Gesellschafterfremdfinanzierte Auslandsgesellschaften: Kollisionsrechtliche Behandlung des Gesellschafterdarlehensrechts 9783161550690, 9783161550683

Infolge der EuGH-Urteile 'Centros', 'Überseering' und 'Inspire Art' wurde es möglich, Unte

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German Pages 342 [343] Year 2017

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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A. Einleitung
I. Problemaufriss und Ziele der Arbeit
II. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands
III. Gang der Untersuchung
B. Das Gesellschafterdarlehensrecht
I. Entwicklung des Gesellschafterdarlehensrechts
1. Lückenschluss im Gläubigerschutzsystem durch die Rechtsprechung – die sog. Rechtsprechungsregeln
2. Kodifizierung durch die GmbH-Novelle 1980 – die sog. Novellenregeln
3. Zweisäuliges Eigenkapitalersatzrecht
4. Weitere Entwicklungen
5. Einschneidende Änderungen durch das MoMiG
a. Nichtanwendungsbefehl hinsichtlich der Rechtsprechungsregeln
b. Verlagerung des gesamten Regelungskomplexes in die Insolvenzordnung mit Ergänzungen im AnfG, rechtsformneutrale Ausgestaltung
c. Aufgabe des Merkmals „eigenkapitalersetzend“
II. Die Regelungen des Gesellschafterdarlehensrecht nach dem MoMiG
1. Tatbestandliche Grundkonstanten, persönlicher Anwendungsbereich
2. Nachrang und Anfechtbarkeit in der Insolvenz
3. Regelungen zu den gesellschafterbesicherten Drittforderungen in der InsO
4. Kleinbeteiligungs- und Sanierungsprivileg
5. Regelungen des AnfG
6. Kein präventives Auszahlungsverbot mehr
7. Die Sonderregelung für die früher sog. „eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung“ in § 135 III InsO
III. Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts: Legitimationserwägungen und Normzweck
1. Finanzierungsfolgenverantwortung im Eigenkapitalersatzrecht
a. Einzelerwägungen zur Begründung der Finanzierungsfolgenverantwortung
b. Grundgedanke der Finanzierungsfolgenverantwortung und Kritik am Begriff
2. Wertungsgrundlage der reformierten Regelungen
a. Keine bzw. unzureichende wertungsmäßige Rechtfertigung
b. Ansätze im Sinne einer Finanzierungsfolgenverantwortung
aa. Unveränderte Finanzierungsfolgenverantwortung
bb. Gewandelte bzw. fortentwickelte Finanzierungsfolgenverantwortung
c. Widerlegliche Vermutung der Insolvenzreife
d. Haftung für Insolvenzverschleppungsbeitrag
e. Sanktion der nominellen Unterkapitalisierung
f. An die Haftungsbeschränkung anknüpfende Ansätze
aa. Missbrauch der Haftungsbeschränkung
bb. Ausgleich für die Haftungsbeschränkung
g. An das Näheverhältnis anknüpfende Ansätze
aa. Doppelrolle des Gesellschafters
bb. Risikoausgleich
cc. Steuerungsfunktion des Eigenkapitalrisikos
dd. Informationsvorsprung des Gesellschafters
h. Kombinationsansätze
i. Standpunkt der höchstrichterlichen Rechtsprechung
j. Stellungnahme
aa. Zum Vorschlag der konzeptionellen Trennung und zur Miteinbeziehung der Tatbestände des AnfG
bb. De lege lata untaugliche Erklärungsansätze
cc. Auswertung der Gesetzesbegründung
dd. Zu klärende Detailpunkte
ee. Zur unveränderten Fortgeltung der
(1) Konstruktive Bedenken
(2) Historische Bedenken gegen eine Krisenvermutung
(3) Bedenken in Anbetracht des geänderten Handlungsanreizes
(4) Bedenken angesichts der Anfechtungsfrist des § 135 I Nr. 1 InsO
(5) Untaugliche historische und verfassungsrechtliche Begründungselemente
(6) Ergebnis
ff. Zur gewandelten Finanzierungsfolgenverantwortung, Vermutung der Insolvenzreife, Haftung für Insolvenzverschleppungsbeitrag und dem Problem der nominellen Unterkapitalisierung
gg. Zur Bedeutung der Haftungsbeschränkung für das Legitimations-und Wertungskonzept
(1) Näheverhältnis ungeeignet als Erklärungsansatz
(2) Haftungsbeschränkung als Tatbestandsmerkmal
(3) Haftungsbeschränkung keine bloße Einschränkung des Anwendungsbereichs
(4) Weitere Bezüge zur Haftungsbeschränkung
(a) Bezug zur Haftungsbeschränkung der Ansätze vom Risikoausgleich oder -beitrag
(b) Zusammenhang zur faktischen Aufgabe des gesetzlichen Mindestkapitals
(5) Gesetzlicher Risikobeitrag als Begrenzung und Ausgleich für das Privileg der Haftungsbeschränkung
hh. Überprüfung des erarbeiteten Wertungskonzepts
(1) Vereinbarkeit mit den tatbestandlichen Grundkonstanten des Gesellschafterdarlehensrechts
(2) Vereinbarkeit mit den Einzelregelungen des Gesellschafterdarlehensrechts
(3) Zu weiteren Kritikpunkten am Ansatz an der Haftungsbeschränkung
ii. Zusammenfassung der Ergebnisse zur Legitimations- und Wertungsgrundlage
3. Ergebnis: geändertes Wertungskonzept
IV. § 135 III InsO als Teil des Gesellschafterdarlehensrechts vor dem Hintergrund des entwickelten Wertungskonzepts?
C. Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO
I. Entwicklung des Internationalen Insolvenzrechts
1. Grundzüge der Entwicklung des Internationalen Insolvenzrechts
a. Ausgangspunkt in Deutschland: territoriale Abschottung
b. Wende im deutschen Internationalen Insolvenzrecht und nationale Kodifikation des Internationalen Insolvenzrechts
c. Europäische Vereinheitlichungsbemühungen und die EuInsVO
d. Reform der EuInsVO in den Jahren 2012–2015: EuInsVO 2017
2. Entwicklung des Internationalen Insolvenzanfechtungsrechts und der Kollisionsregelungen zum Rang
a. Entwicklung des Internationalen Insolvenzanfechtungsrechts
aa. Diskussion in der Rechtswissenschaft
bb. Rechtsprechung
cc. Kodifikationsgeschichte
(1) Nationale Regelungen
(2) Internationale, vor allem europäische Regelungen
b. Kollisionsrecht für die Rangordnung der Gläubiger
aa. Nationale Regelungen
bb. Internationale, vor allem europäische Regelungen
3. Exkurs: Entwicklung des Internationalen Gläubigeranfechtungsrechts
II. Allgemeines und Regelungssystematik
III. Anwendungsbereich
1. Sachlicher Anwendungsbereich
2. Räumlicher Anwendungsbereich
a. Drittstaatenbezug des Sachverhalts ausreichend
b. Qualifizierter Mitgliedstaatenbezug des Sachverhalts erforderlich
c. Differenzierung nach einzelnen Teilkomplexen
d. Keine Anwendbarkeit der EuInsVO bei Vermögen in Drittstaat
e. Das EuGH-Urteil „Schmid“
f. Relevanz für die vorliegende Problematik
g. Verbleibende Problembereiche und Stellungnahme
aa. Kein qualifizierter Mitgliedstaatenbezug für die internationale Zuständigkeit
bb. Qualifizierter Mitgliedstaatenbezug für die Kollisionsnormen
h. Zusammenfassung der Ergebnisse zum räumlichen Anwendungsbereich
IV. Eröffnungszuständigkeit in der Insolvenz einer EU-Auslandsgesellschaft
V. Die kollisionsrechtliche Generalklausel in Art. 4 EuInsVO und die Reichweite des Insolvenzstatuts
1. Das Insolvenzrecht des Eröffnungsstaates – Grundgedanke des Art. 4 I EuInsVO
a. Art 4 I EuInsVO als kollisionsrechtliche Generalklausel
b. Gründe und Zweck der Geltung der lex fori concursus in Gestalt des Rechts am Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen
2. Reichweite des Insolvenzstatuts
a. Art 4 II 1 EuInsVO
aa. Übertragung der Grundsätze aus dem EuGH Urteil „Gourdain“
bb. Das EuGH-Urteil „Kornhaas“
cc. Keine formelhafte Lösung
b. Katalog des Art. 4 II 2 EuInsVO als Konkretisierung des Art. 4 I 1, II 1 EuInsVO
VI. Art. 13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung
1. Geschichte dieser Norm
2. Ratio der Norm
3. Das „für die Rechtshandlung maßgebliche Recht“
a. Methodischer Rahmen
aa. Verordnungsautonome Auslegung oder Auslegung ausgehend vom nationalen Kollisionsrecht?
bb. Auslegung nach der lex fori des angerufenen Gerichts oder nach der lex fori concursus?
cc. Grundüberlegungen zum Vorgang der Qualifikation
b. Rechtshandlungsbegriff
c. Bestimmung des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“
aa. Differenzierungslehre
bb. Schuldstatutslehre
cc. Neuere differenzierende Schuldstatutslehre
dd. Kritische Würdigung der Schuldstatutslehre und Streitentscheid
(1) Art. 32 I Nr. 2 EGBGB a. F. bzw. Art. 12 I lit. b Rom I-VO
(2) Parallele zum Bereicherungsrecht
(3) Das „Streitgegenstands-Argument“
(4) Parallelität zu § 339 InsO
(5) Erfüllungshandlungen unter Rechtsordnungen mit Einheitsprinzip
(6) Bestimmung des Wirkungsstatuts hier und in anderen Fällen, historische Betrachtung
(7) Grundsätzliche Bedenken gegen die Ermittlung des maßgeblichen Rechts der Rechtshandlung unter Rückgriff auf die Funktionsweise der Insolvenzanfechtungstatbestände
(8) Weiter Rechtshandlungsbegriff
(9) Erstreckung auf sonstige Unwirksamkeitsgründe
(10) Gewährleistung des Vertrauensschutz
ee. Ergebnis zur Bestimmung des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“
d. Problematik der Manipulierbarkeit, Rechtswahl bzw. anderweitig „gezieltes Schaffen einer Anknüpfung“
aa. Binnensachverhalte Art. 3 III Rom I-VO
bb. Eingriffsnormen
cc. Wesentlich engere Verbindung gem. Art. 46 EGBGB
dd. Wesentlich nähere Beziehung zum Recht des Staates der Verfahrenseröffnung
ee. Insolvenzanfechtung der Rechtswahl oder der Veränderung der entscheidenden Anknüpfungspunkte
ff. Fraudulöse Anknüpfung
e. Exkurs: das „für die Rechtshandlung maßgebliche Recht“ bei grenzüberschreitender Zahlung
aa. Bare Zahlungen
bb. Unbare Zahlungen
(1) SEPA-Überweisung
(a) Vorüberlegungen
(b) Bestimmung des „maßgeblichen Rechts“ i. S. v. Art. 13 EuInsVO
(2) Lastschrift
(a) Einzugsermächtigungslastschrift
(b) SEPA Lastschriftverfahren
(3) Ergebnis
4. Regelungsmechanismus
a. Rechtsfolge
b. Bezug auf die konkrete Rechtshandlung und Einbeziehung sämtlicher Unwirksamkeitsgründe
c. Form der Geltendmachung der Anfechtung; Verjährungs-, Anfechtungs- und Ausübungsfristen
aa. Diskurs über die Beachtung von Formvorschriften und Verjährungs-, Anfechtungs- und Ausübungsfristen des Wirkungsstatuts
bb. EuGH-Urteil „Lutz“
d. Darlegungs- und Beweislast
e. Ergebnis
5. Anwendungsbereich
a. Räumlich
b. Sachlich
VII. Würdigung des Internationalen Insolvenzanfechtungsrechts der EuInsVO
1. Nachteile einer kumulativen Anknüpfung
2. Schutz der heimischen Rechtsordnung als untaugliches Argument
3. Argumente für eine Maßgeblichkeit des Insolvenzstatuts
a. Vergleich mit anderen Materien, die dem Insolvenzstatut unterfallen
b. Erstreckung der Grundnorm auf die Insolvenzanfechtung als Konkurswirkung
c. Einheitliche Anknüpfung zusammenhängender Fragen
d. Gleichbehandlung aller Anfechtungsgegner
e. Zweckmäßigkeitserwägungen
f. Zweck der Insolvenzanfechtung
g. Ergebnis
4. Argumente für eine Maßgeblichkeit des Wirkungsstatuts
a. Vertrauensschutz
b. Wirkweise der Insolvenzanfechtung
c. Gleichlauf mit der Einzelgläubigeranfechtung
d. Vergleich mit anderen Unwirksamkeitsgründen
e. Ergebnis
5. Ergebnis
D. Das Internationale Gesellschaftsrecht
I. Entwicklung des Gesellschaftskollisionsrechts – Von der Sitztheorie über die Niederlassungsfreiheit zur Gründungstheorie für EU-Auslandsgesellschaften
1. Ausgangspunkt: Sitz- und Gründungstheorie
2. Das Urteil „Daily Mail“ als vermeintliche Bestätigung der Sitztheorie
3. Die Urteile „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“
a. „Centros“
b. „Überseering“
c. „Inspire Art“
d. Folgen für das Gesellschaftskollisionsrecht: Gründungstheorie im Bereich der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit
4. Weitergeltung der Sitztheorie für Drittstaaten
5. Fortentwicklung der EuGH Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit
a. „Cartesio“, „National Grid Indus“ und „Sevic Systems“
b. „Cadbury Schweppes“ und “Vale”: kein generelles “genuine link”-Erfordernis
6. Wegzugsermöglichung für Kapitalgesellschaften durch das MoMiG
7. Zwischenergebnis – aktueller Stand des Internationalen Gesellschaftsrechts
II. Reichweite des Gesellschaftsstatuts
E. Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften
I. Vorüberlegungen
1. Präzisierung der kollisionsrechtlichen Fragestellung: Zuordnung zum Gesellschafts- oder Insolvenzstatut als Qualifikationsfrage
2. Auslegung des Unionsrechts
3. Getrennte Betrachtung der einzelnen Rechtsnormen?
4. Qualifikation eines Rechtsinstituts
5. Abgrenzung von Gesellschafts- und Insolvenzstatut
II. Meinungsstand zur kollisionsrechtlichen Behandlung des Eigenkapitalersatzrechts
1. Insolvenzrechtliche Qualifikation des gesamten Eigenkapitalersatzrechts
2. Gesellschaftsrechtliche Qualifikation des gesamten Eigenkapitalersatzrechts
3. Unterscheidung nach Rechtsprechungs- und Novellenregeln
a. Eigenkapitalersatzcharakter als eigenständig anzuknüpfende, gesellschaftsrechtliche Vorfrage
b. Eigenkapitalersatzcharakter als bloßes Tatbestandsmerkmal
4. Doppelqualifikation
III. Kollisionsrechtliche Behandlung des Gesellschafterdarlehensrechts unter der EuInsVO
1. Stand der Diskussion
a. Anwendbarkeit aufgrund insolvenzrechtlicher Qualifikation
aa. Kollisionsrechtliche Erwägungen bei Azara
bb. Kollisionsrechtliche Erwägungen bei Lüneborg
cc. Kollisionsrechtliche Erwägungen bei Balke
dd. Kollisionsrechtliche Erwägungen bei Clemens
ee. Kollisionsrechtliche Erwägungen bei Koutsós
b. Vereinzelte Berücksichtigung des Gesellschaftsstatuts über Art. 13 EuInsVO
2. Würdigung und Kritik am bisher erreichten Diskussionsstand
3. Kollisionsrechtliche Natur des Gesellschafterdarlehensrechts
a. Insolvenzrechtliche Rechtsfolgen und Regelungstechnik
b. Wertungsgrundlage des nationalen Rechtsinstituts
c. Abgleich mit den Zwecken der Verweisungsnormen und ihrer Systembegriffe
d. Zuordnung nach den weiteren vorgeschlagenen Abgrenzungsformeln
e. Weitere relevante Gesichtspunkte für die kollisionsrechtliche Rechtsnatur
aa. Gesellschafterdarlehensrecht „wirkt“ bereits vor dem Zeitpunkt materieller Insolvenz: präventiver, insolvenzferner Handlungsanreiz
bb. Problematik der Sitzverlegung und Auslands-GmbH
cc. Rechtsvergleich: beschränkte Aussagekraft des Vergleichs mit Gläubigerschutzregeln anderer Rechtsordnungen
f. Ergebnis zur kollisionsrechtlichen Natur des Gesellschafterdarlehensrechts
4. Folgen der ermittelten kollisionsrechtlichen Natur
a. Keine Ansatzpunkte im Wortlaut der Katalogtatbestände
b. Dennoch keine Anwendung der Katalogtatbestände
aa. Wertneutralität des rechtstechnischen Katalogs
bb. Kein Zusammenhang zu den klassischen Fällen der actio pauliana
cc. Rückschluss aus Art. 13 EuInsVO
dd. Problematik um die Abgrenzung von Insolvenz-und Gesellschaftsstatut stellt sich verschärft erst seit Centros, Überseering und Inspire Art
ee. Keine durchgreifende Bedenken aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und des „effet utile“
ff. Keine Korrektur der erarbeiteten Wertungsgrundlage des materiellen Rechts auf Grund des gesetzgeberischen
gg. Keine Berücksichtigung über Art. 13 EuInsVO
(1) Dogmatische Bedenken
(2) Praktische Bedenken
(3) Ergebnis
hh. Methodisch: Teleologische Reduktion
c. Vorzugswürdigkeit einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation
d. Ergebnis
5. Stützende Kontrollüberlegung: Vereinbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts mit der Niederlassungsfreiheit
a. Abermals: gemeinsame oder getrennte Prüfung der einzelnen Normen?
b. Grundlegendes zur Niederlassungsfreiheit und deren Schutzbereich
c. Insolvenzrecht als „sicherer Hafen“?
d. Keine Diskriminierung ausländischer Gesellschaften
e. Beschränkung der Niederlassungsfreiheit
f. Rechtfertigung dieses Eingriffs
g. Primärrechtskonforme Auslegung?
aa. Primärrechtskonforme Auslegung des materiellen Rechts?
bb. Primärrechtskonforme Auslegung des Kollisionsrechts?
(1) Heilung durch Anwendung von Art. 13 EuInsVO
(2) Heilung durch kumulative Sonderanknüpfung ohne Beweislastumkehr
h. Ergebnis und Folgen für die kollisionsrechtliche Behandlung
6. Ergebnis
F. Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts in den übrigen Konstellationen
I. In der Inlandsinsolvenz von Gesellschaften aus Drittstaaten und Dänemark
1. Sedes materiae
2. Relevante Konstellationen
a. Hauptinsolvenzverfahren über das Vermögen von Gesellschaften aus Drittstaaten
b. Hauptinsolvenzverfahren über das Vermögen von Gesellschaften aus Dänemark als Drittstaat i.R.d. EuInsVO
c. Partielle territoriale Verfahren über das Inlandsvermögen von Auslandsgesellschaften
3. Übertragbarkeit der Ergebnisse zur EuInsVO
a. In den möglichen Hauptinsolvenzverfahren
aa. Über das Vermögen einer dänischen Gesellschaft
bb. Über das Vermögen einer Gesellschaft aus einem EFTA-Staat
cc. Über das Vermögen einer US-amerikanischen Gesellschaft
b. In partiellen territorialen Insolvenzverfahren
aa. Über das Inlandsvermögen von Gesellschaften aus den Vereinigten Staaten, Dänemark und den EFTA-Staaten
bb. Über das Inlandsvermögen sonstiger Gesellschaften aus Drittstaaten
4. Ergebnis
II. Außerhalb der Insolvenz, in der Zwangsvollstreckung gegen Auslandsgesellschaften
1. § 19 AnfG: Maßgeblichkeit des Wirkungsstatuts
2. Ausnahme für §§ 6, 6a AnfG
III. Exkurs: Qualifikation von § 135 III InsO
G. Ausblick und Anregungen de lege ferenda
I. Ausblick
II. Anregungen de lege ferenda
1. Materielles Recht
2. Internationales Insolvenz- und Gesellschaftsrecht
H. Zusammenfassung der Ergebnisse
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Gesellschafterfremdfinanzierte Auslandsgesellschaften: Kollisionsrechtliche Behandlung des Gesellschafterdarlehensrechts
 9783161550690, 9783161550683

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Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht Band 137 herausgegeben von Rolf Stürner

Benjamin Schilpp

Gesellschafterfremdfinanzierte Auslandsgesellschaften Kollisionsrechtliche Behandlung des Gesellschafterdarlehensrechts

Mohr Siebeck

Benjamin Schilpp, geboren 1987; Studium der Rechtswissenschaften an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg; 2012 Erste Juristische Staatsprüfung; 2016 Promotion (Universität Heidelberg, gefördert durch die Studienstiftung des deutschen Volkes); seit 2015 Rechtsreferendar am LG Heidelberg.

e-ISBN PDF 978-3-16-155069-0 ISBN 978-3-16-155068-3 ISSN 0722-7574 (Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­biblio­ graphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen gesetzt, auf alterungs­beständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden.

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2016 von der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im September 2015 abgeschlossen und zur Drucklegung nach Kräften aktualisiert und ergänzt. Mein ganz besonderer und herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater Professor Dr. Andreas Piekenbrock. Er hat sich stets für alle meine Fragen und für Diskussionen über die Probleme der Arbeit Zeit genommen und diese so durch viele wertvolle Hinweise gefördert. Ermöglicht wurde die Arbeit durch ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes, wofür ich sehr dankbar bin. Danken möchte ich außerdem Herrn Professor Dr. Marc-Philippe Weller für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens und Herrn Professor Dr. Dres. h.c. Rolf Stürner für die Aufnahme in die Schriftenreihe „Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht“. Für ihre liebevolle Begleitung und ihre bedingungslose Unterstützung auf meinem bisherigen Weg danke ich meinen Eltern Peter und Susanne Schilpp und meiner Schwester Stephanie Schilpp von ganzem Herzen. Die anstrengende Aufgabe des Korrekturlesens haben meine Mutter Susanne Schilpp und Anna Bühlmaier mit großer Sorgfalt übernommen, wofür ihnen großer Dank gebührt. Anna Bühlmaier hat aber auch darüber hinaus durch ihre vielfältige und unermüdliche Unterstützung sehr zum Gelingen der Arbeit beigetragen, wofür ich ihr besonders danken möchte. Meiner Familie soll diese Arbeit gewidmet sein. Heidelberg, im Oktober 2016

Benjamin Schilpp

Inhaltsübersicht Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Problemaufriss und Ziele der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

II. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . 4 III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

B. Das Gesellschafterdarlehensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 I. Entwicklung des Gesellschafterdarlehensrechts . . . . . . . . . . .

6

II. Die Regelungen des Gesellschafterdarlehensrecht nach dem MoMiG . 15 III. Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts: Legitimationserwägungen und Normzweck . . . . . . . . . . . . . . 20 IV. §  135 III InsO als Teil des Gesellschafterdarlehensrechts vor dem Hintergrund des entwickelten Wertungskonzepts? . . . . . . 74

C. Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO . . . . . . 76 I. Entwicklung des Internationalen Insolvenzrechts . . . . . . . . . . . 76 II. Allgemeines und Regelungssystematik . . . . . . . . . . . . . . . .

89

III. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

IV. Eröffnungszuständigkeit in der Insolvenz einer EU-Auslandsgesellschaft 106 V. Die kollisionsrechtliche Generalklausel in Art.  4 EuInsVO und die Reichweite des Insolvenzstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 VI. Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung . . . .

117

VII. Würdigung des Internationalen Insolvenzanfechtungsrechts der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

164

X

Inhaltsübersicht

D. Das Internationale Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 180 I. Entwicklung des Gesellschaftskollisionsrechts – Von der Sitztheorie über die Niederlassungsfreiheit zur Gründungstheorie für EU-Auslandsgesellschaften . . . . . . . . 180 II. Reichweite des Gesellschaftsstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

E. Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften . . . . . 196 I. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 II. Meinungsstand zur kollisionsrechtlichen Behandlung des Eigenkapitalersatzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 III. Kollisionsrechtliche Behandlung des Gesellschafterdarlehensrechts unter der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

212

F. Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts in den übrigen Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 I. In der Inlandsinsolvenz von Gesellschaften aus Drittstaaten und Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

266

II. Außerhalb der Insolvenz, in der Zwangsvollstreckung gegen Auslandsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 III. Exkurs: Qualifikation von §  135 III InsO . . . . . . . . . . . . . . .

275

G. Ausblick und Anregungen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . 277 I. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 II. Anregungen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

278

H. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Problemaufriss und Ziele der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

II. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . 4 III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

B. Das Gesellschafterdarlehensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 I. Entwicklung des Gesellschafterdarlehensrechts . . . . . . . . . . .

6

1. Lückenschluss im Gläubigerschutzsystem durch die Rechtsprechung – die sog. Rechtsprechungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Kodifizierung durch die GmbH-Novelle 1980 – die sog. Novellenregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 3. Zweisäuliges Eigenkapitalersatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 10 4. Weitere Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 5. Einschneidende Änderungen durch das MoMiG . . . . . . . . . . . 12 a. Nichtanwendungsbefehl hinsichtlich der Rechtsprechungsregeln . . 13 b. Verlagerung des gesamten Regelungskomplexes in die Insolvenzordnung mit Ergänzungen im AnfG, rechtsformneutrale Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 14 c. Aufgabe des Merkmals „eigenkapitalersetzend“ . . . . . . . . . . 14

II. Die Regelungen des Gesellschafterdarlehensrecht nach dem MoMiG . 15 1. Tatbestandliche Grundkonstanten, persönlicher Anwendungsbereich . 15 2. Nachrang und Anfechtbarkeit in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . 16 3. Regelungen zu den gesellschafterbesicherten Drittforderungen in der InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4. Kleinbeteiligungs- und Sanierungsprivileg . . . . . . . . . . . . . 18 5. Regelungen des AnfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 6. Kein präventives Auszahlungsverbot mehr . . . . . . . . . . . . . . 18 7. Die Sonderregelung für die früher sog. „eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung“ in §  135 III InsO . . . . . . . . . . . . . . . 19

XII

Inhaltsverzeichnis

III. Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts: Legitimationserwägungen und Normzweck . . . . . . . . . . . . . . 20 1. Finanzierungsfolgenverantwortung im Eigenkapitalersatzrecht . . . . 21 a. Einzelerwägungen zur Begründung der Finanzierungsfolgenverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . 22 b. Grundgedanke der Finanzierungsfolgenverantwortung und Kritik am Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Wertungsgrundlage der reformierten Regelungen . . . . . . . . . . 26 a. Keine bzw. unzureichende wertungsmäßige Rechtfertigung . . . . 27 b. Ansätze im Sinne einer Finanzierungsfolgenverantwortung . . . . 27 aa. Unveränderte Finanzierungsfolgenverantwortung . . . . . . . 27 bb. Gewandelte bzw. fortentwickelte Finanzierungsfolgenverantwortung . . . . . . . . . . . . . . 29 c. Widerlegliche Vermutung der Insolvenzreife . . . . . . . . . . . 31 d. Haftung für Insolvenzverschleppungsbeitrag . . . . . . . . . . . 32 e. Sanktion der nominellen Unterkapitalisierung . . . . . . . . . . 34 f. An die Haftungsbeschränkung anknüpfende Ansätze . . . . . . . 35 aa. Missbrauch der Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . 35 bb. Ausgleich für die Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . 36 g. An das Näheverhältnis anknüpfende Ansätze . . . . . . . . . . . 38 aa. Doppelrolle des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . 38 bb. Risikoausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 cc. Steuerungsfunktion des Eigenkapitalrisikos . . . . . . . . . . 41 dd. Informationsvorsprung des Gesellschafters . . . . . . . . . . 41 h. Kombinationsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 i. Standpunkt der höchstrichterlichen Rechtsprechung . . . . . . . . 43 j. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 aa. Zum Vorschlag der konzeptionellen Trennung und zur Miteinbeziehung der Tatbestände des AnfG . . . . . . . . . . 45 bb. De lege lata untaugliche Erklärungsansätze . . . . . . . . . . 47 cc. Auswertung der Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . 48 dd. Zu klärende Detailpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 ee. Zur unveränderten Fortgeltung der Finanzierungsfolgenverantwortung . . . . . . . . . . . . . . 50 (1) Konstruktive Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (2) Historische Bedenken gegen eine Krisenvermutung . . . . 52 (3) Bedenken in Anbetracht des geänderten Handlungsanreizes 53 (4) Bedenken angesichts der Anfechtungsfrist des §  135 I Nr.  1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (5) Untaugliche historische und verfassungsrechtliche Begründungselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (6) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 ff. Zur gewandelten Finanzierungsfolgenverantwortung, Vermutung der Insolvenzreife, Haftung für Insolvenzverschleppungsbeitrag und dem Problem der nominellen Unterkapitalisierung . . . . 56

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gg. Zur Bedeutung der Haftungsbeschränkung für das Legitimationsund Wertungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (1) Näheverhältnis ungeeignet als Erklärungsansatz . . . . . . 59 (2) Haftungsbeschränkung als Tatbestandsmerkmal . . . . . 60 (3) Haftungsbeschränkung keine bloße Einschränkung des Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 (4) Weitere Bezüge zur Haftungsbeschränkung . . . . . . . . 63 (a) Bezug zur Haftungsbeschränkung der Ansätze vom Risikoausgleich oder -beitrag . . . . . . . . . . 63 (b) Zusammenhang zur faktischen Aufgabe des gesetzlichen Mindestkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 (5) Gesetzlicher Risikobeitrag als Begrenzung und Ausgleich für das Privileg der Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . 65 hh. Überprüfung des erarbeiteten Wertungskonzepts . . . . . . . 68 (1) Vereinbarkeit mit den tatbestandlichen Grundkonstanten des Gesellschafterdarlehensrechts . . . . . . . . . . . . . 68 (2) Vereinbarkeit mit den Einzelregelungen des Gesellschafterdarlehensrechts . . . . . . . . . . . . . 68 (3) Zu weiteren Kritikpunkten am Ansatz an der Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 ii. Zusammenfassung der Ergebnisse zur Legitimations- und Wertungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Ergebnis: geändertes Wertungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . 74

IV. §  135 III InsO als Teil des Gesellschafterdarlehensrechts vor dem Hintergrund des entwickelten Wertungskonzepts? . . . . . . 74

C. Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO . . . . . . 76 I. Entwicklung des Internationalen Insolvenzrechts . . . . . . . . . . . 76 1. Grundzüge der Entwicklung des Internationalen Insolvenzrechts . . . 76 a. Ausgangspunkt in Deutschland: territoriale Abschottung . . . . . 77 b. Wende im deutschen Internationalen Insolvenzrecht und nationale Kodifikation des Internationalen Insolvenzrechts . . . . . . . . . 78 c. Europäische Vereinheitlichungsbemühungen und die EuInsVO . . 79 d. Reform der EuInsVO in den Jahren 2012–2015: EuInsVO 2017 . . . 81 2. Entwicklung des Internationalen Insolvenzanfechtungsrechts und der Kollisionsregelungen zum Rang . . . . . . . . . . . . . . . 82 a. Entwicklung des Internationalen Insolvenzanfechtungsrechts . . . 82 aa. Diskussion in der Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . 82 bb. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 cc. Kodifikationsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (1) Nationale Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (2) Internationale, vor allem europäische Regelungen . . . . . 85

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b. Kollisionsrecht für die Rangordnung der Gläubiger . . . . . . . . 86 aa. Nationale Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 bb. Internationale, vor allem europäische Regelungen . . . . . . . 87 3. Exkurs: Entwicklung des Internationalen Gläubigeranfechtungsrechts 88

II. Allgemeines und Regelungssystematik . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a. Drittstaatenbezug des Sachverhalts ausreichend . . . . . . . . . . 93 b. Qualifizierter Mitgliedstaatenbezug des Sachverhalts erforderlich . 94 c. Differenzierung nach einzelnen Teilkomplexen . . . . . . . . . . 96 d. Keine Anwendbarkeit der EuInsVO bei Vermögen in Drittstaat . . 96 e. Das EuGH-Urteil „Schmid“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 f. Relevanz für die vorliegende Problematik . . . . . . . . . . . . . 98 g. Verbleibende Problembereiche und Stellungnahme . . . . . . . . 99

aa. Kein qualifizierter Mitgliedstaatenbezug für die internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 bb. Qualifizierter Mitgliedstaatenbezug für die Kollisionsnormen . 104 h. Zusammenfassung der Ergebnisse zum räumlichen Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

IV. Eröffnungszuständigkeit in der Insolvenz einer EU-Auslandsgesellschaft 106 V. Die kollisionsrechtliche Generalklausel in Art.  4 EuInsVO und die Reichweite des Insolvenzstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Das Insolvenzrecht des Eröffnungsstaates – Grundgedanke des Art.  4 I EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a. Art 4 I EuInsVO als kollisionsrechtliche Generalklausel . . . . . . 108 b. Gründe und Zweck der Geltung der lex fori concursus in Gestalt des Rechts am Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen . . . . 109 2. Reichweite des Insolvenzstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 a. Art 4 II 1 EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 aa. Übertragung der Grundsätze aus dem EuGH Urteil „Gourdain“ 112 bb. Das EuGH-Urteil „Kornhaas“ . . . . . . . . . . . . . . . . 113 cc. Keine formelhafte Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b. Katalog des Art.  4 II 2 EuInsVO als Konkretisierung des Art.  4 I 1, II 1 EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

VI. Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung . . . .

117 1. Geschichte dieser Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Ratio der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Das „für die Rechtshandlung maßgebliche Recht“ . . . . . . . . . . 120 a. Methodischer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 aa. Verordnungsautonome Auslegung oder Auslegung ausgehend vom nationalen Kollisionsrecht? . . . . . . . . . . . . . . .

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bb. Auslegung nach der lex fori des angerufenen Gerichts oder nach der lex fori concursus? . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 cc. Grundüberlegungen zum Vorgang der Qualifikation . . . . . . 122 b. Rechtshandlungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 c. Bestimmung des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“ . 125 aa. Differenzierungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 bb. Schuldstatutslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 cc. Neuere differenzierende Schuldstatutslehre . . . . . . . . . . 127 dd. Kritische Würdigung der Schuldstatutslehre und Streitentscheid 128 (1) Art.  32 I Nr.  2 EGBGB a. F. bzw. Art.  12 I lit.  b Rom I-VO . 128 (2) Parallele zum Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . 129 (3) Das „Streitgegenstands-Argument“ . . . . . . . . . . . . 130 (4) Parallelität zu §  339 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (5) Erfüllungshandlungen unter Rechtsordnungen mit Einheitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (6) Bestimmung des Wirkungsstatuts hier und in anderen Fällen, historische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (7) Grundsätzliche Bedenken gegen die Ermittlung des maßgeblichen Rechts der Rechtshandlung unter Rückgriff auf die Funktionsweise der Insolvenzanfechtungstatbestände 135 (8) Weiter Rechtshandlungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . 137 (9) Erstreckung auf sonstige Unwirksamkeitsgründe . . . . . 137 (10) Gewährleistung des Vertrauensschutz . . . . . . . . . . 138 ee. Ergebnis zur Bestimmung des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 d. Problematik der Manipulierbarkeit, Rechtswahl bzw. anderweitig „gezieltes Schaffen einer Anknüpfung“ . . . . . . . . 139 aa. Binnensachverhalte Art.  3 III Rom I-VO . . . . . . . . . . . 139 bb. Eingriffsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 cc. Wesentlich engere Verbindung gem. Art.  46 EGBGB . . . . . 140 dd. Wesentlich nähere Beziehung zum Recht des Staates der Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 ee. Insolvenzanfechtung der Rechtswahl oder der Veränderung der entscheidenden Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . 140 ff. Fraudulöse Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 e. Exkurs: das „für die Rechtshandlung maßgebliche Recht“ bei grenzüberschreitender Zahlung . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa. Bare Zahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 bb. Unbare Zahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (1) SEPA-Überweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (a) Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (b) Bestimmung des „maßgeblichen Rechts“ i. S. v. Art.  13 EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (2) Lastschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (a) Einzugsermächtigungslastschrift . . . . . . . . . . . 147 (b) SEPA Lastschriftverfahren . . . . . . . . . . . . . . 152 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

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4. Regelungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b. Bezug auf die konkrete Rechtshandlung und Einbeziehung sämtlicher Unwirksamkeitsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . 155 c. Form der Geltendmachung der Anfechtung; Verjährungs-, Anfechtungs- und Ausübungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . 156 aa. Diskurs über die Beachtung von Formvorschriften und Verjährungs-, Anfechtungs- und Ausübungsfristen des Wirkungsstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 bb. EuGH-Urteil „Lutz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 d. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 e. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 5. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a. Räumlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 b. Sachlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

VII. Würdigung des Internationalen Insolvenzanfechtungsrechts der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

164 1. Nachteile einer kumulativen Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Schutz der heimischen Rechtsordnung als untaugliches Argument . . 165 3. Argumente für eine Maßgeblichkeit des Insolvenzstatuts . . . . . . . 165 a. Vergleich mit anderen Materien, die dem Insolvenzstatut unterfallen 165

b. Erstreckung der Grundnorm auf die Insolvenzanfechtung als Konkurswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 c. Einheitliche Anknüpfung zusammenhängender Fragen . . . . . . 167 d. Gleichbehandlung aller Anfechtungsgegner . . . . . . . . . . . . 167 e. Zweckmäßigkeitserwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 f. Zweck der Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 g. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4. Argumente für eine Maßgeblichkeit des Wirkungsstatuts . . . . . . . 172 a. Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b. Wirkweise der Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . 176 c. Gleichlauf mit der Einzelgläubigeranfechtung . . . . . . . . . . 177 d. Vergleich mit anderen Unwirksamkeitsgründen . . . . . . . . . . 178 e. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

D. Das Internationale Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 180 I. Entwicklung des Gesellschaftskollisionsrechts – Von der Sitztheorie über die Niederlassungsfreiheit zur Gründungstheorie für EU-Auslandsgesellschaften . . . . . . . . 180 1. Ausgangspunkt: Sitz- und Gründungstheorie . . . . . . . . . . . . 181 2. Das Urteil „Daily Mail“ als vermeintliche Bestätigung der Sitztheorie 182 3. Die Urteile „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ . . . . . . . 183

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a. „Centros“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 b. „Überseering“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 c. „Inspire Art“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 d. Folgen für das Gesellschaftskollisionsrecht: Gründungstheorie im Bereich der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 4. Weitergeltung der Sitztheorie für Drittstaaten . . . . . . . . . . . . 189 5. Fortentwicklung der EuGH Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit 189 a. „Cartesio“, „National Grid Indus“ und „Sevic Systems“ . . . . . . 189 b. „Cadbury Schweppes“ und “Vale”: kein generelles “genuine link”-Erfordernis . . . . . . . . . . . . 191 6. Wegzugsermöglichung für Kapitalgesellschaften durch das MoMiG . 193 7. Zwischenergebnis – aktueller Stand des Internationalen Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

II. Reichweite des Gesellschaftsstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

E. Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften . . . . . 196 I. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Präzisierung der kollisionsrechtlichen Fragestellung: Zuordnung zum Gesellschafts- oder Insolvenzstatut als Qualifikationsfrage . . . 197 2. Auslegung des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3. Getrennte Betrachtung der einzelnen Rechtsnormen? . . . . . . . . 198 4. Qualifikation eines Rechtsinstituts . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 5. Abgrenzung von Gesellschafts- und Insolvenzstatut . . . . . . . . . 200

II. Meinungsstand zur kollisionsrechtlichen Behandlung des Eigenkapitalersatzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Insolvenzrechtliche Qualifikation des gesamten Eigenkapitalersatzrechts 204 2. Gesellschaftsrechtliche Qualifikation des gesamten Eigenkapitalersatzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 3. Unterscheidung nach Rechtsprechungs- und Novellenregeln . . . . . 207 a. Eigenkapitalersatzcharakter als eigenständig anzuknüpfende, gesellschaftsrechtliche Vorfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 b. Eigenkapitalersatzcharakter als bloßes Tatbestandsmerkmal . . . . 211 4. Doppelqualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

III. Kollisionsrechtliche Behandlung des Gesellschafterdarlehensrechts unter der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Stand der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a. Anwendbarkeit aufgrund insolvenzrechtlicher Qualifikation . . . . 213 aa. Kollisionsrechtliche Erwägungen bei Azara . . . . . . . . . . 217 bb. Kollisionsrechtliche Erwägungen bei Lüneborg . . . . . . . . 218

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cc. Kollisionsrechtliche Erwägungen bei Balke . . . . . . . . . . 219 dd. Kollisionsrechtliche Erwägungen bei Clemens . . . . . . . . 219 ee. Kollisionsrechtliche Erwägungen bei Koutsós . . . . . . . . . 220 b. Vereinzelte Berücksichtigung des Gesellschaftsstatuts über Art.  13 EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Würdigung und Kritik am bisher erreichten Diskussionsstand . . . . 221 3. Kollisionsrechtliche Natur des Gesellschafterdarlehensrechts . . . . . 226 a. Insolvenzrechtliche Rechtsfolgen und Regelungstechnik . . . . . 227 b. Wertungsgrundlage des nationalen Rechtsinstituts . . . . . . . . 227 c. Abgleich mit den Zwecken der Verweisungsnormen und ihrer Systembegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 d. Zuordnung nach den weiteren vorgeschlagenen Abgrenzungsformeln 232 e. Weitere relevante Gesichtspunkte für die kollisionsrechtliche Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 aa. Gesellschafterdarlehensrecht „wirkt“ bereits vor dem Zeitpunkt materieller Insolvenz: präventiver, insolvenzferner Handlungsanreiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 bb. Problematik der Sitzverlegung und Auslands-GmbH . . . . . 233 cc. Rechtsvergleich: beschränkte Aussagekraft des Vergleichs mit Gläubigerschutzregeln anderer Rechtsordnungen . . . . . 235 f. Ergebnis zur kollisionsrechtlichen Natur des Gesellschafterdarlehensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 237 4. Folgen der ermittelten kollisionsrechtlichen Natur . . . . . . . . . . 238 a. Keine Ansatzpunkte im Wortlaut der Katalogtatbestände . . . . . 238 b. Dennoch keine Anwendung der Katalogtatbestände . . . . . . . . 239 aa. Wertneutralität des rechtstechnischen Katalogs . . . . . . . . 239 bb. Kein Zusammenhang zu den klassischen Fällen der actio pauliana 240 cc. Rückschluss aus Art.  13 EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . 241 dd. Problematik um die Abgrenzung von Insolvenzund Gesellschaftsstatut stellt sich verschärft erst seit Centros, Überseering und Inspire Art . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 ee. Keine durchgreifende Bedenken aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und des „effet utile“ . . . . . . . . . . . 243 ff. Keine Korrektur der erarbeiteten Wertungsgrundlage des materiellen Rechts auf Grund des gesetzgeberischen Anwendungswillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 gg. Keine Berücksichtigung über Art.  13 EuInsVO . . . . . . . . 245 (1) Dogmatische Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (2) Praktische Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 hh. Methodisch: Teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . 247 c. Vorzugswürdigkeit einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation . . 247 d. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 5. Stützende Kontrollüberlegung: Vereinbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts mit der Niederlassungsfreiheit . . . 248 a. Abermals: gemeinsame oder getrennte Prüfung der einzelnen Normen? 249

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b. Grundlegendes zur Niederlassungsfreiheit und deren Schutzbereich 250 c. Insolvenzrecht als „sicherer Hafen“? . . . . . . . . . . . . . . . 251 d. Keine Diskriminierung ausländischer Gesellschaften . . . . . . . 253 e. Beschränkung der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . 253 f. Rechtfertigung dieses Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 g. Primärrechtskonforme Auslegung? . . . . . . . . . . . . . . . . 261 aa. Primärrechtskonforme Auslegung des materiellen Rechts? . . 262 bb. Primärrechtskonforme Auslegung des Kollisionsrechts? . . . . 263 (1) Heilung durch Anwendung von Art.  13 EuInsVO . . . . . 263 (2) Heilung durch kumulative Sonderanknüpfung ohne Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 h. Ergebnis und Folgen für die kollisionsrechtliche Behandlung . . . 265 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

F. Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts in den übrigen Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 I. In der Inlandsinsolvenz von Gesellschaften aus Drittstaaten und Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

266 1. Sedes materiae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 2. Relevante Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

a. Hauptinsolvenzverfahren über das Vermögen von Gesellschaften aus Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 b. Hauptinsolvenzverfahren über das Vermögen von Gesellschaften aus Dänemark als Drittstaat i.R.d. EuInsVO . . . . . . . . . . . 268 c. Partielle territoriale Verfahren über das Inlandsvermögen von Auslandsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 3. Übertragbarkeit der Ergebnisse zur EuInsVO . . . . . . . . . . . . 269 a. In den möglichen Hauptinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . 269 aa. Über das Vermögen einer dänischen Gesellschaft . . . . . . . 269 bb. Über das Vermögen einer Gesellschaft aus einem EFTA-Staat . 270 cc. Über das Vermögen einer US-amerikanischen Gesellschaft . . 270 b. In partiellen territorialen Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . 271 aa. Über das Inlandsvermögen von Gesellschaften aus den Vereinigten Staaten, Dänemark und den EFTA-Staaten . . . . 271 bb. Über das Inlandsvermögen sonstiger Gesellschaften aus Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

II. Außerhalb der Insolvenz, in der Zwangsvollstreckung gegen Auslandsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 1. §  19 AnfG: Maßgeblichkeit des Wirkungsstatuts . . . . . . . . . . . 273 2. Ausnahme für §§  6, 6a AnfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

III. Exkurs: Qualifikation von §  135 III InsO . . . . . . . . . . . . . . .

275

XX

Inhaltsverzeichnis

G. Ausblick und Anregungen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . 277 I. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 II. Anregungen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

278 1. Materielles Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 2. Internationales Insolvenz- und Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . 279

H. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

Abkürzungsverzeichnis Auf eine Angabe der Fundstelle nationaler Gesetze in aktueller Fassung wurde verzichtet. Abgekürzte Literaturtitel finden sich im Literaturverzeichnis. a. A. andere(r) Ansicht a. a. O. am angegebenen Ort a. E. am Ende Abl. Amtsblatt Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis Vertrag über die Arbeitsweisen der Europäischen Union AEUV AG Die Aktiengesellschaft Anh. Anhang Anm. Anmerkung Art. Artikel Artt. Artikel (pl.) B.V. besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid (niederländische, haftungsbeschränkte Gesellschaftsform) BB Betriebsberater Bd. Band Bürgerliches Gesetzbuch BGB BGH Bundesgerichtshof BGHZ Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BK Berliner Kommentar Verordnung (EU) Nr.  1215/2012 des Europäischen Parlaments Brüssel Ia-VO und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung) (Abl. L 351 vom 20.12.2012, S.  1). Brüssel I-VO siehe EuGVVO BT-Drs. Bundestagsdrucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht COMI center of main interest (engl. = Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen) DB Der Betrieb dens. denselben ders. derselbe dess. desselben dies. dieselbe(n) DNotZ Deutsche Notarzeitschrift

XXII DStR DZWIR

Abkürzungsverzeichnis

Deutsches Steuerrecht Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht (seit 1999). EG Europäische Gemeinschaft EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche et alii (lat. = und andere) et al. EU Europäische Union Europäischer Gerichtshof (amtlich: Gerichtshof) EuGH EuGVÜ Übereinkommen von Brüssel über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivilund Handelssachen vom 27.9.1968 (abrufbar über EUR-Lex, CELEX:41998A0126). Verordnung (EG) 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die EuGVVO gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Abl. L 12 vom 16.1.2001, S.  1), abgelöst durch die Brüssel Ia-VO. EuInsVO Europäische Insolvenzverordnung, Verordnung (EG) Nr.  1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (Abl. L 160 vom 30.6.2000, S.  1), abgelöst durch die EuInsVO 2017. EuInsVO 2017 Verordnung (EU) 2015/848 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung) (Abl. L 141 vom 5.6.2015, S.  19). Zeitschrift Europarecht EuR europ. europäisch EUV Vertrag über die Europäische Union EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaft EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht f. folgend ff. folgende FK Frankfurter Kommentar FMFG Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) vom 27.3.1998, BGBl I, S.  529. Fn. Fußnote FR Finanz-Rundschau FS Festschrift GesO Gesamtvollstreckungsordnung, vom 6. Juni 1990, BGBl I 1991, S.  1186. GesR Gesellschaftsrecht GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHR GmbH-Rundschau GS Gedenkschrift h. M. herrschende Meinung HaKo Hamburger Kommentar HdB Handbuch HGB Handelsgesetzbuch

Abkürzungsverzeichnis

XXIII

HK Heidelberger Kommentar Hamburger Rechtsnotizen HRN i.a.R. in aller Regel in der Regel i. d. R. i. E. im Ergebnis im Rahmen der/des i. R. d. i. R. v. im Rahmen von im Sinne der/des i. S. d. i. S. e. im Sinne einer/eines i. S. v. im Sinne von insb. insbesondere InsO Insolvenzordnung InsR Insolvenzrecht int. international IPR Internationales Privatrecht IPRax Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts JW Juristische Wochenschrift JZ Juristenzeitung KapAEG Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Konzerne an Kapitalmärkten und zur Erleichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen (Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz – KapAEG) vom 20.4.1998, BGBl I, S.  707. KG Kommanditgesellschaft KO Konkursordnung KonTraG Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998, BGBl I, S.  786. krit. kritisch KTS Zeitschrift für Insolvenzrecht (seit 2004), zuvor: Konkurs, Treuhand, Sanierung (1989–2003), bzw. Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen (1955–1988) lit. littera (lat. = Buchstabe) LMK Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring LS Leitsatz LZ Leipziger Zeitschrift für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht (1907–1913), Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht (1914–1933) m.e.N. mit entsprechenden Nachweisen m.v.w.N. mit vielen weiteren Nachweisen m. w. N. mit weiteren Nachweisen MDR Monatsschrift für Deutsches Recht MoMiG Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008, BGBl I, S.  2026. MoRaKG Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG) vom 12.8.2008, BGBl I, S.  1672. MüKo Münchener Kommentar NJW Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht NJW-RR NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

NZI Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht Neue Zeitschrift für Mietrecht NZM OHG offene Handelsgesellschaft R Recht RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RefE Referentenentwurf RegE Regierungsentwurf RG Reichsgericht RiLi Richtlinie RIW Recht der internationalen Wirtschaft Rn. Randnummer Rom II-VO Verordnung (EG) Nr.  864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) (Abl. L 199 vom 31.7.2007, S.  40). Rom I-VO Verordnung (EG) Nr.  593/2008 des europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (Abl. L 177 vom 4.7.2008, S.  6). S. Seite Slg Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts Erster Instanz StbJb Steuerberater-Jahrbuch u. a. unter anderem UAbs. Unterabsatz UBGG Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften vom 17.12.1986, BGBl I, S.  2488. UG Unternehmergesellschaft vgl. vergleiche w.N. weitere Nachweise WM Wertpapiermitteilungen ZBB Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZEuP ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht ZInsO Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZIP ZPO Zivilprozessordnung ZZP Zeitschrift für Zivilprozess

A. Einleitung Der EuGH ermöglicht Gesellschaften, die nach dem Recht eines Mitgliedstaates der EU wirksam gegründet wurden, mit den Urteilen „Centros“1, „Überseering“2 und „Inspire Art“3 auf Basis der Niederlassungsfreiheit, ihren effektiven Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen und dabei ihre Rechtsform beizubehalten.4 Damit wurde der viel beschworene „Wettbewerb der Gesellschaftsrechte in Europa“5 eröffnet.6 Auch der deutsche Gesetzgeber wollte sich diesem Wettbewerb stellen und mit dem MoMiG7 die deutsche GmbH international wettbewerbsfähig gestalten.8 Zu diesem Zweck wurde mit §  5a GmbHG eine Variante der GmbH eingeführt, die auf ein festes Mindestkapital verzichtet, die Unternehmergesellschaft.9 Gleichzeitig wurde das auf die Gesellschafterfremdfinanzierung gerichtete Eigenkapital­ersatz­ recht10 tatbestandlich von den Regeln zur Kapitalerhaltung getrennt und insgesamt

1 

EuGH, Urteil vom 9.3.1999 – C-212/97 („Centros“), Slg 1999, I-1459. EuGH, Urteil vom 5.11.2002 – C-208/00 („Überseering“), Slg 2002, I-9919. 3  EuGH, Urteil vom 30.9.2003 – C-167/01 („Inspire Art“), Slg 2003, I-10155. 4  Ganz überwiegend wird davon ausgegangen, dass die genannte Rechtsprechung zu einem Übergang zur sog. Gründungstheorie zwingt, der faktisch diese Konsequenz zeitigt; vgl. eingehend zur Entwicklung des internationalen Gesellschaftsrechts unten ad D.I. 5  So der vielsagende Titel des Aufsatzes von Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 ff. 6  Eingehend hierzu jüngst m.v.w.N. Fleischer, in MüKo GmbHG, Einleitung, Rechtsvergleichung, Rn.  217 ff., nach dem der Trend zur Nutzung ausländischer Rechtsformen in Deutschland in den letzten Jahren wieder rückläufig ist. 7  Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008, BGBl I, S.  2026. 8  Dies war erklärtes Ziel neben der Modernisierung des GmbH-Rechts; vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  1, ferner S.  25. 9  Kurz: UG. In der Firma muss jeweils der Zusatz „(haftungsbeschränkt)“ geführt werden, §  5a I GmbHG. Vgl. zur UG die Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  25, 31 ff. Näheres zur UG m.e.N. unten ad B.III.2.j.gg.(4).(b). 10  In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff „Eigenkapitalersatzrecht“ für die Regelungen zu Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich vergleichbaren Formen der Gesellschafterfremdfinanzierung vor dem MoMiG verwandt, während der Begriff „Gesellschafterdarlehensrecht“ die reformierten Regelungen hierzu bezeichnen soll. 2 

2

A. Einleitung

rechtsformneutral in insolvenzrechtlicher Regelungstechnik ausgestaltet, um eine Anwendbarkeit auch gegenüber EU-Auslandsgesellschaften11 zu erreichen.12 Der Frage, ob dieses Anliegen der Reform erfolgreich war, widmet sich diese Arbeit. Gerade angesichts der rückläufigen Zahlen von EU-Auslandsgesellschaften in Deutschland kann dieser Frage unaufgeregt, dogmatisch und weniger rechtspolitisch nachgegangen werden. Dabei sollen neben den Vorgaben des Internationalen Insolvenz- und Gesellschaftsrechts vor allem die Wertungen des nationalen Rechtsinstituts berücksichtigt werden.

I.  Problemaufriss und Ziele der Arbeit Literatur13 und Rechtsprechung14 gehen bis auf einzelne Ausnahmen15 davon aus, das Gesellschafterdarlehensrecht sei auf EU-Auslandsgesellschaften in der Inlands­ insolvenz16 unproblematisch anwendbar. Die Anwendbarkeit des Eigenkapitalersatzrechts auf Auslandsgesellschaften war demgegenüber noch äußerst umstritten.17 Begründet wird die Anwendbarkeit des reformierten Rechts in aller Regel mit einem knappen Verweis auf Artt.  3, 4 EuInsVO und die Gesetzesbegründung.18 Der Gesetzgeber ging davon aus, durch die insolvenzrechtliche Platzierung und den rechtsformneutralen insolvenzrechtlichen Anwendungsbereich des Gesellschafterdarlehensrechts, insolvenzrechtlich zu qualifizierende Regelungen zu schaffen.19

11  Dieser Begriff steht für Gesellschaften, die entsprechend den vorherigen Ausführungen in der Rechtsform eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gegründet wurden, ihren effektiven Verwaltungssitz aber in der Bundesrepublik Deutschland haben. Häufig werden solche Gesellschaften auch als „Scheinauslandsgesellschaften“ bezeichnet, worauf hier bewusst verzichtet wird. Kritisch zum Begriff „Scheinauslandsgesellschaften“ statt vieler Behrens, IPRax 2010, 230 (Fn.  1). 12  Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  26, 56 f. Weiteres Ziel der Reform war eine Vereinfachung der als zu kompliziert empfundenen Regelungen. Genau genommen wird das Gesellschafterdarlehensrecht freilich gegenüber den Gesellschaftern der in §  39 IV InsO umschriebenen haftungsbeschränkten Gesellschaften angewandt. 13  Eingehend hierzu unten ad E.III.1.a. mit ausführlichen Nachweisen in Fn.  127. 14  Vor allem in einem obiter dictum der BGH, Urteil vom 21.7.2011 – IX ZR 185/10 (verbreitet „PIN“), BGHZ 190, 364 (Rn.  30). Hierzu m. w. N. ebenfalls unten ad E.III.1.a. 15  Auch zu zweifelnden Stimmen und der vereinzelt gebliebenen Gegenstimme Zahrtes unten ad E.III.1.a. mit Nachweis in Fn.  125. 16  In der bisherigen Diskussion ging es nahezu ausschließlich um die Fälle von Auslandsgesellschaften in der Rechtsform eines EU-Mitgliedstaates und isoliert um die insolvenzrechtlichen Regelungen des Gesellschafterdarlehensrechts (§§  44a, 39 I Nr.  5, 135, 143 III InsO). Die vorliegende Arbeit wird aber auch die Situation im Hinblick auf andere Auslandsgesellschaften (unten ad F.I.) und hinsichtlich der Regelungen des AnfG (unten ad F.II.) betrachten. 17  Vgl. hierzu die Darstellung unten ad E.II. 18  Vgl. zur verbreitet sehr knappen Begründung m.e.N. unten ad E.III.1.a. und zu Ausnahmen mit etwas eingehenderer Begründung unten ad E.III.1.a.aa.–ee. 19  Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  26, 56 f.

I.  Problemaufriss und Ziele der Arbeit

3

Hierfür spricht vor allem auch der Katalog des Art.  4 II EuInsVO20, der in lit.  g, i und m Regelungen zum Rang und der Insolvenzanfechtung dem Insolvenzstatut zuweist, mithin also gerade die Regelungsmechanismen des Gesellschafterdarlehensrechts, die in der Insolvenz zum Zuge kommen. Bei genauerer Betrachtung fallen allerdings einige problematische Aspekte auf, die dieses Ergebnis nachhaltig in Frage stellen. Zunächst sind mit der Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften und der EuInsVO Vorschriften des Unionsrechts berührt, für deren Auslegung der Wille der nationalen Gesetzgeber (alleine) nicht entscheidend sein kann. Geboten ist hier vielmehr eine autonome Auslegung, die neben den verschiedenen Sprachfassungen vor allem Sinn und Zweck der unionsrechtlichen Normen zu berücksichtigen hat.21 Auch die Frage, ob eine insolvenzrechtliche Qualifikation mit den hinter dem Gesellschafterdarlehensrecht stehenden Wertungen korrespondiert, blieb bislang weitgehend unbeachtet. Dabei sind gerade die materiellen Wertungen und Funk­ tionen eines Tatbestands oder Rechtsinstituts für dessen Qualifikation von entscheidender Bedeutung.22 Qualifizierte man das Gesellschafterdarlehensrecht gesellschaftsrechtlich, käme für zugezogene EU-Auslandsgesellschaften das Gründungsrecht der Gesellschaft zur Anwendung, mithin also kein deutsches Recht.23 Die mangelnde Berücksichtigung der Wertungen des materiellen Rechts geht wohl unter anderem darauf zurück, dass das Wertungskonzept des reformierten Gesellschafterdarlehensrechts nach wie vor äußerst umstritten ist und auch die Gesetzesbegründung hierzu weitgehend schweigt. Daher werden in der Arbeit auch die hierzu entwickelten Ansätze systematisiert, aufgearbeitet und schließlich unter ihnen entschieden. Dabei wird sich zeigen,24 dass im Gesellschafterdarlehensrecht weiterhin gesellschaftsrechtliche Wertungen eine entscheidende Rolle spielen. Vor dem Hintergrund der autonomen Auslegung des Unionsrechts wirft das die Frage auf, ob die an den Rechtsfolgen und der Regelungstechnik ansetzenden Katalogtatbestände des Art.  4 II EuInsVO tatsächlich völlig unabhängig von den Wertungen der materiellen 20  Die Zitation bezieht sich im gesamten Werk auf die Verordnung (EG) Nr.  1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (Abl. L 160 vom 30.6.2000, S.  1) – EuInsVO –. Die hier wesentlichen Normen sind aber inhaltlich in die EuInsVO 2017 (Verordnung (EU) 2015/848 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung) (Abl. L 141 vom 5.6.2015, S.  19)) übernommen worden. Bei den hier relevanten Normen hat sich neben redaktionellen Änderungen vor allem teilweise die Nummerierung geändert: Art.  4 EuInsVO wurde zu Art.  7 EuInsVO 2017 und Art.  13 EuInsVO wurde zu Art.  16 EuInsVO 2017. 21  Vgl. eingehend hierzu, vor allem im Hinblick auf die kollisionsrechtliche Qualifikation m.e.N. unten ad E.I.2. 22 Sehr anschaulich M.-P. Weller, in MüKo GmbHG, Einleitung, Internationales GesR, Rn.  392 ff. Vgl. zur Qualifikation eingehend m. w. N. unten ad C.VI.3.a.cc. und ad E.I.4. 23  So die herrschende Auffassung in der Literatur und die Rechtsprechung. Eingehend hierzu m.e.N. unten ad D.I. 24  Eingehend hierzu unten ad B.III.2.j.

4

A. Einleitung

Normen und Rechtsinstitute greifen. In letzter Konsequenz ermöglichte ein solches Verständnis eine „Instrumentalisierung“ der Katalogtatbestände durch die nationalen Gesetzgeber, was erhebliche Zweifel aufwirft. Die Arbeit soll so insgesamt die Frage nach der Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts auf Auslandsgesellschaften in den verschiedenen in Betracht kommenden Konstellationen innerhalb und außerhalb der Insolvenz beantworten.

II.  Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands Bei der Frage nach der Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts auf Auslandsgesellschaften ist man mit zwei Problemkreisen konfrontiert, die man vom Grundsatz her auseinanderhalten sollte. Problematisch ist zunächst, ob die Normen überhaupt kollisionsrechtlich zur Anwendung berufen sind. Ist dies der Fall, muss bei EU-Auslandsgesellschaften die Anwendung der Regelungen mit der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit vereinbar sein. Diese beiden Problemkreise stehen dabei nicht völlig unabhängig nebeneinander, sondern beeinflussen sich gegenseitig. Scheidet etwa eine Anwendbarkeit bereits kollisionsrechtlich aus, kommt auch kein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit mehr in Betracht. Andererseits ist die Niederlassungsfreiheit ggf. bereits im Rahmen der primärrechtskonformen Auslegung im Kollisionsrecht zu berücksichtigen. Zudem sind dabei häufig vergleichbare Überlegungen anzustellen, so dass in gewisser Weise ein Wertungsgleichlauf besteht. Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit soll trotz dieser Zusammenhänge zunächst isoliert die Frage nach der richtigen kollisionsrechtlichen Behandlung des Gesellschafterdarlehensrechts stehen. Auf die Vereinbarkeit der Regelungen mit der Niederlassungsfreiheit wird in Form einer stützenden Kontrollüberlegung eingegangen, die gleichsam das zur kollisionsrechtlichen Behandlung gefundene Ergebnis unter dem Aspekt der primärrechtskonformen Auslegung untermauert. Dabei konzentriert sich die Arbeit auf die materiell- und kollisionsrechtliche Analyse der Normen des deutschen Gesellschafterdarlehensrechts de lege lata. §  135 III InsO, dessen Wertungskonzept und „Zugehörigkeit“ zum Gesellschafterdarlehensrecht für sich bereits sehr umstritten sind,25 soll nur exkursorisch betrachtet werden. Die viel diskutierte Frage nach der internationalen Zuständigkeit für die Insolvenzanfechtungsklage und andere Annexverfahren ist indes nicht Gegenstand der Arbeit, genauso wie die steuerrechtliche Behandlung von Gesellschafterdar­ lehen. Ferner beschränkt sich die Arbeit auf die Betrachtung entsprechender haftungsbeschränkter Gesellschaftsformen, die prinzipiell in den Anwendungsbereich des Gesellschafterdarlehensrechts (§  39 IV InsO) fallen. Die Frage einer Übertragung 25 

Nachweise unten Kapitel B. Fn.  115.

III.  Gang der Untersuchung

5

des Gesellschafterdarlehensrechts auf andere in- und ausländische Gesellschaftsformen, etwa die KG oder gar die OHG (bzw. die entsprechenden Pendants), kann in der Arbeit nur am Rande betrachtet werden.26

III.  Gang der Untersuchung Zunächst soll das hinter den Regelungen des Gesellschafterdarlehensrechts stehende Wertungskonzept offen gelegt werden, um es bei der kollisionsrechtlichen Betrachtung berücksichtigen zu können. Nach einem kurzen Blick auf die Rechtsentwicklung und den materiellen Regelungsgehalt der Normen werden dabei im ersten Kapitel insbesondere der Normzweck und die Legitimationsgrundlage des Gesellschafterdarlehensrechts erarbeitet. Die vorliegend relevanten Normen der EuInsVO werden im Anschluss daran im zweiten Kapitel eingehend betrachtet. Nach Darstellung der Rechtsentwicklung und des Anwendungsbereichs der Verordnung sind vor allem die vorliegend relevanten Kollisionsnormen (Artt.  4 I, II lit.  g, i, m, 13 EuInsVO) aufzuarbeiten. Dabei ist insbesondere die Problematik um die Bestimmung des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“ i. S. v. Art.  13 EuInsVO27 zu lösen, da in der Literatur teilweise eine Sonderbehandlung des Gesellschafterdarlehensrechts im Rahmen dieser Norm vorgeschlagen wird 28. Eine Betrachtung des Internationalen Gesellschaftsrechts schließt hieran als drittes Kapitel an. Diese Vorarbeiten ermöglichen es, sich im vierten Kapitel der Frage nach der kollisionsrechtlichen Behandlung des Gesellschafterdarlehensrechts unter der EuInsVO und unter Beachtung der Zwecke sowohl des materiellen Rechts als auch des in Frage kommenden Kollisionsrechts zu widmen, zunächst anhand des Falles eines inländischen Hauptinsolvenzverfahrens einer EU-Auslandsgesellschaft unter der EuInsVO. Dabei wird vor allem die Natur des Gesellschafterdarlehensrechts aus einer kollisionsrechtlichen Perspektive herausgearbeitet und die hieraus folgenden Konsequenzen betrachtet. Schließlich ist das gefundene Ergebnis anhand der Niederlassungsfreiheit zu überprüfen. Im Anschluss daran werden im fünften Kapitel die weiteren kollisionsrechtlichen Fragen (Übertragung der Ergebnisse auf partielle territoriale Verfahren unter der EuInsVO und auf Verfahren unter autonomem Internationalem Insolvenzrecht, sowie die kollisionsrechtliche Behandlung der Einzelgläubigeranfechtungstatbestände) betrachtet. Im sechsten Kapitel werden die Ergebnisse umfassend gewürdigt und es finden schließlich noch einige Gedanken de lege ferenda abrundend ihren Platz. 26 

Vgl. hierzu m.e.N. unten ad B.III.2.j.gg.(3). Entspricht inhaltlich Art.  16 EuInsVO 2017 (vgl. bereits oben Kapitel A. Fn.  20). 28  Nachweise unten Kapitel E. Fn.  157 und 197. 27 

B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht Das Recht der Gesellschafterdarlehen (früher verbreitet und heute teilweise noch als Eigenkapitalersatzrecht bezeichnet)1 hat, nachdem es vom BGH 1959 in der sog. „Luft­taxi-­Entscheidung“2 in Anlehnung an ältere Reichsgerichtsentscheidungen3 endgültig aus der Taufe gehoben wurde, eine facettenreiche Entwicklung genommen. Deren Kenntnis ist Voraussetzung für das Verständnis der heutigen Rechtslage. Heute befinden sich die maßgeblichen Regelungen in §§  39 I Nr.  5, 135 InsO, §§  44a, 143 III InsO und §§  6, 6a AnfG, deren Gestalt sich mit dem MoMiG 2008 wesentlich geändert hat. Die Frage, ob selbiges für das Wertungskonzept, insbesondere für den Normzweck und die Legitimationsgrundlage, gilt, soll im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen.

I.  Entwicklung des Gesellschafterdarlehensrechts Da die Entwicklung des Gesellschafterdarlehensrechts in der Literatur umfassend aufgearbeitet ist,4 genügt hier ein kurzer Abriss.

1  Im Folgenden soll die Bezeichnung „Gesellschafterdarlehensrecht“ verwendet werden, wenn es um das neue Recht geht, während der Begriff „Eigenkapitalersatzrecht“ dem alten Recht vor dem MoMiG vorbehalten bleibt; vgl. bereits oben Kapitel A. Fn.  10. 2  BGH, Urteil vom 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 (268 ff., juris Rn.  24 ff.). 3  RG, Urteil vom 16.11.1937 – II 70/37, RG JW 1938, 862 ff. (S.  864 f.: Einrede der Arglist gegen Forderungsanmeldung des Gesellschafters auf Grundlage von §  826 BGB und Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben); RG, Urteil vom 13.1.1941 – II 88/40, RGZ 166, 51 ff. (Nicht entscheidungstragend wird a. a. O., S.  57 festgestellt, die Finanzierung mittels Darlehen sei „Missbrauch dieser Rechtsform“; es wird a. a. O., S.  61 ausdrücklich offen gelassen, ob §§  30, 31, 43 III GmbHG zur Anwendung zu bringen sind). Vgl. insgesamt zu diesem am subjektiven Fehlverhalten anknüpfenden Ansatz des RG Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  14 ff. Vom BGH nicht genannt, aber in diesem Zusammenhang auch relevant, ist das Urteil des RG, vom 3.12.1938 – II 84/38, JW 1939, 355, in dem einem Gesellschafter einer Aktiengesellschaft die Aufrechnung mit Darlehensforderungen versagt wurde. Das RG hielt dies für Missbrauch und hatte „die angeblichen Darlehen als das behandelt, was sie in Wirklichkeit sind, nämlich Gesellschaftereinlagen“ (a. a. O., S.  356). 4 Insb. Georg, Gesellschafterdarlehen. Vgl. ferner Kleindiek, in Lutter/Hommelhoff GmbHG, Anh zu §  64 Rn.  93 ff. m. w. N.; lesenswert auch der Überblick bei Selzner/Leuering, in Römermann, Anwaltshdb GmbH-R, §  7 Rn.  1 ff. und der Abriss bei Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  3 ff.

I.  Entwicklung des Gesellschafterdarlehensrechts

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1.  Lückenschluss im Gläubigerschutzsystem durch die Rechtsprechung – die sog. Rechtsprechungsregeln Ursprünglich sah das GmbHG von 18925 als Finanzierungsmöglichkeit neben der Kapitalerhöhung die Möglichkeit sog. Nachschusskapitals vor, §§  26–28 GmbHG 1892, heute §§  26–28 GmbHG. Dieses Kapital wurde und wird allerdings zur Deckung von Verlusten des Stammkapitals herangezogen (§  30 GmbHG 1892 bzw. §  30 II GmbHG). Außerdem erfordert es einen Gesellschafterbeschluss und eine gesellschaftsvertragliche Grundlage, so dass in der Unternehmensfinanzierung zunehmend auf die ebenfalls mögliche Finanzierung durch formales Fremdkapital mittels sog. Gesellschafterdarlehen zurückgegriffen wurde und wird.6 In der bereits erwähnten „Lufttaxi-Entscheidung“ aus dem Jahr 1959 hat der BGH erstmals entschieden, dass ein darlehensgewährender Gesellschafter einer GmbH nicht uneingeschränkt die Rückzahlung der an die Gesellschaft ausgereichten Darlehen verlangen kann, sondern hierbei unter Umständen den Einschränkungen bzw. der Erstattungspflicht der §§  30, 31 GmbHG unterliegen kann.7 Der BGH begründete die „Lufttaxi-Entscheidung“ mit der Überlegung, dass zwar die Gesellschafter nicht zu Nachschüssen über das Stammkapital hinaus verpflichtet seien, wenn sie aber die Gesellschaft zur Abwendung einer (antragspflichtigen) Insolvenz tatsächlich weiter finanzierten, dürften die ausgereichten Gelder „nicht zur Unzeit, noch bevor der damit verfolgte Zweck nachhaltig erreicht war“, zurückgefordert werden.8 Zur Abwendung einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gewährte Darlehen seien zur Erreichung dieses Zwecks zunächst funktional wie Eigenkapital zu behandeln, um nicht selbst eine Überschuldung auszulösen oder zu vertiefen.9 Mit einer frühzeitigen Rückforderung bzw. Rückzahlung setze sich der Gesellschafter zu dieser Zwecksetzung in Widerspruch; anzuwenden sei deshalb auf eine erfolgte Rückzahlung §  31 GmbHG.10 Diese Rechtsprechung wurde durch den BGH in einer ganzen Reihe weiterer Urteile sukzessive ausgebaut und präzisiert.11 Die „Summe“ dieser Entscheidungen 5 

GmbHG vom 20.4.1892, RGBl. 1892, S.  477. hierzu ausführlich m. w. N. Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  4 f., der auch auf interessante steuerrechtliche Aspekte und Urteile verweist; ferner Lutter/Hommelhoff, in Lutter/­Hommelhoff GmbHG, 16. A., §§  32a/b Rn.  1. Ausführlich zur damaligen Rechtslage, mit Betrachtung der Anfechtungstatbestände der KO, auch Georg, Gesellschafterdarlehen, S.  4 ff. 7  BGH, Urteil vom 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 (268 ff., juris Rn.  24 ff.). Vgl. zu vorhergehender Rechtsprechung die Nachweise oben Kapitel B. Fn.  3; Ansätze aus der früheren Literatur werden zum Teil im Urteil (S.  269 f., juris Rn.  28) dargestellt, weitere Ansätze gibt ­Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  8 ff. m. w. N. wieder. 8  BGH, Urteil vom 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 (271 ff., juris Rn.  31). 9  BGH, Urteil vom 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 (271 ff., juris Rn.  31). 10  BGH, Urteil vom 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 (273, juris Rn.  32). 11  Aus den unzähligen Urteilen seien hier nur die wichtigsten genannt: vom 27.9.1976 – II ZR 162/75, BGHZ 67, 171 zur Anwendbarkeit der Rechtsprechungsregeln auf die GmbH & Co KG und zu gesellschafterbesicherten Drittdarlehen; vom 26.11.1979 – II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 zum Stehenlassen von Darlehen; vom 24.3.1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 insb. zum Umfang der 6  Vgl.

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

bezeichnet man verbreitet als „Rechtsprechungsregeln“.12 Sie markieren die erste „Säule“13 des Eigenkapitalersatzrechts in Form von „richterrechtlicher, institutioneller Rechtsfortbildung“14.15 Der BGH entwickelte dabei den subjektiven Ansatz des Reichsgerichts16 zu einer „funktional-institutionellen Betrachtung“ fort und brachte für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen die Regelungen zum Eigenkapital (§  30 f. GmbHG) zur Anwendung.17 Die Begründung bzw. Rechtfertigung dieser Behandlung wie „Quasi-Eigenkapital“18 wurde durch die Rechtsprechung und auch durch die Literatur in der Folge weiter präzisiert19 und mit dem Begriff der Finanzierungsfolgenverantwortung als übergreifendem Gedanken der „Verantwortung des Gesellschafters für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung“20 bezeichnet.21 2.  Kodifizierung durch die GmbH-Novelle 1980 – die sog. Novellenregeln Bereits im gescheiterten GmbHG Entwurf von 193922 waren spezielle Regelungen für Gesellschafterdarlehen vorgesehen, die u. a. Anfechtbarkeit (§  37 des Entwurfs) und das Verbot der Geltendmachung im Konkursverfahren (§  36 des Entwurfs) an-

Bindung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen und der Kreditunwürdigkeit als maßgebliches Kriterium (dieses wurde aus der finanzgerichtlichen Rechtsprechung erstmals von Erlinghagen, GmbHR 1962, 169 (174) auf das Eigenkapitalersatzrecht übertragen); vom 26.3.1984 – II ZR 14/84, BGHZ 90, 370 zur Fortgeltung der Rechtsprechungsregeln; vom 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 zur Übertragbarkeit der Rechtsprechungsregeln auf Aktiengesellschaften; vom 16.10.1989 – II ZR 307/88, BGHZ 109, 55 zur eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung; vom 11.7.1994 – II ZR 162/92, BGHZ 127, 17 zur Finanzierungsfolgenverantwortung. Zu weiteren Urteilen vgl. die Nachweise bei Lutter/Hommelhoff, in Lutter/Hommelhoff GmbHG, 16. A., §§  32a/b Rn.  1 ff. 12  Vgl. insgesamt zu den Rechtsprechungsregeln etwa die Kommentierung bei Lutter/Hommelhoff, in Lutter/Hommelhoff GmbHG, 16. A., §§  32a/b Rn.  1 ff. m. w. N. 13  Begriff nach Marotzke, ZInsO 2008, 1281: „zwei Säulen“ des Eigenkapitalersatzrechts. 14  Formulierung nach Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  17. 15  Hommelhoff, ZGR 1988, 460 (465 ff.), mit überzeugender Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Rechtsfortbildung. Vgl. ferner Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  17. 16  Nachweise oben Kapitel B. Fn.  3. Vgl. allerdings auch die dort wiedergegebene Entscheidung des RG vom 3.12.1938 mit bereits funktionalem Betrachtungsansatz. 17  Hommelhoff, ZGR 1988, 460 (468 ff.), der die Entscheidung BGHZ 76, 326 (oben Kapitel B. Fn.  11) als Abschluss dieses Prozesses ansieht. Zu Recht weist Röhricht, StbJb 1991/92, 313 (317 mit Fn.  14) darauf hin, dass der Begründungsansatz des widersprüchlichen Verhaltens nie ganz aufgegeben wurde. 18  Begriff nach K. Schmidt, FS Goerdeler, S.  487 ff.; K. Schmidt/Herchen, in K. Schmidt InsO, §  39 Rn.  26. Hommelhoff, ZGR 1988, 460 (463) geht davon aus, dass übereinstimmender aber nicht ausformulierter Konsens ist (bzw. war), dass nach den Rechtsprechungsregeln zu behandelnde Darlehen Eigenkapital gleich stehen und daher keine Rechte im Konkursverfahren genießen. 19 Von Lutter/Hommelhoff, in Lutter/Hommelhoff GmbHG, 16. A., §§  32a/b Rn.  3 als „Bündel von Erwägungen“ bezeichnet, eingehend zu den einzelnen Erwägungen dies., a. a. O., m. w. N. 20  BGH, Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (389, juris Rn.  19). 21  Vgl. eingehend zur Legitimationsgrundlage des alten Rechts m.e.N. unten ad B.III.1. 22  Abgedruckt bei Schubert, GmbHG Entwurf 1939, S.  94 ff.

I.  Entwicklung des Gesellschafterdarlehensrechts

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ordneten.23 Da auch spätere Reform- bzw. Kodifizierungsansätze24 nicht umgesetzt wurden, blieb es bis 1980 bei einem Schweigen des Gesetzes zur Problematik der Gesellschafterdarlehen und dem alleinigen Regime der Rechtsprechungsregeln. Mit der GmbH-Novelle 198025 und den neu eingeführten §§  32a, b GmbHG, §  32a KO, §  3b AnfG, §§  129a, 172a HGB (sog. Novellenregeln) wurden erstmals Regelungen für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlungen Gesetz.26 §  32a I GmbHG 1980 sah dabei wie bereits der Entwurf von 1939 für Forderungen aus eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen vor, dass diese im Konkurs- bzw. im Vergleichsverfahren nicht geltend gemacht werden konnten. §  32a II GmbHG 1980 regelte die Fälle von durch die Gesellschafter besicherten Drittdarlehen. Absatz 3 erstreckte die Regelungen der Absätze 1 und 2 auf wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlungen. §  32b ­GmbHG 1980 statuierte eine Erstattungspflicht des Gesellschafters für im letzten Jahr vor Konkurseröffnung an Dritte zurückgezahlte Beträge, wenn die Darlehen im Sinne von §  32a II, III GmbHG 1980 besichert waren. Nach §  32a I GmbHG 1980 waren solche Darlehen als eigenkapitalersetzend zu qualifizieren, die der Gesellschaft „in einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft)“,27 gewährt wurden. Zugleich wurden neue Anfechtungstatbestände für die Rückzahlung (mit einer Anfechtungsfrist von einem Jahr) und die Besicherung (mit einer Ausschlussfrist von dreißig Jahren, §  41 I 3 KO) von eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich entsprechenden Rechtshandlungen geschaffen: im Konkursverfahren mit §  32a KO und außerhalb mit §  3b AnfG. Nach §§  129a, 172a HGB galten die Regelungen entsprechend für eine OHG oder eine KG, wenn bei diesen keine vollhaftende natürliche Person (als Gesellschafter oder als Gesellschafter einer vollhaftenden Gesellschafter-Gesellschaft (Gesellschafter-Gesellschafter28)) vorhanden war. Der Regierungsentwurf setzte sich in der Vorbemerkung zur Begründung der §§  32a, b GmbHG auch mit der Frage auseinander, ob eine generelle Pflicht zur ausreichenden Kapitalausstattung einer GmbH eingeführt werden solle. Dies wurde

23  Vgl. zu diesem Entwurf und den enthaltenen Regelungen Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  12 f.; Georg, Gesellschafterdarlehen, S.  43 ff. 24  Zu nennen sind hier Entwürfe von 1969 und 1971/73. Vgl. hierzu Georg, Gesellschafterdarlehen, S.  87 ff.; ferner Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  23 ff., insb. zur Entwicklung der Lösungsansätze für die Abgrenzungsproblematik zwischen eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen und solchen mit Fremdkapitalcharakter. 25  Gesetz zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften vom 4. Juli 1980, BGBl. I, S.  836. Der Regierungsentwurf ist nachzulesen in BT-Drs. 8/1347, die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses in BTDrs. 8/3908. 26  Vgl. insgesamt hierzu Georg, Gesellschafterdarlehen, S.  96 ff. 27  Diese Formulierung verwendete bereits der RegE von 1971/73, vgl. BT-Drs. 6/3088, S.  15. 28  Begriff nach K. Schmidt, in MüKo HGB 3.A., §  129a a. F. Rn.  8.

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

als undurchführbar, mit der Rechtssicherheit unvereinbar und „letztlich die GmbH als solche in Frage stellen(d)“ abgelehnt.29 3.  Zweisäuliges Eigenkapitalersatzrecht Nach Einführung der Novellenregeln dauerte es nicht lange, bis der BGH am 26.3.1984 entschied, die Rechtsprechungsgrundsätze gälten neben den neuen Novellenregeln auch für nach dem 1.1.1981 gewährte Darlehen fort.30 Begründet wurde dies damit, dass weder der Wortlaut noch die Gesetzesbegründung einer Fortgeltung entgegenstünden,31 eine solche vielmehr geboten sei, da die Novellenregeln in wesentlichen Punkten lückenhaft seien32. Der Gesetzgeber habe das Ziel verfolgt, die Gesellschaftsgläubiger besser zu schützen.33 Damit „wäre es unvereinbar, die (Rechtsprechungs-)Grundsätze (…), fortan nicht mehr anzuwenden, ohne dass die neuen Vorschriften einen gleichwertigen Gläubigerschutz bieten“.34 Namentlich sah man als Lücken im Gläubigerschutz an, dass in den Novellenregeln ein Auszahlungsverbot für die Geschäftsführer fehlt, womit diese einem entsprechenden „Verlangen des Gesellschafter-Gläubigers auf Auszahlung ohne Rücksicht auf den Kapitalbedarf der Gesellschaft“35 nachkommen müssten und dass die Anfechtungstatbestände in zeitlicher Hinsicht und hinsichtlich der Aktivlegitimation beschränkt seien.36 Hierdurch schuf der BGH die Grundlage für ein zweisäuliges Eigenkapitalersatzrecht, in dem je nach Fallgestaltung entweder die Rechtsprechungs- oder die Novellenregeln oder beide kumulativ angewandt werden konnten.37 29 

Begründung RegE GmbHG 1980, BT-Drs. 8/1347, S.  38 f. BGH, Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 14/84, BGHZ 90, 378 (vgl. Leitsatz 2). Zuvor schon Geßler, ZIP 1981, 228 (233 f.) und Lutter, DB 1980, 1317 (1321) für die Anwendbarkeit von §  31 GmbHG. Dieses Urteil wurde in der Literatur überwiegend begrüßt, vgl. die Nachweise bei Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  30 Fn.  183, etwa von Hommelhoff, ZGR 1988, 460 (478 ff.), der auch methodisch keine Bedenken hat; eingehende methodische Kritik bei Wenzel, Fortgeltung, S.  27 ff. 31  Ausführlich BGH, Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 14/84, BGHZ 90, 370 (376 ff., juris Rn.  18 ff.) entgegen dem Berufungsurteil (vgl. juris Rn.  19). 32  BGH, Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 14/84, BGHZ 90, 370 (379 f., juris Rn.  24 f.): Die Novellenregeln wiesen „wesentliche Lücken auf“. 33  BGH, Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 14/84, BGHZ 90, 370 (380 f., juris Rn.  25). 34  BGH, Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 14/84, BGHZ 90, 370 (380 f., juris Rn.  25 f.). 35  BGH, Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 14/84, BGHZ 90, 370 (379, juris Rn.  23). 36  BGH, Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 14/84, BGHZ 90, 370 (378 f., juris Rn.  22 f.). 37  Letzteres war allerdings umstritten, wie hier: von Gerkan, GmbHR 1990, 384 (385); ders., ZGR 1997, 173 (178 f.); Lutter/Hommelhoff, in Lutter/Hommelhoff GmbHG, 16. A., §§  32a/b Rn.  10 ff., ferner Rn.  17. Von einem Verdrängen der Novellenregeln durch die Rechtsprechungs­ regeln in ihrem Anwendungsbereich ging demgegenüber noch Hommelhoff, ZGR 1988, 460 (481); ders., in von Gerkan/Hommelhoff, HdB Kapitalersatzrecht, Rn.  1.3 ff. aus; im Anschluss hieran jüngst auch Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  31 (mit falschem Verweis auf Lutter/ Hommelhoff, a. a. O., Rn.  17 und von Gerkan, ZGR 1997, 173 (178)); ferner ebenfalls in diesem Sinne Birkendahl, Reform, S.  44. Unklar m. E. die von Clemens und anderen zum Nachweis zitierte, weitere Literatur: Priester, FS Döllerer, S.  475 (483), der lediglich von „zwei verschiedenen 30 

I.  Entwicklung des Gesellschafterdarlehensrechts

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4.  Weitere Entwicklungen Der BGH entwickelte seine Rechtsprechungsregeln weiter fort,38 der Gesetzgeber die Novellenregeln. Mit der Einführung von InsO und EGInsO zum 1.1.1999 wurden die Normen aus der Konkursordnung in die Insolvenzordnung überführt und die Terminologie angepasst.39 Daneben kam es auch zu kleineren inhaltlichen Änderungen40: Unter anderem wurde der vormalige Ausschluss der Geltendmachung von Rückgewähransprüchen aus eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen und gleichgestellten Rechtshandlungen im Konkurs (§  32a I, III GmbHG 1980) durch eine Nachrangregelung an letzter Stelle (§  39 I Nr.  5 InsO a. F.) ersetzt.41. Die Intention dieser Änderung war allerdings nicht, den Gesellschafter in der Insolvenz besser zu stellen. Der Grund lag vielmehr in der Erstreckung der Insolvenzordnung hin zu einer Vollabwicklung ohne anschließende Liquidation.42 Für die Anfechtung von Sicherheiten für eine von §  32a I, III GmbHG 1980 erfasste Forderung wurde eine Anfechtungsfrist von 10 Jahren eingeführt.43 §  39 II InsO a. F. enthielt eine neue Regelung zum Rangrücktritt.44 Bereits 1998 hatten die Novellenregeln weitere kleinere Änderungen erfahren.45 Im Rahmen des KapAEG46 wurde das sog. Kleinbeteiligungsprivileg47 zu Gunsten von nicht geschäftsführenden Gesellschaftern mit einer Beteiligung von bis zu 10 % des Stammkapitals eingeführt, §  32a III 2 GmbHG. Das KonTraG48 brachte das sog.

Schutzzonen“ spricht, die nebeneinander Anwendung finden; ebenso unklar Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck ­G mbHG, 19. A., Anh. §  30 Rn.  4. Vgl. zu diesem „Zweistufigen Ersatzkapitalschutz“ mit Beispielen Lutter/Hommelhoff, a. a. O.; überwiegend als praktisch bedeutsamer werden die Rechtsprechungsregeln angesehen, vgl. nur Hirte, in Uhlenbruck InsO, §  135 Rn.  3. 38  Vgl. insb. die entsprechenden Urteile oben Kapitel B. Fn.  11; ferner die Ausführungen m. w. N. bei Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  31 ff. 39  Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  39; Georg, Gesellschafterdarlehen, S.  147 ff. 40  Vgl. Begründung RegE InsO, BT-Drs. 12/2443, S.  41, 150 und die oben in Kapitel B. Fn.  39 Genannten. 41 Vgl. Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  39; Georg, Gesellschafterdarlehen, S.  152 f. 42 Vgl. Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  39 f. m. w. N. 43  Ferner wurde §  3b AnfG um die Anfechtungsfrist bei Sicherheiten ergänzt und in §  6 AnfG neu gefasst. 44  Vgl. auch zur Frage nach der Passivierungspflicht eingehend Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  40 f. m. w. N. 45  Vgl. zur Entstehungsgeschichte dieser Neuerungen Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  41 ff. 46  Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Konzerne an Kapitalmärkten und zur Erleichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen (Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz – KapAEG) vom 20.4.1998, BGBl I, S.  707. 47  Vgl. zu diesem m. w. N. Lutter/Hommelhoff, in Lutter/Hommelhoff GmbHG, 16. A., §§  32a/b Rn.  66 ff. 48  Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998, BGBl I, S.  786.

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

Sanierungsprivileg49 zugunsten von Darlehensgebern mit sich, die in der „Krise der Gesellschaft“50 Geschäftsanteile erwarben, §  32a III 3 GmbHG. Ferner wurden durch die Änderung des UBGG51, durch das dritte FMFG52 und das MoRaKG53 Privilegien zugunsten von Unternehmensbeteiligungsgesellschaften und deren Gesellschaftern eingeführt.54 Auch im Rahmen der Wiedervereinigung kam es zu einigen Sonderregelungen.55 5.  Einschneidende Änderungen durch das MoMiG Mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)56 hat man sich Großes vorgenommen: Das GmbHG insgesamt „soll(te) grundlegend modernisiert und zugleich dereguliert werden“.57 Zentraler Auslöser dieser Reform waren die durch die EuGH-Urteile „Centros“58, „Überseering“59 und „Inspire Art“60 ausgelösten Änderungen im Internationalen Gesellschaftsrecht,61 die den „Wettbewerb der Gesellschaftsformen“62 eröffnet hatten.63 So war denn auch erklärtes Ziel des MoMiG, die GmbH international wettbewerbsfähig zu machen.64 Auch das Recht der Gesellschafterdarlehen wurde im Zuge dessen überarbeitet, mit dem erklärten Ziel der Vereinfachung und der Verbesserung 49  Vgl. zu diesem m. w. N. Lutter/Hommelhoff, in Lutter/Hommelhoff GmbHG, 16. A., §§  32a/b Rn.  79 ff. 50  Dieser neu eingeführte Terminus sollte „den von Rechtsprechung und Literatur umfassend zu (§  32a GmbHG) Absatz 1 Satz  1 ausgearbeiteten Zeitpunkt“ bezeichnen, vgl. Bericht der Abgeordneten Joachim Gres, Detlef Kleinert (Hannover), Dr. Eckhart Pick und Ludwig Stiegler des Rechtsausschusses zum KontraG, BT-Drs. 13/10038, S.  28. 51  Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften vom 17.12.1986, BGBl I, S.  2488. 52  Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) vom 27.3.1998, BGBl I, S.  529. 53  Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG), vom 12.8.2008, BGBl I, S.  1672. 54  Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  47 f. 55  Vgl. hierzu Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  50 f. 56  Vom 23.10.2008, BGBl I, S.  2026; vgl. zum Gesetzgebungsverfahren insgesamt Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  67 ff.; der Referentenentwurf ist abgedruckt bei Seibert, ­MoMiG, S.  303 ff.; der Regierungsentwurf in BT-Drs. 16/6140, S.  1 inklusive Wiedergabe der Stellungnahme des Bundesrates mitsamt Gegenäußerung der Bundesregierung S.  72, 79; zur Beratung im Bundestag in erster Lesung am 20.9.2007 vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenografische Berichte, Plenarprotokoll 16/115, S.  11884 ff.; für die Änderungen des Rechtsausschusses vgl. BT-Drs. 16/9737. 57  Vgl. RegE MoMiG BT-Drs. 16/6140, S.  1. 58  EuGH, Urteil vom 9.3.1999 – C-212/97 („Centros“), Slg 1999, I-1459. 59  EuGH, Urteil vom 5.11.2002 – C-208/00 („Überseering“), Slg 2002, I-9919. 60  EuGH, Urteil vom 30.9.2003 – C-167/01 („Inspire Art“), Slg 2003, I-10155. 61  Vgl. eingehend zu diesen Urteilen unten ad D.I.3. 62  Begriff nach Pentz, in Gesellschaftsrecht in der Diskussion (2006), S.  115 (118). 63 Vgl. Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  58 ff.; Lutter, in Lutter/Hommelhoff GmbHG, Einleitung Rn.  25. 64  RegE MoMiG BT-Drs. 16/6140, S.  1.

I.  Entwicklung des Gesellschafterdarlehensrechts

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der Rechtssicherheit.65 Wie bereits erwähnt, sollte explizit auch eine Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts auf Auslandsgesellschaften erreicht werden.66 Wesentliche Vorarbeiten zur Reform desselben haben Ulrich Huber und Mathias Habersack geleistet,67 deren Konzept Vorbild zur Neuregelung war.68 a.  Nichtanwendungsbefehl hinsichtlich der Rechtsprechungsregeln Erste Maßnahme zur Vereinfachung der Rechtslage war die Abschaffung der Rechtsprechungsregeln durch einen expliziten Nichtanwendungsbefehl in §  30 I 3 GmbHG und §  57 I 4 AktG.69 Dieser stellt klar, dass „auf die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und Leistungen auf Forderungen aus wirtschaftlich entsprechenden Rechtshandlungen“ §  30 GmbHG bzw. §  57 AktG nicht anzuwenden sind, womit den Rechtsprechungsregeln endgültig70 die Grundlage entzogen war. Damit sollte das Nebeneinander von Rechtsprechungs- und Novellenregeln mit all seinen Schwierigkeiten beseitigt werden.71 Der Gesetzgeber ging davon aus, damit „die Rechtsfigur des eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens“ aufzugeben.72

65  Vgl. Begründung RegE MoMiG BT-Drs. 16/6140, S.  26, 42, 56 f.; ferner insb. für §  135 III InsO Begründung des Rechtsausschuss, BT-Drs. 16/9737, S.  30, 59; vgl. zu der zuvor geübten, vielschichtigen Kritik am Eigenkapitalersatzrecht m. w. N. Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  52 ff. 66  Vgl. RegE MoMiG BT-Drs. 16/6140, S.  26; ob dies gelungen ist, ist zentrale Frage dieser Arbeit, vgl. eingehend unten ad. E.III. 67  U. Huber/Habersack, BB 2006, 1 ff.; ferner U. Huber/Habersack, in Lutter, Kapital der Aktiengesellschaft, S.  370 ff.; weitere Vorarbeiten zur Reform des Eigenkapitalersatzrechts erbrachten Altmeppen, NJW 2005, 1911 ff. und Röhricht, ZIP 2005, 505 ff. Ferner bereits 1998: Fastrich, FS Zöllner, S.  143 ff. für die Abschaffung der Rechtsprechungsregeln und „Ausbau der insolvenzrechtlichen Lösung“. Eine komplette Abschaffung forderte demgegenüber Grunewald, GmbHR 1997, 7. Eine gute, systematisierte Übersicht über die Reformvorschläge ist bei Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  62 ff. m. w. N. zu finden. 68 Vgl. Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung, Rn.  1, die weitergehend von einer Umsetzung im Wesentlichen ausgehen, vgl. zu wesentlichen Unterschieden unten Kapitel B. Fn.  228. Auch der BGH hatte in seinem Urteil vom 30.1.2006 – II ZR 357/03, NZI 2006, 311 Bezug auf diese Vorarbeiten genommen, worauf wiederum in der Regierungsbegründung verwiesen wird, vgl. RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  42, vgl. zu Letzterem Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  69. 69  Dies entsprach der dritten These U. Huber/Habersacks, BB 2006, 1, 3; ausführlich zur Fortgeltung der Rechtsprechungsregeln neben den Novellenregeln und letztlich gegen ihre Anwendbarkeit Wenzel, Fortgeltung. 70 Von Bork, ZGR 2007, 250 (263) wurde §  30 I 3 GmbHG in Anbetracht der nach Einführung der Novellenregeln durch den BGH fortgesetzten Rechtsprechungsregeln (vgl. oben Kapitel B. Fn.  30) als Retourkutsche des Gesetzgebers bezeichnet. Angesichts der vorhergehenden Reformgesetze, namentlich vor allem der InsO-Reform, muss aber m. E. doch zunächst von einer Akzeptanz des Gesetzgebers hinsichtlich der Rechtsprechung des BGH, die zum Nebeneinander von Rechtsprechungs- und Novellenregeln führte, ausgegangen werden. 71  Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  26: „verwirrende Doppelspurigkeit“. 72  Begründung RegE BT-Drs. 16/6140, S.  42.

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

Wie Goette/Kleindiek formulieren, ist damit die „präventive Komponente des alten Rechts (…) verloren gegangen“.73 b.  Verlagerung des gesamten Regelungskomplexes in die Insolvenzordnung mit Ergänzungen im AnfG, rechtsformneutrale Ausgestaltung Die Novellenregeln wurden durch das MoMiG komplett in die Insolvenzordnung und ergänzend in das Anfechtungsgesetz verlagert. Dabei wurden insbesondere74 die noch bestehenden Regelungen der §§  32a, b GmbHG a. F. gestrichen und durch entsprechende Regelungen in der InsO und dem AnfG ersetzt, soweit solche nicht bereits bestanden.75 Letzteres war für den Nachrang und die Insolvenzanfechtung dem Grunde nach der Fall. Die Tatbestände wurden rechtsformneutral ausgestaltet,76 erfassen also sämtliche Gesellschaften ohne natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter bzw. Gesellschafter-Gesellschafter.77 c.  Aufgabe des Merkmals „eigenkapitalersetzend“ Die gravierendste inhaltliche Änderung war, neben dem o.g. Nichtanwendungsbefehl, die Aufgabe des Merkmals „eigenkapitalersetzend“ in den Tatbeständen der InsO und des AnfG bzw. des Merkmals der „Krise der Gesellschaft“78 insgesamt im Zuge der Streichung von §  32a, b GmbHG.79 Auf eine Finanzierungsentscheidung in der Krise wurde tatbestandlich damit ganz verzichtet. Von den neuen Tatbeständen sollten mithin sämtliche Gesellschafterdarlehen erfasst werden,80 was allerdings nach der Gesetzesbegründung in der Sache keine Schlechterstellung für den darlehensgewährenden Gesellschafter bedeute, da auch nach der Rechtslage vor dem MoMiG „stehen gelassene Altdarlehen in aller Regel ab Eintritt der Krise – 73 

Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung, Rn.  52. Daneben entfielen §§  129a und 179a HGB, die durch die rechtsformneutrale Ausgestaltung überflüssig wurden, vgl. statt aller Schaumann, Reform, S.  258 und die Begründung RegE ­MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  51. 75  Begründung RegE BT-Drs. 16/6140, S.  42, 57. 76  Begründung RegE BT-Drs. 16/6140, S.  26. 77  Begründung RegE BT-Drs. 16/6140, S.  56. 78  Vgl. zu ausführlicher Kritik am Krisenmerkmal etwa Böcker, Überschuldung, S.  174 ff. 79  Vgl. Begründung RegE BT-Drs. 16/6140, S.  26, 56, 57; dies blieb hinter den Vorschlägen U. Huber/Habersacks, BB 2006, 1, 2 ff. zurück, die eine Erstreckung der §§  39 I Nr.  5 und 135 InsO auf sämtliche Forderungen der Gesellschafter befürworteten. Im Zusammenhang mit Inspire Art und einem Ausbau des insolvenzrechtlichen Gläubigerschutzes ebenfalls bereits angedacht von M. Fischer, ZIP 2004, 1477 (1483). Die Idee, das Kapitalersatzrecht auf sämtliche Darlehensforderungen anzuwenden ist indes beinahe so alt wie das Kapitalersatzrecht selbst, vgl. Lutter, in Probleme der GmbH-Reform, S.  77 f.; Immenga, Personalistische Kapitalgesellschaft, S.  415; ­Ballerstedt, ZHR 135 (1971), 383 (391 ff.); ausdrücklich kritisiert von K. Schmidt, ZHR 147 (1983), 165 (182 ff.); Hommelhoff, in GmbH-Reform in der Diskussion, S.  111 (124 f.). 80  Vom BGH zu den Rechtsprechungsregeln früh ausdrücklich abgelehnt, vgl. BGH, Urteil vom 26.11.1979 – II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 (337, juris Rn.  10). 74 

II.  Die Regelungen des Gesellschafterdarlehensrecht nach dem MoMiG

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also schon im Vorfeld der Insolvenz – als kapitalersetzend umqualifiziert“ worden seien.81

II.  Die Regelungen des Gesellschafterdarlehensrecht nach dem MoMiG Der materielle Regelungsgehalt der reformierten Normen des Gesellschafterdarlehensrechts, wie er sich nach dem MoMiG präsentiert, soll hier nur in seinen Grundzügen dargestellt werden, insbesondere soweit dieser für die anschließenden Erwägungen zur Legitimation und dem Normzweck bzw. insgesamt für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand relevant ist.82 Auf problematische Einzelfragen kann dabei nur hingewiesen werden, wobei zur Vertiefung auf die Kommentarliteratur sowie die jeweils angegebene Literatur verwiesen sei. 1.  Tatbestandliche Grundkonstanten, persönlicher Anwendungsbereich Alle Tatbestände des Gesellschafterdarlehensrechts enthalten drei gemeinsame ­Elemente: Die Beschränkung auf Gesellschafter als Anfechtungsgegner bzw. vom Nachrang betroffene Gläubiger,83 die Beschränkung auf Gesellschafter haftungs­ beschränkter Gesellschaften und die Begrenzung auf Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich vergleichbare Rechtshandlungen (Gesellschafterfremdfinanzierung). Sie bilden die tatbestandlichen Grundkonstanten, die sich durch das gesamte Rechts­ institut ziehen. Das Gesellschafterdarlehensrecht erfasst gem. §  39 IV 1 InsO (i. V. m. §  135 IV InsO) rechtsformunabhängig sämtliche Gesellschaften, die als persönlich haftenden Gesellschafter weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft haben, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.84 Das Gesellschafterdarlehensrecht greift also immer dann, wenn letztlich keine natürliche ­Person mittelbar oder unmittelbar im Außenverhältnis unbeschränkt haftet,85 wobei

81 

Begründung RegE BT-Drs. 16/6140, S.  56. Wenngleich die Suche nach einer Legitimationsgrundlage immer zum Ziel haben muss, mit selbiger die Zweifelsfragen, die das Gesetz unbeantwortet lässt, auflösen zu können, so ist es nicht Ziel dieser Arbeit, diese sämtlich einer Lösung zuzuführen. 83 Neben Gesellschaftern werden freilich auch in persönlicher Hinsicht wirtschaftlich vergleichbare Konstellationen erfasst. Hierbei geht es vor allem um einen Umgehungsschutz, vgl. eingehend Ehricke, in MüKo InsO, §  39 Rn.  48 ff. 84  Vgl. zu den Ausnahmeregelungen zum persönlichen Anwendungsbereich sogleich ad B.II.4. 85  Obwohl dies der Wortlaut nicht unmittelbar ergibt (dieser enthält lediglich zwei Ebenen), dürfte es vor dem Hintergrund der fehlenden Erfassung des Kommanditisten der gesetzestypischen KG, die die gesetzgeberische Entscheidung aufzeigt, dass ein vollhaftender Gesellschafter genügt (vgl. dazu unten ad B.III.2.j.hh.(3).), ausreichen, wenn auf irgendeiner Ebene eine natürliche Person als Vollhafter vorhanden ist; vgl. K. Schmidt/Herchen, in K. Schmidt InsO, §  39 InsO Rn.  36; anders aber zu dieser Frage ausdrücklich Neußner, in Graf-Schlicker InsO, §  39 Rn.  19. 82 

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

eigentlicher Normadressat dann wiederum der Gesellschafter einer solchen Gesellschaft ist86. Im Gegensatz zur Rechtslage vor dem MoMiG enthalten die Tatbestände keine Einschränkung auf sog. Krisenfinanzierung mehr bzw. setzen keinen eigenkapital­ ersetzenden Charakter der Darlehen mehr voraus, sondern erfassen nunmehr alle Fremdfinanzierungsleistungen.87 Teilweise wird aber im Zusammenhang mit der Frage nach der Legitimationsgrundlage davon ausgegangen, dass der Krisencharakter der Darlehen nunmehr unwiderleglich vermutet wird.88 Ob dies teleologische Reduktionen zulässt, wird wiederum von den Befürwortern einer Krisenvermutung unterschiedlich beantwortet.89 2.  Nachrang und Anfechtbarkeit in der Insolvenz Das Kernstück des neuen Gesellschafterdarlehensrechts bilden die Nachrangregelung in §  39 I Nr.  5 InsO und die Anfechtungstatbestände des §  135 I InsO. Demnach werden nunmehr sämtliche Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen,90 im Insolvenzverfahren nachrangig an letzter Stelle berücksichtigt. Rechtshandlungen, die solchen Forderungen innerhalb eines Jahres vor Insolvenzeröffnung Befriedigung gewähren, unterliegen der Insolvenzanfechtung (§  135 I Nr.  2 InsO), ebenso Rechtshandlungen, die für solche Forderungen innerhalb der letzten zehn Jahre vor Insolvenzeröffnung Sicherung gewährt haben (§  135 I Nr.  1 InsO). Gerade die Auslegung von §  135 I Nr.  1 InsO hat seit der Reform zu verschiedenen Kontroversen geführt.91 Dabei geht es etwa darum, ob Sicherheiten für nachrangige Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz überhaupt durchsetzbar sind,92 ob 86  Lüdtke, in HaKo InsO, §  39 Rn.  21 bezeichnet dies als zweistufige Definition des persönlichen Anwendungsbereichs. 87  Vgl. bereits oben B.I.5.c. 88  Bork, ZGR 2007, 250 (257); weitere Nachweise unten Kapitel B. Fn.  163. Vgl. zu diesen Ansätzen eingehend unten ad B.III.2.b., sowie zur Auseinandersetzung damit unten ad B.III.2.j.ee. und ff. 89  Ablehnend etwa Bork, ZGR 2007, 250 (256) m. w. N. zur abweichenden Ansicht. 90 Die Bestimmung der wirtschaftlich entsprechenden Rechtshandlungen wirft zahlreiche schwierige Fragen auf. Die Regierungsbegründung führt dazu aus, durch „die Formulierung „Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen“ werde „der bisherige §  32a Abs.  3 Satz  1 GmbHG in personeller (Dritte) und sachlicher Hinsicht übernommen“ (Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  56). Vgl. zu den problematischen Einzelfragen Lüdtke, in HaKo InsO, §  39 Rn.  41 ff. 91  Vgl. etwa die bereits im Grundsatz unterschiedlichen Positionen Bitters, ZIP 2013, 1497 ff. und 1998 ff. und Altmeppens, ZIP 2013, 1745 ff. 92  Dies wurde vor allem zum alten Eigenkapitalersatzrecht verneint, vgl. m. w. N. Bitter, ZIP 2013, 1497 f.; ferner BGH, Urteil vom 19.9.1996 – IX ZR 249/95, BGHZ 133, 298 (305 f., juris Rn.  18). Problematisch war allerdings, wann ein besichertes Darlehen überhaupt eigenkapitalersetzend war, vgl. m. w. N. Bitter, ZIP 2013, 1497 (1498 f.).

II.  Die Regelungen des Gesellschafterdarlehensrecht nach dem MoMiG

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§  142 InsO auf anfängliche Besicherungen oder gar auf alle Besicherungen anwendbar ist93 oder ob die Jahresfrist für die Anfechtung von Befriedigungen des §  135 I Nr.  2 InsO eine Sperrwirkung auch für Befriedigungen aus Sicherheiten entfaltet.94 Hinsichtlich Letzterem hat sich der BGH gegen die zuvor wohl h. M.95 ausgesprochen und entschieden, dass §  135 I Nr.  1 InsO mit seiner Frist von zehn Jahren auch diejenigen Fälle erfasse, in denen eine (im entschiedenen Fall nachträglich gewährte) Sicherheit verwertet werde; §  135 I Nr.  2 InsO mit der kürzeren Jahresfrist entfalte insoweit keine Sperrwirkung.96 3.  Regelungen zu den gesellschafterbesicherten Drittforderungen in der InsO Ebenfalls in die Insolvenzordnung überführt und von der Krisensituation losgelöst wurden die Regelungen zu den gesellschafterbesicherten Drittdarlehen97 (§§  44a, 135 II, 143 III InsO).98 Hierbei handelt es sich um einen kodifizierten Fall der wirtschaftlich einer Darlehensgewährung entsprechenden Rechtshandlung.99 §  44a InsO verweist den Drittkreditgeber bzw. den Drittgläubiger vergleichbarer Forderungen vorrangig auf die vom Gesellschafter gestellte Sicherheit bzw. die Gesellschafterbürgschaft. Erst wenn und soweit100 der Drittgläubiger bei Inanspruchnahme der Gesellschaftersicherheit bzw. des Gesellschafters als Bürgen ausgefallen ist, wird die Forderung im Insolvenzverfahren berücksichtigt.101 §  135 II i. V. m. §  143 III InsO regelt den Fall, in dem die Gesellschaft selbst vor Insolvenzeröffnung eine gesellschafterbesicherte Drittforderung befriedigt hat. Angefochten wird in diesem Fall das Freiwerden der Gesellschaftersicherheit,102 mit der Folge, dass der Gesellschafter die dem Dritten gewährte Leistung im Umfang der Besicherung zu erstatten oder die Sicherheit der Insolvenzmasse zur Verfügung zu stellen hat.103 93 Ablehnend

Gehrlein, NZI 2015, 577 (580 f.). Vgl. zu den ungeklärten Fragen m. w. N. Bitter, ZIP 2013, 1497. Vgl. ferner je m. w. N. aus der jüngeren Literatur Altmeppen, ZIP 2013, 1745 ff.; Hölzle, ZIP 2013, 1992 ff.; Marotzke, ZInsO 2013, 641 (648 ff.); Mylich, ZHR 176 (2012), 547 ff.; ders., ZIP 2013, 2444 ff. (insb. 2448 ff.). 95  Vgl. die Nachweise bei Altmeppen, ZIP 2013, 1745 (Fn.  2). 96  BGH, Urteil vom 18.7.2013 – IX ZR 219/11, BGHZ 198, 64 (Leitsatz, Rn.  13; w.N. zur a. A. in Rn.  11). 97  Vgl. zum Fall der doppelten Besicherung sowohl durch die Gesellschaft als auch durch den Gesellschafter BGH, Urteil vom 1.12.2011 – IX ZR 11/11, BGHZ 192, 9 und die Ausführungen bei Lüdtke, in HaKo InsO, §  44a Rn.  16. 98  Vgl. dazu bereits oben B.I.5.b. 99 Vgl. J.-S. Schröder, in HaKo InsO, §  135 Rn.  39; ferner BGH, Urteil vom 1.12.2011 – IX ZR 11/11, BGHZ 192, 9 (Rn.  9); BGH, Urteil vom 20.2.2014 – IX ZR 164/13, ZIP 2014, 584 (Rn.  18). 100  Ob die Teilnahme am Insolvenzverfahren entsprechend dem Wortlaut auf den Ausfall begrenzt wird oder entgegen dem Wortlaut mit dem vollen Betrag der Forderung stattfindet, ist umstritten, vgl. je m. w. N. zu beiden Ansichten Bitter, in MüKo InsO, §  44a Rn.  20 ff. 101  Vgl. zu den Details etwa Lüdtke, in HaKo InsO, §  4 4a. 102  Vgl. BGH, Urteil vom 1.12.2011 – IX ZR 11/11, BGHZ 192, 9 (Rn.  7). 103  Hierbei handelt es sich um eine Ersetzungsbefugnis, vgl. hierzu und zur Rechtsfolge insgesamt J.-S. Schröder, in HaKo InsO, §  135 Rn.  49 ff. 94 

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

4.  Kleinbeteiligungs- und Sanierungsprivileg Die 1998 eingeführten Privilegien104 zugunsten von nicht geschäftsführenden Gesellschaftern mit Kleinbeteiligung (10 % oder weniger Beteiligung am Haftkapital) und von Gesellschaftern, die Anteile zum Zweck der Sanierung erwerben, wenn ein Insolvenzgrund vorliegt, sind mit gewissen Anpassungen in §  39 IV 2 und V InsO enthalten, auf welche wiederum §  135 IV InsO verweist. 5.  Regelungen des AnfG Flankiert werden die Regelungen der Insolvenzordnung, welche allesamt nur im eröffneten Insolvenzverfahren zur Anwendung kommen, durch Regelungen der Gläubigeranfechtung im AnfG, die außerhalb eines Insolvenzverfahrens zur Anwendung kommen.105 §  6 AnfG enthält einen mit §  135 I InsO vergleichbaren Anfechtungstatbestand für Befriedigung oder Sicherung gewährende Rechtshandlungen, wobei die Fristen von einem bzw. zehn Jahren nunmehr ab dem Zeitpunkt der Erlangung des vollstreckbaren Titels zurückgerechnet werden. Sachlich erfasst §  6 AnfG durch einen Verweis auf §  39 I Nr.  5 InsO und durch parallele Formulierungen dieselben Forderungen wie §  135 InsO. §  6 II AnfG enthält eine neue, beschränkende Ausübungsfrist. Der mit dem MoMiG neu eingeführte §  6a AnfG106 enthält nunmehr auch einen Tatbestand für die gesellschafterbesicherten Drittdarlehen außerhalb des Insolvenzverfahrens.107 Die Rechtsfolgen regelt, insoweit vergleichbar mit §  143 III InsO, §  11 III AnfG. 6.  Kein präventives Auszahlungsverbot mehr Mit §  30 I 3 GmbHG und §  57 I 4 AktG ist die Anwendbarkeit der Kapitalschutzbestimmungen auf die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlungen entfallen. Der Geschäftsführer kann die Rückzahlung nicht mehr unter Hinweis auf diese Auszahlungsverbote verweigern.108 Damit entfällt der Schutz zugunsten der Gesellschaft; das Gesellschafterdarlehensrecht ist nunmehr ausschließlich auf den Gläubigerschutz gerichtet.109 Teilweise aufgefangen wird dies durch den neuen §  64 S.  3 GmbHG, bei dessen Auslegung aber zahlreiche Fragen offen sind110. Dieser gewährt primär einen Er­ 104 

Vgl. hierzu oben ad B.I.4. Vgl. zu den relevanten Normen der §§  6, 6a und 11 III AnfG die Kommentierung bei Kirchhof, in MüKo AnfG. 106  Vgl. oben ad B.I.5.b. 107  Durch die Abschaffung der Rechtsprechungsregeln entstand hier eine Lücke, vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  58. 108 Vgl. Lüdtke, in HaKo InsO, §  39 Rn.  18. 109  Vgl. ähnlich schon zu den Novellenregeln Hommelhoff, ZGR 1988, 460 (490). 110  Vgl. hierzu etwa Altmeppen, in Roth/Altmeppen GmbHG, §  6 4 Rn.  67 ff.; Haas, in Baumbach/Hueck GmbHG, §  64 Rn.  94 ff. m. w. N.; vgl. ferner hierzu BGH, Urteil vom 9.10.2012 – II ZR 298/11, BGHZ 195, 42. 105 

II.  Die Regelungen des Gesellschafterdarlehensrecht nach dem MoMiG

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satz­anspruch sui generis111 gegen die Geschäftsführer für Zahlungen an die Gesellschafter, die zur Zahlungsunfähigkeit führen mussten, es sei denn, diese können geltend machen, dass dies bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht erkennbar war. Vorzugswürdig scheint es, dieser Norm zugleich ein Leistungsverweigerungsrecht zu entnehmen.112 7.  Die Sonderregelung für die früher sog. „eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung“ in §  135 III InsO Der auf Empfehlung des Rechtsausschusses ins MoMiG aufgenommene §  135 III InsO113 soll die zuvor insbesondere durch die Rechtsprechung114 herausgearbeitete Fallgruppe der sog. eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung einer positiven Regelung zuführen, wobei es auch hier tatbestandlich auf den Eigenkapitalersatzcharakter nicht mehr ankommt. Der Rechtsauschuss begründete die Regelung damit, dass mit dem Wegfall „des Merkmals ‚kapitalersetzende‘ (…) die dogmatische Grundlage der bisherigen Rechtsprechung zur eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung entfallen“ ist.115 Die neue Regelung wirft eine Vielzahl an Fragen auf, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann.116 Jedenfalls handelt es sich der Natur nach trotz des Standortes bei §  135 III InsO um keinen Anfechtungstatbe-

111 So

Kleindiek, in Lutter/Hommelhoff GmbHG, §  64 Rn.  20. BGH, Urteil vom 9.10.2012 – II ZR 298/11, BGHZ 195, 42 (Leitsatz 3 und Rn.  18); Sandhaus, in Gehrlein/Ekkenga/Simon GmbHG, §  64 Rn.  76 f. Ablehnend m. w. N. zu beiden Ansichten Haas, in Baumbach/Hueck GmbHG, §  64 Rn.  107. Auf den teilweisen Ausgleich des Wegfalls der präventiven Komponente des alten Eigenkapitalersatzrechts durch diese Normen weist bereits die Gesetzesbegründung des MoMiG hin, die insoweit von einem Zahlungsverbot spricht, vgl. Begründung RegE MoMiG BT-Drs. 16/6140, S.  42. 113  Vgl. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 16/9737, S.  59. 114  U.a. BGH, Urteil vom 16.10.1989 – II ZR 307/88, BGHZ 109, 55; BGH, Urteil vom 14.12.1992 – II ZR 298/91, BGHZ 121, 31; BGH, Urteil vom 11.7.1994 – II ZR 146/92, BGHZ 127, 1; BGH, Urteil vom 11.7.1994 – II ZR 162/92, BGHZ 127, 17; BGH, Urteil vom 16.6.1997 – II ZR 154/96, NJW 1997, 3026 (sog. Lagergrundstück-Rechtsprechung). Die Rechtsprechung wurde in der Literatur teilweise heftig kritisiert, vgl. etwa K. Schmidt, ZIP 1990, 69. 115  Beschlussempfehlung, BT-Drs. 16/9737, S.  59; zuvor bereits Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  56. Ob dies tatsächlich der Fall ist und ob damit die Nutzungsüberlassung (bzw. die Tilgung des Nutzungsentgelts) als eine der Darlehensgewährung wirtschaftlich vergleichbare Rechtshandlung weggefallen ist, wird indes unterschiedlich beantwortet: bejahend etwa J.-S. Schröder, in HaKo InsO, §  135 Rn.  52; Kleindiek, in HK InsO, §  135 Rn.  46; ablehnend etwa Hölzle, ZIP 2009, 1939 (1944 f.); Marotzke, ZInsO 2008, 1281 (1284 f.). Der BGH hat sich inzwischen der zuerst genannten Meinung angeschlossen und entschieden, dass die Nutzungsüberlassung als solche keine wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung i. S. v. §§  39 I Nr.  5, 135 InsO ist, vgl. BGH, Urteil vom 29.1.2015 – IX ZR 279/13, NJW 2015, 1109 (Rn.  38, 69). 116  Vgl. hierzu m. w. N. etwa J.-S. Schröder, in HaKo InsO, §  135 Rn.  52 ff.; Kleindiek, in HK InsO, §  135 Rn.  46 ff. Viele Fragen hat inzwischen der BGH, Urteil vom 29.1.2015 – IX ZR 279/13, NJW 2015, 1109 beantwortet. Vgl. zu vom BGH ungeklärten Fragen K. Schmidt, NJW 2015, 1057 (1060 f.). 112 

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

stand,117 sondern um eine besondere Aussonderungssperre,118 die sich aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und der Zweckbestimmung des Insolvenzverfahrens legitimieren soll119. Der Insolvenzverwalter kann nach §  135 III 1 InsO für die Dauer des Insolvenzverfahrens, höchstens aber für ein Jahr, die Aussonderung eines Gegenstandes, der zuvor vom Gesellschafter zur Nutzung überlassen wurde, verweigern, wenn dieser für die Unternehmensfortführung von erheblicher Bedeutung ist. Dafür entsteht gem. §  135 III 2 InsO ggf. ein Ausgleichsanspruch als Masseverbindlichkeit, der sich entgegen dem Wortlaut am tatsächlich gezahlten Nutzungsentgelt der letzten zwölf Monate vor Antragsstellung120 orientiert.121 In welchem Zusammenhang die Regelung zum (restlichen) Gesellschafterdarlehensrecht steht, soll erst im Anschluss an die Erarbeitung des Wertungskonzepts der übrigen Regelungen näher konkretisiert werden.122

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts: Legitimationserwägungen und Normzweck Über das Wertungskonzept des reformierten Gesellschafterdarlehensrechts, insbesondere über die Legitimation und den Normzweck, konnte bislang in Literatur und Rechtsprechung keine Einigkeit erreicht werden. Zwar ist ein schlüssiges Wertungskonzept keine Anwendungsvoraussetzung für das inzwischen kodifizierte Gesellschafterdarlehensrecht, wie dies noch für die auf Rechtsfortbildung beruhenden, inzwischen abgeschafften Rechtsprechungsregeln der Fall war. Doch erst wenn die hinter den Normen stehenden Wertungen und Prinzipien offen gelegt wurden, wenn das „dogmatische Fundament“ herausgearbeitet ist, können in sich schlüssig die Detailfragen der praktischen Anwendung geklärt werden, beispielsweise bei der Bestimmung der wirtschaftlich vergleichbaren Rechtshandlungen.123 Daher handelt 117 

So auch der BGH, Urteil vom 1.12.2011 – IX ZR 11/11, BGHZ 192, 9 (Rn.  8). geht nach Marotzke, ZInsO 2008, 1281 (1283 Fn.  21) zurück auf Geißler. Vgl. die später erschienen Arbeit dess., Gesellschaftsinterne Nutzungsüberlassungen, S.  113. Vgl. ferner zum umstrittenen Verhältnis zu §§  103 ff. InsO je m. w. N. J.-S. Schröder, in HaKo InsO, §  135 Rn.  56 ff.; Kleindiek, in HK InsO, §  135 Rn.  51. 119  Vgl. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 16/9737, S.  59; krit. hierzu Bitter, ZIP 2010, 1 (5, 7 ff.). 120  Überwiegend wird in dem gesetzlichen Bezug auf die Insolvenzeröffnung ein Redaktionsversehen erkannt, vgl. m. w. N. Altmeppen, in Roth/Altmeppen GmbHG 7.A., Anh §§  32a, b Rn.  88 und inzwischen auch BGH, Urteil vom 29.1.2015 – IX ZR 279/13, NJW 2015, 1109 (Rn.  56). 121  Vgl. zu den sich hierzu stellenden Einzelfragen etwa J.-S. Schröder, in HaKo InsO, §  135 Rn.  69 ff. 122  Unten ad B.IV. 123  Zu welchen, auch ganz praktisch unterschiedlichen Ergebnissen die verschiedenen Erklärungsansätze führen, hat sich jüngst an dem Streit um die Anfechtbarkeit von Gesellschafter­ sicherheiten gezeigt, vgl. dazu die Ausführungen und Nachweise oben ad B.II.2. Zu Recht weist deshalb K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009 darauf hin, dass es sich daher bei der Suche nach der Legitimationsgrundlage nicht um „ein akademisches Glasperlenspiel“ handelt; vgl. ferner J.-S. 118  Begriff

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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es sich bei der Frage nach den Wertungen hinter dem Gesellschafterdarlehensrecht wohl um die bedeutsamste aller hierzu offenen Fragen.124 Im Folgenden wird bei der Klärung dieser Frage konsequent die Rechtslage de lege lata betrachtet, was dem Ausgangspunkt der Arbeit entspricht.125 1.  Finanzierungsfolgenverantwortung im Eigenkapitalersatzrecht Bereits mehrfach wurde im historischen Abriss die sog. Finanzierungsfolgenverantwortung erwähnt, die verbreitet126 als Legitimations- und Wertungsgrundlage des Eigenkapitalersatzrechts, namentlich sowohl der Rechtsprechungs- als auch der ­Novellenregeln, gesehen wird.127 Die Finanzierungsfolgenverantwortung wurde maßgeblich vom BGH herausgearbeitet und vom Schrifttum weitgehend übernommen.128 Ausgangspunkt hierfür war der Übergang von an individuellen Verfehlungen anknüpfenden Ansätzen zur „funktional-institutionellen Betrachtung“129, die ihrerseits Voraussetzung für die Allgemeingültigkeit der Rechtsprechungsregeln im Sinne eines richterrechtlichen Rechtsinstituts war.130 Zur Legitimation der eigenkapitalgleichen Behandlung von Gesellschafterdarlehen unter den oben dargestellten Voraussetzungen zog der BGH Schröder, Reform des Eigenkapitalersatzrechts, S.  75 m. w. N. zur verfassungsrechtlichen Dimension (rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in eine in den Schutzbereich von Art.  14 GG fallende Forderung). Letztlich ist jede Auseinandersetzung über Detailfragen müßig, solange die abweichenden Ansätze eng mit den bereits im Grundsatz verschiedenen Wertungsansätzen zusammenhängen. 124  Letztlich ist jede Auseinandersetzung über Detailfragen müßig, so lange die abweichenden Ansätze eng mit den bereits im Grundsatz verschiedenen Wertungsansätzen zusammenhängen. 125  Vgl. die einleitende Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes oben ad A.II. 126  Freilich gab es auch abweichende Erklärungsansätze (etwa aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht bei Schacht, Verdecktes Eigenkapital, S.  55 ff., krit. hierzu Michel, Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen, S.  139 ff. oder aus einzelnen der vom BGH zur Finanzierungsfolgenverantwortung zusammengefassten Erwägungen (dazu sogleich)), auf die hier, ebenso wie auf die Frage nach der Überzeugungskraft des Konzepts der Finanzierungsfolgenverantwortung insgesamt, aber nicht ausführlich eingegangen werden muss. Für die Erarbeitung des Wertungskonzepts des reformierten Rechts genügt die Kenntnis der maßgeblichen Wertungen der Finanzierungsfolgenverantwortung. 127 So etwa Bork, ZGR 2007, 250 (257); Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung, Rn.  12 ff.; Kleindiek, in Lutter/Hommelhoff GmbHG, Anh zu §  64 Rn.  101, 113; Lüdtke, in HaKo InsO, §  39 Rn.  19; J.-S. Schröder, in HaKo InsO, §  135 Rn.  97. Mit der Finanzierungsfolgenverantwortung und den im Einzelnen vorgetragenen Aspekten setzen sich im Hinblick auf die Rechtslage vor dem MoMiG kritisch auseinander: Beck, Kritik des Eigenkapitalersatzrechts, S.  99 ff.; Buck, Kritik; Fastrich, FS Zöllner, S.  143 ff.; Reimann-Dittrich, Finanzierungsfolgenverantwortung, S.  116 ff. m. w. N.; Schaumann, Reform; zum deutschen und österreichischen Recht: Schummer, Eigenkapitalersatzrecht, m. w. N. auch zur Diskussion in Österreich. Die Kritik am Eigenkapitalersatzrecht fasst m. w. N. auch Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  52 ff. zusammen; in Schlagworten auch Altmeppen, in Roth/Altmeppen GmbHG 7.A., Vorb. §§  32a, b aF Rn.  11 f. 128  Von Gerkan, ZGR 1997, 173 (176) m. w. N. zum übernehmenden Schrifttum. 129  Begriff nach Hommelhoff, ZGR 1988, 460 (469). 130  Vgl. zu dieser Rechtsprechungsentwicklung und der Begründung der „Lufttaxi-Entscheidung“ bereits oben ad B.I.1. m.e.N.

