Gewerbliche Einzelvorträge: Reihe 6 [Reprint 2020 ed.]
 9783112336748, 9783112336731

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KORPORATION DER KAUFMANNSCHAFT VON BERLIN

Gewerbliche Einzelvorträge Gehalten in der Aula der Handels-Hochschule Berlin Herausgegeben von den

Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin.

Sechste Reihe

Berlin Druck und Verlag von Georg Reimer 1912

Inhalt. I. D i e w i r t s c h a f t l i c h e B e d e u t u n g d e r K ä l t e i n d u s t r i e Vortrag des Herrn Kommissionsrats A l b e r t K r ü g e r , Direktors der Gesellschaft für Markt- und Kühlhallen II. D i e d e u t s c h e P a r f ü m e r i e - u n d Toiletteseifenind u s t r i e in i h r e r f a b r i k a t o r i s c h e n E n t w i c k l u n g u n d w i r t s c h a f t l i c h e n B e d e u t u n g . Vortrag des Herrn Fabrikbesitzers Dr. F r a n z K ö t h n e r , Mitinhaber der Firma J. F. Schwarzlose Söhne III. D i e i n d u s t r i e l l e E n t w i c k l u n g d e r P h o t o g r a p h i e u n d ihre Bedeutung für Handel und Industrie. Vortrag des Herrn C a r l B r e u e r , Prokuristen der Neuen Photographischen Gesellschaft, Act.-Ges IV. D i e E n t w i c k l u n g d e r B e r l i n e r D a i n e n k o n f e k t i o n s I n d u s t r i e . Vortrag des Herrn O s c a r H e i m a n n , Mitglied des Kollegiums der Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin. . . V. D i e E n t w i c k l u n g u n d w i r t s c h a f t l i c h e B e d e u t u n g d e r Z ü n d h o l z i n d u s t r i e . Vortrag des Herrn Fabrikbesitzers C. T h i e m e , Mitinhaber der Firma A. Roller, Maschinenfabrik. . VI. Anhang: L i t e r a t u r n a c h w e i s e . — Von Herrn Dr. R e i c h e , Bibliothekar der Korporation der Kaufmannschaft von Berlin. . .



Seile

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I.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Kälteindustrie. Vortrag des

Herrn Kommissionsrats A l b e r t K r ü g e r , Direktors der Gesellschaft für Markt- und Kühlhallen.

Unter den Errungenschaften, welche die Wissenschaft und Technik in den letzten Jahrzehnten gezeitigt hat, nimmt die Kältetechnik eine hervorragende Stellung ein. Nachdem dieselbe vor etwa 30 Jahren mit kleinen Anfängen begonnen hat und bald darauf in energischem Anlauf ihrer weiteren Entwicklung entgegengeeilt ist, steht sie heute in ihrer großartigen Bedeutung auf den verschiedensten Gebieten der Industrie, des Gewerbes und des Handels achtunggebietend vor uns. Sie hat sich die Erfüllung von Aufgaben auferlegt, die dazu gedient haben, das Fundament für verschiedene Gebiete des wirtschaftlichen Lebens zu bilden, und sie hat in dieselben so tief einzugreifen vermocht, daß die Kälteerzeugung und -Verwertung sich zu einem unentbehrlichen Faktor ganzer Industrien und Handelszweige entwickelt hat. Die Kälteindustrie hat vornehmlich ihren Sitz in Europa und Amerika, und besonders die großen germanischen Länderg« biete sind ihre Heimat. — Deutschland benutzt mehr Kältemaschinen als Frankreich, Schweden mehr als Italien, Dänemark mehr als Spanien. Wollen wir uns über die wirtschaftliche Bedeutung der für Geweibe, Industrie und Handel tätigen Kältetechnik ein Bild machen, so wird es sich darum handeln, einerseits Bedeutung und Umfang der mit der Herstellung, Unterhaltung und Bedienung der Kältemaschinen beschäftigten Betriebe und Arbeiterschaften festzustellen und andererseits die aus der Anwendung der Kälte hervorgehenden wirtschaftlichen Wirkungen zu betrachten. Einen zahlenmäßigen Begriff von der Ausdehnung des Gebietes in beiden Richtungen bietet die Tatsache, daß von demjenigen System von Kältemaschinen, welche den Namen „Linde" tragen, in den letzten 25 Jahren 5600 Stück an 3200 verschiedene Stellen geliefert worden sind; hiervon entfallen 2350 Anlagen im Werte von 95 Millionen Mark auf Deutschland, 500 Anlagen im Werte von 24 Millionen Mark auf das Ausland. Nun beschäftigt sich gegenwärtig bereits eine große Anzahl von Maschinenfabriken in Deutschland mit dem Bau von

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Kältemaschinen, und es kann angenommen werden, daß sie gegenwärtig mindestens doppelt soviel Kältemaschinen liefern wie die „Linde-Gesellschaft" allein; somit ergibt sich eine Jahresproduktion im Betrage von ungefähr 20 Millionen Mark. Im Zusammenhang damit stehen auch die zahlreichen Gründungen von Gesellschaften und Geschäftsfirmen, die sich mit Verwertung der Kältemaschinen beschäftigen. Es sollen hier nun insbesondere die wirtschaftlichen Wirkungen betrachtet werden, die „unmittelbar" aus der Anwendung der Kältemaschinen hervorgehen: Die gesamten 5600 Lindeschen Maschinen sind imstande, eine Kältemenge zu erzeugen, welche dem Schmelzen einer Eismenge von 660 Millionen Zentner im Jahre oder von täglich 21/i Millionen Zentner entspricht. Über die Art der Verwendung dieser Leistungsfähigkeit gibt zunächst folgende Zusammenstellung Aufschluß: Es befinden sich diese Maschinen in 1468 Bierbrauereien, 75 chemischen Fabriken, 10 Stearinfabriken, 37 Schokoladenfabriken, 707 Fleischkühlanlagen, 131 Butterfabriken und Molkereien, 6 Schaumweinfabriken, 5 Bergwerken, 389 Eisfabriken, 13 Zuckerfabriken, 10 Gummifabriken und in 352 Kühlhausanlagen. Diese trockenen Zahlen geben zunächst nur ein Bild von der Mannigfaltigkeit der Anwendung. Jedem dieser Gebiete gehören bestimmte und eigenartige Gestaltungen der Kälteanlagen mit technischen und wirtschaftlichen Wirkungen an, die sich zwischen den verschiedenen Gebieten, ja selbst innerhalb eines Gebietes wesentlich voneinander unterscheiden. Über diese Wirkungen läßt sich deshalb kaum etwas allgemein Gültiges sagen. Es erscheint vielmehr erforderlich, sie für die einzelnen Gruppen gesondert zu betrachten. Da dies natürlich im Rahmen dieser Besprechung nicht für alle Gruppen möglich ist, so greife ich diejenigen heraus, welche ihrem Umfange nach an erster Stelle stehen und am meisten interessieren. Die überwiegende Stellung nimmt die Brauindustrie ein, denn 46% aller gelieferten Kältemaschinen stehen in ihrem Dienst. In den Bierbrauereien hatte sich bereits vor dem Auftreten der Kältemaschinen eine Kältetechnik mit Hilfe von Natureis entwickelt, welche insbesondere die Aufgabe zu erfüllen hatte, die Lagerkeller auf bestimmten kühlen Temperaturen zu erhalten. Die Spatenbrauerei in München war die erste, welche eine Kühlmaschine erhielt;

