle der Antreiber und Scharfrichter gespielt haben: jetzt bietet die NachStalin-Diskussion die Gelegenheit, sich vor sich selbst zu rechtfertigen. Und manchen fallen vielleicht tatsächlich die Schuppen von den A u g e n . . . Stimuliert nicht sosehr durch die Philosophische Fakultät als eher durch das „Kabinett f ü r Philosophie", sucht man jetzt in der permanenten Diskussion, eine sozialistisch-humanistische Gesellschaft (mit Freiheit der öffentlichen Meinung, mit freier Erziehung, mit gesunder Ökonomik etc. etc.) zu finden, die jedoch auf dem Boden der Februar-Revolution ruhen k ö n n t e . . . Ein riesiges Alibi in der Tat. In wochenlangen, pflicht-ideologischen Diskussionen verbringen die Hundertschaften der ML-Lehrer und -Theoretiker ihre sonst wertvolle Studienzeit: jeder m u ß sich öffentlich aussprechen, jedes Wort wird protokolliert. - So entsteht

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das „Kadermaterial". - Auf der Suche nach einer rettenden Lösung. - Nach einer Antwort auf Novotnys Devise, „Alle, alle sind wir schuld G e n o s s e n . . . " J a , das stimmt. - Die grauenvolle Realität des totalitären Staates drückt sich aus. Zu Wortführern werden allerdings wieder einmal Ideologen, nicht so sehr Experten. - Die Sowjetabsolventen haben Konjunktur. — Nur aus diesen zeitlich und lokal bedingten Gründen ist das „Dogmatismus-Revisionismus"-Problem zu fassen: einen harten Kern hat diese „parteilich-wissenschaftliche" Frage sonst kaum. - Und die Drahtzieher des Osteuropäischen Jenseits - unter ihnen vor allem Henri L E F E B V R E , Herbert M A R C U S E , Jean-Paul S A R T R E - scheinen dabei die Rolle der Lichter am Horizont zu spielen: und auch das falsch. Die Kritik des Stalinismus ist also nur im KPTsch-internen Milieu erlaubt: auch da schärfstens überwacht. - Das Volk muß auch jetzt draußen bleiben. Unglaubwürdig. Die Kritik des Revisionismus von Rio Preisner, eines im amerikanischen Exil lebenden Philosophen, kann man durchaus verstehen. Nun, wer möchte den ersten schweren Stein werfen... Diese allgemeine Steinigung der jungen Kommunisten untereinander - das gehört zum Alltag der 50er J a h r e . . . Irrtümer der Jugendgeneration? Eine allzusehr ernst genommene Revolution? Oder einfach der Lauf der Welt? *

„Ein Mensch ist immer nur ein Mensch", sagte Jimmy. „Oh, Jimmy, weshalb willst du nicht begreifen, daß es nicht notwendig ist, Gottes Sohn zu sein, am dritten Tage von den Toten aufzuerstehen, zur Rechten des Vaters zu sitzen, um Christus zu sein? Es sind diese Tausende und Abertausende von Toten, Jimmy, die die Welt gerettet haben." „Du gibst den Toten zu viel Bedeutung", entgegnete Jimmy „ein Mensch zählt nur, solange er lebt. Ein toter Mensch ist nichts als ein toter Mensch". „Bei uns in Europa", sagte ich, „zählen nur die T o t e n " . . . (Curzio M A L A P A R T E , „Die Haut") Aus dem Abstand der vergangenen Zeit betrachtet scheint ein deutlicher Unterschied zwischen einem Stalinismus/Dogmatismus und einem Revisionismus unwichtig zu sein: es handelt sich um zwei Varianten des gleichen Marxismus, und im Falle des Revisionismus um die vielleicht gefährlichere Alternative. Vom Standpunkt eines Sozial-demokratischen Programms kann jedoch der Revisionismus eine (wohl falsche) Hoffnung, nämlich eines „Sozialismus mit einem menschlichen Gesicht" anbieten. Vom Standpunkt der Philosophia perennis ist wohl der humanistische Standpunkt selbst dem höheren Kriterium des Göttlichen untergeordnet. Auch wenn wir doch von der bloßen Immanenz eines Humanismus ausgehen, finden wir nur winzige Möglichkeiten, um den „marxistischen Humanismus" mit dem Humanismus selbst auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen: da es eben Karl M A R X selbst war, der eine „Humanitas" für „bloße Abstraktion" erklärt hat.