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

eine ganze Reihe von Einzelerwägungen heran, die teilweise zuvor von der Literatur zur Rechtfertigung des Eigenkapitalersatzrechts erarbeitet wurden und fasste diese als „Verantwortung des Gesellschafters für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung“ zusammen.131 Dieses Konzept wurde zunächst als Finanzierungsverantwortung, später präziser132 als Finanzierungsfolgenverantwortung133 bezeichnet.134 Im Jahr 1997 hat die Finanzierungsverantwortung als „Grundgedanke für die Umqualifizierung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital“ Eingang in die Gesetzesbegründung des KapAEG gefunden,135 was als Bestätigung des Gesetzgebers betrachtet werden kann. a.  Einzelerwägungen zur Begründung der Finanzierungsfolgenverantwortung Zur Begründung der Finanzierungsfolgenverantwortung wurden insbesondere folgende Einzelerwägungen vorgetragen:136 Die „künstliche Verlängerung des Todeskampfes“ der Gesellschaft durch weitere Fremdfinanzierung gehe zu Lasten der

131  Ausführlich hergeleitet und zusammengefasst in BGH, Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (388 f., juris Rn.  18 f.) zur Übertragbarkeit der Rechtsprechungsregeln auf die Ak­ tiengesellschaft. Die „Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensfinanzierung“ als eigenständige Begründung arbeitete K. Schmidt, ZHR 147 (1983), 165 (178, 183); ders., GesR, §  18 III 4 b; ders. ZIP 1995, 969 (971); ders., GmbHR 2005, 797, 798 f., heraus; vgl. dazu und zum Zusammenhang mit der unternehmerischen Einflußnahme ferner Rümker, ZGR 1988, 494 ff.; ähnlich zuvor bereits Erlinghagen, GmbHR 1962, 169 ff. Kritisch zu K. Schmidts Ansatz: Reimann-Dittrich, Finanzierungsfolgenverantwortung, S.  127 ff.; Grunewald, GmbHR 1997, 7: „keine Begründung, sondern eine Behauptung“; Schummer, Eigenkapitalersatzrecht, S.  207 ff.: „Im Ergebnis … überflüssig“ (S.  223); Haas, NZI 2001, 1 (5) sieht hierin eine bloße petitio principii. K. Schmidt gesteht in GmbHR 2005, 797 (798 mit Fn.  15) selbst ein, dass dieses Konzept nur „Zurechnungsgrund – nicht alleinige Rechtfertigung“ ist, bietet dann aber selbst kein Konzept zur Rechtfertigung im Weiteren an. 132  Von Gerkan, ZGR 1997, 173 (176 f.) weist darauf hin, dass auch mit dem Begriff Finanzierungsverantwortung übereinstimmend nie eine Pflicht zur angemessenen Kapitalausstattung gemeint war. Kritisch zu dieser Präzisierung daher K. Schmidt, GesR, §  18 III 4b mit Fn.  71. 133  Der Begriff geht zurück auf Wiedemann, ZIP 1986, 1293 (1297): „Folgeverantwortung“ und als „Finanzierungsfolgenverantwortung“ auf Röhricht, StbJb 1991/92, 313 (318 f.); vgl. von Gerkan, ZGR 1997, 173 (176 f.). Auch der BGH übernahm den Begriff, vgl. BGH, Urteil vom 7.11.1994 – II ZR 270/93, BGHZ 127, 336 (344 f., juris Rn.  18); ähnlich bereits BGH, Urteil vom 11.7.1994 – II ZR 162/92, BGHZ 127, 17 (29, juris Rn.  21): „Die Eigenkapitalersatzregeln (sollen) den Gesellschafter lediglich an den Folgen einer von ihm tatsächlich vollzogenen Finanzierungsentscheidung festhalten“. 134  BGH, Urteil vom 7.11.1994 – II ZR 270/93, BGHZ 127, 336 (345, juris Rn.  18) m. w. N. zur ständigen Rechtsprechung; Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung, Rn.  12 ff.; Hommelhoff, in von Gerkan/Hommelhoff, HdB Kapitalersatzrecht, Rn.  2.20 ff.; Kleindiek, in Lutter/Hommelhoff GmbHG, Anh zu §  64 Rn.  101. Vgl. zur teilweise geübten Kritik am Begriff der Finanzierungsfolgenverantwortung unten Kapitel B. Fn.  151 und Fn.  156. 135  Begründung RegE KapAEG, BT-Drs. 13/7141, S.  11; insoweit durch den Rechtsausschuss unverändert, vgl. BT-Drs. 13/9909, S.  8. 136  Anschaulich zusammengefasst bei Lutter/Hommelhoff, in Lutter/Hommelhoff GmbHG 16. A., §§  32a/b Rn.  3.

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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Drittgläubiger.137 Die Gesellschaftskrise dürfe durch solche Gesellschafterleistungen nicht verschleppt und das noch vorhandene „Vermögen zu Lasten der Gläubiger weiter verringert“ werden.138 Durch einen Kapitalabzug vor Überwindung der Krise werde das Finanzierungsrisiko auf die Drittgläubiger abgewälzt, was zu verhindern sei.139 Der Gesellschafter stehe in einer Doppelrolle als Kreditgeber und Gesellschafter.140 Durch diese Doppelrolle könne er, u. a. auch wegen seines Informationsvorsprungs,141 „auf dem Rücken der Gesellschaftsgläubiger“142 spekulieren.143 Die Gewährung von Darlehen erwecke „den Eindruck einer mit genügend Kapital ausgestatteten und deshalb lebensfähigen Gesellschaft“.144 137  Lutter/Hommelhoff, in Lutter/Hommelhoff GmbHG 16. A., §§  32a/b Rn.  3 unter Hinweis (a. a. O., Fn.  3) auf Boujong, GmbHR 1992, 207 (209), bei dem allerdings nicht die Rede von einem „Todeskampf“ ist. Die Wendung geht wohl tatsächlich zurück auf Hommelhoff/Kleindiek, FS 100 Jahre GmbHG, S.  421 (434): „künstliche Verlängerung des Todeskampfes auf Kosten der Gesellschaftsgläubiger“. 138  BGH, Urteil vom 16.10.1989 – II ZR 307/88, BGHZ 109, 55 (57, juris Rn.  5); nach Lutter/ Hommelhoff, ZGR 1979, 31 (38) ist das eines von drei Elementen der Risikosteigerung (siehe sogleich unten Kapitel B. Fn.  139). 139  BGH, Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (388, juris Rn.  18); BGH, Urteil vom 11.7.1994 – II ZR 162/92, BGHZ 127, 17 (23, juris Rn.  12); vgl. ferner bereits Geßler, GmbHR 1966, 102 (108): „Die Risikobegrenzung darf nicht zur Risikoabwälzung führen“; BGH, Urteil vom 29.11.1971 – II ZR 121/69, WM 1972, 74 (75, juris Rn.  7); BGH, Urteil vom 24.3.1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 (329, juris Rn.  13); ferner ausführlich hierzu von Gerkan, ZGR 1997, 173 (176); Henze, HdB GmbHR, Rn.  497, 499; Röhricht, StbJb 1991/92, 313 (318). Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31 (38) sprechen von dreifacher Risikosteigerung zulasten der Gläubiger: Verwirtschaftung des Vermögens, Verlockung neuer Gläubiger zum Geschäftsabschluss, zusätzliches Eintreten des Gesellschaftergläubigers in die Gläubigerkonkurrenzsituation. Die Risikoverteilung kombiniert mit widersprüchlichem Verhalten der BGH, Urteil vom 26.11.1979 – II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 (336 f., juris Rn.  9). Kritisch zur Risikoabwälzung: Buck, Kritik, S.  100 f. 140  K. Schmidt, ZHR 147 (1983), 165 (182 ff.); Maier-Reimer, FS Rowedder, S.  245 (270) und im Ansatz bereits Immenga, Personalistische Kapitalgesellschaft, S.  422 wollen dies dahingehend verstanden wissen, dass der Gesellschafter wegen des bereits eingesetzten Eigenkapitals höhere Renditechancen als ein Außenstehender habe, was ihn dazu veranlasse, einen Kredit zu gewähren, wenn kein Außenstehender mehr dazu bereit sei – deshalb sei jeder Kredit eines Gesellschafters „causa societatis“ gewährt; ähnlich Immenga, ZIP 1983, 1405 (1407). Kritisch hierzu Reimann-­ Dittrich, Finanzierungsfolgenverantwortung, S.  122 f. 141  Fleischer, ZGR 2001, 1 (12). Auch Reimann-Dittrich, Finanzierungsfolgenverantwortung, S.  131 ff. sah diesen als tragenden Grund. Vgl. ferner zu diesem Aspekt bereits BGH, Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (388, juris Rn.  18); im Ansatz machte diesen Gedanken auch schon Ballerstedt, ZHR 135 (1971), 383 (391 Fn.  27) fruchtbar; Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31 (38 Fn.  21) sahen demgegenüber die Doppelrolle und den Informationsvorsprung alleine ausdrücklich nicht als tragend an, sondern nur als Teilaspekte. 142  Formulierung so bereits in BGH, Urteil vom 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 (268, juris Rn.  24). 143  BGH, Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (388, juris Rn.  18); Röhricht, StbJb 1991/92, 313 (317 ff.) bezeichnete das Verbot eines solchen Verhaltens als eigentlichen Grund. 144  BGH, Urteil vom 16.10.1989 – II ZR 307/88, BGHZ 109, 55 (57, juris Rn.  5); ähnlich bereits BGH, Urteil vom 26.11.1979 – II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 (338 juris Rn.  12); BGH, Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (388, juris Rn.  18). Eingehend leiteten Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31 (36 ff.) hieraus einen „Vertrauenshaftungsansatz“ ab, die bereits sehr deutlich

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

Daneben wurde aber auch das bereits in der „Lufttaxi-Entscheidung“145 bemängelte widersprüchliche Verhalten durch Entziehung der Darlehensvaluta vor der nachhaltigen Erreichung des mit der Kreditgewährung verfolgten Zwecks vereinzelt noch angeführt.146 Dem ähnlich wurde verbreitet auf einen Widerspruch der Gesellschafterfremdfinanzierung bzw. der frühzeitigen Rückforderung solcher Mittel zu den Kapitalerhaltungsregeln abgestellt.147 Während der Krise werde die Gesellschafterhilfe deshalb ihrer Funktion entsprechend zu funktionalem Eigenkapital umqualifiziert.148 von normativ-typisiertem potentiellem Vertrauen sprechen; ähnlich: Rümker, ZIP 1982, 1385 (1391); Ketzer, Aktionärsdarlehen, S.  37 ff. Dass es allenfalls um ein solches normativ-typisiertes Vertrauen gehen kann, ergibt sich auch aus BGH, Urteil vom 21.9.1981 – II ZR 104/80, BGHZ 81, 311 (320, juris Rn.  20). Röhricht, StbJb 1991/92, 313 (318) stellte auf diesen Aspekt (nur) gegenüber Neugläubigern ab; ähnlich Michel, Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen, S.  138 mit weiteren Kritikpunkten. Kritisch zu diesem Ansatz Schummer, Eigenkapitalersatzrecht, S.  290 ff.; Fastrich, FS Zöllner, S.  143 (146 f.). Fastrich, FS Zöllner, S.  143 (149 f.) m. w. N. betont demgegenüber den Aspekt des Unterlaufens der Außenkontrolle des Kreditmarktes. 145  BGH, Urteil vom 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 (271 ff., juris Rn.  31 f.), vgl. zur Begründung dieser Entscheidung eingehend oben ad B.I.1. 146  BGH, Urteil vom 29.11.1971 – II ZR 121/69, WM 1972, 74 (75, juris Rn.  7); ferner BGH, Urteil vom 26.11.1979 – II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 (336 f., juris Rn.  9); Henze, HdB GmbHR, Rn.  499; jüngst diesen Aspekt betonend J.-S. Schröder, Reform des Eigenkapitalersatzrechts, S.  16 ff. Kritisch hierzu: Maier-Reimer, FS Rowedder, S.  245 (269): Der Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens sei zirkulär – er setze gerade voraus, dass die Mittel wie Eigenkapital behandelt werden; Michel, Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen, S.  128 ff.; Röhricht, StbJb 1991/92, 313 (317 Fn.  11), der u. a. ausführte, die Gesellschafterhilfe sei von vorne herein als Fremdkapital und damit unter „Vorbehalt späterer Rückforderung“ gewährt, ähnlich bereits: Sonnenberger, NJW 1969, 2033 (2035); Fastrich, FS Zöllner, S.  143 (144 ff.): kein Widerspruch zum eigenen Verhalten, sondern zu einer „zu begründenden Norm“; Reiner, FS Boujong, S.  415 (424) kritisierte auch die Vermischung des Widerspruchs zum eigenen Verhalten mit dem Verstoß gegen die Zwecke der Kapitalerhaltungsregeln. Vgl. ferner kritisch auch Schummer, Eigenkapitalersatzrecht, S.  98 ff. 147  BGH, Urteil vom 27.9.1976 – II ZR 162/75, BGHZ 67, 171 (175, juris Rn.  11): Der Gesellschafter setze sich durch den frühzeitigen Mittelabzug „zu seinem eigenen Verhalten und dem Zweck der gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften in Widerspruch“; BGH, Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (388 f., juris Rn.  18): Der Gesellschafter setze „sich entgegen Treu und Glauben und dem Zweck der gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften in Widerspruch zu seinem Verhalten“; an diesen Aspekt knüpfen Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31 (36 mit Fn.  11) für einen objektiven Vertrauensschutz an, wenngleich sie den Verweis auf den Zweck der gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften für zu schlagwortartig halten. Dass damit kein klassischer Fall des „venire contra factum proprium“-Grundsatzes gegeben ist, führte zu den Rechtsprechungsregeln Michel, Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen, S.  131 ff. aus und verstand diesen Aspekt dann auch als institutionellen Rechtsmissbrauch. 148  Vgl. BGH, Urteil vom 8.1.2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 (272, juris Rn.  17); von funktionalem Eigenkapital spricht auch die Begründung RegE KapAEG, BT-Drs. 13/7141, S.  11; eingehend zu diesem Ansatz funktionaler Betrachtung für die Rechtsprechungsregeln: Michel, Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen, S.  150 ff. Buck, Kritik, S.  95 hielt ihn ebenfalls für tragfähig, wenngleich er im Ergebnis den Gedanken kritisiert (S.  111 ff.); in eine ähnliche Richtung ging bereits die Begründung im RegE GmbHG 1980, BT-Drs. 8/1347, S.  39: Gesellschafterdarlehen, die „eine zu schwache Kapitaldecke auffüllen sollen“, hätten in Wirklichkeit „die Natur einer Einlage“.

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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b.  Grundgedanke der Finanzierungsfolgenverantwortung und Kritik am Begriff Der Begriff „Finanzierungsfolgenverantwortung“ soll vor allem zum Ausdruck bringen, dass in der Krise der Gesellschaft, in der diese ohne Gewährung neuen Kapitals nicht mehr lebensfähig ist, zwar keine Verpflichtung zum Nachschuss neuen Kapitals bestehe („Freiheit des „Finanzierungs-Ob““).149 Mit der Entscheidung zur Fortführung und der Gewährung neuen Kapitals unterliege dieses aber bis zur Überwindung der Krise der gleichen Bindung „wie haftendes Kapital“ („Einschränkung des „Finanzierungs-Wie““).150 Der Begriff selbst ist eher deskriptiv, denn selbst rechtfertigend.151 Zwar wurde gesagt, die Entscheidung zur Finanzierung in der Krise „über das statutarische Eigenkapital hinaus“ und gegen die Liquidation sowie der tatsächliche Vollzug dieser Finanzierungsentscheidung legitimiere die eigenkapitalgleiche / -ähnliche Behandlung des alten Rechts.152 Neben der Gesellschafterstellung komme es entscheidend auf die Finanzierungsentscheidung und deren Vollzug an153, durch welche die Finanzierungsfolgenverantwortung erst begründet werde. Die Finanzierungsfolgenverantwortung sei keine unspezifische Verantwortung des Gesellschafters zur (ausreichenden) Finanzierung seines Unternehmens154, sondern eine Verantwor149  Kleindiek, in Lutter/Hommelhoff GmbHG, Anh zu §  6 4 Rn.  101; vgl. bereits ganz ähnlich BGH, Urteil vom 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 (268, 272, juris Rn.  27, 31). Vgl. ferner Henze, HdB GmbHR, Rn.  498 m. w. N. zur Rechtsprechung; missverständlich dagegen der 1. Leitsatz in BGH, Urteil vom 19.9.1988 – II ZR 255/87, BGHZ 105, 168. 150  Kleindiek, in Lutter/Hommelhoff GmbHG, Anh zu §  6 4 Rn.  101. Vgl. zur grundsätzlichen Finanzierungsfreiheit, die auch die Finanzierungsform umfasst Hommelhoff, ZGR 1988, 460 (466, 475 f.) m. w. N., der diese aber unter den Vorbehalt stellt, dass dem „Gläubigerschutz im rechtlich vorgegebenen Maße entsprochen wird“. 151  Kritik am Begriff „Finanzierungsfolgenverantwortung“ bei Schummer, Eigenkapitalersatzrecht, S.  226 ff. (286: „Leerformel bzw. leere Worthülse“ – „taucht die Vermutung auf, daß sich nicht die Umqualifizierung von Fremdkapital in Eigenkapital aus der Finanzierungsverantwortung ableiten läßt, sondern die Finanzierungsverantwortung aus dem aus Gläubigerschutzgesichtspunkten bestehenden Wunsch nach Umqualifizierung von Gesellschafterleistungen geboren wurde“); ähnlich: Fastrich, FS Zöllner, S.  143 (147): die Finanzierungsfolgenverantwortung ist nicht die Begründung für das Kapitalersatzrecht, sondern Ergebnis einer verdeckten Rechtsfortbildung; ferner bei Reiner, FS Boujong, S.  415 (422); Reimann-Dittrich, Finanzierungsfolgenverantwortung, S.  118. 152  Kleindiek, in Lutter/Hommelhoff GmbHG, Anh zu §  6 4 Rn.  101; Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung, Rn.  14; BGH, Urteil vom 7.11.1994 – II ZR 270/93, BGHZ 127, 336 (344 ff., juris Rn.  18 ff.) zur Finanzierungsentscheidung beim Stehenlassen. 153  Lutter/Hommelhoff, in Lutter/Hommelhoff GmbHG 16. A., §§  32a/b Rn.  4; Henze, HdB GmbHR, Rn.  499 spricht insoweit von einer Anpassung der Rechtsfolgen an das „Verhalten des Gesellschafters“. 154  Vgl. kritisch hierzu und zur Gefahr eines solchen Verständnisses des Begriffs „Finanzierungsverantwortung“ Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung, Rn.  13; von Gerkan, ZGR 1997, 173 (176); wobei letztlich der BGH bereits in seinem Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (389, juris Rn.  19) klargestellt hatte, dass diese Verantwortung den Gesellschafter „in der Krise (…) nicht positiv verpflichte, fehlendes Kapital aus seinem Vermögen nachzuschießen“.

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

tung für die Folgen einer tatsächlich durchgeführten Finanzierungsentscheidung.155 Jedoch geben auch diese Ausführungen, genau wie der Begriff als solcher, keinen Aufschluss über die Rechtfertigung für eben jene Folgen, die das Eigenkapitalersatzrecht an die Finanzierungsentscheidung und deren Vollzug knüpfte.156 Im Sinne einer Legitimationsgrundlage ist daher der Begriff Finanzierungsfolgenverantwortung eher als zusammenfassende Bezeichnung der oben angeführten Einzelerwägungen zu sehen, denn selbst als rechtfertigendes Prinzip. Zentral war bei diesen Legitimationserwägungen zusammengefasst die mit dem in der Krise, vor allem wegen der höheren Renditechancen und damit causa societatis157, gewährten Kredit verbundene Steigerung des Gläubigerrisikos durch die weitere Verwirtschaftung des Gesellschaftsvermögens, durch das Hinzukommen neuer Gläubiger158 und durch das Eintreten des Gesellschafters in die Gläubigerkonkurrenzsituation159.160 2.  Wertungsgrundlage der reformierten Regelungen Nach diesen Ausführungen zur Problematik um die Wertungs- und Legitimationsgrundlage des Eigenkapitalersatzrechts und dem Fehlen von Aussagen zur Legitimation der Neuregelung in der Gesetzesbegründung des MoMiG161 verwundert es wenig, dass auch die Legitimation des reformierten Gesellschafterdarlehensrechts in ganz unterschiedlichen Aspekten gesehen wird. Vor allem wird die Frage, ob sich die Änderungen des MoMiG, insbesondere der Wegfall der Krisenanknüpfung, auf die Wertungsgrundlage ausgewirkt haben, ganz unterschiedlich bewertet. Da bei vielen Autoren mehrere Begründungsansätze parallel herangezogen werden und sich die Argumente unter den verschiedenen Ansätzen zudem häufig überschneiden, ist eine eindeutige Zuordnung und Kategorisierung der verschiedenen 155 

Vgl. die in Kapitel B. Fn.  133 wiedergegebene Aussage des BGH. Daher ein Stück weit berechtigt die Kritik am Begriff der oben in Kapitel B. Fn.  151 Genannten. 157  Dies ist gleichsam der erste Aspekt der „Doppelrolle des Gesellschafters“, vgl. oben Kapitel B. Fn.  140. 158  Hierzu gehört besonders der vielfach vorgetragene Aspekt, es werde durch die Gesellschafterhilfe der Eindruck einer lebensfähigen Gesellschaft erweckt, vgl. dazu oben. 159  Vgl. dazu BGH, Urteil vom 16.10.1989 – II ZR 307/88, BGHZ 109, 55 (57, juris Rn.  5). Dies ist ein zweiter Aspekt der „Doppelrolle des Gesellschafters“, kritisch zur alleinigen Tragkraft dieses Ansatzes Lutter/Hommelhoff, oben Kapitel B. Fn.  141. 160  Diese drei Ansatzpunkte sehen bereits Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31 (38), wobei diese letztlich den hieraus abgeleiteten Vertrauensschutzgesichtspunkt m. E. überbetonen. Vor allem da nur die Neugläubiger überhaupt – auch potentiell – vertrauensgetragene Dispositionen treffen, kann auch nur zum Schutz dieser von einem typisierten Vertrauen gesprochen werden (vgl. zum Merkmal der „Disposition oder Vertrauensinvestition“ nur Canaris, Vertrauenshaftung, S.  510 ff., wobei keine der dort genannten Ausnahmen hier griffe). So schon Röhricht, oben Kapitel B. Fn.  144; kritisch zum Ansatz Lutter/Hommelhoffs auch Michel, Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen, S.  134 ff. und Schummer, Eigenkapitalersatzrecht, S.  290 ff. 161  Vgl. die Begründung des RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  25 ff. Ausführlich zur Gesetzesbegründung unten ad B.III.2.j.cc. 156 

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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Ansätze nicht immer möglich, so dass die hier vorgenommene Zuordnung eher systematisieren und die „Hauptargumentationslinien“ nachzeichnen soll. Im Detail unterscheiden sich häufig auch die hier zu einem „Ansatz“ zusammengefassten Stellungnahmen. a.  Keine bzw. unzureichende wertungsmäßige Rechtfertigung In der Literatur wird teilweise davon ausgegangen, die Neuregelung entbehre einer tauglichen wertungsmäßigen Rechtfertigung.162 Ein solches Ergebnis sollte für kodifizierte Normen indes ultima ratio sein, wenn sich tatsächlich kein (tragfähiger) Rechtfertigungsgedanke finden lässt, so dass man konsequenterweise nur noch die Abschaffung der Regeln fordern kann. Zuvor ist aber nach einer tragfähigen Legitimationsgrundlage zu suchen, selbst wenn diese rechtspolitisch nicht überzeugen mag. Hierzu zwingt allein das praktische Bedürfnis, Zweifelsfragen beantworten zu können. b.  Ansätze im Sinne einer Finanzierungsfolgenverantwortung Einige Erklärungsansätze knüpfen in der Tradition des alten Rechts an die Finanzierungsfolgenverantwortung als Wertungs- und Legitimationsgrundlage auch des neuen Gesellschafterdarlehensrechts an. aa.  Unveränderte Finanzierungsfolgenverantwortung Teilweise wird davon ausgegangen, das reformierte Recht beruhe auf einer unveränderten Wertungsgrundlage. Die Finanzierungsfolgenverantwortung legitimiere die Regelungen des Gesellschafterdarlehensrechts nach wie vor.163 Eine andere taugliche Legitimationsgrundlage gäbe es auch überhaupt nicht.164 Das reformierte Gesellschafterdarlehensrecht vermute die Krisenfinanzierung bzw. den Eigenkapitalersatzcharakter unwiderleglich,165 womit sich im Vergleich 162  Kleindiek, in Lutter/Hommelhoff GmbHG, Anh §  6 4 Rn.  115: „Das MoMiG-Konzept bleibt (…) eine überzeugende innere Rechtfertigung schuldig“; Salz, Gesellschafterdarlehen, S.  236 ff., 269 ff. Ernsthaft zweifelnd auch Marotzke, JZ 2010, 592 (598 ff.); ders., ZInsO 2013, 641 (655 f.). Ebenfalls kritisch, wenngleich nicht derart weitgehend K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009 (1011): „wertungsmäßige Ärmlichkeit“. 163  Vor allem Bork, ZGR 2007, 250 (257); Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3602 f.), der a. a. O. selbst den Widerspruch zur Gesetzesbegründung erkennt; ders., in Roth/Altmeppen GmbHG, Anh §  30 Rn.  23 ff.; ferner auch Dahl, in Michalski GmbHG, Anh. II §§  32a, 32b aF Rn.  6; Lüneborg¸ Gesellschafterdarlehen, S.  58, 75; J.-S. Schröder, in HaKo InsO, §  135 Rn.  8 f.; ders., Reform des Eigenkapitalersatzrechts, S.  97; Spliedt, ZIP 2009, 149 (153); Thiessen, DStR 2007, 202 (207 f.); ders., in Bork/Schäfer GmbHG, Anhang zu §  30 Rn.  6; ders., ZGR 2015, 396 (410 f.); Pluta/C. Keller, FS Wellensiek, S.  511 (Fn.  1); wohl auch Mock, DStR 2008, 1645, (1647). Krit. hierzu etwa Kleindiek, in Lutter/Hommelhoff GmbHG, Anh §  64 Rn.  116; Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, §  135 Rn.  15. 164  Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3602). 165  Bork, ZGR 2007, 250 (257); Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3602 f.); ferner Dahl, in Michal-

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

zur Rechtslage vor dem MoMiG nichts entscheidend geändert habe166. Wolle man dies anders sehen, sei nicht zu erklären, warum sich die Regelung auf Darlehensforderungen beschränke.167 Die Fortgeltung von Kleinbeteiligungs- und Sanierungsprivileg, die gerade Ausnahmen von der Finanzierungsfolgenverantwortung seien, spreche ebenfalls hierfür.168 Vielfach wird für die Vermutung der Krise auf die Anfechtungsfrist des §  135 I Nr.  2 InsO zurückgegriffen, da es typisches Merkmal der Anfechtungsfristen sei, kritische Zeiträume festzulegen.169 Nach Altmeppen liegt ein Gesellschafterdarlehen mit Nachrang nach §  39 I Nr.  5 InsO überhaupt erst vor, „wenn es innerhalb der relevanten Jahresfrist (§  135 I Nr.  2 InsO) oder nach Insolvenzantrag noch Bestand hatte“.170 Noch weitergehend werden sogar verfassungsrechtliche Bedenken erhoben, wenn das Gesellschafterdarlehensrecht sich nicht mehr auf eine Krisenfinanzierung beziehe, insbesondere im Hinblick auf eine etwaige Erstreckung auf nicht unmittelbar beteiligte Personen.171 Eine Fortgeltung des alten Wertungskonzepts entspreche auch am besten den Intentionen des Gesetzge-

ski GmbHG, Anh. II §§  32a, 32b aF Rn.  6; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325 (326); Henkel, ZInsO 2009, 1577, der die Frage nach der Legitimationsgrundlage allerdings offen lässt (S.  1579). Ähnlich i. S. e. unwiderleglichen Krisenvermutung auch Marotzke, in HK InsO, §  108 Rn.  71 und ders., JZ 2010, 592 (598 ff.), der aus verfassungsrechtlichen Gründen bei plötzlichem Insolvenzeintritt eine teleologische Reduktion für geboten hält (S.  600). Von einer unwiderleglichen Vermutung spricht auch Haas, ZInsO 2007, 617 (621, 628), wenngleich er nicht ausdrücklich von einer Fortgeltung der Finanzierungsfolgenverantwortung ausgeht (vgl. zu seinem Ansatz vielmehr sogleich ad B.III.2.d. und Fn.  256). Eine widerlegliche Vermutung schlug dagegen de lege ferenda vor dem MoMiG Kleindiek, ZGR 2006, 335 (358) vor; Pentz, FS Hüffer, S.  748 (764 f., 771) sieht de lege lata in der Anfechtungsfrist die widerlegliche Vermutung der Insolvenzreife, aber nicht der Krise (vgl. zu diesem Ansatz sogleich ad B.III.2.c.). 166  Bork, ZGR 2007, 250 (257). 167  Bork, ZGR 2007, 250 (257). 168  Thiessen, DStR 2007, 202 (207). 169  So insbesondere Dahl, in Michalski GmbHG, Anh. II §§  32a, 32b aF Rn.  6; ähnlich Spliedt, ZIP 2009, 149 (153). Etwas offener Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3602 f.), der von den „Fristen“ spricht und damit wohl auch §  135 I Nr.  1 InsO miteinbezieht; wesentlich weitergehend demgegenüber Bork, ZGR 2007, 250 (257), der offenbar eine Krisenvermutung generell im Zeitpunkt der Darlehensgewährung annimmt. 170  Altmeppen, NZG 2013, 441 f., dies sei unstreitig (a. a. O. Fn.  2). Letztlich leitet Altmeppen hieraus eine Sperrwirkung des Befriedigungstatbestands ab (vgl. zum Streit oben ad. B.II.2.). Ähnlich Altmeppen, ZIP 2013, 1745 (1747). 171  Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3602); Altmeppen, in Roth/Altmeppen GmbHG, Anh §  30 Rn.  28; zustimmend Thiessen, in Bork/Schäfer GmbHG, Anhang zu §  30 Rn.  24; ähnliche Bedenken bei Marotzke, ZInsO 2009, 2073 (2078) unabhängig von der Legitimationsgrundlage; ausführlich auch Marotzke, JZ 2010, 592 (598 ff.) zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit (insb. vor Art.  3 GG) unwiderleglicher Vermutungen. Für in krisenfernen Zeiten gewährte Darlehen eine Verfassungsmäßigkeit ablehnend: Wollring, HRN 2015, 56 (59 ff.). Der BGH hat indes einen Verstoß gegen Art.  14 I GG durch §  135 I Nr.  1 InsO abgelehnt, vgl. Urteil vom 18.7.2013 – IX ZR 219/11, BGHZ 198, 64 (Rn.  18 ff.) und nochmals im Hinblick auf das weggefallene Krisenerfordernis BGH, Beschluss vom 30.4.2015 – IX ZR 196/13, NZI 2015, 657 (Rn.  8 f.).

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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bers, der das alte Recht „in personeller (Dritte) und sachlicher Hinsicht“172 habe fortführen wollen und lediglich eine Vereinfachung angestrebt habe.173 bb.  Gewandelte bzw. fortentwickelte Finanzierungsfolgenverantwortung Einen Versuch die (Fortgeltung der) Finanzierungsfolgenverantwortung neu zu begründen, unternimmt Hölzle, wobei diese in ihren praktischen Folgen für §§  39, 135 InsO (und §  44a InsO) wohl unverändert sein soll.174 Zur Begründung der Fortgeltung arbeitet er vor allem Informationsasymmetrien im Vergleich von Gesellschaftern zu Drittgläubigern heraus, die dazu führen können, dass der Gesellschafter in Insolvenznähe das verbleibende Vermögen „zur Befriedigung eigener Forderungen einsetzt“.175 Der außenstehende Gläubiger verzichte nur wegen seines Vertrauens auf besondere Sicherungsmaßnahmen vor diesem Risiko, woraus Hölzle die Notwendigkeit eines institutionellen Schutzes dieses Vertrauens ableitet, woraus wiederum die Finanzierungsfolgenverantwortung als ein (übergeordnetes und aus systematischen Gründen) zwingendes Prinzip folge.176 Ergänzt wurde die Begründung später, in Anlehnung an Erwägungen Bitters,177 um den Gesichtspunkt der Haftung für materielle Unterkapitalisierung, aus dem eine Finanzierungsfolgenverantwortung ableitbar sei.178 Auch die neuen Regelungen seien Ausdruck dieser Finanzierungsfolgenverantwortung bzw. sei im Hinblick auf deren Auslegung (mit zum Teil sehr weitgehenden Folgen179) auf die Finanzierungsfolgenverantwortung zurückzugreifen.180 K. Schmidt181 geht davon aus, dass für die frühere Finanzierungs(folgen)verantwortung einerseits die Zuständigkeit des Gesellschafters für die finanzielle Ausstat172 

Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  56. J.-S. Schröder, in HaKo InsO, §  135 Rn.  8a; ferner Dahl, in Michalski GmbHG, Anh. II §§  32a, 32b aF Rn.  6. 174  Hölzle, ZIP 2009, 1939 ff., der als begleitendes Argument vorbringt, es komme der Rechtssicherheit zu Gute, wenn man zur Auslegung auf bewährte Grundsätze zurückgreife. Diesen Erklärungsansatz könnte man daher den Folgen nach (vgl. im Text sogleich) auch zu den Ansätzen der „unveränderten Finanzierungsfolgenverantwortung“ zählen, hier liegt der Fokus aber vor allem auf der Begründung. 175  Hölzle, ZIP 2009, 1939 (1940 f.; 1943). 176  Hölzle, ZIP 2009, 1939 (1940 ff). 177  Vgl. zu seinem Ansatz unten ad B.III.2.e. 178  Hölzle, ZIP 2010, 913 f. Dass Bitter allerdings selbst von einer nominellen Unterkapitalisierung spricht und nicht wie Hölzle von einer materiellen Unterkapitalisierung, übersieht Hölzle. 179 Vgl. Hölzle, ZIP 2011, 650 (652 ff.) mit dem Vorschlag einer analogen Anwendung der §§  135 I, II, 136 InsO innerhalb eines Jahres vor dem Zeitpunkt der materiellen Insolvenz (bereits i. S. v. drohender Zahlungsunfähigkeit) und einer analogen Anwendung der §§  64 S.  1 und 3 GmbHG ab demselben Zeitpunkt („fortgesetzte Rechtsprechungsregeln“), wobei er freilich die Frage nach der Legitimationsgrundlage des Gesellschafterdarlehensrechts a. a. O. (Fn.  15) offen lässt, die Begründung der fortgesetzten Rechtsprechungsregeln aber derjenigen der Fortgeltung der Finanzierungsfolgenverantwortung stark ähnelt. 180  Hölzle, ZIP 2009, 1939 (1943 ff.). 181  Vgl. zu dessen Ansatz zum Eigenkapitalersatzrecht oben Kapitel B. Fn.  131 a. E. 173 

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

tung der Gesellschaft und andererseits die Entscheidung zur Darlehensfinanzierung in der Krise maßgeblich waren.182 Letztere sei „durch das Gesetz überholt“, weshalb man heute die Finanzierungsverantwortung – frei von dem Begriffsverständnis im Eigenkapitalersatzrecht – als bloße Finanzierungszuständigkeit verstehen könne.183 Eine weiterhin notwendige Finanzierungsentscheidung184, die die Finanzierungsverantwortung auslöse, sei von der Krise losgelöst und nur noch als unternehmerische Entscheidung zur Kreditfinanzierung zu verstehen.185 Die tatbestandliche Begrenzung auf Gesellschaften mit Haftungsbeschränkung sei demgegenüber nur eine rechtspolitische Entscheidung, jedoch gerade nicht tragend für die Legitimation.186 Dies sei im neuen Recht genauso wie im alten Recht.187 Zum alten Recht begründete K. Schmidt seine Ansicht damit, es gehe beim Eigenkapitalersatzrecht um die Frage der Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital bzw. darum, wann Fremdkapital funktional als Risikokapital zu behandeln und dem Eigenkapital gleichzustellen sei.188 Diese Frage stelle sich, wann immer zwischen Fremd- und Eigenkapital zu unterscheiden sei, also möglicherweise sogar beim Einzelkaufmann.189 Dies ergebe sich aus dem Institut des Eigenkapitalersatzes, das unabhängig vom positiven Recht bestehe, so dass §  32a I GmbHG a. F. dem nicht entgegenstünde.190 Das Eigenkapitalersatzrecht sei vielmehr „Ausdruck allgemeiner betriebswirtschaftlicher und gesellschaftsrechtlicher Grundsätze“.191 Dabei käme den (ungeschriebenen) Eigenkapitalersatzgrundsätzen bei Personengesellschaften neben der unbeschränkten Haftung der Gesellschafter gerade im Doppelkonkurs (heute in der Doppelinsolvenz) praktische Bedeutung zu.192 182  K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009 (1015 f.); vgl. auch K. Schmidt/Herchen, in K. Schmidt InsO, §  39 Rn.  33. Vgl. ferner zum Ansatz K. Schmidt, GS Winter, S.  601 (613 f.); anders noch K. Schmidt, ZIP 2006, 1925 (dazu unten Kapitel B. Fn.  194). Diesem Ansatz hat sich inzwischen ausdrücklich Gehrlein, NZI 2015, 481 (484) angeschlossen – vgl. zu den wechselnden Ansätzen Gehrleins, unten Kapitel B. Fn.  231. 183  K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009 (1015 f.). 184  Auf diese stellt K. Schmidt neben der Finanzierungszuständigkeit ab. Diese Finanzierungsentscheidung unterscheidet sich wohl nach Schmidt von derjenigen, die er zuvor als Teil der Finanzierungs(folgen)verantwortung als überholt bezeichnet hat, in dem Sinne, dass es bei ersterer um die Entscheidung überhaupt per Kredit zu finanzieren geht, während die überholte Entscheidung wohl diejenige zwischen den Finanzierungsmitteln innerhalb der Krise ist. Vgl. K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009 (1015 f.). 185  K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009 (1016). 186  K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009 (1011, 1013 f., 1015). 187  Das ergibt sich mittelbar aus den Verweisen auf seine Aufsätze zum alten Recht, vgl. K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009 (1011, etwa in Fn.  25). 188  Den eigenen Standpunkt zusammenfassend m. w. N. K. Schmidt, ZIP 1991, 1 (2). 189  K. Schmidt, ZIP 1991, 1 (2, 7 ff.); vgl. zur Erstreckung auf den Kommanditisten der gesetzes­ typischen KG K. Schmidt, ZHR 147 (1983), 165 (171 ff.); ders., JZ 1985, 301 (304); ders., GmbHR 1986, 337 ff.; zur Erstreckung auf sämtliche Personengesellschaften ders., Insolvenzrecht der Unternehmen, S.  91 ff., insb. S.  93. 190  K. Schmidt, ZIP 1991, 1 (2). 191  K. Schmidt, ZIP 1991, 1 (2). 192 Vgl. K. Schmidt, ZIP 1991, 1 (6).

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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Verblieben seien demnach im neuen Recht als Legitimations- und Wertungsgrundlage die „“Finanzierungsverantwortung“ in dem reduzierten Sinn einer Zuständigkeit für die Unternehmensfinanzierung“ und die „“Finanzierungsentscheidung“ im Sinne einer unternehmerischen Kreditfinanzierung“.193 Letztlich hat damit nach K. Schmidt der Wegfall des Krisenmerkmals zu gewissen Veränderungen bzw. Vereinfachungen in der Legitimationsgrundlage geführt, diese also weder unverändert übernommen noch durch ein völlig anderes Konzept ersetzt.194 Ähnlich dem Ansatz K. Schmidts geht B. Schäfer davon aus, den Neuregelungen läge ein von einer Krisenfinanzierungsentscheidung unabhängiger „Restbestand des Grundgedankens der Finanzierungsfolgenverantwortung zugrunde“.195 Allerdings sieht B. Schäfer im Gegensatz zu K. Schmidt einen gewissen Zusammenhang zur Haftungsbeschränkung, da durch eine Fremdkapitalgewährung die Möglichkeit zur Erweiterung der „Geschäftstätigkeit über das verlautbarte Eigenkapital hinaus“ geschaffen würde, für welche nicht wie sonst üblich Sicherheiten gestellt würden.196 Die hieraus resultierenden Ausfallrisiken im Insolvenzfall weise das Gesetz dem Gesellschafter zu, indem die „Fremdmittel als haftendes Risikokapital“ eingestuft würden.197 c.  Widerlegliche Vermutung der Insolvenzreife Zumindest dem Ergebnis nach den von einer Finanzierungsfolgenverantwortung ausgehenden Ansätzen ähnlich198 ist der Ansatz Pentz‘. Unter ausdrücklicher Ablehnung einer irgendwie gearteten Krisenvermutung geht dieser davon aus, dass sich aus der Anfechtungsfrist des §  135 I Nr.  2 InsO sowie der Beschränkung des Gesetzes auf „insolvenzrechtlich relevante Sachverhalte“ eine widerlegliche199 Vermutung der drohenden Zahlungsunfähigkeit als erste Stufe der Insolvenzreife

193 

K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009 (1017). Vgl. das Resümee K. Schmidts, GmbHR 2009, 1009 (1019): „Banalisierung der vormaligen Wertungskriterien“; anders noch tendenziell, wobei i. E. offen K. Schmidt, ZIP 2006, 1925 (1934): nur noch der „Näher-Dran-Gedanke“; ähnlich die Annahme bei Grigoleit/Rieder, GmbH-R nach MoMiG, Rn.  235, die den typisierten Missbrauchsvorwurf betonen und insgesamt in der „dogmatischen Neuausrichtung (…) lediglich eine geringfügige Nuancierung“ sehen. 195  B. Schäfer, ZInsO 2010, 1311 (1313). 196  B. Schäfer, ZInsO 2010, 1311 (1313); insoweit ähnelt dieser Ansatz den am Näheverhältnis und der Risikoverteilung anknüpfenden Ansätzen, vgl. dazu unten ad B.III.2.g.bb. 197  B. Schäfer, ZInsO 2010, 1311 (1313). 198  Pentz, FS Hüffer, S.  748 (771) leitet aus seinen Überlegungen ab, dass entsprechend der Gesetzesbegründung richtigerweise das für die wirtschaftlich entsprechenden Rechtshandlungen nach altem Recht Geltende in personeller und sachlicher Hinsicht übernommen (vgl. den Nachweis mit Wiedergabe der entsprechenden Formulierung in der Gesetzesbegründung, oben Kapitel B. Fn.  90) würde. 199  Vgl. zur vorgeschlagenen teleologischen Reduktion, wenn nicht zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit gegeben war Pentz, FS Hüffer, S.  748 (771) und nochmals ders., GmbHR 2013, 393 (400 f.). 194 

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

ableiten ließe.200 Der Nachrang reagiere auf ein Stehenlassen der Gesellschafterlei­s­ tung „im Stadium der Insolvenzreife“ und §  135 I Nr.  2 InsO auf die Befriedigung einer Gesellschafterdarlehensforderung im selben Stadium.201 Eine Sonderbehandlung von Gesellschafterdarlehen vor der drohenden Zahlungsunfähigkeit sei insolvenzrechtlich nicht zu rechtfertigen.202 Dies bestätige §  136 InsO, der ebenfalls mindestens drohende Zahlungsunfähigkeit voraussetze und echtes Eigenkapital erfasse, so dass für §  135 InsO, der Fremdkapital erfasse, jedenfalls nichts Stren­ geres gelten könne.203 Im Ergebnis sieht Pentz die Rechtfertigung der Regelungen, ähnlich derjenigen zum alten Recht, in der Erfassung eigenkapitalähnlicher Lei­s­ tungen, nunmehr „im Stadium der Insolvenzreife“.204 d.  Haftung für Insolvenzverschleppungsbeitrag Auch Haas geht letztlich von einem durch das MoMiG unveränderten Normzweck bzw. einer unveränderten Wertungsgrundlage aus, wobei er aber die Finanzierungsfolgenverantwortung als tragende Wertungsgrundlage sowohl des alten als auch des neuen Rechts ablehnt.205 Nach Haas statuiert das reformierte Recht, wie bereits das Eigenkapitalersatzrecht206, Pflichten des Gesellschafters „zum Schutz der Gläubigergesamtheit“ „in der Insolvenzkrise“207 und schließt damit eine Lücke, die dadurch entstehe, dass das Gesetz solche Pflichten ursprünglich nur für die Geschäftsführer vorsah.208 Neben anderem haftungsbewährten Verhalten könne nämlich auch eine Darlehensgewährung einen „Beitrag zur Insolvenzverschleppung“ lei­ sten, mit dem eine Erhöhung des Ausfallrisikos der (Dritt-)Gläubiger einhergehe.209 Dieses Risiko müsse dem Gesellschafter und nicht der Gläubigergemeinschaft zu-

200  Pentz, FS Hüffer, S.  748 (764 f.); ders., GmbHR 2013, 393 (398  ff.); kritisch hierzu K. Schmidt, GS Winter, S.  601 (610 f.). Ausdrücklich ablehnend inzwischen auch der BGH, Beschluss vom 30.4.2015 – IX ZR 196/13, NZI 2015, 657 (Rn.  7). 201  Pentz, FS Hüffer, S.  748 (774); ders., GmbHR 2013, 393 (400). 202  Pentz, FS Hüffer, S.  748 (765); ders., GmbHR 2013, 393 (398). 203  Pentz, FS Hüffer, S.  748 (765 f.). 204  Pentz, FS Hüffer, S.  748 (769 f.). 205 Vgl. Haas, in Verhandlungen des 66. DJT, Bd. I, E 57. 206  Vgl. zum alten Recht ausführlich Haas, NZI 2001, 1 ff. Auf den Zusammenhang zur Insolvenzverschleppung hat hinsichtlich des alten Rechts bereits Reiner, FS Boujong, S.  415 (416) hingewiesen. 207  Die Insolvenzkrise und das Stadium der Kreditunwürdigkeit sind nach Haas deckungsgleich, vgl. dens., in Verhandlungen des 66. DJT, Bd. I, E 30 ff. 208  Haas, ZInsO 2007, 617 (618); ähnlich bereits in seinem Gutachten zum Zweck des Eigen­ kapitalersatzrechts ders., in Verhandlungen des 66. DJT, Bd. I, E 57 f.; ähnlich auch noch de lege ferenda Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1913 f.), wonach das Kapitalersatzrecht auf seinen Kerngedanken zu reduzieren sei, wie die Insolvenzantragspflicht die „Fortsetzung der sanierungsreifen, kapitalbedürftigen Gesellschaft in der Krise (zu) verhindern“. Anders demgegenüber die Einschätzung dess. zum reformierten Recht nach dem MoMiG, vgl. oben ad B.III.2.b.aa. 209  Haas, ZInsO 2007, 617 (618); ähnlich bereits ders., in Verhandlungen des 66. DJT, Bd. I, E 57 f., E 71.

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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gewiesen werden.210 Zwar trete der Gesellschafter bei der Darlehensvergabe als außenstehender Dritter auf, jedoch seien grundsätzlich seine Darlehen „causa societatis und unter Ausnutzung der gesellschaftsrechtlichen Insiderstellung“ gewährt, weshalb seine formale Doppelstellung den Gesellschafter nicht „aus seiner Verantwortung für die negativen Folgen seiner Kreditierung“ entlasse.211 Dass das Merkmal der „Finanzierungsentscheidung in der Krise“ nunmehr im Tatbestand entfallen ist, sei sowohl für stehengelassene Darlehen als auch für binnen Jahresfrist vor Insolvenzeröffnung zurückgewährte Darlehen eine zulässige Typisierung, „notfalls“ sei auf eine Analogie zu §  136 II InsO zurückzugreifen.212 Für die Frage der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit will Haas darauf abstellen, ob von der fraglichen Handlung „ähnlich nachteilige Wirkungen für die Gläubigergesamtheit ausgehen“213, was ggf. auch Austauschgeschäfte erfassen könne.214 §  142 InsO greife bei §  135 InsO nicht.215 Zur Legitimation der reformierten Regelungen wollen auch Bayer/Graff auf die „drohende Gläubigerbeeinträchtigung durch eine Erhöhung ihres Ausfallrisikos in der Insolvenz“ zurückgreifen.216 Die Verortung im Insolvenzrecht bringe zum Ausdruck, dass die Regelungen bezweckten, „Unternehmensfortführungen zum Nachteil der Gesellschaftsgläubiger zu unterbinden“.217 Neben einer Kapitalzuführung wollen sie für die wirtschaftlich vergleichbaren Rechtshandlungen darauf abstellen, ob „das Ausfallrisiko der Gläubiger in der Insolvenz erhöh(t)“ wurde.218 Dem ähnlich ist auch der Ansatz Mylichs, der als Grund des Insolvenzanfechtungstatbestands einerseits auf den Insidergedanken abstellt, andererseits aber, we210  Vgl. neuerdings Haas, NZG 2013, 1241 (1243). Mit der Formulierung a. a. O.: „Die Vorschrift will verhindern, dass der Gesellschafter das mit einer Darlehensgewährung verbundene Risiko – entgegen dem gesellschaftsrechtlichen Leitbild – auf die Gläubigergesamtheit abwälzt.“ geht Haas letztlich in die Richtung der unten ad B.III.2.h. dargestellten Ansätze, die am bloßen Näheverhältnis anknüpfen, wobei er aber seinen bisherigen Ansatz nicht ausdrücklich aufgibt und auch a. a. O. für §  135 InsO auf das „Vorfeld der Insolvenzeröffnung“ abstellt. 211  Haas, ZInsO 2007, 617 (618); ähnlich bereits ders., in Verhandlungen des 66. DJT, Bd. I, E 52 f. und E 57, wo die Doppelrolle als Grund der Sonderbehandlung noch stärker betont wird. 212  Haas, ZInsO 2007, 617 (620 ff.); ähnlich bereits ders., in Verhandlungen des 66. DJT, Bd. I, E 75 ff. 213  Haas, ZInsO 2007, 617 (623); ders., FS Ganter, S.  187 (196) sieht es als Konsens hinsichtlich des Normzwecks an, dass es sich um ein „Instrument des vornehmlich insolvenzrechtlich verankerten Gläubigerschutzes“ handle, was dieses Kriterium für die Bestimmung des wirtschaftlich Vergleichbaren nahelege. 214  Haas, ZInsO 2007, 617 (623); ders., FS Ganter, S.  187 (196 ff.); ebenso bereits ders., in Verhandlungen des 66. DJT, Bd. I, E 72 f. 215  Haas, ZInsO 2007, 617 (624); ders., FS Ganter, S.  187 (199 ff.). 216  Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1656); i. E. wohl ähnlich Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  446 ff., der zur Legitimations- und Wertungsgrundlage keinen eigenen Ansatz präsentiert, mangels Quantifizierbarkeit von positiven und negativen Effekten die Regelung als Gläubigerschutzregel aber billigt – allerdings wegen der von ihm festgestellten, auch positiven Effekte der Gesellschafterfremdfinanzierung letztlich Änderungen de lege ferenda befürwortet. 217  Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1656). 218  Bayer/Graff, DStR 2006, 1654 (1657).

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

gen der möglichen Erfassung von Darlehensrückzahlungen durch gesunde Gesellschaften, in §  135 InsO die Vermutung der Insolvenzverursachung durch den Darlehensabzug sieht.219 Der Nachrang sanktioniere eine Insolvenzverschleppung.220 e.  Sanktion der nominellen Unterkapitalisierung Bitter geht davon aus, das Gesellschafterdarlehensrecht sanktioniere eine „nominelle Unterkapitalisierung der Gesellschaft“.221 Diese definiert er als „mangelnde Ausstattung mit Eigenkapital bei gleichzeitiger Auffüllung der Lücke durch Gesellschafter-Fremdkapital“.222 Das Gesellschafterdarlehensrecht verhindere eine „Spekulation auf Kosten der Gläubiger durch nicht hinreichend am Risiko beteiligte Gesellschafter“,223 die anders als Drittkreditgeber am variablen Gewinn der Gesellschaft teilhaben.224 Der Anreiz zu einer solchen Spekulation werde entscheidend gemindert, wenn durch ein angemessenes Eigenkapital „jeder Verlust zunächst die Gesellschafter und erst dann die Gläubiger trifft“.225 Das Gesellschafterdarlehensrecht schaffe eine „ausreichende Beteiligung der Gesellschafter am Risiko der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft“, wo der Gesellschafter eine hinreichende Risikobeteiligung durch die unzureichende Eigenkapitalausstattung vereitelt habe.226 Diese Situation der nominellen Unterkapitalisierung (unangemessenes „Verhältnis zwischen Fremd- und Eigenkapital“) bei Darlehenshingabe vermute das Gesellschafterdarlehensrecht unwiderleglich.227 219  Mylich, ZGR 2009, 474 (488 f.); inzwischen für die Insolvenzanfechtung wohl nur noch auf den Insidergedanken abstellend Mylich, ZIP 2013, 1650 (1651). Vgl. zu diesem Ansatz unten ad B.III.2.g.dd. 220  Mylich, ZIP 2013, 2444 (2446); ferner bereits Mylich, ZHR 176 (2012), 547 (560) ergänzt um die „Vermeidung einer Spekulation der Gesellschafter zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger“; tendenziell etwas anders Mylich, ZIP 2013, 1650 (1651): Der Gesellschafter habe „geringer zu erachtende Interessen als andere Insolvenzgläubiger“. 221  Bitter, GesR, Rn.  272; Bitter, in MüKo InsO, §  4 4a Rn.  3 f.; ferner im Ansatz bereits Bitter, ZIP 2010, 1 (10); auch Kolmann, in Saenger/Inhester GmbHG, Anh §  30 Rn.  42 ff. sieht eine „wertungsmäßige Anknüpfung“ an eine nominelle Unterkapitalisierung neben dem „Zusammenhang von Chancen und Risiken“ (vgl. zum zweiten Aspekt unten ad B.III.2.g.bb. mit Fn.  262). Inzwischen meint auch Habersack, in Ulmer/Habersack/Löbbe GmbHG, Anh §  30 Rn.  21 es gehe (neben dem Zusammenhang zur Haftungsbeschränkung, dazu unten ad B.III.2.f.aa.) um die „Gefahr einer nominellen Unterkapitalisierung“. Bitter sieht dies letztlich auch als Grund des alten Eigenkapitalersatzrechts an, vgl. dens., ZIP 2010, 1 (9 f.). 222  Bitter, GesR, Rn.  272; ähnlich die Definition K. Schmidts, JZ 1985, 301 (304): nominelle Unterkapitalisierung sei gegeben, „wenn der Kapitalbedarf eines Unternehmens zwar gedeckt worden ist, dies aber nicht durch Eigenkapitalzufuhr sondern durch Fremdkapital aus Gesellschafterhand“. 223  Bitter, ZIP 2010, 1 (9); ähnlich Bitter, GesR, Rn.  268. 224  Bitter, in MüKo InsO, §  4 4a Rn.  3 f. 225  Bitter, GesR, Rn.  268. 226  Bitter, GesR, Rn.  272. 227  Bitter, GesR, Rn.  272. Eine solche Vermutung muss Habersack nicht anstellen, wenn er nur auf die „Gefahr einer nominellen Unterkapitalisierung“ abstellt, vgl. Habersack, in Ulmer/Habersack/Löbbe GmbHG, Anh §  30 Rn.  21.

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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f.  An die Haftungsbeschränkung anknüpfende Ansätze Mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten und teilweise mit zusätzlichen Aspekten wird teilweise für die Wertungs- und Legitimationsgrundlage des reformierten Rechts an die Haftungsbeschränkung als solche angeknüpft. aa.  Missbrauch der Haftungsbeschränkung Insbesondere U. Huber und Habersack, auf deren Überlegungen die Reform des Gesellschafterdarlehensrechts maßgeblich zurückgehen soll,228 stellen zur Legitimation desselben auf die Haftungsbeschränkung und die „Möglichkeit missbräuchlicher Rechtsgestaltung“229 bzw. „missbräuchlicher Ausnutzung der Haftungs­ beschränkung selbst“230 ab.231 Der Rechtsmissbrauchsgedanke wurde später prä­ zisiert: Die Möglichkeit entstehe dadurch, dass sich das Ausfallrisiko bei überwiegender Darlehensfinanzierung im Vergleich zur überwiegenden Eigen­ kapitalfinanzierung zulasten der Drittgläubiger verschiebe, wenn der Gesellschaf-

228  Vgl. bereits oben ad B.I.5.; im Gegensatz zum Vorschlag von U. Huber und Habersack (BB 2006, 1 ff.) verzichtet das MoMiG allerdings auf eine Erfassung sämtlicher Gesellschafterforderungen, was einen gewichtigen Unterschied ausmacht. Weitere Unterschiede bestehen hinsichtlich der Gesellschafternutzungsüberlassung (U. Huber und Habersack schlugen insoweit vor, keine spezielle Regelung zu erlassen) und im nicht umgesetzten Vorschlag der Aufgabe der zehnjährigen Anfechtungsfrist für Sicherheiten. 229  U. Huber, GS Winter, S.  261 (276 f.). 230  So wörtlich U. Huber, FS Priester, S.  259 (277); ganz ähnlich Habersack, ZIP 2007, 2145 (2147): „Herleitung der Rechtsfolgen aus dem Prinzip der Haftungsbeschränkung selbst, dessen missbräuchlicher Ausnutzung begegnet werden soll“. 231  U. Huber, GS Winter, S.  261 (276 f.); vgl. ferner Habersack, ZIP 2007, S.  2145 (2147); ­Habersack, ZIP 2008, 2385 (2387); Habersack, in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, §  30 Rn.  37; Habersack, in Ulmer/Habersack/Löbbe GmbHG, Anh §  30 Rn.  21 (ergänzt um den Aspekt der Begegnung einer „Gefahr einer nominellen Unterkapitali­ sierung“); U. Huber, FS Priester, S.  259 (277); ohne den Aspekt des Missbrauchs noch vor dem MoMiG: U. Huber/Habersack, in Lutter, Kapital der Aktiengesellschaft, S.  370 (391, 394 ff.). Im Anschluss hieran: Desch, in Bunnemann/Zirngibl, §  8 Rn.  14; Fedke, NZG 2009, 928 (929 f.). Ebenfalls noch deutlich: Gehrlein, BB 2011, 3 (7 f.), der den Missbrauchsgedanken klar herausarbeitet, wohingegen sich der Bezug zur Haftungsbeschränkung eher aus der Herleitung des Missbrauchsvorwurfs ergibt (Vorrang gesellschaftsrechtlicher Finanzierungsformen wie Kapitalerhöhung und Nachschuss), kritisch hierzu K. Schmidt, GS Winter, S.  601 (612); allein auf das Näheverhältnis abstellend noch Gehrlein, BB 2008, 846 (849). Ders. stellt inzwischen ausdrücklich auf die „Finanzierungsfolgenverantwortung – vermindert um die Finanzierungsentscheidung“ ab, Nachweis oben Kapitel B. Fn.  181. Der Gedanke des institutionellen Rechtsmissbrauchs durch zu niedriges Stammkapital als Begründung für die Sonderbehandlung von Gesellschafterdarlehen (und darüber hinausgehend ggf. eine Haftung für materielle Unterkapitalisierung) geht bereits auf Kuhn, Strohmanngründung, S.  100, 214 ff., Rehbinder, Konzernaußenrecht, S.  123 f. (dort allerdings nur angedacht) und vor allem Immenga, Personalistische Kapitalgesellschaft, S.  402 ff. (mit Verweis in Fn.  244 auf Erlinghagen, GmbHR 1962, 163 (173), bei dem aber der Organisationsfehler im Mittelpunkt der Überlegungen steht) zurück. Der „Grundsatz der angemessenen Risikoübernahme“ geht auf Reinhardt, FS Lehmann, S.  576 (589) zurück.

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

ter mit seiner Darlehensforderung im gleichen Rang mit den Drittgläubigern konkurriere.232 Daneben verweist U. Huber auf die Funktionen des Eigenkapitals (Risikopuffer und Risikobeteiligung) und die Kapitalschutzregeln, die in einem untrennbaren Zusammenhang zur Haftungsbeschränkung stünden, bei einer Unternehmensfinanzierung mittels Darlehen allerdings leerliefen.233 Alle der haftungsbeschränkten Gesellschaft von den Gesellschaftern zur Verfügung gestellten Mittel sollen deshalb „als Preis für die Inanspruchnahme der Haftungsbeschränkung“234 Risikokapital235 sein und in der Gesellschaftsinsolvenz vorrangig den Drittgläubigern zu Gute kommen.236 Diese Risikobeteiligung sei eine „notwendige Ergänzung der Regeln über die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung“237 und damit rechtspolitisch ähnlich motiviert.238 Der Gesellschafter hafte im Ergebnis mit „dem gesamten Eigenkapital (…), nicht nur mit dem Stammkapital und den Rücklagen, sondern auch mit dem Darlehenskapital“.239 Der damit im Mittelpunkt stehende Nachrang werde durch die Anfechtungstatbestände abgesichert.240 bb.  Ausgleich für die Haftungsbeschränkung Von anderen Stimmen wird der Zusammenhang zur Haftungsbeschränkung zwar im Grundsatz anerkannt, Kritik richtet sich allerdings gegen den Missbrauchsvorwurf.241 Die Rechtfertigung wird, unabhängig von einem Missbrauch, in einem blo-

232  U. Huber, GS Winter, S.  261 (276 f.); ähnlich auch Habersack, in Ulmer/Habersack/Löbbe GmbHG, Anh §  30 Rn.  21. Insoweit ist auch die Kritik Kampshoffs, GmbHR 2010, 897 (899) entkräftet, es könne nicht jede Gesellschafterfremdfinanzierung rechtsmissbräuchlich sein. Wie U. Huber, a. a. O. präzisiert, liegt der Rechtsmissbrauch erst in der Anmeldung der Forderung im gleichen Rang; ähnliches gilt für die Kritik Kleindieks, in Lutter/Hommelhoff GmbHG, Anh zu §  64 Rn.  114 und die Kritik Balkes, Gesellschafterhaftung, S.  174, die in Fn.  729 U. Huber, a. a. O. zudem verkürzt und deshalb sehr missverständlich wiedergibt. 233  U. Huber, FS Priester, S.  259 (275 f.). 234  Habersack, in Ulmer/Habersack/Löbbe GmbHG, Anh §  30 Rn.  21; ähnlich bereits U. Huber/Habersack, BB 2006, 1 (2). 235  U. Huber, FS Priester, S.  259 (277). 236  So bereits U. Huber/Habersack, in Lutter, Kapital der Aktiengesellschaft, S.  370 (391): das Gesellschafterfremdkapital solle „der Befriedigung der außenstehenden Gläubiger dienen (…), ehe Ansprüche der Gesellschafter befriedigt werden“. 237  U. Huber/Habersack, in Lutter, Kapital der Aktiengesellschaft, S.  370 (395). 238  U. Huber, FS Priester, S.  259 (277): „rechtspolitisch dieselbe Funktion, wie auch die Bestimmungen über das Eigenkapital“. 239  U. Huber, GS Winter, S.  261 (278). In eine ähnliche Richtung auch Gehrlein, NZI 2015, 481 (484), der sich aber auch ausdrücklich auf die Fortgeltung der Finanzierungsfolgenverantwortung beruft (vgl. oben Kapitel B. Fn.  231). 240  U. Huber, FS Priester, S.  259 (277). 241 Jeweils ohne eingehende Begründung Lüdtke, in HaKo InsO, §  39 Rn.  19a; Ahrens, in Ahrens/­Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, §  39 Rn.  28.

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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ßen „Ausgleich für das Privileg der Haftungsbeschränkung“242 gesehen.243 Eingehend begründet wird dies nicht weiter. In eine ähnliche Richtung geht der Erklärungsansatz Schalls.244 Er betont zwar die Ausrichtung des MoMiG an den bereits vorhandenen Prinzipien und die lediglich intendierte Vereinfachung, stellt aber fest, dass, insbesondere wegen der starren Fristen und der dabei fehlenden Möglichkeit des redlichen Gesellschafters, den neuen Regelungen zu entgehen, die Finanzierungsfolgenverantwortung bisheriger Form nicht mehr Grundlage sein kann.245 Als tragenden Grund sieht er vielmehr die Sonderstellung des Gesellschafters an, aus der alleine folge, dass der Gesellschafter nachrangig hinter allen anderen Gläubigern befriedigt wird.246 Dies sei als Wertungsentscheidung zur Grenze der Haftungsbeschränkung zu verstehen.247 Nur mit diesem Ansatz sei, letztlich auch im alten Recht, die zehnjährige Anfechtungsfrist des §  135 I Nr.  1 InsO zu erklären, die die Finanzierungsfreiheit von allen Normen des Gesellschafterdarlehensrechts am meisten einschränke.248 Letztlich gehe es also um ein „Sonderopfer, das den Gesellschaftern als Gegenleistung für ihre Privilegien von Haftungsbeschränkung und Finanzierungsfreiheit und den damit verbundenen Gewinnchancen aufgebürdet wird“.249 Aber auch die Finanzierungsentscheidung spiele neben der Gesellschafterstellung eine Rolle, verlasse man doch mit der Darlehensfinanzierung die gesetzlichen „Leitbilder von Eigen- und Fremdfinanzierung“, was wiederum rechtfertigend vor dem Hintergrund von Artt.  3, 14 GG wirke.250 Damit sei auch erklärt, warum trotz des Ansatzpunktes der Sonderrolle des Gesellschafters nur Darlehensforderungen und nicht sämtliche Forderungen dem neuen Recht unterfielen.251 Auch das Kleinbeteiligungsprivileg spreche nicht gegen diesen Ansatz, sondern bringe vielmehr zum Ausdruck, dass nur der unternehmerische Gesellschafter anders als Drittgläubiger zu behandeln sei.252 Zwar ist bei Schall lediglich die Rede von den Grenzen der Haftungsbeschränkung, während für die Legitimation mehrfach die Sonderrolle des Gesellschafters betont wird, doch zeigt die Argumentation, dass letztlich auch Schalls Überlegungen entschei242  So auch vor dem MoMiG ohne Missbrauchserwägungen: U. Huber/Habersack, in Lutter, Kapital der Aktiengesellschaft, S.  370 (391). 243  Lüdtke, in HaKo InsO, §  39 Rn.  19a; ähnlich auch Neußner, in Graf-Schlicker InsO, §  39 Rn.  16; Niesert/Hohler, NZI 2009, 345 (348). Vgl. für entsprechende Erklärungsversuche vor dem MoMiG Reimann-Dittrich, Finanzierungsfolgenverantwortung, S.  123 ff. mit Fn.  557 und Buck, Kritik, S.  92 f. m. w. N. 244  Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  169 ff. 245  Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  170 f. 246  Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  173. 247  Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  173. 248  Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  173. 249  Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  174. 250  Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  174, allerdings kritisch gegen eine Überbetonung des Aspekts vom „Festhalten an geleisteter Finanzierung“, den er U. Huber und Habersack vorwirft (S.  174 f.). 251  Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  174. 252  Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  175.

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

dend an die Haftungsbeschränkung und die mit ihr zusammenhängenden Probleme der Unternehmensfinanzierung anknüpfen. g.  An das Näheverhältnis anknüpfende Ansätze In eine ähnliche Richtung gehen auch die Ansätze, die auf ein bloßes Näheverhältnis oder die Gesellschafterstellung als solche abstellen, nicht jedoch entscheidend bzw. unmittelbar253 auf die Haftungsbeschränkung an sich.254 aa.  Doppelrolle des Gesellschafters Zu nennen sind hier zunächst die Erklärungsansätze, die die Doppelrolle als Gesellschafter und Gläubiger (präziser als Gesellschafter und Kreditgeber255) heranziehen.256 Der Gesellschafter dürfe nicht „sein eigener Gläubiger sein“.257 Dabei werden vor allem die Informations- und Einflussnahmemöglichkeiten hervorgehoben, die sowohl den Nachrang als auch die Insolvenzanfechtung rechtfertigen sollen.258 Der Gesellschafter, der das Unternehmen beherrscht, habe auch die Steuerungs253  Einige der vorgetragenen Argumente stehen dabei freilich in einem engen Zusammenhang mit der Haftungsbeschränkung bzw. überschneiden sich die Argumente, so dass hier keine eindeutige Grenzziehung zu den an der Haftungsbeschränkung anknüpfenden Ansätzen möglich ist. Vgl. zum Zusammenhang dieser Ansätze mit der Haftungsbeschränkung unten Kapitel B. Fn.  261 und ad B.III.2.j.gg.(4).(a). 254  Tendenziell in eine solche Richtung neben den Nachweisen im Folgenden auch: Ahrens, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, §  39 Rn.  28: „haftungsrechtliche Verantwortung der Gesellschafterstellung“; Wicke, GmbHG, Anhang §  30 Rn.  3; für den Nachrang: Seibert, MoMiG, S.  41. 255  Diese Präzisierung scheint nötig, da das Gesellschafterdarlehensrecht gerade nicht sämtliche Forderungen, sondern nur solche aus Darlehen und wirtschaftlich vergleichbaren Rechtshandlungen erfasst; vgl. bereits Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31 (38, Fn.  21). 256  Noack, DB 2007, 1395 (1398); Breidenstein, ZInsO 2010, 273 (275); Ehricke, in MüKo InsO, §  39 Rn.  38; Kampshoff, GmbHR 2010, 897 (899); Servatius, Gläubigereinfluss, S.  487: „inkompatible Doppelrolle“; Ulbrich, Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts, S.  155 ff.; letztlich auch Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung, Rn.  64; Kleindiek, in Lutter/Hommelhoff GmbHG, Anh zu §  64 Rn.  115; ders., in HK InsO, §  39 Rn.  27, der diesen Ansatz aber nicht für überzeugend hält; im Prinzip auch Görner, in Rowedder/Schmidt-Leithoff GmbHG, §  30 Anh. Rn.  19, der aber ausdrücklich nur vom Näheverhältnis und nicht von der Doppelrolle spricht; tendenziell auch noch K. Schmidt, ZIP 2006, 1925 (1932, 1934), zu seinem späteren Ansatz vgl. oben ad B.III.2.b.bb. Ebenfalls noch Gehrlein, BB 2008, 846 (849), dessen Erklärungsansatz zwischenzeitlich eher in Richtung des bereits besprochenen „Missbrauchs der Haftungsbeschränkung“ ging, heute wieder stärker an die Finanzierungsfolgenverantwortung anknüpft (vgl. oben Kapitel B. Fn.  231). Die Doppelrolle betont auch Haas, ZInsO 2007, 617 (619, 628: tragende Wertungsgrundlage), der aber vor allem auf den „Beitrag zur Insolvenzverschleppung“, der von Gesellschafterdarlehen ausgeht, abstellt (vgl. oben ad B.III.2.d.). 257  Servatius, Gläubigereinfluss, S.  486 mit gewissen Bezügen zum Verbot widersprüchlichen Verhaltens und letztlich auch auf einen Ausgleich zur beschränkten Haftung verweisend. 258  Kampshoff, GmbHR 2010, 897 (899); vgl. ferner Görner, in Rowedder/Schmidt-Leithoff GmbHG, §  30 Anh. Rn.  19, der daneben aber auch auf die Gewinnbeteiligung abstellt; Ulbrich, Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts, S.  156.

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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macht über das Insolvenzrisiko.259 Das Gesellschafterdarlehensrecht wird als Sanktion der erfolglosen Ausübung dieser Rechte begriffen.260 Die Informations- und Einflussnahmemöglichkeiten führten zudem zu einer erhöhten Risikobereitschaft zulasten Dritter, da die Möglichkeit bestehe, die eigenen Gelder „vorzeitig “in Sicherheit zu bringen““, während man im Gegensatz zu ­Außenstehenden zusätzliche Renditechancen „auf das eingesetzte Eigenkapital“ habe.261 bb. Risikoausgleich Das zuletzt genannte Argument rücken die dem Ansatz der Doppelrolle ähnlichen Legitimationsansätze eines Risikoausgleichs in den Mittelpunkt.262 Nicht die Informations- und Einflussnahmemöglichkeiten seien zentral für die Begründung,263 259 

Servatius, Gläubigereinfluss, S.  488 f. Breidenstein, ZInsO 2010, 273 (275). 261  Noack, DB 2007, 1395 (1398), wobei vor allem diesem Argument mit dem Hinweis auf die Rendite auf das Eigenkapital bei beschränktem Risiko ein starker Bezug zur Haftungsbeschränkung immanent ist. Ähnlich auch Ulbrich, Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts, S.  156; ­Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, §  135 Rn.  15. Die Kombination aus höheren Renditechancen bzw. Wiederherstellung des Eigenkapitals und der Möglichkeit rechtzeitigen Mittelabzugs hat vor dem MoMiG Cahn, AG 2005, 217 (221 ff.) herausgearbeitet und de lege ferenda eine Abschaffung des Nachrangs verlangt. Auf die besseren Renditechancen hat bereits Ulmer, FS Duden, S.  661 (673) hingewiesen, ferner Maier-Reimer, FS Rowedder, S.  245 (270), nach dem der Begriff Doppelrolle genau dieses Phänomen der Renditechancen auf das Eigenkapital beschreiben soll (vgl. auch oben Kapitel B. Fn.  140). Vgl. außerdem im Ansatz schon die Überlegungen bei Ballerstedt, ZHR 135 (1971), 383 (392); Wiedemann, in Haftung des Gesellschafters in der GmbH, S.  28. 262  Krolop, GmbHR 2009, 397 ff. („Risikoübernahmeverantwortung“), dessen Ansatz in letzter Konsequenz vor allem auch eine Anwendbarkeit der Regelungen gegenüber gesellschaftsfremden Dritten (unter bestimmten Voraussetzungen) ermöglichen soll (vgl. die Ausführungen a. a. O. und ders., ZIP 2007, 1738 ff.); ähnlich auch Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  132 ff.: „Risikoerhöhung und gesetzliche Risikoallokation“ (dazu sogleich) und Schaumann, Reform, S.  205 ff. (207: Investitionsverantwortung), bei denen besonders deutlich wird, dass auch dieser Ansatz letztlich mit der Haftungsbeschränkung eng zusammenhängt (vgl. dazu ausführlich unten ad B.III.2.j.gg.(4).(a)). Ähnlich ferner Kolmann, in Saenger/Inhester GmbHG, Anhang §  30 Rn.  45: „Zusammenhang von Chancen und Risiken“, der aber zugleich auf das wertungsmäßige Anknüpfen an eine nominelle Unterkapitalisierung hinweist; Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, §  135 Rn.  15: „Insiderstellung der Gesellschafter in Verbindung mit einem Ausgleich von Chancen und Risiken“; tendenziell auch Preuß, in Kübler/Prütting/Bork InsO, §  39 Rn.  42, der aber auch die Unterkapitalisierung als Anknüpfungspunkt für möglich hält. Vgl. zu diesem Ansatz vor dem MoMiG sowohl für Krisendarlehen als auch für Finanzplankredite, jedoch eine generelle Erfassung aller Darlehen ablehnend: Fleischer, Finanzplankredit, S.  86 ff.: „rechtsethisches Prinzip der Symmetrie von Chancen und Risiken“ (S.  88) m. w. N.; ferner Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S.  401 f. Krit.: Eidenmüller, FS Canaris Bd. 2, S.  49 (58): Die Risikoverschiebung entstehe nicht durch die Finanzierungsentscheidung des Gesellschafters, sondern erst durch die (durch diese ermöglichte) Investitionsentscheidung (zumeist der Geschäftsleitung), dazu unten Kapitel B. Fn.  452. 263  Dies begründet Krolop, GmbHR 2009, 397 (398 f.) damit, dass insb. bei der Aktiengesellschaft das Gesellschafterdarlehensrecht bereits unterhalb der Sperrminorität greift und ferner unstreitig gesellschaftsfremde Kapitalgeber (mit potenziell gleichen Einsichts- und Kontrollmöglichkeiten) grundsätzlich nicht erfasst seien. 260 

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

sondern die „Beteiligung an unternehmerischen Chancen und Risiken“.264 Die unternehmerische Beteiligung führe gerade bei der Sanierung in Anbetracht der Gewinnbeteiligung zu einer „Schieflage von Chancen und Risiken“, weil an sich bereits verlorenes Eigenkapital gerettet und zusätzliche Renditechancen geschaffen werden können, während nur der Verlust des eingesetzten Darlehens drohe.265 Dies erkläre auch das Sanierungsprivileg, da beim Anteilserwerb zur Sanierung diese Schieflage nicht entstünde.266 Clemens geht dem ähnlich von der durch die Gesellschafterfremdfinanzierung ausgelösten Erhöhung des Ausfallrisikos der Drittgläubiger in der Krise aus.267 Mit der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen sei naturgemäß eine gewisse und auch gewollte Risikoverschiebung auf die Gesellschaftsgläubiger verbunden, die aber durch gesetzliche Regelungen (etwa die Insolvenzeröffnungstatbestände oder die Kapitalaufbringung und -erhaltung, die eine Risikobeteiligung des Gesellschafters sicherstellt) wiederum begrenzt würde.268 Letztlich sei hier auch das Gesellschafterdarlehensrecht als gesetzgeberische Entscheidung zur Risikoallokation einzuordnen.269 Diese beruhe auf einem Wegfall des zuvor gegebenen „Interessengleichlauf(s) von Gesellschaftern und Gläubigern“ in der Unternehmenskrise270, da der Gesellschafter zur Rettung seiner Einlage zu Investitionen neige, die zwar in seinem eigenen Interesse liegen, nicht jedoch im Interesse der Gesellschaft und der Gesellschaftsgläubiger.271 Dies korrigierten sowohl der Nachrang als auch die Anfechtungstatbestände.272 264  Krolop, GmbHR 2009, 397 (399); im Ansatz bereits ders., ZIP 2007, 1738 (1739 f.) und ähnlich auch schon: Tillmann, GmbHR 2006, 1289 (1290 f.), es gehe um „insolvenzspezifische Gefahrtragung des Gesellschafters“ wegen dessen „mitunternehmerische Beteiligung in der Gesellschaft“. 265  Krolop, GmbHR 2009, 397 (399); vgl. zu den Risikoanreizen bereits A. Engert, ZGR 2004, S.  813 (819 ff.) im Zusammenhang mit dem alten Eigenkapitalersatzrecht, der aber auch einen gegenläufigen Risikoanreiz sieht, weil hinsichtlich des Fremdkapitals auch ein Ausfall drohe. Diesen gegenläufigen Risikoanreiz sieht Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  154 gerade durch den Informationsvorsprung (vgl. zu diesem isolierten Ansatz sogleich) gedämpft. 266  Krolop, GmbHR 2009, 397 (399). 267  Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  93 ff., 132. 268  Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  134 f. 269  Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  136 ff.; ähnlich bereits vor dem MoMiG: Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S.  401 f. 270  Vgl. zur Abhängigkeit dieser Gefahrerhöhung vom Kriseneintritt Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  110 f., 142 ff.; die Krise sei immer notwendiges Durchgangsstadium vor der Insolvenz, weshalb der Wegfall im Tatbestand nicht schade. Da es nur um die objektive Erhöhung der Gläubigergefährdung gehe, komme es auf subjektive Merkmale (etwa eine Finanzierungsentscheidung) nicht (mehr) an. 271  Vgl. eingehend vor dem MoMiG Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S.  54 ff., insb. 60 f. (überschießender Risikoanreiz entgegen der dezentralen Gewinnverfolgung) und S.  398 ff. zu den hieraus zu ziehenden Folgen für das alte Eigenkapitalersatzrecht; diesen Ansatz aufgreifend: Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  136 f. Vgl. ebenfalls bereits A. Engert, ZGR 2004, S.  813 (824), der auch gerade in der Krise eine solche Verschiebung sieht; zweifelnd zum generell höheren Risikoanreiz dagegen Eidenmüller, FS Canaris Bd. II, S.  49 (56). 272  Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  139 ff.; vgl. ferner Krolop, ZIP 2007, 1738

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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cc.  Steuerungsfunktion des Eigenkapitalrisikos Dem ähnlich dürfte der Vorschlag, auf eine „Aufrechterhaltung der Steuerungsfunktion des Eigenkapitalrisikos“ abzustellen,273 sein. Dies soll unabhängig von einer Krisenanknüpfung Fehlanreize „mit Blick auf das Scheitern der Gesellschaft“ verhindern.274 Weiter präzisiert wird dieser Gedanke indes nicht. dd.  Informationsvorsprung des Gesellschafters Letztlich knüpfen auch diejenigen Ansätze an das Näheverhältnis des Gesellschafters an, die den (strukturellen) Informationsvorsprung 275 oder strukturelle Informationsasymmetrien276 in den Mittelpunkt rücken.277 Sie gehen im Ausgangspunkt von der Überlegung aus, dass sich die Begründung bzw. Legitimation von Anfechtungstatbestand und Nachrang nicht zwingend decken müssen und diese deshalb getrennt betrachtet werden sollten.278 Die Insolvenzanfechtungstatbestände legitimierten sich demnach, unabhängig von der Legitimation des Nachrangs,279 durch (1739), der §  135 InsO insoweit mit der inkongruenten Deckung vergleicht (vgl. dazu unten Kapitel B. Fn.  464); kritisch zur Korrekturwirkung des Nachrangs: Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  477 ff. 273  Baumbach/Hueck/Fastrich/Haas/Noack/Zöllner, in Baumbach/Hueck GmbHG, Anh. §  30 Rn.  6; ähnlich Grimm, Finanzverfassung, S.  505 ff.: „Umgehungsschutz für das Stammkapital als Risikobeteiligung der Gesellschafter“; ähnlich auch bereits Servatius, Gläubigereinfluss, S.  480, 490 ff. als zusätzliche Erwägung: vorrangige Verlusttragung sowohl hins. Eigen- als auch hins. Fremdkapital entspreche der „Ingangsetzungsfunktion des Eigenkapitals“. Zum nach Servatius tragenden Grund für die Rückstufung bereits oben ad B.III.2.g.aa.; im Ansatz bereits als Argument bei U. Huber, FS Priester, S.  259 (276 f.): Ausgleich des „Wegfalls der Selbstkontrolle durch die persönliche Haftung“, der über die Eigenkapitalregeln nur unzureichend gewahrt sei. Demgegenüber ordnet Altmeppen, in Roth/Altmeppen GmbHG 7.A., Anh §§  32a, b Rn.  7 diesen Ansatz als Fortentwicklung der Finanzierungsfolgenverantwortung ein. 274  Baumbach/Hueck/Fastrich/Haas/Noack/Zöllner, in Baumbach/Hueck GmbHG, Anh. §  30 Rn.  6. 275  Eidenmüller, FS Canaris Bd. II, S.  49 (62); ergänzt um den „funktionalen“ Aspekt von Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  396. 276  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  394. 277  Zustimmend für §  135 InsO: Gehrlein, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, §  135 Rn.  1; Mylich, ZHR 176 (2012), 547 (565), der aber neuerdings die Länge der Frist des §  135 I Nr.  1 InsO kritisiert (ders., ZIP 2013, 2444 (2446)). Zustimmend für die Anfechtung der Rückzahlung in der Jahresfrist Seibert, MoMiG, S.  41; Mylich, ZHR 176 (2012), 547 (565). Für den Nachrang ausdrücklich ablehnend der BGH, Urteil vom 17.2.2011 – IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363 (Rn.  15, 17). Der Informationsvorsprung könne zwar den Anfechtungstatbestand, nicht aber den Nachrang rechtfertigen. Ernsthaft erwogen wird der Informationsvorsprung aber als anfechtungsrechtlicher Regelungszweck des §  135 InsO in BGH, Urteil vom 21.2.2013 – IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220 (Rn.  18), wenngleich im Folgenden festgestellt wird, dass auch andere Legitimationserwägungen zu keinem anderen Ergebnis führen würden, womit der BGH sich letztlich nicht festlegt. 278  Eidenmüller, FS Canaris Bd. II, S.  49 (53, 61); Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  390; neuerdings auch unausgesprochen Mylich, ZHR 176 (2012), 547 (558 ff. und 564 ff.). 279  Diese bleibt bei Thole insgesamt offen, während Eidenmüller keinen tragfähigen Grund für die Subordination finden kann (vgl. a. a. O., S.  50, 60 f.).

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

einen Informationsvorsprung der Gesellschafter.280 §  135 InsO sei eng verwandt mit den §§  130, 131 InsO281 und reagiere auf ein Informationsgefälle zwischen außenstehenden Gläubigern und den Adressaten von §  135 InsO.282 Dieser strukturelle Informationsvorsprung sei geeignet, die Gläubigergleichbehandlung283 zu gefährden und sei deshalb Anknüpfungspunkt des §  135 InsO, der als Insiderdeckungsanfechtung 284 diese fördere.285 Ein solches Verständnis werde durch eine rechtsvergleichende Umschau bestätigt, insbesondere hinsichtlich des insider preference law.286 Diese Ansätze sind indes tendenziell eher „de lege ferenda gedacht“,287 wie sich aus den Ausführungen selbst ergibt.288 Eidenmüller schlägt so auch eine Erstreckung auf sämtliche Gesellschafterforderungen vor.289 h. Kombinationsansätze In vielen Auseinandersetzungen mit dem Gesellschafterdarlehensrecht werden Aspekte aus mehreren der oben genannten Ansätze miteinander verbunden.290 Soweit diese nicht selbst Neues bringen, soll auf eine Darstellung verzichtet werden. 280  Eidenmüller, FS Canaris Bd. II, S.  49 (61 ff.); Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  394 ff.; Mylich, ZHR 176 (2012), 547 (565 ff.). 281  Thole bildet insoweit eine Gruppe von Anfechtungstatbeständen, die sich der Gläubigerkonkurrenz widmen (a. a. O., S.  395). 282  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  395 f.; die Nähe zur Deckungsanfechtung betont auch Mylich, ZIP 2013, 1650 (1651). 283  Interessant ist, dass Thole selbst die Notwendigkeit erkennt, über das fehlende Erfordernis einer Insolvenzreife hinwegzukommen und insoweit §  135 I Nr.  2 InsO als Typisierung bezeichnet (a. a. O., S.  397; ähnlich auch Eidenmüller, FS Canaris Bd. II, S.  49 (62 f.)), der den „praktisch allein relevanten Fall“ bilde. Wenn Thole aber de lege ferenda andenkt, den Nachrang abzuschaffen, stellt sich die weitere Frage, wie sich der dort angestellte Rechtsvergleich in Anbetracht von §  135 I Nr.  1 InsO rechtfertigt, so dass er dann auch diesen Zeitraum rechtspolitisch als zu lange kritisiert (a. a. O., S.  398). Auch Eidenmüller schlägt deshalb für Befriedigung und Besicherung einen einheitlichen Anfechtungszeitraum von einem Jahr vor (a. a. O., S.  63). 284  Thole, NZI 2013, 742 (745). 285  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  396. 286  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  397. 287  Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  171. 288  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  395: „Würde auf den Nachrang de lege ferenda verzichtet, wäre die mit dem MoMiG in Gang gesetzte anfechtungsrechtliche Lösung überhaupt erst konsequent durchgehalten.“ Ähnlich auch Thole, ZHR 176 (2012), 513 (546). Auch die Ausführungen Eidenmüllers, a. a. O., beschäftigen sich vordringlich mit dem RefE MoMiG und haben damit überwiegend den Blick de lege ferenda, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass häufig rechtspolitisch gewertet wird. Anders aber wohl Mylich, ZHR 176 (2012), 547 (565 ff.). 289  Eidenmüller, FS Canaris Bd. II, S.  49 (63). 290  Vgl. etwa Hirte, in Uhlenbruck InsO, §  39 Rn.  35: „Letztlich ist die unwiderlegliche Vermutung der Krise damit das rechtstechnische Mittel zur Durchsetzung des Prinzips der Haftungs­ beschränkung in der Kapitalgesellschaft“; J. P. Engert, Eigenkapitalersatzrecht, S.  178 ff.; den Ansatz des Näheverhältnisses mit Aspekten der an die Haftungsbeschränkung anknüpfenden Ansätze kombiniert Koutsós, Rechtliche Behandlung, S.  167 ff., 194; wohl auch hier einzuordnen: Gehrlein, in MüKo InsO, §  135 Rn.  8 ff.

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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i.  Standpunkt der höchstrichterlichen Rechtsprechung Der BGH hatte sich seit Inkrafttreten des MoMiG in einer ganzen Reihe von Urteilen mit den reformierten Regelungen zu befassen. In den ersten Urteilen hat er dabei die Frage nach der Legitimationsgrundlage noch ausdrücklich offen gelassen.291 Bereits in diesen Urteilen ist aber eine deutliche Tendenz zu erkennen, die zum alten Recht gefundenen Ergebnisse, insbesondere zum Fragenkreis der wirtschaftlich entsprechenden Rechtshandlungen, auf das neue Recht zu übertragen. Hierzu wird immer wieder auf die Gesetzesbegründung Bezug genommen.292 Später ist ganz in diesem Sinne die Rede von einer Leitbildfunktion der Novellenregeln für das reformierte Gesellschafterdarlehensrecht.293 Auch tauchen aus dem alten Eigenkapitalersatzrecht bekannte Formulierungen in den Urteilen zum neuen Recht auf, etwa Erwägungen zur Vereinbarkeit „mit einer ordnungsgemäßen Unternehmensfinanzierung“294 oder die Verhinderung der Abwälzung „des mit einer Darlehensgewährung verbundene(n) Risiko(s) auf die Gemeinschaft der Gesellschaftsgläubiger“295. Auch spricht der BGH von einer Erhöhung des „bereits in der beschränkten Haftung auf das Gesellschaftsvermögen liegende(n) Risikoanreiz(es) des Gesellschafters“, insbesondere im Hinblick auf gesicherte Gesellschafterdar­ lehen.296 Was der BGH demgegenüber mit der Aussage, das neue Recht harmoniere „mit der Legitimationsgrundlage des früheren Rechts im Sinne einer Finanzierungsfolgenverantwortung“,297 zum Ausdruck bringen will, ist nicht eindeutig, zumal knapp zwei Wochen später ausgeführt wird: „Die Anfechtung beschränkt sich nicht mehr auf solche Fälle, in denen zurückgezahlte Gesellschafterdarlehen eigenkapitalersetzend waren und die Befriedigung der Gesellschafter ihrer Finanzierungsfolgenverantwortung widersprach“.298 Auf eine Krise komme es nicht mehr an.299 Letztlich zielt wohl auch die erstgenannte Aussage vor allem darauf, den erreichten Stand der Rechtsprechung auf die Neuregelung zu übertragen. Für die Anfechtungstatbestände leitet der BGH im selben Urteil, in dem das Harmonieren mit der Finanzierungsfolgenverantwortung festgestellt wird, den „an291  BGH, Urteil vom 17.2.2011 – IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363 (Rn.  16); BGH, Urteil vom 28.6.2012 – IX ZR 191/11, BGHZ 193, 378 (Rn.  24). 292  Namentlich in BGH, Urteil vom 17.2.2011 – IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363 (Rn.  10); BGH, Urteil vom 28.6.2012 – IX ZR 191/11, BGHZ 193, 378 (Rn.  11, 13, 15). 293  BGH, Urteil vom 21.2.2013 – IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220 (Rn.  12). 294 Denen die (im konkreten Fall nachträgliche) Besicherung eines Gesellschafterdarlehens nicht entspreche, BGH, Urteil vom 18.7.2013 – IX ZR 219/11, BGHZ 198, 64 (Rn.  19). 295  BGH, Urteil vom 21.2.2013 – IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220 (Rn.  12). 296  BGH, Urteil vom 18.7.2013 – IX ZR 219/11, BGHZ 198, 64 (Rn.  19). 297  BGH, Urteil vom 21.2.2013 – IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220 (Rn.  18). 298  BGH, Urteil vom 7.3.2013 – IX ZR 7/12, NZI 2013, 483 (484, juris Rn.  14). Nochmals bestätigt in BGH, Beschluss vom 30.4.2015 – IX ZR 196/13, NZI 2015, 657 (Rn.  5). Zu diesem Widerspruch Habersack, in Ulmer/Habersack/Löbbe GmbHG, Anh §  30 Rn.  16. 299  Sehr deutlich BGH, Beschluss vom 30.4.2015 – IX ZR 196/13, NZI 2015, 657 (Rn.  5).

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

fechtungsrechtlichen Regelungszweck“ ab, „infolge des gesellschaftsrechtlichen Näheverhältnisses über die finanzielle Lage ihres Betriebs regelmäßig wohlinformierten Gesellschaftern die Möglichkeit zu versagen, der Gesellschaft zur Verfügung gestellte Kreditmittel zu Lasten der Gläubigergemeinschaft zu entziehen“300, während der Informationsvorsprung als „maßgeblicher Grund“ der Nachrangregelung zuvor ausdrücklich abgelehnt wurde301. Ob dies letztlich in der Rechtsprechung des BGH auf Dauer zu einem unterschiedlichen Legitimationsansatz und einem unterschiedlichen Regelungszweck von Nachrang und Anfechtungstatbestand führen wird,302 ist, wie insgesamt die Entwicklung hierzu, nur schwer zu prognostizieren. Insgesamt macht es den Eindruck, als wolle sich der BGH (noch) nicht auf eine Wertungs- und Legitimationsgrundlage festlegen,303 sondern sich am jeweils passenden Ansatz bedienen304. j. Stellungnahme Betrachtet man die oben dargestellten Ansätze, die zur Legitimations- und Wertungsgrundlage des neuen Gesellschafterdarlehensrechts entwickelt wurden, fällt auf, dass sich zahlreiche Argumente und Überlegungen, mit freilich teilweise unterschiedlicher Gewichtung und anderer Terminologie, überschneiden.305 Dies zeigt sich etwa an der Risikoabwälzung vom Gesellschafter auf außenstehende Gläubiger 306, der über das Gesellschafterdarlehensrecht begegnet werden soll. Dieses Argument taucht mehr oder weniger tragend bei nahezu allen Ansätzen auf.307 Deshalb überrascht es auch nicht, wenn Clemens feststellt, dass ein „gemeinsamer Kern der dargestellten Legitimationserwägungen (…) in der besagten unangemessenen Erhöhung des Ausfallrisikos der Gläubiger liegt“.308 Auch wurde immer wieder 300  BGH, Urteil vom 21.2.2013 – IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220 (Rn.  18), wobei der BGH daraufhin feststellt, dass selbst bei Zugrundelegung eines anderen Regelungszwecks sich keine anderen Ergebnisse rechtfertigen ließen, so dass er sich mit abweichenden Ansätzen nicht näher aus­ einanderzusetzen hatte. Offener noch BGH, Urteil vom 17.2.2011 – IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363 (Rn.  15). 301  BGH, Urteil vom 17.2.2011 – IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363 (Rn.  15). 302  Eine solche Tendenz erkennt und kritisiert Haas, NZG 2013, 1241 (1243). 303  Anders beurteilt dies Thiessen, ZGR 2015, 396 (406 ff.). Der BGH gehe davon aus, dass die Finanzierungsfolgenverantwortung fortgelte, dass aber auch die an der Haftungsbeschränkung anknüpfenden Ansätze damit zu verbinden seien. Letztlich sei das neue Recht nach dem BGH eine Art Erweiterung, die alle bereits nach altem Recht erfassten Fälle und neuerdings auch die Fälle nicht-eigenkapitalersetzender Darlehen erfasse. 304  In diese Richtung auch die Ausführungen Gehrleins, NZI 2014, 481 (484), selbst Vorsitzender Richter des IX. Zivilsenats. 305  Zu weit geht aber Altmeppen, in Roth/Altmeppen GmbHG, Anh §  30 Rn.  26, wenn er allen Deutungsversuchen attestiert, sie müssten eine Krisenfinanzierung unterstellen. 306  Nachweise zum Ursprung dieser Argumentation oben Kapitel B. Fn.  139. 307  Auszunehmen ist hier der Ansatz vom Informationsvorsprung, dazu aber sogleich ad B. III.2.j.aa. und bb. 308  Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  158. Widersprechen muss man ihm insoweit, dass nicht alle Ansätze eine solche Risikoerhöhung nur durch Finanzierung in der Gesellschafts-

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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festgestellt, dass Argumente im Zusammenhang mit der Haftungsbeschränkung der betroffenen Gesellschaften stehen. Das Meinungsspektrum geht also nicht so weit auseinander, wie es auf den ersten Blick scheint. Deshalb unterscheidet diese Stellungnahme nicht streng zwischen den einzelnen Ansätzen, sondern zeigt vielmehr die maßgeblichen Unterschiede im Detail auf, um dann die Streitpunkte zu entscheiden. Zuvor ist aber zur vorgeschlagenen konzeptionellen Trennung von Anfechtungstatbeständen und Nachrang Stellung zu beziehen und es sind die de lege lata offensichtlich untauglichen Ansätze auszuscheiden. aa.  Zum Vorschlag der konzeptionellen Trennung und zur Miteinbeziehung der Tatbestände des AnfG Eidenmüller schlug vor, für das Legitimations- und Wertungskonzept zwischen der Regelung zum Nachrang und denen zur Insolvenzanfechtung zu unterscheiden.309 Gegen ein solches Vorgehen sprechen de lege lata310 aber bereits die gegenseitigen systematischen und historischen Bezüge von Nachrang und Insolvenzanfechtungstatbeständen.311 §  135 I InsO verweist auf „Darlehen(s) im Sinne des §  39 I Nr.  5 InsO“ und die dort näher beschriebenen gleichgestellten Forderungen. §  135 IV InsO ordnet die entsprechende Geltung von §  39 IV, V InsO an. Damit wird in objektiver und subjektiver Hinsicht ein tatbestandlicher Gleichlauf hergestellt, der für eine gemeinsame wertungsmäßige Konzeption im Sinne einer gemeinsamen ratio legis und Legitimationsgrundlage streitet.312 Dies stützt auch die historische Betrachtung. Das Gesellschafterdarlehensrecht ist als Fortsetzung des historisch gewachsenen Eigenkapitalersatzrechts anzusehen, welches seit seiner Kodifikation in Form der sog. Novellenregeln immer Nachrang und Anfechtbarkeit als einheitliche

krise sehen, vgl. etwa den Ansatz von der Steuerungsfunktion des Eigenkapitalrisikos, oben ad B.III.2.g.cc. mitsamt der insoweit klaren, oben widergegebenen Aussage. 309  Eidenmüller, FS Canaris, Bd. II, S.  49 (53, 61) mit rechtsvergleichendem Blick, dessen Überlegungen freilich von vorne herein eher „de lege ferenda gedacht“ waren (so wörtlich Schall, oben Kapitel B. Fn.  287). Ebenso im Ansatz eher de lege ferenda (vgl. oben Kapitel B. Fn.  288): Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  390 ff., der die abgeleitete Begründung des Anfechtungstatbestands als Notanker bezeichnet (S.  395). Ferner in diese Richtung auch Zahrte, ZInsO 2009, 223 ff., ohne dies ausdrücklich zu erwähnen oder zu begründen und neuerdings, wohl de lege lata: Mylich, ZHR 176 (2012), 547 (558 ff.; 564 ff.); Mylich, ZIP 2013, 2444 (2446). 310  De lege ferenda mag man berechtigterweise solche Überlegungen anstellen, sollte dies dann aber auch entsprechend deutlich machen. 311  I.E. auch Ulbrich, Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts, S.  128 ff. 312 Hierüber geht m.  E. wenig überzeugend Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  391 hinweg und weist darauf hin, es sei ja „immerhin das Erfordernis des eigenkapitalersetzenden Charakters aufgegeben“ worden. Das beseitigt aber nicht den systematisch eindeutigen, tatbestandlichen Gleichlauf.

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

Subordination313 von Gesellschafterdarlehen enthielt und dabei von einem gemeinsamen Grundgedanken getragen war. Ob man funktional von einer Absicherung des Nachrangs durch die Insolvenzanfechtung spricht314 und damit einen Schwerpunkt auf den Nachrang legt oder eher ein „Zusammenspiel“ beider Regelungen betont, spielt letztlich keine entscheidende Rolle. Beides beschreibt einen Zusammenhang, der auch beim Vergleich mit §§  39 I Nr.  4, 134 InsO deutlich wird. Dieser funktionale Zusammenhang legt es nahe, dass Nachrang und Insolvenzanfechtungstatbeständen von denselben Wertungen getragen werden. Zumindest vom Ausgangspunkt her sollten daher de lege lata die Tatbestände gemeinsam betrachtet werden. Einzelne Aspekte können freilich zusätzlich zu einer gemeinsamen Begründungsbasis jeweils nur für Nachrang oder Anfechtung Bedeutung haben. Auch der gegen eine gemeinsame Betrachtung von Thole vorgebrachte Einwand, dass damit der Zweck des §  6 AnfG im Dunkeln bliebe, weil es „außerhalb des Insolvenzverfahrens“ „auf den insolvenzrechtlichen Rang“ nicht ankomme,315 trägt nicht. Eine spezifische Rangordnung fehlt außerhalb des Insolvenzverfahrens, weil es ohne ein solches zu keiner zentralen Verteilung bzw. Gläubigerbefriedigung kommt. Es gilt das Prioritätsprinzip fort. Betrachtet man aber die faktischen Folgen der Gläubigeranfechtung näher, so ist festzustellen, dass diese im Ergebnis selbst zu einer Art Rangordnung führt. Wo ein Gläubigeranfechtungstatbestand greift und die Anfechtungsklage Erfolg hat, wird das Prioritätsprinzip limitiert und der oder die klagenden Gläubiger erhalten den „Vorzug“. Damit steht aber der Anfechtungsgegner, in unserem Fall der Gesellschafter, hinter diesen bzw. theoretisch hinter allen übrigen, klagenden Gläubigern zurück. Dies führt freilich nicht zu unterschiedlichen gesetzlichen Ranggruppen wie im Insolvenzverfahren, eine Art Rangordnung wird hierdurch aber trotzdem realisiert.316 Diese Überlegungen stützen entgegen Thole sogar den funktionalen Zusammenhang von Nachrang, Insolvenzanfechtung und auch den Tatbeständen der Gläubigeranfechtung (§§  6, 6a AnfG). Bei der Erarbeitung der Wertungsgrundlage ist es daher vorzugswürdig, vom gesamten Rechtsinstitut Gesellschafterdarlehensrecht auszugehen. Das schließt ausdrücklich auch die Regelungen des AnfG ein. Die Gläubigeranfechtungstatbestände sind generell mit den korrespondierenden Insolvenzanfechtungstatbeständen systematisch und wertungsmäßig verwandt. §§  6, 6a AnfG verweisen in ihrem An313  Vgl. zu diesem Begriff, der für die gesamte durch das Gesellschafterdarlehensrecht herbeigeführte „Rückstufung“ der Forderungen der Gesellschafter steht, Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3602 Fn.  19). 314 So U. Huber, FS Priester, S.  259 (277). 315  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  391. 316  So könnte sich etwa die interessante Frage stellen, ob ein (Dritt-)Gläubiger, der von einem Gesellschafter wegen einer Darlehensforderung bspw. nach §  4 AnfG in Anspruch genommen wird, gegen die Anfechtungsklage erfolgreich das Vorliegen der Voraussetzungen des §  6 AnfG einwenden könnte und/oder umgekehrt – letztlich könnte sich hierdurch sogar eine abgestufte Rangfolge auch außerhalb des Insolvenzverfahrens durchsetzen lassen.

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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wendungsbereich wie §  135 InsO sogar ausdrücklich auf §  39 I Nr.  5 InsO bzw. §  39 IV, V InsO, was diesen Zusammenhang auch tatbestandlich zum Ausdruck bringt. Für eine gemeinsame Betrachtung aller Tatbestände spricht außerdem die den Normen des AnfG zugedachte „Auffangfunktion“ im Fall einer mangels Masse unterbleibenden Insolvenzeröffnung.317 bb.  De lege lata untaugliche Erklärungsansätze Bereits aus den Ausführungen selbst318 ergibt sich, dass die von einem Informa­ tionsvorsprung bzw. einer Informationsasymmetrie ausgehenden Ansätze de lege lata für das gesamte Gesellschafterdarlehensrecht nicht tragfähig sind. Ursprünglich waren diese Ansätze auch eher Vorschläge de lege ferenda und hatten die Intention, den Nachrang abzuschaffen.319 Der Nachrang lässt sich schlicht mit einem Informationsvorsprung nicht erklären. Dasselbe gilt für die Regelungen zu den gesellschafterbesicherten Drittdarlehen (§§  44a, 135 II, 143 III InsO). Aber auch für §  135 I Nr.  1 und 2 InsO müssen diese Ansätze letztlich ausscheiden.320 Sie können bereits nicht sinnvoll erklären, warum der Informationsvorsprung nur bei Darlehensforderungen eine Sonderbehandlung rechtfertigt und nicht sämtliche Forderungen der Gesellschafter erfasst werden. Auch den subjektiven Anwendungsbereich, namentlich die tatbestandliche Beschränkung auf Gesellschafter und die noch weitergehende tatbestandliche Beschränkung auf Gesellschafter haftungsbeschränkter Gesellschaften, können diese Ansätze nicht erklären.321 Warum die Tatbestände nicht etwa auch die regelmäßig ebenfalls wohlinformierte Hausbank 322 erfassen, bleibt offen. Konsequenterweise müsste man hier zu teleologische Extensionen kommen, welche allerdings weder in der Historie der Vorgängerregelungen noch in der Regierungsbegründung zum MoMiG eine Grundlage finden.323 Schall weist ferner zutreffend darauf hin, dass sich die zehnjährige Anfechtungsfrist des §  135 I Nr.  1 InsO für gewährte Sicherheiten wohl kaum mit dem Gedanken des Informationsvorsprungs erklären lässt.324 317  Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, insb. S.  26 und mittelbar S.  58 (zur Lückenschließung durch §  6a AnfG). 318  Vgl. oben Kapitel B. Fn.  288. 319 Vgl. Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  171; der dies auch de lege ferenda ablehnt, vgl. dens., a. a. O., S.  172 f. 320  Anders für den Anfechtungstatbestand des §  135 InsO offenbar der BGH, vgl. oben Kapitel B. Fn.  300. 321  Ähnlich auch Habersack, in Ulmer/Habersack/Löbbe GmbHG, Anh §  30 Rn.  19 hinsichtlich Kleinbeteiligungsprivileg und Kleinaktionär mit bloßem Informationsrecht aus §  131 AktG. 322 Ähnlich Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  171 hinsichtlich „gesicherte(r) Gläubiger (Banken)“; mit den Problemen der oft durch Convenants gesicherten Banken beschäftigt sich eingehend mit weitgehenden Vorschlägen auch Servatius, Gläubigereinfluss. 323  Gerade angesichts der vielgestaltigen hybriden Finanzierungsformen scheint mir dieser Gedanke aber nicht von vorneherein ausgeschlossen; ähnlich auch Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  172. 324  Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  171; anders Mylich, ZHR 176

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

Der Informationsvorsprung ist demnach allenfalls ein zusätzlicher Aspekt, der hinsichtlich der Insolvenzanfechtung von Befriedigungen binnen Jahresfrist in Betracht kommt.325 Insgesamt können diese Ansätze das Gesellschafterdarlehensrecht de lege lata aber nicht schlüssig erklären. cc.  Auswertung der Gesetzesbegründung Als Ausgangspunkt für Normzwecküberlegungen und die Suche nach der Legitimationsgrundlage bietet sich neben dem positiven Recht326 naturgemäß die Gesetzesbegründung an. Diese ist zur Reform des Gesellschafterdarlehensrechts bedauerlicherweise äußerst dünn ausgefallen und gibt zur ratio legis und der Legitimation keine klare Auskunft.327 Wenigstens im Ansatz verwertbare Passagen finden sich in der Begründung des Regierungsentwurfs328 und in den Ausführungen des Rechtsausschusses329, während die Stellungnahme des Bundesrates und die Gegenäußerung330 keine Hinweise zu den tragenden Wertungen enthalten. Die Gesetzesbegründung des RegE enthält eher widersprüchliche Anhaltspunkte denn Erhellendes. So liest man einerseits in Richtung einer Neugestaltung der Regelungen etwa, „das Recht der Gesellschafterdarlehen (werde) neu geregelt“331. „Dabei werden Gesellschafterdarlehen im Insolvenzfall stets mit Nachrang versehen (…)“332. „Jedes Gesellschafterdarlehen ist bei Eintritt der Insolvenz nachrangig.“333 „Auf die Qualifizierung „kapitalersetzend“ wird künftig verzichtet“334. „Es gibt also künftig keine Unterscheidung zwischen „kapitalersetzenden“ und „normalen“ Gesellschafterdarlehen“335. „Es gibt nach dem neuen Konzept keine kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen mehr.“336 „Als Fremdkapital gegebene Beträge sind nicht dem Eigenkapital zuzurechnen.“337 (2012), 547 (566). Neuerdings aber mit Überlegungen zur Verkürzung dieser Frist, vgl. ders., ZIP 2013, 2444 (2446). 325  Hinzuweisen ist hier nochmals auf die offenbar andere Ansicht des BGH zu §  135 InsO, vgl. oben Kapitel B. Fn.  300. 326  Vgl. dazu die Zusammenfassung oben ad B.II. 327  So attestieren Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung, Rn.  6 4 dem „Reformkonzept des MoMiG“ auch, dass es „jedenfalls für die krisenfernen Konstellationen der Gesellschafterfinanzierung eine überzeugende innere Rechtfertigung schuldig“ bleibe und stellen fest, der Gesetzgeber habe sich „um ein wertungsstimmiges Konzept schlechterdings nicht bemüht.“ Ähnlich Bork, ZGR 2007, 250 (251) „die Begründung (sei) recht einsilbig ausgefallen“. 328  Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  25 ff. 329  Begründung der Änderungen des Rechtsauschusses, BT-Drs. 16/9737, S.  54 ff. 330  Abgedruckt im Anhang des RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  61 ff. 331  Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  26. 332  Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  26 [Hervorhebungen durch den Verfasser]. 333  Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  56 [Hervorhebungen durch den Verfasser]. 334  Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  42. 335  Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  26 [Hervorhebungen durch den Verfasser]. 336  Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  56. Habersack, in Ulmer/Habersack/Löbbe GmbHG, Anh §  30 Rn.  17 will aus diesen Passagen ablesen, dass die Finanzierungsentscheidung in der Krise nicht mehr „den konzeptionellen Anknüpfungspunkt des neuen Rechts bildet“. 337  Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  26 [Hervorhebungen durch den Verfasser].

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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Neben dem mehrfachen Hinweis auf die intendierte Vereinfachung der Rechtslage338 finden sich demgegenüber auch folgende Ausführungen, die lediglich auf eine „Umgestaltung“ hindeuten: „In der Insolvenz ist das Darlehen sowieso nachrangig gestellt, und im Jahr vor der Insolvenz soll aus Gründen der Vereinfachung auf eine besondere Qualifizierung verzichtet werden. Im Grunde geht es hier um fragwürdige Auszahlungen an Gesellschafter in einer typischerweise kritischen Zeitspanne, die einem konsequenten Anfechtungsregime zu unterwerfen sind.“339

Insbesondere dass die „Unterscheidung von „kapitalersetzenden“ und „normalen“ Gesellschafterdarlehen“ durch die Neuregelung aufgegeben werde bzw. es keinen Eigenkapitalersatz mehr gebe, deutet dabei auch auf ein Abrücken von der bisherigen Legitimationsgrundlage hin, während die Ausführungen zur „typischerweise kritischen Zeitspanne“ genauso wie die häufig betonte, angestrebte Vereinfachung in die andere Richtung deuten. In die Richtung einer Beibehaltung der Legitimationsgrundlage gehen auf den ersten Blick auch die Ausführungen zum Anwendungsbereich. Dort heißt es: „Im Übrigen wird durch die Formulierung „Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen“ der bisherige §  32a Abs.  3 Satz  1 GmbHG in personeller (Dritte) und sachlicher Hinsicht übernommen.“340

Dies wurde dahingehend gedeutet, dass an der Legitimationsgrundlage festzuhalten sei,341 wobei dieser Schluss nicht zwingend ist.342 Durch den Rechtsauschuss wurde vor allem §  135 III InsO eingeführt, der seinerseits wie folgt begründet wurde: „Als Folge des Wegfalls des Merkmals „kapitalersetzend“ als Anknüpfungspunkt für die Regelungen zu Gesellschafterdarlehen und gleichgestellten Forderungen ist die dogmatische Grundlage der bisherigen Rechtsprechung zur eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung entfallen (…)“343

Diese Passage, die schon hinsichtlich der Nutzungsüberlassung in ganz verschiedene Richtungen gedeutet wurde,344 kann hinsichtlich der ratio legis und der Legitimation des Gesellschafterdarlehensrechts ebenfalls in beide Richtungen gedeutet werden.345 338 

Vgl. oben die Nachweise in Kapitel B. Fn.  65. Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  26 [Hervorhebungen durch den Verfasser]; ein weiterer Hinweis darauf, dass „Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen (…) überhaupt erst ein Jahr vor und in der Insolvenz der Gesellschaft kritisch“ werden, findet sich auf S.  42. 340  Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  26. 341  Nachweis oben Kapitel B. Fn.  173. 342  Vgl. hierzu unten ad B.III.2.j.ee.(5). 343  Begründung der Änderungen des Rechtsauschusses, BT-Drs. 16/9737, S.  59. 344  Vgl. etwa Kleindiek, in HK InsO, §  135 Rn.  46 f. einerseits und andererseits Hölzle, ZIP 2009, 1939 (1944 ff.). 345 Anders Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  118 mit Fn.  826, der dies als Hinweis 339 

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

Letztlich schwankt die Gesetzesbegründung zwischen einer bloßen Vereinfachung und einer Aufgabe des Eigenkapitalersatzrechts,346 weshalb ihr keine definitive Aussage zur Fortgeltung der alten Legitimationsgrundlage entnommen werden kann. Clemens weist zurecht darauf hin, dass (selbst) wenn man den Gesetzesmaterialien ein Abrücken von der alten Legitimationsgrundlage entnimmt, keine neue Begründung angeboten wird.347 So ging auch der mit dem MoMiG befasste Referent im Bundesjustizministerium davon aus, die Wissenschaft könne die Subordination wertungsmäßig untermauern.348 dd.  Zu klärende Detailpunkte Die oben dargestellten Ansätze unterscheiden sich maßgeblich hinsichtlich der Rolle der Finanzierungsfolgenverantwortung (Fortgeltung, ggf. kraft einer „Krisenvermutung“?) und hinsichtlich der Rolle der Haftungsbeschränkung (tragende Rolle, ja oder nein?) voneinander. Vor allem diese beiden Fragen sind demnach im Folgenden bei der Erarbeitung eines schlüssigen Wertungskonzepts für die reformierten Regelungen zu klären. ee.  Zur unveränderten Fortgeltung der Finanzierungsfolgenverantwortung Das Konzept der Finanzierungsfolgenverantwortung, welches verbreitet als Legitimations- und Wertungsgrundlage des alten Eigenkapitalersatzrechts angesehen wurde,349 ging von der Prämisse grundsätzlicher Finanzierungsfreiheit aus. Dies verstand man als dem Grundsatz nach unbeschränkte Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Formen der Unternehmensfinanzierung (vor allem zwischen Eigen- und Fremdkapital), sobald das Mindestkapital eingezahlt war. Lediglich in der Unternehmenskrise (ermittelt über das Hilfskriterium der Kreditunwürdigkeit) sollte eine Beschränkung des „Finanzierungs-Wie“ eintreten, während das „Finanzierungs-Ob“ weiterhin zur freien Entscheidung der Gesellschafter stand. Man stellte diese in der Unternehmenskrise vor die Wahl der Fortführung des Unternehmens mit Kapitalzufuhr oder aber der Liquidation. Entschied der Gesellschafter sich für Ersteres, musste dies allerdings, so die Wertung, zwingend in Form von Eigenkapital geschehen. Gewährtes Fremdkapital wurde zu Eigenkapital umqualifiziert.350 Nur insoweit traf den Gesellschafter die sog. „Finanzierungsfolgenverantwortung“. Maßgeblich für das Eingreifen des Eigenkapitalersatzrechts (a. F.) waren also soauf eine neue Legitimationsgrundlage versteht, was daraus folge, dass bisher die Legitimationserwägungen insoweit gleichlaufend waren. 346  Formulierung nach Neußner, in Graf-Schlicker InsO, §  39 Rn.  16. 347  Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  118. 348 Vgl. Seibert, MoMiG, S.  41. Für §  135 I Nr.  2 InsO weist er auf den Informationsvorsprung hin. Die Legitimation des Nachrangs sei problematisch. §  135 I Nr.  1 InsO wird nicht angesprochen. 349  Vgl. eingehend hierzu und zum Folgenden m. w. N. bereits oben ad B.III.1. 350  Anschaulich nochmals zusammengefasst bei Niggemann, Reform des Gläubigerschutzsystems, S.  258.

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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wohl tatbestandlich als auch wertungsmäßig die Unternehmenskrise im Zeitpunkt der Finanzierungsentscheidung (Darlehensgewährung oder sog. Stehenlassen des Darlehens) und die mit dieser einhergehende Steigerung des Risikos der Drittgläubiger.351 (1)  Konstruktive Bedenken Dieses Wertungskonzept kann aber die reformierten Regelungen des Gesellschafterdarlehensrechts, die tatbestandlich sämtliche Gesellschafterdarlehen krisenunabhängig erfassen,352 nicht mehr schlüssig erklären, wenn man sich nicht der irgendwie gearteten Vermutung einer Krise im Zeitpunkt der Finanzierungsentscheidung bedient353. Da diese Krisenvermutung nicht überzeugend generell auf den ggf. schon Jahrzehnte zurückliegenden Zeitpunkt der Darlehensgewährung bezogen werden kann,354 müsste man grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Stehenlassens kurz vor Beginn der Anfechtungsfrist des §  135 I Nr.  2 InsO als Finanzierungsentscheidung abstellen, da ab diesem Zeitpunkt ein sanktionsfreier Abzug der Darlehen nicht mehr möglich ist. Ab diesem Zeitpunkt (ein Jahr vor Insolvenzeröffnung plus eine logische juristische Sekunde) müsste dann eine Krise vermutet werden.355 Anders ist dies nur für Darlehen, die innerhalb der Jahresfrist des §  135 I Nr.  2 InsO gewährt wurden, bei denen für die Krisenvermutung auf diesen Zeitpunkt abgestellt werden kann. Während die bloße Vermutung einer Krise unter Hinweis auf die Frist des §  135 I Nr.  2 InsO356 zumindest noch begründbar scheint357 und auch gewisse Anhalts351  Vgl. dazu, dass die Finanzierungsfreiheit erst ab dem Eintritt der Krise eingeschränkt wurde, neben den Ausführungen und Nachweisen oben B.III.1.: Rümker, ZGR 1988, 494 (498). 352  Vgl. zum tatbestandlichen Wegfall des Krisenmerkmals oben ad B.I.5.c. Eindeutig hierzu auch der BGH, Beschluss vom 30.4.2015 – IX ZR 196/13, NZI 2015, 657. 353  So auch die Ansätze oben ad B.III.2.b.aa. Wenn man dabei wie Bork, ZGR 2007, 250 (257) von einer „Vermutung des Eigenkapitalersatzcharakters“ ausgeht, macht das in der Sache keinen Unterschied, da für diesen gerade eine Finanzierungsentscheidung in der Krise notwendig war. 354  In diese Richtung scheint aber Bork, ZGR 2007, 250 (257) zu gehen, der davon ausgeht, dass Gesellschafterdarlehen immer nur dann gewährt würden, wenn am Markt kein Darlehen zu bekommen sei und deshalb bei jeder Darlehensgewähr durch einen Gesellschafter die Eigenkapital­ ersatzfunktion vermutet werden könne. Diese Sichtweise dürfte aber bereits mit dem Grundgedanken der Finanzierungsfolgenverantwortung, die Finanzierungsfreiheit grundsätzlich zu gewährleisten und erst in der Krise einzuschränken, nicht vereinbar sein – dieser würde bei einer gene­rellen Krisenvermutung ad absurdum geführt. 355  Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3602 f.): unwiderlegliche Vermutung „ausschließlich binnen der kritischen Fristen (§  135 InsO n. F., §  6 AnfG n. F.)“; ähnlich auch ders., in Roth/Altmeppen GmbHG, Anh §§  30 Rn.  23; dagegen nur noch auf §  135 I Nr.  2 InsO bezogen ders., NZG 2013, 441 f. Ausdrücklich auf die Jahresfrist beziehen sich auch Dahl, in Michalski GmbHG, Anh. II §§  32a, 32b aF Rn.  6 und Spliedt, ZIP 2009, 149 (153). 356 Ebenda. 357  Bereits vor dem MoMiG sollte der Fortbestand des Eigenkapitalersatzcharakters innerhalb der Jahresfrist des §  135 (I) Nr.  2 InsO vermutet werden, was der BGH mit seinem Urteil vom 30.1.2006 – II ZR 357/03, NZI 2006, 311 (Leitsatz) nochmals bestätigt hatte, Dieses Urteil wurde in der Begründung des Regierungsentwurfs des MoMiG, BT Drs. 16/6140 S.  26 hinsichtlich der

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

punkte in der Gesetzesbegründung findet358, wäre auch das Stehenlassen als Finanzierungsentscheidung359 zu vermuten.360 Dieser Punkt wird meist nicht klar herausgearbeitet, ebenso wie nicht begründet wird, worauf sich die Vermutung einer solchen Finanzierungsentscheidung stützen soll. Im Endeffekt wäre damit regelmäßig die für die Finanzierungsfolgenverantwortung konstituierende Finanzierungsentscheidung in der Krise nur noch unwiderleglich vermutet und fände im gesetzlichen Tatbestand keine Anknüpfung mehr.361 Bereits diese Überlegungen sprechen gegen die Fortgeltung der Finanzierungsfolgenverantwortung. (2)  Historische Bedenken gegen eine Krisenvermutung Auch neben diesen konstruktiven Bedenken begegnet der Ansatz der Fortgeltung der Finanzierungsfolgenverantwortung weiteren Bedenken. Der Gesetzgeber hat bewusst das Merkmal „eigenkapitalersetzend“ aufgegeben, womit er gerade auf das Erfordernis einer Krisenfinanzierung verzichtet und sämtliche Darlehen dem neuen Recht unterwirft.362 Dieses Merkmal jetzt, sei es als Vermutung oder Fiktion,363 Abschaffung der Rechtsprechungsregeln in Bezug genommen. Der BGH entschied a. a. O., dass für zuvor eigenkapitalersetzende Darlehen binnen der Jahresfrist der Einwand abgeschnitten ist, „dass im Zahlungszeitpunkt das Stammkapital der Gesellschaft nachhaltig wieder hergestellt und damit die Durchsetzungssperre entfallen war“. „Der Eigenkapitalersatzcharakter zum Stichtag (werde) unwiderleglich vermutet“. Notwendig für diese Vermutung des Fortbestands des Eigen­ kapitalersatzcharakters war aber neben einem zuvor bestehenden eigenkapitalersetzenden Charakter des Darlehens auch eine Finanzierungsentscheidung zu Beginn der Frist, regelmäßig in Form des Stehenlassens (vgl. zu den Voraussetzungen hierfür sogleich Kapitel B. Fn.  359) desselben. Beides wurde nach dem BGH gerade nicht vermutet. 358  Namentlich der Hinweis, es gehe um „fragwürdige Auszahlungen an Gesellschafter in einer typischerweise kritischen Zeitspanne“ (Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  42), vgl. oben ad B.III.2.j.cc. Allerdings bezieht sich dieser Hinweis auf die Darlehensrückzahlungen innerhalb dieser kritischen Zeitspanne. Für die Finanzierungsfolgenverantwortung bedarf es aber gerade der Finanzierungsentscheidung innerhalb der kritischen Zeitspanne. Auf den Zeitpunkt der Rückzahlung kam es schon damals nur innerhalb des Anfechtungstatbestands an, was aber für die Legitimation nicht tragend war. 359  Der BGH verlangte bisher, dass „der Gesellschafter wenigstens die Möglichkeit gehabt hat, die den Eintritt der Krise begründenden Umstände bei Wahrnehmung seiner Verantwortung für eine ordnungsgemäße Finanzierung der Gesellschaft zu erkennen“, damit beim Stehenlassen von einer Finanzierungsentscheidung auszugehen war, vgl. BGH, Urteil vom 7.11.1994 – II ZR 270/93, BGHZ 127, 336 (Leitsatz). 360  Anders sieht das Dahl, in Michalski GmbHG, Anh. II §§  32a, 32b aF Rn.  6, der erkennt, dass „es auf eine subjektive Entscheidung zu einer Krisenfinanzierung nicht mehr an(kommt)“ und deshalb auf diese schlicht verzichten will. Ob und ggf. welche Folgen dies für das Konzept der Finanzierungsfolgenverantwortung hat, wird allerdings nicht bedacht. Letztlich fällt das Konzept ohne entsprechende Finanzierungsentscheidung in Krisenzeiten in sich zusammen. So auch ­Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  416 ff. 361  Ganz zu Recht weist deshalb Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, §  135 Rn.  15 darauf hin, dass ohne Finanzierungsentscheidung in der Krise keine entsprechende Verantwortung mehr übernommen wird. 362  Das betont auch der BGH, Beschluss vom 30.4.2015 – IX ZR 196/13, NZI 2015, 657 (Rn.  5). 363  Altmeppen, in Roth/Altmeppen GmbHG, Anh §  30 Rn.  24 wendet gegen die Kritik an seinem Standpunkt ein, der Vorwurf, es handle sich um eine Fiktion, sei unangebracht, da in Wirk-

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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wieder durch die Hintertür einzuführen, droht diese Wertung zu untergraben.364 Gerade im Vorfeld der Reform wurde bereits verschiedentlich vorgeschlagen, die aufwendige Prüfung des Eigenkapitalersatzcharakters durch eine (widerlegliche) Vermutungsregelung zu ersetzen.365 Eine ähnliche Regelung enthält §  136 II InsO, die insoweit hätte Vorbild sein können. Diesen Vorschlägen ist der Gesetzgeber aber nicht gefolgt und hat stattdessen das Merkmal insgesamt aus dem Tatbestand gestrichen. Möchte man nun von einer unwiderleglichen Vermutung ausgehen, widerspricht dies in gewissem Maße der Historie des Gesetzes. Vor allem aber verleitet eine solche Sichtweise dazu, in Fällen, in denen wertungsmäßig die Normen vermeintlich nicht passen, teleologische Reduktionen anzustellen. Solche teleologischen Reduktionen laufen aber faktisch auf das Gleiche hinaus wie die vorgeschlagene und bewusst nicht umgesetzte, widerlegliche Vermutung. Sie gefährden damit immanent die mit der Aufgabe des Merkmals „eigenkapitalersetzend“ vom Gesetzgeber angestrebte Vereinfachung durch Erfassung sämtlicher Gesellschafterdarlehen366. (3)  Bedenken in Anbetracht des geänderten Handlungsanreizes Mit dem Wegfall der genannten tatbestandlichen Anknüpfungspunkte des alten Wertungskonzepts hat sich auch der Handlungsanreiz verändert, den die Normen des Gesellschafterdarlehensrechts auslösen (sollen). Unter dem Eigenkapitalersatzrecht wurde bei Eintritt der Unternehmenskrise vom Gesellschafter die Entscheidung zwischen Finanzierung und Liquidation verlangt.367 Ein zuvor gewährtes ­Darlehen konnte sanktionslos abgezogen werden. Nach dem BGH ging es dem Eigenkapitalersatzrecht damit auch um die Verhinderung der Fortsetzung der sanierungsreifen und kapitalbedürftigen Gesellschaft in der Unternehmenskrise.368 Insofern wurde das alte Eigenkapitalersatzrecht wohl zu Recht in einen Zusammenhang mit der Verhinderung von Insolvenzverschleppungen gestellt.369 lichkeit eine unwiderlegliche Vermutung vorliege. Im Unterschied zur Fiktion handle es sich dabei gerade um einen typischerweise gegebenen Sachverhalt, der unterstellt werde, wobei lediglich der Beweis des Gegenteils ausgeschlossen sei. M.E. vermag aber weder eine Krisenvermutung noch eine Fiktion zu überzeugen, so dass Altmeppens Replik auch nicht überzeugen kann. Vgl. zu dieser Differenzierung im Zusammenhang mit der zehnjährigen Frist des §  135 I Nr.  1 InsO nochmals unten Kapitel B. Fn.  374. 364  So auch die Kritik von Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung, Rn.  62. 365 Etwa Altmeppen, NJW 2005, 1911, 1914; Kleindiek, ZGR 2006, 335 (358). 366  Anders sieht das J.-S. Schröder, in HaKo InsO, §  135 Rn.  8a, der von einer Gefährdung des Vereinfachungsgedankens gerade durch das Abrücken von der bisherigen Legitimationsgrundlage ausgeht. 367  Vgl. hierzu etwa BGH, Urteil vom 7.11.1994 – II ZR 270/93, BGHZ 127, 336 (341, juris Rn.  12). 368  BGH, Urteil vom 16.10.1989 – II ZR 307/88, BGHZ 109, 55 (58, juris Rn.  5). 369  So etwa Altmeppen, NJW 2005, 1911 (1914). Vgl. aber dazu, dass insoweit unter dem alten Recht bei einer Deutung in diese Richtung erhebliche systematische Brüche zur allgemeinen Insolvenzverschleppungshaftung vorlagen Reiner, FS Boujong, S.  415 (420 ff.).