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ihr folgten später alle andern nach, denn durch den maschinellen Betrieb wird gegenüber den Kosten des Natureisbetriebes mindestens ein Drittel gespart. An zweiter Stelle steht in wirtschaftlicher Hinsicht die Verwendung der Kältemaschinen für die Konservierung von Fleisch. Dabei handelt es sich entweder um die zeitlich beschränkte Aufbewahrung von frischem Fleisch bei Temperaturen von 0 Grad oder um die beliebig lange Aufbewahrung bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Die letztere spielt bei uns in Deutschland und überhaupt auf dem europäischen Festlandc nur eine untergeordnete Rolle, während die crstere Art bei uns heute schon weit verbreitet ist und fortwährend so fortschreitet, daß bald zu jedem Schlachthofe von einiger Bedeutung als wesentlicher Bestandteil ein Fleischkühlhaus gehören wird. Bekanntlich besteht die Wirkung dieser Kühlhäuser darin, daß die Haltbarkeit frischen Fleisches auf mehrere Wochen verlängert wird, nicht bloß, ohne daß das Fleisch Schaden nimmt, sondern auch unter Erhöhung seiner Güte infolge des dabei stattfindenden Reife prozcsses. Die wirtschaftlichen Erfolge dieses Betriebes sind folgende: Bei der früher allgemein und jetzt noch vielfach verwendeten Eiskühlung wurde das Fleisch nach 4 bis 5 Tagen schmierig, bekam einen unangenehmen Geruch, mußte vor dem Verkauf gewaschen und von den übelriechenden Anschnitten befreit werden. Die Fäulniserreger fanden im Eiskeller günstigen Nährboden; der Reifeprozeß konnte nicht vollendet werden. Demgegenüber werden in den Kühlhäusern Verluste durch Verderben der Ware infolge der Witterungseinflüsse unbedingt vermieden. Das Fleisch behält ein tadellos frisches Aussehen. Es spielt neben der Temperatur, die, wie ich bemerkte, in den Fleischkühlräumen, wenigstens in unsern Kühlhäusern, auf 0 Grad gehalten wird, die Trockenheit der Luft eine wesentliche Rolle. Wenn die Luft im Fleischraum zu feucht ist, wird das Fleisch glitschrig und bekommt ein unangenehmes Aussehen. Ist die Luft dagegen zu trocken, dann trocknet das Fleisch sehr ein und hat Verlust am Gewicht. Man hat also die Aufgabe, die Lufttrockenheit so zuhalten, daß sich keine der beiden erwähnten Schattenseiten geltend macht. Die Luft muß einen Trockenheitsgrad von 80 bis 85% haben, und wenn dieser innegehalten wird, dann behält das Fleisch seine frische rote Farbe 4 bis 5 Wochen lang, und es verliert nicht an Gewicht.

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Dem Fleischer bietet sich das Mittel, die für ihn günstige Marktlage auszunutzen, da er imstande ist, stets einen eisernen Bestand von Fleisch vorrätig zu halten. Die Kühlhäuser bilden Akkumulatoren zwischen Anlieferung und Verbrauch und wirken anregend auf die Fleischpreise ein, da bei vorhandenem Lager der Lieferant allzu großen Anforderungen vorübergehender Art stets entgegentreten kann. Vergegenwärtigt man sich, daß ein dichtes Netz von solchen Fleischkühlhäusern über ganz Deutschland teils schon verbreitet, teils in der Verbreitung begriffen ist so wird auch ohne weitere Angaben von Zahlen der volkswirtschaftliche Nutzen einer Verbesserung in der Beschaffung eines so wichtigen Nahrungsmittels einleuchtend sein. Noch mehr in die Augen springend ist dieser Nutzen aber da, wo auch zahlreiche und ausgedehnte Gefrieranlagen vorhanden sind, wie in Großbritannien, welche die Aufgabe erfüllen, frisches Fleisch aus allen Teilen der Welt, in denen Überfluß vorhanden ist, für die Ernährung des Volkes heranzuziehen. Insbesondere sind es die La Plata-Länder, sowie Australien und Neuseeland, die neben den Vereinigten Staaten von Nordamerika in Betracht kommen. Es seien hier aus dem englischen Handelsbericht einige Zahlen für ein Jahr zusammengestellt: Die Einfuhr gefrorener Schafe in England hat durchschnittlich im Jahr betragen: aus den La Plata-Ländern 3,20 Millionen Stück, aus Australien 1,37 Millionen Stück, aus Neuseeland 3,70 Millionen Stück, zusammen 8,27 Millionen Stück mit einem Gewicht von 3'/J Millionen Zentner, das ist auf den Kopf der ganzen Bevölkerung rund 5 Kilo = 10 Pfund. Diese Einfuhr vollzieht sich in der "Weise, daß in den Erzeugungsgebieten die Herden von den Weideplätzen zwischen radialen Einzäunungen nach den Schlachthäusern getrieben werden, die bei den Hafenplätzen angelegt sind. Die Tiere werden in technisch vollkommenster Weise untersucht, geschlachtet und zubereitet. Die Köpfe, Beine und Eingeweide werden abgesondert und jeder Körper in einen Sack von weißem Baumwollstoff gehüllt. Innerhalb 24 Stunden wird das frisch geschlachtete Fleisch in fest gefrorenen Zustand versetzt und in Lagerhäuser gebracht, die auf 6 bis 10 Grad Kälte gehalten sind. Aus diesen Lagerhäusern wird es in die wiederum mit

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Kältemaschinen versehenen Frachtschiffe verladen, welche mehr als 100 000 Stück Hammel aufzunehmen vermögen. Das Ausladen in England (fast ausschließlich in London und Liverpool) findet unmittelbar in die zahlreichen, dortselbst befindlichen Gefrierhäuser statt, wo das Fleisch, ohne irgendwelche Veränderung zu erleiden, so lange liegen kann, bis es zum Verbrauch kommt. Die Flotte, welche mit der Verfrachtung gefrorenen Fleisches nach England beschäftigt ist, umfaßt zurzeit 172 Schiffe, die einzeln imstande sind, je 5000 bis 130 000 Hammel aufzunehmen. Sie bringen auch das gefrorene Rindfleisch von Argentinien nach England. Welche außerordentliche volkswirtschaftliche Bedeutung für die Ernährung der Arbeiterbevölkerung in diesen Zahlen liegt, wird ohne weitere Erläuterung einleuchten. Wenn jetzt vielfach in Deutschland über Fleischteuerung geklagt und über die Mittel zu ihrer Beseitigung beraten worden ist, so blieb wohl mit Unrecht die Frage ausgeschlossen, ob nicht die Hindernisse beseitigt werden könnten, die einer ähnlichen Ergänzung unserer Fleischerzeugung entgegenstehen. Es fällt diese Frage ja in den weiteren Zusammenhang von Überlegungen, welche mit dem Widerstreit der Interessen der Landwirtschaft und der Gesamtbevölkerung zusammenhängen und auf die hier weiter einzugehen ich mich nicht berufen fühle. Wenn das Bier und das Fleisch in unserer Betrachtung der wirtschaftlichen Wirkung der Kältetechnik an erster und zweiter Stelle stehen, so ist dies dadurch veranlaßt, daß ihre Verbreitung die weitgehendste ist. Die übrigen Verwendungsarten maschineller Kälte haben vielfach eine weit größere, ja ausschlaggebende Bedeutung für den besonderen industriellen Betrieb. Bevor ich auf zwei Gattungen von solchen Kälteanlagen besonders eingehe, weil sie sich durch ihre allgemeine Bedeutung auszeichnen — ich meine die Kühlhäuser im engeren Sinne und die Eisfabriken —, will ich hinsichtlich der sonstigen Verwendungsarten der Kälte nur erwähnen, daß auch die chemische Industrie, insbesondere unsere weltbeherrschende Farbenindustrie, davon Gebrauch macht, ebenso wie die Molkereien und Butterfabriken ihre Erzeugnisse hochwertiger gestalten und vor dem Verderben schützen, wie die Zucker-, Stearin-, Schaumwein-, Schokoladenfabriken Kältemaschinen in ihren Dienst gestellt haben, wie bei dem Abteufen von Bergwerksschachten schwimmendes Gebirge in felsenharten Baugrund verwandelt wird, wie bei Temperaturen von

