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German Pages 556 [560] Year 1898
SAMMLUNG
THEOLOGISCHER HANDBÜCHER.
VIERTER TEIL: SYSTEMATISCHE THEOLOGIE. ERSTE ABTEILUNG: CHRISTLICHE
DOGMA T I K .
ZWEITER TEIL: DER EVANGELISCHE GLAUBE.
Bonn A. M a r c u s & E. W e b e r ' s V e r l a g 1898.
CHRISTLICHE DOGMATIK. ZWEITER TEIL:
DER EVANGELISCHE GLAUBE
voll
DR. WILH. SCHMIDT, D. U N D O. P R O F E S S O R D E R T H E O L O G I E I N B R E S L A U .
Bonn A. M a r c u s & E. W e b e r ' s V e r l a g 1898.
Inhaltsangabe. Zur Orientierung 1—3. D e r A u s g a n g s p u n k t 3—40. Die fides salvifica ein einziges triebkräftiges Datum 4. Nur als schlechthin gewisses 5 constituiert es das christliche Bewusstsein 6. Glaube an die göttliche Gnade Beding'ung des Heils schon im a. T. 7. Der Glaube im a. und n. T. ist selbst usidvoia 8; schliesst die J8ia Sixacoavvtj" aus 9 und die Herzensumkehr zu Gott ein 10. Glauben im n. T.: sich von Gott in Christus begnadigen lassen 11. Ansätze und Anklänge der fides s. vor der Reformation: Esra Apc. 12, Clem. Rom., „Barnab.''br., Hermas 13, Ignatius, Polycarp, Justin M. 14, Br. an Diognet, Irenäus, Tertullian 15, Clem. AI. 16, Origenes 17, Ambrosius 18, Augustin 19. 20, Bernhard v. Clairvaux 21. 22, Thomas Aq. 23—25, Wiclif 25. 26, das Trident. Concil 26—28, Luther 29-32, Melanchthon 32. 33, Agricola, Leipz. Interim 34, Andreas Osiander, Flacius, Calvin 35, Conf. Aug., Apol. 36, Martin Chemnitz 37, Sebast. Franck, Casp. Schwenkfeldt von Ossig, Socin, Rationalismus 38, Schleiermacher, Albr. Ritsehl 39. Die fides s. als die individuell persönlichste Überzeugung bildet den Ausgangspunkt 40. D i e f i d e s s. u n d d e r W e g von i h r a u s 40—43. Der Glaube derselben 41, das dreifache Urteil darin 42. I. Theologie 43—239. A. Der Gottesglaube der fides s. D a s G l a u b e n s u r t e i l : I c h h a b e e i n e n g n ä d i g e n G o t t 43—47. B. Der Gottesglaube der fides s. und die reflektierende Controie d. i. der christliche Gottesglaube und das Welterkennen 47-239. E r s t e r A b s c h n i t t 47—180. D i e E x i s t e n z G o t t e s 47—60. Die Gottesvorstellung bestimmt das Ganze jeder Religion 48. Nicht der Unglaube verteidigt die Existenz Gottes vor der Vernunft 49. Es ist vielmehr immer im apologetischen Interesse geschehen 50; immer von der Gottesidee aus 51. Apologeten führen das Christentum in die Weltliteratur ein 52 als die Lehre der Vernunft und der Freiheit 53. Auch Clem. AI., Athanasius, Gregor v. Nazianz, Diodorus von Tarsus, Johannes von Damaskus 54, Scotus Erigena, Thomas Aq. 55, Anselm v. Canterbury, Melanchthon 56, Calvin. Die h. S. selbst verweist auf die Offenbarung Gottes in der Wirklichkeit 57. Christian Wolff, Hegel 58, Kant. Sinn der „Beweise" 59. D e r k o s m o l o g i s c h e B e w e i s 60/66 scheitert nicht an dem Einwand, dass das Causalgesetz
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Inhaltsangabe.
nur innerweltlich gelte 61. Dessen Giltigkeit durchweg liegt näher als der Zweifel an ihr 62. Der Mensch hat sie von frühe an vorausgesetzt 63. Auch der Protest, dass das notwendige Wesen kein ausserweltliches sei, versagt 64. Der kosmologische Beweis führt auf den theistischen Gott 65 ohne Widerspruch mit dem Causalitätsgesetz (0. Pfleiderer) 66. D e r p h y s i c o t h e o l o g i s c h e B e w e i s 66/74. Die ineinandergreifende Zweckmässigkeit setzt einen persönlichen Weltschöpfer 67, nicht nur einen Weltbaumeister, denknotwendig voraus 68. Die mechanisch-causale Naturauffassung beweist nichts dagegen 69. Auch mit der mechanisch-causalen Methode (Häckel) werden wir das xeXoe nicht los 70. Eine Weltsubstanz als Urheber genügt ihm nicht 71. Die blindwirkende Natur kann kein zweckmässiges Werk hervorbringen 72: Strauss, Kant, Hegel, von Hartmann 73. Die substantiale Einheit des Schöpfers mit der Welt (0. Pfleiderer) streitet mit seiner Absolutheit 74. D e r m o r a l i s c h e B e w e i s 75/82, in seinem Verhältnis zum kosmolog. und physicotheol. 75, steht auf der Voraussetzung einer ursprünglich sittlichen Anlage des Menschen 76, reicht weiter als bis zu einer moralischen Weltordnung (Fichte, Strauss) 77, das beweisen die Prädikate selbst, die Fichte ihr beizulegen sich genötigt sieht 78. Der moral. Beweis Kants ist ein Abfall von Kant selbst 79. Aber ein neuer Ansatz lässt sich gewinnen 80. Die Pflichterfüllung trägt den Lohn in sich selbst 81. Es giebt ein jus talionis nach Innen und nach Aussen 82; folglich muss ein moralischer Welturheber existieren 82. D e r h i s t o r i s c h e B e w e i s 83/88 steht auf dem consensus gentium, und dieser ist Thatsache 84. Das allgemein menschliche Datum der Gottesidee ist unerklärlich — ohne Gott 85. Von der Abstraktion eines Alls der Dinge geht sie nicht aus und nicht in ihr aiif 86. Vom Endlichen aus ist der Gedanke des Unendlichen nicht zu erschwingen 87, sowenig wie der Begriff des Lichtes, wenn es bloss Nacht gäbe 88. D e r o n t o l o g i s c h e B e w e i s 88/92 scheitert nicht an der Thatsache, dass es bloss gedachte Ideen giebt 89. Die Idee Gottes kann nicht entstehen ohne die Realität Gottes 90. So versteht 0. Pfleiderer den „onto-logischen" Beweis. Anders J. Köstlin 91. Der Sinn desselben nach Rothe und C. J. Nitzsch 92. Ergebnis: Die „Beweise" beweisen, dass die atheist. Weltbetrachtung unvernünftig ist: Hegel, Lipsius, Biedermann, Zöckler, Frank, Reiff, Bovon, Hontheim, Oswald Heer 93. D i e E r k e n n b a r k e i t G o t t e s 93/98 bestreitet aus mystisch religiösen Gründen Plotinos 94, „Dionysios Areopagita", Scotus Erigena 95, aus erkenntnistheoretischen Gründen Wilh. Ockam und Kant 96. Der eigentliche Sinn der Frage und die h. S. 97: Wir berühren den Saum seines Kleides, aber den Gottesfürchtigen wird seine Herrlichkeit offenbar 98. D a s W e s e n G o t t e s 98/102 wird durch seinen Namen ausgedrückt 99: Elohim der Machtvolle 100, Jahwe causa sui 101. G o t t e s W e s e n u n d E i g e n s c h a f t e n 102/108. Auf die Unterscheidung ist nicht zu verzichten 102. Omnis determinatio est positio 103. Die Eigenschaften repräsentieren einen obj. Unterschied in Gott 104. Seiner-Selbst-Offenbarungen sind Offenbarungen obj. Eigenschaften 105/6. Lipsius' Protest dawider von seiner psychologischen Methode aus 107. Aber die Gottesidee wird nur psychologisch entbunden, nicht produciert 108. D a s P r o b l e m e i n e r a b s o l u t e n P e r s ö n l i c h k e i t 108/120. Die
Inhaltsangabe.
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Denkmöglichkeit einer absoluten Person 109. Die Persönlichkeit des Menschen ist nicht ein Merkmal seiner Endlichkeit 110, auch nicht ein Produkt der Endlichkeit 111. Die Unterscheidung- eines Nicht-ich von mir setzt mein Selbstbewusstsein schon voraus 112. Das Absolute schliesst die Persönlichkeit nicht aus, sondern ein 113. Nur der theistische Gott ist absolut, nicht der pantheistische noch der deistische 114. Sowohl hat der Pantheismus einen tiefsinnigen Hintergrund als auch ist der Panlogismus ein grosser Gedanke 115. Aber sein Gott ist weder persönlich noch absolut 116. Atheismus ist das Ende des Pantheismus und des Deismus 117. Auf den p r ä s e n t e n Regenten ist bei dem Selbstleben der Welt nicht zu verzichten 118. Pfleiderers „wahrer real-ideal. Monismus" kann nicht als die Aufgabe der Gegenwart zugegeben werden 119. Die Weltidee ist nie ein „lediglich ideales Weltbild" in Gott 120. Die E i g e n s c h a f t e n Gottes nach ihrer V o r a u s s e t z u n g und W i d e r s p r u c h s l o s ! g k e i t 121/125. Sie setzen seine Einheit voraus 122, auch im numerischen Sinn 123, „sehr eigentlich" im essentiellen 124. Sein einheitlich einzigartiges Sein ist unendlich erhaben über die Schranken des weltlichen Daseins. Dem widerspricht es nicht, dass die Vorzüge der geistig-sittlichen Natur in unendlicher Steigerung auf ihn übertragen werden 125. Attribute des Seins: D i e E w i g k e i t G o t t e s 125/132. Zeit und Ewigkeit: Iren., Minuc. Felix, Augustin 126, Boethius, Scotus Erigena 127, Rieh. v. St. Victor, Thom. Aq., Schleiermacher, Philippi 128. Das religiöse Interesse an der Ewigkeit Gottes 129 ist nicht, dass es für ihn nur Gegenwart gebe 130, sondern dass für ihn in keinem Sinne die Zeit eine Schranke ist 131; dass er unveränderlich, in allen Aeonen, doch die zeitliche Entwicklung berücksichtigen kann 132. D i e A l l g e g e n w a r t G o t t e s 132/137. Ansätze, des Begriffs Herr zu werden: Philo, Theophilus 133, Clem. AI., Orig., Cyprian, Hilarius, Aug., Joh. Cassian 134, Clementinen, Thom. Aq., Rieh. v. St. Victor, Quenstedt, Episcopius 135, Limborch, Schleiermacher, Bruch, Twesten, Rothe, Philippi, Hegel, Strauss 136. Ergebnis: bibl. Lösung 137. Attribute des Wissens. D i e Allw i s s e n h e i t G o t t e s 137/143 als Eigenschaft hat zum Objekt Alles ausser Gott selbst 137. Denken und Wollen sind in ihm nicht ein und dasselbe 138. Andernfalls würde die göttliche und die menschliche Freiheit zugleich aufgehoben sein 139. Die göttliche Allwissenheit hebt die menschliche Freiheit nicht auf 140, denn sie ist nur ein Wissen von allem Wissbaren. Freie Handlungen sind nicht im Voraus wissbar 141. Die ratio temporis ist ein Postulat, aber keine Beeinträchtigung des Absoluten 142. D i e A l l w e i s h e i t G o t t e s 143/145 hat es nur mit der Erkenntnis zu thun 143. Die Anwendung der Begriffe Mittel und Zweck verendlicht Gott nicht 144. Die Idee hat kein eigenes, selbständiges Leben 145. D i e A t t r i b u t e d e s g ö t t l i c h e n W i l l e n s 145/148. Es giebt einen Willen in Gott, der nicht mit seiner Erfüllung zusammenfällt 146. Gott ist die Einheit von Sein, Bewusstsein und Willen, nicht ein Nacheinander davon 147. D i e A l l m a c h t G o t t e s 148/162. In der Allmacht handelt es sich um ein Können und nur darum 148 und zwar über die Wirklichkeit hinaus 149. Die voluntas media hat einen principiellen Hintergrund 150 und ist auf theistischem Boden ganz unentbehrlich 151. Das Wunder 152
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Inhaltsangabe.
ist weder die Regel noch zu bestreiten 153. Anders Schleiermac-her und M6n6goz 154. Es giebt eine Naturordnung, aber von Gott und nicht auf Kosten seiner Freiheit 155. Es giebt ein Selbstleben der Welt, das Gott regiert, aber nicht selbst lebt 156. Der Erfahrungsbeweis wider das Wunder ist nicht zu erbringen 157. Die Unterscheidung der Welt als Ganzes und des Einzelnen wird der Frage nicht Herr 158. Dagegen fordert das Selbstleben der Welt die Freiheit Gottes auch ihm gegenüber 159. Die Fragestellung, ob die Ideen des Guten und des Wahren in der Allmacht Gottes ihren Grund und ihr Recht hätten 160, ist falsch. Unser Denken, auch das mathematische, ist ein Nachdenken der Gottesgedanken 161. Aber Ideen an sich d. h. ohne Personen und Verhältnisse sind weder zu schaffen noch zu denken 162. D i e H e i l i g k e i t G o t t e s 162/166. In ihr kommt der ethische Charakter der alttest. Religion grundsätzlich zum Ausdruck. Albr. Ritsehl, Biedermann, Schleiermacher, Quenstedt 164. Gott ist die Ursache des Sittengesetzes für sich und die Menschen 165. Der pantheist. Gottesbegriff verträgt das Prädikat der Heiligkeit nicht 166. Die G e r e c h t i g k e i t G o t t e s 166/173. Die Strafgerechtigkeit Gottes schliesst seine Güte nicht aus 167, die lohnende Gerechtigkeit das Verdienst des Menschen nicht ein 168. Beide vollziehen sich mit der präzisesten Aequivalenz 169 in keinem Falle ohne die Vermittlung derer, die sie betrifft 170, nach dem Gesetz: Wie wir handeln, so werden wir 171. Diese Vergeltung ist eine innere und wird infolge davon auch eine, äussere 172. D i e W a h r h e i t G o t t e s 173/174: der unverfälschte Ausdruck seines in sich widerspruchslosen Wesens und Willens 174. D i e L i e b e G o t t e s 174/77 ist universell, so viel an ihm ist 175, bleibt aber immer an die Empfänglichkeit der Menschen gebunden 176. D i e S e l i g k e i t G o t t e s 177/79 — und das Scheitern seiner Liebesabsichten 177 — ihrer Natur nach innerlich 178, das Gefühl der Befriedigung über lediglich die eigne Handlungsweise 179. Die Herrlichkeit Gottes 179/180 geht nicht in der gloria auf 180, sondern ist das Zumal aller Vollkommenheiten. Z w e i t e r A b s c h n i t t 181/239. E r s t e s K a p i t e l . D e r g ö t t l i c h e U r s p r u n g d e r W e l t 181-209. D e r S c h ö p f e r der Welt 181/3: Das Ergebnis des reflektierenden Denkens 182. Der göttliche Weltgrund und das Naturerkennen 183. Die S c h ö p f u n g a u s Ni chts 184/187. Die h. S. lässt sich auf die Frage so gut wie nicht ein 185. Die Lehre beschränkt sich auf die Abwehr des Dualismus und des Emanationismus 186. D a s W a n n d e r S c h ö p f u n g 187—195: cum tempore (Aug.)? 188, „JIQO XQOVWV alvu (Hieronymus)? 189. Fordert der Gottesbegriff die ewige Schöpfung (Manichäer, Origenes, Saisset)? 190. Die stoisch-origeneische und die epicureische Auskunft 191. Der Begriff der Schöpfung schliesst die Ewigkeit aus, aber nicht die der göttlichen Aktivität überhaupt 192. Ein Vor der Schöpfung vertritt die Schrift und fordert das Denken 193. In die Zeit versetzt wird Gott dadurch so wenig wie durch das Denken der bestehenden Welt 194. D e r Zweck der S c h ö p f u n g 195/202. Nicht um seinetwillen hat Gott die Welt geschaffen. Twesten. Plato. Clem. AI. 196, Gregor v. Naz., Lactant., Thom. Aq., Strauss 197. Vor der Erreichung des Weltzwecks
Inhaltsangabe.
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ist nicht der Zustand Gottes, sondern der der Welt unvollkommen 198. Der Beweggrund Gottes zur Schöpfung ist nicht seine Verherrlichung (Lact., Quenst., Böhl) 199, sondern das Leben der Menschen in der Gemeinschaft mit ihm 200. Zu diesem Zweck ist die Welt für Jeden angemessen, der sie sich dazu dienen lassen will 201. Es kann keine Theodicee für den geben, der sich nicht von ihr überzeugen lassen will 202. D e r M o d u s d e r S c h ö p f u n g 203/209. Der bibl. Schöpfungsbericht ist allen heidnischen Schöpfungssagen sehr überlegen 204. Gleichwohl hat er seine Bedeutung in dem Dass der göttlichen Schöpfung, nicht in dem Wie derselben 205. Das Sechstagewerk hat seine Bedeutung in der Sabbathswoche 206. Die Schöpfungstage als 24stündige Tage zu verstehen, verwehrt der Bericht selbst. Philo, Orig., Aug. 207/9. Z w e i t e s K a p i t e l . Die g ö t t l i c h e L e i t u n g d e r Welt. D i e g ö t t l i c h e F ü r s e h u n g 209/15. Der dogmatische Begriff 210. Concursus Dei? 211. Bedenken dagegen 212. Vergebliche Versuche, deren Herr zu werden: Thomas, Quenstedt, Hollaz 213. Concurrere non ad formale: Anselm, Philippi, Dillmann. Zulassung 214. D i e g ö t t l i c h e E r h a l t u n g d e r W e l t 215/18 schliesst die Selbsterhaltung der Welt nicht sowohl aus als ermöglicht sie erst 216. Es geht in der Regel Alles natürlich zu nach Gottes Ordnung 217. Das Selbstleben der Welt ist Gottes Ordnung, und wesentlich so erhält er sie 218. Die g ö t t l i c h e W e l t r e g i e r u n g 218/239 und die menschliche Willensfreiheit 219. Durch die rechtverstandene permissio wird das Problem noch nicht gestellt 220. Der altdogmatischen impeditio widerspricht die h. Schrift und die Erfahrung 221, den Gedanken der „directio" dagegen bestätigen beide 222. Ebenso die „dcterminatio" 223. Wie erreicht der Weltregent seine Zwecke, ohne das Selbstleben zu beeinträchtigen? 224. In der Regel durch G r u p p i e r u n g 225. Die göttliche Weltregierung und das göttliche Wissen: Rieh, a St. Vict., Boethius, Bavle 226. Prov. gen., spec., specialissima 227. Prov. ord. et extraord. 228. Das Wunder. Seine Möglichkeit und sein Sinn 229, Correktur der creatürl. Selbsttätigkeit, nicht Selbstcorrektur Gottes 230. Das Übel in der Welt 231. Die Theodicee und die Sünde 232 und das physische Übel 223: xa&qtiaza fia#ynaza 234. Die.weltregierende Fürsehung und das Gebet 235. Der subj. Erfolg ermöglicht, vermittelt und hat den obj. zur Folge 236. Eine „Wechselwirkung zwischen Geschöpf und Schöpfer" setzt er allerdings voraus 237. Ein blosses Vorgefühl ist noch kein Gebet: R6nan, Strauss, Huxley 238. Danach hat sich die Theologie der fides s. als vernünftig erwiesen 239. II. Anthropologie 239/302. A. Der Mensch der fides s. 239/241 muss der göttlichen Gnade so fähig wie bedürftig sein. B. Der Mensch der fides s. und das reflektierende Denken 241/302. E r s t e s K a p i t e l : Die B e f ä h i g u n g des M e n s c h e n z u r G n a d e 241/279. D e r U r s p r u n g d e s M e n s c h e n 241/262. Die Frage nach der Herkunft des Menschen. Cuvier 242. Die Descendenztheorie und die Paläontologie, die Ontogenie und die vergleichende Anatomie 243. Die Adaption. Die Mimicry 244. Die Adaption würde erst in einer sehr
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Inhaltsangabe.
fortgeschrittenen Entwicklung' nützlich 245. Vererbung- erworbener Eigenschaften wird bestritten 246. Wilh. Wundts psychophvsische Welterklärung 247. Psychophysische Anlange determinieren die Entwicklung 248. Heterogonie der Zwecke 249. „Die Selbstschöpfung der organischen Welt" erklärt deren Zweckmässigkeit nicht 250. Das System wird seinem eignen Ansatz nicht gerecht 251. Der Tiefsinn von Gen. 2, 7 ist von keiner Wissenschaft zu erschüttern 252, weder das „von Gott" noch das „aus irdischem Stoff" noch der „lebendige Odem" 253. Der Mensch die Krone der Schöpfung 254: natürlich bedingt im Diesseits und doch wirkliches Geistsein 255, Geschöpf, aber das unvergleichlich höchste 256, bestimmt, auf dem Wege fortgesetzter Selbstbestimmung willenseins mit Gott zu werden 257. Der Ursprung der Menschenseele 258. Praeexistentianismus. Kants intelligible Entscheidung. J. Müller 259. L. J. Rückert. Creatianismus. Traducianismus 260: Das Zumal beider Momente, des creatürlichen und des göttlichen 261. D e r U r s t ä n d d e s M e n s c h e n 262/278. „Status integritatis" im Sinne des ist? ata 263. Das auf Gott hin Geschaffensein ist der Vorzug des Menschen 264; sein Ebenbildliches mit Gott sein Personsein zu ihm hin 265. Die gottgegebene Bestimmung und Fähigkeit dazu 266. Tabula rasa war die Menschenseele nicht, aber sittlich integra ebensowenig 267. Der Urständ ist der Stand des vrjmog 268. Die Schrift ist der Unterscheidung eines verlornen und eines unverlorenen Ebenbildes nicht günstig 269. Eph. 4, 22 —24 270. Die Unterscheidung verdankt einem dogmatischen Motiv ihre Genesis 271. Augustin, Luther, Bekenntnisschriften 272. Der Sinn der Rede von dem verlornen Ebenbilde Gottes 273. Das religiöse Interesse an der Frage und das reflektierende Denken 274. Petr. Lomb.: justitia originalis et immortalitas? 275. Barnabasbr., Tatian, Theophil., Iren., Athanasius, Hippolyt, Hilarius, Augustin, Luther 276. Der Sinn der Vertreibung aus dem Paradiese 277. Der Sold der Sünde ist der Tod im Sinne der Scheidung von Gott 278. Der Mensch bleibt der Gnade fähig, so lange er sich ihr nicht selbst verschliesst 279. Z w e i t e s Kapitel. Die G n a d e b e d ü r f t i g k e i t des M e n s c h e n 279/302. D i e S ü n d e 279/302 bewusstes Anderswollen als Gott 280/1. Ohne Willen giebt es kein Sündigen in Gedanken, Worten und Werken 282. Der Ursprung der Sünde 283. Die Schlange 284, symbolische Figur 285, nicht der Teufel 286. Andere Deutungen: Philo, Irenäus, Origenes, Kant, Schiller, Hegel, Martensen 287, v. Bohlen, Reuss, C. Clemen, H. H. Wendt, Rud. Ruetschi, J. Wellhausen 288. Das Schtildbewusstsein beweist, dass die Sünde nicht anerschaffen ist 289. Die mosaische Hamartigenie besteht die Probe vor dem reflektierenden Denken 290. Die Erbsünde 291. Rom. 5, 12 ff. 292. Die Natur des Todes 293. Die Parallele v o n xaxdxQißa
und
Sixaimots
5, 17 294, 5, 13 u n d 20 295.
Die
Erbsünde
im Sinne der augustinischen Fassung hat keinen Schriftgrund 296. Um so biblischer ist die Thatsache der allgemeinen Sündhaftigkeit 297. Ps. 51, 7, Rom. 7, 23, 18, Joh. 3, 6, Eph. 2, 3 298. 1 Joh. 1, 8. Der vererbte „natürliche Hang" necessitiert nicht zur Sünde 299. Die august. Fassung untergräbt das Fundament der Heilsaneignung 300. Kahnis' Critik der Erbsündenlehre. Einteilung der Sünde 301.
Inhaltsangabe.
Xí
ID. Christologie 302/524. A. Der Christus der fldes s. 302/3. B. Der Christus der fldes s. und das reflektierende Denken 303/524. Der Christusgedanke 303/325. Der als Erbsünde geschilderte Zustand wird vielmehr von uns selbst verschuldet 305. Der Christusgedanke erst post lapsum schliesst die Ewigkeit des Logos nicht aus 306. Cur Deus homo? 307. Eine Erlösung ohne Umstimmung des menschlichen Willens war unmöglich 308. Die Gnadenwahl. Augustin. Gottschalk 309. Cornelius Jansen 310. Die altkirchlichen Dogmatiker 311. Das Lebensbuch 312. Das Zeugnis der Erfahrung lautet gegen die Prädestination 313. Weder die supra- noch die infralapsarische lässt sich halten 314. Die Concordienformel und die Prädestination 315. Die Wahrheit der „Gnadenwahl": die freie Gnade Gottes in Christus 316. Es giebt keine Erlösung für den Menschen, ohne dass er sich erlösen lässt 317. Das lebendige Vorbild ist dazu unentbehrlich, aber allein unzureichend 318. Der Tiefsinn der justitia imputativa 319. Es bedarf der Sühne, aber es giebt keine, ohne dass man sie sich innerlich aneignet 320. Sie will dem Menschen dienen, aber sie kanns nicht, ohne ihn za heiligen 321. Steht and fällt der Christusgedanke mit der Thatsache der Sünde? 322. Irenäus. Rupert von Deutz. Duns Scotus. Andr. Oslander 323. ßothe. Dorner. Kaftan 324. Ohne die Sünde hätte es des Christusgedankens nicht bedurft 325. D i e P e r s o n C h r i s t i 325/68. Die geschichtliche Vorbereitung auf ihn. Israel 326. Die ausserjüdische vorchristliche Welt 327. Der historische Christus weist über sich hinaus 328. Die Thatsache der Wunder Jesu 329. Der geschichtliche Christus des Ev. ist die Offenbarung des vorgeschichtlichen 330. Die Frage der Authentie des Joh.ev. 331/32. Der synoptische Christus 333. Der Gottes- und Menschensohn in einer Person 334. Die Ebioniten und die Gnosis 335. Apollinaris v. Laodicea. Athanasius 336. In Christus ist Gott selbst in die Menschheit eingegangen (Athanas.) 337. Auch die Synode zu Constantinopel 448 zieht «ich auf die Glaubensthatsache zurück 338. Dyothelethismus. Maximus Confessor. Joh. Damascenus 339. Die Enhypostasie wird der menschlichen Natur nicht gerecht 340. Elipandus von Toledo und Felix von Urgel: Christus als MeDsch Adoptivsohn 341. Petr. Lomb.: Logos ist kein Andrer geworden. Seele und Leib sind nur sein Gewand 342. Thom. Aq.: unus Christus. Form. Conc. 343. Communicatio idiomatum der Ausdruck des Glaubens, keine aXloUaots 344. Luther und Zwingli 345. Nach dem Wie der gottmenschlichen Einheit fragt die Schrift nicht 346. Die übernatürliche Herkunft Jesu 347. Der Gedanke ist dem Judentum fremd. Von heidn. Mythen ist die Christenheit frei 348. Paulus; Gal. 4, 4. Rom. 8, 3. Col. 1, 15. 16. Phil. 2, 6 349. r¿wt¡pa xov xazgds, wie das Licht von der Sonne erzeugt wird (Athanas.) 350. Das Fehlen des Berichtes bei Mc. 351. H. Holtzmann. B. Weiss. A. Harnack. Ad. Hilgenfeld 352. Fehlte der Glaube in der gemeinsamen Quelle von Mt. und Lc.? 353. Das Mt.ev. und das Hebr.ev. 354. Das Mt.ev. und die XSyia des Papias 355. Die Frage der Priorität von Mt. oder Mc. Ob die Xóyia des Papias den Satz hatten, ist uncontrollierbar 357. Die Genealogien 358. Der syrische Ev.text v. Sinai 359. Die Berufung wider den Glauben auf Mc. 6, 2—4;
XII
Inhaltsangabe.
3, 20, 21; 3, 31—35 360. Die Taufe keine Gegeninstanz 361. Es existiert kein Bekenntnis ohne ihn 362. Die Constanz des „Apostolicums" war älter als die Sage von seinem apostolischen Ursprung 363. Luther ist kein Zeuge wider ihn, sondern für ihn 364. Der radikale Empirismus ultima ratio? 365. Immanuel: das Höchste, was wir zu denken und zu bitten vermögen 366. Die christl. Weltanschauung beruht letztlich auf anbetendem Christusglauben 367. Das W e r k C h r i s t i 368/96. Der Sinn der Taufe Jesu 369. Der Prophet 370. Der Hohepriester, satisfactio 371. Cur Deus homo (Anselm)? 372. Kritik der Satisfaktionstheorie 373/4. Socin. Stellung der Schrift dazu 375. Hugo Grotius 376. Luther 377. Joh. 3, 16: die Antwort auf die Frage: „Cur Deus homo?" 378. 2 Cor. 5, 17. 19, Apc. 21, 5 379. Intercessio 380. Munus regium 381. Der d o p p e l t e S t a n d C h r i s t i 381/396. Erörterungen über das Wie. Eryptiker und Kenotiker. Mentzer 383. Thomasius 384. Hofmann. Gess. Exinanitionis gradus 385. Ist der Präexistenzglaube jüdisch-apokalyptischer Herkunft? 386. Exaltationis gradus 387. Descensus ad inferos 388. Die Schrift bescheidet sich auch hier bei dem Zeugnis des Dass 391. Der Glaube und die Historie 392.
Die „autoxaXvyfis tv avtoTs" 393.
Die b e i l s a n e i g n e n d e W i r k s a m k e i t d e s h. G e i s t e s 396/403. Seine Werkstätte 398. Seine Wirkung vollzieht sich nicht ohne unsren Willen 399. Eine bedingungslose Geistesspende vertritt die Schrift nirgends 400. Die joh. Identification des h. Geistes und des erhöhten Christus ist auch paulinisch 401. Christi Geist ist der h. Geist 402. Als Geist Gottes ist er von Ewigkeit 403. Die g ö t t l i c h e D r e i e i n i g k e i t 403/430. Der dreieinige Gott ist uns erst im n. B. offenbar geworden 404. Im a. T. wird er noch nicht bezeugt 405. Der „Engel des Herrn" ist eine Manifestation Gottes 406. In der „Weisheit" liegt keine ontologische Selbstunterscheidung vor 407.' Es ist historisch begründet, dass das a. T. die Trinität noch nicht hat 408. Aber selbst im n. T. ist die Lehre als Lehre nicht ausdrücklich bezeugt, um so mehr das „Dass" 409: die trinitarische Taufe, ohne Anstoss von Jesus ein psychologisches Bätsei 410. Das älteste Taufbekenntnis ist das Bekenntnis zu dem dreieinigen Gott 411. Vor- und ausserchristliche Anklänge 412. Die theol. Formulierung des Glaubens 413. Hermae pästor vertritt nicht die adoptianische Christologie 414. Vertreter der Trias 415; der Trinitas: Tertullian, Orig., Novatian 416. Die Gottheit des Geistes 417/18. Gregor v. Naz. Basilius der Grosse 419. Die Frage des filioque 420. Symbolum „Athanasianum" 421/23. Samuel Clarke, Socin, Emanuel Swedenborg 424. Schleiermacher 425. Carl Daub. Franz von Baader 426. Julius Müller. Twesten 427. J. A. Dorner. Fr. Nitzsch. Frank 428. Der Schritt über die bisherige Lehrentwicklung hinaus 429. Erst im n. T. wird das göttliche Wesen als trinitarisches offenbar 430. Die H e i l s a n e i g n u n g (Soteriologie) 431/91. Der Sinn der Stufenfolge 432 (Luth. u. Conc.form). Vocatio 433. Illuminatio 434. Conversio 435. Sanctificatio. Unio mystica 436. Die Herzensgemeinschaft mit dem Herrn 437. Die Gnadenmittel 438. Das Wort Gottes 439. Gesetz und Ev. 440. Das Wort Sacrament 441/42. Begriff 443. 7-Zahl 444. Sittliche Disposition 445. Griech. Kirche. Luther
Inhaltsangabe.
XIII
446/47. Luther und Zwingli 1529 : 448. Sacramentslehre Calvins 449, der Conf. Aug., der Apol., des Mümpelgarter Colloq. 450, Schleiermachers 451, C. J. Nitzsch, Lipsius, Biedermann, H. Schultz, Kaftan 452, Höfling, Martensen, Rahnis, Frank, AI. v. Öttingen 453. Die Taufe, Joh.taufe 454. Die christl. Taufe. Joh. und Paulus 455. Die Taufe begründet die Kirche 456. Die Tauffonu; immersio, adspersio 457, der Glaube bei der Kindertaufe 458. Die Stellung der reform. Kirche zu ihr 459. „Non privatio, sed contemtus damnat" ist evang. 460. Die Kindertaufe setzt die nachfolgende Aneignung des Heilsgutes voraus 461. Taufe, Salbung, Handauflegung, Firmung 462. Confirmation 463. „Einsegnung" ein eminent evangelisches Institut 464. Das h. Abendmahl: a. die Elemente 465, b. Agape und Herrnmahl 466, c. Stiftung 467/68, d. der Sinn 469. Der Todestag 470. Der Opfertod 471. Der Opfergedanke im h. A. 472. Der Sühnopfergedanke 479. Transsubstantiation 474. Messe 475. Evang. Auffassung 476 ff. Die Schrift 478. Die Kirche 479. Das werdende Gottesreich 480. Eine katharische Kirche giebt es hier nicht 481. Die ihrer Gründung und Natur nach geistige Kirche tritt notwendig in Erscheinung 482. Sichtbare und unsichtbare Kirche. Communio sanctorum 483. Die drei Stande in der Kirche 484. Das Amt 485. Der obrigkeitliche Stand 486. Kirche und Staat 487. Der hausväterliche Stand 488. Die Beichte 489. Ecclesia sy nthetica 490. D i e H e i l s v o l l e n d u n g (Eschatologie) 491/523. Die Vollendung 491. Der Sinn des Todes 492. Die philos. Begründung der Unsterblichkeit 493. Der metaphysische Beweis 494. Der teleologische, analogische, kosmische, theologische Beweis 495/96. Der moralische Weg 497. Udalrich Karmär 498/99. Die Idee der Vergeltung erschöpft den Unsterblichkeitsgedanken nicht 500. Die Vorstellung eines schattenhaften Weiterlebens 501. Zwischenzustand 502. Der gute Grund dieser Lehre 503. Hebr. 9, 27 ist kein Gegenbelag 504/5. Die Parusie 506/8. Chiliasmus 509. Die Auferstehung des Leibes 510/12. Die Frage einer partiellen àvâazaais 513/15. Ewiges Gericht und Wiederbringung aller Dinge als definitive vertragen sich nicht 516. Nur als Eventualitäten können sie gemeint sein 517. Auferstehungsleib 518/20. Das Endgericht 521. Weltende 522. Die Verklärung der Menschen bedingt die Welt-Verklärung und fordert sie 523. Anhang: Von d e n E n g e l n 524/35. Schluss 536.