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

Dem reformierten Gesellschafterdarlehensrecht dagegen unterfallen nunmehr sämtliche Gesellschafterdarlehen und §  135 InsO sanktioniert gerade den Mittelabzug in Insolvenznähe. Ohne den Tatbestand teleologisch zu reduzieren, kann der Gesellschafter nach neuer Rechtslage dem Gesellschafterdarlehensrecht nicht durch eine eigene Entscheidung bei Kriseneintritt bzw. durch normgerechtes Verhalten370 entgehen.371 Das Gesetz verlangt damit im Ergebnis das vorher missbilligte Stehenlassen des Darlehens, wenn sich eine Krise abzeichnet, da es hier regelmäßig innerhalb der (kritischen) Jahresfrist zur Insolvenzeröffnung kommen wird.372 (4)  Bedenken angesichts der Anfechtungsfrist des §  135 I Nr.  1 InsO Ferner stellt sich, insbesondere wenn man für die Krisenvermutung die Jahresfrist des §  135 I Nr.  2 InsO heranzieht, die Frage, wie sich die zehnjährige Anfechtungsfrist des §  135 I Nr.  1 InsO erklärt.373 Zehn Jahre vor Insolvenzeröffnung eine Krise zu unterstellen, verlässt wohl den Boden einer Vermutung und entwickelt sich zu einer bloßen Fiktion.374 Denkbar wäre allenfalls, eine Krisenvermutung aus dem Aspekt der Besicherung des Darlehens in Kombination mit der Anfechtungsfrist abzuleiten. Doch handelt es sich zumindest bei der anfänglichen Besicherung von Darlehen, auch im Fall von Gesellschafterdarlehen, um einen marktüblichen Vorgang, der auch zusammen mit der zehnjährigen Anfechtungsfrist eine generelle Krisenvermutung nicht zu tragen vermag. Aber auch wenn man den Anwendungsbereich des §  135 I Nr.  1 InsO auf nachträgliche Besicherungen beschränkt,375 sind durchaus Situationen bzw. Motive für eine solche nachträgliche Besicherung denkbar, die eine generell hierauf gestützte Krisenvermutung376 ausscheiden lassen. 370 

So, plastisch Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  170 Fn.  394. die Kritik Schalls, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  171 gegen diesen Ansatz. Vgl. zu dem sogar entgegengesetzten faktischen Anreiz zur Insolvenzverschleppung sogleich ad B.III.2.j.ff. 372  Krolop, ZIP 2007, 1738 (1740); ders., GmbHR 2009, 397 f. 373  Ähnlich kritisch Lüdtke, in HaKo InsO, §  39 Rn.  19. Dieses Problem stellt sich nur dann nicht, wenn man wie offenbar Bork (vgl. oben Kapitel B. Fn.  169) davon ausgeht, die Krisensituation werde immer bereits bei Darlehensgewährung vermutet, unabhängig davon, wie lange diese zurückliegt. Auf die Frist des §  135 I Nr.  2 InsO stellen ausdrücklich die oben in Kapitel B. Fn.  355 Genannten ab. 374  Altmeppen, in Roth/Altmeppen GmbHG, Anh §  30 Rn.  24 verweist vehement darauf, dass es sich nicht um eine Fiktion der Krise handle, bei der etwas nicht Vorliegendes unterstellt werde, sondern um eine unwiderlegliche Vermutung, die nur regelmäßig Gegebenes unterstelle, ohne dass „der Richter möglichen Ausnahmen von dieser Regel (…) nachzugehen habe“. Er geht aber in diesem Zusammenhang nicht näher auf §  135 I Nr.  1 InsO ein. Altmeppen rettet daher seinen Legitimationsansatz, indem er davon ausgeht, Gesellschafterdarlehen im Sinne des Gesellschafterdarlehensrechts könne es generell erst ab einem Jahr vor Eröffnung der Insolvenz geben, womit er feststellen kann, dass die zehnjährige Anfechtungsfrist „spätestens seit Inkrafttreten des MoMiG am 1.11.2008 obsolet“ ist, vgl. NZG 2013, 441 (444); i. E. ebenso Altmeppen, ZIP 2013, 1745 (1747). 375  Dieser Punkt ist umstritten, vgl. oben ad B.II.2. 376  Hierfür aber J.-S. Schröder, in HaKo InsO, §  135 Rn.  8a. Die Anwendung nur bei nachträglicher Besicherung begründet dieser mit dem Normzweck (vgl. a. a. O., Rn.  29), so dass die Be371  Ähnlich

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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(5)  Untaugliche historische und verfassungsrechtliche Begründungselemente Wie bereits festgestellt, trifft die Gesetzesbegründung zur Legitimations- und Wertungsgrundlage des neuen Gesellschafterdarlehensrechts keine klare Aussage. Die Gesetzesbegründung enthält vielmehr Hinweise sowohl in Richtung der Beibehaltung der Legitimationsgrundlage, als auch der möglichen Aufgabe derselben.377 So reklamieren die Befürworter einer Beibehaltung der Finanzierungsfolgenverantwortung als Wertungskonzept insbesondere die lediglich intendierte Vereinfachung und die angestrebte Übernahme der wirtschaftlich vergleichbaren Rechtshandlungen „in personeller (Dritte) und sachlicher Hinsicht“ für sich.378 Der Gesetzgeber habe die Rechtsprechungsregeln abschaffen und die Novellenregeln vereinfachen wollen, nicht jedoch beabsichtigt, „eine vollständig neue Begründung für die Sonderbehandlung von Gesellschaftern zu geben“.379 Dieser pauschalen Begründung der Fortgeltung der Finanzierungsfolgenverantwortung sind zunächst die oben angeführten Anhaltspunkte in der Gesetzesbegründung entgegenzuhalten, die für eine neue Legitimations- und Wertungsgrundlage sprechen. Wäre es dem Gesetzgeber wichtig gewesen, das Wertungskonzept des Eigenkapitalersatzrechts beizubehalten, dann hätte es nur wenig bedurft, dies in der Gesetzesbegründung klarzustellen. Verzichtet der Gesetzgeber aber auf eine Offenlegung der Wertungsgrundlagen des geänderten Rechts, so überlässt man die dogmatische Fundamentierung der Wissenschaft380 und es ist dann eben gerade nicht ausgeschlossen, ein neues dogmatisches Konzept zu entwickeln, das die Regelungen des positiven Rechts ggf. sogar besser und widerspruchsfreier trägt. Aus der Übernahme des Merkmals der wirtschaftlich vergleichbaren Rechtshandlungen „in personeller (Dritte) und sachlicher Hinsicht“ einen Einwand hiergegen zu entwickeln,381 blockierte jegliche Weiterentwicklung in diesem Bereich. Letztlich sollte dieser Teil der Gesetzesbegründung daher eher so verstanden werden, dass das Regelungsprinzip dem Grunde nach übernommen wurde, nicht jedoch in jedem Einzelfall. Dabei ist es durchaus möglich im Kern den Charakter der alten Regelungen beizubehalten und eine Wertungsgrundlage zu finden, die nicht ein ausdrücklich abgeschafftes Merkmal zur Erklärung heranziehen muss. Dadurch wird auch nicht der intendierte Vereinfachungseffekt untergraben,382 sondern durch Respektierung der gesetzgeberischen Entscheidung zur Erfassung aller Gesellschafterdarlehen gerade konsequent umgesetzt.

schränkung auf nachträgliche Besicherungen nicht auch den Normzweck begründen kann (petitio principii). 377  Vgl. oben ad B.III.2.j.cc. 378  Vgl. oben Kapitel B. Fn.  173. 379  Dahl, in Michalski GmbHG, Anh. II §§  32a, 32b aF Rn.  6. 380  Hiervon geht auch Seibert, MoMiG, S.  41 hinsichtlich des Nachrangs aus. 381  Vgl. Nachweise oben Kapitel B. Fn.  173. 382  Vgl. Nachweis oben Kapitel B. Fn.  366.

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

Auch die verfassungsrechtlichen Bedenken, die vorgebracht werden, um an der Finanzierungsfolgenverantwortung festzuhalten,383 überzeugen nicht. Sie gehen nicht darauf ein, warum die übrigen erarbeiteten Wertungs- und Legitimationserwägungen verfassungsrechtlich nicht tragen können.384 (6) Ergebnis Unabhängig von den schon unter dem Eigenkapitalersatzrecht gegen die Finanzierungsfolgenverantwortung vorgebrachten Argumenten,385 hat das MoMiG den wesentlichen Wertungen des Konzepts der Finanzierungsfolgenverantwortung, vor allem durch den Wegfall der Finanzierungsentscheidung in der Krise im Tatbestand, die Grundlage entzogen. Die Finanzierungsfolgenverantwortung vermag das reformierte Gesellschafterdarlehensrecht, dem die bloße, durchgeführte Gesellschafterfremdfinanzierung tatbestandlich für einen Nachrang genügt386, nicht mehr schlüssig zu begründen. Es sollte daher nicht mehr als Legitimations- und Wertungsgrundlage herangezogen werden. Bei der ganzen Diskussion kann man sich oftmals des Eindrucks nicht erwehren, dass ergebnisorientiert versucht wird, über eine Weitergeltung des Wertungskonzepts der Finanzierungsfolgenverantwortung, „erreichte Meinungsstände zu zementieren und eine Neubewertung schon zuvor strittiger Problemfälle bereits vom Grundsatz her aus(zu)schließen“.387 ff.  Zur gewandelten Finanzierungsfolgenverantwortung, Vermutung der Insolvenzreife, Haftung für Insolvenzverschleppungsbeitrag und dem Problem der nominellen Unterkapitalisierung Ähnlichen Bedenken begegnen die Ansätze, die die Finanzierungsfolgenverantwortung abwandeln. Sie bedienen sich eines Konzepts, das im positiven Recht keine Verankerung mehr findet, und gehen über die Abkopplung des Tatbestands von einem missbräuchlichen, krisennahen Finanzierungsverhalten hinweg. Hölzles Erwägungen zu einem institutionellen Vertrauensschutz388 sind im Ausgangspunkt durchaus interessant,389 entfernen sich aber zu weit vom Rechtszustand 383 

Vgl. oben Kapitel B. Fn.  171. Fedke, NZG 2009, 928 (929); ausführlich widerlegt eine Verfassungswidrigkeit auch Ulbrich, Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts, S.  136 f. Vgl. ferner zur Verfassungsmäßigkeit nochmal unten ad B.III.2.j.hh.(3). 385  Vgl. dazu u. a. die Nachweise oben ad B.III.1. 386 Vgl. U. Huber, FS Priester, S.  259 (271). 387  Lüdtke, in HaKo InsO, §  39 Rn.  19. 388  Oben ad B.III.2.b.bb. 389  Auffallend ist, dass auch er argumentativ die Haftungsbeschränkung heranziehen muss, die erst zu den von ihm beschriebenen Risiken führt, vgl. Hölzle, ZIP 2009, 1939 (1942 linke Spalte): „Der Gesetzgeber stellt mit der Rechtsform der GmbH ein haftungsbeschränktes Vehikel zur Verfügung, da er sich hiervon gesamtwirtschaftlich positive Effekte erhofft. Um diese ökonomischen Effekte nicht umzukehren, setzt jede Haftungsbeschränkung ein System des effektiven Gläubiger384 Ähnlich

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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de lege lata, insbesondere wenn er im Ergebnis die alte Finanzierungsfolgenverantwortung im Detail unreflektiert auf das neue Recht übertragen will. Der Verzicht auf das Krisenerfordernis wird damit von Hölzle letztlich durch eigene Wertungen überspielt. Freilich kann man wie K. Schmidt das Konzept der Finanzierungsfolgenverantwortung auch auf das im gesetzlichen Tatbestand noch Enthaltene reduzieren und auf eine Finanzierungszuständigkeit und eine von der Krise unabhängige Finanzierungsentscheidung verweisen.390 Diese Feststellung umschreibt treffend die tatbestandlichen Veränderungen, nähert sich aber den tragenden Wertungen nur wenig.391 Was von K. Schmidt als Finanzierungszuständigkeit umschrieben wird, geht über einen Verweis auf die Gesellschafterstellung nicht hinaus. Die Finanzierungsentscheidung beschreibt die Beschränkung des Gesellschafterdarlehensrechts auf tatsächlich zur Verfügung gestellte Mittel. Ohne Krisenbezug aber bleibt mit diesen „Vereinfachungen“ vom alten Wertungskonzept nicht mehr viel übrig, so dass ohne eine Präzisierung des Verbleibenden wenig gewonnen ist. Diese Präzisierung fehlt bislang. Ähnliches gilt für den Ansatz B. Schäfers.392 Es scheint vorzugswürdig entgegen K. Schmidt393 auf die Begrifflichkeiten des Eigenkapitalersatzrechts zu verzichten, sofern man ihnen eine andere Bedeutung beimessen will, da alles andere nur die Gefahr von Missverständnissen birgt.394 Der Ansatz Pentz‘ von einer widerleglichen Vermutung der Insolvenzreife395 muss bereits daran scheitern, dass der Gesetzgeber gerade den Forderungen nach einer widerleglichen Krisenvermutung nicht nachgekommen ist.396 Sich auf eine widerlegliche Vermutung der Insolvenzreife zu stützen, kommt dem aber nahezu gleich.397 Letztlich will Pentz hieraus auch eine Art Finanzierungsfolgenverantwortung ableiten,398 die zusätzlich den oben dargelegten Bedenken begegnet.

schutzes durch Erhalt jedenfalls des (funktionalen) Haftkapitals der Gesellschaft voraus.“ Dieses System werde, so Hölzle im Folgenden, durch überwiegende Fremdfinanzierung ausgehebelt, weshalb es der Finanzierungsfolgenverantwortung weiterhin bedürfe. 390  Vgl. oben ad B.III.2.b.bb. 391  Insoweit berechtigt die Kritik von Kleindiek, in HK InsO 6. A., §  39 Rn.  25. 392  Vgl. oben ad B.III.2.b.bb. 393  K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009 (1015 f.). 394  U. Huber, FS Priester, S.  259 (271). 395  Vgl. oben ad B.III.2.c. 396  Vgl. oben ad B.III.2.j.ee.(2). 397  J.-S. Schröder, Reform des Eigenkapitalersatzrechts, Rn.  322 sieht hier sogar eine Unvereinbarkeit mit dem Gesetzeswortlaut. Dass eine teleologische Reduktion (die sich naturgemäß nicht aus dem Wortlaut ergibt) nicht möglich ist, ergibt sich m. E. aber erst, wenn man die Historie hinzuzieht. Anders sieht das Pentz, GmbHR 2013, 393 (401), der insbesondere wegen der „fehlenden Bindungswirkung der Gesetzesmaterialien“ hierin keinen Hinderungsgrund für die Annahme einer teleologischen Reduktion i. S. e. widerleglichen Vermutung sieht. Dies mag zutreffen, überzeugen kann dieser Ansatz in der Sache dennoch nicht. 398  So resümiert zutreffend Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  122 f.

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

Obwohl es richtig sein mag, dass man das Eigenkapitalersatzrecht in einen Zusammenhang mit der Insolvenzverschleppungshaftung bringen kann,399 gilt dies für das Gesellschafterdarlehensrecht de lege lata nicht mehr.400 Da es auf eine Krisenfinanzierung nicht mehr ankommt, fehlt es am generellen Vorwurf eines Insolvenzverschleppungsbeitrags durch Gesellschafterdarlehen. Der Hauptzweck des Gesellschafterdarlehensrechts liegt nicht mehr in der Fortführungsverhinderung der sanierungsbedürftigen Gesellschaft. Es geht von ihm sogar ein gewisser (sicher ungewollter) Anreiz zur Insolvenzverschleppung aus. Gesellschafter, die ein Darlehen zurückerhalten (haben), könnten versuchen, die Anfechtungsfrist von einem Jahr noch „durchzustehen“, bevor ein Insolvenzantrag gestellt wird.401 Ob dieser Anreiz durch andere Haftungstatbestände ausgeglichen wird, wird unterschiedlich gesehen.402 Bitter403 entfernt sich mit seinem Ansatz der Sanktion nomineller Unterkapitalisierung bereits deutlich mehr vom alten Konzept der Finanzierungsfolgenverantwortung und stellt viele überzeugende Überlegungen an, die in engem Zusammenhang zur Haftungsbeschränkung stehen404. Jedoch greift er zur Begründung der nominellen Unterkapitalisierung (ebenfalls) auf eine unwiderlegliche Vermutung der nicht ausreichenden Eigenkapitalausstattung bei Gewährung des Darlehens405 zurück. Damit arbeitet auch dieser Ansatz wieder mit dem Vorwurf eines konkret falschen Finanzierungsverhaltens und stellt dabei auf den Zeitpunkt der Darlehensgewährung ab, wogegen ähnliche Bedenken wie gegen die Fortgeltung der Finanzierungsfolgenveranwortung bestehen. Wie sich eine solche Vermutung in diesem Zeitpunkt rechtfertigen soll, bleibt offen. Unabhängig von der Frage, ob man sich damit noch im Bereich der Vermutung oder bereits bei einer Fiktion befindet,406 muss sich auch Bitter die Frage stellen, ob er teleologische Reduktionen zulässt, wenn ersichtlich eine angemessene Eigenkapitalausstattung vorlag. Wie schon mehrfach erwähnt, sollte das MoMiG durch seine Pauschalisierung und die damit 399 

Vgl. bereits oben Kapitel B. Fn.  369. zu diesem Ansatz oben ad B.III.2.d. Ausführliche Kritik auch bei Ulbrich, Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts, S.  162 ff. 401  Vgl. zu diesem Gedanken m. w. N. Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  171; vgl. außerdem zum veränderten Anreiz, der von der Gesetzeslage ausgeht bereits oben ad B.III.2.j.ee.(3). 402  Verneinend etwa hinsichtlich §  6 4 S.  1 GmbHG der Insolvenzrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins in seiner ergänzenden Stellungnahme zum RefE MoMiG, Nr.  25/07, S.  9; abrufbar unter www.anwaltverein.de (zuletzt abgerufen am 13.8.2014). Bejahend hinsichtlich der Insolvenzverschleppungshaftung: Grimm, Finanzverfassung, S.  518 f. 403  Vgl. oben ad B.III.2.e. 404 Vgl. insoweit die Ausführungen zur Argumentation der an einen „Risikoausgleich“ anknüpfenden Ansätze unten ad B.III.2.j.gg.(4).(a). 405  Oben Kapitel B. Fn.  227. 406  Für eine unwiderlegliche Vermutung müsste die unterstellte Sachlage ja gerade typischerweise gegeben sein. Ob eine unzureichende Eigenkapitalausstattung in der Situation der Gewährung eines Gesellschafterdarlehens als typisch angesehen werden kann, erscheint aber zweifelhaft. Vgl. zum Unterschied zur Fiktion bereits oben Kapitel B. Fn.  363. 400  Vgl.

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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angestrebte Vereinfachung aber gerade zu einer einheitlichen Behandlung aller Gesellschafterdarlehen führen. Damit ist auch der Erklärungsansatz Bitters de lege lata abzulehnen. gg.  Zur Bedeutung der Haftungsbeschränkung für das Legitimationsund Wertungskonzept Das reformierte Gesellschafterdarlehensrecht hat also den Boden des Eigenkapital­ ersatzrechts mit seinem Verhaltensvorwurf und der Idee des Festhaltens an in Krisenzeiten geleisteter Finanzierung verlassen.407 Es geht ihm nicht mehr um die Missbilligung eines konkreten Finanzierungsverhaltens.408 Das Gesellschafterdarlehensrecht präsentiert sich heute vielmehr als ein abstrakteres Rechtsinstitut, das sämtliche Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich vergleichbare Forderungen erfasst, gleich ob in der Krise oder zu gesunden Zeiten gewährt. Dies dürfte insoweit Konsens aller übrigen Ansätze sein, sowohl derjenigen, die rein auf die Gesellschafterstellung abstellen, als auch der an die Haftungsbeschränkung anknüpfenden Ansätze.409 Daher bleibt zuletzt die Frage nach der Bedeutung der Haftungsbeschränkung für das Wertungskonzept zu klären. (1)  Näheverhältnis ungeeignet als Erklärungsansatz Ohne einen direkten Bezug zur Haftungsbeschränkung kommen diejenigen Ansätze aus, die auf ein Näheverhältnis des Gesellschafters zu seiner Gesellschaft und seine Doppelrolle als Gesellschafter und Gläubiger abstellen,410 soweit man hierbei nicht auch auf die Risikoverlagerung Bezug nimmt411. Diese Ansätze können allerdings nicht überzeugen. Gegen ein bloßes Abstellen auf das Näheverhältnis des Gesellschafters zu (seiner) Gesellschaft spricht neben der Undifferenziertheit dieses Ansatzes, dass dieser die Beschränkung auf Finanzierungsleistungen nicht erklären kann. Ist alleiniger Grund für die Sonderbehandlung in der Insolvenz die Nähe des Gesellschafters zu seiner Gesellschaft, so rechtfertigte das eine Rückstufung sämtlicher Forderungen des Gesellschafters. Hiergegen hat sich der MoMiG Gesetzgeber aber bewusst ent407 Vgl. Krolop, GmbHR 2009, 397 (398); ähnlich Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  170. 408  Insoweit sehr zutreffend Krolop, GmbHR 2009, 397 (398); ähnlich Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  170. Deutlich auch der BGH, Beschluss vom 30.4.2015 – IX ZR 196/13, NZI 2015, 657 (Rn.  5). 409  Bereits hingewiesen (oben ad B.III.2.e.aa. mit Fn.  232) wurde darauf, dass die Ansicht, die vom „Missbrauch der Haftungsbeschränkung“ spricht, ihren Missbrauchsvorwurf nicht auf das Finanzierungsverhalten bezieht, sondern auf die Anmeldung der Forderung und die damit erstrebte Teilnahme an der Gläubigergleichbehandlung. 410  Vgl. oben ad B.III.2.g.aa. 411  Vgl. zum Zusammenhang dieses Arguments mit der Haftungsbeschränkung bereits oben Kapitel B. Fn.  261 und nochmal sogleich ad B.III.2.j.gg.(4).(a).

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

schieden.412 Wenn man dies als bloße tatbestandliche Begrenzung des Anwendungsbereichs begreifen will,413 müsste man selbiges für die tatbestandlich vorausgesetzte Haftungsbeschränkung tun414, da auch vollhaftende Gesellschafter ihrer Gesellschaft nahe stehen und eine Doppelrolle inne haben. Dass aber gleich mehrere, in allen Tatbeständen auftauchende Merkmale keine Bedeutung für das Wertungskonzept haben sollen, überzeugt nicht. Das Gesellschafterdarlehensrecht führt faktisch dazu, dass die (noch offene oder bereits befriedigte) Forderung des Gesellschafters, die eingeräumte Gesellschaftersicherheit für einen Drittkredit oder die dem Gesellschafter an sich wirksam bestellte Sicherheit als Haftungssubstrat für die Gesellschaftsverbindlichkeiten herangezogen werden. Der Gesellschafter wird in dieser Hinsicht nicht mehr als außenstehender Gläubiger behandelt. Damit geht das Gesellschafterdarlehensrecht faktisch über das Trennungsprinzip, das aus der eigenen Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft folgt,415 und über die Haftungsbeschränkung416 hinweg. Die Gesellschafterstellung als solche kann zur Rechtfertigung hierfür alleine nicht genügen, da ansonsten das Prinzip als solches in Frage gestellt wäre. Der pauschale Hinweis auf das „Näheverhältnis“ oder eine „Doppelrolle“ geht aber über die Gesellschafterstellung nicht hinaus. Das Näheverhältnis des Gesellschafters zur Gesellschaft ist damit zwar eine er­ste Annäherung an die tragenden Wertungen, beachtet aber die vorhandenen Bezüge zur Haftungsbeschränkung noch nicht hinreichend. (2)  Haftungsbeschränkung als Tatbestandsmerkmal Ein erster, gewichtiger Anhaltspunkt für eine maßgebliche Bedeutung der Haftungsbeschränkung ist der tatbestandliche Anwendungsbereich des Gesellschafterdarlehensrechts, der nur Gesellschaften erfasst, bei denen keine natürliche Person voll haftet, vgl. §  39 IV InsO.417 Diese Beschränkung des subjektiven Anwendungsbereichs ist eine Gemeinsamkeit aller Tatbestände des Gesellschafterdarlehensrechts. Sie bildet neben der Gesellschafterstellung des Anfechtungsgegners bzw. Gläubigers und der Begrenzung auf wirtschaftliche Finanzierungsleistungen eine 412  Die Subordination sämtlicher Forderungen der Gesellschafter war eine der Thesen von U. Huber und Habersack, die als Grundlage des MoMiG betrachtet werden, vgl. dies., BB 2006, 1, 2 f. (These 2). 413  In diese Richtung Balke, Gesellschafterhaftung, S.  177, (die allerdings zum Näheverhältnis den Aspekt der Risikobeteiligung hinzuzieht und bereits deshalb auch an die Haftungsbeschränkung anknüpft), die hierin eine „ausdrückliche gesetzgeberische Wertung“ sieht, die hinzunehmen sei. Ähnlich bereits Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  173. 414 So K. Schmidt, dazu sogleich ad B.III.2.j.gg.(3). 415  Vgl. hierzu m. w. N. auch zum Begriff „Trennungsprinzip“ K. Schmidt, GesR, §  9 I 1 a. 416  Zum Zusammenhang von Trennungsprinzip und Haftungsbeschränkung nochmals unten Kapitel B. Fn.  457. 417 Entweder als Gesellschafter oder als Gesellschafter-Gesellschafter, vgl. hierzu oben ad B.II.1.

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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dritte tatbestandliche Grundkonstante des Gesellschafterdarlehensrechts. Bereits diese Feststellung spricht entscheidend für eine wertungsmäßige Bedeutung der Haftungsbeschränkung. (3)  Haftungsbeschränkung keine bloße Einschränkung des Anwendungsbereichs Insbesondere K. Schmidt tritt demgegenüber vehement dafür ein, die Haftungsbeschränkung spiele für das Wertungskonzept keine Rolle.418 Es handle sich vielmehr nur um eine rechtspolitische Entscheidung zur Einschränkung des Anwendungs­ bereichs. Richtig daran ist, dass es grundsätzlich denkbar scheint, die Regelungen auch bei unbeschränkter Haftung anzuwenden.419 Allerdings ist damit noch nicht gesagt, dass dies auch überzeugen kann. Voraussetzung dafür ist jedenfalls, dass eine solche Erweiterung mit dem Wertungskonzept vereinbar ist. Diese Frage ist nicht mit der Feststellung beantwortet, es gehe dem Gesellschafterdarlehensrecht um die sich bei allen Gesellschaftsformen ergebende Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital bzw. darum, ob die Darlehen funktional Risikokapital seien.420 Auch dieser funktio­ nale Erklärungsansatz muss einen Grund nennen, warum (seit dem MoMiG alle) Gesellschafterdarlehen gegenüber den übrigen Gesellschaftsgläubigern gerade als Risikokapital behandelt werden sollen. Auf die krisenbezogene sog. Eigenkapitalersatzfunktion kommt es nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht mehr an. Gesellschafterdarlehen erfüllen ohne die Regelungen des Gesellschafterdarlehensrechts auch nicht die typischen Merkmale von Eigenkapital, was eine „eigenkapitalgleiche“ Behandlung aus funktionalen Gesichtspunkten rechtfertigen könnte. Es handelt sich bei Gesellschafterdarlehen nicht um gebundenes Kapital, das „einer freien Kreditkündigung entzogen“ ist und es ist ohne §  39 I Nr.  5 InsO auch nicht ohne Weiteres haftendes Kapital ohne Möglichkeit der Geltendmachung in der Insolvenz.421 Ähnlich steht es um die wesentlichen Aufgaben des Eigenkapitals:422 Die Haftungsaufgabe übernimmt Gesellschafterfremdkapital erst durch die Regelungen des Gesellschafterdarlehensrechts. Ein Beitrag zur Unternehmenserhaltung kann nicht jedem Gesellschafterdarlehen unterstellt werden, ohne dabei implizit eine Kreditunwürdigkeit (oder wenigstens eine mangelnde Eigenkapitalausstattung) und damit eine Krise (oder ein konkret falsches Finanzierungsverhalten) zu unterstel418 

Vgl. hierzu m.e.N. oben ad B.III.2.b.bb. zu den Novellenregeln des alten Rechts K. Schmidt, ZIP 1991, 1 (4, 9), insbesondere hinsichtlich der Anwendung des „Grundgedankens“ des Eigenkapitalersatzrechts, der (a. a. O., S.  2 f.) einräumt, dass die Frage nach der passenden rechtstechnischen Umsetzung, eine schwierige, davon zu trennende ist. 420  Vgl. oben ad B.III.2.b.bb. 421  Vgl. die drei Merkmale von Eigenkapital nach K. Schmidt, GesR, §  18 II Nr.  2 a. Als einziges Merkmal erfüllt, ist der Ursprung des Kapitals: es stammt von den Gesellschaftern. 422  Vgl. hierzu m. w. N. K. Schmidt, GesR, §  18 II Nr.  2 b. 419  Vgl.

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

len,423 zumal Gesellschafterdarlehen ohne Rangrücktritt eine bilanzielle Überschuldung nicht beseitigen, vgl. §  19 II 2 InsO.424 Es ist also ein klassischer Zirkelschluss zur Begründung des Gesellschafterdarlehensrechts und seiner Folgen auf die Funktion als Risikokapital hinzuweisen,425 wenn diese erst durch das Gesellschafterdarlehensrecht selbst begründet wird. Letzten Endes geht K. Schmidt mit der seiner Meinung nach tragenden Finanzierungszuständigkeit und Finanzierungsentscheidung nicht über einen Verweis auf die bloße Gesellschafterstellung als Legitimationsansatz des reformierten Gesellschafterdarlehensrechts hinaus, was nicht überzeugen kann.426 Die Richtigkeit einer Übertragung des Gesellschafterdarlehensrechts auf Gesellschaften ohne Haftungsbeschränkung ist also bislang nicht überzeugend begründet worden, was gleichsam für eine Bedeutung der Haftungsbeschränkung im Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts spricht. Gegen eine Anwendung des Gesellschafterdarlehensrechts auf sämtliche Personengesellschaften spricht de lege lata auch ein positivistischer Gedanke: Das Fehlen von Regelungen zur Sicherung des Eigenkapitals bei diesen Gesellschaftsformen zeigt, dass hier eine unbeschränkte Finanzierungsfreiheit besteht.427 Wenn aber selbst das Eigenkapital jederzeit unbeschränkt abgezogen werden kann, ist nicht zu erklären, warum der Darlehensabzug §  135 InsO unterfallen soll.428 Die Bezeichnung Risikokapital429 ist demgegenüber als Beschreibung der Rechtsfolgen des Gesellschafterdarlehensrechts treffend. Selbst wenn nach dem Willen des Gesetzgebers „Als Fremdkapital gegebene Beträge (…) nicht dem Eigenkapital zuzurechnen“ sind,430 so führt die durch das Gesellschafterdarlehensrecht angeordnete Subordination dazu, dass Gesellschafterdarlehen als letztes vor den Einlagen und im Zweifel vor Forderungen mit ausdrücklichem Rangrücktritt befriedigt wer-

423  Dies wurde oben ja gerade abgelehnt. An diesen Überlegungen zeigt sich auch nochmals die Nähe des Ansatzes K. Schmidts zu denen der Fortgeltung einer Finanzierungsfolgenverantwortung. 424  Freilich war die Frage, ob Gesellschafterdarlehen ohne ausdrücklichen Rangrücktritt ins Überschuldungsstatut einzustellen sind, im Rahmen der Novellierung gerade umstritten und wurde erst durch den Rechtsausschuss einer bejahenden Regelung zugeführt (Beschlussempfehlung Rechtsauschuss MoMiG, BT-Drs. 16/9737, S.  29, 58). Vgl. zu dieser Problematik m. w. N., wie der Rechtsausschuss für eine Passivierungspflicht beim Fehlen eines ausdrücklichen Rangrücktritts: K. Schmidt, BB 2008, 461 ff. 425 So K. Schmidt, oben Kapitel B. Fn.  188 zum alten Recht, was er wohl auch auf das neue Recht überträgt (vgl. oben Kapitel B. Fn.  187). Unter dem alten Recht konnte freilich zur Begründung noch auf die Krisensituation im Zeitpunkt der Darlehenshingabe (bzw. des Stehenlassens) und die nach h. M. gebotene Eigenkapitalzufuhr verwiesen werden. 426  Kritik hieran bereits oben ad B.III.2.j.gg.(1). 427  Zum alten Recht: Habersack, ZHR 162 (1998), 201 (214). 428  Zuzugeben ist hier, dass K. Schmidt für einen Kapitalschutz auch bei Personengesellschaften eintritt (vgl. ders., GesR, §  18 II Nr.  2 c), was aber de lege lata schlicht nicht der Fall ist. 429  Diese geht wohl in diesem Zusammenhang zurück auf K. Schmidt, oben Kapitel B. Fn.  188. 430  Begründung RegE MoMiG, BT Drs. 16/6140, S.  26.

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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den. Sie sind also „Fremdkapital mit erhöhtem Insolvenzrisiko“431 bzw. „aufschiebend bedingtes Haftkapital“432 , kurz Risikokapital.433 (4)  Weitere Bezüge zur Haftungsbeschränkung Auch nach all dem ist die Frage nach dem spezifischen Grund für die Behandlung von Gesellschafterdarlehen als Risikokapital immer noch nicht genau beantwortet. Gesellschafterstellung und Haftungsbeschränkung wurden neben der Begrenzung auf wirtschaftliche Finanzierungsleistungen als tatbestandliche Grundkonstanten ausgemacht, vieles, was für eine wertungsmäßige Bedeutung der Haftungsbeschränkung spricht, aufgezeigt. Aber auch neben dem tatbestandlichen Zusammenhang bestehen weitere, entscheidende Bezüge zur Haftungsbeschränkung. Schließlich erweisen sich die übrigen Ansätze, die auf das wirtschaftliche Risiko abstellen, als selbst nicht unabhängig von einer Haftungsbeschränkung. (a)  Bezug zur Haftungsbeschränkung der Ansätze vom Risikoausgleich oder -beitrag Die auf einen Risikoausgleich (oder Vergleichbares) abstellenden Legitimationsansätze434 sind nur auf den ersten Blick unabhängig von der Haftungsbeschränkung.435 Tatsächlich ist ein solcher Risikoausgleich nur dort notwendig, wo der Gesellschafter nicht auch persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet.436 Haftet der Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten, gibt es auch keine Risikoverlagerung vom Gesellschafter auf die Gesellschaftsgläubiger.437 Diese Ansätze als völlig unabhängig von der Haftungsbeschränkung zu begreifen,438 ist daher verfehlt. Teilweise kommen diese Ansätze allerdings auch nicht ohne einen Bezug zur wirtschaftlichen Krise aus,439 was angesichts der gesetzgeberischen Wertung, alle 431 

Formulierung nach K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009, 1014. Formulierung nach Ulbrich, Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts, S.  118. 433 Weitergehend Thiessen, DStR 2007, 202 (207), der ausführt: „Insolvenzrechtlich wird damit jedes Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital umqualifiziert“. Ähnlich auch Gehrlein, NZI 2015, 577 (580): Ziel des Gesetzgebers sei, „Gesellschafterdarlehen faktisch wie Eigenkapital zu behandeln“. 434  Vgl. hierzu ausführlich oben ad B.III.2.g.bb. 435  Vgl. bereits im Ansatz die Anmerkung oben Kapitel B. Fn.  253 und Fn.  262. 436  Vgl. zur Bedeutungslosigkeit des Gesellschafterdarlehenrechts neben einer unbeschränkten Gesellschafterhaftung auch U. Huber, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  131 (177). 437  Zugeben muss man, dass es, wie K. Schmidt (oben Kapitel B. Fn.  192) zur praktischen Bedeutung des Eigenkapitalersatzrechts bei Personengesellschaften ausgeführt hat, auch bei diesen zu einer Konkurrenzsituation kommen kann: nämlich in der Doppelinsolvenz zwischen den persönlichen Gesellschaftergläubigern und den Gesellschaftsgläubigern. Das aber meinen die Ansätze, die von einem Risikobeitrag oder -ausgleich ausgehen, nicht. Einer solchen Risikoverschiebung wäre primär durch Regelungen für den Fall der Doppelinsolvenz beizukommen. 438  In diese Richtung aber Balke, Gesellschafterhaftung, S.  176. 439  Vgl. oben ad B.III.2.g.bb. 432 

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

Gesellschafterdarlehen zu erfassen, jedenfalls zu keinen praktischen Konsequenzen führen sollte.440 Letztlich ähneln diese Ansätze bei genauerer Betrachtung bis auf den teilweise angestellten Krisenbezug den Gedankengängen U. Hubers und Habersacks, verzichten aber, wie die Ansätze, die von einem Ausgleich für die Haftungsbeschränkung ausgehen, auf einen Missbrauchsvorwurf.441 (b)  Zusammenhang zur faktischen Aufgabe des gesetzlichen Mindestkapitals Will man sich die herausgearbeitete Erweiterung der „Verhaftung“ von Gesellschafterfremdkapital für die Gesellschaftsverbindlichkeiten erklären, sollte man folgenden, wichtigen Zusammenhang bedenken. Die Reform des Gesellschafterdarlehensrechts wird insbesondere dann verständlich, wenn man die faktische Aufgabe des gesetzlichen Mindestkapitals durch Einführung der haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft (UG) in §  5a GmbHG442 bedenkt.443 Da bisher das Mindestkapital gerade als Risikobeitrag zur Legitimation der Haftungsbeschränkung444 angesehen wurde,445 liegt es nahe, die Einordnung sämtlicher Gesellschafterdarlehen als Risikokapital als Kompensation dieses faktischen Wegfalls zu begreifen,446 440  Kritik am Krisenbezug bereits oben ad B.III.2.j.ee. zu den Ansätzen, die von einer Fort­ geltung der Finanzierungsfolgenverantwortung ausgehen. Vgl. zur Vorzugswürdigkeit eines Verzichts auf einen Krisenbezug auch nochmal unten ad B.III.2.j.gg.(5). 441  Vgl. zum häufig verkürzt wiedergegebenen und (daher) falsch verstandenen Missbrauchsvorwurf oben Kapitel B. Fn.  409 und Kapitel B. Fn.  232. 442  Diese stellt keine neue Gesellschaftsform, sondern vielmehr eine Variante der GmbH dar, was sich daraus ergibt, dass nur einzelne, von der GmbH abweichende Regelungen normiert werden. Vgl. nur Schmitz, in Gehrlein/Ekkenga/Simon GmbHG, §  5a Rn.  4. 443 Ähnlich Habersack ZIP 2007, 2145 (2147); mittlerweile greift diesen Aspekt im Ansatz auch der BGH auf, vgl. Urteil vom 18.7.2013 – IX ZR 219/11, BGHZ 198, 64 (Rn.  19). 444  Zum Begriff „Haftungsbeschränkung“ bei juristischen Personen unten Kapitel B. Fn.  457. Vgl. zur Legitimation der Haftungsbeschränkung Bitter, in Scholz GmbHG, §  13 Rn.  55 ff., insb. Rn.  60 ff. m.v.w.N.; ferner auch Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S.  474 ff. Rechtsvergleichend zur „institutionellen Haftungsbeschränkung“ bei Gesellschaften m. w. N. ­Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S.  126 ff. Vgl. ferner zum Regel-Ausnahme­Verhältnis von persönlicher Haftung und Haftungsbeschränkung m. w. N. unten Kapitel B. Fn.  454. 445  BGH, Urteil vom 27.9.1999 – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315 (322, juris Rn.  17): „Für das Privileg der fehlenden persönlichen Gesellschafterhaftung ist bei Wahl der Rechtsform der GmbH aber der im Gesetz vorgesehene „Preis“ in Form der Pflichten zur Aufbringung und Erhaltung eines Mindestkapitals und der Registerpublizität zu zahlen“; Ensthaler, in Ensthaler/Füller/ Schmidt GmbHG, §  13 Rn.  12: „Ausgleich für die Haftungsbeschränkung“; U. Huber, FS Priester, S.  259 (275 f.); K. Schmidt, GesR, §  37 I 2. Häufig ist auch die Rede vom zum Gläubigerschutz ­garantierten Haftungsfond, vgl. etwa Frantzmann/Born, in Gehrlein/Ekkenga/Simon GmbHG, §  5 Rn.  1. 446  Allgemein leitet Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S.  475 ff. die Notwendigkeit eines Korrektivs her, das die negativen Anreize, die mit der Haftungsbeschränkung einhergehen, ausgleicht. Freilich sieht Teichmann Risiken vor allem in der Gründungsphase und in der Krise. Darauf, dass dieser Zusammenhang auch den Verfassern der Neuregelung bewusst war, deutet die Aussage des Ministerialrats Seibert, nach bzw. wiedergegeben von Schall, Diskussionsbericht in Verhandlungen des 66. DJT, Bd. II/2, S. P 154 im Rahmen der Diskussion der Reform auf dem 66. DJT hin: „Die Strategie wird dann sein, dass wir die Gründung der GmbH beschleu-

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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durch welche die in Gläubigerschutzhinsicht entstehende Lücke unmittelbar wieder geschlossen wird.447 Das erklärt auch schlüssig, warum das Gesellschafterdarlehensrecht vom Verhaltensvorwurf abgekoppelt und als abstrakte Regelung ausgestaltet wurde. Die durch den Verzicht auf ein Mindestkapital vergrößerte Finanzierungsfreiheit wird also gleichsam durch das erweiterte Gesellschafterdarlehensrecht wieder eingeschränkt.448 Zwar unterliegen Gesellschafterdarlehen anders als das Eigenkapital gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftern keiner Sonderbehandlung (insoweit wird der gewillkürte Fremdkapitalcharakter beachtet), gegenüber den Gesellschaftsgläubigern jedoch handelt es sich nach neuem Recht generell um Risikokapital. Dies genügt auch in Anbetracht von Gläubigerschutz und Haftungsbeschränkung. (5)  Gesetzlicher Risikobeitrag als Begrenzung und Ausgleich für das Privileg der Haftungsbeschränkung Dieser Zusammenhang verdeutlicht in besonderer Weise den überzeugenden Grund, mit dem man das reformierte Gesellschafterdarlehensrecht de lege lata schlüssig erklären kann: Es stellt einen Risikobeitrag der Gesellschafter sicher, im Gegensatz zum gesetzlichen Mindestkapital in variabler Höhe des tatsächlich zur Verfügung gestellten Kapitals. Das Bedürfnis nach einem Risikobeitrag besteht aber dort nicht, wo durch die unbeschränkte Haftung ohnehin eine unbeschränkte Risikobeteiligung der Gesellschafter besteht. Damit kommt dem Gesellschafterdarlehensrecht tatsächlich die Funktion einer Ergänzung der Regelungen zum Eigenkapital zu.449 Die entscheidende Wertung ist dabei, dass der Gesellschafter der haftungsbeschränkten Gesellschaft als Ausgleich für die Haftungsbeschränkung in der Gesellschaftsinsolvenz (und ggf. auch außerhalb) mit dem gesamten zur Verfügung gestellten Kapital „haftet“, unabhängig davon, in welcher Form dieses überlassen wurde. Der Gesellschafter soll das komplette Finanzierungsrisiko tragen, ohne es

nigen, Erleichterungen während ihres Lebens einführen und dann am Ende, in der Insolvenz etwas härter zugreifen“. 447  Vgl. zur „Ergänzungsfunktion“ des Gesellschafterdarlehensrechts hinsichtlich des Eigenkapitals besonders deutlich U. Huber, FS Priester, S.  259 ff. (insbesondere S.  277); genau entgegen dem hier vertretenen Ansatz wertet die Einführung der UG Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  445 f.: Wenn schon das Mindestkapital als Eintrittskarte zur Haftungsbeschränkung aufgegeben werde, könne nicht das Gesellschafterdarlehensrecht als „zusätzliches Opfer eben zur Erlangung dieser Privilegierung“ angesehen werden. 448  Zu Recht weist Kleindiek, in HK InsO, §  39 Rn.  23 darauf hin, dass faktisch die Finanzierungsfreiheit im neuen Recht weiter eingeschränkt wird als vor dem MoMiG. 449  Dies betonen insbesondere U. Huber/Habersack, vgl. ausführlich mit den entsprechenden Nachweisen oben ad B.III.2.f.aa. Ähnlich schon für das Eigenkapitalersatzrecht: Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S.  206.

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

durch Fremdkapitalgewährung auf die außenstehenden Gläubiger abwälzen450 zu können.451 Dabei soll schon generell der Risikoverlagerung auf die Gläubiger452 eine Grenze gesetzt werden und nicht erst in der Unternehmenskrise. Selbst wenn es zu der avisierten Risikoverlagerung insbesondere oder ausschließlich in der Krise kommt,453 ist der gezielte gesetzgeberische Verzicht auf dieses Merkmal zu respektieren, indem man die Regelung als generellen, krisenunabhängigen Risikobeitrag bzw. als generelle, krisenunabhängige Grenze der Risikoverlagerung begreift. Die Legitimation des Gesellschafterdarlehensrechts hat damit einen direkten Bezug zur Haftungsbeschränkung in dem Sinne, dass sich die Haftungsbeschränkung selbst (erst) dadurch legitimiert, dass u. a. über das Gesellschafterdarlehensrecht ein Risikobeitrag der Gesellschafter sichergestellt ist.454 Insoweit besteht ein „wechsel450  Vgl. zum Aspekt der Risikoabwälzung schon zum alten Recht den BGH (oben Kapitel B. Fn.  139). Dies verdeutlicht letztlich auch eine gewisse Nähe des hier vertretenen Ansatzes zum alten Konzept der Finanzierungsfolgenverantwortung, dazu sogleich nochmals ausführlich. 451  Das Gesellschafterdarlehensrecht statuiert damit erst das Prinzip, dass die Gesellschafter erst nach den außenstehenden Gläubigern befriedigt werden sollen und trägt nicht einem bereits bestehenden Prinzip Rechnung wie Gesmann-Nuissl, WM 2006, 1756 (1759) meint. Dieses Prinzip ist überdies beschränkt auf Finanzierungsleistungen und wirtschaftlich vergleichbare Rechtshandlungen. 452  Vgl. zu der Risikoverschiebung zu Lasten der Gläubiger, zu der das Institut der Haftungsbeschränkung automatisch führt und die durch das neue Gesellschafterdarlehensrecht begrenzt wird, Bitter, oben Kapitel B. Fn.  444. Dem Einwand Eidenmüllers, zur Risikoverlagerung komme es erst durch die Investition der zur Verfügung gestellten Mittel (oben Kapitel B. Fn.  262 a. E.) ist insoweit zu entgegnen, dass im Sinne einer Kausalität erst die Fremdkapitalgewährung eine solche risikoverlagernde Investition möglich macht, weshalb einem Ansetzen am Finanzierungsbeitrag nichts entgegensteht. 453  So vor allem Clemens, vgl. oben ad B.III.2.g.bb. m.e.N. 454 Vgl. je m. w. N. zum Regel-Ausnahme-Verhältnis von unbeschränkter und beschränkter Haftung den BGH, Urteil vom 27.9.1999 – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315 (319, juris Rn.  12), der im Zusammenhang mit der Haftung von GbR-Gesellschaftern von einem „allgemeinen Grundsatz des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts, daß derjenige, der als Einzelperson oder in Gemeinschaft mit anderen Geschäfte betreibt, für die daraus entstehenden Verpflichtungen mit seinem gesamten Vermögen haftet, solange sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt oder mit dem Vertragspartner keine Haftungsbeschränkung vereinbart wird“, spricht. Ähnlich bereits zur Haftung bei der Vor-GmbH der BGH, Vorlagebeschluss an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 4.3.1996 – II ZR 123/94, NJW 1996, 1210 (1211, juris Rn.  9) und im Urteil in derselben Sache, vom 27.1.1997, BGHZ 134, 333 (335, juris Rn.  13). Vgl. ferner Bitter, in Scholz GmbHG, §  13 Rn.  55: Die „volle und unbeschränkte Haftung der Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten betrachtet das Gesetz als gesellschaftsrechtlichen Normalfall“; Raiser, FS Lutter, S.  637 (641 ff.); K. Schmidt, JZ 1985, 301 (302 f.). Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis liegt auch den Überlegungen U. Hubers und Habersacks zugrunde, vgl. etwa U. Huber, FS Priester, S.  259 (275). Freilich ist in der GmbH die Haftungsbeschränkung gerade gesetzlich angeordnet, was aber jedenfalls den Gesetzgeber nicht davon abhält, Regelungen zu erlassen, die diese Ausnahmevorschrift rechtfertigen, vgl. dazu nochmal unten ad B.III.2.j.hh.(3). Vereinzelt wird das Regel- / Ausnahmeverhältnis aber auch gerade umgekehrt gesehen, vgl. Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S.  498: Haftungsbeschränkung als Regelfall. Dies entspricht zwar den faktischen Gegebenheiten. Diese führen aber ihrerseits nicht dazu, dass dies auch wertungsmäßig zum Regelfall wird. A.A. ausdrücklich: Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaf-

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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seitiges Legitimationsverhältnis“, wonach die Haftungsbeschränkung wiederum das Gesellschafterdarlehensrecht legitimiert.455 Der gesetzlich angeordnete Risikobeitrag ist also tatsächlich ein Ausgleich für „das Privileg der Haftungsbeschränkung“456 und die damit verbundenen unternehmerischen Chancen. In der Sache ist das Gesellschafterdarlehensrecht Rückausnahme zur Haftungsbeschränkung der betroffenen Gesellschaft, die ihrerseits auf dem Trennungsprinzip fußt.457 Es legitimiert sich letzten Endes daher aus der grundsätzlich unbeschränkten Gesellschafterhaftung458 für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft459. Ob in Gesellschafterdarlehen bzw. in der Teilnahme an der Gläubigerkonkurrenz mit solchen Darlehensforderungen ein genereller institutioneller Rechtsmissbrauch zu sehen ist, scheint hingegen zweifelhaft, ist aber letztlich auch nicht von entscheidender Bedeutung. Jedenfalls sollte eine solche Betrachtungsweise nicht dazu führen, die Normen bei ordnungsgemäßem Verhalten teleologisch zu reduzieren.460 Mit diesem Erklärungsansatz bewegt man sich in der Tradition der Finanzierungsfolgenverantwortung. Soweit zur Begründung dieser auf die Verhinderung eines „Abwälzen(s) des Risikos vom Gesellschafter auf außenstehende Gläubiger“461 bzw. auf die Verhinderung einer Spekulation „auf dem Rücken der Gesellschaftsgläubiger“462 abgestellt wurde, war dem schon immer ein Bezug zur Haftungsbeschränkung immanent, ohne die es zu diesen Risiken nicht kommt. Freilich war neben diesen Aspekten gerade die Krisenfinanzierung im Eigenkapitalersatzrecht tragend, worauf der Gesetzgeber nunmehr bewusst und gezielt verzichtet hat. Wenn man dann wertungsmäßig primär an die Haftungsbeschränkung anknüpft, ist tung, S.  189 f. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, legitimiert sich das Gesellschafterdarlehensrecht aus der Notwendigkeit ausreichenden Gläubigerschutzes wegen der aus der Haftungsbeschränkung resultierenden Gefahren, die sowohl von Teichmann als auch von Bruns im Grunde anerkannt wird. Bruns, a. a. O., S.  204 stellt daher bereits das Eigenkapitalersatzrecht in direkten Zusammenhang zur Haftungsbeschränkung. 455  Ein ähnliches Wechselspiel betont K. Schmidt für die Haftung und die Kapitalsicherung, vgl. dens., GesR, §  18 IV 1 c). 456  Hingewiesen sei hier nochmals auf den Ursprung dieser Formulierung, vgl. oben Kapitel B. Fn.  242. 457  Zum Ausnahmecharakter der Haftungsbeschränkung bereits oben Kapitel B. Fn.  454. Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen, S.  32 weist darauf hin, dass die Gründung der GmbH wegen des Trennungsprinzips „keine „Haftungsbeschränkung“ im Rechtssinne“ sei. Dennoch erlaubt das Trennungsprinzip jedenfalls faktisch eine Begrenzung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen, vgl. dazu bereits oben ad B.III.2.j.gg.(1). Ähnlich Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S.  3 f.: haftungsbeschränkender Effekt bei funktionaler Betrachtungsweise, eingehend dogmatisch nochmal auf S.  184 ff. 458 Vgl. K. Schmidt, GesR, §  18 IV 1 b) und die Nachweise oben Kapitel B. Fn.  454, mit Stellungnahme auch zur Legitimation bei abweichender Sichtweise des Regel-Ausnahme-Verhältnisses. 459  Offener formuliert: die Haftung der Mitglieder für die Verbindlichkeiten der „unternehmerisch tätigen „Gruppe““, so das Prinzip nach Dauner-Lieb, Unternehmen in Sondervermögen, S.  35. 460  So auch Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  175. 461  Vgl. oben Kapitel B. Fn.  139. 462  Vgl. oben Kapitel B. Fn.  142.

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

dies nicht etwa mit der Finanzierungsfolgenverantwortung unvereinbar, sondern setzt den tatbestandlichen Wegfall der Krise konsequent um und entwickelt das Legitimationskonzept insoweit fort. hh.  Überprüfung des erarbeiteten Wertungskonzepts Das erarbeitete Wertungskonzept kann freilich nur dann überzeugen, wenn es selbst der „Feuerprobe“ der widerspruchsfreien Vereinbarkeit mit den tatbestandlichen Grundkonstanten und allen Einzelregelungen des Gesellschafterdarlehensrechts standhält, was hier nochmals gesondert überprüft werden soll. Zudem ist noch zu einigen Kritikpunkten Stellung zu beziehen. (1)  Vereinbarkeit mit den tatbestandlichen Grundkonstanten des Gesellschafterdarlehensrechts Das erarbeitete Wertungskonzept knüpft unmittelbar an die Gesellschafterstellung und die Haftungsbeschränkung an. Aber auch die Beschränkung auf wirtschaftliche Finanzierungsleistungen ergibt sich aus dem entwickelten Ansatz, geht es diesem doch vor allem um das Finanzierungsrisiko, das es den Gesellschaftern unabhängig von der Finanzierungsform zuweist. Nach der faktischen Aufgabe des gesetzlichen Mindestkapitals lag es nahe, den diesen Wegfall kompensierenden Risikobeitrag auf sämtliche Finanzierungsleistungen aus Gesellschafterhand zu beziehen. Wird gesetzlich kein Eigenkapital in bestimmter Höhe mehr verlangt, liegt die Fremdfinanzierung der Gesellschaft für die Gesellschafter nahe. Gerade die Gesellschafterfremdfinanzierung ist es, welche regelmäßig anstelle von Eigenkapital die Basis der Geschäftstätigkeit der haftungsbeschränkten Gesellschaft bildet und damit in besonderer Weise die mit der Haftungsbeschränkung einhergehende Risikoverlagerung auf die Drittgläubiger ermöglicht. (2)  Vereinbarkeit mit den Einzelregelungen des Gesellschafterdarlehensrechts Die Sicherstellung eines Risikobeitrages des Gesellschafters als Ausgleich für das Privileg der Haftungsbeschränkung und die damit verbundenen unternehmerischen Chancen erklärt als Begründungsansatz sowohl den Nachrang von Gesellschafterdarlehen als auch die Anfechtungstatbestände schlüssig. Für den Nachrang leuchtet dies unmittelbar ein. Die Anfechtungstatbestände sichern in der Tat gewissermaßen den Nachrang ab, was kein Zeugnis untergeordneter Bedeutung sein soll463. Die 463  Im Ergebnis mag man sogar davon ausgehen, dass die Anfechtungstatbestände den Gesellschafter stärker belasten (und die Finanzierungsfreiheit i. E. auch mehr einschränken) als der bloße Verzicht auf die (ohnehin meist geringe) Insolvenzquote, den §  39 I Nr.  5 InsO zur Folge hat. So sprechen etwa Forsthoff/Schulz, in Hirte/Bücker, grenzüberschreitende Insolvenzen, §  16 Rn.  54 davon, „die ökonomischen Bedeutung des Rangrücktritts (sei) nicht allzu groß“. Ähnlich Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  173, der gerade auf die größere Bedeutung von §  135 I Nr.  1 InsO hinweist. Dieser wird nach der Entscheidung des BGH zur fehlenden Sperrwir-

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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Anfechtung von Befriedigungshandlungen innerhalb der Jahresfrist verhindert, dass sich der Gesellschafter seines (durch den Nachrang angeordneten) Risikobeitrags entzieht.464 Insoweit mag man zur Erklärung von §  135 I Nr.  2 InsO ergänzend auf Erwägungen zum Informationsvorsprung zurückgreifen. Im Kern geht es aber nach wie vor um die Sicherstellung eines Risikobeitrags des Gesellschafters als Ausgleich für das Privileg der Haftungsbeschränkung. Die Anfechtungsfrist soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine kritische Zeitspanne vor der Insolvenzeröffnung zum Ausdruck bringen, innerhalb derer keine Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen möglich sein sollen.465 Für Rückzahlungen, die vor Beginn der Jahresfrist des §  135 I Nr.  2 InsO erfolgten, gewährt diese einen Vertrauensschutz.466 Insoweit liegt der Frist auch der Gedanke zu Grunde, dass abgezogenes (Risiko-) Kapital nicht mehr „verhaftet“ sein soll, wenn sich das Insolvenzrisiko nicht binnen eines Jahres verwirklicht.467 Eine zeitlich unbefristete Rückgewährverpflichtung führte faktisch in die Nähe einer Nachschusspflicht, was mit der Begrenzung des Gesellschafterdarlehensrechts auf tatsächlich zur Verfügung gestellte Finanzmittel und dem Wesen der Haftungsbeschränkung in Konflikt geriete. Die Vermutung einer (materiellen) Insolvenz oder einer Krise ist in der Jahresfrist des §  135 I Nr.  2 InsO nach der hier vertretenen Auffassung aber gerade nicht enthalten und auch nicht notwendig. Die Frist legitimiert also nicht die Rückgewährverpflichtung des Gesellschafters, sondern begrenzt diese lediglich. Die Anfechtung der Bestellung von Sicherheiten innerhalb der zehnjährigen Frist des §  135 I Nr.  1 InsO erfasst eine Situation, in der der Gesellschafter sich durch die Besicherung seines Risikobeitrags zu entziehen sucht.468 Auch hier ist die Frist prikung von §  135 I Nr.  2 InsO (ausführlich oben Kapitel B. Fn.  96) noch weiter an praktischer Bedeutung gewinnen. 464  §  135 InsO mit der Anfechtung inkongruenter Deckungen zu vergleichen (so Krolop, oben Kapitel B. Fn.  272) ist hingegen eher geeignet Missverständnisse hervorzurufen, da die Deckungsanfechtung an die Situation materieller Insolvenz anknüpft, was auf §  135 InsO nach der hier vertretenen Ansicht gerade nicht zutrifft. 465  Vgl. nochmals Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  26, 42. 466  Vgl. allgemein zur Vertrauensschutzfunktion der Anfechtungsfristen Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  17; ferner zur geringeren Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Gesellschafters (freilich auf Basis seines Erklärungsansatzes zum alten Recht) Haas, NZI 2001, 1 (8). 467  Damit ist auch der Vorwurf Pentz, GmbHR 2013, 393 (398) entkräftet, die Befristung der Insolvenzanfechtung von Befriedigungshandlungen auf ein Jahr spreche gegen einen Zusammenhang zur Haftungsbeschränkung i. S. e. „Ausgleichs“. 468  Ganz ähnlich auch der BGH in seinem Urteil vom 18.7.2013 – IX ZR 219/11, BGHZ 198, 64 (Rn.  21), in dem auch auf die Vorgängerregelung des §  32a KO hingewiesen wird, die keine Frist vorsah. Hoch problematisch ist die Frage, ob §  142 InsO wenigstens auf anfängliche Besicherungen Anwendung finden kann oder ob bei anfänglicher Besicherung ggf. aus anderem Grunde §  135 I Nr.  1 InsO nicht greift. Diese Frage ist durch die hier vertretene Ansicht zur Legitimations- und Wertungsgrundlage i. S. e. Sicherstellung eines Risikobeitrags des Gesellschafters als Ausgleich für die Haftungsbeschränkung nicht endgültig vorentschieden. Für beide Sichtweisen streiten insoweit (auch unabhängig von der vertretenen Legitimationsgrundlage) gute Argumente, vgl. die Nachweise hierzu oben ad B.II.2.

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

mär eher als Vertrauensgrenze zu betrachten.469 Dabei ordnet der Gesetzgeber offenbar das Vertrauen hinsichtlich des Behaltendürfens von Sicherheiten als deutlich weniger schutzwürdig ein als bei der Rückgewähr, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass solche Sicherheiten dem Vermögen des Anfechtungsgegners nie „vollständig“ zuzurechnen waren, mithin auch ein Verwirtschaften der Sicherheit nicht in Betracht kommt. Auch die Regelungen zu den gesellschafterbesicherten Drittdarlehen (§§  44a, 135 II, 143 III InsO; 6a, 11 III AnfG) halten den Gesellschafter an seinem Risikobeitrag fest und typisieren, wie bereits vor dem MoMiG,470 einen Fall der wirtschaftlich vergleichbaren Rechtshandlung.471 §  44a InsO belastet insoweit allerdings auch den darlehensgewährenden Dritten. Dieser muss primär Befriedigung aus der Gesellschaftersicherheit suchen und kann dem Wortlaut von §  44a InsO nach nur einen etwaigen Ausfall472 zur Tabelle anmelden. §  44a InsO soll damit aber gerade mittelbar sicherstellen, dass der Gesellschafter an seinem geleisteten Risikobeitrag (hier in Gestalt der Bestellung einer Sicherheit) festgehalten wird. Die Belastung des darlehensgewährenden Dritten hält sich dabei in überschaubaren Grenzen und ist als insolvenzspezifische Abwicklungsregel zu betrachten, die die vorrangige Haftung der Gesellschaftersicherheit umsetzt.473 Damit fügt sich auch §  44a InsO bruchlos in das erarbeitete Wertungskonzept ein. Zugegeben werden muss, dass Kleinbeteiligungs- und Sanierungsprivileg mit dem hier erarbeiteten Wertungskonzept nur durch zusätzliche Überlegungen schlüssig erklärt werden können. Vor allem das Kleinbeteiligungsprivileg war mit der Finanzierungsfolgenverantwortung gut zu erklären.474 Heute muss man es als historisch bedingt betrachten. Letztlich ist auch der durch das Kleinbeteiligungsprivileg vom Anwendungsbereich ausgenommene Gesellschafter475 ein Gesellschafter, der von der Haftungsbeschränkung der Gesellschaft profitiert, so dass man auch seine Darlehen als Risikobeitrag einordnen könnte. Das Kleinbeteiligungsprivileg sollte als Hinweis darauf verstanden werden, dass die unternehmerische Verantwortung476 469  Ablehnend zu einer solchen Sichtweise für §  135 I Nr.  1 InsO ausdrücklich Ulbrich, Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts, S.  193. Die Norm sei „lediglich rechtstechnisch verunglückt“, was sich aus der Historie (insbesondere der Vorgängerregelung ohne Frist) ergebe. 470  Vgl. zur Vorgängerregelung der §§  32a II, 32b Lutter/Hommelhoff, in Lutter/Hommelhoff GmbHG 16. A., §§  32a/b Rn.  111. 471  Vgl. zu den gesellschafterbesicherten Drittdarlehen m. w. N. Bitter, in MüKo InsO, §  4 4a Rn.  1 ff. und bereits oben ad B.II.3. 472  Dies ist trotz des eindeutigen Wortlauts streitig, vgl. oben Kapitel B. Fn.  100 m.e.N. 473  Ganz ähnlich Bitter, in MüKo InsO, §  4 4a Rn.  5; zur Vorgängerregelung K. Schmidt, BB 2008, 1966 (1968): abwicklungstechnischer Beitrag. 474  Vgl. Begründung RegE KapAEG, BT-Drs. 13/7141, S.  11 f.; zweifelnd m. w. N. Lutter/ Hommelhoff, in Lutter/Hommelhoff GmbHG 16. A., §§  32a/b Rn.  66: „nicht in allem mit den überkommenen Legitimationsgrundlagen (…) bruchlos in Übereinstimmung zu bringen“. 475  Nach §  39 V InsO jeder nicht geschäftsführende Gesellschafter (einer vom Anwendungsbereich erfassten Gesellschaft) mit einer Beteiligung ≤ 10 %. 476  Vermittelt über „Informations- und Kontrollrechte“, vgl. Krolop, GmbHR 2009, 397 (399).

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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noch immer eine gewisse Rolle spielt. Allerdings zeigt bereits die Absenkung bei der AG von 25 % auf 10 %, dass es auf den unternehmerischen Einfluss nicht mehr primär bzw. alleine ankommen kann.477 Der durch das Kleinbeteiligungsprivileg hergestellte Bezug zur unternehmerischen Verantwortung spricht jedenfalls nicht ausdrücklich gegen den hier vertretenen Ansatz. Ein Risikobeitrag als Ausgleich für das Privileg der Haftungsbeschränkung wird vom Gesetz nur dort verlangt bzw. angeordnet, wo auch ein Mindestmaß an unternehmerischem Einfluss gewährleistet ist.478 Damit grenzt das Kleinbeteiligungsprivileg in der Sache den (haftungsrechtlich verantwortlichen) „Gesellschafter(s) vom außenstehenden Dritten“ ab.479 Es handelt sich um eine gesetzgeberische Wertung, wenn der (aus verschiedensten denkbaren Gründen480) kleinbeteiligte Gesellschafter eher dem außenstehenden Dritten gleichgestellt wird. Dies kann man auch darauf zurückführen, dass der kleinbeteiligte Gesellschafter nur in geringem Maße am Profit des Unternehmens beteiligt ist,481 so dass es durch dessen Kredit allenfalls zu einer geringen Verschiebung des Verhältnisses von Chancen und Risiken kommt und daher dem Gesetzgeber eine Einordnung als Risikokapital ohne Auswirkung auf die Beteiligungsverhältnisse (das Darlehen kann um ein vielfaches höher valutieren als die eigentliche Beteiligung) nicht gerechtfertigt scheint. Das Sanierungsprivileg482 greift erst ab dem Zeitpunkt drohender Zahlungsunfähigkeit bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine nachhaltige Sanierung483 erreicht wurde, vgl. §  39 IV 2 InsO. Werden Darlehen über diesen Zeitpunkt hinaus stehengelassen, unterfallen diese dem Gesellschafterdarlehensrecht wie alle anderen Gesellschafterdarlehen.484 Der zeitliche Anwendungsbereich der Ausnahme zeigt, dass es sich bei diesem Privileg um eine gezielte Ausnahme handelt, die der Sanierungserleichterung485 dienen soll.486 Im Fall des Beteiligungserwerbs in der Krise wird daher 477 Vgl. Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  175; ähnlich auch Krolop, GmbHR 2009, 397 (398 f.). 478  Der Grundsatz unbeschränkter Haftung bezieht sich nach dem BGH auch gerade auf das Betreiben von Geschäften, vgl. oben Kapitel B. Fn.  454. 479  So auch Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  175. 480  Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  175 nennt hier Gründe „vom Investiflohn bis zur Kreditsicherung“. 481  Vgl. auch Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  175. 482  Voraussetzung dafür ist gerade ein Anteilserwerb zum Zweck der Sanierung, weswegen häufig darauf hingewiesen wird, dass an sich nicht das Sanierungsdarlehen, sondern nur der Beteiligungserwerb zur Sanierung privilegiert wird. Vgl. je m. w. N. Ehricke, in MüKo InsO, §  39 Rn.  55; Hirte, in Uhlenbruck InsO, §  39 Rn.  68. 483  Vgl. zum Problem, wie dieses Merkmal auszulegen ist, m. w. N. Ehricke, in MüKo InsO, §  39 Rn.  56. 484 Vgl. Ehricke, in MüKo InsO, §  39 Rn.  56 m. w. N.; ferner Gesmann-Nuissl, WM 2006, 1756 (1760). 485 Vgl. zur umstrittenen Bedeutung der Sanierung als Verfahrensziel Ganter/Lohmann, in MüKo InsO, §  1 Rn.  85 ff. m. w. N. 486 Ganz ähnlich auch die Deutung unter altem Recht bei Lutter/Hommelhoff, in Lutter/ Hommelhoff GmbHG 16. A., §  32a/b Rn.  79.

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

auf den Risikobeitrag in Form der „Verhaftung“ des Gesellschafterfremdkapitals verzichtet. Nach der nachhaltigen Sanierung werden die Darlehen wieder als Risikobeteiligung der Gesellschafter „eingefordert“ und zu Risikokapital. Mit der Sanierungserleichterung ist die recht enge Ausnahme des Sanierungsprivilegs widerspruchsfrei erklärt. (3)  Zu weiteren Kritikpunkten am Ansatz an der Haftungsbeschränkung Häufig wird den Erklärungsversuchen, die an der Haftungsbeschränkung ansetzen, entgegengehalten, der (einzige) „Preis“ der Haftungsbeschränkung sei die Kapitalaufbringung und -erhaltung487, was sich aus §§  19, 24 und 31 GmbHG ergebe – nicht mehr und nicht weniger.488 Das Gesellschafterdarlehensrecht könne bereits deshalb kein „Ausgleich“ oder „Preis“ für die Haftungsbeschränkung sein. Dem ist zu widersprechen. Es ist beim nunmehr ausschließlich auf Gesetzesrecht beruhenden Gesellschafterdarlehensrecht nicht ersichtlich, warum der Gesetzgeber mit den betreffenden Regelungen die o.g. nicht soll ergänzen dürfen, selbst wenn dies bisheriger BGH Rechtsprechung489 widerspricht.490 Eine solche Einschränkung des Gesetzgebers könnte sich allenfalls aus höherrangigem Recht ergeben. Insoweit kommt wohl einzig die Vertragsfreiheit in Betracht, die dem Grunde nach auch im Gesellschaftsrecht gilt. Allerdings steht die Vertragsfreiheit gläubigerschützenden Re­gelungen (das neue Gesellschafterdarlehensrecht präsentiert sich heute als reine Gläubigerschutzregelung) gerade nicht entgegen bzw. erlaubt der Gläubigerschutz in­soweit Eingriffe in die Vertragsfreiheit. Auch wird damit keine Pflicht zur angemessenen Ausstattung der Gesellschaft durch die Hintertür eingeführt,491 da sich der Risikobeitrag des Gesellschafters gerade auf das tatsächlich zur Verfügung gestellte Kapital beschränkt. Soweit man darauf besteht, ein zusätzlicher Preis für das Privileg der Haftungsbeschränkung bedürfe einer Rechtfertigung,492 genügt der bereits oben erörterte Wegfall des zwingenden Mindestkapitals, der dazu führt, dass die Regelungen zur Kapitalaufbringung und -erhaltung von obligatorischen zu fakultativen wurden. Ähnlich steht es um den Einwand, diese Deutung sei nicht mit der Finanzierungsfreiheit vereinbar493. Auch dieser Einwand übersieht, dass es dem Gesetzgeber über487 

Haas, NZI 2001, 1 (3). Thiessen, DStR 2007, 207; ähnlich Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  438; Kampshoff, GmbHR 2010, 897 (899); J.-S. Schröder, Reform des Eigenkapitalersatzrechts, Rn.  329; Salz, Gesellschafterdarlehensrecht, S.  260 f. 489  Vgl. nur BGH, Urteil vom 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 259 (272, juris Rn.  31), insoweit hierfür angeführt von Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  438. 490  Hingewiesen sei auch an dieser Stelle nochmals auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis von unbeschränkter und beschränkter Haftung, vgl. oben Kapitel B. Fn.  454. 491  In diese Richtung geht der Vorwurf Azaras, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  438 f., den er sodann selbst wieder relativiert. 492 So Haas, NZI 2001, 1 (3). 493  So die Interpretation der Aussagen Altmeppens, NJW 2008, 3601 (3602 f.) durch Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  174. 488 Vgl.

III.  Wertungskonzept des Gesellschafterdarlehensrechts

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lassen bleibt, Grenzen der Finanzierungsfreiheit festzulegen. Zudem verbietet das Gesellschafterdarlehensrecht die Gesellschafterfremdfinanzierung nicht gänzlich, sondern knüpft nur bestimmte Folgen an diese Finanzierungsform.494 Auch die fehlende Erfassung des Kommanditisten der gesetzestypischen KG spricht nicht gegen einen Zusammenhang zur Haftungsbeschränkung.495 Dass das Gesetz perspektivisch auf die Gesellschaft blickt und es genügen lässt, dass eine natürliche Person voll haftet, ist eine rechtspolitische Entscheidung,496 die einen Zusammenhang zur Haftungsbeschränkung aber nicht entfallen lässt. Letztlich lässt sich mit einem Hinweis auf diese Perspektive des Gesetzes auch der Einwand Schröders entkräften, die Erfassung der unbeschränkt haftenden Komplementär-Kapitalgesellschaft zeige, dass es nicht um eine Inanspruchnahme des Privilegs der Haftungsbeschränkung gehe.497 Dieser konstruiert wirkende Einwand fällt in sich zusammen, wenn man begreift, dass das Gesetz sämtliche Gesellschaftskonstrukte erfassen will, bei denen am Ende keine natürliche Person voll haftet, was bei der GmbH & Co KG ebenfalls der Fall ist. Selbst wenn das Gesetz die Perspektive wechseln würde und primär auf den Gesellschafter blickte, genügte die Anordnung, bei jeder Gesellschafter-Gesellschaft wiederum auf deren Gesellschafter zu blicken (bis man bei einer natürlichen Person angelangt ist). Letztlich wird niemand vernünftigerweise bestreiten wollen, dass auch der GmbH-Gesellschafter der Komplementär-GmbH (und meist zugleich Kommanditist) der GmbH & Co KG mit dieser eine Haftungsbeschränkung für sich in Anspruch nimmt. Und nicht zuletzt stellt die Sicherstellung eines Risikobeitrags des nur beschränkt haftenden Gesellschafters auch eine taugliche verfassungskonforme Rechtfertigung für die Andersbehandlung von Gesellschafterdarlehen dar.498 ii.  Zusammenfassung der Ergebnisse zur Legitimations- und Wertungsgrundlage Insgesamt hat sich gezeigt, dass als überzeugende und widerspruchsfreie Legitimation des Gesellschafterdarlehensrechts die Sicherstellung eines Risikobeitrags des Gesellschafters als Ausgleich für das Privileg der Haftungsbeschränkung und die hiermit verbundenen unternehmerischen Chancen anzusehen ist. Damit ist zugleich der Normzweck des Gesellschafterdarlehensrechts beschrieben, jenen Risikobeitrag zu gewährleisten. 494 

Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  174. Pentz, GmbHR 2013, 393 (399), der insoweit zu stark auf den Aspekt der Inanspruchnahme einer Haftungsbeschränkung blickt. 496  Demnach stünde einer Erstreckung des Gesellschafterdarlehensrechts auf den Kommanditisten der gesetzestypischen KG die Legitimations- und Wertungsgrundlage des Gesellschafterdarlehensrechts nicht grundsätzlich entgegen. Der Frage, ob dies rechtspolitisch sinnvoll ist, soll hier aber nicht weiter nachgegangen werden. 497  J.-S. Schröder, Reform des Eigenkapitalersatzrechts, Rn.  326. 498 Ebenso Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  174. Der BGH, Beschluss vom 30.4.2015 – IX ZR 196/13, NZI 2015, 657 (Rn.  9) verweist insoweit auch auf die Zulässigkeit von Typisierungen, auch wenn diese „im Einzelfall zu Härten führe(n)“. 495 A.A.:

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B.  Das Gesellschafterdarlehensrecht

Erst nach Herausarbeitung der kollisionsrechtlichen Folgen des hier erarbeiteten Legitimations- und Wertungskonzepts499 kann zu einer möglicherweise aus dem Anwendungswillen des Gesetzgebers auf EU-Auslandsgesellschaften500 folgenden Korrekturbedürftigkeit Stellung genommen werden.501 Es wird sich aber auch insofern zeigen, dass an der erarbeiteten Legitimations- und Wertungsgrundlage festzuhalten ist. 3.  Ergebnis: geändertes Wertungskonzept Die Legitimations- und Wertungsgrundlage des Gesellschafterdarlehensrechts hat sich durch das MoMiG entscheidend verändert. Mit dem Wegfall der Krisenanknüpfung im gesetzlichen Tatbestand ist das Konzept der Finanzierungsfolgenverantwortung mitsamt seiner Begründung hinfällig geworden. Das Gesellschafterdarlehensrecht hat mit Krisenfinanzierung nichts mehr zu tun502 , sondern stellt heute als objektive Regelung ohne Verhaltensvorwurf einen Risikobeitrag des Gesellschafters sicher, der in engem wechselseitigem Legitimationszusammenhang mit dem Privileg der Haftungsbeschränkung steht.

IV.  §  135 III InsO als Teil des Gesellschafterdarlehensrechts vor dem Hintergrund des entwickelten Wertungskonzepts? Zuletzt ist an dieser Stelle noch in der gebotenen Kürze auf die Neuregelung zur Gesellschafternutzungsüberlassung einzugehen.503 Diesbezüglich verweist die Gesetzesbegründung zur Legitimation auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht und „die Zweckbestimmung des Insolvenzverfahrens“.504 Unabhängig von der Frage, ob damit eine Nutzungsüberlassung generell noch eine mit der Darlehensgewährung wirtschaftlich vergleichbare Rechtshandlung ist,505 steht die Begründung des Rechtsausschusses dem hier gefundenen Legitimationsansatz des Gesellschafterdarlehensrechts jedenfalls nicht entgegen.506 Auch die Überlassungspflicht in der 499 

Unten ad E.III.2. – 4. Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  26, 56 f. 501  Eingehend unten ad E.III.4.b.ff. 502  Formulierung nach Altmeppen, NJW 2008, 3601 (3602), der freilich diese Sichtweise gerade ablehnt. 503  Vgl. zu deren Inhalt bereits oben ad B.II.7. 504  Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 16/9737, S.  59. 505  Die Begründung des Rechtsausschusses spricht eher gegen eine solche Sichtweise, vgl. BTDrs. 16/9737 S.  59. Vgl. zu den in der Literatur verschiedenen Ansichten zum neuen Recht und zur Ansicht des BGH oben Kapitel B. Fn.  115. Bereits vor dem MoMiG hat sich insbesondere K. Schmidt (oben Kapitel B. Fn.  114 a. E.) mit guten Argumenten gegen eine wirtschaftliche Vergleichbarkeit von Nutzungsüberlassung und Gesellschafterdarlehen ausgesprochen. 506 Demgegenüber ist die Überzeugungskraft des Verweises auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht als Legitimationsgrundlage durchaus umstritten, kritisch etwa Bitter, ZIP 2010, 1 (5, 7 ff.), der für die Überlassungspflicht eher allein auf den „Gedanken der Aufopferung“ abstellen 500 

IV.  §  135 III InsO als Teil des Gesellschafterdarlehensrechts

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späteren Insolvenz verlangt dem haftungsbeschränkten Gesellschafter einen (weiteren) Risikobeitrag ab und verhindert vor allem ein „Ausweichen“ der Gesellschafter auf diese „Finanzierungsform“. Dies gilt auch, wenn man wie der BGH die Neuregelung zur Gesellschafternutzungsüberlassung insgesamt systematisch von der Auslegung des früheren Eigenkapitalersatzrechts507 und auch von den neuen Regelungen zum Gesellschafterdarlehensrecht508 abkoppelt. Man sollte §  135 III InsO als nunmehr gesetzliche Ergänzung des Gesellschafterdarlehensrechts ansehen, welches dieses gegen Umgehung schützt und daneben dem wenigstens insolvenzpolitischen Ziel der Sanierung509 zu Gute kommt510.

möchte und hieraus sehr weitgehend auch eine Analogiefähigkeit auf Nicht-Gesellschafter ableitet; anders aber ders., a. a. O. für die mögliche Entgeltminderung nach §  135 III 2 InsO. 507  BGH, Urteil vom 29.1.2015 – IX ZR 279/13, NJW 2015, 1109 (insbesondere Rn.  42, 69): „Da diese Regelung auf die Bedeutung des Gegenstandes für die Betriebsfortführung und nicht mehr auf die das Eigenkapitalersatzrecht prägende Gleichsetzung von Darlehensgewährung und Nutzungsüberlassung abstellt, verbietet sich jede Auslegung, die auf eine auch nur begrenzte Fortschreibung des Eigenkapitalersatzrechts hinausläuft“ (Rn.  42). 508  Vgl. BGH, oben Kapitel B. Fn.  115. So auch die Deutung des BGH-Urteils durch K. Schmidt, NJW 2015, 1057 (1058): „§  135 III InsO ist insoweit autonom und nicht als Anhängsel zu §  135 I InsO auszulegen“. 509 Vgl. zum Streit, ob die Sanierung auch Insolvenzverfahrenszweck ist, oben Kapitel B. Fn.  485. 510  Aus den Ausführungen des Rechtsausschusses (BT-Drs. 16/9737, S.  59) ergibt sich, dass man vor allem die Sanierungssituation vor Augen hatte.

C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO Die Europäische Insolvenzverordnung (EuInsVO) enthält Regelungen für den Umgang mit grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren (das sog. Internationale Insolvenzrecht) innerhalb der Europäischen Union, unter anderem Kollisionsnormen.

I.  Entwicklung des Internationalen Insolvenzrechts Vor der EuInsVO und den teilweise deckungsgleichen Regelungen im autonomen Internationalen Insolvenzrecht1 stand eine wechselhafte Rechtsentwicklung, die hier nur in ihren Grundzügen dargestellt werden soll.2 Lediglich auf die Entwicklung der Kollisionsnormen zur Insolvenzanfechtung und zur Rangfolge wird näher einzugehen sein. 1.  Grundzüge der Entwicklung des Internationalen Insolvenzrechts Das Internationale Konkurs- und Insolvenzrecht3 drehte sich lange Zeit vor allem um die grundsätzliche Frage, ob Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren in ihren Wirkungen auf den eröffnenden Staat beschränkt sind (sog. Territorialitätsprinzip) oder über den eröffnenden Staat hinaus Wirkungen entfalten (sog. Universalitätsprinzip).4 Diese Frage stellt sich sowohl für die Wirkungen der eigenen, inländischen Verfahren als auch für die Frage der Anerkennung ausländischer Verfahren und ihrer Wirkungen und ist insoweit nicht zwingend einheitlich zu beantworten.5 1  Smid, int. InsR, S.  167. Vgl. zu den vorliegend relevanten Regelungen des autonomen internationalen Insolvenzrechts unten ad F.I.1. 2  Vgl. neben den Nachweisen im Folgenden eingehend: Trunk, int. InsR, S.  34 ff. (auch zur frühen Geschichte); Hanisch, FS Merz, S.  159 ff. und jüngst m.v.w.N. Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S.  3 ff. 3  Der Einfachheit halber ist fortan nur die Rede vom Internationalen Insolvenzrecht, umfasst soll aber auch sein, was früher als internationales Konkursrecht bezeichnet wurde. 4 Zum „Theorienstreit“: Andres/Leithaus, in Andres/Leithaus InsO, Vor §§  335–358 Rn.  2; Reinhart, in MüKo InsO, Vor. §§  335 ff. Rn.  5 (mit dem Begriff „Theorienstreit“); vgl. zu den Begriffen Territorialitäts- und Universalitätsprinzip: Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S.  3 (mit Fn.  5 zum Ursprung), 6 f.; Stephan, in HK InsO, Vor §§  335 ff. Rn.  6 f. Eingehend auch: Jahr, in Jaeger KO 8.A. (1973), §§  237, 238 Rn.  48 ff. 5  Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S.  6 f. spricht insoweit von einer „mehrdimensionalen Bedeutung der Prinzipien“, wobei er noch die fremdenrechtliche Frage nach

I.  Entwicklung des Internationalen Insolvenzrechts

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a.  Ausgangspunkt in Deutschland: territoriale Abschottung Während sich in der älteren Geschichte des deutschen Internationalen Insolvenzrechts durchaus Belege für universalistisches Denken finden lassen,6 setzte sich vor allem in der Rechtsprechung des RG und später des BGH zunächst eine territoriale Abschottung durch.7 Ausländische Insolvenzverfahren wurden mit ihren Wirkungen im Inland nicht anerkannt.8 Die das Internationale Konkursrecht betreffenden §§  237, 238 KO9 wurden in gewissem Widerspruch zu den Materialien10 dahingehend ausgelegt, dass zwar der deutsche Konkurs grundsätzlich gem. §  1 KO Universalität beanspruche11, der Auslandskonkurs dagegen grundsätzlich nicht anerkannt werde.12 Die Anerkennung eines Auslandskonkurses kam nur auf der Basis von Staatsverträgen in Betracht.13 Diese territoriale Abschottung prägte das deutsche Internationale der Teilnahmebefugnis ausländischer Gläubiger und die kollisionsrechtliche Frage nach der „ausschließliche(n) Anwendung der lex fori concursus“ als „Dimension“ der Prinzipien ansieht. 6 Unter anderem bereits von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd.  VIII, S.  282 ff., insb. S.  286 ff. mit noch weiter zurückgehenden Nachweisen. Vgl. zur älteren Geschichte neben den oben in Kapitel C. Fn.  2 Genannten je m. w. N.: Meili, Geschichtliche Entwicklung; Kranemann, Insolvenzanfechtung, S.  104 ff.; Wenner/Schuster, FK InsO 7.A., Vor §§  335 ff. InsO Rn.  42 ff. Vgl. ebenfalls noch RG, Urteil vom 28.3.1882 – III 241/82, RGZ 6, 400 (403 ff.), das von einer grundsätzlichen Universalität des damaligen Konkursrechts ausgeht, wenngleich stark einschränkend durch die Möglichkeit von Partikularverfahren und die Möglichkeit zur Vollstreckung in inländisches Vermögen, selbst wenn der Titel nach der Eröffnung des ausländischen Konkurses erlangt wurde; ähnlich: RG, Urteil vom 13.1.1885 – II 429/84, RGZ 14, 424 ff.; erstaunlich universalistisch auch das RG, Urteil vom 13.7.1916 – VII 143/16, LZ 1916, 1443 mit einem Gegenschluss zu §  238 I KO. Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S.  8 deutet diese Urteile wegen der genannten Beschränkungen bereits als faktisch dem Territorialitätsprinzip verhaftet. 7  Erstmals deutlich: RG, Urteil vom 11.12.1884 – Rep. I 346/84, RGZ 14, 405 (409 f.); später noch deutlicher: RG, Urteil vom 11.7.1902 –II 130/02, RGZ 52, 155 ff.; RG, Urteil vom 21.10.1920 – VI 271/20, RGZ 100, 241 (242); RG, Urteil vom 5.1.1937 – VII 138/36, RGZ 153, 200 (205 ff.); BGH, Urteil vom 4.2.1960 – VII ZR 161/57, NJW 1960, 774; BGH, Urteil vom 30.5.1962 – VIII ZR 39/61, NJW 1962, 1511. Vgl. hierzu auch Hanisch, FS Merz, S.  159 (175) m. w. N.; Reinhart, in MüKo InsO, Vor. §§  335 ff. Rn.  8 m. w. N. zu Entscheidungen des RG und des BGH; ferner die Ausführungen und Nachweise bei BGH, Urteil vom 11.7.1985 – IX ZR 178/84, BGHZ 95, 256 (261 f., juris Rn.  24). 8  Reinhart, in MüKo InsO, Vor. §§  335 ff. Rn.  8 f.; Wenner/Schuster, FK InsO 7.A., Vor §§  335 ff. InsO Rn.  44. Vgl. zu den Problemen, die hieraus resultierten: Wenner/Schuster, FK InsO, Vor §§  335 ff. InsO Rn.  14. 9 Vgl. zu diesen Regelungen Wenner/Schuster, FK InsO 7.A., Vor §§  335 ff. InsO Rn.  47 f.; ferner Jahr, in Jaeger KO, 8. Auflage (1978), §§  237, 238, der allerdings bereits gegen das Territorialitätsdenken argumentierte. 10  Vgl. die Begründung zur KO und die Protokolle der Kommission in Hahn, Materialien Bd. 4, S.  402 ff. und 687 ff. 11  RG, Urteil vom 28.3.1903 – I 420/02, RGZ 54, 193; BGH, Urteil vom 10.12.1976 – V ZR 145/74, BGHZ 68, 16 (17, juris Rn.  135). 12  Mentzel/Kuhn, KO 8. A., §  237 Rn.  1; anders dann in der 9. Auflage, vgl. unten Kapitel C. Fn.  17; vgl. ferner Lent, in Jaeger KO, 8. Auflage (1958), §  29 Rn.  44; Kegel, in Soergel BGB, 10. A., Vorb. Art.  7 EGBGB Rn.  419. 13  Wichtig waren etwa die Staatsverträge mit Österreich und einzelnen Kantonen der Schweiz.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

Insolvenzrecht bis zur sog. „Wendeentscheidung“14 des BGH,15 wobei auch die Literatur sie anfangs kaum in Frage stellte.16 b.  Wende im deutschen Internationalen Insolvenzrecht und nationale Kodifikation des Internationalen Insolvenzrechts Nachdem die Rechtsprechung mit ihrem territorialen Ansatz zunehmend allein gelassen wurde,17 änderte der BGH am 11.7.1985 in der sog. „Wendeentscheidung“ seine ständige Rechtsprechung zugunsten einer Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren bzw. Konkursverfahren unter der Voraussetzung der internationalen Zuständigkeit und der Vereinbarkeit mit dem ordre public.18 Diese geänderte Rechtsprechung wurde zunächst durch §  22 GesO in die Gesamtvollstreckungsordnung übernommen, wobei zugleich die Möglichkeit von Partikularverfahren gegenüber der KO ausgebaut wurde.19 Im Rahmen der Insolvenzrechtsreform waren dann zunächst ausführliche Regelungen zum Internationalen Insolvenzrecht angedacht,20 die dem Universalitätsprinzip folgten und Regelungen zur Anerkennung und Vollstreckbarkeit sowie Kollisionsnormen enthielten.21 Diese fanden in die endgültige Fassung wegen des erwarteten europäischen Insolvenzübereinkommens22 allerdings keinen Eingang, lediglich Einzelfragen wurden in Art.  102 EGInsO geregelt: die Anerkennung der Wirkungen ausländischer Verfahren in Art.  102 I EGInsO, die Möglichkeit von Partikularverfahren im Inland in

Vgl. zu solchen Staatsverträgen eingehend je m. w. N.: Wenner/Schuster, FK InsO 7.A., Vor §§  335 ff. InsO Rn.  49 ff.; Trunk, int. InsR, S.  37 ff. 14  BGH, Urteil vom 11.7.1985 – IX ZR 178/84, BGHZ 95, 256 ff. 15  Wenner/Schuster, FK InsO, Vor §§  335 ff. InsO Rn.  14; Hanisch, FS Merz, S.  159. 16 Vgl. Hanisch, FS Merz, S.  159 (175); Reinhart, in MüKo InsO, Vor. §§  335 ff. Rn.  9 m. w. N. 17  Reinhart, in MüKo InsO, Vor. §§  335 ff. Rn.  10 m. w. N. Vgl. aus der damaligen Zeit etwa Jahr, in Jaeger KO 8.A. (1973), §§  237, 238 Rn.  34 f., 38 ff.; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, KO 9. A., §  237 Rn.  1; ferner bereits Müller-Freienfels, FS Dölle Bd. 2, S.  359 ff. 18  BGH, Urteil vom 11.7.1985 – IX ZR 178/84, BGHZ 95, 256 (269 f., juris Rn.  41); Reinhart, in MüKo InsO, Vor. §§  335 ff. Rn.  11 m. w. N. auch zur darauf folgenden anerkennungsfreundlichen Rechtsprechung. 19  Reinhart, in MüKo InsO, Vor. §§  335 ff. Rn.  12; ferner Stephan, in HK InsO, Vor §§  335 ff. Rn.  12. 20  Vgl. vor allem den „Vorentwurf von Vorschriften zur Neuordnung des internationalen Insolvenzrechts“ des Bundesministeriums der Justiz, abgedruckt bei Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S.  2 ff. mit Begründung ab S.  14 ff. und die überarbeiteten Vorschriften im Referentenentwurf eines Einführungsgesetzes zum Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, abgedruckt bei Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S.  278 ff., die wiederum Eingang in den Regierungsentwurf einer Insolvenzordnung von 1992 (§§  379 ff.) fanden, vgl. BT-Drs. 12/2443 mit der Begründung zu den Normen auf S.  233 ff. 21  Reinhart, in MüKo InsO, Vor. §§  335 ff. Rn.  14; ferner Stephan, in HK InsO, Vor §§  335 ff. Rn.  13. 22  Vgl. Empfehlung des Rechtsausschusses BT-Drs. 12/7303 S.  117 f.; ferner Stephan, in HK InsO, Vor §§  335 ff. Rn.  13.

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Art.  102 III EGInsO und eine Kollisionsnorm für die Insolvenzanfechtung in Art.  102 II EGInsO,23 auf die später nochmals näher einzugehen sein wird.24 Zu ausführlichen Regelungen des autonomen Internationalen Insolvenzrechts kam es erst mit Wirkung zum 14.3.2003 mit dem Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts,25 nachdem die EuInsVO in Kraft getreten war.26 Diese Regelungen entsprechen in weiten Teilen denen des Entwurfs von 199227 und setzen zugleich die RiLi 2001/24/EG über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten 28 und die RiLi 2001/17/EG über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen 29 um.30 Viele, allerdings nicht alle Vorschriften sind deckungsgleich mit denjenigen der EuInsVO.31 Die Abweichungen erklären sich aus der unterschiedlichen Interessenlage im Verhältnis zu Drittstaaten.32 Grundsätzlich erkennt das autonome Internationale Insolvenzrecht ausländische Verfahren an, soweit das eröffnende Gericht nach deutschem Recht zuständig (§  343 I Nr.  1 InsO) und die Anerkennung nicht ordre public-widrig (§  343 I Nr.  2 InsO) ist. Es gesteht ihnen auch grundsätzlich diejenigen Wirkungen zu, die das Recht des Staates, der das Insolvenzverfahren eröffnet hat (sog. lex fori concursus), vorsieht, §§  335, 343 InsO. Diese Grundsätze werden im Sinne einer „eingeschränkten Universalität“33 allerdings durch einige Ausnahmen durchbrochen, etwa die Möglichkeit zu inländischen, partiellen Verfahren (§§  354 ff. InsO); auch der Grundsatz der Geltung des Rechts des Eröffnungsstaates (§  335 InsO) gilt nicht ausnahmslos (§§  336 ff. InsO).34 c.  Europäische Vereinheitlichungsbemühungen und die EuInsVO Die Entwicklung des Internationalen Insolvenzrechts im 20. Jahrhundert war neben dem oben beschrieben Theorienstreit vor allem durch Bemühungen geprägt, eine multilaterale vertragliche Regelung zu finden, insbesondere innerhalb der Europäi23 

Vgl. BT-Drs. 12/7303 S.  117 f. Ausführlich zum internationalen Insolvenzrecht in der Insolvenzrechtsreform: Reinhart, in MüKo InsO, Vor. §§  335 ff. Rn.  13 ff. Der Gesetzentwurf zur Neuregelung des internationalen Insolvenzrechts von 2002 bezeichnet Art.  102 EGInsO als „fragmentarisch“, vgl. BT-Drs. 16/15 S.  13. 25  Vom 14.3.2003, BGBl. I., S.  345. 26  Reinhart, in MüKo InsO, Vor. §§  335 ff. Rn.  16 ff. 27  Oben Kapitel C. Fn.  20. 28  Vom 4.4.2001 (Abl. L 125 vom 5.5.2001, S.  15). 29  Vom 19.3.2001 (Abl. L 110 vom 20.4.2001, S.  28). 30  Reinhart, in MüKo InsO, Vor. §§  335 ff. Rn.  16; a. a. O., Art.  1 EuInsVO Rn.  9 m. w. N. auch zu den Gesetzgebungsmaterialien. 31  Stephan, in HK InsO, Vor §§  335 ff. Rn.  15. 32  Kindler, in MüKo BGB, Vor. §§  335 ff. InsO, Rn.  2. 33  Stephan, in HK InsO, Vor §§  335 ff. Rn.  8; C. Paulus, in Kübler/Prütting/Bork InsO, Vor §§  335–358 Rn.  16. 34  Vgl. insgesamt zu den Regelungen des autonomen internationalen Insolvenzrechts Reinhart, in MüKo InsO, Vor. §§  335 ff. Rn.  19 ff., sowie zu den jeweiligen Normen. 24 

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

schen Gemeinschaft.35 Im Jahre 1963 begannen die Vorarbeiten für ein Europäisches Konkursübereinkommen, welche 1970 in einen Vorentwurf mündeten.36 Ein zweiter Entwurf37, der ab 1973 im Anschluss an die Erweiterung der europäischen Gemeinschaft erarbeitet wurde und wie der Vorentwurf eine strenge Universalität ohne Partikularverfahren vorsah, wurde ab 1982 erörtert und führte zum revidierten Entwurf von 198438, dessen Beratungen allerdings 1985 wegen fehlenden Einvernehmens scheiterten.39 1990 wurde vom Europarat nach entsprechenden Verhandlungen ein „Europäisches Übereinkommen über bestimmte internationale Aspekte des Konkurses“40 angenommen und am 5. Juni desselben Jahres zur Unterzeichnung in Istanbul aufgelegt.41 Dieses sog. Istanbuler Übereinkommen ist am Fehlen der Ratifikation in ausreichend vielen Ländern gescheitert.42 Ausgehend von einer informellen Tagung der EG-Justizminister in San Sebastian vom 25.–27. März 1989 wurde eine „Ad-hoc-Gruppe“ unter dem Vorsitz von Manfred Balz eingerichtet, die am 3.4.1992 ihren Vorentwurf für ein Konkursübereinkommen zur Diskussion stellte.43 Dieser verzichtete auf, an den vorhergehenden Vorentwürfen häufig bemängelte, zu komplizierte Regelungen44 und sollte eine durch die Möglichkeit partieller Parallelverfahren eingeschränkte Universalität umsetzen.45 Diese Arbeiten mündeten im Europäischen Insolvenzübereinkommen (EuIÜ) vom 23. November 199546, dessen Zustandekommen letztlich an der Wei35  Eingehend hierzu Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S.  9 ff.; Trunk, int. InsR, S.  40 ff. 36  Abgedruckt bei Kegel/Thieme, Vorschläge und Gutachten, S.  1 ff. Vgl. hierzu und insgesamt zur Geschichte des EuIÜ Herchen, Übereinkommen, S.  21 ff.; Reinhart, in MüKo InsO, Vor. Art.  1 EuInsVO Rn.  3 ff. m. w. N. auch zu Reaktionen auf diesen Vorentwurf; Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  1 ff.; Wimmer, NJW 2002, 2427. 37  Entwurf von 1980, abgedruckt bei Kegel/Thieme, Vorschläge und Gutachten, S.  45 ff. 38  Abgedruckt bei Kegel/Thieme, Vorschläge und Gutachten, S.  417 ff. 39 Vgl. Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  3; Reinhart, in MüKo InsO, Vor. Art.  1 ­EuInsVO Rn.  3 f. 40  European Convention on Certain International Aspects of Bankruptcy, Council of Europe, no. 136, abrufbar unter http://conventions.coe.int/ (abgerufen am 21.7.2015); der Text ist ferner in Englischer Sprache abgedruckt bei Metzger, Istanbuler Konkursübereinkommen, S.  216 ff. 41  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  4.; Herchen, Übereinkommen, S.  21 f. 42  Herchen, Übereinkommen, S.  21 f.; Reinhart, in MüKo InsO, Vor. Art.  1 EuInsVO Rn.  5; Wimmer, NJW 2002, 2427. Vgl. zum Regelungsinhalt dieses Übereinkommens eingehend Kranemann, Insolvenzanfechtung, S.  173; Metzger, Istanbuler Konkursübereinkommen. 43  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  1 ff.; Herchen, Übereinkommen, S.  22; Reinhart, in MüKo InsO, Vor. Art.  1 EuInsVO Rn.  6; Vorentwurf abgedruckt in ZIP 1992, 1197 ff. 44 Vgl. Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  5: „zu kompliziert und ambitiös“; ferner ­Herchen, Übereinkommen, S.  22; Kranemann, Insolvenzanfechtung, S.  172 f. m. w. N. Angesprochen war damit vor allem das System der Untermassen für die einzelnen Staaten, vgl. dazu die Ausführungen unten ad C.I.2.b.bb. 45  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  5; Reinhart, in MüKo InsO, Vor. Art.  1 EuInsVO Rn.  7; Herchen, Übereinkommen, S.  22. 46  Abgedruckt bei Stoll, Vorschläge und Gutachten, S.  3 ff.

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gerung Großbritanniens als Reaktion auf ein Importverbot britischen Rindfleischs im sog. BSE-Streit scheiterte.47 Nachdem Artt.  61 lit.  c, 65 lit.  a 3. Spiegelstrich, 67 I, II der Amsterdamer Verträge die Möglichkeit eröffneten, gemeinschaftsrechtlich legislativ tätig zu werden, verabschiedete der Rat der Europäischen Union am 29.5.2000 auf Initiative der Bundesrepublik und Finnlands48 die Europäische Insolvenzverordnung, die die Regelungen des EuIÜ vom 23. November 1995 weitgehend übernahm.49 Hierdurch kam es mit Geltung ab dem 31.5.2002 erstmals zu einer multilateralen europäischen Regelung des Internationalen Insolvenzrechts. d.  Reform der EuInsVO in den Jahren 2012–2015: EuInsVO 2017 Entsprechend der gem. Art.  46 EuInsVO vorgesehenen Berichtspflicht legte die Kommission am 12.12.2012 ihren Bericht zur EuInsVO50 mitsamt einem Vorschlag zu Änderungen derselben51 vor.52 Dieser mündete schließlich, nach Befassung durch die verschiedenen beteiligten europäischen Institutionen53, in die Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren (im Folgenden: EuInsVO 2017), welche mit wenigen Ausnahmen zum 26.6.2017 die EuInsVO ersetzt, vgl. Artt.  91 f. EuInsVO 2017. Die EuInsVO 2017 erweitert neben kleineren Änderungen vor allem den sachlichen Anwendungsbereich54, präzisiert die Regelungen zur Zuständigkeit55, ergänzt die Regeln zu den Sekundärinsolvenzverfahren, führt ein europäisches Insolvenzregister und Standardformulare für die Forderungsanmeldung ein und enthält Regelungen zur Koordinierung der Einzelverfahren bei Konzerninsolvenzen.56 Das Kollisionsrecht verbleibt bis auf redaktionelle Änderungen und hier nicht interessierende Ergänzungen57 unverändert.

47  Balz, ZIP 1996, 948; Herchen, Übereinkommen, S.  22 mit Fn.  38; Wimmer, NJW 2002, 2427; vgl. ferner Kranemann, Insolvenzanfechtung, S.  174 f., der auf eine weitere Hürde hinweist: Das Übereinkommen wäre erst 6 Monate nach Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten in Kraft getreten. 48  Vgl. Initiative über einer Ratsverordnung über Insolvenzverfahren vom 26.5.1999, Abl. C 221 vom 3.8.1999, S.  8 ff. = NZI 1999, 399 ff. 49 Vgl. Kranemann, Insolvenzanfechtung, S.  176 f.; Wimmer, NJW 2002, 2427; ferner Reinhart, in MüKo InsO, Vor. Art.  1 EuInsVO Rn.  1, 8 f. 50  COM (2012) 743 final. 51  COM (2012) 744 final. 52  Zur Entwicklung der EuInsVO 2017 vgl. Kindler/Sakka, EuZW 2015, 460 f. 53  Vgl. auch hierzu m.e.N. Kindler/Sakka, EuZW 2015, 460 f. 54  Vgl. dazu unten ad C.III.1. 55  Vgl. dazu unten ad C.IV. 56 Eingehend Kindler/Sakka, EuZW 2015, 460 (461 ff.). 57  Ergänzung der Art.  8, 10 EuInsVO (Art.  11, 13 EuInsVO 2017) um einen Absatz 2 für gerichtliche Zustimmung zur Beendigung bestimmter Verträge und Erweiterung von Art.  15 ­EuInsVO um Schiedsverfahren (Art.  18 EuInsVO 2017).

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2.  Entwicklung des Internationalen Insolvenzanfechtungsrechts und der Kollisionsregelungen zum Rang a.  Entwicklung des Internationalen Insolvenzanfechtungsrechts aa.  Diskussion in der Rechtswissenschaft Die internationale Insolvenzanfechtung war in der Literatur schon früh ein Thema. Die Diskussion war dabei zunächst geprägt von Versuchen, eine Anknüpfung aus dem dogmatischen Verständnis der Insolvenzanfechtung herzuleiten, etwa im Sinne einer deliktsrechtlichen, dinglichen, schuldrechtlichen oder haftungsrechtlichen Qualifikation.58 Insbesondere letztere spielt auch heute noch eine Rolle in der Begründung einer Maßgeblichkeit des Wirkungsstatuts der angefochtenen Rechtshandlung,59 während die übrigen Vorschläge inzwischen wohl nicht mehr vertreten werden.60 Verbreitet wurde und wird ferner mit verschiedener Begründung auch für eine insolvenzrechtliche Qualifikation bzw. die Geltung der lex fori concursus gestritten.61 Eine Art „Mittelweg“62 wollen die sog. Kumulationslösungen gehen, indem sie sowohl die lex causae der Rechtshandlung als auch die lex fori concursus über die Anfechtung entscheiden lassen.63 bb. Rechtsprechung Auch die Rechtsprechung hatte sich mit der Frage nach dem auf die Insolvenzanfechtung anwendbaren Recht zu beschäftigen. Das Reichsgericht entschied zugunsten der lex fori concursus bei der Anfechtung durch einen deutschen Verwalter,64 58 

Vgl. eingehend hierzu m.v.w.N. Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, S.  3 ff. insbesondere Henckel, FS Nagel, S.  93 ff., insb. S.  105 ff.; ders., in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S.  158 ff. Kritik hieran, insbesondere an der Methode unten ad C.VII.4.b. 60 Vgl. Zeeck, Int. AnfechtungsR, S.  25; ferner Wenner/Schuster, in FK InsO, §  339 InsO Rn.  3 ff. 61  Hanisch, ZIP 1985, 1233 (1238 ff. (insb. 1240)); Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, S.  267; Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  395; Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, S.  164 (w.N. a. a. O., S.  27 Fn.  141); w.N. auch bei Zeeck, Int. AnfechtungsR, S.  40 Fn.  118. Eine Auseinandersetzung mit den zur Begründung vorgetragenen Argumenten findet sich unten ad C.VII.3. 62  Dass dies nicht etwa einen Kompromiss darstellt, sondern tatsächlich zur Erschwerung der Anfechtungsmöglichkeiten führt, wird unten ad C.VII.1 näher erläutert. 63  Näher zu diesem Vorschlag und seiner Geschichte unten ad C.VI.1. Kritik hieran unten ad C.VII. Hierfür bereits Fragistas, RabelsZ 12 (1938/39), 452 (458 ff.); ferner Jahr, in Jaeger KO, 8. Auflage (1973), §§  237, 238 Rn.  250; Lent, in Jaeger KO, 8. Auflage (1958), §  29 Anm.  43 ff. m. w. N.; B. König, Anfechtung, Rn.  472. Hanisch, FS Stoll, S.  503 (511) schlägt hingegen eine „Koppelung als Kombinationsform“ vor, was allerdings nicht weiter präzisiert wird. Kritisch hierzu Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  387; Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, S.  44. Auch der Vorschlag Zeecks, Int. An­fechtungsR, S.  71 ff., beide Statuten durch eine alternative Anknüpfung (nach der die Anfechtbarkeit nach einem der Statuten genügt) zu verbinden, ist vereinzelt geblieben. 64  RG, Urteil vom 13.7.1916 – VII 143/16, LZ 1916, 1443, das im entschiedenen Fall hinsichtlich 59  Vgl.

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was nach verbreiteter Auffassung unter der territorialen Rechtsprechung nicht auf die Anfechtungsmöglichkeit eines ausländischen Verwalters übertragen werden konnte.65 Dennoch hatten bereits vor der sog. Wendeentscheidung66 das LG Köln und das OLG Hamm eine Insolvenzanfechtung durch einen ausländischen Verwalter nach der lex fori concursus für möglich gehalten.67 Der BGH beurteilte 1992 in einem obiter dictum für den Inlandskonkurs „die Anfechtung einer Handlung, die ihren Rechtsgrund im ausländischen Recht hat, allein nach deutschem Recht“ und erteilte einer Kumulation, „abgesehen von allgemeinen Einwendungen“ wegen eines „ganz überwiegenden Inlandsbezugs“ im konkreten Fall eine Absage.68 Mit dem umgekehrten Fall des Auslandskonkurses und der Anfechtung im Inland hatte sich der BGH erst 1996 zu beschäftigen. Hierbei wendete er unter dem Gesichtspunkt der Vorwirkung des Art.  102 II EGInsO69, der erst am 1. Januar 1999 in Kraft trat, zusätzlich zur lex fori concursus die lex causae an.70 Zwar befand der BGH die für eine Kumulation vorgebrachten Gründe für „nicht unproblematisch“, wollte aber für den relativ kurzen Zeitraum bis zum Inkrafttreten des Art.  102 II EGInsO keine abweichende Lösung entwickeln, zumal man die Begründung „keineswegs insgesamt ungeeignet“ fand.71 cc.  Kodifikationsgeschichte (1)  Nationale Regelungen Das Internationale Insolvenzrecht war in der KO in §§  237, 238 nur rudimentär geregelt. Eine Aussage zur Insolvenzanfechtung war diesen Normen nicht zu entnehmen. Mit der Insolvenzrechtsreform und der geplanten Einführung von Regelungen zum Internationalen Insolvenzrecht sollte auch eine Regelung zum Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung eingeführt werden. Nach Artikel 4 des Vorentwurfs von der Anfechtung von im Ausland hingegebener Wechsel durch den deutschen Konkursverwalter „keinen Grund von der Anwendung deutschen Konkursrechts abzusehen“ fand. 65  Lent, in Jaeger KO, 8. Auflage (1958), §  29 Rn.  4 4; Mentzel/Kuhn, KO 8. A., §  237 Rn.  11; a. A. vor dem Hintergrund der Favorisierung des Universalitätsprinzips (vgl. oben Kapitel C. Fn.  17): Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, KO 9. A., §  237 Rn.  11; Jahr, in Jaeger KO, 8. Auflage (1973), §§  237, 238, Rn.  247 ff. 66  Vgl. dazu oben C.I.1.b. mit Fn.  18. 67  LG Köln, Urteil vom 29.5.1962 – 5 O 84/62, KTS 26 (1965), 48 (49 f.); OLG Hamm, Urteil vom 25.10.1976 – 5 U 57/76, NJW 1977, 504 (juris Rn.  57). 68  BGH, Urteil vom 30.4.1992 – IX ZR 233/90, BGHZ 118, 151 (168 f., juris Rn.  39), jüngst fortgeführt für die Anfechtung durch den inländischen Verwalter für den Zeitraum vor Inkrafttreten der §§  335 ff. InsO in BGH, Urteil vom 20.12.2012 – IX ZR 130/10, NJW-RR 2013, 880 (883, juris Rn.  21). 69  Vgl. zur Normhistorie oben ad C.I.1.b. und zum Norminhalt unten C.I.2.a.cc.(1). 70  BGH, Urteil vom 21.11.1996 – IX ZR 148/95, BGHZ 134, 116 (125, juris Rn.  26). 71  BGH, Urteil vom 21.11.1996 – IX ZR 148/95, BGHZ 134, 116 (125, juris Rn.  25); Wenner/ Schuster, in FK InsO, §  339 Rn.  6 beschreiben dies als zähneknirschende Anwendung der Kumulationslösung.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

Vorschriften zur Neuordnung des Internationalen Insolvenzrechts vom 1.3.198972 sollte die Insolvenzanfechtung grundsätzlich der lex fori concursus unterfallen. Eine Ausnahme galt bei abweichendem allgemeinem Gerichtsstand oder einer Niederlassung (Art.  4 I 2 des Vorentwurfs) für von dort aus vorgenommene Rechtshandlungen: Hier sollte das entsprechende Ortsrecht zur Anwendung kommen. Eine weitere Ausnahme war in Absatz 2 für Verfügungen und diesen zugrundeliegenden Rechtsgeschäften über Grundstücke bzw. andere registerpflichtige Gegenstände vorgesehen. Hier sollte es zur Kumulation mit der lex rei sitae kommen. Gem. Absatz 3 sollte in Partikularverfahren eine Anfechtung nur hinsichtlich solcher Gegenstände möglich sein, die aus dem im jeweiligen Staat belegenen Vermögen „veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden“ sind. Artikel 5 sollte den Konfliktfall mehrerer Anfechtungsprozesse lösen.73 Der Referentenentwurf eines Einführungsgesetzes zum Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts vom 1.9.199074 verwarf diese recht komplizierte Regelung zu Gunsten einer generellen Kumulation der lex fori concursus mit der lex causae (Art.  4 RefE). Begründet wurde dieser Vorschlag mit den Verkehrsschutzinteressen, für die bei Immobiliargeschäften ein besonderes, aber auch darüber hinaus ein generelles Bedürfnis bestehe, „den Rechtsverkehr vor der Anwendung besonders weitreichender ausländischer Anfechtungsrechte zu schützen“.75 Der Regierungsentwurf übernahm sowohl die Vorschrift, als auch deren Begründung.76 Nachdem der Rechtsausschuss in Erwartung des EuIÜ die Regelungen zum Internationalen Insolvenzrechts zu einer Norm zusammengestrichen hatte,77 verblieb als einzige Kollisionsregelung diejenige für die Insolvenzanfechtung in Art.  102 II EGInsO.78 In dieser zwischen 1.1.1999 und 19.3.2003 geltenden Norm, war erstmals eine eingeschränkte Kumulationslösung 79 vorgesehen, „um die Schwierigkeiten zu vermeiden, die sich aus einer vollen Kumulation zweier Rechtsordnungen (…) ergeben“.80 Der Rechtsausschuss änderte zudem Art.  102 II EGInsO von einer ursprünglich allseitigen Kollisionsnorm zu einer einseitigen Kollisionsnorm, wofür sich in der Gesetzesbegründung keine Erklärung finden lässt.81

72 

Abgedruckt bei Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S.  2 ff. zu diesen Regelungen kritisch auf Basis der von ihm bevorzugten generellen Anwendung des Wirkungsstatuts Henckel, in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S.  157 ff. 74  Abgedruckt bei Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S.  279. 75  Vgl. Begründung zu Art.  4 RefE, abgedruckt bei Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S.  298 f. 76  Vgl. §  382 RegE InsO, BT-Drs. 12/2443 S.  68 und S.  239 f. 77  Vgl. oben ad C.I.1.b. 78  Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu Art.  106a EGInsO, BTDrs. 12/7303 S.  100. 79  Vgl. zum Begriff und zum Mechanismus unten ad C.VI.1. mit Fn.  365. 80  Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu Art.  106a EGInsO, BTDrs. 12/7303, S.  118; vgl. ferner zu Art.  102 II EGInsO Kranemann, Insolvenzanfechtung, S.  121 ff. 81  Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu Art.  106a EGInsO, BT73  Vgl.

I.  Entwicklung des Internationalen Insolvenzrechts

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Erst nach Einführung der EuInsVO kam es tatsächlich zur umfassenden Regelung des autonomen Internationalen Insolvenzrechts, das in §  339 InsO ebenfalls eine Kollisionsregelung für die internationale Insolvenzanfechtung enthält. Die eingeschränkte Kumulationslösung82 wurde hierin, vor allem in Anlehnung an Art.  13 EuInsVO, beibehalten, zu einer allseitigen Kollisionsnorm ausgebaut und im Vergleich zu Art.  102 II EGInsO um eine mit Art.  13 EuInsVO vergleichbare Beweislastregelung ergänzt.83 Interessant ist, dass der Gesetzgeber eigentlich eine alleinige Maßgeblichkeit der lex fori concursus bevorzugt hätte, letztlich aber von der Lösung der EuInsVO nicht abweichen wollte.84 (2)  Internationale, vor allem europäische Regelungen Erstmals fand sich eine Kollisionsregelung für die Insolvenzanfechtung im Haager Modellvertrag von 1925,85 wonach grundsätzlich die lex fori concursus gelten sollte, wobei eine Kumulation mit inländischem Recht „hinsichtlich des auf seinem Gebiet befindlichen Vermögens“ von den Vertragsstaaten vorbehalten werden konnte, Art.  6 II des Modellvertrags.86 Im Anhang I (Art.  4 und 5 des Anhangs i. V. m. Artt.  19, 35) des ersten Vorentwurfs des EuIÜ von 1970 waren dagegen materiell einheitliche Anfechtungsregelungen vorgesehen.87 Der Versuch der materiellen Rechtsangleichung wurde wegen der großen Unterschiede innerhalb der nationalen Rechte allerdings wieder verworfen.88 Im Entwurf von 1980 war in Artt.  18, 37 die grundsätzliche Geltung der lex fori concursus mit einer Ausnahme für die gemeinrechtliche Absichtsanfechtung zugunsten des Wirkungsstatuts vorgesehen, wenn die Absichtsanfechtung im Konkurseröffnungsstaat nicht auf konkursrechtlichen Vorschriften basiert.89 Der revidierte Entwurf von 1984 strich diese Ausnahme und rang sich zu einer alleinigen Maßgeblichkeit des Insolvenzstatuts durch.90 Drs. 12/7303, S.  11; Kranemann, Insolvenzanfechtung, S.  125 m. w. N. zur Ansicht, die Art.  102 II EGInsO zu einer allseitigen Norm ausbauen wollte. 82  Vgl. zum Begriff und zum Mechanismus unten C.VI.1. mit Fn.  365. 83  Vgl. den Gesetzentwurf zum internationalen Insolvenzrecht, BT-Drs. 16/15, S.  19. 84  Dies hätte zu der paradoxen Situation geführt, dass die im Binnenmarkt geltende EU-Regelung eine Anfechtung unter erschwerten Bedingungen zugelassen hätte, als die autonome Regelung für ein „Insolvenzverfahren, das in einem Drittstaat eröffnet wurde“, vgl. die Begründung des RegE zum internationalen Insolvenzrecht, BT-Drs. 16/15, S.  19. 85  Abgedruckt bei Volkmar, JW 1926, 307 (311 ff.). 86  Trunk, int. InsR, S.  43 mit Fn.  159 m. w. N.; Volkmar, JW 1926, 307 (309). 87  Abgedruckt bei Kegel/Thieme, Vorschläge und Gutachten, S.  3 ff.; vgl. ferner den Bericht zum Übereinkommensentwurf von 1980 von Lemontey, Bericht, in Kegel/Thieme, Vorschläge und Gutachten, S.  93 (155 ff., Rn.  87 ff.), der auch Ausführungen zum Vorentwurf von 1970 enthält. 88 Vgl. Lemontey, Bericht, in Kegel/Thieme, Vorschläge und Gutachten, S.  93 (158 f., Rn.  91 f.). 89 Vgl. den Text des Entwurfs, abgedruckt bei Kegel/Thieme, Vorschläge und Gutachten, S.  45 ff.; ferner den Bericht von Lemontey, Bericht, in Kegel/Thieme, Vorschläge und Gutachten, S.  93 (159, Rn.  92). Interessanterweise sollte nach Rn.  93 des Berichts die lex causae auch dann gelten, wenn es sich um drittstaatliches Recht handelte. 90  Vgl. Entwurfstext in Kegel/Thieme, Vorschläge und Gutachten, S.  417 ff., sowie die Erläuterungen hierzu S.  457.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

Im Istanbuler Konkursübereinkommen des Europarats91, das insgesamt wenig „zur extraterritorialen Geltung der meisten Konkursfolgen“ aussagt,92 gab es keine explizite Regelung zur Insolvenzanfechtung. Während im Vorentwurf eines EG-Konkursübereinkommens von 1992 aus Vertrauensschutzgründen93 noch eine volle Kumulation der lex fori concursus mit der lex causae vorgesehen war,94 wurde im Übereinkommen vom 23.11.1995 diese Kumulation eingeschränkt und die Beweislast weitgehend dem Anfechtungsgegner zugewiesen.95 Dies wurde dann auch in die EuInsVO mit Artt.  4 II lit.  m und 13 übernommen,96 die Artt.  7 II lit.  m, 16 EuInsVO 2017 wiederum unverändert übernehmen. b.  Kollisionsrecht für die Rangordnung der Gläubiger aa.  Nationale Regelungen Die KO enthielt nur sehr lückenhafte Regelungen zum Internationalen Konkursrecht, so dass erst mit der Insolvenzrechtsreform die ersten nationalen Regelungen zum Kollisionsrecht für die Rangordnung angedacht wurden.97 Der Vorentwurf vom 1.3.1989 enthielt keine Sonderregel für die Rangordnung, so dass sich diese gem. Art.  2 des Vorentwurfs nach der lex fori concursus als allgemeinem Insolvenzstatut richtete.98 Ähnlich verhält es sich mit dem Referentenentwurf vom 1.9.199099 und dem Regierungsentwurf.100. Nachdem es mit Geltung ab 20.3.2003 zu ausführlichen Regelungen des autonomen Internationalen Insolvenzrechts kam,101 gilt gem. §  335 InsO für das Insolvenz­ verfahren und seine Wirkungen das Recht des Eröffnungsstaates. Dies umfasst auch die Rangordnung.102 91 

Oben Kapitel C. Fn.  40. Metzger, Istanbuler Konkursübereinkommen, S.  6. 93  So der erläuternde Bericht zum Übereinkommensentwurf von 1995 Virgos/Schmit, Rn.  138. 94  Vgl. Art.  8 des Entwurfs, ZIP 1992, 1197 (1199). 95 Vgl. den Text des Übereinkommens, abgedruckt bei Stoll, Vorschläge und Gutachten, S.  3 ff., sowie den erläuternden Bericht von Virgos/Schmit, Rn.  90, 135 ff. 96  Vgl. eingehend zum Mechanismus der eingeschränkten Kumulation, sowie zu Art.  13 EuInsVO und seiner Geschichte unten ad C.VI. 97  Soweit man von den Regelungen der einzelnen Gliedstaaten oder Staatenbünde, etwa des norddeutschen Bundes mit seinem Rechtshilfegesetz vom 21.6.1869 oder noch früher dem codex iuris bavarici iudiciarii, der die Frage nach Vorrechten dem Konkursstatut unterstellte (vgl. Hanisch, FS Merz, S.  159 (168)), absieht; vgl. hierzu insgesamt m. w. N. auch Trunk, int. InsR, S.  35 ff. 98  Der Vorentwurf von Vorschriften zur Neuordnung des internationalen Insolvenzrechts ist abgedruckt bei Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S.  2 ff. 99  Der Referentenentwurf eines Einführungsgesetzes zum Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts ist abgedruckt bei Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S.  278 ff.; Hanisch, FS Merz, S.  159 (168) kritisiert in Fn.  32, dass der Referentenentwurf zur Frage der Behandlung der Vorrechte schweigt – das ist nicht ganz angebracht, der Referentenentwurf belässt es schlicht bei der Grundregel, eine weitere „eindeutige Aussage“ war nicht notwendig. 100  Vgl. BT-Drs. 12/2443, S.  68 ff. 101  Vgl. BT-Drs. 16/15 S.  6 ff. 102  Vgl. nur Reinhart, in MüKo InsO, §  335 InsO Rn.  56, 110. 92 

I.  Entwicklung des Internationalen Insolvenzrechts

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bb.  Internationale, vor allem europäische Regelungen Bereits in einem Modellstaatsvertrag aus dem Jahr 1812,103 der Vorbild für viele spätere Staatsverträge wurde, war eine kollisionsrechtliche Regelung für die Rangordnung der Gläubiger zugunsten der lex fori concursus enthalten, wobei bewusst auf eine Ausnahme zugunsten der lex rei sitae verzichtet wurde.104 In den auf der dritten Haager Konferenz (1900) umgestalteten Prinzipien zum Konkursrecht105 wurde der Rang von durch Mobilien oder Immobilien gesicherten Gläubigern demgegenüber der lex rei sitae unterworfen.106 Diese wurden zwar vom Plenum so nicht verabschiedet, gingen aber in die vierte Haager Konferenz (1904) ein und mündeten dort schließlich in einen Modellstaatsvertrag.107 Die Sonderanknüpfung für den Rang spezifischer Mobiliar- und Immobiliarvorrechte wurde auch im Modellvertrag von 1925 beibehalten; ähnliches galt für etwaige Vorrechte des Fiskus.108 In Art.  19 des ersten Vorentwurfs für ein europäisches Konkursübereinkommen der EG von 1970 unterfiel die Rangordnung ebenfalls uneingeschränkt der Grundkollisionsnorm in Gestalt der Geltung des Rechts am Ort der Verfahrenseröffnung.109 Der zweite Vorentwurf hingegen sah in Artt.  43 ff. vor, für jeden Vertragsstaat, in dem sich Vermögen befindet, eine rechnerische Untermasse zu bilden und regelte, welches Recht über welche Vorrechte entscheidet.110 Dieses System wurde im revidierten Entwurf von 1984 nur in Details überarbeitet.111 Im Istanbuler Konkursübereinkommen von 1990 des Europarats finden sich keine Vorgaben zum anwendbaren Recht für die Rangfolge der Forderungen.112 Nach dem komplizierten Verteilungssystem in den Entwürfen aus den achtziger Jahren113 war bereits im Vorentwurf eines EG-Konkursübereinkommens von 1992114 in Art.  3 III lit.  g explizit vorgesehen, dass die Rangfolge insgesamt der allgemeinen Kollisionsregelung und somit der lex fori concursus unterfällt. Dem 103  Der Staatsvertrag wurde entworfen von von Feuerbach und ist abgedruckt in dessen Themis oder Beiträge zur Gesetzgebung, S.  307 ff. 104  Trunk, int. InsR, S.  38 m. w. N. 105  Die ursprünglich von der zweiten Haager Konferenz erarbeitet wurden, abgedruckt in Cl. (Journal du droit international) 1895, 197 (204 f.); vgl. Trunk, int. InsR, S.  41 m. w. N. 106  Trunk, int. InsR, S.  41 m. w. N. 107  Trunk, int. InsR. S.  41 f. m. w. N. 108  Art.  10 f. des Entwurfs, abgedruckt bei Volkmar, JW 1926, 307 (312). Vgl. Trunk, int. InsR, S.  43; Volkmar, JW 1926, 307 (309 f.). 109  Abgedruckt bei Kegel/Thieme, Vorschläge und Gutachten, S.  3 ff. 110  Abgedruckt bei Kegel/Thieme, Vorschläge und Gutachten, S.  45 ff.; vgl. hierzu ausführlich, insb. zur Entwicklung dieses Geflechts und Beispielsrechnungen Lemontey, Bericht, in Kegel/ Thieme, Vorschläge und Gutachten, S.  93 (168 ff., Rn.  106 ff.) m.v.w.N. zur Meinungsvielfalt in der Frage der Behandlung von Vorrechten in der damaligen Zeit; ferner Drobnig, in Kegel/Thieme, Vorschläge und Gutachten, S.  357 ff. 111  Vgl. den revidierten Entwurf von 1984, abgedruckt bei Kegel/Thieme, Vorschläge und Gutachten, S.  417 ff. 112  Metzger, Istanbuler Konkursübereinkommen, S.  207. 113  Nachweise oben Kapitel C. Fn.  4 4. 114  Abgedruckt in ZIP 1992, 1197 ff.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

entspricht Art.  4 II lit.  i des Übereinkommens vom 23.11.1995 und schließlich auch der heute geltenden Art.  4 II lit.  i EuInsVO. Daneben verweist auch Art.  4 II lit.  g EuInsVO für die hiermit im Zusammenhang stehende Frage, „welche Forderungen als Insolvenzforderungen anzumelden sind“ auf die lex fori concursus als Insolvenz­ statut. Art.  4 II lit.  g, i EuInsVO wurden in Art.  7 II lit.  g, i EuInsVO 2017 unverändert übernommen. 3.  Exkurs: Entwicklung des Internationalen Gläubigeranfechtungsrechts In einem gewissen dogmatischen Verwandtschaftsverhältnis zur Insolvenzanfechtung steht bekanntlich die Gläubigeranfechtung115, weshalb bereits an dieser Stelle ein Blick auf die Entwicklung des Internationalen Gläubigeranfechtungsrechts geworfen wird.116 Auf die Zusammenhänge wird im Weiteren verschiedentlich zurückzukommen sein. Zunächst versuchten die ältere Rechtsprechung und Literatur, ähnlich wie zur Konkursanfechtung, die Anknüpfung der Gläubigeranfechtung aus deren Rechtsnatur herzuleiten.117 Fragistas arbeitete heraus, dass im Gläubigeranfechtungsfall ein Dreipersonenverhältnis vorliegt und dieses ggf. im Rahmen der Anknüpfung zu berücksichtigen ist.118 Er selbst schlug für die Gläubigeranfechtung vor, prinzipiell die lex causae des Anspruchs zur Anwendung zu bringen, „zu dessen Befriedigung die Anfechtung dienen soll“, wobei aber der Anfechtungsgegner die Möglichkeit haben müsse, „seinen Erwerb nach seiner lex causae“ zu verteidigen.119 Dieser Ansatz muss wohl als Wurzel der heutigen kumulativen Anknüpfung der Insolvenz­ anfechtung gesehen werden,120 durchsetzen konnte er sich freilich für die Gläubi­ ger­anfechtung letztendlich nicht. Zwar hatte der BGH 1980 zunächst noch, insoweit nicht entscheidungstragend, ausgeführt, dass neben dem Recht, dem die zu befriedigende Forderung unterliegt, das über den angefochtenen Erwerbsakt bestimmende Recht grundsätzlich berücksichtigt werden müsse.121 Später zog man sich dann aber für das auf die Gläubigeranfechtung anwendbare Recht auf die Formel zurück,

115  Vgl. zur Problematik um das Verhältnis von Insolvenz- und Gläubigeranfechtung unten ad. C.VII.4.c. 116  Vgl. eingehend zur Entwicklung der international-privatrechtlichen Behandlung der Gläubigeranfechtung Schmidt-Räntsch, Anknüpfung der Gläubigeranfechtung, S.  8 ff.; ferner Hanisch, ZIP 1981, 569 ff. 117  Vgl. m. w. N. Hanisch, ZIP 1981, 569 (570); ferner Fragistas, RabelsZ 12 (1938/39), 452 (453 ff.); Schmidt-Räntsch, Anknüpfung der Gläubigeranfechtung, S.  18 ff. 118  Fragistas, RabelsZ 12 (1938/39), 452 ff. insb. S.  456 ff.; wenngleich freilich schon vorher weniger deutliche Hinweise in diese Richtung nachzuweisen sind, vgl. Hanisch, ZIP 1981, 569 (570 mit Fn.  6). 119  Fragistas, RabelsZ 12 (1938/39), 452 (457). 120  Fragistas selbst übertrug ihn auf die Insolvenzanfechtung, vgl. oben Kapitel C. Fn.  63. 121  BGH, Urteil vom 5.11.1980 – VIII ZR 230/79, BGHZ 78, 318 (321 ff., juris Rn.  18 ff.).

