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German Pages 129 [136] Year 1914
KORPORATION DER KAUFMANNSCHAFT VON BERLIN
Gewerbliche Einzelvorträge gehalten in der
Aula der Handels-Hochschule Berlin Herausgegeben von den
Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin E r s t e R e i h e : I. Die Entwicklung der elektrischen Industrie. Vortrag des Herrn Geh. Regierungsrat Prof. Dr. A r o n. — II. Die Einrichtungen an der Berliner Börse. Vortrag des Herrn Kotamerzienrat M . R i c h t e r . — III. Geschichte und Technik der Textilindustrie. Vortrag des Herrn Stadtrat Dr. We i g e r t. — IV. Entwicklung und Arten der Exportgeschäfte. Vortrag des Herrn ,H e r m a n n H e c h t . — V. Das Verkehrsbureau der Korporation d i r Kaufmannschaft von Berlin. Vortrag des Herrn Bureaudirektor H ^ f f m a n n . — VI. Anhang: Literaturnachweise. Von Herrn Dr. R e i c h e , Bibliothekar der Korporation der Kaufmannschaft von Berlin. Z w e i t e R e i h e : L Kaufmännische Auskunftserteilung in alter und neuester Zeit. Vortrag des Herrn W. S c h i m m e l p f e n g . — II. Die wirtschaftliche Bedeutung von Lieferungs-, Börsenterminund Spekulationsgeschäften in Waren. Vortrag des Herrn W. K a n t o r o w i e z , Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin. — III. Deutsches Zahlungswesen unter Berücksichtigung des Überweisungs- und Scheckverkehrs. Vortrag des Herrn J. K a e m p f , Präsidenten der Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin. — IV. Die Bibliothek der Korporation der Kaufmannschaft von Berlin. Vorträg des Herm Dr.R e i c h e , Bibliothekars der Kaufmannschaft v?n Berlin. — V.Anhang: Literaturnachweise. Von Herm Bibliothekar Dr. R e i c h e . D r i t t e R e i h e : I. Die Stellung der chemischen Industrie im deutschen Wirtschaftsleben. Vortrag des Herrn Fäbrikdirektors Dr. W . C o n n s t e i n. — D. Warenhäuser und Spezialgeschäfte. Vortrag des Herrn Fabrikbesitzers F. G u g e n h e i m . — IIL Die Organisation des Kupferhandels. Vortrag des Herrn Fabrikbesitzers Dr. E. N o a h. — IV. Die wirtschaftliche Bedeutung der Terrain- und Hypothekengeschäfte. Vortrag des Herrn Geh. Staatsrat a. D. J. B u d d e , Direktors der Berliner Hypothekenbank. — V. Die Industrie der Lacke und Farben. Vortrag des Herrn L. M a n n, Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin. — VT. Anhang: Literaturnachweise. Von Herrn Bibliothekar Dr. R e i c h e . V i e r t e R e i h e : I. Die Vorbereitung des oWasiatis(Aen Marktes für die Ausdehnung unseres Exportes dorthin. Vortrag des Herrn D. S a n d m a n n , Mitglieds der Handelskammer zu Berlin. — II. Die Entwickclung, Art und Bedeutung der modernen Holzbearbeitungsindustrie. Vortrag des Herm F r a n z B e n d i x , Direktors der Ferdinand Bendix Söhne, Aktiengesellschaft für Holzbearbeitung. — III. Terrain- und Hypothekengeschäfte. Vorträg des Herrn Geh, Staatsrats a. D. J. B u d d e , Direktors der Berliner Hypothekenbank. — IV. Die Entwickelung und Bedeutung der Calciumcarbid- und Stickstoffdünger-Industrie. Vortrag des Herrn DiplomIngenieurs A. M. G o l d s o h m i d t . — V. Die Organisation einer modernen Werkzeugmaschinenfabrik. Vortrag des Herrn Dr. W. W a l d s c h m i d t , Direktors der Aktiengesellschaft Ludw. Loewe & Co. — VI. Anhang: Literaturnachweise. Von Herrn Bibliothekar Dr. R e i c h e . F ü n f t e R e i h e : I. Die wirtschaftliche Bedeutung und die Handelstechnik der Kohlensäure-Industrie. Vortrag des Herrn H u g o B a u m , Generaldirektors der Aktien-Gesellschaft für KohlensäureIndustrie. — II, Weltansstellungen. Vortrag des Herrn Stadtältesten Dr. W e i g e r t , Vizepräsident der Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin. — DI. Die Entwicklung und Bedeutung der Schwachstrom-Industrie. Vortrag des Herrn Ingenieurs N e u h o l d , Direktors der Deutschen Telephonwerke. — IV. Die Entwicklung und Organisation des Eisenhändeis. Vortrag des Herm C. L. N e t t e r , Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin. — V. Anhang: Literaturnachweise. Von Herrn Bibliothekar Dr. R e i c h e .
Fortsetzung siehe Seite 3 des Umschlags
VERLAG VON GEORG REIMER IN BERLIN W 10
KORPORATION DER KAUFMANNSCHAFT VON BERLIN
Gewerbliche Einzelvorträge Gehalten in der Aula der Handels-Hochschule Berlin Herausgegeben von den
Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin
Achte Reihe
Berlin Druck und Verlag von Georg Reimer 1914
Inhalt. Seite
I. D i e O r g a n i s a t i o n u n d B e d e u t u n g d e r d e u t s c h e n E l e k t r i zitätsindustrie. Inhaber
der Fabrik
Vortrag des Herrn Dipl.-Ing. Dr. Max L e v y , elektrischer Maschinen
und Apparate
Dr.
Max Levy II. D i e F a b r i k a t i o n
7 elektrischer Kabel.
Vortrag des Herrn
Oberingenieur M a u r i t i u s (Allgemeine Elcktricitäts-Gesellschaft) . III. D i e
wirtschaftliche
Bedeutung
der
T r u s t s und ihre B e k ä m p f u n g durch die
amerikanischen Gesetzgebung.