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- Man sollte sich demzufolge entscheiden: entweder pro oder contra. Zum konsequenten Abschluß von jeglichem marxistischen Humanismus wird zuletzt die proletarische Revolution, die die bürgerliche Gesellschaft (samt ihrer humanistischen Idee) abschaffen muß: die ungewollte „Befreiung" des Bürgers, „der Bourgeoisie", gehört zum Kernpunkt dieser marxistisch-humanistischen Revolution... Nun, man schreibt erst das Jahr 1956, und die neuen Richter sind die gestrigen T ä t e r : man soll sich entscheiden zwischen dem Humanismus und dem Kommunismus, man kann es jedoch nicht: Für einen typisch tschechischen Marxisten von 1956 gilt „Vollendeter Humanismus = Kommunismus." - Ist die Zeit noch nicht reif genug? Oder ist etwas grundsätzlich Falsches am Marxismus? Das J a h r 56 begann scheinbar nur als ein weiterer Schritt in Richtung Annäherung an die Sowjetwissenschaft: 3 9 die jetzt allgemeine Pflicht-Einführung der sowjetischen wissenschaftlichen Titel schien eine weitere Etappe der Integration angedeutet zu haben. - Nun, bald war wieder alles anders. Prag neigte nach dem „Fall STALIN" zu einer neuen Variante des Marxismus. Nach dem Tode STALINs brach ein Gedankenprozeß auf, der sich nach dem X X . Parteitag der K P UdSSR noch aggraviert hat - die tschechische ML Philosophie begann nach immer engerer Verbindung mit dem internationalen Hegelianismus (sprich Neomarxismus), der zu einem guten Teil durch die ungarische G . LUKÄCS-Schule vermittelt wurde. Der Anstifter des „Prager Frühlings" 56 ist Herbert M A R C U S E , sein Buch „Reason and Revolution" und sein Hinweis auf gewisse hegelianische Residuen des jungen M A R X . Vor allem der berühmte Begriff „falsches Bewußtsein" donnert aus allen ML - Ecken, mit gezieltem Willen zum praktischen Eingriff in die KPTsch-Politik. Die Logik dieser Argumentation: die „Ideologen" verwechseln (absichtlich wohl) das wahre und falsche Bewußtsein der Massen, d.h. manipulieren die Massen zu ihren vorher vereinbarten Zielen; ergo der „Apparat" sei das Hauptproblem einer (noch nicht „sozialistischen", dieses Wort kommt erst im J a h r e 1960 - zum Sozialismus strebenden) Gesellschaft, deren führende Kraft die K P T s c h ist. Das innerparteiliche Problem wird aufs hohe Roß gesetzt - über die führende Rolle der KPTsch besteht kein Zweifel. - Also von den „Tiefebenen der Ideologie" zum schöpferischen Marxismus... Wohlan! E i n Dokument der tschechisch-sowjetischen Freundschaft aus den akademischen Kreisen: „ E r s t e Verteidigungen der Doktorarbeiten bei uns." Bei der Einführung neuer wissenschaftlicher Titel (Kandidat, Doktor der Wissenschaften) ist die Erteilung der Doktortitel ohne Verteidigungen (den Univesitätsprofessoren nämlich) abgeschlossen. Die neue E t a p p e wurde durch die erste Verteidigung der Doktorarbeit am 10. September 1956 im Biologischen Institut wieder begonnen. Der Direktor des Physiologischen Instituts der T s c h A W Doz. Dr. Zdenek S E R V f T hat seine Doktorarbeit („Grundlagen der Evolutionspathologie der E p i l e p s i e " ) verteidigt. . . . Der Titel „Doktor der Wissenschaften" ist die höchste wissenschaftliche Würde, um welche sich der Einzelne bewerben k a n n . . . V E S M l R , 35, 1956, Nr. 9, 3 1 1 . - Übrigens amüsiert sich das zeitgemäße Prag, auf makabre Art, über die Anschriften „Servit - ein O c h s ! " , die ein wahnsinniger Ex-Student überall s c h r e i b t . . . Es ist nicht Zdenek S E R V l T , sondern sein B r u d e r gemeint: allerdings auch ein Universitätsprofesssor... - Auch ein äußeres Abzeichen der Ära eines siegenden Marxismus-Leninismus... 39