Zur Orientierung. Der z w e i t e Teil der Dogmatik, der specielle, wenn man mit Schweizer den ersten den allgemeinen nennt, hat das dogmatische System, die Dogmatik im engeren und eigentlichen Sinn selbst, zu geben. Was v o r h e r zu erinnern, zu erörtern, auszumachen war, die Pro-legomena, die principiellen, die allgemeinen Fragen lagen dem e r s t e n Teil ob. Er hatte Begriff und Aufgabe, Inhalt und Methode der Disciplin festzustellen. Ihrem B e g r i f f nach ist die Dogmatik die wissenschaftliche Darstellung des christlichen Glaubens nach Inhalt und Zusammenhang, wie er sich in dem Bewusstsein des Darstellenden im wesentlichen Contakt mit seiner Kirche reflektiert. Die w i s s e n s c h a f t l i c h e Darstellung des c h r i s t l i c h e n Glaubens, nicht irgend einer a n d r e n Weltanschauung, etwa einer Zeitphilosophie oder doch einer von ihm abweichenden Zeitrichtung. Der c h r i s t l i c h e Glaube ist das Objekt wie der christlichen Theologie im Allgemeinen so der christlichen Dogmatik im Besonderen, und ohne ihn hätten sie keins 1 ) und damit keinen Sinn und kein Existenzrecht. Ihn hat sie nun aber doch nicht einfach wiederzugeben, wie er von der Kirche formuliert vorliegt. Der Glaube ist ein innerer Vorgang, eine innerliche Gewissheit, ein persönlich Überzeugtwordensein. Das lässt sich nicht ererben, das muss man in dem Sinne und auf dem Wege innerlicher Aneignung erwerben. Jede Zeit muss des Glaubens mit ihren Wahrheitsmitteln und auf ihren Wahrheitswegen und vor ihrem Wahrheitssinne von Neuem gewiss werden, um ihn zu haben, und jeder Einzelne. Die Dogmatik darf, will und soll ihnen dabei behilflich sein. Sie hat die Aufgabe, in je ihrer Zeit diese über ihren Glauben zu 1) „Theologie ist ein Wissen von Religion, also giebt es, da Chimären nicht von der Wissenschaft behandelt werden, Theologie nur, wo es Religion giebt" (P. de Lagarde, Erinnerungen 1897. 115). S c h m i d t , Dogmatik II.
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Zur Orientierung.
verständigen und vor ihr ebenso seine innere Einheit wie seine subjektive und nicht minder transsckidental-objektive Wahrheit zum überzeugend geschlossenen Ausdruck zu bringen. Dieser Aufgabe kann sie nur genügen, wenn sie nicht sowohl von der formulierten Kirchenlehre als vielmehr vom christlichen Glauben ausgeht, wie er sich im Bewusstsein des zeitgenössischen Dogmatikers reflektiert; nur dass dieses im wesentlichen Contakt mit seiner Kirche steht. Das will sagen, dass er sich mit dem Grundgedanken derselben innerlich eins weiss 1 ). Mit dem entscheidenden Grundgedanken. Mehr ist nicht Voraussetzung und kann es nicht sein, ohne den wissenschaftlichen Charakter der Dogmatik und überhaupt jedes tiefere Eingehen auf die Glaubensfrage zu gefährden. Dieser entscheidende Grundgedanke ist für die evangelische Kirche in der fides salvifica, dem rechtfertigenden Glauben an die Gnade Gottes in Christus, gegeben. Davon wird danach die Dogmatik ausgehen dürfen und auszugehen haben. Davon aus wird sie weiter denken, dem logisch-psychologischen Zwange dieses Grunddatums folgend, und so ihren Gedankenkreis gewinnen. Die E i n h e i t l i c h k e i t des Ausgangspunktes verbürgt die innere Einheit und damit den systematischen Charakter des Gedankenkreises. Die c h r i s t l i e h e Eigenart des Ausgangspunktes gewährleistet den c h r i s t l i c h e n Charakter des Gedankenkreises. Wem die fides salvifica gewiss ist, dem muss auch der von ihr aus logisch-psychologisch correkt gewonnene Gedankenkreis gewiss sein. Aber auch nur ihm. Die so erreichte Gewissheit ist also eine lediglich subjektive, bedingungsweise, von der fides salvifica des Subjekts abhängige; bezw. nur historisch-objektive, nämlich eine solche, die auch andere Menschen, die Gemeinde der Gläubigen, mit uns subjektiv teilen. Mit einer nur subjektiven bezw. bloss historisch-objektiven kommen wir Menschen in dieser Welt nicht aus. Wes wir gewiss sein sollen, das müssen wir vor aller Reflexion behaupten können und zu halten vermögen 2 ). Die Einheit unseres G e i s t e s verwehrt 1) „Wer über die Wissenschaft der Religion mitreden will, muss die Religion aus eigener Erfahrung kennen" (Lagarde 115). 2) Auch Fr. Walther „Die christl. Glaubenslehre als Wissenschaft vom Lebensmut" 1893. 78 ist nicht der Meinung, „dass das positive Christentum bloss die Zusicherung des Rechts auf ein gläubiges Innenleben fordere", sondern es verlangt die Anerkennung, „dass die Natur selbst, dass Himmel und Erde thatsächlich den Anschauungen des gläubigen Innenlebens entsprechen."
Der Ausgangspunkt.
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es uns, einen unversöhnlich ausschliessenden Gegensatz zwischen unsrem Glauben und unsrem Weltwissen zu ertragen. Der gewonnene Gedankenkreis bedarf daher der Controle vor der Weltwirklichkeit. Die subjektive Wahrheit des Glaubens muss sich transscendental-objektiv halten lassen, muss denkmöglich sein. Dem Denken von unsrem Selbsbewusstsein, vom Ich, aus muss das Denken von unsrem Weltbewusstsein, wie wir es in dieser unserer Zeit haben und nur haben können, von der Welt, aus zur Seite gehen. Nicht vom Subjekt allein und nicht vom Objekt allein aus müssen die Verhandlungen geführt werden, sondern vom Subjekt und Objekt in Correlation. Der Gedankenreihe vom Subjekt aus muss die vom Objekt aus folgen dürfen, ohne sie zu gefährden. M. a. W.: Die Spekulation im Sinne des logisch-psychologischen Denkens vom christlichen Selbstbewusstsein aus muss die Probe vor der Reflexion im Sinne des Denkens vom Weltbewusstsein aus bestehen. Ist das spekulative Denken „allein das Denken in der strengen Form des Denkens" 1), das Denken und Begreifen des Einzelnen in und mit dem Ganzen und deshalb das schlechthin einheitliche Denken *): so wird die Dogmatik als System nicht darauf verzichten dürfen. Behauptet die philosophische Spekulation vom r e i n e n Selbstbewusstsein auszugehen, so nimmt es die theologische von vornherein gar nicht in Anspruch, das Selbstbewusstsein anders denn als christlich bestimmtes zum Ausgangspunkt zu haben.
§ 1. Der Ausgangspunkt. Der eigentümliche und ihm schlechthin gewisse Inhalt des christlich frommen Selbstbewusstseins ist die fides salvifica als der Friede mit Gott: ein einziges triebkräftiges Datum, das so den Ausgang bildet. 1. Als „triebkräftig" hat sich die fides s. in der Reformation erwiesen, deren treibendes Motiv sie wurde. So weiss sie Luther: Mit ihr „kann man feststehen und halten ob allen Artikeln". So Melanchthon3). Eben so ist sie zum materialen Princip 1) Rieh. Rothe, Theol. Ethik I, 6. 2) Schon Euklid, der Mathematiker am Hofe des Ptolemaeus Lagi in Alexandria, 30G v. Chr., wollte logische Gewissheit nur zwischen reinen Vernunftschlüssen gelten lassen. Neuerdings hat den Satz Prof. G. Milhaud, Essai sur les conditions et les liinites de la certitude logique, Paris 1894, mit neuem Eifer verteidigt. 3) Art. Smalk. II, 4. „Hic primus et principalis articulus est" . . , -Et in hoc articulo sita sunt et consistunt omnia".
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Die fides salvifica ein einziges triebkräftiges Datum.
des Protestantismus geworden, und nur so hat sie dazu werden können. Aber ein „einziges" Datum? Birgt es nicht vielmehr eine ganze Gruppe von Gedanken, ja eine Mehrheit von Gedankenreihen? Wo Paulus den Hergang Rom. 5, 1 schildert, reduciert er bei aller Vollständigkeit der Motivierung die Thatsache des dtxatoy&fjvai ex niorecog auf die LIQRJVFJ NQÖG tov S-EOV, und wo die Conf. Aug. p. I X X 16 die Stelle citiert, begnügt sie sich mit dem Wortlaut: „Iustificati per fidem, p a c e m habemus apud Deum". In diesem Frieden mit Gott concentriert sich nicht nur der Effekt der Rechtfertigung, sondern eben darin besteht sie. In diesem Frieden kommt sie uns zum Bewusstsein, wird sie uns eigen, haben wir sie. Dieser Friede mit Gott durch Christus ist die Rechtfertigung selbst. In ihm schliesst sich die objektive und die subjektive Seite der Rechtfertigung in ein einziges Datum des Bewusstseins zusammen. Denn er ist nichts Anderes als der effektive Glaube an die allgenugsame Gnade Gottes in Christus, und dieser Glaube hat zu seiner Lebensbedingung, dass diese Gnade eine objektiv wirkliche und auch für mich wirksame Thatsache ist. Nicht etwa ein bloss historisches Fürwahrhalten auf äussere Autorität hin, nicht etwa ein lediglich intellektueller Akt ohne Wirkung auf Herz und Leben, sondern eine Bestimmtheit des ganzen inwendigen Menschen 2). 1) Alb. Ritschl's „Über die beiden Principien des Protestantismus" 1877, abgedruckt in s. ges. Aufs. 134—147, ungeachtet halte ich, wie in I, 356 — so werde ich durchweg meinen I. Teil dieser Dogmatik 1895 citieren — noch an ihnen fest. Dass sie nicht einer „geschichtlichen Zufälligkeit" ihre Formulierung und ihr Aufkommen verdanken, hat inzwischen Carl Stange, A. Ritschl's Urteil über die beiden Principien des Protestantismus, Theol. Stud. und Crit. 1897. 617 gezeigt. Vgl. weiter zur Genesis v. Ritschl's Aufsatz: P. de Lagarde, Mitteil., IV. Bd. 1891. 412. 2) Fidei salviflcae inest notitia, assensus fiducia. „Notitiae conjunctam esse assensionem oportet", dass unser Herr Gott auch meine Person damit meine. „Ex hac notitia et assensione . . in mente . . cor seu voluntas concipit.. desiderium . . hoc modo mente, voluntate et corde te avertis a conspectu peccati et sensu irae Dei et respicis ad Agnum Dei" Chemnitz, Loci theol. 1591. II, 300. „Fiducia quae consolatur et erigit perterrefactas mentes" Conf. Aug. I. XX, 16; „velle et accipere hoc, quod in promissione offertur": „non tantum notitia in intellectu, sed etiam fiducia in voluntate" Apol. Conf. III, 183. „Zunächst ist der Glaube allerdings eine Sache der mens, eine cognitio et persuasio; dann aber nicht bloss noch etwas Anderes dazu, sondern zugleich die Subjektivierung des Inhaltes der persuasio zur eignen inneren Bestimmtheit, zum Inhalt des eigenen Selbstbewusstseins 2 und zum Willensantrieb, als fiducia" Biedermann, Christliche Dogmatik II, 333. „Höheres als der Rechtfertigungsstand, der .rechte Glaube' ist, kann in diesem Leben kein Mensch erreichen" v. Zezschwitz, Die Christenlehre im Zusammenhang 2 1883, 2. Abt. 216. „Der rechte Glaube muss und wird
Nur als schlechthin gewisses
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2. Sofern Einer Christ ist, ist er es „materiell" durch diesen Glauben. Es giebt kein christliches Bewusstsein ohne ihn, ohne dieses für dasselbe als solches schlechthin entscheidende Datum, und zwar als das unbedingt gewisse, das denkbar Gewisseste 1 ). sich allezeit bewähren" 219. „Der Glaube an Christus ist nach dem Apostel das Grundkennzeichen des Christentums" Kahler, Die Wissenschaft der christl. Lehre von dem ev. Grundartikel aus 2 1893, 88. 1) Der Glaube „verleiht den in meinem Inneren wie immer hervorgerufenen Vorstellungen für mich das Gewicht, durch welches ich bewogen werde, ihrem Inhalt Wahrhaftigkeit und den mir geltenden Wert beizumessen; so erschliesst er ein Gebiet für Erlebnisse, welche, mit dem gesamten persönlichen Leben durchaus verwoben, doch in die Beziehungen des Selbst- und Weltbewusstseins nicht aufgehen" (Kahler 16). „Indem der Wert der allein durch den Glauben verbürgten Gegenstände für das gesamte persönliche Leben so eindrücklich wird und so einleuchtet, dass man die Fundorte für das Wissen um diese Gegenstände als wirklich verlässliche Erkenntnisquellen anerkennen m u s s " , wird der Zweifel überwunden und nur so (17). Der Glaube ist Wissen und zwar in dem, worin die Glaubenden zusammenstimmen, in d e n G r e n z e n d e r s e l b e n allgemein giltiges Wissen (18). Ein Auseinandergehen zwischen Wissen aus Glauben und Wissen aus Welterfahrung ist noch nicht ein Widerspruch zwischen den Thatsachen der unsichtbaren und solchen der sinnenfälligen Welt, welcher die ersteren zweifelhaft machen müsste. Jeweilige „Widersprüche sind untrennbar von der Unvollkommenheit der unfertigen Wissenschaft und der ihr notwendigen Teilung der Arbeit, wie sie denn nicht nur in dem Verhältnis der Theologie zu anderen Wissenschaften vorkommen" (20). Freilich! Aber hier ist doch der Punkt, wo ich von dem verehrten Verfasser abweiche. Der Recurs auf die Unvollkommenheit der unfertigen Wissenschaft in apologetischem Interesse würde m. E. nur da zulässig sein, wo jene Unfertigkeit irgendwie aufgewiesen werden kann, nicht aber im Allgemeinen als Refugium quand même ohne nähere Motivierung im Einzelfall. Denn bei aller Unvollkommenheit der unfertigen Wissenschaft und der ihr notwendigen Teilung der Arbeit hat sie es doch zu bestimmten unbestrittenen und unbestreitbaren Gewissheiten gebracht. Unausgleichbare Widersprüche zwischen diesen und den Glaubensaussagen würden allerdings nach meinem Urteil für die Gläubigen unerträglich sein. Freilich liegen „die ausschliesslichen Gegenstände der eigenartigen theologischen Erkenntnis" „ausserhalb der Welterfahrung" (20); und man darf hinzufügen, die Welterfahrung ist weder eine abgeschlossene, noch reicht sie aus zur Lösung' einer Reihe von Rätseln, auf die sie uns s e l b s t hinweist und doch über das Ignoramus und Ignorabimus von sich aus nicht hinausbringt. Nicht einmal für die Zukunft berechtigt sie zu der Erwartung, dass sie es vermögen wird. In allen solchen Fällen ist auch ihr Anspruch auf ein Veto unbegründet. Die Apologie hat ihr das in jedem einzelnen nachzuweisen. Aber dieser Nachweis ist allerdings auch für die ausschliesslichen Gegenstände der theologischen Erkenntnis nach meinem Empfinden unerlässlich ; der Nachweis, dass sie von der Empirie aus nicht widerlegbar sind. Ihre Denkmöglichkeit darf von der Weltwirklichkeit aus nicht mit Erfolg bestritten werden können. Insoweit müssen sich die Glaubensaussagen auch ausserhalb der gläubigen Kreise halten lassen und die Controle des reflektierenden Denkens, d. h. des Denkens vom Weltbewusstsein aus, vertragen. Auch nicht „zeitweilig und streckenweise" darf sich die Theologie nötigen lassen, „ohne thatsächliche Fühlung- mit dem übrigen Wissenschaftsbetriebe zu gehen" (37). Dagegen lehrt Herrn. Schultz, Grundriss der ev. Dogmatik 2 2:
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constituiert es das christliche Bewusstsein.
Denn eben diese Gewissheit ist der Natur dieses Datums nach unabtrennbar von ihm, und nur als schlechthin gewisses constituiert es das christliche Bewusstsein und charakterisiert es dasselbe als solches. 3. Dass der so verstandene Glaube an die wirksame Gnade Gottes in Christus, wie er die principielle innerliche Abkehr von „Ausserhalb dieser Glaubensvoraussetzungen beanspruchen sie", nämlich die dogmatischen Aussagen, „keine Geltung". Es wird immer lehrreich bleiben, dass der Pietismus ungeachtet seiner unvergesslichen Verdienste um den Ernst praktischer Frömmigkeit und um die Bewahrung der Überreste evangelischen Glaubens, man möchte sagen, seiner Natur nach dem Umstand nicht hat wehren können, dass unsere zweite klassische Literaturperiode, die Blütezeit der deutschen Dichtung, „das Jahrhundert Friedrichs", mit dem Niedergang der christlichen Kirche zusammenfiel. Seine Abkehr von den grossen Fragen des concreten Lebens, der Cultur und der Wissenschaft, seine antiweltliche Richtung, der Mangel an einem weltoffenen Auge machte ihn dazu einfach unfähig. Verlieren beide, Cultur und Christentum, Wissenschaft und Glaube, die Fühlung mit einander, so ist das immer ein verhängnisvoller Fehler und eine besorgliche Prognose für die Weiterentwicklung beider. Wieviel auch noch fehlt und in absehbarer Zeit fehlen wird, um zu einem befriedigenden Modus vivendi, vollends zu einer wirklichen Versöhnung beider zu kommen: es liegt im wohlverstandenen Interesse beider, das Band unter keinen Umständen als zerrissen anzusehen und sich endgiltig den Rücken zu kehren oder doch sich von einander zu separieren. Sicherlich ist die christliche Religion „über aller Philosophie erhaben und bedarf von ihr keine Stütze" (Gespräche mit Göthe von Eckermann II, 39; Leitwort Ad. Harnacks, Lehrbuch der Dogmengesch. 3 1894. 2). Aber da sie den Beruf hat, das Salz der Welt zu sein, so muss sie sich auch der Philosophie gegenüber behaupten und es auch ihr zu werden nie aus dem Auge lassen. Dazu bedarf sie, mit ihr Fühlung zu behalten. Zumal, was uns hier allein angeht, die Theologie wird die Bemühung nach dieser Seite hin nie aufgeben dürfen, so lange sie in dem Geistesleben der Völker mitreden und mitbestimmend sein will. Sie hat dafür Sorge zu tragen, dass nicht mit der zunehmenden Weltkunde die Zuversicht zu der christlichen Weltanschauung abnimmt, und darauf bedacht zu sein, diese mit jener auseinanderzusetzen und dazu mit ihr in fortschreitender Fühlung zu bleiben. Aber allerdings, was uns dazu notthut heute wie zu allen Zeiten, ist, wie es Kählers der Beherzigung werteste Schrift „Unser Streit um die Bibel" 1895 überzeugend darthut, der evangelische Grund und Halt in der Bibel, der ganzen Bibel (18). „Luther wie Paulus . . hat nicht dem geschichtlich Gewachsenen die blosse Innerlichkeit, nicht dem Objektiven das Subjektive entgegengestellt". Weder die Männer der Wissenschaft (Humanisten) noch die Inspirierten, Enthusiasten, Schwärmer haben es zu einer durchschlagenden Geisterbewegung, zu einer Reformation gebracht. Auch wir, falls uns „der Glaube nur die Erregung des Gemütes und jede Aussage seines Inhaltes nur unzureichende Beschreibung ist"; falls „solche Aussage höchstens für den volle Geltung hat, der sie giebt"; falls „schon von der Apostel Wort gelten soll, dass es halb unzureichende Andeutung, halb theologisch verkehrende Verschlackung des Inhaltes mit fremden Zusätzen sei" (15), werden es nicht dazu bringen. Was Luther den Mut dazu gab, war seine Zuversicht zu dem „Wort Gottes, das ewiglich bleibet" (16). Die Bibel muss die norma credendi et docendi, der Massstab für unsre eigne Unterweisung wie für den christlichen Unterricht überhaupt bleiben.
Glaube an die göttl. Gnade Bedingung des Heils schon im a. T.
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der Sünde und Hinkehr zu Gott psychologisch logisch voraussetzt und einschliesst, die entscheidende Bedingung der Teilnahme an dieser Gnade und so das massgebende Merkmal des Christen ist, lehrt übereinstimmend das n. T . 1 ) ; am Bestimmtesten Paulus, der den Glauben an die Verheissungen Gottes als die Bedingung ihrer Erfüllung und somit des Heils bereits für das a. T. in Anspruch nimmt. Freilich weiss das a. T. von einer Verfassungstreue, die Gott übt um seines Namens willen ohne alle Leistung des Volkes, Jes. 48, 11; 43, 22 ff., aber doch nicht ohne dass es sie an sich üben l a s s e , ohne dass es die rettende Hand ergreife und die Gnade empfange, Jes. 57, 15; ohne dass es „zerschlagenen und demütigen Geistes" „sich im Ofen des Elendes auserwählt machen" lasse, Jes. 48, 10, und ihm vertraue. Tritt Jesus mit der Predigt Mc. 1, 15 auf, so ist das Neue der Gegenstand des Glaubens, nicht der Glaube selbst als das OQyavov Xrjmixov der göttlichen Gnade 2). Die fieravoia als die i n n e r e Abwendung von der Sünde und Hinwendung zu Gott sowohl wie die niatig als das demütige Vertrauen auf seine Gnade treten uns schon im a. T. mit immer grösserer Deutlichkeit als die ausschliesslich eigentliche Bedingung des Heils auf Seiten des Menschen entgegen. Auch der weitere Schritt, den Paulus thut, war in dem 1) P. de Lagarde (Erinner. 108) dagegen: „Die Lehre von der Rechtfertigung ist nicht evangelisch, sondern paulinisch." 2) Vgl. Rom. 4, 3 (Abraham), Hebr. 11, 4 (Abel), 11, 7 (Noah). Der Unglaube gilt als die eigentliche Sünde Israels, Deut. 9,23; Ps. 106, 12, 24; Glaube immer deutlicher, zumal bei den Propheten, als die Bedingung des Heils, Jes. 7, 9; 28, 16. Jon. 3, 5: „Da glaubten die Leute von Ninive." Damit wird ihre Umkehr eingeleitet. Hab. 2, 4 nimmt P. zum Thema. Schon der alttest. Fromme lebt von Gottes Gnade. Mit seiner eignen Gerechtigkeit kommt er vor ihm nicht aus. Sie erreicht nie das erforderliche Mass der Vollkommenheit. Alle bedürfen der Reue aus Herzensgrund, Hos. 14, 4; Prov. 28, 13; Ps. 6. 32. 51. 130, und der Bekehrung, ai» Joel 7, 12—14, als derjenigen Gesinnung, die nicht sowohl die begangene Sünde aufzuheben und damit das Heil zu verdienen vermag, als die conditio sine qua non der göttlichen Vergebung ist. Auch das Opfer ist im Grunde nichts als der kräftig sinnliche Ausdruck dieser Gesinnung. Vergiebt zwar Gott nicht ohne Entgelt, so will er sich doch mit einem IBS zufrieden geben, wenn es nur aus jener Gesinnung herausgebracht wird (Dillmann, Handbuch der alttest. Theologie 1895. 468). Ein Opfer von unbussfertigen Sündern ist dem Herrn ein Greuel, 1 Sam. 15,22; Hos. 6, 6; Am. 5,22 u. m. Der „objektive Grund aller Vergebung" (461) ist also Gottes Gnade, der subjektive die Herzensahkehr von der Sünde, der „Ekel" an ihr, Ez. 20, 43, und die gläubige Hinwendung zu Gott. Aber selbst dieser bussfertige Sinn ist Gnade. Als von Gott gegeben sieht ihn schon das a. T. an, Zach. 12, 10; Ez. 11, 19. Demnach: „Impius non credit, quod reverti possit a tenebris", Ps. 27, 13 (Mart. Chemnitz, Loci theologici 290).
Der Glaube im a. und n. T. ist selbst fieiavoia.
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a. T . bereits vorbereitet und so zu sagen dem Ansätze nach da. Spricht er nämlich nur noch vom Glauben als dem alleinigen Grund aller Rechtfertigung vor Gott und damit alles Heils: so bot ihm das a. T. nicht nur dem Wortlaut nach in Habak. 2, 4, Gen. 15, 6 u. a. den bestimmtesten Anhalt, sondern auch sachlich, wenn es schliesslich auf Seiten des Menschen nichts weiter in Anspruch nahm als den Accept der Gnade. Faktisch war aber auch das a. T. damit so weit entfernt, die fiezavoia als entbehrlich preiszugeben, als Paulus mit
seinem A u s d r u c k : „dixaiovodai
marei
äv&Qconov yrnglg
sgywv
(Rom. 3, 28). Vielmehr setzt der Accept der Gnade, die nioris, als das demütige Vertrauen auf sie, die ficiavoia immer voraus und schliesst sie ein. Niemand kommt dazu, auf die göttliche Gnade zu hoffen und nur nach ihr zu v e r l a n g e n , der nicht jenen „Ekel", von dem schon das a. T. spricht, an der Sünde empfindet und innerlich mit ihr gebrochen h a t ; Niemand, der sich nicht aufrichtig und ernstlich von ihr ab- und zu Gott hinwenden w i l l . Aber es ist doch nun nicht so, als ob die /xerävoia unabhängig von der jitoxig etwas ihr Vorausgehendes w ä r e : sondern sie werden und wachsen mit einander. Noch richtiger: der Glaube ist selbst die Herzensabkehr von der Sünde und die Herzenshinkehr zu Gott. Die ¡ueravoia ist also auch nicht etwa erst seine Folge, seine Wirkung, seine Frucht, sondern er ist sie selbst. Es giebt keinen wahrhaften Glauben an die Gnade Gottes in Christus, der nicht selbst principieller liruch mit der Sünde wäre. Als demütiges Vertrauen unifasst er eben beide Momente, die Demut d. h. den Verzicht auf jedes eigene Verdienst und Vermögen und das unbedingte Vertrauen auf Gott in Christus, aber nun doch nicht als zwei Momente, die neben einander, sondern die im Glauben eins geworden sind. Von hier aus wird es verständlich, dass der Apostel in demselben Sendschreiben, in dem die bixaioovvrj deov, die von Gott aus dem Menschen zu teil wird, das eigentliche Thema und das bixaiova&ai ex niozEUiq den Grundgedanken bildet, ohne ihm untreu zu werden, den Satz vertritt, dass Gott am Tage der Offenbarung des V6/M>VU
gerechten
2. 6,
„anobiboei exdotco xazä rä e'gya avxova R o m . dass „o? jioitjial VOJLIOV bixaicod-rjaoviai^ Rom. 2, 13. xov ix. ntarecog 'Irjoov 3, 26 schliesst weder das Ver-
Gerichtes
sowie
D a s bixaiovv
gelten einem Jeglichen nach seinem Thun 2, 6 noch das Gerechtwerden der T h ä t e r des Gesetzes aus, ebensowenig wie dem letzteren 3, 20 widerspricht, dass aus Gesetzeswerken kein Fleisch vor Gott g e r e c h t wird.
D e r btxaioavvi/
fleov
steht die ibia bixaioavvt]
10, 3
Er schliesst die „ISla Sixaioavvq" aus
9
als abschliessender Gegensatz gegenüber; dem ex mozemg das mg ef egymv 9, 3 2 , d e r xaivörtjg nvevfiarog d i e nalai6xr\q yQ&jXjxaTog 7, 6 , d e r ev reo ypavegcö ev aagxl jieQirof.nq 2 , 2 8 d i e nequiofir] xagdiag
Iv nvEVfiaii ov ygä/ujuan 2, 29. Dem demütigen Vertrauen auf Gottes Gnade in Christus die gottabgewendete auf Aussenwerk und Lippendienst pochende „eigene Gerechtigkeit". Die weltrichterliche Norm Gottes ist immer und überall dieselbe. Vor ihm ist kein Ansehen der Person 2, 11. Ob er rechtfertigt aus dem Glauben allein an Jesus (3, 26), ob er nicht gelten lässt die „eigene Gerechtigkeit", die eine eingebildete ist (10, 3), ob er die Herzens-Beschneidung der Heiden annimmt und die des Fleisches der Juden verwirft, ob er keinen Mensehen auf Grund seiner Gesetzeswerke (3, 20) und doch den Thäter des Gesetzes rechtfertigt (2, 13), am entscheidenden Tage einem Jeden vergilt nach seinem Thun (2, 6): er bleibt immer gerecht (3, 26), denn in allen diesen Fällen ist ers, von dem es gilt: „XQIVEI o fteog rd XQ Vitra
rmv äv&Q(ona>vu
(2, 1 6 ) 1 ) .
Von hier aus wird es auch deutlich, dass ein Dissensus zwischen Paulus und J a c o b u s in dieser Frage nicht besteht. Was Jacobus unter dem Titel niang
b e k ä m p f t : Mv nionv hey y rig e/eiv 2, 14
und als unzureichend zum Heil bezeichnet: /ut] dvvarai f\ mang amaai avrov 2, 14, ist nicht der Glaube, aus dem allein P. die dtxaioovvt] fteov herleitet, nicht der Glaube, der selbst fiezävoia zu Gott hin ist, nicht der Glaube, der aus dem Herzen kommt und eine That des ganzen inwendigen Menschen ist, sondern eben ein Lippendienst, ein Aussenwerk, ein opus operatum gerade wie die egya vöjuov der jüdischen idia dixatoavvt). Das Verdikt über ihn fällt also gleichfalls unter die Norm Rom. 2, 16 und ist ein gemeinsamer des P. nicht minder als des Jacobus. Auch nach dem H e b r ä e r b r i e f ist es nicht möglich, Gott zu gefallen, ohne Glauben 11, 6. Auch 2 ) nach ihm wird der Gerechte aus Glauben leben 10, 38. Nur der Glaube ist eine Überführung von Dingen, die man nicht siehet 11, 1, und so die_ entscheidend unentbehrliche Bedingung, für das zu erlangende Heil, so gewiss er sich freilich in dem Kampfe, der uns verordnet ist, durch Geduld bewähren muss 12, 1. Nur den marsvoavrsg steht die Gottesruhe — xaränavoig — in Aussicht 4. 3; 3, 19. Nur die Gläubigen erben die Verheissungen 6, 12. Unglaube ist Abfall vom lebendigen Gott 3, 12. Man kann soweit kommen, 1) Vgl. meinen Art. Theol. Stud. u. Crit. 1898. 246 ff. 2) Anders B. Weiss, Lehrb. der bibl. Theol. des n. T. 6 1895. 523.
10
und die Herzensumkehr zu Gott ein.
wenn man keinen Raum mehr zur /letavota findet, 12, 17. Auch innerhalb der Gemeinde ist dieser unwiderbringliche Abfall möglich 10, 26. Es ist also freilich ein durchaus ethischer Glaube, der hier durchweg vertreten wird; aber, wie ich meine, kennt auch Paulus und das ganze n. T. keinen andren als den specifisch christlichen. Damit verträgt es sich sehr wohl, dass es Gott ist, der in uns das wirkt, was vor ihm wohlgefällig ist durch Christus, 13, 21. Das ist keine Allwirksamkeit Gottes im Sinne des Akosmismus, aber seine Initiative allüberall und wo etwas Gutes geschieht, zumal innerhalb der von ihm gestifteten Erlösung. Auch P. lehrt keine Allwirksamkeit Gottes auf Kosten der sittlichen Selbstthätigkeit des Menschen. Und wenn der Hebräerbr. zwar xirjaig 3, 1 und xahlaftai 9, 15 kennt, aber keine Ixkoyfj1), so ist auch die paulinische exloyr) keine prädestinierende. J o h a n n e s schreibt, um bei seinen Lesern den Glauben zu wirken, Jesus sei der Christus, der Sohn Gottes; zu dem Zweck, dass sie durch den Glauben das Leben haben in seinem Namen: Ev. 20. 31. Das Leben haben aber heisst: nicht mehr unter dem Zorn Gottes stehen 3, 36. Der Glaube ist also auch nach ihm die umfassende Bedingung des Heils als des Friedens mit Gott und dieser Friede selbst. Der Glaube an Jesus, den Christus, den Sohn Gottes, ist selbst das Leben aus Gott und in Gott: 1 Job. 5, 1 ff. Der so Gläubige ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen; der hat das Leben 5. 12. Alles, was der Mensch zu seiner Heilsaneignung zu thun hat, fasst Joh. in das eine Wort mmeveiv zusammen, Ev. 3, 16. Die gottzugewendete Gesinnung ist die Bedingung so christlichen Glaubens wie christlichen Erkennens. Auch dies ist ethisch bedingt und ethischer Art, Ev. 7, 17 „yvcooeraiu. An diesem Criterium kann Niemand die Lehre Jesu erproben ausser dem, der eben ein gottzugewendetes und von ihm kundiges Herz hat und nur so inne wird, dass sich das Wort Jesu eo ipso als das Gottes legitimiert. Nennt man wohl neben P., den Apostel des Glaubens, Joh. den Apostel der Liebe: so darf als der prävalierende Begriff des 1. Petrusbriefes die christliche Hoffnung gelten, 1. Petr. 1, 7, 9, 13; 3, 9—15; 4, 13; 5, 4. Sie schliesst keinen aus, der sich nicht selbst durch sein gottabgewendetes Herz ausschliesst. Der Gnade in Christus 1, 13 für alle ohne Ansehn der Person kann doch nur 1) H. Holtzmann, Neutestamentliche Theolog-ie 1897. II, 307.
Glauben im n. T. = sich von Gott in Christus begnadigen lassen.