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190 Grad Kälte die atmosphärische Luft flüssig gemacht und in ihre Bestandteile zerlegt wird. Die Kühlhäuser im engeren Sinne sind Lagerhäuser, welche Lebensmittel und überhaupt organische Stoffe aller Art vor unerwünschten Veränderungen dadurch schützen, daß diese in Räumen gelagert werden, die je nach Art und Bedürfnis der "Ware auf den zweckmäßigen Temperaturen, teils über, teils unter dem Gefrierpunkte und auf bestimmten Feuchtigkeits- bzw. Trockenheitsgraden gehalten werden. Diese Kühlhäuser spielen insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika und England eine Rolle, von der wir auf dem europäischen Festlande noch sehr weit entfernt sind. Der Handel mit Lebensmitteln hat -sich in jenen Ländern in weitgehender Weise darauf eingerichtet, in den Kühlhäusern die Haltbarkeit derselben zu verlängern. Die Verwendung der Kälte ist dort weit allgemeiner durchgeführt als bei uns. Ich brauche, um einen Begriff von der Ausdehnung der Kältetechnik zu geben, nur zu erwähnen, daß schon vor einigen Jahren in Nordamerika allein 60 Kühlhäuser für Aufbewahrung von Äpfeln gezählt wurden. Norddeutschland ist dem Süden in der Verwendung der Kühlhäuser vorangegangen. Große öffentliche Kühlhäuser befinden sich in Hamburg, Altona, Berlin und Frankfurt a. M., Kühlhäuser mittlerer Größe besitzen Leipzig, Cöln, Barmen, Nürnberg und Dresden. Unter den Gütern, welche in Kühlhäusern gelagert werden, seien nachstehend die wichtigeren besprochen: Für Wild und Geflügel trifft in erhöhtem Maße zu, was oben bezüglich der Fleischkühlräume gesagt ist. Auf diesem Handelsgebiete dienen die Kühlhäuser wesentlich dazu, den Ausgleich zwischen Anlieferung und Verbrauch zu ermöglichen und auf die Verkaufspreise regelnd einzuwirken. Es ist staunenswert, in wie wenigen Jahren sich die Wild- und Geflügelbranche in so umfangreicher Weise die Kälteindustrie nutzbar gemacht hat. Das Vorurteil, welches in früheren Jahren gegen die sogenannte „Kühlhausware" bestand, und stellenweise auch noch anzutreffen ist, darf heutzutage doch als überwunden angesehen werden. Wer gute Ware einbringt, nimmt gute heraus, das weiß jeder, der mit Kühlräumen zu tun hat. Aber nicht nur der Erhaltung und dem Schutze vor Verderbnis der Ware dient die Kaltlagerung, sondern in hervorragendem Maße auch der Erhöhung seiner Güte infolge des statt-

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findenden Reifeprozesses. Während des Hängens verliert das Fleisch schon in wenigen Tagen 25 % seiner Zähigkeit, die vollständige Reifung vollzieht sich während einer 2—3wöchigen Aufbewahrung im Kühlhaus. Es ist bekannt, daß Fleisch, welches die vollständige Tafelreife erlangt hat, leichter und vollständiger verdaulich ist als frisches und deshalb einen größeren Nährwert besitzt. Es gelangen nach meiner Schätzung in den Berliner Kühlhäusern durchschnittlich im Jahre 150 000 Hasen, 10 000 Rehe, 3000 Hirsche und 60 000 Fasanen zur Konservierung. Ich möchte hier einschalten und zwar anschließend an die vorherige Bemerkung wegen der sog. Kühlhausware, daß es allerdings noch selbst gebildete Menschen gibt, die behaupten, sie können Geflügel oder "Wild aus Kühlhäusern nicht essen, das wäre nicht so wie frisches; und doch kommt alles, was Sie in den feinen Berliner Wein- und Bierrestaurants und in den Hotels essen, aus dem Kühlhause. Fast alles, was Sie von Ihrem Wild- und Delikatessenhändler beziehen, kommt aus dem Kühlhause. Alles, was die Kaiserliche Küche verbraucht, mag es Hirsch-, mag es Rehrücken, Rebhuhn oder sonst etwas sein, kommt aus dem Kühlhause. Bedenken Sie den Zustand in den früheren Zeiten, als es noch keine Kühlhäuser gab. Wenn damals in den Zeiten der Hasentreibjagden, die jetzt gerade vorbei sind, in Berlin täglich vielleicht 10 000 oder 15 000 Hasen einliefen, hat man, als man die Kühlhäuser nicht besaß, sie sofort an den Markt bringen müssen, und der diesen schnellen Verkauf und die Aufbewahrung im eigenen Haushalt begleitende üble Umstand war der, daß vielfach Wild zur Verzehrung kam, welches eigentlich nicht mehr hätte verzehrt werden söllen, weil es sich nicht mehr dazu eignete. Es haben die Kühlhäuser gerade auf diesem Gebiete eine wahre Wohltat geübt; denn in denselben können Hasen oder Rehrücken, oder was es sein mag, längere Zeit eingelagert werden, und wer Gewicht darauf legt, gutes, reines und tadelloses Geflügel oder Wild zu bekommen, der kann das nur erhalten, wenn er solche Ware kauft, die im Kühlhause unter Beobachtung der Regeln der Kältetechnik konserviert und reif gemacht worden ist. Ich möchte noch bemerken, daß wir versuchshalber in unserer Anlage einmal einen Hirsch 12 Monate, also ein ganzes Jahr in Gefriertemperatur haben hängen lassen. Es ist dann der Hirschrücken aufgetaut und zubereitet worden, und es wurden verschiedene Herren

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zugezogen, die sich durch besonderen Geschmack und sonst als Kenner für Eßwaren auszeichneten; es war nur eine Stimme darüber, daß ein Hirschrücken nicht schöner schmecken könne. Von vitalem Interesse ist weiterhin das Vorhandensein von Kühlhäusern für die Konservierung der Eier, welche in erster Linie von Rußland, dann auch von Galizien nach Deutschland und anderen Ländern ausgeführt werden. Soweit ich über das Material verfüge, welches mir von den Werken meiner Gesellschaften in Hamburg, Altona und Berlin, sodann von unseren Schwesterunternehmungen in Leipzig und Cöln, sowie von Werken in Frankfurt a. M. und Barmen zugänglich ist, sind jährlich durchschnittlich etwa 12 000 Quadratmeter Kühlraumfläche mit Eiern in Kisten von 1440 Stück = 24 Schock belegt. Das macht im ganzen 88 800 Kisten ä 1440 Stück = 128 Millionen Eier, die bei einem Durchschnittswerte von 80 Mk. pro Kiste die Summe von rund 7 100 000 Mk. darstellen. Man kann aus diesen Ziffern ersehen, von welcher großen Bedeutung der Eierhandel für die Kälteindustrie und diese für den Eierhandel ist. Diese gewaltigen Mengen von Eiern dienen zur Versorgung des Marktes während der kalten Jahreszeit, in der die Produktion nur gering ist. Die Eier werden bei 0 Grad aufbewahrt und können ein halbes bis dreiviertel Jahr lagern, ohne an Güte etwas zu verlieren, wenn der richtige Trockenheitsgrad der Luft, der für die gute Konservierung ausschlaggebend ist, vom Kühlhause geliefert wird. Das gute Kühlei ist von einem frischen Ei kaum zu unterscheiden; es behält den frischen Geschmack und bietet als gekochtes Ei während der ganzen Winterzeit eine angenehme Kost. Die Eier, die in großen Mengen hauptsächlich von Rußland ankommen, werden hier abgeleuchtet. Es wird in einem dunklen Raum das Ei gegen eine elektrische Flamme gehalten, so daß man sehen kann, ob der Inhalt intakt ist. Ist das der Fall, dann werden die Kisten in dem Kühlraum eingelagert, und die Eier werden dann während der Zeit gewöhnlich von Anfang November bis Anfang Februar verkauft. Zwischen den im Kühlhause aufgestapelten Kisten liegen Holzlatten, damit keine unmittelbar die andere berührt; denn es ist wesentlich, daß die kühle Luft die Kisten von allen Seiten bestreichen kann. Sie sind auch mit Spalten hergestellt, gleichfalls zu dem Zweck, daß die Kälte durch diese in das Innere der Kiste eindringen kann. Die Eier liegen in Holzwolle verpackt innerhalb der Kisten.