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Mit Herbert M A R C U S E gewinnt der antike PROMETHEUS-Mythos neue Aktualität und neue Form: so erleben auch die MARXschen Jugendschriften eine K o n j u n k t u r . Der von MARX angesprochene P R O M E T H E U S ist nun nicht mehr der trotzige Halbgott, der in seiner Rebellion scheitert und dem siegreichen ZEUS nur noch drohend die den Göttern überlegene Macht des Schicksals entgegenhalten kann. P R O M E T H E U S 4 0 ist jetzt der aus dem religiösen Mythos ausgebrochene Mensch selbst, der den Gott des Kapitalismus vom Thron stürzt und sich eine - göttliche, selbst dem Schicksal überlegene - Macht über seine Zukunft aneignen will. M A R C U S E geht nur scheinbar der revolutionären Ungeduld der Berliner Studenten (zu denen er später eindrucksvoll spricht) entgegen - nicht so sehr ein philosophischer Grundgedanke als eben die taktisch-strategischen Nebengedanken sind das métier der Frankfurter Ideologen - in der Tat bereitet schon 1956 Herbert M A R C U S E eine künftige neomarxistische Revolte vor, um das, seiner Meinung nach, „eigentlich-marxistische" von den fremden Zutaten eines Ostblock - und Slawenmarxismus zu witschen. Mit MARCUSE b e t r i t t die abendländisch-marxistische Tradition im engeren Sinne wieder uneingeschränkt die Bühne; mit FROMM wird diese Tradition ein neues Libretto bekommen, mit BLOCH wird sie in ein alttestamentliches Melodram umgestaltet; und das Stück wird ununterbrochen in Frankfurt gespielt. Nun, auch das kleine Prag will etwas davon haben. In der Tschechoslowakei war im Jahre 1956 der Name „ A D O R N O " kaum noch bekannt: eine schlüssige Dokumentation wurde nie veröffentlicht, die die Beziehung „Frankfurt-Prag" bereits in der Mitte der 50er Jahre beweisen könnte. Nun, die psychischen Spuren, obwohl sie nach Prag über die USA-Philosophen M A R C U S E und F R O M M führen, sind deutlich genug. Der Unsichtbarste, der Wichtigste ist Max H O R K H E I M E R mit seiner „Dialektik der Aufklärung": dieser zweite JEAN-PAUL ist der Vordenker und Stratege. Der große Schönschreiber und der Bekannteste von Frankfurt, Theodor Wiesengrund A D O R N O , scheint in allen wesentlichen Momenten seiner Marxismuskonzeption von HORKH E I M E R abhängig zu sein. Der dritte, der Unschuldige und Aufgeopferte, der Träumer HABERMAS, ein nicht so sehr Vor- als Nachdenker, ist in der Mitte der 50er J a h r e noch ein Zauberlehrling mit vielen Zukunftsalternativen. Nun, der Sprengsatz, der die bürgerliche Welt in ihrem wahnwitzigen Selbstmord „hochgehen" lassen soll, war schon in der - von H O R K H E I M E R wesentlich geprägten - Arbeit „Dialektik der Aufklärung" angelegt. Die Krise der „Individuum-Gesellschaft", „Individuum-Welt"-Beziehung wurde in dieser Arbeit auf den Begriff gebracht. „Die rationale Durchdringung und die technische Beherrschung einer entrnythologisierten Natur wird in der kapitalistischen Ge40

— Die Gegenargunientation d e r Vertreter des A p p a r a t s : die „Intellektuellen" haben wieder einmal ihre typische Rolle mit der f ü h r e n d e n Rolle der K P T s c h verwechselt: nicht der „Philosoph-Heiland", sondern die P r a x i s des KPTscIi-Alltags ist ein wahres Kriterium. . . Nicht die „hegelianischen Residuen" bei dem allzu j u n g e n M A R X , sondern M A R X als solcher, vor allem M A R X des „Kapitals" sollte studiert w e r d e n . . . Also noch mehr Ideologie, a b e r in allem E r n s t - s o n s t . . . - Beiden K o n t r a h e n t e n geht es vor allem um die Macht in der K P T s c h : alles a n d e r e ist eben ein verdoppelt falsches Bewußtsein . . . In P r a g wurde aus d e m einzigen (!) E x e m p l a r des Buches s t u d i e r t : MARCUSE, H e r b e r t : Reason a n d Revolution, New York 1944.