11
teilhaftig werden, wer sich begnadigen und dazu von Grund aus sittlich erneuern lässt, nur „ zov nvgyov. 'O nvgyog omog zovzcov ßaozdicrai xaz' emzayr\v zov xvgiov. äxove vvv zag evegyeiag avxä>v. f ) fib> Tigcoztj avzwv f ) xgazovoa zag %etgag JJiartg xaXelzai. 8ta zavzr/g oco£ovzai oi ix&cxzoi zov deov. r\ de izega f ) jzegiioiofievtj xal dvdgtioi/ievrj 'Eyxgdzeta xaXeTzat. Avztj dvydzijg eoziv zrjg IJiozecog. ög av ovv axo).ovdrjojj avzfj, fiaxdgiog yivtzai ¿v z f j £a>fj avzov, ozi xdvzoiv zwv xovqgcöv igywv atpe&zai mozeveov, ozi ¿av a- Unterscheid, eines Nichtich v. mir setzt mein Selbstbewusstsein voraus.
dem einen beharrlichen Ich und dem Mannigfaltigen und Veränderlichen seiner Thätigkeiten und Zustände. Pfleiderer erkennt es rundweg an, dass das Wesen Gottes, welches eine Mehrheit von Thätigkeiten, wie Denken und Wollen, unterscheiden lasse, ein Selbstbewusstsein fordre, da sonst sein Denken und sein Wollen völlig beziehungslos werden und auseinanderfallen würde. Das Wollen wüsste nichts vom Denken und das Denken nichts vom Wollen, wenn sie nicht auf einander bezogen wären in der Einheit des im Denken und Wollen identischen und seiner Identität bewusst seienden Ich. Auch unter dem Wechsel der Zustände fordert die E i n h e i t d e s S e i n s das Selbstbewusstsein, in dem sie sich allein vor dem Fluss des Werdens zu erhalten vermag 1 ). d. Eduard v. Hartmann gestattet sich, gegen die Möglichkeit eines Ichbewusstseins Gottes darauf hin zu protestieren, dass er kein Gedächtnis haben könne. Und allerdings ein Ichbewusstsein ohne Gedächtnis lässt sich nicht behaupten. Aber mögen immer die Impressionen der Hirnmoleküle bei u n s r e r Gedächtnisarbeit erfahrungsmässig mitwirken und für die diesseitigen Verhältnisse unentbehrlich dazu sein: die Hirnmoleküle sind auf der geistleiblichen Stufe Medium, nicht mehr. Nicht sie teilen sich ihre Impressionen zu gegenseitiger Kenntnisnahme mit; nicht das sinnliche Hirn 8 ), sondern das übersinnliche Ich wird der eigentliche Erklärungsgrund des Gedächtnisses sein. Dann aber ist auch einem an die Hirnbedingungen nicht gebundenen göttlichen Ich das Gedächtnis nicht abzudecretieren. Endlich ist ein „allweises Unbe1) Religionsphilos.2 1,282. — Dagegen fordert sie nicht, auch nicht die Persönlichkeit, eine Natur in Gott, eine Wesensgrundlage und damit ein Nichtich in Gott als die Bedingung davon, dass es in ihm zum Bewusstsein komme. Diese Bedingung, deren er bedürfe, um erst selbst eine Intelligenz zu werden und nicht ins Unendliche zu zerfliessen (J. Böhme, Schelling, Rothe), wäre eine Schranke, die seine aseitas nicht verträgt. Der übrigens wohlgemeinte Ausweg einer theistischen Theosophie, das Nichtich, dessen es zum Ichbewusstsein bedürfe, in Gott selbst zu verlegen, ist ungangbar, aber auch aus dem obigen Grunde unnötig. 2) Flechsig, Gehirn und Seele 2 , 1896: Man sieht die Ganglienzellen als die Träger der Gedächtnisspuren an. Aber man kann es einer Zelle nicht ansehen, ob sie wirklich Gedächtnisspuren birgt und welche. Etwa ob sie Anteil hat an der Vorstellung der Sonne. Wir wissen nicht, wie viele Zellen in Thätigkeit treten zu Vorstellungen und wie vielzellige Vorstellungen es giebt. Nicht von einer einzigeil Vorstellung ist anzugeben, wie viel nervöse Elemente daran beteiligt sind. Die Frage nach dem durchgängigen Parallelismus zwischen geistigen und körperlichen Vorgängen ist exakt nicht zu beantworten. Die mikroskopische Anatomie, die Elementarphysiologie versagen. Weder zeigen sie, wo sich Gedächtspuren befinden,* noch welche Elemente des Hirns Bewusstsein vermitteln, noch welche speciell an Vorstellungen, welche an Gefühlen beteiligt sind.
Das Absolute schliesst die Persönlichkeit nicht aus, sondern ein.
113
wusstes", eine die Welt zweckmässig schaffende lind regierende Allweisbeit olme Bewusstsein eine Zumutung, die der Widerlegung überbebt. 3. Wiederum das Absolute: warum soll es unvereinbar sein mit der so verstandenen Persönlichkeit? Mit einer Persönlichkeit, welche als solche allem ohne Ausnahme, was ist, gegenüber sich behauptet, und wie sie von allem weiss und alles bedingt, so allem gegenüber die Freiheit bewahrt? Freilich mit der Definition, die Strauss von Absolutheit giebt, verträgt sich die Persönlichkeit nicht. Denn danach schlösse die Absolutheit die Persönlichkeit aus; eben sie und sonst nichts. „Absolutheit", hiess es, „ist das Umfassende, Unbeschränkte, das nichts als eben nur jene im Begriff der Persönlichkeit liegende Ausschliesslichkeit von sich ausschliesst." Aber wer vermag damit irgend welchen Gedanken zu verbinden! Das Umfassende, Unbeschränkte, Nichtpersönliche ist nichts, es sei denn der Raum. Aber nur soweit der Raum erfüllt oder begrenzt ist, können wir einen Gedanken mit ihm verbinden. Als endloser entzieht er sich unsrer Vorstellung und unsrem Begriffsvermögen. Ein Begriff ohne alle Position ist keiner. Das Absolute ohne persönliche Bestimmtheit ist nichts. Als „Umfassendes" lässt es sich nicht denken und nicht charakterisieren. Auch das Umfassen bleibt notwendig ein Fassen, und in dem es irgend etwas fasst, umschliesst, begrenzt, wird es eo ipso nach der Seite hin, wo das Umfassende liegt, eben durch dieses begrenzt, an ihm hat es nach der Seite hin sein Ende. Aber selbst wenn es nach der andren, so zu sagen, äusseren Seite ins Unbegrenzte fortginge, würde der Begriff des Umfassenden verschwimmen und verschwinden. Umfassendes und Unendliches schliesst sich nicht ein, sondern aus. Was umfassen soll, kann nicht unbeschränkt sein. Wollte man also die Position betonen, die in dem Umfassen liegt, so ginge ebendamit das Prädikat der Unendlichkeit verloren. Wir kommen so nicht darüber hinaus: ein unpersönliches Unendliches, weil ohne allen Halt, ist nichts; weil völlig unbestimmt, selbst als Gedanke unvollziehbar. Dagegen ist die Persönlichkeit der einzige Halt, den das Unendliche verträgt. In ihr ist ein lediglich geistiges Centrum, ein geistiger Mittelpunkt gegeben, von dem aus nach allen Seiten hin ohne Schranke und Grenze ein Wirken möglich wird. Nur das persönliche Absolute hat Sinn, das unpersönliche Absolute dagegen keinen. Das Absolute schliesst so die Persönlichkeit nicht aus, sondern ein. b C ll U l l i l ,
il.
^
1 1 4 Nur d. theistische Gott ist absolut; nicht der pantheist. noch d. deistische.
Ja man darf sagen: Persönlichkeit im vollendeten Sinne als reines Durch-sich-sein und Sieh-zusammenfassen als Selbstheit ist nur das Absolute. Und nur die so ganz auf sich selbst gestellte und in sich centrierende Persönlichkeit ist absolut. Daraus folgt, dass nur der theistische Gott absolut ist, dagegen weder der pantheistische noch der deistische. a. Der P a n t h e i s m u s verliert Gott an die Welt und die Welt an Gott; damit sowohl das Selbstleben Gottes als auch das Selbstleben der Welt. Alles ist Gott, und Gott ist Alles. Damit hört Gott sowohl auf, persönlich zu sein als absolut, ja sogar Gott zu sein. Nur das Universum bleibt, die Natur, die beständig gebiert und beständig verschlingt, ein kreisendes Werden und Vergehen, ein beständiges Fliessen (jiävta QET Heraclit), das man Gott nennt. Es bleibt nur noch der Name. Der Pantheismus überbietet die Immanenz Gottes in der Welt. Die Immanenz ist sein Wahrheitsmoment. Ihre einseitig extreme Ausbildung auf Kosten und mit Ausschluss der Transscendenz ist sein Fehler. Der unmittelbar überwältigende Eindruck der Natur, die Abhängigkeit von ihr, die eigne Teilnahme am Naturleben, das innige und tiefe Mitempfinden ihres rastlosen Wechsels, ihres Werdens und Vergehens, ihres Ersterbens im Winter und Auferstehens im Lenz, ja ihr direkter Einfluss auf unsre Stimmung, auf unser eignes Befinden, kommt dem Zuge entgegen, der sich im Pantheismus kund — und genug thut. Der Natursinn mit all seiner Wehmut und mit all seinem belebenden Reiz, mit seinen elegischen und seinen festfrohen Feiertönen wird zum stimmungsvollen Gottesgefühl. Das geheimnisvolle Weben der Natur, das Rauschen der Blätter, der Windstoss in den Wipfeln hat nicht nur unsre Ahnen und die abendliche Stille der Waldeinsamkeit nicht nur unsren Göthe andächtig gestimmt: durch die Jahrtausende der Weltgeschichte hindurch treibt diese Naturandacht immer neue Blüten. Ein Leben in allem Seienden, ein Gotteshauch in allem, was Atem hat, und der Drang, in den Naturereignissen Gottes Kundgebungen zu sehen, manifestiert sich immer von neuem. Das ist der tiefsinnige Hintergrund des pantheistischen Irrtums. Aber ein Irrtum bleibt's doch, wenn Gott zu dem Duft wird, „welcher aus dem ungeheuren Blumenkelch der Welt aufsteigt" (Berth. Auerbach), und der Mensch zu der Welle im uferlosen Ocean, die da auftaucht und wieder verschwindet.
D. tiefsinn. Hintergr. d. Pantheismus. D. grosse Gedanke d. Paulogismus. 1 1 5
Ein Irrtum, selbst wenn man keine Realität weiter anerkennt als die Gottes, ihn allein als die Substanz und alle übrigen Existenzen nur als ihre Aecidenzen oder Modi (Spinoza). Ist es der Schöpfer der endliehen Dinge und unser eigener, dann wird es verständlich, dass sie, die „Werke seiner Hände", die Spuren seines Geistes irgendwie erkennen lassen, und wir, in deren Namen der Sänger zu ihm spricht: „Du hast mich gemacht", derselben inne werden; verständlich jenes innige Naturgefühl des Menschen. Dagegen wenn diese Naturdinge und wir nichts Anderes sind, als die Erscheinungsweisen der göttlichen Substanz, Attribute Gottes, Ausdehnung und Denken, die beiden, die die Erfahrung von ihm zeigt: dann ist es nicht nur unverständlich, wie sie geworden sind und haben werden können, noch wie diese Substanz, dieser genau genommen nur aus der Erfahrung erhobene Allgemeinbegriff, die Rolle Gottes spielen und ertragen soll. Die wirkliche Welt selbst wie Gott wird zum Sehemen. Das Selbstleben der Welt wird zum Schattenspiel und die Allwirksamkeit Gottes im Grunde auch. Das Welträtsel wird so nicht sowohl gelöst als umschrieben; die Erfahrungswelt in einen Begriff, in ein Abstractum sublimiert. Die Frage bleibt offen, nachdem die Schöpfung aufgegeben ist, wie das Universum aus der einen (göttlichen) Substanz hervorgeht und hervorgehen kann. An diesem Punkt setzt Hegel ein, indem er das Werden der Welt aus Gott als ein Werden Gottes selbst begreift und seine „dialektische Methode" als die Lösung des Rätsels verkündet. Gott ist zunächst Idee und zwar der Inbegriff aller Ideen. In der Natur zwar schon enthalten, aber noch unbewusst ringt sie zu adäquaterem Dasein Stufe um Stufe durch die ganze aufsteigende Reihe der Weltwesen in ununterbrochenem dialektischen Prozess in immer neuen Ansätzen, bis sie sich endlich im Menschen findet und aus dem äonenlangen Traume zum Bewusstsein erwacht. Erwacht auch in der Menschheit erst je länger je mehr, in endloser Entwicklung immer neuer Geschlechter und Individuen zur schliesslichen Vollendung des Selbstbewusstseins als Gott. Die Dauer dieses Werdeprozesses des Absoluten ist unabsehbar. Es bleibt im Werden. Ein vollendet Absolutes, ein zum vollen Selbstbewusstsein gekommener Gott, existiert nicht. Damit spricht das System selbst das Urteil über sich. Der grosse Gedanke des Panlogismus, dass die Idee die Welt regiert, dass Vernunft in ihr ist und sich immer mehr durchsetzt, dass ein idealer Zusammenhang eine stufenmässige
i IG
Aber seii^Gott ist weder persönlich noch absolut.
Höherentwicklung aller Existenzen bis zum Menschen bedingt und beherrscht und auch in der Menschheitsgeschichte sich fortsetzt, schlägt zuletzt in den unerträglichen um, dass die Entwicklung kein absehbares Ende zeigt, dass aus dem Stadium des Werdens nicht herauszukommen ist, dass die Vernunft in der Welt innner von Neuem der Vervollkommnung bedarf, dass Gott nicht und nie wirklich ist, sondern immer nur wird; j a dass er des Weltprozesses bedarf, um seiner selbst bewusst zu weiden. Also ein Gott, der nicht persönlich ist, sondern es erst im Menschen mehr und mehr wird und es nicht werden kann ohne die AVeit: somit ein Gott weder persönlich noch absolut. Es ist der Gott, für den Strauss eintritt. Die Persönlichkeit Gottes, sagt er (524), müsse nicht als Einzelpersönlichkeit, sondern als Allpersönlichkeit gedacht werden. Statt unsrerseits das Absolute zu personificieren, müssten wir es als das ins Unendliche sich selbst Personificierende begreifen lernen. Damit tritt das Absolute seine Rolle an die Menschheit als den Inbegriff der Subjekte, in denen es wie zu sich selbst, so auch erst zur wahrhaften Wirklichkeit kommt, a b ; und es ist ganz correkt und folgerichtig, wenn von da aus so Ludwig Feuerbach zu der Deutung kommt: Religion ist das Verhalten des Menschen zu sich selbst 1 ) und die Theologie längst zur Anthropologie geworden 2 ), wie der Positivismus bei der Religion der Menschheit d. h. der Religion anlangt, welche kein andres religiöses Objekt als die Menschheit behauptet, wie es A. Comte's „religion universelle" für sich in Anspruch nimmt. Ein Subjekt, welches sich in seinem Fürsichsein aufheben muss, um erst Subjekt zu werden, ist ein unvollziehbarer Gedanke, und ein Subjekt von einem „abstrakten Fürsichsein" dsgl. Dennoch ist dies noch nicht die tiefste Stufe, zu der der Pantheismus herabgesunken ist. Immerhin sind es in Spinoza und Hegel noch die idealen Güter des Lebens, welche als die unbedingt höchsten anerkannt und gewürdigt werden und den Ausgang der ganzen Gedankenentwicklung bilden. Es ist der Menschengeist, in dem das Absolute zum Bewusstsein kommend und sich selbst findend gedacht wird; der Gottesdienst wird zum Menschendienst, aber immer doch noch zum Cultus des Genius. Die letzte Consequenz, die der Pantheismus seitdem gezogen hat, ist die Naturvergötterung. Die mechanistische Weltanschauung 1) Das Nähere diiiüber I, 257.
2) 25S,
Athoismus ist das Eiulu dos Pantheismus und des Deismus.
verzichtet überhaupt auf Gott und Geist. Gott und keinen Geist mehr.
117
E s giebt für sie keinen
Alles ist Natur, darüber hinaus nichts.
Auch das geistige Leben ist im Grunde nur Natur, Stoffbewegung, Gehirnthätigkeit, Nerven-affektion und -reaktion. Ende
des Pantheismus.
Lösung. Welt
Materialismus
Aus der einseitig
wird schliesslich
Geist.
Verlor der
seine
Atheismus ist das letzte
überbotenen Immanenz
die W e l t
ohne
Spinoza-Hegelsche
Gott,
Losung
Gottes
der Weltstoff
Pantheismus
und
in
über
der ohne
der All-
wirksamkeit Gottes das Selbstleben der W e l t , so der materialistische Atheismus über den Mechanismus der W e l t Gott. b.
Der D e i s m u s behält beide,
Gott und die W e l t ,
aber in
unnahbarer Ferne, in friedlicher Geschiedenheit, in sorgloser Gleichgiltigkeit gegen einander. Gottes,
so
der Deismus
Überbot der Pantheismus die Immanenz seine Transscendenz.
hat Gott die W e l t geschaffen.
In
grauer
Vorzeit
Damit hat er seine Arbeit gethan.
Nun ruht er von ihr und lässt die W e l t ihren eigenen W e g gehen; und sie kann es,
denn
er
hat sie mit allen erforderlichen Mitteln
und Kräften, mit ehernen Gesetzen und festen Richtlinien versehen. Seiner Assistenz oder Präsenz bedarf es nicht mehr. einschliesslich
des
Menschengeschlechts
ihren
S i e vollendet
eignen
Kreislauf.
Zumal um die kleinen Anliegen des einzelnen Menschen bekümmert sich der unendlich erhabene überweltliche Gott nicht.
E r befördert
so wenig wie stört ihre Cirkel. Auch
der
Deismus
hat
ein Wahrheitsmoment,
das
er
nur
überbietet, aber damit freilich in seiner letzten Consequenz schliesslich auch Gott verliert. Das Wahrheitsmoment ist sowohl die Überweltlichkeit Gottes als auch das Selbstleben der W e l t . den Abweg, ficieren,
Gott mit der Welt
und infolgedessen
Der Deismus vermeidet damit
zu vermengen oder gar zu identi-
den Akosmismus.
Die
weitere
Folge
ist, dass Gott entbehrlich wird. Die wohl ausgestattete und seiner Zeit in Bewegung gesetzte Maschine selbst.
geht
nun
allein ihre Bahn.
E s vollzieht sich alles von
E s funktioniert Alles ohne T a d e l ;
der Maschinenbauer hat
seine Schuldigkeit gethan, und eben damit wird er nun überflüssig. Sobald man des inne zu werden meint, fragt man nicht mehr nach ihm und verlässt sich allein auf das Triebwerk. wird der Atheismus,
der Determinismus
Materialismus.
Aber nicht
offenbar,
auch der Deismus
dass
erst
an
Aus dem Deismus
und unter Umständen der
seinen Conscquenzen
ein Irrweg
ist.
Schon
wird
es
die Er-
118 Auf d. präsenten Regenten istb.d Selbstlebend. Welt nicht zu verzichten. fabrung zeigt seine Insufficienz. Freilich giebt es ein Selbstleben der W e l t . Freilich hat sie Gott selbst auf sich selbst gestellt, dass in den ihr eigenen Ordnungen und Gesetzen sie ihr Leben entfalte und ihre Bestimmung erfülle. Die Erfahrung bestätigt, dass dieser Weltlauf die Regel ist. Gott hat auch den Menschen in gewissen Grenzen auf sich selber gestellt. Wie er dem unpersönlichen Weltleben die Naturgesetze, so hat er dem persönlichen, dem Menschen, die Freiheit gegeben. Eine Freiheit in gewissen Grenzen auch über die Natur. Dadurch wird ein beständiger Einfluss seinerseits auf die Natur ermöglicht und wirklich. Dieser menschlichen Freiheit gegenüber wird eiu weltleitender Wille auch nach der Einrichtung des Ganzen schlechterdings unentbehrlich, wenn nicht der W e l t z w e c k gefährdet werden soll. Diesen beständig möglichen und faktischen Eingriffen der menschlichen Freiheit gegenüber geht die Maschine nicht von selber den ihr geordneten Weg, sondern auf den präsenten Regenten ist gar nicht zu verzichten. Aber auch die Menschheitsgeschichte inuss ihren gottgewollten Zweck haben. Das Mit- und Widereinander der freiheitlichen Bewegung kann ihn gefährden und muss es, wenn kein höherer W i l l e in das freie Spiel der Kräfte und der Menschen Ordnung bringt und die Richtung immer wieder herzustellen vermag. Dazu kommt, dass selbst der einzelne Mensch zur Erfüllung seiner Bestimmung in dem Widereinander der Bestrebungen, inmitten derer er sie zu verwirklichen hat, des präsenten, hilfefähigen und dazu freien Gottes ganz unumgänglich bedarf. Dein religiösen Bedürfen genügt der weitabgewandte, weltferne Gott so wenig, dass die Thatsache der Religiosität und selbst der Religion psychologisch unverständlich wird bei dieser Voraussetzung. Einem Gott, der abseits steht von der Weltgeschichte, der keinen Teil nimmt an den Geschicken der Menschen, wird man kaum innerlich nahe kommen, g e s c h w e i g e denn vertrauensvoll sich ihm hingeben und auf ihn die letzte entscheidende Hoffnung allüberall setzen. W a s Heine wider den pantheistischen Gott sagt, das trifft auch den deistischen: „Dies arme, träumerische W e s e n . . . gähnt dich an, willenlos und unmächtig. Um einen Willen zu haben, muss man eine Person sein, und um ihn zu manifestieren, muss man die Ellenbogen frei haben." D a s gilt nur von dem thcistischcn Gott: immanent und transscendent z u g l e i c h ü b e r w c l t l i c h und innerweltlieh, der wohnt in 1) H. Lang, „Versuch einer christl. Doguiatik", 1858, § 1, 34: „Das
Der „wahre real-ideal. Monismus" d. Aufgabe d.Gegenwart (Pfleiderer)? 119 einem Licht, da niemand zukommen kann, und doch nahe ist Allen, die ihn anrufen; unendlich hehr und erhaben und doch mein Gott. Nur der theistische Gott ist absolut, uneingekerkert in die Welt und nicht entbehrlich durch ihren Mechanismus. Nur der Theismus hat und behält mit dem Gott im Himmel, den der Pantheismus verliert, auch den Gott in der Welt, den der Deismus preisgiebt; den Gott, der so persönlich wie absolut ist. 4. Dem entspricht es noch nicht, wenn wir Gott als blosses Denken, als „das Denken des Denkens" mit Aristoteles vorstellen. Dann wäre er nicht das vollkommenste Urbild des Ich, sondern sein dürftigster Schatten. Aber auch der „wahre real-idealistische Monismus 1 )" führt nicht wohl darüber hinaus. a. Auch nur die Weltidee als Inhalt des göttlichen Denkens vorauszusetzen, sagt 0 . Pfleiderer, wäre noch nicht viel geholfen. Die volle Lebensenergie, wie sie aus dem Verhältnis der Vorstellungen zu den Willenserregungen erwächst, wäre mit dem lediglich idealen Bild noch nicht erreicht. Aber, wenden wir ein, eine zu schaffende Welt als müssiger Gedanke, als dem Willen gegenüber indifferente Vorstellung kann der Inhalt des göttlichen Denkens niemals gewesen sein. Als Weltidee d. h. die Idee der Welt, die werden soll, die Idee der Welt als einer, um deren Schöpfung es sich handelt, ist sie in keinem Stadium ihres Daseins ein „lediglich ideales Weltbild," sondern von dem ersten Moment an, in dem sie in dem göttlichen Denken da ist, eine Idee, die verwirklicht werden christliche Princip verlangt, dass Gott einerseits von der Welt wesentlich verschieden, andrerseits der Welt einwohnend sei." „Der Gegensatz Gottes gegen die Welt war die Antithese des Christentums gegen das antike Heidentum, das Einwohnen Gottes in der Welt die Antithese gegen das Judentum." „Die Leugnung der ersten Seite führt zum Materialismus, die Leugnung der zweiten zum Dualismus" (34). Den „Dualismus der katholischen Kirche" aufzuheben, ist das „Werk des Protestantismus" (40). „Gott ist der allgegenwärtige Geist" (42). Aber Lang kommt schliesslich selbst über die Philosophie seiner Zeit nicht hinaus, welche Gott als die in der Welt sich selbst verwirklichende Vernunft, als den in einer Reihe von Stufen und Entwicklungen die Fülle seiner Gedanken ausbreitenden Geist begreift, dessen Selbstoffenbarung darum eben die Welt ist; wenn er ihm auch das Prädikat der Persönlichkeit nach dem Vorgang des jüngeren Fichte „die Idee der Persönlichkeit und der individuellen Fortdauer" 2 und Friedrich Richters „Vorträge über die persönliche Fortdauer" beilegen zu können meint (51). 2. Aufl. 1868. 1) Gedanke ohne Kraft bringe es ebenso wenig zum wirklichen Sein, wie Kraft ohne Gedanke es zum bestimmten Sein bringe. Jenes habe der Idealismus von Plato bis Hegel, dieses der Materialismus von Democrit bis zu dem heutigen Positivismus behauptet. Die Verbindung beider, des Gedankens mit der Kraft, des Willens mit dem Denken, dieser wahre real-idealistische Monismus sei die Aufgabe der Gegenwart (Pfleiderer 288).
120
Die Weltidee ist nie ein »lediglich ideales Weltbild" in Gott.
soll und gewissermassen schon mit ihrer Conception ihren Verwirklichungsprozess beginnt. b. Den Willen im Sinne der unmittelbaren Innerlichkeit auf Gott zu übertragen, hält 0. Pfleiderer für unbedenklich. Ein Streben in Gott auf die in ihm ebenfalls vorhandenen Vorstellungen oder Denkbilder mit entsprechenden Gefühlszuständen verendliche ihn nicht. Aber freilich sei dieser innerliche Wille wohl zu unterscheiden von der Erscheinung des Willens in der äussren Wirkung, ein Unterschied, den wir an uns selbst erführen, so oft wir nicht vollbringen, was wir wollen, und nicht innerlich wollen, was wir doch thun. „Wie nun dieser unser innerer Wille nie unmittelbar als solcher in Erscheinung tritt, sondern immer nur mittelbar, indem er sich umsetzt in die vielen besonderen Funktionen der organischen Kräfte unseres Körpers, so werden wir genau dasselbe auch vom inneren Willen Gottes anzunehmen haben." Die populäre Meinung, „dass der unendliche Wille oder die Allmacht Gottes unmittelbar als solche oder als Einzelursache wirke", scheitere für das strengere Denken schon an der Erwägung, dass alles Wirken auf Objekte . . auch eine Gegenwirkung, einen Widerstand von irgend welchem Grade erfährt, so dass also genau genominen alles Wirken eigentlich als Wechselwirken zu denken ist, woraus von selber folgt, dass als das unmittelbare Subjekt des Wirkens immer nur eine besondere, mit andren selbständigen Wesen coordinierte d. h. endliche Ursächlichkeit gedacht werden kann, das Unendliche somit nicht unmittebar selber wirkend, wohl aber der einheitliche Grund des Wechselwirkens aller endlichen Wesen ist (289). Ich vermag das nicht zuzugeben. Giebt es ein Selbstleben der Welt, folgt die Natur ihren Gesetzen und der Mensch seinem freien Willen und hat doch auch dieses Selbstleben, wie Alles, seinen Grund und Ursprung in Gott: so findet eine Wechselwirkung statt ohne Coordination, eine Wechselwirkung und damit die Möglichkeit einer Gegenwirkung, eines Widerstandes in irgend einem Grade dem selbst gegenüber, der sie gesetzt hat, von dem und durch den sie ist und besteht, eine Wechselwirkung also zwischen der Welt und ihrem Lebensgrunde, zwischen dem Geschöpf und seinem Schöpfer 1 ). 1) Ich sehe nicht, wie, wenn sich die göttliche Wirksamkeit darauf beschränkt, der einheitliche Grund des Wechselwirkens aller endlichen Wesen zu sein, ohne selbst unmittelbar zu wirken, der Pantheismus effektiv überwunden ist, und wiederum wie, wenn das Wcchselwirken aller end-
Der Wille Gottes kann uicht an die Vermittlung' der Welt gebunden sein. 121
§ 16,
Die Eigenschaften Gottes nach ihrer Voraussetzung und Widerspruchslosigkeit.
Die Einheit Gottes als die Voraussetzung seiner Eigenschaften schliesst auch den numerischen Sinn nicht aus; ist aber ihrer Natur nach Wesenseinheit, wie sie sich von der Persönlichkeit gar nicht trennen lässt. Dass von Gott die Attribute der endlichen Natur des Menschen negiert, die seiner geistig-sittlichen Natur dagegen liehen Wesen seinen einheitlichen Grund in Gott hat und dieser göttliche Grund wenigstens als schlechthin zureichender und ausschliesslich massgebender gedacht wird, der Akosmismus pariert ist. Es ist bezeichnend, dass O. Pfl. es dem Sprachgefühl eines Jeden anheimstellt, ob er auf diesen seinen Gott den Begriff Persönlichkeit anwenden will oder nicht. Sachlich komme darauf gar nichts an, „vorausgesetzt nur, dass die, welche den Begriff auf Gott anwenden, Ernst machen mit der allumfassenden Ganzheit Gottes und ihn nicht doch unter der Hand wieder, was freilich der gewöhnliche Fall wenigstens bei Theologen sei, zu einem Einzelwesen in Coordination mit den andren Personen degradieren; dass hinwiederum die, welche jenen Begriff in der Anwendung auf Gott nicht passend finden, Ernst machen mit der Ichheit Gottes und ihn nicht unter der Hand wieder, was freilich bei den Philosophen wenigstens oft genug geschehe, „zu einem pantheistisch verschwommenen wesen- und inhaltslosen Gespenst entleeren" (290). Freilich handelt es sich darum, die Transscendenz und die Immanenz zu verbinden. Aber als eine Lösung kann eine einfache Wortverbindung doch nicht wohl gelten. Denn, wie wir uns ein Subject denken sollen, das ebensowohl das in sich seiende und sich selbst von allem Endlichen unterscheidende Ich wie das allumfassende Ganze ist, „das nichts ausser sich hat", dafür bleiben wir auf die Analogie unsres Ich verwiesen, und diese versagt. Eine Gebundenheit, wie des menschlichen Willens an die Vermittlung des Nerven- und Muskelmechanismus, so des göttlichen Ichs in seinem Wirken an die endlichen Kräfte des Makrokosmos müsste in der Consequenz zu seiner Verendlichung führen. Dem religiösen Bewusstsein kann nur eine Person genügen. Eine Person ist für uns nur als ein in sich seiendes Wesen vorstellbar. Im Vergleich mit andren wird sie dadurch freilich ein Einzelwesen, aber damit weder notwendig coordiniert noch endlich. Der Anstoss, den Pfleiderer an einem unmittelbaren Wirken Gottes nimmt, weil er dann als Einzelursache wirke, wird aber durch die Vermittlung der makrokosmischen Kräfte, die er als unerlässlich dazu fordert, nicht einmal beseitigt. Denn wenn doch dieser kosmische Apparat für jede Initiative, die von ihm ausgeht, immer nur das Medium ist und der eigentlich beabsichtigte Effekt nicht sowohl in der Mobilisierung dieses Apparates, sondern in der Wirkung liegt, die dadurch erzielt wird: so bleibt es letztlich immer die göttliche sozusagen Einzelursache, die diese Wirkung hervorruft und produciert. Nach der Analogie des menschlichen Ichs würde man erst da und dann von einem Willen und einem Willensakt sprechen können. Denn der Mensch äussert seinen Willen noch nicht schon dadurch, dass er seinen Nerven- und Muskclmcchanismus in Bewegung setzt, was vielfach ohne Bewusstsein und meist unwillkürlich geschieht, sondern erst dann ist sprachgebräuclilich von einem Willen die Rede, wo die AVirkung über diesen sozusagen innerkörpcrlichcn Prozess hinausgeht
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Die Eigenschaften Gottes setzen seine Einheit voraus.
gesteigert ausgesagt werden, schliesst sich nicht aus, sondern ist der Ausdruck von Gott als des schlechthin Vollkommenen; nur dass auf diesem Wege weder die Idee Gottes noch die des Vollkommenen zu finden, sondern bloss die bereits vorhandene so zu illustrieren ist. 1. Die Eigenschaften Gottes setzen seine Einheit voraus, ohne dass diese selbst unter die Eigenschaften zu rechnen ist. Wenigstens bei einer Unterscheidung von Wesen und Eigenschaften gehört die Einheit zu dem ersteren. Sie wird durch die Persönlichkeit sicher gestellt und sozusagen vollzogen und durch die Absolutheit gefordert. auf einen Akt, der als res effecta nicht mehr zu diesem lediglich vermittelnden Funktionieren gehört. Es stehen dieser Gottesvorstellung aber noch weitere Bedenken entgegen. Wird sie zwar mit dem unmittelbaren Wirken das „Wunder" im biblischen wie im dogmatischen Sinne los: so verwandelt sie die Geschichte und das Weltleben überhaupt zu einem Gotteswirken und hebt mit der persönlichen Freiheit des Menschen auch die Naturgesetzlichkeit, die sie doch retten will und als eine unverbrüchliche sicher zu stellen sich bemüht, recht eigentlich auf. Die Allwirksamkeit Gottes tritt an ihre Stelle, die Allwirksarnkeit, die sich überall und immer durch die mobilisierten und ad hoc dirigierten Weltkräfte durchsetzt und vollzieht. Dadurch häufen sich die Rätsel auf allen Seiten, und aus dem freien Spiel der nach ihren eigenen immateriellen Gesetzen wirksamen Kräfte und des in freier Selbstentscheidung sich betätigenden Personlebens wird ein Marionettentheater, auf dem Drahtpuppen gezwungene Bewegungen machen. Ferner: Wäre Gott in seinem Wirken schlechterdings an die Vermittlung der kosmischen Kräfte gebunden und ihm ein unmittelbares Zuwegebringen unmöglich: so verwandelt sich die Welt selbst zu einem grossen Fragezeichen. Denn wo ist sie dann her? Von Gott könnte sie nicht geschaffen sein Denn bevor sie war, konnte ihr Apparat naturgemäss keine Hilfsdienste thun und den Impuls Gottes nicht weiter tragen. Giebt es für ihn nur eine Wirkungsmöglichkeit unter ihrer Assistenz als Medium, nur ein vermitteltes und kein unmittelbares Wirken, dann kann er weder der Schöpfer der Welt noch — absolut sein. Er hört damit auf, unabhängig von der Welt zu sein, und um seine Transscendenz, die doch Pfl. als unentbehrlich für den Gottesbegriff ansieht und behauptet, ist es geschehen. Seine eigene Gottesvorstellung verträgt so die Gebundenheit an die Welt nicht und legt selbst dagegen ihr Veto ein: gegen den so verstandenen „real-idealistischen Monismus". Aber ich betone, gegen Gottes absolute G e b u n d e n h e i t in dieser Richtung, gegen die notwendige und immer so vermittelte Wirkungsweise. Ein Protest gegen die Möglichkeit dieses Modus efficiendi für Gott würde nicht minder seine Absolutheit gefährden und das andre Extrem bilden. Principiell ist ihm das vermittelte Wirken so möglich wie das unmittelbare und dieses wie jenes. Und wenn uns die Erfahrung zeigt oder zu zeigen scheint, dass die mittelbare Weise bei Weitem nnd ganz überwiegend die Regel ist: so gestattet uns diese Thatsache oder dieser Eindruck nicht, sie für die Gott allein mögliche zu behaupten und damit wie seine Absolutheit so seine Transscendenz im Sinne der Unabhängigkeit von der Welt preiszugeben. In der Consequenz würde sich auch von hier aus dein Satze nicht aufbiegen lassen, dass Gott wie das Sein in allem Dasein, das Leben in allem Lebendigen, so auch der Geist in allen Geistern, das Denken in allen Denkenden sei.