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Es ist sehr oft gefragt worden, warum gerade die Eier in so großen Mengen von Rußland kommen, warum denn wir die Millionen dafür jedes Jahr nach Rußland schicken müssen. Das liegt an natürlichen Ursachen. Hier bei uns in Deutschland kann der Landmann seine Hühner nur füttern, indem er ihnen Abfälle aus der Küche und sonst etwas gibt, oder er jagt sie auf Wiesen und Gärten und läßt sie dort ihre Nahrung suchen. In Rußland ist das Körnergetreide weit billiger als bei uns. Infolgedessen ist der russische Bauer imstande, seine Hühner mit Getreide zu füttern, und das ist ganz wesentlich für die Bildung des Fleisches des Huhns. Man kann schließlich beim Menschen auch beobachten, wie sich bei verschiedenartiger Ernährungsweise sein Körper verändert. Das russische Huhn ist fleischiger und das Ei ist konservierungsfähig. Ein von einem deutschen Huhn gelegtes Ei würde sich nicht 6 bis 9 Monate im Kühlhause konservieren lassen, und das hat seine Ursache eben in der Ernährungsweise des Huhns. Das russische Ei ist widerstandsfähiger, die Schale ist allerdings auch etwas dicker und fester. Aus diesen Gründen kann nur das russische Ei für die Einlagerung in Betracht kommen. Ebenso liegt es mit Butter; dieselbe ist ein Welthandelsartikel und ein bedeutender Stapelplatz dafür unsere Reichshauptstadt Berlin. Ich bemerke, daß Berlin der größte Butterhandelsplatz auf dem Kontinent ist. Die Berliner Buttergroßhandlungen schließen mit den Molkereien in Holstein, Mecklenburg, Ostpreußen usw. ab. Es werden in den Berliner Kühlhäusern zeitweise 5000 Quadratmeter damit belegt. Auf ein Quadratmeter Grundfläche gehen 20 Faß, das macht für 5000 Quadratmeter 100 000 Faß. Rechnet man für ein Faß einen Durchschnittswert von 100 Mk., so beläuft sich der Wert der jährlich in Berlin eingelagerten Buttermengen auf 10 Millionen Mark. Auch für diesen Handelszweig ist das Kühlhaus eine unentbehrliche Grundlage geworden. Bekanntlich ist während der Grasbutterperiode in den Monaten Mai, Juni und Juli die Produktion eine so reichliche, daß sie den Konsum übersteigt, — die überschießenden Mengen werden dann eben in den Kühlhäusern aufgestapelt und im Herbst und Winter dem Markte zugeführt. In erster Linie handelt es sich hierbei um inländische Butter, doch führt auch Rußland bzw. Sibirien dem deutschen Markte erhebliche Mengen zu, ebenso auci Holland seit den letzten Jahren.

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Ich möchte hier noch bemerken: bei uns in Deutschland wird Gott sei Dank nur gesalzene Butter gegessen, und infolgedessen hat der Buttergroßhandel bei uns ganz andere Bedeutung als in Süddeutschland. In Süddeutschland, wo man die meines Erachtens unverdaulichere ungesalzene Butter ißt, lassen sich natürlich große Mengen nicht aufsparen. Es wird Ihnen allen schon passiert sein, wie es mir neulich in München gegangen ist: da habe ich morgens ungesalzene Butter vorgesetzt bekommen, und als ich abends wieder von der Butter aß, war sie schon ranzig. Die Butter wird nicht allein in Süddeutschland, sondern auch in allen romanischen Ländern schnell konsumiert, und darum findet kein Einlegen statt. Es führt sich aber nach und nach die gesalzene Butter in Süddeutschland mehr ein und zwar für den Großbedarf, für Kochzwecke, damit man unabhängig von der Zufuhr wird. Die Kältetechnik hat auch dem Handel mit Fischen derartig wertvolle Dienste geleistet, daß derselbe einen bedeutsamen Umfang angenommen hat. Dies gilt besonders von Lachs und Zander, welche von Kanada einesteils und dann auch von Rußland (Sibirien) in alle Welt verschickt werden. Ich flechte hier gleich wieder ein, alles, was man in Berlin an Lachs und Zander — bei dem letzteren Fisch will ich wenige Ausnahmen gelten lassen, es gibt ja auch lebende Zander — ißt, kommt aus den Kühlhäusern. Wer einigermaßen mit diesem Artikel bekannt ist, der merkt, wenn ihm in einem noch so feinen Hotel Lachs vorgesetzt wird, sofort heraus, ob er es mit Kühlhausware oder frischem Lachs zu tun hat. Aber frischen Lachs bekommen wir kaum noch; denn der Lachs kommt nur noch spärlich zu uns in den Rhein, weil die Holländer alle Fische wegfangen. Draußen in Ostsibirien sind die Flüsse und besonders der Amur äußerst reich an Lachs und Stör, die während der Laichzeit in ungeheuren Schwärmen vom Meere in die Flüsse hinaufziehen. Die Fischzüge werden von Fischern, die besonders in der Amurmündung ansässig sind, gefangen. Der mit Kühleinrichtung versehene Dampfer liegt auf dem Amurstrom vor Anker und erhält die frischen Lachse im Gewichte von 8 bis 10 Pfund und mehr längsseit durch die Fischer geliefert. In den Gefrierräumen des Schiffes wird eine Temperatur von 8 bis 10 Grad Celsius unter Null gehalten, die frischen Fische werden darin aufgehängt oder auf Latten gelegt und in etwa 15 Stunden

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durchgefroren. Sie werden alsdann von den Hängegerüsten abgenommen und in Wasser von etwa 0 Grad getaucht. Dasselbe friert sofort an der erstarrten Oberfläche des Fisches und bildet eine glasartige Schicht. Dieses „Glasieren" dient dazu, das Aussehen des Fisches zu erhalten und das Äußere zu schützen. Hier ist auch zu beobachten, daß man diesen Prozeß nur mit einem lebenden Fisch durchführen kann, und der Fischhändler, der mit gefrorerenem Fisch handelt, sieht dem Fisch sofort an, ob er nach der Absterbung in den Gefrierraum gekommen ist oder lebend, und zwar deshalb, weil der lebend ins Gefrierhaus gebrachte Fisch ein ganz klares Auge behält, der andere nicht. Man braucht also dem toten Lachs oder Zander nur in die Augen zu schauen, dann weiß man gleich, welchen Todes er gestorben ist. Die so behandelten Fische werden alsdann in Pergamentpapier geschlagen und zu je 10 bis 20 Stück in Kisten gepackt, die im Gefrierraume des Dampfers verstaut und unter beständiger Kälte von 7 bis 8 Grad Celsius während der Reisedauer gehalten werden. Im Bestimmungshafen wird die Ladung dann entlöscht und die Fische, welche in dem gefrorenen Zustand ganz gut einen Eisenbahntransport von 12 bis 20 Stunden aushalten, zur weiteren Konservierung in die Gefrierrätume geschafft, um von dort nach und nach dem Konsum zugeführt zu werden. Die Einfuhr dieser Fische ist, und zwar infolge der hohen Fleischpreise, von Jahr zu Jahr gestiegen und sie hat die Höhe von 75 000 Zentnern jährlich bereits überschritten. Ein Teil des Lachses wird in den Produktionsländern leicht gesalzen und in diesem Zustande — natürlich mit Kühlschiffen — nach Deutschland gebracht, um alsdann in die Lachsräuchereien zu gehen, die ihn über ganz Deutschland verbreiten. Der ebenfalls von Rußland eingeführte Kaviar nimmt zwar in den Berliner und Hamburger Kühlhäusern nur eine Fläche von ungefähr 250 Quadratmetern ein, stellt jedoch jährlich einen "Wert von rund 4 Millionen Mark dar. Früher kam derselbe in großen Holzfässern von Rußland her. In diesen Fässern war er teilweise lose verpackt, teilweise auch wieder in Blechbüchsen. Die lose Verpackung hat den Nachteil, daß sich viel Kaviar an der Innenfläche ansetzt und verloren geht. Es hat sich in der Praxis herausgestellt, daß der Handel in den Büchsen praktischer und besser ist. Infolge-