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sellschaft so institutionalisiert, daß die Individuen ihre eigene Subjektivität verleugnen und die Spontaneität ihrer inneren Natur verleugnen müssen: die Subjekte verkümmern." - Der Leseschlüssel zum Studium des Frankfurter Marxismus der 50er Jahre: „kapitalistisch" heißt „sozialistisch", „ostblock-sozialistisch" heißt „stalinistisch". Eine packende Lektüre für die geistig hungrigen Prager Marxisten, die sich in diesem Beichtspiegel bald erkennen... - Die „Inthronisierung" des Mittels als Zweck nimmt dann im Spätkapitalismus den „Charakter des offenen Wahnsinns" an. - Der geheime Wahrheitsgehalt des „Idealismus" leuchtet bei A D O R N O in den Begriffen des „Nichtidentischen" und der „Mimesis" transparent durch: die „Kritische Theorie" wird über das hinaus in einer attraktiv-literarischen Form präsentiert. *

Nun, alle großen Bewegungen gehen doch von der einzelnen Persönlichkeit aus. Es war ein bisdahin kaum der Öffentlichkeit bekannter, ein immer als ein bißchen extrem-denkender Philosoph gesehener Autor, Ivan SVITÄK, der mit seinem scheinbar harmlos betitelten Artikel - „Einige Ursachen des Zurückbleibens der Theorie " - für die Stimmung im Lande sorgte. Die „Literarische Zeitung", die diese Herausforderung des neunundzwanzigjährigen Mitarbeiters des „Kabinetts für Philosophie" veröffentlicht hat, hat sich mit seiner sechzehnten N u m m e r dieses Jahres in die herostratische Geschichte der tschechischen ML Philosophie zum ersten Male eingetragen. - Doch ist es immer eine Vogelsprache, die der Autor, ein wütender Marxist und überzeugter leninistischer Revolutionär, verwendet. Man müßte zum „gnadenlos kritischen revolutionären Denken" eines MARX, eines LENIN zurückkehren, um der Humanismusidee gerecht zu werden. Man muß von den Seiten der tschechischen Zeitschriften das „falsche Bewußtsein" wegnehmen, um die „rohe W a h r h e i t . . . die zum selbstverständlichen Recht des Bürgers gehört", zum Ausdruck zu bringen. Man muß also vor allem „die Theorie aus ihrer Steuerpflicht der Propaganda" befreien.- 4 1 Der Autor spricht sich vor allem gegen die Allmacht des KPTsch-Apparats aus: sich selber kann er doch nur als einen „besseren Marxisten" artikulieren. - Man schreibt das J a h r 1956... Auch ein ansonsten akademisches Buch - eine Auswahl aus Voltaire - das per Zufall der Zeit erscheint, erweckt die Aufmerksamkeit der parteiideologischen Feuerwehr: Der Autor dieser Auswahl, Ivan SVITÄK, hat seine Vorrede mit dem Motto Voltaires „Ecrasez 1'infame!" abgeschlossen. So hat der Staatszensor pflichtgemäß den Autor unter Druck gesetzt und vor die gewöhnliche Entweder-OderAlternative gestellt - so wurde das (wohl „antistaatliche"...) Zitat vom Autor selbst entfernt, und das Buch durfte herausgegeben werden... Per Zufall der Zeit - bei den Studentenunruhen in Prag 1956 („Majales"), wurde eine „Resolution" abgestimmt, die sich innerhalb weniger Tage in allen tschechoslowakischen Hochschulen verbreitet hat. In diesem Aufruf wurde u. 41

SVITÄK, Ivan: „Nektere priciny zaostäväni theorie" (tscli.), L N 1956, Nr. 16, 5.

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a. v e r l a n g t , daß „ . . . d i e marxistische W e l t a n s c h a u u n g i m W e t t b e w e r b m i t der a b s t r a k t e n P h i l o s o p h i e entwickelt werden muß, damit, die Studenten auch über die n i c h t m a r x i s t i t i s c h e n R i c h t u n g e n i n f o r m i e r t w e r d e n . . . " M i t d a b e i wird auch die A l l t a g s p r a x i s der B i b l i o t h e k e n ( „ l i b r i p r o h i b i t i " ) kritisiert und die R e f o r m des Unterrichts- und Erziehungssystems v e r l a n g t . 4 2 Per Z u f a l l der Z e i t ist ein Despot gestorben, und erst drei Jahre danach haben die M ü h l e n der B ü r o k r a t i e ihre Ergebnisse an die, wenn auch b e g r e n z t e , Ö f f e n t l i c h k e i t gebracht. Es ist j e d o c h kein Z u f a l l , daß in der gleichen Literarischen Z e i t u n g der K o l l e g e S v i t á k s ( u n d sogar d e r z e i t i g e r Q u a s i - V o r s t a n d ) Karel K O S f K - ein R e d a k t i o n s m i t g l i e d der Z e i t u n g -

i m selben T o n wie I. S V 1 T Á K

das T h e m a

„Ideolo-

g i e " b e h a n d e l t : diesmal ist wieder e i n m a l H E G E L , der B u h m a n n N r . 1 der tschechischen