Er ist „fcos fiovos" auch im numerischen Sinn,
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Denn zwei Absolute kann es nicht geben. „Der Gedanke geht zunächst nicht weiter, als dass die Realität dieses Absoluten ausschliesse die Möglichkeit oder Wirklichkeit solch eines Anderen 1). Eben deshalb, schliesst dagegen Strauss 2), weil der Begriff Gottes sogar die Möglichkeit mehrerer Wesen derselben Gattung ausschliesst, kann die Kategorie der Einheit nur im uneigentlichen Sinn auf ihn angewendet werden. Schon Spinoza hatte bemerkt, es müsse ein commune genus für eine Mehrheit von Existenzen vorhanden sein, um die Zahl auf sie anzuwenden, gleichviel ob jene Mehrheit eine wirkliche oder nur g e d a c h t e sei. Aber selbst in diesem Sinn behält die Benennung Gottes als des einen und einzigen ihr Recht. Der Monotheismus behauptet sich dem Polytheismus gegenüber. Jener negiert diesen. Es giebt nicht viele Götter, sondern einen. Das ist die Antithese, in der die einheitliche Gottesidee zunächst gemeint ist und verstanden werden will. In diesem Sinne vertritt das Deuteronomium den Satz als das Grundgesetz der Theocratie geradezu lehrhaft: „Jahwe ist einer" 6, 4; „ausser ihm keiner" 4, 35. Freilich würde von einem Monotheismus nicht geredet werden, wenn es einen Polytheismus nie gegeben hätte, wenn die göttliche Einheit nie in eine Vielheit von Göttern zersplittert g e d a c h t worden wäre. Freilich fordert die numerische Eins eine numerische Mehrheit zu ihrem Correlat. Die Eins eröffnet eine Zahlenreihe und ist deren erstes Glied und Grundmass. Wo es keine Reihe giebt, giebts auch keinen Anfang, kein erstes Glied derselben. Aber die Reihe ist da. Den vielen Göttern heidnischen Glaubens gegenüber nennt das a. und das n. T. Gott einen, thog /novog 3). Aber freilich ist Gott nicht nur in diesem numerischen Sinne 1) Frank 130. 2) 408. 3) Gen. 17, 1; Jes. 45, 5; Sir. 36, 19; 43, 37; Bar. 5, 36; 2 Maec. 7, 37; Gebet Asarj. 21; Mc. 12, 29; Joh. 17, 3; 1 Cor. 8, 4; Eph. 4, 6; 1 Tim. 2, 5. Frank 131: „Die Einheit Gottes ist zugleich und wesentlich Einzigkeit, Allein-heit (nicht All-Einheit) ohne Beziehung auf etwas ausser ihm." Er will damit sagen, dass nicht bloss eine Mehrfachheit des Absoluten, die Existenz anderer Götter neben und ausser dem Einen, sondern zugleich die Existenz irgend welcher Realität ausser Gott ausgeschlossen sei (131). Damit würde indessen auch das Selbstleben der Welt fallen und der Akosinismus in letzter Consequenz folgen. Es giebt nur keine Existenz irgend welcher Realität ausser v o n Gott; ausser dass sie ihre Realität v o n ihm hätte. Aber sie hat sie, so lange es ihm gefällt, als eine ihr selbst eigene, als eine auf sie selbst gestellte und von ihr aus wirksame nach Gottes eigenster Ordnung' und so mit seinem Willen. „Die Einheit besagt nicht, dass, weil alles Sein ursprünglich in der Gottheit als der Urmö^-lichkeit beschlossen ist, neben ihr kein Sein sein könne" (J. A. Dorner I, 216).
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Vor allem aber kommt ihm die essentielle Einheit zu.
einer. Vor allem kommt ihm die essentielle Einheit zu. Diese wird nicht sowohl mit andren Wesenseinheiten mehr oder weniger analoger Art verglichen, sondern mit den verschiedenen Momenten und Seiten, Thätigkeiten und Äusserungsweisen desselben Wesens, die ohne diese Einheit auseinanderfallen und ohne Rapport mit einander und Kunde von einander zu einer unzusammenhängenden Vielheit werden müssten. Die Einheit in diesem Sinn deckt sich wesentlich mit dem schon gefundenen Begriff des Insichseins oder der Persönlichkeit, welche sie bedingt und erhält, vollzieht und behauptet. Ganz augenscheinlich ein Postulat, ohne welches die Gottesidee gar nicht zu denken ist und der Absolute als solcher nicht zu wirken vermöchte, das also „sehr eigentlich" ') auf ihn anzuwenden ist. Aber zugleich die unerlässliche Basis und notwendige Vorbedingung davon, dass überhaupt von E i g e n s c h a f t e n 2 ) Gottes geredet werden kann. Denn ohne diese essentielle oder Wesenseinheit würde es eben überhaupt kein Wesen Gottes und infolge dessen auch keine habituellen Attribute oder Äusserungsweisen desselben geben 3). 2. Zwei Widersprüche sind es, die nach Hegel und Strauss 3 ) die kirchliche Lehre von den göttlichen Eigenschaften in sich zersetzen, einmal dass von Gott alles Menschenähnliche, nur nicht die Menschenähnlichkeit selbst entfernt werden soll; und dann, dass B e s t i m m u n g e n in ihn gesetzt, er aber doch als das B e s t i m m u n g s l o s e festgehalten werden soll. Aber weder ist die augustinische 4 ) Fassung Gottes als des bestimmungslosen Einen jemals kirchliche Lehre geworden — die Einheit Gottes als Einerleiheit hat so wenig wie als bestimmungslose je kirchliche Sanktion erhalten — : noch ist es widersprechend im Sinne der Kirche, wenn Gott einerseits nach der Analogie der geistig-sittlichen Natur des Menschen, nur in gesteigerter Potenz, gedacht wird (via eminentiae) und andrerseits die sinnlich-sündliche Natur des Menschen von Gott verneint wird (via negationis). Vielmehr sind es nur die correspondierenden Seiten desselben Gedankens von Gott als des schlechthin Voll1) Spinoza: „valde i m p r o p r i e " . 2) Bovon lässt es dahingestellt sein, bis zu welchem Grade sie in Gott selbst existieren: „Sans donc décider jusqu'à quel point les perfections divines existent en Dieu lui-mêtne, ces attributs étant autant d'idées qui se trouvent incontestablement en nous, il f a u t en établir la classification générale" (Dog-matique chrétienne I, 1895 256). 3) Strauss 542. 4) De trinitate VI, 7: „Deus multipliciter dicitur mag-nus, bonus . ." „sed eadem magnitudo ejus est quae sapienti» . . . et non est ibi aliud beatum esse et aliud mag'num aut sapientem aut verum aut bomim esse aut oninino ipsuin esse." Migne Patrol. Lat. Tom. XLII, 929.
S. einheitl. einzigart. Sein ist unendi. erhab. üb. d. Schrank, d. weit).Daseins. 125 kommeneu. Nur, dass es sieb nicht erst um das Finden dieses Gedankens auf diesen Wegen, sondern nur um die Illustration des bereits vorhandenen handelt. Und dazu giebt es keine höhere Analogie in dieser Welt als den Menschengeist 1 ). — Als der letzte Grund alles endlichen Daseins, als welchen Gott mit dem religiösen Bewusstsein das reflektierende Denken fordert, ist dieses sein einheitlich einzigartiges S e i n über die Schranken und Unvollkommenheiten des endlichen, näher weltlichen Daseins unendlich erhaben. Wie er es von keinem Andren hat, als der Ungeschaffene 2 ), per se ipsum datus, causa sui, so ist sein Sein auch unbeengt von Z e i t u n d R a u m , d. h. er ist ewig und allgegenwärtig. So ist er seinem Sein nach. Andre Attribute ergeben sich aus der Eigenart seines Wissens und wieder andre aus der seines Willens 3).
Attribute des Seins.
§ 17. Die Ewigkeit Gottes.
Das religiöse Interesse an der Ewigkeit Gottes beschränkt sich darauf, dass für ihn die Zeit in keinem Sinne eine Schranke ist. Darüber hinaus geht auch kein Postulat des reflectieren1) Alex. Campbell Fraser, „philosophv of theism." 2. vol. First series 1895. Second 1896, Kommt zu demselben Ergebnis: Da wir in der geistigsittlichen Art des Menschen das Höchste in dieser Weit erkennen, so können wir nicht wohl anders als wie den Weltzweck so auch den Weltgrund nach dieser Analogie zu denken. Herrn. Siebeck, Lehrb. der Religionsphilosophie. 1893. 378, nennt es einen für das ethisch-religiöse Bewusstsein unvollziehbaren Gedanken, dass das VVesen der Persönlichkeit für die Erkenntnis des Wesens Gottes bedeutungs- und belanglos sein soll. 2) „To xazà
zà avzà xat
cbçavzcoç àei ¡s%ov xat zov eïvai Jiâai zoïg àlXoiç
ätuov, zovzo Hrj êoztv ô &eôçu Justin. M. Dial. c. T r y p h . 3. Opp. Otto. Tom. I 3
pars II , 14. „¡iàvoç âyévvtjioç xat acpilaQzoç o DF.OÇ xat ôià zovzo&eàç êoztv" 5. Otto 26. 3) Bovon ordnet (273) „le groupement de nos idées de Dieu, autrement dit des aspects sous lesquels notre esprit, dirigé par l'évangile de Christ, conçoit l'être suprême" so: Attributs métaphysiques Négatifs Positifs Eternité Toute-science Immensité Toute-puissance Immutabilité Toute-présence Attributs personnels Sagesse Liberté Véracité Attributs religieux Sainteté Amour. Die Vergleichung dieser Einteilung mit der ßeinhards: „metaphysica [naturalia] et moralia" ist instruktiv für die jeweilige Zeitrichtung, die sich darin spiegelt.
126 Attribute des Seins. Zeit und Ewigkeit: Irenaus, Minuc. Felix, Augustin.
den Denkens. Der positive Sinn der Ewigkeit Gottes ist seine Identität (Unveränderlichkeit) in allen Aeonen. 1. Das religiöse Interesse, Gott der allgemeinen Flucht der Dinge zu entheben 1 ), ihn als den Ersten und Letzten und in beidem als denselben zu wissen, hat das Postulat des reflektierenden Denkens zur Seite, dass für den Absoluten die Zeit in keinem Sinne eine Schranke ist. Es kann danach keine Zeit geben, wo er nicht war, und keine, wo er nicht sein wird; er ist ohne Anfang und ohne Ende 2 ). Irenaeus erinnert die daran, welche fragen, wie animae generabiles unsterblich sein könnten 3). Die pseudojustinische oratio ad Graecos f. 29 reflektiert bereits: „ov." „o airibs [ievoiv ovdev exet ey%QOvovu. A u g u s t i n ging weiter. Alle Succession muss von dem Absoluten ausgeschlossen werden. Es kann in ihm kein Gewesensein und kein Seinwerden, sondern allein Sein 4 ), die ewige Gegenwart geben. Er geht nicht erst i n der Zeit den Zeiten, sondern a l l e n vergangenen Zeiten voran. Ja er hat mit all ihrem Inhalt die Zeit selber geschaffen; er der in p r ä s e n t e r E w i g k e i t 4 ) Erhabene. 1) Ps. 102, 26-28; ps. 90, 2; Jes. 41, 4; 44, 6; ex. 3, 14. 2) „Cum palara sit, parentem omnium Deum nec prineipium habere nec terminum, qui nativitatem omnibus praestet, sibi perpetuitatem (Min. Felix, Octav. 18, 3 Muralto 1836. 49). „. . attributum, quo esse nec coepit nec unquam desinet" (Reinhard). 3) Adv. Haeres. II, 56, 1 (Harvey-Ausg. I, 382). 4) „praecedis omnia tempora praeterita" (confess. 11, 13, 1) „celsitudine Semper praesentis aeternitatis", vgl. auch XI, 11, 1 mit dem Inhalt: aeternitas Dei nescit tempora. Vgl. de trin. lib. IV c. 21: „Est sine ullo temporali motu . . ., sine ullis temporum . . intervallis et siinul nimm atque idem ab aeternitate in aeternitatem tamquam ipsa aeternitas. Ja Aug. identificiert in psalm. 101 direkt die Jahre Gottes und Gott selbst, die Jahre Gottes und seine Ewigkeit. Wiederum aeternitas ipsa Dei substantia est, quae niliil habet mutabile, ibi nihil est praeteritum, quasi jam non sit, nihil futurum quasi jam nondum sit, sed non est ibi nisi est, non est ibi: fuit et erit". — Prof. Schlüter, „Aussprüche der philosophierenden Vernunft und des gläubigen Herzens aus den Schriften des h. Augustinus", 1859, Münster, giebt die augustinische Stellung zur Frage so wieder: „Gott ist von Ewigkeit, neu ist die Schöpfung; aber beim neuen „Werke wendet dennoch ewigen Ratschluss er an. „Was, o Herr, du gethan, sie fragen, bevor du geschaffen — „Himmel und Erd', und warum stets du nicht ruhtest wie da? „Wie doch konnten vergehen zahllose Jahrhunderte, die du „Selbst nicht gemacht, da nur du die Jahrhunderte schufst? „Oder was wären die Zeiten, die du nicht hättest erschaffen? „Oder vergangen doch wie wären sie, waren sie nicht? „Doch bist du nur der Wirker der Zeiten, und waren die Zeiten „Schon vor Himmel und Erd', ruhtest du wirklos denn da?
Boethius, Scotus Erigena,
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Es ist bezeichnend, dass Augustin bei aller Abwehr der Succession in Gott und für Gott doch bei der Formulierung seiner polemischen These über das „vor" („praecedis") nicht hinwegkommt. Auch der unter dem Ostgotenkönig Theodorich 525 wegen republikanischer Gesinnung und der Beschäftigung mit Magie hingerichtete B o e t h i u s will in seinen im Gefängnis geschriebenen 5 Büchern „de consolatione philosophiae", einen Dialog mit der personificierten Philosophie, iegliche „conditio temporis" von Gott ausschliessen, so dass er den ganzen Zeitraum („spatium") des unendlichen Lebens zugleich umfasse und das Zukünftige, das noch nicht Vollendete, schon habe (V, 6). Aber über den Ausdruck „spatium" kommt er gleichfalls nicht hinweg. Es soll Gott nichts Vergangenes verflossen und nichts Zukünftiges fern sein; sondern er soll die Unendlichkeit der beweglichen Zeit gegenwärtig haben. Indessen auch Gegenwart ist eine „conditio temporis" und gar nichts Anderes als ein zeitliches Spatium und ein zeitlicher Begriff. Aber selbst wenn S c o t u s E r i g e n a 1 ) erklärt, dass in Gott „qui est prineipium et medium et finis omnium" „semel et simul 2 aeternum et factum esse" ): so operiert er mit Zeitbegriffen, denn „zugleich und auf ein Mal" sind gar nichts Anderes, sind ohne zeitliche Vorstellungen gar nicht zu denken. Nur wenn es ein Nacheinander giebt, giebts auch ein „auf ein Mal" und auch ein „Zugleich". Aber es sind nicht nur Correlatbegriffe, sondern wir können ein „Auf ein Mal" und „Zugleich" nur so denken, dass wir die Zeitdistancen zwischen dem, was zugleich oder auf ein Mal geschehen oder dasein soll, auf das denkbar geringste Minimum reducieren, so dass wir auch mit diesen Ausdrücken über die Zeit „Eben dieselbige Zeit du erschufest sie und nicht vorüber „Konnten sie gehen, bevor selbst du die Zeiten gemacht. „Doch wenn Zeiten nicht waren vor Himmel und Erde, wie fragt man, „Was du doch damals gemacht, als noch ein Damals nicht war? „Auch nicht gehst der Zeit du voran in der Zeit; denn alsdann ja „Gingest mit Nichten du selbst sämtlichen Zeiten voran. „Aber was ist denn die Zeit? Wo keiner mich fraget, da weiss ichs „Aber um Antwort bemüht, ist es als wüsste ichs nicht. „Freilich begann zu sein nicht die Zeit in der Zeit, da die Zeit ja „Nimmer vermochte zu sein, ehe begonnen die Zeit." 1) TZEQI qpvaccog /uegtofiov i. e. de divisionc naturae, lib. V, 5. SchlüterAusg. 435; III, 27 (234); „ämoyo; xai aveuno;" III, 248. 2) lib. III, 230. „Numquam erunt aeterna et non facta, neque facta et non aeterna" (ib.). Gott hat nicht zu warten, dass dass werde, was er will, quasi futurum cui omnia praesentia sunt, cujus voluntas causa omnium est et visio effectus et perl'ectio", „nulla mora interposita", dass er sieht und dass er schafft (234).
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Richard v. St. Vicfc., Thomas Aq., Schleiermacher, Philippi.
noch keineswegs hinaus sind. Nicht einmal mit der ausdrücklichen Erklärung Rieh. v. St. Victor, dass Gott in keiner Zeit zeitlich sei'). Daran ändert auch die Fassung Thomas' von Aquino schlechterdings nichts, dass die Ewigkeit simul tota, zugleich ganz sei, nicht aber die Zeit 2 ): dass in Gott keine successio sei 2 ). S c h l e i e r m a c h e r 3) hat, obwohl er die Lösungen des Augustin und des Boethius für völlig „schriftgemäss" ausgiebt, eine Empfindung von der Unangemessenheit solcher Erklärungen, „welche nur die Schranken der Zeit, nicht die Zeit selbst für Gott aufheben, und definiert seinerseits die Ewigkeit Gottes als „die mit allem Zeitlichen auch die Zeit selbst bedingende schlechthin zeitlose Ursächlichkeit" (268). Indessen auch bei dem Begriff einer „zeitlosen Ursächlichkeit" können wir uns nichts denken. Zeit ist das Nacheinander von irgend welchen Vorgängen, Empfindungen, Eindrücken, Gedanken oder wovon immer. Ursächlichkeit ist die Potenz von Effekten. Wie man sich diese Effekte immer denken mag, innerlich oder äusserlich, als Ideen oder ihre Realisierungen, immanent oder transeunt: immer stehen sie in einem Verhältnis des Nacheinander zu einander. „Zeitlose Ursächlichkeit" ist für unser Denkvermögen eine Verbindung von unvereinbaren Begriffen. Definieren wir die Ewigkeit so — auch P h i l i p p i 4 ) giebt dieser Fassung den Preis und nennt sie richtig —: so flüchten wir uns mit dem göttlichen Attribut der Ewigkeit in das Reich der Worte und verzichten darauf, uns eine Vorstellung davon zu machen. Schliesslich gestellt auch Philippi, dass „der Eigenschaftsbegriff der Ewigkeit noch etwas verhältnismässig Abstraktes" habe, so wie, dass ihm „in diesem Stadium der Entwicklung des Gottesbegriffes die Persönlichkeit noch in den Hintergrund" trete. Das heisst aber doch, sollte man meinen, dass auch er mit dem gepriesenen Schleiermacherschen Lösungsversuch nichts anzufangen wisse. Doch, biegt er wieder ein, verfehle auch dieser Begriff nicht seines 1) „sicut in omni loco est praesentialiter, in nullo localiter: sie in omni tempore est aeternitaliter, in nullo temporaliter; . . nec per tempora variatur (qui summe simplex et ineompositus est), aeternus et iueommutabilis" de trinitate II, 23. Migne 196. 914. 2) Summa contra Gentiles üb. I c. 15 „Deus est onmino absque motu, tempore igitur non mensuratur. Igitur in ipso non est prius vel posterius aeeipere; non ergo habet esse post non esse nec non esse post esse potest habere nec aliqua successio in esse ipsius inveniri potest, quia haec sine tempore intelligi non possunt. Est igitur carens prineipio et fine, totum esse suum simul habens; in quo ratio aeternitatis consistit: in „seinem zugleich ganz Sein" Ausg. Uccellii 1878. 19. 3) I, 271. 4) Kirchl. Glaubenslehre 3 II, 38.
Das religiöse Interesse an der Ewigkeit Gottes
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Eindrucks auf das menschliche Gemüt. Denn der Flüchtigkeit, Veränderlichkeit und Hinfälligkeit alles Zeitlichen gegenüber wirke (1er Gedanke an die Ewigkeit tröstend und zugleich zum Fliehen des Zeitlichen und Suchen des Ewigen ermunternd ein (39). Aber, werden wir einwenden dürfen, der Gedanke an die „zeitlose Ursächlichkeit" sicherlich nicht. Denn wobei ich mir nichts denken kann, das kann mich nicht trösten. „Etwas verhältnismässig Abstraktes'', wobei noch dazu die Persönlichkeit Gottes in den Hintergrund tritt, müsste auch die Tröstung zu einer sehr abstrakten gestalten, bei der überdem der persönliche Gott keine oder nur eine Rolle im Hintergrunde spielte. Nein! Nach dieser Tröstung kann keinen verlangen. 2. Worin besteht das religiöse Interesse an der Ewigkeit Gottes? Nimmermehr darin, dass wir sie zeitlos oder überzeitlich oder zeitbedingend oder -setzend nennen. Denn damit ist nichts gewonnen als ein Wort, das für uns und so organisierte Wesen wie wir keinen Sinn hat. Aber auch nicht darin, dass es für Gott kein Vor und kein Nach, sondern nur ein Jetzt giebt. „Ein immer sich gleiches Selbstbewusstsein würde so wenig ein wirkliches sein, als ein einziger und sich gleich bleibender Ton gehört werden k ö n n t e " ' ) . Ein Selbstbewusstsein, das nicht etwa nur unter dem Wechsel der Eindrücke und der dadurch bedingten inneren Zustände sich immer gleich bleibt, sondern das immer gleiche Augenblicksbild des Werdenden und Gewordenen als immer gleichen präsenten Inhalt hätte, würde mit der menschlichen Freiheit und dem Selbstleben der Welt auch den Glauben an eine effektive Weltleitung im Ganzen und Einzelnen Seitens des so gedachten Gottes gefährden. Diese Fassung der Ewigkeit wäre kein Trost, sondern die Erschütterung desselben. F a u s t u s S o c i n hat auf die Bedenken bereits hingewiesen, welche eine solche Fassung fllr die menschliche Freiheit haben müsste, und sie lassen sich durch kein Sophisma aus der Welt schaffen. Wenn unsre Entscheidungen und die aller Menschen von Alters her bis zu Ende als der immer gleiche Inhalt des göttlichen Bewusstseins von Anbeginn der Welt und noch vorher oder, wenn man den Ausdruck vorzieht, in „zeitloser Ewigkeit" angesehen werden müssten: dann wären es eherne Gesetze, in denen wir unsren Krcis1) Strau.ss 562. S c h m i d t . P u ^ m a t i k II
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ist nicht, dass es für ihn nur Gegenwart gebe,
lauf vollendeten, und die Freiheit ein Wahn. Aber niemand wird uns überzeugen, dass es so ist. Das eigne Erleben widerspricht ihm auf Schritt und Tritt. Das religiöse Interesse an der Ewigkeit Gottes beschränkt sich darauf, ihn der Flucht der Vergänglichkeit zu entheben und enthoben zu wissen Wir kommen und gehen und Alles um uns her mit uns und Alle mit uns: er bleibt. Seine Jahre nehmen kein Ende. Es giebt einen Gott, der nicht mit vergeht: „Herr Gott, du bist unsre Zuflucht für und für!" Dieser betende Ausbruch des Sängerherzens nennt und bekennt, aber erschöpft auch das Interesse, welches der Gläubige an der Ewigkeit Gottes hat. Unser Leben ist wie ein Geschwätz. Er aber überdauert die Jahre; er überlebt die Zeiten. „Ich bin, der ich sein werde!" Diese Gewissheit ist unser Trost. Seine Liebe hat kein Ende. Seine Langmut hat kein Ziel. Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber seine Gnade soll nicht von uns weichen, und der Bund seines Friedens soll nicht hinfallen: das ist unser und das das religiöse Interesse an seiner Ewigkeit. Zeitlos können wir sie nicht fassen. Als ein TÖ VVV ebensowenig. Johann Grell hat auf die Widersprüche aufmerksam gemacht, die daraus folgen. Wenn es für den ewigen Gott kein pHus und kein posterius giebt und also nichts für ihn früher und nichts für ihn später ist, sondern alles „eodem momento" geschieht: so kann man sich entweder bei diesem „eodem momento" nichts denken, weil man es zeitlos nennt 2 ), oder die Consequenzen treten in Kraft, dass, was Gott einmal gethan habe oder thun werde, er ewig gethan habe oder thun werde. Habe er also einmal diese Welt aus Nichts hervorgebracht, so thue er das noch, wenngleich sie existiere. Werde er sie einst zerstören, so habe er sie schon dann zerstört, als er sie gründete 3). 3. K a n t nennt die Zeit „lediglich eine subjektive Bedingung unsrer menschlichen Anschauung und an sich ausser dem Subjekt nichts" 4 ). Aber wenn das „diejenige Vorstellungsart ist, die uns eigentümlich ist", so kommen wir eben auch nicht über sie hinaus r'), 1) Richtig A. Ritsehl, Rechtf. u. Versöhn. 2 III, 219. 223 3 : „Die Ewigkeit ist im Allgemeinen die Macht des Geistes über die Zeit." Dagegen geht sie nicht in dem Prädikat der „Überweltlichkeit" (Kaftan, Dogm. 173) auf, wenn diese von dem „Regiment in der Geschichtc" unterschieden wird. 2) Ritsehl 2 289. 223 s : „Weder können wir bei wachem Bewusstsein von der Zeit abstrahieren, noch können wir in der Vorstellung der anfangsund endlosen Zeit Gott von der Welt unterscheiden." 3) De deo ejusque attributis c. 18. 4) Krit. d. r. V. Kirchm.-Ausg. 81. 5) Ob, wie Biedermann 2 I, 95 meint, das Zeitliche in unser Geistes-
sondern, dass für ihn in keinem Sinne die Zeit eine Schranke ist;
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und schon die Behauptung der „transscendentalen Idealität der Zeit", nach der sie ausser dem Subjekt nichts sei, tiberschreitet die Grenzen dessen, was wir zu wissen und zu constatiereu vermögen. Es ist daher ein so vergebliches wie in seiner Berechtigung unerweisliches Beginnen, von der Zeit zu abstrahieren und über einen zeitlosen Zustand zu reflektieren. So ist es auch kein Postulat des reflektierenden Denkens, dass Gott, zeitlos ist, und vollends, dass er zeitlos wirkt, sondern nur, dass fUr ihn in keinem Sinne die Zeit eine S c h r a n k e ist; dass er in allem Unterschiede der Zeiten der sich selbst innerlich und wesentlich Gleiche bleibt, der die Aeonen ruft und beherrscht, ordnet und begleitet; der ihnen und allem, was in ihnen geschieht, immer präsent ist, ohne sich selbst der Macht beraubt zu haben, auf die Werdeprozesse allüberall in den verschiedenen Stadien einzugehen. Selbst für seine Absolutheit ist es notwendig, dass er die Zeiten beherrscht, „ßaadevs rtöv aid>va>vu 1 Tim. 1, 17. Aber soweit wir zu urteilen vermögen, kann er das nur, sofern es für ihn Aeonen g i e b t . Doch wohlgemerkt, indem er sie beherrscht, ist der Fall ausgeschlossen, dass sie ihn irgendwie beherrschen und er selbst den Schranken der Zeitlichkeit, wie immer sie gedacht werden mögen, irgendwie unterworfen wäre. In diesem Sinne kann man von einer Immunität Gottes von den Schranken der zeitlichen Folge sprechen '); darf aber diese Immunität nicht zu der Vorstellung überbieten, dass es für das göttliche Selbstbewusstsein keine successio temporis gäbe, und, was der eigentliche Nerv der ganzen Frage ist, es von dem Weltleben nur in unzeitlicher oder zeitloser Vorstellung Akt nähine und nehmen könnte. Damit würde seine Absolutheit selbst gefährdet, aber auch die „ratio temporis" ihm nicht gleichzeitig zugesprochen werden können. 4. Der positive Sinn der Ewigkeit Gottes ist seine Un ver-
leben nur von daher kommt, „weil es ein endliches, zugleich sinnlich bestimmtes Subjekt hat", ist nicht zu beweisen. Thatsache ist, dass ich eins nach dem andern denke, z. B. die Prämissen vor dem Schluss: ob das für einen nicht leiblich organisierten Geist anders sein wird, ignoramus. Ein logisches Prius, das nicht zugleich ein zeitliches und doch „reales" Prius sein soll, übersteigt den Horizont unsrer Organisation. Die Unterscheidung: „Eine Ursache als Sache existiert zeitlich vor ihrer Wirkung; der Grund dagegen als logisches Sein ist als logisches Prius dem Existentiellen, dessen Grund es ist, mir als für sich zeitlos immanent'', bleibt für so organisierte Wesen wie wir eine unvollziehbare Zumutung. Wie wir uns auch anstellen mögen, sowohl Zeitloses als auch zeitlos zu denken, bleibt uns versagt. 1) „Aeternitas attributum, quo Deus ab omni temporis successione immunis, ipsius temporis rationein in se continet" (Hutterus 114).
132 dass er, unverändert, in all. Aeonen,doch d. zeitl. Entwickl. beriicks.kann. ä n d e r l i c h k e i t in a l l e n A e o n e n ; dass er keinem Wechsel preisgegeben ist 1 ). Aber freilich darf auch diese Identität nicht die innere Bewegung und Beweglichkeit ausschliessen, muss vielmehr die Teilnahmefähigkeit Gottes an der Lebensentwicklung der Schöpfung und aller der daraus erwachsenden Beziehungen ermöglichen und doch s i c h behaupten 2 ).
§ 18.
Die Allgegenwart Gottes.
Die Allgegenwart Gottes als die Fähigkeit, allen seinen Werken und Geschöpfen überall wirksam nahe zu sein, setzt seine Unabhängigkeit von den Schranken des Raumes voraus. Nur als Geist ist er dazu im Stande. Nur als solcher kann er unabhängig von der Welt und doch ihr wirksam präsent sein. 1. Die Denkbarkeit des Begriffs, an dem als omnipraesentia operativa 3 ) das religiöse Interesse ohne Weiteres einleuchtet, bezw. die Reflexion darüber hat verschiedene Stadien durchlaufen. Die Vorstellung, dass Gott gewissermassen im Himmel residiert und von da aus der Menschenkinder Thun und Treiben sieht, hat schon im a. T. die andre zur Seite, dass aller Himmel Himmel ihn nicht umfassen mögen und der Schuldige ihm nicht zu entrinnen vermag allüberall'1). 1) Neque secundum esse: ätp&agTog, immortalis, incorruptibilis (1 Tim. 1, 17; 6, 16; Rom. 1, 23); neque secundum accidentia (Jac. 1, 17) nee secundum locum (Jerem. 23, 24), nec secundum voluntatem et propositum (4 Mos. 23, 19. Spr. 19, 21. Mal. 3, 6). 2) Sagt Nitzsch, Syst. § 65 Anm.: „Auf eine andre Weise als durch Bewirkung der Zeit und durch Offenbarung seines Wesens in der Zeit kann er an der Succession nicht teilnehmen": so liegt sowohl darin, dass er bei der successive verlaufenden Zeit und den sich folgenden Zeiten als die causa efficiens in Anspruch genommen, als auch darin, dass eisern Wesen in der Zeit und also auch ihrem Bedürfnis und Wahrheitssinn gemäss offenbarend gedacht wird, die Notwendigkeit einer Berücksichtigung der Stadien und Stufen der Zeit, d. h. der Weltentwicklung eingeschlossen. Freilich kann er nicht, wogegen Beck, Die christl. Wissenschaft I, 154 protestiert, „der endlichen Zeitrechnung verfallen, und seine „immer neuen Wirkungen und Offenbarungen sind nur Neues, Änderungen in der W e l t , nicht innerhalb seiner selbst"; aber sowohl muss er, wenn diese neuen Wirkungen und Offenbarungen wirklich von ihm ausgehen sollen, selbst dabei innerlich beteiligt sein, als auch eben dazu von den sich wandelnden Zeitverhältnissen Kenntnis nehmen, um dein jeweiligen geschichtlich so gewordenen Stadium gerecht zu werden. 3) Attributum, „quo Deus nullis spatii limitibus coercitus vi el efficacia sua omnia fert et movet". 4) 1 Kön. 8, 27. Ps. 139, 7. Jes. 66, 1. Ps. 139, 7—12. Jer. 23, 24. So wird die Thatsache feiernd gepriesen, in dem Justin M. zugeschriebenen Traktat „de monarchia" Opp. Otto II, 130 in Aeschylus-Versen, vgl. Clem. Alex. Strom. V, 14; Eusebius praep. ev. XIII, 13, und in Athenagoras' „TTOeoßeia Tisol
yj>iotiav&vu.
Ansätze, des Begriffs d. Allgegenwart Herr zu werden: Philo, Theophil., 1 3 3
Ja Asaph getröstet sich seines Gottes auch ohne den Himmel'). Im n. T. wird die rein geistige Gottesnatnr auf das Bestimmteste proclamiert und jede räumliche Bedingtheit und irgend welches Gebundensein an einen Ort von Gott ausgeschlossen2). 2. Er könnte weder unsere Zuflucht sein für und für noch der Absolute, wenn der Raum fiir ihn eine Schranke bildete. Sie von ihm abzuwehren, sagt P h i l o , dass der qualitätslose 3 ) Gott der Ort für alle Dinge, g l e i c h s a m der allumfassende Raum sei. T h e o p h i l u s v o n A n t i o c h i a versinnlicht den Gedanken, wenn er, im Interesse der Verteidigung des Glaubens der Christen an einen unsichtbaren Gott wider den Spott seines heidnischen Freundes Autolykos, das Verhältnis Gottes zur Welt mit dem der Rinde des Granatapfels zu diesem vergleicht 4 ). Wie bei ihm 5 ), so heisst bei A r n o b i u s Gott locus rerum im räumlichen Sinn 6 ). Nach Philo dagegen lässt sich von Gott nur sagen, dass er ist, ohne endlich zu sein 7 ). Näher kommt ihm C l e m e n s Alex, mit seinem Satz, dass der unfassbare Gott weder umfasse noch nmfasst werde 8 ). Noch bestimmter Origenes de princ. II, 1, 3: Weder wird er umschlossen noch umschliesst er. Man kann nicht einmal sagen, dass er durch das All hin ausgegossen wäre. Nicht nur den Schranken des Raumes, sondern dem Raum selbst ist Gott enthoben. „Natura1) Ps. 73, 25. Dillmann 247: Nur der grosse Haufe fasste den Himmel rein sinnlich und räumlich, und in Hiob 22, 12—14 schlicssen die Gottlosen: „Wird Gott durch das Wolkendunkel hindurchrichten?'' V. 12: „Ist nicht Gott hoch droben im Himmel?" . . V. 13: „und du sprichst: was weiss Gott?" V. 14: „Die Wolken sind seine Vordecke, und er sieht nicht und wandelt im Umkreis des Himmels" (Luther). 2) Joh. 4. 24, 21. Apg. 17, 27. s Mt. 6, 3 - 8 . 3) aizotog yag o &eog, ov piövov ovx av9gw^6fiogcpog (Nöficov isgwv aXXt}I, 36. Opera Leop. Cohn 1896. 70). yogias TIÖV ueza zi/v e!;aqftegov zo JZQWZOV S c h o n P h i l o u n t P r s c h e i d e t mgtex&v u n d xcgtcxöfievos: „6 tpavXog doxci clvai zov öcov & ronm, ftrj jzc/jte/ovTa, a M a 71egtexö/icvov" Hb. I I I , 1 (114). Joh.