II.  Allgemeines und Regelungssystematik

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es gelte deutsches Recht, „wenn darauf alle wesentlichen Verhältnisse persönlicher und sachlicher Art zwingend hinweisen“.122 §  19 AnfG bestimmt als erste Norm des Internationalen Gläubigeranfechtungsrechts, dass sich die „Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung“ nach dem Recht richtet, „dem die Wirkungen der Rechtshandlung unterliegen“, verweist also auf das Wirkungsstatut der anfechtbaren bzw. angefochtenen Rechtshandlung.123

II.  Allgemeines und Regelungssystematik Die EuInsVO ist ursprünglich als Verordnung durch die Europäische Gemeinschaft, gestützt auf Art.  61 lit.  c, Art.  65 lit.  a 3. Spiegelstrich, Art.  67 I des EG-Vertrags, erlassen worden.124 Die EuInsVO 2017 stützt sich auf den AEUV, insbesondere auf Art.  81 AEUV. Damit beansprucht die EuInsVO nach Art.  288 UAbs.  2 AEUV125 unmittelbare Geltung in allen ihr unterworfenen Mitgliedstaaten126 und geht nationalem Recht in ihrem Anwendungsbereich vor. Als europäische Verordnung ist die EuInsVO autonom, d. h. losgelöst von konkreter mitgliedstaatlicher Begriffsverwendung, auszulegen.127 Maßgebend muss vielmehr eine rechtsvergleichende Ermittlung der Begriffsbedeutung sein, bei der insbesondere die Erwägungsgründe zu berücksichtigen sind,128 soweit nicht bereits eine Legaldefinition in Art.  2 EuInsVO129 enthalten ist.130 Auch der erläuternde Bericht zum EuIÜ131 kann als Auslegungshilfe herangezogen werden,132 wobei dieser nicht den Rang von Gesetzesmaterialien hat.133 Bei seiner Heranziehung sollte im122  BGH, Urteil vom 17.12.1998, IX ZR 196/97, NJW 1999, 1395 (1396, juris Rn.  17). Diese Formel leitete im Urteil vom 5.11.1980 die Erwägungen lediglich ein. 123  Vgl. zu §  19 AnfG nochmals m.e.N. unten ad F.II. 124  Vgl. zur Geschichte der EuInsVO oben ad C.I.1.c. 125  Zuvor: Art.  249 UAbs.  1 EG-Vertrag. 126  Vom Anwendungsbereich ausgeschlossen ist Dänemark (vgl. unten ad C.III.2.). Soweit im Folgenden im Zusammenhang mit der EuInsVO von „Mitgliedstaat(en)“ die Rede ist, sind damit alle EU-Mitglieder mit Ausnahme Dänemarks gemeint. 127  Eingehend je m. w. N. Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Vorbemerkung Rn.  20 ff.; Kindler, in MüKo BGB, Vorbemerkung EuInsVO, Rn.  13; Reinhart, in MüKo InsO, Vorbemerkung EuInsVO Rn.  23; Stephan, in HK InsO, Vorbemerkung EuInsVO Rn.  3 f. Dazu nochmal näher hinsichtlich des Untersuchungsgegenstands unten ad E.I.2. 128  Stephan, in HK InsO 7.A., Vorbemerkung EuInsVO Rn.  3 f. Ferner: Kindler, in MüKo BGB, Vorbemerkung EuInsVO Rn.  13: „mitgliedsstaatliches „Durchschnittsverständnis““. 129  In der EuInsVO 2017 ebenfalls in Art.  2 mit einigen Ergänzungen. 130  Reinhart, in MüKo InsO, Vorbemerkung EuInsVO Rn.  23. 131  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht. 132  Kindler, in MüKo BGB, Vorbemerkung EuInsVO Rn.  13, der daneben noch die Stellungnahmen des europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses als Auslegungshilfen nennt; Wimmer, NJW 2002, 2427. 133  Reinhart, in MüKo InsO, Vorbemerkung EuInsVO Rn.  23. Ähnlich: Mäsch, in Rauscher EuZPR, Art.  4 EuInsVO Rn.  5: „keine Gesetzeskraft“.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

mer bedacht werden, dass dieser noch zum EuIÜ als geplantes europäisches Übereinkommen erstellt wurde. Die EuInsVO enthält kein vereinheitlichtes, materielles europäisches Insolvenzrecht, sondern unter anderem134 eine Regelung zur internationalen Zuständigkeit (Art.  3 EuInsVO135, ErwG 15 S.  1), Regeln zur Anerkennung von Verfahren, die in anderen Mitgliedstaaten eröffnet wurden (Art.  16–26 EuInsVO136), und Kollisionsregeln (Art.  4 –15 EuInsVO137). International zuständig für das Hauptinsolvenzverfahren sind nach Art.  3 I 1 EuInsVO die Gerichte des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen (oft auch entsprechend der englischen Sprachfassung der EuInsVO als „center of main interest“ oder kurz „COMI“ bezeichnet) hat.138 Die EuInsVO musste hinsichtlich der Wirkungen eines im Ausland eröffneten Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens zwischen dem Universalitäts- und dem Territorialitätsprinzip entscheiden.139 Dabei geht die EuInsVO im Ausgangspunkt von einem universalen Hauptinsolvenzverfahren (vgl. Art.  16 EuInsVO) aus.140 Die Universalität wird allerdings nicht streng durchgehalten, sondern aufgeweicht durch die Möglichkeit partieller territorialer Verfahren. Dabei ist zwischen Partikularverfahren (Art.  3 II, IV EuInsVO), welche vor der Eröffnung eines Hauptverfahrens möglich sind, und Sekundärinsolvenzverfahren (Artt.  3 III, 27 ff. EuInsVO), welche neben einem Hauptverfahren durchgeführt werden, zu unterscheiden.141 Beide Varianten erfordern, dass der Schuldner eine Niederlassung in dem das partielle Verfahren eröffnenden Mitgliedstaat hat, der Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen aber in einem anderen Mitgliedstaat belegen ist. Ein Partikularverfahren wandelt sich mit Eröffnung des Hauptverfahrens zu einem Sekundärverfahren, vgl. Art.  3 III der Verordnung. Daneben stellen auch die Ausnahmen in Artt.  5 –15 EuInsVO in der Sache Einschränkungen des Universalitätsprinzips dar.142

134  Daneben sind Regelungen zu den partiellen territorialen Verfahren und zur Unterrichtung der Gläubiger und Anmeldung ihrer Forderungen in der EuInsVO zu finden. Neu eingeführt wurden in der EuInsVO 2017 Regelungen für Insolvenzverfahren über das Vermögen von Mitgliedern einer Unternehmensgruppe sowie Regeln zum Datenschutz. 135  Mit Ergänzungen im Wesentlichen übernommen in Art.  3 EuInsVO 2017. 136  In der EuInsVO 2017: Artt.  19–23. 137  In der EuInsVO 2017: Artt.  7–18. Für Art.  5 EuInsVO ist der Charakter als Kollisionsnorm allerdings umstritten: vgl. Reinhart, in MüKo InsO, Art.  5 EuInsVO Rn.  17. 138  Eingehend dazu, gerade bei Gesellschaften, unten ad C.IV. 139  Vgl. hierzu bereits oben ad C.I.1.c. 140  Vgl. eingehend dazu C. Paulus, EuInsVO, Einl. Rn.  21 ff. 141  Vgl. zu den Einzelheiten dieser partiellen Verfahren eingehend C. Paulus, EuInsVO, Art.  3 Rn.  44 ff. Ferner auch Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  24 ff., Rn.  80 ff. und Rn.  211 ff. 142  C. Paulus, EuInsVO, Einl. Rn.  32.

III. Anwendungsbereich

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III. Anwendungsbereich 1.  Sachlicher Anwendungsbereich Den sachlichen Anwendungsbereich der EuInsVO definiert Art.  1 EuInsVO. Er umfasst gem. Abs.  1 „Gesamtverfahren, welche die Insolvenz des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben“. Die davon umfassten Verfahren finden sich abschließend143 im Anhang A der Verordnung. Im Rahmen der EuInsVO-Reform wird der sachliche Anwendungsbereich erweitert. Unter Art.  1 EuInsVO 2017 fallen künftig auch Verfahren ohne Verwalterbestellung, in denen ein Gericht die Kontrolle und Aufsicht über das Vermögen und die Geschäfte des Schuldners hat (Art.  1 I UAbs.  1 lit.  b EuInsVO 2017). Verfahren, die mit einer vorübergehenden Aussetzung der Einzelzwangsvollstreckung zum Zwecke der Verhandlung zwischen Schuldner und Gläubigern einhergehen, können unter bestimmten Umständen unter Art.  1 I UAbs.  1 lit.  c EuInsVO 2017 fallen. Die Insolvenz des Schuldners ist als zwingende Voraussetzung in allen Varianten entfallen. Es genügt nunmehr, dass die Verfahren als Gesamtverfahren „auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen zur Insolvenz stattfinden“ und den „Zwecken der Rettung, Schuldenanpassung, Reorganisation oder Liquidation“ dienen. Art.  1 I EuInsVO 2017 erfasst nunmehr ausdrücklich auch vorläufige Verfahren.144 Letztlich entscheidend für die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs bleibt aber nach wie vor, ob das jeweilige Verfahren im Anhang A der Verordnung aufgeführt ist, Art.  1 I UAbs.  3 EuInsVO 2017.145 Art.  1 II EuInsVO nimmt aus diesem Anwendungsbereich Verfahren über das Vermögen von Versicherungsunternehmen, Kreditinstituten, bestimmten Wertpapierfirmen und Organismen für gemeinsame Anlagen aus,146 für die eigene Richt­ linien147 erlassen wurden. Diese hat der deutsche Gesetzgeber in das autonome Internationale Insolvenzrecht der §§  335 ff. InsO umgesetzt.148 143 

C. Paulus, EuInsVO, Einl. Rn.  35; Reinhart, in MüKo InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  2 m. w. N. dem EuGH fallen auch bislang Eröffnungsverfahren, die die Voraussetzungen des Art.  1 EuInsVO erfüllen (Beschlagnahme und Verwalterbestellung) unter den Verfahrensbegriff der EuInsVO, vgl. EuGH, Urteil vom 2.5.2006 – C-341/04 („Eurofood IFSC“), Slg 2006, I-3813 (Rn.  45 ff., insb. Rn.  54). 145  Kindler/Sakka, EuZW 2015, 460 (461). 146  Dies kann man auch als Ausnahme des persönlichen Anwendungsbereichs verstehen, vgl. Reinhart, in MüKo InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  8, wie hier dagegen C. Paulus, EuInsVO, Einl. Rn.  36. In der Sache macht dies freilich keinen Unterschied. 147  Für Kreditinstitute: Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, Abl. EG Nr. L 125/15 vom 5.5.2001; für Versicherungsunternehmen: Richtlinie 2001/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen, Abl. EG Nr. L 110/28 vom 20.4.2001; abgelöst ab 1.11.2012 durch die Richtlinie 2009/138/EG („Solvabilität II“), Abl. EU Nr. L 335 vom 17.12.2009. 148  Vgl. oben ad C.I.1.b. m.e.N. 144  Nach

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

2.  Räumlicher Anwendungsbereich Der räumliche Anwendungsbereich der EuInsVO ist grundsätzlich bei grenzüberschreitenden Sachverhalten innerhalb der EU eröffnet,149 wenn sich der center of main interest innerhalb eines der Mitgliedstaaten der EU befindet150. Einzig Dänemark ist vom Anwendungsbereich der EuInsVO ausgeschlossen, da es gegenüber Art.  65 des Amsterdamer Vertrages Vorbehalte erklärt hat, womit hierauf basierenden Verordnungen keine unmittelbare Wirkung gegenüber Dänemark zukommt, vgl. Art.  69 EGV.151 Dänemark ist deshalb im Rahmen der EuInsVO als Drittstaat zu behandeln.152 Solche Vorbehalte erklärten auch das Vereinigte Königreich und Irland,153 die sich aber an der Annahme und Anwendung der Verordnung beteiligt haben, vgl. ErwG 32 der EuInsVO bzw. ErwG 88 der EuInsVO 2017.154 Über die Detailfragen des räumlichen (teilweise auch bezeichnet als räumlich-sachlichen) Anwendungsbereichs besteht hingegen keine Einigkeit. Klar ist, dass die EuInsVO nicht für reine Binnensachverhalte gilt, bei denen bereits keine international-insolvenzrechtlichen Fragen auftreten.155 Unstreitig ist auch die Anwendung der Verordnung bei COMI in einem der Mitgliedstaaten und Auslandsbezug des Sachverhalts zu einem von diesem verschiedenen Mitgliedstaat (sog. qualifizierter Mitgliedstaatenbezug).156 Liegt der COMI dagegen außerhalb der Mitgliedstaaten in einem sog. Drittstaat, findet die EuInsVO unstreitig keine Anwendung (vgl. ErwG 14 der EuInsVO)157 und es gilt das autonome Internationale Insolvenzrecht.158 Problematisch sind die Fälle, in denen der COMI im Bereich eines Mit-

149  Smid, in Leonhardt/Smid/Zeuner int. InsR, Art.  1 EuInsVO Rn.  6; ferner C. Paulus, ­EuInsVO, Einl. Rn.  33. 150  Smid, in Leonhardt/Smid/Zeuner int. InsR, Art.  1 EuInsVO Rn.  6. 151  Bornemann/Sabel/Schlegel, in Graf-Schlicker InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  3; Nerlich, in Nerlich/­Römermann InsO, Vorb. EuInsVO, Rn.  31; Reinhart, in MüKo InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  11, siehe ferner Erwägungsgrund 33 der Verordnung. 152  Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  12. Vgl. ferner OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.1.2005 – 20 W 527/04, ZInsO 2005, 715 ff. Wenn im Folgenden die Rede von den Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der EuInsVO ist, sind damit alle Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme Dänemarks gemeint (vgl. bereits oben Kapitel C. Fn.  126). 153  Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, Vorb. EuInsVO, Rn.  31. 154 Vgl. Reinhart, in MüKo InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  11. 155 Vgl. Reinhart, in MüKo InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  13; i. E. auch P. Huber, in Haß/Huber/ Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  1 Rn.  15; C. Paulus, EuInsVO, Einl. Rn.  33; hinsichtlich der internationalen Eröffnungszuständigkeit geht der EuGH allerdings davon aus, dass diese Frage bereits bei der Eröffnungsentscheidung zu beantworten ist, da hier nicht abgewartet werden kann, bis internationale Gesichtspunkte zu Tage treten, vgl. EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (Rn.  28). 156  Kindler, in MüKo BGB, Art.  1 EuInsVO Rn.  23. 157  Kindler, in MüKo BGB, Art.  1 EuInsVO Rn.  24; ferner Smid, in Leonhardt/Smid/Zeuner int. InsR, Art.  1 EuInsVO Rn.  6. 158  C. Paulus, EuInsVO, Einl. Rn.  34.

III. Anwendungsbereich

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gliedstaates liegt, der Auslandsbezug des Sachverhalts aber nur zu einem oder mehreren Drittstaaten besteht.159 a.  Drittstaatenbezug des Sachverhalts ausreichend Teilweise wird auch im Verhältnis zu Drittstaaten von einer Anwendbarkeit der EuInsVO ausgegangen.160 Argumentiert wird vor allem mit dem in vielen Normen der EuInsVO bereits dem Wortlaut nach vorausgesetzten Mitgliedstaatenbezug (etwa in Artt.  5, 7–11, 13 EuInsVO), der hingegen an anderer Stelle (etwa bei Art.  3 I EuInsVO) fehle.161 Dies zeige, dass der Verordnungsgeber das Problem des Verhältnisses zu Drittstaaten gesehen und insoweit verbindlich gelöst habe.162 Gerade bei der Feststellung der internationalen Zuständigkeit im Rahmen der Eröffnungsentscheidung sei zudem oft noch gar nicht absehbar, ob ein Auslandsbezug zu einem anderen Mitgliedstaat gegeben ist.163 Art.  44 III lit.  a, b EuInsVO164, der die Geltung der Verordnung verneint, soweit sie mit Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Verträgen mit Drittstaaten bzw. im Rahmen des Commonwealth unvereinbar ist, ergebe nur Sinn, wenn die Verordnung schon im Grundsatz auch das Verhältnis zu Drittstaaten regle.165

159 

Kindler, in MüKo BGB, Art.  1 EuInsVO Rn.  25. High Court of Justice, Urteil vom 7.2.2003 – 0042/2003 („BRAC-Budget“), ZIP 2003, 813 (815 Rn.  24), der sogar jeglichen weiteren Auslandsbezug für entbehrlich hält (vgl. dazu Herchen, ZInsO, 2003, 742 (743)); bestätigt durch High Court of Justice Leeds, Urteil vom 20.5.2004 – 556 und 557/2004, ZIP 2004, 1769; Geimer, in Geimer/Schütze, Art.  1 EuInsVO Rn.  15; Gruber, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, Anh. I, Art.  1 EuInsVO Rn.  49; ­Haubold, IPRax 2003, 34 (35 f.); Hausmann, in Reithmann/Martiny 7.A., Rn.  5608; Herchen, ­ZInsO 2003, 742 (746); P. Huber, ZZP 114 (2001), 133 (138 f.); ders., in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  1 Rn.  19 ff.; Krebber, IPRax 2004, 540 (542); Mäsch, in Rauscher EuZPR, Art.  1 EuInsVO Rn.  15; Wenner/Schuster, in FK InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  10. Tendenziell wohl auch über die zu entscheidende Frage (Geltung des Art.  3 I EuInsVO ohne qualifizierten Mitgliedstaatenbezug des Sachverhalts) hinaus, der EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610, vgl. nochmals eingehend, auch zur Begründung des EuGH, unten ad C.III.2.e. 161  EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (Rn.  18, 22 f.); zuvor bereits P. Huber, ZZP 114 (2001), 133 (138 f.); ders., in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  1 Rn.  20 f., der allerdings unpräzise auf den gesamten Art.  3 EuInsVO verweist. 162  P. Huber, ZZP 114 (2001), 133 (138 f.); ders., in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  1 Rn.  20 f. 163  So bereits Lemontey, Bericht, in Kegel/Thieme, Vorschläge und Gutachten, S.  93 (102 f.); ferner: Herchen, ZInsO 2003, 742 (744, 746); P. Huber, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  1 Rn.  22; in diese Richtung auch EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (Rn.  28). 164  Übernommen in Art.  85 III EuInsVO 2017. 165  Herchen, ZInsO 2003, 742 (746). Angedacht bereits von Eidenmüller, IPRax 2001, 2 (5) und im Anschluss daran von Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  1 Rn.  52., die diese Auslegung i. E. allerdings ablehnen (vgl. unten Kapitel C. Fn.  233). In diese Richtung (allerdings nur hins. lit.  a) jetzt auch der EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (Rn.  23). 160 

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

Auch der erläuternde Bericht zum EuIÜ soll für diesen Ansatz sprechen, in dessen Rn.  44 zu lesen ist: „Das Übereinkommen erstreckt sich nur auf die Fälle, in denen sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners in einem Vertragsstaat befindet. Liegt der Mittelpunkt außerhalb des Gebiets eines Vertragsstaates, so findet das Übereinkommen keine Anwendung. In diesem Fall bestimmt das internationale Privatrecht der einzelnen Mitgliedstaaten, ob ein Insolvenzverfahren eröffnet werden darf, und legt die anwendbaren Normen fest“.166

Dies lege nahe, dass nationales Zuständigkeitsrecht nur dann gilt, wenn der COMI außerhalb eines Mitgliedstaates liegt.167 Daneben ist im erläuternden Bericht die Rede von einer „weltweiten“ Beschlagnahmewirkung des Hauptverfahrens,168 was für eine Geltung der EuInsVO bei bloßem Drittstaatenbezug sprechen soll.169 Nach ErwG 23 der EuInsVO würden die nationalen Kollisionsnormen durch die EuInsVO „ersetzt“, ohne dass dies auf das Verhältnis unter den Mitgliedstaaten beschränkt wäre.170 Teilweise wird auch ein Vergleich zur EuGVVO (inzwischen abgelöst durch die Brüssel Ia-VO171) gezogen, bei der kein qualifizierter Mitgliedstaatenbezug notwendig ist.172 Bei beiden Verordnungen bestimme die Zuständigkeitsnorm zugleich den räumlichen Anwendungsbereich.173 b.  Qualifizierter Mitgliedstaatenbezug des Sachverhalts erforderlich Die Lehre vom qualifizierten Mitgliedstaatenbezug lehnt die Anwendung der Verordnung im Verhältnis zu Drittstaaten ab und fordert einen qualifizierten Mitgliedstaatenbezug des Sachverhalts.174 Die EuInsVO sei auf die Funktionsfähigkeit des 166 

(35)].

167 

Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  44 [Hervorhebung nach Haubold, IPRax 2003, 34

Haubold, IPRax 2003, 34 (35). Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  19 und 73. 169  In diese Richtung: EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (Rn.  25). 170 Vgl. Herchen, ZInsO 2003, 742 (746). 171  Für nach dem 10.1.2015 eingeleitete Verfahren (Art.  66 I Brüssel Ia-VO). Vgl. zu den Änderungen Alio, NJW 2014, 2395 ff. Der hier interessierende, mit Art.  3 EuInsVO vergleichbare Art.  2 EuGVVO ist unverändert in Art.  4 Brüssel Ia-VO übernommen worden. 172 Vgl. Wenner/Schuster, in FK InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  10; Mäsch, in Rauscher EuZPR, Art.  1 EuInsVO Rn.  15, mit Verweis auf die Entscheidung des EuGH vom 1.3.2005 zum EuGVÜ – C-281/02 („Owusu“), Slg 2005, I-1383. Diese Frage war lange Zeit streitig, dürfte mit der vorgenannten Entscheidung des EuGH aber nun entschieden sein, vgl. Mankowski, in Rauscher EuZPR 3.A., Art.  2 Brüssel I-VO Rn.  11 m. w. N. zu beiden Ansichten. 173  Gruber, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, Anh. I, Art.  1 EuInsVO Rn.  49. 174  Leible/Staudinger, KTS 2000, 533 (538); Eidenmüller, IPRax 2001, 2 (5); Fritz/Bähr, DZWiR 2001, 221 (222); Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  1 Rn.  3, 8 f., 51 ff.; Karahan, in Haarmeyer/Wutzke/Förster InsO, Vor. §§  335 ff. InsO Rn.  7 f.; Kindler, in MüKo BGB, Art.  1 EuInsVO Rn.  28; Pannen, in Pannen EuInsVO, Art.  1 168 

III. Anwendungsbereich

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Binnenmarktes gerichtet und folglich nur im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander anwendbar.175 Neben den Erwägungsgründen der EuInsVO (Nr.  3 –5, insbesondere Nr.  3 und 4176) werden für diese Sichtweise auch immer wieder der erläuternde Bericht und andere Materialien des EuIÜ177 herangezogen.178 In Rn.  11 des erläuternden Berichts heißt es: „Das Übereinkommen regelt lediglich die innergemeinschaftlichen Wirkungen von Insolvenzverfahren. Es findet nur Anwendung, wenn der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners im Gebiet eines Vertragsstaates (d. h. der Gemeinschaft) liegt. Selbst dann regelt das Übereinkommen aber nicht die Wirkungen des Verfahrens gegenüber Drittstaaten. In Bezug auf Drittstaaten hindert das Übereinkommen die Vertragsstaaten nicht daran, geeignete Vorschriften zu erlassen.“179

Über diesen beschränkten Anwendungsbereich, der für das EuIÜ vorgesehen war, sei im Rahmen der Verhandlungen der EuInsVO soweit ersichtlich nicht mehr diskutiert worden.180 Weiterhin wird vorgebracht, eine Anwendung der EuInsVO sei ohne Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat zwar denkbar, laufe aber wegen der Beschränkung der Erleichterungen auf Mitgliedstaaten praktisch leer.181 Die Regelungen der EuInsVO seien zudem stark durch das gegenseitige Vertrauen geprägt, welches im Verhältnis zu Drittstaaten nicht im selben Maße bestünde.182 Auch der Wortlaut in der französischen Fassung, die von „procédures d’insolvabilité transfrontalières“ („gebietsübergreifend“) anstatt „transfrontier“ („grenzüberschreitend“) spricht, wird als Argument angeführt.183 Eine Anwendung der Regelungen auch im Verhältnis zu Drittstaaten unterlaufe zudem den von Dänemark erklärten Anwendungsvorbehalt.184

Rn.  120; C. Paulus, EuInsVO, Einl. Rn.  34, Art.  3 Rn.  7 f., ders., NZI 2001, 505 (507); Smid, in Leonhardt/Smid/Zeuner, int. InsR, Art.  1 Rn.  8; ohne weitere Begründung auch Ehricke/Ries, JuS 2003, 313 f. 175 Vgl. Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  1 Rn.  3, 8; Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, Vorb. EuInsVO Rn.  43. 176  Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, Vorb. EuInsVO Rn.  43. 177 Namentlich: Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  11, 44; ferner Wimmer, in Stoll, Vorschläge und Gutachten, S.  179 (180); Trunk, in Stoll, Vorschläge und Gutachten, S.  232 (233 ff.). 178 Etwa bei Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  1 Rn.  3 Fn.  10, Rn.  8. 179  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  11. 180  Eidenmüller, IPRax 2001, 2 (5); im Anschluss daran Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  1 Rn.  53 Fn.  112. 181  Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  1 Rn.  8 m. w. N. 182  Kindler, in MüKo BGB, Art.  1 EuInsVO Rn.  29; Kemper, in Kübler/Prütting/Bork InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  15. 183  Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  1 Rn.  3. 184  Smid, in Leonhardt/Smid/Zeuner int. InsR, Art.  1 Rn.  6.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

c.  Differenzierung nach einzelnen Teilkomplexen Vorgeschlagen wurde ferner eine Differenzierung nach einzelnen Teilkomplexen der EuInsVO.185 So soll sich etwa die internationale Zuständigkeit zur Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens für die Gerichte der Mitgliedstaaten generell nach Art.  3 I EuInsVO richten.186 Dasselbe gelte für die aus Art.  3 EuInsVO folgende Annexkompetenz.187 Im Bereich der Kollisionsregeln sollen die Einschränkungen des Wortlauts auf Mitgliedstaaten beachtet werden und ggf. Raum für das autonome Kollisionsrecht verbleiben, was aber für jede Kollisionsnorm einzeln zu entscheiden sei.188 Als Merkmal, das über eine Eröffnung des Anwendungsbereichs der Kollisionsregeln entscheiden könne, wird die Belegenheit des in Streit stehenden Vermögensgegenstandes vorgeschlagen.189 Hinsichtlich der Anerkennung regle die Verordnung selbst, dass nur Verfahren, die in anderen Mitgliedstaaten stattfinden, automatisch anerkannt werden.190 Ähnliches gelte für das Sekundärverfahren (Kapitel III der VO), dessen Anwendungsbereich ebenfalls dem Wortlaut nach auf das Verhältnis unter den Mitgliedstaaten beschränkt sei.191 Bei den Bestimmungen des Kapitels IV ergebe sich der Anwendungsbereich auch aus den Normen selbst.192 d.  Keine Anwendbarkeit der EuInsVO bei Vermögen in Drittstaat Teilweise wird offenbar sogar davon ausgegangen, dass sobald ein Bezug zu einem Drittstaat (etwa durch dort belegenes Vermögen) gegeben ist, die EuInsVO insgesamt nicht mehr anwendbar ist, d. h. auch nicht im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten.193 Dem liegt offenbar die Vorstellung zugrunde, die EuInsVO stelle ein 185  Reinhart, in MüKo InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  15 ff.; ähnlich: Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, Vorb. EuInsVO Rn.  37 ff. Ähnlich nach dem Urteil des EuGH „Schmid“ (dazu unten ad C.III.2.e.) auch: Bornemann/Sabel/Schlegel, in Graf-Schlicker InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  6 f.; Undritz, in HaKo InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  7; ausdrücklich ablehnend Kindler, in MüKo BGB, Art.  1 EuInsVO Rn.  29 a. E. 186  Bornemann/Sabel/Schlegel, in Graf-Schlicker InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  7; Reinhart, in MüKo InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  16. Unentschlossen: Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, Vorb. EuInsVO Rn.  49. 187  Reinhart, in MüKo InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  17. 188  Reinhart, in MüKo InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  18 ff.; etwas verkürzt hingegen hierzu Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, Vorb. EuInsVO Rn.  54 ff., wo offen bleibt, wie es um die Anwendbarkeit der Grundkollisionsnorm steht. 189  Reinhart, in MüKo InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  21 f. für Art.  5, 7 und 8 EuInsVO; ähnlich bereits C. Paulus, EuInsVO, Art.  3 Rn.  7; ders., NZI 2001, 505 (507), der aber generell einen qualifizierten Mitgliedstaatenbezug verlangt, vgl. oben Kapitel C. Fn.  174; ablehnend hierzu i.R.v. Art.  13 EuInsVO Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  8. 190  Reinhart, in MüKo InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  29; ähnlich auf Basis des Ansatzes, der einen Drittstaatenbezug grundsätzlich für ausreichend hält: Gruber, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, Anh. I, Art.  1 EuInsVO Rn.  43. 191  Reinhart, in MüKo InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  30. 192  Reinhart, in MüKo InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  31. 193  So wohl Kemper, in Kübler/Prütting/Bork InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  15: „Ebenso findet sie (Anm.: die EuInsVO) keine Anwendung auf ein Insolvenzverfahren in einem Mitgliedstaat, von

III. Anwendungsbereich

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einheitliches System dar, das nur für das gesamte Insolvenzverfahren gelten könne. Verwiesen wird dafür auf Rn.  11 und 44 des erläuternden Berichts.194 Hieraus eine derart weitgehende Einschränkung zu lesen, würde aber dazu führen, dass die EuInsVO in einer Vielzahl grenzüberschreitender Verfahren überhaupt nicht anwendbar wäre. Es genügte der vergessene Regenschirm in einem Drittstaat.195 Diese Ansicht, sofern die genannten Autoren dies überhaupt ausdrücken wollten, soll deshalb nicht weiterverfolgt werden. e.  Das EuGH-Urteil „Schmid“ Auf Vorlage des BGH196 hatte der EuGH über die Frage zu entscheiden, ob Art.  3 I EuInsVO bei einer Anfechtungsklage197 gegen einen Anfechtungsgegner mit Wohnsitz in einem Drittstaat anwendbar ist.198 Diese Frage hat der EuGH bejaht.199 Dabei prüfte der EuGH zunächst allgemein, ob Art.  3 I EuInsVO für die Eröffnungszuständigkeit maßgeblich ist, wenn der einzige Auslandsbezug zu einem Drittstaat besteht.200 Er kam zu dem Ergebnis, dass „die Anwendung von Art.  3 I der Verordnung“ keinen qualifizierten Mitgliedstaatenbezug voraussetze.201 Der Wortlaut des Art.  3 I EuInsVO verlange lediglich, dass der COMI in einem Mitgliedstaat liege.202 Ein generelles Erfordernis eines qualifizierten Mitgliedstaatenbezugs ergebe sich aus der Verordnung, insbesondere aus Art.  1 EuInsVO, nicht.203 Nach ErwG 14 sei die Anwendbarkeit der Verordnung nur ausgeschlossen, wenn sich der COMI in einem Drittstaat befinde.204 In der EuInsVO gebe es neben Vorschriften, die im Tatbestand einen Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat verdem auch Vermögensgegenstände in Drittstaaten betroffen sind“, unter Verweis auf AG Köln, Beschluss vom 18.2.2008 – 71 IK 585/07, NZI 2008, 390, das allerdings eine solch weitgehende Aussage nicht trifft, sondern vielmehr feststellt, dass die EuInsVO „im Verhältnis“ zu Norwegen nicht gilt und auf Balz, ZIP 1996, 948, der ebenfalls keine Aussage zu einer generellen Unanwendbarkeit bei Drittstaatenbezug trifft; ebenso zumindest missverständlich Stephan, in HK InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  13; a. A. ausdrücklich: Pannen, in BK InsR, Art.  1 EuInsVO Rn.  6. 194  Kemper, in Kübler/Prütting/Bork InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  15 mit Fn.  41. 195 Beispiel in Anlehnung an Brinkmann, LMK 2014, 356291, der den vergessenen Regenschirm in einem Mitgliedstaat als Beispiel bei der Frage nach einem qualifizierten Mitgliedstaatenbezug zur Eröffnung des Anwendungsbereichs des Art.  3 I EuInsVO anführt. 196  BGH, EuGH-Vorlage vom 21.6.2012 – IX ZR 2/12, ZIP 2012, 1467. 197  Stichwort vis attractiva concursus; vgl. zur Anwendbarkeit von Art.  3 I EuInsVO für die Zuständigkeit für Insolvenzanfechtungsklagen: EuGH, Urteil vom 12.2.2009 – C-339/07 („Seagon“), Slg 2009, I-767. 198  EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610. 199  EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (LS, Rn.  39). Ebenso auch für die Annexzuständigkeit für Klagen aus §  64 II 1 GmbHG a. F. (= §  64 S.  1 GmbHG n. F.) der EuGH, Urteil vom 4.12.2014 – C-295/13 („H“), NZI 2015, 154 (LS 2, Rn.  34), dazu nochmals unten ad C.V.2.a.bb. 200  EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (Rn.  19). 201  EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (Rn.  29). 202  EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (Rn.  18). 203  EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (Rn.  20 f.). 204  EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (Rn.  21).

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

langen, auch Vorschriften, bei denen dies nicht der Fall ist.205 Hinsichtlich der zweitgenannten Vorschriften sprächen die Ziele der Verordnung „nicht für eine enge Auslegung des Anwendungsbereichs“.206 Zwar sei die Verordnung auf „das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts“ gerichtet (ErwG 2–4), wofür aber gerade auch ein forum shopping (ErwG 4) im Verhältnis zu Drittstaaten zu verhindern sei und auch in diesem Verhältnis sei die Wirksamkeit grenzüberschreitender Insolvenzverfahren ein Ziel der EuInsVO (ErwG 8).207 Auch die angestrebte universelle Geltung des Hauptinsolvenzverfahrens (ErwG 12) wird vom EuGH genannt.208 Aus den spezifischen Zielen von Art.  3 I EuInsVO, namentlich der Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit in Anbetracht der Eröffnungszuständigkeit, ergebe sich ebenfalls keine Beschränkung des Anwendungsbereichs.209 Vielmehr spreche der Umstand, dass die internationalen Bezüge im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung mitunter noch gar nicht alle bekannt sind, gegen das Erfordernis eines qualifizierten Mitgliedstaatenbezugs bei Art.  3 I EuInsVO.210 Das Ergebnis zur internationalen Eröffnungszuständigkeit, dass kein qualifizierter Mitgliedstaatenbezug notwendig ist, sei auf die Annexzuständigkeit, die aus Art.  3 I EuInsVO abgeleitet wird, zu übertragen.211 Der EuGH bringt in seiner Entscheidung zum Ausdruck, dass er kein generelles Erfordernis eines qualifizierten Mitgliedstaatenbezugs zur Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung erkennen kann. Bedauerlicherweise hat er sich mit der Historie der EuInsVO, insbesondere dem für das zuvor praktisch identische EuIÜ, aus dem die EuInsVO hervorging, vorgesehenen innereuropäischen Anwendungsbereich, nicht auseinandergesetzt.212 Verbindlich entschieden hat der EuGH allerdings nur über den Anwendungsbereich des Art.  3 I EuInsVO. Ein abweichendes Ergebnis ist insbesondere im Hinblick auf Systematik und Historie für einzelne Regelungen oder Regelungsbereiche damit nicht von vorneherein ausgeschlossen.213 f.  Relevanz für die vorliegende Problematik Die Problematik um die Notwendigkeit eines qualifizierten Mitgliedstaatenbezugs ist nur in einigen der hier interessierenden Konstellationen von Belang. 205 

EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (Rn.  22 f.). EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (Rn.  24 f.). 207  EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (Rn.  25). 208  EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (Rn.  25). 209  EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (Rn.  26 f.). 210  EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (Rn.  28). 211  EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (Rn.  30 ff.). 212  Kritisch deshalb auch Bornemann/Sabel/Schlegel, in Graf-Schlicker InsO, Vorbemerkung EuInsVO Rn.  36 mit Fn.  56. 213  So auch die Einschätzung von Brinkmann, LMK 2014, 356291. A.A. offenbar Kindler, in MüKo BGB, Art.  1 EuInsVO Rn.  28. 206 

III. Anwendungsbereich

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Für EU-Auslandsgesellschaften mit COMI im Inland ist ein qualifizierter Mitgliedstaatenbezug hinsichtlich der Gesellschafterfremdfinanzierung bereits durch die entsprechende Rechtsform und das abweichende Gesellschaftsstatut214 gegeben. Auslandsgesellschaften aus Drittstaaten können wegen der gegenüber ihnen fortgeltenden Sitztheorie grundsätzlich keinen COMI im Inland haben, da eine Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes215 in die Bundesrepublik nach der Rechtsprechung des BGH zur Behandlung als deutsche Personengesellschaft führt.216 Die EuInsVO ist regelmäßig mangels COMI in einem Mitgliedstaat217 auch nicht für partielle territoriale Verfahren über das Inlandsvermögen solcher Gesellschaften anwendbar. Etwas anderes gilt aber für Auslandsgesellschaften aus den Vereinigten Staaten, die auf Basis des deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrags218 ihren effektiven Verwaltungssitz nach Deutschland verlegen können.219 In einem solchen Fall liegt der COMI in der Bundesrepublik, während ein qualifizierter Mitgliedstaatenbezug hinsichtlich der Gesellschafterfremdfinanzierung regelmäßig fehlt. Ähnliches gilt für Dänemark, dessen Gesellschaften ebenfalls die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit genießen und nach Deutschland zuziehen können 220, im Rahmen der EuInsVO aber als Drittstaaten gelten 221 und für die EFTA-Staaten, deren Gesellschaften auf Grund der in Art.  31 des EWR-Abkommens222 garantierten Niederlassungsfreiheit zuziehen können 223. In diesen Fällen kommt es also für die anwendbaren Normen darauf an, ob die EuInsVO einen qualifizierten Mitgliedstaatenbezug voraussetzt. g.  Verbleibende Problembereiche und Stellungnahme Die nach Teilbereichen differenzierende Ansicht hat gezeigt, dass die Frage nach der Erforderlichkeit eines qualifizierten Mitgliedstaatenbezugs nicht notwendig einheitlich zu beantworten ist. Für einzelne Kapitel der EuInsVO stellt sie sich praktisch auch nicht, da die Normen alle bereits dem Wortlaut nach einen Bezug zu ei214 

215 

C.IV.

216 

Vgl. zum Gesellschaftsstatut eingehend unten ad D.I.3.d. Zum regelmäßigen Übereinstimmen von COMI und effektivem Verwaltungssitz unten ad

Eingehend hierzu m.e.N. unten ad D.I.4. und unten ad F.I.2.a. anderes kommt auch dann nicht in Betracht, wenn die Drittstaaten-Auslandsgesellschaft ihren COMI in einem anderen Mitgliedstaat der Verordnung hat. Eine solche Auslandsgesellschaft aus einem Drittstaat würde in der Bundesrepublik wegen der fortgeltenden Sitztheorie grds. nicht anerkannt, selbst wenn der Mitgliedstaat, in dem sich der COMI befindet, selbst der Gründungsrechtsanknüpfung für Drittstaatengesellschaften folgt. Die Niederlassungsfreiheit ist auf solche Gesellschaften nicht anwendbar, vgl. Art.  54 I AEUV. 218  Unten Kapitel F. Fn.  10. 219  Eingehend hierzu unten ad F.I.2.a. 220  Eingehend hierzu unten ad F.I.2.b. 221  Oben Kapitel C. Fn.  152. 222  Abkommen über den europäischen Wirtschaftsraum vom 2.5.1992, ABl. 1994 L 3, das am 1.1.1994 in Kraft trat. 223  BGH, Urteil vom 19.9.2005 – II ZR 372/03, BGHZ 164, 148 (LS 1). 217  Etwas

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

nem anderen Mitgliedstaat voraussetzen. Damit scheidet eine Anwendbarkeit der kompletten Kapitel II–IV der EuInsVO im Verhältnis zu Drittstaaten aus.224 Dies ändert sich mit der EuInsVO 2017 nicht. Diese Fragen beurteilen sich daher im Verhältnis zu Drittstaaten nach nationalem Kollisionsrecht. Problematisch ist damit vor allem der Anwendungsbereich des Art.  3 I EuInsVO225 und der Kollisionsnormen. Art.  4 EuInsVO gilt seinem Wortlaut nach für alle Insolvenzverfahren, die in einem Mitgliedstaat eröffnet werden, wohingegen die Ausnahmeregelungen in Artt.  5 –15 EuInsVO bis auf Artt.  6 und 14 EuInsVO bereits dem Wortlaut nach auf das Recht der Mitgliedstaaten beschränkt sind. Es stellt sich daher hier zunächst226 die Frage, ob Art.  4 EuInsVO auch bei Drittstaatensachverhalten anwendbar ist. Für die als problematisch erkannten Bereiche enthält zwar das autonome internationale Insolvenzrecht in den §§  335 ff. InsO im Wesentlichen zur EuInsVO vergleichbare Regelungen,227 allerdings bestehen in den Details doch Unterschiede.228 Die InsO regelt vor allem die internationale Eröffnungszuständigkeit abweichend von Art.  3 EuInsVO. Die internationale Zuständigkeit zur Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens ergibt sich hier entsprechend dem Grundsatz der Doppelfunktionalität aus der örtlichen Zuständigkeit (§  3 InsO), die grundsätzlich an den allgemeinen Gerichtsstand oder ggf. an den „Mittelpunkt einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners“ (§  3 I 2 InsO) anknüpft.229 Auch im Bereich der Kollisionsregeln gibt es Unterschiede. Zwar knüpft auch das autonome Internationale Insolvenzrecht das anwendbare Recht an den Ort der Verfahrenseröffnung.230 Es macht aber deutlich weniger Ausnahmen von der Grundkollisionsnorm als die EuInsVO. Nicht zuletzt gilt der Grundsatz der autonomen Auslegung nur für die EuInsVO und nicht für das nationale Recht.231 Beide Grundpositionen und die differenzierende Ansicht nehmen gute Argumente für sich in Anspruch. Einige Argumente überzeugen demgegenüber nicht oder 224 

Eingehend m.e.N. oben ad C.III.2.c. Wie bereits festgestellt, wurde diesbezüglich vom EuGH das Erfordernis eines qualifizierten Mitgliedstaatenbezugs abgelehnt, vgl. EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (Rn.  28). Zur Überzeugungskraft der Argumentation des EuGH sogleich unten ad C.III.2.g.aa. 226  Bejaht man dies, stellt sich weiterhin die Frage nach der Anwendbarkeit von Artt.  6, 14 EuInsVO im Verhältnis zu Drittstaaten und die Frage nach der (zusätzlichen) Anwendbarkeit der Ausnahmeregelungen des autonomen internationalen Insolvenzrechts. 227 Vgl. Undritz, in HaKo InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  7a. 228 Ausführlich Kindler, in MüKo BGB, Vor. §§  335 ff. InsO, Rn.  2. 229 Vgl. Kindler, in MüKo BGB, Vor. §§  335 ff. InsO, Rn.  9. 230  Zu keinen Abweichungen kommt es, wenn man Art.  3 I EuInsVO generell bei COMI in einem Mitgliedstaat über die internationale Eröffnungszuständigkeit entscheiden lässt (wie im Folgenden befürwortet). Andernfalls kann ggf. die internationale Zuständigkeit abweichen, womit auch das Insolvenzstatut i. E. abweicht. 231  Wenngleich der Gesetzgeber gerade für die Auslegung der Kollisionsregeln auf die EuInsVO verwiesen hat, vgl. Begründung RegE Gesetz zur Neuregelung des internationalen Insolvenzrechts, BT Drs. 15/16, S.  18: Katalog der EuInsVO als „Interpretationshilfe“. 225 

III. Anwendungsbereich

101

nur bedingt. Aus dem Vorhandensein eines konkreten Mitgliedstaatenbezugs in manchen Normen ist kein klares Argument zu gewinnen. Ob dieser Bezug bloß klarstellend sein soll oder einen Umkehrschluss zulässt, kann nicht sicher beantwortet werden,232 auch wenn Letzteres näher liegen mag. Auch ist der Umkehrschluss aus Art.  44 III lit.  a, b EuInsVO nicht zwingend, da diese Normen angesichts multilateraler Verträge mit Mitgliedstaaten und Drittstaaten auch sinnvoll sind, wenn man Drittstaatensachverhalte nicht in den Anwendungsbereich der VO einbezieht.233 Das Argument, eine Anwendung der EuInsVO bei bloßem Drittstaatenbezug unterwandere den Anwendungsvorbehalt Dänemarks,234 überzeugt insgesamt nicht. Dänemark kann durch einen Anwendungsvorbehalt nur darüber entscheiden, welches Recht im Inland gilt. Demgegenüber verpflichtet ein solcher Vorbehalt nicht die anderen Mitgliedstaaten, die EuInsVO im Verhältnis zu Dänemark nicht anzuwenden. Gegen eine Anwendung der EuInsVO bei bloßem Drittstaatenbezug wurde noch vorgebracht, dass die tragenden Zielbestimmungen, auf denen die EuInsVO beruht, auf justizielle Zusammenarbeit (Art.  65 EGV bzw. jetzt Art.  81 AEUV) bzw. der Vermeidung von Kompetenzkonflikten zwischen den Mitgliedstaaten (Art.  65 lit.  a 3. Spiegelstrich und lit.  b EGV bzw. jetzt 81 II lit.  a AEUV) gerichtet sind.235 Ob diese Regelungen Kompetenzen auch für das Verhältnis zu Drittstaaten enthalten, ist allerdings seinerseits gerade umstritten.236 Hieraus kann also ebenfalls kein eindeutiges Argument gegen eine Anwendung der EuInsVO bei bloßem Drittstaatenbezug gewonnen werden. Die historische Auslegung, insbesondere Rn.  11 des erläuternden Berichts zum EuIÜ,237 spricht für das Erfordernis eines qualifizierten Mitgliedstaatenbezugs. Dagegen soll die für eine Geltung im Verhältnis zu Drittstaaten angeführte, weltweite Beschlagnahmewirkung in Rn.  19 und 73 des erläuternden Berichts wohl eher die angestrebte universale Geltung des Hauptinsolvenzverfahrens zum Ausdruck bringen, als etwas über den Anwendungsbereich des Übereinkommens auszusagen.238 232 Ähnlich:

Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, Vorb. EuInsVO Rn.  45. Eidenmüller, IPRax 2001, 2 (5); im Anschluss daran: Duursma-Kepplinger, in Duursma-­ Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  1 Rn.  53; a. A. wohl der EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12, NJW 2014, 610 (Rn.  23); ferner bereits Herchen, ZInsO 2003, 742 (746). 234  Smid, in Leonhardt/Smid/Zeuner, int. InsR., Art.  1 Rn.  6. 235 Vgl. Herchen, ZInsO 2003, 742 (746); Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, Vorb. EuInsVO Rn.  44. 236 Vgl. Eidenmüller, IPRax 2001, 2 (3) m. w. N., der von der Möglichkeit der Erstreckung auf Drittstaatensachverhalte ausgeht, auch wenn er dies für die EuInsVO i. E. ablehnt; vgl. ferner ­Herchen, ZInsO 2003, 742 (746), der davon ausgeht, dass die Kompetenz auch Kollisionsregeln im Verhältnis zu Drittstaaten umfasst. 237  Wiedergegeben oben (S.  101). 238 Eingehend Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  1 Rn.  62 ff.: Eher „extraterritoriale(n) Sollgeltung des Hauptverfahrens“ als „„extragemeinschaftliche(n) Sollgeltung“ der EuInsVO“. 233 

102

C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

Der Verweis auf das autonome Internationale Insolvenzrecht bei COMI außerhalb der Mitgliedstaaten der Verordnung in Rn.  44 des erläuternden Berichts lässt keinen überzeugenden Umkehrschluss dahingehend zu, dass die Verordnung bei COMI in einem Mitgliedstaat in jeder Hinsicht Geltung beansprucht, gerade in Anbetracht der Rn.  11 des erläuternden Berichts. Jedenfalls das gescheiterte EuIÜ ging also von dem Standpunkt aus, nur das Verhältnis unter den Mitgliedstaaten zu regeln. Bei der Übertragung dieses Befunds auf die EuInsVO muss man zunächst bedenken, dass dem erläuternden Bericht „keine Gesetzeskraft“ zukommt.239 Auch der EuGH hat in der Vergangenheit Entscheidungen entgegen den Aussagen in erläuternden Berichten getroffen.240 Zudem wurde der erläuternde Bericht noch zum EuIÜ, einem europäischen Übereinkommen erstellt, das eine andere Rechtsnatur als eine europäische Verordnung hat241. Die Auslegung der EuInsVO ist daher nicht an die Prämissen, unter denen das EuIÜ erstellt wurde, gebunden. Da weder der Normtext noch die Erwägungsgründe der Verordnung selbst eine eindeutige Antwort zu dieser Problematik vorgeben,242 ist eine Lösung zu suchen, die sich insgesamt widerspruchsfrei in Normtext und Systematik der EuInsVO einordnet und international-insolvenzrechtlich praktikabel ist. aa.  Kein qualifizierter Mitgliedstaatenbezug für die internationale Zuständigkeit Für die internationale Eröffnungszuständigkeit hat der EuGH entschieden, dass Art.  3 I EuInsVO keinen qualifizierten Mitgliedstaatenbezug voraussetzt und gerade die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nicht so lange aufgeschoben werden kann, bis sämtliche internationale Bezüge feststehen.243 Dabei folgt der EuGH vor allem dem Einwand, bei der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit im Rahmen der Eröffnungsentscheidung fehle es oftmals (noch) an der Überschaubarkeit der internationalen Verhältnisse244. Dieses Argument überzeugt. Die Frage nach einem qualifizierten Mitgliedstaatenbezug würde im Rahmen der Eröffnungsentscheidung Feststellungen notwendig machen, für die man sich bereits ein umfassendes Bild über alle Verhältnisse machen müsste – es genügte bereits ein einzelner, irgendwie gearteter Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat245, um auch 239 

Vgl. bereits oben ad C.II. mit Fn.  133. Vgl. die bei Kropholler, FS Max-Plank-Institut, S.  583 (592 Fn.  39) zitierten Entscheidungen des EuGH zum EuGVÜ mit den jeweiligen Nachweisen zum erläuternden Bericht. 241 Vgl. Wimmer, NJW 2002, 2427. 242  Auf der einen Seite die bereits genannten ErwG 1–5 mit ihrem klaren Binnenmarktbezug – auf der anderen Seite ErwG 14 der für die Anwendbarkeit der VO nur auf den COMI des Schuldners abstellt und ferner ErwG 23 der von einem „Ersetzen“ des nationalen Kollisionsrechts im Insolvenzbereich spricht. 243  EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12 („Schmid“), NJW 2014, 610 (Rn.  28 f.). Ausführlich oben ad C.III.2.e. 244  Nachweise oben Kapitel C. Fn.  163. 245  Hingewiesen sei hier nochmals auf das plastische Beispiel des vergessenen Regenschirms in einem anderen Mitgliedstaat, oben Kapitel C. Fn.  195. 240 

III. Anwendungsbereich

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nach der engeren Lehre den Anwendungsbereich zu eröffnen. Die Bestimmung der internationalen Eröffnungszuständigkeit erfolgt aber gerade immer einheitlich246 für das gesamte Insolvenzverfahren und damit unabhängig von Einzelverhältnissen, in denen auch nur teilweise ein Mitgliedstaatenbezug vorhanden sein kann. Es ist daher unter praktischen Gesichtspunkten vorzugswürdig, die Zuständigkeits­ regelung in Art.  3 I EuInsVO für alle Gerichte der Mitgliedstaaten als maßgeblich für die Beurteilung der eigenen internationalen Zuständigkeit i.R.d. Eröffnungs­ entscheidung anzusehen.247 Eine solche Lösung ist mit dem Wortlaut des Art.  3 I EuInsVO unproblematisch vereinbar. Ferner zeigt sich an der internationalen Eröffnungszuständigkeit, dass eine Anwendbarkeit der EuInsVO ohne qualifizierten Mitgliedstaatenbezug nicht wegen der Beschränkung vieler Normen auf Mitgliedstaaten leer läuft248, sondern gerade in der wichtigen Frage der internationalen Zuständigkeit eine eindeutige und einheitliche Lösung vorgibt. Ähnliches gilt für den Einwand, die Regelungen der EuInsVO seien geprägt durch das besondere gegenseitige Vertrauen der Mitgliedstaaten untereinander249. Dies mag für einzelne Normkomplexe, etwa den der Anerkennung, richtig sein. Dort ist aber bereits im Normtext selbst eine Beschränkung auf andere Mitgliedstaaten enthalten. Demgegenüber greift dieser Einwand nicht hinsichtlich der Zuständigkeitsregelung, für die keine Maßgeblichkeit des gegen­ seitigen Vertrauens erkennbar ist. Die Anwendbarkeit des Art.  3 I EuInsVO auch ohne qualifizierten Mitgliedstaatenbezug ist nicht nur auf die Eröffnungsentscheidung zu begrenzen. Neben der generellen Anwendbarkeit von Art.  3 I EuInsVO für die Zuständigkeit bei Annexverfahren 250 ist auch auf Art.  3 I EuInsVO abzustellen, wenn es um die Anerkennung drittstaatlicher Hauptinsolvenzverfahren nach §  343 I InsO geht und der COMI in einem Mitgliedstaat liegt.251 Damit vermeidet man von vorneherein Widersprüche bei abweichendem allgemeinem Gerichtsstand i. S. v. §  3 InsO. Den Ausführungen des EuGH zur generellen Anwendbarkeit des Art.  3 I ­EuInsVO unabhängig von einem qualifizierten Mitgliedstaatenbezug im Urteil „Schmid“ ist damit insgesamt zuzustimmen.

246 

Reinhart, in MüKo InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  18. So i. E. auch EuGH, Urteil vom 16.1.2014 – C-328/12, NJW 2014, 610 (Rn.  28); Reinhart, in MüKo InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  16; Bornemann/Sabel/Schlegel, in Graf-Schlicker InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  6 f.; ablehnend Kemper, in Kübler/Prütting/Bork InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  15; ebenfalls anders AG Köln, Beschluss vom 18.2.2008 – 71 IK 585/07, NZI 2008, 390. 248  Nachweise oben Kapitel C. Fn.  181. 249  Nachweise oben Kapitel C. Fn.  182. 250  Was der EuGH, oben Kapitel C. Fn.  199 für die Praxis ohnehin verbindlich entschieden hat. 251  Alternativ könnte man in diesem Fall (COMI in einem Mitgliedstaat) auch die Anerkennung von Hauptinsolvenzverfahren nach autonomem Recht von vorne herein ausschließen. 247 

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

bb.  Qualifizierter Mitgliedstaatenbezug für die Kollisionsnormen Die Frage nach der Anwendbarkeit von Art.  4 EuInsVO und der Ausnahmen der Artt.  5 ff. EuInsVO bei bloßem Drittstaatenbezug ist dagegen schwieriger zu beantworten. Sie war nicht Gegenstand der „Schmid“-Entscheidung des EuGH, in der lediglich festgestellt wird, dass sich aus der Verordnung kein allgemeines Erfordernis eines qualifizierten Mitgliedstaatenbezugs zur Eröffnung des Anwendungsbereichs ergebe252. Für die Kollisionsregeln kann sich ein solches Erfordernis also dennoch als richtig erweisen, gerade im Hinblick auf die Systematik. Im Bereich der Anerkennung und der Sekundärverfahren stellt die EuInsVO eine Art „geschlossenes System“ dar, das nur die Verhältnisse unter den Mitgliedstaaten regelt. Demgegenüber sollte sich die Eröffnungszuständigkeit bei COMI in einem Mitgliedstaat angesichts der Einheitlichkeit der Eröffnungsentscheidung generell nach Art.  3 I EuInsVO richten. Im Gegensatz zur Feststellung der internationalen Zuständigkeit im Rahmen der Eröffnungsentscheidung steht aber bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts häufig eine spezifische Einzelbeziehung in Frage.253 Es scheint in diesen Fällen also durchaus praktisch durchführbar, bei Drittstaatensachverhalten allein auf das autonome Internationale Insolvenzrecht zurückzugreifen. Genauso wie das anwendbare Recht spezifischer Einzelbeziehungen in Frage stehen kann, gibt es im Insolvenzverfahren allerdings auch zahlreiche allgemeine, verfahrensübergreifende Fragen, für die unabhängig von spezifischen Einzelbeziehungen ein anwendbares Recht ermittelt werden muss. Beispiele hierfür sind die in Art.  4 II lit.  a EuInsVO genannte Frage, gegen welche Schuldner ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann und der gesamte Problemkreis um die Verwalterbe­ stellung. Das anwendbare Recht kann hier entweder nach der EuInsVO oder nach autonomem Kollisionsrecht bestimmt werden, wobei genau wie bei der Zuständigkeitsfrage unter Umständen noch gar nicht feststeht, ob ein qualifizierter Mitgliedstaatenbezug besteht. Ähnlich wie die Frage nach der internationalen Zuständigkeit stellen sich diese Fragen häufig bereits im Rahmen der Eröffnungsentscheidung. Letztlich sprechen also auch im Bereich des Kollisionsrechts gewichtige praktische Gründe gegen das generelle Erfordernis eines qualifizierten Mitgliedstaatenbezugs, gerade in Anbetracht solcher Fragen, für die einheitlich für das gesamte Verfahren über das anwendbare Recht zu entscheiden ist. Demgegenüber wäre man bis auf Artt.  6, 14 EuInsVO bereits durch den Wortlaut daran gehindert, die kollisionsrechtlichen Ausnahmeregelungen der EuInsVO im Verhältnis zu Drittstaaten anzuwenden.254 Würde man in den entsprechenden Fällen 252 

Vgl. eingehend oben ad C.III.2.e. Reinhart, in MüKo InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  18. 254 Nach Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  93 sind auch Artt.  6 und 14 EuInsVO „aufgrund systematischer Erwägungen in derselben Weise auszulegen“, wie die auf Mitgliedstaaten (bzw. des Übereinkommens) beschränkten Ausnahmen. 253 

III. Anwendungsbereich

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nur Art.  4 EuInsVO anwenden,255 nicht aber dessen Ausnahmen, risse man die in engem Zusammenhang stehenden kollisionsrechtlichen Normen auseinander. Dass das Bedürfnis nach von der Grundkollisionsnorm abweichenden Ausnahmeregelungen auch im Verhältnis zu Drittstaaten besteht, erkannte bereits der erläuternde Bericht.256 So scheint es zum Beispiel wenig sachgerecht und mit der kollisionsrechtlichen Interessenwertung nicht zu erklären, wenn man für ein in einem Mitgliedstaat belegenes Grundstück nach Art.  8 EuInsVO257 einen besonderen Vertrauens- bzw. Verkehrsschutz gewährt, diesen für Grundstücke außerhalb der Mitgliedstaaten zu verweigern.258 Wendete man Art.  4 I EuInsVO auch im Verhältnis zu Drittstaaten an, würden die autonomen nationalen Kollisionsregeln jedenfalls faktisch 259 zu bloßen einseitigen, die nur die Wirkungen von in Drittstaaten eröffneten Insolvenzver­ fahren in Deutschland regeln und nicht umgekehrt. Eine Kombination von Art.  4 EuInsVO und autonomen kollisionsrechtlichen Ausnahmeregelungen würde dagegen die verschiedenen Regelungssysteme vermischen260 und den Charakter des Art.  4 EuInsVO als Sachnormverweisung261 missachten und muss daher ausscheiden.262 Insgesamt überzeugt es nicht, die kollisionsrechtliche Grundnorm ohne diejenigen Einschränkungen anzuwenden, die sowohl in der EuInsVO für Mitgliedstaaten als auch im autonomen Kollisionsrecht für Drittstaaten vorgesehen sind, etwa bei der Insolvenzanfechtung (Art.  13 EuInsVO und §  339 InsO). Da die Ausnahmeregelungen der EuInsVO und der InsO jeweils nur in Fällen greifen, in denen spezifische, einzelne Rechtsbeziehungen den maßgeblichen Sachverhalt bilden, bietet sich angesichts des argumentativen Patts eine Differenzierung an. Für alle verfahrensübergreifenden, einheitlich zu beantwortenden Fragen (so255  Hierfür aber Wenner/Schuster, in FK InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  11, vor allem aus rechtspolitischen Erwägungen. 256  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  93, der insoweit den Vertrauensschutz und die „Rechtssicherheit des Geschäftsverkehrs“ nennt. 257  Übernommen in Art.  8 I EuInsVO 2017. 258  Beispiel nach Gruber, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, Anh. I, Art.  4 EuInsVO Rn.  13. 259  In der Theorie bleibt ein Anwendungsbereich für die autonomen Kollisionsnormen auch für die Wirkungen eines inländischen Verfahrens, wenn zwar der COMI in einem Drittstaat liegt (Anwendung der EuInsVO dann ausgeschlossen), nach §  3 InsO aber eine Eröffnungszuständigkeit gegeben wäre und in Deutschland ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wird. 260  Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  16, der hierin sogar eine Verletzung des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs sieht und deshalb gegen die Anwendung von Art.  4 EuInsVO im Verhältnis zu Drittstaaten plädiert, wenn solche Ausnahmen im Raum stehen. Hinsichtlich des Anwendungsvorrangs ähnlich bereits auf Basis des Ansatzes, der auf einen qualifizierten Mitgliedstaatenbezug verzichtet, gegen die Heranziehung der autonomen nationalen Ausnahmeregelungen: Mäsch, in Rauscher EuZPR, Art.  4 EuInsVO Rn.  5; Wenner/Schuster, in FK InsO, Art.  1 EuInsVO Rn.  11. 261  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  87; Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  1; C. Paulus, EuInsVO, Art.  4 Rn.  1; Reinhart, in MüKo InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  1 m. w. N.; Smid, in Leonhard/Smid/Zeuner int. InsR, Art.  4 EuInsVO Rn.  1. 262  Hierfür aber P. Huber, ZZP 114 (2001), 133 (138, 152 f.); im Anschluss daran auch: Gruber, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, Anh. I, Art.  4 EuInsVO Rn.  12.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

wohl verfahrensrechtlicher als auch materiell-rechtlicher Natur) sollte generell Art.  4 EuInsVO angewandt werden. Soweit dagegen in einem einzelnen Rechtsverhältnis das anwendbare Recht zu bestimmen ist, sollte im Verhältnis zu Drittstaaten das autonome Kollisionsrecht zur Anwendung kommen. Dass diese Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein kann, soll nicht bestritten werden. Dennoch beeinträchtigt dies nicht den effet utile der Verordnung in Anbetracht der angestrebten Effektivität und „Einheitlichkeit des Insolvenzverfahrens“263, da sich vor allem für die das Gesamtverfahren als solches betreffenden Fragen das anwendbare Recht stets nach der EuInsVO bestimmt, während in Einzelverhältnissen nicht das gesamte Verfahren als solches betroffen ist. h.  Zusammenfassung der Ergebnisse zum räumlichen Anwendungsbereich Der räumliche Anwendungsbereich der EuInsVO bezieht sich unstreitig nur auf solche Verfahren, die innerhalb der Mitgliedstaaten wegen hiesigem COMI eröffnet werden. Problematisch ist aber, ob generell ein sog. qualifizierter Mitgliedstaatenbezug erforderlich ist, damit die EuInsVO zur Anwendung kommt. Ein solches Erfordernis ergibt sich in vielen Bereichen der VO schon aus dem Wortlaut der jeweiligen Regelung. Zur Bestimmung der Zuständigkeit zur Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens sollte dagegen generell auf Art.  3 I EuInsVO abgestellt werden, ohne dass es eines qualifizierten Mitgliedstaatenbezuges bedarf. Für die Bestimmung des anwendbaren Rechts empfiehlt sich eine Differenzierung. In allen verfahrensübergreifenden, zwingend einheitlich zu beantwortenden Fragen sollte Art.  4 EuInsVO zur Anwendung kommen. Soweit Einzelverhältnisse den maßgeblichen Sachverhalt bilden, ist hingegen bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts im Verhältnis zu Drittstaaten autonomes Internationales Insolvenzrecht anzuwenden, die EuInsVO dagegen nur im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten.

IV.  Eröffnungszuständigkeit in der Insolvenz einer EU-Auslandsgesellschaft Im Anwendungsbereich der EuInsVO sind gem. Art.  3 I 1 die Gerichte am Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners (COMI) für die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens international zuständig. Nach dem 13. ErwG264 ist dies der Ort, „an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und (der) damit für Dritte feststellbar ist“. Die Ermittlung des COMI setzt eine Gesamtschau verschiedenster Kriterien 265 voraus, wodurch es sich letztlich immer um 263 

Vgl. hierzu: Haß/Herweg, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  4 Rn.  1. Ab 26.6.2017: Art.  3 I UAbs.  1 S.  2 EuInsVO 2017. 265  Vorschläge für in Frage kommende Kriterien finden sich zahlreich, etwa bei C. Paulus, EuInsVO, Art.  3 Rn.  25 für Gesellschaften und sonstige juristische Personen. 264 

IV.  Eröffnungszuständigkeit in der Insolvenz einer EU-Auslandsgesellschaft

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eine Einzelfallentscheidung handeln dürfte.266 Dabei hat jeder Schuldner immer nur einen Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen, was die Eröffnung nur eines einheitlichen Hauptinsolvenzverfahrens mit universaler Geltung sicherstellen soll.267 Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird widerleglich vermutet, dass sich deren COMI am Ort des satzungsmäßigen Sitzes befindet, Art.  3 I 2 EuInsVO. Eine Abweichung davon setzt nach dem EuGH „objektive und für Dritte feststellbare Elemente“ (vgl. auch ErwG 13268) voraus, die in der Gesamtschau diese Vermutung widerlegen.269 Das Gericht hat solchen Umständen von Amts wegen nachzugehen.270 An der Vermutung hält im Grundsatz auch die EuInsVO 2017 fest,271 ergänzt um eine Regelung, die diese Vermutung bei Verlegung des Satzungssitzes innerhalb von 3 Monaten vor dem Insolvenzantrag suspendiert, Art.  3 I UAbs.  2 S.  2 EuInsVO 2017. Ein vom Satzungssitz abweichender COMI kommt bei Gesellschaften insbesondere in Betracht, wenn der Ort der Hauptverwaltung der Gesellschaft sich nicht mit dem Satzungssitz deckt.272 In dem der Untersuchung zugrundeliegenden Fall einer von Deutschland aus operierenden EU-Auslandsgesellschaften ist dies wegen des hiesigen effektiven Verwaltungssitzes in aller Regel der Fall.273 Die Vermutung des 266  C. Paulus, EuInsVO, Art.  3 Rn.  19; vgl. zu den in Konzern-Konstellationen auftretenden Schwierigkeiten und den vorgeschlagenen Auflösungsmöglichkeiten eingehend je m. w. N. Dornblüth, in HK InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  9 ff.; Undritz, in HaKo InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  7 ff. Wenigstens ein Stück weit wurde diese Problematik durch das Urteil „Eurofood IFSC“ (EuGH, Urteil vom 2.5.2006 – C-341/04, Slg 2006, I-3813 – dazu sogleich) entschärft, vgl. Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  12, 29 f.; Undritz, a. a. O., Rn.  11 ff. 267 Vgl. Dornblüth, in HK InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  4. 268  Ab 26.6.2017: Art.  3 I UAbs.  1 S.  2 EuInsVO 2017. 269  EuGH, Urteil vom 2.5.2006 – C-341/04 („Eurofood IFSC“), Slg 2006, I-3813 (LS 1); ähnlich EuGH, Urteil vom 20.10.2011 – C-396/09 („Interedil“), Slg 2011, I-9915 (LS 3, Rn.  52 ff.): „Gesamtschau“; EuGH, Urteil vom 15.12.2011 – C-191/10 („Rastelli“), Slg 2011, I-13209 (LS 2, Rn.  35 ff.). Vgl. dazu, dass durch das Erfordernis einer Dritterkennbarkeit mittelbar auch das „forum shopping“ erschwert wird: Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  11. Zahlreiche Entscheidungen, in denen nationale Gerichte die Vermutung als widerlegt angesehen haben, stellt Lüer, in Uhlenbruck InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  12 ff. dar. 270  Die Details sind allerdings streitig, vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 1.12.2011 – IX ZB 232/10, NJW 2012, 936 f. (juris Rn.  11 f.) m. w. N.; zurückhaltend hinsichtlich einer Pflicht zur Amtsermittlung in diesem Fall: Undritz, in HaKo InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  57. Der BGH hält die Einsetzung eines Sachverständigen zur Klärung der internationalen Zuständigkeit (im entschiedenen Fall nach Art.  3 I 1 EuInsVO für ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person) für zulässig, vgl. Beschluss vom 19.7.2012 – IX ZB 6/12, NZI 2012, 823. 271  Trotz Vorschlägen in Richtung einer unwiderleglichen Vermutung unter bestimmten Voraussetzungen, vgl. Kindler/Sakka, EuZW 2015, 460 (462). 272  EuGH, Urteil vom 20.10.2011 – C-396/09 („Interedil“), Slg 2011, I-9915 (LS 3, Rn.  51); EuGH, Urteil vom 15.12.2011 – C-191/10 („Rastelli“), Slg 2011, I-13209 (Rn.  32, 35). Problematisch ist insoweit insbesondere die Bestimmung des COMI bei Konzerngesellschaften, vgl. hierzu die Nachweise oben Kapitel C. Fn.  266. 273 Vgl. C. Paulus, EuInsVO, Art.  3 Rn.  27 m. w. N.; Kindler, in MüKo BGB, Art.  3 EuInsVO Rn.  14: COMI steht „dem effektiven Verwaltungssitz“ nahe. Ab wie viel „Resttätigkeit“ am Satzungssitz eine Widerlegung der Vermutung ausgeschlossen ist, ist bislang noch nicht geklärt, vgl. Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  3 EuInsVO Rn.  12.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

Art.  3 I 2 EuInsVO ist dann widerlegt und die deutschen Gerichte sind für die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens international zuständig.

V.  Die kollisionsrechtliche Generalklausel in Art.  4 EuInsVO und die Reichweite des Insolvenzstatuts Art.  4 EuInsVO274 enthält die Grundkollisionsnorm für das Insolvenzrecht,275 wobei Art.  4 I EuInsVO die lex fori concursus als Insolvenzstatut beruft und Art.  4 II EuInsVO die Reichweite dieses Statuts präzisiert. 1.  Das Insolvenzrecht des Eröffnungsstaates – Grundgedanke des Art.  4 I EuInsVO a.  Art 4 I EuInsVO als kollisionsrechtliche Generalklausel Art.  4 I EuInsVO enthält für „das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen“ (Anknüpfungsgegenstand) einen Verweis auf „das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wird“ (Anknüpfungsmoment), die sog. lex fori concursus.276 Damit wird an die in Art.  3 EuInsVO geregelte internationale Zuständigkeit angeknüpft,277 so dass es zu einem Gleichlauf von forum und ius kommt278. Art.  4 EuInsVO bestimmt (nur) das Insolvenzstatut, d. h. das anwendbare Recht in insolvenzrechtlich zu qualifizierenden Sachverhalten 279 und gilt für Haupt- wie auch für partielle territoriale Insolvenzverfahren 280. Dabei handelt es sich um eine tatbestandlich weit gefasste Generalklausel, die in Artt.  5 ff. EuInsVO durch Ausnahmen eingeschränkt wird, die entweder im Vertrauensschutz begründet sind,281 oder aus anderen Gründen besonders bedeutsame Rechte und Rechtsverhältnisse anders behandeln 282. Die Norm, wie auch die Ausnahmen hiervon, ersetzen das nationale Kollisionsrecht in ihrem Anwendungsbereich.283 Ausgenommen vom

274 

Im Wesentlichen übernommen in Art.  7 EuInsVO 2017. Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  88, Undritz, in HaKo InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  2; Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  4 Rn.  7. 276  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  88; ferner Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  3. 277  Smid, in Leonhard/Smid/Zeuner int. InsR, Art.  4 EuInsVO Rn.  1. 278  Geimer, in Geimer/Schütze, Art.  4 EuInsVO Rn.  2. 279  Gruber, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, Anh. I, Art.  4 EuInsVO Rn.  3; ähnlich Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  4 Rn.  5; ausführlich zur Reichweite des Insolvenzstatuts sogleich. 280  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  89; Undritz, in HaKo InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  2. 281  Vgl. ErwG 24, ferner Smid, in Leonhard/Smid/Zeuner int. InsR, Art.  4 EuInsVO Rn.  1. 282  Vgl. ErwG 11. 283  Vgl. ErwG 23, ferner Smid, in Leonhard/Smid/Zeuner int. InsR, Art.  4 EuInsVO Rn.  1. 275 

V.  Die kollisionsrechtliche Generalklausel in Art.  4 EuInsVO

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Verweis auf die lex fori concursus sind die nationalen Kollisionsnormen, da Art.  4 I EuInsVO als Sachnormverweisung zu verstehen ist.284 Das heißt für den im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehenden Fall, dass in der Inlandsinsolvenz einer EU-Auslandsgesellschaft285 vorbehaltlich der Artt.  5 ff. EuInsVO deutsches Insolvenzrecht als Insolvenzstatut zur Anwendung kommt. b.  Gründe und Zweck der Geltung der lex fori concursus in Gestalt des Rechts am Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen Für die Regelung des Art.  4 I EuInsVO werden verschiedene Gründe angeführt. Die Geltung der lex fori concursus für das Insolvenzverfahren wird etwa als „geboten und historisch vorgezeichnet“286 oder als „entsprechend den modernen kollisionsrechtlichen Einsichten“287 bezeichnet, was freilich in der Sache die Regelung nicht zu begründen vermag. Für die Anwendung der lex fori concursus als einheitliches Insolvenzstatut sollen in der Sache die Förderung des internationalen Entscheidungseinklangs und die Förderung der Gläubigergleichbehandlung sprechen.288 Weiter wird vorgebracht, der Gleichlauf von anwendbarem Recht und zuständigem Gericht vermeide die schwierige Unterscheidung zwischen Verfahrens- und materiellem Recht und komme so dem Ziel der EuInsVO eines einheitlichen Verfahrens zu Gute,289 was nicht zuletzt auch geeignet sei, ein „forum-shopping“ (vor allem in der Form der Vermögensverlagerung) zu verhindern oder zumindest zu erschweren 290. Daneben wird auf die weiteren allgemeinen Gründe der Anwendung der lex fori für das Verfahrensrecht hingewiesen, namentlich die Neutralität, Praktikabilität und Prozessökonomie, sowie „die Vermeidung von Widersprüchen in der Rechtsanwendung“.291

284 

Vgl. die Nachweise oben Kapitel C. Fn.  261. (regelmäßig gegebenen) Internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte zur Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens über das Vermögen einer EU-Auslandsgesellschaft, wenn der effektive Verwaltungssitz im Inland belegen ist, oben ad C.IV. 286  C. Paulus, EuInsVO, Art.  4 Rn.  1. 287  Wenner/Schuster, in FK InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  2. 288  Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  4 Rn.  7; Haß/Herweg, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  4 Rn.  3; vgl. ferner zur Gläubigergleichbehandlung Kindler, in Sonnenberger, Vorschläge und Berichte int. GesR, S.  496 (501 ff.). Die Gläubigergleichbehandlung vor allem für das materielle Insolvenzrecht betonend: Eidenmüller, in Sonnenberger, Vorschläge und Berichte int. GesR, S.  369 (476). 289  Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  4 Rn.  9; Haß/Herweg, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  4 Rn.  1; Pannen/Riedemann, in Pannen EuInsVO, Art.  4 Rn.  9; dahingegen allgemein kritisch zu einer solchen Argumentation Mankowski, in von Bar/Mankowski, IPR Bd. 1, §  5 Rn.  80. 290  Haß/Herweg, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  4 Rn.  3; Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  5; ders., in Sonnenberger, Vorschläge und Berichte int. GesR, S.  496 (503). 291  Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  4 m. w. N. 285  Zur

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

Die genannten Gründe sind indes nur in der Lage, den in der Sache überzeugenden Gleichlauf von forum und ius und das im Grundsatz einheitliche Insolvenzstatut zu begründen.292 Warum die internationale Zuständigkeit und dadurch mittelbar auch das anwendbare Recht an den Interessensmittelpunkt des Schuldners anknüpfen, ist damit aber noch nicht gesagt. Die Anknüpfung der Zuständigkeit an den Interessensmittelpunkt und vor allem die damit verbundene Anwendung des dortigen Rechts zielen darauf ab, die mit der Insolvenz für Dritte, insbesondere für die (potentiellen) Gläubiger, verbundenen Risiken besser kalkulierbar zu machen.293 Letztlich ist die Rechtsordnung am Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen die sachnächste zur Insolvenzproblematik.294 Regelmäßig dürften sich hier der Großteil des schuldnerischen Vermögens und die Mehrheit der sonstigen Verfahrensbeteiligten befinden.295 2.  Reichweite des Insolvenzstatuts Problematisch und von weitreichender Bedeutung ist die Frage, wie weit das Insolvenzstatut reicht. Die Formulierung „Insolvenzverfahren und seine Wirkungen“ in Art.  4 I EuInsVO wird in Absatz 2 präzisiert. Sämtliche Begriffe der EuInsVO sind dabei als Unionsrecht verordnungsautonom auszulegen.296 a.  Art 4 II 1 EuInsVO Art.  4 II 1 EuInsVO formuliert: Die lex fori concursus297 regle, „unter welchen Vor­ aussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird und wie es durchzuführen und zu beenden ist“. Häufig wird die Reichweite mit „spezifisch insolvenzrechtliche Wirkungen“ umschrieben, wobei diejenigen Wirkungen typisch insolvenzrechtlich sein sollen, „die erforderlich sind, damit das Insolvenzverfahren seinen Zweck erfüllt“.298 Grundsätzlich erfasst das Insolvenzstatut dabei sowohl das Insolvenzver292 

Insoweit differenzierend auch Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  4 ff. Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  75. Aus den Ausführungen a. a. O. wird besonders deutlich, dass die Regelung der internationalen Zuständigkeit (auch) mit Blick auf das (reflexartig) dadurch anwendbare Recht getroffen wurde. Vgl. ferner ähnlich Stephan, in HK InsO 7.A., Art.  3 EuInsVO Rn.  12. 294 Ähnlich Haß/Herweg, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  4 Rn.  4; Kemper, in Kübler/Prütting/Bork InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  2. 295  Haß/Herweg, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  4 Rn.  4. 296  Neben den oben in Kapitel C. Fn.  127 Genannten: Reinhart, in MüKo InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  2; Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  4, Mäsch, in Rauscher EuZPR, Art.  4 EuInsVO Rn.  8; a. A. für Art.  4 EuInsVO offenbar Kemper, in Kübler/Prütting/Bork InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  5, die m. E. aber den ErwG 11 missversteht, der sich nicht auf ein abweichendes Verständnis vom Umfang des Insolvenzstatuts sondern auf den abweichenden Inhalt der materiellen Insolvenzrechte bezieht und letztlich damit die Sonderanknüpfungen und Territorialverfahren erklärt. 297  Präziser wäre es hier vom „Insolvenzstatut“ zu sprechen, da perspektivisch eher auf den Anknüpfungsgegenstand als auf den Anknüpfungspunkt geblickt wird, vgl. unten Kapitel C. Fn.  496. 298  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  90; ferner Wenner/Schuster, in FK InsO, Art.  4 293 

V.  Die kollisionsrechtliche Generalklausel in Art.  4 EuInsVO

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fahrens- als auch das materielle Insolvenzrecht (vgl. ErwG 23 S.  4).299 Unter Rückgriff auf Art.  4 II lit.  m EuInsVO wurde vorgeschlagen, für die Reichweite des ­Insolvenzstatuts auf „die Haftungsverwirklichung in einer Insolvenzsituation zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger“ abzustellen.300 Neben dem Katalog des Art.  4 II EuInsVO (dazu sogleich) sollen auch die Ausnahmen vom Grundprinzip des Art.  4 EuInsVO in Artt.  5 –14 EuInsVO einen Umkehrschluss auf die Reichweite des Insolvenzstatuts zulassen.301 Der Standort einer Norm im jeweiligen Insolvenzgesetz entscheidet demgegenüber nicht über die Zugehörigkeit zum Insolvenzstatut;302 ihm kommt allenfalls die Bedeutung eines Indiz‘ zu.303 Damit ist jedenfalls der Kernbereich des Insolvenzstatuts umrissen. Ob mit diesen Formeln allerdings für die Grenzbereiche zu anderen Statuten etwas gewonnen ist, scheint zweifelhaft, da wiederum etwa die Frage, was für die Aufgabenerfüllung des Insolvenzverfahrens erforderlich ist, ein breites Spektrum an Antworten zulässt. So überrascht es nicht, dass zum Teil für eine weite Auslegung,304 teilweise aber auch für eine enge Auslegung305 des Insolvenzstatuts gestritten wird 306 und zahlreiche Abgrenzungsfragen umstritten sind 307. Als Abgrenzungsformel wird so im Sinne einer engen Auslegung etwa in den Raum gestellt, einen „besonders engen Bezug zum Insolvenzverfahren“ zu verlangen und danach zu differenzieren, ob die Insolvenz bloße Tatbestandsvoraussetzung ist oder ob „die

EuInsVO Rn.  18; Smid, in Leonhard/Smid/Zeuner, int. InsR, Art.  1 EuInsVO Rn.  5 m. w. N.; Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  4 Rn.  7; Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  9. 299  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  90. 300  Reinhart, in MüKo InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  4; ähnlich Eidenmüller, RabelsZ 70 (2006), 474 (483) ohne den Rückgriff auf Art.  4 II lit.  m EuInsVO. 301  Gruber, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, Anh. I, Art.  4 EuInsVO Rn.  3. 302  Haas, NZI 2001, 1 (10); Reinhart, in MüKo InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  3, 5; Zahrte, ZInsO 2009, 223. 303 Im Zusammenhang mit der Abgrenzung von Gesellschafts- und Insolvenzstatut: Kolmann/C. Keller, in Gottwald, InsR-HdB, §  133 Rn.  112; Mock/Schildt, in Hirte/Bücker, Grenz­ überschreitende Gesellschaften, §  17 Rn.  21; Ulmer, KTS 2004, 291 (293); Zimmer, ZHR 168 (2004), 355 (367). 304  Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  4 Rn.  7; Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  6 ff.; ferner auch M.-P. Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit, S.  260. 305 Etwa Haß/Herweg, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  4 Rn.  11; Mäsch, in Rauscher EuZPR, Art.  4 EuInsVO Rn.  8. 306  Vgl. zum Streit und den vorgebrachten Argumenten Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  7 ff. 307  Vgl. etwa Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  10 ff.; Reinhart, in MüKo InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  5 ff.; zu den Abgrenzungsfragen zum Gesellschaftsstatut die Übersicht bei Pannen/Riedemann, in Pannen EuInsVO, Art.  4 Rn.  77 m. w. N., ferner Undritz, in HaKo InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  9 ff.; Wenner/Schuster, in FK InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  19 ff. und die Ausführungen unten ad E.I.5.

112

C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

Norm selbst unmittelbar insolvenzpolitischen Zielen dient“ (etwa der par condicio creditorum).308 aa.  Übertragung der Grundsätze aus dem EuGH Urteil „Gourdain“ Vorgeschlagen wurde ferner, das EuGH Urteil „Gourdain“309 zur Präzisierung der Reichweite des Insolvenzstatuts heranzuziehen.310 Der EuGH hat dabei in der Sache den Insolvenzverfahrensbegriff (bzw. den Begriff „Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren“ in Art.  1 II Nr.  2 EuGVÜ311) näher bestimmt und für Annexverfahren auf einen unmittelbaren Zusammenhang zum Insolvenzverfahren abgestellt.312 Bei der Bestimmung dieses Zusammenhangs hat der EuGH verschiedene Indizien für eine insolvenzrechtliche Prägung313 herausgearbeitet, etwa die ausschließliche Zuständigkeit der Insolvenzgerichte314, den Fakt, dass nur der Insolvenzverwalter berechtigt sei, die entsprechende Klage zugunsten der Gläubigergesamtheit anhängig zu machen315 und dass diese effektiv der Gesamtheit der Gläubiger zugutekomme.316 Unabhängig von der Überzeugungskraft dieser Kriterien muss bei einer Übertragung auf das Kollisionsrecht aber der unterschiedliche Zusammenhang beachtet werden. Das „Gourdain“ Urteil behandelt Fragen des Internationalen Zivilverfahrensrechts, namentlich zum Anwendungsbereich des EuGVÜ im Kontext der Anerkennung eines ausländischen Urteils. Obwohl häufig ähnliche Wertungen hinter Kollisionsnormen und international-zivilverfahrensrechtlichen Regelungen (insbe308  Pannen/Riedemann, in Pannen EuInsVO, Art.  4 Rn.  14; ähnlich Haß/Herweg, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  4 Rn.  11; ähnlich auch Haas, NZI 2001, 1 (10) ohne Befürwortung einer engen (oder weiten) Auslegung. 309  EuGH, Urteil vom 22.2.1979 – Rs. 133/78 („Gourdain“), Slg 1979, 733. 310  Etwa von Balke, Gesellschafterhaftung, S.  335; M.-P. Weller, in MüKo GmbHG, Einleitung, Int. GesR, Rn.  407: „Leitentscheidung zur autonomen Qualifikation im Internationalen Insolvenzrecht“, eingeschränkt allerdings in Rn.  409: „kein abschließender Charakter“. 311  Übereinkommen von Brüssel über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (abrufbar über EUR-Lex, CELEX:41998A0126), weitestgehend abgelöst durch die EuGVVO (Brüssel I-VO), diese abgelöst durch die Brüssel Ia-VO. 312  EuGH, Urteil vom 22.2.1979 – Rs. 133/78 („Gourdain“), Slg 1979, 733 (Rn.  4), ähnlich Rn.  6: Entscheidend sei, dass die klagegegenständliche action en comblement de passif ihren „rechtlichen Grund einzig und allein im Konkursrecht im Sinne des Übereinkommens“ habe. Vgl. zur insolvenzrechtlichen Qualifikation von Annexverfahren auch EuGH, Urteil vom 12.2.2009 – C-339/07 („Deko Marty Belgium“), Slg 2009, I-767; EuGH, Urteil vom 2.7.2009 – C-111/08 („Alpenblume“), Slg 2009, I-5655; EuGH, Urteil vom 10.9.2009 – C-292/08 („German Graphics“), Slg 2009, I-8421; EuGH, Urteil vom 19.4.2012 – C-213/10, („F-Tex“), NZI 2012, 469; EuGH, Urteil vom 4.12.2014 – C-295/13 („H“), NZI 2015, 154. 313  Haubold, IPRax 2002, 157 (162); M.-P. Weller, in MüKo GmbHG, Einleitung, Int. GesR, Rn.  407 a. E. 314  An der Maßgeblichkeit dieses Kriteriums unter der EuInsVO zweifelnd: M.-P. Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit, S.  260. 315  Kritisch zu diesem Kriterium Haas, NZG 1999, 1148 (1151). 316  EuGH, Urteil vom 22.2.1979 – Rs. 133/78 („Gourdain“), Slg 1979, 733 (Rn.  5).

V.  Die kollisionsrechtliche Generalklausel in Art.  4 EuInsVO

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sondere solchen zur Anerkennung und zur internationalen Zuständigkeit) stehen317 und gerade auch die EuInsVO im Internationalen Insolvenzrecht das anwendbare Recht an die internationale Zuständigkeit anbindet, ist eine Korrespondenz der Wertungen und damit der Reichweite der Begriffe nicht zwingend.318 Dies gilt insbesondere deshalb, weil der EuGH bei seiner Bewertung neben den materiellen Entscheidungsgrundlagen vor allem auch auf verfahrensrechtliche Elemente abgestellt hat319. Eine prozessual insolvenzrechtliche Ausgestaltung (etwa Zuständigkeit der Insolvenzgerichte, Geltendmachung durch den Insolvenzverwalter etc.) mag im Internationalen Zivilverfahrensrecht von Bedeutung sein, für die Qualifikation materiellen Rechts ist deren Bedeutung aber geringer. Der EuGH hat im „Gourdain“ Urteil zudem eine „übereinkommensautonome“ Auslegung der Begriffe „Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren“ im Lichte der Ziele des EuGVÜ vorgenommen.320 Damit kommt dem „Gourdain“ Urteil für die Bestimmung der Reichweite des Insolvenzstatuts i. S. d. EuInsVO allenfalls eine begrenzte, indizielle Bedeutung zu.321 bb.  Das EuGH-Urteil „Kornhaas“ Auf Vorlage des BGH322 hatte sich der EuGH jüngst mit der Anwendbarkeit des §  64 II 1 GmbHG a. F. (= §  64 S.  1 GmbHG n. F.)323 in der Inlandsinsolvenz einer EU-Auslandsgesellschaft zu beschäftigen.324 Die erste Vorlagefrage zielte dabei auf die Qualifikation des Rechtsinstituts unter der EuInsVO ab,325 die nach dem EuGH aus317  Mankowski, in von Bar/Mankowski, IPR Bd. 1, §  5 Rn.  1 sprechen von “Wechselbeziehungen” zwischen internationalen Privatrecht und internationalem Verfahrensrecht, bzw. von einer „Kreislaufrelation (…) zwischen IPR, der Anerkennung und der Internationalen Zuständigkeit“ (eingehend a. a. O. §  5 Rn.  118 ff.). 318 Ähnlich Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S.  524. 319 Vgl. Trunk, int. InsR, S.  114 f. 320  Vgl. EuGH, Urteil vom 22.2.1979 – Rs. 133/78 („Gourdain“), Slg 1979, 733 (Rn.  3). Dies erkennt auch M.-P. Weller, in MüKo GmbHG, Einleitung, Int. GesR, Rn.  409, der insoweit auf den nicht abschließenden Charakter der Kriterien der „Gourdain“-Entscheidung und die (verordnungs) autonome Auslegung der EuInsVO hinweist. 321  Gar keine Bedeutung zur Reichweite des Insolvenzstatuts wollen Reinhart, in MüKo InsO 1. A., Art.  102 EGInsO Rn.  25 und Zimmer, int. GesR, S.  295 f. der EuGH Entscheidung „Gourdain“ zumessen. 322  BGH, EuGH-Vorlage vom 2.12.2014 – II ZR 119/14, NZI 2015, 85. Zu Recht kritisch zur Formulierung der ersten Vorlagefrage Kindler, EuZW 2016, 136 (138). 323  Der BGH Entscheidung lag ein Sachverhalt aus der Zeit vor dem MoMiG zu Grunde, wo die Regelung noch in §  64 II 1 GmbHG angesiedelt war. Inzwischen ist die Insolvenzantragspflicht rechtsformneutral in §  15a InsO geregelt, weshalb §  64 II 1 GmbHG a. F. unverändert in §  64 S.  1 GmbHG n. F. übernommen wurde. 324  EuGH, Urteil vom 10.12.2015 – C-594/14 („Kornhaas“), NJW 2016, 223, inzwischen umgesetzt durch BGH, Urteil vom 15.3.2016 – II ZR 119/14, NZI 2016, 461. 325  Die erste Vorlagefrage ist insoweit falsch gefasst, da sie den Fokus zu sehr auf die „Klage“ legt. Gegenstand der Qualifikation ist aber nicht die Klage, sondern das materielle Rechtsinstitut. Kritisch insoweit auch Kindler, EuZW 2016, 136 (138). Demgegenüber mit einer saubereren Begriffsverwendung der EuGH, Urteil vom 10.12.2015 – C-594/14 („Kornhaas“), NJW 2016, 223

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

gehend von Art.  4 I EuInsVO insolvenzrechtlich ausfällt.326 Zur Begründung verweist der EuGH unter anderem auf sein knapp ein Jahr zuvor ergangenes Urteil „H“ zur internationalen Zuständigkeit für Klagen aus §  64 S.  1 GmbHG n. F.327, in dem er zu einer insolvenzrechtlichen Einordnung der Klage aus §  64 S.  1 GmbHG n. F. und damit zu einer Annexzuständigkeit aus Art.  3 I EuInsVO gelangt war328. Im Urteil „H“ wurde dies damit begründet, §  64 S.  1 GmbHG n. F. setze tatbestandlich die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft voraus, was den unmittelbaren Bezug zum Insolvenzverfahren herstelle.329 Dass §  64 S.  1 GmbHG n. F. die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht zwingend voraussetzt, sei dagegen unerheblich.330 Der EuGH hat damit nur die Begründung des „H“ Urteils übernommen, nicht jedoch in der Sache aus der Annexzuständigkeit auf das anwendbare Recht geschlossen und so einen zwingenden Gleichlauf herbeigeführt331. Vielmehr wurde bereits im Urteil „H“ (unter anderem) aus der insolvenzrechtlichen Natur der materiellen Rechtsnorm auf die Annexzuständigkeit geschlossen.332 Daneben betrachtete der EuGH im Urteil „Kornhaas“ auch die Funktion des §  64 II 1 GmbHG a. F., die er in der Sanktion einer unterlassenen Insolvenzantragsstellung trotz dahingehender Insolvenzantragspflicht ausmacht.333 Insofern spreche auch der Gesichtspunkt der praktischen Wirksamkeit von Art.  4 II l EuInsVO, der die Voraussetzungen der Insolvenzverfahrenseröffnung und die Insolvenzantragspflicht dem Insolvenzstatut zuordne, für eine insolvenzrechtliche Qualifikation von §  64 II 1 GmbHG a. F.334 Auch darüber hinaus trage die Norm zu spezifisch insolvenzrechtlichen Zielen bei, eine Masseverkürzung im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zu verhindern und die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung sicherzustellen.335 (Rn.  16 f.). Zur zweiten Vorlage, die die Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit betrifft, vgl. die Ausführungen unten ad E.III.5.e. 326  EuGH, Urteil vom 10.12.2015 – C-594/14 („Kornhaas“), NJW 2016, 223 (Rn.  21). Ebenso die Vorlage, BGH, EuGH-Vorlage vom 2.12.2014 – II ZR 119/14, NZI 2015, 85 (Rn.  18 f.). Vgl. zum Meinungsstand im deutschen Schrifttum und der deutschen Rechtsprechung die Nachweise des BGH, a. a. O., (Rn.  15 f.). 327  EuGH, Urteil vom 10.12.2015 – C-594/14 („Kornhaas“), NJW 2016, 223 (Rn.  17). 328  EuGH, Urteil vom 4.12.2014 – C-295/13 („H“), NZI 2015, 85. 329  EuGH, Urteil vom 4.12.2014 – C-295/13 („H“), NZI 2015, 85 (Rn.  22 ff.). 330  EuGH, Urteil vom 4.12.2014 – C-295/13 („H“), NZI 2015, 85 (Rn.  20). 331  So aber offenbar die Interpretation vom Mankowski, NZG 2016, 281 (283) und Mock, IPRax 2016, 237 (239). 332  EuGH, Urteil vom 4.12.2014 – C-295/13 („H“), NZI 2015, 85 (Rn.  21 ff.). Begrifflich noch deutlicher: EuGH, Urteil vom 10.12.2015 – C-594/14 („Kornhaas“), NJW 2016, 223 (Rn.  16 f.). 333  EuGH, Urteil vom 10.12.2015 – C-594/14 („Kornhaas“), NJW 2016, 223 (Rn.  18). Kritisch zu einem solchen Verständnis mit Blick auf die 3 Wochen Frist des §  64 I GmbHG a. F. (bzw. §  15a InsO n. F.), innerhalb derer die Haftung nach §  64 II 1 GmbHG (bzw. §  64 S.  1 GmbHG n. F.) schon greifen kann, während gerade noch keine Insolvenzantragspflicht besteht Mock, IPRax 2016, 237 (239 f.). 334  EuGH, Urteil vom 10.12.2015 – C-594/14 („Kornhaas“), NJW 2016, 223 (Rn.  19). 335  EuGH, Urteil vom 10.12.2015 – C-594/14 („Kornhaas“), NJW 2016, 223 (Rn.  20). Diese Aspekte rückte funktional auch der BGH in der Vorlageentscheidung (BGH, EuGH-Vorlage vom

V.  Die kollisionsrechtliche Generalklausel in Art.  4 EuInsVO

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Insofern stehe §  64 II 1 GmbHG a. F. in der Nähe von Regelungen, die Art.  4 II lit.  m EuInsVO unterfielen.336 Allgemeine Ausführungen zur Reichweite des Insolvenzstatuts, die über die Einordnung der Insolvenzantragspflicht und mit ihr in engem Zusammenhang stehenden Regelungen gehen würde, enthält das Urteil demgegenüber nicht. cc.  Keine formelhafte Lösung In der Literatur wird inzwischen teilweise auch die Möglichkeit einer formelhaften Lösung insgesamt bezweifelt.337 Dem ist für den Grenzbereich zu anderen Statuten zuzustimmen, in dem für die problematischen Abgrenzungsfragen jeweils einzeln und unter Würdigung sämtlicher relevanter Gesichtspunkte zu entscheiden ist, ob ein insolvenzrechtlich geprägter Sachverhalt vorliegt und ob das Insolvenzstatut in Gestalt der lex fori concursus damit das räumlich beste Recht darstellt.338 Dabei sollte im Auge behalten werden, weshalb die EuInsVO auf das Recht am Ort der Verfahrenseröffnung (in Form des Interessensmittelpunktes des Schuldners) verweist339 und es sind auch die mit der EuInsVO insgesamt verfolgten Ziele zu beachten, die sich vor allem aus den Erwägungsgründen ergeben. Der Zweck der Verweisungsnorm und ihres Systembegriffs ist bei der Qualifikation eines Rechtsinstituts mit dessen eigenem Zweck abzugleichen (sog. funktionale Qualifikation).340 Die oben genannten Formeln können dabei relevante Gesichtspunkte aufzeigen. Eine unreflektierte und schemenhafte Anwendung kann aber zu Ergebnissen führen, die mit Sinn und Zweck der Kollisionsnorm und/oder des fraglichen materiellen Rechtsinstituts nicht mehr im Einklang stehen, weshalb hiervor zu Recht gewarnt wird. Neben den unmittelbaren Zwecken der Verweisungsnorm selbst sollten für die Bestimmung der Reichweite des Insolvenzstatuts also auch der Zweck und die Grundprinzipien des Insolvenzverfahrens miteinbezogen werden, soweit diese unionsweit anerkannt sind. Insolvenzverfahren bezwecken vor allem die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger 341 in der Situation einer Vermögensunzulänglichkeit des Schuldners.342 Dies ergibt sich für den autonomen Insolvenzverfahrens­ 2.12.2014 – II ZR 119/14, NZI 2015, 85 (Rn.  8)) und der umsetzenden Entscheidung (BGH, Urteil vom 15.3.2016 – II ZR 119/14, NZI 2016, 461 (Rn.  15)) ins Zentrum. 336  EuGH, Urteil vom 10.12.2015 – C-594/14 („Kornhaas“), NJW 2016, 223 (Rn.  20). Ähnlich auch i.R.d. internationalen Zuständigkeit: EuGH, Urteil vom 4.12.2014 – C-295/13 („H“), NZI 2015, 85 (Rn.  24). 337 Vgl. Smid, in Leonhard/Smid/Zeuner, int. InsR, Art.  4 EuInsVO Rn.  6. 338 Vgl. Hanisch, FS Jahr, S.  455 (460); ferner Wenner/Schuster, in FK InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  17. 339  Hierzu eingehend oben ad C.V.1.b. 340  Anschaulich und prägnant zu diesem Vorgang bei der Qualifikation die Ausführungen bei M.-P. Weller, in MüKo GmbHG, Einleitung, Int. GesR, Rn.  390 ff. Vgl. ferner eingehend unten ad C.VI.3.a.cc. und ad E.I.4. 341  Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  10. 342  In eine ähnliche Richtung letztlich schon die oben in Kapitel C. Fn.  300 Genannten.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

begriff der EuInsVO aus deren Art.  1 I und ErwG 10 S.  3 der Verordnung (Gesamtverfahren mit Vermögensbeschlag). Auch wenn der Insolvenzverfahrensbegriff in der EuInsVO 2017 insoweit erweitert wird, bilden diese Merkmale immer noch den Kern des Insolvenzverfahrensbegriffs. Das Insolvenzrecht ist auf Haftungsverwirklichung und Verteilungsgerechtigkeit,343 etwa i. S. der Gläubigergleichbehandlung, gerichtet.344 Daneben soll durch den geregelten Marktaustritt insolventer Marktteilnehmer der Rechtsverkehr geschützt werden (auch als Reinigungsfunktion des Insolvenzverfahrens bezeichnet).345 Die Reichweite des Insolvenzstatuts lässt sich also nur in ihrem Kernbereich formelhaft umschreiben, während in den Grenzbereichen der jeweilige Zweck des fraglichen Rechtsinstituts ausschlaggebend sein muss, der mit der Kollisionsnorm unter Beachtung ihrer Zwecke abzugleichen ist. b.  Katalog des Art.  4 II 2 EuInsVO als Konkretisierung des Art.  4 I 1, II 1 EuInsVO Präzisiert wird die formelhafte Beschreibung des Regelungsbereichs des Insolvenzstatuts in Art.  4 I 1, II 1 EuInsVO durch einen nicht abschließenden346 Katalog von Materien, die nach der Vorstellung des Verordnungsgebers dem Insolvenzstatut unterfallen sollen. Dabei regelt das Insolvenzstatut nach lit.  g des Katalogs, „welche Forderungen als Insolvenzforderungen anzumelden sind“ 347, nach lit.  i des Katalogs den „Rang der Forderungen“ und nach lit.  m, „welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen“. Mit den Regelungen zum Rang der Forderungen sind im deutschen Insolvenzrecht vor allem die §§  38 ff. InsO angesprochen.348 In diesem Bereich gibt es unter den europäischen Rechtsordnungen besonders viele Divergenzen.349 Art.  4 II lit.  g–i EuInsVO unterstellen letztlich gemeinsam das gesamte „Anmeldungs-, Prüfungsund Verteilungsverfahren“ dem Insolvenzstatut, weshalb eine (ggf. schwierige) Abgrenzung nicht vorgenommen werden muss.350 Ob §  39 I Nr.  5 InsO tatsächlich Art.  4 EuInsVO unterfällt, soll später ausführlich untersucht werden.351

343 

Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  10. Ganz ähnlich auch Eidenmüller, RabelsZ 70 (2006), 474 (484). 345  Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  10. 346  Dies ergibt sich aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“, vgl. Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  14. 347  Vgl. hierzu C. Paulus, EuInsVO, Art.  4 Rn.  29. 348  C. Paulus, EuInsVO, Art.  4 Rn.  32. 349  C. Paulus, EuInsVO, Art.  4 Rn.  32; Smid, in Leonhardt/Smid/Zeuner int. InsR, Art.  4 EuInsVO Rn.  25. 350  Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  32. 351  Unten Kapitel E. 344 

VI.  Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung

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Die Berufung des Insolvenzstatuts für die Insolvenzanfechtung in Art.  4 II lit.  m EuInsVO hängt eng mit Art.  13 EuInsVO352 zusammen, der ggf. eine nach dem Insolvenzstatut erfolgreiche Insolvenzanfechtung verhindert.353 Das Insolvenzstatut entscheidet im ersten Schritt sowohl über die Voraussetzungen354 als auch über die rechtlichen Wirkungen der Insolvenzanfechtung.355 Art.  4 II lit.  m EuInsVO umfasst grundsätzlich den gesamten Komplex der Insolvenzanfechtung der §§  129 ff. InsO,356 wobei überwiegend für §  135 InsO keine Ausnahme gemacht wird 357. Der Frage, ob dies für §  135 InsO zutrifft, wird später eingehend nachgegangen.358 Die Formulierung in Art.  4 II lit.  m EuInsVO ist von der Rechtsfolgenseite weit gefasst und bezieht sowohl die Fälle bzw. Rechtsordnungen ein, in denen eine absolute oder relative Unwirksamkeit der Rechtshandlung aus der Verfahrenseröffnung folgt, als auch diejenigen, bei denen eine Gestaltungserklärung erfolgen muss.359 Diese Rechtsfolge muss die Rechtshandlung nach dem Wortlaut deshalb treffen, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligt. Gegenstand der Artt.  4 II lit.  m, 13 EuInsVO sollen nach dem erläuternden Bericht nur Rechtshandlungen vor Verfahrenseröffnung sein.360 So stellt sich für einige Normen des nationalen Rechts, etwa §§  88; 96 I Nr.  3; 24 i. V. m. 81 InsO; ferner §  64 GmbHG bzw. §  92 II AktG und §  823 II BGB i. V. m. §  15a InsO, die Frage, ob sie Artt.  4 II lit.  m und 13 EuInsVO unterfallen. Da es hierbei aber vor allem darum geht, ob die Ausnahme des Art.  13 EuInsVO greift, werden diese Problemfälle im Zusammenhang mit Art.  13 EuInsVO besprochen.361

VI.  Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung Für die Insolvenzanfechtung enthält Art.  13 EuInsVO eine Ausnahmevorschrift zur Grundkollisionsnorm des Art.  4 EuInsVO, nach der es zu einer „eingeschränkte(n) 352  Weitestgehend übernommen in Art.  16 EuInsVO 2017. Siehe hierzu und zu dem Zusammenspiel mit Art.  4 II lit.  m EuInsVO ausführlich unten ad C.VI. 353 Vgl. Haß/Herweg, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  4 Rn.  46; Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  53. 354  Nach dem BGH ist allerdings die Frage, ob eine kongruente oder eine inkongruente Deckung vorliegt, eine Vorfrage, die sich nach dem jeweils maßgeblichen Schuldstatut richtet, vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2014 – IX ZR 13/14, NZI 2015, 183 (Rn.  12). 355  Haß/Herweg, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  4 Rn.  46; vgl. zum „Zusammenspiel“ mit Art.  13 EuInsVO unten ad C.VI.4. 356  C. Paulus, EuInsVO, Art.  4 Rn.  36; vgl. ferner zum sachlichen Anwendungsbereich unten zu Art.  13 EuInsVO ad C.VI.5.b. 357 Ausdrücklich C. Paulus, EuInsVO, Art.  4 Rn.  36; vgl. zum Meinungsstand zur kollisionsrechtlichen Behandlung des Gesellschafterdarlehensrechts unten ad E.III.1. 358  Unten Kapitel E. 359 Vgl. Reinhart, in MüKo InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  45. 360  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  138. 361  Siehe zum sachlichen Anwendungsbereich von Art.  13 EuInsVO unten ad C.VI.5.b.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

Kumulation von Insolvenz- und Wirkungsstatut“362 kommt. Diese Vorschrift wird mit geringen redaktionellen Änderungen in Art.  16 EuInsVO 2017 inhaltlich übernommen und trägt nach ErwG 24 der Verordnung dem Vertrauensschutz und der Rechtssicherheit Rechnung.363 Wenn und soweit Art.  13 EuInsVO greift, wird eine nach dem Insolvenzstatut erfolgreiche Anfechtung ausgeschlossen. Art.  13 ­EuInsVO ist deshalb im Zusammenhang mit Art.  4 II lit.  m EuInsVO zu sehen. Beide Normen schaffen zusammen einen eigenen „Regelungsmechanismus“ für die Insolvenz­ anfechtung. Besonders problematisch ist i.R.v. Art.  13 EuInsVO, wie das „für die Rechtshandlung maßgebliche Recht“ zu bestimmen ist. 1.  Geschichte dieser Norm Art.  13 EuInsVO soll auf einen Vorschlag von Balz zurückgehen.364 Dies betrifft allerdings nur den Mechanismus der eingeschränkten Kumulation365. Die sog. Kumulationslösungen366 zur Anknüpfung der Insolvenzanfechtung lassen sich noch weiter zurückverfolgen. Während in neuerer Zeit für die Insolvenzanfechtung teilweise für eine alleinige Einordnung unter das Insolvenzstatut367, teilweise allein unter das Wirkungsstatut368 plädiert wurde, wurde verbreitet die Auffassung vertreten, beide Statuten im Wege verschiedener Kumulationslösungen369 zu beachten. Diese haben gemeinsam, dass sie für die Anknüpfung der Insolvenzanfechtung sowohl auf das Insolvenzstatut, in Form des Rechts des Eröffnungsstaates, als auch auf das Recht, dem die spezifische Rechtshandlung unterliegt, abstellen. Zunächst wurde hierbei überwiegend von einer „uneingeschränkten“ Kumulation ausgegangen, wonach die Rechtshandlung nach beiden Rechtsordnungen anfechtbar sein musste.370 Dies stieß allerdings auf die Kritik, bei einer Kumulation 362  Dieser Begriff und die Regelung gehen zurück auf Balz, ZIP 1996, 948 (951); vgl. Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  4 Rn.  28. 363  Mankowski, in Kölner Schrift, S.  1467 (1506). 364 So Balz selbst, ZIP 1996, 948 (951); ferner Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/ Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  4 Rn.  28 Fn.  74. 365 Begriff nach Balz, ZIP 1996, 948 (951); ähnliches schlug allerdings bereits Fragistas, ­RabelsZ 12 (1938/39), 452 (458 f.) für die Konkursanfechtung in Anlehnung an die Gläubigeranfechtung vor. Zur Gläubigeranfechtung heißt es a. a. O., S.  458: neben den gesamten Voraussetzungen der lex causae der zu vollstreckenden Forderung müssten „auch die objektiven Anfechtungsvoraussetzungen“ der lex causae der angefochtenen Rechtshandlung vorliegen. Es sei also nach diesem Recht nur zu prüfen, „ob überhaupt die Rechtshandlung der Gläubigeranfechtung unterliegen kann“. 366  Vgl. zum Begriff Kumulation in Abgrenzung zu den Kombinationsmöglichkeiten verschiedener Anknüpfungsmomente Kropholler, IPR, §  20. 367  Oben Kapitel C. Fn.  61. 368  Oben Kapitel C. Fn.  59. 369  Nachweise zur Literatur oben Kapitel C. Fn.  63, zur Entwicklung der Rechtsprechung m.e.N. oben ad C.I.2.a.bb. 370  So etwa Lent, in Jaeger KO, 8. Auflage (1958), §  29 Anm.  43 ff. m. w. N.; Jahr, in Jaeger KO, 8. Auflage (1973), §§  237, 238 Rn.  250; demgegenüber bereits einschränkend Fragistas, RabelsZ 12 (1938/39), 452 (458 ff.).

VI.  Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung

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käme das „schwächere“371 bzw. das „strengere“372 Recht zur Anwendung.373 Durch die Kumulation zweier Rechtsordnungen werden die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Anfechtung erhöht, was als ein Sich-Durchsetzen des „anfechtungsfeindlichsten der beteiligten Rechte“374 bzw. sogar als ein „künstliches Recht der geringsten Anfechtbarkeit“375 bezeichnet wurde.376 Zur Verdeutlichung dessen wird das Beispiel angeführt, dass in einem Land A hohe Anforderungen an die subjektiven Merkmale bei langer Anfechtungsfrist gelten, während im Land B auf solche Merkmale bei vergleichsweise kurzer Frist verzichtet wird.377 Dies führe bei der Kumulationslösung dazu, dass nur bei Vorliegen der strengen subjektiven Merkmale und innerhalb der kurzen Frist eine Anfechtung Erfolg habe.378 Weitere, einer Kumulation immanente Schwierigkeiten treten bei der Frage nach der Geltendmachung und nach den Rechtsfolgen auf, die sich naturgemäß, soweit es über ein bloßes Ja oder Nein hinausgeht, schwerlich nach unterschiedlichen Rechtsordnungen richten können.379 Auf diese kritischen Punkte versuchte deshalb bereits der bundesdeutsche Gesetzgeber mit der Regelung des Art.  102 II EGInsO a. F. zu reagieren,380 indem eine Anfechtung nach ausländischem Recht auch dann erfolgreich sein sollte, wenn die Rechtshandlung nach inländischem Recht aus anderen Gründen keinen Bestand hat.381 Auch Art.  13 EuInsVO will diesen Problemen einer vollen Kumulation aus dem Weg gehen382 und wählt deshalb den Regelungsmechanismus der „eingeschränkten Kumulation“.383 2.  Ratio der Norm Als zentrale Begründung des Art.  13 EuInsVO findet sich immer wieder die Aus­ sage, es müsse das „berechtigte Vertrauen“ in eine nach dem „normalerweise an371 

Schurig, in Kegel/Schurig, IPR, §  6 IV; Hanisch, FS Stoll, S.  503 (510). Kritisch zum Begriff „schwächeres Recht“ allgemein Kropholler, IPR, §  20 IV. 373  Hanisch, FS Stoll, S.  503 (510). 374  Leipold, FS Henckel, S.  532 (543). 375  Hanisch, FS Stoll, S.  503 (511). Ähnlich auch Trunk, int. InsR, S.  189. 376  Keppelmüller, österreichisches int. KonkursR, S.  59; generelle Kritik an der Kumulation auch bei Hanisch, ZIP 1985, 1233 (1239). 377 Beispiel nach Hanisch, FS Stoll, S.  503 (510 Fn.  36); ebenso Zeeck, Int. AnfechtungsR, S.  67; Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  385 f.; Trunk, int. InsR, S.  190. 378  Hanisch, FS Stoll, S.  503 (510 Fn.  36). Dieses Beispiel aufgreifend: Zeeck, Int. AnfechtungsR, S.  67; Trunk, int. InsR, S.  190. 379  Kropholler, IPR, §  20 IV hält demgegenüber eine kumulative Anknüpfung in der Regel überhaupt nur in solchen Fällen für möglich. 380  Vgl. hierzu BT-Drs. 12/7303, S.  118. 381  Kritik an dieser Norm, insb. hinsichtlich des Ziels, die Nachteile der Kumulation zu beseitigen, bei Leipold, FS Henckel, S.  532 (546 ff.). 382 Vgl. Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  136. 383  Kritisch zur Verwendung des Begriffs Kumulation: Kolmann/C. Keller, in Gottwald, InsR-HdB, §  133 Rn.  97: „rechtstechnisch ungenau“; vgl. zum Regelungsmechanismus eingehend unten ad C.VI.4. 372 

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

wendbaren nationalen Recht“ wirksame Rechtshandlung geschützt werden.384 Inwieweit ein solcher Vertrauensschutz überhaupt Grundlage für eine Kollisionsnorm sein sollte, soll erst später näher problematisiert werden.385 Insoweit hat sich der europäische Verordnungsgeber klar entschieden. Neben diesem individuellen Aspekt wird teilweise als Zweck auch der „Ausgleich kollidierender staatlicher Regelungsinteressen“ gesehen.386 Dies sei auf der einen Seite das Interesse des insolvenzeröffnenden Staates, das heimische Insolvenzrecht anzuwenden, um alle Gläubiger gleich zu behandeln.387 Hinzu treten Praktikabilitätserwägungen: der Insolvenzverwalter soll das ihm bekannte Recht anwenden.388 Auch wenn ein solches Interesse oftmals nicht klar ausgesprochen wird, dürfte es doch richtig sein, dass es zumindest auch zu dem Regelungsmodell der Artt.  4 II lit.  m, 13 EuInsVO beigetragen hat. Der für die angefochtene Rechtshandlung maßgeblichen Rechtsordnung soll auf der anderen Seite die Möglichkeit eingeräumt werden, zu entscheiden, welche inländischen Rechtsvorgänge anfechtungsfest sind, um Übergriffe zu vermeiden.389 Dies diene letztlich der Akzeptanzsicherung für das „Prinzip der Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren“.390 Die Bewertung dieser verschiedenen Aspekte, die allesamt der Norm (vermeintlich) zu Grunde liegen, sei einem späteren Zeitpunkt vorbehalten.391 Zur Auslegung der Norm genügt es, diese zunächst zur Kenntnis zu nehmen. 3.  Das „für die Rechtshandlung maßgebliche Recht“ Die zentrale Frage im Rahmen von Art.  13 EuInsVO dreht sich um die Bestimmung des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“.392 a.  Methodischer Rahmen Dafür ist zunächst der methodische Rahmen abzustecken, innerhalb dessen diese Bestimmung verläuft. aa.  Verordnungsautonome Auslegung oder Auslegung ausgehend vom nationalen Kollisionsrecht? Vorab stellt sich die Frage, ob im Rahmen der Bestimmung des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“ i. S. v. Art.  13 EuInsVO die Maßstäbe einer verord384 

Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  138; U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (697). Siehe dazu unten ad C.VII.4.a. 386  U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (696 f.). 387  U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (696). 388  U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (696). 389  U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (696 f.). 390  U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (697). 391  Unten ad C.VII. 392  Daneben stellen sich zahlreiche Fragen in Anbetracht des Regelungsmechanismus, die inzwischen aber vom EuGH weitgehend beantwortet wurden. Vgl. dazu unten eingehend ad C.VI.4. 385 

VI.  Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung

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nungsautonomen Auslegung anzulegen sind. Da die Verordnung zur Bestimmung dieses Rechts ihrerseits auf nationales Kollisionsrecht verweist,393 ist dies grundsätzlich zu verneinen. Nur wenn das anwendbare Kollisionsrecht seinerseits europäisches Recht ist, ist dieses naturgemäß verordnungsautonom auszulegen.394 bb.  Auslegung nach der lex fori des angerufenen Gerichts oder nach der lex fori concursus? Daneben ist bzw. war umstritten, ob für die Bestimmung des maßgeblichen Rechts i. S. v. Art.  13 EuInsVO die Kollisionsregeln der lex fori des angerufenen Gerichts395 oder die Regelungen der lex fori concursus396 maßgeblich sind. Da der zweitgenannte Ansatz nicht argumentativ begründet wurde, fällt eine Auseinandersetzung schwer. Es sind allerdings in der Sache keine Gründe ersichtlich, warum hier von der Grundregel, dass das Gericht (zunächst) eigenes Internationales Privatrecht anwendet, abgewichen werden soll.397 Insbesondere lässt sich die Anwendung des Kollisionsrechts der lex fori concursus nicht aus Art.  4 EuInsVO herleiten, da dieser nur das Insolvenzstatut bestimmt und ohnehin Sachnormverweisung ist.398 Das angerufene Gericht wendet daher das eigene, nationale Kollisionsrecht zur Ermittlung des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“ an. Dieses Problem hat sich seit dem Urteil des EuGH in Sachen „Deko Marty Belgium“399 zur Annexzuständigkeit bei Insolvenzanfechtungsklagen und künftig mit Einführung von Art.  6 I EuInsVO 2017 in der klassischen Konstellation der Insolvenzanfechtungsklage des Insolvenzverwalters praktisch weitgehend entschärft, wenn es nicht sogar komplett obsolet geworden ist.400 Letzteres ist der Fall, wenn es 393  Insoweit bislang unstreitig, vgl. Stürner/Fix, FS Wellensiek, S.  833 (835). Von dieser Prämisse entfernt sich schon im Ausgangspunkt neuerdings Stangl, kollisionsrechtliche Umsetzung, S.  6, wenn er nach einer europaweit überzeugenden Methode zur Ermittlung des für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts i. S. v. Art.  13 EuInsVO sucht. 394  Hierauf weist zutreffend U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (709, Fn.  67) hin. 395  Hierfür OLG Naumburg, Urteil vom 6.10.2010 – 5 U 73/10, ZIP 2011, 677 (678); LG Krefeld, Urteil vom 3.9.2014 – 7 O 67/12, ZIP 2014, 1940 (1941); U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (709); ­Reinhart, in MüKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  7; Undritz, in HaKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  4; Wenner/Schuster, FK InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  4. 396 Hierfür Dammann, in Pannen EuInsVO, Art.  13 Rn.  5; etwas unklar Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  13 Rn.  16, 20; Keppelmüller, öster­ rei­chisches int. KonkursR, S.  186 (Fn.  323); Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, S.  43 (mit unklarem Verweis auf den erläuternden Bericht); Mäsch, in Rauscher EuZPR, Art.  13 EuInsVO Rn.  5; Zeuner, in Leonhard/Smid/Zeuner, int. InsR, Art.  13 EuInsVO Rn.  13. Diese Ansicht könnte auf Ausführungen Hanischs, in Kegel/Thieme, Vorschläge und Gutachten, S.  319 (336) zurückgehen, wenngleich dieser von den Vorgenannten nicht zitiert wird. 397  Vgl. zur parallelen Frage bei §  339 InsO Dahl, in Andres/Leithaus InsO, §  339 Rn.  8; Wenner/­Schuster, in FK InsO, §  339 Rn.  8. 398  Ähnlich auch Reinhart, in MüKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  7. 399  EuGH Urteil vom 12.2.2009 – C-339/07 („Deko Marty Belgium“), NJW 2009, 2189. 400  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  828; ferner Stürner/Fix, FS Wellensiek, S.  833 (835 f.).

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

sich bei diesem Gerichtsstand um einen ausschließlichen handelt.401 Hierfür spricht systematisch der eingeschränkte alternative Gerichtsstand in Art.  6 II UAbs.  1 EuInsVO 2017. Außerdem wird hierfür der Grundsatz der praktischen Wirksamkeit angeführt.402 Eine neue Konstellation, in der dieser Streit von Relevanz bleibt, hat sich aber durch das „F-Tex“ Urteil des EuGH ergeben. Der EuGH hat in diesem Urteil die Annexzuständigkeit für Insolvenzanfechtungsklagen, die von einem Zessionar erhoben werden, der die Forderung durch Abtretung vom Insolvenzverwalter erworben hat, abgelehnt.403 cc.  Grundüberlegungen zum Vorgang der Qualifikation Bei der Bestimmung des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“ ist die passende Kollisionsnorm, unter die die Rechtshandlung subsumiert werden kann, zu ermitteln. Die hierbei gefundene Kollisionsnorm führt dann, ggf. über gewisse Anknüpfungsmomente, zur Rechtsordnung, die das gesuchte „maßgebliche Recht“ stellt. Damit ist der Vorgang der Qualifikation angesprochen.404 Da es sich bei der Qualifikation um ein äußerst komplexes Thema handelt, über das in der Wissenschaft zudem keine Einigkeit herrscht,405 können hier nur stark verkürzt einige Grundlagen dargestellt werden.406 Zur vertieften Auseinandersetzung mit der Theorie der Qualifikation sei auf die hierzu erschienene Literatur verwiesen.407

401  Art.  6 I EuInsVO 2017 benennt den Gerichtsstand nicht ausdrücklich als ausschließlichen; der BGH ging nach der „Deko Marty Belgium“ Entscheidung hiervon aus, vgl. BGH Urteil vom 19.5.2009 – IX ZR 39/06, NZI 2009, 532 (533), ferner für den Art.  6 EuInsVO 2017 entsprechenden Art.  3a EuInsVO des Kommissionsvorschlags Prager/C. Keller, NZI 2013, 57 (59). 402  Prager/C. Keller, NZI 2013, 57 (59). 403  EuGH, Urteil vom 19.4.2012 – C-213/10 („F-Tex“), NZI 2012, 469 (Rn.  48). 404  Vgl. zum Begriff Kropholler, IPR, §  15 I 1; ferner zusammenfassend: Wendehorst, FS Sonnenberger, S.  743 ff.; anders verwendet dagegen offenbar Schurig, in Kegel/Schurig, IPR, §  7 I diesen Begriff als Einordnung der Sachnormen unter die Systembegriffe, was hier als (Teil der) sekundären Qualifikation angesehen wird. 405 Vgl. M. Keller/Siehr, IPR, §  34 I; ferner Wendehorst, FS Sonnenberger, S.  743 ff. Bereits der Begriff Qualifikation wird allerdings unterschiedlich verstanden: Nach Kropholler, §  15 I 3 sind Qualifikation und Auslegung voneinander zu trennen, wohingegen nach Schurig, in Kegel/Schurig, IPR, §  7 III und IV die Qualifikation ein Auslegungsproblem (hins. des Anknüpfungsgegenstandes) ist; vgl. hierzu Sonnenberger, in MüKo BGB 5. A., Bd. 10, int. PrivatR, Einleitung, Rn.  484. 406  Die hier in Anlehnung an die jeweils genannten Autoren verwendeten Begriffe werden teilweise von anderen Autoren mit abweichender Bedeutung verwendet. Diese uneinheitliche Verwendung der gleichen Begriffe scheint mir als großes Problem im Umgang mit dem Internationalen Privatrecht. Wo bereits keine Einigkeit über die Begriffe herrscht, ist eine Einigkeit in der Sache überhaupt nicht zu erreichen! Dieser Umstand rechtfertigt es, allgemeine Erwägungen voranzustellen, um die im Folgenden verwendeten Begriffe zu präzisieren, da alles andere zu Unklarheiten führen kann. 407  Vgl. etwa die Ausführungen in den Standard-Lehrbüchern, bspw. Schurig, in Kegel/Schurig, IPR, §  7; Kropholler, IPR, §  15; von Hoffmann/Thorn, IPR, §  6 A; ferner die Darstellung m.v.w.N. bei Wendehorst, FS Sonnenberger, S.  743 ff.