M L P h i l o s o p h i e , der als das denkbar S c h l i m m s t e und d e n k b a r

Schönste eines M a r x i s t e n a u f t r i t t . U b e r das hinaus geht es in diesem A r t i k e l - „ H E G E L und unsere Z e i t " 4 3 - um einen unverhindert dialektischen Z u t r i t t zur P r o b l e m a t i k einer „sozialistischen G e s e l l s c h a f t " . Das S t i c h w o r t heißt „konkrete T o t a l i t ä t " , und dieser S t a n d p u n k t w i r d m i t einer „ K l a s s e n - G e s e l l s c h a f t T h e o r i e " unmißverständlich konfrontiert. D e r A r t i k e l bietet den G e g n e r n K O S Í K s die längst erwünschte M ö g l i c h k e i t , den A u t o r als gefährlichen A b w e i c h l e r abzuqualifizieren: er weiß es j e d o c h und g l a u b t , seine W e t t e i m ideologischen Poker richtiger gesetzt zu h a b e n . . . Es sind übrigens keine G e g n e r von N i v e a u . A l s allererster spricht J a r o m i r SEDLÁK,44

ein M a n n m i t großen A m b i t i o n e n und allumfassenden

sen. - J. S E D L Á K

Interes-

w i r d später z u m B o t s c h a f t e r in Sri L a n k a b e f ö r d e r t und

b e k o m m t z u l e t z t , nach d e m P a n z e r e i n z u g , die Direktorstelle i m „ I n s t i t u t f ü r I n t e r n a t i o n a l e P o l i t i k und Ö k o n o m i k . " - I m Jahre 1956 ein schlichter Assistent i m Lehrstuhl f ü r die K P T s c h - G e s c h i c h t e der K P T s c h - H o c h s c h u l e . - 4 5 - N u n spricht J a r o m i r S E D L Á K für die K P T s c h . - Die V e r a n t w o r t l i c h e n der Literarischen Z e i t u n g können sich darüber nur freuen: so k o m m t die Ü b e r l e genheit der P h i l o s o p h e n S V I T Á K und K O S Í K noch besser z u m Vorschein. Ü b r i g e n s entsteht i m P a r t e i v o l k s m u n d ein D o p p e l b e g r i f f

-

„SVITÁK-KOSÍK",

ein T a n d e m als S y n o n y m u m eines P r o p a g a n d a s c h r e c k s . . . Erst j e t z t e r ö f f n e t die i m H i n t e r h a l t noch ruhig wartende A r t i l l e r i e ihr Feuer. Zuerst

Vladimir

RUML,

der

eigentliche

Parteibeauftragte

für

Philosophie,

der nicht w o r t l o s an diesem Stolperstein v o r b e i k o m m e n d a r f . - „ I n der M e t h o d o l o g i e des Genossen

SVITÁK

setzen sich empiristisch-positivistische

Züge

durch. Das k o m m t in seinem Unterschätzen des A l l g e m e i n e n z u m Vorschein. Genosse

SVITÁK

betont

die Bedeutung

der

Fakten.

. . . Genosse

SVITÁK

j e d o c h v e r g i ß t , daß die Fakten i m m e r nur in einem Z u s a m m e n h a n g existieren, und daß m a n ohne eine theoretische

A n a l y s e die wesentlichen

Fakten

42S.

den Passus bei: K R A T O C H V I L , Antonin: „Ich klage an" („2aluji", tsch.), III., 33-34. Karel: „HEGEL a nase doba" (tsch.) 1956, Nr. 48, 3. 4 4 S E D L Á K , Jaromir: „Philosophie und Gegenwart" („Filozofiea dnesek", tsch.), 1956, Nr. 50, 3. 4 5 S . auch von ds.: „Unrichtige Tendenz" („Nesprávná tendence", tsch.), Tvorba, 1957, Nr. 2,3. 4 3 I