Damascenus, edit. fidei orthodoxae lib. I, c. 14 nennt Gott seinen eigenen
O r t : „avzog iavzov zoxog loziv, za jzavra nhjQiöv xai vjthq za narza oiv xai avzog avrexcov za izävza". V e r o n a e 1531. 4) A d A u t o l y k u m I , 8 : „"Ov zgojzov yäo goa eywovoa v x'axeì, d>g fióvos vnaQxwv. 11: Bundesgenossen der Bosheit sind es, welche unter dem Vorwand So^oXoyiag behaupten, Gott habe keine Gestalt, sei áoxypaz tozos, ä/iogipos und àvdòtog. Ein Geist ohne Vorstellung von Gott hat ihn überhaupt nicht. Und wie soll denn Einer beten, n&s de ev^ezal zis — wenn er nicht hat, zu wetn er sich flüchte, auf wen er sich stütze — ovx fycov TIQÒS zíva xazav enóirjoe rjj
JIQv, ei xavoezai JZOZS aya&oegycov, xai zov Qeog elvai ¡zavoezai. OJZEQ ovde euieiv iiifiig. eoud' ovv xazwiejiavxsvat, zo zrjv xd^iv zwv yevo/ievcov eis ndvxa '¿QOVOV äjzagaßdzwg (pvXdzzeodm zezayhat y.ai zfjg xaXaiäs axa^iag exaoxov rwv y.xiofidxcov xaxajzejzavxevai' AI fi'ev y.aza zag diatpooovg q/ugag Srj/Aiovoyiai axoXov&ia fieyloxfl Tzageh)rp&rjaav ojg av ex zov xQoyeveaxeQOv zijv xtfitjr el-dvxwv eutdvzcov zä>v ytvofteviov. t'ifia votßtazi xxwdevzwv, a).i' ovx t'.Tioijg ovxwv xtfitcor. ovS' äv qxovjj öedr/i.(oto »J iy.dozov yeveoig, dtfoucog .-zoii/oai /.e/Ontoi/g xijg dij/ttovgyiag.u Vgl. lib. V (582): „avztxa zl/v tpodyi/oiy drutv u).hiyouü>r 6 Mcoaijg $v).ov £wijg wvöfiaoev."
2 0 6 Das Sechstagewerk hat seine Bedeutung in der Sabbathswoche. ständnis, das er hat,
zu dem religiösen Vorwurf hinzubringt,
geht
daraus hervor, dass sie der zweite nicht minder kanonische Bericht nicht hat. und
es
dienen
Sie haben ihre sinnige Bedeutung in der Sabbathswoche,
liegt
die
sollen.
heilsame Institut stellung
Auffassung
am Nächsten,
Beim Anfange
dass
der Geschichte
des siebenten Ruhe-
des frommen Israeliten
sie
eben
beginnt
und Feiertages
und erscheint
auch
dazu das
in der Vor-
so als ein direktes
Institut Gottes selbst 1 ). Alle
anderen
allegorischen
oder
symbolischen
Auslegungen,
wie sie nach dem Vorgange der Alexandriner 2 ) immer wieder versucht worden sind, haben in der Urkunde keinen Anhalt,
während
die Vorstellung der Sabbathruhe bestimmt Gen. 2, 3 angedeutet wird. Auch der
die
mosaischen
schichtlich
kirchlich
conservative Theologie
Schöpfungsurkunde
referierenden
Bericht
nicht
wie
gegenüber 3 ).
von einem Was
heute streng aber
steht gemehr
1) Die 7tägige Woche, den Ägyptern und Griechen, die eine lOtägige, den Römern v. Chr., die eine ötägige hatten, unbekannt, zu den Arabern erst durch die Juden gekommen, ist eine- althebräische, vormosaische, aber ursprünglich altbabylonische Institution, welche die Hebräer von ihrem Aufenthalt in Süd-Babylonien zu Ur-Kasdim mitbrachten. Der 7. T a g sollte zunächst nicht dem Bedürfnis der Ruhe dienen, sondern Arbeit u n d O p f e r unterblieb, weil er als böser T a g galt. Deshalb wurde er sabatuv pa« T a g der Ruhe, auch „Tag der Ruhe des Herzens" genannt (Eberh. Schräder, Die Keilinschriften des a. T. 2 18S3. 20). Philo Stellt sich zu Gen. 2, 3 SO: „curia y em&v/ua avXXa-
3) „¿¡ei.xöfievog xai
Sskea^öfisvog."
4) Denn dass Gott „in vergangenen Zeiten hat lassen alle Heiden wandeln ihre eigenen Wege", findet eben in Rom. 1, 24. 28 die Erklärung. Mag immerhin Apg. 14, 16 „nur die unmittelbare Leitung der vorchristlichen Völkergeschichte durch Gott" verneinen und sie als eine mittelbare bezeichnen (Luthardt 140): um so gewisser konnte dieser Unterschied in der Führung von der Israels nicht ein Akt bedingungsloser Auswahl oder gar Willkür von Seiten Gottes sein, sondern musste in der Sinnesrichtung der so verschieden Geführten seinen ausreichenden Grund haben. 5) Rom. 1, 24: „Aio izagiScoxcv avrovg o &eog ev xoXg em&vfiicug TOJV xagSimv avröiv elg axadagoiav." 6) Rom. 1, 28: Tovx eSoxifiaoav." dtov oi'x (iög fteov e86!;aoa.v tj TjV/aQtarrjoav.11 7) „dg aSöxiftov vovv, noietv ra fii] xa-fryxorTa" V. 28.
1, 21: „xov
Der altdogmat. „impeditio" widerspricht die h. S. und die Erfahrung. 2 2 1
weise gehabt haben würde 1 ). Da wird also allerdings ein Eingriff in die menschliche Freiheit direkt behauptet. Aber die Belegstellen, auf die man sich beruft, sind ganz ungeeignet, die Vorstellung zu fordern oder nur ihr Vorschub zu leisten8). Die Vorstellung der impeditio im Sinne der Definition ist nicht schriftgemäss. Weder lässt sie sich mit den dazu angezogenen Stellen stützen, noch verträgt sie sich mit der gesamten Schriftauffassung von dem Verhältnis Gottes zum Menschen. Nach dieser ist das Handeln der Menschen innerhalb der gottgegebenen creatürlichen Grenzen ein so selbständiges und besonders von Gottes Willen so unabhängiges, dass auch der Allmächtige sittlich und in gewissem Sinne auch physisch nicht helfen kann ohne den Willen des betreffenden Hilfebedürftigen selbst. Er kann keinen selig machen, keinen erlösen, keinen heiligen, der das alles nicht selber will. Ja er kommt an keinen innerlich heran ohne den Willen desselben. Wenn irgend jemand im biblischen Sinne des Wortes verloren geht, es geschieht immer und überall gegen den Willen der ewigen Liebe; es geschieht immer nur und ausschliesslich durch den eigenen Willen, der sich eben damit zu dem göttlichen Willen in ausschliessenden Gegensatz stellt (Mt. 23,37). Aber selbst in leiblicher Beziehung kann Gott — nach seiner eigenen Ordnung — dem Menschen nur helfen durch und mit dem Willen dess'elben. Der Mensch vermag auch verhungern zu wollen. In allen Ländern europäischer Civilisation spielt der chronische, wo die Gesundheit durch die Lebensweise nach und nach ruiniert wird, und der acute Selbstmord in nahezu regelmässig periodischer Progression eine erschreckende Rolle als die „grellste und schneidendste Offenbarung der durch die Sünde gewirkten Zerrüttung des 1) Quenstedt: „Imp. est act. prov. gub., quo Deus actionem creaturarum pro arbitrio suo constringit, ne effectum dent, quod vel naturali vel libera agendi vi alias efficerent." 2) Selbst wenn man sich ganz auf den Standpunkt des Berichterstatters stellt und an den Wortlaut in Gen. 20, 6; 31, 24; Num 22, 12 hält: in keinem Falle war von einem constringere der Handlungsweise die Rede. Abimelech sowohl wie Laban und Bileam werden als irgendwie innerlich bestimmt, aber nicht als unwiderstehlich genötigt gedacht. Es sind Weisungen, die Abimelech und Laban im Traum, auch Bileam in der Nacht erhalten (Nura. 22, 8), Mahnungen, die sich innerlich an sie wenden, aber sie in keinem Falle äusserlich zwingen. Sie hätten sie eben so gut überhören, sich ihnen geflissentlich verschliessen oder direkt widersetzen können, wie wir es den Mahnungen des Gewissens gegenüber vermögen. Ja sie müssen schon einigermassen so disponiert gewesen sein, um die Kindrücke zu empfangen, oder sie so zu deuten. Von einer Bindung, einem Constringere, ist in allen diesen Citaten keine Rede.
222 Den Gedanken der „directio" dagegen bestätigt Schrift wie Erfahrung. Lebens" r ), aber eben damit auch einer Willensthätigkeit, die sich schlechthin von dem göttlichen Willen emaneipiert und selbst die Fortdauer des individuellen Leibeslebens von dem menschlichen Willen abhängig zeigt. So widerspricht sowohl die Schriftauffassung und zwar n. und a. T.s, dessen Thema beinahe auf allen Blättern der Conflikt zwischen der suchenden Gottesliebe und dem sich immer wieder von ihr abwendenden, nicht finden lassen wollenden Israel bildet, als auch die thatsächliche Erfahrung, die uns umgiebt und uns immer von Neuem erschreckt, der Vorstellung, wie sie der „impeditio" zu Grunde liegt. Mit ihr fällt auch die Antinomie, die das Problem stellen und seine Lösung zu überwinden haben würde. Nach der „directio" führt Gott die guten wie die bösen Handlungen zu dem von ihm vorgesetzten Ziel, mögen die Subjekte der letzteren gar nicht daran gedacht oder gar das Gegenteil beabsichtigt haben 2 ). Diesen Gedanken bestätigt das a. und das n. T., und er durchzieht zugleich die ganze biblische Geschichte. Seinen classischen Ausdruck findet er im a. T.: Gen. 50, 20, im n. Rom. 8, 28. Nicht minder ist er dem frommen Bewusstsein ganz gewiss und gehört sogar in der Spruchform: „Der Menscli denkt, Gott lenkt" zu den geflügelten Worten 3 ). Selbst in der christlichen Heilsgeschichte im engeren Sinne spielt er die entscheidende Rolle, indem sich Gen. 50, 20 in einem höheren Sinne wiederholte, sofern der Justizmord des Erlösers und der darin gefeierte Triumph der Sünde zum Heil für Viele umschlug. Selbst in diesem Falle ist der Allmächtige den verblendeten Übelthätern nicht in die Arme gefallen, aber es ist doch etwas ganz Anderes daraus geworden, als was sie wollten. Aber auch in dem Leben der Völker wie in dem des Einzelnen wiederholen sich immer von Neuem, heute wie vordem, Momente, 1) AI. von Oettingen, Socialethik 907. 2) Quenstedt: Dir. est act. prov. gub., quo Deus creaturarum actiones bonas ita moderatur, ut tendant et f'erantur in objectum a Deo intentum, actiones vero malas ad certum finem a se praestitum, sed a peccantibus non spectatum et saepe ipsorum intentioni contrarium dirigit. 3) Ursprünglich liegt dem Spruch Prov. 16, 9 zu Grunde: nach der Vulgata: „Cor hominis disponit viam suam, sed Domini est dirigere gressus ejus"; nach Luther: „Des Menschen Herz schlägt seinen W e g an, aber der Herr allein g'iebt, dass er fortgehe." Nach der revid. Bibel: „Des Menschen Herz erdenkt sich seinen W e g . . . " W. Langland „Piers Ploughmans Vision" V. 6644 (14. Jahrh.) schreibt das Wort Plato zu. „Homo proponit, sed Deus disponit." „L'homme propose et Dieu dispose."
Ebenso die „determinatio",
223
in denen die sinnende Betrachtung vergleicht, was von menschlicher Seite beabsichtigt war, und was geschah, oder aber wie weit das menschliche Können ging und was darüber hinaus sich ereignete: Momente, in denen das bewegte Empfinden, gleich jenen Bergleuten, die aus dem verschütteten Schacht Alle wohlbehalten wieder an das Tageslicht gefördert sind, in das dankende Bekenntnis ausbricht: „Nun danket alle Gottes Barmherzigkeit!" ungeachtet aller menschlichen Mühe und Arbeit, die dabei wirksam war. Und doch wird auch dabei und dadurch die menschliche und die Freiheit (Naturgesetzlichkeit) des Weltlebens nicht alteriert, nicht unterbrochen, nicht in Frage gestellt. Ja jenes dankende Bekenntnis setzt gewissermassen voraus, dass menschlicher Seits alles geschehen ist, was möglich war, sowie dass der sinnende Geist auch alle natürlichen Mittel und Kräfte erwägt, die dabei wirksam sein und bis wie weit sie führen konnten, und eben erst auf Grund des Bewusstseins, dass die äusserste Umsicht und Anstrengung, dass der natürliche Gang der Dinge, dass alle diese Daten nicht ausreichen, den schliesslichen Effekt zu erklären, erwacht und strömt jenes Empfinden aus. Ja wenn es kein Selbstleben der Welt gäbe, könnte von einer göttlichen Weltregierung nicht einmal begrifflich geredet werden. Wirkt Gott selbst, so kann dies sein Selbstwirken unmöglich Gegenstand seiner Regierung sein. Allwirksamkeit Gottes hat zur Folge den Akosmismus. Das Weltleben ist dann GottesLeben. Für seine Regierung fehlte dann das Objekt. Das tritt erst recht in dem zu Tage, was die Dogmatiker „determinatio" nennen. Nach ihr soll Gott den creatürlichen Kräften, Handlungen und Leiden zeitlich, quantitativ und qualitativ gewisse Grenzen setzen, in denen sie sich zu halten haben'). Auch dieser Gedanke ist so schriftgemäss wie in das Volksbewusstsein übergegangen: „Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter; hier sollen sich lege» deine stolzen Wellen 8 )." Die beiden Stellen, auf die man sich für die „determinatio" beruft, klingen sehr absolutistisch, als ob da kein Raum bliebe für Selbstleben und Freiheit: Ps. 66, 7 und 1) Quenstedt: „Det. est act. prov. gub., quo Dens creaturarum viribus, actionibus et passionibus certos terminos, intra quos se contineant, tum ratione temporis, tum ratione magnittidinis et gradus constituit". 2) Als die Worte Jahwes an das Meer findet sich der Ausspruch Iliob 38, 11 und ist genau in dieser oder in der kürzeren Form: „Bis hierher und nicht weiter (Schiller, „Räuber" 2, 1, vgl. Göthe „Stella" 1) zum geflügelten Wort geworden.
2 2 4 Wie erreicht d. Weltreg. s. Zwecke, ohne d. Selbstleben zu beeintrftcht.?
Jes. 10, 5 1 ). Aber es ist doch nur die Sprache, die den Effekt nennt und das verschwiegene Mittel nicht ausschliesst. Kein Volk wird weggeworfen und unnütz, so lange es sich nicht selbst wegwirft und unnütz macht. Wenn es unfähig wird, eine Mission zti erfüllen, es ist nicht Gott, der sie ihm abnimmt, sondern es selbst. Wenn es herabsinkt von seiner Höhe und zu Grunde geht, es hat sich selber zu Grunde gerichtet — nach Gottes h. Ordnung. Nach der Ordnung, dass der inneren Deroute immer zu seiner Zeit die äussere folgt. b. Die Frage ist nun, wie die göttliche Weltregierung ungeachtet dieser beständigen Selbstentwicklung der Welt in sich und aus sich nach Gottes eigenster Ordnung — sich durchzusetzen vermöge. Wenn weder die directio noch die determinatio die Freiheit der Menschen und die Freiheit des Weltlebens aufheben, vielmehr zu respektieren und damit zu rechnen haben: so entsteht das Problem, wie denn dann doch der weltregierende Gott seinen dirigierenden und determinierenden Einfluss geltend machen, wie er seine weitregimentlichen Zwecke im Ganzen und im Einzelnen erreichen könne. Quenstedt nennt die Weltregierung diejenige göttliche Thätigkeit, welche die Weltwesen im Ganzen und Einzelnen in ihren Fähigkeiten, Thätigkeiten und pathologischen Zuständen angemessen ordne, in Beziehung zu einander setze, gruppiere 2 ). Einen Schritt weiter geht Calov, wenn er die Weltregierung als denjenigen Akt der göttlichen Vorsehung definiert, durch welchen Gott die Dinge und Thätigkeiten der Weltwesen nicht nur ordne, sondern auch moderiere und zu seinen Zielen dirigiere. Wird also nach Quenstedt das gottgewollte Ziel schon durch das ordinäre erreicht, so nimmt Calov noch dazu das moderari et dirigere ad suos fines zu Hilfe. Bleibt die Regierung auf das ordinäre beschränkt, so ist das eigentliche und ausschliessliche Regierungsgescbäft das Gruppieren •, sozusagen das Ineinanderfügen der Maschen, welche das naturgesetzliclic und freie Weltleben in beständiger Entwicklung in sich und aus sich selbst heraus zuwege bringt, zu einem Welt- und Geschiclits1) In beiden Stellen tritt der Gedanke unter dem Gesichtspunkt der „Allgewalt Gottes" auf, der mit ihr „herrschet ewiglich" und, wie Assur seines „Zornes Rute" ist und in der Hand seines „Grimmes Stecken", so Völker und Einzelne gebraucht zu seinen Zwecken und dann sie „zertrete wie Kot auf der Strasse" Jes. 10, 6. 2) Quenstedt I, 533: „qua Deus omnes et singulas creaturas suas in viribus, actionibus et passionibus d e c e n t e r o r d i n a t , ad creatoris gloriam et uni versi hujus bonum ac piorum imprimis salutein."
Die weltreg. Fürsehung vollzieht sich in der Regel durch Gruppierung. 22f>
gewebe, welches in dem jeweiligen Stadium der Gesamtentwicklung den göttlichen VVeltintentionen entspricht. Das moderari et dirigere ad suos fines würde dann in dem ordinäre schon mit inbegriffen und gegeben sein: die angemessene Gruppierung der Zeit- und Weltumstände, der Personen und Sachen würde den Effekt des gegenseitigen moderari und des gemeinsamen dirigere ad Dei fines unmittelbar und selbst zur Folge haben. Aber eben zur Folge. Das moderari et dirigere würden nicht erst wieder besondere Akte der göttlichen Weltregierung sein, sie würden nicht als coordinierte Thätigkeiten Gottes zu dem ordinäre hinzukommen; sondern das ordinäre, worauf sich die göttliche Thätigkeit beschränkte, das Gruppieren würde eben darin seilten Zweck haben und in der göttlichen Absicht vorgenommen and vollzogen werden, das moderari et dirigere im Ganzen und Einzelnen zu erreichen, das Ganze und das Einzelne damit in der gottgewollten Richtung zu fördern. Es wird zugegeben werden müssen, dass es das, nach unsrem Masse gemessen, vergleichsweise Höhere wäre, wenn sich die göttliche Weltregierung an der einen Manipulation des Ordnens genügen lassen könnte und schon damit ihr Ziel erreichte. Damit ist eine Formel gefunden, welche der menschlichen und der naturgesetzlichen, von Gott selbst gegebenen, Freiheit die volle Ausgestaltung ohne Abstrich einräumt und doch die göttliche Weltregierung im ganzen Umfang zugiebt und eben so wirksam zeigt. Damit ist das Problem begrifflich gelöst, welches die Vereinbarkeit der göttlichen Weltregierung und der creatürlichen Freiheit stellt. Ich gebe die von Quenstedt durch den alleinigen Gebrauch des Ausdrucks ordinäre in seiner Definition nur angedeutete Fassung nicht für die der altkirchlichen Dogmatik aus, aber allerdings für eine Weiterbildung im Geiste ihrer Gedankengänge. Durchgeführt wird die Fassung nirgends von ihr, aber die altdogmatischen Aufstellungen, wenn man von der schriftwidrigen „impeditio" absieht, enthalten kein Moment, mit welcher unsre Auffassung als unvereinbar angesehen werden müsste, dass die weltregierende Fürsehung in d e r R e g e l ohne direkte Alteration des natürlichen Geschehens durch G r u p p i e r u n g 1 ) der Personen und Umstände, der Weltwesen und Weltverhältnisse sich vollzieht. 1) Der Einwand Willib. Beyschlags, „Zur Verständigung über den Christi. Vorsehungsglauben" Deutsch-ev. Blätter 1888. 5ff., auch separat unter ilems. Titel erschienen 1888, dass Gott nicht von Aussen stiesse, trifft meine S c h m i d t , Dugmatik II. IT)
226 D. göttl. Weltreg. u. d. göttl. Wissen. Rieh, a St. Victore. Boethius. Bayle. 3. D i e g ö t t l i c h e W e l t r e g i e r u n g u n d d a s g ö t t liche Wissen. Die navxsnorpia als die unerlässliche Voraussetzung für eine Gesamtregierung muss dem Weltregenten eignen, aber sie kann sich naturgemäss nur auf alles das beziehen, was bereits irgendwie, es sei actuell oder potentiell, i s t ; nimmermehr aber darauf, was noch gar kein, weder actuelles noch potentielles, Sein hat, sondern nur unter Bedingungen eintritt, welche als Akte des creatürlichen Selbstlebens bis zu ihrer Fakticität oder doch deren Berechenbarkeit aus der bisherigen Entwicklung unentschieden bleiben. Nichts Wirkliches entgeht dem aufgeschlagenen Gottesauge, keine Regung in der Creatur, nicht der heimlichste Gedanke derselben, kein Punkt in dem Getriebe des Weltlaufs. Das Unentschiedene, was weder notwendig noch wirklich ist, schliessen nicht w i r von dem göttlichen Wissen aus, sondern es schliesst sich selbst seiner Natur gemäss aus. Es kann als Eventualität ins Auge gefasst werden, aber nimmermehr Gegenstand untrüglichen Wissens sein 1 ). Die TiQofteois ist der göttliche Vorsatz, der der Weltregierung zu Grunde liegt und, wie aller Regierung, zu Grunde liegen muss; der Akt, nach dem Gott das den Creaturen Heilsame zuwege bringen will (ordinäre et disponere vult) im Unterschied zur öioixrjaig, These nicht, da sie ja ganz und gar nicht behauptet, dass das ordinäre von Aussen geschähe und etwa nicht von Innen. Darüber schweigt sie wohlweislich; aber sie schliesst keinen Modus aus: „Weg hat er aller Wegen." Wie immer die Gruppierung erfolge, nur dass es eine ist, nimmt sie vom Boden der Erfahrung aus in Anspruch. Freilich hängt die These mit der Preisgabe des coneursus zusammen (Beyschlag 6), aber nicht in dem Sinne, als ob damit das Wirken Gottes von Innen aus bestritten wäre, sondern nur insofern, als Ablehnung des Coneursus und These auf demselben Boden wurzeln, nämlich dem der principiellen Anerkennung des Selbstlebens der Welt. 1) Eich, a St. Victore empfindet die Schwierigkeit. Er unterscheidet das Vorauswissen der guten und das der bösen Handlungen und findet letzteres um so bewunderungswürdiger, je mehr diese nur mit Gottes Zulassung, niemals ejus operatione geschehen, denn: „voluntatem malarn numquam facit (deus), quamvis eam esse permittat" (De gratia contemplationis . . occasione ab arca Moysis et ob eam rem hactenus dictum Benjamin major, üb. II c. 20. Migne 196. 102). Schon Boëthius hat den Satz : div. praenotio naturam rerum proprietatemque non mutât. Er verkennt nicht, dass die von Gott vorausgewussten Handlungen notwendig eintreffen, aber er unterscheidet von dieser Notwendigkeit eine von Natur und an sich und schliesst: „Fiunt igitur proculdubio cuncta quae futura esse Deus praenoscit, sed eorum quaedam de libero proficiscuntur arbitrio" (De consol. philos. V, 6. 134). Bayle, Dict. III, 306, bemerkt, dass es nicht möglich erscheine, vorauszusehen, „ce qui dépend uniquement d'une cause indéterminée", nämlich vom freien Willen des Menschen.
Prov. generalis, specialis und specialissima.
227
vermöge deren er es nun auch wirklich thut, den Vorsatz ausfuhrt. An einen bis ins Detail von Ewigkeit her fertigen und unabänderlich festen Weltplan ist dabei nicht zu denken. Er würde ebenso wie ein untrügliches Vorauswissen (Tigöyvam?) des Weltlaufs diesen um sein Sein ftir sich, den Menschen sowohl wie den ewigen Gott um seine Freiheit bringen; eine Vorstellung, welche dem christlichen Bewusstsein ebenso fremd ist. wie der h. Schrift, welche die Entscheidungen Gottes mehrfach von dem menschlichen Thun und Lassen in selbstgewolltem Bestimmtwerden zeigt (Jon. 3, 10. Mt. 23, 37). Unmittelbar mit dem Akte der Weltschöpfung ist notwendig auch schon ein Weltplan mit einem g e n e r e l l bestimmten Ziel und mit einer g e n e r e l l bestimmten Basis der Verwirklichung da. Ihre s p e c i e l l e Ausgestaltung dagegen ist von dem gottgesetzten Selbstleben der Welt abhängig und vor der Entscheidung von dieser Seite her so unentschieden wie unberechenbar. Die immer präsente navxtnorpia dessen, der nicht schläft noch schlummert, caviert dafür, dass ihm die Gruppierung der natürlichen und der sittlichen Faktoren immer möglich bleibt und jeder derselben zur rechten Zeit und an der rechten Stelle ins Weltgetriebe eingreift. 4. Die Providentia generalis, specialis und specialissima. Wenn die weltregierende Fürsehung sich zwar auf alle Geschöpfe erstrecken soll (generalis), aber doch nicht auf alle in gleicher Weise, sondern vor allen auf den Menschen (specialis) und von den Menschen vor allen auf die Gläubigen (specialissima): so ist zunächst der Gedanke abzuweisen, als ob die generalis ein Minus von Aufsicht und Fürsorge für gewisse Bereiche des Weltlebens im Vergleich mit dem Menschen statuieren könnte. Sonst Hesse sich eine weltregierende Fürsorge überhaupt nicht durchführen. Wie sollte eine specielle Fürsehung für den Menschen und eine noch speciellere für den Gläubigen auszuführen sein ohne die nicht minder specielle für seine ganze Umgebung, mit der er in beständigem Contakt steht, wie diese wieder in Rapport und Causalverbindung mit dem entfernteren und dem gesamten Weltleben überhaupt? Die Isolierung oder doch geringere Berücksichtigung eines Einzelgebietes mlisste die ganze Fürsehung gefährden. Sie muss ihrem Begriff, ihrer Natur und ihrer Aufgabe nach als weltregierende immer eine besondere, für jedes Gebiet des weitem Ressorts eine absolut specielle sein.
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Providentia ordinaria et extraordinaria.
Nur insofern kann sie generalis und specialis zugleich heissen, als sie mit dem Weltzweck im Ganzen (generalis) den Selbstzweck des Einzelnen unausgesetzt im Auge hat (specialis). Auch könnte eine Unterscheidung von specialis und specialissima insofern gerechtfertigt werden, als die Menschen sich der göttlichen Ftirsehung bewusst werden und sie so als eine besondere empfinden, sowie dass die Gläubigen ihre Absichten nicht vereiteln und ihrer um so lebhafter froh werden. 5. Providentia ordinaria et extraordinaria sive miraculosa. Diese altdogmatische Unterscheidung bestätigt nur unsre Clausel, dass die weltregierende Ftirsehung sich in der Regel durch Gruppierung der natürlich oder sittlich gegebenen Potenzen vollziehe. Denn auch sie nennt das naturgesetzlich vermittelte Wirken Gottes das ordentliche, ordnungsmässige, also regelrechte, dagegen einen nicht naturgesetzlich vermittelten, wunderbaren Effekt einen extra ordinem und erkennt ihn damit als in der Regel nicht an. Von einer Wirksamkeit Gottes der geschaffenen Welt gegenüber, die sich in willkürlichen Eingriffen, in unvermittelt direkten Akten vollzöge, eine Vorstellung, in deren Bekämpfung sich gelegentlich eine antikirchliche Polemik gefällt 1 ), weiss die evangelische Dogmatik nichts; auch nicht die des 16. und 17. Jahrb., die man s.Z. als ein altgothisch barbarisches Bauwerk charakterisierte. Diesen bekämpften und persiflierten Begriff göttlichen Wirkens hat weder die Schrift noch die kirchliche Lehre, noch entspricht er der Erfahrung und zwar der religiösen sowenig wie der der reflektierenden Beobachtung. Genau genommen ist j a freilich auch der Effekt der Gruppierung insofern ein wunderbarer, als, wie sehr auch die einzelnen Erfolge, jeder für sich creatürlicli, natürlich oder sittlich bedingt und erklärlich sind, doch ihr Zusammentreffen, ihre Verknüpfung und Verkettung unter einander aus bloss creatttrlichen Ursachen nicht zu begreifen ist und eben so auf die ordnende Hand des Weltregenten zurückweist. Wo diese Verknüpfung in ihrer weltregimentlichen Wirkung besonders deutlich in die Augen springt, spricht man von einem mirabile im Unterschied von einem miraculum. Das Criterium dagegen für dieses ist der W i d e r s p r u c h 1) „Wo der teleologische Dualismus in den Schöpfungswundern die willkürlichen Einfälle eines launenhaften Schöpfers aufsucht, da findet der caúsale Monismus in den Entwicklungsprozessen dio notw endigen Wirkungen ewiger und unabänderlicher Naturgesetze" (Ernst Hilckel, ,,Natürl. Schöpfungsgeschichte" 5 31).
Das Wunder.
Scine Möglichkeit und sein Silin.
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mit dem n a t u r g e s e t z l i c h e n Geschehen. Auch der biblische Wunderbegriff ist kein anderer, ist nur dieser, wie neuerdings wieder Menegoz (vgl. oben 153) ganz richtig constatiert hat. Der allmächtig fürsehende Gott mtisste auf seine Freiheit der Welt gegenüber zu Gunsten der Naturgesetze verzichtet haben, wenn er nicht im Stande sein sollte, Wunder in diesem Sinne zu thun. Das würde aber doch der Natur dieser Gesetze selbst widersprechen. Denn sind sie sowohl von Gott selbst gegeben als auch müssen sie von ihm erhalten werden, so lange sie gelten sollen: so bleibt der Wille Gottes ihre fortgehende Lebensbedingung, und es liegt in dieser ihrer Natur, dass sie ihm gegenüber niemals zur Schranke werden können. Freilich zwar involviert die Thatsache des Selbstlebens der Welt eine Selbstbeschränkung Gottes nach dieser Seite hin; aber doch immer nur eine Selbstbeschränkung auf Grund und in Kraft seines Willens, also unmöglich wider oder ohne ihn. Freilich führt das Selbstleben der Welt oft genug zu Akten, welche wider Gottes Willen sind. Auch diese Möglichkeit bringt die gottgegebene Natur derselben eo ipso mit sich. Und eben diese fordert die Möglichkeit der Abwehr im fürsehenden Interesse des Einzelnen und des Ganzen. Dass der Wille Gottes diesem in der Regel gerecht wird innerhall) der bestehenden Gesetze durch Gruppierung: das eben ist unsre These. Aber dass er es nur so vermöchte, das zu behaupten fehlt es an jedem Anhalt. Diese Stellung zur Frage hat also nichts mit der Meinung zu thun, dass „sich die Allmacht grösser zeigen sollte in den Unterbrechungen des Naturzusammenhanges als in dem der ursprünglichen, j a auch göttlichen Anordnung gemässen unabänderlichen Verlauf desselben" „Aus dem Interesse der Frömmigkeit kann nie ein Bedürfnis entstehen, eine Thatsache so aufzufassen, dass durch ihre Abhängigkeit von Gott ihr Bedingtsein durch den Naturzusammenhang schlechthin aufgehoben werde" 2). Freilich nicht. Aber die Möglichkeit der Gotteswunder in dem allein zur Verhandlung stehenden Sinne lässt sich auf theistischem Boden so wenig leugnen, wie von dem reflektierenden Denken widerlegen; und der Satz, dass in Gott Freiheit und Notwendigkeit zusammenfalle 9), trifft doch eben nur in dem Sinne zu, dass diese Notwendigkeit eine innerlich bedingte, also im eigentlichen Grunde freie, in der Constanz des Willens wurzelnde ist. Nun kann freilich der h. Gotteswille im ethischen Sinne sich nie untreu 1) Sclileiermachcr I, 234 .
2) 233.
3) Friedr. Nitzsch 179.
230 Nicht Selbstcorrektur Gottes, sondern Corr. d. crcatürl. Selbsttätigkeit. werden. Aber, wenn er eben aus ethischen Gründen ein Selbstleben der Welt gesetzt hat und erhält, so wird er sich nicht untreu, wenn er, wiederum aus ethischen Gründen, ausnahmsweise davon Umgang nimmt und extraordinarie verfahrt, sondern eben auch dieses „extraordinarie" geschieht in der Constanz desselben Willens, der das freie Weltleben ins Leben rief; aber doch weder von diesem aus noch nach den demselben eigenen gottgebenen Gesetzen *), sondern „praeter, supra oder contra naturam". Über die Wirklichkeit ob und wo Wunder in diesem Sinne vorliegen, haben die Akten zu entscheiden; hat die peinlichste Critik in jedem Einzelfalle zu befinden. Nicht als „Selbstcorrektur Gottes", d. h. nicht als Correktur der göttlichen die detailliert gar nicht existiert, sondern als eine Correktur der creatürlichen Selbstthätigkeit kann das Wunder unter Umständen von der weltregierenden Fürsehung gefordert und notwendig werden. 6. Die fürsehende Weltregierung und das Übel oder das Problem der Theodicee. „Zu Leiden bin ich geboren", klagt der königliche Saitcnspieler; und derer, die es mit ihm empfinden und sich unter diesem 1) Friedr. Nitzsch sieht die richtige Lösung- in folgenden Erwägungen : „Auf einem Gemälde kann vollständige Harmonie herrschen, obschon einzelne Figuren von allen andren durch ihre besondere Beschaffenheit abweichen. Demgemäss ist denkbar, dass Ereignisse mit der allgemeinen von Gott gestifteten physischen und geistigen Natur- und Weltordnung übereinstimmen, wclche doch nur selten oder gar nur einmal vorkommen" (180). Ja, aber jene einzelnen Figuren sind doch nach denselben Gesetzen entstanden, wie alle andren des Gemäldes. Sic können daher nicht den Fall der Wunder illustrieren. Ferner: „Die vorhandene Ordnung wird durch ergänzende Wirkungen der schöpferischen Macht Gottes nicht aufgehoben oder verletzt", aber sie geschehen doch immer praeter oder supra und daher notwendig auch immer contra naturam. Wären sie aber vollends „in dem ursprünglichen Weltplan und Vorsehungsratschluss schon mit enthalten": so wäre, damit der ganze Prozess bis zu der Stelle, wo sie eintreten, eine notwendige, aber keine freie, keine Selbst-Entwicklung; und damit wird das Selbstleben der Welt überhaupt illusorisch. N. schliesst diese Erwägungen mit dem Satze: „Daher erscheint es nicht unmöglich, Wunder anzunehmen und doch zugleich zu leugnen, dass Gott die Weltordnung durchbrechen wolle." Von der Weltordnung ist bei den Wundern nicht eigentlich die Rede, sondern von der Naturordnung, näher den Naturgesetzen. Dass es die Weltordnung durchbreche, leugnet auch kein Verteidiger des Wunders im biblischen Sinn, auch keiner, der mit Thomas Aqu. bekennt, dass die Wunder praeter naturam, supra naturam, contra naturam zu Stande kommen, oder mit Leibnitz, Theodicee § 207: „Das Kennzeichen der Wunder ist, dass man sie nicht aus der Natur der erschaffenen Dinge erklären kann." Die Frage ist, ob dgl. Gott möglich ist. Wird darauf mit ja geantwortet, so ist damit zugegeben, dass Gott extraordinarie d. h. extra ordinem d. h. mit Umgehung der Naturgesetze wirken kann. Beides steht und fällt mit einander.