VI.  Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung

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Der Qualifikationsvorgang lässt sich in zwei Phasen unterteilen408: Die primäre Qualifikation bezeichnet dabei den Vorgang der „Subsumtion des Qualifikationsgegenstands unter eine Kollisionsnorm“ (genauer unter den Anknüpfungsgegenstand der Kollisionsnorm) und die sekundäre Qualifikation die Bestimmung des Ausschnitts der Rechtsordnung, den die Kollisionsnorm in der Rechtsfolge beruft.409 Die primäre Qualifikation spielt sich also allein im Bereich des Tatbestands ab, während die sekundäre Qualifikation die angeordnete Rechtsfolge näher bestimmt410. Beides bezieht sich auf den Anknüpfungsgegenstand und nicht auf das Anknüpfungsmoment. Was dabei Gegenstand der primären Qualifikation ist, wird unterschiedlich beantwortet, wobei überwiegend auf die sich stellende Rechtsfrage abgestellt wird.411 Die sekundäre Qualifikation ordnet die jeweiligen Rechtsnormen und -institute dem Anknüpfungsgegenstand zu.412 Die Anknüpfungsmomente der Kollisionsnorm werden demgegenüber ausgelegt und gerade nicht qualifiziert.413 Bei der Frage, welche Maßstäbe bei der Qualifikation anzulegen sind, bzw. ausgehend von welcher Rechtsordnung dieser Vorgang erfolgen soll,414 standen sich früher verschiedene Grundpositionen (vermeintlich) gegenüber. Zum einen wurde vorgeschlagen, alleine ausgehend vom materiellen Recht der lex fori zu qualifizieren (sog. lex fori-Qualifikation).415 Dem gegenüber stand die Qualifikation ausgehend vom materiellen Recht der im Endeffekt berufenen Rechtsordnung (sog. lex 408  Damit sind nicht zwei voneinander unabhängige „Stufen“ i. S. d. Theorie der Stufenqualifikation gemeint, die heute überwiegend kritisiert wird, vgl. hierzu Sonnenberger, in MüKo BGB 5. A., Bd. 10, int. PrivatR, Einleitung, Rn.  489 ff. m. w. N. Vgl. dazu, dass es sich dabei letztlich nur um verschiedene Perspektiven bei der Qualifikation handelt, die Ausführungen unten ad E.I.4. 409  Wendehorst, FS Sonnenberger, S.  743 f.; offenbar anders verwendet diese Begriffe Sonnenberger, in MüKo BGB 5. A., Bd. 10, int. PrivatR, Einleitung, Rn.  483. 410  Demgegenüber zieht Schurig, in Kegel/Schurig, IPR, §  6 II 1 diese Frage in den Tatbestand bzw. zu den Voraussetzungen der Norm. Dieses andere „Denkmodell“ dürfte i. E. aber nicht zu Unterschieden führen. 411  Als h. M. bezeichnet dies Wendehorst, FS Sonnenberger, S.  743 (744 mit Fn.  6) m. w. N. zum Meinungsstand. Sie selbst hält i. E. die Rechtsfrage für die „Reichweite des jeweiligen Statuts“ für maßgeblich und aus übergeordneter Perspektive auch insgesamt als Qualifikationsgegenstand (a. a. O., S.  750). Ferner ebenfalls für die Rechtsfrage als Gegenstand der Qualifikation Kropholler, IPR, §  15 II 3 (mit ausführlicher Herleitung); zumindest auch die Rechtsfrage im Rahmen eines Gesamtprozesses: Sonnenberger, in MüKo BGB 5. A., Bd. 10, int. PrivatR, Einleitung, Rn.  484; ferner auch M. Keller/Siehr, IPR, §  34 I. Schurig, in Kegel/Schurig, IPR, §  6 II 1 a. E. stellt auf eine Kombination von Sachverhalt und Rechtsnorm ab, die aber im Ergebnis der sachrechtlichen Rechtsfrage entsprechen soll. 412  Vgl. zur Qualifikation ausgehend vom Rechtsinstitut nochmals unten ad E.I.4. 413  Kropholler, IPR, §  15 I 3; von Hoffmann/Thorn, IPR, §  6 Rn.  1. 414  Häufig als Qualifikationsstatut bezeichnet, vgl. jedoch zur Ungenauigkeit bzw. Problematik dieses Begriffs von Bar, in von Bar/Mankowski, IPR Bd. 1, §  1 Rn.  19. 415  Vgl. hierzu Schurig, in Kegel/Schurig, IPR, §  7 III 2a m. w. N.; Schurig versteht die „lex fori Theorie“ dabei im Grundsatz so, dass diese von den materiell-rechtlichen Systembegriffen ausgeht, wenngleich er auch Ansätze für eine „kollisionsrechtliche lex fori“ in der Rechtsprechung und weitere Beispiele für die praktische Undurchführbarkeit dieser Prämisse benennt. Die „lex fori Theorie“ wird indes teilweise auch abweichend verstanden, vgl. etwa den Nachweis unten Kapitel C. Fn.  420.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

causae-Qualifikation).416 Diese beiden „Theorien“ setzen die Systembegriffe des Kollisionsrechts mit denen des materiellen Rechts gleich, wovon die autonomen Theorien, etwa die rechtsvergleichende Qualifikation417 Abstand nahmen.418 Dies folgte aus der Einsicht, dass es im Kollisionsrecht ein vom materiellen Recht abweichendes Begriffsverständnis geben kann und dass die Begriffe des materiellen Rechts notwendigerweise zu erweitern sind, wenn man fremde Rechtserscheinungen unter sie fasst419. Die heute wohl420 herrschende, sog. funktionale (teilweise auch funktionelle) oder teleologische Qualifikation421 geht ebenfalls von einem autonomen Begriffsverständnis422 aus und rückt die Funktionen bzw. Zwecke der Verweisungsbegriffe einerseits und der fraglichen materiellen Normen und Rechtsinstitute423 andererseits in den Mittelpunkt, die miteinander zu vergleichen sind.424 Die funktionale Qualifikation verbindet so letztlich die verschiedenen Ansätze, wobei je nach Problemlage unterschiedliche Gesichtspunkte in den Mittelpunkt rücken.425 b. Rechtshandlungsbegriff Problematisch scheint auf den ersten Blick auch, nach welchen Maßstäben die angefochtene „Handlung“ (Art.  13 EuInsVO) bzw. „Rechtshandlung“ (Art.  4 II lit.  m EuInsVO) näher zu präzisieren ist. Vorgeschlagen wurde, für den Rechtshandlungsbegriff einen verordnungsautonomen Maßstab anzulegen.426 Dies missversteht al-

416  Vgl. hierzu Schurig, in Kegel/Schurig, IPR, §  7 III 2b m. w. N. Vertreten in Deutschland vor allem von Wolff, IPR, S.  54 f. m. w. N. zu Vertretern im Ausland. 417  Rabel, RabelsZ 5 (1931), 241 (267 ff.). 418  Schurig, in Kegel/Schurig, IPR, §  7 III 3. 419  Schurig, in Kegel/Schurig, IPR, §  7 III 3 a. 420  Teilweise wird auch die „lex fori – Theorie“ als herrschend angesehen, etwa von Balke, Gesellschafterhaftung, S.  331. Allerdings wird von dieser entgegen dem oben Geschilderten anerkannt, dass die kollisionsrechtlichen Begriffe ggf. unabhängig vom materiellen Recht ausgelegt werden (können), womit sie sich in der Sache auch auf dem Boden einer autonomen Qualifikation bewegt. 421  Als herrschend bezeichnet etwa von von Hoffmann/Thorn, IPR, §  6 Rn.  11; von Hein, in MüKo BGB, Bd. 10 Einl. IPR, Rn.  115. 422  Dabei wird das Kollisionsrecht nach der „kollisionsrechtliche(n) lex fori“, in Abgrenzung zur „materiellen lex fori“ verstanden (vgl. Schurig, in Kegel/Schurig, IPR, §  7 III 2 a). Eingehend zur Emanzipation des IPR durch die autonomen Theorie dies., a. a. O., §  7 III 3. Ähnlich auch ­Wendehorst, FS Sonnenberger, S.  743 (751): Ausgangspunkt sei die Rechtsordnung, der die Norm entstammt, wobei die Begriffe aber „kollisionsrechtlich-autonom zu interpretieren“ seien. 423  Zur Qualifikation ausgehend vom Rechtsinstitut allgemein nochmal unten ad E.I.4. 424  Kropholler, IPR, §  17 I; ferner von Hoffmann/Thorn, IPR, §  6 Rn.  30. Den Fokus primär auf die Zwecke der Kollisionsnorm und die kollisionsrechtlichen Interessen legt Schurig, in Kegel/ Schurig, IPR, §  7 III 3 b. Wendehorst, FS Sonnenberger, S.  743 (751) weist zu Recht darauf hin, dass bei der Qualifikation auf Grundlage von Unionsrecht wegen des Erfordernisses autonomer Auslegung einzig diese Methode verbleibt. Vgl. auch Schmidt-Ehemann, Haftung, S.  147 zu den Problemen der lex fori Qualifikation bei Kollisionsnormen aus völkerrechtlichen Verträgen. 425 Vgl. von Hoffmann/Thorn, IPR, §  6 Rn.  11, 30. 426  Reinhart, in MüKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  5; Prager/C. Keller, NZI 2011, 697 (700).

VI.  Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung

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lerdings den Wirkmechanismus des Art.  13 EuInsVO427 und dessen Verhältnis zu Art.  4 II lit.  m EuInsVO. Nach diesem Mechanismus begründet allein das Insolvenzstatut die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung, während Art.  13 EuInsVO nur eine Sperr- 428 oder Vetofunktion429 zukommt. Art.  13 EuInsVO beseitigt nur eine nach dem Insolvenzstatut bestehende Anfechtbarkeit.430 Demnach bestimmt auch das Insolvenzstatut darüber, welche Rechtshandlung Gegenstand der Anfechtung ist und erst in einem zweiten Schritt muss (unter Beachtung der Darlegungs- und Beweislast)431 ermittelt werden, ob ein anderes Recht für die Rechtshandlung maßgeblich i. S. v. Art.  13 EuInsVO ist und ob die Rechtshandlung ggf. nach diesem „in keiner Weise angreifbar ist“.432 Das Insolvenzstatut bestimmt also, welche Rechtshandlung i.R.v. Art.  13 EuInsVO zu betrachten ist. c.  Bestimmung des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“ Wie das „für die Rechtshandlung maßgebliche Recht“433 i. S. v. Art.  13 EuInsVO zu bestimmen ist, wird in der Literatur bereits im Ausgangspunkt unterschiedlich beantwortet.434 aa. Differenzierungslehre Zunächst wurde für Art.  13 EuInsVO überwiegend davon ausgegangen, dass es auf die Art der jeweils angefochtenen Rechtshandlung ankommt. Soweit ein Verpflichtungsgeschäft angefochten werde, sei das Schuldstatut maßgeblich; wenn aber ein Verfügungsgeschäft angefochten werde, sei dieses selbständig zu qualifizieren, regelmäßig als dem Sach- oder allgemein dem „Verfügungsstatut“435 unterfallend.436 427 

Dazu ausführlich unten ad C.VI.4. hierzu Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  13 Rn.  2; ferner Kindler, in MüKo BGB, Art.  13 EuInsVO Rn.  2. 429  Vgl. zu diesem Begriff Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  136, der sich vor allem auf die Beweislast bezieht, dazu unten ad C.VI.4.d. 430  Thole, NZI 2013, 113 (114). 431  Dazu unten ad C.VI.4.d. 432  Thole, NZI 2013, 113 (114). 433  Das so umschriebene Recht wird verbreitet von Vertretern beider sogleich darzustellenden Ansichten als „Wirkungsstatut“ bezeichnet. Bis zur genaueren Klärung der Bedeutung dieses Begriffs (unten ad C.VI.3.c.dd.(6).) wurde und wird die neutralere Umschreibung des Gesetzes verwendet. 434  Die „Sondermeinungen“ im Zusammenhang mit §  135 InsO werden unten ad E.III.1.a. und b. vorgestellt und ad E.III.4.b.gg. besprochen. 435  Begriff nach Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  6, der auf das Sachoder Abtretungsstatut verweist (a. a. O., Rn.  4). 436  LG Krefeld, Urteil vom 3.9.2014 – 7 O 67/12, ZIP 2014, 1940 (1941; vgl. aber für die Überweisung unten Kapitel C. Fn.  574); Kindler, in MüKo BGB, Art.  13 EuInsVO Rn.  9, der allerdings (insoweit widersprüchlich) bei §  135 InsO doch auf den Darlehensvertrag abstellen will, obwohl als anfechtbare Rechtshandlungen i.a.R. Verfügungsgeschäfte in Rede stehen, vgl. a. a. O., Rn.  12; Kolmann/C. Keller, in Gottwald, InsR-HdB, §  133 Rn.  93; Mankowski, in Kölner Schrift, S.  1467 (1506); ders., NZI 2015, 481; Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  5; 428  Vgl.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

Eine Begründung hierfür wird, gerade in Abgrenzung zur Schuldstatutslehre, nicht gegeben. Für diese Sichtweise lässt sich aber anführen, dass sie nah am Wortlaut des Art.  13 EuInsVO die spezifische Rechtshandlung in den Fokus nimmt und dabei der im deutschen Recht gebräuchlichen Trennung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft konsequent Beachtung schenkt437. bb. Schuldstatutslehre Vor allem U. Huber tritt inzwischen dafür ein, das „für die Rechtshandlung maßgebliche Recht“ i. S. v. Art.  13 EuInsVO sei generell das der Rechtsbeziehung zugrundeliegende Schuldstatut.438 Hierfür kann auch auf das Urteil des BGH verwiesen werden, in dem dieser für die Konkursanfechtung, Art.  102 II EGInsO a. F. antizipierend, erstmals einer kumulativen Anknüpfung folgte.439 Der BGH stellte dort ohne nähere Auseinandersetzung unter Hinweis auf Artt.  27 I, 32 I Nr.  2 EGBGB Stephan, in HK InsO 7.A., Art.  13 EuInsVO Rn.  6; wohl auch: Kemper, in Kübler/Prütting/Bork InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  6; ferner vor Aufkommen der Schuldstatutslehre: Gruber, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  13 Rn.  3. Zu §  339 InsO ebenso: Kindler, in Kindler/Nachmann, HdB InsR Europa, §  4 Rn.  120; Stephan, in HK InsO, §  339 InsO verweist ausdrücklich auf die Kommentierung zu Artt.  4 II lit.  m, 13 EuInsVO. Ebenfalls bereits differenzierend Henckel, in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S.  156 (158 f.) zur alleinigen Geltung der lex causae; vgl. ferner zur Einzelgläubigeranfechtung (bzw. zu §  19 AnfG): BGH, Urteil vom 8.12.2011 – IX ZR 33/11, NJW 2012, 1217 (juris Rn.  13) m. w. N. zur obergerichtlichen Rechtsprechung. 437  So inzwischen auch das LG Krefeld, Urteil vom 3.9.2014 – 7 O 67/12, ZIP 2014, 1940 (1941). 438  Eingehend begründet von: U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (709 ff.); U. Huber, FS Gerhardt, S.  397 (420 f.); ferner ebenfalls begründend Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  828 ff. Jüngst mit eingehender Begründung, auf die hier nur noch punktuell eingegangen werden konnte, auch: Stangl, kollisionsrechtliche Umsetzung, passim, insb. S.  366 f., der allerdings selbst auch Ausnahmen von der generellen Geltung des Schuldstatuts macht. I.E. ebenso: Dornblüth, in HK InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  6; Kreuzberg, Drittsicherheiten, S.  110; C. Paulus, EuInsVO Art.  13 Rn.  6: „zumindest grundsätzlich“, eine Ausnahme denkt C. Paulus (seit der 4. Auflage) für die Gesellschafterdarlehen an (a. a. O., Fn.  13); C. Paulus, ZInsO 2006, 295 (296); J. Schmidt, EWiR 2014, 659 (660); Wenner/Schuster, in FK InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  4; wohl auch Undritz, in HaKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  4, der jedenfalls Deckungshandlungen unter das Vertragsstatut einordnet und Wenner, in Mohrbutter/Ringstmeier, Kapitel 20 Rn.  346. Zu §  339 InsO ebenso: Dahl, in Andres/Leithaus InsO, §  339 Rn.  8; Reimann-Rättig, in Hess InsO, §  339 Rn.  14; Lüer, in Uhlenbruck InsO, §  339 Rn.  12; Reinhart, in MüKo InsO, §  339 Rn.  9; Wenner/Schuster, in FK InsO, §  339 Rn.  8. Unklar: C. Paulus, in Kübler/Prütting/Bork InsO, §  339 Rn.  6. Vgl. ferner bereits Fragistas, RabelsZ 12 (1938/39), 452 (463): bei „Erfüllung einer Verbindlichkeit (…) kommt zur Anwendung die lex causae des erfüllten Anspruchs“. Auch der BGH ermittelt in seinem Vorlagebeschluss vom 10.10.2013 – IX ZR 265/12, NZI 2013, 1042 (Rn.  11) das Wirkungsstatut i. S. v. Art.  13 EuInsVO i.R.v. §  88 InsO hinsichtlich eines Pfändungspfandrechts nach (den auf den Sachverhalt noch anwendbaren) Artt.  27, 28 EGBGB. Es wird also das Schuldstatut der zugrunde­ liegenden Forderung ermittelt, ohne dass dies irgendwie begründet würde. Dies bedauert auch J. Schmidt, EWiR 2014, 659 (660). Die Entscheidung des EuGH, Urteil vom 16.4.2015 – C-557/13 („Lutz“), NZI 2015, 478 geht hierauf ebenfalls nicht ein. Auch EuGH, Urteil vom 15.10.2015 – C-310/14 („Nike European Operations Netherlands“), NZI 2015, 954 (Rn.  8) stellt (wohl mit dem vorlegenden Gericht) auf den niederländischen Franchisevertrag ab. 439  Vgl. zu diesem Urteil bereits oben ad C.I.2.a.bb.

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a. F. als maßgebliches Recht für eine Verfügung auf das Schuldstatut des zugrundeliegenden Vertrages ab.440 U. Huber hat diesen Ansatz ausführlich begründet. Maßgeblich im Sinne von Art.  13 EuInsVO sei die Rechtsordnung, die auch außerhalb des Insolvenzverfahrens über die Rechtsbeständigkeit des Erwerbs entscheide.441 Bei der Insolvenzanfechtung gehe es um einen „Erwerb cum causa“ und darum, „ob die causa, die den Erwerb außerhalb der Insolvenz dazu berechtigt, das Erworbene zu behalten, auch im Fall der Insolvenz gegenüber der Insolvenzmasse wirksam“ sei.442 Das „maßgebliche(s) „Wirkungsstatut““ sei daher das Schuldstatut, „das auch außerhalb der Insolvenz über die Kausalbeziehungen der Parteien entscheide(t)“.443 Es solle dieselbe Rechtsordnung über das Behalten-Dürfen in der Insolvenz entscheiden, aus der auch zuvor die „causa retinendi“ des Erwerbs hergeleitet wurde.444 Für die Beurteilung der Anfechtbarkeit komme es bei den typischen Anfechtungssachverhalten entscheidend auf das Kausalgeschäft an, während das Erfüllungsgeschäft „anfechtungsneutral“ sei.445 Folgerichtig müsse das Kausalgeschäft auch über die „Grenzen der Anfechtbarkeit“ entscheiden.446 Das gelte auch, soweit es nicht um Erfüllungshandlungen, sondern um die Bestellung von Sicherheiten oder um Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gehe.447 Diese alleinige Anwendung des Schuldstatuts des Kausalgeschäfts schränkt U. Huber für den Fall der Geltendmachung gegenüber Dritten (etwa Rechtsnach­ folgern) ein; hier soll zusätzlich das Sachstatut maßgeblich sein.448 cc.  Neuere differenzierende Schuldstatutslehre Neuerdings wird auch eine abgeschwächte Form der Schuldstatutslehre vertreten. Nach Brinkmann soll generell zwischen Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäften zu unterscheiden sein.449 Bei Erfüllungshandlungen sei allerdings das Schuldstatut maßgeblich, was hingegen für Besicherungen nicht der Fall sei.450 Angefochten werde in diesem Fall „die Erfüllungswirkung der Zahlung“, wofür gem. Art.  12 I 440 

BGH, Urteil vom 21.11.1996 – IX ZR 148/95, BGHZ 134, 116 (123, juris Rn.  20). U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (709). 442  U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (710). 443  U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (710). 444  U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (710). 445  U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (710), hierbei nennt Huber exemplarisch die Tatbestände der Deckungsanfechtung und §§  133, 134 InsO. 446  U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (710). 447  U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (712 ff.); anders noch Fragistas, RabelsZ 12 (1938/39), 452 (463 f.); a. A.: Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  6. 448 Vgl. U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (716 ff.); anders Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  835 ff. 449  Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  4 ff. 450  Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  6. Womöglich auch Mäsch, in Rauscher ­EuZPR, Art.  13 EuInsVO Rn.  5, der für Erfüllungshandlungen das Schuldstatut heranziehen will, zum maßgeblichen Statut für Besicherungen aber keine Stellung nimmt. 441 

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

lit.  b Rom I-VO das Schuldstatut maßgeblich sei.451 Diese Lehre stimmt in der Begründung im Wesentlichen mit der Schuldstatutslehre überein, wenngleich sie diese zurückhaltender anwendet452. dd.  Kritische Würdigung der Schuldstatutslehre und Streitentscheid (1)  Art.  32 I Nr.  2 EGBGB a. F. bzw. Art.  12 I lit.  b Rom I-VO Das vom Wortlaut her möglicherweise zunächst einleuchtende Argument, gem. Art.  32 I Nr.  2 EGBGB a. F. bzw. nun Art.  12 I lit.  b Rom I-VO richte sich die Erfüllung der durch einen Vertrag begründeten Verpflichtungen nach dem Schuldstatut,453 entpuppt sich bei näherer Betrachtung als in diesem Zusammenhang nicht weiterführend. Diese Norm bestimmt nicht vollumfänglich das auf das Erfüllungsgeschäft anwendbare Recht,454 insbesondere nicht, welches Statut über die dinglichen Wirkungen des Erfüllungsgeschäfts entscheidet,455 sondern betrifft alleine die Wirkung des Erfüllungsgeschäfts auf die Verpflichtungen.456 Das war bereits zum EGBGB anerkannt457 und wird auch heute zu Art.  12 I lit.  b Rom I-VO so gesehen.458 Selbst wenn man mit der Funktionsweise der Insolvenzanfechtung argumentieren möchte,459 führt das nicht weiter. Gegenstand der Anfechtung eines Erfüllungsgeschäfts des Schuldners sind gerade nicht die Wirkungen des Erfüllungsgeschäfts auf die Verpflichtung. Das Erlöschen der Verpflichtung des Schuldners ist nicht gläubigerbenachteiligend. Gegenstand bzw. Zielrichtung der Anfechtung eines ­Erfüllungsgeschäfts ist vielmehr regelmäßig die gerade durch jenes Erfüllungs­ geschäft eingetretene, spezifische Gläubigerbenachteiligung.460 Wie der BGH for­ muliert, sind „Grund- und Erfüllungsgeschäft (…) auch anfechtungsrechtlich selb-

451 

Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  6. die teilweise Kritik an der Begründung U. Hubers (oben Kapitel C. Fn.  441–448) bei Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  5. 453  Vgl. neben dem BGH Urteil (oben Kapitel C. Fn.  4 40) auch Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  366; Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  6. 454  So aber ausdrücklich Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  366. 455  Looschelders, IPR, Art.  32 EGBGB Rn.  9; Spellenberg, in MüKo BGB 4. A., Art.  32 EGBGB Rn.  35. 456  So auch Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  830. 457  Looschelders, IPR, Art.  32 EGBGB Rn.  9; vgl. ferner Magnus, in Staudinger BGB, Art.  32 EGBGB Rn.  33 ff. 458  Magnus, in Staudinger BGB, Art.  12 Rom I-VO Rn.  41 m. w. N.; Spellenberg, in MüKo BGB, Art.  12 Rom I-VO Rn.  71; kritisch deshalb zu diesem Argument ebenfalls Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  830. 459  Siehe zur Kritik an einer solchen Argumentation für die Bestimmung des maßgeblichen Rechts nochmal unten C.VI.3.c.dd.(7). 460 Vgl. Dauernheim, in FK InsO, §  129 Rn.  1, 37. Zur Zielrichtung der Insolvenzanfechtung allgemein: BGH, Urteil vom 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233 (236, juris Rn.  12); ebenso bereits: BGH, Urteil vom 16.3.1995 – IX ZR 72/94, NJW 1995, 1668 (1670, juris Rn.  51); BGH, Urteil vom 21.1.1999 – IX ZR 329/97, NZI 1999, 152 (153, juris Rn.  13). 452  Vgl.

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ständige Rechtshandlungen“.461 Art.  32 I Nr.  2 EGBGB a. F. bzw. Art.  12 I lit.  b Rom I-VO führen also in diesem Zusammenhang nicht weiter. (2)  Parallele zum Bereicherungsrecht Von den Vertretern der Schuldstatutslehre wird insbesondere eine Parallele der I­ nsolvenzanfechtung zum Bereicherungsrecht betont.462 Dieses wird grundsätzlich an das Recht angeknüpft, das der Kausalbeziehung zugrunde liegt, vgl. Art.  10 I Rom II-VO. Die Anfechtungstatbestände, so U. Huber, würden ebenfalls an den jeweiligen Kausalbeziehungen ansetzen, ohne Rückgriff auf diese sei die Anfechtbarkeit nicht zu beurteilen.463 Dies leuchtet für die Deckungsanfechtung nach §§  130, 131 InsO vielleicht noch ein,464 bei der es maßgeblich auch auf Details der zugrundeliegenden Forderung ankommt. Für §  133 InsO muss dieser pauschalen Parallele465 aber widersprochen werden. Es wurde zwar darüber diskutiert, ob Verpflichtungs- und Kausalgeschäft eine „anfechtungsrechtliche Einheit“ bilden,466 doch ist dies inzwischen dahingehend entschieden, dass sich die Anfechtbarkeit grundsätzlich gesondert für jedes Geschäft beurteilt.467 Die vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung des §  133 InsO kann sich aber gerade auch alleine auf das Verfügungsgeschäft beziehen und in keinem Zusammenhang zur causa stehen.468 So kann beispielsweise, wenn der Vertragsschluss schon sehr lange zurück liegt, der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz alleine auf eine Benachteiligung durch das Verfügungsgeschäft bezogen sein,469 etwa durch vollständige Tilgung der Forderung eines bestimmten Gläubigers. Eines Rückgriffs auf das Kausalgeschäft bedarf es hier gerade nicht, so dass die Parallele zum Bereicherungsrecht hier nicht besteht. Darüber hinaus sprechen auch die Rechtsfolgen der Insolvenzanfechtung eines Verfügungsgeschäfts gegen die Parallele zum Bereicherungsrecht, die U. Huber zieht. §  144 InsO wird überwiegend so verstanden, dass Absatz 1 die Fälle der Anfechtung eines Verfügungsgeschäfts und Absatz 2 die der Anfechtung eines Verpflichtungsgeschäfts regelt.470 Nach §  144 I InsO lebt nach weit verbreitetem Verständnis471 im Fall der Anfechtung eines Verfügungsgeschäfts die ursprüngliche 461 

BGH, Urteil vom 24.5.2007 – IX ZR 105/05, NJW-RR 2007, 1275 (1277, juris Rn.  27). Vgl. oben C.VI.3.c.bb.; ferner Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  831. 463  U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (709 f.). 464  Hinsichtlich §  130 InsO an dieser Argumentation zweifelnd: Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  5. 465  Ausdrücklich auch zu §  133 InsO U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (710). 466  Dies wurde zu §  29 KO vertreten, vgl. Kayser, in MüKo InsO, §  129 Rn.  58 m. w. N. 467 Vgl. etwa BGH Urteil vom 24.5.2007 – IX ZR 105/05, NJW-RR 2007, 1275 (1277, juris Rn.  27); Hirte/Ede, in Uhlenbruck InsO, §  129 Rn.  103; Kayser, in MüKo InsO, §  129 Rn.  57 f. m. w. N. 468  Vermutlich meint auch Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  6 §  133 InsO und nicht §  130 InsO. 469  Dies erkennt auch Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  831. 470  Vgl. etwa Kirchhof, in MüKo InsO, §  144 Rn.  3. 471  Siehe zu einem anderen, dogmatisch abgeleiteten Erklärungsansatz zu §  144 I InsO Pieken462 

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

Forderung wieder auf und kann dann ggf. zur Tabelle angemeldet werden.472 Eine etwaige Gegenleistung erhält der Anfechtungsgegner nicht zurück. Wenn U. Huber aber davon spricht, es gehe um die Frage, ob in der Insolvenz die causa „gegenüber der Insolvenzmasse wirksam“ sei,473 und dies auf das gesamte Anfechtungsrecht bezieht, ist zumindest erklärungsbedürftig, warum §  144 I InsO den Anspruch des Anfechtungsgegners aus dieser insolvenzrechtlich unwirksamen causa wieder aufleben lässt und dieser sodann im Insolvenzverfahren berücksichtigt wird.474 Wäre wirklich eine insolvenzrechtlich Unwirksamkeit der causa Grundlage der Insolvenz­ anfechtung, wäre diese konsequenterweise im Insolvenzverfahren insgesamt nicht mehr zu berücksichtigen. Der Vergleich zum Bereicherungsrecht kann nach all dem nicht überzeugen. (3)  Das „Streitgegenstands-Argument“ Thole führt als weiteres Argument an, dass im Anfechtungsrechtsstreit über ein Verfügungsgeschäft die in Art.  43 I EGBGB enthaltenen Rechte (an einer Sache) „überhaupt nicht streitgegenständlich sind“.475 Ähnlich argumentierte bereits U. Huber: „Prozessiert wird darüber, ob der Empfänger den Gegenstand behalten darf, und nicht ob er ihm gehört“.476 Warum für die materielle Frage, welches Recht für eine bestimmte Rechtshandlung maßgeblich i. S. v. Art.  13 EuInsVO ist, der prozessuale Streitgegenstand des Anfechtungsprozesses entscheidend sein soll, wird dagegen nicht begründet. Tatsächlich ist kein Zusammenhang erkennbar, der dafür spricht, dass der Streitgegenstand etwas über die Bestimmung des anwendbaren Rechts auf gewisse Teilfragen des Sachverhalts aussagt. Daneben ist festzuhalten, dass nach dem in Deutschland herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff dieser aus dem Antrag und dem vorgetragenen Lebenssachverhalt zu entnehmen ist.477 Der vorgetragene Sachverhalt würde dabei, soweit die angefochtene Rechtshandlung ein Verfügungsgeschäft, etwa eine Übereignung, ist, aus den Umständen dieses Geschäfts und seiner Anfechtbarkeit bestebrock, in Lobinger/Piekenbrock/Stoffels, Integrationskraft zivilrechtlicher Dogmatik, S.  51 (71 ff.). Dazu nochmal sogleich Kapitel C. Fn.  474. 472 Vgl. Kirchhof, in MüKo InsO, §  144 Rn.  7. 473  U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (710); dies ist zudem missverständlich, da die Masse nach h. M. kein Rechtssubjekt ist. 474  Ein möglicher Erklärungsansatz könnte sein, dass nicht die Forderung wiederauflebt, sondern §  144 I InsO dem Anfechtungsgegner ein Beteiligungsrecht an der Liquidationsmasse gewährt, vgl. Piekenbrock, in Lobinger/Piekenbrock/Stoffels, Integrationskraft zivilrechtlicher Dogmatik, S.  51 (71 ff.). Der Gedanke der insolvenzrechtlich unwirksamen causa verträgt sich aber auch mit einem Beteiligungsrecht an der Liquidationsmasse (gleichberechtigt mit den übrigen Gläubigern!) nicht. 475  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  831. 476  U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (714). 477 Vgl. Becker-Eberhard, in MüKo ZPO, Vorbemerkung zu §§  253 ff. Rn.  32.

VI.  Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung

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hen. Die Übereignung ist also jedenfalls Teil des streitgegenständlichen Sachverhalts. Der Antrag variierte dabei je nach Ausgestaltung der Insolvenzanfechtung nach der lex fori concursus. So müsste etwa nach deutschem Recht der Antrag auf Rückgewähr des Veräußerten, Weggegebenen oder Aufgegebenen zur Insolvenzmasse (§  143 I 1 InsO) lauten. Anders wäre es dagegen in den Rechtsordnungen, die die Anfechtbarkeit mittels dinglicher Unwirksamkeit durchsetzen. U. Huber betont aber gerade, dass die Rechtskonstruktion der Anfechtung für die Bestimmung des maßgeblichen Rechts nicht entscheidend sein dürfe.478 Wie man dann aber zu der Annahme kommt, die von Art.  43 I EGBGB adressierten Rechte an einer Sache seien im Anfechtungsrechtsstreit nicht streitgegenständlich, selbst wenn man prinzipiell auch den Wirkmechanismus der absoluten dinglichen Unwirksamkeit in die Betrachtung einbeziehen muss, erschließt sich nicht. (4)  Parallelität zu §  339 InsO Weiter wird vorgebracht, für eine Maßgeblichkeit des Schuldstatuts spreche die Behandlung dieser Frage durch die h. M. im Rahmen des insoweit ganz ähnlichen Tatbestands in §  339 InsO.479 Auch bei §  339 InsO werden aber vergleichbare Ansätze vertreten.480 §  339 InsO ist zudem gerade Art.  13 EuInsVO nachgebildet.481 Letztlich wird damit die Auslegung des nationalen Tatbestands der Verordnungsnorm folgen und nicht umgekehrt. (5)  Erfüllungshandlungen unter Rechtsordnungen mit Einheitsprinzip Weiterhin wird für eine generelle Maßgeblichkeit des Schuldstatuts angeführt, dass nicht allen europäischen Rechtsordnungen das Trennungs- und Abstraktionsprinzip bekannt sei.482 Es sei „eine Anknüpfung an den Erfüllungsakt selbst (…) nur dann möglich, wenn ein solcher getrennt vom zugrundeliegenden Vertrag überhaupt existiert“, ansonsten fehle es an anwendbaren Vorschriften.483 Es könne daher unter diesen Rechtsordnungen mitunter nicht auf das Erfüllungsgeschäft abgestellt werden, weshalb in diesen Fällen ohnehin nur das maßgebliche Recht des Vertrags in

478  U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (709). Ähnlich wohl auch Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  831, der gerade betont, dass die Parallele zum Bereicherungsrecht „ganz unabhängig von der rechtskonstruktive Einfassung der Anfechtung“ bestehe. 479  Stürner/Fix, FS Wellensiek, S.  834 (839): „gewisse Bestätigung“ m. w. N. 480  Vgl. die abweichenden Literaturstimmen zu §  339 InsO oben Kapitel C. Fn.  436 und Fn.  438. 481  Ganz eindeutig RegE BT-Drs. 15/16, S.  19, sogar mit erheblicher Kritik an der von der EuInsVO gewählten Kumulationslösung. 482  Stürner/Fix, FS Wellensiek, S.  834 (838). Ähnlich die Kritik von J. Schmidt, EWiR 2014, 659 (660), die ausdrücklich aber nur das Abstraktionsprinzip nennt. 483  Stürner/Fix, FS Wellensiek, S.  834 (838).

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

Betracht käme.484 Die Differenzierungslehre müsse daher Art.  13 EuInsVO „gesamteuropäisch gesehen“ gespalten auslegen, was nicht überzeugen könne.485 Auch dieser Argumentation ist zu widersprechen. Zwar mögen die Rechtsordnungen mit Einheitsprinzip (teilweise) keine speziellen Vorschriften für den Übertragungsakt vorsehen, dieser tritt naturgemäß hier mit dem schuldrechtlichen Geschäft ein. Jedoch widerspricht diese materiell-rechtliche Einheit nicht einer kollisionsrechtlichen Trennung, die im deutschen Recht allgemein anerkannt ist.486 Für das Verpflichtungsgeschäft bzw. den verpflichtenden Teil des Geschäfts sind die Regelungen des Schuldstatuts maßgeblich, für das Erfüllungsgeschäft bzw. den übertragenden Teil des Geschäfts die des Sachstatuts, unabhängig davon, ob die Rechtsordnung dem Einheits- oder dem Trennungsprinzip folgt.487 Das Sachstatut entscheidet, ob die Übertragung in einem gesonderten Geschäft erfolgt und darüber, ob dieses abstrakt oder kausal ist.488 Nur wenn das Sachstatut für die dingliche Seite zu einer Rechtsordnung mit Einheitsprinzip führt, richtet sich auch das dingliche Geschäft nach den insoweit für beide Geschäftsteile gemeinsamen Regelungen. Ob es spezielle Regelungen für den Übertragungsakt gibt, spielt somit für die kollisionsrechtliche Behandlung im Ausgangspunkt keine Rolle. Was die Problematik der gespaltenen Auslegung anbelangt, ist nicht ganz klar, ob sich der Vorwurf auf eine gespaltene Auslegung verschiedener Rechtshandlungen durch deutsche Gerichte oder auf die drohende gespaltene Auslegung derselben Rechtshandlung durch die Gerichte unterschiedlicher Mitgliedstaaten bezieht.489 Ersteres ist mit obigen Ausführungen erklärt, Letzteres tritt naturgemäß dadurch ein, dass die Bestimmung des maßgeblichen Rechts i. S. v. Art.  13 EuInsVO unterschied­ lichen nationalen Kollisionsrechten zugewiesen ist.490 Zudem ist festzustellen, dass auch in Mitgliedstaaten, die keine strikte Trennung von Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft kennen, diese beiden „Ebenen“ unterschieden werden bzw. dass auch in diesen Rechtsordnungen hinsichtlich der unterschiedlichen Wirkungen der einheitlichen Rechtshandlung differenziert wird – und das nicht nur im Kollisionsrecht.491 484 

Stürner/Fix, FS Wellensiek, S.  834 (838). Stürner/Fix, FS Wellensiek, S.  834 (838). In diese Richtung geht auch ein Hauptargument Stangls, kollisionsrechtliche Umsetzung, S.  366 f. mit Blick auf den Vertrauensschutzzweck des Art.  13 EuInsVO, der durch die drohende unionsweit gespaltene Auslegung des Art.  13 EuInsVO (vgl. insbesondere a. a. O., S.  97 ff., 134 ff., 230 ff., 325 ff.) gefährdet werde. 486  Schurig, in Kegel/Schurig, IPR, §  19 II; Kropholler, IPR, §  54 I 3 b; Thorn, in Palandt BGB, Art.  43 EGBGB Rn.  4; Wendehorst, in MüKo BGB, Art.  43 EGBGB Rn.  82. 487  Vgl. für Art.  11 EGBGB: Mäsch, in Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, Art.  11 EGBGB Rn.  61. 488  Looschelders, IPR, Art.  43 EGBGB Rn.  33; Wendehorst, in MüKo BGB, Art.  43 EGBGB Rn.  79, 82. 489  Anders bei Stangl, kollisionsrechtliche Umsetzung, S.  366 f., dem es um die gespaltene Auslegung der unterschiedlichen nationalen Gerichte geht. 490  Anders insoweit schon im Ansatz auf der Suche nach einer europaweiten Lösung für die Bestimmung des maßgeblichen Rechts i. S. v. Art.  13 EuInsVO: Stangl, oben Kapitel C. Fn.  393. 491  So jedenfalls Stangl, kollisionsrechtliche Umsetzung, für die von ihm betrachteten Rechtsordnungen England (S.  171 ff., insb. 216 ff.) und Frankreich (S.  270 ff., insb. S.  310 ff.), wobei man485 

VI.  Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung

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(6)  Bestimmung des Wirkungsstatuts hier und in anderen Fällen, historische Betrachtung Regelmäßig wird im Rahmen der Besprechung von Art.  13 EuInsVO darauf hingewiesen, es sei das „Wirkungsstatut“ bzw. die „lex causae“ zu bestimmen.492 Der Verweis auf das Wirkungsstatut für die Anknüpfung der Insolvenzanfechtung hat eine lange Geschichte und über viele Jahre hinweg in der wissenschaftlichen Diskussion namhafte Vertreter gefunden.493 Synonym werden für das Wirkungsstatut494 auch die Begriffe „lex causae“495 oder „Geschäftsstatut“ verwendet.496 Die Regelung des Art.  13 EuInsVO spricht vom abweichenden Recht, das für diese Handlung maßgeblich ist. Überwiegend wird davon ausgegangen, dies sei gleichbedeutend mit dem Wirkungsstatut.497 Der Begriff Wirkungsstatut wird in der Literatur unterschiedlich umschrieben. Gemeint sei etwa „das jeweils anwendbare Recht“,498 oder das Recht, „das auch den Geschäftsinhalt und die Geschäftsabwicklung beherrscht“,499 oder aber „die Rechtsordnung, welcher die Wirkungen der – anzufechtenden – Rechtshandlung unterliegen“500. Brinkmann dagegen versteht den Begriff „lex causae“ eher als Abgrenzung zum jeweils anwendbaren Verfahrensrecht.501 Der Begriff Wirkungsstatut adressiert dabei im Allgemeinen für jede Rechtshandlung ein bestimmtes Statut.502 gels unterschiedlicher konkreter Einzelakte die einzelnen Aspekte eines Rechtsgeschäfts inhaltlich zugeteilt würden. Stangl kommt freilich dennoch zu einem anderen Ergebnis. 492  Dammann, in Pannen EuInsVO, Art.  13 Rn.  3; Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  13 Rn.  15; Flöther/Wehner, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, Anh. I, Art.  13 EuInsVO Rn.  2; Gruber, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  13 Rn.  10; Kindler, in MüKo BGB, Art.  13 EuInsVO Rn.  2; Zeuner, in Leonhard/Smid/Zeuner, int. InsR, Art.  13 EuInsVO Rn.  6; Reinhart, in MüKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  7; Wenner/Schuster, in FK InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  1. Ähnlich für §  339 InsO: Lüer, in Uhlenbruck InsO, §  339 Rn.  13; Reinhart, in MüKo InsO, §  339 Rn.  9; Wenner/Schuster, in FK InsO, §  339 Rn.  8. 493  Nachweise oben: für eine alleinige Maßgeblichkeit des Wirkungsstatuts Kapitel C. Fn.  59 und in Kumulation mit dem Insolvenzstatut Kapitel C. Fn.  63. 494  Dieser Begriff geht wohl zurück auf Zitelmann, IPR Bd. 1, S.  125, vgl. ferner IPR Bd. 2, insbesondere S.  136 ff.; krit. zu diesem Begriff Hanisch¸ IPRax 1993, 69 (73 mit Fn.  33). 495  Abweichend (nur) für das kausale Schuldstatut verwendet diesen Begriff M. Huber, AnfG, §  19 Rn.  7, anders dagegen in Rn.  1. 496  Thole, NZI 2013, 113 (114); Schotten/Schmellenkamp, IPR, §  3 Rn.  4 4; vgl. ferner Hanisch, IPRax 1993, 69 (73 Fn.  33), der dies zumindest für den von Zitelmann eingeführten Begriff des Wirkungsstatuts vermutet. Dies muss bereits deshalb kritisch gesehen werden, weil lex und Statut jeweils unterschiedliche Bezugspunkte haben, vgl. von Bar, in von Bar/Mankowski, IPR Bd. 1, §  1 Rn.  18, auch wenn die lex causae insoweit ein Ausnahmefall ist und das Wirkungsstatut selbst als Anknüpfungspunkt wählt (vgl. dies., a. a. O., §  1 Rn.  21). 497 Ausdrücklich: Thole, NZI 2013, 113 (114): „nach allseits geteilter Auffassung“ m. w. N. 498  Kropholler, IPR, §  15 II 3. 499  Von Hoffmann/Thorn, IPR, §  7 Rn.  37. 500  So im Zusammenhang mit §  19 AnfG Kirchhof, MüKo AnfG, §  19 Rn.  7. 501  Brinkmann, Beilage zu ZIP 22/2016, S.  14 (15). 502  Vgl. zur Einheitlichkeit des Wirkungsstatuts Spellenberger, in MüKo BGB, Vor Art.  11 EGBGB Rn.  7; a. A. für Art.  13 EuInsVO offenbar Brinkmann, Beilage zu ZIP 22/2016, S.  14 (15),

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

Welches Statut dies im Einzelnen ist, bzw. wie es sich bestimmt, wird aber oftmals nicht genau herausgearbeitet. Das ist besonders bedauerlich, da die verwendeten Begriffe hierüber keinen klaren Aufschluss geben.503 Das jeweils anwendbare Recht auf eine Rechtshandlung kann durchaus unterschiedlich sein, soweit es um unterschiedliche Aspekte geht.504 Wenn man davon ausgeht, dass Gegenstand der Qualifikation (auch) die sich stellende sachrechtliche Rechtsfrage ist,505 nähert man sich dem Problem, wie sich das Wirkungsstatut bestimmt, wenn man sich klar macht, für welche Rechtsfrage dieses Wirkungsstatut maßgeblich sein soll. Wenn es also um die Frage nach „dem anwendbaren Recht“ geht, muss zur Präzisierung die Frage „worauf?“ gestellt werden. Da der Begriff Wirkungsstatut auch in anderen Rechtsnormen gebraucht wird, bietet es sich an, zunächst diese genauer in den Blick zu nehmen. Angesprochen ist damit vor allem Art.  11 EGBGB, der die Form von Rechtsgeschäften regelt.506 Dieser knüpft dabei alternativ an die Ortsform (Art.  11 I Var. 2 EGBGB) und eben auch an die Form des Wirkungsstatuts an (Art.  11 I Var. 1 EGBGB).507 Dabei wird als Wirkungsstatut im Rahmen von Art.  11 EGBGB für dingliche Rechtsgeschäfte unstreitig das Sachstatut als einschlägig erachtet.508 Das Wirkungsstatut, wie es bei Art.  11 EGBGB verstanden wird, deckt sich also offenbar mit dem Verständnis des Begriffs, den die Differenzierungslehre bei Art.  13 EuInsVO zugrunde legt. Bei der Ermittlung des Wirkungsstatuts ist die Frage zu stellen, welche Voraussetzungen und Wirkungen509 bzw. Rechtsfolgen für eine bestimmte Rechtshandlung gelten.510 Nicht gemeint ist hingegen die Rechtsfrage nach der Wirksamkeit der Rechtshandlung.511 nach dem es darauf ankommt, „welche Wirkung einer Rechtshandlung es ist, die mit der Anfechtung“ angegriffen wird. Aber auch danach dürfte in Anbetracht der jeweiligen Wirkung immer nur ein Statut maßgeblich sein. 503  So werden diese Begriffe auch teilweise erheblich kritisiert: vgl. etwa Kritik zum Begriff „Wirkungsstatut“ bei Hanisch, FS Jahr, S.  455 (470, Fn.  70); ferner Kropholler, §  15 II 3, der den Begriff „lex causae“ als „farblos“ bezeichnet. 504 Vgl. Gerfried Fischer, Verkehrsschutz, S.  361; ferner von Hoffmann/Thorn, IPR, §  7 Rn.  38; siehe außerdem zu konkreten Beispielen unten C.VI.3.c.dd.(7). 505  So die h. M., vgl. die oben in Kapitel C. Fn.  411 Genannten. 506  Art.  12 Rom I-VO führt in diesem Zusammenhang hingegen nicht weiter, da er ohnehin nur für die Form von Verträgen maßgeblich ist. 507 Vgl. Spellenberger, in MüKo BGB, Art.  11 EGBGB Rn.  1 ff., 66. 508 Vgl. Mäsch, in Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, Art.  11 EGBGB Rn.  31; Winkler von Mohrenfels, in Staudinger BGB, Art.  11 EGBGB Rn.  153; vgl. ferner Hohloch, in Erman BGB, Art.  11 EGBGB Rn.  33. 509  Gemeint sind damit die rechtlichen Wirkungen, anders dagegen Hanisch, ZIP 1981, 569 (572) zur Gläubigeranfechtung, der auf die Wirkung auf das Vermögen des Anfechtungsgegners abstellt. 510  Vgl. bereits Zitelmann, IPR Bd. 2, S.  136 ff. Insoweit dürfte die hier vertretene Auffassung durchaus mit Brinkmann, Beilage zu ZIP 22/2016, S.  14 (15) – (vgl. oben Kapitel C. Fn.  502) – auf einer Linie sein. 511  So auch schon Zitelmann, IPR Bd. 2, S.  136 ff., der zwar das Wirkungsstatut grundsätzlich auch für alle denkbaren Wirksamkeitsvoraussetzungen für maßgeblich erachtet, allerdings das

VI.  Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung

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Soweit hier und im Folgenden der Begriff „Wirkungsstatut“ verwendet wird, soll dem dieses Verständnis zugrunde gelegt werden, mithin diejenige Rechtsordnung gemeint sein, die über die Voraussetzungen und Wirkungen der Rechtshandlung entscheidet. Entsprechend wird auch der Begriff „lex causae“ verwendet. Dies entspricht dem Verständnis der Differenzierungslehre zur Bestimmung des „maßgeblichen Rechts“ bei Art.  13 EuInsVO. Die Schuldstatutslehre hingegen wendet nicht das Wirkungsstatut im herkömmlichen Sinne an, sondern entwickelt einen eigenen Begriff für das von Art.  13 EuInsVO als „maßgebliches Recht“ umschriebene Statut.512 Sie geht von einem anderen Qualifikationsgegenstand aus.513 Dabei wird zwar auch auf die „Wirkung“ der Rechtshandlung geblickt, wenn über Art.  32 I Nr.  2 EGBGB a. F. bzw. Art.  12 I lit.  b Rom I-VO argumentiert wird, allerdings auf die Wirkung auf die zugrundeliegende Forderung, soweit es um ein Erfüllungsgeschäft geht. Ein solches Verständnis ist vom Wortlaut des Art.  13 EuInsVO her wohl möglich, sollte aber von den Vertretern dieser Ansicht auch klar so benannt werden. Auch die Historie des Art.  13 EuInsVO lässt wohl beide Deutungsweisen für das „maßgebliche Recht“ zu. Der erläuternde Bericht enthält zur Vorgängerregelung des EuIÜ keine klare Aussage,514 doch dürfte die Entstehungsgeschichte eher dafür sprechen, dass Art.  13 EuInsVO das Wirkungsstatut im hergebrachten Sinne adressieren wollte.515 (7)  Grundsätzliche Bedenken gegen die Ermittlung des maßgeblichen Rechts der Rechtshandlung unter Rückgriff auf die Funktionsweise der Insolvenzanfechtungstatbestände Neben den bereits angeführten Schwächen in der Argumentation für eine Maßgeblichkeit des Schuldstatuts müssen grundsätzliche Bedenken insbesondere an der Methode geäußert werden, zur Ermittlung des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“ auf die Funktionsweise der Insolvenzanfechtungstatbestände zurückzugreifen. Wie gerade gesehen gehen die beiden Ansichten bereits von einem anderen Gegenstand der Qualifikation aus. Während die Differenzierungslehre streng die einzelne Rechtshandlung in den Blick nimmt und sich fragt, welche Rechtsordnung maßgeblich für die Voraussetzungen und Wirkungen der spezifische RechtshandWirkungsstatut in dem Sinne bestimmt, es sei maßgeblich „das Gesetz, das über die Wirkungen herrscht“; vgl. ferner dens., IPR Bd. 1, S.  141 ff. 512 Vgl. zu der Rechtsfrage, die von der neueren Literaturmeinung bzw. Schuldstatutslehre gestellt wird, sogleich ad C.VI.3.c.dd.(7). 513 Vgl. Stürner/Fix, FS Wellensiek, S.  834 (836). 514 Vgl. Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  135 ff. 515  Vgl. insbesondere die Verwendung des Begriffs bei Balz, ZIP 1996, 948 (951), auf den die Regelung in Art.  13 EuInsVO zurückgehen soll, vgl. oben Kapitel C. Fn.  362; ferner die oben genannten Vertreter einer Geltung der lex causae, Kapitel C. Fn.  59, die alle den Begriff im Sinne der Differenzierungslehre verwenden.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

lung ist, stellt die Schuldstatutslehre bereits generell auf das zugrundeliegende Kausalverhältnis ab und kommt zum Schuldstatut. Damit bestimmt die Schuldstatutslehre aber, wie oben gesehen, nicht das Statut, das man herkömmlich als „Wirkungsstatut“ bezeichnet. Verdeutlicht man sich nochmals, dass Gegenstand der Qualifikation immer (auch) die sich stellende Rechtsfrage ist, so müsste der unterschiedliche Gegenstand der Qualifikation der beiden Meinungen sich in entsprechende unterschiedliche Rechtsfragen formulieren lassen. Mit der Differenzierungslehre ist es die Rechtsfrage nach den Voraussetzungen und Wirkungen der spezifischen Rechtshandlung. Das Ergebnis ist folgerichtig bei Verträgen das Schuldstatut, bei Verfügungen das Verfügungs- oder Sachstatut, regelmäßig in Form der lex rei sitae. Die Schuldstatutslehre, die zur Begründung auf die Funktionsweise der Anfechtungstatbestände zurückgreift, legt hingegen die Frage nach der Wirksamkeit oder auch Rechtsbeständigkeit der Rechtshandlung zu Grunde.516 Die Frage nach der Wirksamkeit / Rechtsbeständigkeit kann sich allerdings für ein Verfügungsgeschäft hinsichtlich ganz unterschiedlicher Gesichtspunkte stellen:517 etwa hinsichtlich der bereicherungsrechtlichen Rechtsbeständigkeit, für die tatsächlich regelmäßig das zugrundeliegende Schuldstatut maßgeblich ist (Art.  10 I Rom II.VO), hinsichtlich der Frage, ob die Voraussetzungen des dinglichen Erwerbsaktes erfüllt waren, was unstreitig dem Sachstatut unterfällt, oder aber etwa hinsichtlich der Frage nach der Formgültigkeit, die nach Art.  11 EGBGB (wie auch Art.  11 Rom I-VO für Verträge) alternativ dem Wirkungsstatut untersteht. An der Argumentation der Schuldstatutslehre, die Anfechtbarkeit ergebe sich regelmäßig aus dem Kausalverhältnis, zeigt sich, dass diese als Gegenstand ihrer Qualifikation die Rechtsfrage nach der Rechtsbeständigkeit in Anbetracht von Gläubigerbenachteiligungen heranzieht. Diese Rechtsfrage muss als Qualifikationsgegenstand zur Bestimmung des gem. Art.  13 EuInsVO „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“ aber ausscheiden, da bereits Artt.  4 II lit.  m, 13 EuInsVO eine Kollisionsnorm für diesen Qualifikationsgegenstand enthalten. Letztlich ersetzt die Schuldstatutslehre verdeckt Art.  13 EuInsVO durch eine eigene Kollisionsregel, die generell kumulativ auf das Schuldstatut verweist. Bereits die Methode, zur Ermittlung des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“ auf die Funktionsweise der Anfechtungstatbestände abzustellen, ist demnach abzulehnen. Damit entfällt aber auch der zentrale Begründungsansatz der Schuldstatutslehre.

516  Dies wird in den Ausführungen U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (709) deutlich. Ähnlich formulierte bereits Henckel, in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S.  156 (158) für die alleinige Maßgeblichkeit des Wirkungsstatuts, es sei „das Recht maßgebend, nach dem die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts beurteilt wird“. 517  Die nicht alle am Wirkungsstatut, nach der oben gefundenen Bedeutung, anknüpfen, vgl. von Hoffmann/Thorn, IPR, §  7 Rn.  38; ferner bereits die Nachweise oben Kapitel C. Fn.  504.

VI.  Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung

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(8)  Weiter Rechtshandlungsbegriff Für die Differenzierungslehre spricht positiv, dass sie dem weiten Rechtshandlungsbegriff des Anfechtungsrechts besser gerecht wird. Neben Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften sind nämlich noch eine Vielzahl anderer Rechtshandlungen anfechtbar: so etwa Prozesshandlungen, Unterlassungen, rechtserhebliche Realakte usw.518 Warum aber bspw. das Wirkungsstatut einer unterlassenen Prozesshandlung, etwa der bewussten Säumnis in einem Termin,519 das Schuldstatut und nicht das anwendbare Prozessrecht sein soll, leuchtet nicht ein. Insbesondere der Hinweis, der Prozess „liefere nur den äußeren Rahmen für die anfechtbare Rechtshandlung“520, erklärt nicht, warum das für eine Prozesshandlung maßgebliche Recht das Schuldstatut sein soll. Vielmehr muss die Schuldstatutslehre hier wieder auf die Grundlage der Anfechtbarkeit verweisen,521 was, wie bereits festgestellt, zur Bestimmung des „maßgeblichen Rechts“ einer Rechtshandlung bei Art.  13 EuInsVO nicht überzeugen kann. Somit wird die Differenzierungslehre dem weiten Rechtshandlungsbegriff des Anfechtungsrechts besser gerecht. (9)  Erstreckung auf sonstige Unwirksamkeitsgründe Ferner spricht die Erstreckung auf sonstige Unwirksamkeitsgründe „des für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“ in Art.  13 EuInsVO für die Differenzierungslehre. Nach der Schuldstatutslehre würde die Einrede des Art.  13 EuInsVO nicht mehr durchgreifen, wenn etwa das Verfügungsgeschäft nach dem Schuldstatut sittenwidrig wäre. Eine Sittenwidrigkeit des Verfügungsgeschäfts, die nur nach dem Verfügungsstatut besteht, wäre unter der Schuldstatutslehre dagegen unbeachtlich, so dass Art.  13 EuInsVO die Anfechtung dennoch sperrte.522 Die Lösung, der Insolvenzverwalter müsse sich vorab überlegen, ob er eine Anfechtbarkeit oder andere Unwirksamkeitsgründe geltend machen wolle,523 überzeugt nicht.524 Die rechtliche Begründung kann, soweit sie sich im selben Lebenssachverhalt bewegt, im Prozess ausgetauscht werden, ohne dass eine Klageänderung vorliegt.525 Deshalb ist es vorzugswürdig, der von Thole selbst erkannten „Doppelung der Rechtsordnungen“526 mit der Differenzierungslehre von vorne herein aus dem Weg zu gehen, indem man auch bei Art.  13 EuInsVO das Wirkungsstatut nach allgemeinem Verständnis heranzieht. 518  Vgl. hierzu Kayser, in MüKo InsO, §  129 Rn.  7 ff.; in eine ähnliche Richtung geht die Kritik Brinkmanns, in K. Schmidt InsO, Art.  13 Rn.  5 an der uneingeschränkten Schuldstatutslehre. 519  Eine solche Säumnis nennt Kayser, in MüKo InsO, §  129 Rn.  27 als Beispiel. 520 So Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  834. 521  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  834. 522  Dies erkennt schon Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  832 f. 523  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  833. 524  Vgl. dagegen zum Wahlrecht innerhalb des Prozesses, mit welcher Begründung die Rechtshandlung angegriffen wird, unten ad C.VI.4.b. 525  Becker-Eberhard, MüKo ZPO, §  263 Rn.  18. 526  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  833.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

(10)  Gewährleistung des Vertrauensschutz Zuletzt ist noch auf ein weiteres Argument zu blicken, das von den Befürwortern einer generellen Anwendung des Schuldstatuts vorgebracht wird: Die Gewährleistung des Vertrauensschutzes in die Rechtsbeständigkeit, den Art.  13 EuInsVO bezwecke, spreche für die Maßgeblichkeit des Schuldstatuts.527 Bei Trennung von „Erfüllungsakt und zugrundeliegendem Vertrag hänge die Rechtsbeständigkeit des Erfüllungsaktes allerdings von zwei Geschäften ab“.528 Da bei Art.  13 EuInsVO zu fragen sei, welche Rechtsordnung über die Rechtsbeständigkeit entscheide, müsse man sich für eine der beiden Möglichkeiten entscheiden.529 Vorzugswürdig sei es dabei auf die Rechtsordnung abzustellen, der der Vertrag unterliegt.530 Diese Rechtsordnung gewährleiste den Vertrauensschutz „in größerem Maße“, da sie für alle Erfüllungshandlungen maßgeblich sei.531 Außerdem werde so eine Rechtswahl ermöglicht.532 Verschiedene Deckungshandlungen beurteilten sich unter der Schuldstatutslehre nach demselben Recht.533 Dass allerdings ein konkretes schutzwürdiges Vertrauen hierin besteht, scheint eher zweifelhaft, zumal diese Argumentation letztlich zirkulär ist. Dass es bereits methodisch nicht überzeugt, bei der Ermittlung des maßgeblichen Rechts i. S. v. Art.  13 EuInsVO die Frage nach der Rechtsbeständigkeit zu Grunde zu legen, wurde bereits dargestellt.534 Die Aussage, eine Anknüpfung an den zugrundeliegenden Vertrag werde dem Vertrauensschutz besser gerecht, wird lediglich in den Raum gestellt, ohne tatsächlich begründet zu werden. Die genaue Begründung des Bezugspunktes fällt bei einer Argumentation mit Vertrauensschutz per se schwer.535 Soweit man aber von einer grundsätzlichen Trennung von Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft zumindest im Kollisionsrecht ausgeht, scheint es auch folgerichtig, hier nicht den Vertrauensschutz über einen Kamm zu scheren. Geschützt werden soll gerade das Vertrauen in die „nach dem normalerweise anwendbaren nationalen Recht vorgenommene Rechtshandlung“.536 Sobald sich der Normunterworfene die Frage stellt, nach welchem Recht sich die von ihm angestrebte Übereignung richtet, muss er aber zumindest für die Voraussetzungen und Wirkungen eines Erfüllungsgeschäfts auf das Sach- bzw. Verfügungsstatut stoßen.

527 

Stürner/Fix, FS Wellensiek, S.  834 (838 f.). Stürner/Fix, FS Wellensiek, S.  834 (838). 529  Stürner/Fix, FS Wellensiek, S.  834 (838). 530  Stürner/Fix, FS Wellensiek, S.  834 (838). 531  Stürner/Fix, FS Wellensiek, S.  834 (838 f.). 532  Stürner/Fix, FS Wellensiek, S.  834 (839). 533  Stürner/Fix, FS Wellensiek, S.  834 (838 f.), die dies aber ohne ersichtlichen Grund auf vertragliche Erfüllungsakte beschränken. 534  Siehe oben ad C.VI.3.c.dd.(7). 535  Vgl. zur gesamten Problematik unten ad C.VII.4.a. 536  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  138. 528 

VI.  Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung

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ee.  Ergebnis zur Bestimmung des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“ Überzeugend ist die Bestimmung des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“ im Sinne von Art.  13 EuInsVO nach der Differenzierungslehre. Damit bestimmt man tatsächlich das Wirkungsstatut, wie es auch in anderen Vorschriften verstanden wird. d.  Problematik der Manipulierbarkeit, Rechtswahl bzw. anderweitig „gezieltes Schaffen einer Anknüpfung“ Im Rahmen der Bestimmung des maßgeblichen Rechts, wird häufig die Problematik der Manipulierbarkeit desselben besprochen.537 Diese ergibt sich durch die grundsätzliche Möglichkeit der Rechtswahl im Bereich des Vertragsstatuts (Art.  3 Rom I-VO) und hinsichtlich des Sachstatuts mit der lex rei sitae-Regel durch die Möglichkeit der Veränderung des Lageorts einer beweglichen Sache. Sowohl die Möglichkeit der Rechtswahl als auch die situs-Regel sind aber eindeutige Entscheidungen des Gesetzgebers, der damit grundsätzlich den Parteien die Möglichkeit einräumt, über das anwendbare Recht zu entscheiden. Einer Rechtswahl i.R.v. Art.  13 EuInsVO immer gänzlich die Geltung zu versagen,538 dürfte daher nicht haltbar sein.539 Damit ist aber noch nichts über die allgemeinen Mechanismen gesagt, mit denen ggf. gezielten Manipulationen des anwendbaren Rechts begegnet werden kann.540 aa.  Binnensachverhalte Art.  3 III Rom I-VO Zunächst ist damit die Regelung des Art.  3 III Rom I-VO angesprochen, die bei reinen Binnensachverhalten für Verträge die Anwendung zwingender Vorschriften vorsieht.541 Zu diesen zwingenden Regeln zählen auch die Insolvenzanfechtungstatbestände, da von ihnen nicht durch Parteivereinbarung abgewichen werden kann.542 Ein reiner Binnensachverhalt ist nur dann abzulehnen, wenn Anknüpfungsmerkmale von einigem Gewicht vorliegen, bspw. wenn eine Partei den gewöhnlichen Aufenthalt oder eine Niederlassung in einem anderen Staat hat oder dort der Erfüllungsort liegt.543 Dies dürfte als Korrektiv, soweit ein Verpflichtungsgeschäft Gegenstand 537 Vgl. Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  838 ff. m. w. N.; Trunk, int. InsR, S.  187 f. m. w. N. zieht diese Manipulierbarkeit bzw. das Fehlen derselben als Argument für die Geltung der lex fori concursus heran. 538  Vgl. etwa B. König, Anfechtung, Rn.  472 für „grundlose Rechtswahl“. 539  So auch Gruber, in Haß/Gruber/Huber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  13 Rn.  7 m. w. N. 540  C. Paulus, EuInsVO Art.  13 Rn.  6 geht (wohl auf Basis der Schuldstatutslehre) davon aus, dass „die Wahl etwa des anfechtungsfeindlichsten Rechts“ wegen der „Gleichwertigkeit der einzelnen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten“ hinzunehmen ist. 541  Vgl. ausführlich dazu Martiny, in MüKo BGB, Art.  3 Rom I-VO Rn.  87 ff. 542  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  839. 543  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  839 m. w. N.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

der Anfechtung ist, schon einen Großteil der Fälle einer bewussten Umgehung des Art.  13 EuInsVO abfangen. bb. Eingriffsnormen Die Insolvenzanfechtung dürfte hingegen nicht die von Art.  9 I Rom I-VO bzw. Art.  16 Rom II-VO verlangten Voraussetzungen für eine Eingriffsnorm erfüllen.544 cc.  Wesentlich engere Verbindung gem. Art.  46 EGBGB Als Möglichkeit der Korrektur der situs-Regel des Art.  43 EGBGB bietet sich Art.  46 EGBGB an, soweit die Sache, nur um in den Genuss eines anderen Rechts zu kommen, zur Übereignung ins Ausland verbracht wurde. dd.  Wesentlich nähere Beziehung zum Recht des Staates der Verfahrenseröffnung Konnte der BGH noch in relativ freier Rechtsschöpfung davon ausgehen, dass ein abweichendes Wirkungsstatut unbeachtlich ist, wenn ein „ganz überwiegender Inlandsbezug“ besteht und ausländische Interessen nicht berührt werden,545 bzw. bei einer „besonderen Nähe“ zum Recht des Staates der Verfahrenseröffnung,546 dürfte dieser Weg wegen der einerseits klaren Kumulation in Art.  13 EuInsVO und den ausdifferenzierten Mechanismen der Rom I-VO nicht mehr gangbar sein.547 ee.  Insolvenzanfechtung der Rechtswahl oder der Veränderung der entscheidenden Anknüpfungspunkte Vorgeschlagen wurde auch eine Insolvenzanfechtung der Rechtswahl selbst.548 Auch eine anderweitige Veränderung der entscheidenden Anknüpfungspunkte könnte möglicherweise der Insolvenzanfechtung ausgesetzt sein. Voraussetzung dafür ist, dass das anwendbare Recht (dazu sogleich) diese Möglichkeit kennt.549 Dann dürfte wiederum dasjenige Wirkungsstatut zum Zug kommen, das ohne die angefochtene Rechtswahl bzw. Verlegung des Lageortes gem. Art.  13 EuInsVO berufen wäre.550 544 

Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  844 f. m. w. N. BGH, Urteil vom 30.4.1992 – IX ZR 233/90, BGHZ 118, 151 (169). 546  BGH, Urteil vom 21.11.1996 – IX ZR 148/95, BGHZ 134, 116 (126, juris Rn.  29). 547 So auch ohne Begründung Kolmann/C. Keller, in Gottwald, InsR-HdB, §  133 Rn.  100; a. A.: U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (711). 548  Kolmann/C. Keller, in Gottwald, InsR-HdB, §  133 Rn.  95; Reinhart, in MüKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  5; Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  15; aus Sicht der neueren Literaturmeinung / Schuldstatutslehre für den Aspekt der Rechtswahl Wenner/Schuster, in FK InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  5, §  339 Rn.  9. 549  Dies dürfte unter deutschem Recht mit dem weiten Rechtshandlungsbegriff grundsätzlich der Fall sein, vgl. Reinhart, in MüKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  5. 550  Aus Sicht der neueren Literaturmeinung / Schuldstatutslehre für den Aspekt der Rechtswahl: Wenner/Schuster, in FK InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  6, §  339 Rn.  9. 545 

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Problematisch ist allerdings, nach welchem Recht sich die Anfechtbarkeit der Rechtswahl bzw. Veränderung der entscheidenden Anknüpfungspunkte (etwa des Lageorts) richten soll. Vorgeschlagen wurde für die Insolvenzanfechtung einer Rechtswahl auf das ohne die fragliche Manipulation geltende Wirkungsstatut abzustellen.551 Wenn, dann wird dieses allerdings wiederum nur zusätzlich zum gem. Art.  4 II lit.  m EuInsVO berufenen Recht des Eröffnungsstaates zum Zuge kommen. Hierfür könnte sprechen, dass die Schranken der Rechtswahl bspw. aus Art.  3 III oder Art.  9 Rom I-VO (genauso wie diejenigen des nationalen Rechts) gerade unabhängig vom gewählten Recht gelten.552 Bei diesen Normen handelt es sich allerdings um „kollisionsrechtliche Schranken“. Die Insolvenzanfechtung ist dagegen materiell-rechtlicher Natur. Die Rechtswahl muss allgemein aber nach dem hierdurch berufenen Recht wirksam sein,553 so dass es näher liegt, auch für die Insolvenzanfechtung dieses Recht kumulativ (als Wirkungsstatut i. S. d. Art.  13 ­EuInsVO) anzuwenden,554 auch wenn dies im Ergebnis zu schlechteren Erfolgsaussichten führen mag. Dieses Ergebnis sollte auf den Fall der Anfechtung einer Veränderung des Lageorts bzw. einer sonstigen Veränderung der Anknüpfungspunkte übertragen werden. ff.  Fraudulöse Anknüpfung Als letzte Möglichkeit, einer Umgehung des Art.  13 EuInsVO zu begegnen, bleibt die Anwendung der Grundsätze der fraus legis.555 Nach ihr sind Manipulationen durch gezielte Wahl der Anknüpfungsmerkmale unter Umständen unbeachtlich.556 Der Anwendbarkeit dieser Grundsätze dürfte nicht entgegenstehen, dass es bei Art.  13 EuInsVO um eine Verordnungsvorschrift geht,557 da einerseits die Ermittlung des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“ i. S. v. Art.  13 EuInsVO dem Kollisi551  Reinhart, in MüKo InsO 2.A., Art.  13 EuInsVO Rn.  5; zu §  339 InsO: Reinhart, in MüKo InsO, §  339 Rn.  10. Wohl auch: Lüer, in Uhlenbruck InsO, §  339 InsO Rn.  16 mit Verweis auf Reinhart, a. a. O. 552  Vgl. für die Rechtswahl dazu Hausmann, in Staudinger BGB, Art.  10 Rom I-VO Rn.  34; zum Argument ferner noch vor Geltung der Rom I-VO in Bezug auf die EGBGB-Normen Reinhart, in MüKo InsO 2.A., Art.  13 Rn.  5. 553  Die Wirksamkeit der Rechtswahl bestimmt sich grundsätzlich nach dem gewählten Recht, vgl. für Art.  10 Rom I-VO: Hausmann, in Staudinger BGB, Art.  10 Rom I-VO Rn.  34 m. w. N.; für das Sachstatut ist es dagegen irrelevant, warum eine Sache sich am Lageort befindet, vgl. Hohloch, in Erman BGB, Art.  43 EGBGB, Rn.  9 m. w. N., so dass ein solcher Vergleich nicht angestellt werden kann. 554 So i. E. auch Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  15 und wohl auch Schluck-Amend, in Pape/Uhländer InsO, §  339 Rn.  9 ohne Begründung. 555  So auch Gruber, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  13 Rn.  7; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  840 f. 556  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  840 m. w. N.; zu weiteren Details siehe Sonnenberger, in MüKo BGB 5. A., Einleitung IPR, Rn.  746 ff.; sehr zurückhaltend, sofern die Möglichkeit einer Rechtswahl vom Gesetz her eingeräumt ist gänzlich ablehnend: von Bar/Mankowksi, IPR Bd. 1, §  7 Rn.  129 ff. 557  So aber M.-P. Weller, ZGR 2008, 835 (850) für die Verlegung des COMI.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

onsrecht des Forumstaates des konkreten Anfechtungsprozesses obliegt558 und soweit es sich auch hierbei um Unionsrecht handelt (etwa eine der Rom-Verordnungen), der fraus legis Gedanke bei zurückhaltender Anwendung noch auf die allgemeinen Grundsätze der Rechtsumgehung gestützt werden kann559. Diese Annahme deckt sich auch mit den Zielen der EuInsVO. Nach ErwG 4 soll die EuInsVO das sog. „forum shopping“, d. h. das gezielte Verlagern von Vermögensgegenständen, um in den Genuss einer verbesserten Rechtsstellung zu kommen, gerade verhindern. e.  Exkurs: das „für die Rechtshandlung maßgebliche Recht“ bei grenzüberschreitender Zahlung Häufig wird sich die Frage nach dem „für die Rechtshandlung maßgeblichen Recht“ bei der Anfechtung grenzüberschreitender Zahlungen stellen, welche deshalb hier zur Veranschaulichung des gefundenen Ergebnisses dienen sollen. Bei unbaren Zahlungen berührt man die Problemkreise der Anfechtung mittelbarer Zuwendungen560 und der kollisionsrechtlichen Behandlung komplexer Vertragsverhältnisse561, welche hier nicht umfassend aufgearbeitet werden können. Einige grundsätzliche Überlegungen und ein an der herrschenden Meinung orientierter Lösungsvorschlag müssen genügen. aa.  Bare Zahlungen Relativ unproblematisch gestaltet sich die Ermittlung des Wirkungsstatuts bei der baren Zahlung. Es handelt sich dabei um ein klassisches Verfügungsgeschäft in Form einer Übereignung, auf das die situs-Regel des Art.  43 I EGBGB, folglich das Recht am Ort der Verfügung, vorbehaltlich o.g. Mechanismen zur Begegnung von Manipulationen, anzuwenden ist.562 bb.  Unbare Zahlungen Problematischer verhält es sich mit der Ermittlung des Wirkungsstatuts bei unbarer Zahlung. Exemplarisch sollen hier die Überweisung und die Lastschrift näher betrachtet werden. Durch die Vereinheitlichung im Rahmen des SEPA-Raums wird es zwar was die Zahlung selbst betrifft häufig nicht mehr darauf ankommen, welches Recht anwendbar ist, insbesondere soweit hier sachliche Identität besteht. Bei der Ermittlung des Wirkungsstatuts i.R.v. Art.  13 EuInsVO kann das anwendbare Recht dagegen nicht offen bleiben. 558 

Vgl. oben ad C.VI.3.a.aa. und bb. Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  841. 560 Mit „Zahlungen auf fremde Schulden“ und Art.  13 EuInsVO setzt sich Thole, NZI 2013, 113 ff. auseinander. 561  Gemeint sind damit Fälle, „in denen mehrere Verträge zwischen mehr als zwei Beteiligten wirtschaftlich zusammenhängen“, vgl. von der Seipen, akzessorische Anknüpfung, S.  26. 562 Vgl. Wendehorst, in MüKo BGB, Art.  43 EGBGB Rn.  79. 559 Vgl.

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(1) SEPA-Überweisung563 (a) Vorüberlegungen Am Prozess der Bezahlung mittels Überweisung sind grundsätzlich mehrere Personen beteiligt, zwischen denen voneinander zu trennende vertragliche Beziehungen bestehen.564 Das sind das Deckungsverhältnis zwischen Zahlungspflichtigem und dessen Zahlungsdienstleister, ggf. das Interbankenverhältnis zwischen den verschiedenen beteiligten Zahlungsdienstleistern565, das Inkassoverhältnis zwischen Zahlungsempfänger und dessen Zahlungsdienstleister und schließlich das Valutaverhältnis zwischen Zahlungspflichtigem und Zahlungsempfänger.566 Kollisionsrechtlich muss jedes Rechtsverhältnis eigenständig beurteilt werden, eine einheitliche oder akzessorische Anknüpfung ist abzulehnen.567 Die jeweiligen Vertragsverhältnisse sind eigenständig anzuknüpfen.568 Diese unterliegen zuvörderst der freien Rechtswahl nach Art.  3 I Rom I-VO, wovon auch regelmäßig durch die AGB der Bankinstitute bzw. durch die Vereinbarungen im Interbankenverhältnis Gebrauch gemacht wird.569

563  Es ist zu beachten, dass es mehrfach weitgehende Reformen im Recht der Überweisung gab, so dass insbesondere die Kommentierung mit Gesetzesstand 14.8.1999–31.10.2009 (Stichwort Überweisungsvertrag), sowie zu diesem Zeitraum ergangene Rechtsprechung nicht ohne weiteres auf das aktuelle Recht übertragen werden können; vgl. zur Geschichte des Rechts der Überweisung sowie zu grundlegenden Überlegungen zum Überweisungsverkehr in der Insolvenz Obermüller, ZInsO 2010, 8 f. m. w. N. 564 Vgl. Mayen, in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-HdB, §  49 Rn.  1b. 565  Der Einfachheit halber soll im Folgenden davon ausgegangen werden, dass zwei Zahlungsdienstleister beteiligt sind. Dieses Verhältnis kann bei einer sog. Inhouse-Überweisung entfallen, bei der Schuldner- und Gläubigerbank identisch sind. 566  Mayen, in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-HdB, §  49 Rn.  1b. 567  Überlegungen zu einer solchen einheitlichen Anknüpfung finden sich bei von der Seipen, in Hadding/Schneider, Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S.  79 (89 ff.) werden aber, wie ders. selbst feststellt, von der herrschenden Meinung und Rechtsprechung abgelehnt; vgl. ferner grundsätzlich zur akzessorischen Anknüpfung ders., akzessorische Anknüpfung; ablehnend hierzu mit eingehender Begründung Arndt, Interbankenverhältnis, S.  315 ff. Ähnlich einer akzessorischen Anknüpfung schlagen auf Basis der Differenzierungslehre, die beide i. E. ablehnen, U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (702) und ihm folgend Thole, NZI 2013, 113 (115) speziell im Hinblick auf das Wirkungsstatut i.R.d. kumulativen Anknüpfung der Insolvenzanfechtung vor, in Analogie zur Barzahlung auf den „Ort“ (sic!) abzustellen, „an dem das Bankkonto des Schuldners geführt wird“. Begründet wird dies von U. Huber allerdings nur zirkulär damit, die Zahlung per Überweisung könne nicht anders angeknüpft werden als eine Barzahlung. Das vermag nicht zu überzeugen. Es geht bei der Überweisung gerade nicht um die Übereignung einer Sache. Kritisch zu diesem Vorschlag daher auch J. Schmidt, EWiR 2014, 659 (660). 568 Vgl. Arndt, Interbankenverhältnis, S.  315 ff.; Hadding/Häuser/Haug, in Schimansky/Bunte/­ Lwowski, Bankrechts-HdB, §  51a Rn.  1 mit Blick auf internationale Überweisungen; Schwart, Haftung, S.  34 ff.; Schwolow, Auslandsüberweisung, S.  35 ff. 569  Art.  6 II Rom I-VO wirkt sich hierbei für die vorliegende Frage nicht aus. Er bringt nur zwingendes Recht zur Anwendung, ändert hingegen das Wirkungsstatut als solches nicht.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

(b)  Bestimmung des „maßgeblichen Rechts“ i. S. v. Art.  13 EuInsVO Entscheidend für die Ermittlung des maßgeblichen Recht i. S. v. Art.  13 EuInsVO ist, welche Rechtshandlung bei einer Zahlung durch Überweisung gegenüber wem angefochten wird. Im Regelfall dürfte bei der Anfechtung einer Überweisung der Zahlungsempfänger Anfechtungsgegner sein.570 Bei der sog. SEPA-Überweisung, die ab 1.2.2014 verbindlich alle nationale Überweisungsverfahren im Euroraum ersetzt,571 handelt es sich um eine einheitliche, mehraktige572 Rechtshandlung, wie bei den zuvor in Deutschland gängigen Überweisungsverfahren573. Die sich aus diesen Überlegungen ergebende Frage, wie angesichts der verschiedenen, voneinander zu trennenden rechtlichen Einzelbeziehungen, die nicht einheitlich angeknüpft werden können, für diese mehraktige Rechtshandlung das maßgebliche Recht i. S. v. Art.  13 EuInsVO zu bestimmen ist, ist nicht einfach zu beantworten. Eine Anwendung aller berührten Rechtsordnungen als „für die Rechtshandlung maßgebliches Recht“ i. S. v. Art.  13 EuInsVO würde zu einer weitgehenden Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeiten führen und dürfte dem Wortlaut von Art.  13 EuInsVO widersprechen. Der hierin verwandte Singular („das Recht eines (sic!) anderen Mitgliedstaats“) zeigt, dass der Verordnungsgeber nur ein kumulativ anzuwendendes Wirkungsstatut vor Augen hatte. In gewisser Weise besteht eine Inkompatibilität zwischen der Rechtsfigur der „mehraktigen Rechtshandlung“ und der Vorstellung der Anwendbarkeit eines Wirkungsstatuts. Prinzipiell erscheinen bei der Bestimmung des Wirkungsstatuts in einem solchen Fall zwei Wege gangbar. Entweder kann nach einem den Gesamtvorgang „dominierenden“ nationalen Recht gesucht werden,574 oder es muss einer der Einzelakte aus570  Seit dem Urteil des BGH, vom 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 kommt freilich auch eine Anfechtung gegen den Leistungsmittler nach §  133 InsO in Betracht. Diese unterliegt aber hohen Anforderungen bzw. kommt mithin nur in Ausnahmesituationen in Betracht, vgl. BGH, Urteil vom 24.1.2013 – IX ZR 11/12, NZI 2013, 249 (250 f., juris Rn.  21 ff., 30 ff.); BGH, Urteil vom 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 (1828, juris Rn.  23 ff.) zur Umbuchung im Rahmen einer Cash-Pool-Vereinbarung, und dürfte in der Praxis eher eine untergeordnete Rolle spielen. 571  Vorbehaltlich etwaiger Ausnahmen, vgl. zum Ganzen VO 260/2012, Abl. EU Nr. L 94/22 vom 30.3.2012; vgl. ferner zur verlängerten Übergangsfrist bis 1.8.2014 FD-DStR 2014, 354238 (abrufbar über beck-online); vgl. zur Inkongruenz von SEPA und dem Recht der europäischen Union Omlor, in Staudinger BGB, Vor §§  675c–676c Rn.  122. 572  Vgl. hierzu allgemein Hirte/Ede, in Uhlenbruck InsO, §  129 Rn.  92 ff. 573  Hess, in Hess InsO §  140 Rn.  36; Hirte/Ede, in Uhlenbruck InsO, §  129 InsO Rn.  270; Thole, NZI 2013, 113 (114); wohl auch BGH, Urteil vom 17.4.1986 – IX ZR 54/85, NJW-RR 1986, 848 (850, juris Rn.  44); Kayser, in MüKo InsO, §  129 Rn.  50; Kirchhof, in MüKo InsO, §  140 Rn.  11 wo die Überweisung unter dem Gliederungspunkt „mehraktige Rechtshandlungen“ besprochen wird; anders offenbar Ganter, NZI 2010, 835 (837), der erwägt, von der Erteilung und Ausführung des Überweisungsauftrags die Belastungsbuchung zu separieren; missverständlich Würdinger, InsAnf im bargeldlosen Zahlungsverkehr, S.  144, der auf die Anweisung abstellt; vgl. dazu, dass bei mittelbaren Zuwendungen mehrere Rechtshandlungen oder eine einheitliche Rechtshandlung vorliegen können Hirte/Ede, in Uhlenbruck InsO, §  129 InsO Rn.  266. 574  In diese Richtung das LG Krefeld, Urteil vom 3.9.2014 – 7 O 67/12, ZIP 2014, 1940 (1942),

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gewählt und das für diesen maßgebliche Recht als Wirkungsstatut der gesamtem mehraktigen Rechtshandlung i.R.v. Art.  13 EuInsVO herangezogen werden.575 Ein nationales Recht, welches die grenzüberschreitende Überweisung insgesamt „dominiert“ ist für die SEPA-Überweisung nicht zu ermitteln. Grundlage einer SEPA-Überweisung sind in allen Beziehungen jeweils nationales Recht576 und die jeweils getroffenen vertraglichen Vereinbarungen. Das Unionsrecht gibt für die einzelnen Zahlungsdienste nur einen sekundärrechtlichen Rahmen vor, der privatautonom durch die Kreditwirtschaft ausgefüllt werden kann.577 Hierzu wurde von der Kreditwirtschaft der European Payments Council (EPC) gegründet, der in den „Rulebooks“ die Einzelheiten für die SEPA-Überweisung festlegt, die aufgrund der privatautonomen Natur lediglich die Vertragsparteien binden, also nur im Interbankenverhältnis gelten.578 Dabei strahlen die Regelungen des Rulebooks freilich in gewissem Maße in die Vertragsbeziehungen im Bank-Kunden-Verhältnis aus. In den jeweiligen Geschäftsbeziehungen der Kreditinstitute zu ihren Kunden (Zahlungsempfänger und Zahlungspflichtiger) wird regelmäßig das Recht am Sitz des Kreditinstituts vereinbart sein, während im Interbankenverhältnis gem. Ziffer 3.5 CTR (SEPA Credit Transfer Rulebook [Version 7.0]) belgisches Recht gilt579. Zwar beeinflusst das unmittelbar nur im Interbankenverhältnis geltende Rulebook auch die Vertragsbeziehungen im Deckungs- und Zuwendungsverhältnis, deshalb aber das im Rulebook gewählte belgische Recht als „insgesamt dominierend“ zu betrachten, verkennt, dass die Regelungen letztlich auf die Zahlungsdiensterichtlinie als Unionsrecht zurückgehen und würde die zwischen den Banken getroffene, nur relativ geltende Rechtswahl auf die anderen Beziehungen ausweiten, obwohl hier zumeist gerade ein anderes Recht gewählt worden sein dürfte. Folglich fehlt es an einem den Gesamtvorgang dominierenden nationalen Recht.580 Demnach bleibt nur der Weg über die Auswahl eines der Einzelakte. Dabei sollte auf denjenigen Einzelakt abgestellt werden, der den Vermögensabfluss581 und die angefochtene Gläubigerbenachteiligung auslöst. Die Gläubigerbenachteiligung ist das dann aus dem „Rechtsgedanken des Art.  46 EGBGB“ im Fall der Überweisung ausnahmsweise doch das für das Verpflichtungsgeschäft maßgebliche Recht zur Anwendung bringt. 575  Nochmals zur Klarstellung: Damit ist nicht gemeint, dass alle Rechtsfragen die Überweisung betreffend bzw. insgesamt für das Wirkungsstatut der Überweisung eine akzessorische Anknüpfung vorzunehmen ist. Vielmehr zwingt die zuvor beschriebene Inkompatibilität von Art.  13 EuInsVO zur Rechtsfigur der mehraktigen Rechtshandlung zu einer irgendwie gearteten Auswahl des maßgeblichen Rechts, so dass diese Überlegungen einzig auf Art.  13 EuInsVO beschränkt sein sollen. 576  Dieses wurde in Umsetzung der Richtlinie über Zahlungsdienste im Binnenmarkt (RiLi 2007/64/EG, Abl. EU Nr. L 319, S.  1 vom 13.12.2007) unionsweit harmonisiert. 577  Manger-Nestler, EuZW 2008, 332 (333). 578  Manger-Nestler, EuZW 2008, 332 (334). 579  Vgl. hierzu Peschke, in Dippel/Lohmann/Peschke, SEPA, Rn.  20/27. 580  Das Unionsrecht, auf das die nationalen Rechtsrahmen wie auch das SEPA-Rulebook zurückgehen, kommt freilich als maßgebliches Recht i. S. v. Art.  13 EuInsVO nicht in Frage. 581  In Form von Verringerung der Aktiva oder Erhöhung der Passiva.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

„Gegenstand“ der Insolvenzanfechtung582 und soll rückgängig gemacht werden. Auch die Formulierungen in Artt.  4 II lit.  m, 13 EuInsVO, die stark auf die Gläubigerbenachteiligung abstellen, legen nahe, dass dieser Akt im Rahmen der Insolvenz­ anfechtung von mehraktigen Rechtshandlungen der entscheidende „Teilakt“ ist und über das maßgebliche Recht i. S. v. Art.  13 EuInsVO entscheiden sollte.583 Der Zeitpunkt dieses Aktes kann, muss aber nicht mit dem Vornahmezeitpunkt des §  140 InsO übereinstimmen.584 Bei der Überweisung tritt die Gläubigerbenachteiligung in dem Zeitpunkt ein, in dem die Autorisierung (§  675j BGB) nicht mehr widerrufen werden kann.585 Dies regelt in Deutschland §  675p BGB, wonach der Zahlungsauftrag vom Zahler grundsätzlich nach Zugang (§  675n BGB) beim Zahlungsdienstleister nicht mehr widerrufen werden kann.586 Sowohl über den Zugang der Autorisierung als auch über den Widerruf (bzw. dessen Unterlassen) entscheidet das auf das Deckungsverhältnis, d. h. auf den dortigen Zahlungsdiensterahmenvertrag, anwendbare Recht. Dieses ist folglich das maßgebliche Recht i. S. v. Art.  13 EuInsVO.587 Zu einem anderen Ergebnis müsste die Schuldstatutslehre kommen, für die das für das Valutaverhältnis maßgebliche Recht insgesamt maßgeblich sein dürfte.588

582 

Nachweise oben Kapitel C. Fn.  460. ähnlich geht wohl de Bra, in Braun InsO, §  129 Rn.  18 bereits davon aus, dass nur dieser die Masse schmälernde Teilakt bei mehraktigen Rechtshandlungen angefochten wird. 584  Dagegen geht de Bra, in Braun InsO, §  129 Rn.  18 wohl davon aus, dass der die Masse schmälernde Teilakt immer auch der letzte, die Rechtshandlung abschließende ist. 585 Demgegenüber stellt die h. M. für den anfechtungsrechtlich relevanten Zeitpunkt i. S. v. §  140 InsO bei der Überweisung (noch) darauf ab, wann der Empfänger den Anspruch auf die Gutschrift erlangte, vgl. Kirchhof, in MüKo InsO, §  140 Rn.  11 m. w. N.; BGH, Urteil vom 20.6.2002 – IX ZR 177/99, NZI 2002, 486 (487, juris Rn.  10); BGH, Urteil vom 18.7.2002 – IX ZR 480/00, NJW 2002, 3252 (3253, juris Rn.  18). Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Überweisung nach altem Recht (vor dem 31.10.2009) bis zu diesem Zeitpunkt widerruflich war, vgl. Casper, in MüKo BGB, §  675p Rn.  8, was allerdings aus den Urteilen des BGH nicht klar hervorgeht, auf deren Wiedergabe sich die Kommentarliteratur begrenzt. 586 Vgl. Schmalenbach, in Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, §  675p Rn.  2; Casper, in MüKo BGB, §  675p Rn.  4 ff. 587 Ähnlich J. Schmidt, EWiR 2014, 659 (660), die auf den Charakter der Überweisung als „Autorisierung im Rahmen eines Zahlungsdiensterahmenvertrags“ abstellt und deshalb das Recht, dem dieser Vertrag unterliegt, als maßgebliches Recht unter der Differenzierungslehre heranzieht. I.E. präferiert dies. freilich die Schuldstatutslehre und damit die Anwendung des für das Kausalgeschäft maßgeblichen Rechts. Zum Wirkungsstatut nach §  19 AnfG i. E. ebenso Kirchhof, in MüKo AnfG, §  19 Rn.  11. Beachte nochmal den Hinweis oben Kapitel C. Fn.  575, dass damit nicht allgemein das Wirkungsstatut der Überweisung gemeint ist. 588  So auch J. Schmidt, EWiR 2014, 659 (660). Anders dagegen U. Huber und Thole, die in Analogie zur Barzahlung auf den „Ort“ (sic!) abstellen wollen, „an dem das Bankkonto des Schuldners geführt wird“, Nachweise und Kritik daran oben Kapitel C. Fn.  567. 583  I.E.

VI.  Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung

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(2) Lastschrift Mit Ausnahmen (für das elektronische Lastschriftverfahren bis 2016589) gilt auch für das Lastschriftverfahren ab 1.2.2014 grundsätzlich das sog. SEPA-Lastschriftverfahren, das das nationale Verfahren ab diesem Zeitpunkt ersetzt.590 Beim Lastschriftverfahren sind wie bei der Überweisung die verschiedenen rechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten an diesem Verfahren zu unterscheiden.591 Dies sind die Beziehungen zwischen Zahlungsempfänger und erster Inkassostelle (Inkassoverhältnis), zwischen den beteiligten Banken (sog. Interbankenverhältnis)592 , zwischen Zahlstelle und Zahlungspflichtigem (Deckungsverhältnis) und schließlich zwischen Zahlungsempfänger und Zahlungspflichtigem (Valutaverhältnis).593 Diese Verhältnisse sind prinzipiell voneinander unabhängig und können damit auch unterschiedlichen Rechtsordnungen unterfallen,594 eine einheitliche Anknüpfung des Gesamtvorgangs ist wie bei der Überweisung abzulehnen. Es handelt sich dabei jeweils um schuldrechtliche Beziehungen, die folglich auch grundsätzlich der Rechtswahl gem. Art.  3 Rom I-VO zugänglich sind.595 (a) Einzugsermächtigungslastschrift Zunächst soll das auslaufende Einzugsermächtigungslastschriftverfahren596 betrachtet werden, das in der Wissenschaft und Rechtsprechung im Vergleich zum neuen SEPA-Lastschriftverfahren weiter aufgearbeitet ist und die Rechtsprechung in den kommenden Jahren, auch wegen der Weitergeltung für das elektronische Lastschriftverfahren, noch weiter beschäftigen dürfte. Die entscheidende Frage bei der Suche nach dem gem. Art.  13 EuInsVO für eine Lastschriftabbuchung maßgeblichen Recht ist wie bei der Überweisung, welche Rechtshandlung bei einer Zahlung durch Lastschrift gegenüber wem angefochten597 wird. 589  Vgl. §  7c Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz geändert durch Art.  2 Nr.  2 SEPA-Begleitgesetz vom 3.4.2013, BGBl I S.  610; daher unrichtig Omlor, NJW 2012, 2150, der von einer vollständigen Abschaffung zum 1.2.2014 ausgeht. 590  Vgl. VO 260/2012, Abl. EU Nr. L 94/22 vom 30.3.2012. 591  Zur Dogmatik der Einzugsermächtigungslastschrift (insbesondere mit Kritik zur sog. Genehmigungstheorie) und zu den unterschiedlichen Beziehungen eingehend Piekenbrock, KTS 2007, 179 ff.; ferner Borck, FS Gerhardt, S.  69 ff.; Omlor, in Staudinger BGB, Vor §§  675c–676c Rn.  99. 592  Zu beachten ist, dass dieses Verhältnis bei sog. Inhouse-Lastschriften entfallen kann, wenn Schuldner- und Gläubigerbank identisch sind. Auch in solchen Fällen kann es sich um einen grenzüberschreitenden Fall handeln. 593 Vgl. Piekenbrock, KTS 2007, 179 (180); Omlor, in Staudinger BGB, Vor §§  675c–676c Rn.  99. 594  Lohmann, grenzüberschreitende Lastschrift, S.  35. 595  Art.  6 II Rom I-VO wirkt sich hierbei für die vorliegende Fragestellung nicht aus. Er bringt nur zwingendes Recht zur Anwendung, ändert hingegen das Wirkungsstatut als solches nicht. 596  Beachte zu den jüngsten Änderungen im Einzugsermächtigungslastschriftverfahren insbesondere unten Kapitel C. Fn.  603, einen Überblick hierzu gibt Omlor, NJW 2012, 2150 ff. 597  Davon zu unterscheiden ist die Frage nach der Insolvenzfestigkeit von Lastschriften, die

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

Zumeist wird sich die Anfechtung auch hier im Valutaverhältnis abspielen, Anfechtungsgegner ist regelmäßig der Zahlungsempfänger.598 Problematisch ist, welches die der Anfechtung unterliegende Rechtshandlung ist. Häufig wird, wenn es um die Lastschrift geht, nicht zwischen der Frage, welche Rechtshandlung „Gegenstand“599 der Anfechtung ist und der Frage, welches der für die weiteren Voraussetzungen maßgebliche Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung (§  140 InsO) ist, unterschieden.600 Das mag daran liegen, dass diese Unterscheidung nur selten, nämlich gerade im Zusammenhang mit Art.  13 EuInsVO relevant wird. So wird teilweise ausdrücklich davon ausgegangen, dass es nicht auf die unterschiedlichen (technischen) Schritte ankommt, sondern die Zahlung per Lastschriftabbuchung insgesamt die Rechtshandlung (wohl in Form einer mehraktigen Rechtshandlung) darstellt,601 zumindest soweit die vereinbarten und üblichen Regeln eingehalten werden.602 Demgegenüber wird an anderer Stelle ausdrücklich auf einzelne Schritte des Lastschriftverfahrens als anfechtbare Rechtshandlung abgestellt und nicht nur

für das neue SEPA-Lastschriftverfahren vom BGH bejaht wird, vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 (277 ff., juris Rn.  15 ff.). 598  Daneben kommt seit dem Urteil des BGH, vom 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 wohl auch eine Anfechtung nach §  133 InsO gegenüber der Zahlstelle in Betracht. Diese unterliegt aber hohen Anforderungen bzw. kommt mithin nur in Ausnahmesituationen in Betracht, vgl. BGH, Urteil vom 24.1.2013 – IX ZR 11/12, NZI 2013, 249 (250 f., juris Rn.  21 ff., 30 ff.); BGH, Urteil vom 13.6.2013 – IX ZR 259/12, ZIP 2013, 1826 (1828, juris Rn.  23 ff.) zur Umbuchung im Rahmen einer Cash-Pool-Vereinbarung, und dürfte in der Praxis eher eine untergeordnete Rolle spielen. Erwägungen hierzu bereits bei Köhler, Lastschriftverfahren, S.  181 ff., der allerdings i. E. ohne auf vorgenanntes Urteil einzugehen eine Anfechtung gegenüber der Zahlstelle ablehnt; ­ferner bei Bork, FS Gerhardt, S.  69 (84 f.), der hier die Genehmigung (nach früherer Konstruktion, dazu sogleich) als angefochtene Rechtshandlung heranzieht. Ausdrücklich ablehnend zu dieser Konstellation dagegen noch BGH, Urteil vom 25.10.2007 – IX ZR 217/06, BGHZ 174, 84 (100, juris Rn.  44); ferner ohne weitere Begründung im Lastschriftfall ablehnend Ganter, NZI 2010, 835 (838). 599  Gegenstand der Insolvenzanfechtung ist genau genommen nicht die Rechtshandlung, sondern die durch sie ausgelöst Gläubigerbenachteiligung, vgl. oben Kapitel C. Fn.  460. 600  Vgl. insb. die Nachweise in den folgenden Fußnoten, die nicht klar zuzuordnen waren, mit den jeweils wiedergegebenen Passagen; ferner auch Köhler, Lastschriftverfahren, S.  175 f. 601  BGH, Urteil vom 19.12.2002 – IX ZR 377/99, NZI 2003,253 (257, juris Rn.  38 f.); M. Wagner, NZI 2008, 401; Borck, FS Gerhardt, S.  69 (86); Ede/Hirte, in Uhlenbruck InsO, §  140 Rn.  66; wohl auch Henckel, in Jaeger InsO, §  129 Rn.  10; Gero Fischer, ZIP 2004, 1679 (1681); Kirchhof, in MüKo InsO, §  140 Rn.  11, der die beiden Varianten des Lastschriftverfahrens unter dem Gliederungspunkt „mehraktige Rechtshandlungen“ bespricht; ähnlich: Rogge/Leptien, in HaKo InsO, §  140 Rn.  10; Thole, in HK InsO, §  140 InsO Rn.  4; Ehricke, in Kübler/Prütting/Bork InsO, §  140 Rn.  5; missverständlich demgegenüber OLG Köln, Urteil vom 5.11.2008 – 2 U 78/08, NZI 2009, 111, wo unklar bleibt, ob allein die Genehmigung die relevante Rechtshandlung darstellt oder ob diese nur für den anfechtungsrechtlich relevanten Zeitpunkt entscheidend ist; ähnlich BGH, Urteil vom 29.5.2008 – IX ZR 42/07, NZI 2008, 482 (483, juris Rn.  11): anfechtbar sei „Die Erfüllung einer Verbindlichkeit durch die Genehmigung der Belastungsbuchung“. 602  Diese Einschränkung findet sich bei BGH, Urteil vom 19.12.2002 – IX ZR 377/99, NZI 2003, 253 (257, juris Rn.  39; ferner insbesondere Leitsatz 2).

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als maßgeblicher Zeitpunkt i. S. d. §  140 InsO: etwa für das Einzugslastschriftverfahren alter Prägung603 auf die Genehmigung604 bzw. deren Fiktion605. In der Kommentarliteratur findet sich vielerorts der Hinweis, dass der Rechtshandlungsbegriff nicht formaljuristisch zu verstehen, sondern eine „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ anzulegen ist.606 Wendet man diesen Maßstab an, handelt es sich beim Lastschriftverfahren um „einen mehraktigen Zahlungsvorgang“607. Erst die Gesamtheit der verschiedenen Akte und Vorgänge führt zu dem wirtschaftlich angestrebten Erfolg,608 der Erfüllung der Forderung im Valutaverhältnis. Es ist also richtig, von einer einheitlichen aber mehraktigen Rechtshandlung auszugehen,609 für die es je nach Ausgestaltung auf verschiedene Vornahmezeitpunkte i. S. d. §  140 InsO ankommt. Damit kann man auch schlüssig für die Frage, ob ein Bargeschäft vorliegt, auf einen früheren Zeitpunkt (Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs) abstellen.610 603  Das Lastschriftverfahren wurde lange von der Rechtsprechung als unberechtigte Verfügung seitens der Zahlstelle verstanden, die erst später durch den Schuldner genehmigt wurde bzw. deren Genehmigung durch eine Fiktion zustande kam. Erst hierdurch entstand der Aufwendungsanspruch der Zahlstelle gegen den Zahlungspflichtigen. Diese Konstruktion wurde mit Änderung der Lastschriftbedingungen zum 9.7.2012 durch eine Vorabautorisierung abgelöst. Das Einzugsermächtigungsverfahren gleicht damit praktisch dem SEPA-Verfahren. Vgl. hierzu Omlor, NJW 2012, 2150 ff.; ferner Hopt, in Baumbach/Hopt HGB, Handelsrechtliche Nebengesetze, V. (7) Rn. D/2. 604  BGH, Urteil vom 30.9.2010 – IX ZR 177/07, NZI 2010, 981 (982, juris Rn.  8): „Anfechtbare Rechtshandlung ist die Genehmigung der Lastschriften durch den vorläufigen Insolvenzverwalter“; BGH, Urteil vom 29.9.2011 – IX ZR 202/10, NZI 2012, 137 (138, juris Rn.  10): „Bei einer Zahlung im Wege des Einziehungsermächtigungsverfahrens liegt die anfechtbare Rechtshandlung erst in der Genehmigung der Lastschriftbuchung, nicht bereits in dieser Buchung selbst, weil die Belastung des Kontos bis zur Genehmigung ohne materielle Wirkung bleibt.“ Ausdrücklich für die Genehmigung als anfechtbare Rechtshandlung auch Würdinger, InsAnf im bargeldlosen Zahlungsverkehr, S.  340. Dagegen nicht ganz eindeutig: BGH, Urteil vom 4.11.2004 – IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49 (56, juris Rn.  22): „Die Genehmigung der Belastungsbuchung ist eine Rechtshandlung des Schuldners, der damit einen mehraktigen Zahlungsvorgang abschließt“ und BGH, Urteil vom 30.9.2010 – IX ZR 178/09, NZI 2010, 938 (939, juris Rn.  11): „Im Falle einer Abbuchung aufgrund einer Einziehungsermächtigung liegt die anzufechtende Rechtshandlung in der Genehmigung des Schuldners, die einen mehraktigen Zahlungsvorgang abschließt“, in denen jeweils die Rede vom „mehraktigen Zahlungsvorgang“ ist. 605  BGH, Urteil vom 29.9.2011 – IX ZR 202/10, NZI 2012, 137 (138, juris Rn.  10): „fingierte Genehmigung als anfechtbare Rechtshandlung“. 606  Kayser, in MüKo InsO, §  129 Rn.  8; Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, §  129 Rn.  35 m. w. N.; Leithaus, in Andres/Leithaus InsO, §  129 Rn.  3. 607  BGH, Urteil vom 4.11.2004 – IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49 (56, juris Rn.  22). 608  Es handelt sich dagegen nicht um sich wirtschaftlich ergänzende Rechtshandlungen, bei denen trotzdem „jede Rechtshandlung selbständig auf ihre Ursächlichkeit für die konkret angefochtene gläubigerbenachteiligende Folge zu überprüfen“ wäre, vgl. BGH, Urteil vom 7.2.2002 – IX ZR 115/99, NZI 2002, 255 (256, juris Rn.  15); BGH, Urteil vom 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (Rn.  18); Kayser, in MüKo InsO, §  129 Rn.  55 m. w. N. 609  Will man dies anders sehen, würden zumindest die vom BGH aufgestellten Voraussetzungen für eine Verbindung zu einer Einheit vorliegen, die der BGH bei mittelbaren Zuwendungen für gegeben hält, vgl. BGH, Urteil vom 7.2.2002 – IX ZR 115/99, NZI 2002, 255 (256, juris Rn.  15). 610  Vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts für die Frage nach dem Vorliegen eines Barge-

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

Dieser Befund macht es allerdings angesichts der verschiedenen, voneinander zu trennenden rechtlichen Einzelverhältnisse schwer, das „für die angefochtene Rechtshandlung maßgebliche Recht“ i. S. v. Art.  13 EuInsVO zu bestimmen.611 Hierfür kommen, wie bereits für die Überweisung festgestellt, prinzipiell zwei mögliche Vorgehensweisen in Betracht: Entweder man erklärt einen Teilakt für maßgeblich und stellt auf dessen Wirkungsstatut ab oder man sucht nach dem alle Verhältnisse prägenden Recht612. Beides führt hier zum selben Ergebnis, dass maßgeblich i. S. v. Art.  13 EuInsVO das Recht des Deckungsverhältnisses ist. Ermittelt man das den Gesamtvorgang prägende Recht, ist folgendes festzustellen: Gewöhnlich findet bei der grenzüberschreitenden Lastschrift der „Grenzübertritt“ im Rahmen des Interbankenverhältnisses613 statt.614 Soweit zwischen einem der Kontoinhaber und seiner jeweiligen Bank ein grenzüberschreitendes Element besteht, ist dies von der grenzüberschreitenden Zahlung unabhängig und wirkt sich allenfalls mittelbar aus. Als Beispiel sei eine Lastschrift eines deutschen Zahlungsempfängers mit Konto bei einer deutschen Bank zulasten eines französischen Zahlungspflichtigen mit Konto bei einer französischen Bank angeführt.615 Der „Grenz­ übertritt“ findet hier im Interbankenverhältnis zwischen der deutschen und der französischen Bank statt. Innerhalb dieses Verhältnisses wird regelmäßig das Recht gewählt, das zwischen Zahlstelle und Zahlungspflichtigem im Deckungsverhältnis gilt.616 Dabei handelt es sich zumeist um das Recht am Sitz der Zahlstelle.617 Dies liegt darin begründet, dass die Zahlstelle den Einzug beim Zahlungspflichtigen (mangels anderer greifbarer Regelungen, das SEPA Verfahren außerachtlassend) nach ihrem nationalen Recht vornimmt, im Beispiel also die französische Zahlstelle nach französischem Recht.618 Die Zahlstelle hat ein Interesse daran, dass etwaige schäfts BGH, Urteil vom 29.5.2008 – IX ZR 42/07, NZI 2008, 482 (483, juris Rn.  13 ff.); BGH, Urteil vom 2.4.2009 – IX ZR 171/07, NZI 2009, 378 (juris Rn.  10); kritisch zu dieser Rechtsprechung M. Wagner, NZI 2008, 721, der mit seiner Kritik m. E. aber zu wenig die Zielsetzung des §  142 InsO im Auge behält und verkennt, dass bereits mit Einlösung der Lastschrift durch die Zahlstelle der Betrag vorbehaltlos gutgeschrieben ist, vgl. Bork, FS Gerhardt, S.  69 (74 f.). 611  Zur Inkompatibilität von Art.  13 EuInsVO und der Figur der mehraktigen Rechtshandlung bereits oben zur SEPA-Überweisung ad C.VI.3.e.bb.(1).(b). 612  Abermals auch hier zur Klarstellung: Damit ist nicht gemeint, dass alle Rechtsfragen die Lastschrift betreffend bzw. insgesamt für das Wirkungsstatut der Lastschrift eine „akzessorische Anknüpfung“ vorzunehmen ist. Vielmehr zwingt die zuvor beschriebene Inkompatibilität von Art.  13 EuInsVO zur Rechtsfigur der mehraktigen Rechtshandlung zu einer irgendwie gearteten „Auswahl des maßgeblichen Rechts“, so dass diese Überlegungen einzig auf Art.  13 EuInsVO beschränkt sein sollen. 613  Der Einfachheit halber soll auch hier davon ausgegangen werden, dass nur zwei Banken beteiligt sind, Inkasso- und Zahlstelle. 614 Vgl. hierzu eingehend Lohmann, grenzüberschreitende Lastschrift, S.  37 f., insb. S.  38 oben, die von der „Kollisionsstelle“ spricht. 615  Beispiel nach Lohmann, grenzüberschreitende Lastschrift, S.  40 ff. 616  Lohmann, grenzüberschreitende Lastschrift, S.  40 ff. 617  Entweder kraft Rechtswahl oder nach Art.  4 I lit.  b Rom I-VO, vgl. Ferrari, in Ferrari, Internationales Vertragsrecht, Art.  4 Rom I-VO Rn.  135. 618  Lohmann, grenzüberschreitende Lastschrift, S.  40.

VI.  Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung

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Inkompatibilitäten ihres nationalen Lastschriftsystems mit dem Lastschriftsystem des Inkassoverhältnisses nicht zu ihren Lasten gehen, so dass das Recht am Ort der Zahlstelle regelmäßig im Interbankenverhältnis vereinbart wird.619 Auch ohne Rechtswahl käme dieses Recht zur Anwendung, da die Zahlstelle im Interbankenverhältnis die vertragstypische Leistung erbringt, Art.  4 II Rom I-VO,620 bzw. Dienstleister i. S. v. Art.  4 I lit.  b Rom I-VO ist. Entsprechend verfährt die Inkassostelle, indem sie im Inkassoverhältnis zumeist besondere Bedingungen für Auslandslastschriften festlegt, beispielsweise die Rückgabemöglichkeit zu Lasten des Zahlungsempfängers im Fall eines Widerspruchs des ausländischen Zahlungspflichtigen.621 Das Deckungsverhältnis prägt demnach die grenzüberschreitende Lastschrift in der Praxis am stärksten. Zum selben Ergebnis kommt man, wenn man an eines der Einzelverhältnisse anknüpfen möchte. Dies sollte auch hier das Einzelverhältnis sein, das zur mit der Insolvenzanfechtung angegriffenen Gläubigerbenachteiligung führt. Beim Einzugsermächtigungsverfahren war bislang der letzte und das Verfahren abschließende Akt die Genehmigung des Zahlungspflichtigen.622 Nach Umstellung der Lastschriftbedingungen liegt nun auch im Einzugsermächtigungsverfahren eine Vorab­ autorisierung vor. Allerdings tritt durch diese noch kein Vermögensabfluss ein, sondern erst durch die Einlösung der Lastschrift, die daher die mit der Insolvenzanfechtung angegriffene Gläubigerbenachteiligung auslöst.623 An diesem Ergebnis ändert auch die Möglichkeit später vollständige Erstattung zu verlangen, die §  675x I, II BGB i. V. m. Nr. A 2.5. Sonderbedingungen Lastschriftverkehr gewährt, nichts. Hierdurch wird lediglich eine bereits eingetretene Gläubigerbenachteiligung beseitigt. Für ein solches Verständnis spricht insbesondere, dass der Anspruch aus §  675x I, II BGB später nicht in die Insolvenzmasse fällt.624 Die Einlösung richtet sich nach dem Recht des Deckungsverhältnisses, so dass auch bei diesem Vorgehen dieses Recht das maßgebliche i. S. v. Art.  13 EuInsVO wäre. Zu einem anderen Ergebnis müsste man auf Basis der Schuldstatutslehre kommen: Hiernach kommt es im Rahmen von Art.  13 EuInsVO auf das Recht an, dem die zu erfüllende Forderung unterliegt, mithin also auf das Recht des Valutaverhältnisses.

619 Vgl. eingehend dazu und zu den Gründen Lohmann, grenzüberschreitende Lastschrift, S.  40. 620 Vgl. Lohmann, grenzüberschreitende Lastschrift, S.  43 zu Art.  28 II EGBGB a. F. 621  Lohmann, grenzüberschreitende Lastschrift, S.  42. 622 Vgl. Bunte, in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-HdB, §  14 Rn.  45. 623  Beim insoweit vergleichbaren Abbuchungsauftragsverfahren, bei dem ebenfalls eine vorherige Autorisierung vorliegt, hat der BGH hinsichtlich des anfechtungsrechtlich relevanten Zeitpunkt in diesem Sinne auf die Einlösung durch die Zahlstelle abgestellt, BGH, Urteil vom 17.1.2013 – IX ZR 184/10, NZG 2013, 309 (juris Rn.  8). 624  So ausdrücklich zu §  675x I BGB der BGH, Urteil vom 20.07.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 (Rn.  29 ff.).

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

(b)  SEPA Lastschriftverfahren Ähnlich Überlegungen sind bei der Ermittlung des maßgeblichen Rechts i. S. v. Art.  13 EuInsVO beim SEPA-Lastschriftverfahren625 anzustellen. Auch hier stellt sich die Frage, welche Rechtshandlung der Anfechtung unterliegt. Richtigerweise wird auch hier auf den gesamten Vorgang der Zahlung mittels Lastschriftabbuchung als mehraktige Rechtshandlung abzustellen sein.626 Dabei ist man wiederum mit der Problematik konfrontiert, dass es sich bei den einzelnen Rechtsbeziehungen um voneinander unabhängige Einzelverhältnisse handelt, so dass auch hier entweder das das gesamte Verfahren prägende Recht oder das für einen einzelnen Akt maßgebliche Recht in Betracht kommt. Grundlage des SEPA-Lastschriftverfahrens sind in allen Beziehungen wie bei der SEPA-Überweisung jeweils in Umsetzung der Richtlinie über Zahlungsdienste im Binnenmarkt627 unionsweit harmonisiertes nationales Recht und die jeweils getroffenen vertraglichen Vereinbarungen. Auch die Rulebooks mit den Einzelheiten für das Lastschriftverfahren binden aufgrund der privatautonomen Natur lediglich die Vertragsparteien.628 Diese Regelungen haben daher keinen unmittelbaren Einfluss auf das Verhältnis des Kunden zu seiner Bank,629 sondern strahlen nur mittelbar hierauf aus. Das Interbankenverhältnis auf Basis des SEPA Rulebooks unterliegt dabei belgischem Recht (Ziffer 3.3 SEPA Core Direct Debit Scheme Rulebook [Version 6.1]).630 Dies ist sogar bei rein nationalen SEPA-Lastschriften der Fall.631 Die jeweiligen Beziehungen zwischen Zahlungsempfänger und Inkassostelle und Zahlungspflichtigem und Zahlstelle unterliegen dagegen regelmäßig dem Recht am Sitz der jeweiligen Bank. Es fehlt also an einem nationalen Recht,632 welches den Gesamtvorgang insgesamt prägt, indem es Einfluss auf alle Einzelverhältnisse hat. Demnach bleibt zur Ermittlung des maßgeblichen Rechts nur der Weg, eines der Einzelverhältnisse auszuwählen. Wiederum sollte hierbei auf den Teilakt geblickt werden, der letztlich zur Gläubigerbenachteiligung führt. Beim SEPA-Lastschriftverfahren ist nicht die Genehmigung entscheidend, sondern bereits das Lastschriftmandat enthält die Anweisung an die Zahlstelle, die Lastschrift einzulösen.633 An die Stelle der Genehmigung tritt auch im sog. SEPA-Basislastschriftverfahren das Recht des Zahlers gem. §  675x II BGB in Verbin625 

Das SEPA-Basis-Lastschriftverfahren soll im Zentrum der Überlegungen stehen. Vgl. die Begründung zur Einzugsermächtigungslastschrift oben. 627  RiLi 2007/64/EG, Abl. EU Nr. L 319, S.  1 vom 13.12.2007. 628  Manger-Nestler, EuZW 2008, 332 (334). 629  Manger-Nestler, EuZW 2008, 332 (334). 630  Ellenberger, in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-HdB, §  58 Rn.  172 m. w. N. 631  Lohmann, in Dippel/Lohmann/Peschke, SEPA, Rn.  20/113. 632  Das Unionsrecht, auf das die nationalen Rechtsrahmen wie auch das SEPA-Rulebook zurückgehen, kommt als maßgebliches Recht i. S. v. Art.  13 EuInsVO nicht in Frage. 633  BGH, Urteil vom 20.07.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 (277, juris Rn.  17); Omlor, in Staudinger BGB, Vor §§  675c–676c Rn.  125. 626 

VI.  Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung

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dung mit Ziffer 2.5 Absatz 1 der Bedingungen zur SEPA-­Basislastschrift634 vollständige Erstattung innerhalb von acht Wochen zu verlangen.635 Diese Möglichkeit kennt das sog. SEPA-Firmenlastschriftverfahren, das nur im Verhältnis von Unternehmern vereinbart werden kann, dagegen nicht.636 Bei der SEPA-Lastschrift tritt Erfüllung im Valutaverhältnis bereits mit der Kontogutschrift beim Gläubiger ein, was wegen der o.g. Möglichkeit der Erstattung als auflösend bedingte Rechtsfolge interpretiert wird.637 In Anwendung des Rechtsgedankens des §  140 III InsO dürfte diese „Bedingung der Rechtsfolge“ für den Vornahmezeitpunkt der Rechtshandlung unbeachtlich sein. Damit korrespondiert, dass der Vermögensabfluss im Deckungsverhältnis bereits mit Belastung des schuldnerischen Kontos stattfindet.638 Für die Frage, welches der relevante Teilakt für die Gläubigerbenachteiligung ist, muss der Abwicklungsprozess einer SEPA-Lastschrift genauer betrachtet werden. Am Anfang steht das sog. Lastschriftmandat, das vom Zahlungspflichtigen erteilt wird. Der eigentliche Prozess wird angestoßen durch die Einreichung der Lastschrift durch den Zahlungsempfänger bei der ersten Inkassostelle. Danach wird unter Einhaltung bestimmter Fristen639 die Lastschrift vollautomatisch640 weiterverarbeitet, d. h. der Betrag wird dem Konto des Zahlungspflichtigen belastet und dem Konto des Zahlungsempfängers gutgeschrieben; davon zu unterscheiden ist der sog. Einlösungszeitpunkt.641 Der BGH hat für die Frage nach dem anfechtungsrechtlich relevanten Zeitpunkt i. S. v. §  140 InsO beim Abbuchungsauftragsverfahren, das wie das SEPA-Lastschriftverfahren durch eine vorherige Weisung gekennzeichnet ist und ohne spätere Genehmigung auskommt, entschieden, dass es auf die Einlösung der Lastschrift durch die Schuldnerbank ankomme.642 Mit der Einlösung ist der Auftrag durch die Bank ausgeführt und der Zahlungspflichtige kann nicht mehr widersprechen.643 Dieses Ergebnis kann auf das insoweit vergleichbare SEPA-Lastschriftverfahren übertragen werden, so dass es auch hier für die Insolvenzanfechtung auf den Zeitpunkt der Einlösung ankommt.644 Die Einlösung ist auch der entscheidende Teilakt, durch den die Gläubigerbenachteiligung645 eintritt.646 Damit ist 634 

Abgedruckt bei Bunte, in Bunte, AGB-Banken, 4. Teil, VI auf Stand 1.4.2014. Omlor, in Staudinger BGB, Vor §§  675c–676c Rn.  127. 636  Omlor, in Staudinger BGB, Vor §§  675c–676c Rn.  127. 637  BGH, Urteil vom 20.07.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 (280, juris Rn.  21); Omlor, in Staudinger BGB, Vor §§  675c–676c Rn.  128. 638 BGH, Urteil vom 20.07.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 (278, juris Rn.  19). 639  Für die Details vgl. Omlor, in Staudinger BGB, Vor §§  675c–676c Rn.  125 ff. m. w. N. 640 Vgl. Hadding, FS Hüffer, S.  273 (281). 641  Vgl. zum Verfahren insgesamt Hadding, FS Hüffer, S.  273 (280 ff.). 642  BGH, Urteil vom 17.1.2013 – IX ZR 184/10, NZG 2013, 309 (juris Rn.  8); vgl. insbesondere zum Zeitpunkt der Einlösung BGH, a. a. O. 643  BGH, Urteil vom 17.1.2013 – IX ZR 184/10, NZG 2013, 309 m. w. N. (juris Rn.  8). 644 So für den anfechtungsrechtlich relevanten Zeitpunkt Cranshaw, jurisPR-InsR 4/2013 Anm.  2, Ziffer D. I. 645  Beim kreditorisch geführten Konto in Form einer Verringerung der Aktivmasse, beim debitorisch geführten Konto in Form einer Vergrößerung der Passivmasse. 646  Vgl. zur Möglichkeit, später vollständige Erstattung zu verlangen (§  675x I, II BGB) bereits die Ausführungen oben zur Einzugsermächtigungslastschrift. 635 

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

dies der für das maßgebliche Recht i. S. v. Art.  13 EuInsVO entscheidende Teilakt. Die Einlösung unterliegt dem Recht das zwischen dem Zahlungspflichtigen und der Zahlstelle, also im Deckungsverhältnis gilt. Insofern ist auch bei der SEPA-Lastschrift dieses Recht das maßgebliche Recht i. S. v. Art.  13 EuInsVO. Auch hier müsste die Schuldstatutslehre zur Maßgeblichkeit des im Valutaverhältnis geltenden Rechts kommen. (3) Ergebnis Sowohl bei der Überweisung als auch beim Lastschriftverfahren, hat sich für die Bestimmung des maßgeblichen Rechts i. S. v. Art.  13 EuInsVO gezeigt, dass es zu Problemen aufgrund des Vorliegens einer mehraktigen Rechtshandlung und der potentiell unterschiedlichen anwendbaren Rechte auf die verschiedenen Einzelbeziehungen kommt. Diese Problematik ist häufig nur zu lösen, indem man eines der anwendbaren Rechte auswählt, wobei man auf denjenigen Teilakt abstellen sollte, der die angefochtene Gläubigerbenachteiligung ausgelöst hat. Dies führt bei Überweisung und Lastschrift, wie gezeigt, regelmäßig zum auf das Deckungsverhältnis anwendbaren Recht. 4. Regelungsmechanismus Der Regelungsmechanismus des Art.  13 EuInsVO wird verbreitet als „eingeschränkte Kumulation“647 oder „Sperrfunktion des Wirkungsstatuts“648 bezeichnet. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass es bei Art.  13 EuInsVO nicht zu einer „vollen“ Kumulation beider Statuten kommt. Art.  13 EuInsVO hat vielmehr nur die Wirkung, eine nach dem Insolvenzstatut gegebene Anfechtbarkeit auszuschließen, wenn die konkrete Rechtshandlung nach dem Wirkungsstatut nicht angreifbar ist, wofür der Anfechtungsgegner die Beweislast trägt. Die genaue Reichweite der eingeschränkten Kumulation wirft einige Fragen auf. a. Rechtsfolge Einigkeit besteht darüber, dass es für die Rechtsfolgen der (erfolgreichen) Insolvenz­ anfechtung nur auf die Regelungen des Insolvenzstatuts in Gestalt der lex fori concursus ankommt.649 Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Art.  13 EuInsVO, wonach Art.  4 II lit.  m EuInsVO nicht gelten soll, wenn die Voraussetzungen des Art.  13 EuInsVO erfüllt sind.650 Demnach gilt die Rechtsfolge des Insolvenzstatuts, wenn die Voraussetzungen des Art.  13 EuInsVO nicht erfüllt sind, wenn die Rechts647 

Begriff nach Balz, ZIP 1996, 949 (951). Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  13 Rn.  2; ferner ähnlich Kindler, in MüKo BGB, Art.  13 EuInsVO Rn.  2. 649  Reinhart, in MüKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  18; Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  135; Wenner/Schuster, in FK InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  9. 650  Reinhart, in MüKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  17 f. 648 

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handlung also auch nach dem Wirkungsstatut angreifbar ist. Sieht das Insolvenzstatut etwa eine dingliche Unwirksamkeit vor, so bleibt es bei dieser Rechtsfolge, auch wenn die Normen des Wirkungsstatuts eine andere Rechtsfolge vorsehen. Für die Insolvenzanfechtung i.R.v. in Deutschland eröffneten Verfahren bleibt es bei den Rechtsfolgen der §§  143 f. InsO. Welches Recht gelten soll, wenn Art.  13 EuInsVO greift, ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm, spielt aber letztlich keine entscheidende Rolle.651 Das Ergebnis ist klar: Die Anfechtung nach dem Insolvenzstatut ist nicht erfolgreich.652 Damit ist eine erste Einschränkung der vollen Kumulation aufgezeigt, die mit der Abstimmung der Rechtsfolgen eines der gravierendsten Probleme der vollen Kumulation653 beseitigt. b.  Bezug auf die konkrete Rechtshandlung und Einbeziehung sämtlicher Unwirksamkeitsgründe Der Tatbestand des Art.  13 EuInsVO verlangt vom Anfechtungsgegner den Nachweis, „dass in diesem Fall diese Handlung in keiner Weise nach diesem Recht angreifbar ist“.654 Hieraus folgen zwei wichtige Punkte für die Überprüfung der Rechtshandlung anhand des Wirkungsstatuts. Zunächst kommt es auf die konkrete Rechtshandlung an.655 Es geht nicht um die Frage, ob das Wirkungsstatut abstrakt eine Angreifbarkeit etwa in Form eines Paralleltatbestands kennt. Vielmehr darf die konkrete Rechtshandlung mit allen Begleitumständen nach dem Wirkungsstatut nicht angreifbar sein. Durch die Wendung „in keiner Weise (…) angreifbar“ kommt zum Ausdruck, dass die Rechtshandlung nach dem Wirkungsstatut neben insolvenzrechtlichen Einwänden auch keinen anderen, allgemeinen Unwirksamkeitsgründe ausgesetzt sein darf.656 Dies wurde inzwischen durch den EuGH im Urteil „Nike“ bestätigt.657 Dies wird für allgemeine zivilrechtliche Unwirksamkeitsgründe allerdings teilwei651  Für eine Anwendung des Wirkungsstatuts: Prager/C. Keller, NZI 2011, 697 (701). Für eine Unanwendbarkeit des Insolvenzstatuts und gegen einen Statutenwechsel: Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  13 Rn.  15. Widersprüchlich: Kindler, in MüKo BGB, Art.  13 EuInsVO Rn.  14. 652  Vgl. auch Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  136. 653  Siehe dazu bereits oben C.VI.1. 654  Hervorhebung des Verfassers. In Art.  16 EuInsVO 2017 geändert zu: „diese Handlung im vorliegenden Fall in keiner Weise nach dem Recht dieses Mitgliedstaats angreifbar ist“. Dies hat auf den Inhalt der Norm keine Auswirkungen. 655 Vgl. Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  136 a. E.; EuGH, Urteil vom 15.10.2015 – C.310/14 („Nike European Operations Netherlands“), NZI 2015, 954 (LS 1). 656  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  137; ferner Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  13 Rn.  18; Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  7. 657  EuGH, Urteil vom 15.10.2015 – C.310/14 („Nike European Operations Netherlands“), NZI 2015, 954 (LS 3).