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dessen wird der Kaviar seit ein paar Jahren nur in diesen Blechbüchsen eingeführt. Man macht einen Unterschied zwischen gesalzenem und ungesalzenem Kaviar. Den ungesalzenen kennt man gleich an der Farbe. Der Kenner weiß, daß er großen graukörnigen Kaviar verlangen muß. Dieser braucht eine tiefere Temperatur als der gesalzene. Der ungesalzene braucht 3 Grad unter Null zu seiner Konservierung, während beim gesalzenen Kaviar 0 Grad oder 1 Grad unter Null genügt. Neben Eiern ist die Aufbewahrung von Kaviar in den Kühlhäusern die schwierigste. Man muß 3 Grad unter Null halten, und trotzdem muß der Feuchtigkeitsgrad der Luft im Kaviarraum 98 bis 99% betragen. Diese Aufgabe ist technisch nicht so leicht zu lösen; bei guten technischen Einrichtungen aber läßt sich der Erfolg durch eine entsprechende Anordnung der Rohrsysteme erreichen. Mit Matjesheringen sind nach meiner Schätzung in den deutschen Kühlhäusern ungefähr 4000 Quadratmeter Fläche belegt. Wie bekannt ist, findet der Fang und mithin die Einlagerung in den Monaten Mai und Juni statt, und der wahre Kenner eines guten Matjesheringes ißt ihn am liebsten erst in den Monaten Februar bis April (zu neuen Kartoffeln), weil er dann richtig durchgepökelt und auf die Höhe seiner Schmackhaftigkeit gelangt ist. Zuletzt gedenke ich noch der Maiblumen, die ebenfalls regelmäßige Pensionäre der Gefrierräume sind und dort friedlich neben Rehen und Hasen ihren Winterschlaf verrichten. Der Maiblumenkeim ist nämlich eine Keimsorte, die nicht ausschlägt, wenn sie nicht einen Winterschlaf, d. h. eine Frostzeit durchgemacht hat. Indem man nun die Keime in den Gefrierraum bringt, dehnt man ihren Winterschlaf beliebig lange aus, die Gärtner nennen diese Prozedur das „Hinhalten". Die Maiblumenkeime nehmen große Flächen im Kühlhause ein, ich schätze sie in Deutschland auf 800 bis 900 Quadratmeter. Auf dieser Fläche lagern etwa 28 Millionen Keime im Werte von 800 000 Mk. Sie werden in Kisten verpackt und mit feuchtem Moos umgeben, um sie vor dem Austrocknen zu schützen. Eingeliefert werden die Keime im Dezember und Januar, um in den Herbstmonaten September, Oktober und November herausgenommen zu werden; in das warme Zimmer gebracht, glaubt der Keim, sein Winterschlaf sei nun zu Ende, und er braucht dann nur

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9 bis 12 Tage, um sich zur blühenden Maiblume zu entfalten. Die Keime werden in gefrorenem Zustande nach England, Frankreich und Amerika geschickt. Zu großen Erfolgen hat es die Kälteindustrie auch in der Konservierung gärtnerischer Erzeugnisse gebracht. Die Kaltlagerung von Obst und Gemüsen hat bereits eine wirtschaftliche Bedeutung erlangt, indem der Überfluß der einen Jahreszeit gleichmäßig über einen großen Teil des ganzen Jahres verteilt werden kann. Die erhaltende Kraft der Kälte ist dadurch, wie bei anderen Lebensmitteln, auch für Obst und Gemüse mehr und mehr in Anwendung gezogen worden, Das Obst und die Gemüse — wir haben es auch mit Blumen zu tun, die aus Südfrankreich kommen —• werden in den Kühlraum eingebracht und bleiben dort so lange, bis sich die Konjunktur gebessert hat und günstiges "Wetter für den Verkauf eingetreten ist. Deutschland führt viel Gemüse und Obst aus südlichen Ländern ein; Italien, Südfrankreich, Ungarn, Tirol und Holland versorgen uns mit frischcn Gartenerzeugnissen zu verhältnismäßig billigen Preisen. Das Kühlhaus beherbergt zeitweise große Mengen von "Weintrauben, Aprikosen, Birnen, Pfirsichen, Pflaumen und Blumenkohl, ebenso wird, namentlich in letzterer Zeit, gedörrtes Obst in größeren Mengen eingelagert. Zum Schlüsse noch ein Wort über die Eisfabrikation. In unserem Klima besteht die Leistung der Eisfabriken darin, daß sie den Eisbezug unabhängig machen von der jeweiligen winterlichen Natureisernte und daß destilliertes, vollkommen keimfreies Wasser zur Herstellung des Eises verwendet werden kann, während bekanntlich das Natureis häufig der Träger bedenklicher organischer Verunreinigungen ist. In den heißen Ländern aber — insbesondere an den von den Seehäfen entfernt liegenden Orten — bieten vielfach die Eisfabriken die einzige Möglichkeit, sich jene Vorteile für Wirtschaft und Gesundheit zu beschaffen, die bei uns in- und außerhalb des Hauses Natureis und Kältemaschinen gewähren. So ist die Eisfabrikation über die ganze Erde verbreitet und die Zahl der Werke zählt nach Tausenden. Die in der Reichshauptstadt Berlin hergestellte Menge von Kunsteis schätze ich auf 4 Millionen Zentner pro Jahr. 2*

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Die wirtschaftliche Bedeutung der Kälteindustrie.

Wenn meine Mitteilungen auch keine abgeschlossene Ubersicht über die wirtschaftlichen "Wirkungen der Kältetechnik gewähren konnten, so läßt sich doch daraus ersehen, welche Bedeutung die Kälteindustrie in einer verhältnismäßig kurzen Zeitdauer gewonnen hat. Mit vollen Segeln eilt sie ihrer weiteren Entwicklung zu, um beizutragen zu der Vermehrung der Güter, die unser technisches Zeitalter hervorgebracht hat.

n. Die deutsche Parfümerie- und Toiletteseifenindustrie in ihrer fabrikatorischen Entwicklung und wirtschaftlichen Bedeutung. Vortrag des Herrn Fabrikbesitzers D r . F r a n z

Köthner,

Mitinhabers der Firma J . F. Schwarzlose Söhne.

Sehr geehrte Herren! Mir wurde von den Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin der ehrenvolle Auftrag, vor diesem Auditorium einen Vortrag über die Fabrikation und den Handel von Toiletteseifen und Parfümerien zu halten. Ich habe gern diese Aufgabe übernommen, wenn mir auch von Anfang an klar war, daß es nicht leicht sein würde, in einer immerhin beschränkten Zeit iu dieses weitverschweifte Gebiet einen Einblick zu gewähren, ohne sich in Einzelheiten zu verlieren und doch das allgemeine Interesse wach zu halten. Ich hoffe, daß es mir gelingen wird, Ihnen einiges zu sagen, was Ihnen noch nicht bekannt ist und wissenswert erscheint. Ich teile meinen Vortrag ein in: 1. Toiletteseifen, 2. Parfümerien. Um zuerst etwas Geschichtliches überhaupt über Seife zu sagen, möchte ich erwähnen, daß im klassischen Altertum zur Zeit des Homer wahrscheinlich überhaupt noch keine Seife bekannt war. Man verwandte damals zur Reinigung Holzasche, Sand und Pflanzenabkochungen. Plinius, 23 bis 79 n. Chr., erwähnt, daß die Gallier und Phönizier aus Ziegentalg und Buchenasche ein Produkt herstellten, welches wohl unserer Seife nahegekommen sein dürfte. Galenos (132 bis 201 n. Chr.) spricht zuerst von deutscher, zu Reinigungszwecken dienender Seife. Wenn auch dieses ursprünglich nur ein Gemisch von Fett und Asche gewesen sein dürfte, so finden wir hierin doch die Vorgänger für das vollendete spätere Produkt vor. Die erste Verbesserung entstand dadurch, daß man aus der Asche, welche aus Alkali-, Kalium-, Natrium- und Lithium-Carbonaten besteht, durch Kochen mit Ätzkalk die Alkalioxyde in Freiheit setzte