Vortrag des Herrn W i l h e l m K a n t o r o w i c z IV. Z i g a r r e n - I n d u s t r i e u n d - H a n d e l .
29
45
Vortrag des Herrn Regie-
rungs- und Baurat a. D- S o m m e r g u t h , in Firma: Loeser & Wolff, Berlin
83
V. E n t w i c k l u n g d e s d e u t s c h e n L o k o m o t i v b a u e s .
Vortrag des
Herrn Regierungs-Baumeister a. D. B u c h t e r k i r c h e n ,
Direktor
bei der Firma A. Borsig VI. Anhang: L i t e r a t u r n a c h w e i s e
105 von Herrn Dr. R e i c h e , Biblio-
thekar der Korporation der Kaufmannschaft von Berlin
125
I.
Die Organisation und Bedeutung der deutschen Elektrizitäts-Industrie. Vortrag de3 Herrn Dipl.-Ing. D r . M a x
Levy,
Inhaber der Fabrik elektrischer Maschinen und Apparate Dr. Max Levy.
Die Geschichtc der elektrischen Industrie beginnt mit der Entdeckung der elektromotorischen Kraft der Metalle durch Galvani und Volta. Die Idee der elektrischen Telegraphie mittels galvanischen Stromes wurde von Sömmering 1809 zuerst ausgesprochen; weiterhin halien Ampere und Morse auf diesem Gebiete wesentlich fördernd gewirkt; jedoch wurde erst 1844 der erste Telegraph in Betrieb gesetzt. Die elektrische Industrie, ursprünglich also reine Schwachstromindustrie, ist demnach ca. % Jahrhundert alt. 1847 wurde die Firma Siemens & Halske durch Werner Siemens und den Mechaniker Halske gegründet. Darauf folgte die Erfindung der Telephonie 1860 durch Philipp Reis; diese führte 1877 zur ersten Telephonanlage. Hierzu trat dann fernerhin das Signalwesen. Diese drei Gebiete: das Telegraphen-, Fernsprech- und Signalwesen bilden noch heute die Hauptaufgabe der S c h w a c h s t r o m i n d u s t r i e . Die Grundlage zur Starkstromindustrie legte Faraday. Dieser entdeckte 1832 das Prinzip der Magnetinduktion, d. h., daß elektromotorische Kräfte nicht nur durch Metalle, sondern auch durch Schneiden eines Magnetfeldes mittels elektrischer Leiter erzeugt werden. Der eigentliche Beginn der Starkstromtechnik datiert jedoch erst seit 1867. In diesem Jahre fand Werner Siemens das dynamoelektrische Prinzip, d. h. die Ausnutzung des remanenten Magnetismus zur Eigen-Erregung elektrischer Maschinen. Dadurch erst wurde die Bahn frei zur Erzeugung großer Elektrizitätsmengen in Dynamos. 1873 erfolgte die Gründung der Firma Schuckert in Nürnberg. Größere praktische Bedeutung erhielten die Dynamo-Maschinen jedoch erst zu Beginn der 80 er Jahre. Die elektrotechnischen Ausstellungen der Jahre 1881, 1882, 1883, in Paris, München und Wien leiteten die Entwicklung ein mit der Lösung des Problems der Teilung des elektrischen Lichtes, durch die Edisonsche Glühlampe einerseits und durch
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Die Organisation und Bedeutung der deutschen Elektrizitäts-Industrie.
die Hefner-Altenecksche Differentialbogenlampe andererseits. Die Einführung der Glühlampenbeleuehtung in Deutschland geschah durch Emil Rathenau, der zu ihrer Erprobung eine Versuchsgesellschaft 1882 zusammen mit Siemens & Halske und einigen Banken gründete. Die Differcntialbogenlampe wurde in den Siemens & Halskeschen Werkstätten erfunden. Als wichtiger Schritt zur Entwickelung der heutigen Elektrizitäts-Industrie muß die Gründung der ersten Blockzentrale 1883/84 in Berlin, die durch die Vorgängerin der A. E. G. erfolgte, genannt werden. Auch dies ist das Verdienst Emil Rathenaus. Eine sonstige erhebliche praktische Förderung der Starkstromtechnik trat in den ersten Jahren nicht ein. Eine wirkliche elektrische Starkstromindustrie existiert also, wenn man von den Anfängen absieht, heute etwa 30 Jahre. Zu der B e l e u c h t u n g kam die K r a f t ü b e r t r a g u n g . Diese konnte ihren außerordentlich großen Umfang nur annehmen durch Ausbildung des Drehstrommotors, und hier bedeutet das Jahr 1891 einen Wendepunkt, weil die Kraftübertragung Lauffen-Frankfurt a. M. zum ersten Wale der "Welt die Möglichkeit einer ökonomischen Übertragung mittels hochgespannten Drehstromes auf weite Entfernungen zeigte. Die Errichtung dieser Anlage ist ebenfalls der A. E. G. zu danken. Die Grenzen der Schwachstrom- und Starkstromindustrie sind in der letzten Zeit stark verwischt worden. Als Zwischenglied trat seit den Versuchen Marconis 1896, die auf den Vorarbeiten von Hertz gegründet waren, die drahtlose Télégraphié. Als Zwischenglied ist auch die Industrie der Zündapparate sowie die Elektro-Medizin anzuführen, welche früher im wesentlichen zur Schwachstromindustrie rechnete, während sie jetzt in sehr erheblichem Maße, besonders auch seit Erfindung der Röntgenstrahlen Ende 1895, auf dem Starkstromgebiete tätig ist. Zu erwähnen ist hier auch ein Gebiet der Chemie, nämlich die Elektro-Chemie, die jedoch m. E. in erster Reihe der chemischen Industrie zuzuzählen ist. "Wegen der fließenden Grenzen, die hiernach zwischen Starkstrom- und Schwachstromindustrie bestehen, soll im folgenden die gesamte elektrische Industrie zusammen betrachtet werden. Wirtschaftlich gliedert sich die elektrische Industrie in 4 Zweige 1. die F a b r i k a t i o n , 2. die I n s t a l l a t i o n ,
Die Organisation und B e d e u t u n g der deutschen E l e k t r i z i t ä t s - I n d u s t r i e .