Das Übel in der Welt.
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Empfinden winden, sind Legion. „Wer wird mich erlösen aus dem Leibe dieses Todes?" stöhnt selbst der heldenhafte Paulus. Und „erlöse uns von dem Übel!" beten wir alle, beten alle Christen mit uns in aller Welt, beten es wieder und wieder, denn, wenn auch in einer Gestalt Überstanden, kehrt es in andrer zurück und begleitet uns irgendwie von der Wiege bis zum Grabe. Woher ist das Übel? das Übel, gleichsam als die Mitgift unseres Lebens? das Übel in uns, an uns und um uns? das Übel in der ganzen weiten Welt ? Wie stimmt dieser Sachverhalt zu dem Glauben an den allwissenden, allweisen, allgtttigen Schöpfer, an die ewige Liebe als Weltgrund, an die weltregierende Fürsehung? Das ist das Problem der Theodicee, das Problem, wie das Schriftwort: „Der Herr ist gerecht in allen seinen Wegen und heilig in allen seinen Werken" Ps. 145, 17 sich halten lasse diesem Sachverhalt, einer solchen Welt gegenüber. Marcion, der Gnostiker, zwischen 154 und 166 in Rom, empfand den Contrast als einen so unversöhnlichen, dass er dem Dualismus verfiel, dem guten höchsten Gott, der nur wohlthun und vergeben kann, den Judengott (Demiurgen) 'gegenüberstellt, welcher hart ist, wie das Gesetz, ein erbarmungsloser Rächer der Übertretungen, nach Blut und Krieg begierig, und nur ihn für alles Übel in der Welt verantwortlich macht. Auch der Stifter des Manichäismus, der vielbesprochene weitausschauende Perser Mäni, 242, nimmt zwei gleich ewige Urpotenzen, einen urguten und einen urbösen, geistig-sinnlichen, Weltstoff an und sieht in der Weltentwicklung die Evolution des uranfanglich geschürzten Knotens. Aber die dualistische Lösung, wie sie auf ausserchristlichen Grundgedanken ruht, ist keine, sondern „die Verzweiflung an aller Theodicee 1 )". Unterscheiden wir moralisches und physisches Übel, so scheint die Entlastung Gottes hinsichtlich der Thatsache, dass es jenes giebt, geringere Schwierigkeiten zu bereiten. a. Die Theodicee und die Sünde. Hätte der Mensch geschaffen werden sollen, ohne sündigen zu können, so hätte ihm die Willens-Wahlfreiheit vorenthalten, d. Ii., es hätte überhaupt von seiner Schöpfung Abstand genommen werden müssen. Denn es gehört zum Wesen des Menschen, dass er sich selbst entscheiden kann, dass er innerlich frei ist. Seine äussere Freiheit wird nach mehr 1) So auch Strauss II, 366.
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Die Theodicee und die Sünde.
als einer Seite hin bedroht und bedrängt, so sehr er unausgesetzt (laranf aus ist, auch sie nach Möglichkeit zu erweitern. Aber seine innere Freiheit kann ihm Niemand nehmen; und wo er auf sie verzichtete, verzichtete er eben damit auf sein Menschenindigenat. Sie ist die Voraussetzung, wie von jenem Freiheitsdrang nach Aussen, so von der Cultur, der Geschichte, der Religion und allem, was den Menschen zum Menschen macht. Und eben diese Freiheit birgt die Möglichkeit der Sünde; die Möglichkeit, keineswegs die Notwendigkeit. So hat sie weder in Gott, noch in einem von ihm unabhängigen bösen Princip ihren Grund, sondern im Menschen'). Ja, aber doch, ergänzt Clemens Alex. 2 ), geschieht nichts ohne den Willen des Herrn tiber Alles. So bleibt nichts übrig, als zu sagen, Gott hindert es nicht, dass dgl. geschieht. Und dies allein rettet seine ngovota und aya&orrjg. „Fit sinendo ut fiat," findet Augustin die Formel der Zulassung. Aber sie ist ein Verlegenheitsbegriff, der nur dadurch nötig wird, dass, wozu besonders in dem Augusti1) Der Einwand Pierre Bayle's, dictionnaire historique et critique 5 , éd. des Maizeaux. 1740, in der Fassung, wie ihn Strauss der Sache nach approbiert II, 371 — „mit Recht bemerkt" —, Gott hätte einer ihre Tochter hütenden Mutter gleich die ihr gefährliche Situation v e r h i n d e r n , aber nicht vielmehr die Entrevue, von der er ganz genau wusste, dass sie ihr ihre Unschuld kosten werde, geradezu veranstalten, sie dahin führen und dort sich selbst überlassen sollen, ist sehr fadenscheinig. Denn weder hat er die Entrevue veranstaltet, in der der Mensch zum Sünder wurde, sondern sie ist ein Akt des Selbstlebens der Welt, noch ist die Entrevue oder irgend eine Situation an und für sich versuchlich, sondern sie wird es erst durch die böse Lust des Mensclienhcrzens, noch war der Ausgang der Entrevue, weil durch die freie Entscheidung des Menschen bedingt, im Voraus wissbar, noch endlich bleibt irgend Einer ohne Mentor in der Stunde der Gefahr, sondern dieser begleitet ihn in der Stimme, des Gewissens auf Schritt und Tritt. Bei Bayle, Diction. III, 627, Art. Pauliciens, lautet der Einwand so: „II n'y a point de bonne mère qui, ayant permis à ses filles d'aller au bal, ne révoquât cette permission si elle était assurée qu'elles y succomberaient à la fleurette et qu'elles y laisseraient leur virginité: et toiite mère, qui sachant certainement que cola ne manquerait point arriver, ces laisserait aller au bal, après s'être contentée de les exhorter à la sagesse et de les menacer de sa disgrâce si elles revenaient femmes, s'attirerait pour le moins le juste blâme de n'avoir aimé ni ses filles ni la chasteté." Schon Plato hat die Lösunggegeben: „¿QCTt/ àdéaTWTOV ' ailla tXo/itvov, deùç àvalxioç" xaxwv yùg ô iïrôc ovxoxe ahwç." Clem. Alex, citiert sie Strom, libr. V. Sylburg 613 und f ä h r t f o r t : „ T ß Tgwcç àgijtffû.oi, S Avgixôç tpt)oi: Zevg vxpi/iiStov oç Saiavxa Ségxexat, ovx ahioç iIvaxoîç peyalwv à/rW' à).X' Ir fiio xarafieovxziodevia" als eine Anspielung auf Gen. 1,26: so wird der in und von Christus „soteriologisch" (Cremer 572) Erneuerte (o xziaOtk ¿v XQtoTcü hjoov) hier als der bezeichnet, in dem der nach Gott geschaffene Mensch sich verwirklicht. Adam hat den Gottesgedanken mit ihm nicht erfüllt. Christus realisiert das Ideal. Innerlich wie er zu werden, dazu ermahnt Paulus Eph. 4, 22. Von einem verlorenen Ebenbild ist darin nicht die Rede. Vielmehr nur auf Grund des unverlorenen Ebenbildes kann unsererseits der Ermahnung Eph. 4, 22 entsprochen werden. Analog, nur noch deutlicher ist Col. 3, 9.10: „Lüget nicht gegen einander, da ihr ausgezogen habt den alten Menschen mit seinen Thaten und angezogen habt den neuen, der sich verneuert zur Erkenntnis nach d e m Bilde, d e r i h n g e s c h a f f e n h a t — „irdvadfisvoi rov veov, zov avaxatvov(icvov sig eniyvojotv xaz' elxöva zov xztaavzos avtw' —, d e r n i c h t ist G r i e c h e
und Jude . ., sondern Alles und in Allen Christus". Der Gedanke ist durch den Zusammenhang ausgeschlossen, dass der neue Mensch, den anzuziehen die Stelle ermahnt, ein anderer sein könnte, als der christliche. Freilich ist auch hier der Recurs und der Hinweis auf die erste Schöpfung naheliegend Gen. 1, 26. 27. Die zweite neue Schöpfung ist nicht zu trennen von der ersten. Christus ist der rechte Mensch, anavyaaiia zrj; dotjrjs rov Qsov, wie ihn der Hebräerbrief nennt 1, 3, das vollendete Ebenbild Gottes; Christus ist das Bild dessen, nach dem der Mensch geschaffen ist. Gemäss diesem Bilde zu wachsen in der Erkenntnis, ist die Aufgabe des Christen, und indem er ihr obliegt, wird er xcuvrj xzimg, nicht etwas, was Einer je vor ihm war. Dem na).a.i steht als noch nie dagewesen das xaivöv gegenüber. Das Christentum ist die wahre, gottgewollte Humanität, aber erst; vor ihm hat es sie noch nicht und noch nie gegeben. Zwischen Christus nicht nur, sondern selbst zwischen einem Christen, der es im Geist und in der Wahrheit ist, und Adam vor dem Sündenfall ist ein himmelweiter Unterschied. Nicht hat der Christ nur das Bild wiedergefunden, was Adam verloren hatte — so Irenaeus II, 18, 1: „. . in compendio nobis salutem praestans ut quod perdideramus in Adain, i. e. secundum imaginem et similitudinem esse Dei, hoc in Christo Jesu reciperemus." Daneben freilich perhorresciert er wieder ein salvari von Natur mit der Bemerkung, dass dann „omnes salvabuntur animae" II, 29, 1 —, vielmehr der Christ erfüllt, was Adam nicht etwa schon vor ihm erfüllt hatte, sondern wozu er nur erst die Bestimmung hatte. Man wird es wenigstens als disputable hinstellen dürfen, ob der Mensch in gradliniger Entwicklung ohne Dazwischenkunft der Sünde bis zu dem Grad der Intensität und Vertiefung der Gemeinschaft mit Gott gekommen sein würde und innerlich hätte kommen können, welche die Versöhnung durch Christum psychologisch ermöglicht und innerlich zuwege bringt. Überall sonst wird durch den Gegensatz und erst durch ihn die Empfindung geschärft und vielfach oder sogar in der Regel erst entbunden.
Die Unterscheidung verdankt einem dogmat. Motiv ihre Genesis. 271 imago Dei (accidentalis) generaliter aecepta und der imago Dei accideutalis specialiter dicta muss also einem andren Motiv ihre Genesis verdanken 1 ). Dennoch lag in der ursprünglichen Anlage nicht die Notwendigkeit, dass dies die Regel wurde. Aber nachdem die Sünde dazwischen getreten ist und wirklich wurde, kann allerdings auch sie unter diese Regel fallen und ihre geforderte Überwindung auch die Empfindung von dem Wert der Gemeinschaft mit Gott vertiefen. 1) Es ist bezeichnend, dass die ältesten Kirchenlehrer die Sittlichkeit der Protoplasten vor dem Sündenfall nur als Unschuld fassten. »A&afi ht vtjmos ijv, Sio ovitco rjdvvaro rtjv yv&oiv xaz' a£tav %ü>QEtva (Theophil, ad Autol. II, 25; vgl. Iren. IV, 38, 1. 3). Von Augustin geht der Gedanke eines verlornen Ebenbildes aus. Galt ihm durch die Sünde alles religiöse Leben als erstorben, so schien auch für das göttliche Ebenbild kein Raum zu bleiben. De Genesi ad lit. VI, 27 schliesst er an Col. 3, 9. 10 die Behauptung: „Hanc imaginem in spiritu mentis impressam perdidit Adam per peccatum, quam recipimus per gratiam justitiae" Migne 34, 355. Wäre dem aber so, wäre es als Anlage zur Gemeinschaft mit Gott verloren gegangen, so könnte es uns die Gnade nicht nur nicht zurückgeben, sondern nicht einmal mit uns in Beziehung treten. Aug. siebt sich daher schon selbst zu der Retraktation genötigt, das sei nicht so zu verstehen, als ob „nulla imago remanserit, sed tarn deformis, ut reformatione opus haberet" Retractationes II, 24. Migne 32, 640. Von Petrus Lombardus ging die katholische Unterscheidung zwischen pura naturalia (unverlierbar) und donum supernaturale: justitia originalis et immortalitas (verlierbar) aus. Luther verwahrt sich dagegen, dass die justitia „quoddam donum" sei, „quod ab extra accederet, separatum a natura hominis, sed fuisse vere naturalem, ita ut naturae esset Adae, diligere Deum, credere Deo, agnoscere Deum. Haec tarn naturalia fuere in Adamo, quam naturale est, quod oculi lumen recipiunt. Quia autem si oculum vitiosum reddas inflicto vulnere recte dicas, naturam violatam esse . .: ita recte et vere dicitur: Naturalia . . corrupta esse per peccatum" (Enarratio in Genes. 1563. c. 3, 48). Indessen wird man doch auch da hinzufügen müssen, dass das Alles nur seine Bestimmung war, und wenn diese actuell werden sollte, Adam selbst dabei diese Aktualisierung bewirken musste. Anerschaffen konnte nur die natürliche Fähigkeit dazu sein. Die Apol. Conf. I, 17 berücksichtigt wenigstens diesen Fall mit. Der Text ist abgewogen: „Itaque justitia originalis h a b i t u r a erat non soluru aequale temperamentum qualitatum corporis, sed etiam haec dona, notitiam Dei certiorem, timorem Dei fiduciam Dei a u t c e r t e r e c t i t u d i n e m v i m ista efficiendi." Auch Zöckler III, 110 beruft sich in diesem Sinne auf die letzten Worte. Die Worte „in homine hanc sapientiam et justitiam e f f i g i a t a m esse, quae Deum apprehenderet et in qua reluc e r e t Deus I, 18 können auch noch so gedeutet werden, selbst „hoc est, homini dona esse data, notitiam Dei, timorem Dei, fiduciam erga Deum et similia" schliesst noch nicht aus, die dona als potentielles Apriori zu fassen. Direkt betont wieder 1, 23 als das, um was es sich „certe" handelt: „vim ista efficiendi"; auch „dona et vim ad haec efficienda" und „homini indita" (21). Analog verhält es sich mit Form. Conc. I, 10. Der Ausdruck „privatio c o n c r e a t a e in Paradiso justitiae originalis seu imag-inis Dei" kann als gemildert angesehen werden durch den Zusatz: „ad quam homo initio in veritate, sanctitate atque justitia creatus fuerat", der gestattet, die just. orig. concreata nur als Bestimmung zu fassen; aber der weitere Wortlaut erschwert diese Deutung mindestens und verrät zugleich das dogmatische Motiv der Lehre. Man kann es nicht anders sagen, als dass die augustinische Überbietung des Sündenbegriffes auch hier den Hintergrund und Hintergedanken bildet. Denn wenn jene
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Augustin. Luther.
Die Bekenntnisschriften.
Es liegt in der Natur der Stlnde, dass sie das geistige Auge verfinstert, den freien Willen knechtet, und so die Kraft zum Guten erlahmt. Die Dazwischenkunft der Sünde konnte also nicht ohne tief greifende, verderbliche Wirkung auf die den Menschen vor aller andren Creatur auszeichnende Anlage und Befähigung zur Gemeinschaft mit Gott und infolge davon auf seine ganze geistige, sittlich-religiöse Weiterentwicklung bleiben. Aber verloren war damit nur die Möglichkeit eines status integritatis allein vom „ privat io . . imaginis Dei" als „impotentia et ineptitudo, ¿Swafu'a et stupiditas, qua honio ad omnia divina seu spiritualia sit prorsus ineptus" beschrieben wird, so ist das Überbietung und schliesst dem Ausdruck nach auch jegliche Potenz zur Religion aus, eben damit aber auch die Möglichkeit der Umkehr und Bekehrung, sowie selbst der Erlösung bzw. des Erlöstwerdens oder Sicherlösenlassens. In diesem sachlich nicht motivierten Interesse wird der Ausdruck schwankend. Die Conf. Belg. Art. 14 erklärt geradezu: „Credimus Deum ex limo terrae hominem ad imaginem suam creassc bonum, justum et sanetum [atque in oinnibus plane perfectum], qui proprio arbitrio suam voluntatem ad Dei voluntatem componere p o s s i t . " Aber in dem Relativsatz ermöglicht doch auch sie die behauptete anerschaffene Güte, Gerechtigkeit und Heiligkeit nur als die Potenz zu fassen (posse), aus freiem Willen Gottes Willen zu dem eigenen zu machen. Könnte es überhaupt ein anerschaffenes Gut-, Gerecht- und Heiligsein geben, so würde es doch, weil nicht Selbstthat des Menschen, der sittlichen Dignität en trat en. In dem genannten Interesse wurzelt die einschlägige Argumentation und Distinction. Selbst das (kathol.) donum superadditum hatte man gestrichen, weil doch der Verlust des göttlichen Ebenbildes, wenn es nicht eigentlich zur Natur des Menschen gehöre, ohne grossen Belang zu sein schien. Aber als zur Natur des Menschen gehörig bot es neue Schwierigkeit. Musste nicht dann durch seinen Verlust das menschliche Wesen selbst gefährdet und beeinträchtigt werden ? Darauf antwortet die Formula Concord. I, XII: „Natura serpentis est icere, hominis natura est peccare et peccatum." In dieser sprachgebräuchlichen Redeweise bedeutet Natur „non ipsam hominis substantiam, sed aliquid, quod in natura aut substantia fixum i n h a e r e f ; und die altlutherischen Dogmatiker nennen dementsprechend die justitia originalis zwar dem Menschen natürlich (naturalis), aber doch nicht wesentlich (essentialis), sondern = accidentalis et propagabilis, womit man glücklich wieder bei dem katholischen Standpunkt angelangt war. Zwar, sagt Hollaz, fliesst die imago Dei nicht aus der Natur des Menschen „per se et necessario velut proprium inseparabile", aber es war doch natürlich, weil es „per creationem cum ipsa hominis natura esse coepit adeoque ipsi tum debita, tum penitissime infixa fuit et per naturalem generationem ad posteros propagari potuit". Aber die Unterscheidung ist doch nicht mehr und nicht weniger als ein Präparat ad hoc, als eine Notgeburt, die schlechterdings nicht leben kann. Natürlich und doch nicht wesentlich natürlich und doch nicht inseparabile, natürlich und doch nicht ex natura per se et necessario emanans, natürlich und doch accidenteil: das sind ja alles Verbindungen, die sich selbst aufheben. Accidenteil kann doch nur etwas sein, was nicht ex natura per se et necessario emanat, sondern zur Natur hinzukommt, also nicht natürlich ist. Es sind Rottungsversuche, die man für eine unhaltbare Sache unternimmt. Das empfindet Gerhard und macht das Zugeständnis, imaginem Dei non esse penitus amissam,
Der Sinn der Rede von dem verlornen Ebenbilde Gottes.
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Menschen aus in geradliniger Entwicklung. — Die Möglichkeit. In Wirklichkeit hatte ein solcher Status noch nicht, auch nicht vor der Sünde, bestanden; er war noch nicht durch freie That aus der gegebenen Anlage geworden; die unerlässliche Bedingung, die Unterscheidung von gut und böse, fehlte noch. Aber sie hätte gewonnen und der status integritatis erreicht werden können ohne die Sünde. Das ist der tiefe Sinn der durch die Jahrhunderte hindurch nicht verstummten Rede von dem verlornen Ebenbilde Gottes. Der Mensch hätte in geradliniger Entwicklung in Gerechtigkeit und Heiligkeit Gott ähnlich werden können. In geradliniger Entwicklung ohne Fallen und Aufstehen kann er das n u n nicht mehr. Und wenn es ihm gelungen wäre, das ganze Menschenleben würde davon die Segensspuren gezeigt und über unser Vorstellen hinaus an sich getragen haben. Daher der Traum nicht dieses oder jenes Einzelnen, sondern des Menschengeschlechtes von einem g o l d n e n Zeitalter, nicht einem, welches je wirklich existiert hat, aber wohl einem, was von ihm durch alle Zeiten hindurch hätte erreicht werden können und — nicht erreicht worden ist. Aber die Möglichkeit, es nun nach der tyrannischen Herrschaft der Sünde durch ihre Überwindung doch noch zur Gemeinschaft mit Gott zu bringen, die unaustilgbare Hoffnung des Menschengeschlechts jeder Zeit und jeder Zone immer von Neuem auf ein glücklicheres Später, auf ein goldenes Zeitalter, ist geblieben bis heute und wird bleiben bis an das Ende der Tage. Die ebenbildliche Natur des Menschen mit Gott ist durch die Sünde verderbt und verschüttet, auch vielfach in dem Bewusstsein zurückgetreten. Aber sie kann nicht verloren werden. Die Bestimmung, sie zu realisieren, in der Gemeinschaft mit Gott ihm ähnlich zu werden, bleibt das tiefste Thema der Menschheitsgeschichte und da ja doch des Gesetzes Werk in den Herzen auch der Unwiedergeborenen noch geschrieben sei; dass „tenues quaedam reliquiae imaginis divinae in mente et voluntate hominis et velut rudera pulcherrimi aedifieii" geblieben seien (II, 210). Aber es war doch auch nur ein zager Schritt zur Umkehr von einem falschen Wege. Das „pulcherrimum aedificium" ist nichts als dogmatische Erfindung, sobald es über die natürliche Ausrüstung von Gott aus, also über das Werk Gottes hinaus, im sittlichen Sinne verstanden werden soll. Die justitia originalis et sanctitas im actuell sittlichen Sinne als anerschaffenes göttliches Ebenbild ist eine Unmöglichkeit. Dasselbe beschränkt sich auf die dem Menschen naturwesentliche Fähigkeit zur Gemeinschaft mit Gott, auf sein Personsein zu Gott hin als Bestimmung. Dies gehört zum menschlichen Wesen und ist inseparabile von ihm und deshalb unverlierbar. S c h m i d t , Dogmatil! II.
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2 7 4 Das religiöse Interesse an der Frage und das reflectierende Denken.
die letzte Frage des menschlichen Lebens. Das ist der Sinn des in der Menschenbrust nie erloschenen Glaubens an das unverlorene und unverlierbare göttliche Ebenbild und die allgemein menschliche Bestimmung, es mehr und mehr zu erreichen und erreichen zu können. Das religiöse Interesse an der Frage beschränkt sich darauf, dass mit der göttlichen Schöpfung des Menschen auch seine Schöpfung zu Gott hin d. h. seine Fähigkeit zur Gemeinschaft mit Gott gegeben war, sowie dass die Sünde durch den Menschen in freier Selbstentscheidung in die Welt gekommen ist und in keinem Sinne durch Gott. Aber selbst vor diesem Interesse kann die missverständliche Deutung des Urstandes als eines status integritatis nicht bestehen, als es dann einfach unmöglich') gewesen wäre, dass der Mensch sich in freier Wahl — für die Sünde entschieden hätte. Dass er es that, bewies eben, dass er sittlich noch ganz und gar n i c h t vollkommen war. — Die Stellung des reflektierenden Denkens zu der Frage entspricht durchaus dem gewonnenen Ergebnis. Die Thatsachc der Religion als eines allgemein menschlichen Datums zwingt es zu der Annahme einer sittlich-religiösen Anlage; wenn man will, eines status integritatis der Potenz nach: während es die Annahme eines status integritatis im aktuellen Sinn als eines anerschaffenen desavouieren muss, weil dieser Gedanke sich selbst aufhebt. 3. Mit der justitia originalis verbindet schon Petrus Loinbardus 2 ) die immortalitas. Die Genesis-Darstellung wird so verstanden, dass 1) Nicht bloss psychologisch, wie Rothe I, 268 mit den Arminianern meint, sondern sogar physisch. Denn war der status anerschaffen, d. Ii. naturwesentlich, ohne dass der Mensch selbst dabei actuell frei thiitig' gewesen wäre, so lag es auch in dem Bereiche seiner Freiheit nicht, dieses Moment seiner Natur ohne diese selbst aufzugeben oder zu verlieren. 2) Sententiarum üb. II, distinetio 19. Lugdun. 1618. 98: „immortalis quodammodo, quia potuit non mori, et mortalis quodammodo, quin potuit mori. In primo statu habuit posse mori et posse non niori. Et haee fuit prima humani corporis immortalitas, sc. posse non mori. In secundo statu post peccatum habuit posse mori et non posse non mori. In tertio statu habebit posse non mori et non posse mori." L. berult sich auf Rom. 8, 6 und „Aug. super Gen.: corpus propter peccatuin mortuum est". L. versteht auch Aug. darin so. Er sage nicht mortale, denn das war Ad. schon vorher, nämlich mortale et immortale, sondern „ninrtuum". L. leitete mit Aug. das posse non mori nicht de conditione naturae, sondern de ligno vitae her (100). Nach beiden, Aug., Migne 38, 128. 1059, und Lomb. I, 8 (59), kommt von Natur die Unsterblichkeit veic nur Gott zu.
Petrus Lomb. „justitia originalis et immortalitas" ?
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der Mensch unter gewissen Bedingungen sein Leben gegen das Erlöschen sichern konnte (Gen. 2, 9. 17; 3, 17. 19. 22, vgl. Weish. 2, 23. 24). Desgleichen P. Rom. 5, 12; 6, 23; 1 Cor. 15, 21. 22 so, dass der Tod durch die Sünde in die Welt gekommen und der Tod erst der Sold der Sünde ist. Dass er 1 Cor. 15, 45. 47 den „TiQ&Tog äv&Qcojiog lAdd/i elg yw/j]v Zcöoav" geworden denkt, während „6 EA^AXOG 'Ada/u elg nvev/ua £OJIOIOVV war, steht nicht notwendig im Widerspruch mit der so verstandenen Genesis-Darstellung und Rom. 5, 12. Die rpii WXV C&oa Gen 2, 7 schliesst die Entwicklung zu pneumatischem Leben so wenig aus, dass sie vielmehr darauf angelegt ist. Dass aus dem yvxtxog 1 Cor. 15, 46 kein jivsvfianxög geworden ist, liegt an der Dazwischenkunft der Sünde. Auch der eaxatog Uda/N hatte als EV Ö/HOUÜ/MITI aagnog u/uagriag ein a&fia yjv/ixov, aber als der, den Niemand einer Stlnde zeihen konnte, der gehorsam blieb bis zum Tode, wird er der jivev/uanxög. Der psychische Zustand geht dem pneumatischen voran. Das galt in gewissem Sinne selbst von dem go%cnog nach seiner Selb8tentäussenmg und -erniedrigung Phil. 2, 7. 8. Aber der pneumatische hätte auch dem psychischen folgen können und sollen bei U
d e m
ngcÖTog
Hddfi.
Gewichtiger ist der Einwand, dass doch auch der eaxatog gestorben ist. Freilich auch auferstanden. Aber hätte denn nicht, wenn bei dem ngärog eine sündlose Entwicklung zu einer Gewähr gegen den Tod geworden wäre, diese nun bei dem Saxaxog, der die Bedingung erfüllte, eintreten müssen? Sicherlich wäre die Erwartung folgerichtig, wenn es sich lediglich um ihn gehandelt hätte. Stellt er dagegen selbst seinen Tod, noch ehe er ihn erlitt, unter Mc. 10, 45: so ist daden Gesichtspunkt eines XVXQOV ani nolltbv mit zugleich ausgesprochen, dass er ihn für sich selbst und um seinetwillen nicht hätte leiden brauchen und nicht erlitten haben würde. Freilich entsteht dann das neue Bedenken, wenn o mög xov UV&QÜ>JIOV so die Sühne für viele, nämlich die Gläubigen, in seinem Tode gebracht habe, warum auch diese ungeachtet dessen weiter sterben wie vordem. Sollte man nicht meinen, dass, wenn Gen. 2, 17 „denn welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben" auf den leiblichen Tod bezogen werden müsste 1 ), in dem 1) Vgl. dagegen „Barnabasubnef XIV, 5: „. . yioi/iäaä>i, rranafirSninvaf
tva
'Irjoov . . o; sk tovio avros (pavsig ras i/Stj deSanavtj/tsra; ij/iäv xagdias to5 ftavatro rfj n/s" rrhtt'ij^ avouht Xvrnroon/ievoi rx rov oxöiovi Sia9t/Tai sv yfitv
276 „Barnab. 8 br. Tatian. Theophil. Iren. Äthan. Hippolyt. Hilar. Aug. Luth. Sinne nämlich, dass der Mensch von da ab sterblich wurde, dann mit der wirksam vollbrachten Sühne auch die leibliche Sterblichkeit aufhören müsste? Und wenn P. 1 Cor. 15, 5 0 mit Emphase („TOVTO de q)t}fu") erklärt, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben k ö n n e n , die Pneumatisierung derselben, wie immer, doch ohne Tod erwartet werden müsste? Ganz augenscheinlich erwartet P. wirklich so etwas 1 ), ein äiiayTjoeo&cu, aber nun doch nicht der Gläubigen, für die die Sühne erbracht ist, sondern nur derer unter ihnen, die „ev t f j laxäxfj adhuyyia 1 Cor. 15, 16 noch nicht entschlafen sind. Für sie nimmt er an, „TO yrdagröv tovro evdvaaa&ai äfp&agoiav xal ro Svrjzöv TOVTO ¿vdvoacrdai a&avaaiava wo dävaxos im geistlichen Sinne gebraucht ist. Desgl. y.olXridriofl fiezä JZogevofievwv ev 6Sqi Savazov." Auch 19, 7 izayig davazov. Tatian (,Toog °EU.tjvag, Otto 60) c. 13 bestreitet, dass die Seele an sich xa&' kavitjv unsterblich sei, und lehrte, dass sie es erst werde durch dia&rjxtjv
19, 2:
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die Erkenntnis Gottes. Freilich sei sie auch nicht sterblich lur immer, sondern nur vorübergehend infolge ihrer Nichterkenntnis der Wahrheit bis zum Ende des Weltlaufs, wo sie auferstehe mit dem Leibe, um den ewigen Strafen zu verfallen, •ddvazov dia zifiwgtag ev adavaain Xa/ißärovaa. Nach Theophilus ad Autolyc. II, 27 hat Gott den Menschen von Anfang weder unsterblich — denn damit hätte er ihn zum Gott gemacht — noch sterblich geschaffen — denn dadurch wäre er Schuld des Todes — äXXa dexzixov apupoxegaw. Ringt er nach dem, was ewig ist in Erfüllung des Gottesgebotes, so wird die Unsterblichkeit sein Lohn. Dient er dem Vergänglichen wider Gottes Gebot, so wird er Schuld seines Todes. Nach Iren. adv. haer. II, 24, 3 ist der Mensch nicht von Natur unvergänglich, sondern nur fähig und bestimmt dazu. Die dazu erforderliche Freiheit bleibt ihm unverloren. Dass er suae potestatis ist, erhält ihm Gott immer. Unverbrüchlich besteht, dass er gerecht richtet die Ungehorsamen, aber weil sie „non obedierunt", und wiederum „qui obedierunt et crediderunt ei, honorentur incorruptibilitate" (IV, 15, 2). Es ist das Erbe erst der Christen, dass sie a&dvazoi werden: Ävzoe krrjv&gcöxriosv . . . iva >foeTg a&avaoiav xXtiQovo/ii'/öcofiev (Athanas. de incarnatione 54). Aber diese Unsterblichkeit ist nicht nur ein Correlatbegriff von der Gemeinschaft mit Gott, wie sie das Gottschauen einschliesst, sondern es ist sie, es ist dieses selbst. Diese" Gemeinschaft wird so innig gedacht, dass sie sogar als deonottjoii umschrieben wird. Pseudo-Hippolytus, loyog eis za ayta &eo 'Add/j. oder noch präziser Adamo peccante", also in der Frage nach der Erbsünde, gerade die Hauptsache hinter e7tovg, sie xardxQifia
—
also ist auch durch Eines Gerechtigkeit die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen gekommen — ovreo xal di' evog dixaio>¡uaxog, elg navxag av&gconovg,
slg dixaimaiv £o>rjg". Denn eis öixaicooiv
Ccoijg und eis xaraxgifia stehen parallel. Jenes darf daher zum Verständnis von diesem herangezogen werden. Nun ist die durch ivög dixaioo/narog bewirkte dixaimais £corjg keineswegs eine bedingungslose.
Abgesehen von Joh. 3 , 1 6 und der ganzen übrigen neutestamentlichen Predigt klagt Paulus selbst in den bewegendsten Worten darüber, dass sich die Mehrheit seines Volkes das Kommen des Erlösers 1) Als exegetischen Befund erkennt dies neuestens sehr bestimmt H. Holtzmann, Neutest. Theol. 1897 II, 44 8 an: „Was wirklich geschrieben steht, führt an sich nicht über die Anschauung hinaus, dass die Individuen der durch Adam in die Welt hereingedrungenen und seither allgemein herrschenden, Sündenmacht nur dadurch und daher unterlegen sind, dass Jeder auch für seine Person sündigte." 2) Auch Beyschlag 60. Dazu werde dadurch „die ganze Parallele zwischen Adam und Christus zerstört".