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und durch Bindung der Kohlensäure an das Calcium eine innige Bindung zwischen Alkalioxyd und Fett ermöglichte. Diese Art der Seifensiederei zog sich noch jahrhundertelang hin und wurde ursprünglich im Haushalte betrieben. Erst allmählich entwickelte sie sich zu einem Fabrikations betrieb, in welchem vom 15. bis zum 17. Jahrhundert Marseille und Genua die Führung besaßen. Ein erheblicher Umschwung erfolgte durch die Entdeckung Chevreuls 1812 über die Natur der Fette. Chevreul stellte fest, daß alle fetten Gemische von Glyzerinestern der Olein-, Palmitin- und Stearinsäure seien, also hochmolekarer, teils gesättigter, teils ungesättigter Säuren der Fettreihen, welche durch Kochen mit Alkalihydroxyden unter Abscheidung von Glyzerin die fettsauren Alkalisalze bilden; und diese fettsauren Alkalisalze sind eben die Seifen. Dieser Prozeß, genannt der Yerseifungsprozeß, spielt in der ganzen organischen Chemie eine äußerst große Rolle, denn man bezeichnet mit ihm jede Zerlegung von Estern durch Alkalihydroxyd oder Wasser in Säuren und Alkohol. Seit Chevreuls Entdeckung werden nun alle Seifen nach dieser Theorie hergestellt, und ich werde nun sofort auf die verschiedenen technischen Methoden des 19. Jahrhunderts übergehen. Zunächst dürfte es Sie vielleicht interessieren, welche Fette in der Toilette-Seifen-Fabrikation — über die ja ich hier nur sprechen kann, da ich über die Hausseifenfabrikation und -Industrie nicht orientiert bin — zur Verwendung gelangen. Es sind dies 1. tierische Fette, Rinder- und Hammeltalg und Schweinefett, 2. pflanzliche Fette, Kokosöl, Palmöl, Palmkernöl, Mandelöl, Erdnußöl und Rizinusöl. Die tierischen Fette brauche ich Ihnen nicht weiter zu erklären, ich darf als bekannt voraussetzen, daß Rindertalg vom Rind, Hammeltalg vom Hammel und Schmalz vom Schwein herrührt: es mag noch erwähnt sein, daß nur die besseren Sorten zur Toiletteseifenfabrikation tauglich sind. K o k o s ö l wird gewonnen aus den Früchten der Kokospalme, indem die Kerne aus ihrer Schale herausgenommen, in der Sonne getrocknet und gepreßt werden; die Samen enthalten bis zu 70% ö l ; früher fand diese Herstellung nur auf Ceylon, den Sundainseln und in Cochinchina statt,'während das ö l gegenwärtig vielseitig in Europa

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aus den getrockneten Kernen der Coprah gepreßt wird. Es ist weißliches bis weißes, butterartiges Fett und schmilzt etwa bei 22° C. P a l m ö l wird gewonnen aus den Früchten von Elaeis guincusis durch Auspressen nach dem Entkernen. Es ist ein orangerotes, butterweiches Fett, von angenehmem, wie man sagt, veilchenartigem Geruch. Das Palmöl läßt sich auf chemischem Wege bleichen. Aus den Kernen dieser Palmfrüchte gewinnt man durch Auspressen das Palmkernöl. Mandelöl ist flüssig und wird gewonnen durch Auspressen nicht von Mandel-, sondern Aprikosenkernen, Erdnußöl wird aus den Früchten von Arachis hypogaea gewonnen, Rizinusöl aus den Samen von Ricinus communis. Zur Verseifung der Fette ist, wie wir schon gehört haben, Alkalihydroxyd erforderlich, für die Herstellung von Toiletteseifen hauptsächlich Natriumhydroxyd, weil die Natronsalze sehr viel härter sind als die Kalisalze. Das Natriumhxdroxyd kommt nur zur Verwendung in Form der Natronlauge, einer mehr oder weniger konzentrierten Lösung in Wasser. Die Stärke dieser Lösung stellt man fest durch Spindelwagen, welche von Baum6 nach Graden eingeteilt sind. Eine 38grädige Lauge entspricht ungefähr einem Gehalt von 331/, Gewichts-Prozenten. Nunmehr gehe ich auf die verschiedenen Verseifungsmethoden, welche im 19. Jahrhundert zur Verwendung gelangten, über: 1. kalte Verseifung, 2. halbwarme Verseifung, Transparent-Seifen, 3. gesottene Seifen, sog. Grundseifen. a) durch direkte Verseifung der neutralen Fette mit Natronlauge, b) durch Verseifung mit Natriumkarbonat nach vorheriger Aufspaltung nach dem einen oder anderen Spaltungsverfahren. 1. D i e k a l t e V e r s e i f u n g ist der denkbar einfachste Prozeß, den man sich vorstellen kann und geht in der Weise vor sich, daß die zu verwendenden Neutralfette (meist Kokosöl, Talg und Kernöl) mit der Hälfte ihres Gewichts einer 38gradigen Natronlauge bei einer Temperatur, die ein wenig über dem Schmelzpunkt des Fettgemisches liegt, zusammengerührt werden. Je nachdem das Fettgemisch mehr oder weniger Fettsäuren enthält, hält sich die Masse länger oder weniger lange flüssig. Sodann bildet sich in jedem Falle eine homogene, sirupdicke Masse, welche beim Auffallen eines Tropfens von einem Rührstab oder Spaten auflegt. In diesem Stadium wird die Masse in

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Holzformen gegossen, welche mit Leinwandtüchern ausgelegt sind, und bleibt in diesen 12 bis 24 Stunden sich selbst überlassen. In diesen Formen geht erst der eigentliche Verseifungsprozeß vor sich. Es tritt eine bedeutende Erhitzung der Masse ein, welche bis auf 70 bis 80 Grad steigen kann und zum größten Teil wird hierbei Fett und Lauge, gegenseitig gebunden. Nach Beendigung dieses Prozesses und Erkaltung der Seife wird diese aus den Formen genommen, mit Drähten durch Hand- oder maschinellen Betrieb zerlegt, in Stücke geschnitten und unter Spindeloder Pendelpressen je nach Wunsch gepreßt oder kommt auch ungepreßt in nur geschnittenen Stücken in den Handel. Soll die Masse gefärbt und parfümiert werden, so werden die entsprechenden Zutaten der halbfertigen Masse vor dem Ausfüllen in die Formen zugefügt. Am meisten findet dieses Verfahren Anwendung bei Kokos- und Mandelseifen; und es ist erklärlich, daß diese Seifen bei dem Laienpublikum sich einer besonderen Beliebtheit erfreuen, denn erstens schäumt die mit viel Kokosöl hergestellte Seife sehr gut, zweitens wäscht sie infolge ihres verhältnismäßig großen Wassergehaltes sich leicht an und drittens zeigt sie eine stärkere ReinigungsfähigkeA als neutrale Seifen durch den bei diesem Verfahren bedingten Gehalt an freiem Alkali. Und deshalb ist vom kosmetischen und sanitären Standpunkt aus eine derartige Seife bedeutend hinter denen zurückzustellen, die vollkommen neutrale Fettsäuresalze darstellen. Eine Verbesserung dieses Übelstandes bedeutet auch die h a 1 b w a r m e V e r s e i f u n g nicht, bei welcher nicht mehr die Verseifungsreaktion der Seife selbst überlassen wurde, sondern durch Wärmeunterstützung in einem mit Manteldampf versehenen Kessel zur Vollendung geführt wurde. Auch hier handelt es sich bei der hergestellten Seife nur um ein derartiges Gemisch, einen sogenannten Seifenleim, welche auf sehr große Beständigkeit keinen Anspruch haben kann. Hierher gehört auch die transparente Seife; diese wird in der Weise hergestellt, daß ein auf eben angegebene Weise erzeugter Seifenleim in einem Alkohol- Wassergemisch aufgelöst wird. Der bekannteste Vertreter in dieser Seife ist die englische Pears Soap. Auf dem Markte existieren nun unendliche Variationen von diesen durchsichtigen, transparenten Seifen in hauptsächlich sehr geringer Qualität, indem dieselben mit Füllmitteln, wie Zucker-