3. den B a u u n d die F i n a n z i e r u n g e l e k t r i s c h e r nehmungen, 4. den B e t r i e b
elektrischer
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Unter-
Unternehmungen.
Ich werde mich nach und nach diesen 4 einzelnen Zweigen zuwenden, zunächst der Fabrikationsindustrie: Die heutige elektrische F a b r i k a t i o n s - 1 n d u s t r i e ist im wesentlichen in 2 Gruppen gegliedert, einmal die Gruppe der Groß-Konzerne, sodann in die der Spezialfabriken. Ich wähle ausdrücklich das Wort „Groß-Konzern", weil das Wort „Großfirma" insofern keine richtige Trennung bedeuten würde, als es auch eine Reihe von Spezialfabriken gibt, die Groß-Betriebe mit über 1000 Arbeitern darstellen. Der wirtschaftliche Unterschied zwischen den Groß-Konzernen und zwischen den Spezialfabriken besteht darin, daß erstere mehr oder weniger auf dem Gebiete der gesamten elektrischen Industrie fabrizieren, zum mindesten aber auf den meisten und wichtigsten Gebieten, während die Spezialfabriken, wie ihr Name besagt, sich auf einzelne Zweige spezialisieren. Die Groß-Konzerne nehmen ferner den Absatz ihrer Produkte und deren Installation an den verschiedensten Orten Deutschlands und der ganzen Welt im wesentlichen durch eigene Verkaufsund Inst.illationsbureaus in die Hand und wenden sich dabei mehr oder weniger an jeden Interessenten, d. h. an den Handel wie an die Konsumenten. Die Spezialfabriken dagegen installieren im allgemeinen ihre Fabrikate nicht selbst, sondern liefern sie an den selbständigen Installateurstand, über den noch später gesprochen werden wird; sie verkaufen ferner ihre Produkte möglichst ebenfalls durch selbständige unabhängige Vertreter, indem sie sich zumeist an den Handel und an die Installationsfirmen mit ihren Produkten wenden. Weiterhin kontrollieren die Groß-Konzerne sowohl in technischer, als auch vielfach in finanzieller Beziehung in größtem Umfange elektrische Unternehmungen, deren Bau von ihnen angeregt und durchgeführt wird, während Spezialfabriken sich von diesen Geschäften fernhalten. Die Groß-Konzerne waren früher über Deutschland verbreitet. Heute wurzeln sie, was in diesem Kreise besonders interessant sein dürfte, eigentlich nur noch in Groß-Berlin. Nachdem die Firmen Helios in Köln, Schuckert in Nürnberg, Lahmeyer in Frankfurt a. M. und Union in Berlin als selbständige Fabrikationsfirmen zu existieren aufgehört haben, sehen wir heute im wesentlichen zwei Groß-Konzerne, den Siemens-Konzern und den A. E. G.-Konzern. Diese beiden
1 0 D i e Organisation und Bedeutung der deutschen Elektrizitäts-Industrie.
Konzerne überragen an Umsatz, Zahl der Arbeiter und Beamten, Kapital und Einfluß bei weitem einige wenige andere Elektrizitäts-Großfirmen, die als Zwischenglied zwischen den Groß-Konzernen und Spezialfabriken aufzufassen sind. Ich erwähne hier in erster Reihe die Firma Bergmann-Elektrizitätswerke Berlin und die Firma Brown, Boveri & Co., Mannheim. U m zunächst ein Bild zu geben von den beiden Groß-Konzernen, so bemerke ich, daß der Sie m e n s - K o n z e r n in Deutschland vor allem die Firma Siemens & Halske umfaßt, welche im Jahre 1903 ihr Kabel- und Dynamowerk, ihre Abteilung für elektrische Bahnen, ihre technischen Bureaus im In- und Auslande und ihre Patente in die Siemens-Schuckert-Werke G. m. b. H. einbrachte. Auf diese Gesellschaft übertrug andererseits die Firma Schlickert in Nürnberg ihre gesamten Werke, technischen Bureaus und Patente. Das Kapital der Siemens & Halske. A.-G. beträgt gegenwärtig 63 Millionen Mark bei 45,96 Millionen Mark Anleihen. Das Gescllschaftskapital der Siemens-Scliuekert-Werke, welche meines "Wissens die größte G. m. b. H. in Deutschland sind, beträgt 90 Millionen Mark bei 130,4 Millionen Mark Anleihen und Darlehen. Bemerkenswert ist, daß bei der Siemens & Halske A.-G. die Abteilung für Hoch- und Untergrundbahnen blieb. Daher finden Sie bei den derzeitigen Bauten in Berlin diese Firma als Unternehmerin vermerkt. Erwähnt sei noch, daß im Jahre 1912 die Siemens-Schuckert-Werke in Beziehungen zu den Bergmann-Elektrizitätswerken traten durch Übernahme von 8,5 Millionen Mark Aktien dieser Gesellschaft. Nach einer vor einigen Tagen an mich gelangten Mitteilung der Siemens & Halske A.-G. und Siemens-Schuckert-Werke beschäftigte dieser Groß-Konzern in allen seinen Betrieben Ende November 1913 über 82900 Personen. Leider ist mir die Zahl der innerhalb Deutschlands Beschäftigten nicht gesondert angegeben worden. Ich gehe nunmehr zur A. E. G. über. In überaus rascher Entwicklung nahm die A. E. G. nach und nach die Fabrikation auf dem gesamten Gebiete der Starkstromindustrie auf. Die Tclephonie und Telegraphie hat sie bisher nicht bearbeitet; dagegen stellt sie z. B. auch Schreibmaschinen, Pumpen, Drahtseile, Dampfturbinen, Dieselmotore her. 1903/04 nahm die A. E. G. die Union Elektrizitätsgesellschaft auf, 1910 das Frankfurter Dynamowerk der Feiten & GuilleaumeLahmeyer-Werke. In einem vor kurzem veröffentlichten Artikel ist
Die Organisation und Bedeutung der deutschen Elektrizitäts-Industrie.