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

se bestritten, da es in diesen Fällen keiner Insolvenzanfechtung mehr bedürfe.658 Der Insolvenzverwalter müsste sich demnach direkt auf den jeweiligen Unwirksamkeitsgrund des Wirkungsstatuts berufen. Überzeugender ist es insoweit aber von einem Wahlrecht des Insolvenzverwalters auszugehen, mit welcher Begründung er eine Rechtshandlung angreift.659 Dafür spricht die für ihn positive Beweislastregelung des Art.  13 EuInsVO, die bei Anfechtbarkeit nach dem Insolvenzstatut den Anfechtungsgegner dazu zwingt, die Nichtangreifbarkeit nach dem Wirkungsstatut zu beweisen. Bei Unwirksamkeitsgründen des Wirkungsstatuts, die eine Insolvenzeröffnung voraussetzen, ist nicht zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Verfahrens­ eröffnung auch nach dem Wirkungsstatut vorgelegen hätten.660 Dies folgt bereits aus der Anerkennung des eröffneten Verfahrens nach Art.  16 EuInsVO. c.  Form der Geltendmachung der Anfechtung; Verjährungs-, Anfechtungs- und Ausübungsfristen aa.  Diskurs über die Beachtung von Formvorschriften und Verjährungs-, Anfechtungs- und Ausübungsfristen des Wirkungsstatuts Vor dem Urteil des EuGH „Lutz“ vom 16.4.2015661 wurde darüber diskutiert, ob die Vorschriften des Wirkungsstatuts zur Form der Erhebung der Anfechtungsklage und zu den Fristen662 ebenfalls über Art.  13 EuInsVO zu beachten sind. Ebenso wie für die Rechtsfolge ging die h. M. davon aus, über die Frage, ob und wie die Anfechtung geltend zu machen ist, entscheide alleine das Insolvenzstatut.663

658  Reinhart, in MüKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  9 m. w. N. zur abweichenden Ansicht; ebenso: Mäsch, in Rauscher EuZPR, Art.  13 EuInsVO Rn.  7. 659 Ähnlich Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  827, der aber eine Wahl des Insolvenzverwalters vor Erhebung der Anfechtungsklage verlangt, soweit es um Unwirksamkeitsgründe des Verfügungsstatuts geht. Danach will Thole den Verwalter an der Anfechtung festhalten und die Unwirksamkeitsgründe i.R.v. Art.  13 EuInsVO nur noch nach dem Schuldstatut beurteilt (kritisch dazu bereits oben ad C.VI.3.c.dd.(9).). Wohl auch für ein solches Wahlrecht: Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, S.  49 f., der m. E. von Thole, a. a. O. und Reinhart, oben Kapitel C. Fn.  658 missverstanden wird. 660  Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  7; a. A. für Art.  102 II EGInsO: Kranemann, Insolvenzanfechtung, S.  144 für Art.  102 EGInsO a. F. 661  Dazu sogleich. 662  Vor allem diskutiert wurde die Verjährungsfrist, das Problem stellt sich im Prinzip aber auch für Anfechtungs- und Ausübungsfristen. 663  OLG Stuttgart, Urteil vom 28.9.2012 – 5 U 17/12, ZIP 2012, 2162 (2164 f., juris Rn.  37 ff.); ferner bereits Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  135 a. E.; a. A. hinsichtlich einer Unterbrechung/Hemmung der Verjährung nach den Regeln des Wirkungsstatuts: Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  14 und inzwischen auch der EuGH, unten Kapitel C. Fn.  680.

VI.  Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung

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Dies sollte nach verbreiteter Auffassung auch für die Verjährungsfrist gelten,664 was aber teilweise bestritten wurde.665 Art.  13 EuInsVO solle nur zu einer Kumulation der Tatbestandsvoraussetzungen führen, wozu die Verjährungsregeln als Einreden nicht zählten.666 Daneben seien Verjährungsregeln als Verfahrensrecht nicht von dem Verweis in Art.  13 EuInsVO umfasst.667 Eine Beachtung der Verjährungsregeln des Wirkungsstatuts liefe auf einen nachträglichen Vertrauensschutz hinaus, den es für nachinsolvenzliche Rechtshandlungen nicht gebe, weshalb er auch für vorinsolvenzliche Rechtshandlungen nicht zu gewähren sei.668 Dieser Vergleich setzt aber vor- und nachinsolvenzliche Rechtshandlungen gleich, ohne zu begründen, warum, was für das eine gilt, auch für das andere gelten soll. Gegen den Verweis auf die Qualifizierung von Verjährungsregeln als Verfahrensrecht spricht Art.  12 I lit.  d Rom I-VO. Dieser muss zu der Einsicht führen, dass jedenfalls im Rahmen des europäischen Rechts Verjährungsvorschriften als Teil des materiellen Rechts zu behandeln sind.669 Auch muss dem Argument, Art.  13 EuInsVO kumuliere nur die Tatbestandsvoraussetzungen, widersprochen werden. Zunächst spricht die Erstreckung auf andere Unwirksamkeitsgründe in Art.  13 EuInsVO670 gegen ein solches Verständnis. Art.  13 EuInsVO bezieht sich zudem immer auf den konkreten Fall, eine bloße Angreifbarkeit dem Grunde nach genügt gerade nicht.671 Die Gegenansicht missachtet vor allem, dass die materiellen Voraussetzungen und die Verjährungsregeln aufeinander abgestimmt sein können und dieser Zusammenhang nicht ohne Not übergangen werden sollte.672 664 So Balz, ZIP 1996, 948 (951); Kolmann/C. Keller, in Gottwald, InsR-HdB, §  133 Rn.  102; Kindler, in MüKo BGB, Art.  13 EuInsVO Rn.  13; Liersch, NZI 2003, 302 (305); Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  827; Wenner/Schuster, in FK InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  10 m. w. N.; für §  339 InsO: Stephan, in HK InsO 7.A., §  339 Rn.  8; Tashiro, in Braun InsO, §  339 Rn.  16. 665  Brinkmann, in K. Schmidt InsO 18.A., Art.  13 Rn.  12; Gruber, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  13 Rn.  5 f.; Kemper, in Kübler/Prütting/Bork InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  9; Kemper, ZIP 2001, 1609 (1618); Kranemann, Insolvenzanfechtung, S.  145; Flöther/Wehner, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, Anh. I, Art.  13 EuInsVO Rn.  3; wohl auch C. Paulus, EuInsVO, Art.  13 Rn.  9. Zu §  339 InsO: Lüer, in Uhlenbruck InsO, §  339 Rn.  14. Unklar hingegen Stürner/Fix, FS Wellensiek, S.  832 (843). Vgl. insgesamt zu diesem Streit die ausführliche Darstellung des OLG Stuttgart, Urteil vom 28.9.2012 – 5 U 17/12, ZIP 2012, 2162 (2164 ff., juris Rn.  30 ff.) m. w. N. zu beiden Ansichten. 666  Tashiro, in Braun InsO, §  339 Rn.  16; ferner ähnlich wohl auch Wenner, in Mohrbutter/ Ringstmeier, Kapitel 20 Rn.  347. 667  Zu §  339 InsO: Tashiro, in Braun InsO 5. A., §  339 Rn.  10 (in der 6. Auflage wird dieser Punkt hingegen nicht mehr genannt). 668  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  827. 669  Prager/C. Keller, NZI 2011, 697 (700); ferner zu §  339 InsO: Lüer, in Uhlenbruck InsO, §  339 Rn.  14. Nach dem EuGH, Urteil vom 16.4.2015 – C-557/13 („Lutz“), NZI 2015, 478 (Rn.  46) ist diese Regelung allerdings hier nicht anwendbar, entscheidend sei vielmehr die Einordnung der Frist nach dem Wirkungsstatut. 670  Dazu bereits oben ad C.VI.4.b. 671  Dazu bereits oben ad C.VI.4.b. 672  Stürner/Fix, FS Wellensiek, S.  833 (842).

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

In der Sache stellt sich bei diesem Problem die Frage, welchen zeitlichen Bezugspunkt das von Art.  13 EuInsVO geschützte Vertrauen hat. In Betracht kommt, dass Art.  13 EuInsVO nur greifen soll, wenn von Anfang an eine Unangreifbarkeit nach dem Wirkungsstatut gegeben war.673 Dann ist eine später eintretende Verjährung tatsächlich unbeachtlich. Andererseits könnte Art.  13 EuInsVO aber auch das Vertrauen darauf schützen, dass die Anfechtung nur dann durchgreift, wenn zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Anfechtung auch das Wirkungsstatut eine Angreifbarkeit der Rechtshandlung (noch) vorsieht.674 Für Letzteres spricht der Wortlaut des Art.  13 EuInsVO („angreifbar ist“).675 Die Begründung von Art.  13 EuInsVO im Vertrauensschutz und der Rechtssicherheit gibt hierfür dagegen kein verbindliches Ergebnis vor.676 Die gegen eine Beachtung der Verjährungsregeln des Wirkungsstatuts vorgebrachten Gründe greifen nicht durch, während für die Beachtung gute Gründe sprechen. Damit kann der Wortlaut des Art.  13 EuInsVO den Ausschlag geben. Eine Anfechtung nach den Regeln des Insolvenzstatuts hat nur dann Erfolg, wenn die Rechtshandlung noch immer nach dem Wirkungsstatut angegriffen werden kann. Eine abgelaufene Verjährungs- oder Ausübungsfrist677 des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“ i. S. v. Art.  13 EuInsVO führt zur Unanfechtbarkeit, wenn kein anderer Unwirksamkeitsgrund durchgreift. bb.  EuGH-Urteil „Lutz“ Der EuGH kommt im Urteil „Lutz“ hinsichtlich der Beachtung von Verjährungs-, Anfechtungs- und Ausschlussfristen zum selben Ergebnis.678 Begründet wird dies (recht knapp) damit, dass es nicht darauf ankommen könne, ob eine Frist als materielle oder prozessuale Frist ausgestaltet sei, da dies zu Zufallsergebnissen führe.679 Auch für die Form der Erhebung der Insolvenzanfechtungsklage stellt der EuGH entgegen der früheren h. M. kumulativ auf das Wirkungsstatut ab.680 Art.  13 EuIns673  Vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 28.9.2012 – 5 U 17/12, ZIP 2012, 2162 (2165, juris Rn.  4 4); in diesem Sinne ist wohl Gottwald/Kolmann, in Gottwald, InsR-HdB, §  133 Rn.  102 zu verstehen. 674  Vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 28.9.2012 – 5 U 17/12, ZIP 2012, 2162 (2165, juris Rn.  4 4). Piekenbrock, IPRax 2016, 219 (225) schlägt demgegenüber vor, auf die Anfechtbarkeit im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung abzustellen. Für die Gläubiger sei ab Verfahrenseröffnung vorhersehbar, wie sich die lex fori concursus auswirke. 675  Gruber, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  13 Rn.  5. 676  Es ist ja in der Sache gerade die Frage, wie weit der Vertrauensschutz reicht. Anders aber Kranemann, Insolvenzanfechtung, S.  145 (für Art.  102 II EGInsO); Flöther/Wehner, in Ahrens/ Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, Anh. I, Art.  13 EuInsVO Rn.  3. Ebenso der EuGH, Urteil vom 16.4.2015 – C-557/13 („Lutz“), NZI 2015, 478 (Rn.  54) hinsichtlich der Beachtung von Formvorschriften. 677  Wie etwa die Frist des §  43 österreichische KO, die Gegenstand des Urteils des OLG Stuttgart, vom 28.9.2012 – 5 U 17/12, ZIP 2012, 2162 war. 678  EuGH, Urteil vom 16.4.2015 – C-557/13 („Lutz“), NZI 2015, 478 (LS 2, Rn.  49), auf Vorlage des BGH, Beschluss vom 10.10.2013 – IX ZR 265/12, NZI 2013, 1042. 679  EuGH, Urteil vom 16.4.2015 – C-557/13 („Lutz“), NZI 2015, 478 (Rn.  48). 680  EuGH, Urteil vom 16.4.2015 – C-557/13 („Lutz“), NZI 2015, 478 (LS 3, Rn.  56).

VI.  Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung

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VO enthalte insoweit keine Einschränkung.681 Auch Formvorschriften könnten „sowohl materielle als auch verfahrensrechtliche Voraussetzungen darstellen“, so dass dieselben Erwägungen wie zu den Fristen durchgriffen.682 Auch die mögliche Publizitätsfunktion von Formvorschriften spreche für eine Beachtung derjenigen des Wirkungsstatuts.683 Diesem Ergebnis ist zuzustimmen, da die Form der Geltendmachung regelmäßig bei der Frage nach der Fristwahrung (Verjährungs- oder Ausübungsfrist) relevant wird.684 d.  Darlegungs- und Beweislast Bereits aus dem Wortlaut des Art.  13 EuInsVO ergibt sich, dass der Anfechtungsgegner den Nachweis eines abweichenden Wirkungsstatuts, sowie der „Nicht-Angreifbarkeit“ der Handlung nach diesem Recht erbringen muss. Auch dies wurde vom EuGH im „Nike“ Urteil bestätigt.685 Etwaige Beweislastregeln des Wirkungsstatuts werden durch Art.  13 EuInsVO verdrängt.686 Deshalb wird Art.  13 EuInsVO auch regelmäßig als Einrede687 oder Veto688 bezeichnet. Das heißt zunächst, dass Art.  13 EuInsVO überhaupt erst beachtet wird, soweit der Anfechtungsgegner sich hierauf beruft.689 Das ähnelt interessanterweise dem überwiegend abgelehnten Konzept des fakultativen Kollisionsrechts690. Hinsichtlich der Beweislast wird teilweise davon ausgegangen, dass der Anfechtungsgegner nicht nur die entsprechenden Tatsachen in vollem Umfang zu beweisen hat,691 sondern auch die Rechtssätze.692 Es ist insoweit die Rede von einem sehr 681 

EuGH, Urteil vom 16.4.2015 – C-557/13 („Lutz“), NZI 2015, 478 (Rn.  51). EuGH, Urteil vom 16.4.2015 – C-557/13 („Lutz“), NZI 2015, 478 (Rn.  52 f.); zuvor schon GA Szpunar, Schlussanträge vom 27. November 2014 – C-557/13, Celex-Nr.  62013CC0557 (Rn.  85). 683  EuGH, Urteil vom 16.4.2015 – C-557/13 („Lutz“), NZI 2015, 478 (Rn.  54). 684  Ähnlich der Ansatz Brinkmanns, in K. Schmidt InsO, Art.  13 Rn.  14. 685  EuGH, Urteil vom 15.10.2015 – C.310/14 („Nike European Operations Netherlands“), NZI 2015, 954 (LS 2, 4). 686  LG Krefeld, Urteil vom 3.9.2014 – 7 O 67/12, ZIP 2014, 1940 (1941); C. Paulus, EuInsVO, Art.  13 Rn.  4; a. A.: Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  23 ff. mit ebenfalls beachtlichen Argumenten. 687  Flöther/Wehner, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, Anh. I, Art.  13 EuInsVO Rn.  4; Kemper, ZIP 2001, 1609 (1618); Dornblüth, in HK InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  1, 4; Undritz, in HaKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  8; Reinhart, in MüKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  11 mahnt zur Vorsicht bei der Verwendung dieses zivilprozessualen Begriffs, wobei er im Ergebnis zustimmt. 688  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  136. 689  U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (698). 690  Vgl. hierzu ablehnend Mankowksi, in von Bar/Mankowski, IPR Bd. 1, §  4 Rn.  66 ff. m. w. N. 691  Worauf sich etwa Flöther/Wehner, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, Anh. I, Art.  13 EuInsVO Rn.  6 beschränken. 692  So ausdrücklich Wenner/Schuster, in FK InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  11; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  826; ablehnend ausdrücklich Gruber, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  13 Rn.  12; Kolmann/C. Keller, in Gottwald, InsR-HdB, §  133 Rn.  103; Man682 

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

umfangreichen insolvenzrechtlichen Alibi.693 Dies führt aber zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten, da es sich der Sache nach um einen Negativbeweis handelt.694 Der Anfechtungsgegner kann kaum für jede denkbare Einrede das Nichtvorliegen tatsächlich und rechtlich beweisen. Deshalb wird es richtig sein, hier die Regeln der Darlegungs- und Beweislastverteilung zu modifizieren,695 d. h. der Anfechtungsgegner muss zunächst nur eine mögliche gleichgelagerte insolvenzrechtliche Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit und weitere, der Sache nach naheliegende, allgemeine Unwirksamkeitsgründe ausräumen und nur soweit der Anfechtungsberechtigte andere Gründe vorträgt, diese widerlegen.696 Dies dürfte auch mit dem Urteil „Nike“ des EuGH zu vereinbaren sein, in dem betont wird, dass die prozessualen Fragen der Darlegungs- und Beweislast mangels Harmonisierung Sache des nationalstaatlichen Rechts sind, wobei der Effektivitätsgrundsatz hinsichtlich Art.  13 EuInsVO gewisse Vorgaben macht.697 Die oben vorgeschlagenen Darlegungsgrundsätze verletzen diesen nicht. Um der Grundwertung der Darlegungs- und Beweislast des höherrangingen Art.  13 EuInsVO gerecht zu werden, muss der Anfechtungsgegner aber auch die relevanten ausländischen Rechtssätze, in Abweichung zu §  293 ZPO, vortragen.698 Daher ist zu Lasten des Anfechtungsgegners zu entscheiden, wenn das maßgebliche ausländische Recht nicht ermittelt werden kann.699 e. Ergebnis Art.  13 EuInsVO führt gerade zu keiner vollen Kumulation, sondern vielmehr dazu, dass durch die Erhebung dieser speziellen Einrede in einem konkreten Fall die Anfechtung nach dem Insolvenzstatut ausgeschlossen wird.700 Diese Einrede geht nach der Rechtsprechung des EuGH sehr weit und umfasst insbesondere auch Form- und

kowski, in Kölner Schrift, S.  1467 (1506). Vgl. zum Ganzen auch Reinhart, in MüKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  12 ff. 693 Nach Prager/C. Keller, NZI 2011, 697 (701) geht diese Aussage auf Mincke zurück, ohne dass dies von diesen belegt wird. 694  Reinhart, in MüKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  12. 695  Reinhart, in MüKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  12 für eine Anwendung der Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislastverteilung; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  826 schlägt eine Heranziehung der Grundsätze zur sekundären Behauptungslast vor. 696 Vgl. Flöther/Wehner, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, Anh. I, Art.  13 EuInsVO Rn.  6; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  826 f. 697  EuGH, Urteil vom 15.10.2015 – C.310/14 („Nike European Operations Netherlands“), NZI 2015, 954 (Rn.  27 ff., 43). 698 Vgl. Reinhart, in MüKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  15; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  826. 699  Reinhart, in MüKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  16. 700  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  136. Ob dabei letztlich das Wirkungsstatut zur Anwendung kommt, oder das Ergebnis unmittelbar aus Art.  13 EuInsVO folgt, spielt praktisch keine Rolle, vgl. Nachweise oben Kapitel C. Fn.  651.

VI.  Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung

161

Verjährungsfragen.701 Es handelt sich bei Art.  13 EuInsVO um einen Wirk- bzw. Regelungsmechanismus sui generis, der nicht ohne weiteres mit einer vollen Kumulation verglichen werden kann. 5. Anwendungsbereich a. Räumlich Der räumliche Anwendungsbereich von Art.  13 EuInsVO hängt von dem des Art.  4 II lit.  m EuInsVO ab, da es sich um eine Ausnahmevorschrift zu dieser Norm handelt.702 Bereits der Wortlaut des Art.  13 EuInsVO stellt allerdings klar, dass die Norm nur bei abweichendem Wirkungsstatut eines anderen Mitgliedstaates anwendbar ist.703 Wie oben im Allgemeinen zum Anwendungsbereich der Kollisionsnormen festgestellt, kommt autonomes Internationales Insolvenzrecht zur Anwendung, soweit es um eine spezifische Einzelbeziehung geht und der Auslandsbezug des Sachverhalts zu einem Drittstaat besteht, im vorliegenden Fall bei drittstaatlichem Wirkungsstatut §§  335, 339 InsO.704 b. Sachlich Der Anwendungsbereich des Art.  13 EuInsVO soll aus dem deutschen Recht, wie der des Art.  4 II lit.  m EuInsVO,705 auf den sich Art.  13 EuInsVO ausdrücklich bezieht, sämtliche Anfechtungstatbestände der §§  129 ff. InsO umfassen,706 auch wenn sie der einzelne Gläubiger gem. §  313 II InsO geltend macht707. Dies wird im Folgenden für die Anfechtung nach §  135 InsO noch zu überprüfen sein.708 701 Vgl. Mankowski, NZI 2015, 481: „Der EuGH gibt Art.  13 EuInsVO die denkbar größte sachliche Reichweite“. 702  Zum räumlichen Anwendungsbereich des Art.  4 II lit.  m EuInsVO siehe oben C.III.2. 703  Vgl. statt aller C. Paulus, EuInsVO, Art.  13 Rn.  7. 704  Eingehend oben ad C.III.2.g.bb. Zu einem anderen Ergebnis kommt man freilich, wenn man den Anwendungsbereich der Kollisionsnormen grundsätzlich anders bestimmt. Soweit hierbei von einer Anwendbarkeit des Art.  4 EuInsVO auch im Verhältnis zu Drittstaaten ausgegangen wird, wird für die Fälle der Insolvenzanfechtung unterschiedliches vertreten. Überwiegend wird dann für eine Anwendung des §  339 InsO plädiert, ergänzend zu Art.  4 EuInsVO, vgl. Gruber, in Haß/ Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  13 Rn.  9. Für die alleinige Geltung von Art.  4 II lit.  m EuInsVO dagegen Mäsch, in Rauscher EuZPR, Art.  13 EuInsVO Rn.  9; Wenner/Schuster, in FK InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  6. Ferner auf Basis der differenzierenden Ansicht, wenn „der Vermögensgegenstand, der Gegenstand der anfechtbaren Rechtshandlung ist, im Zeitpunkt der Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung in einem der Mitgliedsstaaten belegen war“ auch Reinhart, in MüKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  21 f., Art.  1 EuInsVO Rn.  26. 705  Siehe zu dessen sachlichen Anwendungsbereich oben ad C.III.1. 706  Prager/C. Keller, NZI 2011, 697 (698); für Art.  4 II lit.  m: Reinhart, in MüKo InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  42. 707  C. Paulus, EuInsVO, Art.  4 Rn.  36. 708  Eingehend unten Kapitel E.

162

C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

Auch für die Fälle des §  147 InsO gelten Artt.  4 II lit.  m, 13 EuInsVO.709 Zwar sprechen die Ausführungen im erläuternden Bericht, Artt.  4 II lit.  m, 13 EuInsVO seien nur auf den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung anwendbar,710 hiergegen. Allerdings kam dies im Wortlaut des Art.  13 EuInsVO nicht zum Ausdruck.711 So hat auch der EuGH im „Lutz“-Urteil Art.  13 EuInsVO auf eine Auszahlung nach Insolvenzeröffnung angewandt, die auf einem vor Insolvenzeröffnung begründeten Pfandrecht basierte.712 Letztlich spricht hierfür, dass der Insolvenzanfechtungsbegriff des Art.  13 EuInsVO funktional auszulegen ist und damit auch den als Insolvenzanfechtung ausgestalteten §  147 InsO erfasst.713 Auch dient §  147 InsO seinem Zweck nach letztlich wie die anderen Insolvenzanfechtungstatbestände vor allem der Gläubigergleichbehandlung. Auch §  96 I Nr.  3 InsO fällt unter Art.  13 EuInsVO, da es sich der Sache nach um eine Insolvenzanfechtung handelt.714 Ob die Rückschlagsperre des §  88 InsO unter Art.  13 EuInsVO fällt, war bislang umstritten.715 Als Gegenargument wurde, neben rechtspolitischer Kritik an der Kumulationslösung,716 angeführt, es handle sich um eine allgemeine Insolvenzwirkung, die nicht primär auf die Beseitigung von Benachteiligungen abziele.717 §  88 InsO könne unter Art.  4 II lit.  f EuInsVO subsumiert werden, womit eine direkte Anwendbarkeit von Art.  13 EuInsVO ausschiede.718 Für eine Anwendbarkeit spricht hingegen, dass auch §  88 InsO auf eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Rechtshandlung, die vor Verfahrenseröffnung erfolgte, reagiert.719 §  88 InsO wird so auch regelmäßig mit der Insolvenzanfechtung, insbesondere §  131 I Nr.  1 InsO verglichen,720 oder gar systematisch dem Insolvenzanfechtungsrecht zugeordnet.721 Art.  4 II lit.  m, 13 EuInsVO machen auch ihrem Wortlaut nach deutlich, dass es auf die

709  Reinhart, in MüKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  6; i. E. wohl auch Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  9; a. A.: Trunk, int. InsR, S.  185 für §  42 KO. 710  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  138. 711  Reinhart, in MüKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  6. 712  EuGH, Urteil vom 16.4.2015 – C-557/13, NZI 2015, 478 (Rn.  43). 713  Reinhart, in MüKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  6. 714  Prager/C. Keller, NZI 2011, 697 (699). 715  Dies bejahen für §  339 InsO Tashiro in Braun InsO, §  339 Rn.  7; Stehle, DZWIR 2008, 53 (56); a. A.: Wenner/Schuster, in FK InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  13; Wenner, in Mohrbutter/Ringstmeier, Kapitel 20 Rn.  351 (für Art.  13 EuInsVO und §  339 InsO). 716  Wenner, in Mohrbutter/Ringstmeier, Kapitel 20 Rn.  351: rechtspolitisch verfehlt; ähnlich Dahl, in Andres/Leithaus InsO, §  339 Rn.  2. 717 So wohl Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  13 Rn.  21 m. w. N. 718 So Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  814. 719  Ähnlich für §  339 InsO Tashiro, in Braun InsO, §  339 Rn.  7. 720  Tashiro in Braun InsO, §  339 Rn.  7; ferner Prager/C. Keller, NZI 2011, 697 (699). 721  Mock, in Uhlenbruck InsO, §  88 Rn.  1; ferner Eckardt, in Jaeger InsO, §  88 Rn.  1 („Verdinglichung der Anfechtungsfolgen“); Thole, ZZP 121 (2008), 67 (74): „Grundregel“ der Deckungsanfechtung; Gerhardt, FS Greiner, 31 (37): „vereinfachter Anfechtungsfall“.

VI.  Art.  13 EuInsVO als Sonderregel für die Insolvenzanfechtung

163

abweichende Rechtsfolge nicht ankommen kann.722 Daher hat auch der EuGH Art.  4 II lit.  m, 13 EuInsVO bei §  88 InsO angewandt.723 Hingegen findet Art.  13 EuInsVO grundsätzlich724 keine Anwendung auf Tatbestände, die erst nach Insolvenzeröffnung eingreifen.725 Nach Prager und C. Keller soll §  24 InsO i. V. m. §§  81, 82 InsO in den Anwendungsbereich des Art.  13 EuInsVO fallen.726 Dafür spreche die offene Formulierung der Rechtsfolgenseite in Art.  4 II lit.  m EuInsVO.727 Dieser geht aber primär auf die unterschiedlichen Regelungsformen bzw. -mechanismen, mit denen die europäischen Rechtsordnungen auf gläubigerbenachteiligende Handlungen vor Insolvenzeröffnung reagieren, zurück. Wenn aber Artt.  4 II lit.  m, 13 EuInsVO auf Handlungen nach Verfahrenseröffnung nicht anzuwenden sind und das vorläufige Verfahren mit starkem Insolvenzverwalter wie ein eröffnetes Verfahren behandelt wird728, sollten diese auf die vorläufigen Maßnahmen des §  24 InsO insgesamt nicht angewendet werden. Hinzu kommt, dass man mitunter beim Vergleich mit dem Wirkungsstatut hinsichtlich vorläufiger Sicherungsmaßnahmen mit konzeptionell unterschiedlichen Modellen konfrontiert wird, bei denen abweichende Sicherungsmaßnahmen möglich sind und dabei ggf. abweichende Verfahrensschritte vorausgesetzt werden.729 Ob eine bestimmte Rechtshandlung auch nach dem Wirkungsstatut angreifbar wäre, kann dabei mitunter überhaupt nicht beantwortet werden, ohne das Vorliegen oder Nichtvorliegen zusätzlicher Fakten zu unterstellen. Dies muss zu der Einsicht führen, dass ein Verstoß gegen §  24 i. V. m. §§  81, 82 InsO nicht unter Verweis auf Art.  13 EuInsVO abgewehrt werden kann. Deliktsrechtliche Ansprüche, die auf eine Masseverkürzung reagieren, sind ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich des Art.  13 EuInsVO einzubeziehen.730 Dasselbe gilt für die Insolvenzverschleppungshaftung nach §  823 II BGB i. V. m. §  15a InsO, ferner für die allgemeine Gläubigeranfechtung, die eine eigene Regelung in §  19 AnfG gefunden hat und für die allgemeinen Unwirksamkeitsgründe 722  So auch Tashiro, in Braun InsO, §  339 Rn.  30; ähnlich auch der EuGH, Urteil vom 16.4.2015 – C-557/13 („Lutz“), NZI 2015, 478 (Rn.  30 f.), der darauf hinweist, dass eine Klage nicht unbedingt erforderlich sei. 723  EuGH, Urteil vom 16.4.2015 – C-557/13 („Lutz“), NZI 2015, 478 (Rn.  31). 724  Vgl. aber zu dem Sonderfall einer nach Insolvenzeröffnung erfolgten Zahlung aufgrund eines vor Insolvenzeröffnung erlangten dinglichen Rechts EuGH, Urteil vom 16.4.2015 – C-557/13 („Lutz“), NZI 2015, 478 (Rn.  32 ff.) und zu §  147 InsO oben. 725  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  138. 726  Prager/C. Keller, NZI 2011, 697 (698) unter Verweis auf Reinhart, MüKo InsO 2.A., Art.  4 Rn.  42 (Rn.  47 der 3.A.), der diese Tatbestände Art.  4 II lit.  m zuordnet. 727  Reinhart, MüKo InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  47. 728  EuGH, Urteil vom 2.5.2006 – Rs. C-341/04 („Eurofood IFSC“), NZI 2006, 360 (362), das allerdings eher im Zusammenhang mit Fragen der internationalen Zuständigkeit und der Anerkennung steht. Vgl. dazu bereits oben ad C.III.1. 729  So wird beispielsweise eine Sicherungsmaßnahme im italienischen fallimento durch richterliche Verfügung auf Parteiantrag erlassen, vgl. Santonocito/Mare-Ehlers, in MüKo InsO, Länderbericht Italien, Rn.  19. 730  Wenner/Schuster, in FK InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  13.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

des BGB, etwa §  138 BGB.731 Auch auf §  64 GmbHG bzw. §  92 II AktG werden Artt.  4 II lit.  m, 13 EuInsVO wegen der abweichenden Rechtsfolge (Erstattungspflicht des Geschäftsführers als Nicht-Begünstigter) keine Anwendung finden.732

VII.  Würdigung des Internationalen Insolvenzanfechtungsrechts der EuInsVO Bei der Würdigung von Artt.  4 II lit.  m, 13 EuInsVO soll das Hauptaugenmerk auf den zur Begründung vorgetragenen Aspekten733 liegen. Eine eingehende Bewertung der betroffenen international-privatrechtlichen Interessen findet sich bereits an anderer Stelle.734 1.  Nachteile einer kumulativen Anknüpfung Vorab ist bei dieser Bewertung ein Blick auf die vielerorts behaupteten Nachteile einer kumulativen Anknüpfung735 zu werfen. Kegel/Schurig betonen, dass bei Mehrfachanknüpfungen typischerweise nicht mehr die konkrete kollisionsrechtliche Interessenabwägung entscheide, sondern bereits eine Bewertung der Sachinteressen selbst vorgenommen werde, was zur „Bevorzugung des einen oder anderen materiellen Ergebnisses“ selbst führe.736 Die Rechtsfolgen treten bei der Kumulation nur dann ein, wenn beide berufenen Rechtsordnungen sie anordnen.737 Durch den gewählten Mechanismus der „eingeschränkten Kumulation“ wird zwar die Problematik um die Anpassungsschwierigkeiten hinsichtlich der Rechtsfolge gelöst und durch die Beweislastverteilung ein großer Teil des Prozessrisikos dem Anfechtungsgegner aufgebürdet.738 Auch die eingeschränkte Kumulation führt aber im Ergebnis zu einer erschwerten Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen mit Auslandsbezug.739 Dass dies beabsichtigt war, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls lassen sich keine Gründe erblicken, die für eine Einschränkung der Anfechtbarkeit sprechen. 731 

Prager/C. Keller, NZI 2011, 697 (700). So i. E. auch Prager/C. Keller, NZI 2011, 697 (700). 733  Vgl. dazu bereits oben C.VI.2. 734  Vgl. insb. Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, S.  113 ff. 735  Siehe hierzu bereits oben ad C.VI.2. 736  Schurig, in Kegel/Schurig, IPR, §  6 IV; vgl. ferner Trunk, int. InsR, S.  189. 737 Vgl. Schurig, in Kegel/Schurig, IPR, §  6 IV. 738  Eingehend zum Regelungsmechanismus der „eingeschränkten Kumulation“ oben ad C.VI.4. 739  Vgl. zu Art.  13 EuIÜ: Trunk, int. InsR, S.  190 mit Fn.  406, auch zu weiteren möglichen Wertungswidersprüchen hinsichtlich der Abstimmung von Voraussetzungen und Rechtsfolgen der jeweiligen Rechtsordnungen. Vgl. ferner bereits die oben in Kapitel C. Fn.  371–379 Genannten mitsamt den Ausführungen dort. A.A. mit Blick auf die „sehr begrenzten Voraussetzungen“ des Art.  13 EuInsVO: Zeuner, in Leonhard/Smid/Zeuner int. InsR, Art.  13 EuInsVO Rn.  8; ähnlich: Dammann, in Pannen EuInsVO, Art.  13 Rn.  3, der den Regelungsmechanismus als „gelungene Kombination“ bezeichnet; Kemper, in Kübler/Prütting/Bork InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  2. 732 

VII.  Würdigung des Internationalen Insolvenzanfechtungsrechts der EuInsVO

165

Die Nachteile einer kumulativen Anknüpfung könnten in Anbetracht der Abmilderung durch die „eingeschränkte Kumulation“ dennoch hinzunehmen sein, wenn die für die Anwendung beider Statuten angeführten Gründe tragfähig sind, wenn also die kollisionsrechtliche Interessenwertung zu einem „Patt“ zwischen Wirkungs- und Insolvenzstatut führt. 2.  Schutz der heimischen Rechtsordnung als untaugliches Argument Das Interesse am Schutz inländischer Rechtshandlungen vor einer Angreifbarkeit durch ein ausländisches Insolvenzstatut740 ist Überbleibsel eines nach der Geltung des nationalen Rechts strebenden Internationalen Privatrechts und sollte nicht als Argument für eine bestimmte Anknüpfung herangezogen werden.741 Ein solcher Gedankengang widerspricht dem Prinzip der Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen,742 das schon allgemein, vor allem aber unter den Mitgliedstaaten der Union als Grundlage des IPR gesehen werden sollte. Mit der Suche nach dem aufgrund der engsten Verbindung räumlich bzw. kollisionsrechtlich besten Recht743 hat eine solche Argumentation nicht mehr viel gemein. 3.  Argumente für eine Maßgeblichkeit des Insolvenzstatuts a.  Vergleich mit anderen Materien, die dem Insolvenzstatut unterfallen Die Maßgeblichkeit des Insolvenzstatuts in Gestalt der lex fori concursus auch für die Insolvenzanfechtung wird teilweise aus einem Vergleich zu anderen Regelungsbereichen gewonnen, die dem Insolvenzstatut unterfallen. Die Insolvenzanfechtung stehe etwa in besonderem Zusammenhang mit den sonstigen Regelungen zum Umfang der Insolvenzmasse, im deutschen Recht §§  35 ff. InsO, die ebenfalls dem Insolvenzstatut zuzuordnen seien.744 Es bestehe eine besondere Nähe der Insolvenz­ anfechtung zu den Verfügungs- und Zugriffsbeschränkungen nach Verfahrenseröffnung.745 Beide Regelungsbereiche bezweckten einen Schutz der Insolvenzmasse

740 

So noch ausdrücklich Begründung §  382 EInsO, BT-Drs. 12/2443 S.  239. kritisch Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  384. Vgl. zum Phänomen des „Heimwärtsstrebens“ allgemein Kropholler, IPR, §  7 I. 742  Vgl. hierzu Looschelders, IPR, Übersicht Rn.  19; die besondere Wichtigkeit des gegenseitigen Vertrauens auch in die Insolvenzrechte der anderen (Mitglieds-)Staaten betont C. Paulus, EuInsVO, Einl. Rn.  19. 743 Zum räumlich besten Recht im Zusammenhang mit dem „better law approach“ (vgl. Wandt, int. Produkthaftung, Rn.  556 mit Fn.  55): Schurig, in Kegel/Schurig, IPR, §  2 I. V. Bar/Mankowksi, IPR Bd. 1, §  6 Rn.  94 f. heben hervor, dass das räumlich beste Recht auch das in der Sache beste Recht ist. Vom kollisionsrechtlich besten Recht spricht deshalb Wandt, int. Produkthaftung, Rn.  556. 744  Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  377; ferner bereits Fragistas, RabelsZ 1938/9, 452 (458 f.). 745  Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  377. 741 Ähnlich

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

und seien aufeinander abgestimmt, so dass sie sinnvollerweise nach demselben Recht beurteilt werden sollten.746 Aus einem solchen Vergleich kann man allerdings keine zwingenden Schlüsse ziehen, da sich die Insolvenzanfechtung in bestimmten Aspekten von den genannten Materien unterscheidet, die entscheidend für eine andere kollisionsrechtliche Behandlung sprechen können.747 Sie führt gerade Gegenstände zur Insolvenzmasse zurück, die ohne Insolvenzanfechtung nicht in die Masse fielen. Im Gegensatz zu den Verfügungsbeschränkungen betrifft sie Vorgänge, die vor dem Zeitpunkt der formellen Insolvenzeröffnung liegen. Die Insolvenzanfechtung ist eine Art „Rückwirkung des Konkurses“748 bzw. der Insolvenz und somit eine eigene Regelungsmaterie. Der Vergleich mit anderen Regelungsmaterien kann daher nur ein erstes Indiz sein, dass grundlegende Fragen des Insolvenzverfahrens betroffen sind, vermag jedoch alleine eine Zuordnung zum Insolvenzstatut nicht überzeugend zu begründen. Das zeigt sich auch darin, dass auch die Vertreter einer Maßgeblichkeit des Wirkungsstatuts eine vermeintliche Nähe zu den Verfügungsbeschränkungen fruchtbar machen, allerdings mit der gegenläufigen Prämisse, diese unterfielen generell dem Wirkungsstatut749. b.  Erstreckung der Grundnorm auf die Insolvenzanfechtung als Konkurswirkung Der Vergleich mit anderen Regelungsbereichen, die dem Insolvenzstatut unterfallen, ist Ausdruck eines anderen Zusammenhangs. Wie auch die o.g. anderen Regelungsbereiche zählt die Insolvenzanfechtung zu den typischen Konkurswirkungen.750 Die Insolvenzanfechtung steht in einem engen Zusammenhang mit den anderen insolvenzspezifischen Regelungen. Sie bilden im jeweiligen nationalen Insolvenzgesetz regelmäßig ein gemeinsames System der Konkursbewältigung. Dieses unterwirft die Grundkollisionsnorm des Internationalen Insolvenzrechts, wie sie auch Art.  4 I EuInsVO übereinstimmend mit den Regelungen der meisten Staaten enthält,751 generell dem Recht am Ort der Verfahrenseröffnung als einheitlichem Insolvenzstatut.752 Dieser Zusammenhang spricht grundsätzlich dafür, auch die Insolvenzanfechtung der Grundkollisionsnorm zu unterwerfen. Insbesondere soweit man die Gründe für die Geltung eines anderen Statuts entkräftet, erhärtet 746 

Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  377. die Kritik Zeecks, Int. AnfechtungsR, S.  49, die Schlagkraft dieses Argumentes hänge davon ab, wie weit man „die Regeln über den Masseumfang“ verstehe. 748  So bereits Fragistas, RabelsZ 1938/9, 452 (458). 749  Henckel, in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S.  156 (157, 159); kritisch zu dieser Argumentation Zeeck, Int. AnfechtungsR, S.  36. Unter der EuInsVO trifft dies gem. Art.  14 EuInsVO nur für unbewegliche Gegenstände und Registersachen zu, ansonsten gilt Art.  4 II lit.  c EuInsVO. 750  Vgl. BGH, Urteil vom 21.11.1996 – IX ZR 148/95, BGHZ 134, 116 (122, juris Rn.  18). 751 Vgl. Trunk, int. InsR, S.  88 f.; damit ist zugleich der Aspekt des internationalen Entscheidungseinklangs angesprochen, vgl. Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  381. 752 Vgl. Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  375. 747  Ähnlich

VII.  Würdigung des Internationalen Insolvenzanfechtungsrechts der EuInsVO

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sich die Vermutung, dass auch die Insolvenzanfechtung der Grundkollisionsnorm des Internationalen Insolvenzrechts unterfällt.753 c.  Einheitliche Anknüpfung zusammenhängender Fragen Für die Maßgeblichkeit des Insolvenzstatuts wurde weiter vorgebracht, dies ermögliche eine einheitliche Anknüpfung aller Fragen, die mit der Insolvenzanfechtung zusammenhingen.754 Damit sind die Voraussetzungen, Rechtsfolgen und die Geltendmachung der Anfechtung angesprochen.755 Eine einheitliche Anknüpfung vermeide innere Widersprüche und Koordinationsprobleme.756 Eine solche einheitliche Anknüpfung sei aber nur bei Geltung der lex fori concursus möglich, da die Rechtsfolgen und die Regelungen zur Geltendmachung nur sinnvoll dem Insolvenzstatut zu entnehmen seien.757 Das liege am Zusammenhang mit anderen insolvenzspezifischen Aspekten, etwa den durch die Insolvenzanfechtung ausgelösten mittelbaren Folgen, wie der Frage nach Gegenrechten und dem Wiederaufleben der Forderung.758 Dieses Argument geht ebenfalls darauf zurück, dass eine Sinneinheit der Insolvenzanfechtung mit dem restlichen Insolvenzrecht besteht. Sofern man aber für die Insolvenzanfechtung doch ein anderes Statut für maßgeblich hält, sind die angesprochenen Probleme Anpassungsschwierigkeiten, die naturgemäß bei einer abweichenden Anknüpfung von Teilgebieten auftreten. Die von der EuInsVO gewählte Lösung der eingeschränkten Kumulation hat diese Probleme selbst erheblich entschärft.759 d.  Gleichbehandlung aller Anfechtungsgegner Weiteres Argument für die Geltung der lex fori concursus ist die Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Gläubiger bzw. Anfechtungsgegner,760 die bereits der allgemeinen Kollisionsregel zu Grunde liegt761. Soweit man den Gläubigergleich­ behandlungsgrundsatz als Grundprinzip des Insolvenzverfahrens anerkennt,762 der 753 

Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  375. Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  379 ff. 755  Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  379. 756  Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  379. 757  Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  379. 758  Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  379. 759  Vgl. oben C.VI.4. 760 Vgl. C. Paulus, ZBB 1990, 200 (209); Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  378; vgl. ferner BGH, Urteil vom 21.11.1996 – IX ZR 148/95, BGHZ 134, 116 (123, juris Rn.  18). 761 Vgl. C. Paulus, EuInsVO, Art.  4 Rn.  1; ferner Trunk, int. InsR, S.  88 f.; Duursma-Kepplinger, in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky EuInsVO, Art.  4 Rn.  7; Haß/Herweg, in Haß/ Gruber/Huber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  4 Rn.  3. 762  In der Bundesrepublik dürfte dies allgemeiner Konsens sein. Vgl. Pape, in Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, InsolvenzR, Kap.  12 Rn.  10 m. w. N. Vom BGH wurde er als „Kernstück des Konkurses“ bezeichnet; vgl. BGH, Urteil vom 29.1.1964 – Ib ZR 297/62, BGHZ 41, 98, 101; BGH Urteil vom 19.3.1987 – IX ZR 148/86, BGHZ 100, 222, 227. Herleitung und genauer Umfang dieses 754 

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

über ein bloßes Verteilungsprinzip hinausgeht,763 spricht dieser dafür, alle Insolvenz­ anfechtungssachverhalte nach demselben Recht und damit denselben Kriterien zu beurteilen.764 Eine solche einheitliche Beurteilung gewährleistet das Insolvenzstatut in Gestalt des Rechts am Ort der Verfahrenseröffnung.765 Beurteilte man hingegen die Insolvenzanfechtung nach dem Wirkungsstatut, kämen mitunter in den verschiedenen Insolvenzanfechtungskonstellationen eines Verfahrens verschiedene Rechtsordnungen zur Anwendung. Allerdings läge auch darin kein Verstoß gegen den Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz,766 der nicht unabgestuft gilt767. Entscheidender Differenzierungsfaktor für eine Ungleichbehandlung der Anfechtungsgegner wäre das abweichende Wirkungsstatut. Demnach ist die Gleichbehandlung aller Gläubiger bzw. Anfechtungsgegner durch Geltung derselben Rechtsordnung durchaus ein Argument für die einheitliche Geltung der lex fori concursus, wenngleich der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz einer anderen Anknüpfung mit entsprechender Begründung nicht unüberwindbar entgegensteht. e. Zweckmäßigkeitserwägungen Ferner dürften nicht zuletzt auch Zweckmäßigkeitserwägungen hinter der Geltung der Anfechtungsregeln des Insolvenzstatuts stehen.768 Diese ermöglicht dem Verwalter nach dem ihm bekannten Recht vorzugehen, erleichtert also die grenzüberschreitende Insolvenzanfechtung.769 Dass die Berufung eines ausländischen Rechts grundsätzlich im Internationalen Privatrecht hinzunehmen ist, stellt hier keinen durchgreifenden Einwand dar, weil die effektive und schnelle Abwicklung in den meisten Rechtsordnungen gerade Ziel des Insolvenzverfahrens und damit anerkennenswertes Interesse ist.770 Ein besonders starkes Argument ist die Praktikabilität dogmatisch betrachtet freilich dennoch nicht. Grundsatzes sind freilich immer noch unklar, vgl. zum Ganzen m. w. N.: Häsemeyer, InsR, 2.13 ff.; Foerste, Insolvenzrecht, Rn.  8 ff. 763  Häsemeyer, KTS 1982, 507 (515 ff.). 764 Vgl. Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  378, der allerdings in die spezifische Gläubigergleichbehandlung nur die Insolvenzgläubiger einbezieht; vgl. ferner für eine ähnliche Argumentation hinsichtlich der Anknüpfung der Aufrechnung BGH, Urteil vom 11.7.1985 – IX ZR 178/84, BGHZ 95, 256 (273, juris Rn.  54). 765  Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  378; in eine ähnliche Richtung geht Trunk, int. InsR, S.  187 f., wenn er aus der fehlenden Manipulierbarkeit ein Argument für die Geltung der lex fori concursus ableitet. 766  A.A. offenbar Zeeck, ZInsO 2005, 281 (283) ohne nähere Begründung. 767 Vgl. Pape, in Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, InsolvenzR, Kap.  12 Rn.  10, die zu Recht darauf hinweisen, dass Teil jeder Gleichbehandlung auch die Differenzierung von Ungleichem ist. 768  Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  378 m. w. N.; vgl. ferner für die Zweckmäßigkeitserwägungen hinter der allgemeinen Kollisionsnorm Trunk, int. InsR, S.  88 f.; krit. hierzu Zeeck, ZInsO 2005, 281 (284 f.). 769  Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, S.  266; Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  378. 770  Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  378 f.; ähnlich in anderem Kontext M. Weller, in

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f.  Zweck der Insolvenzanfechtung Richtigerweise sollte vor allem der Zweck in den Mittelpunkt der Frage nach der kollisionsrechtlichen Behandlung eines Rechtsinstituts gestellt werden.771 Damit ist aber nicht gemeint, dass diejenige Anknüpfung zu wählen ist, die dem Zweck am förderlichsten ist.772 Vielmehr gibt der Zweck Auskunft über den „Normzusammenhang“ und die hinter dem Tatbestand stehenden Wertungen. Dies ermöglicht einen funktionalen Abgleich mit dem Systembegriff der Kollisionsnorm unter Beachtung der diesen zugrunde gelegten Zwecke. Der Zweck der Insolvenzanfechtung wird aber in ganz unterschiedlichen Aspekten erblickt. Teilweise wird der übereinstimmende allgemeine Verfahrenszweck der gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger bzw. der Sanierung des schuldnerischen Unternehmens genannt.773 Das ist reichlich unspezifisch. Andere betonen, es gehe um eine Wiederherstellung oder Mehrung der Masse.774 Oftmals findet sich auch der pauschale Verweis auf den Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz.775 Der Zweck einer Rechtsnorm ergibt sich aus Tatbestand und Rechtsfolge. Nur aus dem Zusammenspiel eines Sachverhaltes A mit einer Rechtsfolge B, kann die Frage nach dem Zweck der Norm beantwortet werden. Die Rechtsfolgenseite führt bei der Insolvenzanfechtung tatsächlich zu einer Vermehrung der Insolvenzmasse, die gleichsam reflexartig auch die Befriedigungsaussichten der Gläubiger vergrößert. Diese Vermehrung der Masse kann in Form der Vergrößerung der Aktivmasse eintreten, wenn Gegenstände, die zuvor aus der Insolvenzmasse ausgeschieden wurden, wieder in diese zurückgelangen. Eine Vermehrung der Masse liegt aber auch bei einer Minderung der Passivmasse vor, wenn zuvor zu Lasten der Masse begründete Verbindlichkeiten durch eine Insolvenzanfechtung erlöschen. Es geht also der Clavora/Garber, grenzüberschreitende Insolvenzen, S.  105 (115), der eine Berücksichtigung dieses Aspekts für möglich hält, es aber nicht als geboten betrachtet; vgl. ferner BGH, Urteil vom 21.11.1996 – IX ZR 148/95, BGHZ 134, 116 (122 f., juris Rn.  18); kritisch Zeeck, Int. AnfechtungsR, S.  43 f.; ablehnend hierzu Zeeck, ZInsO 2005, 281 (285). 771  Für die Insolvenzanfechtung: Henckel, FS Nagel, S.  93 (98), der nach Herausarbeitung der Zwecke der Insolvenzanfechtungstatbestände die richtige Anknüpfung dann aber doch wieder aus dem dogmatischen Verständnis der Insolvenzanfechtung gewinnt, Kritik hierzu unten C.VII.4.b. Vgl. ferner Kindler, NZG 2003, 1086 (1090) m. w. N.; Schmidt-Ehemann, Haftung, S.  150; Trunk, int. InsR, S.  89; Zeeck, ZInsO 2005, 281 (283). Vgl. zur Bedeutung des Zwecks im Rahmen der funktionellen bzw. teleologischen Qualifikationstheorie bereits oben ad C.VI.3.a.cc. und die Ausführungen unten ad E.I.4. Im Folgenden können nur die deutschen Normen des Insolvenzanfechtungsrechts genauer betrachtet werden. Für die Kollisionsnormbildung im europäischen Recht müssten freilich alle Rechtsordnungen betrachtet werden. 772  So aber Zeeck, Int. AnfechtungsR, S.  47. 773  Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  376; BGH, Urteil vom 21.11.1996 – IX ZR 148/95, BGHZ 134, 116 (122 ff., juris Rn.  18). 774  Fragistas, RabelsZ 1938/9, 452 (458); Smid, int. InsR, §  10 Rn.  2. 775  Trunk, int. InsR, S.  187; Zeeck, ZInsO 2005, 281 (283); ferner auch die Begründung des §  339 InsO, RegE internationales Insolvenzrecht, BT-Drs. 15/16 S.  19.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

Rechtsfolge nach bei der Insolvenzanfechtung um eine Wiederherstellung der Insolvenzmasse bzw. um eine Korrektur der Aktiv- oder der Passivmasse. Tragend für den Zweck ist aber auch die Tatbestandsseite, die festlegt, wann es zu einer solchen Massekorrektur kommt. Die Rechtsfolge allein kann nicht „Selbstzweck“ sein. Von ihren Grundgedanken her unterscheiden sich im deutschen Recht allgemeine und besondere Insolvenzanfechtung dabei maßgeblich. Während letztere den Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz bereits im Zeitpunkt der materiellen Krise umzusetzen sucht,776 tritt bei der allgemeinen Insolvenzanfechtung der übergreifende Zweck, auf „sachlich ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen“ zu reagieren,777 in den Vordergrund.778 Bei der besonderen Insolvenzanfechtung geht es damit um einen spezifisch insolvenzrechtlichen Gedanken, bei den Tatbeständen der allgemeinen Insolvenzanfechtung um vom spezifischen Insolvenzfall losgelöste Wertungen,779 die auf eine „haftungsrechtliche Korrektur“ abzielen. Dieser grundsätzliche Unterschied erklärt auch, warum nur die allgemeinen Insolvenzanfechtungstatbestände Parallelen in der Gläubigeranfechtung finden.

776  Vgl. BGH, Urteil vom 22.1.2004 – IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350 (353, juris Rn.  11); vgl. ferner daneben auch Henckel, in Jaeger InsO, §  129 Rn.  3; §  130 Rn.  7; Zeuner, in Leonhardt/Smid/ Zeuner InsO, §  130 Rn.  1, §  131 Rn.  1. Piekenbrock, in Lobinger/Piekenbrock/Stoffels, Integrationskraft zivilrechtlicher Dogmatik, S.  51 (57 ff.), zeigt historisch den Zusammenhang zwischen Konkurseröffnung, Zahlungseinstellung und der besonderen Insolvenzanfechtung auf . 777  Begriff nach M. Huber, in Graf-Schlicker InsO, Vor §§  129–147 Rn.  1. Ganz ähnlich: BGH, Urteil vom 16.11.2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 (238, juris Rn.  29); Thole, HK InsO, §  129 Rn.  1; Zeuner, in Leonhardt/Smid/Zeuner InsO, §  129 Rn.  1. 778  Vgl. für §  133 InsO: BGH, Urteil vom 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 (150, juris Rn.  20): es gehe um den Schutz der gleichen Zugriffs- und Befriedigungschancen; ähnlich Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 (602); Kayser, in MüKo InsO, §  133 Rn.  1a: es gehe darum zu verhindern, dass die „Befriedigungsaussichten der anderen Gläubiger in sozial unangemessener Weise gezielt verschlechtert würden“ bzw. um den Schutz „prinzipiell gleicher Befriedigungschancen“; ­Henckel, in Jaeger InsO, §  129 Rn.  4 sieht dagegen den Zweck von §  133 InsO auch in einer Gläubigergleichbehandlung „im weiteren Sinne“, weil der Anfechtungsgegner mit den anderen Insolvenzgläubigern gleichbehandelt werde. Für §  134 InsO (allgemeine Schwäche des unentgeltlichen Erwerbs): BGH, Urteil vom 15.3.1972 – VIII ZR 159/70, BGHZ 58, 240 (243, juris Rn.  9); Dauernheim, FK InsO, §  134 Rn.  2; Henckel, in Jaeger InsO, §  129 Rn.  5; Ede/Hirte, in Uhlenbruck InsO, §  134 Rn.  1 f.; Kayser, in MüKo InsO, §  134 Rn.  1; deutlich: Piekenbrock, in Lobinger/Piekenbrock/Stoffels, Integrationskraft zivilrechtlicher Dogmatik, S.  51 (72): „§  134 InsO soll nur verhindern, dass der Schuldner auf Kosten der Gläubiger freigiebig ist“; unklar: Bork, in Kübler/ Prütting/Bork InsO, §  134 Rn.  2: §  134 bezwecke „weniger“ die Gläubigergleichbehandlung; Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, §  134 Rn.  2: §  134 bezwecke „in erster Linie nicht die Durchsetzung des der besonderen Insolvenzanfechtung zugrunde liegenden Grundsatzes der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger, sondern will dem Insolvenzverwalter aus Billigkeitsgründen die Möglichkeit geben, freigiebige Zuwendungen, die der spätere Gemeinschuldner in den letzten vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemacht hat, zugunsten der Insolvenzgläubiger rückgängig zu machen“. Für §  135 InsO bereits oben ausführlich zur Wertungsgrundlage ad B.III.2. 779  Vgl. BGH, Urteil vom 10.2.2005 – IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143 (150, juris Rn.  20); ferner Schoppmeyer, ZIP 2009, 600 (602 f.).

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Man könnte daher auf den Gedanken kommen, für die allgemeine und die besondere Insolvenzanfechtung de lege ferenda780 unterschiedliche Kollisionsnormen aus ihrem Zweck zu entwickeln und nur die besondere Insolvenzanfechtung auch dem Insolvenzstatut zuzuordnen.781 Insolvenzspezifische und allgemeine, im Kern nicht insolvenzspezifische Anfechtungstatbestände dürfte es, soweit ersichtlich,782 in allen europäischen Ländern geben, auch wenn nicht immer systematisch klar zwischen allgemeiner und besonderer Insolvenzanfechtung differenziert wird oder schlicht die allgemeine Gläubigeranfechtung auch im Insolvenzverfahren gilt.783 Nur die allgemeine Insolvenzanfechtung in Form der Vorsatzanfechtung und der Schenkungsanfechtung als Unterform der ersten waren im gemeinsamen römisch­ rechtlichen Ursprung, der actio pauliana, bekannt.784 Tatbestandlich könnte danach differenziert werden, welche Anfechtungsgründe eine materielle Insolvenz bzw. Vermutungsgründe hierfür voraussetzen oder sonst insolvenzspezifische Wertungen umsetzen und welche nicht. Damit wäre auch das Problem des Statutenwechsels bei Übergang von der Gläubigeranfechtung zur allgemeinen Insolvenz­anfechtung785 entschärft. Zudem würde dies möglicherweise auftretende Diskre­panzen zu denjenigen Rechtsordnung abbauen, bei denen die allgemeine Gläubigeranfechtung auch im Insolvenzverfahren gilt, etwa bei der action paulienne nach dem französischen Recht (Art.  1167 c.c.) und der transaction defrauding creditors (sect. 423 IA) nach englischem Recht.786 Damit sind einige Punkte aufgezeigt, die für eine unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Anfechtungsarten sprechen mögen, doch sollten die Vorteile einer übergreifenden Anknüpfung aller Insolvenzanfechtungstatbestände nicht aus den Augen verloren werden. Zunächst dürften die unterschiedlichen Tatbestände in den einzelnen Rechtsordnungen in gewissem Maße aufeinander abgestimmt sein, so dass neben die Praktikabilität der Beurteilung aller Anfechtungsfragen nach ei780  Art.  4 II lit.  m EuInsVO dürfte für solche Überlegungen keinen Raum lassen, a. A. mit Verweis auf die „Gourdain“-Formel: Thole, ZZP 121 (2008), 67, 91: „nicht ausgeschlossen“; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  814: „nicht völlig ausgeschlossen“. 781  Angedacht auch von Thole, ZZP 121 (2008), 67, 91 unter Zugrundelegung seiner Systematisierung des Insolvenzanfechtungsrechts in Gläubigerkonkurrenzanfechtung und schuldnerbezogene Insolvenzanfechtung, der dies i. E. aber ablehnt. 782  Vgl. hierzu die Ausführungen der verschiedenen Bearbeiter in Kindler/Nachmann, HdB InsR Europa, Länderberichte; sowie in den Länderberichten in MüKo InsO Bd. 3 und den kurzen Umriss bei C. Paulus, in Lutter, Kapital der Aktiengesellschaft, S.  434 (439 ff.). Selbst das angelsächsische Insolvenzanfechtungsrecht weist insoweit starke Parallelen zum kontinentaleuropäischen auf, vgl. Schillig, in Kindler/Nachmann, HdB InsR Europa, Länderbericht England und Wales, Rn.  454 ff., 468 ff. 783  Beispiele dazu sogleich. 784 Vgl. U. Keller, InsR, Rn.  1431 ff.; ferner Piekenbrock, in Lobinger/Piekenbrock/Stoffels, Integrationskraft zivilrechtlicher Dogmatik, S.  51 (54 f.) mit Wiedergabe einer entsprechenden Stelle aus den Digesten. 785  Dazu eingehend unten ad C.VII.4.c. 786  Solche Diskrepanzen befürchten Thole, ZZP 121 (2008), 67, 91 und Trunk, int. InsR, S.  185 mit Fn.  385.

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nem Statut787 die Vermeidung von Anpassungsschwierigkeiten tritt. Soweit es um die EuInsVO geht, dürften auch Tatbestände wie Art.  1167 c.c. und sect. 423 IA, soweit sie im Insolvenzverfahren ausgeübt werden, funktional als Insolvenzanfechtungsrecht betrachtet werden,788 weshalb es zu oben befürchteten Diskrepanzen nicht kommt. Vor allem die besondere Insolvenzanfechtung verfolgt demnach spezifisch insolvenzrechtliche Zwecke, was eine Zuordnung zum Insolvenzstatut nahelegt. Die allgemeine Insolvenzanfechtung zielt auf eine haftungsrechtliche Korrektur der Insolvenzmasse, allerdings aus allgemeinen Gründen, die auch außerhalb des Insolvenz­ verfahrens Geltung beanspruchen. Diese ebenfalls dem Insolvenzstatut zu unterstellen, mag Zweckmäßigkeitserwägungen entsprechen und der Gläubigergleichbehandlung zugutekommen, ist aber dem Zweck nach keinesfalls zwingend, so dass hier durchaus de lege ferenda ein anderes, mit der Gläubigeranfechtung übereinstimmendes Statut gewählt werden könnte. g. Ergebnis Ausgehend vom Zweck sind vor allem die insolvenzspezifischen Tatbestände der Insolvenzanfechtung789 dem Insolvenzstatut zu unterstellen. Eine abweichende Anknüpfung von spezifisch insolvenzbezogener, besonderer Insolvenzanfechtung und allgemeiner Insolvenzanfechtung, die gerade nicht spezifisch auf die Insolvenz bezogen ist, wäre vom Zweck her denkbar. Praktisch sprechen freilich auch gute Gründe für eine einheitliche Anknüpfung aller Insolvenzanfechtungstatbestände. Die grundsätzliche Zuordnung der Insolvenzanfechtung zum Insolvenzstatut lässt sich also schlüssig begründen. 4.  Argumente für eine Maßgeblichkeit des Wirkungsstatuts Im Folgenden bleibt die Frage zu klären, ob hinreichende Gründe für eine zusätzliche Berücksichtigung des Wirkungsstatuts sprechen790 oder ob diese gar angesichts der Nachteile einer kumulativen Anknüpfung dazu zwingen, dem Wirkungsstatut insgesamt den Vorzug zu geben. 787  Thole, ZZP 121 (2008), 67, 91; ders., Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  815 betont insoweit einen praktischen Sachzusammenhang. 788  Ähnlich für die Einordnung unter einer deutschen Kollisionsnorm Trunk, int. InsR, S.  185. Ähnlich auch Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  398. Dafür spricht auch, dass für den EuGH, Urteil vom 10.12.2015 – C-594/14 („Kornhaas“), NJW 2016, 223 (Rn.  20) die Anwendbarkeit von §  64 II 1 GmbHG a. F. (= §  64 S.  1 GmbHG n. F.) auch außerhalb der Insolvenz nicht entscheidend gegen eine insolvenzrechtliche Qualifikation sprach. Vgl. zum Urteil „Kornhaas“ bereits oben ad C.V.2.a.bb. 789  In Deutschland die sog. besondere Insolvenzanfechtung. 790  Bedenken muss man dabei immer, dass die Kumulation gerade kein Kompromiss zwischen verschiedenen Anknüpfungsmöglichkeiten ist, sondern vielmehr eine eigene Kategorie, vgl. etwa Leipold, FS Henckel, S.  532 (543); a. A.: Dammann, in Pannen EuInsVO, Art.  13 Rn.  3: „gelungene Kombination“.

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a. Vertrauensschutz Für eine Maßgeblichkeit des Wirkungsstatuts wird häufig pauschal auf ein schutzwürdiges Vertrauen des Anfechtungsgegners verwiesen.791 So formuliert bereits der erläuternde Bericht: „Ziel des Artikels 13 ist es, das berechtigte Vertrauen von Gläubigern oder Dritten in Bezug auf die Gültigkeit der nach dem normalerweise anwendbaren nationalen Recht vorgenommenen Rechtshandlung mit Blick auf den Eingriff einer anderen lex concursus zu schützen“.792

Ein Vertrauen793 des Anfechtungsgegners ist aber hinsichtlich zweier Bezugspunkte denkbar, zwischen denen teilweise nicht differenziert wird794. Das Vertrauen kann sich auf die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Rechtshandlung selbst beziehen, oder das Vertrauen kann auf die Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung, hier des Wirkungsstatuts, gerichtet sein.795 Soweit man auf die materielle Wirksamkeit vertraut, unterstellt man freilich zumeist bereits, bewusst oder unbewusst, die Geltung einer bestimmten Rechtsordnung. Der erläuternde Bericht deutet mit den Worten „Gültigkeit der (…) Rechtshandlung“ darauf hin, dass Art.  13 EuInsVO das Vertrauen in die materiell-rechtliche Wirksamkeit schützen soll.796 Bei der Interessenwertung des Internationalen Privatrechts geht es aber, gerade im Rahmen der Normbildung, grundsätzlich nur um ein Interesse an der Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts, nicht um das Interesse an einem bestimmten Ergebnis.797 Folglich bezieht sich auch der vorgebrachte Schutz des Vertrauens auf die Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung, namentlich des Wirkungsstatuts,798 das dann seinerseits über die materiell-rechtli791  Vgl. etwa Flöther/Wehner, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, Anh. I, Art.  13 EuInsVO Rn.  1; B. König, Anfechtung, Rn.  472; Undritz, in HaKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  1; ferner Kindler, in MüKo BGB, Art.  13 EuInsVO Rn.  3; Henckel, in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S.  156 (160) für die alleinige Geltung der lex causae. 792  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  138. 793  Vgl. allgemein zum Begriff „Vertrauen“ und zur Abgrenzung gegenüber dem „Interesse“ Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, S.  137 f.; ferner Craushaar, Einfluß des Vertrauens, S.  11 ff. 794  Etwa bei Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  382 ff. 795 Diese Differenzierung machen auch Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, S.  139; Leipold, FS Henckel, S.  533 (544), mit freilich abweichendem Ergebnis und Zeeck, Int. AnfechtungsR, S.  60 ff. 796  Hierfür allgemein Leipold, FS Henckel, S.  533 (544). Soweit man allerdings davon ausgeht, es gehe auch bei der Kollisionsnorm um ein Vertrauen auf den Bestand der Rechtshandlung, sind keine Gründe dafür ersichtlich, warum die materiell-rechtlichen vertrauensschützenden Normen (dazu sogleich im Text) nicht genügen sollten. So auch Leipold, FS Henckel, S.  533 (545 f.). 797 Vgl. Schurig, in Kegel/Schurig, IPR, §  2 I, was Schurig für die kumulative Anknüpfung allerdings gerade anders sieht, vgl. oben C.VII.1. mit Fn.  736. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass die Kumulation bei der Insolvenzanfechtung mit dem materiellen Ziel, die Anfechtbarkeit einzuschränken, gewählt wurde, vgl. oben a. a. O. Kritisch zu einer einseitigen Betonung der „Interessen“: Kropholler, IPR, §  5 m. w. N. zur sog. Interessenjurisprudenz und der dieser entgegengesetzten „Wertungsjurisprudenz“. 798 I.E. ebenso Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, S.  139; ferner dürfte der

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

che Wirksamkeit eine Aussage trifft. Der von Art.  13 EuInsVO ausgehende Vertrauensschutz kann also nicht weiter gehen als der Regelungsgegenstand der Norm selbst – er beschränkt sich auf die Frage der anwendbaren Rechtsordnung. Dieses Ergebnis stützt eine weitere Überlegung. Der Schutz des Vertrauens in den materiellen Bestand einer Rechtshandlung ist Aufgabe bzw. Teil der Regelungen des jeweiligen materiellen Rechts.799 Mit der Abwägung zwischen Insolvenz­ anfechtung im Interesse der Gläubigergemeinschaft und Verkehrsschutz im Inter­ esse des Einzelnen hat sich das materielle Recht auseinanderzusetzen.800 Dem Kollisionsrecht ist dagegen der Schutz des Vertrauens in die Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung zugewiesen, sofern man ein solches anerkennen möchte801. Die bloße Existenz vertrauensschützender Regelungen im materiellen Recht zwingt nicht auch zu einem kollisionsrechtlichen Vertrauensschutz.802 Der materiell-rechtliche Vertrauensschutz schränkt die Insolvenzanfechtung lediglich ein, er liegt ihr nicht als Zweck zu Grunde, was gegen eine zusätzliche Relevanz des Vertrauensschutzes auch in der kollisionsrechtlichen Behandlung spricht.803 Neben der Frage, ob überhaupt genügend tatsächliche Anhaltspunkte804 vorhanden sind, die zu einem schutzwürdigen Vertrauen in die Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung (namentlich des Wirkungsstatuts) führen,805 ist bei der Normbildung im Kollisionsrecht eine Argumentation mit Vertrauensschutz generelRegE InsO zu §  339 ebenfalls hiervon ausgehen, vgl. BT-Drs. 15/16 S.  19; ferner zu §  339 InsO ebenso: Dahl, in Andres/Leithaus InsO, §  339 Rn.  1. 799  Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  383; Zeeck, Int. AnfechtungsR, S.  61; ferner Keppelmüller, österreichisches int. KonkursR, S.  59, der diesen durch das Sachrecht vermittelten Interessenausgleich für ausreichend hält und deshalb die Kumulation ablehnt. 800  Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  383; Leipold, FS Henckel, S.  533 (545). 801  Vgl. zu zweifelnden Stimmen unten Kapitel C. Fn.  805. 802 Eingehend Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, S.  139. 803  Trunk, int. InsR, S.  188; ähnlich Zeeck, Int. AnfechtungsR, S.  60; ders., ZInsO 2005, 281 (283). 804  Zur Notwendigkeit solcher tatsächlicher Anhaltspunkte als Grundlage eines Vertrauensschutzes Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, S.  137, vgl. ferner allgemein Craushaar, Einfluß des Vertrauens, S.  11 ff., 20 ff. auch zu Ausnahmen. 805  Zweifelnd (auch an der Schutzwürdigkeit eines unterstellten Vertrauens), je mit eingehender Begründung: Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  382 f.; Zeeck, Int. AnfechtungsR, S.  61 ff.; ders., ZInsO 2005, 281 (287 f.); vgl. ferner ebenfalls kritisch die Begründung des RegE zu §  339 InsO, BT-Drs. 15/16 S.  19; Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, S.  265 f., nicht nur, aber gerade auch im Fall des „fraudulösen Erwerbs“. Selbst wenn man ein solches Vertrauen anerkennen wollte, ist nicht ersichtlich, warum es dann zu einer kumulativen Anknüpfung kommen soll. Es erweist sich nämlich bei einer Anfechtbarkeit nach dem Wirkungsstatut und einer Unanfechtbarkeit nach dem Insolvenzstatut die ausländische Insolvenzeröffnung als „Glücksfall“ (vgl. zu ähnlichen Überlegungen hinsichtlich der Vermeidung „kollisionsrechtliche(r) Glücksfälle“ im Zusammenhang mit der Insolvenzaufrechnung M. Weller, in Clavora/Garber, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S.  105 (113 ff.)). Das hier häufig vorgebrachte Argument, die Insolvenzmasse dürfe nicht (nach dem Anfechtungsrecht des Wirkungsstatuts) angereichert werden, wenn das Insolvenzstatut selbst diese Anreicherung nicht auch verlange (so etwa Reithmann/Martiny, in Reithmann/Martiny 7.A., Rn.  5776 mit Fn.  3), überzeugt nicht (eingehend: Zeeck, Int. AnfechtungsR, S.  65).

VII.  Würdigung des Internationalen Insolvenzanfechtungsrechts der EuInsVO

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len Zweifeln ausgesetzt806. Bereits dem Begriff „Vertrauen“ ist eine gewisse Wertung inhärent, die aus sich selbst heraus Geltung beansprucht.807 Die bloße Erwartung808 des Anfechtungsgegners in die Anwendung eines bestimmten Rechts wird als „Vertrauen“ etikettiert und ohne hinreichende Auseinandersetzung in der Sache als schutzwürdig eingestuft. Gewinnt man hieraus Aspekte für die Normbildung, unterwirft man den Gestaltungsrahmen des Gesetzgebers diesen Wertungen.809 Das hier vorgebrachte Vertrauen ist tatsächlich nicht mehr als ein Interesse des Anfechtungsgegners an der Anwendbarkeit des Geschäftsstatuts; wie und ob dieses Interesse auf der Stufe der Wertung berücksichtigt wird, kann und sollte aber nicht durch die Einstufung als „Vertrauen“ vorweggenommen werden, sondern der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen bleiben.810 Letztlich genügt aber der materiell-rechtliche Vertrauensschutz, um die Interessen des Anfechtungsgegners zu berücksichtigen. Ein zusätzlicher Vertrauensschutz in die Anwendbarkeit einer Rechtsordnung, zumal ein solcher pauschal, also auch etwa im Fall der Vorsatzanfechtung gewährt wird, ist nicht notwendig. Die Argumentation mit Vertrauensschutz kann nach all dem jedenfalls keine zwingende sein.811 Es handelt sich allenfalls um eine verdeckte Argumentation mit 806  Gänzlich ablehnend gegenüber der Argumentation mit Vertrauensschutz in der kollisionsrechtlichen Normbildung: Leipold, FS Henckel, S.  533 (543 ff.), der selbst freilich von einem anderen Bezugspunkt des Vertrauens ausgeht (vgl. oben Kapitel C. Fn.  798): Ein solches Vertrauen müsse bereits die zu begründende Norm unterstellen und sei deshalb nicht schutzwürdig, es sei spätestens mit einer abweichenden Regelung hinreichend erschüttert. Dies erkannte im Ansatz auch die Gesetzesbegründung zu §  339 InsO (Gesetzentwurf zum internationalen Insolvenzrecht, BT-Drs. 16/15, S.  19), die sich der Kumulationslösung dann aber aus anderen Gründen zuwendet (vgl. oben C.I.2.a.cc.(1). mit Fn.  84). Ähnlich in der Argumentation in anderem Zusammenhang (Insolvenzaufrechnung) M. Weller, in Clavora/Garber, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S.  105 (117 f.). Prinzipiell Raum für den Vertrauensschutz im Rahmen der Kollisionsnormbildung sieht Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, S.  137, der dies freilich für die Anknüpfung der Insolvenzanfechtung i. E. ablehnt; ferner auch M. Keller/Siehr, IPR,§  21 IV 3 c, die für die Gewährung von Vertrauensschutz aber verlangen, dass eine Partei durch die Anwendung des ausländischen Rechts überrascht werde, was wohl beim Insolvenzstatut in Form des Rechts am Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen nicht der Fall wäre. 807 Eingehend m.  w. N. zur Problematik: Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, S.  137 f.: „rechtsethisches Prinzip“. Klumb zweifelt auch an der Aussagekraft und „Autonomie des Vertrauensbegriffs“ im Kollisionsrecht. 808 Vgl. Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, S.  137 f. 809  Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, S.  138. 810  Vgl. zu den Begriffen Interesse und Wertung Kropholler, IPR, §  5 m. w. N.; i. E. ebenso wie hier Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, S.  139. 811  Eine durchaus interessante Parallele zeigt sich in der dem Vertrauensschutz ähnlichen Figur des „Schutzes wohlerworbener Rechte“, deren Untauglichkeit zur Begründung der Geltung / Anwendung ausländischen Rechts bereits von Wächter, AcP 25 (1842), 1 (4 f.) aufgezeigt hat, wenn er ausführt: „Überhaupt dürfte es auf einer petitio principii beruhen, wenn man die Frage, ob unser Richter nach fremden Gesetzen in gewissen Fällen zu sprechen habe, nach dem Grundsatze entscheiden will, daß er wohlerworbene Rechte schützen müsse. Will man bei einem im Auslande begründeten Rechtsverhältnisse für das nach fremden Gesetzen erworbene Recht unbedingten Schutz auch im Inlande in Anspruch nehmen: so argumentirt man aus einer Prämisse, die noch gar nicht erwiesen ist, und setzt etwas voraus, was erst zu erweisen wäre, nämlich, daß jenes Rechts-

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

dem Individualinteresse des Anfechtungsgegners an der Anwendung des Wirkungsstatuts, wenn nicht gar in der Hauptsache bloß um ein allgemeines Misstrauen gegenüber fremden Rechtsordnungen812. Auch die Maßgeblichkeit des Insolvenzstatuts führt aber letztlich zu einem vorhersehbaren Ergebnis in Form der Anwendung des Rechts am Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen.813 Warum sich ein „schutzwürdiges Vertrauen des Anfechtungsgegners“ anstelle des Wirkungsstatuts nicht mindestens genauso gut hierauf beziehen lässt, wurde bislang nicht begründet. b.  Wirkweise der Insolvenzanfechtung Ebenfalls tragen die Erwägungen Henckels,814 die vor allem von der nationalen Perspektive ausgehen, eine Maßgeblichkeit des Wirkungsstatuts nicht. Henckel stellt zur Herleitung vor allem auf den Aspekt der haftungsrechtlichen Unwirksamkeit ab.815 Diese Methode, die ausgehend vom nationalen dogmatischen Verständnis, das überdies nach wie vor umstritten ist,816 nach einer Kollisionsnorm sucht, ist aber bereits vom Grunde her abzulehnen.817 Das nationale dogmatische Verständnis zur Kollisionsnormbildung heranzuziehen, die auch vergleichbare ausländische Institute berücksichtigen muss, ist schlicht methodisch verfehlt; eine brauchbare international-privatrechtliche Lösung kann so nicht gewonnen werden.818 Dies erscheint besonders im vorliegenden Fall, wo es sich um eine europäische Regelung handelt, ohne weiteres einsichtig. Die einzelnen Rechtsordnungen haben durchaus unterschiedliche Verständnisse von der Wirkweise der Insolvenzanfechtung, die von einem absolut wirkenden Nichtigkeitsgrund bis hin zu einem bloß schuldrechtlichen Rückgewähranspruch reichen.819

verhältniß nach fremden und nicht nach einheimischen Gesetzen zu beurtheilen sey“. Vgl. eingehender zur Argumentation mit dem Schutz wohlerworbener Rechte für eine Maßgeblichkeit des Wirkungsstatuts Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, S.  152 ff. 812 Nach Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  384 steckt hinter der Argumentation mit dem Vertrauen ein solches, bereits oben ad C.VII.2. kritisiertes Misstrauen gegenüber fremden Rechtsordnungen. Ähnlich bereits Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, S.  267; Hanisch, IPRax 1993, 69 (73); ferner Leipold, FS Henckel, S.  533 (546); Zeeck, Int. AnfechtungsR, S.  63 f. m. w. N. 813  Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, S.  266 hält gar die lex fori concursus für die berechenbarste Rechtsordnung. 814  Henckel, FS Nagel, S.  93 ff, insb. S.  105 ff.; ders., in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S.  158 ff. 815  Henckel, FS Nagel, S.  105 ff.; ders., in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S.  158 f.; vgl. ferner zusammenfassend Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  368 f. 816  Worauf zu Recht Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  371 hinweist. 817 Vgl. Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, S.  24 ff. m. w. N.; ferner Hanisch, IPRax 1993, 69 (73); Zeeck, Int. AnfechtungsR, S.  28, 41; Trunk, int. InsR, S.  187 mit Fn.  396. 818  Hanisch, IPRax 1993, 69 (73); Klumb, Kollisionsrecht der Insolvenzanfechtung, S.  25. 819  Vgl. bspw. für Nichtigkeit die nullité in Frankreich, Niggemann, in MüKo InsO, Länderbericht Frankreich, Rn.  42; eine bloße Geldzahlungspflicht sieht dagegen die sog. odporovanie des slowakischen Rechts vor, vgl. Giese/Krüger, in MüKo InsO, Länderbericht slowakische Republik, Rn.  74. In England hat das Gericht ein Ermessen, welche Rechtsfolge eine erfolgreiche Anfechtung

VII.  Würdigung des Internationalen Insolvenzanfechtungsrechts der EuInsVO

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c.  Gleichlauf mit der Einzelgläubigeranfechtung Für eine Maßgeblichkeit des Wirkungsstatuts könnte weiter sprechen, dass so ein Gleichlauf mit der Anknüpfung der Einzelgläubigeranfechtung820 hergestellt und ein Statutenwechsel vermieden wird.821 Ein Gläubigeranfechtungsprozess kann im deutschen Recht gem. §§  16 ff. AnfG vom Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung weiter verfolgt werden,822 so dass sogar ein Statutenwechsel innerhalb desselben Verfahrens drohte823. Die strukturellen Unterschiede zwischen Einzelgläubigeranfechtung und Insolvenzanfechtung reichen angesichts der ähnlichen Zwecksetzung und übereinstimmenden tatbestandlichen Wertungen nicht aus, um Bestrebungen nach einem Gleichlauf pauschal abzulehnen.824 Gegen das Gleichlaufargument wurde auch vorgebracht, dass §§  16 f. AnfG lediglich zu einem Weiterverfolgungsrecht des Insolvenzverwalters hinsichtlich des zuvor geltend gemachten Einzelgläubigeranfechtungsanspruchs führe, nicht jedoch den eingeklagten Anspruch aus der Gläubigeranfechtung in einen insolvenzanfechtungsrechtlichen überführe.825 Ob zwischen dem Einzelgläubiger- und dem Insolvenzanfechtungsanspruch Identität besteht, wird aber gerade unterschiedlich gesehen.826 Hieraus ein Argument in die eine oder andere Richtung zu gewinnen, ist deshalb schwierig. Den oben erwähnten sachlichen Zusammenhang und die nahezu identischen Wertungen hinter den Tatbeständen wird man selbst bei einer der Konstruktion nach fehlenden Identität nicht leugnen können. Das Gleichlaufargument ist aber immer perspektivisch. Ein Gleichlauf kann nicht nur durch Anpassung der Anknüpfung der Insolvenzanfechtung, sondern auch durch Anpassung der Anknüpfung der Gläubigeranfechtung erfolgen. Hiergezeitigt, vgl. Schillig, in Kindler/Nachmann, HdB InsR Europa, Länderbericht England und Wales, Rn.  465, 473. 820  Diese war selbst bis zur Schaffung der ausdrücklichen Regelung in §  19 AnfG in der Literatur sehr umstritten, vgl. zum Streitstand Schmidt-Räntsch, Anknüpfung der Gläubigeranfechtung, S.  38 ff. und zur Historie bereits oben ad C.I.3. 821  Bereits der BGH, Urteil vom 5.11.1980 – VIII ZR 230/79, BGHZ 78, 318 (323 – juris Rn.  19) plädierte für eine gleiche Anknüpfung von Insolvenz- und Gläubigeranfechtung; ebenso bereits Nussbaum, IPR, S.  459 f. 822  Viele Details zur genauen Wirkweise des §  16 AnfG sind allerdings unklar, vgl. hierzu Kirchhof, in MüKo AnfG, §  16 Rn.  8 ff. m. w. N. 823  Kirchhof, in MüKo AnfG, §  19 Rn.  6 will offenbar in diesem Fall auch für die Insolvenzanfechtung §  19 AnfG zur Anwendung bringen. 824  So aber Hanisch, ZIP 1985, 1233 (1239); Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  391 f.; ­Zeeck, Int. AnfechtungsR, S.  97; vgl. ferner zur Struktur der Verhältnisse bei der Einzelgläubigeranfechtung bereits Fragistas, RabelsZ 12 (1938/39), 452, 457 f. 825  Zeeck, Int. AnfechtungsR, S.  95 f.; ähnlich Trunk, int. InsR, S.  185; vgl. hierzu M. Huber, AnfG, §  16 Rn.  7 ff. 826 Bejahend: C. Paulus, in Kübler/Prütting/Bork, §  16 AnfG Rn.  5 m. w. N. zu beiden Ansichten; ähnlich Gaul, in Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, §  35 (Rn.  90) m. w. N. zur insoweit wechselhaften Rechtsprechung; ablehnend M. Huber, AnfG, §  16 Rn.  8; Kirchhof, in MüKo AnfG, §  16 Rn.  12.

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C.  Das Internationale Insolvenzrecht nach der EuInsVO

gen wurde eingewandt, dies sei nicht möglich, wenn man die Insolvenzanfechtung dem Insolvenzstatut unterstelle.827 Dem muss entgegengetreten werden. Zwar kann für die Gläubigeranfechtung nicht die lex fori concursus selbst gelten, allerdings könnte man denselben Anknüpfungsmoment828 verwenden und hierdurch einen faktischen Gleichlauf erreichen.829 Letztlich ist ein solcher eher durch Anpassung der nationalen Regelung als durch Anpassung der unionsweiten Regelung zu realisieren, da letztere nicht primär auf die Anknüpfung der Gläubigeranfechtung in einem Mitgliedstaat reagieren sollte. Das Gleichlaufargument trägt jedenfalls die in der EuInsVO gewählte eingeschränkte Kumulation und die Geltung des Wirkungsstatuts für die Gläubigeranfechtung nur sehr eingeschränkt. Auch der von Artt.  4 II lit.  m, 13 EuInsVO gewählte Mechanismus und §  19 AnfG führen im Ausgangspunkt zu einem Statutenwechsel. Wie oben beschrieben,830 beschränkt sich die Rolle des Wirkungsstatuts auf eine Sperrfunktion. Die Voraussetzungen der Anfechtbarkeit müssen gem. Art.  4 II lit.  m EuInsVO zunächst nach dem Insolvenzstatut vorliegen, die Rechtsfolgen richten sich sogar alleine hiernach. Einzig aus der Sicht des Anfechtungsgegners steht bei beiden Anfechtungsarten das Wirkungsstatut zumindest zur Abwehr des geltenden gemachten Anfechtungsanspruchs zur Verfügung.831 Damit ist auch das Argument einer parallelen Anknüpfung beider Anfechtungsarten nicht geeignet, die in Artt.  4 II lit.  m, 13 EuInsVO gewählte Regelung zu begründen. Es mag als erstrebenswertes Ziel anzuerkennen sein, spricht aber nicht zwingend für eine konkrete Lösung der Anknüpfungsfrage. d.  Vergleich mit anderen Unwirksamkeitsgründen Als weiteres Argument für die Maßgeblichkeit des Wirkungsstatuts wurde die faktische Wirkung der Insolvenzanfechtung angeführt. Im Ergebnis werde durch sie der wirtschaftliche Erfolg einer Rechtshandlung rückgängig gemacht.832 Dies ent827  Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  390. Richtig sind wohl die Bedenken a. a. O., soweit für die Gläubigeranfechtung eine Anknüpfung an die zu vollstreckende Forderung des Gläubigers vorgeschlagen wurde; eine solche einzelne Forderung fehlt bei der Insolvenzanfechtung tatsächlich. 828  Etwa den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen i. S. v. Art.  3 I EuInsVO. 829 Dies wird neuerdings für die Insolvenzverschleppungshaftung vorgeschlagen, wenn es mangels Masse zu keiner Verfahrenseröffnung kommt, vgl. Wedemann, IPRax 2012, 226 (233) m. w. N. und von ders. a. a. O. auch für die Insolvenzanfechtung nach §  135 InsO bzw. §  6 AnfG. Sicherlich eine gute Idee – doch warum dies nur für §  6 AnfG in Betracht kommt, wird nicht erörtert. Im Ergebnis müsste dies. folgerichtig §  19 AnfG für alle Tatbestände hierdurch ersetzen, was (insoweit problematisch) die Norm jedem Anwendungsbereich berauben würde. 830  Siehe hierzu und zum Folgenden oben C.VI.4 831 Weitergehend Gaul, in Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, ZVR, §  35 Rn.  156, nach denen dies „der Harmonie von Insolvenz- und Gläubigeranfechtung indirekt entgegen kommt“. 832  Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  370 f. Vgl. ferner Henckel, in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S.  156 (160) mit einem Vergleich der Insolvenzanfechtung zu §  138 BGB.

VII.  Würdigung des Internationalen Insolvenzanfechtungsrechts der EuInsVO

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spreche dem Effekt anderer Wirksamkeitshindernisse wie der Formnichtigkeit oder Willensmängel.833 Allerdings wurde bereits oben festgestellt, dass es tatsächlich kein einheitliches Statut gibt, nach dem sich alle Fragen der Wirksamkeit einer Rechtshandlung richten.834 Zudem bleiben dabei der Zweck und die Wertungen hinter der Insolvenzanfechtung unberücksichtigt. Sofern gewichtige Gründe für ein anderes Statut sprechen, sollte nicht allein die Bestrebung nach einem einheitlichen Statut dieses verdrängen. Insgesamt ist es durchaus nicht ungewöhnlich, dass auch ein einheitlicher Lebensvorgang hinsichtlich unterschiedlicher Gesichtspunkte verschiedenen Statuten unterfällt. e. Ergebnis Es sprechen keine zwingenden Gründe für die (zusätzliche) Berücksichtigung des Wirkungsstatuts. Das in Artt.  4 II lit.  m, 13 EuInsVO gewählte Konzept kann folglich nicht überzeugend begründet werden. Insbesondere sind die Nachteile der kumulativen Anknüpfung nicht durch die Gründe, die für eine Berücksichtigung des Wirkungsstatuts sprechen sollen, aufgewogen. Die Berücksichtigung des Wirkungsstatuts dürfte vielmehr Ausdruck eines Misstrauens gegenüber „besonders weitreichenden ausländischen Anfechtungsrechten“835 sein.836 Insbesondere innerhalb der europäischen Union sollten derlei gesetzgeberische Motive eigentlich der Vergangenheit angehören. 5. Ergebnis Vor allem für die besondere, insolvenzspezifische Insolvenzanfechtung hat sich gezeigt, dass der Zweck dafür spricht, dass diese dem Insolvenzstatut unterfällt. Für die allgemeine, nicht spezifisch auf die Insolvenz bezogene Insolvenzanfechtung wäre auch eine abweichende Anknüpfung gut begründbar. Insgesamt sollte ein Gleichlauf mit der Gläubigeranfechtung realisiert werden, was man am besten durch eine Anknüpfung der Gläubigeranfechtung an den COMI erreicht.837

833 

Campe, InsAnfechtung in D und F, S.  370 f. Vgl. oben C.VI.3.c.dd. 835  Vgl. bereits die Begründung von §  382 EInsO, RegE InsO BT-Drs. 12/2443 S.  239; Begründung Art.  4 RefE Einführungsgesetz zum Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts vom 1.9.1990, abgedruckt bei Stoll, Stellungnahmen und Gutachten, S.  298 f. 836  So die oben in Kapitel C. Fn.  812 Genannten. 837  Zum Vorschlag de lege ferenda unten ad G.II.2. 834 

D.  Das Internationale Gesellschaftsrecht Das Internationale Gesellschaftsrecht regelt den Umgang mit grenzüberschreitenden gesellschaftsrechtlichen Sachverhalten. Es unterlag in den letzten Jahren großen Veränderungen, insbesondere im Hinblick auf den Anknüpfungspunkt der Grundkollisionsregel. Die Frage nach dem vorzugswürdigen Anknüpfungspunkt war lange Zeit das Hauptproblem des Internationalen Gesellschaftsrechts.1

I.  Entwicklung des Gesellschaftskollisionsrechts – Von der Sitztheorie über die Niederlassungsfreiheit zur Gründungstheorie für EU-Auslandsgesellschaften Die Entwicklung des Gesellschaftskollisionsrechts war in jüngerer Zeit vor allem durch die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit geprägt.2 Erst seit der Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts3 an das Gründungsrecht durch die Rechtsprechung im Fall des Zuzugs einer EU-Auslandsgesellschaft treten von Deutschland aus operierende EU-Auslandsgesellschaften auf die Bildfläche. Seitdem stellt sich die dringende und vielschichtige Frage des Umgangs mit ihnen neu.

1 Auch die Reichweite des Gesellschaftsstatuts wurde teilweise problematisiert, zumeist in Kombination mit einer „Aufteilung“ der Kollisionsregel mit unterschiedlichen Anknüpfungspunkten (weiterführender Nachweis unten Kapitel D. Fn.  17). Überwiegend wird in dieser Frage hingegen von einer umfassenden Maßgeblichkeit des Gesellschaftsstatuts für alle gesellschaftsrechtlichen Fragen ausgegangen (sog. Einheitslehre). Näheres zur Einheitslehre sogleich und zur Reichweite des Gesellschaftsstatuts unten ad D.II. 2  Vgl. neben den Nachweisen im Folgenden zur Entwicklung des Gesellschaftskollisionsrechts unter Einfluss der Niederlassungsfreiheit etwa die Darstellungen jeweils m. w. N. bei: ­Habersack/ Verse, europ. GesR, §  3; Lanzius, Anwendbares Recht, S.  21 ff. insb. S.  70 ff.; D. Paulus, Gesellschafter- und Organwalterhaftung, S.  64 ff.; M.-P. Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit, S.  11 ff.; zur Entwicklung des internationalen Gesellschaftsrechts vor der Jahrtausendwende und der EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit Zimmer, int. GesR, S.  27 ff. und 197 ff.; insbesondere zu den Urteilen „Segers“ und „Daily Mail and General Trust“: W.-H. Roth, ZGR 2000, 311 ff. 3  Vgl. zum kollisionsrechtlichen Gesellschaftsbegriff, insbesondere im Hinblick auf sonstige juristische Personen und andere Gebilde etwa Spahlinger, in Spahlinger/Wegen, int. GesR, Rn.  111 ff.

I.  Entwicklung des Gesellschaftskollisionsrechts

181

1.  Ausgangspunkt: Sitz- und Gründungstheorie Zuvor bestimmte die kollisionsrechtliche Sitztheorie den Umgang mit Auslandsgesellschaften in der Bundesrepublik, aus der vor allem die Nichtanerkennung zugezogener Auslandsgesellschaften folgt.4 Mangels kodifizierter Regelungen5 war es vor allem die Rechtsprechung, die lange Zeit i. S. d. Sitztheorie als Gesellschaftsstatut das Recht am Ort der tatsächlichen Verwaltung 6 zur Anwendung brachte.7 Das hierüber ermittelte Recht sollte nach dem vorherrschenden Verständnis einheitlich über sämtliche gesellschaftsrechtlich zu qualifizierenden Fragen, im Innen- wie auch im Außenverhältnis, entscheiden (sog. Einheitslehre).8 Ursprünglich ging man unter der Sitztheorie davon aus, eine Auslandsgesellschaft müsse sich bei Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes nach Deutschland (sog. Zuzugsfall) zur Erlangung der Rechtsfähigkeit wegen des Statutenwechsels neu gründen.9 Im Jahr 2002 wich der II. Zivilsenat des BGH hiervon ab. Auslandsgesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland könnten jedenfalls als rechts- und parteifähige deutsche Personengesellschaften (GbR oder OHG) behan-

4 Von Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325 (341) wurde die Sitztheorie treffend als „reine Nichtanerkennungstheorie“ bezeichnet. Zu den Details und zur inzwischen vom BGH unter der Sitztheorie angenommenen Anerkennung als inländische Personengesellschaften sogleich im Text. 5  Bei der Neugestaltung des Internationalen Privatrechts 1986 hat der Gesetzgeber bewusst keine Regelungen zum Gesellschaftskollisionsrecht getroffen, vgl. Zimmer, int. GesR, S.  27 f. Der RefE des Gesetzes zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen (abrufbar über http://beck-aktuell.beck.de/sites/default/files/rsw/upload/Beck_Aktuell/ Referentenentwurf-IGR.pdf) wird nicht mehr weiterverfolgt. Vgl. für gescheiterte Kodifikationsvorhaben auf europäischer Ebene sowie zur sog. Verschmelzungsrichtlinie Balke, Gesellschafterhaftung, S.  289 ff. m. w. N. 6  Vgl. zu den verschiedenen vorgeschlagenen Kriterien zur Bestimmung des „Verwaltungssitzes“ m. w. N. Zimmer, int. GesR, S.  28. Nach dem BGH (in Anlehnung an Sandrock, FS Beitzke, S.  669 (683), der selbst eine „Überlagerungstheorie“ entwickelt hat, vgl. a. a. O. und Zimmer, int. GesR, S.  214 f.) ist dafür maßgebend „der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden“, vgl. BGH, Urteil vom 21.3.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269 (272, juris Rn.  9). 7  Vgl. BGH, Urteil vom 21.3.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269 (271, juris Rn.  8) m. w. N. zu Rechtsprechung und Schrifttum; BGH, Urteil vom 21.11.1996 – IX ZR 148/95, BGHZ 134, 116 (118, juris Rn.  8). Kindler, NJW 1999, 1993 spricht von gewohnheitsrechtlicher Verfestigung. Vgl. ferner m. w. N. Horn, NJW 2004, 893. Allein dort wo bilaterale Verträge etwas anderes vorschrieben, wurden Auslandsgesellschaften in der Bundesrepublik anerkannt, vgl. insbesondere zum Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954 unten ad F.I.2.a. 8  BGH, EuGH-Vorlage vom 30.3.2000 – VII ZR 370/98, NZG 2000, 926 (927, juris Rn.  15 ff.) m. w. N. zu a. A. Vgl. ferner eingehend Spahlinger, in Spahlinger/Wegen int. GesR, 21 ff. m. w. N.; M.-P. Weller, in MüKo GmbHG, Einleitung, Int. GesR, Rn.  388. Neuerdings gegen die Einheitslehre im Hinblick auf die Vorgaben der Niederlassungsfreiheit Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S.  415 ff. 9  BGH, Urteil vom 21.3.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269 (271, juris Rn.  8) m. w. N.

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D.  Das Internationale Gesellschaftsrecht

delt werden.10 Dem vorausgegangen war die Entscheidung zur Rechtsfähigkeit der GbR.11 Die Verwaltungssitzverlegung einer deutschen Gesellschaft ins Ausland (sog. Wegzugsfall) führte demgegenüber bis zu den Änderungen des MoMiGs12 zwingend zu deren Auflösung.13 Der der Sitztheorie entgegengesetzte, in anderen Ländern praktizierte und hier zunächst in Teilen der Literatur vertretene, anerkennungsfreundlichere Ansatz, die sog. Gründungstheorie, knüpft an das Recht (am Ort) der Gründung 14, ermittelt etwa über den Satzungssitz,15 an.16 Eine Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes ist unter der Gründungstheorie grundsätzlich problemlos möglich, da es auf diesen Anknüpfungspunkt nicht ankommt. Daneben gab und gibt es noch verschiedene vermittelnde Ansätze.17 2.  Das Urteil „Daily Mail“ als vermeintliche Bestätigung der Sitztheorie Die gesellschaftskollisionsrechtliche Sitztheorie wurde 1988 vom EuGH im Urteil „Daily Mail and General Trust“ (der Sache nach ging es hier um eine die Verlegung des Verwaltungssitzes erschwerende, materielle Regelung des Wegzugsstaates in einem sog. Wegzugsfall)18 auf den ersten Blick gebilligt.19 Der EuGH brachte hierin zum Ausdruck, dass der EWG-Vertrag die grundsätzlich unterschiedlichen

10  BGH, Urteil vom 1.7.2002 – II ZR 380/00, BGHZ 151, 204. Vgl. zur auf Gesellschaften aus Drittstaaten beschränkten Fortgeltung dieses Ansatzes unten ad D.I.4. mit Fn.  66. 11 BGH, Urteil vom 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 und BGH, Beschluss vom 18.2.2002, II ZR 331/00, NJW 2002, 1207 (verbreitet, wenn auch nicht offizieller Entscheidungsname: „ARGE Weißes Roß“). 12  Vgl. zur neuen Rechtslage unten ad D.I.6. 13  Spahlinger, in Spahlinger/Wegen int. GesR, B. Rn.  211 ff. 14 Bzw. an die „Rechtsordnung des Staates, die von den Gründern zur Konstituierung der Personenvereinigung ausgewählt wurde“, so die Beschreibung von Zimmer, int. GesR, S.  28. 15  Zimmer, int. GesR, S.  28 beschreibt diese Satzungssitzanknüpfung als „Variante der Gründungstheorie“; vgl. zu weiteren „Varianten“ Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, §  2 Rn.  3. 16  Vgl. zu Vertretern der Sitz- und der Gründungstheorie vor der Entscheidung „Centros“ die Nachweise bei Zimmer, int. GesR, S.  29 Fn.  11–13; ferner Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, §  2 Rn.  2 ff. mit Hinweis auf den Ursprung der Gründungstheorie in der Kolonialzeit. 17  Vgl. zu solchen Ansätzen ausführlich Lanzius, Anwendbares Recht, S.  116 ff. m. w. N. und zu den noch vertretenen Ansätzen auch die unten in Kapitel D. Fn.  59 Genannten. 18  EuGH, Urteil vom 27.9.1988 – C-81/87 („Daily Mail and General Trust“), Slg 1988, 5483, welches die materiell-rechtlichen Wegzugsbeschränkungen nicht als Eingriff in die Niederlassungsfreiheit bewertet. 19  So jedenfalls die Deutung der h. M., vgl. Ebenroth/Eyles, DB 1989, 363 (372), mit Besprechung vorheriger EuGH-Urteile zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften (a. a. O., S.  370 ff.); Großfeld/Luttermann, JZ 1989, 386; ferner W.-H. Roth, ZGR 2000, 311 (321 ff.) m. w. N. Betrachtet man die Urteile „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ (dazu sogleich) erscheinen die (folgenden) Ausführungen des EuGH nunmehr in einem anderen Licht (vgl. dazu die Ausführungen zu den Folgen der Entscheidungen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ unten ad D.I.3.d. und zu den Urteilen „Cartesio“ und „National Grid Indus“ unten ad D.I.5.a.).

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Anknüpfungspunkte des Gesellschaftsstatuts innerhalb der EWG respektiere.20 So heißt es im Urteil: „Nach alledem betrachtet der EWG-Vertrag die Unterschiede, die die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der für ihre Gesellschaften erforderlichen Anknüpfung sowie der Möglichkeit und gegebenenfalls der Modalitäten einer Verlegung des satzungsmäßigen oder wahren Sitzes einer Gesellschaft nationalen Rechts von einem Mitgliedstaat in einen anderen aufweisen, als Probleme, die durch die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit nicht gelöst sind, sondern einer Lösung im Wege der Rechtssetzung oder des Vertragsschlusses bedürfen; eine solche wurde jedoch noch nicht gefunden.“21

Dem allem liegt bereits die auch die spätere Rechtsprechung prägende Überlegung zu Grunde, dass Gesellschaften „aufgrund einer nationalen Rechtsordnung“ gegründet werden und existieren, jenseits derer sie keine Realität haben (sog. „Geschöpftheorie“22).23 3.  Die Urteile „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ Um die Jahrtausendwende kam es, ausgelöst durch die Urteile „Centros“24, „Überseering“25 und „Inspire Art“26, zu einem Paradigmenwechsel im Internationalen Gesellschaftsrecht.27 Die bis dahin auf der Grundlage von „Daily Mail“ angenommene, generelle Vereinbarkeit der Sitztheorie mit der Niederlassungsfreiheit wurde Schritt für Schritt erschüttert. a. „Centros“ Im Urteil „Centros“ ging es um die Eintragung einer Zweigniederlassung (man spricht hinsichtlich Zweigniederlassungen von der sekundären Niederlassungsfreiheit) einer in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig errichteten Gesellschaft.28 20  EuGH, Urteil vom 27.9.1988 – C-81/87 („Daily Mail and General Trust“), Slg 1988, 5483 (Rn.  20 f.): Hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit würden „der satzungsmäßige Sitz, die Hauptverwaltung und die Hauptniederlassung einer Gesellschaft als Anknüpfungspunkt gleich geachtet“. 21  EuGH, Urteil vom 27.9.1988 – C-81/87 („Daily Mail and General Trust“), Slg 1988, 5483 (Rn.  23). 22  Begriff nach Rehm, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, §  2 Rn.  61. Vgl. zur „Geschöpftheorie“ nochmals unten ad D.I.5.a. 23  EuGH, Urteil vom 27.9.1988 – C-81/87(„Daily Mail and General Trust“), Slg 1988, 5483 (Rn.  19). Sehr plastisch umschreibt dies GA Poiares Maduro, Schlussanträge vom 22.5.2008 – Rs. C-210/06 („Cartesio“), Slg 2008, I-9641 (Rn.  26), der diese Sichtweise ablehnt: „Der Staat hat’s gegeben, der Staat hat’s genommen – und damit müssen wir uns abfinden.“ 24  EuGH, Urteil vom 9.3.1999 – C-212/97 („Centros“), Slg 1999, I-1459. 25  EuGH, Urteil vom 5.11.2002 – C-208/00 („Überseering“), Slg 2002, I-9919. 26  EuGH, Urteil vom 30.9.2003 – C-167/01 („Inspire Art“), Slg 2003, I-10155. 27  Horn, NJW 2004, 893 und 900. Vgl. eingehend zu diesen Urteilen und den jeweiligen unmittelbaren „Konsequenzen für das Gesellschaftskollisionsrecht“: Schmidt-Ehemann, Haftung, S.  31 ff. 28  EuGH, Urteil vom 9.3.1999 – C-212/97 („Centros“), Slg 1999, I-1459 (LS, Rn.  39).

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Diese Eintragung hatte die dänische Zentralverwaltung für Handel und Gesellschaften mit der Begründung verweigert, mangels Geschäftstätigkeit im Herkunftsland handele es sich um einen Versuch der Umgehung hiesiger Mindestkapitalvorschriften; in Wirklichkeit solle in Dänemark der Hauptsitz errichtet werden.29 Der EuGH entschied, dass diese Verweigerung gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt, „wenn die Zweigniederlassung es der Gesellschaft ermöglichen soll, ihre gesamte Geschäftstätigkeit in dem Staat auszuüben, in dem diese Zweigniederlassung errichtet wird, ohne dort eine Gesellschaft zu errichten“.30 Die Gesellschaftsgründung nach einem günstigeren Recht eines anderen Mitgliedstaates und die Gründung von Zweigniederlassungen sei „für sich allein keine mißbräuchliche Ausnutzung“ der Niederlassungsfreiheit.31 Der Eingriff in die Niederlassungsfreiheit sei jedenfalls im Sinne der sog. Gebhard-Formel32 weder geeignet noch erforderlich.33 b. „Überseering“ Im Gegensatz zu „Centros“ ging es im Fall „Überseering“ nicht um die Gründung einer Zweigniederlassung sondern um die Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes einer Auslandsgesellschaft, der „Überseering“ B.V., nach Deutschland (sog. primäre Niederlassungsfreiheit).34 Der VII. Zivilsenat des BGH legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Nichtanerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit einer wirksam in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten Gesellschaft bei Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes in einen anderen Mitgliedstaat nach dem Recht dieses Zuzugsstaates mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar sei.35 Ferner fragte der BGH, ob die Niederlassungsfreiheit es gebiete, die Rechts- und Parteifähigkeit einer Gesellschaft „nach dem Recht des Gründungsstaates zu beurteilen“.36 Auf die erste Vorlagefrage antwortete der EuGH, dass eine derartige Nichtanerkennung nicht mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist.37 Die „Überseering“ B.V. genieße aufgrund der Niederlassungsfreiheit „das Recht, als Gesellschaft nie29  EuGH, Urteil vom 9.3.1999 – C-212/97 („Centros“), Slg 1999, I-1459 (Rn.  7); vgl. zur gesellschafts- und internationalprivatrechtlichen Ausgangslage in Dänemark de Diego, Niederlassungsfreiheit, S.  116 f. 30  EuGH, Urteil vom 9.3.1999 – C-212/97 („Centros“), Slg 1999, I-1459 (LS, Rn.  27). 31  EuGH, Urteil vom 9.3.1999 – C-212/97 („Centros“), Slg 1999, I-1459 (Rn.  27). 32  EuGH, Urteil vom 30.11.1995 – C-55/94 („Gebhard“), Slg 1995, I-4165 (Rn.  37). 33  EuGH, Urteil vom 9.3.1999 – C-212/97 („Centros“), Slg 1999, I-1459 (Rn.  34 ff.). 34  EuGH, Urteil vom 5.11.2002 – C-208/00 („Überseering“), Slg 2002, I-9919; umgesetzt vom BGH durch Urteil vom 13.3.2003 – VII ZR 370/98, BGHZ 154, 185. 35  BGH, EuGH-Vorlage vom 30.3.2000 – VII ZR 370/98, NZG 2000, 926; wiedergegeben in EuGH, Urteil vom 5.11.2002 – C-208/00 („Überseering“), Slg 2002, I-9919 (Rn.  21). 36  BGH, EuGH-Vorlage vom 30.3.2000 – VII ZR 370/98, NZG 2000, 926; ferner wiedergegeben in EuGH, Urteil vom 5.11.2002 – C-208/00 („Überseering“), Slg 2002, I-9919 (Rn.  21). 37  EuGH, Urteil vom 5.11.2002 – C-208/00 („Überseering“), Slg 2002, I-9919 (LS 1, Rn.  78 ff.).

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derländischen Rechts in Deutschland von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen“.38 Über einen etwaigen „Verlust der Rechtspersönlichkeit“ durch den Wegzug könne allein die niederländische Rechtsordnung entscheiden, die ihr diese zuerkennt und jenseits derer die Gesellschaft „keine Realität hat“.39 Eine Rechtfertigung der Nichtanerkennung komme nicht in Betracht, da das Absprechen der Rechts- und Parteifähigkeit der Negierung der Niederlassungsfreiheit gleich komme.40 Die zweite Vorlagefrage beantwortet der EuGH dahingehend, dass die Rechts- und Parteifähigkeit, die einer Gesellschaft nach ihrem Gründungsstatut zuerkannt werde, von einem anderen Mitgliedstaat, in dem diese von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch macht, „zu achten“ sei.41 c.  „Inspire Art“ Im Urteil „Inspire Art“ ging es nicht mehr um die grundsätzliche Möglichkeit des Zuzugs, sondern um die Anwendbarkeit gläubigerschützender Regelungen des niederländischen Rechts auf die Niederlassung einer EU-Auslandsgesellschaft.42 Das niederländische Recht sah für EU-Auslandsgesellschaften bzw. deren Zweigniederlassungen Regeln über eine bestimmte Kapitalausstattung und zur Geschäftsführerhaftung vor.43 Die Regeln zur Kapitalausstattung und der Geschäftsführerhaftung sah der EuGH als unvereinbar mit der Niederlassungsfreiheit an, unabhängig von den Gründen, aus denen eine Auslandsgesellschaft gegründet wurde und unabhängig davon, ob sie ausschließlich im Zuzugsstaat eine Geschäftstätigkeit ausübt.44 Die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sei auch nicht gerechtfertigt, insbesondere seien die Regelungen zum Mindestkapital für den Gläubigerschutz jedenfalls nicht erforderlich.45 Anders könne dies nur beurteilt werden, wenn ein Missbrauch 38  EuGH, Urteil vom 5.11.2002 – C-208/00 („Überseering“), Slg 2002, I-9919 (Rn.  80) [Hervorhebung durch den Verfasser]. 39  EuGH, Urteil vom 5.11.2002 – C-208/00 („Überseering“), Slg 2002, I-9919 (Rn.  80 f.). Damit gebrauchte der EuGH ganz ähnliche Worte wie bereits in der Entscheidung „Daily Mail and General Trust“, vgl. oben ad D.I.2. mit Fn.  23. 40  EuGH, Urteil vom 5.11.2002 – C-208/00 („Überseering“), Slg 2002, I-9919 (Rn.  93). 41  EuGH, Urteil vom 5.11.2002 – C-208/00 („Überseering“), Slg 2002, I-9919 (LS 2, Rn.  80, 95). 42  EuGH, Urteil vom 30.9.2003 – C-167/01 („Inspire Art“), Slg 2003, I-10155. 43 Vgl. EuGH, Urteil vom 30.9.2003 – C-167/01 („Inspire Art“), Slg 2003, I-10155 (LS 2, Rn.  143, ferner bereits Rn.  25 und 27 f.). Daneben ging es um Regelungen, die über die Elfte Richtlinie (RiLi 89/666/EWG des Rates vom 21.12.1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, Abl. L 395 vom 30.12.1989, S.  36) hinausgingen, die der EuGH als unvereinbar mit dieser angesehen hat, vgl. a. a. O. Rn.  66–72, 142. 44  EuGH, Urteil vom 30.9.2003 – C-167/01 („Inspire Art“), Slg 2003, I-10155 (LS 2, Rn.  95 ff., 143). 45  EuGH, Urteil vom 30.9.2003 – C-167/01 („Inspire Art“), Slg 2003, I-10155 (Rn.  131 ff., insb. Rn.  135).

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im konkreten Fall nachgewiesen werde,46 was aber allein in der Gründung einer Auslandsgesellschaft mit dem Zweck, mit dieser (ausschließlich) im Zuzugsstaat tätig zu werden, nicht gesehen werden könne.47 d.  Folgen für das Gesellschaftskollisionsrecht: Gründungstheorie im Bereich der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit Diese Urteile und ihre Folgen für das Gesellschaftskollisionsrecht wurden in Deutschland zunächst unterschiedlich bewertet. Nach dem Urteil „Centros“ waren sich Literatur und Rechtsprechung uneinig über die Frage nach dessen Auswirkungen auf das nationale Gesellschaftskollisionsrecht, insbesondere darüber, ob die Sitztheorie weiter (uneingeschränkt) angewendet werden konnte.48 Auch das Verhältnis zur Entscheidung „Daily Mail“, die im „Centros“-Urteil keine Erwähnung findet, wurde unterschiedlich beurteilt.49 Der VII. Zivilsenat des BGH entschied in Umsetzung des „Überseering“ Urteils des EuGH, dass die Rechtsfähigkeit von Auslandsgesellschaften, die sich auf die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit berufen können,50 nach dem Gründungsstatut anerkannt wird.51 Während das EuGH-Urteil und die umsetzende Entscheidung in der Literatur überwiegend als wenigstens mittelbarer, grundsätzlicher Übergang zur Gründungstheorie im Bereich der Niederlassungsfreiheit verstanden 46 

EuGH, Urteil vom 30.9.2003 – C-167/01 („Inspire Art“), Slg 2003, I-10155 (LS 2, Rn.  143). EuGH, Urteil vom 30.9.2003 – C-167/01 („Inspire Art“), Slg 2003, I-10155 (Rn.  95 f., 137 ff.). 48  Vgl. zum Streit m. vielen w.N. W.-H. Roth, ZGR 2000, 311 ff., der die Frage nach der uneingeschränkten Anwendbarkeit der Sitztheorie selbst bejahte. Überwiegend wurde diese Frage in der Literatur demgegenüber wohl verneint, etwa von: Behrens, IPRax 1999, 323 (330), ders., IPRax 2000, 384 (385); Dautzenberg, FR 1999, 451 ff.; ausdrücklich nur für Zuzugsfälle: Forsthoff, EuR 2000, 167 (177 ff.); Freitag EuZW 1999, 267 (269); Göttsche, DStR 1999, 1403 (1405 f.); Meilicke, DB 1999, 627: der EuGH habe „der Sitztheorie den Garaus“ gemacht. Borges, GmbHR 1999, 1256 (1257 f.) geht davon aus, „daß die Sitztheorie zumindest zu modifizieren ist“; Leible, NZG 1999, 300 (301 f.) beschränkt die Auswirkungen auf Fälle der sekundären Niederlassungsfreiheit; dem ähnlich Zimmer, ZHR 164 (2000), 23 (33). A.A. genauso wie W.-H. Roth: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 20.10.2000 – 3 W 171/00, NJW-RR 2001, 341; Ebke, JZ 1999, 656 (660); Kindler, NJW 1999, 1993 (1996 ff.); Lange, DNotZ 1999, 599 (606 f.). Flessner, ZEuP 2000, 1 (4) ging davon aus, die Entscheidung habe keinerlei Auswirkungen auf das Kollisionsrecht. 49  Vgl. die Darstellung der verschiedenen Ansätze m. w. N. bei Zimmer, BB 2003, 1 f. 50  Vgl. zu den Voraussetzungen hierfür ausführlich Kindler, in MüKo BGB 5. A., Bd. 11, int. Wirtschaftsrecht, int. Handels- und GesR, Rn.  132. 51  BGH, Urteil vom 13.3.2003 – VII ZR 370/98, BGHZ 154, 185; unter ausdrücklicher Ablehnung der Lösung des II. Zivilsenats (oben Kapitel D. Fn.  10), der sich später für EU-Auslandsgesellschaften auch dieser Lösung anschloss: BGH, Urteil vom 13.9.2004 – II ZR 276/02, NJW 2004, 3706 (3707, juris Rn.  10), bzw. zuvor obiter dicto BGH, Urteil vom 5.7.2004 – II ZR 389/02, NJWRR 2004, 1618 (juris Rn.  6). Ob sich dies zwingend aus den Vorgaben des „Überseering“-Urteils ergab, war umstritten, vgl. die Ausführungen und Nachweise bei Lanzius, Anwendbares Recht, S.  84 ff. 47 

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wurden,52 gingen andere davon aus, dies gelte nur hinsichtlich der Rechts- und Parteifähigkeit53 oder es könne gar an der Sitztheorie festgehalten werden54. Überwiegend wurde „Überseering“ so verstanden, als habe die Entscheidung das eigene Verhältnis zu „Daily Mail“ in dem Sinne beantwortet, dass bei der (isolierten) Verwaltungssitzverlegung zwischen „Wegzugs-“ und „Zuzugsfällen“ bzw. zwischen „Wegzugs-“ und „Zuzugsbeschränkungen“ zu unterscheiden sei.55 Eine Verhinderung oder Erschwerung des Zuzugs sei demnach an der Niederlassungsfreiheit zu messen, was für Wegzugsregelungen gerade nicht der Fall sei.56 Spätestens seit dem Urteil „Inspire Art“ wird in den sog. Zuzugsfällen i. S. e. isolierten Verwaltungssitzverlegung für Gesellschaften, die sich auf die Niederlassungsfreiheit berufen können, überwiegend von einem grundsätzlichen Übergang

52  H.-F. Müller, NZG 2003, 414 (416); Paefgen, WM 2003, 561 (567) mit Überlegungen zur Geltung der EuGH Rechtsprechung bei Personengesellschaften (a. a. O., S.  565 f.). Noch vor der umsetzenden Entscheidung des BGH jeweils mit Überlegungen zu durchbrechenden Sonderanknüpfungen: Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2241 f.); Forsthoff, DB 2002, 2471 (2475 f.); Leible/ Hoffmann, RIW 2002, 925 (928, 934 ff.) mit eingehender Kritik; Lutter, BB 2003, 7 (9), Ferner auch Großerichter, DStR 2003, 159 (166 ff.) trotz der Überschrift: „beschränkter Übergang(s) zur Gründungstheorie“, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt. 53  In diese Richtung AG Hamburg, Beschluss vom 14.5.2003 – 67g IN 358/02, NZI 2003, 442 (443), das unter Rückgriff auf einen Missbrauch davon ausgeht, die Haftungsbeschränkung einer englischen Limited sei nicht (zwangsläufig) anzuerkennen. Aus der Zeit vor der umsetzenden Entscheidung des BGH: Zimmer, BB 2003, 1 (3 ff.), der nur diese Frage als entschieden sieht und die Rechtfertigung der Anwendung von Haftungstatbeständen als ungeklärte Frage betrachtet, aber große Zweifel diesbezüglich hegt. 54  Kindler, NJW 2003, 1073 (1076 f.) mit Hinweis auf den abweichenden Wortlaut von BGH Vorlagefrage und EuGH Vorabentscheidung (beurteilen einerseits und achten andererseits, vgl. oben ad D.I.3.b.). Noch vor dem umsetzenden Urteil des BGH ähnlich auf den abweichenden Wortlaut abstellend: Großerichter, DStR 2003, 159 (165 f.), der freilich im Ergebnis grundsätzlich einen Übergang zur Gründungstheorie bevorzugt, vgl. oben Kapitel D. Fn.  52. 55  Zimmer, BB 2003, 1 (2) mit Verweis auf Rn.  80 f. des „Überseering“ Urteils; Lutter, BB 2003, 7 (8 ff.) mit Verweis auf Rn.  71 f. und 81 des Urteils; Paefgen, WM 2003, 561 (564); in diesem Sinne für die Entscheidung „Daily Mail“ bereits Everling, DB 1990, 1853 (1856 Fn.  24). Ablehnend hierzu Ebke, JZ 2003, 927 (932). 56 Vgl. Lutter, BB 2003, 7 (8 ff.). Vgl. aber zur neueren EuGH Rechtsprechung zu Wegzugsbeschränkungen (Entscheidungen „Cartesio“ und „National Grid Indus“) unten ad D.I.5.a.

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von der Sitz- zur Gründungstheorie ausgegangen,57 zumal dieser vor allem von der Rechtsprechung praktiziert wird58. Dennoch gibt es nach wie vor Gegenmodelle.59 Die praktische Folge dieses Übergangs zur Gründungstheorie ist eine faktische Rechtsformwahlfreiheit unter allen Gesellschaftsformen der Mitgliedstaaten; Gründer sind also nicht mehr auf die Gesellschaftsformen am effektiven Verwaltungssitz beschränkt.60 Die Rechtswahl bestimmt dabei nach h. M. sehr weitgehend auch über das anwendbare Gesellschaftsrecht.61 Selbst wenn die EuGH-Rechtsprechung nicht zu einem (vollständigen) Übergang zur Gründungstheorie zwingen mag62 , soll Grundlage der folgenden Ausführungen angesichts der Praxis der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Vorzüge 57 Nach „Inspire Art“: Behrens, IPRax 2004, 20 (25  f.); Drygala, ZEuP 2004, 337 (346); Forsthoff, in Hirte/Bücker, §  2 Rn.  37; Horn, NJW 2004, 893; Paefgen, ZIP 2004, 2253 f.; Riedemann, GmbHR 2004, 345 (346); M.-P. Weller, DStR 2003, 1800 (1803); Zimmer, NJW 2003, 3585 (3591); Ziemons, ZIP 2003, 1913 (1917). Vgl. ferner: Leible, in Michalski GmbHG, Bd. 1 Systematisch Darstellung 2 Int. GesR, Rn.  45: Gründungstheorie „soweit die Niederlassungsfreiheit dies gebietet“, bzw. Rn.  68: „durch die Niederlassungsfreiheit verbürgte(n) europarechtliche(n) Gründungstheorie“; Thorn, in Palandt BGB, Anh Art.  12 EGBGB Rn.  1, 5; M.-P. Weller, Rechtsformwahlfreiheit, S.  82 ff.; ders., in MüKo GmbHG, Einleitung, Int. GesR, Rn.  355. Hinsichtlich Personen(handels)gesellschaften: Weitemeyer, in Oetker HGB, §  105 Rn.  105 m. w. N. Demgegenüber noch zögerlich Hirte, in Hirte/Bücker, §  1 Rn.  23 ff.; Hirte, EWS 2003, 521 (522). 58  Neben den in Kapitel D. Fn.  51 genannten Urteilen besonders deutlich: BGH, Urteil vom 27.10.2008 – II ZR 158/06, BGHZ 178, 192 (Rn.  19): der BGH habe sich für EU-Auslandsgesellschaften, die in den Genuss der Niederlassungsfreiheit kommen, „der sog. Gründungstheorie angeschlossen“. Außerdem: BGH, Urteil vom 14.3.2005 – II ZR 5/03, NJW 2005, 1648 (1649, juris Rn.  9) für die Haftung für im Namen der Gesellschaft begründete Verbindlichkeiten und die damit korrespondierende persönliche Haftung der Gesellschafter und der Geschäftsführer; ferner auch der V. Strafsenat: BGH, Urteil vom 13.4.2010 – 5 StR 428/09, NStZ 2010, 632 (633 f., juris Rn.  7, 10 ff.) hinsichtlich Geschäftsführerhaftung auf das Gründungsstatut abstellend. In BGH, Urteil vom 8.10.2009 – IX ZR 227/06, ZIP 2009, 2385 (2386, juris Rn.  4) ist die Rede von einer Aufgabe der Sitztheorie für Auslandsgesellschaften, die in den Genuss der Niederlassungsfreiheit kommen. 59  Einen ausführlichen Überblick über die verschiedenen Ansätze gibt D. Paulus, Gesellschafter- und Organwalterhaftung, S.  115 ff. Genannt sei hier der Ansatz Altmeppens, NJW 2004, 97 (99 ff.); ders./Wilhelm, DB 2004, 1083 (1085 ff.): Ablösung der Sitztheorie nur soweit Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit, d. h. vor allem das „Gläubigerschutzrecht“ kann nach Altmeppen nach wie vor nach dem Recht am Ort des tatsächlichen Verwaltungssitzes bestimmt werden. In eine ähnliche Richtung letztlich: Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S.  415 ff., der ebenfalls die Gründungsanknüpfung nur in bestimmten Bereichen für geboten hält (insbesondere für die Gründungsanforderungen der Gesellschaft). Ferner Kindler, der nach wie vor von der grundsätzlichen Europarechtskonformität der Sitz­theorie ausgeht, vgl. ders., NZG 2003, 1086 (1088 f.) und ders, in MüKo BGB, Bd. 11, int. WirtschaftsR, Int. Handels- und GesellschaftsR, Rn.  140 ff. (vgl. bereits oben Kapitel D. Fn.  53 und Fn.  54), letztlich aber auch anerkennt, dass die überwiegende Literaturmeinung und vor allem die obergerichtliche Rechtsprechung für EU-Auslandsgesellschaften zur Gründungstheorie übergegangen ist, vgl. a. a. O., Rn.  144 ff. 60  Ebke, JZ 2003, 927 (929); Fleischer, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  49 (100); Horn, NJW 2004, 893; ablehnend inzwischen auf Basis von „Cadbury Schweppes“ und „Vale“ die unten in Kapitel D. Fn.  90 und 91 Genannten. 61  Vgl. zum Umfang des Gesellschaftsstatuts unten ad D.II. 62  So besonders eindringlich m.v.w.N. Kindler, in MüKo BGB, Bd. 11, int. WirtschaftsR, int. Handels- und GesR, Rn.  140 ff., 361 ff. Ferner Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S.  415 ff. Vgl. zum Streit auch m.v.w.N. Eidenmüller, RabelsZ 70 (2006), 474 (479 ff.).