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lösung, Sodalösung, Pottasche und Wasserglas vermehrt werden und dadurch schließlich sehr wenig oder überhaupt keinen Wascheffekt mehr besitzen. Alle diese Fabrikate sind aber äußerst abhängig von den auf sie einwirkenden Witterungs- und Temperaturverhältnissen. Werden sie zu scharf ausgetrocknet, so beginnen die Füllmittel leicht auszukrystallisieren, werden sie zu feucht aufbewahrt, so beschlagen sie an der Oberfläche und werden unverkäuflich. Überhaupt gestaltet sich die Verarbeitung solcher transparenter Seifen auch guter Konvenienz nicht vorteilhaft, weil sie erst dann zum Verkauf gelangen dürfen, wenn von den Lösungsmitteln nur noch so viel zurückgehalten wird, als zur Transparenz nötig und kein weiteres wesentliches Eintrocknen mehr zu befürchten ist. Von einer neutralen Seife kann aber natürlich nicht die Rede sein, sie ist eben nur eine aufgelöste Leimseife. 3. G e s o t t e n e S e i f e n o d e r K e r n s e i f e n . Bevor ich auf die Herstellung der Seife nach der einen oder anderen Methode übergehe, muß ich erst auf die in neuerer Zeit wichtigsten Verfahren der Fettspaltung zu sprechen kommen, durch die die neutralen Fette vor der Verseifung durch besondere Verfahren in Glyzerin- und Fettsäure gespalten und sodann zur Verseifung gebracht werden. Der Vorteil liegt darin, daß auf diese Weise das Glyzerin, das namentlich in den letzten Jahren ein äußerst wertvolles Produkt geworden ist, in sehr reinem Zustande abgeschieden und sehr leicht zur weiteren Verarbeitung konzentriert werden kann. Die verschiedenen Fettspaltungsmethoden sind: 1. 2. 3. 4.

Autoklaven-Spaltung, Twitschell-Verfahren, Krebitz-Verfahren, fermentative Fettspaltung.

Die Autoklaven-Spaltung wird im Autoklaven vorgenommen, d. h. in einem verschlossenen, gegen Druck beständigen, kugel- oder zylinderförmigen eisernen Kessel. Die Erfahrung hatte gelehrt, daß Wasserdämpfe ebenso wie Alkalilaugen bei höherer Temperatur eine zersetzende Wirkung auf Fette ausüben. Diese Tatsache verwandte man in der Praxis, indem man überhitzten Wasserdampf unter hohem Druck zur Verwendung brachte.

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Man verfährt in der Weise, daß man die geschmolzenen und gereinigten Fette oder Fettgemische in dem erwähnten Autoklaven 6 bis 12 Stunden bei hochgespannten Dämpfen von 8 bis 10 Atmosphären kocht und dafür sorgt, daß die Masse andauernd in Bewegung bleibt, indem man fortlaufend etwas Dampf austreten läßt, welcher wieder anderweitig verwendet wird; auf diese "Weise erreicht man einen Spaltungsgrad von 95 bis 98%. Beeinflußt wird die Schnelligkeit der Spaltung und der Grad derselben von dem Gehalt des verwendeten Neutralfettes an freien Fettsäuren. Diese wirken nämlich hindernd auf den Spaltungsgrad, weil ständig Glyzerin und Fettsäuren zu dem umgekehrten Prozeß der Vereinigung zu Estern bei dieser Behandlung neigen und dadurch eine theoretisch vollkommene Spaltung Qberhaupt ausgeschlossen ist. Die hierdurch erzielten Gleichgewichtszustände werden aber bei größerem Gehalt von freier Fettsäure von vornherein wesentlich begünstigt. Ist der gewünschte Spaltungsgrad an einer Probe nachgewiesen, so läßt man die Masse nach dem Erkalten in einen Bottich ab und führt in diesem Trennung durch Zusatz von etwas verdünnter Schwefelsäure in Glyzerin und Fettsäure herbei. Das erster« setzt sich unten ab und die Fettsäure schwimmt oben. Letztere wird abgehoben und steht zur weiteren Verarbeitung bereit, auf die ich erst nach Besprechung der anderen Verfahren zurückkommen möchte. Das Glyzerinwasser wird bei diesem wie bei allen anderen Verfahren mit Ätzkalk neutralisiert und, nach Verdunstung der hauptsächlichster Wassermengen auf freien Verdunstungspfannen, in Vakuumapparaten konzentriert. 2. T w i t s c h e l L Dieses Verfahren wurde erfunden von Ernst Twitschell zu Philadelphia und zuerst verwandt von der Seifenfabrik Fels & Co., Chicago. Dasselbe hat wie alle anderen folgenden Verfahren den Vorteil, daß es in offenen Gefäßen ausgeführt werden kann und daher nicht die bedeutenden Apparaturen verlangt, wie die Autoklaven-Spaltung. Sein Prinzip beruht darauf, daß gewisse aromatische Sulfosäuren, in geringen Mengen den neutralen Fetten zugesetzt, eine vollkommene Spaltung derselben hervorrufen, wenn sie mehrere Stunden auf annähernd 100 Grad mit ihnen erhitzt werden. Die mit Wasser gemischten Fette lösen sich in Gegenwart solcher Sulfosäuren zum Teil auf, wobei Wasserstoffionen entstehen, deren Gegenwart eine rasche

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Dissoziation der im Wasser gelösten Ester hervorruft. Das Reagenz, welches zur Verwendung gelangt, ist ein Sulfoölsäure- oder Stearinsäurenaphtalin. Das Verfahren geht in der Weise vor sich, daß die zu verwendenden Fette und Fettgemische mit 20 bis 25% Wasser gemischt und ihm 0,5% des Eeaktivs zugesetzt werden. Die Masse wird dann 25 bis 30 Stunden gekocht und es wird hierdurch 85% freie Fettsäure erzeugt, man verdünnt sodann das Fettsäuregemisch mit 10 bis 15% Wasser und kocht weitere 10 bis 12 Stunden. Die jetzt erreichte Spaltung kann 95 bis 98% betragen. Die weitere Behandlung siehe unter 1. 3. S p a l t u n g s v e r f a h r e n n a c h K r e b i t z . Dieses unterscheidet sich von den anderen dadurch, daß nicht freie Fettsäure aus den Neutralfetten hergestellt wird, sondern daß durch Kochen der Fette mit der theoretisch berechneten Menge Calciumoxyd alle in dem Fettgemisch enthaltene Fettsäure an Calcium gebunden und diese Kalkseife später mit Soda auf Seife verarbeitet wird. Der Ansatz wird 5 bis 10 Stunden auf 100 Grad erhitzt und sodann im bedeckten Kessel der Ruhe überlassen. Die entstandene poröse Substanz wird dann in Mühlen zermahlen und das Glyzerin in einem Auslaugegefäß automatisch entfernt. Die Ausbeute ist fast quantitativ, da sie beinahe 100 % beträgt. Die Kalkseife wird sodann in Kesseln mit Soda verseift. Das schwierigste bei dem ganzen Verfahren ist, die mit dem entstandenen Calciumcarbonat eng verbundenen Fettsäureteilchen wiederzugewinnen; jedoch ist es möglich, den Verlust auf 0,5% herabzudrücken. 4. F e r m e n t a t i v e s V e r f a h r e n . Diese Methode beruht auf der wissenschaftlichen Erfahrung, daß gewisse stickstoffhaltige organische Körper die ungeformten Fermente oder Enzyme hochmolekulare Verbindungen bei niedriger Temperatur zersetzen. So wie das Emulsin das in den bitteren Mandeln enthaltene Glycosid Amygdalin bei Gegenwart von Wasser in Blausäure und Benzaldehyd zerlegt und das Myrosin in dem Senfsamen die Bildung des Senföls neben Traubenzucker und Kaliumbisulfat verursacht, so ist im Ricinussamen ein ungeformtes Ferment vorhanden, welches die Fähigkeit besitzt, bei Gegenwart von geeigneten Kontaktkörpern Neutralfette in Fettsäuren und Glyzerin zu spalten. Die maßgebenden Arbeiten hierüber haben Wartenberg, Hoyer und Connstein geliefert. Zunächst verwendete man zu der Spaltung enthülsten Rizinus-