H
die Zahl der Arbeiter (wohl einschl. Angestellter) für Ende 1913 mit etwa 70000 angegeben. Das Aktienkapital beträgt zurzeit 155 Millionen Mark, bei 110 Millionen Mark Obligationen und 95 Millionen Mark Reserven. Auch hier ist die Zahl der in Deutschland beschäftigten Arbeiter und Angestellten nicht ersichtlich. In den mir aber freundlichst zur Verfügung gestellten Abhandlungen über einzelne Fabriken ist als Arbeiterzahl der Kabelfabrik in Oberschöneweide Anfang 1913 ca. 8 0 0 0 in der Maschinenfabrik (Arbeiter u. Beamte) Mitte 1913 „ 14000 „ „ Apparatefabrik (Angestellte) Ende 1912 ,, 9 5 5 0 „
„
Turbinenfabrik (Arbeiter)
Ende 1912
„
4500
angegeben. Insgesamt arbeiten demnach in diesen 4 Groß-Berliner Hauptfabriken der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft mehr als 36000 Personen. Die Entwicklung der A. E. G. wird kurz dadurch charakterisiert, daß das Aktienkapital 1885 5 Millionen Mark 1890 20 1895 25 1900 60 1905 100 1910 130 zurzeit 155
„ „
betrug,
beträgt. Die B e r g m a n n - E l e k t r i z i t ä t s w e r k e stellen die drittgrößte Firma dar und besitzen gegenwärtig ein Aktienkapital von 52 Millionen Mark bei 20 Millionen Obligationen. Bemerkenswert ist noch, daß die Groß-Konzerne auch in großem Umfang im Ausland fabrizieren. So der Siemens-Konzern in Kußland, Österreich-Ungarn, Spanien, ferner durch Lizenzverträge mit Fabrikationsfirmen in Frankreich und Schweden. Die A. E . G. fabriziert durch Übernahme der Union-Fabriken in Rußland und ÖsterreichUngarn und arbeitet auch in Italien in eigenen Werkstätten. Die Bergmann-Elektrizitäts-Werke fabrizieren in Österreich und in Frankreich. Die Tatsache der Fabrikation der Groß-Konzerne im Auslande führt zu Interessen-Gegensätzen bei Abschluß von Handelsverträgen mit den betr. Ländern, die bei unserer Regierung nicht unbeachtet bleiben können.
1 2 Die Organisation und Bedeutung der deutschen Elektrizitäts-Industrie.
Ich gehe nunmehr zu den S p e z i a l f a b r i k e n Uber. Auch die Spezialfabriken waren auf dem Gebiete der Fabrikation gewisser Artikel bahnbrechend. Von Berliner Firmen erwähne ich hier zunächst die Firma H. Aron G. m. b. H., deren Inhaber leider vor kurzem verstorben ist. Diese Firma hat sich die größten Verdienste um die Entwickelung der Zählerfabrikation erworben. Ferner nenne ich die Deutsche Gas-Glühlicht A.-G., welcher das Hauptverdienst für die Entwickelung der Metallfaden- und Metalldrahtlampen zukommt; die Firma Mix & Genest A.-G., die auf dem Gebiete der Telephonie und Telegraphie sich hervorragende Verdienste erworben hat. Sodann nenne ich von ersten auswärtigen Firmen die Deutschen Elektrizitätswerke — Garbe, Lahmeyer & Co.-A.-G., Aachen, die, bereits im Jalire 1886 gegründet, elektrische Maschinen und Transformatoren baut; ferner die Firma Hartmann & Braun A.-G., Frankfurt a. M., für Meßinstrumente; Voigt & Haeffner A.-G., Frankfurt a. M., für Installations- und Schaltapparate; die Firma Conradty in Nürnberg für elektrische Kohlen. Endlich nenne ich von bekannten Berliner Spezialfabriken noch die Firma Dr. Paul Meyer A.-G., für Meßinstrumente, Schaltapparate etc., die Firma Dr. Cassirer & Co. für Kabel, Drähte und die meinige für elektrische Maschinen, Ventilatoren etc., sowie für die Schwachstrom-Industrie noch die Deutschen TelephonWerke G. m. b. H. und C. Lorenz A.-G. Die obige Aufzählung zeigt gleichzeitig, in welche einzelnen HauptFabrikationszweige die Elektrotechnik heute zerfällt. Hinzuzufügen ist noch die Isolierrohrindustrie, welche Papierrohre mit oder ohne Metallmantel für die Montage von Leitungen herstellt. Ferner die Industrie der Akkumulatoren, der Isolations-Materialien und der Zündapparate. Für letztere sei noch die bekannte Firma R. Bosch, Stuttgart genannt. Eine große Reihe der obengenannten Firmen beschäftigt 1000 bis 2000 Arbeiter und noch mehr. Man rechnet nach Fasolt zurzeit mit ungefähr 300—400 größeren Spezialfabriken und ca. 85000 Arbeitern und Angestellten. In volkswirtschaftlicher und sozialpolitischer Richtung sei noch erwähnt, daß die große Anzahl der Spezialfabriken von hoher Bedeutung ist. Sie bewirken, da sie über ganz Deutschland verteilt sind, eine Dezentralisation der elektrotechnischen Industrie und ermöglichen vielen industriellen Beamten die Erringung einer Selb-
D i e Organisation und Bedeutung der deutschen Elektrizitäts-Industrie.