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eines einheitlichen Gesellschaftsstatuts (i. S. d. sog. Einheitslehre)63 eine grundsätzliche Geltung des Gründungsrechts als einheitliches Gesellschaftsstatut bei zugezogenen EU-Auslandsgesellschaften sein. 4.  Weitergeltung der Sitztheorie für Drittstaaten Für Gesellschaften aus Drittstaaten wird demgegenüber mehrheitlich von einer Fortgeltung der Sitztheorie ausgegangen.64 Dabei werden solche Gesellschaften entsprechend der Entscheidung des II. Zivilsenats65 als inländische Personengesellschaften, d. h. als GbR oder OHG, behandelt.66 Anderes kommt nur für Gesellschaften aus Drittstaaten in Betracht, die auf Grund bilateraler Verträge Niederlassungsfreiheit genießen, etwa solche aus den Vereinigten Staaten67 und aus den EFTA-Staaten68. 5.  Fortentwicklung der EuGH Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit In den Jahren, die nunmehr seit dem Urteil „Inspire Art“ vergangen sind, hat der EuGH seine Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit weiter präzisiert und ausgebaut. An dieser Stelle soll insoweit nur auf einige ausgewählte Entscheidungen mit (wenigstens mittelbarer) kollisionsrechtlicher Relevanz hingewiesen werden: a.  „Cartesio“, „National Grid Indus“ und „Sevic Systems“ Die Neutralität von Wegzugsbeschränkungen in Form von gesellschaftsrechtlichen Wegzugsverboten69 hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit wurde durch den EuGH im Urteil „Cartesio“ bestätigt.70 Wie bereits in „Daily Mail and General Trust“ stützte sich der EuGH dabei auf die Erwägung, dass „eine aufgrund einer nationalen Rechtsordnung gegründete Gesellschaft jenseits der nationalen Rechtsordnung, 63 

Hierzu bereits Zimmer, int. GesR, S.  214 f.; ferner die Nachweise oben Kapitel D. Fn.  8. BGH, Urteil vom 27.10.2008 – II ZR 158/06 („Trabrennbahn“), BGHZ 178 , 192 (Rn.  20 ff.); Thorn, in Palandt BGB, Anh Art.  12 EGBGB Rn.  10 m. w. N.; ähnlich bereits kurz nach „Inspire Art“: Horn, NJW 2004, 893 (897); M.-P. Weller, DStR 2003, 1800 (1803); tendenziell auch schon Ebke, JZ 2003, 927 (929 f.). A.A., auch in diesem Verhältnis die Geltung der Gründungstheorie favorisierend: Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 (2244); Leible/Hoffmann, ZIP 2003, 925 (930), ebenfalls bereits dies., RIW 2002, 925 (935 f.); Paefgen, WM 2003, 561 (570); Rehm, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, §  2 Rn.  87 ff. 65  Oben Kapitel D. Fn.  10. 66  BGH, Urteil vom 27.10.2008 – II ZR 158/06 („Trabrennbahn“), BGHZ 178 , 192 (Rn.  23). 67  Vgl. zum Freundschaftsvertrag mit den USA unten ad F.I.2.a. 68  Bereits oben Kapitel C. Fn.  223. 69  Begriff nach Verse, ZEuP 2013, 458 (461). Gemeint sind damit Regelungen, die eine Verlegung des Verwaltungssitzes aus dem Gründungsland mit der Aberkennung der Rechtspersönlichkeit ahnden, mithin also den Wegzug i. S. e. rechtsformwahrenden Verlegung des Verwaltungssitzes insgesamt verbieten. 70  EuGH, Urteil vom 16.12.2008 – C-210/06 („Cartesio“), Slg 2008, I-9641 (LS 4). 64 

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D.  Das Internationale Gesellschaftsrecht

die ihre Gründung und Existenz regelt, keine Realität hat“, also wiederum auf die sog. „Geschöpftheorie“.71 Anders sei dies aber bei der grenzüberschreitenden Umwandlung, die der Ausgangsstaat72 nicht ohne Beschränkung der Niederlassungsfreiheit verhindern könne.73 Hierbei wird gerade nicht (nur) der Verwaltungssitz, sondern (auch) der Satzungssitz verlegt. Eine Differenzierung hinsichtlich der Art der Wegzugsbeschränkung bei der Verwaltungssitzverlegung stellte der EuGH im Urteil „National Grid Indus“ an, in dem sich der Gerichtshof mit einer steuerrechtlichen Wegzugsbeschränkung zu beschäftigen hatte.74 Hier stellte der EuGH klar, dass die Mitgliedstaaten lediglich die Befugnis hätten, eine Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes mit der Aberkennung der Rechtspersönlichkeit zu ahnden, ohne in Konflikt mit der Niederlassungsfreiheit zu geraten,75 da sie über die Voraussetzungen für die Gründung und den Fortbestand ihrer nationalen Gesellschaftsformen frei entscheiden können.76 Dies wird als Vorfrage betrachtet, die erst den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit eröffne (Art.  54 AEUV).77 Alle sonstigen Wegzugsbeschränkungen müssten sich hingegen, soweit eine Verwaltungssitzverlegung nicht generell unmöglich sei, anders als man noch verbreitet nach „Daily Mail“ annahm,78 in vollem Umfang an der Niederlassungsfreiheit messen lassen.79 Mit der grenzüberschreitenden Verschmelzung hatte sich der EuGH im Urteil „SEVIC Systems“ (aus der Perspektive des Zielstaates80) zu beschäftigen, in welchem es als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gewertet wurde, wenn das nationale Recht der Verschmelzung auf (Ausgangs-)Gesellschaften mit inländischem Sitz beschränkt ist.81

71 

EuGH, Urteil vom 16.12.2008 – C-210/06 („Cartesio“), Slg 2008, I-9641 (Rn.  104). Verstanden als der Staat, nach dessen Recht die ursprüngliche Gesellschaft gegründet wurde. 73  EuGH, Urteil vom 16.12.2008 – C-210/06 („Cartesio“), Slg 2008, I-9641 (Rn.  111 ff.). 74  EuGH, Urteil vom 29.11.2011 – C-371/10 („National Grid Indus“), Slg 2011, I-12273. 75  Kritisch zu dieser Schlussfolgerung Schall/Barth, NZG 2012, 414 (418 f.). 76 EuGH, Urteil vom 29.11.2011 – C-371/10 („National Grid Indus“), Slg 2011, I-12273 (Rn.  26 f.). 77  EuGH, Urteil vom 16.12.2008 – C-210/06 („Cartesio“), Slg 2008, I-9641 (Rn.  109); Verse, ZEuP 2013, 458 (463). 78  Vgl. zum ursprünglich herrschenden Verständnis des Urteils „Daily Mail“ oben ad D.I.2. mit Fn.  19 und zum gewandelten Verständnis nach den Urteilen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ oben ad D.I.3.d. 79 EuGH, Urteil vom 29.11.2011 – C-371/10 („National Grid Indus“), Slg 2011, I-12273 (Rn.  30 ff.); ferner Verse, ZEuP 2013, 458 (460 ff.). Schall/Barth, NZG 2012, 414 weisen darauf hin, dass damit ohne es klar zu benennen vom Urteil „Daily Mail“ abgewichen wird, wo es ebenfalls nicht um ein gesellschaftsrechtliches Wegzugsverbot ging. 80  Verstanden als derjenige Staat, nach dessen Recht die neue Gesellschaft gegründet werden soll. 81  EuGH, Urteil vom 13.12.2005 – C-411/03 („Sevic Systems“), Slg 2005, I-10805. 72 

I.  Entwicklung des Gesellschaftskollisionsrechts

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b.  „Cadbury Schweppes“ und “Vale”: kein generelles “genuine link”-Erfordernis Im Urteil „Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas“ (im Folgenden „Cadbury Schweppes“) ging es um die Vereinbarkeit der sog. „Hinzurechnungs­ besteuerung“82 von Gewinnen EU-ausländischer Tochtergesellschaften mit der ­Niederlassungsfreiheit.83 Der EuGH führte hier aus, der Niederlassungsbegriff impliziere „die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in diesem Staat (dem Aufnahmemitgliedstaat) auf unbestimmte Zeit“84, so dass die Gründung der Gesellschaft „mit einer tatsächlichen Ansiedlung zusammenhängen (müsse), deren Zweck darin besteht, wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten im Aufnahmemitgliedstaat nachzugehen“85. Diese Einschränkung des Niederlassungsbegriffes wurde jüngst im Urteil „VALE“ wiederholt,86 in dem es als unvereinbar mit der Niederlassungsfreiheit angesehen wurde, wenn das nationale Recht die Umwandlung EU-ausländischer Gesellschaften „in eine inländische Gesellschaft mittels Gründung der letztgenannten Gesellschaft generell nicht zulässt“.87 Über das anwendbare Recht für diesen Umwandlungsvorgang darf der Aufnahmemitgliedstaat dagegen (insbesondere im Sinne der Anwendbarkeit des eigenen Rechts) entscheiden.88 Die o.g. begriffliche Einschränkung der Niederlassungsfreiheit in den Urteilen „Cadbury Schweppes“ und „VALE“ (realwirtschaftlicher Bezug zum Aufnahmestaat, sog. „genuine link“89) hat in der Literatur teilweise zu dem Schluss geführt, dass der EuGH seine „Tendenz zur reinen Gründungsanknüpfung des Gesellschaftsstatuts in Frage gestellt und grenzüberschreitenden Briefkastengründungen eine Absage erteilt“ habe90 oder gar von der Rechtsprechung in „Centros“, „Über82 Vgl. Köhler/Eicker, DStR 2006, 1871 mit eingehender Darstellung des Ausgangsfalles und der Entscheidung. 83  EuGH, Urteil vom 12.9.2006 – C-196/04 („Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas“), Slg 2006, I-7995. 84  EuGH, Urteil vom 12.9.2006 – C-196/04 („Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas“), Slg 2006, I-7995 (Rn.  54). 85  EuGH, Urteil vom 12.9.2006 – C-196/04 („Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas“), Slg 2006, I-7995 (Rn.  66). 86  EuGH, Urteil vom 12.7.2012 – C-378/10 („VALE“), NJW 2012, 2715 (obiter dictum Rn.  34) als denkbare Einschränkung der folgenden Aussage. 87  EuGH, Urteil vom 12.7.2012 – C-378/10 („VALE“), NJW 2012, 2715 (Rn.  41). 88  EuGH, Urteil vom 12.7.2012 – C-378/10 („VALE“), NJW 2012, 2715 (Rn.  62). 89  Vgl. zum Begriff BGH, Urteil vom 12.7.2011 – II ZR 28/10, BGHZ 190, 242 (Rn.  19) und m. w. N. G. H. Roth, ZIP 2012, 1744 (1745 mit Fn.  18). 90  So etwa D. König/Bormann, NZG 2012, 1241. Ähnlich tendenziell auch G. H. Roth, ZIP 2012, 1744 f. Ähnlich hinsichtlich „Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas“ vor „VALE“: Kindler, NZG 2010, 576 (578); ders., in MüKo BGB, 5. A., Bd. 11, Internationales Wirtschaftsrecht, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn.  132. Ob sich die Ausführungen des GA Poiares Maduro, Schlussanträge vom 22.5.2008 Rs. C-210/06 („Cartesio“), Slg 2008, I-9641 (Rn.  29) auf die Anerkennung durch den Gründungs- oder durch den Zuzugsstaat beziehen, ist m. E. nicht eindeutig. Für Letzteres mag freilich die Bezugnahme zu den Urteilen „Centros“ und „Inspire Art“ sprechen. Die in diese Richtung ebenfalls teilweise zitierten Autoren Mörsdorf/Jopen, ZIP 2012, 1398 ff. treffen dagegen keine so weitgehende Aussage.

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D.  Das Internationale Gesellschaftsrecht

seering“ und „Inspire Art“ abgekehrt sei91.92 Einem so weitgehenden Verständnis steht aber bereits entgegen, dass die Ausführungen des EuGH sich auf den „genuine link“ zum Aufnahmestaat beziehen – in „Cadbury Schweppes“ aus Sicht des Ursprungsstaates (Niederlassung im Ausland durch Gründung einer Tochtergesellschaft) und in „Vale“ aus Sicht des Zielstaates, in dem ein neuer Satzungssitz begründet werden soll. Damit ist hingegen nicht gesagt, dass ein fehlender Bezug zum Gründungsstaat einem Zuzugsstaat bei bloßer Verwaltungssitzverlegung die Nichtanerkennung gestattet.93 Vielmehr legt der Gedanke, dass die jeweilige Rechtsordnung über die Voraussetzungen der Existenz „ihrer“ Gesellschaften frei entscheiden kann,94 hier eine weitere Unterscheidung für die „Zuwanderungsfälle“ nahe. Beim Hereinformwechsel95 durch Umwandlung und damit einhergehender Satzungssitzbegründung kann ein „genuine link“ verlangt werden (das inländische Recht bestimmt über die Voraussetzungen der Inlandsgründung), demgegenüber nicht beim Zuzug durch bloße Verwaltungssitzverlegung.96 Etwas anderes folgt auch nicht aus der Fallkonstellation dem Urteil „Cadbury Schweppes“, ging es hierbei doch letztlich um eine Einschränkung der Wegzugsfreiheit durch Gründung einer EU-ausländischen Tochtergesellschaft aus Perspektive des Wegzugsstaates.97 Betroffen war hier die Niederlassungsfreiheit der Muttergesellschaft. Hierin zeigt sich ein weiterer entscheidender Unterschied zu den hier relevanten Zuzugsfällen: In beiden Fällen wurde den „Gründern“ die Niederlassungsfreiheit wegen Fehlens eines „genuine links“ zum Registerstaat verwehrt.98 Im Fall der Verwaltungssitzverlegung geht es im Gegensatz dazu um die Niederlassungsfreiheit der bereits gegründeten Gesellschaft selbst.99 Damit ist letztlich das Erfordernis eines „genuine links“ zum Gründungsstaat für die Anerkennung von EU-Auslandsgesellschaften abzulehnen100 und am Übergang zur Gründungstheorie im Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit uneinge91 

So sehr weitgehend Böttcher/Kraft, NJW 2012, 2701. Habersack/Verse, europ. GesR, §  3 Rn.  18; Kieninger, BB 2011, 2831 (2832); Teichmann, ZGR 2011, 639 (671 f.); Verse, ZEuP 2013, 458 (472 f.) m. w. N.; ferner Wesiack, europ. Int. VereinsR, S.  131 f. 93  Dies erkennen auch D. König/Bormann, NZG 2012, 1241 (1242). 94 Dieser Gedanke liegt der Neutralität von gesellschaftsrechtlichen Wegzugsverboten hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit zugrunde, vgl. insbesondere die Ausführungen zu den Urteilen „Cartesio“ und „National Grid Indus“ oben. 95  Begriff nach Verse, ZEuP 2013, 458 (486) für die Perspektive des Zielstaates beim Formwechsel in Abgrenzung zum Begriff „Zuzug“, der auf die isolierte Verwaltungssitzverlegung beschränkt sein solle. 96 Entgegen D. König/Bormann, NZG 2012, 1241 (1242 f.), die anderes aus einer einheitlichen Auslegung des Niederlassungsbegriffes ableiten. 97  Ähnlich auch die Argumentation des BGH, Urteil vom 12.7.2011 – II ZR 28/10, BGHZ 190, 242 (Rn.  20); anders sehen dies D. König/Bormann, NZG 2012, 1241 (1243). 98  Teichmann, ZGR 2011, 639 (669); Verse, ZEuP 2013, 458 (473). 99  Teichmann, ZGR 2011, 639 (669); Verse, ZEuP 2013, 458 (473). 100  So auch der BGH vor der EuGH-Entscheidung „Vale“, BGH, Urteil vom 12.7.2011 – II ZR 28/10, BGHZ 190, 242 (Rn.  19 ff.) und die oben in Kapitel D. Fn.  90 als a. A. Genannten. 92 Ablehnend:

I.  Entwicklung des Gesellschaftskollisionsrechts

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schränkt festzuhalten. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, hätte dies nur Auswirkungen auf die Anerkennung von Auslandsgesellschaften ohne jedwede realwirtschaftliche Beziehung zum Registrierungsstaat (sog. Briefkastengesell­ schaften). Verbleibt trotz der Verlegung des Verwaltungssitzes eine Beziehung zum Registrierungsstaat, wäre die Auslandsgesellschaft unstreitig anzuerkennen und nach ihrem Gründungsrecht zu beurteilen.101 6.  Wegzugsermöglichung für Kapitalgesellschaften durch das MoMiG Im Zuge des MoMiG sollte die Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes einer inländischen Kapitalgesellschaft ins Ausland ermöglicht werden.102 Durch die Änderungen des §  4a GmbHG und des §  5 AktG steht das deutsche Recht dem seither nicht mehr entgegen.103 7.  Zwischenergebnis – aktueller Stand des Internationalen Gesellschaftsrechts Die EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit hat nach ganz überwiegender Auffassung das Gesellschaftskollisionsrecht maßgeblich beeinflusst. Im Bereich der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit wurde die bislang geltende ­Sitztheorie für Zuzugsfälle (i. S. einer isolierten Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes) durch die Gründungstheorie abgelöst. Etwas anderes gilt in den Wegzugsfällen für sog. Wegzugsbeschränkungen (ebenfalls verstanden als Beschränkungen hinsichtlich einer isolierten Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes) in Form von gesellschaftsrechtlichen Wegzugsverboten, die im Gegensatz zu sonstigen Wegzugsbeschränkungen nach wie vor ohne Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit möglich sind. Dem Zuzug einer EU-Auslandsgesellschaft nach Deutschland kann also weiterhin deren Heimatrecht entgegenstehen. Für die Neugründung einer Gesellschaft genießt man nunmehr, auch wenn der tatsächliche Verwaltungssitz in Deutschland liegt, eine Rechtswahlfreiheit unter den Rechtsformen der Unionsmitglieder, soweit deren Recht dies zulässt.104 Für den hier insbesondere interessierenden Fall einer EU-Auslandsgesellschaft mit effektivem Verwaltungssitz in Deutschland steht damit fest, dass deren Gesellschaftsstatut das Recht am Ort ihrer Gründung ist. 101 Nach G. H. Roth, ZIP 2012, 1744 (1745) genügt es sogar, wenn irgendwann ein solcher real­ wirtschaftlicher Bezug zum Gründungsstaat bestand, selbst wenn dieser nachträglich (durch den Wegzug) vollständig entfällt. 102  Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  29. 103  Vgl. hierzu und zur Frage eines möglichen kollisionsrechtlichen Inhalts der Norm, der relevant wird, wenn ein Zuzugsstaat der Sitztheorie folgt: J. Mayer, in MüKo GmbHG, §  4a Rn.  73 ff., der von einer solchen kollisionsrechtliche Perspektive ausgeht; Thorn, in Palandt BGB, Anh Art.  12 EGBGB Rn.  2 spricht diesbezüglich von einer Übernahme der Gründungstheorie auf sachrechtlicher Ebene. Für die Situation bei Personengesellschaften vgl. etwa Weitemeyer, in Oetker HGB, §  105 Rn.  108 m. w. N. 104  Nachweise oben Kapitel D. Fn.  60.

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D.  Das Internationale Gesellschaftsrecht

II.  Reichweite des Gesellschaftsstatuts Die Vorgaben der Niederlassungsfreiheit beschränken sich aber nicht nur auf den maßgeblichen Anknüpfungspunkt. Sie sind auch bei der Bestimmung der Reichweite des Gesellschaftsstatuts zu beachten.105 Unter der Einheitslehre106 wird diese regelmäßig wie folgt beschrieben: Das Gesellschaftsstatut umfasse sämtliche Regelungen zur Frage, „unter welchen Voraussetzungen die juristische Person entsteht, lebt und vergeht“,107 und zwar sowohl Regelungen zum Innen- wie auch zum Außenverhältnis.108 Das beinhaltet insbesondere die Entstehung bzw. Gründung mit allen Voraussetzungen (insbesondere auch der Kapitalausstattung), die Rechts- und Handlungsfähigkeit mitsamt der Vertretung nach außen, die Organisation bzw. innere Verfassung, d. h. auch die Frage der Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten,109 eine etwaige Haftungsbeschränkung (Haftungsverfassung)110 und die Finanzverfassung,111 sowie die Auflösung, Abwicklung und Beendigung.112 Aus unionsrechtlicher Perspektive lassen sich gewisse Anhaltspunkte zum Umfang des Gesellschaftsstatuts auch aus Art.  1 II lit.  f Rom I-VO gewinnen,113 da die 105 Eingehend hierzu Eidenmüller, in Sonnenberger, Vorschläge und Berichte int. GesR, S.  469 ff. 106  Diese geht von einer einheitlichen Anknüpfung aller gesellschaftsrechtlichen Rechtsfragen, also von einem einheitlichen Anknüpfungsgegenstand, aus, vgl. dazu m.e.N. oben ad. D.I.1. und 3. 107  BGH, Urteil vom 11.7.1957 – II ZR 318/55, BGHZ 25, 134 (144, insoweit nicht bei juris); BGH, Urteil vom 21.1.1965 – II ZR 120/62, BGHZ 43, 51 (56, juris Rn.  23); Mäsch, in Bamberger/ Roth, Beck-OK BGB, Art.  12 EGBGB Anhang II Rn.  73; M.-P. Weller, in MüKo GmbHG, Einleitung, Int. GesR, Rn.  387. 108  Spahlinger, in Spahlinger/Wegen, int. GesR, Rn.  21. Vgl. ferner eingehend zur Reichweite des Gesellschaftsstatuts jüngst Reber/Köger, in Schwerdtfeger GesR, Kapitel 4 Rn.  43 ff. 109 Etwas anderes gilt freilich für Haftungsansprüche einzelner Gläubiger aus Delikt oder Vertrag, die selbst nicht dem Gesellschaftsstatut unterfallen, vgl. Mäsch, in Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, Art.  12 EGBGB Anhang II Rn.  73. 110  Behrens/Hoffmann, in Ulmer/Habersack/Löbbe GmbHG, Einl. B Rn. B 111; Leible, in Michalski GmbHG, Bd. 1, Systematische Darstellung 2, int. GesR, Rn.  142 m. w. N.; Mäsch, in Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, Art.  12 EGBGB Anhang II Rn.  73; Zahrte, ZInsO 2009, 223 (225) m. w. N. Ferner Kindler, in MüKo BGB, Bd. 11, int. WirtschaftsR, int. Handels- und GesR, Rn.  611 f., der freilich bei im Inland ansässigen (i. S. e. Verwaltungssitzes) Auslandsgesellschaften die Gesellschafterhaftung inländischen Rechts ((Sonder-)Anknüpfung an den Verwaltungssitz) anwenden will. 111  Behrens/Hoffmann, in Ulmer/Habersack/Löbbe GmbHG, Einl. B Rn. B 103; Eidenmüller, in Sonnenberger, Vorschläge und Berichte int. GesR, S.  469 (473). 112  Mäsch, in Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, Art.  12 EGBGB Anhang II Rn.  73 mit weiteren dem Gesellschaftsstatut unterfallenden Bereichen; vgl. ferner Behrens/Hoffmann, in Ulmer/ Habersack/Löbbe GmbHG, Einl. B Rn. B 80 ff.; Kindler, in MüKo BGB, Bd. 11, int. WirtschaftsR, int. Handels- und GesR, Rn.  521 ff.; Spahlinger, in Spahlinger/Wegen, int. GesR, Rn.  261 ff.; Süß, in Süß/Wachter, HdB int. GmbHR, §  1 Rn.  57 ff.; M.-P. Weller, in MüKo GmbHG, Einleitung, Int. GesR, Rn.  388 f. mit Wiedergabe der Regelungen zur Reichweite des Gesellschaftsstatut aus dem RefE zum internationalen Gesellschaftsrecht (oben Kapitel D. Fn.  5). 113  So auch Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  13.

II.  Reichweite des Gesellschaftsstatuts

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dort genannten Bereiche gerade aus dem Kollisionsrecht für (die übrigen) vertraglichen Verhältnisse ausgenommen werden. Genannt sind hier die Errichtung, Rechtsund Handlungsfähigkeit, innere Verfassung, Auflösung und ausdrücklich auch die „persönliche Haftung der Gesellschafter und Organe für die Verbindlichkeiten einer Gesellschaft (…)“.

E.  Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften Mit dem Wertungskonzept des materiellen Rechts und den kollisionsrechtlichen Grundlagen ist der Grundstein für die Beantwortung der Ausgangsfrage der Arbeit nach der Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts1 in der Inlandsinsolvenz2 einer EU-Auslandsgesellschaft3 gelegt. Dabei muss man gedanklich zwei Ebenen trennen. Neben die kollisionsrechtliche Frage, ob das Gesellschafterdar­ lehensrecht Teil des Insolvenzstatuts ist oder (auch) zum Gesellschaftsstatut zählt4, tritt die Frage nach der Vereinbarkeit der Anwendung der deutschen Regelungen zu den Gesellschafterdarlehen auf EU-Auslandsgesellschaften mit der Niederlassungsfreiheit nach Artt.  49, 54 AEUV. Im Mittelpunkt der weiteren Überlegungen soll die kollisionsrechtliche Frage stehen, während die Vereinbarkeit mit der Nie­der­lassungsfreiheit nur als „stützende Kontrollüberlegung“ kursorisch betrachtet wird.5

1 Im Mittelpunkt der bisherigen Diskussion (sowohl zum neuen als auch zum alten Recht) stand die Situation der Inlandsinsolvenz einer EU-Auslandsgesellschaft (in Form eines sog. Hauptinsolvenzverfahrens), so dass bisher beinahe ausschließlich über die Anwendbarkeit der in einer möglichen Insolvenz greifenden Normen diskutiert wurde. Daher sollen hier auch zunächst die insolvenzspezifischen Normen betrachtet werden, wobei hier immer wieder auch auf die Normen des AnfG Bezug zu nehmen sein wird (vgl. zur Vorzugswürdigkeit einer Gesamtbetrachtung des Rechtsinstituts unten ad E.I.3.). Zur Anwendbarkeit der unabhängig von einem Insolvenzverfahren ansetzenden Normen des AnfG auf EU-Auslandsgesellschaften siehe im Anschluss unten ad F.II. 2  Ausgangspunkt der in diesem Kapitel folgenden Überlegungen soll der Fall eines Hauptinsolvenzverfahrens über das Vermögen einer EU-Auslandsgesellschaft in der Bundesrepublik sein. Die Überlegungen lassen sich aber auch auf partielle territoriale Verfahren über das Vermögen von EU-Auslandsgesellschaften übertragen. Für die kollisionsrechtlichen Erwägungen leuchtet dies unmittelbar ein. Da ein partielles territoriales Verfahren nach Art.  3 II EuInsVO eine Niederlassung im Inland voraussetzt und im Fall einer solchen Niederlassung i. S. v. Art.  2 lit.  h EuInsVO auch in aller Regel der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit eröffnet ist, gilt dies auch für die Ausführungen zur Niederlassungsfreiheit (unten ad E.III.5.). 3  Entsprechend des Anwendungsbereichs der EuInsVO (oben ad C.III.2. mit Fn.  152) ist im Folgenden vom Begriff „EU-Auslandsgesellschaften“ Dänemark zunächst explizit ausgenommen. Erwägungen zur Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz dänischer Auslandsgesellschaften und solchen aus Drittstaaten finden sich unten ad F.I. 4  Zur Präzisierung der kollisionsrechtlichen Fragestellung sogleich unten ad E.I.1. 5  Vgl. zu den Zusammenhängen und dem Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit bereits die Anmerkungen zur Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands oben ad A.II.

I. Vorüberlegungen

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I. Vorüberlegungen 1.  Präzisierung der kollisionsrechtlichen Fragestellung: Zuordnung zum Gesellschafts- oder Insolvenzstatut als Qualifikationsfrage Im dieser Untersuchung zugrundeliegenden Ausgangsfall einer EU-Auslandsgesellschaft mit effektivem Verwaltungssitz in Deutschland fallen nach dem bisher Gesagten Gesellschafts- (Heimatrecht der jeweiligen EU-Auslandsgesellschaft) und Insolvenzstatut (aufgrund des inländischen COMI deutsches Recht) auseinander. Damit wird für die Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts in der Inlands­ insolvenz einer EU-Auslandsgesellschaft die Qualifikation der Regelungen relevant. Nur bei einer insolvenzrechtlichen Qualifikation kommen die Normen unter der Regelanknüpfung unmittelbar zur Anwendung. In kollisionsrechtlicher Hinsicht ist folglich zunächst6 die Qualifikationsfrage zu beantworten, ob die Regelungen des Gesellschafterdarlehensrechts dem Insolvenzund/oder dem Gesellschafsstatut zuzuordnen sind. 2.  Auslegung des Unionsrechts Dabei werden neben der ungeschriebenen gesellschaftskollisionsrechtlichen Grundnorm die oben dargestellten7 Kollisionsnormen der EuInsVO relevant. Die Auslegung von Unionsrecht erfolgt grundsätzlich autonom, d. h. unabhängig von nationalen Rechten und Rechtsvorstellungen einzelner Mitgliedstaaten.8 Die Bedeutung der einzelnen Begriffe ist rechtsvergleichend zu gewinnen, wobei die Erwägungsgründe zu berücksichtigen sind.9 Dies soll eine einheitliche Anwendung der Regelungen in allen Mitgliedstaaten gewährleisten.10 Allerdings missversteht man die Vorgabe der autonomen Auslegung, wenn man hieraus schließt, dass es auf den Inhalt des einzelstaatlichen Rechts überhaupt nicht mehr ankomme. Auch wenn es bei der Anwendung von Unionsrecht relevant wird, ist der Inhalt einer mitgliedstaatlichen Regelung nur aus dieser selbst abzuleiten und zu erklären.11 Auch dabei verbleibt ein gewisser Raum für ein autonomes Verständnis, das ggf. vom mitgliedstaatlichen Verständnis abweichen kann. Dies wird 6 Die Frage, ob eine Sonderanknüpfung des Gesellschaftsstatuts für das Gesellschafterdarlehensrecht in Betracht kommt, wird im Rahmen der Ausführungen zur Niederlassungsfreiheit (mit)behandelt, unten ad E.III.5. 7  Ad C. 8  So hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts durch den EuGH Bergmann, in Bergmann, Handlexikon der EU, „Auslegung von Unionsrecht“; generell hinsichtlich der Auslegung von EU-Verordnungen: Kropholler, FS Max-Planck-Institut, S.  583 (590). 9  Stephan, in HK InsO 7.A., Vorbemerkung EuInsVO Rn.  3 f. Ferner: Kindler, in MüKo BGB, Vorbemerkung EuInsVO Rn.  13: „mitgliedsstaatliches „Durchschnittsverständnis““. 10  Nur hinsichtlich EU-Verordnungen: Kropholler, FS Max-Planck-Institut, S.  583 (590). 11 Ähnlich M.-P. Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit, S.  262 f. mit dem zutreffenden Hinweis darauf, dass der EuGH im Verfahren „Gourdain“ (vgl. hierzu oben ad C.V.2.a. mit Nachweis in Fn.  309) auch das spezifische französische Institut betrachtet hat und nicht eine abstrahier-

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

gerade bei der Qualifikation von nationalem materiellem Recht relevant, bei der i. S. d. funktionalen Qualifikation der Zweck des spezifischen Rechtsinstituts bzw. der einzelnen Rechtsnorm mit den Zwecken der Kollisionsnorm und ihrer Systembegriffe verglichen werden muss12. Sowohl für die Auslegung des Kollisionsrechts als auch für die Auslegung des materiellen Rechts sind der Zusammenhang und das Regelungsumfeld der Kollisionsnorm bzw. der materiellen Rechtsnorm(en) zu berücksichtigen.13 Verschiedentlich wird für die Auslegung des Unionsrechts eine besondere Relevanz der teleologischen Auslegung betont,14 wobei dem „effet utile“ und dem Integrationsgedanken Rechnung zu tragen sei15. 3.  Getrennte Betrachtung der einzelnen Rechtsnormen? Bevor man sich mit der Qualifikation des Gesellschafterdarlehensrechts in der Sache auseinandersetzt, stellt sich die Frage nach der vorzugswürdigen Vorgehensweise. In Betracht kommen dabei die getrennte Betrachtung der einzelnen Rechtsnormen16 bzw. Regelungsbereiche (namentlich etwa getrennte Beurteilung von Nachrang, Insolvenzanfechtung und Gläubigeranfechtung) oder aber die vom Ausgangspunkt her einheitliche Betrachtung des gesamten Rechtsinstituts. Für eine getrennte Betrachtung spricht der an den Rechtsfolgen orientierte Katalog des Art.  4 II EuInsVO. Allerdings ließe man bei einem solchen Vorgehen die bereits dargestellten17, gegenseitigen inhaltlichen und systematischen Bezüge der einzelnen Normen außer Acht. Sowohl die Regelungen zum Nachrang als auch diejenigen der Insolvenz- und Einzelgläubigeranfechtung basieren auf einer einheitlichen Wertentscheidung und regeln insgesamt einen einheitlichen Problemkreis: die Behandlung der Fremdfinante, „für alle Mitgliedsstaaten verallgemeinerungsfähige(n) Form“. Ähnlich auch Kindler, in Sonnenberger, Vorschläge und Berichte int. GesR, S.  497 (501). 12  Kindler, in MüKo BGB., Bd. 11, int. WirtschaftsR, int. Handels- und GesR, Rn.  665. Vgl. zu diesem Vorgehen im Rahmen der Qualifikation eingehend auch M.-P. Weller, in MüKo GmbHG, Einleitung, Int. GesR, Rn.  393 ff. und oben ad C.VI.3.a.cc. bzw. unten ad E.I.4. 13  M.-P. Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit, S.  262 für das Regelungsumfeld des materiellen Rechts. 14  Bergmann, in Bergmann, Handlexikon der EU, „Auslegung von Unionsrecht“; ähnlich Kindler, in MüKo BGB, Bd. 11, int. WirtschaftsR, int. Handels- und GesR, Rn.  665; ders., in Sonnenberger, Vorschläge und Berichte int. GesR, S.  496 (502); Kropholler, FS Max-Planck-Institut, S.  583 (592): „Von letztlich entscheidender Bedeutung (…) innerhalb des möglichen Wortsinns“; im Anschluss an Kropholler: M. Weller, in Clavora/Garber, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S.  105 (106 mit Fn.  7). 15  Kropholler, FS Max-Planck-Institut, S.  583 (592 f.); ebenso: Bergmann, in Bergmann, Handlexikon der EU, „Auslegung von Unionsrecht“. 16  So ausdrücklich Wedemann, IPRax 2012, 226. Unausgesprochen auch Zahrte, ZInsO 2009, 223, der den Insolvenzanfechtungstatbestand als Insideranfechtung für unproblematisch insolvenzrechtlich hält und daher nur den Nachrang betrachtet. In diese Richtung geht auch die Überlegung bei Koutsós, Rechtliche Behandlung, S.  310 f., der primär den Nachrang beurteilen möchte, der als Grundnorm des Gesellschafterdarlehensrechts entscheidend sei. 17  Vgl. im Zusammenhang mit der Legitimationsgrundlage oben ad B.III.2.j.aa.

I. Vorüberlegungen

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zierung aus Gesellschafterhand18. Dies ist auch die übergeordnete Rechtsfrage, die Gegenstand einer Qualifikation vom Lebenssachverhalt her wäre.19 Vorzugswürdig ist daher zumindest vom Ausgangspunkt her eine gemeinsame Betrachtung aller Normen des Rechtsinstituts „Gesellschafterdarlehensrecht“20, wobei damit kein einheitliches Ergebnis vorgegeben werden soll. Bei diesem Ansatz kann sich auch herausstellen, dass einzelne Normen oder Regelungsbereiche abweichend zu qualifizieren sind, insbesondere wenn der Normzweck dies gebietet. Dementsprechend wird im Folgenden der unmittelbare Regelungsgehalt des §  44a InsO ausgeklammert werden, der den darlehensgewährenden Dritten belastet und als insolvenzsspezifische Abwicklungsregel unabhängig von der Grundwertung des Gesellschafterdarlehensrechts steht.21 4.  Qualifikation eines Rechtsinstituts Wie die Bestimmung des maßgeblichen Rechts bei Art.  13 EuInsVO22 ist auch die Frage nach der kollisionsrechtlichen Behandlung des Gesellschafterdarlehensrechts (primär) eine Frage der Qualifikation.23 Dabei ist zu entscheiden, welchem international-privatrechtlichen Systembegriff und damit welcher Kollisionsnorm das Gesellschafterdarlehensrecht zuzuordnen ist. Der Ausgangspunkt ist dabei auf den ersten Blick ein anderer als bei der oben besprochenen Qualifikationsfrage i.R.v. Art.  13 EuInsVO. Es geht nicht unmittelbar um einen Lebenssachverhalt oder eine Rechtsfrage, sondern um spezifische Normen bzw. ein bestimmtes Rechtsinstitut. Bei genauerer Betrachtung besteht aber kein wesentlicher Unterschied. Auch das Rechtsinstitut behandelt bestimmte Lebenssachverhalte bzw. hierbei auftauchende Rechtsfragen.24 Ob man fragt, welchem Statut das Gesellschafterdarlehensrecht zuzuordnen ist oder danach fragt, nach welchem Statut sich die Behandlung der Fremdfinanzierung aus Gesellschafterhand richtet, läuft sowohl im Ergebnis wie auch im Denkprozess auf dasselbe hinaus, nur die Perspektive unterscheidet sich. Beim Ansatz vom Rechtsinstitut her sind die zentralen, durch das Rechtsinstitut gelösten Rechtsfragen vorab herauszuarbeiten.

18  Begriff angelehnt an K. Schmidt, oben Kapitel B. Fn.  222: „Fremdkapital aus Gesellschafterhand“. 19  Vgl. zu den Grundlagen des Qualifikationsvorgangs bereits oben ad C.VI.3.a.cc. und sogleich unten zur Qualifikation eines Rechtsinstituts. 20 Das heißt, dass, obwohl im Mittelpunkt dieses Kapitels die Insolvenzsituation steht, im Rahmen der Qualifikation auch die Regelungen des AnfG in die Betrachtung miteinzubeziehen sind (vgl. bereits oben Kapitel E. Fn.  3). Die getrennt erfolgenden Ausführungen zur Behandlung der Regelungen der Gläubigeranfechtung finden sich im Anschluss ad. F.II. 21  Vgl. hierzu die Ausführungen zu §  4 4a InsO oben ad B.III.2.j.hh.(2). 22  Hierzu oben ad C.VI.3. 23  Vgl. zum Prozess der Qualifikation dezidiert bereits oben ad C.VI.3.a.cc. 24  Vgl. zur Problematik um den Qualifikationsgegenstand und zur Frage der verschiedenen „Qualifikationsphasen“ ebenfalls bereits oben ad C.VI.3.a.cc.

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

Für die Qualifikation von Rechtsinstituten und Rechtsnormen soll es im Rahmen der funktionalen Qualifikation 25 auf die „rechtliche Natur des betroffenen Rechtsverhältnisses“26 ankommen, d. h. es sind vor allem der funktionale Zusammenhang der Norm 27, die mit dem materiellen Rechtsinstitut verfolgten Zwecke28 und die insgesamt hinter diesem stehenden Wertungen entscheidend 29. Diese sind mit den Systembegriffen der Kollisionsnormen abzugleichen, wiederum unter Beachtung ihrer Funktion und der mit dieser verfolgten Zwecke.30 Inhaltlich muss man beim Ausgangspunkt vom Rechtsinstitut her beachten, dass die kollisionsrechtliche Einordnung einer Rechtsnorm bzw. eines Rechtsinstituts nicht zwingend mit der materiell-rechtlichen Einordnung gleichläuft,31 insbesondere wenn die kollisionsrechtlichen Normen aus dem autonom auszulegenden Unionsrecht stammen, wie vorliegend die EuInsVO und wenigstens mittelbar auch die durch die Niederlassungsfreiheit beeinflussten, ungeschriebenen Regeln des Gesellschaftskollisionsrechts. Zu bedenken sind dabei sowohl Systemunterschiede vom materiellen Recht zum Kollisionsrecht als auch mögliche Systemunterschiede zwischen einzelnen materiellen Rechten (der Mitgliedstaaten).32 5.  Abgrenzung von Gesellschafts- und Insolvenzstatut Die Abgrenzung von Gesellschafts- und Insolvenzstatut ist nicht nur für die hier untersuchte kollisionsrechtliche Behandlung des Gesellschafterdarlehensrechts von Bedeutung, sondern ist bei der Qualifikation vieler Rechtsfragen bzw. Regelungen aus den Schnittbereichen vorzunehmen, insbesondere bei Regelungen des Gläubigerschutzes. Praktisch bedeutsam ist die Abgrenzung insbesondere seit den gesellschaftskollisionsrechtlichen Änderungen durch die EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit, die dazu geführt haben, dass Gesellschafts- und Insolvenzstatut des Hauptverfahrens auseinanderfallen können.

25  Vgl. dazu bereits oben ad C.VI.3.a.cc. Im Ergebnis verfuhr so auch der EuGH bei der Abgrenzung von Gesellschafts- und Insolvenzstatut im Urteil vom 10.12.2015 – C-594/14 („Kornhaas“), NJW 2016, 223, vgl. Schall, ZIP 2016, 289 (290). 26  Balke, Gesellschafterhaftung, S.  332 m. w. N. 27  Zimmer, ZHR 168 (2004), 355, (367); ähnlich M.-P. Weller, Europäische Rechtsformwahl­ freiheit, S.  237. Eingehend hierzu auch Eidenmüller, in Sonnenberger, Vorschläge und Berichte int. GesR, S.  469 (477). 28  M.-P. Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit, S.  237. 29  M.-P. Weller, in MüKo GmbHG, Einleitung, Int. GesR, Rn.  395; Eidenmüller, in Sonnenberger, Vorschläge und Berichte int. GesR, S.  469 (475). Vgl. ferner Eidenmüller, RabelsZ 70 (2006), 474 (483 ff.); Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  4, der auf die funktionelle Betrachtungsweise gerade im Rahmen der autonomen Auslegung des Unionsrechts hinweist. 30  M.-P. Weller, in MüKo GmbHG, Einleitung, Int. GesR, Rn.  395; Eidenmüller, in Sonnenberger, Vorschläge und Berichte int. GesR, S.  469 (475). 31  Vgl. auch zur Autonomie des Kollisionsrechts bereits oben ad C.VI.3.a.cc. 32  Von Hoffmann/Thorn, IPR, §  6 Rn.  3 ff. beschreiben diese Systemunterschiede als (mögliche) Ursache von Qualifikationsproblemen.

I. Vorüberlegungen

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Die Reichweite des Insolvenzstatuts bestimmt innerhalb seines Anwendungsbereichs Art.  4 EuInsVO.33 Sowohl das Merkmal „Insolvenzverfahren und seine Wirkungen“ (Absatz 1) als auch die Umschreibung dessen und die katalogartige Aufzählung in Absatz 2 sind autonom auszulegen.34 Das Gesellschaftsstatut regelt nach der sog. Einheitslehre das gesamte Gesellschaftsrechtsverhältnis, d. h. die „Entstehung“, das „Leben“ und den „Untergang“, wobei auch bei der Reichweitenbestimmung die Vorgaben der Niederlassungsfreiheit zu beachten sind.35 Weitgehende Einigkeit besteht in der Literatur noch darüber, dass dem Umfang der (nationalen) Insolvenz- und Gesellschaftsgesetze für die Reichweite der Statuten allenfalls indizielle Bedeutung zukommt.36 Darüber hinaus werden in der Literatur aber ganz unterschiedliche Kriterien genannt, die über die Zugehörigkeit zum Gesellschafts- oder Insolvenzstatut entscheiden sollen: etwa die Anwendbarkeit der Regelungen nur innerhalb oder auch außerhalb der Insolvenz37 bzw. die „Verfahrenseröffnung und materielle Insolvenz als Tatbestandsmerkmale“38 als insolvenzrechtsspezifische Gesichtspunkte oder die Betroffenheit des (organisationsrechtlichen) Verhältnisses der Gesellschafter untereinander oder zur Gesellschaft selbst als gesellschaftsrechtsspezifischer Gesichtspunkt39. Speziell hinsichtlich des Gläubigerschutzes wurde und wird verbreitet eine komplette Zuweisung des (rechtsformspezifischen)40 Gläubigerschutzes zum Gesellschaftsstatut befürwortet.41 Hierfür sprächen die gegenseitigen Bezüge von präventivem und reaktivem Gläubigerschutz, die teilweise schwierige Abgrenzung 33 Eingehend oben ad C.V.2. m. w. N. Als Präzisierungsformeln wurden etwa in den Raum gestellt, es gehe um „spezifisch insolvenzrechtliche Wirkungen“, „die erforderlich sind, damit das Insolvenzverfahren seinen Zweck erfüllt“, bzw. die Differenzierung danach, ob die Insolvenz bloßes Tatbestandsmerkmal ist oder ob „die Norm selbst unmittelbar insolvenzpolitischen Zielen dient“. 34  Vgl. die Nachweise auch zur a. A. Kempers oben Kapitel C. Fn.  296. 35  Eingehend zur Reichweite des Gesellschaftsstatuts bereits oben ad D.II. 36  Vgl. bereits oben die Nachweise Kapitel C. Fn.  302 und 303; abweichend offenbar diejenigen Stimmen, die hinsichtlich der insolvenzrechtlichen Qualifikation des Gesellschafterdarlehensrechts entscheidend auf die Verortung in der InsO verweisen, unten Kapitel E. Fn.  132. 37  Haß/Herwege, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  4 Rn.  15; Reinhart, in MüKo InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  6, 8. Allein entscheidend kann aber auch dieses Kriterium nicht sein, da auch Tatbestände, die im Vorfeld der Insolvenz greifen, überwiegend insolvenzrechtlich geprägt sein können, vgl. Kienle, in Süß/Wachter, HdB int. GmbHR, §  3 Rn.  42. 38  BGH, Urteil vom 21.11.1996 – IX ZR 148/95, BGHZ 134, 116 (123, juris Rn.  18), aufgegriffen von M.-P. Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit, S.  262. 39  Reinhart, in MüKo InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  5; ähnlich Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  11. 40  Diese Eingrenzung vertritt vor allem M.-P. Weller, in MüKo GmbHG, Einleitung, Int. GesR, Rn.  398, der allerdings im Bereich der EuInsVO diesen Ansatz ablehnt, vgl. ders., Europä­ische Rechtsformwahlfreiheit, S.  263 f. In diese Richtung auch Behrens, in Behrens, GmbH im int. und europ. R, Rn.  43: „gesellschaftsrechtliche Haftungsgrundsätze“. 41  Zimmer, int. GesR, S.  292 f.; Reinhart, in MüKo InsO 1. A., Art.  102 EGInsO Rn.  23; tendenziell auch Ebenroth/Kieser, KTS 1988, 19 (30): „Präventiver und reaktiver Gläubigerschutz (…) gesellschaftsrechtlich untrennbar verzahnt“ und (38): Die „Haftung der Geschäftsführer und Gesellschafter einer Gesellschaft (beurteile sich) grundsätzlich nach der lex societatis“.

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

hierunter,42 sowie die bei unterschiedlicher Qualifikation von präventivem und reaktivem Gläubigerschutz43 drohenden Normenhäufungen und -mängel.44 Eine einheitliche Qualifikation komme vor allem der Gläubigergleichbehandlung45 und dem Interesse der Gesellschaft und Geschäftsführer, sich nur mit einem Haftungsregime auseinandersetzen zu müssen,46 zugute. Dem wird hinsichtlich der Qualifikation unter der EuInsVO entgegengehalten, dass das europäische Recht diese Zuordnung des Gläubigerschutzes zum Gesellschaftsstatut nicht kenne, im europäischen Raum vielmehr häufig Gläubigerschutzinstrumente insolvenzrechtlich qualifiziert würden.47 Vorgeschlagen wurde für den Gläubigerschutz auch, zwischen Haftungsbegründung und Haftungsverwirklichung zu unterscheiden, wobei nur letztere dem Insolvenzrecht unterfallen könne.48 Junker schlägt vor, danach zu differenzieren, ob die Haftung in Form einer Ausfallhaftung greift.49 Dies spreche für einen insolvenzrechtlichen Charakter, da ein unausgeglichener Ausfall eine Überschuldung voraussetze, die im Rahmen des Insolvenzverfahrens festgestellt werde.50 Vorgeschlagen wurde ferner, auch in Anlehnung an das EuGH Urteil „Gour­dain“,51 danach zu differenzieren, ob das Rechtsinstitut funktionell und von seiner Realisierungsweise her im Interesse einzelner oder im Interesse der Gläubigergesamtheit („durch Vermehrung der ihr zur Verfügung stehenden Vermögensmasse“) stehe.52 42  Haas, NZG 1999, 1149 (1151): fließende Grenzen; ähnlich ebenfalls bereits Ebenroth/Kieser, KTS 1988, 19 (29 f.). 43  Ob Langen, Haftung des herrschenden Unternehmens, S.  213 ff. tatsächlich für eine unterschiedliche Qualifikation von präventivem und reaktivem Gläubigerschutz eintreten wollte, wie M.-P. Weller, in MüKo GmbHG, Einleitung, Int. GesR. Rn.  409 mit Fn.  1631 meint, scheint mir angesichts der Ausführungen von Langen auf S.  214 zu den Vorteilen einer einheitlichen gesellschaftsrechtlichen Qualifikation zweifelhaft. 44  Zimmer, int. GesR, S.  292 f. 45  Ebenroth/Kieser, KTS 1988, 19 (38). 46  Bezogen auf die Gesellschaft: M.-P. Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit, S.  244 f.; auf die (mögliche) Pflichtenkollision der Geschäftsführer bei möglicherweise abweichenden (Partikular-)Insolvenzstatuten hinweisend: Reinhart, in MüKo InsO 1. A., Art.  102 EGInsO Rn.  24. 47  M.-P. Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit, S.  264. 48  Hanisch, in schweiz. JB int. R XXXIV, S.  109 (132 f.) mit Ausnahme hinsichtlich der französischen „action en comblement de passif“; ihm zustimmend Ebenroth/Kieser, KTS 1988, 19 (32). Ferner aus neuerer Zeit: Eidenmüller, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, §  9 Rn.  4 hinsichtlich „der Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung“. Allgemein erkennt ders., RabelsZ 70 (2006), 474 (485) jedoch an, dass auch haftungsbegründende Tatbestände überwiegend insolvenzrechtlich geprägt sein können. Die genannte Unterscheidung wird so a. a. O. auch relativiert: „primär“ bzw. „in erster Linie“. Ferner hinsichtlich der Möglichkeit insolvenzrechtlich geprägter, haftungsbegründender Tatbestände ähnlich: Gruber, in Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, Anh. I, Art.  4 EuInsVO Rn.  4. Kritisch zur Abgrenzung nach Haftungsbegründung und -verwirklichung unter der EuInsVO mit Blick auf ErwG 23 auch M.-P. Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit, S.  264. 49  Junker, RIW 1986, 337 (345). 50  Junker, RIW 1986, 337 (345). 51  Hierzu bereits oben ad C.V.2.a. (Nachweis in Fn.  309). 52 Mit Blick auf die Existenzvernichtungshaftung in ihrer Gestalt vor der Entscheidung „Trihotel“: M.-P. Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit, S.  265, u. a. mit Verweis auf BGH,

I. Vorüberlegungen

203

Letzteres spreche für eine insolvenzrechtliche Qualifikation.53 Auf dieses Kriterium blickt der EuGH auch bei der insolvenzrechtlichen Qualifikation von §  64 II 1 GmbHG a. F. im Urteil „Kornhaas“.54 Auch dieses Kriterium ist aber für die Abgrenzung zum Gesellschaftsstatut alleine ungeeignet, da auch zweifelsfrei gesellschaftsrechtliche Gläubigerschutzregeln (überwiegend) sowohl funktionell als auch von der Haftungsrealisierung her nicht am Interesse einzelner, sondern gerade aller Gesellschaftsgläubiger ausgerichtet sind, etwa die Regelungen zum Stammkapital bei der GmbH mitsamt Kapitalaufbringung und -erhaltung, genauso wie spezifische Geschäftsleiter- und Gesellschafterpflichten. Es überzeugt insbesondere nicht, jeden Haftungstatbestand nur wegen einer faktischen Erhöhung der Insolvenzmasse, die reflexartig allen Gläubigern zugutekommt, insolvenzrechtlich zu qualifizieren.55 Dieses Kriterium wäre bei jedem Tatbestand erfüllt, der zu einer wertmäßigen Vergrößerung der Insolvenzmasse führt. Die o.g. Formel ist also wenigstens darum zu ergänzen, dass der vom in Frage stehenden Rechtsinstitut ausgehende kollektive Schutz gerade ein Schutz vor der Insolvenzsituation bzw. deren Folgen sein muss. Insgesamt muss man feststellen, dass all diese Kriterien jeweils nur einzelne Aspekte aufgreifen, die für das eine oder andere Statut sprechen können, diese zur Lösung jedes Zweifelsfalles schlicht aber nicht geeignet sind.56 Auch im Urteil „Kornhaas“57 hat der EuGH keine generellen Abgrenzungskriterien unterbreitet, sondern lediglich eine Qualifikation des §  64 II 1 GmbHG a. F. vorgenommen, wobei sich die Begründung bedauerlicherweise mit den Gegenargumenten nicht auseinandersetzt58. Vor einer starren Anwendung dieser (oder anderer) Kriterien muss daher auch an dieser ­Stelle nochmals59 gewarnt werden. Soweit Regelungen und Rechtsinstitute aus dem Grenzbereich von Gesellschafts- und Insolvenzrecht in Frage stehen, ist eine Qualifikationsentscheidung zu treffen, die neben den Zwecken der Kollisionsnorm(en) und der dort im Anknüpfungsgegenstand enthaltenen Systembegriffe im Sinne der funktionalen Qualifikation auch die spezifischen Zwecke der jeweiligen Sachnorm(en) mit einbeziehen muss.60 Gerade die zuletzt Genannten droht man aber aus dem Blick zu Urteil vom 21.11.1996 – IX ZR 148/95, BGHZ 134, 116 (zum Urteil bereits oben ad C.I.2.a.bb.), wo aber nicht alleine auf diesen Aspekt abgestellt wird (vgl. BGHZ 134, 116 (121, juris Rn.  18)). Die andere von M.-P. Weller herangezogene BGH Entscheidung (Urteil vom 11.1.1990 – IX ZR 27/89, NJW 1990, 990) betraf eine international zivilverfahrensrechtliche Frage, vgl. zur fehlenden Übertragbarkeit auf die Qualifikation materiellen Rechts bereits oben ad C.V.2.a.aa. 53  M.-P. Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit, S.  265. 54  EuGH, Urteil vom 10.12.2015 – C-594/14 („Kornhaas“), NJW 2016, 223 (Rn.  20). Vgl. eingehend hierzu bereits oben ad C.V.2.a.bb. 55 Ähnlich: Haß/Herwege, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  4 Rn.  15: „Es reicht nicht aus, dass eine bestimmte Haftung lediglich bei Gelegenheit eines Insolvenzverfahrens regelmäßig geltend gemacht wird.“ 56  Dies erkennt auch Eidenmüller, RabelsZ 70 (2006), 474 (485): „Leitlinie“. 57  EuGH, Urteil vom 10.12.2015 – C-594/14 („Kornhaas“), NJW 2016, 223. 58  Kritisch insoweit auch Schall, ZIP 2016, 289. 59  Vgl. bereits oben zur Reichweite des Insolvenzstatuts ad C.V.2.a. 60  Im Ergebnis verfuhr so auch der EuGH im Urteil vom 10.12.2015 – C-594/14 („Kornhaas“), NJW 2016, 223, vgl. Schall, ZIP 2016, 289 (290). Ferner so auch Kolmann/C. Keller, in Gottwald,

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

verlieren, wenn man starre Abgrenzungskriterien anlegt, die abstrakt die Reichweite von Insolvenz- und Gesellschaftsstatut bestimmen sollen. Die vorgeschlagenen Abgrenzungskriterien sollten deshalb innerhalb einer umfassenden Gesamtwürdigung berücksichtigt werden, ohne ihnen einen zwingenden Charakter beizumessen. Nur wenn der Regelungsgegenstand und -zweck einer materiellen Regelung bzw. eines Rechtsinstituts spezifisch und überwiegend insolvenzrechtlich (i. S. d. Anknüpfungsgegenstands von Art.  4 EuInsVO) sind, wenn insolvenzrechtliche Wertungen im Zentrum stehen, ist auch insolvenzrechtlich zu qualifizieren. Liegt einem Rechtsinstitut demgegenüber eine überwiegend gesellschaftsrechtliche ratio legis zu Grunde, weil dieses überwiegend gesellschaftsrechtsspezifische Gerechtigkeitsüberlegungen verwirklicht, ist gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren.

II.  Meinungsstand zur kollisionsrechtlichen Behandlung des Eigenkapitalersatzrechts Die kollisionsrechtliche Behandlung des Eigenkapitalersatzrechts vor dem MoMiG war umstritten.61 Schon in der damaligen Diskussion wurde allerdings die kollisionsrechtliche Frage häufig mit der Frage nach der Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit vermischt, worauf bei den Nachweisen verschiedentlich hingewiesen wird. Die hierbei vorgebrachten Argumente lassen sich auf die neue Rechtslage übertragen oder können mit dieser abgeglichen werden. 1.  Insolvenzrechtliche Qualifikation des gesamten Eigenkapitalersatzrechts Teilweise wurde von einer insolvenzrechtlichen Qualifikation des gesamten Eigenkapitalersatzrechts, also sowohl der Rechtsprechungs- als auch der Novellenregeln, ausgegangen.62 Dies führe zu einer grundsätzlichen Anwendbarkeit des gesamten Rechtsinstituts in der Inlandsinsolvenz von Auslandsgesellschaften.63 InsR-HdB, §  133 Rn.  112: Regelungsziele der jeweiligen Sachnorm; ferner Haß/Herwege, in Haß/ Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  4 Rn.  15: Regelungskern; Kienle, in Süß/Wachter, HdB int. GmbHR, §  3 Rn.  46. Im Prinzip auch Schurig, in Kegel/Schurig, IPR, §  7 III 3 b. Vgl. zur funktionalen Qualifikation bereits oben ad C.VI.3.a.cc. und ad E.I.4. je m. w. N. 61 Nach Einführung der Novellenregeln hat dieses Problem erstmals Schücking, ZIP 1994, 1156 ff. ins Blickfeld gerückt. Richtig Fahrt nahm die Diskussion aber erst nach den Urteilen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ des EuGH auf, als es um die Frage des auf Auslandsgesellschaften anwendbaren Rechts ging. 62  Haas, NZI 2001, 1 (10); Haas, NZI 2002, 457 (466); wohl auch Wienberg/Sommer, NZI 2005, 353 (356 f.). Für eine Anwendbarkeit des Eigenkapitalersatzrechts in der Insolvenz der Limited auch: Wilms, englische Ltd in dt. Insolvenz, S.  171 mit eingehender Begründung anhand des Normzwecks (S.  159 ff.), wobei unklar bleibt, ob die Anwendbarkeit aus einer insolvenzrechtlichen Qualifikation oder aus einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation i. V. m. der von ihm entwickelten „Wesenstheorie“ (a. a. O., S.  87 ff.) folgt. Die Argumente (dazu sogleich) lassen sich jedenfalls weitgehend auch auf eine insolvenzrechtliche Qualifikation unter der Einheitslehre übertragen. I.E. kommt auch das Konzept von Altmeppen, NJW 2004, 97 (103); Altmeppen/Wilhelm, DB 2004,

II.  Meinungsstand zur kollisionsrechtlichen Behandlung des Eigenkapitalersatzrechts 205

Haas hat ausführlich die Unterschiede zwischen dem Eigenkapitalersatzrecht und dem Recht der Kapitalerhaltung herausgearbeitet.64 Er kam dabei zu dem Ergebnis, es bestehe beim Eigenkapitalersatzrecht kein Zusammenhang zum „Wesen der Mitgliedschaft“ oder der Haftungs- und Finanzverfassung.65 Die Haftungsbeschränkung rechtfertige sich durch die Regeln zur Kapitalaufbringung und -erhaltung, zu denen das Eigenkapitalersatzrecht aber in keinem Zusammenhang außer dem Normstandort und den identischen Rechtsfolgen i.R.d. analogen Anwendung des §  30 GmbHG stünde.66 Entscheidend für das Eigenkapitalersatzrecht sei, im Gegensatz zur Kapitalerhaltung, vielmehr die Finanzierungsentscheidung als subjektives Tatbestandsmerkmal.67 Ein Zusammenhang des Kapitalersatzrechts zur Finanzverfassung sei weder unter dem Gesichtspunkt eines „Rechtsschein(s) der Kreditwürdigkeit“ noch aus einem „Grundsatz der ordnungsgemäßen Unternehmensfinanzierung“ zu begründen.68 Während es an unmittelbaren Zusammenhängen zum Gesellschaftsrecht fehle, bestünden demgegenüber enge Zusammenhänge zum Insolvenzrecht bzw. der insolvenzrechtlichen Haftungsordnung.69 Dies zeige sich bereits am zeitlichen Zusammenhang. Die Krise setze ähnlich wie die Überschuldung eine negative Prognose voraus, womit beide Zeiträume gleichliefen.70 Aber auch sachlich bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang. Der Normzweck sei auf einen Schutz der insolvenzrechtlichen Haftungsordnung vor „Einflussnahmen des Gesellschafters“ aufgrund seines Informationsvorsprungs71 bzw. auf die Verhinderung einer Abwälzung der „mit einer Fremdfinanzierung verbundenen negativen Folgen auf die Gläubigergesamtheit“72 gerichtet. Aus diesen Normzwecküberlegungen folgte nach Haas eine insolvenzrechtliche Qualifikation,73 wobei er im Grundsatz anerkennt, dass sich das dem „Anfechtungsrecht typische Spannungs63

1083 (1088) einer insolvenzrechtlichen Qualifikation nahe. Demnach soll insbesondere das Gläubigerschutzrecht generell auch auf Auslandsgesellschaften anwendbar sein (wohl im Wege einer Sonderanknüpfung bzw. einer fortgeltenden Anknüpfung an den Verwaltungssitz); vgl. zum Ansatz Altmeppens und Wilhelms oben Kapitel D. Fn.  59. Kollisionsrechtlich will auch Borges, ZIP 2004, 733 (743) das Eigenkapitalersatzrecht „an den Sitz“ der Gesellschaft anknüpfen (wobei er offen lässt, ob als Sonderanknüpfung oder in Anwendung des Insolvenzstatuts), dabei geht er aber dann von einer Unvereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit aus, so dass das Eigenkapitalersatzrecht gegenüber Auslandsgesellschaften doch nicht anwendbar ist. 63  Haas, NZI 2001, 1 (10) mit Hinweis auf Art.  13 EuInsVO in Fn.  138, a. A. trotz insolvenzrechtlicher Qualifikation wegen der Niederlassungsfreiheit: Borges, oben Kapitel E. Fn.  62. 64  Vgl. ausführlich Haas, NZI 2001, 1 (3 f.). 65 Eingehend Haas, NZI 2001, 1 (3 ff.). 66  Haas, NZI 2001, 1 (3): Analoge Anwendung des Kapitalerhaltungsrechts als „formaler Aufhänger“. 67  Haas, NZI 2001, 1 (3). 68 Eingehend Haas, NZI 2001, 1 (4 f.). 69  Haas, NZI 2001, 1 (5 ff.); Haas, NZI 2002, 457 (464, 466). vgl. zu der Übertragung dieses Ansatzes auf das neue Recht in materiell-rechtlicher Hinsicht oben ad B.III.2.d. 70  Haas, NZI 2001, 1 (5 ff.). 71  Haas, NZI 2001, 1 (8 f.). 72  Haas, NZI 2002, 457 (466). 73  Haas, NZI 2001, 1 (10) mit Blick auf die (damals) bevorstehenden Änderungen im interna-

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

verhältnis zwischen dem Vertrauen auf Privatautonomie des Schuldners und der Verwirklichung der insolvenzrechtlichen Haftungsordnung“ im Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft anders darstelle.74 Dem ähnlich stellte auch Wilms75 primär auf die den Tatbestand prägende Finanzierungsentscheidung in einer Krisensituation und die dadurch ausgelöste Erhöhung des Ausfallsrisikos der übrigen Gläubiger ab.76 Dies und der sich hieraus ergebende Normzweck, „die Fortsetzung der sanierunsreifen, kapitalbedürftigen Gesellschaft in der Krise zu verhindern“, zeige die Unabhängigkeit des Eigenkapitalersatzrechts von einem festen Mindestkapital und den Regeln der Kapitalerhaltung.77 Auch vereitle das erst in der Krise greifende Eigenkapitalersatzrecht die darlehensbasierte Unternehmensfinanzierung nicht komplett, was als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit zu werten wäre.78 Das Eigenkapitalersatzrecht knüpfe damit nicht primär an der mitgliedschaftlichen Gesellschafterstellung an, sondern reagiere auf ein bestimmtes Finanzierungsverhalten in der Krise, womit es gerade „keine rechtsformspezifischen Einschnitte in das Gesellschaftsrecht“ auslöse.79 Für dieses Ergebnis streite auch der enge Zusammenhang zu Art.  4 II lit.  i, m ­EuInsVO.80 2.  Gesellschaftsrechtliche Qualifikation des gesamten Eigenkapitalersatzrechts Die Gegenansicht ging davon aus, das gesamte Eigenkapitalersatzrecht sei gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren und damit in der Inlandsinsolvenz einer EU-Auslandsgesellschaft nicht anwendbar.81 Zur Begründung wurde auf die Betroffenheit tionalen Gesellschaftsrecht; Haas, NZI 2002, 457 (466); ähnlich die Überlegungen bei Wienberg/ Sommer, NZI 2005, 353 (356 f.). 74  Haas, NZI 2001, 1 (8 f.). 75  Vgl. dazu, dass die dogmatische Begründung der Anwendbarkeit des Eigenkapitalersatzrechts in der Insolvenz der Limited bei Wilms nicht ganz klar wird, oben Kapitel E. Fn.  62. 76  Wilms, englische Ltd in dt. Insolvenz, S.  160. 77  Wilms, englische Ltd in dt. Insolvenz, S.  160 f. 78  Wilms, englische Ltd in dt. Insolvenz, S.  162. 79  Wilms, englische Ltd in dt. Insolvenz, S.  163 ff., 169. 80  Wilms, englische Ltd in dt. Insolvenz, S.  169. 81  Drygala, ZEuP 2004, 337 (347 f.); Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337 (1345); Geyrhalter/ Gänßler, NZG 2003, 409 (411 f.); Kessler/Eicke, DStR 2005, 2101 (2106); Meilicke, GmbHR 2003, 793 (805); Paefgen, ZIP 2004, 2253 (2261). Vgl. ferner Trunk, int. InsR, S.  192 f., der ausdrücklich nur die Novellenregeln dem Gesellschaftsstatut zuordnet; wohl auch Westermann, GmbHR 2005, 4 (15), allerdings unter Missbrauchsvorbehalt; ferner ders., in Scholz GmbHG 10.A., Einl. Rn.  131 ff.; vor allem rechtsdogmatisch an einer insolvenzrechtlichen Einordnung zweifelnd: K. Schmidt, GmbHR 2005, 797 (805 f.), allerdings mit der Bereitschaft, ein solches rechtspolitisch gewolltes Ergebnis zu akzeptieren; ferner bereits K. Schmidt, FS Großfeld, S.  1031 (1042) und ders., ZHR 168 (2004), 493 (497): „Der ausschlaggebende Bindungstatbestand ist eine Regel der Unternehmensfinanzierung, nicht eine spezifische Insolvenzregel“. Ebenfalls noch Zimmer, int. GesR, S.  292, später unterscheidend zwischen Rechtsprechungs- und Novellenregeln unter Annahme einer Vorfrage für die Novellenregeln, vgl. unten Kapitel E. Fn.  88 und Fn.  104. Wohl auch: Köke, ZInsO 2005, 354 (356); Wachter, GmbHR 2004, 88 (92, 101 mit Fn.  99); K. J. Müller, BB 2006, 837 (838), der allerdings in der Argumentation auch von einer den Anfechtungs-

II.  Meinungsstand zur kollisionsrechtlichen Behandlung des Eigenkapitalersatzrechts 207

der Finanzverfassung82 und darauf verwiesen, der betroffene Personenkreis, der Inhalt und die „zeitliche(n) Dauer der Bindung“ bestimmten „sich nach dem Vorbild des Gesellschaftsrechts“83. Es genüge für eine Anwendbarkeit noch nicht, dass eine „allgemeine Funktionsäquivalenz“ der jeweiligen Gesellschaftsform vorliege, vielmehr müsse eine Substitution „wohl speziell unter dem Gesichtspunkt des Kapitalerhaltungsgrundsatzes erfolgen“, den es nicht überall gebe, so dass eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation „in sich stimmiger“ sei.84 Das gesamte Recht der Gesellschafterdarlehen stehe in einem „untrennbaren Zusammenhang mit den gesellschaftsrechtlichen Kapitalisierungs- und Bilanzierungsbestimmungen“.85 Außerdem griffen gerade die Rechtsprechungsregeln bereits ab dem Zeitpunkt der Kreditunwürdigkeit, der der eigentlichen Insolvenzreife unter Umständen vorgelagert sei.86 3.  Unterscheidung nach Rechtsprechungs- und Novellenregeln Überwiegend wurde zwischen den Rechtsprechungs- und den Novellenregeln unterschieden.87 Die Rechtsprechungsregeln sollen demnach dem Gesellschaftsstatut unterfallen, während die Novellenregeln grundsätzlich dem Insolvenzstatut zuzuordnen seien.88 tatbestand materiell ausschließlich ausfüllenden Vorfrage spricht. Wohl prinzipiell für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation, aber ggf. eine Sonderanknüpfung erwägend: W.-H. Roth, IPRax 2003, 117 (125); Haß/Herweg, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  4 Rn.  15; vor dem Urteil Inspire Art bereits eine Sonderanknüpfung andenkend: Forsthoff, DB 2002, 2471 (2477); ders., DB 2003, 979 (981). Zwar für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation, aber mit anderem Ergebnis hinsichtlich der Anwendbarkeit Altmeppen, NJW 2004, 97 (103); Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 (1088), die insbesondere das Gläubigerschutzrecht zwar dem Gesellschaftsstatut unterstellen, insoweit aber weiterhin auf den Verwaltungssitz abstellen (vgl. dazu bereits oben Kapitel E. Fn.  63 m. w. N. zu dem Vorschlag einer Sonderanknüpfung (bestimmter Materien des) Gläubigerschutzrechts). Vgl. zum Ansatz Altmeppens und Wilhelms ferner bereits oben Kapitel D. Fn.  59. Ohne Zuordnung zu einem bestimmten Statut sprachen sich gegen eine Anwendbarkeit des alten Eigenkapitalersatzrechts auf die Scheinauslandsgesellschaft aus: Kallmeyer, DB 2002, 2521 (2522, Fn.  9): „mehr als zweifelhaft“; Mellert/Verfürth, Wettbewerb der Gesellschaftsformen, S.  248 (tendenziell wohl unter Zuordnung zum Gesellschaftsstatut); unter Annahme eines Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit: Schall, ZIP 2005, 965 (974 f.); ausdrücklich für §§  32a, 32b GmbHG: Seibert, ZIP 2006, 1157 (1162). 82  K. J. Müller, BB 2006, 837 (838). 83  Westermann, GmbHR 2005, 4 (15). 84  Trunk, int. InsR, S.  192 f. für die Novellenregeln. 85  Behrens, in Ulmer/Habersack/Winter GmbHG, Einl. B. Rn. B 86, der aber i. E. differenziert nach Rechtsprechungs- und Novellenregeln unter Annahme einer gesellschaftsrechtlichen Vor­ frage bei den Novellenregeln; ähnlich Haß/Herweg, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  4 Rn.  15. 86  Paefgen, ZIP 2004, 2253 (2261). 87  Einer solchen Unterscheidung stand Haas, NZI 2002, 457 (466) wegen der engen Zusammenhänge von Rechtsprechungs- und Novellenregeln kritisch gegenüber. 88  Zuerst wohl Schücking, ZIP 1994, 1156 (1157 ff.), der allerdings ggf. eine „Überlagerung“ durch ein Konzernstatut annahm (a. a. O., S.  1160 f.). Ausführlich begründet bei U. Huber, in Lut-

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

Begründet wurde diese Trennung damit, die Rechtsprechungsregeln knüpften sowohl vom Tatbestand als auch von der Rechtsfolge her in Form einer Analogie an die Kapitalerhaltungsregeln an, welche ihrerseits bereits nicht auf Auslandsgesellschaften angewandt werden können.89 Demgegenüber hingen die Novellenregeln mit dem Insolvenzverfahren zusammen und kämen ohne Bezug zu einem Garantiekapital aus, womit diese auch problemlos auf EU-Auslandsgesellschaften angewendet werden könnten.90 Während aus den Rechtsprechungsregeln eine präventive Ausschüttungssperre folge, sei dies bei den Novellenregeln gerade nicht der ter, Auslandsgesellschaften, S.  131 ff.; ferner bereits ders., FS Gerhardt, S.  399 (416 ff.). Ebenso: Behrens, in Ulmer/Habersack/Winter GmbHG, Einl. B. Rn. B 86 (ausdrücklich nur für den Nachrang); Bicker, Gläubigerschutz, S.  244 ff.; M. Fischer, ZIP 2004, 1477 (1479 f.); Forsthoff/Schulz, in Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, §  16 Rn.  41 (in der 1. Auflage gingen Forsthoff/Schulz noch (inzwischen aufgegeben, vgl. a. a. O., Fn.  149) davon aus, dass für die Insolvenz­ anfechtungstatbestände wegen Art.  13 EuInsVO kumulativ das Gesellschaftsstatut zu berücksichtigen sei (vgl. Forsthoff/Schulz, in Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften 1.A., §  15 Rn.  38)); Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck GmbHG 18. A., §  32a Rn.  91; Lanzius, Anwendbares Recht, S.  254 ff.; Lieder, DZWIR 2005, 399 (407); Mock/Schildt, in Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, §  17 Rn.  115; Pannen, FS Gero Fischer, S.  403 (418); Pannen/Riedemann, in Pannen EuInsVO, Art.  4 Rn.  91 f.; Spahlinger/Wegen, in Spahlinger/Wegen int. GesR, Rn.  314 f. (allerdings mit kumulativer Berücksichtigung des Gesellschaftsstatut über Art.  13 EuInsVO bzw. §  339 InsO); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207), der allerdings ggf. die Möglichkeit sieht, §§  30, 31 GmbHG ohne Verletzung der Niederlassungsfreiheit auf Scheinauslandsgesellschaften anzuwenden (vgl. a. a. O., S.  1208 ff.); ders., KTS 2004, 291 (298 ff.); Wedemann, IPRax 2012, 226 (227 ff., 233, 235); Zöllner, GmbHR 2006, 1 (5 f.). Wohl ebenfalls mit einer solchen Lösung sympathisierend: Röhricht, ZIP 2005, 505 (512). Wohl im Grundsatz auch unterscheidend der BGH: Ausdrücklich für die Rechtsprechungsregeln stellt BGH, Urteil vom 25.6.2001 – II ZR 38/99, BGHZ 148, 167 (168, juris Rn.  4) auf das Personalstatut der Gesellschaft ab, für die Novellenregeln hingegen BGH, Urteil vom 21.7.2011 – IX ZR 185/10 (verbreitet, aber nicht amtlich: „PIN“), BGHZ 190, 364 (Rn.  14 ff.) im Sinne insolvenzrechtlicher Qualifikation. Ferner wohl auch: Eidenmüller, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, §  4 Rn.  14, §  9 Rn.  42; ders., RabelsZ 70 (2006), S.  474 (491 ff.) (anders noch ders., ZIP 2002, 2233 (2242 mit Fn.  63) wo über eine Sonderanknüpfung der §§  32a, b GmbHG a. F. nachgedacht wird); H.-F. Müller, NZG 2003, 414 (417); Prütting, in Breitenbücher/Ehricke, Insolvenzrecht 2003, S.  59 (83 f.); Reinhart, in MüKo InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  7; Schumann, DB 2004, 743 (745, 748); Zimmer, NJW 2003, 3585 (3589). Alleine die Novellenregeln betrachtend: LG Köln, Urteil vom 4.12.2009 – 87 O 209/08 (unveröffentlicht, abrufbar über juris, juris Rn.  31 ff.); Kindler, in MüKo BGB 4. A., Bd. 11, int. WirtschaftsR, int. Handels- und GesR, Rn.  708 ff.; ders., in Sonnenberger, Vorschläge und Berichte int. GesR, S.  496 (524 ff.) – zuvor erwog Kindler eine Mehrfachqualifikation, vgl. m. w. N. unten ad E.II.4.; C. Paulus, ZIP 2002, 729 (734); M.-P. Weller, IPRax 2004, 412 (414); ders., IPRax 2003, 520 (524) noch mit Bedenken hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit. 89  M. Fischer, ZIP 2004, 1477 (1480); ähnlich: Forsthoff/Schulz, in Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, §  16 Rn.  43 mit zusätzlichem Hinweis auf einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit; Lieder, DZWIR 2005, 399 (407); Pannen, FS Gero Fischer, S.  403 (418); Röhricht, ZIP 2005, 505 (512). Ausführlich die Erwägungen bei U. Huber, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  131 (143 ff.), auch mit Erwägungen gegen eine Sonderanknüpfung der Kapitalerhaltungs- und der Rechtsprechungsregeln (S.  152 ff.). 90  M. Fischer, ZIP 2004, 1477 (1480); Lieder, DZWIR 2005, 399 (407); Röhricht, ZIP 2005, 505 (512); eingehend auch Forsthoff/Schulz, in Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, §  16 Rn.  44 ff. und U. Huber, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  131 (165 ff.).

II.  Meinungsstand zur kollisionsrechtlichen Behandlung des Eigenkapitalersatzrechts 209

Fall.91 Deren Rechtsfolgen stünden vielmehr in einer engen Beziehung zum materiellen Insolvenzrecht.92 Für die Novellenregeln gäbe ferner Art.  4 II lit.  g, i (und m) EuInsVO ein solches Ergebnis verbindlich vor.93 Daneben wurde auch hier für die Novellenregeln auf den Zweck hingewiesen, eine Schmälerung der Masse „durch Insider in der Krise“ zu verhindern.94 Ähnlich argumentiert der BGH im sog. „PIN“-Urteil, wo vor allem auf die autonome Auslegung des Unionsrechts hingewiesen wird, welches mit Art.  4 II lit.  g und i EuInsVO die Novellenregeln (im Urteil ging es um den Nachrang) insolvenzrechtlich qualifiziere.95 Aber auch bei Zugrundelegung des deutschen internationalen Privatrechts96 komme man auf Grund des materiellen Gehalts97 zum selben Ergebnis: Zwar seien die Novellenregeln „auf das Gesellschaftsrecht bezogen, weil durch sie eigenkapitalersatzrechtliche Bindungen von Gesellschafterdarlehen anerkannt“ würden, die Rechtsfolgen aber seien insolvenzrechtlicher Natur.98 Sie griffen erst im eröffneten Insolvenzverfahren, davor sei eine Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen nach den Novellenregeln grundsätzlich noch zulässig.99 Insbesondere die Insolvenzanfechtung gehe „unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervor und stehe(n) mit diesem in unlösbarem Zusammenhang“.100 Die Novellenregeln folgten nicht (mittelbar) aus der gesellschaftsrechtlichen Finanzierungsverantwortung, sondern hätten den Zweck der Fortführungsverhinderung von sanierungsreifen Unternehmen.101 Die Kapitalersatzfunktion knüpfe nicht an das (Mindest-) Stammkapital an, sondern vielmehr an die fehlenden Fremdfinanzierungsmöglich91  M. Fischer, ZIP 2004, 1477 (1480); ferner Röhricht, ZIP 2005, 505 (512); vgl. auch U. Huber, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  131 (144, Fn.  38). 92  So bereits Schücking, ZIP 1994, 1156 (1159). A.A. dahingehend, dass die insolvenzrechtliche Natur der Rechtsfolgen nicht für eine insolvenzrechtliche Qualifikation genügt, ausdrücklich Paefgen, ZIP 2004, 2253 (2261). 93  U. Huber, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  131 (165 ff.); Forsthoff/Schulz, in Hirte/ Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, §  16 Rn.  45 ff.; Lieder, DZWIR 2005, 399 (407); ferner Ulmer, KTS 2004, 291 (300). Nur den Nachrang und damit lit.  g und i betrachtet der BGH, Urteil vom 21.7.2011 – IX ZR 185/10, BGHZ 190, 364 (Rn.  18 f.). 94  Ulmer, KTS 2004, 291 (300). 95  BGH, Urteil vom 21.7.2011 – IX ZR 185/10 (verbreitet, aber nicht amtlich: „PIN“), BGHZ 190, 364 (Rn.  18 f.); ähnlich aber ohne die vom BGH angestellte Differenzierung nach autonomer unionsrechtlicher Auslegung und nationaler international-privatrechtlicher Auslegung das vorgehende OLG Köln, Urteil vom 28.9.2010 – 18 U 3/10, NZI 2010, 1001 (1002, juris Rn.  28) hinsichtlich lit.  i und LG Köln, Urteil vom 4.12.2009 – 87 O 209/08 (unveröffentlicht, abrufbar über juris, juris Rn.  39). 96  BGH, Urteil vom 21.7.2011 – IX ZR 185/10, BGHZ 190, 364 (Rn.  21). 97  BGH, Urteil vom 21.7.2011 – IX ZR 185/10, BGHZ 190, 364 (Rn.  31). 98  BGH, Urteil vom 21.7.2011 – IX ZR 185/10, BGHZ 190, 364 (Rn.  32); ähnlich die Argumentation des vorgehenden OLG Köln, Urteil vom 28.9.2010 – 18 U 3/10, NZI 2010, 1001 f. (juris Rn.  17, 27) und des LG Köln, Urteil vom 4.12.2009 – 87 O 209/08 (unveröffentlicht, abrufbar über juris, juris Rn.  39). 99  BGH, Urteil vom 21.7.2011 – IX ZR 185/10, BGHZ 190, 364 (Rn.  32); ähnlich das vorgehende OLG Köln, Urteil vom 28.9.2010 – 18 U 3/10, NZI 2010, 1001 (1002, juris Rn.  28). 100  BGH, Urteil vom 21.7.2011 – IX ZR 185/10, BGHZ 190, 364 (Rn.  33). 101  BGH, Urteil vom 21.7.2011 – IX ZR 185/10, BGHZ 190, 364 (Rn.  35).

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

keiten in der Unternehmenskrise, was den insolvenzrechtlichen Bezug verdeutliche.102 Das vorgehende OLG Köln stellte zudem auf das Sanierungsprivileg und den Schutzzweck zugunsten der Gesellschafts(dritt)gläubiger ab, die ebenfalls für eine insolvenzrechtliche Qualifikation der Novellenregeln sprächen.103 Unter den Vertretern einer solchen Unterscheidung nach Rechtsprechung- und Novellenregeln war allerdings umstritten, ob es sich beim Eigenkapitalersatzcharakter um eine eigenständig anzuknüpfende, gesellschaftsrechtliche Vorfrage handelt oder nicht. a.  Eigenkapitalersatzcharakter als eigenständig anzuknüpfende, gesellschaftsrechtliche Vorfrage Dies wurde überwiegend bejaht.104 Zur Begründung führte man an, die Regeln des Eigenkapitalersatzrechts seien „Ausdruck der besonderen Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter“ und daher wie alle Regeln zur „Finanzierung einer Kapitalgesellschaft mit Eigen- und/oder Fremdkapital“ bzw. zur angemessenen Kapitalausstattung „im Kern gesellschaftsrechtlicher Natur“.105 Wie für die Frage einer etwaigen Mindestkapitalausstattung gelte dies auch für die Frage, ob einer Gesellschaft in Krisenzeiten zwingend Eigenkapital zuzuführen sei.106 Eine „Sonderanknüpfung dieser Frage“ sei auch „niederlassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig“.107 Ferner wurde darauf hingewiesen, dass jedenfalls die Rechtsprechungsregeln zum Eigenkapitalersatz auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens Wirkungen entfalten.108 So könne es bei einer alleinigen Beurteilung nach dem Insolvenzstatut zu Wertungswidersprüchen mit dem Gesellschaftsstatut kommen, 102  BGH, Urteil vom 21.7.2011 – IX ZR 185/10, BGHZ 190, 364 (Rn.  36); ähnlich das vorgehende OLG Köln, Urteil vom 28.9.2010 – 18 U 3/10, NZI 2010, 1001 (1002 f., juris Rn.  30). 103  OLG Köln, Urteil vom 28.9.2010 – 18 U 3/10, NZI 2010, 1001 (1003, juris Rn.  30 f.). 104  Behrens, in Ulmer/Habersack/Winter GmbHG, Einl. B. Rn. B 86; Lieder, DZWIR 2005, 399 (407); Mock/Schildt, in Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, §  17 Rn.  115. Wohl auch auf Basis einer Unterscheidung von Novellen- und Rechtsprechungsregeln für die Novellenregeln: Eidenmüller, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, §  9 Rn.  42 ff.; ders., RabelsZ 70 (2006), S.  474 (491 ff.); ders., in Sonnenberger, Vorschläge und Berichte int. GesR, S.  469 (489 ff.); H.-F. Müller, NZG 2003, 414 (417); Prütting, in Breitenbücher/Ehricke, Insolvenzrecht 2003, S.  59 (83 f.); Reinhart, in MüKo InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  7; Schumann, DB 2004, 743 (748); Zimmer, NJW 2003, 3585 (3589). Ebenfalls noch Pannen/Riedemann, MDR 2005, 496 (498); Riedemann, GmbHR 2004, 345 (349), später aber gegen eine Vorfrage, vgl. unten Kapitel E. Fn.  111. 105  Eidenmüller, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, §  9 Rn.  43; ähnlich H.-F. Müller, NZG 2003, 414 (417); Pannen/Riedemann, MDR 2005, 496 (498); Riedemann, GmbHR 2004, 345 (349); Schumann, DB 2004, 743 (748); Zimmer, NJW 2003, 3585 (3589). 106  Eidenmüller, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, §  9 Rn.  43. 107  Eidenmüller, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, §  9 Rn.  4 4; vgl. ferner Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (181 f.); ähnlich Pannen/Riedemann, MDR 2005, 496 (498); Riedemann, GmbHR 2004, 345 (349); Zimmer, NJW 2003, 3585 (3589). 108  Eidenmüller, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, §  9 Rn.  43; ähnlich Schumann, DB 2004, 743 (748).

II.  Meinungsstand zur kollisionsrechtlichen Behandlung des Eigenkapitalersatzrechts 211

insbesondere bei einer Sitzverlegung innerhalb der Krise.109 Generell wäre es erstaunlich, wenn das Gesellschaftsstatut eine Kreditfinanzierung uneingeschränkt zuließe, in der Insolvenz aber eine Anfechtung nach dem Insolvenzstatut drohe.110 Im Ergebnis kommt diese Ansicht derjenigen nahe, die insgesamt das Eigenkapitalersatzrecht dem Gesellschaftsstatut zuordnen wollte. Bei Annahme einer Vorfrage musste für eine Anwendbarkeit der inländischen Normen in der Insolvenz einer EU-Auslandsgesellschaft eine Bindung von Gesellschafterdarlehen nach deren Gründungsrecht bestehen. Vor allem die Rechtsfolgen richteten sich dann nach dem inländischen Insolvenzrecht. b.  Eigenkapitalersatzcharakter als bloßes Tatbestandsmerkmal Von anderen wurde diese Sichtweise abgelehnt.111 Der Eigenkapitalersatzcharakter sei ein bloßes auslegungsbedürftiges Tatbestandsmerkmal,112 das überdies in §  32a I GmbHG a. F. bzw. §§  39 I Nr.  5, 135 InsO a. F. vollständig definiert sei113. Eine gesellschaftsrechtliche Vorfrage stelle sich überhaupt nicht.114 Der Begriff „Eigenkapital“ sei in Abgrenzung zu „Fremdkapital“ „materiell, wirtschaftlich“ zu verstehen und nicht mit dem Begriff „Stammkapital“ zu verwechseln.115 Eigenkapital und auch eigenkapitalersetzende Darlehen gebe es auch in Gesellschaften, in denen es gerade kein festes Stamm- oder Grundkapital gebe.116 Für die Novellenregeln sei deshalb charakteristisch, dass sie auch ohne ein Mindestkapital problemlos anwendbar sind.117 Die Novellenregeln würden die Fremdfinanzierung gerade nicht 109 

Schumann, DB 2004, 743 (748). H.-F. Müller, NZG 2003, 414 (417); ähnlich: Schumann, DB 2004, 743 (748). 111  Eingehend begründet von U. Huber, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  131 (172 ff., 182); ebenso: LG Köln, Urteil vom 4.12.2009 – 87 O 209/08 (unveröffentlicht, abrufbar über juris, juris Rn.  40); M. Fischer, ZIP 2004, 1477 (1480); Forsthoff/Schulz, in Hirte/Bücker, grenzüberschreitende Insolvenzen, §  16 Rn.  47; Lanzius, Anwendbares Recht, S.  256 f.; Wedemann, IPRax 2012, 226 (228). Im Prinzip hat eine Vorfrage auch schon Schücking, ZIP 1994, 1156 (1162, ad XI. 3.) abgelehnt. Inzwischen auch: Pannen, FS Gero Fischer, S.  403 (418); ders./Riedemann, in Pannen EuInsVO, Art.  4 Rn.  93 (dies. zuvor noch für das Vorliegen einer Vorfrage, vgl. die Nachweise oben Kapitel E. Fn.  104). Wohl auch: BGH, Urteil vom 21.7.2011 – IX ZR 185/10, BGHZ 190, 364 (Rn.  35 f.); Zöllner, GmbHR 2006, 1 (5 f.); Walterscheid, DZWIR 2006, 95 (98 f.). Auf Basis einer insolvenzrechtlichen Qualifikation des gesamten Eigenkapitalersatzrechts lehnen eine Vorfrage wohl auch Wienberg/Sommer, NZI 2005, 353 (357) ab. 112 Vgl. Pannen, FS Gero Fischer, S.  403 (418); Pannen/Riedemann, in Pannen EuInsVO, Art.  4 Rn.  93. 113  Forsthoff/Schulz, in Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, §  16 Rn.  47; Lanzius, Anwendbares Recht, S.  257; ähnlich: Wedemann, IPRax 2012, 226 (228); in diese Richtung für §  135 InsO (a. F.) auch: Walterscheid, DZWIR 2006, 95 (98); Pannen/Riedemann, in Pannen EuInsVO, Art.  4 Rn.  93. 114  U. Huber, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  131 (182). 115  U. Huber, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  131 (176). 116  M. Fischer, ZIP 2004, 1477 (1480); U. Huber, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  131 (177). 117  M. Fischer, ZIP 2004, 1477 (1480); Wienberg/Sommer, NZI 2005, 353 (357). 110 

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

gänzlich verbieten, sondern nur im Insolvenzfall die Rückforderung, Sicherung und Rückzahlung „den Schranken der §§  39 Abs.  1 Nr.  5, 135 InsO“ unterwerfen, um den Drittgläubigern Vorrang zu gewähren.118 Soweit man von einer Vorfrage ausgehe, schneide man dem Insolvenzverwalter eine „gesetzlich garantierte Anfechtungsmöglichkeit“ ab, was „aus Gründen der Rechtssicherheit und des Gläubigerschutzes nicht vertretbar“ sei.119 4.  Doppelqualifikation Kindler erwog zum Eigenkapitalersatzrecht eine sog. Doppelqualifikation.120 Dies würde der Situation gerecht, in der eine „Sachnorm mehrere Zwecke gleichrangig verfolgt“.121 Die Folge dessen ist die Anwendbarkeit der Norm, wenn deutsches Recht entweder das Gesellschafts- oder das Insolvenzstatut stellt.122 Eingehend begründet wurde dieser Vorschlag indes nie.

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung des Gesellschafterdarlehensrechts unter der EuInsVO Nachdem mit dem MoMiG das Gesellschafterdarlehensrecht weitgehend reformiert wurde,123 was nicht ohne Einfluss auf das Wertungskonzept der Regelungen blieb,124 stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit auf EU-Auslandsgesellschaften unter veränderten Bedingungen.

118 

U. Huber, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  131 (173 ff.). Wienberg/Sommer, NZI 2005, 353 (357). Diese Argumentation aus Sicht des Insolvenzverwalters ist freilich in der Sache wenig überzeugend, wenn nicht sogar zirkulär. 120  Kindler, NZG 2003, 1086 (1090); ders., FS Jayme Bd. I, S.  411 (418); später offenbar zumindest für die Novellenregeln aufgegeben: ders., in Sonnenberger, Vorschläge und Berichte int. GesR, S.  497 (524 ff.). 121  Kindler, NZG 2003, 1086 (1090) – in der Überschrift irreführend als „Mehrfachanknüpfung“ bezeichnet, präziser dagegen im Text; ders., FS Jayme Bd. I, S.  411 (410). 122  Vgl. zur Doppelqualifikation der Durchgriffshaftung bei materieller Unterkapitalisierung (deliktsrechtlich und gesellschaftsrechtlich) Kindler, FS Jayme Bd. I, S.  411 (414). 123  Oben ad B.I.5. 124  Oben ad B.III.2.j. 119 

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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1.  Stand der Diskussion a.  Anwendbarkeit aufgrund insolvenzrechtlicher Qualifikation Ohne größeren Widerspruch125 wird in der Literatur und Rechtsprechung von einer grundsätzlichen126 Anwendbarkeit des reformierten Gesellschafterdarlehensrechts in der Inlandsinsolvenz einer EU-Auslandsgesellschaft ausgegangen.127 Häufig 125 Nur Zahrte, ZInsO 2009, 223 ff. kommt hinsichtlich des Nachrangs zu einem kollisionsrechtlich abweichenden Ergebnis, worauf im Rahmen der Kritik an der h. M. und der Entwicklung eines Gegenmodells zurückzukommen sein wird. Wenigstens Zweifel (hinsichtlich der kollisionsrechtlichen Behandlung und/oder hinsichtlich der Vereinbarkeit einer Anwendung mit der Niederlassungsfreiheit) melden Behrens IPRax 2010, 230 (231) (ohne derartige Zweifel aber nunmehr ders./Hoffmann, unten Kapitel E. Fn.  127); Meilicke, GmbHR 2007, 225 (231 f.): „Die Unterwerfung von Auslandsgesellschaften unter das Eigenkapitalersatzrecht der InsO würde einer Überprüfung durch den EuGH wohl kaum standhalten”; Mock, DStR 2008, 1645 (1646): „fragwürdig“, Preuß, in Kübler/Prütting/Bork InsO, §  39 Rn.  47 in Anbetracht des möglichen Eingriffs in die Finanzverfassung; J. Roth, GmbHR 2008, 1184 (1192); Salz, Gesellschafterdarlehen, S.  259 f. und Ulbrich, Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts, S.  108 ff. an. Ferner auf Basis seines Auslegungsansatzes (vgl. oben ad B.III.2.g.bb.), der das erklärte Ziel der Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften besser erreichen würde, hinsichtlich der gängigen Auslegung zweifelnd: Krolop, ZIP 2007, 1738 (1745): „trojanisches Pferd” und „bloßes Umtopfen”; ders., GmbHR 2009, 397 (405). Vgl. ferner zur abweichenden kollisionsrechtlichen Begründung der Anwendbarkeit von Altmeppen, sogleich Kapitel E. Fn.  127 und die Nachweise i.R.d. Kritik an der h. M. 126  Vgl. zu den Auswirkungen des Art.  13 EuInsVO sogleich unten im Abschnitt und ad E. III.1.a. und b. 127  BGH, Urteil vom 21.7.2011 – IX ZR 185/10, BGHZ 190, 364 (obiter dictum Rn.  30); AG Hamburg, Beschluss vom 26.11.2008 – 67g IN 352/08, NZG 2009, 197 197 (juris Rn.  4 ff.); Ahrens, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, §  39 InsO Rn.  29 f.; Andres, in Nerlich/Römermann InsO, §  44a Rn.  7; Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  320 ff.; Bäuerle, in Braun InsO, §  39 Rn.  19 f.; Behrens/Hoffmann, in Ulmer/Habersack/Löbbe GmbHG, Einl. B Rn. B 110; Birkendahl, Reform, S.  55; Bitter, in MüKo InsO, §  44a Rn.  9; Bork, ZGR 2007, 250 (252); Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  9; Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  195 ff.; J. P. Engert, Eigenkapitalersatzrecht, S.  136 ff.; Dahl, in Michalski GmbHG, Anh. II §§  32a, 32b aF Rn.  10; Ehricke, in MüKo InsO, §  39 Rn.  60 f.; Gehrlein, in MüKo InsO, §  135 Rn.  32; Georg, Gesellschafterdarlehen, S.  186; Gruber, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, Anh. I, Art.  4 EuInsVO Rn.  40; Habersack, in Ulmer/Habersack/Löbbe GmbHG, Anh. §  30 Rn.  33; Hirte, in Uhlenbruck InsO, §  39 Rn.  60; M. Huber, in Gottwald, InsR-HdB 4.A., §  50 Rn.  18; Huhnold, in Haarmeyer/Wutzke/Förster InsO, §  39 Rn.  16; Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  96; Kolmann, in Saenger/Inhester GmbHG, Anhang §  30 Rn.  68 f.; Kühnle/Otto, IPRax 2009, 117 (118 f.); Leithaus, in Andres/Leithaus InsO, §  44a Rn.  4; Lüdtke, in HaKo InsO, §  39 Rn.  28; Lüneborg, Gesellschafterdarlehen, S.  279; Mäsch, in Rauscher EuZPR, Art.  4 EuInsVO Rn.  9; Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, §  135 Rn.  20 (demgegenüber noch zweifelnd ders., a. a. O., Art.  4 EuInsVO Rn.  24); Neußner, in Graf-Schlicker InsO, §  39 Rn.  16, 19, §  135 Rn.  6; Niggemann, Reform des Gläubigerschutzsystems, S.  326; C. Paulus, EuInsVO, Art.  4 Rn.  6, 36; Raiser/Veil, R der Kapitalgesellschaften, §  8 Rn.  15; Schall, NJW 2011, 3745 (3747); ders., ZIP 2016, 289 (293); Schaumann, Reform, S.  241; K. Schmidt/Herchen, in K. Schmidt InsO, §  39 Rn.  35; Schmidt-Ehemann, Haftung, S.  289; Seibert, MoMiG, S.  51; Servatius, Gläubigereinfluss, S.  487 f. (mit Blick auf §  39 I Nr.  5 InsO); J.-S. Schröder, Reform des Eigenkapitalersatzrechts, Rn.  240 ff.; ders., in HaKo InsO, §  135 Rn.  12; Thiessen, in Bork/Schäfer GmbHG, Anhang zu §  30 Rn.  30; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  819 ff.; Undritz, in HaKo InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  23; Wedemann, IPRax 2012, 226 (227 ff.).

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

wird dabei überhaupt nicht zwischen der kollisionsrechtlichen Fragestellung und der Frage nach der Vereinbarkeit der Anwendung der Regelungen in der Inlandsinsolvenz einer EU-Auslandsgesellschaft mit der Niederlassungsfreiheit differenziert, soweit überhaupt auf diese Aspekte eingegangen wird.128 Voraussetzung der Anwendbarkeit sei auch bei einer EU-Auslandsgesellschaft, dass diese i. S. v. §  39 IV 1 InsO über keine natürliche Person als unbeschränkt haftenden Gesellschafter bzw. Gesellschafter-Gesellschafter129 verfügt.130 Zur Begründung wird regelmäßig auf die rechtsformneutrale Ausgestaltung der Neuregelung131, die nunmehr einheitliche Platzierung der Regelung in der Insolvenzordnung,132 den insolvenzrechtlichen Charakter der Normen133 und die Regierungsbegründung des MoMiG134 hingewiesen. Daneben soll der Wegfall des Merkmals „eigenkapitalersetzend“ bzw. des Krisenerfordernisses für eine AnwendAuch Altmeppen kommt zu einer Anwendbarkeit. Er qualifiziert die Normen allerdings gesellschaftsrechtlich, bringt diese aber auf Basis der von ihm entwickelten Grundkollisionsnorm (vgl. dazu oben Kapitel D. Fn.  59) auch in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften zur Anwendung: ders., in Roth/Altmeppen GmbHG, Anh §  30 Rn.  230; deutlicher ders./Ego, in MüKo AktG, Bd. 7, Europ. Niederlassungsfreiheit, Rn.  381 ff. Ähnlich Koutsós, Rechtliche Behandlung, S.  305 ff. der zwar ebenfalls (wohl) gesellschaftsrechtlich qualifiziert, die Normen aber dennoch ohne Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften für anwendbar hält (näher dazu sogleich). 128  Auszunehmen von diesem Vorwurf sind insbesondere die sogleich unten näher besprochenen Monographien, sowie die Schriften (oben Kapitel E. Fn.  127) von Niggemann, Schmidt-Ehemann und Thole. 129  Näher hierzu oben ad B.II.1. 130  Statt aller Bäuerle, in Braun InsO, §  39 Rn.  19. Nach Schall, NJW 2011, 3745 (3747) ist nur die Frage des sachrechtlichen Anwendungsbereichs letztlich entscheidend für die Anwendbarkeit. Kritik daran in Anbetracht der autonomen Auslegung der EuInsVO unten Kapitel E. Fn.  210. 131  J. P. Engert, Eigenkapitalersatzrecht, S.  136 f. (mit Relativierung auf S.  138); Lüdtke, in HaKo InsO, §  39 Rn.  28; Mäsch, in Rauscher EuZPR, Art.  4 EuInsVO Rn.  9; Schmidt-Ehemann, Haftung, S.  289. Ähnlich auch Bitter, in MüKo InsO, §  44a Rn.  9; Ahrens, in Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier InsO, §  39 Rn.  29 f. 132  Bork, ZGR 2007, 250 (252) allerdings mit Blick auch auf den tatsächlichen Regelungsschwerpunkt; Lüdtke, in HaKo InsO, §  39 Rn.  28; zurückhaltender: Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  321: Indiz. 133  BGH, Urteil vom 21.7.2011 – IX ZR 185/10, BGHZ 190, 364 (Rn.  30): „Instrumentarium rein insolvenzrechtlicher Natur“; ähnlich ferner AG Hamburg, Beschluss vom 26.11.2008 – 67g IN 352/08, NZG 2009, 197 (juris Rn.  5): ausschließliche Zuweisung der Materie zum Insolvenzanfechtungsrecht; Bäuerle, in Braun InsO, §  39 Rn.  19: „ureigene insolvenzrechtliche Materie“; Ehricke, in MüKo InsO, §  39 Rn.  61; Gehrlein, in MüKo InsO, §  135 Rn.  32: „insolvenzrechtliche Anknüpfung“; Neußner, in Graf-Schlicker InsO, §  39 Rn.  16: „insolvenzrechtliche Anknüpfung an die Inanspruchnahme einer Haftungsbeschränkung“; J.-S. Schröder, Reform des Eigenkapitalersatzrechts, Rn.  243. 134  Namentlich auf BT-Drs. 16/6140, S.  26, 56 f. Argumentativ heranziehend Neußner, in Graf-Schlicker InsO, §  39 Rn.  16; Schall, NJW 2011, 3745 (3747), ders., Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  179 f. Ferner hin- bzw. verweisend auch: Hirte, in Uhlenbruck InsO, §  39 Rn.  61; Kolmann, in Saenger/Inhester GmbHG, Anhang §  30 Rn.  69; Lüdtke, in HaKo InsO, §  39 Rn.  28; J.-S. Schröder, in HaKo InsO, §  135 Rn.  12; Thiessen, in Bork/Schäfer GmbHG, Anhang zu §  30 Rn.  30.

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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barkeit gegenüber Auslandsgesellschaften sprechen,135 was vor allem auf die zum Eigenkapitalersatzrecht diskutierte Vorfragenproblematik136 gemünzt ist137. Soweit überhaupt der Versuch einer kollisionsrechtlichen Begründung unternommen wird, wird häufig nur kurz auf Artt.  3, 4 EuInsVO verwiesen.138 Teilweise wird auch präziser auf Art.  4 II lit.  g, i, m EuInsVO verwiesen, der Regelungen zu den Insolvenzforderungen und deren Rang sowie die Insolvenzanfechtung eindeutig dem Insolvenzstatut zuordne.139 Eine eingehende argumentative Begründung zur kollisionsrechtlichen Behandlung fehlt dagegen oft.140 Vor allem der vielfach beschworene insolvenzrechtliche Charakter der Normen wird meist nur behauptet und nicht begründet. Der BGH, der sich vor allem mit den Novellenregeln auseinandersetzte, hebt die autonome Auslegung des Unionsrechts hervor141 und begnügt sich für das neue Recht mit der Feststellung, es handle sich um ein „Instrumentarium rein insolvenzrechtlicher Natur“.142 Nach Dahl kommt die durch die neuen 135  AG Hamburg, Beschluss vom 26.11.2008 – 67g IN 352/08, NZG 2009, 197 (juris Rn.  5); ähnlich Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  322 f.; Ehricke, in MüKo InsO, §  39 Rn.  61; Schmidt-Ehemann, Haftung, S.  289. 136  Vgl. hierzu oben ad E.II.3. 137  In diese Richtung Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  322; Niggemann, Reform des Gläubigerschutzsystems, S.  326. Ähnlich auch Ehricke, in MüKo InsO, §  39 Rn.  61: der Meinungsstreit zur Anwendbarkeit des alten Rechts sei daher obsolet geworden. Zuvor bereits AG Hamburg, Beschluss vom 26.11.2008 – 67g IN 352/08, NZI 2009, 131 (132). 138  Alleine pauschal auf Art.  3, 4 EuInsVO verweisen: die Begründung des RegE MoMiG, BTDrs. 16/6140, S.  57; Bäuerle, in Braun InsO, §  39 Rn.  19; Birkendahl, Reform, S.  55 (Fn.  277); J. P. Engert, Eigenkapitalersatzrecht, S.  137; Lüdtke, in HaKo InsO, §  39 Rn.  28; Nerlich, in Nerlich/ Römermann InsO, §  135 Rn.  20; K. Schmidt/Herchen, in K. Schmidt InsO, §  39 Rn.  35; ferner bereits i.R.d. Reformdiskussion Hommelhoff, in GmbH Reform in der Diskussion, S.  111 (120). Alleine auf Art.  3 EuInsVO verweisen: Gehrlein, in MüKo InsO, §  135 Rn.  32 und Thiessen, in Bork/Schäfer GmbHG, Anhang zu §  30 Rn.  30. Dieser regelt allerdings nur die Zuständigkeit und sagt ohne Art.  4 EuInsVO noch nichts über das anwendbare Recht aus. Offener dagegen Hirte, in Uhlenbruck InsO, §  39 Rn.  60: „Mit Blick auf Art.  3 EuInsVO“. 139  So bereits U. Huber/Habersack, BB 2006, 1 (7). Ähnlich die Argumentation bei: Balke, unten Kapitel E. Fn.  177; Clemens, unten Kapitel E. Fn.  182; Kühnle/Otto, IPRax 2009, 117 (119); Neußner, in Graf-Schlicker InsO, §  39 Rn.  19, §  135 Rn.  6; Wedemann, IPRax 2012, 226 (228, 232). Der BGH der nur über die Frage des Rangs zu entscheiden hatte, stellte entsprechend nur auf lit.  g und i des Art.  4 II EuInsVO ab: BGH, Urteil vom 21.7.2011 – IX ZR 185/10, BGHZ 190, 364 (Rn.  18). Nur auf Art.  4 II lit.  i und m EuInsVO verweisend: Azara, unten Kapitel E. Fn.  171; Dahl, in Michalski GmbHG, Anh. II §§  32a, 32b aF Rn.  10; Lüneborg, Gesellschafterdarlehen, S.  277; Schmidt-Ehemann, Haftung, S.  290; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  820. Auf Art.  4 II lit.  g und m EuInsVO weist hin: Schall, NJW 2011, 3745 (3747). Widersprochen werden muss demgegenüber den Ausführungen C. Paulus, EuInsVO, Art.  4 Rn.  6: als Ansprüche der Masse richteten sie (u. a. der Anspruch aus §  135 InsO) sich gem. Art.  4 II lit.  b EuInsVO nach dem Insolvenzstatut. Diese Norm bezieht sich aber nur auf die Frage, welche Ansprüche (überhaupt) zur Masse gehören. Über das anwendbare Recht hinsichtlich des Bestandes dieser Ansprüche sagt die Norm dagegen nichts aus. 140  Zu den vereinzelten monographischen Auseinandersetzungen vgl. im Einzelnen sogleich. 141  BGH, Urteil vom 21.7.2011 – IX ZR 185/10, BGHZ 190, 364 (Rn.  16 ff.). 142  BGH, Urteil vom 21.7.2011 – IX ZR 185/10, BGHZ 190, 364 (Rn.  30), vgl. zur umfassenden Begründung der insolvenzrechtlichen Qualifikation der Novellenregeln durch den BGH a. a. O.

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

Regelungen ausgelöste Massemehrung quotal gerade der Gläubigergesamtheit zu Gute, was Ziel des Gesetzgebers gewesen sei und für eine „besonders enge Verbindung zum Insolvenzverfahren“ bzw. zu insolvenzrechtlichen Zielen spreche.143 Dem ähnlich leitet Kolmann eine insolvenzrechtliche Qualifikation daraus ab, dass die Regeln einen Verteilungskonflikt zwischen Gesellschaftern und Drittgläubigern lösten und damit typisch insolvenzpolitischen Zielen dienten.144 Dies zeige sich neben „dem engen sachlichen Zusammenhang mit der Insolvenz“ an der in den entsprechenden Normen vorausgesetzten Insolvenzeröffnung.145 Gerade Letzteres sei im Urteil „Deko Marty Belgium“146 nach dem EuGH entscheidend für die internationale Zuständigkeit für Insolvenzanfechtungsklagen gewesen.147 Altmeppen rekurriert neben seinem international-privatrechtlichen Ansatz148 auf die von ihm favorisierte Zweckdeutung149 des Gesellschafterdarlehensrechts „typischerweise gläubigerschädigende Krisenfinanzierung aus Gesellschafterhand“ zu sanktionieren.150 Aus dem Verzicht auf den Eigenkapitalersatzcharakter im Tatbestand der reformierten Normen wird neben dem Wegfall der Vorfragenproblematik abgeleitet, dass damit die „gesellschaftsrechtliche Anknüpfung“ verloren gegangen sei.151 Es ginge nicht mehr um die Frage einer „Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital als originär der Finanzverfassung der Gesellschaft zuzuordnende Frage“.152 Ferner wird zur Begründung auch vorgebracht, es handle sich um ein innerhalb der EU üblicherweise im Insolvenzrecht geregeltes Problem.153 Neben dem deutschen Recht als anwendbarem Insolvenzrecht dürfte die h. M. im Rahmen von Art.  13 EuInsVO bei §  135 InsO von einer Kumulation mit dem Schuld-

oben ad E.II.3., die vor allem die Rechtsfolgen in den Blick nimmt. Ähnlich für die Neuregelung Bork, ZGR 2007, 250 (252). 143  Dahl, in Michalski GmbHG, Anh. II §§  32a, 32b aF Rn.  10. 144  Kolmann, in Saenger/Inhester GmbHG, Anhang §  30 Rn.  68. 145  Kolmann, in Saenger/Inhester GmbHG, Anhang §  30 Rn.  68; ähnlich J.-S. Schröder, Reform des Eigenkapitalersatzrechts, Rn.  243 f. 146  EuGH, Urteil vom 12.2.2009 – C-339/07 („Seagon“), Slg 2009, I-767. 147  J.-S. Schröder, Reform des Eigenkapitalersatzrechts, Rn.  244. 148 Sonderanknüpfung des nicht disponiblen Gläubigerschutzrechts an den Verwaltungssitz der Gesellschaft, vgl. oben Kapitel E. Fn.  127 und Kapitel D. Fn.  59. 149  Vgl. dazu oben ad B.III.2.b.aa. 150  Altmeppen, in Roth/Altmeppen GmbHG, Anh §  30 Rn.  230. 151  Schmidt-Ehemann, Haftung, S.  289. 152  Schmidt-Ehemann, Haftung, S.  289; ähnlich auch Azara, unten Kapitel E. Fn.  167. 153  In diesem Zusammenhang allerdings ohne jeden weiteren Nachweis: J.-S. Schröder, Reform des Eigenkapitalersatzrechts, Rn.  245. In diese Richtung gingen schon die Ausführungen in der Begründung des RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140 S.  56 zu §  39 I Nr.  5 InsO: „Dies entspricht international verbreiteten Regelungsmustern“ und die Ausführungen von U. Huber/Habersack, in Lutter, Kapital der Aktiengesellschaft, S.  370 (383 ff.). Im Anschluss an diese auch Thiessen, in Bork/Schäfer GmbHG, Anhang zu §  30 Rn.  30, §  30 Rn.  128. Vgl. aber zur eingeschränkten Richtigkeit dieser Aussage und zur beschränkten Aussagekraft eines solchen Vergleiches unten ad E. III.3.e.cc.

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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statut der Darlehensforderung154 bzw. (nach vorzugswürdiger Ansicht155) dem für die Rückzahlung oder Besicherung maßgeblichen Recht ausgehen. Teilweise wird aber auch über eine Sonderbehandlung von §  135 InsO (und §  39 I Nr.  5 InsO) i.R.v. Art.  13 EuInsVO nachgedacht. Namentlich wird hier teils für eine Berücksichtigung des Gesellschaftsstatuts eingetreten156, teils wohl aber auch für eine Maßgeblichkeit des Insolvenzstatuts als Wirkungsstatut157. Letzteres muss von vorneherein ausscheiden, da es de facto den Mechanismus des Art.  13 EuInsVO insgesamt aushebelt und zur Bestimmung des Wirkungsstatuts der anfechtbaren Rechtshandlung nicht auf die Rechtsnatur und Rechtsfolge des Insolvenzanfechtungstatbestandes selbst zurückgegriffen werden kann158. In der Zeit unmittelbar nach dem MoMiG erschienen einige Schriften zum reformierten Gesellschafterdarlehensrechts, die sich eingehender mit der kollisionsrechtlichen Behandlung befassten. aa.  Kollisionsrechtliche Erwägungen bei Azara Azara versucht in seiner Abhandlung über das reformierte Recht eine insolvenzrechtliche Qualifikation des neuen Gesellschafterdarlehensrechts ausführlich zu begründen.159 Ausgehend von einer funktionalen Betrachtungsweise160 stellt er auf den Zweck der Regelungen ab: Der Nachrang regle das Verhältnis zu anderen Gläubigern in der Insolvenz.161 Die Insolvenzanfechtung stelle die Insolvenzmasse wieder her „zwecks gemeinschaftlicher Befriedigung aller Gläubiger“ und diene somit der Gläubigergleichbehandlung (in der jeweiligen Rangklasse162),163 bzw. der Verhinderung eines vorzeitigen Abzugs, ermöglicht durch den Informationsvorsprung164. Das neue Recht entfalte seine Wirkungen nur noch in der Insolvenz und habe gerade 154 

So ausdrücklich etwa Kolmann, in Saenger/Inhester GmbHG, Anhang §  30 Rn.  170. zum Streit um die Bestimmung des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“ bei Art.  13 EuInsVO oben ad C.VI.3.c. 156  Dazu sogleich ad E.III.1.b. 157  Wohl angedacht, aber i. E. offen gelassen von OLG Naumburg, Urteil vom 6.10.2010 – 5 U 73/10, ZIP 2011, 677 (678). Das OLG Naumburg leitet dies aus Art.  4 EuInsVO ab. Im Anschluss an das OLG Naumburg Undritz, in HaKo InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  4: „Die Anfechtung einer Befriedigung von Gesellschafterdarlehen unterfällt indes nicht dem Vertragsstatut, sondern dem Insolvenzstatut.“ Neuerdings auch Brinkmann, Beilage zu ZIP 22/2016, S.  14 (16) mit eingehender Begründung, anders dagegen ders., in K. Schmidt InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  4: für die Anwendung des Gesellschaftsstatuts als für die Rechtshandlung maßgebliches Recht. 158  Prager/C. Keller, NZI 2011, 697 (700). Kritisch auch Schall, ZIP 2011, 2177 (2179). Vgl. insoweit auch die ähnliche Kritik an der Schuldstatutslehre oben ad C.VI.3.c.dd.(7). 159  Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  320 ff. 160  Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  321. 161  Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  324. 162  Mit dieser Präzisierung begegnet Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  328 dem Einwand, der Gesellschafter werde durch das Gesellschafterdarlehensrecht gerade insgesamt von der Gläubigergleichbehandlung ausgeschlossen. 163  Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  324. 164  Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  327. 155  Vgl.

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

keine präventive Komponente mehr, welche zuvor für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation angeführt worden sei.165 Die freie Rückzahlbarkeit der Gesellschafterdarlehen außerhalb der Insolvenz und die Andersbehandlung erst in der Insolvenz seien somit entscheidend für die insolvenzrechtliche Qualifikation.166 Ferner bestehe kein Zusammenhang mehr zu einem bestimmten Mindestkapital (bzw. den Regelungen der Kapitalerhaltung) und eine „Umqualifizierung in haftendes Eigenkapital“ werde durch das neue Recht nicht (mehr) ausgelöst.167 Es sei auch nicht opportun, durch Betrachtung der wirtschaftlichen Folgen zu einem solchen Ergebnis zu gelangen, da der Gesellschafter eben doch am Insolvenzverfahren als Insolvenzgläubiger teilnimmt, wenn auch im letzten Rang.168 Daneben schütze das neue Recht nur noch isoliert die Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzfall und im Gegensatz zum alten Recht nicht mehr die Mit-Gesellschafter bzw. die Gesellschaft selbst.169 Da es auf eine Finanzierungsentscheidung des Gesellschafters nicht mehr ankomme, sei es auch nicht richtig, dass der eigentliche Grund bzw. Zweck des Gesellschafterdarlehensrechts im Gesellschaftsrecht liege.170 All dies führe auch in Anbetracht von Art.  4 II lit.  i und m EuInsVO zu einer insolvenzrechtlichen Qualifikation.171 bb.  Kollisionsrechtliche Erwägungen bei Lüneborg Die im selben Jahr erschienene Dissertation von Lüneborg setzt sich ebenfalls mit der kollisionsrechtlichen Behandlung des neuen Gesellschafterdarlehensrechts auseinander.172 Auch Lüneborg hebt den entfallenen präventiven Schutz hervor und leitet die par condicio creditorum als insolvenzpolitisches Ziel der Regelung her.173 Dagegen spreche nicht, dass der Gesellschafter nicht an der Gläubigergleichbehandlung teilnimmt; entscheidend sei vielmehr, dass der Gesellschafter durch „möglicherweise riskante Krisenfinanzierung“ als Insider „den Todeskampf der Gesellschaft in die Länge zieht“ und so die „Befriedigungsaussichten der Drittgläubiger“ verschlechtere.174 Daher diene das Gesellschafterdarlehensrecht auch der Wiederherstellung der Gläubigergleichbehandlung.175 Die Regelungen des Gesellschafterdarlehensrechts seien folglich insgesamt als insolvenzrechtlich zu qualifizieren und unter Art.  4 II 2 EuInsVO zu subsumieren.176 165 

Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  324. Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  324 f. 167  Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  324 f. 168  Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  328. 169  Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  325. 170  Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  326 f. 171  Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  328 f. 172  Lüneborg, Gesellschafterdarlehen, S.  276 ff. 173  Lüneborg, Gesellschafterdarlehen, S.  278. 174  Lüneborg, Gesellschafterdarlehen, S.  278. 175  Lüneborg, Gesellschafterdarlehen, S.  278. 176  Lüneborg, Gesellschafterdarlehen, S.  279. 166 

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

219

cc.  Kollisionsrechtliche Erwägungen bei Balke Balke stellt in Anbetracht der gebotenen autonomen Auslegung des Unionsrechts primär auf Art.  4 II EuInsVO, insb. lit.  g, i und m ab.177 Für eine insolvenzrechtliche Qualifikation sprächen auch die Erwägungen des EuGH in der Rechtssache „Gourdain/Nadler“178 zur „autonomen Qualifikation eines Tatbestands zum internationalen Insolvenzrecht“, die auch auf das Gesellschafterdarlehensrecht zuträfen.179 Das Gesellschafterdarlehensrecht setze ein Insolvenzverfahren voraus, auf eine vorgelagerte Krise komme es nicht mehr an, zur Geltendmachung sei allein der Insolvenzverwalter befugt, die Rechtsfolge regle allein §  143 InsO und insgesamt ergebe sich aus dem Gesellschafterdarlehensrecht eine „Gesamtwirkung zugunsten der Gläubigergesamtheit“.180 Auf „Überlegungen zur Einordnung des Rechts der Gesellschafterdarlehen im deutschen Recht“, insbesondere also auch auf Normzwecküberlegungen, komme es nicht an – entscheidend sei alleine die EuInsVO.181 dd.  Kollisionsrechtliche Erwägungen bei Clemens Clemens stützt die kollisionsrechtliche Begründung der Anwendbarkeit ebenfalls zentral auf Art.  4 II lit.  g, i und m EuInsVO.182 Für eine insolvenzrechtliche Natur sprächen neben dem Charakter bzw. Normzweck der Regelungen auch die Wirkungen des Gesellschafterdarlehensrechts.183 Der Zweck des neuen Rechts liege darin, eine durch die Gesellschafterfremdfinanzierung „in der Krise bewirkte Erhöhung des Ausfallrisikos der Gesellschaftsgläubiger“ auszugleichen.184 Mithin verbiete deshalb auch das neue Gesellschafterdarlehensrecht die Fremdfinanzierung nicht gänzlich, sondern habe lediglich die Insolvenz und den Zeitraum kurz davor vor Augen.185 Nur den durch die Insolvenz bzw. in deren Vorfeld ausgelösten, „negativen Auswirkungen auf die Situation der Gesellschaftsgläubiger“ wolle das Gesellschafterdarlehensrecht begegnen, weshalb es erst in der Insolvenz regulierend eingreife.186 Das Problem um die Vorfrage-Qualität des Eigenkapitalersatzcharakters habe sich mit dem Wegfall des Merkmals erübrigt,187 womit die tatbestandliche Anknüpfung „an eine besondere – gesellschaftsrechtliche – Qualifikation“ der Darlehen entfallen sei.188 Das neue Recht habe insgesamt seinen Bezug zu den Kapital­ 177 

Balke, Gesellschafterhaftung, S.  333 ff. Vgl. dazu ausführlich die Darstellung oben ad C.V.2.a.aa. (Nachweis in Fn.  309). 179  Balke, Gesellschafterhaftung, S.  335 f. 180  Balke, Gesellschafterhaftung, S.  335 f. 181  Balke, Gesellschafterhaftung, S.  330 f. 182  Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  195. 183  Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  198. 184  Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  198. Vgl. zum Legitimationsansatz von Clemens oben ad B.III.2.g.bb. 185  Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  198 f. 186  Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  198 f. 187  Vgl. zu diesem Argument schon oben ad E.III.1.a mit Fn.  137. 188  Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  197. 178 

220

E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

erhaltungsvorschriften verloren, was gegen eine Zuordnung zum Gesellschaftsstatut spreche.189 ee.  Kollisionsrechtliche Erwägungen bei Koutsós Bislang am eingehendsten hat sich Koutsós mit der Frage nach der Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts auf EU-Auslandsgesellschaften auseinandergesetzt,190 die er im Ergebnis bejaht191. Kollisionsrechtlich kommt er dabei allerdings zu dem Ergebnis, dass die reformierten Normen (insbesondere betrachtet er §  39 I Nr.  5 InsO, den er als Grundnorm ansieht192) einen überwiegend gesellschaftsrechtlichen Kern haben.193 Ihre Anwendung auf EU-Auslandsgesellschaften sei aber dennoch möglich, da es an einem Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit fehle194. Wie dies dogmatisch zu konstruieren ist, wird in den Ausführungen Koutsós nicht klar. Offenbar hält Koutsós wegen des gesellschaftsrechtlichen Kerns eine „Subsumtion (…) unter die lex fori concursus“195, gemeint ist wohl Art.  4 EuInsVO, nicht für möglich. Die weiteren Ausführungen Koutsós deuten darauf hin, dass das Gesellschafterdarlehensrecht über eine entsprechende Sonderanknüpfung zur Anwendung kommen soll. b.  Vereinzelte Berücksichtigung des Gesellschaftsstatuts über Art.  13 EuInsVO In der Literatur wurde vorgeschlagen, (auch) das Heimatrecht der Gesellschaft über Art.  13 EuInsVO als „für die Rechtshandlung maßgebliches Recht“ zu berücksichtigen, da es sich um „insolvenzrechtlich verpacktes Gesellschaftsrecht“196 handle.197 Über den Wortlaut hinaus, so Schall, solle Art.  13 EuInsVO auch auf die Frage 189 

Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  197. Koutsós, Rechtliche Behandlung, S.  295 ff. 191  Koutsós, Rechtliche Behandlung, S.  340 f. 192  Koutsós, Rechtliche Behandlung, S.  310; vgl. Kritik daran bereits immanent oben ad E.I.3. 193  Koutsós, Rechtliche Behandlung, S.  318. 194  Koutsós, Rechtliche Behandlung, S.  340. 195  So wörtlich hinsichtlich §  135 III InsO Koutsós, Rechtliche Behandlung, S.  326; ähnlich hinsichtlich §  39 I Nr.  5 InsO auf S.  312: „nur wenn die Nachrangregel in sich eine Realisierung des par-condicio-Grundsatzes bezweckt und damit konkret einen insolvenzrechtlichen Sachverhalt regelt, kann diese zur lex fori concursus gezählt werden“. 196  Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  179. 197 Diesen Vorschlag machte zuerst wohl Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz S.  180; ders., DStR 2006, 1229 (1232); ders., ZIP 2011, 2177 (2181); ders., NJW 2011, 3745 (4748). Schall hält aber i. E. den klaren Normanwendungsbefehl des Gesetzgebers für maßgeblich, vgl. dazu unten Kapitel E. Fn.  210. Hierfür wohl auch Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  13 EuInsVO Rn.  4: „kann“, anders dagegen ders., Beilage zu ZIP 22/2016, S.  14 (16) für die Anwendung des Insolvenzstatuts. Ähnlich zum Eigenkapitalersatzrecht bereits: Forsthoff/Schulz, in Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften 1. A., §  15 Rn.  38 (inzwischen aufgegeben: dies., in Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, §  16 Rn.  61 Fn.  149); im Anschluss daran: Spahlinger/Wegen, in Spahlinger/Wegen int. GesR, Rn.  314 f.; Westpfahl/Goetker/Wilkens, Grenzüberschreitende Insolvenzen, Rn.  1253. 190 

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

221

des insolvenzrechtlichen Nachrangs der Gesellschafterdarlehen (und auf weitere Gläubigerschutzinstrumente) übertragen werden.198 Das Problem des materiellen insolvenzrechtlichen Gläubigerschutzes sei in der EuInsVO nur hinsichtlich der Insolvenzanfechtung in Artt.  4 II lit.  m, 13 EuInsVO geregelt, dessen Rechtsgedanke damit für andere materiell-rechtliche, gläubigerschützende Tatbestände des Insolvenzrechts fruchtbar gemacht werden könne.199 Diese Lösung biete zudem die Möglichkeit die Wertungen der Niederlassungsfreiheit zu berücksichtigen, da Art.  13 EuInsVO klar aufzeige, ob „die Anwendung der lex fori den Ausländer belastet oder nicht, weil ihm daheim (nicht) das Gleiche wiederfahren wäre“.200 Für diesen Vorschlag kann auch auf ErwG 24 der EuInsVO verwiesen werden, wonach im Rahmen der kollisionsrechtlichen Regelanknüpfung der Vertrauensschutz durch Ausnahmen zu berücksichtigen ist. Dieser Gedanke ist tragend für Art.  13 EuInsVO.201 Im Fall der Gesellschafterdarlehen dürfte sich ein Vertrauen des Gesellschafters als Anfechtungsgegner eher auf das Gründungsrecht der Gesellschaft beziehen als auf das für die Befriedigung bzw. Besicherung maßgebliche Recht.202 Dies geht darauf zurück, dass der Grund der Anfechtungstatbestände des Gesellschafterdarlehensrechts im Gesellschaftsverhältnis zu finden ist und nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der letztlich angefochtenen, mitunter komplett insolvenzfernen Rechtshandlung steht.203 2.  Würdigung und Kritik am bisher erreichten Diskussionsstand Betrachtet man die vor der MoMiG-Reform lebhaft geführte Diskussion um die Anwendbarkeit des Eigenkapitalersatzrechts in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften, überrascht es, wie still es hierum nach dem MoMiG geworden ist.204 Zudem ist ein Teil der vormals für eine insolvenzrechtliche Qualifikation des Angedacht, im Ergebnis aber offen gelassen, auch von OLG Naumburg, Urteil vom 6.10.2010 – 5 U 73/10, ZIP 2011, 677 (678); Behrens, IPRax 2010, 230 (232). Kritisch: U. Huber, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  131 (191 ff. mit Fn.  184); Kolmann, in Saenger/Inhester GmbHG, Anhang §  30 Rn.  170. Letztlich in diese Richtung bereits Schücking, ZIP 1994, 1156 (1160) für das Wirkungsstatut bei §  3b AnfG a. F., der diese Lösung i. E. aber ablehnt, um an der insolvenzrechtlichen Qualifikation der §§  32a, b GmbHG a. F. festhalten zu können. 198  Schall, ZIP 2011, 2177 (2181); ferner bereits ders., Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubiger­ schutz, S.  180, 210. 199  Schall, ZIP 2011, 2177 (2181); ferner bereits ders., Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubiger­ schutz, S.  180, 210. 200  Schall, ZIP 2011, 2177 (2180 f.). 201  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  138. Eher mit den Interessen der betroffenen Staaten bzw. der für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechtsordnungen an einer Verhinderung des Übergriffs fremden Anfechtungsrechts begründend: U. Huber, FS Heldrich, S.  695 (696). 202  Vgl. aber zu den grundsätzlichen Problemen eines Vertrauens in die Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung oben ad C.VII.4.a. 203  In diese Richtung Schall, ZIP 2011, 2177 (2181). Ferner tendenziell auch Behrens, IPRax 2010, 230 (232). 204  Das AG Hamburg, Beschluss vom 26.11.2008 – 67g IN 352/08, NZI 2009, 131 (132) erklärt

222

E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

früheren Eigenkapitalersatzrechts vorgebrachten Argumente, insbesondere der tatbestandliche und wertungsmäßige Krisenbezug,205 mit der Reform weggefallen. Nach wie vor handelt es sich beim Gesellschafterdarlehensrecht um eine Materie mit Bezügen sowohl zum Insolvenz- als auch zum Gesellschaftsrecht, so dass die Qualifikationsfrage nicht so schnell und einfach zu beantworten ist, wie dies insbesondere vom BGH aber auch von der überwiegenden Zahl der Stellungnahmen in der Literatur getan wird. Soweit ausführlicher auf die Problematik eingegangen wird, erschöpft sich dies in aller Regel darin, die insolvenzrechtliche Qualifikation mit einigen Argumenten zu untermauern – eine eingehende Auseinandersetzung, auch mit den für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation streitenden Aspekten, fehlt bislang.206 Ein erster und wichtiger Kritikpunkt ist somit die bisher nur unzureichende Auseinandersetzung mit der Problematik der Qualifikation des Gesellschafterdarlehensrechts, die diese Arbeit nachholen soll. Letztlich vermögen aber auch in der Sache nur wenige der für eine Anwendbarkeit vorgebrachten Argumente eine insolvenzrechtliche Qualifikation des Gesellschafterdarlehensrechts unter Art.  4 EuInsVO tauglich zu begründen (dazu sogleich), während dem hinter den Regelungen stehenden Wertungskonzept noch zu wenig Beachtung geschenkt wird (dazu im Anschluss unter 3.). Bereits oben wurde festgestellt, dass der Gesetzesstandort einer Regelung für deren Qualifikation nicht entscheidend ist.207 Die einheitliche Platzierung der Regelungen des Gesellschafterdarlehensrechts in der InsO208 kann also eine insolvenzrechtliche Qualifikation nicht begründen.209 Eine solche Sichtweise blendet funktionale und teleologische Aspekte komplett aus und legt zudem den Umfang des unionsrecht­ lichen Insolvenzstatuts in die Hände der nationalen Gesetzgeber, was angesichts der gebotenen autonomen Auslegung der unionsrechtlichen Begriffe nicht überzeugt. Selbst ein indizieller Charakter scheint vor diesem Hintergrund zweifelhaft. das Problem der Anwendbarkeit auf EU-Auslandsgesellschaften unter dem neuen Recht gar insgesamt für obsolet. Im Anschluss daran: Ehricke, in MüKo InsO, §  39 Rn.  61. 205  Beispielhaft sei hier auf die Argumentation von Haas, NZI 2001, 1 (3 ff., 10) und Wilms, englische Ltd in dt. Insolvenz, S.  159 ff. verwiesen (vgl. dazu die Darstellung oben ad E.II.1.). Aber auch Kindler, in Sonnenberger, Vorschläge und Berichte int. GesR, S.  497 (525) stützt die insolvenzrechtliche Qualifikation (unklar bleibt a. a. O., ob diese auch für die Rechtsprechungsregeln gelten soll) maßgeblich auf den Krisenbezug des Eigenkapitalersatzrechts. Ulmer, oben Kapitel E. Fn.  94 erklärt so die insolvenzrechtliche Qualifikation der Novellenregeln auf Basis des differenzierenden Ansatzes. Ähnlich auch der BGH, oben Kapitel E. Fn.  100 f. 206 Einzig Koutsós würdigt auch die gesellschaftsrechtlichen Bezüge des Gesellschafterdarlehensrechts, bleibt aber gewissermaßen auf halber Strecke stehen, wenn er dogmatisch nicht hinreichend klar macht, wie er trotz des gesellschaftsrechtlichen Kerns zu einer Anwendbarkeit gelangt (vgl. die Zusammenfassung der Ausführungen Koutsós oben ad E.IIIIII.1.a.ee. m. w. N.). 207  Oben ad C.V.2.a. mit Fn.  302 und 303. 208  Nachweise für dieses Argument oben Kapitel E. Fn.  132. 209  So auch Behrens, IPRax 2010, 230 (231); Lüneborg, Gesellschafterdarlehen, S.  277; Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  179 m. w. N. zur parallelen Argumentation bei der Insolvenzantragspflicht. Vgl. zur Irrelevanz der Standortänderung der Insolvenzantragspflicht für deren Qualifikation auch Hirte/Mock, ZIP 2005, 474 (475).