294
Boni. 5, 18. Die Parallele von xazdxeifia und ôixcu'wois. 5, 17.
n i c h t hat zur dixaimais Çmrjs gereichen lassen. Ja man kann es rondweg als die Stellang des Herrn und der Apostel zugleich aussprechen, dass die werbende, suchende Heilandsliebe keinen gewinnt, der sich nicht gewinnen lassen will, dass seine Gerechtigkeit für Keinen zur ôucaicoois Çcorjs wird, der sich nicht rechtfertigen lassen will. Damit erhält das eis navras âvÔQwnovç im 2. Glied von selbst die sinngemässe Beschränkung. Damit aber zugleich das parallele eis navras àvûqchnovç im ersten Glied seine entsprechend sinngemässe Beschränkung seinerseits, einfach die, welche in dem ersten Satz dieses Passus in dem „c(itv, xpevSofieüa xai ov aoiovfiev zrjv ahr/deia»", c h a r a k t e r i s i e r t d a s , S ü n -
digen, um das es sich handelt, direkt als ein aktuelles, asginazsiv. Überdem sind die Empfänger des Briefes Christen, zu bildende oder zu bewahrende Gemeinden. Ein Leben voll aktueller Sünden lag hinter ihnen; auch jetzt noch wandeln sie in der Sünde (axözei); und nun erinnert sie der Ap. daran, dass das sich nicht verträgt mit der Gemeinschaft mit Gott, dass man vor Allem sich darüber klar und seiner Sünden bewusst werden muss, damit es anders werde. Und bei dieser Erinnerung sollten die Empfänger nicht an ihre aktuellen Sünden, sondern an die Erbsünde denken? Die Zumutung werden sie sicherlich nicht erfüllt haben und nicht haben erfüllen können. 1) Eine sündige Beschaffenheit der Fleischesnatur von Haus aus bei jedem Menschen, wie schon bei Adam, eine Prädisposition auch seiner zur Sünde, so dass in seiner That das dem Fleische immanente, aber zunächst noch latente Sündenprincip sich ausgewirkt habe, gleichwie alle seine Nachkommen nur der im Fleische von Haus aus liegenden Energie der Sünde Baum geben (H. Holtzmann II, 45), ist nicht zuzugeben. Dass „allem persönlichen Sündigen ein unpersönliches, der Menschennatur immanentes Sündenprincip voraufgeht als letzter zwangsweise wirkender Grund aller in die Erscheinung tretender Thatsünden", ist eine Lösung des Problems, welcher sowohl die biblische Stellung zur Sünde durchweg als auch das religiöse Interesse widerspricht, das Gen. 3 und Rom. 5, 12 voraussetzt. Die Parallele mit „dem 2. Adam", dem „der sein persönliches Wesen constituierende „Heiligkeitsgeist" nicht etwa infolge freiwilliger Selbstbestimmung zu eigen geworden, sondern sein Besitz von Haus gewesen" sei, berechtigt nicht zu dem Schluss, dass auch „auf der entsprechenden entgegengesetzten Seite der erste Adam zur Sünde prädisponiert gewesen sein" (45) werde. Jenen „Heiligkeitsgeist" hatte sich
3 0 0 D. august. Fassung d. Erbsünde untergräbt d. Fundam. d.Heilsaneignung.
Hang necessitiert nicht zur Sünde. b e s t i m m t e Geftlhl, dass,
wo w i r
Wir behalten zeitlebens das
dem etegog
vöfios
& roiq ¡xehaiv
fjfiäjv nachgeben, wir es selbst sind, die das thun, thun wider unser besseres Wissen und Wollen; dass es also durchaus schliesslich an uns liegt, wenn wir diesem bessern Wissen und Wollen nicht gemäss handeln. Dieses „Erbe" ist ganz und gar keine Naturbestimmtheit, die uns mit gebundenen Händen zum Sündigen verurteilte. Diese im missverstandenen Interesse des Schuldbewusstseins gezogene Consequenz müsste ernst genommen Schuld und Sünde überhaupt aufheben. Denn was Naturnotwendigkeit ist, kann keine Sünde sein und nicht verschulden. Das Anderswollenkönnen ist die conditio sine qua non des Sündigens. Die Freiheit des Willens ist aber nicht minder unentbehrlich zur Erlösung, zum Sicherlösen l a s s e n ; j a selbst schon zur Erlösungsbedürftigkeit, denn auch diese setzt den lebhaften Wunsch und ernsten Willen voraus, sich erlösen zu l a s s e n . So untergräbt die augustinische Fassung der Erbsünde, dieses lediglich dogmatische Produkt, die Fundamente der christlichen Heilsaneignung, anstatt, wie sie bezweckt, sie zu stützen. Aber allerdings gäbe es keine allgemeine Sündhaftigkeit, dann bedürfte es keiner Erlösung für Alle. Ist in keinem Anderen Heil, ist auch kein andrer Name den Menschen gegeben, darinnen sie können selig werden, denn allein der Name Jesus, so setzt das voraus, dass keiner sein eigener und Anderer Heiland geworden ist, wird und zu werden vermag. Auch das letzte: nicht zu werden vermag. Auch das ist Thatsache. Die Erfahrung aller Völker und aller Zeiten bezeugt sie wie die des Einzelnen. Da ist kein Gerechter, auch nicht Einer. Und selbst, wo wir mit allem Ernst dem Guten nachstreben, geschieht es mit Fallen und Aufstehen, mit immer neuer Unterbrechung; im günstigsten Fall bleibt es die Umschrift unseres Lebens, die selbst ein Paulus als die des seinen bekennt: „Nicht dass ich es ergriffen hätte, aber ich jage ihm nach, ob ich es ergreifen möchte" (Phil. 3, 12). Immer, selbst nur annähernd an das Ziel der Vollkommenkeit, reicht der zweite Adam allerdings, so gewiss er in die menschliche Entwicklung eingetreten war, in freier Selbstbestimmung anzueignen, Phil. 2, 7. 8. Die „Antinomie" zwischen Rom. 5, 12 ff. und 1 Cor. 15, 21. 22. 45 —49, die nach Holtzmann 52 „nicht einmal scheinbar und zur Not gelöst", sondern „nur als Offenbarung des Dualismus von pharisäischen und hellenistischen Factoren begriffen" werden kann, entsteht und besteht nur, wenn Rom. 5,12 ff. in augustinischcm Sinne und der Tod als leiblicher verstanden wird.
Kahnis' Kritik der Erbsündenlehre.
Einteilung der Sünde.
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es bei Weitem nicht aus, frühere Schulden zu tilgen und Schäden auszugleichen. Und doch haben wir das bestimmte Gefühl bei alledem, dass es keine Naturbestimmtheit, Naturnotwendigkeit, Naturmacht ist, die uns daran hindert, das Ziel ganz zu erreichen. Hätten wir das Gefühl nicht, empfänden wir, dass wir durch Erbe oder Natur gehindert würden, weiter zu kommen: wir würden keinen Schritt vorwärts thun, wir würden längst den vergeblichen Versuch aufgegeben haben, wir würden nicht immer von Neuem das höchste Ziel im Auge behalten und zu erreichen suchen. Und eben dies Beides bestätigt die Schrift: die allgemeine Sündhaftigkeit und da« allgemeine Schuldgefühl, dass es so ist; das tiefe Empfinden, dass es nicht so sein sollte, und damit das sehnende Verlangen, dass es nicht so bleiben, dass es besser werden möchte, d. h. das allgemeine Bedürfen der Menschen nach Gnade; und eben so bestätigt es Erfahrung und reflektierendes Denken: Wir b e d ü r f e n der Gnade. 4. Die Einteilung der Sünde. Wenn man als die beiden Hauptarten peccatum habituale und peccatum actuale unterscheidet und unter dem ersten die Erbsünde und unter dem zweiten die Thatsünde versteht, so geht aus dem Bisherigen hervor, dass wir ein peccatum habituale als Erbsünde nicht 1 ) zugeben, sondern nur einen habitus ad peccatum und nur peccata actüalia, Thatsünden, als wirkliche Sünden einräumen: peccatum actuale est omnis actio s. exteriQr s. interior, pugnans cum lege Dei. Wenn bei der lex Dei an singula voluntatis divinae praecepta de iis, quae vel fugere vel sequi homines debent, gedacht wird: so ist wenigstens vor der Gefahr zu warnen, in einen unevangelisch atomistisch veräusserlichenden Sündenbegriff zu verfallen. Dieser Gefahr ist man bedenklich nahe gerückt, wenn die altkirchlichen Dogmatiker unterscheiden hinsichtlich des Objektes 1) Auch Kahnis, „System der lutherischen Dogmatik", weist auf „die Mängel" dieser Lehre II, 1864, 135 ff. 539 ff. hin. III, 1868, 309 sagt er: Sie „vergisst 1., dass in jedem Menschen das Ebenbild Gottes, die geistige Persönlichkeit, noch vorhanden ist (Gen. 9, 6; Jac. 3, 3)"; 2., „dass in jedem Menschen Vernunft ist, die nach Wahrheit strebt (Rom. 1,18), ein zur Sittlichkeit geneigter Geist, welcher nicht nur ein Gewissen hat (Rom. 2, 14), sondern demselben auch zustimmen und folgen kann (Rom. 2, 14. Apg. 10, 35), ein Bewusstsein von Gott (Rom. 1, 19), ja selbst das Licht des Logos (Joh. 1, 6)" (310). So urteilt er über „die augustinische Lehre von der Erbsünde, welcher Luther stets, Melanchthon wenigstens in seiner ersten Zeit huldigte, welche sich im ersten Artikel der Concordienformel ihren Ausdruck gab und der altdogmatischen Lehre von der Sünde zu Grunde liegt" (310).
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Christologie.
peccata in Deum, in proximum, in nosmet ipsos; hinsichtlich des Gesetzes pecc. commissionis et omissionis'), hinsichtlich der Art und Weise: interna et externa oder cordis, oris et operis Mt. 5, 21; propria et aliena; hinsichtlich der Schuld: voluntaría et involuntaria, ignorantiae vincibilis et invincibilis, praecipitantiae (Übereilungss.), infirmitatis (Temperamentss.); per se et per accidens; venialia et mortalia; remissibilia et irremissibilia (pecc. i n s p . s.); clamantia et muta (clamant ad Deum et tolerata a Deo). Den Status corruptionis beschreibt man als servitutis, securitatis, hypocriseos, indurationis. Selbst diese Unterscheidungen, so wenig sie auseinander zu halten sind, beweisen auch ihrerseits, dass der Mensch der Gnade so fähig wie bedürftig ist, und damit, dass auch das zweite Urteil der fides salvifica sich mit den controlierbaren Verhältnissen des wirklichen Lebens im Einklang befindet.
III. Christologie. A. Der Christus der fides salvifica. § 37. Das dritte Urteil der fides salvifica als des festen Punktes, von dem wir ausgegangen sind, lautet, dass Christus uns die Gnade erwirbt. Wer ist der Christus? Wir fragen nicht nach dem Christus der Schrift und der Geschichte unabhängig von der fides salvifica. Ob er sich mit dem der fides salvifica deckt oder nicht, gleichviel: wir fragen hier lediglich und ganz ausschliesslich nach dem, den uns das christliche Bewusstsein, wie es durch die fides salvifica bestimmt ist, und nur dieses so bestimmte bezeugt. Es bezeugt uns von Christus, dass er uns die Gnade erwirbt; die Gnade dessen, dessen verurteilenden Spruch wir im Gewissen erschütternd empfinden. Es schreibt ihm damit eine Mittlerrolle zwischen uns und dem lebendigen Gott zu. Diese Mittlerrolle entnimmt und gewinnt es aus seinem Leben und Sterben, aus seinem Gehorsam bis zum Tod; aus dem Gesamteindruck, den es von ihm hat, der gekommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen; von ihm hat von der Krippe bis zum Kreuz und darüber hinaus zum Auferstehen und Leben „zur Rechten des Vaters". Denn nur als Lebendiger 1) „Pecc. om. non est positivum quid. Pecc. com. est positivuni quid" Christian Löber f 1747, Ev. luth. Dogmatik. Neue Ausgabe von Walther 1893. 394.
Der Christus der fides s. und das reflektierende Denken.
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kann er uns die Sünden vergeben; und nur als Einer, der nicht selbst der Erlösung bedurfte, hat er eine Erlösung für Viele zu stiften vermocht; und nur weil ihn einerseits Niemand einer Sünde zeihen konnte, er selbst heilig war und ohne Fehl, der Heilige Gottes, der Sohn des Allerhöchsten, und doch andrerseits ein Mensch wie wir, versucht gleich uns, doch ohne Sünde, der Menschen-Sohn, kann er das Lamm Gottes sein, das der Welt Sünde trägt, und so die Kluft schliessen, die den Sünder von Gott trennt, wie die Gemeinschaft der Menschen mit Gott wieder herstellen, welche nach ihr verlangen und an ihn glauben. Die fides salvifica, der rechtfertigende Glaube ist recht eigentlich der Glaube an das rechtfertigende Verdienst, an das zureichende Mittleramt des Erlösers zu unsren Gunsten, der Glaube, dass, wie er nicht um gemalter Sünden gestorben ist, so auch von der Verdammnis der wirklichen Sünde erlösen kann und erlösen will, so viele ihrer sich nur von ihm erlösen lassen wollen; der Glaube an die Versöhnung und die Rechtfertigung durch ihn, den Gottmenschen. Wir prüfen diese Voraussetzungen des Glaubens an die Versöhnung und Rechtfertigung durch ihn an der Weltwirklichkeit d. h. an dem Christus der Geschichte.
B. Der Christus der fides salvifica und das reflektierende Denken. § 38.
Der Christasgedanke.
Der Gedanke der Menschwerdung des Logos im soteriologischen Interesse kann nicht eher in gewisse Aussicht genommen sein, als bis die Thatsache der allgemeinen Sündhaftigkeit eine grundsätzliche Rehabilitation des Menschengeschlechts von sich aus als innerlich unmöglich ausschliesst. Behufs dieser Rehabilitation konnte auch von Gott aus auf die via salutis, wie sie der Christusgedanke enthält, um deswillen nicht verzichtet werden, weil ein einfacher Straferlass die dazu erforderliche innere Erneuerung des Menschen nicht zur Folge gehabt haben würde. Eben daraus, dass eine Erlösung des Menschen nicht ohne dessen Willen möglich ist, erklärt es sich, dass der universelle Liebeswille Gottes vom Menschen aus zum particularen wird. Eben damit ist aber auch das Dogma der Prädestination in keinem Sinne vereinbar.
304
Der Christusgedanke.
1. Hatte der allmächtige Gott den Menschen zur Gemeinschaft mit sich bestimmt, so liess sich erwarten, dass er diesen h. Liebeswillen auch dann nicht aufgegeben haben werde, nachdem der Mensch seine eigenen Wege eingeschlagen hatte und in allgemeine Sündhaftigkeit geraten war. War nun zwar durch den SUndenfall der Protoplasten weder die Willensfreiheit des Menschen als eine Eigentümlichkeit seines Wesens verloren gegangen, noch sein Zustand überhaupt ein solcher geworden, dass ihm eine Reaktion gegen den von Adam auf seine Nachkommen in allen folgenden Generationen vererbten „natürlichen u Hang zur Sünde, „habitus ad peccatum", mit mehr oder minder Erfolg so zu sagen ä u s s e r l i c h unmöglich geworden war: so nahm doch j e länger je mehr die allgemeine Sündhaftigkeit so Uberhand und degradierte in gottgeordnet naturgemässer Folge die Willensrichtung durchweg und allgemein in dem Grade, dass eine endgültig wirksame Reaction gegen die habituell gewordene Sünde allerdings mehr und mehr i n n e r l i c h unmöglich wurde. Das will sagen; die Wahrscheinlichkeit einer Umkehr und vollends einer grundsätzlichen Rehabilitation des Menschengeschlechtes von sich aus d. h. immer mit den ihm von Gott gegebenen Mitteln und Kräften, Anlagen und Fähigkeiten von Natur wurde psychologisch, wurde innerlich gleich Null. Eine Illustration dieser innern Unfähigkeit zur Umkehr in einem späteren geschichtlichen Einzelkreise bietet das zeitgenössische Geschlecht des Erlösers in Jerusalem. Als die Stadt in ihrer stumpfen Vielgeschäftigkeit, ohne zu bedenken, was zu ihrem Frieden diente, vor ihm lag: da sah er bereits im Geiste das über sie heraufziehende Gericht. Noch ging mancher Tag hin, ehe es wirklich über sie hereinbrach. Aber es war schon jetzt innerlich unvermeidlich. Innerlich, nicht äusserlich. Der Schacher bekehrt sich noch in der 12. Stunde. Israel hätte es noch unter dem Kreuze gekonnt, d. h. es hätte noch keine Fehlbitte gethan, wenn es dazu innerlich im Stande gewesen wäre. Gottes Herz bleibt immer offen, aber der Mensch kann dahin kommen, dass es ihm innerlich unmöglich wird, sich an dasselbe zu wenden. Und das und da ist der Wendepunkt. Für den, der innerlich an diesen Wendepunkt gekommen ist, bleibt es unbemerkt. Vor seinen Augen ist er verborgen. Aber nicht vor dem dessen, der ins Verborgene sieht. Dort vor Jerusalem nicht, ungeachtet der stolzen Sicherheit, in der es seinen Ge-
D. als Erbsünde geschild. Zustand wird vielmehr v. uns selbst verschuldet. 305
Schäften nachging, „ass und trank, pflanzte und baute, freite und sich freien Hess." So war es vor Zeiten nach den Berichten der Bibel in den Tagen Noahs und in denen Lots. Diese f o r t s c h r e i t e n d e W i l l e n s v e r k e h r u n g kann einen Grad der Verderbnis zur Folge haben, der dem von Augustin und seinen Anhängern geschilderten, aus der Erbsünde hergeleiteten status corruptionis n i c h t s nachgiebt. Die stärksten Ausdrucke finden da ihre berechtigte Anwendung. Wenn es in der Apol. Conf. I, 14 von dem peccatum originis heisst, das seien die Krankheiten, die es berge, ignoratio Dei, contemptusDei, vacare meto Dei et fiducia erga Deum, non posse diligere Deum: das Alles bringt der verkehrte Wille nach nnd nach zuwege. Es verliert sich das Verständnis für Gott, and man kommt so weit, dass man Gott nicht mehr lieben k a n n . Wenn die Form. Conc. Sol. decl. I, 25 erklärt, dass die natura corrnpta ex se et suis viribus, in rebus spiritualibas et divinis nihil boni et ne minimum quidern, utpote ullas bonas cogitationes habeat; j a dass sie ex se et viribus suis coram Deo n i h i l a l i u d nisi p e c c a r e possit: der gottabgewendete Wille kann dahin kommen. Die scheinbar extremste Sprache wird unter seinem Banne zur Wahrheit und Wirklichkeit. Dass das Herz duro lapidi, rudi trunco, ferae indomitae vergleichbar wird (II, 19); dass „homo ad bonnm prorsus corruptus et mortuus sit, ita ut . . ne scintillula quidem spiritualium virium reliqua manserit" (II, 7): es trifft verbotenus zu in dem Stadium der verkehrten Willensrichtung, in dem ihm nicht mehr zu helfen ist, weil eine Umkehr zur psychologisch innerlichen Unmöglichkeit geworden ist. Aber das Alles ist eben nicht sowohl Erbsünde, nicht sowohl ererbte Schuld, auch nicht einmal ererbter Zustand, „status corruptionis" von Adam her, als vielmehr eigene, selbst contrahierte, selbst erworbene Schuld, selbst verschuldeter Zustand, die Willensrichtung und -Verfassung, wie sie die gottgeordnet naturgemässe Folge fortgesetzter Thatstinde ist. Es ist der Fluch der bösen That, dass sie fortzeugend Böses muss gebären, dass sie die Sinne verwirrt und denVerstand verfinstert. Das ist biblisch exod. 4, 21; 14, 17; Jes. 6, 10; 63, 17; Sacharj. 7, 11; Mt. 13, 15; Joh. 12, 40; Apg. 28, 27; Rom. 1, 22 ff.; 2, 5; 9, 18; 11, 7; Hebr. 3, 13, und das ist begreiflich und immer wieder controlierbar. 2. Dass der h. Gott von Anfang den Liebesgedanken gehegt lind den Liebesratschluss gefasst hat, den Menschen zur G e m e i n s c h a f t m i t s i c h und damit zur Seligkeit zu erziehen, ist unbedenklich und unanfechtbar gewiss. Dass er aber gleichfalls von S c h m i d t , Dogmutik II.
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306 D. Christusgedanke erst post laps. schliesst d.Ewigk.d. Logos nicht aus.
Anfang an oder sogar von Ewigkeit her beschlossen haben sollte, die Welt durch Christus zu erlösen, diese Annahme wird dadurch erschwert, dass er dann die Sünde vorausgewusst haben müsste und diese dadurch nicht mehr als ein Akt der menschlichen Willensfreiheit behauptet und damit überhaupt nicht mehr als Gegenstand der Verantwortung und Zurechnung, als Sünde, zugegeben werden könnte. Aber war denn nicht Christus von Anfang und von Ewigkeit bei Gott? Sicherlich ist das die Schriftlehre (Job. 1, 1) und die Lehre der Kirche: es gab keine Zeit, wo er nicht war. Aber wenn ihn Joh. 1, 3 das Wort, ohne das nichts gemacht ist, was gemacht ist, Apc. 3, 14 den Anfang der Schöpfung nennt, und sich damit deckt, was Prov. 3, 19 von der Weisheit, die Gott hatte, ehe die Welt war 8, 22, und Sap. 9, 1 von dem Schöpfungswort aussagt: so wird mit seiner Existenz von jeher — die Vorstellung einer vermittelnden Wirksamkeit, einer Vermittelung der göttlichen Thätigkeit von Anfang an und durchweg, auch mit Bezug auf das religiössittliche Wesen des Menschen Joh. 1, 4 verbunden, die den Erlösungsd. h. den Christusgedanken im prägnanten Sinne n o c h n i c h t notwendig einschliesst, vielmehr noch ganz ausser Berücksichtigung lässt. Dieser Gedanke kann also immerhin späterer Herkunft sein, ohne dass damit auch die Existenz des Logos von Ewigkeit her in Frage gestellt würde. Dass der Gedanke der Menschwerdung des Logos im soteriologischen Interesse, gleichviel ob er von vornherein als eine eventuelle Möglichkeit mit berücksichtigt worden ist oder nicht, e r s t n a c h der wirklichen Entscheidung des Menschen, also erst post lapsum, in g e w i s s e Aussicht genommen worden ist, collidicrt danach weder mit der Praeexistenz des Logos von Ewigkeit her, noch ist es in der Consequenz des Sündenbegriffes als Postulat zu vermeiden. Die in diesem Gedanken zu Tage tretende bencvoleutia Dei erga omnes homines in damnationis reatum prolapsos (König); gratia div., qua Deus, spectata communis hominum lapsorum miseria, permotus est (Hollaz 586); %aQiq Eph. 1, 7; 2, 7; ekeos Tit. 3, 5; E p h . 2, 4 ; äyänr) Joh. 3, 1 6 ; onotovvu ist deutlich nicht sowohl von der Geburt des Erlösers, als vielmehr von ihm als Auferstandenen die Rede. Denn bis dahin w a r er EV ojuoiu>fi,ari aaoy.oz otjuagring und hatte ein
ow/ta
yw%ix6v. Dass der Mensch von Haus aus dazu bestimmt war, nicht sowohl eine yv/jj fwoa zu bleiben, als vielmehr ein nvEvna.Tiv.6v zu werden, lehrt der Apostel ausdrücklich im unmittelbaren Anschluss an die citierten Worte. Ob er dazu der Vermittlung des Menschensohnes bedurft hätte, wenn die Sünde ihn nicht überniocht hätte, darüber giebt die Stelle keine Auskunft. Sie spricht davon, wie es unter den thatsächlichen Verhältnissen ist, nicht wie es unter anderen hätte werden können 1 ). liberaremur, quam per solam Dei voiuntatem. 1 ' Summa totius theologiao III, 1, 3: „Cum in Scriptlira s. ubique incarnationis ratio ox peccato primi hominis assignetur, convenientius dicitur incarnationis opus ordiliatum esse in remedium contra peccatuin, ita quod peccato non existente incarnatio non fuisset: quam vis potentia Dei ad hoc non limitetur; potuisset enim etiam peccato non existente Deus incarnari." 1) Ob Irenäus der Ansicht gehuldigt habe, ist disputabel. Neben Äusserungen, welche ihr günstig lauten, wie Adv. haereses III, 19, 6: ovx av ijdvvtföt] fierao/eTv zijs aydagoias, vKai ei [¿i] 0vvrjvcü{hj o av&QWxos zro tSst yäg fieaittjv fteov re xai av9(jwjio)v, dia zrjg idias n¡¿os exuzegovs oly.eiözrjzc
Irenaeus.
Rupert von Deutz. Duns Scotus. Andr. Oslander.
323
Richtig ist, dass die göttliche Weltidee den Gedanken der Weltvollendung bereits von Anfang an birgt. Es ist unmöglich anzunehmen, dass in der göttlichen Intelligenz die Idee der Welt als eines Torso, anders auftaucht, als mit dem Ausblick auf eine schliessliche Vollendung. Richtig ist, dass diese Idee der Vollendung gar keine andre sein kann, als die der vollendeten Gemeinschaft des Menschen mit eis cpiMav xai ouövoiav inv; äfiipoxegovs ovvayayeTv, xai &ec3 fib> TtaQaaxijaai xov äv&gcoxov, äv&oüsioii de yvwoiaai xov &eov" Wigan Harvey-Ausg. 1857, 100; oder IV, 52, 1 (259): „Äraxgivei de xai xovs 'Hßiwvovs' ji&s dvvavzat oco&ijvai, ei ¡irj o &eoi ijy o xrjv awxrjgiav avxwv hii yijs egyaaa/uvos', rj jicbs av&gcojiog Xtogrjoei eis &eov, ei fit) O üeos ejrw/fj annahm. Indem indes Athanasius gelegentlich, auch in der Controverse mit Arius, anerkennt, dass odgf nach dem biblischen Sprachgebrauch auch Mensch bedeute, und damit das Verständnis nicht ausschliesst, dass der persönliche Logos sich in diesem Sinne die odg£ angeeignet habe Job. 1, 14: kommt er der Vermutung entgegen, dass schon ihm weniger die Frage nach dem Wie des Zumal beider Naturen als das Dass des wahrhaftigen Gottes- und Menschensohnes am Herzen lag. Selbst der Ausdruck „piav qpvatv rov deov Xöyov oeoaQxcojuevtjv
xal
nqooxvvov
[xevrjv
/uera
zrjg
oagxog
avzov
fxiq
jiQog-
xwrjOEi.'1 in dem ihm zugeschriebenen, aber schon in der alten Kirche 1) von dem der Ausdruck Svo jiivoy avxov &eAt]fia •&ea>&ev ovx avfloedij" (173). 4) H a r n a c k , Dogrn. 2 II, 405.
340
Die Eilhypostasie wird der menschlicheu Natur nicht gerecht.
logiseben Schriften gegen die monophysitischen Severianer mit ihrer Formel (da qpvate ovv&etog, weiter gearbeitet, und der sehr von ihm abhängige, auf der Tradition fussende Johannes von Damascus hat die dogmatische Entwicklung über diesen Funkt zu einem gewissen Abschluss gebracht. In seiner „exdoois axgißtjg jtiozecog ÓQ&odáÜov", besonders im 3. Buche'), sowie in „De Dialéctica sive Lógica" c. 41 *) ff.; 65 ff., aber auch in Einzelschriften, wie negl ovv&hov (pvaeoig xazá 'Axejzcj>ffedg"ist ihm geläufig. 2) Vgl. mein Buch: „Der alte Glaube u. die Wahrheit d. Christentums", Berl. 1891, u. meine „Bemerkungen . . Synode Arnswalde", Berl. 1892. 3) Ad. Harnack, Dogmengesch. 2 I, 57, 3. Aufl. I, 95. Analog schon Klein, „Darstellung des dogm. Systems" 1822. Desgl. Jul. Kaftan, Dogmatik 443: „Ursprünglich dient diese Erzählung dazu, die Erfüllung der alttest. Weissagung (Jes. 7, 14, aber nach einem geschichtlich nicht zu rechtfertigenden Verständnis) an Jesus nachzuweisen." Auch nach H. Holtzmann, Lehrb. der neut. Theol. 1897. I, 412: „ist jungfr. Geburt sogar sicher wenigstens Mt. 1, 22. 23 aus Jes. 7, 14 erschlossen worden." _ D i e diesem Schluss zu Gründe liegende Thatsache ist die annähernde Über-
Die übernatürl. Herkunft Jesu.
Mt. 1, 18—22.
Jes. 7,14.
347
These nicht günstig. Nach dem Bericht über 'Irjaov XQIOTOV I)j yevvrjats und der Hervorhebung der entscheidenden Momente Mt. 1, 18 und 20. 21 heisst es v. 22: Tovxo de okov yeyovev, Iva jiktjgü)df] y.zL (Jes. 7, 14). Das Verhältnis ist demnach so, dass von der vollendeten Thatsache aus ein Licht auf Jes. 7, 14 fällt, dass der Berichterstatter im Lichte des Sachverhaltes, den er zu erzählen hat, Jes. 7, 14 versteht und deutet. Das Verhältnis ist also das grade umgekehrte, als wie es die These fordert: nicht aus Jes. 7, 14 stammt und erwächst der Glaube, dass Jesus von einer Jungfrau geboren sei, sondern aus dieser Glaubensthatsache erwächst die Deutung von Jes. 7, 14. Nicht minder ungünstig ist Jes. 7, 14 der These. Der dort gebrauchte Ausdruck n a i s heisst allerdings Jungfrau und wird immer x ) von dem unverheirateten, aber mannbaren Mädchen gebraucht Gen. 24, 43; Exod. 2, 8; Ps. 68, 26; Hohesl. 1, 3; 6, 8; Prov. 20, 19. Gleichwohl liegt in den Worten: „Darum wird der Herr euch selbst ein Zeichen geben. Siehe die Jungfrau! Schwanger wird sie und gebieret einen Sohn und nennet seinen Namen Immanuel" noch nicht, dass sie eine schwangere und gebärende werden solle ohne Verbindung mit einem Mann. „Dass sich der Begriff der unverletzten Keuschheit in diesem Zusammenhange von selbst verstehe", so argumentiert Hengstenberg, Christologie des a. T. I, 72, vom Standpunkt des n. T., von Mt. 1, 23 aus rückschliessend. Aber, was die These braucht, wäre doch eine Deutung oder ein Verständnis der Stelle nicht von Mt. 1, 23 aus, sondern auf Mt. 1, 23 hin; und dazu bietet Jes. 7, 14 die erforderliche Handhabe nicht. Es handelt sich um ein Wahrzeichen ni« v. 11 und 14, welches den Propheten dem König Abas gegenüber als einen Gotteinstimmung dieser Mt.-Verse mit Jes. 7, 14 imLXX-Text: Jdov tj xag&svos sv yctoTQL XqyicTcu, f j ze^etai
viov,
xai xaXeaets
ro ovofia avrov
3
En/J.avovtfX.u
Von
dem Glauben an die jungfräuliche Geburt Jesu aus Hess sich der Text auf sie deuten, aber nicht von ihm sie erschliessen. Weder führte auch die LXX-Ubersetzung „xaß&evog hjysTai" zu dem Gedanken, dass die xag&ivos vor der Empfängnis es auch nach derselben bleiben und als Jungfrau gebären werde, noch gestattet der Zusammenhang, die Stelle messianisch zu verstehen. Liess sie sich aber von Haus aus, auch in der Ubersetzung, gar nicht messianisch verstehen — Immanuel nicht selbst Messias, sondern Inbegriff der die assyrische Not Überstehenden, Knobel, Com. 4 70; Dillmann 529 —, so war es psychologisch ausgeschlossen, von ihr aus einen Zug für das Messiasbild zu erschliessen. Vielmehr messianisch gedeutet wurde sie erst und nur von dem Glauben an die übernatürliche Herkunft Jesu, der in der „mg&evos" einen Hinweis auf die Maria finden konnte, aber eben nur er. 1) Gegen P. R. „Geboren von der Jungfrau" 1894. 22. Nach H. Holtzmann 1, 410 ist der Verf. Paul Kohrbach.
3 4 8 D- Gedanke ist d. Judentum fremd. V. heidn. Myth. ist d. Christenh. frei.
gesandten legitimieren soll. Die Verheissung eines erst in der Znknnft eintretenden Ereignisses, wie die Geburt des Messias von einer Jungfrau, hätte die beabsichtigte Wirkung auf den ungläubigen König kaum ausüben können. Lediglich historisch liegt es näher, die dem Ahas zum Zeichen gesetzte Jungfrau in der Umgebung des Propheten zu suchen. Hitzig denkt an sein Weib, Gesenius an seine Verlobte. Keine von beiden Angaben lässt sich begründen. Aus c. 8, 8 lässt sich nicht mit Hitzig schliessen, dass Jesaias seinen Sohn Immanuel genannt habe. Sondern der Blick des Propheten fallt auf eine herangereifte Jungfrau: „Siehe die Jungfrau!" Die dient ihm zum Symbol, in ihr erschaut er das trostreiche Sinnbild der Zukunft. Die noch Vereinsamte, die noch von keinem Manne weiss, es wird nicht fttrder so bleiben, sie wird ihn finden und Mutter werden: „Gott mit uns" wird sie ihren Sohn heissen. Vom historischen Standpunkt kommt man nicht weiter. Aber nachdem der von einer Jungfrau geboren ist Mt. 1, 18, in dessen Namen die auf Erlösung harrende Menschheit den Trost finden sollte: „Gott mit uns!": da erkennt das rückschauende Ange in der nur? Jes. 7, 14 einen Typus der Maria im Sinne von Mt. 1, 23: eine typische Prophetie. Heisst das „annehmen, dass sich hier eine missverstaudene Weissagung erfüllt habe" (Harnaek, Dogm. 3 I, 96)? Es heisst, ein prophetisches Wort der Vergangenheit im Lichte der Gegenwart in einem Sinne deuten, den erst dieses erschloss und in dem es weder ursprünglich gemeint noch verstanden worden war noch werden konnte. Ein Missverständnis in dieser Richtung schloss die historische Situation von Jes. 7, 14 aus. Und eben deshalb konnte die Notiz nicht zur Bildung des Glaubens führen, aber dieser allerdings in ihr einen Ausdruck finden. Ist aber diese „so naheliegende und vollkommene Erklärung" (96) aus Jes. 7, 14 unmöglich, so steht keine andre zur Verfügung. „Der Vermutung Useners, die Vorstellung von der Jungfrauengeburt sei ein heidnischer Mythus, der von den Christen recipiert worden ist, widerspricht" nach Harnacks (96) directem Urteil „die ganze älteste Traditionsbildung der Christenheit, die von heidnischen Mythen frei ist." Allerdings macht er dabei die Clausel: „sofern dieselben nicht etwa schon von Juden in weiten Kreisen recipiert waren (so vor Allem gewisse babylonische und gnostische Mythen)", erklärt aber ausdrücklich, dass dies „bei jener Vorstellung nicht nachweisbar" sei (96). Vgl. dagegen Strauss II, 87, der „diese Vorstellung ursprünglich ganz nahe den griechischen
Paulus: Gal. 4,4.
Rom. 8, 3.
Col. 1, 15. 16.
Phil. 2, 6.