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ständigkeit, da die Angestellten, sei es als Vertreter, sei es als Installateure sich selbständig machen können. Sie eröffnet ferner Herren, welche nicht bei den wenigen Groß-Konzernen Beschäftigung finden, die vielseitige Möglichkeit, sich bei den Spezialfabriken zu betätigen. Die Spezialindustrie schützt außerdem die Konsumenten durch diegroße Anzahl der in Frage kommenden Betriebe vor einer weitgehenden Syndizierung und Vertrustung der elektrischen Produktion. Tatsächlich bestehen Kartelle zurzeit nur für Starkstrom-Bleikabel, Gummiaderdraht, Isolierrohr und für kurze Zeit noch das Kohlenfadenlampensyndikat. Mill M.
3S0f
Gesamtausfuhr von elektrotechnischen Erzeugnissen seit Härz 1906.
300:i
250; ! 200*
150100 50 1906
1907
1908
1909
1910
1911
1912
1913
Fisr. 1. Bei dem Kapitel „Fabrikations-Industrie" habe ich noch anzuführen, daß man die gesamte P r o d u k t i o n der elektrischen Industrie in Deutschland zurzeit mit ca. 1 Milliarde Mark schätzt. Hierbei ist die Schwachstromindustrie, je nachdem man die Grenze zieht, bei etwa 10—15000 Beschäftigten mit etwa 50—75 Millionen Umsatz einzusetzen. Von der gesamten Produktion werden über y4, und zwar 1913 290 Millionen, ausgeführt Von dieser Ausfuhr gehen etwa ein Drittel nach europäischen Handels-Vertragsländern. Über die Entwicklung der Ausfuhr bin ich in der Lage, Ihnen ein Diagramm (s. Fig. 1) vorzuführen, welches die stetig steigende Ausfuhrmenge darstellt. Eine Tabelle, die die gesamte P r o d u k t i o n
1 4 Die Organisation und Bedeutung der deutschen Elektrizitäts-Industrie.
angibt, bin ich leider nicht in der Lage vorzuführen, da die Reichs regierung erst nach und nach die Produktion der verschiedenen Gewerbe statistisch zu erfassen beabsichtigt. Da im allgemeinen das K a p i t a l in der elektrischen Industrie jährlich nur etwa einmal umgesetzt wird, kann schätzungsweise auch das Gesamtkapital in der Fabrikationsindustrie mit etwa einer Milliarde Mark zugrunde gelegt werden. Ich komme nun zu dem z w e i t e n Teil meiner Betrachtungen, der sich auf die I n s t a l l a t i o n erstreckt. In den Anfangsjahren der elektrischen Fabrikation wurde die Herstellung elektrischer Anlagen, also die Installation der Produkte der elektrischen Fabriken, von Installationsfirmen bewirkt. Diese waren gleichzeitig häufig Vertreter der ältesten Firmen, z. B. der Firma Siemens & Halske. Mit der zunehmenden Steigerung des Bedarfs wurden die Spezialfabriken gegründet, die sich ausschließlich der selbständigen Installateure für die Herstellung von Anlagen bedienten. Hierdurch entstand eine parallele Entwicklung zwischen dem Stande der selbständigen Installateure und zwischen dem Stande der selbständigen Spezialfabriken. Diese Entwicklung wurde dadurch gefördert, daß die Groß-Firmen, wie bereits bemerkt, mit der Zeit es für notwendig hielten, ihre eigenen Installationsbureaus an allen bedeutenden Plätzen zu eröffnen. Hierdurch wurden ihre bisherigen Vertretungsfirmen größtenteils zu selbständigen, angesehenen Installationsfirmen. Der heutige Umfang der Installations-Industrie ist ein sehr bedeutender. Der Verband der elektrotechnischen Installationsfirmen in Deutschland, der sich 1902 in Frankfurt a. M. gebildet hat und eine größere Anzahl, besonders der bekannteren Installationsfirmen umfaßt, schätzt, wie er mir freundlichst mitteilte, die Anzahl der bestehenden, selbständigen Installationsfirmen, die allerdings teilweise recht klein sind, heute auf 4000 und die Anzahl der Angestellten und Monteure bei diesen Firmen auf ca. 50000. Ich halte diese Zahl zwar für hoch, aber wohl für möglich, denn nach der Betriebsstatistik ergibt sich bei der Gewerbegruppe „Herstellung von elektrischen Anlagen" eine Steigerung der Zahl der Betriebe zwischen 1895 und 1907 von 389 auf 2600, während die Anzahl der beschäftigten Personen im selben Zeitraum von 5702 auf 27713 gestiegen ist. Eine weitere Angabe findet sich für das Jahr 1909 in einem Artikel von Fellenberg (E. T. Z. 1910, Seite 398). Er berechnet, daß insgesamt
Die Organisation und Bedeutung der deutschen Elektrizitäts-Industrie. 1 5
in Deutschland 8404 Betriebe sich befinden; 2799 Fabrikationsbetriebe, 5156 Installations- und Vertriebsunternehmungen, 449 Betriebe für Teilfabrikation, mit insgesamt 200000 Personen. Davon rechnet er auf die Fabrikation etwa 70% Beschäftigte, auf die Installation und den Verlauf etwa 15%, also 30000, und auf die Teilfabrikatiön ebenfalls etwa 15%. Er berechnet übrigens den Anteil der Groß-Industrie an diesen 200000 Personen für 1909 mit rund 40% oder 80000. Besonders anerkennungswert ist, daß die deutsche ElektrizitätsIndustrie in dem V e r b a n d D e u t s c h e r E l e k t r o t e c h n i k e r sich eine Organisation geschaffen hat, welche in Selbstverwaltung strenge Regeln für die F a b r i k a t i o n und I n s t a l l a t i o n aufgestellt hat, sodaß jede Einmischung von Behörden und jede Regierungsmaßnahme sich nach dieser Richtung hin als unnötig erwies. Diese Vorschriften des Verbandes Deutscher Elektrotechniker sind vorbildlich geworden auch für andere Länder. Sie haben bewirkt, daß die Fabrikate der deutschen Industrie, gerade weil sie diesen teilweise strengen Vorschriften angepaßt werden mußten, sich besonderer Anerkennung auch im Auslande erfreuen. Ich komme nunmehr zu dem d r i t t e n Abschnitt der Besprechung: der Tätigkeit der elektrischen Industrie auf dem Gebiete des B a u e s u n d der F i n a n z i e r u n g v o n U n t e r n e h m u n g e n . Dieses Tätigkeitsgebiet ist charakteristisch für die elektrische Industrie. Es ist wohl zumeist das Verdienst der A. E. G., daß sie mit scharfem Blick die Bedeutung erkannt hat, welche die Gründung eigner, geschickt ausgenutzter rentabler Unternehmungen für die Entwickelung der ganzen Industrie haben mußte. Den Beginn machte die bereits erwähnte Gründung einer Blockzentralc 1883/4 in Berlin, welche als Vorläuferin der heutigen B. E. W. anzusehen ist. Im Laufe der Jahre entstanden zahlreiche Unternehmungen, insbesondere Zentralen in den größeren Städten des In- und Auslandes für Licht- und Kraftbetriebe, Unternehmungen für den Bau von Bahnen, zunächst von Straßenbahnen, dann von Bahnen für interurbanen Verkehr, von Schnellbahnen, von Hochund Untergrundbahnen. Die-gute Entwickelung der meist geschickt ausgenutzten Unternehmungen bewog späterhin die Kommunen zur Errichtung eigner Anlagen, welche ebenfalls, besonders in den größeren Städten und noch dazu solchen mit Industrie, glänzende Entwickelung nahmen. Der Umfang der Tätigkeit der Groß-Konzerne auf diesem Gebiete ist außerordentlich und kann kaum überschätzt werden. Die