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samen selbst, ging aber später dazu über, aus diesem das Ferment abzuscheiden, um die lästigen Samenteilchen aus dem Fabrikations gut fernzuhalten. Das Verfahren selbst geht in der Weise vor sich, daß das geschmolzene Fett in stark verbleiten Eisenkesseln oder in Aluminiumkesseln mit 35% Wasser gemischt wird und sodann auf 25 oder 30°, je nach dem Erstarrungspunkt des Fettansatzes, erwärmt wird. Als Kontaktkörper gibt man eine Auflösung von 0,2% Mangansulfat auf den Fettansatz berechnet hinzu und hiernach 8 bis 10% möglichst frisch bereitetes Ferment. Dies Gemisch bleibt zirka 24 Stunden stehen, wird aber stündlich einige Zeit durchgerührt, um ein möglichst langes Flüssigbleiben der Masse herbeizuführen, da der Spaltungsprozeß in diesem Stadium wesentlich schneller vor sich geht als nach dem Erstarren der Masse. Es ist deshalb erklärlich, daß die Spaltung der vegetabilischen Fette, welche ja durchweg einen niedrigen Erstarrungspunkt haben, günstiger ausfällt, wie die des über 40 Grad erstarrenden Talges. Eine Erwärmung der Masse über 40 Grad aber ist nicht zulässig, weil die Wirkung aller Fermente durch derartige Temperaturen zerstört wird. Bei den vegetabilischen Fetten ist nach 24 Stunden ungefähr ein Spaltungsgrad von 95% erreicht, während Talg hierzu 48 Stunden benötigt. Wenn eine herausgenommene Probe das gewünschte Resultat zeigt, wird die Masse auf 80 bis 85 Grad erwärmt und nach Zusatz von 4% Schwefelsäure, 1,5 spezifisches Gewicht, zur Trennung sich selbst überlassen. Wie immer scheiden sich auch hier die Fettsäuren oben ab und das Glyzerin setzt sich nach unten. Zwischen beiden befindet sich ungefähr 8% einer Mittelschicht, welche man durch direkte Verseifung mit Alkalilauge und mehrmaliges Umsieden direkt zu Seife verarbeiten kann. Durch die bei diesem Verfahren zur Verwendung gelangenden niedrigen Temperaturen erhält man eine vollkommene tadellose Fettsäure, die für jede Toilettenseife verwendbar ist, ob man auch noch so große Ansprüche an sie stellt. Die Herstellung der gesottenen Seifen selbst geschieht nun in der Weise, daß entweder die Neutralfette in eisernen Kesseln über freiem Feuer oder in einem mit direktem Dampf versehenen Kessel geschmolzen und sodann mit der ihrem Fettsäuregehalt theoretisch entsprechenden Menge Natronlauge versotten werden, oder die auf eine oder die andere Weise hergestellten Fettsäuren in eine dem

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Gehalt an freier Fettsäure entsprechenden Menge Sodalösung allmählich eingetragen werden — diese Vorsicht ist nötig, weil die entweichende Kohlensäure sonst leicht ein Überschäumen über den Kesselrand verursacht — und dann der noch vorhandene Rest an Neutralfett durch die entspechende Menge Ätzlauge zur Verseifung gebracht wird. Das weitere technische Verfahren ist dann bei beiden dasselbe. Die Hauptbedeutung spielt hierbei die Eigenschaft der Seife, durch Kochsalzlösung aus ihrer wässrigen Lösung abgeschieden zu werden. Man gibt daher nach der vollkommenen Verseifung eine genügende Menge Kochsalz hinzu und überläßt aie Seife sich selbst 24 Stunden. Das unter der Seife stehende glyzerinhaltige Salzwasser wird herausgepumpt, die Seife noch einmal umgesotten und genau auf Neutralität abgerichtet und nochmals mit Wasser gut ausgeschliffen. Sodann wird noch einmal ausgesalzen und die nunmehr fertige Seife im verdeckten Kessel 24 bis 36 Stunden sich selbst überlassen. Sodann wird sie entweder in eiserne Formen gefüllt und bis zur E r kaltung stehen gelassen, oder sie wird in einen sogenannten Zubringer, d. h. Behälter, welcher mit Manteldampf umgeben ist, im flüssigen Zustande übergefüllt und bleibt in demselben flüssig erhalten. Nunmehr wird die Seife des größten Teils ihres 'Wassergehalts beraubt. Hierzu verwendete Trockenapparate sind heutzutage in der Form angelegt, daß die Seife von Walzen aufgenommen und abgegeben wird an mit Ketten über eiserne Rollen laufende Leinwandtücher. Diese sind so angelegt, daß das oberste Tuch die Seife aufnimmt und langsam vorwärts transportiert. Am Ende angelangt, fällt die Seife auf das etwa 25 Zentimeter überstehende untere Tuch und wird von diesem wieder rückwärts befördert. Von diesem nimmt es wieder das darunter liegende dritte Tuch in derselben Weise auf und so fort, bis die Seife schließlich in trockener Form in Vorratskisten hineinfällt. In dem Apparat befinden sich Dampfrippen und -röhren, welche eine ständige Temperatur von 45 bis 50 Grad in dem Apparat erzeugen, bei ständiger Absaugung der durch die Feuchtigkeitsabgabe der Seife mit Wasserdampf geschwängerten Luft. Diese trockene Seife wird nun je nach Bedarf abgewogen und mit den zur weiteren Verarbeitung notwendigen Gemischen, von Farben, Parfüms, Veilchenpulver und ähnlichen, in einer Mischmaschine durchgemengt.

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Von hier aus gelangt sie auf die Seifenmühle—Broyeuse —welche aus drei bis vier Walzen besteht, über die die Seife einige Male herüber passiert, bis ihre Zusammensetzung vollkommen gleichmäßig ist und sie in glatten dünnen Bändern wieder abgegeben wird. Diese gelangen sodann in die Seifenstrangmaschine oder sogenannte Peloteuse. In dieser werden die Seifenbänder vermittels einer Schlange und unter hohem Druck zu Riegeln zusammengepreßt. Diese Riegel werden zu verschiedenen Stücken geformt und dann mit einer Maschine zerlegt und in Hand- oder Spindelpressen in die verschiedenen Formen gepreßt. Die nunmehr fertige Seife bleibt noch einige Tage in einem Vorratsraum liegen bei gleichmäßiger Temperatur und ist sodann verkaufsfertig. Die auf diese Weise hergestellte Toiletteseife ist unbegrenzt haltbar, wenn sie mit guten Fetten und mit nötiger Sorgfalt hergestellt wird. Allerdings sind auch die ätherischen öle und andere Parfümerierungsstoffe nicht ohne Einfluß auf die Haltbarkeit der Seife und ist deshalb bei der Herstellung neuer Zusammensetzungen eine äußerst sorgfältige Prüfung notwendig. Sehr beliebt ist auch das Verfahren, diese neutralen Seifen durch Zusatz von Fetten, namentlich Lanolin, zu überfetten. Dieses hat den Zweck, die reizende Wirkung auf die Haut des durch Dissoziation bei dem Waschprozeß entstehenden Alkalis abzudämpfen und daher auch solchen Individuen, deren Haut äußerst empfindlich gegen solche Einwirkungen ist, die Verwendung von Seife zu ermöglichen. Die Toiletteseifen werden nun je nach ihrer Qualität verschieden verpackt. Billige Sorten bleiben uneingewickelt und werden entweder in Paketen oder Kisten in den Handel gebracht, damit für den täglichen Familien- und Hausbedarf der Preis nicht zu hoch geschraubt wird. Bessere Sorten werden je nach der Preislage in % oder y 2 Dtzd.Kartons verpackt. Neben den sogenannten Familienseifen, welche stets in sortierten Gerüchen verhandelt werden, finden am meisten Seifen mit Blumengerüchen wie Veilchen, Flieder, Maiblume und Rose Absatz. Die wirtschaftliche Lage in der Seifenindustrie ist in den letzten 5 Jahren eine äußerst ungünstige. Die fast andauernden, überaushohen Fettpreise, von denen hier nur diejenigen des Kokosöles in nebenstehenden Tabellen angeführt sein mögen, hatten nicht zur Folge, daß ein entsprechender Aufschlag auf die Verkaufspreise erzielt werden konnte, weil die beteiligten Fabrikantenkreise

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so unendlich ausgedehnt sind, daß eine Einigung hierüber bisher nicht getroffen werden konnte. Noch dazu, wo einige sich kein Gewissen darüber raachen, unter neutralen und reinen Seifen solche in den Handel zu bringen, die einen erheblichen Prozentsatz an FüllGewerbliche Einzelvorträye.

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