349
Mythen von Göttersöhnen" stellt, und Joh. Hillmann, „Nachweis, dass die Idee der übernatürlichen Geburt heidenchristlichen Ursprungs ist" Jahrb. für prot. Theol. 1891. 231 ff. Sein Facit lautet: „Wir sehen, dem Judentum ist der Gedanke der übernatürlichen Geburt des Messias durchaus fremd" (243). Das ergiebt: Weder ist er ein natürliches Produkt des Judentums (Hillmann), noch des Heidentums (Harnack). Er datiert mit den Grundzügen der Christologie und der evangelischen Geschichte aus dem ersten Menschenalter der Kirche (Harnack, Theol. Liter.-Zeit. 1889. 204). Also wo ist er her? Aus Jes. 7, 14? Die Vermutung ist nicht nur sachlich bezw. textlich, sondern auch geschichtlich ausgeschlossen: kein einziges Beispiel für solche Deutung ans jener Zeit ist bisher erbracht worden (Hillmann 245). ß) Dass der Glaube an die Geburt von einer Jungfrau bei Paulus nicht nachweisbar ist (Harnack 2 87. 3 95), muss dem Wortlaute nach zugegeben werden 1 ). Eine direkte und ausdrückliche Erwähnung derselben fehlt. Der Ausdruck Gal. 4, 4 yevofievov ix yvvaixog enthält keine Hindeutung darauf. Er dient nur dem Interesse, die Wirklichkeit der Menschwerdung deutlich zu inachen. Aber die Verbindung desselben mit dem bezeichnenden iganeozedev o &eog bezeugt doch sachlich nichts wesentlich Anderes, als was in der Geburt von einer Jungfrau liegt. Dem heilsgeschichtlichen Interesse, welches der Glaube an dieser Tbatsache nimmt, wird durch die zugleich göttliche und menschliche Herkunft präcise und vollauf genügt. Denn das e^aneazede nur im Sinne einer Aussendung in die Berufswirksamkeit zu nehmen, verbieten die damit verbundenen Participia, welche, wenn es sich nicht um eine Sendung in die Welt, um eine Sendung aus einer früheren Existenzweise in eine neue und zwar aus einer handelte, zu der das vom Weibe geboren und dem Gesetz unterworfen Sein nicht gehörte, keinen Sinn hätte *). Nimmt man das Nebeneinander von rov vlov avzov yevofievov ex yvvaixög dazu: so wird sachlich damit dasselbe bezeugt, was der Mt.-Bericht so ausdrückt: „To yäg ev avzfj yevvt]&ev ix üvevjuaTog
lozw 'Ayiov"
A u c h R ö m . 8, 3 :
I, 20.
„o &eog zöv
eavzov vlöv nefxipag ev 6/noico-
fian oaQxb? ä/uagtiag" lässt sich nur von einer Sendung in diesem 1) Nicht aber der Schluss Kaftans (382), „dass Paulus nichts davon weiss", 2) Joh. Damasc. de fide orthodoxa lib. III, 12, Venetiis 1748. 223, versteht Gal. 4, 4 so: ex yvvaixos, oix um Sia yvvaixos' eor/fiaive ovv o deTos d.To'oroAoi, cu» avzv; iany o ftoroycri/i vtui rov dcov y.ai deog.
350 rewrifia xov
XOLZQOS
wie das Licht von der Sonne erzeugt wird (Athanasius).
Sinne verstehen 1 ). In den Gefangenschaftsbriefen gestattet Col. 1, 15. 16, wo die direkte Antwort gegenüber den colossischen Irrlehren über die specifische Würde des Herrn lautet: „ngmr&ioxog näotjs xtioecog", und Phil. 2, 6 über die Herkunft des Erlösers nach paulinischer Lehre keinen Zweifel. Danach Iässt sich die Anerkennung sowohl der metaphysischen Gottessohnschaft Christi (. . . r o x o c ) als auch seiner zeitlichen Priorität vor jeglichem Geschaffenen (JIQOJXO . . .) und damit implicite sachlich desselben Gedankens, welcher in der Geburt von einer Jungfrau zum Ausdruck kommt 2 ) und die heilsgeschichtliche Bedeutung dieses Umstandes erschöpfend und ohne Rest ausmacht, auf keine Weise umgehen oder wegdeuten. Beide Gedanken schliessen sich nicht sowohl „natürlich aus" (Harnack 3 I, 101) als vielmehr ein. Es ist der realpräexistente Logos, von dem Joh. 1, 14 berichtet: „oagf eyevero". Der Begriff der „Menschwerdung" ist die Synthese von beiden Gedanken, der realen Präexistenz dessen, der Mensch wird. Jede Vorstellung in der Richtung der „Formel vom Myog — xriofia" (II, 23) hat Athanasius als eine heidnische perhorresciert. Eine ,,wunderbare Entstehung Christi in der Jungfrau durch den h. Geist" (I, 100) mit A u s s c h l u s s der realen Präexistenz würde durchaus in dieser Linie liegen, rbv^fia rov 1) Vgl. dazu aus den 4 grossen Lehrbriefen noch 1 Cor. 8, 6; 10, 4; 15, 47; 2 Cor. 8, 9. Dass mit der Herkunft ¿1 ovgavov sachlich dasselbe ausgesagt ist, wie damit, dass er vor seinem geschichtlichen Auftreten „in göttlicher Gestalt" Phil. 2, 6 war, erkennt H. Holtzmann II, 85, lind „dass die Worte «f ovgavov auf eine himmlische Abkunft, also auf Präexistenz gehen", auch Beyschlag II 2 , 77 unumwunden an. 2) P. R. „Geboren von der Jungfrau Maria" 1894. 11 beruft sich
a u f R o m . 1, 3 :
„negt xov viov
Aaveid xaxä oaßxa"
avxov
(sc. 0eov)
xov yevofievov
ex
oxeg/xaxo;
u n d erklärt (vgl. ü b r i g e n s Beyschlag I I 2 , 40. 68):
„Diese Stelle spricht es aus, dass Paulus die jungfräuliche Geburt nicht kennt, denn da er Jesus für den Nachkommen Davids nach dem Fleisch erklärt, Maria aber nicht von David stammt, so hält er offenbar Joseph für den Vater Jesu". Indessen woher weiss P. R., dass Maria nicht von David stammt? Dass Lc. 1, 27 die Beziehung der Worte „¿f oixov Aaveid" auf Maria „möglich" ist, leugnet er selbst nicht. Nur mache es „der griechische Text wahrscheinlich, dass nicht von Maria, sondern von Joseph das ,aus dem Hause Davids' gesagt ist" (11). Sein Satz: „Nirgends ist gesagt, dass Maria aus dem Geschlechte Davids war" wird also schon dadurch als apodiktischer mindestens disputabel. Wie sollte aber Lc. 1, 32 verglichen mit Lc. 1, 34 und Lc. 1, 69 möglich sein, wenn Marias Herkunft aus dem Geschlechte Davids nicht die Voraussetzung bildete? Was hätte es für einen Sinn, dass ihr verheissen würde, ihr Sohn werde den Thron seines Vaters David erhalten, wenn sie keine Davidstochter wäre? Und doch spielt diese schlechterdings unerweisbare Behauptung, Maria sei nicht aus dem Hause David, eine entscheidende Rolle in der Polemik P. R.'s. Vgl. auch die von Johannes Hillmann, „Die Kindheitsgeschichte Jesu nach Lc." Jahrb. f. prot. Theol. 1891. 214 ff.
Das Fehlen des Berichtes bei Mc.
351
naxQÖg, lehrt Athanasius, ist Christus nicht auf menschliche Weise erzeugt, wie wenn Gott körperlich wäre, sondern erzeugt, wie die Sonne das Licht und die Quelle den Bach erzeugt (II, 207) Man kann dies Geheimnis nicht analysieren, ohne es zu zerpflücken. Es bleibt ihm gegenüber nur möglich: „Beuge deine Kniee und bete an." Und eben das und nur das ist schriftgemäss. y) Aber warum berichtet dann das Mc.-Ev. nichts davon? Papias, Bischof von Hierapolis in Phrygien, Verfasser eines fünfbändigen, nur in wenigen Fragmenten 2 ) erhaltenen Werkes: Aoytmv xvgiaxwv efyyrjoeis, in dessen Vorrede er sich auf mündliche Nachricht von Aposteln und Herrnjüngern beruft und den Wert des lebendigen Wortes — feuere ngosd>nu> zov Qeov VJICQ ^fidüv."
380
Interessio.
schehen ist und wirksam bleibt, wer sich nur innerlich von ihr bestimmen lässt, nicht eigentlich motiviert; erweckt vielmehr wieder den Verdacht, als ob es sich dabei um ein Umstimmen, ein Überwinden des nicht von vorn herein gleich bereiten Vaters handle; während doch der Erlöser selbst für seinen Wandel auf Erden „Ich und der Vater sind Eins" in Anspruch nimmt und vollends seine Willenseinheit mit dem Vater, auf die es in dieser Frage lediglich ankommt, über allen Zweifel ist. Der Titel ist in polemischem Interesse entstanden. Darüber lässt Conf. Aug., wo unter I X De invocatione Sanctorum die Sache 21 und 3 1 zur Sprache kommt, keinen Zweifel. Die Gegner, heisst es, befehlen, die Heiligen anzurufen, während Christus uns befohlen habe, zu ihm zu kommen und nicht zu den Heiligen. Analog 3 1 1 ) . Übrigens erkennt die Apologie I I I de dilectione et impletione legis 4 4 die biblische Begründung des Titels mit Berufung auf Röin. 8, 3 4 a n 2 ) und betont das bezeichnend unsrer Schwachheit gegenüber. 4. Der König. Das munns regium hat die Aufgabe, alles im Himmel und auf Erden zu regieren und zumal seine Kirche gegen die Feinde zu schützen, und wird dem entsprechend als ein Machtreich, welches die rerum universitas, als ein Gnadenreich, welches die streitende Kirche, und als ein Himmelreich (regn. gloriae), welches die im Himmel triumphierende Kirche betrifft, unterschieden. Diese Unterscheidung stösst indessen auf gewichtige Bedenken. Joh. 18, 36 vfj ßaaileia lut] ovx eanv ex rov xôa/nov TOVTOV'1 kann dem Contexte und dem Wortlaute nach nicht wohl anders verstanden werden, als dass der Herr damit den politischen zunächst, aber dann auch zugleich den diesseitigen Charakter seines Reiches dem Princip nach ausschliesst. E s kann daher mit dem bestehenden Weltreich der Römer seinem Charakter nach nicht in Collision kommen, worin der Ausspruch als Antwort den) Pilatus gegenüber zunächst seine Spitze hat. Mt. 6, 10 „èkftézw fj ßaadeia aovu kann der geistige Charakter eben so wenig bezweifelt werden. Auch L c . 22, 2 5 : nol ßaoiXetg xä>v èlhcbv xvgievovaiv avTCÜVu . . . ^v/neïç ôk ov% ovtcoç" lässt sich in diesem Sinn verwerten. L c . 10, 2 2 „ndvra 1) „Seimus, iiduciam in Christi intercessionem collocandam esse. Nec est confidendum, quod justi reputemur meritis beatae Virginis aut aliorura Sanctorum." 2) „Statuendum, nos propter Christum justos reputari, qui sedet ad dextram Patris et perpetuo interpellât pro nobis."
Munus regium.
381
nagedoih] fioi vno xov naxQog /uovu kann in dem Zusammenhange, in dem es steht, nicht füglich darüber hinaus gedeutet werden. Auch 1 Cor. 15, 24 ff. kommt durchaus zu seinem Recht, wenn die dort genannte Herrschaft, ihre Mittel und Wege, näaav äo%rjv xazagysiv, alle widergöttliche Macht zu überwinden, geistig verstanden wird. Und selbst Mt. 28, 19: „'Edödrj ¡xoi näaa ei-ovoia h ovQavcp xal bd yt]gu kommt zwar „das munus regium Christi ohne Beschränkung" (Meyer) zum Ausdruck, aber doch eben Christi im Interesse und zum Zweck seiner Mission und des ihm eigentümlichen Berufes. Ein Machtreich in einem äusserlichen Sinne, Gewaltmittel und Gewaltzwecke, können auch damit nicht angedeutet sein. Wie es hier auf Erden nicht und nie seine Weise war, anderswie als dnrch geistige Mittel zu wirken, als durch den Einfluss auf die Herzen sein Reich zu begründen, als durch den Willen derer, die seine Genossen wurden: so bringt es die Natur dieses Reiches mit sich, dass es auf keine andere als auf geistige Weise auf allen seinen Entwicklungsstufen gefördert und sogar erhalten werden kann. Freilich werden äussere Machtmittel auch nie im Stande sein — Mt. 16,18: „xai nvlai ädov ov xazia^vaovaiv avrijsu —, diesem geistigen Einfluss dauernd den Weg zu verlegen und den Prozess zu hindern. Und eben das ist der Sinn, wenn das munus regium Christi über den Schutz der Kirche hinaus behauptet wird. Dieser Schutz soll sicher gestellt werden. Darauf, dass der Herr die Macht hat, diesen Schutz a l l e n Gewaltmitteln gegenüber zu gewähren, ist sein gubernare omnia in coelo et terra, sein „regnum potentiae s. naturae" zu beschränken. Andrerseits liegt in dem Glauben das nicht hoch genug anzuschlagende Vertrauen, dass wir im Dienste der Kirche nur mit unsrem Herrn, dem Träger des munus regium, stehen und fallen, dass wir nicht Menschenknechte sind, sondern allein die Rücksicht auf ihn uns verbindet und ihm gegenüber uns alle Macht der Erde und die Pforten der Hölle seiner Kirche nichts anhaben können. Nur dass sie die seine bleibe und ihn allein anerkenne als ihren Herrn. § 42.
Der doppelte Stand Christi.
Das menschliche Leben des Gottessohnes erscheint unter dem Gesichtspunkt der Erniedrigung, der die Erhöhung nach der Vollendung seines Lebenswerkes folgt. Das Dass bekennt die Schrift; in eine Erörterung der Frage nach dem Wie des
Der doppelte Stand Christi.
382
Verhältnisses der göttlichen und der menschlichen Natur, es sei im Stande der Erniedrigung oder in dem der Erhöhung, tritt sie nicht ein. 1. Die h. Schrift beschränkt sich so wenig auf den historischen Christus, dass sie ihm sowohl eine Vorgeschichte als auch eine Nachgeschichte ausdrücklich zuschreibt. Fasst sie seine Menschwerdung als einen Akt der Selbsterniedrigung1): so geht derselben eine Vergangenheit „h> fiogqtjj fteov" voran, und es folgt ihr ein Zustand der Erhöhung 2 ). In ähnlichem Sinne oder doch unter der Voraussetzung einer Selbstentsagung ermahnt P. 2 Cor. 8, 9 die Corinther 3 ). Auf die Erhöhung, den Hohenpriester im Himmel, beruft sich der Hebr.-Br. 8, l 4 ). Beide Zustände liegen in dem Gedankenkreise des Herrn im hohenpriesterlichen Gebet: Joh. 17, 5 5 ). Der Herrlichkeit vor der Menschwerdung soll die Herrlichkeit nach dem vollendeten Werke auf Erden folgen. Die Thatsache von beiden Zuständen bekennt die Schrift also unumwunden. Noch mehr: sie setzt sie voraus. Sie trägt sie nicht erst in lehrhaftem Tone vor, sondern sie steht ihr fest; sie gilt ihr als bekannt, als unbestritten, als selbstverständlich, denn sie knüpft ihre Mahnungen daran an oder motiviert sie damit, und der joh. Christus betet von der Herrlichkeit der Vergangenheit aus um die Herrlichkeit der Zukunft und umspannt so in dem einen Vers seine Vorgeschichte, seine Geschichte und seine Nachgeschichte Über diese schlichte Betonung des „Dass", an dem dem Glauben allein gelegen sein kann, geht die Concordienformel hinaus, wenn sie p. II Deel. VIII, 25 in die Frage eintritt, wie sich diese göttliche Herrlichkeit von vorher während des Erdenwandels des Erlösers zu der menschlichen Natur verhalten habe, und den Bescheid giebt, dass derselbe „divinam suam majestatem pro libérrima volúntate, quando et qnomodo ipsi visum fuit (non tantum post resur1) P h i l . 2, 6 : „og ev [togipfl 0£ov v3iágxv Jigosdoxöüftev yevqoeo&at'', und giebt damit ein sachverständiges Urteil in der Frage ab, welches der Herleitung des christlichen Präexistenzglaubens aus jüdischer Literatur endgültig den Boden entzieht. Und dass jener Ausspruch nicht etwa erst der Opposition seine Existenz verdankt, beweisen die Thargumin d. h. die Paraphrasen, mit denen seit dem babylonischen Exil der Vorleser das Gesetz begleitete. Die beiden bekanntesten und wenigstens in ihren Grundlagen einer sehr frühen Zeit angehörigen sind das sog. OnkelosThargum und das Jonathan-Tharguin. Jenes ist ängstlich bemüht, zu verhüten, dass irgend Einem ausser Gott etwas Göttliches zugeschrieben werde. Dieses deutet weder Jesaias 7, 14 noch Micha 5, 2 auf die Geburt des Messias von einer Jungfrau, Mich. 5, 1 dagegen so, dass nur der Name des Messias von Ewigkeit her vor Jehova genannt ist. An dem berühmten Text Sohar, einem der Grunddocumente der Kabbala, ist Text und Deutung, Herkunft und Alter so disputabel, dass man verlässliche Schlüsse nicht daraus ziehen kann. Auch die halachischen (moral.) oder haggadischen (erbaul.) Midraschim (Schriftauslegung), besonders nachdem auch der Tempel und mit ihm Jerusalem im J. 70 in Trümmer sank, wo in dem Schriftstudium sich das geistig-nationale Interesse concentrierte, in Aufnahme, führen nicht weiter. Der Midrasch Bereschith Rabba, welcher besonders für unsre Frage in betracht kommt, kann die neutestamentliche Präexistenzlehre nicht beeinflusst haben, denn vor dem 2. Jahrh. kann er nicht datiert werden. In den LXX ist die Deutung von Jes. 9. 6 und von Ps. 109, 3 zu Gunsten der Präexistenz disputabel; und wenn sie selbst sicher wäre, so würde daraus doch nicht mehr folgen, als dass die Vorstellung auf biblischem Grund und Boden erwachsen, an der biblischen Weissagung sich erschlossen habe und also nicht anderswoher importiert worden sei. Schliesslich erkennt übrigens zwar Harnack selbst an, dass weder die Verweisung auf den Weissagungsbeweis und auf die damalige Aus-
388
Descensus ad inferôs.
a. Descensus ad inferos. Die ältesten Erklärungen des Ausdruckes im Symbol: „descendit ad inferos" fassen ihn als synonym mit „sepultus". Immerbin ist schon frühe damit der andere Gedanke bunden worden, dass der Erlöser auch im Totenreich seinen Beruf erfüllt. Schon zu Marcions Zeiten (150) wurde der descensus als kirchliches Lehrstück behandelt und gehörte zur kirchlichen Lehrverkündigung 1 ). In dem System dieses Gnostikers wird der descensus sowohl in dem Sinne verwertet, dass er zur Vollendung des Totseins gehört, als auch in dem anderen, dass Christus in der Unterwelt als Erlöser (nämlich der vom Demiarg Verdammten) erscheint 2 ). Dass die Formel ihre Aufnahme in das Symb. Ap. n i c h t erst der Häresie des Apollinaris verdankt, hat G. Holger Waage, De aetate articuli, quo in symb. ap. traditur J. Christi ad inferos commentatio 1836 den Gründen gegenüber nachgewiesen, mit welchen besonders Peter King „Historia Symb. Ap." Cap. 4 die herkömmliche^ auch noch im Hutter. red. 222 vertretene Meinung zu stützen sucht. Dennoch mochte das grosse Aufsehen, welches die Lehre des Apollinaris, eines so verehrten Mannes, machte, die scharfe Opposition, in welcher die bedeutendsten Theologen mit der Synode von Constantinopel (381) eine vollkommen menschliche, aus Leib und Geist bestehende Natur in Christus behaupteten und als den christlichen Glauben vertraten, der Aufnahme des „niedergefahren zur Hölle", das sich schon in wesentlich älteren Texten findet, die allgemeine Zustimmung sichern, die es nach und nach fand. Der legung des a. T. noch auf die Apokalyptik und die giltigen Methoden der Spéculation alle Momente zu erklären vermögen, welche sich in den Ausprägungen der christlichen Verkündigung finden (31). Zu Gute lässt er freilich dieses Eingeständnis der Glaubwürdigkeit der ursprünglichen Verkündigung doch nicht kommen, sondern behauptet vielmehr, dass unter Umständen, wie den der ältesten Gemeinden, in der Geschichte Tliatsachen geradezu produciert würden. Es sei daher unstatthaft, „die Thatsächlichkeit eines geglaubten und berichteten Faktums für erwiesen zu nehmen, wenn das Motiv und Interesse, welches zur Annahme desselben geführt hat, heute nicht mehr ermittelt werden kann" (92). Damit hat freilich auch die Discussion ein Ende. 1) Man beruft sich darauf, dass die Eingliederung ins „Apost." erst im 4. Jahrh. erfolgt, dass Luther bis 1533 (Torgauer Predigt) geschwankt und auch die Corcordienformel IX, 1, 2 kein abschliessendes Urteil habe. 2) Die Predigt hat Clem. Alex. Strom, lib. VI. Sylburg-Ausg. 1686. 638: Entweder ist der Herr ad inferos hinabgestiegen, um allen oder den Hebräern allein das Evangelium zu verkündigen. Bruston, C., Doyen de la Faculté de théologie de Montauban, la descente du Christ aux Enfers d'après les apôtres et d'après l'église, Paris 1897, bestreitet der Lehre den Schriftgrund und will statt ihrer ins BApostoIicuinu setzen: „übergegangen in's Paradies" (32).
Der Sinn.
389
Sinn nämlich, in dem die alte Kirche den Passus meinte und aufnahm, war zunächst gar kein anderer, als dass Christus wirklich und wahrhaftig gestorben sei, dass die Gewissheit seines Todes jedem Zweifel spotte; sodann dass Christus seine vollkommen menschliche Natur auch im Tode bewiesen habe, dass er gestorben und hinabgegangen sei zu den Toten, wie ein anderer Mensch; und endlich dass sein Erlöserberuf als universeller auch den Toten zu Gute kommen müsse 1. Petri 3. 19 1 ). Aber es giebt keine Unterwelt im Sinne der antiken Vorstellung. Wir verstehen heute den Ausdruck als das Produkt der Sprache der Anschauung. Wir wissen, wie die ganze antike Weltvorstellung eben gar keine andere war, als die unmittelbare des Augenscheins, und wie die Sonne unterzugehen schien, so auch das Eeich der Toten dort oder überhaupt unten gedacht wurde. Aber wenn unsere heutige Erkenntnis uns nun darüber aufklärt, dass diese Placierung eine falsche, eine optische Täuschung war, hört damit das Totenreich selbst auf? Wenn es selbst im Altertum nicht an denkenden Geistern fehlte, welche die Unterwelt nicht als eine Örtlichkeit, sondern als einen Zustand verstanden: ist es dann motiviert, dass sich gegen diesen Satz „die Vernunft des 19. Jahrh. am entschiedensten auflehnt"? Ist es denn nicht auch noch der Glaube des 19. Jahrh., soweit es überhaupt noch an dem Fortleben nach dem Tode festhält, dass es ein Reich der Toten giebt? ein Totenreich, zu dem eo ipso die gehören, die gestorben sind und also zu den Toten zählen? Und soll die vorübergehende Zugehörigkeit des Erlösers zu diesem Reiche, zu der Gemeinschaft der Toten, auf diese ohne Eindruck geblieben sein, nicht eo ipso, lediglich als Thatsache selbst, wie eine gewaltige Predigt von ihm gewirkt haben? Desgleichen ist es ein für das christliche Gerechtigkeitsgefühl entbehrlicher Gedanke, dass, wenn in schlechthin keinem Andren Heil, auch die Toten des vorchristlichen Aeon des Heils in Christus nicht verlustig gehen, wenn sie sich ihm nicht selber verschliessen? Anderweitige Deutungen, wie die Joh. Aepins, damals (1542) Lector am Dom in Hamburg, dass die Seele Jesu an unsrer Statt die Höllenstrafen erduldet habe, aber auch die der Concordienformel Declaratio IX, 2, dass er „Satanam devicerit, potestatem inferorum everterit et Diabolo omnem vim et potentiam eripuerit", 1) Die ref. Kirche rechnet den descensus zur Erniedrigung. Zwingli, fidei exp. 42, versteht das Begräbnis darunter, der Catech. Gen. 132 „horribiles angustiae, quibus ejus anima constricta fuit.".
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Resurrectio.
verlegen post mortem, was durch den Kreuzestod bereits als geschehen gilt, und setzen ttberdem voraus, dass die Hölle im engeren Sinn und nicht vielmehr das Totenreich überhaupt gemeint sei, was ohne Anhalt ist. b. Resurrectio: Die Wirklichkeit der Auferstehung 1 ) des Erlösers war den Jüngern ebenso gewiss, wie die Thatsache seines Todes, und bildete das Hauptstück in der Verkündigung von ihm. Die ganze apostolische Kirche bezeugt sie und ist selbst der thatsäcbliche Beweis von ihrer Realität. Ihre Gründung hat in ihr die unerlässliche Voraussetzung. Jene wäre unmöglich gewesen ohne diese 2 ). Der Einwand, sie sei ein Betrug (Reimarus) 3 ) würde alle ihre Zeugen entweder zu Betrügern oder zu Betrogenen machen 4 ). Die Meinung, sie sei auf dem Wege des Mythus Gegenstand des Glaubens geworden, scheitert an der Thatsache, dass dann der Glaube dem Mythus vorangegangen sein müsste, um ihn zu erzeugen, und dass ein Mythus doch nicht im Handumdrehen zu entstehen pflegt, sondern Zeit braucht, um sich zu bilden, und erst recht, um geglaubt zu werden. Hat die Kirche mit ihrer Gründung so lange gewartet, bis beides geschah? Und wenn dies mit der Geschichte nicht stimmt: wie konnte es denn vorher zu ihrer Gründung kommen ? Eine enthusiastisch-visionäre Einbildung, worauf Strauss die Osterthatsache zurückführt, mag wohl einem Einzelnen begegnen und ihn düpiren, aber viele Einzelne, mehrere zusammen, eine namhafte Zahl 1) D. F. Strauss, Leben Jesu 2 1864. 36: „Das Hauptwunder der evangelischen Geschichte und der Probierstein für die verschiedenen Ansichten vom Leben Jesu, ja ich möchte sagen, vom Christentum überhaupt." 2) „Die Sage von der Himmelfahrt des Elias, von der Entrückung des Henoch und das Mysterium, welches über dem Tod des Moses und anderer Propheten waltete" (W. Brandt, Die evang. Geschichte und der Ursprung des Christentums . . 1893. 433), versagt als den Gedanken erzeugende Parallele in der Hauptsache. Denn Henoch und Elias sind nach der Vorstellung der Berichterstatter nicht gestorben, und Moses' Grab ward nicht gefunden. In allen drei Fällen kommt die göttliche Intervention irgendwie zum Ausdruck. Bei dem Herrn dagegen hatte eine solche nicht stattgefunden. Dagegen lehnt auch Br. die Scheintothypothese ab. Der „für tot vom Kreuze abgenommene Jesus" wäre nicht „so herzustellen" gewesen, „dass sein Erscheinen die ehemaligen Genossen zum Glauben begeisterte". Es ist derselbe Grund, den Strauss, „Das Leben Jesu für das deutsche Volk bearbeitet" 2 1864. 298 bereits vorgetragen hatte. 3) Eine Erklärung, die er sich überall da gestattet, wo die Propheten, Jesus, die Apostel vorgeben, Wunder zu thun. 4) Mensinga, Zeitschr. für wiss. Theol. 1891. 271 hält sie für „eine starke Fiction, um nicht mehr zu sagen" und zwar aus religiösem Patriotismus, nicht aus Selbstsucht.
Die Schrift bescheidet sich auch hier bei dem Zeugnis des Dass.
auf einmal, Gruppen zu verschiedenen Zeiten sicherlich nicht.
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Auch
Renans „nerven- und liebesieche" Magdalena reicht zur Erklärung bei Weitem nicht aus.
Denn die Jünger glaubten ihr ja ganz und
gar nicht allein. Einer nach dem Andren beinahe musste sich selbst überzeugen, ehe er glaubte.
Es ist bezeichnend, dass der Erstan-
dene sich immer erst zu erkennen geben muss, ehe ihn selbst die Seinen erkennen, und dass diese doch nachher mit allem Nachdruck betonen: „ W i r haben den Herrn gesehen"; und auf dieses Sehen ihre Predigt stützen. Freilich ist damit, ausgeschlossen,
als ob
wie durch
aber
„Es wird Es wird
die Vorstellung
es sich um eine einfache Wiederbelebung
seines sterblichen Leibes Leib,
andere Züge,
gehandelt habe: nein!
doch
wiederum
ein
neuer;
gesäet
verweslich
und wird
und
es ist
das
ist
derselbe österlich:
auferstehen unverweslich.
gesäet in Schwachheit und wird
auferstehen in
Kraft"
1 Cor. 15, 43. Freilich sind auch mit diesem apostolischen Aasspruch keineswegs alle Rätsel gelöst, welche das Auferstehungswunder umgeben. Denn zwar erkennt Maria Magdalena
den Erstandenen nicht, Joh.
20, 14, aber sie hält ihn für den Gärtner {xrjjiovgög) v. 15.
Und
die sog. Jünger von Emmaus L c . 24, 13 halten ihn für einen der Fremdlinge
zu Jerusalem v. 18.
Lc. 24, 36—43
erhebt
der Er-
standene direkt den Anspruch, seinen irdenen Leib noch zu haben. Die Ausdrücke v. 39 und der Umstand,
dass er vor ihnen
isst,
scheinen jeden Zweifel an der irdischen Beschaffenheit und Identität des Osterleibes auszuschliessen. berichtete
Beobachtung,
Andrerseits verbietet die durchweg
dass der Erstandene bei
verschlossenen
Thüren plötzlich unter den Seinen erscheint, ebenso plötzlich verschwindet, an dieser irdenen Beschaffenheit festzuhalten.
Danach
tritt uns auch in diesen Berichten die schon dem Oedv&Qtonog gegenüber gemachte Wahrnehmung entgegen, dass diese für unser Denken unvereinbaren Züge von den Zeugen und Erzählern u n v e r m i t t e l t vorgetragen werden, dass es somit auf eine
verstandesmässige
Behandlung, auf eine Erfassung der Sache auf erkenntnismässigem W e g e nicht abgesehen ist.
Das Problem, welches für uns in diesen
auseinandergehenden Zügen liegt, rühren die biblischen Gläubigen nicht einmal an.
Es ist, als ob es für ihren Glauben
gar
nicht
existierte. — Die Natur der Sache bringt es mit sich, dass es einem späteren Geschlechte als dem der Augenzeugen und infolge dessen auch uns von heute erst recht unmöglich ist, die in Rede stehenden
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Der Glaube und die Historie.
Züge verstandesmässig auszugleichen. Denn es bandelt sich auch hier um einen Zustand, für den es an jeder Analogie für uns fehlt. Was man sich darüber für Gedanken machen mag, wie wenn Schleiermacher das fir\ fiov ämov Joh. 10, 17 physiologisch erklärt,
die neue verklärte Leiblichkeit sei noch so zart gewesen, und damit die Vorstellung eines Übergangsstadiums erweckt: über Vermutungen kommt Niemand hinaus. Dadurch hört aber dieser Zustand, wenn er nur hinreichend beglaubigt ist, keineswegs auf, eine historische Thatsache zu sein. Der Historiograph hat zwar das Recht und sogar die berufsmässige Pflicht, die geschichtlichen Erscheinungen zu begreifen und das Verständnis des Einzelereignisses in seiner Genesis zu seiner Zeit und an seinem Orte anzustreben. Es liegt ihm ob, das Einzelne aus dem Ganzen zu erklären, so viel an ihm ist, d. h. so weit es ihm mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln gelingt. Aber die Facticität irgend einer geschichtlichen Erscheinung hängt nimmermehr davon ab, dass es ihm gelingt. Erkennt dagegen Harnack (74) den Ostcrglauben zwar als die mächtigste Kraft an, durch welche das Evangelium die Menschen gewonnen hat, stellt aber den Satz auf, dass die Historie dem Glauben hier keinen Succurs zu schaffen vermöge: so tritt er damit nicht nur aus dem Gedankenkreise der Apostel heraus, sondern zugleich mit der neutestamentlichen Verkündigung durchweg in Widerspruch. Die Auferstehung Christi gilt den Gläubigen des n. T. sowohl als eine über allen Zweifel verbürgte historische1) Thatsache, wie als Gegenstand des Glaubens. Beides schliesst sich für ihr religiöses Denken keineswegs aus. Wäre es Gedankenlosigkeit oder Unglaube, den Glauben durch die Historie zu stützen, so würde dieser Vorwurf das n. T. selbst in seinen geschichtlichen, wie in seinen Lehrbüchern treffen. Denn überall ist das sein Verfahren, dass es den Glauben an die geschichtlichen Daten anknüpft, auf ihnen aufbaut und durch sie als seine objektive Basis durchweg stützt. Nicht jedes Herz erwacht an ihnen zum Glauben. Das geschichtliche Datum der 1) Brandt uiuss das leere Grab für ungeschichtlich ausgeben, gleichwie die Erscheinungen (438), um die Osterthatsache bestreiten z u können. Er spricht es direkt aus, „dass die Erscheinungen gar nicht von der Art gewesen sein k ö n n e n , wie sie die evang. Autoren darstellen" 438. Auch diesen Canon hatte schon Strauss durchweg betont 30: „Dass" die Evangelien oder auch nur eins derselben geschichtliche Quellen im vollen Sinne „nicht sind, lag freilich an sich schon darin, dass sie Übernatürliches berichten".
D i e djzoxddvipts
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Auferstehung steht auch abgesehen vom religiösen Glauben fest: aber es wird nur für den Gläubigen Gegenstand des Glaubens und Grund seiner Hoffnung. Unbestrittene und unbestreitbare Thatsache ist, dass der Glaube an den Auferstandenen, denn das ist der Glaube an Christus, die ganze christliche Zeitrechnung beherrscht. Dagegen ist es weder im Einklänge mit den geschichtlichen Berichten noch psychologisch annehmbar, dass dieser weltbewegende Glaube sich lediglich an einer äjtoxdAwpts h> avzolg, 1 Cor. 15, 5—8, so gewiss es ohne dieselbe in keinem Fall zu ihm kam, entzündet habe und ohne sichtbaren Anhalt entstanden s e i D e r Umstand, dass die Jünger so sehr auf das Äusserliche gerichtet waren, die Geschichte des Thomas schliessen den Gedanken an eine solche Möglichkeit einfach aus. Man kann es nicht mit Harnack (74) als historisch feststehend ansehen, dass die Jünger und Paulus Christus nicht in dem gekreuzigten irdischen Leibe, sondern in himmlischer Glorie gesehen zu haben sich bewusst gewesen seien. Der Gegensatz in dieser Fassung lässt sich historisch nicht belegen. Es geht auch nicht an, die Berichte, welche die Leibhaftigkeit stark betonen, darum für unglaubwürdig auszugeben. Es ist nicht minder historisch unmöglich, das leere Grab als ein sicheres geschichtliches Faktum in Zweifel zu ziehen, weil es, wo von ihm berichtet werde, mit offenbar sagenhaften Zügen verbunden erscheine (74). Nicht die angeblich sagenhaften Züge, sondern das leere Grab bildet die Basis der apostolischen Predigt von dem Auferstandenen. Aber auch der Umstand kann nicht als Einwand gegen die Historicität des leeren Grabes gelten, dass es durch die Art, wie Paulus 1 Cor. 15 die Auferstehung schildere, geradezu ausgeschlossen werde. Denn diese Schilderung betrifft die Abwehr der aus dem Augenschein hergeleiteten Einwürfe gegen die Auferstehung der Christen, von der
1) Brandt kann mit den Schilderungen von Mt. Lc. Joh. nichts anfangen. So setzt er bei P. 1 Cor. 15 ein, „findet dort 6 gleichartige Erscheinungen" {&