1 6 Die Organisation und Bedeutung der deutschen Elektrizitäts-Industrie.
Bedeutung für die Groß-Konzerne liegt darin, daß sie sich in den Unternehmungen, die sie geschaffen haben, entwickeln und überwachen, unabhängig davon, ob sie die private oder die neuerdings von ihnen empfohlene gemischte Betriebsform haben, feste laufende Abnehmer für ihre Fabrikate zu befriedigenden Preisen sichern. Nicht nur das, sie sichern sich auch durch den Einfluß auf die Verwaltung des "Werkes und durch das bei der Bevölkerung dadurch hervorgerufene Ansehen den größten Teil der Lieferungen für die Anschlußanlagen. Die schnellere Entwickelung der Elektrotechnik in Deutschland ist zum Teil der eifrigen und geschickten Gründungstätigkeit der Groß-Konzerne zuzuschreiben. Die Gewinne, die sich durch vorteilhafte finanzielle Operationen aus diesen Unternehmungen ergaben, haben dazu beigetragen, außerordentliche Abschreibungen zu ermöglichen und eine innere Konsolidierung durch vorsichtige Bewertung der im Besitz der Konzerne befindlichen Aktien und Anteile herbeizuführen, wie sie in anderen Industrien nicht bekannt ist. Diese Gewinne aus guten finanziellen Unternehmungen haben ferner auch die Wettbewerbs-Chancen der Groß-Konzerne im In- und Ausland außerordentlich gefördert. Der Vollständigkeit halber muß aber erwähnt werden, daß dieses Finanzierungsgeschäft in Händen von schwächeren Firmen vielfach zu Schwierigkeiten geführt hat, so bei den Firmen Kummer & Co., Helios, Schuckert. Der Anreiz, der von guten Unternehmungen ausging, führte dazu, daß unrentable und spätrcntable Werke auf schwache Schultern übernommen wurden, was zum Zusammenbruch führte. Die Krisis von 1900 ist auf die ungeschickte Verquickung der Fabrikations- und Unternehmungstätigkeit zurückzuführen. Von besonderem national-ökonomischen und nationalen Wert sind diejenigen Unternehmungen, welche von unseren Groß-Konzernen im Ausland errichtet wurden und werden. Sie fördern nicht nur das Ansehen Deutschlands im ganzen, sondern auch den Absatz der gesamten deutschen elektrischen Industrie, also sowohl denjenigen der Groß-Konzerne wie den der Spezialfabriken in diesen Ländern. Als Beispiel für das größte Unternehmen eei die Deutsch-Überseeische Elektrizitäts-Gesellschaft angeführt, welche Unternehmungen in Südamerika betreibt, insbesondere in Buenos-Aires, Santiago, Valparaiso, Montevideo. Dieses Unternehmen, welches 1898 mit 10 Millionen. Mark gegründet wurde, hat unter Hineinrechnung der letzten finanziellen Operation ein Aktienkapital von 150 Millionen. Die
Die Organisation und Bedeutung der deutschen Elektrizitäts-Industrie. 1 7
Höhe der ausgegebenen Obligationen ist auf ca. 110 Millionen gestiegen. Die D. Ü. E. G. hat die rapideste Entwicklung zu verzeichnen. Von national-ökonomischem Wert ist, daß diese Unternehmertätigkeit auch im Inlande eine besondere Beschleunigung der Entwickelung herbeigeführt hat, die ich später noch beleuchten werde. Dagegen hat sich als Nachteil ergeben, daß mit den Unternehmungen häufig Monopolbestrebungen verknüpft waren, offener oder versteckter Art. Diese Bestrebungen sind dank der Erkenntnis der Regierungen, soweit es sich um offene Monopole handelt, großenteils beseitigt worden, während versteckte Monopole noch häufig, insbesondere infolge nicht genügender Übersicht selbständiger Kommunalverwal tungen, zumal der Kreise, zu bemerken sind. Im wesentlichen kommen heute für die Unternehmungen der Fabrikationsfirmen wieder die beiden Hauptgruppen: der A. E. G.Konzern und der S. S.-Konzern in Frage. Der A. E. G.-Konzern umfaßt in erster Reihe die Berliner Elektrizitäts-Werke, die Bank für elektrische Unternehmungen, Zürich, die Allgemeine Lokal- und Straßenbahn-Gesellschaft Berlin, die Elektrizitäts-A.-G. vorm. Lahmeyer & Co. in Frankfurt, die 3 Elektrizitäts-Lieferungs-Gesellschaften in Berlin, Oberlungwitz i. Sa. und Bayreuth, und als in gewissen Beziehungen zu ihr stehend die Gesellschaft für elektrische Unternehmungen Berlin und die A. G. für Gas-, AVasser-und Elektrizitätsanlagen Berlin. Der S. S.-Konzern umfaßt hauptsächlich die Siemens Elektrische Betriebe hier, die Schuckert-Gesellschaft in Nürnberg, die Continentale Gesellschaft für elektrische Unternehmungen in Nürnberg, die „Elektra" A.-G. Dresden, die Rheinische Schuckert-Gesellschaft in Mannheim, die Elektrische Licht- und Kraftanlagen-Gesellschaft, Berlin und die A. G. für Elektrizitäts-Anlagen in Berlin. An der obenerwähnten Deutsch-Überseeischen ElektrizitätsGesellschaft sind die beiden Konzerne zusammen beteiligt, wie sie auch sonst für sehr große Unternehmungen zusammengehen, z. B. in Hamburg, wo die Finanzierung der Hamburger Hoch- und Untergrundbahn durch die von beiden Konzernen gemeinsam gegründete Elektro-Treuhand A. G. übernommen wurde. In diesem Zusammenhang muß auch erwähnt werden, daß zu jedem Konzern eine Gruppe von Banken gehört, welche die finanziellen G e w e r b l i c h e Einzelvorträge.
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Geschäfte führt und sich an den Gründungen etc. beteiligt. Zu dem A. E. G.-Konzern gehören die Berliner Handels-Gesellschaft, die 4 D-Banken, die Nationalbank für Deutschland, der Schaaffhausensche Bankverein, Bleichröder, Delbrück, Schickler & Co., Hardy & Co. Zu dem S. S.-Konzern gehören: die Deutsche Bank, die Mitteldeutsche Kredit-Bank, die Commerz- und Diskonto-Bank, die Bayrische Hypotheken- und "Wechsel-Bank, die Bayrische Vereinsbank, die BergischMärkische Bank, Elberfeld, die Süddeutsche Discontogesellschaft, Mannheim und fünf andere außerhalb Berlins gelegene Bankhäuser. Die A. E. G. und ihre an der öffentlichen Elektrizitäts-Versorgung in Deutschland beteiligten Finanzierungs- und Betriebsgesellschaften haben ein Aktien- und Anleihekapital von insgesamt ca. 900 Millionen Mark. Dazu treten an abhängigen, öffentlichen Elektrizitäts-Unternehmungen in Deutschland solche mit etwa 300 Millionen Aktienund Anleihekapital. Hierbei ist nicht die Kapitalsbeteiligung enthalten an Bahn-Unternehmungen, ebenso nicht das Kapital für auswärtige Fabrikations-, Finanz- und Betriebsunternehmungen sowie das Reservefondskapital. Man wird demnach das gesamte von dem A. E. G.-Konzern beeinflußte Kapital noch erheblich höher schätzen können, wenn auch zu beachten ist, daß das Kapital der einen Gesellschaft häufig als Aktienbesitz bei der andern erscheint. Bezüglich des Siemens-Schuckert-Konzern stellen sich die Zahlen etwa wie folgt: Sie und die an der öffentlichen Elektrizitäts-Versorgung im Deutschen Eeich beteiligten Finanz- und Betriebsgesellschaften haben ein Aktien- und Anleihekapital von insgesamt ca. 650 Millionen Mark. Hierzu kommen abhängige Elektrizitäts-Unternehmungen mit ca. 85 Millionen; insgesamt kontrolliert also der S. S.-Konzern in der öffentlichen Elektrizitäts-Versorgung Deutschlands ca. 750 Millionen Mark. Einschließlich der Bahnen und auswärtigen Unternehmungen werden die zum Siemens-Schuckert-Konzern gehörigen Gesellschaften ebenfalls mit erheblich höherem Gesamtkapital zu schätzen sein. Als unabhängig von diesen beiden Hauptkonzernen ist noch die Brown, Boveri& Co. A.-G. in Mannheim zu nennen, welche vor kurzem durch Gründung der Elektrischen Kraft-Versorgung A.-G. mit 8 Millionen Mark Kapital in Mannheim die Durchführung von finanziellen Unternehmungsgeschäften in erhöhtem Maße ins Auge gefaßt hat.
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Dagegen haben die Bergmann-Elektrizitäts-Werke sich von neuen Unternehmungen zurückgezogen. Zur Kennzeichnung der heutigen modernen Entwickelung auf dem Gebiete der Unternehmungen muß bemerkt werden, daß infolge der befriedigenden Erfahrungen mit Fernübertragung und der Sparsamkeit des Betriebes bei Maschinen hoher Leistung, es das Ziel einer weitsichtigen Elektrizitäts-Politik in Deutschland sein muß, wenige Groß-Kraft-Zentralen mit nicht unter 50000 KW Leistung an geeigneten Stellen Deutschlands zu errichten, wo das Betriebsmaterial zu besonders günstigen Bedingungen zur Verfügung steht. Diese Groß-Kraft-Zentralen sollten ihre Energie, wenn nicht selbst verteilen, so doch an angeschlossene Zentralen abgeben, welche, für einzelne oder mehrere Kommunen gemeinsam betrieben, den Strom ganz oder wenigstens teilweise von dem Groß-Kraftwerk beziehen und gleichsam als Wiederverkäufer an ihre Bewohner und Konsumenten liefern. Die einzelnen stromabnehmenden Werke könnten und sollten zweckmäßig an ihrem Groß-Kraft-Werk unter Berücksichtigung ihrer Abgabe beteiligt sein, um auch an dem Gewinn dieses rentablen Unternehmens zu partizipieren. Bemerkt muß hierbei werden, daß die Entwickelung der Groß-Zentralen dadurch gefördert wird, daß sich heute Maschineneinheiten von 20000, ja maximal 30000 KVA mit Erfolg herstellen lassen. Bei Kraft-Fernübertragungen geht man in Deutschland mit Freileitungen zurzeit bis 110000 Volt. Es liegt aber keine erhebliche Schwierigkeit vor, bis 150000 Volt heraufzugehen. Bei Kabeln gilt zurzeit als obere Grenze 60000 Volt. Diese Spannung beabsichtigt die Staatsregierung bei günstigem Ausfall der Versuche für die Strecke Bitterfeld—Berlin zu verwenden. Die Stromerzeugung soll hierbei, nach einer vor einigen Tagen an den Landtag gelangten Mitteilung, der größeren Ersparnis wegen in staatseigenen Zentralen erfolgen. Wenn ich nunmehr zu dem B e t r i e b e l e k t r i s c h e r U n t e r n e h m u n g e n übergehe, so gestattet die vor kurzem neu erschienene Dettmarsche Statistik der Elektrizitätswerke in Deutschland Ihnen ein bis in die neueste Zeit fortgeführtes Bild zu geben, da der Stand per 1. 4. 13 der Statistik zugrunde gelegt ist. Es bestanden am 1. April 1913 über 4100 Elektrizitätswerke. Die Zunahme in den letzten beiden Jahren seit 1. 4.1911 betrug allein ca. 1500, wobei auch die LieferungsGenossenschaften, welche Strom beziehen und unter Zwischenverdienst 2*
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weiter berechnen, mitgezählt sind. Zirka 17500 Orte in Deutschland sind mit Elektrizität versorgt und man kann annehmen, daß etwa
drei Viertel aller Einwohner Deutschlands die Möglichkeit haben, Strom zu beziehen. Das größte Elektrizitätswerk in Deutschland sind die B. E. W., mit ca. 193000 KW Leistung und ca. 250 Millionen KW-Stunden Abgabe im letzten Jahr. Sie versorgen nach eigener
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Angabe eine Fläche von rund ca. 3000 qkm, während das Weichbild Berlins nur ca. 62,5 qkm umfaßt. Die Gesamtleistung der deutschen Zentralen beträgt über 2095000 KW, die Gesamtabgabe von 733 berichtenden Werken ca. 2 Milliarden KW-Stunden. Die B. E. W., die uns hier am meisten interessieren, geben daher ein Achtel dieser Strom2,1 2,0 1.9 1.8
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abgabe ab, während ihre Anlagen ca. ein Elftel der Gesamtleistung umfassen. Einige Diagramme nach obiger Statistik, die ich Ihnen vorführe, geben die Entwickelung der Werke am deutlichsten an: Fig. 2 zeigt die enorme Steigerung des Gesamtanschlusses in den letzten beiden Jahren.. Sie zeigt ferner die Überflügelung des Lichtanschlusses durch den Kraftanschluß. Sodann die stetige Steigerung des Bahnmotorenanschlusses und des Heiz- und Kochstromes.
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Fig. 3 zeigt die Steigerung der gesamten Leistung, dabei die Abnahme der Gleichstromwerke und die Zunahme der Drehstromund gemischten "Werke. Um Ihnen kurz von den S t r a ß e n b a h n e n zu berichten, so ist, abgesehen von Versuchsausführungen, die erste elektrische Bahn 1891 in Halle eröffnet worden. Die Gesamtkilometerlänge der elektrisch betriebenen Bahnen betrug 1896 582, 1900 2868, und 1911 4969 km. Die Hauptentwickelung liegt also Ende des vorigen Jahrhunderts. Heute sind ca. 85% aller Straßenbahnen in Deutschland elektrisch betrieben. Das Anlagekapital der E l e k t r i z i t ä t s w e r k e beträgt im Mittel rund 1000 Mark pro KW. Zentralenleistung, also etwa 2 Milliarden Mark, ihre mittlere Rentabilität beträgt 9%. Hierbei geben im allgemeinen die größeren Werke die bessere Rentabilität, die kleineren Werke die geringere. In den größeren Städten werden die meisten Werke durch die Kommunen selbst betrieben. Von den 48 deutschen Großstädten über 100000 Einwohner finden sich kommunale Elektrizitätswerke in 36 Städten, d. h. ca. 75%, private Betriebe in 7 Städten, d. h. ca. 15%, und gemischte Betriebe in 5 Städten, d. h. ca. 10% aller deutschen Großstädte, darunter Unternehmungen mit erheblicher städtischer Kapitalsbeteiligung nur in 2 Städten, Altona und Straßburg i. Eis. In den Bahnen sind etwa 1,2 Milliarden Mark investiert, mit denen etwa 2 y 2 Milliarden Personen befördert werden. Die Beförderung einer Person kostet daher rund 50 Pfennig an Anlagekosten, was nicht uninteressant ist. Die deutschen elektrischen, öffentlichen Unternehmungen allein umfassen zusammen mehr als das Dreifache des in der Fabrikationsindustrie investierten Anlagekapitals. Der gesamte Umsatz an Strom beträgt etwa ein Drittel Milliarde Mark. Davon entfallen etwa zwei Drittel auf Licht und ein Drittel auf Kraft, da der Strom für Kraft billiger abgegeben wird. — Ich möchte Ihnen nunmehr im Anschluß an diese Ausführungen ein kurzes Bild der G e s a m t b e d e u t u n g der e l e k t r i s c h e n I n d u s t r i e im Rahmen der Deutschen Volkswirtschaft geben. Zunächst ist zu betonen, daß die von der elektrischen Industrie beschäftigten Arbeiter hochbezahlt sind. Stundenverdienste bis zu etwa einer Mark gehören nicht zu den Seltenheiten. Ich werde Ihnen an einem Bild (Fig. 4) zeigen, daß in den letzten
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