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

223

Ähnlich verhält es sich mit dem häufig angeführten gesetzgeberischen Willen. Zwar mag dem Willen des Gesetzgebers für die Qualifikation eines Rechtsinstituts grundsätzlich Bedeutung zukommen, da ihm auch die Entscheidung über den Anwendungsbereich seiner Normen bzw. seines Anwendungsbefehls hinsichtlich fremder Normen obliegt. Argumentiert man allerdings hinsichtlich der Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts auf EU-Auslandsgesellschaften damit, diese Regelungen unterfielen nach dem Willen des Gesetzgebers dem Insolvenzstatut,210 übersieht man, dass es sich bei der hier maßgeblichen Kollisionsnorm des Art.  4 EuInsVO um Unionsrecht handelt. Für die Reichweite des unionsrechtlichen Insolvenzstatuts ist aber wegen der autonomen Auslegung der Wille des nationalen Gesetzgebers nicht entscheidend.211 Im Zweifelsfall ist der EuGH zur Entscheidung über die Auslegung der EuInsVO berufen (vgl. Artt.  19, 267 AEUV).212 Auch dieses Argument trägt also eine insolvenzrechtliche Qualifikation der Regelungen des Gesellschafterdarlehensrechts unter der EuInsVO nicht.213 Die häufig angeführte rechtsformneutrale Ausgestaltung der Tatbestände214 begründet eine insolvenzrechtliche Qualifikation ebenfalls nicht. Die rechtsformneutrale Ausgestaltung sagt noch nichts darüber aus, ob eine Norm auch nach den Regeln des Kollisionsrechts zur Anwendung berufen ist.215 Die rechtsformneutrale Ausgestaltung ist nicht einmal unbedingt notwendige Bedingung der Anwendbarkeit der Regelungen auf EU-Auslandsgesellschaften, was exemplarisch die Anwendung der rechtsformspezifischen Novellenregeln des alten Rechts in der Inlands­ 210  Nachweise oben Kapitel E. Fn.  134. Besonders deutlich weist Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  179 f. darauf hin, dass der Gesetzgeber letztlich einen klaren „Norm­ anwendungsbefehl“ erlassen hat. Bei gesellschaftsrechtlicher Qualifikation muss deshalb m. E. darüber nachgedacht werden, ob dem Willen des nationalen Gesetzgebers durch eine Sonderanknüpfung zum Durchbruch zu verhelfen ist (vgl. dazu unten ad E.III.5). Demgegenüber überzeugt es wegen des Gebots der autonomen Auslegung m. E. nicht, wie Schall, a. a. O. und ders, ZIP 2016, 289 (293: „selbstbegrenzte Sachnorm“) diesen Normanwendungsbefehl dadurch zu berücksichtigten, dass man das Gesellschafterdarlehensrechts (allein) wegen des gesetzgeberischen Willens dem Insolvenzstatut zurechnet (ähnliche Kritik bei J. Weber, GesellschaftsR und Gläubigerschutz im IZVR, S.  166 mit Fn.  516 – diesen Kritikpunkt kann Schall, NJW 2011, 3745 (3747 mit Fn.  22) auch nicht überzeugend entkräften). Wenn Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  180 ausführt, das Kollisionsrecht sei „kein höherrangiges Recht“ oder der Normanwendungsbefehl könne nicht durch eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation umgangen werden (ders., NJW 2011, 3745 (3747)), übersieht er den Anwendungsvorrang auf Grund des europarechtlichen Ursprungs der Normen im Fall der EuInsVO und mittelbar auch der gesellschaftsrechtlichen Grundkollisionsnorm, die stark von der Niederlassungsfreiheit beeinflusst wird (vgl. zur Verkennung der Auswirkungen der Niederlassungsfreiheit durch Schall unten Kapitel E. Fn.  344). 211  So auch Brinkmann, in K. Schmidt InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  9. 212  Dies verkennt J.-P. Engert, Eigenkapitalersatzrecht, S.  138, wenn er ausführt, der EuGH entscheide nicht über das anwendbare Recht auf EU-Auslandsgesellschaften, sondern nur über einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit. 213  Vgl. aber zur Bedeutsamkeit des Gesetzgeberwillens i.R.d. autonomen internationalen Insolvenzrechts unten ad F.I.3.a.aa. 214  Vgl. oben Kapitel E. Fn.  131. 215  So auch Niggemann, Reform des Gläubigerschutzsystems, S.  326. Ähnlich ferner Koutsós, Rechtliche Behandlung, S.  306 f.

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

insolvenz einer (vergleichbaren) EU-Auslandsgesellschaft im BGH Urteil „PIN“216 zeigt.217 Eine solche Argumentation übersieht letztlich die international-privatrechtliche Fragestellung nach dem anwendbaren Recht insgesamt, wenn sie aus der tatbestandlichen Anwendbarkeit auf die tatsächliche Anwendung schließt. Neben diesen bereits im Ansatz untauglichen Argumenten, begründen aber auch die weiteren angeführten Punkte eine insolvenzrechtliche Qualifikation nicht hinreichend. Dass das alte Eigenkapitalersatzrecht wertungsmäßig an eine (Vor-)Insolvenzsituation anknüpfte bzw. ein wertungsmäßiger Zusammenhang zur Insolvenzverschleppungshaftung bestand, mag zwar richtig sein.218 Im neuen Recht ist dies, wie oben gezeigt,219 wegen des Wegfalls des (insolvenznahen) Krisenmerkmals im Tatbestand jedoch nicht mehr der Fall. Das zeigt sich besonders an der Anfechtungsmöglichkeit von Besicherungen nach §  135 I Nr.  1 InsO, die ganze zehn Jahre vom Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung zurückreicht und nach dem BGH auch den Fall der Befriedigungen aus Sicherheiten erfasst.220 Von einer „Insolvenznähe“ kann hierbei keine Rede mehr sein. Das reformierte Gesellschafterdarlehensrecht ist damit von insolvenzspezifischen Wertungen (Finanzierungsanforderungen in der Unternehmenskrise) sogar weiter weggerückt, so dass der Verweis auf die Streichung des Krisenmerkmals221 eher für eine gesellschaftsrechtliche denn für eine insolvenzrechtliche Qualifikation streitet.222 Soweit aus dem Wegfall des Krisenmerkmals darauf geschlossen wird, die „Vorfragenproblematik“ sei entfallen,223 wird der Kern dieser Idee verkannt. Die Einordnung des Eigenkapitalersatzcharakters als gesellschaftsrechtliche Vorfrage war von dem Gedanken getragen, die Frage nach (dem „Ob“) einer möglichen Umqualifizierung von Fremd- in Eigen- bzw. Risikokapital dem Gesellschaftsstatut zu unterstellen, ohne von Art.  4 II lit.  g, i und m EuInsVO abweichen zu müssen, indem man das Insolvenzstatut weiterhin über die insolvenzrechtlichen Rechtsfolgen (das „Wie“) entscheiden ließ. Durch die Aufgabe des Krisenmerkmals ist zwar der ausdrückliche tatbestandliche Anknüpfungspunkt für eine Vorfrage entfallen, die dahinterstehende Überlegung kann allerdings auch zum reformierten Recht noch immer angestellt werden224. 216  BGH, Urteil vom 21.7.2011 – IX ZR 185/10 (verbreitet, aber nicht amtlich „PIN“), BGHZ 190, 364 (Rn.  48 ff.). 217  Kritisch hinsichtlich der knappen Begründung der tatbestandlichen Anwendbarkeit durch den BGH: Schall, NJW 2011, 3745 (3746). 218  Vgl. zu den Parallelen des alten Rechts zur Insolvenzverschleppungshaftung oben insbesondere ad B.III.2.j.ee.(3). mit Fn.  369. 219  Zu den dem neuen Recht zugrundeliegenden Wertungen ausführlich oben ad B.III.2.j. insb. ee.–gg. Vgl. zur abweichenden Ansicht oben ad B.III.2.b–d. und den daraus gezogenen Konsequenzen für die international-privatrechtliche Behandlung etwa Altmeppen, oben Kapitel E. Fn.  150. 220  Vgl. zur entsprechenden BGH-Rechtsprechung oben ad B.II.2. mit Nachweis in Fn.  96. 221  Nachweise oben Kapitel E. Fn.  135 und 151. 222  Ähnlich auch Koutsós, Rechtliche Behandlung, S.  308. 223  Nachweise oben Kapitel E. Fn.  137. 224 Vgl. dazu die Überlegungen zu einer primärrechtskonformen Auslegung unten ad E. III.5.g.aa. insb. (2).

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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Weder der weggefallene Eigenkapitalersatzcharakter noch die Abschaffung der Rechtsprechungsregeln beseitigen die vorhandenen gesellschaftsrechtlichen Bezüge des Gesellschafterdarlehensrechts komplett, namentlich den tatbestandlichen und wertungsmäßigen Zusammenhang zur Haftungsbeschränkung und der Finanzverfassung der Gesellschaft (dazu ausführlich sogleich unten ad 3.). Lediglich der Zusammenhang zu den Regeln, insbesondere den Rechtsfolgen, der Kapitalerhaltung ist entfallen, was die Materie aber keineswegs vollständig von ihren gesellschaftsrechtlichen Bezügen trennt. Wenig überzeugend ist es ferner, den insolvenzrechtlichen Charakter des Gesellschafterdarlehensrechts damit zu begründen, dass die hierüber intendierte bzw. erreichte Massesteigerung quotal der Gläubigergemeinschaft zugutekomme225. Das allein kann für eine insolvenzrechtliche Qualifikation nicht genügen, da ansonsten jedes wenigstens faktisch die Masse mehrende Rechtsinstitut insolvenzrechtlich qualifiziert werden könnte.226 Das Gesellschafterdarlehensrecht dient auch nicht primär der Gläubigergleichbehandlung, was sich neben den weit über die materielle Insolvenz zurückreichenden Anfechtungsfristen insbesondere im angeordneten Nachrang zeigt. Zur Wiederherstellung der Gläubigergleichbehandlung hätte ein Anfechtungstatbestand genügt.227 Ebenso greift es für das Gesellschafterdarlehensrecht zu kurz, den Regelungskern in einer „insolvenzspezifischen Gefahrtragungsregel“228 zu sehen. Dies verdeutlicht abermals der zehn Jahre zurückreichende Anwendungsbereich von §  135 I Nr.  1 InsO und nicht zuletzt auch der ermittelte Wertungs- und Legitimationsgedanke sowie der hieraus abgeleitete Normzweck.229 Ähnliches gilt für das Argument, die insolvenzrechtliche Qualifikation folge aus der tatbestandlich vorausgesetzten Insolvenzeröffnung. Diese ist keine hinreichende Bedingung für eine insolvenzrechtliche Qualifikation,230 sondern findet ebenfalls als bloßes Indiz Beachtung.231 Beim Gesellschafterdarlehensrecht wird dieses Indiz bereits dadurch deutlich geschwächt, dass die Insolvenzanfechtungstatbestände zeitlich an abgeschlossene Tatbestände aus einem insolvenzfernen Bereich von bis zu zehn Jahren vor Insolvenzeröffnung anknüpfen. Zudem enthält das Gesellschafterdarlehensrecht mit den Regelungen des Anfechtungsgesetzes auch Normen, die unabhängig von einem eröffneten Insolvenzverfahren zur Anwendung kommen. Diese haben zwar vor allem die Funktion, in masselosen Insolvenzen zu greifen, wenn es zu keiner Verfahrenseröffnung kommt. Ihre Existenz zeigt aber, dass 225 

So aber Dahl, oben Kapitel E. Fn.  143. Hierzu m.e.N. bereits oben ad E.I.5. 227 Vgl. Zahrte, ZInsO 2009, 223 (224). 228  Begriff nach Lüdtke, in HaKo InsO, §  39 Rn.  19a im Anschluss an Tillmann, GmbHR 2006, 1289 (1290 f.). 229  Vgl. hierzu eingehend oben ad B.III. insb. 2.i.gg. und zu den Folgen dieses Legitimationsund Wertungsansatzes für die kollisionsrechtliche Behandlung ausführlich nochmals sogleich ad E.III.3.b. 230  So auch Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S.  525. 231  Ähnlich bereits zur „action en comblement de passif“ Ebenroth/Kieser, KTS 1988, 19 (30). 226 

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

es sich um kein spezifisch insolvenzverfahrensrechtliches Rechtsinstitut handelt, dessen Wertungen nur in einem Gesamtverfahren gelten, und erschüttert damit die indizielle Bedeutung der tatbestandlich vorausgesetzten Insolvenzeröffnung. Das gewichtigste und über bloße indizielle Bedeutung hinausgehende Argument für eine insolvenzrechtliche Qualifikation ist der Verweis auf Art.  4 II lit.  g, i, m EuInsVO. Es lässt sich nicht überzeugend 232 daran herumdeuten, dass diese primär233 von der rechtstechnischen Umsetzung und den Rechtsfolgen her charakterisierten Katalogtatbestände sowohl die Nachrangregelung als auch die Insolvenzanfechtungstatbestände vom Wortlaut her eindeutig erfassen.234 Gerade diese rechtstechnische und rechtsfolgenseitige Konzeption wirft aber zwei so bisher noch nicht gesehene Fragen 235 auf: Deckt sich die kollisionsrechtliche Natur des Gesellschafterdarlehensrechts, die sich neben der Rechtsfolge gerade vorwiegend aus der Tatbestandsseite, der Funktion, den Zwecken und dem Interessensausgleich des Rechtsinstituts ergibt,236 mit der von Art.  4 II lit.  g, i, m EuInsVO im Hinblick auf die Rechtstechnik bzw. -folgen vorgenommenen Zuordnung zum Insolvenzstatut?237 Und sollte dies nicht der Fall sein, welche Folgen hätte dies für die kollisionsrechtliche Behandlung, insbesondere die Qualifikation des Gesellschafterdarlehensrecht?238 3.  Kollisionsrechtliche Natur des Gesellschafterdarlehensrechts Bei der Ermittlung der Rechtsnatur des Gesellschafterdarlehensrechts aus kollisionsrechtlicher Perspektive werden Art.  4 II lit.  g, i, m EuInsVO bewusst ausgeblendet, da gerade die durch sie angeordnete Rechtsfolge (insolvenzrechtliche Qualifikation) einer Überprüfung unterzogen werden soll. Bei funktionaler Qualifikati232 

Vgl. zu Ansätzen in der Literatur unten ad E.III.4.a. Art.  4 II lit.  m EuInsVO verlangt freilich auch, dass die Tatbestände gerade auf eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Rechtshandlung reagieren, vgl. zu diesem Kriterium im Zusammenhang mit dem Gesellschafterdarlehensrecht nochmals unten ad E.III.4.a. 234  So auch Wedemann, IPRax 2012, 226 (229) m. w. N. 235 Ähnlich argumentiert M.-P. Weller, Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S.  231 f. im Zusammenhang mit der sog. echten Durchgriffshaftung (im Mittelpunkt des Werkes steht die Existenzvernichtungshaftung vor der BGH-Entscheidung „Trihotel“) gegen ein einheitliches Durchgriffsstatut, da sich dieses nur aus der übereinstimmenden Rechtsfolge ergibt. 236  So letztlich hinsichtlich der Durchgriffshaftung auch M.-P. Weller, Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S.  233; ferner allgemein Behrens, IPRax 2010, 230 (231): maßgeblich für die Qualifikation sei der Zweck einer Regelung und J. Roth, GmbHR 2008, 1184 (1192): Funktion und Regelungsgehalt. Ähnlich Windbichler/Krolop, in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre 2.A., §  19 Rn.  71. Ähnlich auch Willemer, Vis attractiva concursus, S.  219 ff., allerdings in prozessualer Perspektive. A.A. Balke, oben Kapitel E. Fn.  181, nach der es wegen der autonomen Auslegung der EuInsVO auf Legitimationserwägungen hinsichtlich des zu qualifizierenden, nationalen Rechtsinstituts nicht ankomme, was aber letztlich den Grundsatz der autonomen Auslegung des Unionsrechts verkennt, vgl. zur Maßgeblichkeit des Normzwecks nationaler Regelungen bzw. Rechtsinstitute auch i.R.d. autonomen Qualifikation bereits oben ad E.I.2. 237  Dazu sogleich ad E.III.3. 238  Dazu sogleich ad E.III.4. 233 

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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on 239 sind für die kollisionsrechtliche Natur vor allem der Normzusammenhang, die mit dem Rechtsinstitut verfolgten Zwecke und dessen Funktion sowie die insgesamt hinter diesem stehenden Wertungen entscheidend. Diese sind mit den Systembegriffen der Kollisionsnormen, wiederum unter Beachtung ihrer Funktion und der mit ihnen verfolgten Zwecke, abzugleichen. a.  Insolvenzrechtliche Rechtsfolgen und Regelungstechnik Für eine aus kollisionsrechtlicher Perspektive insolvenzrechtliche Natur sprechen, wie oben bereits dargelegt, die spezifischen Rechtsfolgen bzw. die rechtstechnische Umsetzung (von großen Teilen) des Gesellschafterdarlehensrechts in Form von Insolvenzanfechtung und Nachrang.240 Diese spezifischen „Mittel“ des Insolvenzrechts deuten prima facie auf einen Zusammenhang zu insolvenzspezifischen Wertungen hin. Dieser ist allerdings, wie ebenfalls bereits oben ausgeführt, alleine schon wegen der flankierenden Normen des AnfG, die von identischen Wertungen getragen sind, teilweise erschüttert. Richtigerweise muss man die rechtstechnische Umsetzung von der davon prinzipiell unabhängigen Sachfrage und der letztlich durch die Norm zum Ausdruck kommenden Sachentscheidung trennen.241 Während die rechtstechnische Umsetzung durchaus austauschbar ist,242 charakterisieren vor allem die entschiedene Sachfrage und die dabei angestellten Wertungen ein Rechtsinstitut.243 So ergibt sich die funktionale Vergleichbarkeit nationaler Rechtsinstitute aus verschiedenen Rechtsordnungen vor allem aus der gleichen beantworteten Sachfrage und nicht aus den zu ihrer Bewältigung gewählten Rechtsfolgen. b.  Wertungsgrundlage des nationalen Rechtsinstituts Vollends erschüttert wird der Zusammenhang zu insolvenzspezifischen Wertungen daher auch, wenn man sich nochmals die oben eingehend aufgearbeitete244 Wertungsgrundlage des Gesellschafterdarlehensrechts vor Augen führt. Dieses knüpft 239 

Vgl. dazu oben ad C.VI.3.a.cc. und ad E.I.4. genügt wohl den meisten (zusammen mit den hier ausgeblendeten Normen der ­EuInsVO), auch wenn dies nicht immer in dieser Klarheit artikuliert wird. Sehr deutlich dem­ gegenüber Bork, ZGR 2007, 250 (252, Fn.  10). 241  K. Schmidt, GesR, §  18 III 4b, weist im Zusammenhang mit dem alten Recht zutreffend darauf hin, dass die Sachfrage bzw. der innere Normzweck vom rechtstechnischen Ansatz prinzipiell unabhängig ist. Schurig, in Kegel/Schurig, IPR, §  7 III 3b spricht allgemein vom „eigentlichen rechtspolitischen Kern“ einer Regelung. 242  Anstelle von Nachrang und Anfechtbarkeit könnte man etwa mit einer „gesellschaftsrechtlichen Verhaftung“ ähnlich dem Stamm- bzw. Grundkapital und einer Rückgewährpflicht arbeiten, ohne dass damit Veränderungen im Normzweck zwingend einhergehen würden. 243 A.A.: Bork, ZGR 2007, 250 (252, Fn.  10) nach dem es allein auf die Rechtsfolgen des Gesellschafterdarlehensrechts und nicht auf den Tatbestand und Erwägungen zur Legitimation ankommt. 244  Ausführlich dazu oben ad B.III. 240 Dies

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

von den Wertungen her nicht (mehr) an eine insolvenznahe Darlehensgewährung bzw. ein insolvenznahes „Stehenlassen“ des Darlehens und auch nicht an eine insolvenznahe Darlehensrückzahlung an. Es bedarf zwar immer noch einer Finanzierungsentscheidung, allerdings ist die finanzwirtschaftliche Situation in diesem Zeitpunkt nunmehr unerheblich. Damit verzichtet das Gesellschafterdarlehensrecht im Gegensatz zum früheren Eigenkapitalersatzrecht gerade auf einen konkreten Verhaltensvorwurf. Nicht nur tatbestandlich, sondern auch vom erarbeiteten Legitimationsgedanken und vom Normzweck her, knüpft das Gesellschafterdarlehensrecht maßgeblich an die Gesellschafterstellung des Darlehensgebers245 und das Privileg der Haftungsbeschränkung an. Das Gesellschafterdarlehensrecht hat den Zweck, einen Risikobeitrag des Gesellschafters sicherzustellen und das durch Einführung der mindestkapitallosen UG entstandene Legitimationsdefizit der Haftungsbeschränkung auszugleichen. Es soll eine Risikobeteiligung der Gesellschafter sicherstellen, um negative Anreize zu verhindern und um insgesamt das Privileg der Haftungsbeschränkung zu legitimieren, das seinerseits legitimierend für das Gesellschafterdarlehensrecht ist. Die Überantwortung des kompletten Finanzierungsrisikos an die Gesellschafter, zu der das Gesellschafterdarlehensrecht führt, knüpft damit wertungsmäßig an die Gesellschafterstellung und vor allem an das Privileg der Haftungsbeschränkung an. Das Gesellschafterdarlehensrecht hat sich mit der Reform komplett von seinem krisen- und verhaltensbezogenen Ansatz gelöst und sich zu einem objektiven Rechts­ institut, das die Haftung jeglichen Gesellschafterfremdkapitals anordnet und umsetzt246, entwickelt. Damit steht das Gesellschafterdarlehensrecht eher in einem Wertungs- und Normzusammenhang mit den gesellschaftsrechtlichen Regeln zum gesetzlichen Mindestkapital mit Kapitalaufbringung und -erhaltung247 und denen zur Haftungsbeschränkung als mit insolvenzbezogenen Haftungsvorschriften wie der Insolvenzverschleppungshaftung, der Haftung nach §  64 S.  1 GmbHG oder den übrigen Insolvenzanfechtungsregeln. Das Gesellschafterdarlehensrecht, das nur Finanzierungsleistungen von Gesellschaftern (und gleichgestellten Dritten) tatbestandlich erfasst, statuiert Regeln zur Unternehmensfinanzierung in Gestalt von Haftungsregeln für Gesellschafterfremdkapital. Nach der Reform greift das Gesellschafterdarlehensrecht mit der verhaltensunabhängigen Erfassung sämtlicher Gesellschafterfremdfinanzierungsleistungen sogar weiter in die Finanzierungsfreiheit ein als zuvor das Eigenkapitalersatzrecht.248 Zudem berühren die Regelungen zu den Gesellschafterdarlehen die Frage 245 

So auch hinsichtlich §  39 I Nr.  5 InsO: Zahrte, ZInsO 2009, 223 (225). Gehrlein, NZI 2015, 577 (580) spricht von einer faktischen Behandlung wie Eigenkapital. 247 Einen Zusammenhang zu den vorrangigen Finanzierungsinstrumenten der Kapitalerhöhung und des Nachschusskapitals sieht Gehrlein, in MüKo InsO, §  135 Rn.  9; ganz ähnlich auch ders., BB 2011, 1 (8). 248  Der BGH hat aus Respekt vor der Finanzierungsfreiheit eine Erfassung sämtlicher Gesellschafterleistungen früh ausdrücklich abgelehnt: BGH, Urteil vom 26.11.1979 – II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 (337, juris Rn.  10). 246 

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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um die Reichweite des kapitalgesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzips. Das Gesellschafterdarlehensrecht ist damit zur Finanz- und Haftungsverfassung der tatbestandlich erfassten Gesellschaftsformen zu zählen.249 c.  Abgleich mit den Zwecken der Verweisungsnormen und ihrer Systembegriffe Gleicht man Funktion, Zweck und Wertungsgrundlage des nationalen Rechtsinstituts mit den Zwecken der Verweisungsnormen und ihrer Systembegriffe sowie der daraus abgeleiteten Reichweite der Begriffe250 ab, kommt man zu einem eindeutigen Ergebnis: Trotz der insolvenzrechtlichen Rechtsfolgen bzw. Regelungstechnik handelt es sich beim wertungsmäßigen Kern der Regelungen um einen gesellschaftsrechtlichen – die funktional betroffenen Rechtsfragen sind auch aus kollisionsrechtlicher Perspektive gesellschaftsrechtlicher und nicht insolvenzrechtlicher Natur.251 Im Vordergrund des Gesellschafterdarlehensrechts stehen gerade nicht die Situation der (drohenden) Insolvenz und der Umgang mit dieser und ihren Folgen, auf die Art.  4 EuInsVO abstellt. Das Gesellschafterdarlehensrecht greift vielmehr nur bei Gelegenheit einer Insolvenz. Es betrifft in seinem tatbestandlichen Anwendungsbereich (auch) Darlehen, die in einer völlig insolvenzfernen Situation gewährt (und ggf. sogar zurückbezahlt) wurden und knüpft von den tragenden Wertungen her nicht an die Insolvenz an. Bei den tragenden Wertungsgesichtspunkten handelt es sich nach der Reichweite der Kollisionsnormen vielmehr um gesellschaftsrechtliche, die primär mit der Mitgliedschaft und dem Wesen der Gesellschaft zusammenhängen. Das Gesellschafterdarlehensrecht stellt sich damit nicht als spezifische Wirkung der (drohenden) Insolvenz dar. Die durch das Gesellschafterdarlehensrecht vorgenommene Risikozuweisung basiert auf gesellschaftsrechtlichen Wertungen. Insolvenzpolitische Ziele wie etwa die Gläubigergleichbehandlung werden mit dem Gesellschafterdarlehensrecht nicht primär verfolgt. Es handelt sich auch um keine Rechtsmaterie, die für die Zweckerfüllung des Insolvenzverfahrens erforderlich ist. Der Gerechtigkeitsgehalt des Gesellschafterdarlehensrechts ergibt sich vielmehr (erst) aus gesellschaftsrechtlichen Überlegungen. Dies alles spricht unter den 249  So auch für §  39 I Nr.  5 InsO: Zahrte, ZInsO 2009, 223 (225). Tendenziell auch bereits Meilicke, GmbHR 2007, 225 (231) mit Blick auf den RefE MoMiG. Ähnlich bereits zum alten Recht: Behrens, in Ulmer/Habersack/Winter GmbHG, Einl. B. Rn. B 86; Borges, ZIP 2004, 733 (743); H.-F. Müller, NZG 2003, 414 (417); Reinhart, in MüKo InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  7. 250  Dazu eingehend oben ad E.I.5., D.II. und C.V.2. 251  So auch noch Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  179 f.: „Im Ergebnis handelt es sich damit um „insolvenzrechtlich verpacktes“ deutsches Gesellschaftsrecht“, mit freilich anderem Ergebnis wegen des Gesetzgeberwillens: Berücksichtigung der lex societatis über Art.  13 EuInsVO (Kritik zur Argumentation Schalls bereits oben Kapitel E. Fn.  210; zum Vorschlag der Berücksichtigung des Gesellschaftsstatuts über Art.  13 EuInsVO unten ad E. III.4.b.gg. und ad E.III.5.g.bb.). Kritischer inzwischen Schall, NJW 2011, 3745 (3747): gesellschaftsrechtliche Qualifikation komme seit dem MoMiG nicht mehr in Betracht, vgl. dazu unten Kapitel E. Fn.  344.

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

Vorgaben der funktionalen Qualifikation dafür, das Gesellschafterdarlehensrecht gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren. Dieses Ergebnis vom gesellschaftsrechtlich geprägten Wertungskern stützt auch die allgemein vorgenommene Zuordnung von Fragen der Finanz- und Haftungsverfassung zum Gesellschaftsstatut,252 welche, wie im vorangehenden Abschnitt gesehen, hier betroffen sind.253 Auch die Frage nach der Reichweite des kapitalgesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzips ist dem Gesellschaftsstatut zugewiesen.254 Für Regelungen zur Kapitalaufbringung und -erhaltung wird davon ausgegangen, dass sie zwingend zum Gesellschaftsstatut zählen, soweit sie funktional als Ausgleich für die Haftungsbeschränkung anzusehen sind.255 Insoweit sollte für das Gesellschafterdarlehensrecht, dessen Risikozuweisung ebenfalls als Ausgleich für das Privileg der Haftungsbeschränkung anzusehen ist, das Gleiche gelten. Auch die mit der EuInsVO und der Geltung der lex fori concursus verfolgten Ziele256 des internationalen Entscheidungseinklangs und der gemeinschaftsweiten Gläubigergleichbehandlung257 sprechen nicht entscheidend gegen dieses Ergebnis. Jedes ausländische Gericht müsste bei sorgsamer Auseinandersetzung mit dem Gesellschafterdarlehensrecht und dessen Wertungsgrundlage zum selben Ergebnis kommen. Freilich besteht eine gewisse Gefahr, dass von ausländischen Gerichten allein ausgehend von der Regelungstechnik qualifiziert wird, zumal Art.  4 II EuInsVO so verfährt. Damit bestehen tatsächlich gewisse Risiken für das Ideal des Entscheidungseinklangs bei einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation. Diese Nachteile sind aber angesichts der gewichtigen Gründe, die für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation sprechen, hinzunehmen und gefährden die Rechtssicherheit nicht grundlegend. Sie treten naturgemäß ein, wenn ein dem Wortlaut nach einschlägiger Tatbestand aus teleologischen Gründen abgelehnt wird. Sobald es hierzu entsprechende Kommentarliteratur und obergerichtliche Rechtsprechung gibt, dürfte sich die gesellschaftsrechtliche Qualifikation auch ins europäische Ausland „herumsprechen“. Die Gläubigergleichbehandlung wäre auch bei einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation gewahrt. Das Gesellschaftsstatut unterwirft alle Gesellschafter denselben einheitlichen Haftungsregeln. Im Gegensatz zum Insolvenzstatut mit den 252 

Nachweise oben Kapitel D. Fn.  111 und 112. Aus diesem Grund geht auch Eidenmüller, RabelsZ 70 (2006), 474 (491) von einer im Kern gesellschaftsrechtlichen Natur aller Regeln zur Unternehmensfinanzierung mit „Eigen- und/oder Fremdkapital“ aus. K. Schmidt, GmbHR 2005, 797 (805) sieht dagegen das Problem des Kapitalschutzes, zu dem hier gewisse Zusammenhänge bestehen, international überwiegend dem Insolvenzrecht zugeordnet. 254  Behrens/Hoffmann, in Ulmer/Habersack/Löbbe GmbHG, Einl. B Rn. B 111 m. w. N. 255  Röhricht, ZIP 2005, 505 (506) hinsichtlich der Kapitalerhaltungsregeln mit freilich anderem Ergebnis hinsichtlich der alten Novellenregeln und der bereits von ihm vorgeschlagenen, der neuen Rechtslage nahekommenden, entspeckten Eigenkapitalersatzregeln (Subordination aller Gesellschafterdarlehen). Grundsätzlich ähnliche Erwägungen bei: Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S.  525. 256  Vgl. zu Letzterem bereits oben ad C.V.1.b. 257  Haß/Herweg, in Haß/Huber/Gruber/Heiderhoff EuInsVO, Art.  4 Rn.  11. 253 

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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möglichen Partikularverfahren und damit einhergehenden „Partikular-Insolvenzstatuten“258 entstammt das Gesellschaftsstatut insgesamt nur einer Rechtsordnung. Die mögliche Ungleichbehandlung gegenüber dritten Insolvenzgläubigern wegen der Maßgeblichkeit eines anderen Rechts (Gesellschaftsstatut statt Insolvenzstatut) geht auf das betroffene Gesellschaftsverhältnis und damit einen hinreichenden Sachgrund zurück. Was die Kalkulierbarkeit der Risiken 259 betrifft, ist die Situation der Gesellschafter nur eingeschränkt mit der von Drittgläubigern vergleichbar. Letztlich wird sich der Gesellschafter hinsichtlich des Finanzierungsrisikos eher auf das Gesellschaftsstatut, das er bei Gründung faktisch selbst wählt, einrichten und nicht auf ein (potentielles) Insolvenzstatut, bei dessen vorheriger Bestimmung mitunter Schwierigkeiten auftreten können.260 Eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation ermöglicht damit unter diesem Gesichtspunkt sogar eine bessere Kalkulierbarkeit der Risiken als eine insolvenzrechtliche. Um einen klassischen Zirkelschluss handelt es sich, wenn man das Ideal des einheitlichen Insolvenzstatuts gegen eine aus kollisionsrechtlicher Perspektive gesellschaftsrechtliche Natur vorbringt.261 Die Einheitlichkeit des Insolvenzstatuts bezieht sich nur auf Insolvenzrecht (ermittelt aus kollisionsrechtlicher Perspektive), womit diese nicht zur Begründung einer solchen kollisionsrechtlichen Natur taugt.262 Der Grund für das einheitliche Insolvenzverfahren ist das Bedürfnis nach effizienten und wirksamen grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren im Interesse eines funktionsfähigen Binnenmarktes (ErwG 2, 8 der EuInsVO).263 Diese Ziele werden nicht bzw. jedenfalls nicht grundsätzlich gefährdet, wenn man das besondere Verhältnis des Gesellschafters zu „seiner“ in Insolvenz geratenen Gesellschaft nach dem Gesellschaftsstatut (in Form des Heimatrechts) beurteilt. Das sog. „forum shopping“ (vgl. ErwG 4 der EuInsVO) wird durch eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation (mit entsprechend konsequenter Anknüpfung an das Gründungsrecht) sogar besser verhindert als durch eine insolvenzrechtliche. Durch eine geschickte Wahl des Insolvenzforums kann das Gesellschafterdarlehensrecht dann nicht mehr „abgewählt“ werden. Wendet man in Folge der gesellschaftsrechtlichen Qualifikation Art.  13 EuInsVO nicht an, so kann auch durch eine geschickte 258  Vgl. zum möglichen Unterfallen des §  135 InsO unter ein Partikularinsolvenzstatut die Überlegungen m. w. N. unten ad E.III.3.e.bb. mit Fn.  274. 259  Vgl. zu diesem Aspekt der Begründung der Regelung des Art.  4 EuInsVO (i. V. m. Art.  3 EuInsVO) m. w. N. oben ad C.V.1.b. 260 Ähnlich die Argumentation Mock/Schildts, Grenzüberschreitende Gesellschaften, §  17 Rn.  71 für die Insolvenzantragspflicht. A.A. offenbar U. Huber, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  131 (182). 261 In diese Richtung Wedemann, IPRax 2012, 226 (229): „Ideal der Maßgeblichkeit einer einzigen Rechtsordnung“. 262 Ähnlich Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S.  526: „Ziel der EuInsVO ist das einheitliche Verfahren, nicht die einheitliche Anknüpfung von außerhalb des Insolvenzrechts liegenden Fragen.“ 263 Vgl. Wedemann, IPRax 2012, 226 (230).

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

Wahl des hiernach maßgeblichen Rechts264 keine Unanwendbarkeit der Normen mehr erzielt werden. Insgesamt sprechen also die Wertungen hinter dem Gesellschafterdarlehensrecht und dessen Funktion vor dem Hintergrund der einschlägigen Kollisionsnormen für eine aus kollisionsrechtlicher Perspektive gesellschaftsrechtliche Natur desselben. d.  Zuordnung nach den weiteren vorgeschlagenen Abgrenzungsformeln Auch die weiteren zur Abgrenzung des Gesellschafts- vom Insolvenzstatut vorgeschlagenen Formeln 265 führen zu keinem anderen Ergebnis. Das Gesellschafterdarlehensrecht bezweckt insgesamt nicht den kollektiven Schutz vor den spezifischen Folgen und Wirkungen einer (drohenden) Insolvenz. Zwar dient das Gesellschafterdarlehensrecht funktional und von der Art und Weise der Haftungsrealisierung her der Gesamtheit der Gläubiger, jedoch gerade nicht dem Schutz vor der Insolvenz­ situation und den spezifischen Folgen. Ferner ist, unabhängig von der Überzeugungskraft dieses Kriteriums,266 das Gesellschafterdarlehensrecht vom Ausgangspunkt her auch nicht als Ausfallhaftung ausgestaltet. Die Rechtsfolgen des Nachrangs und der Insolvenzanfechtungstatbestände stellen nicht auf einen Ausfallschaden ab. Verhaftet wird die gesamte Finanzierungsleistung unabhängig von der Ausfallhöhe der Gläubiger. Durch den Nachrang an letzter Stelle wird der Gesellschafter zwar befriedigt, bevor die Gesellschafter auf ihre Einlage Zahlungen erhalten. Dies darf man allerdings nicht mit dem Wesen einer Ausfallhaftung verwechseln, da der Grund hierfür in der Anerkennung der Gesellschafterdarlehen als gewillkürtes Fremdkapital wenigstens im Verhältnis zu den übrigen Gesellschaftern bzw. deren Einlageforderung zu sehen ist. Entscheidend ist, dass vom Ausgangspunkt der Ausfallschaden nicht entscheidend für die Höhe der Verhaftung ist. Der Ausfallschaden deckelt die Verhaftung der Gesellschafterdarlehen nur. e.  Weitere relevante Gesichtspunkte für die kollisionsrechtliche Rechtsnatur Neben der Wertungsgrundlage und der funktionalen Betrachtung des Gesellschafterdarlehensrechts gibt es noch weitere Gesichtspunkte, die für die Bestimmung der Rechtsnatur aus kollisionsrechtlicher Perspektive relevant sein können oder wenigstens mitbedacht werden sollten.

264  Vgl. zum Streit um die Bestimmung des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“ oben ad C.VI.3.c. und zu den Sondermeinungen das Gesellschafterdarlehensrecht betreffend oben ad E.III.1.a. und b. 265  Vgl. zu den Abgrenzungsvorschlägen m. w. N. oben ad E.I.5. 266  Da das Kriterium letztlich auch an der rechtstechnischen Ausgestaltung und den Rechtsfolgen ansetzt, ist es nicht geeignet alle maßgeblichen Wertungen im Rahmen der Qualifikation aufzuzeigen bzw. zu berücksichtigen.

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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aa.  Gesellschafterdarlehensrecht „wirkt“ bereits vor dem Zeitpunkt materieller Insolvenz: präventiver, insolvenzferner Handlungsanreiz Zwar greifen die Normen der InsO erst mit Insolvenzeröffnung bzw. bei masseloser Insolvenz diejenigen des AnfG. Wie nun bereits mehrfach erwähnt, werden vom tatbestandlichen Anwendungsbereich aber (auch) Finanzierungsleistungen aus Zeiten fern jeder Insolvenzsituation erfasst, da es auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Finanzierungshandlung und die finanzwirtschaftliche Situation in diesem Zeitpunkt nicht mehr ankommt. Für den Nachrang bedarf es neben dem Insolvenzeintritt keines weiteren, spezifischen, vorinsolvenzlichen Verhaltens. Damit hat aber ein umsichtiger Gesellschafter die Regelungen des Gesellschafterdarlehensrechts letztlich bei jeder Darlehensfinanzierung seiner Gesellschaft zu berücksichtigen. Der präventive Handlungsanreiz besteht unabhängig von einer Insolvenz und zielt im Gegensatz etwa zur Insolvenzantragspflicht (mitsamt der korrespondierenden Haftung) oder der Massesicherungspflicht (mitsamt Haftung aus §  64 S.  1267 und 3 GmbHG) gerade nicht auf einen wenigstens insolvenznahen Zeitraum ab.268 Dies verdeutlicht nochmals den Charakter des Gesellschafterdarlehensrechts als Regelung zur Unternehmensfinanzierung und spricht mit dem Aspekt der Kalkulierbarkeit der Risiken (dazu bereits oben) für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation. bb.  Problematik der Sitzverlegung und Auslands-GmbH Noch deutlicher wird die Problematik des präventiven Handlungsanreizes, wenn man sich eine COMI-Verlegung in die Bundesrepublik zwischen Darlehensgewährung und späterer Insolvenz oder gar zwischen Darlehenstilgung und späterer Insolvenz hinzudenkt. Ein Beispiel: Eine zunächst im Vereinigten Königreich betriebene, vorwiegend darlehensfinanzierte Limited (etwa mit Satzungs- und Verwaltungssitz in London) verlegt ihren Verwaltungssitz und damit ihren COMI in die Bundesrepublik und fällt nach einigen Monaten unvorhergesehen in Insolvenz. Während die Darlehensfinanzierung nach den englischen Regeln zur Unternehmensfinanzierung unbedenklich möglich war (das unterstellen wir an dieser Stelle) und deshalb auch gewählt wurde, soll der Gesellschafter nunmehr in der Insolvenz nur nachrangig zum Zuge kommen und in insolvenzfernen Zeiten erhaltene Rückzahlungen sogar ggf. zurückerstatten müssen? Will man hier keinen Normwiderspruch erkennen, kann man dies allenfalls als (denklogische) Folge der insolvenz-

267  Vgl. zur insolvenzrechtlichen Qualifikation dieses Tatbestands (bzw. der identischen Vorgängerregelung in §  64 II 1 GmbHG a. F.) durch den EuGH in der sog. „Kornhaas“-Enscheidung bereits oben ad C.V.2.a.bb. 268  Freilich ist der präventive Handlungsanreiz kein zentrales Anliegen des Gesellschafterdarlehensrechts, so dass er diesem teilweise auch gänzlich abgesprochen wird, vgl. Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  178.

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

rechtlichen Regelung und ihrer Anknüpfung rechtfertigen,269 was m. E. aber wegen der oben beschriebenen Insolvenzferne nicht überzeugt und vor allem auch vor dem Hintergrund der Niederlassungsfreiheit270 problematisch ist.271 Aber nicht nur die COMI-Verlegung in die Bundesrepublik lässt zweifeln, sondern auch der umgekehrte Fall: So könnte die COMI-Verlegung in ein Land ohne vergleichbares insolvenzrechtliches Rechtsinstitut272 vor Insolvenzantragsstellung für den Gesellschafter einer deutschen GmbH mit bisherigem COMI in der Bundesrepublik die Option sein, dem Gesellschafterdarlehensrecht zu entgehen.273 Selbst bei einem möglichen Partikularverfahren und der (unterstellten) Anwendbarkeit von §  135 InsO in diesem Verfahren 274 bliebe der Nachrang im Hauptverfahren 269  U. Huber, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  131 (182) verweist insoweit auf Art.  13 EuInsVO, der ausreichenden Vertrauensschutz gewährleiste. 270  Eingehend unten ad E.III.5. 271  Allgemein weist Krolop, in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, §  19 Rn.  58 darauf hin, dass „die Vermeidung derartiger Aufdoppelung (Anm.: von Haftungstatbeständen), nicht nur sachgerecht, sondern europarechtlich geboten“ ist. Dies muss auch gelten, soweit in einem nationalen Recht bewusst auf Regelungen zu einer bestimmten Sachfrage verzichtet wird. Dieser Problematik kann man entgehen, wenn man eine Art Umkehrschluss zum Vorschlag M.-P. Wellers, FS Ganter, S.  439 ff.; ders., ZIP 2009, 2029 (2035 ff.) zur „Konservierung einmal entstandener Insolvenzhaftungsansprüche (…) bei späterem Insolvenzstatutenwechsel“ macht (von M.-P. Weller vor allem zur Insolvenzverschleppungshaftung entwickelt). M.-P. Weller schlägt a. a. O. vor, für entstandene Insolvenzhaftungsansprüche bei späterer COMI-Verlagerung auf den alten COMI bzw. das alte Insolvenzstatut abzustellen. Im Umkehrschluss könnte man darüber nachdenken, wenn nach dem Recht am ursprünglichen COMI eine Darlehensfinanzierung ohne Einschränkungen möglich war, diese Wertung dadurch umzusetzen, dass man für abgeschlossene Tatbestände (also insbesondere eine bereits erfolgte Darlehenstilgung) nicht rückwirkend das Insolvenzanfechtungsrecht am neuen COMI zur Anwendung bringt. Hierfür spricht das „Prinzip der lex temporis actus“ (vgl. dazu dens., FS Ganter, S.  439 (450)). 272  Beispielsweise Frankreich, vgl. unten Kapitel E. Fn.  288. 273  Auf diese Problematik der „COMI-Flucht“ weist auch Hirte, in Uhlenbruck InsO, §  39 Rn.  60 m. w. N. hin. Auflösen könnte man dies mit dem oben Kapitel E. Fn.  271 beschriebenen Ansatz M.-P. Wellers, indem man den noch unter deutschem COMI entstandenen Anfechtungsanspruch trotz COMI-Verlegung aufrechterhält. Kritisch zum Ansatz M.-P. Wellers: C. Paulus, EuInsVO, Art.  4 Rn.  36 Fn.  93. 274  Wann ein Anfechtungsanspruch dem territorialen Insolvenzverfahren „zuzurechnen“ ist, ist in der Literatur gerade umstritten. Vgl. zu diesen noch weitgehend ungeklärten Fragen die Gedanken M.-P. Wellers, ZGR 2008, 835 (864), der für die notwendige Betroffenheit des Inlandsvermögens nach Art.  3 II 3 i. V. m. Art.  2 lit.  g EuInsVO auf einen inländischen Interessensmittelpunkt des Gesellschafters als Schuldner des Anfechtungsanspruchs abstellt. In diese Richtung zuvor schon C. Paulus, NZI 2001, 505 (515). Hiergegen tritt, mit in der Sache überzeugenden Argumenten, Fehrenbach, NZI 2015, 157 (159 ff.) ein. Demnach geht es gar nicht um die Frage der Betroffenheit des Inlandsvermögens, da der Insolvenzanfechtungsanspruch nicht zum Vermögen des Insolvenzschuldners gehöre. Es sei vielmehr auf die Kompetenzabgrenzung zwischen Haupt- und Sekundärinsolvenzverwalter abzustellen. Dabei sei zu unterscheiden, ob die anfechtbare Rechtshandlung die Aktivmasse verkürzt oder die Passivmasse vergrößert hat. Im zuletzt genannten Fall sei jeder Verwalter anfechtungsbefugt, wenn die Forderung im jeweiligen Verfahren angemeldet wurde. Bei Verkürzung der Aktivmasse sei danach zu entscheiden, zu welcher Insolvenzmasse der anfechtbar weggegebene Vermögensgegenstand gehört hätte. In diese Richtung bereits Aderhold, Auslandskonkurs im Inland,

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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mangels entsprechender Regelung unbeachtet, wenn man sich keiner „juristischen Kunstgriffe“ im Einzelfall bedient. Vergleichbare Fragen stellen sich auch hinsichtlich GmbH oder UG, die bereits bei ihrer Gründung einen COMI im Ausland haben,275 wenn man einer insolvenzrechtlichen Qualifikation folgt. Das deutsche Gesellschafterdarlehensrecht ist in der Auslandsinsolvenz dann nicht anwendbar und soweit das Insolvenzstatut keine vergleichbaren Regelungen enthält, etwa weil der Staat der Insolvenzeröffnung der Problematik mit gesellschaftsrechtlichen Instituten begegnet, entsteht eine (vermeintliche) Lücke im Gläubigerschutz.276 Diese Lücke ist gleichsam die Kehrseite der insolvenzrechtlichen Qualifikation, der „Preis“ dafür, auch EU-Auslandsgesellschaften erfassen zu können. Freilich mag man auch hier argumentieren, dass dies die logische Konsequenz des insolvenzrechtlichen, kollisionsrechtlich an den COMI anknüpfenden Konzepts ist. Soweit man aber nicht jeden Bezug zur Haftungsbeschränkung ablehnt, wird man sich die Frage stellen müssen, ob nach hiesiger Dogmatik nicht ein Legitimationsdefizit entsteht, wenn man weder ein Mindestkapital verlangt noch Fremdkapital in irgendeiner Form „verhaftet“, den Gesellschafter also weitgehend von jedem Risiko freistellt. Insgesamt vermögen diese, eher vom Ergebnis her gedachten Überlegungen eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation zwar nicht zu begründen. Die aufgezeigten Folgen sind vielmehr naturgemäß mit einer insolvenzrechtlichen Qualifikation verbunden. Doch indizieren diese Überlegungen, dass eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation dem Regelungsgegenstand der Normen besser entspricht.277 cc.  Rechtsvergleich: beschränkte Aussagekraft des Vergleichs mit Gläubigerschutzregeln anderer Rechtsordnungen Zuletzt soll an dieser Stelle noch vor einer häufig zu beobachtenden, voreiligen und nicht hinreichend durchdachten Heranziehung rechtsvergleichender Aspekte278 gewarnt werden. Oft wird dabei übersehen, dass im Rahmen der (funktionalen) Qualifikation eines Rechtsinstituts279 gerade das spezifische nationale Institut vor dem S.  266 mit Fn.  107. Umfassend zu dieser Problematik jüngst auch Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S.  280 ff. m.v.w.N. 275  Dies ist seit dem MoMiG möglich, vgl. oben ad D.I.6. 276  In diese Richtung die allgemein gehaltenen Gedanken bei Willemer, Vis attractiva concursus, S.  150 und Altmeppen/Ego, in MüKo AktG, Bd. 7, europ. Niederlassungsfreiheit, Rn.  275. Letztere weisen ferner darauf hin, dass dies auch dann der Fall wäre, wenn trotz COMI in der Bundesrepublik ein Hauptinsolvenzverfahren (fälschlich) im Ausland eröffnet würde. Hinsichtlich der Insolvenzantragspflicht bereits M. Fischer, ZIP 2004, 1477 (1481). 277  In eine ähnliche Richtung hinsichtlich der Verweisungsergebnisse die allgemeinen Erwägungen bei Altmeppen/Ego, in MüKo AktG, Bd. 7, europ. Niederlassungsfreiheit, Rn.  265. 278 Bereits die Gesetzesbegründung selbst verweist ohne weitere Belege für den Nachrang sämtlicher Gesellschafterdarlehen auf „international verbreitete Regelungsmuster“, vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  56. 279  Vgl. dazu instruktiv oben ad E.I.4. und ad C.VI.3.a.cc.

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

Hintergrund seiner Funktion und Zwecke zu beurteilen ist. Der Vergleich mit einem ausländischen Rechtsinstitut muss daher immer ggf. bestehende Unterschiede berücksichtigen.280 Selbst wenn die Unterschiede in Zweck und Funktion zweier Rechtsinstitute gering sind, können sie bereits eine unterschiedliche Qualifikation rechtfertigen.281 Um daher aus rechtsvergleichenden Aspekten tatsächlich tragende Erkenntnisse zur Qualifikation gewinnen zu können, müssen die betreffenden Rechtsinstitute minutiös verglichen und vor allem die Unterschiede hinreichend gewürdigt werden. Selbst wenn sich dann herausstellt, dass zwei Institute vergleichbar sind, ist noch nicht gesagt, dass auch die von der betreffenden Rechtsordnung (herrschend) vorgenommene Qualifikation richtig ist. Gerade im Zusammenhang mit dem Gesellschafterdarlehensrecht wird immer wieder auch auf ausländische Rechtsinstitute hingewiesen, die von der Ausgestaltung, Funktion und den Normzwecken her mit dem Gesellschafterdarlehensrecht wenig gemein haben,282 außer dass sie tatbestandlich auch die Fälle von Gesellschafterdarlehen erfassen können.283 Dort wo Rechtsinstitute eine spezifische Sonderbehandlung für Gesellschafterdarlehen vorsehen,284 werden diese aber überwie280  Viel zu oberflächlich daher die Hinweise bei U. Huber, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  131 (184, Fn.  159). 281  Als Beispiel sei hier eine fiktive Regelung angeführt, die sämtliche Leistungen an Gesellschafter wegen eines (potentiellen) Informationsvorsprungs innerhalb einer engen Frist der Insolvenzanfechtung unterwirft. Nur weil eine solche Norm möglicherweise eine kollisionsrechtlich insolvenzrechtliche Rechtsnatur hat, ist noch nicht gesagt, dass gleiches für das Gesellschafterdarlehensrecht de lege lata gilt (vgl. zu einem Vorschlag de lege ferenda in diese Richtung unten ad G.II.1.). 282  Beispielsweise von Haas, in Verhandlungen des 66. DJT, Bd. I, S. E 58 ff. auf das englische „wrongful trading“ und die französische „actio en comblement du passif“ als „funktional vergleichbare Rechtsinstitute“ (S. E 60). Beide knüpfen aber an ein tatsächliches Verhalten an und sind am ehesten noch mit der Insolvenzverschleppungshaftung vergleichbar. Kritisch daher zur Vergleichbarkeit auch die sogleich in Kapitel E. Fn.  283 Genannten. Zurückhaltender der Verweis auf diese Rechtsinstitute bei U. Huber/Habersack, in Lutter, Kapital der Aktiengesellschaft, S.  370 (386 ff.). 283  An einer Vergleichbarkeit ausländischer Rechtsinstitute mit dem deutschen Gesellschafterdarlehensrecht zweifelnd: Eidenmüller, FS Canaris Bd. II, S.  49 (52 f.) ausführlich für das Vereinigte Königreich und Frankreich, aber auch hinsichtlich der US-amerikanischen equitable subordination und der recharacterization. Grimm, Finanzverfassung, S.  146 hinsichtlich der „actio en comblement du passif“. Hinsichtlich der gerichtlichen Nachranganordnung im Zusammenhang mit „wrongful trading“ (Großbritannien), den Regelungen in Frankreich und der US-amerikanischen „equitable subordination“ auch zweifelnd: Zahrte, ZInsO 2009, 223 (225 f.). Generell zweifelnd: Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  163. Anders für die recharacterization: U. Huber, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  131 (184 f.). 284 Vgl. zur Rechtslage in Italien, Spanien, Slowenien und den skandinavischen Ländern Kalss/Adensamer/Oelkers, in Lutter, Kapital der Aktiengesellschaft, S.  134 (179 ff.); ausführlich zu Frankreich und Spanien Grimm, Finanzverfassung, insb. S.  140 ff., 188 ff.; Höhn, Wahrung von Gläubigerinteressen, S.  121 ff. zu Österreich, Griechenland, England, Frankreich, Schweden, Dänemark und Norwegen; Zahrte, ZInsO 2009, 223 (225 ff.) zu Großbritannien, Frankreich, Italien, Portugal, Österreich und Polen sowie den USA. Vgl. ferner inzwischen größtenteils rechtshistorisch: Fessler, Behandlung der Gesellschafterdarlehen in den GmbH-Rechten der EG.

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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gend gesellschaftsrechtlich und nur teilweise insolvenzrechtlich verortet285.286 Die Ausgestaltung der Tatbestände, die angewandte Rechtstechnik und die dahinterstehenden Wertungen unterscheiden sich hierbei teilweise erheblich.287 Zudem ist auch in Teilen der Europäischen Union eine Subordination von Gesellschafterfremdfinanzierungsleistungen gänzlich unbekannt288. Dies muss nicht bedeuten, dass die Problematik dort „übersehen“ wurde, sondern wird vielmehr häufig Ausdruck einer gesetzgeberischen und/oder obergerichtlichen Entscheidung sein, diese Fälle keiner Sonderbehandlung zu unterwerfen.289 Rechtsvergleichend sind nach all dem nur eingeschränkt Ergebnisse für die Qualifikation des Gesellschafterdarlehensrechts zu gewinnen, was aber gleichsam eine sehr eingehende Auseinandersetzung mit den betreffenden ausländischen Rechtsinstituten erfordert. Für die Problematik der Verhaftung von Gesellschafterfremdfinanzierungsleistungen soll hier die Feststellung genügen, dass es kein einheitliches Bild innerhalb der EU gibt. f.  Ergebnis zur kollisionsrechtlichen Natur des Gesellschafterdarlehensrechts Es hat sich insgesamt gezeigt, dass das Gesellschafterdarlehensrecht trotz der gewählten insolvenzrechtlichen Regelungsmechanismen aus kollisionsrechtlicher Sicht in Anbetracht der Funktion und Wertungen der Tatbestände von gesellschaftsrechtlicher Natur ist. Wertungsmäßig entscheidend für die Risikozuweisung des Gesellschafterdarlehensrechts ist nicht mehr die insolvenznahe Darlehensfinanzierung in der Krise, sondern allein die Aspekte der Gesellschafterstellung und der Haftungsbeschränkung. Funktional betrifft das Gesellschafterdarlehensrecht die Frage der Haftung von Gesellschafterfremdkapital für Gesellschaftsverbindlichkei285  Freilich sagt die „Verortung“ noch nichts Zwingendes über die kollisionsrechtliche Rechtsnatur der jeweiligen Rechtsinstitute aus, kann aber jedenfalls als Indiz für das dortige Verständnis des Rechtsinstituts angesehen werden, vgl. hierzu bereits oben ad C.V.2.a. mit Fn.  302 und 303. 286  Kalss/Adensamer/Oelkers, in Lutter, Kapital der Aktiengesellschaft, S.  134 (179); ähnlich m. w. N. Haas, in Verhandlungen des 66. DJT, Bd. I, S. E 59 f.; Zahrte, ZInsO 2009, 223 (225 ff.). Dem deutschen Recht am nächsten stand dabei bislang das österreichische Recht, das lange Zeit die deutsche Rechtsentwicklung nachvollzog, das Recht der Gesellschafterdarlehen zwischenzeitlich in einem eigenen Eigenkapitalersatzgesetz regelt, das nach wie vor tatbestandlich an eine Krise anknüpft, vgl. hierzu Zahrte, ZInsO 2009, 223 (227). Nach Zahrte, a. a. O. sind die österreichischen Regelungen „weitgehend gesellschaftsrechtlich“. 287  Beispielsweise erfasst die spanische Nachrangregelung sämtliche offenen Forderungen der betroffenen Gesellschafter, was auf eine wertungsmäßige Anknüpfung auf das Näheverhältnis zurückführbar ist, vgl. eingehend auch zu weiteren Unterschieden Grimm, Finanzverfassung, S.  188 ff. Vgl. ferner die Ausführungen bei Kalss/Adensamer/Oelkers, in Lutter, Kapital der Aktiengesellschaft, S.  134 (179 ff.); Haas, in Verhandlungen des 66. DJT, Bd. I, S. E 58 ff.; Zahrte, ZInsO 2009, 223 (225 ff.) und oben Kapitel E. Fn.  286 zur an eine Krise anknüpfenden Rechtslage in Österreich. 288  Undritz, in HaKo InsO, Art.  4 EuInsVO Rn.  24. Beispielsweise bis auf vereinzelte Rechtsprechung in Frankreich, vgl. Grimm, Finanzverfassung, S.  140 ff.; Höhn, Wahrung von Gläubiger­ interessen, S.  198 ff.; Zahrte, ZInsO 2009, 223 (226). 289  Schall, ZIP 2011, 2177 (2181).

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

ten, setzt damit der Haftungsbeschränkung gleichsam Grenzen und berührt die Finanz- und Haftungsverfassung der Gesellschaft. Insolvenzanfechtung und Nachrang sind dabei nur die austauschbaren rechtstechnischen Mittel zur Umsetzung dieser aus gesellschaftsrechtlichen Gerechtigkeitsgründen angeordneten „Verhaftung“ jeglichen Gesellschafterfremdkapitals.290 4.  Folgen der ermittelten kollisionsrechtlichen Natur Nachdem sich herausgestellt hat, dass das Gesellschafterdarlehensrechts bei autonomer Betrachtung aus kollisionsrechtlicher Perspektive gesellschaftsrechtlich geprägt ist, womit die kollisionsrechtliche Natur von der in Art.  4 II lit.  g, i, m EuInsVO enthaltenen insolvenzrechtlichen Qualifikation abweicht, stellt sich die Frage, ob und welche Folgen diese Erkenntnis für die kollisionsrechtliche Behandlung der Regelungen, insbesondere auch für die Anwendung der Katalogtatbestände, hat. a.  Keine Ansatzpunkte im Wortlaut der Katalogtatbestände Zunächst könnte man nach Anhaltspunkten im Wortlaut der Art.  4 II lit.  g, i, m EuInsVO suchen, mit denen eine Unanwendbarkeit in Bezug auf die Tatbestände des Gesellschafterdarlehensrechts begründet werden kann. Bei einer solchen Vorgehensweise müsste man sich mit sämtlichen Sprachfassungen der EuInsVO aus­ einandersetzen. Koutsós etwa will offenbar Art.  4 II lit.  i EuInsVO so verstehen, dass nur ein Nachrang hinsichtlich bestimmter Arten von Forderungen erfasst sei, wohingegen die Norm nicht greife, soweit es um einen an subjektive Kriterien anknüpfenden Nachrang, wie bei §  39 I Nr.  5 InsO, gehe.291 Eine solche Restriktion ergibt sich jedoch nicht aus dem Wortlaut des Art.  4 II lit.  i EuInsVO bzw. überstrapaziert diesen und ist deshalb in dieser Generalität abzulehnen. Allenfalls könnte man darüber nachdenken, Art.  4 II lit.  m EuInsVO dem Wortlaut nach abzulehnen, weil §  135 I, II InsO nicht primär auf eine Benachteiligung der Gläubigergesamtheit reagieren. Der Grund für §  135 I, II InsO liegt nicht (primär) in der Gläubigerbenachteiligung durch die angefochtene Rechtshandlung. Die Normen setzen vielmehr die „Verhaftung“ von Gesellschafterfremdkapital als gesetzlichen Risikobeitrag um. Das Merkmal des Art.  4 II lit.  m EuInsVO der Anfechtbarkeit, „weil sie (Anm.: die Rechtshandlungen) die Gläubiger benachteiligen“292 , könnte fehlen. Allerdings soll die Formulierung des Art.  4 II lit.  m ­EuInsVO gerade allgemein Insolvenzanfechtungstatbestände umschreiben, zu denen auch §  135 InsO zählt. Wie alle anderen Insolvenzanfechtungstatbestände setzt auch §  135 InsO gem. §  129 InsO tatbestandlich eine Gläubigerbenachteiligung voraus. 290  Auf diese, von der Rechtstechnik zu trennende Frage hat für das alte Eigenkapitalersatzrecht schon K. Schmidt, §  18 III 4b hingewiesen: „Qualifikation von Krediten als funktionelles Haftkapital“, vgl. auch dens., oben Kapitel E. Fn.  81. 291  Koutsós, Rechtliche Behandlung, S.  312: „Forderungen einer bestimmten Gläubigergruppe“. 292  Hervorhebung durch den Verfasser.

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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Ohne das Hinzuziehen teleologischer Gesichtspunkte erscheint eine Ablehnung aus dem Wortlaut des Art.  4 II lit.  m EuInsVO heraus auch hier als Überstrapazierung des Wortlautes. Gegen eine solche Auslegung lässt sich auch die englische Sprachfassung anführen, in der es in Art.  4 II lit.  m EuInsVO heißt: „legal acts detrimental to all the creditors“. Auch dies spricht dafür, dass dem Wortlaut nach eine tatbestandliche Gläubigerbenachteiligung genügt, auch wenn diese nicht den tragenden Grund der Anfechtbarkeit darstellt. b.  Dennoch keine Anwendung der Katalogtatbestände Obwohl sich im Wortlaut keine ausreichenden Anhaltspunkte finden, ist es richtig Art.  4 II lit.  g, i, m EuInsVO nicht anzuwenden und das Gesellschafterdarlehensrecht nicht insolvenzrechtlich zu qualifizieren.293 aa.  Wertneutralität des rechtstechnischen Katalogs Bereits die Konzeption des Art.  4 II EuInsVO spricht dafür Ausnahmen zuzulassen. Die Reichweite des Insolvenzstatuts wird mittels Katalogtatbeständen bestimmt, die jedenfalls in den hier interessierenden Nummern primär an der Regelungs­ technik bzw. den Rechtsfolgen anknüpfen und die hinter den Normen und Rechtsinstituten stehenden Wertungen nicht entscheidend berücksichtigen. Da die Regelungstechnik aber austauschbar ist,294 könnten zahlreiche, von den enthaltenen Wertungen her nicht insolvenzrechtliche Tatbestände in eine der genannten Regelungstechniken gegossen werden. Dass allein dies zu einer insolvenzrechtlichen Qualifikation völlig unabhängig von den tatbestandlichen Wertungen führen soll, vermag nicht zu überzeugen.295 Dies würde die Reichweite des Insolvenzstatuts in hohem Maße in die Hände der nationalen Gesetzgeber legen, was im Konflikt zu den Zielen der EuInsVO und der diesen dienenden autonomen Auslegung steht. Die konkreten Wertungen hinter den betreffenden Rechtsinstituten blieben dabei entgegen der hergebrachten methodischen Ansätze unberücksichtigt.296 Zwar werden hinter Regelungen, die sich unter einen der Katalogtatbestände subsumieren lassen, auch regelmäßig insolvenzrechtliche Wertungen stehen. Ein Automatismus besteht in dieser Hinsicht aber nicht, so dass es immer wieder zu Ausnahmen wie hier im Fall des Gesellschafterdarlehensrechts kommen kann. Orientierte man sich zur Bestimmung des Umfangs des Insolvenzstatuts nur an dem überwiegend regelungs293 Ausdrücklich ablehnend: U. Huber, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  131 (166); C. Paulus, EuInsVO, Art.  4 Rn.  36; Schall, NJW 2011, 3745 (3747): gesellschaftsrechtliche Qualifikation komme seit dem MoMiG nicht mehr in Betracht (Kritik hierzu unten Kapitel E. Fn.  344); Wedemann, IPRax 2012, 226 (228 f.). 294  Vgl. bereits oben ad E.III.3.a. 295  So aber offenbar Wedemann, IPRax 2012, 226 (228). 296 Ähnlich im Ansatz schon die Gedanken Lüneborgs, Gesellschafterdarlehen, S.  277, die allerdings letztlich in Anbetracht dieser Wertungen von einer insolvenzrechtlichen Qualifikation ausgeht.

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

technik- und rechtsfolgenbezogenen Katalog des Art.  4 II EuInsVO, wären in letzter Konsequenz auch Normenmangel, Normenhäufungen und sogar Normwidersprüche vorprogrammiert. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn die spezifisch betroffene Rechtsfrage bzw. diese betreffende Regelungen bislang einem anderen Statut zugeordnet werden und nur eine Rechtsordnung diese in insolvenzspezifische Regelungstechnik gießt. Alternativ könnte man, etwa in Anbetracht von Art.  4 II lit.  m EuInsVO, nur alle theoretisch durch eine Insolvenzanfechtung regelbaren Sach­ probleme insolvenzrechtlich qualifizieren. Das kann nicht überzeugen. Mit der hier vorgeschlagenen, ausnahmsweisen Nichtanwendung wird der Katalog des Art.  4 II EuInsVO auch nicht seines „Charakter(s) als Auslegungshilfe“ beraubt, wie Azara meint,297 da nur in Ausnahmefällen (fehlende Relevanz insolvenzrechtlicher Wertungen) ein Abweichen vom Katalog in Betracht kommt. Die Wertneutralität der Katalogtatbestände spricht also dafür, diese ausnahmsweise nicht anzuwenden, wenn die betreffenden Rechtsinstitute ganz überwiegend nicht-insolvenzrechtliche Wertungen verwirklichen. bb.  Kein Zusammenhang zu den klassischen Fällen der actio pauliana Dieses Ergebnis kann durch historisch-systematische Überlegungen untermauert werden. Es ist davon auszugehen, dass die Verordnungsverfasser / -geber hinsichtlich Art.  4 II lit.  m EuInsVO vor allem die klassischen Fälle der actio pauliana und die besondere Insolvenzanfechtung mit dem Ziel der Vorverlagerung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes vor Augen hatten.298 Anfechtungstatbestände, die auf die gemeinsame Rechtstradition der actio pauliana zurückgehen, finden sich wohl in allen EU-Ländern.299 Demgegenüber ist eine verhaltens- und von der materiellen Insolvenz unabhängige Insolvenzanfechtung von Befriedigungen und Besicherungen von Gesellschafterdarlehen in dieser Form ein nur vereinzelt auftretendes Phänomen.300 Im Gegensatz zu den anderen allgemeinen Insolvenzanfech-

297 

Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  329. Vgl. noch zum Übereinkommensentwurf von 1980 die Ausführungen zur vis attractiva concursus bei Lemontey, Bericht, in Kegel/Thieme, Vorschläge und Gutachten, S.  93 (131 Rn.  52). Auch wenn die Regelung zur Insolvenzanfechtung sich nochmal stark verändert hat, zeigt dies doch, welche Rechtsinstitute man primär vor Augen hatte. Der erläuternde Bericht von Virgos/ Schmit zum Übereinkommensentwurf von 1995 verhält sich dazu demgegenüber nicht. Vgl. ferner auch die von McBryde/Flessner/Kortmann herausgearbeiteten gemeinsamen Prinzipien des europäischen Insolvenzrechts zur Insolvenzanfechtung: dies., Principles, S.  657. 299  Kindler/Nachmann, HdB InsR Europa, §  4 Rn.  113; Kindler, in MüKo BGB, Art.  13 EuInsVO Rn.  1. 300 Rechtsvergleichende Anmerkungen m.  w. N. oben ad E.III.3.e.cc.; auch Zahrte, ZInsO 2009, 223 (229) bezeichnet §  39 I Nr.  5 InsO (den er isoliert betrachtet) als europaweit „unüblich“. 298 

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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tungstatbeständen301 hat sich §  135 InsO gerade nicht aus der actio pauliana entwickelt.302 §  135 InsO bildet also einen „Sonderfall“ innerhalb der Anfechtungstatbestände und zählt nicht zum Kern der von Art.  4 II lit.  m EuInsVO adressierten Tatbestände.303 cc.  Rückschluss aus Art.  13 EuInsVO Die Sonderstellung des §  135 InsO wird auch deutlich, wenn man sich die praktischen Ergebnisse vor Augen führt, zu denen die Anwendung von Art.  13 EuInsVO in diesen Fällen führt. Nach Art.  13 EuInsVO müsste etwa die Insolvenzanfechtung einer Befriedigung eines Gesellschafterdarlehens nach §  135 I Nr.  2 InsO ausscheiden, wenn für diese Befriedigungshandlung304 ein vom Insolvenzstatut abweichendes Recht maßgeblich ist und sie nach diesem Recht nicht angreifbar wäre. Dass ein auf dieses Recht bezogener Vertrauensschutz augenscheinlich nicht zu §  135 InsO passt, liegt vor allem daran, dass der tatsächliche „Haftungsgrund“ nicht in der (Art und Weise der) durch die Anfechtung angegriffenen Befriedigungshandlung liegt, sondern vielmehr bereits in der bloßen Darlehensfinanzierung durch den Gesellschafter einer haftungsbeschränkten Gesellschaft.305 Insoweit unterscheidet sich §  135 InsO nach dem hier entwickelten Verständnis entscheidend von den übrigen Insolvenzanfechtungstatbeständen. Zudem stellt sich die Frage, ob bei derartigen, von §  135 InsO adressierten Insidergeschäften (kein „Verkehrsgeschäft(e) at arms length“) ein spezifischer Vertrauensschutz in die Wirksamkeit der Rechtshandlung nach dem für sie maßgeblichen, ggf. sogar selbst gewählten Recht überhaupt angezeigt ist.306

301  §§  133, 134 InsO gehen auf die actio pauliana zurück, vgl. U. Keller, InsR, Rn.  1431 f. Der Tatbestand des §  136 InsO setzt (allerdings mit Vermutung zulasten des Anfechtungsgegners) einen Insolvenzgrund voraus und steht daher den besonderen Anfechtungstatbeständen nahe (vgl. zum Normzweck eingehend Gehrlein, in MüKo InsO, §  136 Rn.  1). 302  So auch im Hinblick auf Art.  13 EuInsVO: Schall, ZIP 2011, 2177 (2181). Vgl. zur Rechtsentwicklung des Gesellschafterdarlehensrechts oben ad B.I. 303  I.E. ebenso allerdings mit anderer Begründung (§  135 InsO sei bloße Komplementärnorm zu §  39 I Nr.  5 InsO) Koutsós, Rechtliche Behandlung, S.  310 f. Kritisch zu einer Einengung des Art.  13 EuInsVO auf die klassischen Fälle der actio pauliana allerdings C. Paulus, EuInsVO, Art.  13 Rn.  2. 304  Vgl. zum Streit um die Bestimmung des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“ bei Art.  13 EuInsVO oben ad C.VI.3.c. Zu den Vorschlägen einer Sonderbehandlung des §  135 InsO i.R.v. Art.  13 EuInsVO oben ad E.III.1.a. und b. und unten ad E.III.4.b.gg. und ad E.III.5.g.bb. je m.e.N. 305  Auch ein Vertrauensschutz, bezogen auf die für den Darlehensvertrag maßgebliche, möglicherweise sogar selbst gewählte Rechtsordnung (wie es die oben ad C.VI.3.c. als Schuldstatutslehre bezeichnete Literaturmeinung vertritt), passt nicht, da der „Haftungsgrund“ auch nicht in den Regelungen des Darlehensvertrags begründet ist. 306  In diese Richtung bereits Schall, ZIP 2011, 2177 (2181).

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

Diese Überlegungen zeigen, dass das Anknüpfungs-Konzept der Artt.  4 II lit.  m, 13 EuInsVO und die dahinter stehenden Wertungen (Vertrauensschutz für die inkriminierte Rechtshandlung) nicht zu den Anfechtungstatbeständen des Gesellschafterdarlehensrechts passen, und stützen das Ergebnis der ausnahmsweisen Unanwendbarkeit der Katalogtatbestände.307 dd.  Problematik um die Abgrenzung von Insolvenz- und Gesellschaftsstatut stellt sich verschärft erst seit Centros, Überseering und Inspire Art Ein historischer Anhaltspunkt dafür, dass die Problematik der Abgrenzung von Insolvenz- und Gesellschaftsstatut den Verordnungsgebern (noch) nicht in ganzer Tragweite bewusst war, ergibt sich aus der zeitlichen Abfolge. Der kollisionsrechtliche Übergang zur Gründungstheorie für EU-Auslandsgesellschaften308 erfolgte (ganz überwiegend 309) zeitlich erst nach Erarbeitung und Verabschiedung der EuInsVO. Vor den Urteilen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ war verbreitet in Europa das Insolvenzstatut des Hauptverfahrens zumeist noch deckungsgleich mit dem nach der Sitztheorie anwendbaren Gesellschaftsstatut, so dass sich die Abgrenzungsproblematik noch nicht in ganzer Tragweite gestellt hat.310 Vor allem aber setzte die Tendenz in den ehemaligen Sitztheorie-Staaten, befürchtete Gläubigerschutzlücken gegenüber EU-Auslandsgesellschaften durch vermeintlich insolvenzrechtliche Haftungsinstrumente zu schließen, erst nach den o.g. Urteilen ein311 und konnte daher von den Verordnungsgebern noch nicht bedacht werden.312 Daher kann auch ein Umkehrschluss aus den vermeintlich abschließenden 313 Ausnahmeregelungen der Artt.  5 ff. EuInsVO eine ausnahmsweise Nichtanwendung der Art.  4 II lit.  g, i, m EuInsVO nicht überzeugend ausschließen.314 Selbst wenn diese 307  Letztlich geht der Vorschlag, das Gesellschaftsstatut über Art.  13 EuInsVO zu berücksichtigen (vgl. dazu eingehend unten ad E.III.4.b.gg. und ad E.III.5.g.bb), auf ähnliche Überlegungen zurück. 308  Vgl. dazu eingehend oben ad D.I. 309  Zwar war die Entscheidung „Centros“ bereits 1999, allerdings hat damit der Übergang zur Gründungstheorie erst begonnen (die nachfolgenden Urteile waren insoweit (noch) wichtiger). ­Ferner war die EuInsVO im Wesentlichen aus dem bereits zuvor erarbeiteten, aber gescheiterten europäischen Übereinkommen hervorgegangen (vgl. zum letzten Punkt oben ad C.I.1.c.). 310 Ähnlich Schall, ZIP 2011, 2177 (2180). Freilich stellte sich die Abgrenzungsfrage bereits in den Ländern, die der Gründungstheorie / -anknüpfung schon vor den EuGH-Urteilen folgten und schon immer Auslandsgesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz anerkannt haben (etwa Großbritannien). Diese Länder stehen aber Auslandsgesellschaften in aller Regel gerade weniger kritisch gegenüber. Daneben stellte sich die Frage in partiellen territorialen Verfahren, was aber vor „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ ebenfalls wenig Beachtung fand. 311  Vgl. sinnbildlich den Titel des Artikels von M. Fischer, ZIP 2004, 1477: „Die Verlagerung des Gläubigerschutzes vom Gesellschafts- in das Insolvenzrecht nach „Inspire Art““. Ähnlich der Titel Ulmers, KTS 2004, 291. 312 Ähnlich Altmeppen/Ego, in MüKo AktG, Bd. 7, europ. Niederlassungsfreiheit, Rn.  277. 313 So Virgos, Insolvenzverfahren, S.  98 (109 Rn.  24). 314  In diese Richtung aber Wedemann, IPRax 2012, 226 (229).

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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Ausnahmen ursprünglich als abschließend konzipiert waren,315 ist dies mit der EuGH Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit überholt. Daran ändert auch die jüngste Reform der EuInsVO nichts, da man sich dieser Probleme hier (noch) nicht angenommen hat. Ähnliches gilt für einen Vergleich zu Art.  10 EuInsVO316, der gerade den Rang der Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis nicht dem Arbeitsvertragsstatut unterwirft (vgl. ErwG 28), sondern als Frage des Insolvenzstatuts belässt. Hierbei geht es aber vor allem um einen möglichen Vorrang und nicht um einen Nachrang.317 Die Ausnahme des Art.  10 EuInsVO soll nur den Arbeitsvertrag als solchen vor fremden Insolvenzrechten schützen, nicht dagegen die Forderungen aus diesem.318 Hierin und in der möglichen Betroffenheit der Finanzverfassung der Gesellschaft bei §  39 I Nr.  5 InsO zeigt sich, dass die Rangfragen hinsichtlich Lohnforderungen und hinsichtlich Gesellschafterdarlehen wegen unterschiedlicher Interessenlage nicht vergleichbar sind. Die Sonderstellung des Art.  10 EuInsVO verbietet systematisch Schlüsse aus diesem. ee.  Keine durchgreifende Bedenken aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und des „effet utile“ Aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken gegen eine Nicht-Anwendung der Art.  4 II lit.  g, i, m EuInsVO auf die Tatbestände des Gesellschafterdarlehensrechts.319 Für die Gesellschafter einer EU-Auslandsgesellschaft stellt die Nichtanwendbarkeit eine Erleichterung dar, während für die übrigen Gesellschaftsgläubiger die Anwendbarkeit und die Auswirkungen des Gesellschafterdarlehensrechts per se zu unsicher sind, um eine konkrete Rechtssicherheit zu begründen, die hier betroffen sein könnte. Wie oben fest­ gestellt, verwirklicht die gesellschaftsrechtliche Qualifikation dieser Materie im Gegenteil sogar ein höheres Maß an Rechtssicherheit durch das in allen Fällen einheitliche Statut,320 das zudem sicher im Vorhinein bestimmt werden kann321 und den Sachproblemen näher steht. 315  Hierfür könnte man vor allem ErwG 23 ins Feld führen. Allerdings spricht dieser von vereinheitlichten Kollisionsregeln nur für den Insolvenzbereich, dessen Betroffenheit hier ja gerade in Frage steht bzw. abgelehnt wurde. 316  Übernommen in Art.  13 I EuInsVO 2017. Einen solchen Vergleich stellt Wedemann, IPRax 2012, 226 (229) an. 317 Vgl. Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  128; ferner Lüer, in Uhlenbruck InsO, Art.  10 EuInsVO Rn.  5. 318  Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht, Rn.  125 ff. 319  Vgl. zur Bedeutung der Rechtssicherheit bei der Rechtsfortbildung in der Rechtsprechung des EuGH Kropholler, FS Max-Planck-Institut, S.  583 (593). 320  Vgl. oben zum Problem des ggf. eintretenden Statutenwechsels und zur Problematik um mögliche Partikularinsolvenzstatuten ad E.III.3.e.bb. 321  Vgl. zur parallelen Argumentation bei der Insolvenzantragspflicht Mock/Schildt, in Hirte/ Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, §  17 Rn.  71.

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

Auch der „effet utile“ in Anbetracht der vereinheitlichenden Funktion der EuInsVO spricht nicht gegen das hier gefundene Ergebnis.322 Die Auswirkungen einer „Herausnahme“ des Gesellschafterdarlehenrechts aus dem einheitlichen Insolvenzstatut sind, wie bereits gesehen,323 gering. Eine solche Herausnahme gefährdet auch nicht den Gesamtverfahrenszweck und erschwert grenzüberschreitende Insolvenzverfahren nicht erheblich oder generell. Wollte man dies anders sehen, ginge der „effet utile“ der EuInsVO letztlich auf Kosten der Integration und Mobilität von EU-Auslandsgesellschaften. ff.  Keine Korrektur der erarbeiteten Wertungsgrundlage des materiellen Rechts auf Grund des gesetzgeberischen Anwendungswillens Nachdem sich gezeigt hat, dass (unter anderem) aus der oben erarbeiteten Legitimations- und Wertungsgrundlage aus kollisionsrechtlicher Perspektive eine gesellschaftsrechtliche Natur des Gesellschafterdarlehensrechts folgt, welche wiederum entscheidend für die Nichtanwendung von Art.  4 II lit.  g, i, m EuInsVO spricht, stellt sich die Frage, ob das Auslegungsergebnis zur Legitimations- und Wertungsgrundlage des materiellen Rechts einer Korrektur bedarf, die eine Anwendung in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften ermöglicht. Hierfür könnte der klar geäußerte Wille des Gesetzgebers sprechen, das Gesellschafterdarlehensrecht in der Inlandsinsolvenz einer EU-Auslandsgesellschaft anzuwenden 324. Zu denken wäre dabei etwa an eine Auslegung, die einen wertungsmäßigen Bezug zu einer Unternehmenskrise sicherstellt und damit auch die Anwendung von einer solchen Krise abhängig macht. Zweifelhaft ist allerdings bereits, ob eine solche Auslegung die aus kollisionsrechtlicher Perspektive gesellschaftsrechtliche Natur des Gesellschafterdarlehensrechts überhaupt zu einer insolvenzrechtlichen wandelt, da der Tatbestand weiterhin tragend an das Kriterium der Haftungsbeschränkung und die Gesellschafterstellung anknüpft. Gegen eine solche Auslegung zum Zwecke der Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften spricht aber vor allem der ebenfalls eindeutige Gesetzgeberwille, sämtliche Gesellschafterdarlehen dem neuen Recht zu unterwerfen und auf die Qualifikation als eigenkapitalersetzend zu verzichten, sowie die damit intendierte, immer wieder betonte Vereinfachung325. Diese beiden Aspekte dürften ihrerseits sogar eine Korrektur im Sinne des obigen Vorschlags verbieten. 322  Vgl. auch zur Bedeutung des effet utile bei der Rechtsfortbildung in der Rechtsprechung des EuGH Kropholler, FS Max-Planck-Institut, S.  583 (593). 323  Hierzu bereits oben ad E.III.3.c. 324  Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  26. Eingehend mit Wortzitaten oben ad B.III.2.j.cc. 325  Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  26, 42, 56 f. Eingehend mit Wortzitaten oben ad B.III.2.j.cc.

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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Letztlich stellt die Aussage des Gesetzgebers zur Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts in der Inlandsinsolvenz einer EU-Auslandsgesellschaft einen rechtlichen Fehlschluss dar, der nicht widerspruchsfrei zu anderen Aussagen der Gesetzesbegründung durch Auslegung zu beseitigen ist. Bedenkt man zusätzlich, dass der Gesetzgeber die Wertungs- und Legitimationsgrundlage bewusst offen gelassen hat,326 muss eine Korrektur derselben ausscheiden. gg.  Keine Berücksichtigung über Art.  13 EuInsVO Die vorgeschlagene327 kumulative Berücksichtigung des Gesellschaftsstatuts über Art.  13 EuInsVO (mit oder ohne Beweislastumkehr328) bei allen Tatbeständen des Gesellschafterdarlehensrechts überzeugt nicht. (1)  Dogmatische Bedenken Eine solche Lösung begegnet dogmatischen Bedenken. Die Berücksichtigung des Gesellschaftsstatuts über Art.  13 EuInsVO wäre eine Sonderanknüpfung des Wirkungsstatuts.329 Eine solche Sonderanknüpfung stellt in der Sache eine Rechtsfortbildung dar. Dabei verließe man die Grundkonzeption des Art.  13 EuInsVO bei Weitem, indem man anstelle des Wirkungsstatuts (des „für die Rechtshandlung maßgeblichen Rechts“) auf ein aus dem Anfechtungs- bzw. sonstigen materiellen Tatbestand abgeleitetes Statut (namentlich das Gesellschaftsstatut) abstellt. Man ersetzte also in der Sache die Kumulation mit dem Wirkungsstatut der Rechtshandlung durch die Kumulation mit einem aus anderen Gründen (Wertung des fraglichen Tatbestands bzw. Rechtsinstituts) betroffenen Statut.330 Damit befindet man sich aber nicht mehr im, dem nationalen Kollisionsrecht zugewiesenen Bereich der bloßen Bestimmung des maßgeblichen Rechts i. S. v. Art.  13 EuInsVO. Auch über die Ausweichklauseln lässt sich eine solche Sonderanknüpfung nicht begründen. Zwar lassen etwa Art.  46 EGBGB oder Art.  4 III Rom I-VO für die hier in Frage stehenden Rechtshandlungen in vielen Fällen eine abweichende Anknüpfung zu. Allerdings würde man auch bei den Ausweichklauseln nicht mehr die Rechtshandlung selbst betrachten, sondern müsste die notwendige offensichtliche bzw. wesentlich engere Verbindung zu einem anderen Staat aus den Tatbeständen des Gesellschafterdarlehensrechts gewinnen. Das entspricht aber nicht der Funk­ 326 

Vgl. oben ad B.III.2.j.cc. Vgl. oben ad E.III.1.b. 328  Die Niederlassungsfreiheit würde wohl dazu zwingen, auf die Beweislastumkehr zu verzichten, vgl. dazu sowie zu methodischen Bedenken gegen einen solchen Verzicht unten ad E. III.5.g.bb. 329 Dies erkennt auch Schall, ZIP 2011, 2177 (2181): „entgegen seinem Wortlaut“. Vgl. zur regulären Bestimmung des Wirkungsstatuts bei Art.  13 EuInsVO oben ad C.VI.3.c.: nach vorzugswürdiger Ansicht bereits keine generelle Anwendung des kausalen Schuldstatuts. 330 Vgl. diesbezüglich die Kritik oben ad C.VI.3.c.dd.(7). am ähnlichen Vorgehen der sog. Schuldstatutslehre. 327 

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

tion dieser Ausweichklauseln. Gerade bei Art.  4 III Rom I-VO scheint dies problematisch, da die offensichtlich engere Verbindung hier bereits dem Wortlaut nach im Vertrag selbst bestehen muss und nicht in einem potentiellen, am Vertrag anknüpfenden Tatbestand. Die Anwendung der Ausweichklauseln für die Sonderanknüpfung überzeugt folglich nicht. An einer anwendbaren Ausweichklausel fehlt es zudem gerade bei einer ausdrücklichen Rechtswahl. Eine Sonderanknüpfung könnte daher allenfalls noch über die Niederlassungsfreiheit, die auf die Auslegung des Kollisionsrechts ausstrahlt, begründet werden.331 Aber auch dies, so viel vorweg, überzeugt nicht. Weiterhin wäre auch die Erstreckung von Art.  13 EuInsVO auf den Nachrang eine Rechtsfortbildung. Diese würde den Anwendungsbereich des Art.  13 EuInsVO, der als Ausnahmevorschrift konstruiert ist, weit über das Ursprüngliche ausdehnen, was angesichts der eng konstruierten Ausnahmen dogmatischen Bedenken begegnen muss. Eine Begründung über die Niederlassungsfreiheit scheint zwar auch hier denkbar, überzeugt aber ebenfalls im Ergebnis nicht.332 (2)  Praktische Bedenken Daneben vermögen die praktischen Konsequenzen einer kumulativen Anknüpfung nicht zu überzeugen. Eine solche führte dazu, dass die Tatbestände in der Auslands­ insolvenz einer deutschen GmbH nur dann anwendbar wären, wenn das ausländische Insolvenzrecht vergleichbare Tatbestände kennt, die die vorrangige Haftung des Fremdkapitals insolvenzrechtlich umsetzen. Dies könnte man allenfalls noch damit rechtfertigen, die Insolvenzmasse solle nur dann nach deutschem Gesellschafterdarlehensrecht gemehrt werden, wenn das Insolvenzstatut dies selbst auch anordne – eine Aufdrängung durch das ausländische Recht komme nicht in Betracht.333 Soweit die Rechtsordnung des insolvenzeröffnenden Staates demgegenüber mit gesellschaftsrechtlichen, rechtsformspezifischen Tatbeständen arbeitet und das Heimatrecht der Gesellschaft mit insolvenzrechtlichen Tatbeständen, müsste eine Anwendung insgesamt ausscheiden, will man nicht eine Anpassung aufgrund Normenmangels vornehmen. Da die kollisionsrechtliche Natur des Gesellschafterdarlehensrechts, wie oben ausführlich hergeleitet, im Gesellschaftsrecht zu finden ist, überzeugen auch diese Folgen der kumulativen Anknüpfung und die mögliche Begründung nicht. Der Schritt zu einer insgesamt gesellschaftsrechtlichen Qualifikation ist nicht mehr weit, wenn man erst anerkennt, dass der „Haftungsgrund“ des Gesellschafterdarlehensrechts eben doch ein gesellschaftsrechtlicher ist.334 331 

Vgl. zur Niederlassungsfreiheit unten ad E.III.5.g.bb. Vgl. auch hierzu unten ad E.III.5.g.bb. 333  In diese Richtung die Argumentation bei Hanisch, ZIP 1985, 1233 (1240) für die insolvenzrechtliche Anknüpfung der Insolvenzanfechtung an den Ort der Insolvenzeröffnung, kritisch hierzu Zeeck, Int. AnfechtungsR, S.  46. 334  Vgl. zu diesem Argument zur Begründung der Berücksichtigung des Gesellschaftsstatuts über Art.  13 EuInsVO unten ad E.III.5.g.bb.(1). 332 

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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(3) Ergebnis Die Berücksichtigung des Gesellschaftsstatuts über Art.  13 EuInsVO überzeugt nicht. Soweit man sich allerdings nicht zu einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation mit der Folge einer Anknüpfung an das Gründungsrecht (dazu sogleich) durchringen kann, sollte das Gesellschaftsstatut wenigstens über Art.  13 EuInsVO berücksichtigt werden.335 Dies soll die „Minimalforderung“ dieser Arbeit in Anbetracht der gefundenen Ergebnisse darstellen, auch wenn eine insgesamt gesellschaftsrechtliche Qualifikation überzeugender ist. hh.  Methodisch: Teleologische Reduktion In der Sache bedeutet die hier befürwortete Nichtanwendung von Art.  4 II lit.  g, i, m EuInsVO eine – nach deutscher Terminologie – teleologische Reduktion, also eine Rechtsfortbildung bzw. Lückenschließung. Die Voraussetzungen und Grenzen der Rechtsfortbildung im Unionsrecht sind bislang nicht abschließend geklärt.336 Es wurden hier zahlreiche teleologische Gründe für eine solche Reduktion des Wortlauts angeführt und Bedenken in Anbetracht der Rechtssicherheit und des effet utile ausgeräumt. In der Auslegung des EuGH spielt die Teleologie eine hervorgehobene Rolle,337 weshalb der EuGH sich hier möglicherweise sogar noch innerhalb der Auslegung bewegen würde. Die methodische Problematik muss allerdings hier nicht in ganzer Tiefe aufgearbeitet werden, wenn und soweit eine Anwendung des Gesellschafterdarlehensrechts gegen Primärrecht – namentlich gegen die Niederlassungsfreiheit – verstößt, was im Anschluss geprüft werden soll338. Dann stünde nicht mehr das „ob“ sondern nur noch das „wie“ einer Ergebniskorrektur in Frage. c.  Vorzugswürdigkeit einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation Kollisionsrechtlich vorzuziehen ist eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation mit der Folge einer Anknüpfung an das Gründungsrecht. Nur so setzt man die aus ­kollisionsrechtlicher Perspektive gesellschaftsrechtliche Natur des Gesellschafterdarlehensrechts konsequent um und erzielt auch in Anbetracht des Anknüpfungspunktes ein international-privatrechtlich gerechtes Ergebnis. Selbst wenn man dem vom EuGH (mittelbar) vorgegebenen Anknüpfungspunkt des Gesellschaftsstatuts kritisch gegenüber steht, so ist es nicht der richtige Weg, der Anwendung des Gründungsrechts dadurch zu entgehen, dass man eigentlich gesellschaftsrechtliche Fragestellungen abweichend qualifiziert. 335  Bestenfalls entsprechend dem Vorschlag unten ad E.III.5.g.bb.(2). ohne Beweislastumkehr und hinsichtlich aller Tatbestände des Gesellschafterdarlehensrechts. 336  Vgl. hierzu eingehend m. w. N. hinsichtlich des unionsrechtlichen Kollisionsrechts Nehne, Methodik, S.  33 ff.; 81 ff.; ferner Ahmling, Analogiebildung, S.  174: Möglichkeit (der teleologischen Reduktion) „im Unionsrecht anerkannt, wurde bisher aber noch nie vom EuGH bejaht“. 337  Vgl. oben Kapitel E. Fn.  14. 338  Dazu sogleich unten ad E.III.5.

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

Die hier befürwortete Geltung des Heimatrechts bedeutet in der Sache auch keinesfalls eine Schutzlosstellung inländischer Gläubiger, da regelmäßig die Rechts­ figuren des Heimatrechts Lösungen bereithalten, wenn hierauf nicht bewusst verzichtet wird. Diese können im Einzelfall für die Gesellschaftsgläubiger auch günstiger sein. Wo ein solcher bewusster gesetzgeberischer Verzicht vorliegt, hat man die Wertung des in dieser Frage maßgeblichen Gesellschaftsstatuts zu respektieren. Sieht das Heimatrecht dagegen ebenfalls (zumindest von der Rechtstechnik her) insolvenzrechtliche Regelungen für Gesellschafterdarlehen vor, so ist zunächst zu prüfen, ob diese nicht ebenfalls wie das deutsche Recht im Kern gesellschaftsrechtlicher Natur und damit direkt anzuwenden sind. Ist dies nicht der Fall, muss über einen Normenmangel nachgedacht werden.339 d. Ergebnis Das Gesellschafterdarlehensrecht ist trotz bzw. entgegen Art.  4 II lit.  g, i, m EuInsVO nicht insolvenzrechtlich, sondern gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren. 5.  Stützende Kontrollüberlegung: Vereinbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts mit der Niederlassungsfreiheit Im Ausgangspunkt unabhängig340 von der Frage nach der kollisionsrechtlichen Behandlung des Gesellschafterdarlehensrechts stellt sich die Frage, ob dieses bzw. eine (hypothetische) Anwendung desselben341 auf EU-Auslandsgesellschaften mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar wäre342 oder nicht343. Sollte Letzteres der Fall sein, 339 

Ähnlich auch Eidenmüller, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, §  9 Rn.  44. zu den gegenseitigen Bezügen, insbesondere zur ggf. gebotenen primärrechtskonformen Auslegung des materiellen Rechts sowie des Kollisionsrechts oben ad A.II. 341  Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  883 weist zu Recht darauf hin, dass ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit aus dem Gesetz selbst oder auch erst aus der späteren Anwendung folgen kann. Letzteres ist nur anhand des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen und bleibt daher hier außer Betracht. 342 Davon gehen für das neue Recht aus: Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  344 ff.; Balke, Gesellschafterhaftung S.  336 ff., insb. S.  343; Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  199 ff.; Dahl, in Michalski, Anh. II §§  32a, 32b aF Rn.  10; Gruber, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwaltskommentar InsR, Anh. I, Art.  4 EuInsVO Rn.  40; Holderbaum, Gesellschafterdarlehen und Niederlassungsfreiheit, S.  259 ff.; Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  97 ff.; Kolmann, in Saenger/Inhester GmbHG, Anhang §  30 Rn.  69; Koutsós, Rechtliche Behandlung, S.  326 ff.; Lüneborg, Gesellschafterdarlehen, S.  280 ff.; Schmidt-Ehemann, Haftung, S.  291 f.; Thiessen, in Bork/Schäfer, Anhang zu §  30 Rn.  30; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  895 f.; Wedemann, IPRax 2012, 226 (229 f.). Im Ergebnis auch Niggemann, Reform des Gläubigerschutzsystems, S.  334 ff. Der BGH, Urteil vom 21.7.2011 – IX ZR 185/10, BGHZ 190, 364 (Rn.  37 ff.) hat bisher nur über die Vereinbarkeit der Regelungen des Eigenkapitalersatzrechts mit der Niederlassungsfreiheit bejahend entschieden und sah sich insoweit nicht einmal zu einer Vorlage beim EuGH gezwungen. 343  Hinsichtlich des Nachrangs: Zahrte, ZInsO 2009, 223 (229 ff.). Ferner vor dem MoMiG hinsichtlich einer (sogar weniger strengen) Regelung de lege ferenda: Eidenmüller, RabelsZ 2006, 474 (493). Wohl tendenziell bereits vor dem MoMiG mit Blick auf eine hypothetische Regelung, 340  Vgl.

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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stützt dies nicht nur das bisher gefundene Ergebnis (Nichtanwendung von Art.  4 II lit.  g, i, m EuInsVO und gesellschaftsrechtliche Qualifikation), sondern steht auch Überlegungen in Richtung einer Sonderanknüpfung des Gesellschafterdarlehensrechts an den Verwaltungssitz344 bei EU-Auslandsgesellschaften entgegen. Ähnliches gilt für den bisher nur zum Eigenkapitalersatzrecht vorgetragenen Ansatz einer Doppelqualifikation345. Daher soll im Folgenden kursorisch346 hierzu Stellung genommen werden. a.  Abermals: gemeinsame oder getrennte Prüfung der einzelnen Normen? Auch347 und gerade im Rahmen der Niederlassungsfreiheit ist es vorzugswürdig, nicht die einzelnen Normen des Gesellschafterdarlehensrechts isoliert zu be­ trachten,348 sondern diese Betrachtung auf das gesamte Rechtsinstitut zu beziehen. Hierfür spricht neben den gegenseitigen tatbestandlichen, systematischen, wertungs­mäßigen und historischen Bezügen,349 dass es für die Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit gerade auf die tatsächlichen Auswirkungen des Geselldie die Möglichkeit zur Fremdfinanzierung nimmt: Wilms, englische Ltd in dt. Insolvenz, S.  162 (mit Fn.  622). Zweifelnd hinsichtlich der Vereinbarkeit: Behrens, IPRax 2010, 230 (231); Krolop, ZIP 2007, 1738 (1745); Meilicke, GmbHR 2007, 225 (231 f.): „wohl kaum“; Mock, DStR 2008, 1645 (1646); J. Roth, GmbHR 2008, 1184 (1192 mit Fn.  92); Ulbrich, Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts, S.  110 f. Zweifelnd hinsichtlich der Vereinbarkeit von §  39 I Nr.  5 InsO: Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  895. 344  Zu solchen Überlegungen würde der eindeutige Wille des nationalen Gesetzgebers, Auslandsgesellschaften tatbestandlich zu erfassen, auch bei einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation zwingen, vgl. Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S.  180. Wenn allerdings die Anwendung des Gesellschafterdarlehensrechts gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt, muss auch eine solche Sonderanknüpfung ausscheiden. Das übersieht Schall, NJW 2011, 3745 (3747), der davon ausgeht, eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation sei nach dem MoMiG wegen des klaren Gesetzgeberwillens nicht mehr möglich, aus dem zwingend eine Anwendbarkeit gegenüber EU-Auslandsgesellschaften folge (vgl. zur Verkennung des Anwendungsvorrangs durch dens. bereits oben Kapitel E. Fn.  210). In diese Richtung auch der allgemeine Ansatz von Altmeppen, NJW 2004, 97 (100 ff.); ders./ Wilhelm, DB 2004, 1083 (1085 ff.). Vgl. dazu bereits oben Kapitel D. Fn.  59. 345  Dazu oben ad E.II.4. 346 Der kollisionsrechtliche Forschungsschwerpunkt der vorliegenden Arbeit (vgl. oben ad A.II.) erlaubt es, die Niederlassungsfreiheit hier nur als stützende Kontrollüberlegung ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH zu betrachten und die Auseinandersetzung mit streitigen Punkten knapp zu halten. 347  Vgl. zur Vorzugswürdigkeit einer Gesamtbetrachtung des Rechtsinstituts bereits oben im Rahmen der materiellen Wertungsgrundlage ad B.III.2.j.aa. und im Rahmen der kollisionsrechtlichen Überlegungen ad E.I.3. 348 A.A.: Wedemann, IPRax 2012, 226 ff. Unausgesprochen auch Zahrte, ZInsO 2009, 223, der den Insolvenzanfechtungstatbestand als Insideranfechtung für unproblematisch hält und daher nur den Nachrang betrachtet. In diese Richtung geht auch die Überlegung bei Koutsós, Rechtliche Behandlung, S.  310 f., der primär den Nachrang beurteilen möchte, der als Grundnorm des Gesellschafterdarlehensrechts entscheidend sei. 349  Vgl. hierzu bereits oben ad B.III.2.j.aa. und ad E.I.3.

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

schafterdarlehensrechts ankommt350. Praktisch treffen vor allem die Insolvenzanfechtung einer Befriedigung und der Nachrang regelmäßig zusammen, da nach einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung die wiederauflebende Forderung dem Nachrang unterfällt. Ein Gläubigeranfechtungsprozess kann nach Insolvenzeröffnung gem. §  16 I 1 AnfG vom Insolvenzverwalter weiterverfolgt werden.351 Für die im Rahmen der Niederlassungsfreiheit vor allem interessierende Zuzugsentscheidung der Auslandsgesellschaft kommt es auf die Auswirkungen des gesamten Rechtsinstituts an, dessen „Gesamtbelastung“ über die „Summe“ der durch die jeweiligen Normen vermittelten „Einzelbelastungen“ hinausgeht. Damit ist es vorzugswürdig das Rechtsinstitut insgesamt zu betrachten. b.  Grundlegendes zur Niederlassungsfreiheit und deren Schutzbereich Die Niederlassungsfreiheit findet ihre Grundlage als europäische Grundfreiheit in Art.  49 I AEUV und greift in Konstellationen mit grenzüberschreitendem Bezug352. Der Schutzbereich erfasst unmittelbar natürliche Personen, wird aber durch Art.  54 I AEUV auf zu Erwerbszwecken gegründete Gesellschaften und sonstige juristische Personen erstreckt, wenn diese „nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gegründet“ wurden und „ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben“.353 Sachlich ist eine Niederlassung „die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit“.354 Die Niederlassungsfreiheit hat sich dabei in der Rechtsprechung des EuGH von einem Diskriminierungsverbot zu einem allgemeinen Beschränkungsverbot, dessen genaue Grenzen noch nicht abschließend geklärt sind 355, fortentwickelt.356

350 Je m.w.N: Eidenmüller, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, §  3 Rn.  8; ähnlich bereits Bitter, WM 2004, 2190 (2192) und Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (9). Das erkennt, trotz des insoweit abweichenden Ergebnisses, im Grundsatz auch Wedemann, IPRax 2012, 226 (230) an. Vgl. allgemein zur Wirkungsbezogenheit der Grundfreiheiten Ehlers, in Ehlers, Europ. Grundrechte und Grundfreiheiten, §  14 Rn.  98. 351  Im Detail ist hier freilich vieles streitig. Vgl. m. w. N. oben ad C.VII.4.c. 352  Bröhmer, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art.  49 Rn.  5. 353  Vgl. auch zu den Details Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn.  968 ff. 354  EuGH, Urteil vom 25.7.1991 – C-221/89 („Factortame u. a.“), Slg 1991, I-3905 (Rn.  20); Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn.  960. 355  Vgl. zur Problematik Eidenmüller, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, §  3 Rn.  10 ff.; Forsthoff, in Grabitz/Hilf/Nettesheim, R der EU, Art.  49 AEUV Rn.  88 ff. je m. w. N. zum Meinungsstand. Ferner unten zu möglichen Begrenzungen des Beschränkungsbegriffs ad E.III.5.e. 356 Vgl. zu dieser Entwicklung ausführlich m.v.w.N. Bröhmer, in Calliess/Ruffert, EUV/ AEUV, Art.  49 Rn.  19 ff.; ferner Everling, GS Knobbe-Keuk, S.  607 ff.; Forsthoff, in Grabitz/Hilf/ Nettesheim, R der EU, Art.  49 AEUV Rn.  89 ff.; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, Rn.  988. Speziell zur Entwicklung hin zu einem Beschränkungsverbot hinsichtlich Gesellschaften und anderer juristischer Personen vgl. Teichmann, ZGR 2011, 639 (640 ff.).

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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Für die hier betrachteten EU-Auslandsgesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland ist in aller Regel der Schutz- bzw. Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit eröffnet.357 Wie der EuGH in Überseering formuliert, genießen EU-Auslandsgesellschaften (in Überseering eine niederländische B.V.) „das Recht, als Gesellschaft niederländischen Rechts“ (bzw. allgemein als Gesellschaft des ausländischen Gründungsrechts) „in Deutschland von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen“.358 c.  Insolvenzrecht als „sicherer Hafen“359? Ein „sicherer Hafen“ hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit soll nach einigen Stimmen das (gesamte) Insolvenzrecht sein.360 Diese gehen davon aus, dass nach Art.  4 EuInsVO insolvenzrechtlich zu qualifizierende Tatbestände per se nicht gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen können bzw. aus dem Anwendungsbereich derselben fallen.361 Begründet wird dies damit, der Rat habe integrationsfördernd durch die EuInsVO die Niederlassungsfreiheit, namentlich deren Anwendungsbereich, ausgestaltet bzw. beschränkt und dabei Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet.362 Das Insolvenzrecht statuiere gerade keinen europarechtlich bedenklichen, abstrakten Gläubigerschutz, sondern ziele auf die „effektive Wahrnehmung der schutzwürdigen Interessen konkret betroffener Gläubiger“ ab.363 U. Huber meint offenbar, dass die Funktion als sicherer Hafen daraus folge, dass Artt.  3, 4 EuInsVO insgesamt nicht gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen, weshalb auch die Anwendung des hierdurch berufenen Rechts „nicht europa357  EuGH, Urteil vom 5.11.2002 – C-208/00 („Überseering“), Slg 2002, I-9919 (Rn.  52 ff.), dazu eingehend oben ad E.I.3.b. und d. Vgl. hinsichtlich der Schutzbereichseröffnung bei bloßer Gründung einer Zweigniederlassungen (oder ähnlichem) im Zuzugsstaat (sog. sekundäre Niederlassungsfreiheit): EuGH, Urteil vom 10.7.1986 – 79/85 („Segers“), Slg 1986, 2375 (Rn.  12 ff.); EuGH, Urteil vom 9.3.1999 – C-212/97 („Centros“), Slg 1999, I-1459 (Rn 17 f.); EuGH, Urteil vom 30.9.2003 – C-167/01 („Inspire Art“), Slg 2003, I-10155 (Rn.  95). 358  EuGH, Urteil vom 5.11.2002 – C-208/00 („Überseering“), Slg 2002, I-9919 (Rn.  80) [Hervorhebung durch den Verfasser]. 359  Begriff angelehnt an Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207): „sicherster Hafen“ bzw. ders., KTS 2004, 291 (296): „sichere Bastion“. Als „sicherer Hafen“ bereits verwandt von Bitter, WM 2004, 1900 (1901). 360  Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207); ders., KTS 2004, 291 (293, 295 f.); im Anschluss daran: Balke, Gesellschafterhaftung, S.  342 ff.; M. Fischer ZIP 2004, 1477 (1478 f.); Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  84; Lieder, DZWIR 2005, 399 (404); U. Huber, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  131 (186, Fn.  165); Wienberg/Sommer, NZI 2005, 353 (356). Zurückhaltender: Hommelhoff, in GmbH-Reform in der Diskussion, S.  111 (120): „grundsätzlich“; Wedemann, IPRax 2012, 226 (230). Unklar, ob Bereichsausnahme oder regelmäßige Rechtfertigung: Pannen, FS Gero Fischer, S.  403 (408). 361  Ulmer, NJW 2004, 1201 (1207). 362  Lieder, DZWIR 2005, 399 (404); Ulmer, KTS 2004, 291 (296); Wienberg/Sommer, NZI 2005, 353 (356): „integrationsfördernder Vereinheitlichungszweck“. Ähnlich, wenn auch mit nicht so weitreichenden Schlüssen, Wedemann, IPRax 2012, 226 (231). 363  M. Fischer ZIP 2004, 1477 (1479).

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

rechtswidrig sein“ könne.364 Auch die sog. „Keck-Rechtsprechung“365 spreche für ein solches Verständnis.366 Dem ist zunächst hinsichtlich des Gesellschafterdarlehensrechts zu entgegnen, dass sich die insolvenzrechtliche Qualifikation desselben, wie soeben ausführlich begründet, gerade (trotz Art.  4 II lit.  g, i, m EuInsVO) als nicht überzeugend erwiesen hat. Aber auch generell vermag der Ansatz von einem sicheren Hafen nicht zu überzeugen.367 Zunächst ist ein entsprechender „Ausgestaltungswille“ des EuInsVO-Gesetzgebers wegen des erst beginnenden Durchbruchs der Gründungstheorie (ausgelöst durch die EuGH Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit) und der dadurch einsetzenden Verlagerung von Gläubigerschutz in das Insolvenzrecht368 fernliegend. Deshalb hinkt auch ein Vergleich zur Zweigniederlassungsrichtlinie369, die der EuGH nicht auf die Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit überprüft hat370. Dem Verordnungsgeber war höchstwahrscheinlich gar nicht bewusst, dass prima facie unter die EuInsVO zu subsumierende Tatbestände in Konflikt mit der Niederlassungsfreiheit geraten können. Hinsichtlich des Gesellschafterdarlehensrechts muss man in diesem Zusammenhang feststellen, dass es nicht der europäische Gesetzgeber war, der die Niederlassungsfreiheit hinsichtlich bzw. durch die (potentiell gesellschaftsrechtlich geprägten) Katalogtatbestände des Art.  4 II EuInsVO präzisierte. Es war vielmehr der deutsche Gesetzgeber, der die EuInsVO bzw. deren Katalogtatbestände überhaupt erst zur Anwendung deutschen kapitalgesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzrechts auf EU-Auslandsgesellschaften in Stellung gebracht hat.371 Art.  4 EuInsVO war vom europäischen Gesetzgeber nicht als (uneingeschränkte) Möglichkeit zur Durchbrechung des ausländischen Gesellschaftsstatuts (insbesondere dessen Haftungsverfassung) gedacht.372 Daneben überzeugt auch die von U. Huber zugrunde gelegte Prämisse nicht, dass, wenn Artt.  3, 4 EuInsVO primärrechtskonform seien, dies auch für das hierdurch berufene Recht gelten müsse. Dabei wird übersehen, dass die Niederlassungsfreiheit wirkungs- oder ergebnisbezogen ist.373 Die faktischen Auswirkungen, die 364 

U. Huber, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  131 (186, Fn.  165). EuGH, Urteil vom 24.11.1993 – C-267/91 u. a. („Keck“), Slg 1993, I-6097. 366  Balke, Gesellschafterdarlehen, S.  343. 367  So auch Bitter, WM 2004, 2190 (2191 f.); Meilicke, GmbHR 2007, 225 (231 f.); Schall, ZIP 2005, 965 (974); Schmidt-Ehemann, Haftung, S.  157 ff. mit ausführlicher Begründung; Spindler/ Berner, RIW 2004, 7 (9 f.); Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  890. Tendenziell bereits ähnlich: Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (665). 368  Zu diesem zeitlichen Zusammenhang bereits oben ad E.III.4.b.dd. 369  Oben Kapitel D. Fn.  43. 370  Hierauf weist Hommelhoff, in GmbH-Reform in der Diskussion, S.  111 (120) hin. 371  In diese Richtung bereits Thiessen, in Bork/Schäfer GmbHG, Anhang zu §  30 Rn.  30 mit freilich anderen Ergebnissen. 372  Meilicke, GmbHR 2007, 225 (231 f.); ähnlich Schmidt-Ehemann, Haftung, S.  159. 373  Je m.w.N: Eidenmüller, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, §  3 Rn.  8; We365 

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

253

der Überprüfung an der Niederlassungsfreiheit unterliegen, ergeben sich (in aller Regel) erst aus dem Zusammenspiel von kollisionsrechtlichem Anwendungsbefehl und tatsächlicher Anwendung der sachrechtlichen Norm.374 Letztlich überzeugt es daher mehr, Einschränkungen im Sinne der Keck-Rechtsprechung375 (Abgrenzung Marktzugangsbezug – bloßes Verkehrsrecht) auf Stufe der Beschränkung unter Berücksichtigung der konkret zu überprüfenden, nationalen Rechtsnorm vorzunehmen. Dabei kann man hinreichend die Grundwertungen der EuInsVO berücksichtigen. Das Insolvenzrecht stellt also richtigerweise keinen Rechtsbereich dar, der per se der Überprüfung anhand der Niederlassungsfreiheit entzogen wäre. d.  Keine Diskriminierung ausländischer Gesellschaften Das Gesellschafterdarlehensrecht differenziert (bei unterstellter Anwendbarkeit) nicht zwischen EU-Auslands- und Inlandsgesellschaften, sondern unterwirft beide denselben Rechtsregeln.376 Eine Diskriminierung folgt auch nicht aus anderen Umständen, etwa einer häufigeren Relevanz der Regelungen im Fall von EU-Auslandsgesellschaften377. Es liegt folglich kein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit in Form von offener oder versteckter Diskriminierung378 vor. e.  Beschränkung der Niederlassungsfreiheit Nachdem inzwischen im Schrifttum und der Rechtsprechung anerkannt ist, dass (auch) die Niederlassungsfreiheit ein Beschränkungsverbot enthält, wird heute vor allem über die Reichweite dieses Verbots gestritten.379 Der EuGH umschreibt den Umfang des Beschränkungsverbots380 wie folgt: „alle Maßnahmen (…), die die Ausübung dieser Freiheit (Anm.: der Niederlassungsfreiheit) unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen“.381 Verbreitet wird in der Literatur die Weite dieser demann, IPRax 2012, 226 (230). Ferner ähnlich bereits Bitter, WM 2004, 2190 (2192) und Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (9). 374 Plastisch Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  890, der die Kollisionsnormen insoweit mit Ermächtigungsgrundlagen vergleicht. 375  Oben Kapitel E. Fn.  365. 376  Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  97. 377  Dies jedenfalls, seit auch das deutsche Recht mit der UG auf ein gesetzliches Mindestkapital verzichtet. 378  Vgl. hierzu grundsätzlich etwa Ehlers, in Ehlers, Europ. Grundrechte und Grundfreiheiten, §  7 Rn.  24 ff. 379  Tietje, in Ehlers, Europ. Grundrechte und Grundfreiheiten, §  7 Rn.  53 m. w. N.; Forsthoff, in Grabitz/Hilf/Nettesheim, R der EU, Art.  49 AEUV Rn.  88. 380  Ausführliche Auflistung von Beispielen für Beschränkungen aus der EuGH-Rechtsprechung bei Bröhmer, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art.  49 AEUV Rn.  34. 381  EuGH, Urteil vom 15.1.2002 – C-439/99 („Kommission / Italien“), Slg 2002, I-305 (Rn.  22); EuGH, Urteil vom 30.11.1995 – C-55/94 („Gebhard“), Slg 1995, I-4165 (Rn.  37). Vgl. auch EuGH, Urteil vom 31.3.1993 – C-19/92 („Kraus“), Slg 1993, I-1663 (Rn.  32); Eidenmüller, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, §  3 Rn.  4. Ähnlich auch EuGH, Urteil vom 29.3.2011 – C-565/08 („Kommission / Italien“), Slg 2011, I-2101 (Rn.  45) m. w. N. zu weiterer Rechtsprechung.

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

Definition kritisiert, die sämtliche Regelungen erfasst, die auch nur mittelbar und potentiell Auswirkungen auf die Niederlassungsfreiheit haben.382 Als Konsequenz daraus wird eine Einschränkung383, meist i. S. e. spezifischen Marktzugangsbezugs der beschränkenden Maßnahme384 gefordert.385 Der EuGH führt inzwischen im Zusammenhang mit der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit aus: „Insbesondere umfass(e) der Begriff der Beschränkung (…) Maßnahmen, die, obwohl sie unterschiedslos anwendbar sind, den Marktzugang von Wirtschaftsteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten betreffen“.386 Dass in anderen Mitgliedstaaten „weniger strenge(n) oder wirtschaftlich interessantere(n) Vorschriften“ gelten, genüge demgegenüber für sich noch nicht.387 Mit der Formulierung „insbesondere“ hielt man sich gleichsam die Hintertür noch offen, auch nicht den Zugang beschränkende Maßnahmen (ausnahmsweise) unter den Beschränkungsbegriff zu subsumieren. In die Richtung eines engeren Beschränkungsbegriffs geht auch das Urteil „Kornhaas“388 des EuGH.389 Der EuGH lehnt bereits eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch §  64 II 1 GmbHG a. F. ab, da die Norm weder die Gründung der Gesellschaft noch deren spätere Niederlassung in Deutschland betreffe.390 Geregelt werde vielmehr nur die spätere Tätigkeit im Niederlassungsstaat, da die Norm erst mit Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung greife.391 Damit dürfte die Keck-Rechtsprechung endgültig auf die Niederlassungsfreiheit übertragen wor382  Etwa von Teichmann, ZGR 2011, 639 (653). Allgemein (für alle Grundfreiheiten): Forsthoff, in Grabitz/Hilf/Nettesheim, R der EU, Art.  45 AEUV Rn.  193. 383  Für eine Einschränkung (irgendeiner Art) etwa: Fleischer, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  49 (98 ff.); Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 (667); Spindler/Berner, RIW 2004, 7 (10 f.); Teichmann, ZGR 2011, 639 (653 ff.); Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  885 ff. Zurückhaltender: Wedemann, IPRax 2012, 226 (231): „jedenfalls im Fall einer Qualifikationsanordnung durch Art.  4 EuInsVO“. 384  So etwa Teichmann, ZGR 2011, 639 (653 ff.) m. w. N. Letztlich ähnlich m.v.w.N.: Wilms, englische Ltd in dt. Insolvenz, S.  93 ff., insb. 97 f., der vorschlägt nach korporativem Wesen und Geschäftstätigkeit zu unterscheiden. Im Detail ist hier freilich vieles streitig und es werden unterschiedlichste Ansätze zur Eingrenzung der Reichweite der Grundfreiheiten allgemein und der Niederlassungsfreiheit im Speziellen vorgeschlagen, vgl. Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S.  416 ff.; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  885 f. m. w. N. 385  Kritisch hierzu und für ein weites Verständnis des Beschränkungsbegriffs mit beachtlichen Argumenten: Tietje, in Ehlers, Europ. Grundrechte und Grundfreiheiten, §  7 Rn.  55. 386  EuGH, Urteil vom 29.3.2011 – C-565/08 („Kommission / Italien“), Slg 2011, I-2101 (Rn.  46); ohne diese Einschränkung („insbesondere“) noch der EuGH, Urteil vom 28.4.2009 – C-518/06 („Kommission / Italien“), Slg 2009, I-3491 (Rn.  64). Deutlicher der Gerichtshof zur Kapitalverkehrsfreiheit in EuGH, Urteil vom 8.7.2010 – C-171/08 („Kommission / Portugal“), Slg 2010, I-6817 (Rn.  66) und zur Dienstleistungsfreiheit EuGH, Urteil vom 10.5.1995 – C-384/93 („Alpine Investments“), Slg 1995, I-1141 (Rn.  37). 387  EuGH, Urteil vom 29.3.2011 – C-565/08 („Kommission / Italien“), Slg 2011, I-2101 (Rn.  49) m. w. N. zu früherer Rechtsprechung. 388  Zur kollisionsrechtlichen Perspektive dieses Urteils bereits oben ad C.V.2.a.bb. 389  M.-P. Weller/Hübner, NJW 2016, 225. 390  EuGH, Urteil vom 10.12.2015 – C-594/14 („Kornhaas“), NJW 2016, 223 (Rn.  28). 391  EuGH, Urteil vom 10.12.2015 – C-594/14 („Kornhaas“), NJW 2016, 223 (Rn.  28).

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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den sein – was bei der Warenverkehrsfreiheit die Verkaufsmodalität ist, ist bei der Niederlassungsfreiheit die „Tätigkeitsausübungsregel“.392 Demgegenüber geht es im Lichte der o.g. Entscheidungen des EuGH zur Niederlassungsfreiheit zu weit, das Urteil „Kornhaas“ dahingehend zu verstehen, dass alle „Regelungen, die sich nicht unmittelbar auf die Gründung bzw. Errichtung einer Zweigniederlassung beziehen, niederlassungsfest“ seien.393 Das überinterpretiert den EuGH an dieser Stelle.394 Dass rein faktische oder mittelbare Beschränkungen des Zuzugs unabhängig von ihrer Intensität keinerlei Bezug mehr zur Niederlassung haben sollen, überzeugt nicht. Dies würde „geschickter Rechtsgestaltung“ durch die nationalen Gesetzgeber Tür und Tor öffnen und den für die Mobilität europäischer Gesellschaften erreichten Stand erheblich gefährden. Ebenso ist es abzulehnen, dem gesamten Insolvenzrecht einen „Persilschein“ zu erteilen, in dem man es insgesamt als „Tätigkeitsausübungsregel“ einordnet395. Im Ergebnis entspricht dies dem Ansatz von einem „sicheren Hafen“.396 Zwar mag es richtig sein, dass eine solche Einordnung weitgehend auf das deutsche Insolvenzrecht zutrifft. Dennoch sollte die Einordnung als Insolvenzrecht nicht die genaue Analyse der von einer Norm auf die Niederlassungsfreiheit ausgehenden Wirkungen ersetzen, wenn es um die Frage nach der Beschränkungsqualität bzw. dem Vorliegen einer bloßen „Tätigkeitsausübungsregel“ geht. Trotz der vielen Unklarheiten bzgl. der Reichweite des Beschränkungsbegriffs ist damit jedenfalls für spezifische Zugangsbehinderungen i. S. v. Maßnahmen, die „in ihrer tatsächlichen Wirkung (…) den Zugang zu einer mitgliedstaatlichen Rechtsordnung und zum entspr(echenden) Markt im ökonomischen Sinne mit dem Ziel der Niederlassung behindern oder sonst wie weniger attraktiv machen“, von einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit auszugehen.397 Eine solche den Marktzugang weniger attraktiv machende Wirkung hat das Gesellschafterdarlehensrecht.398 Zwar enthält das Gesellschafterdarlehensrecht keine Bedingungen für die Niederlassung selbst oder die Aufnahme der Geschäftstätigkeit. Jedoch wirkt sich das Gesellschafterdarlehensrecht für eine marktzutrittswillige EU-Auslandsgesellschaft vergleichbar aus. Das Gesellschafterdarlehensrecht stellt nicht (mehr) auf eine insolvenznahe Handlung ab, sondern erfasst potentiell 392 

Kindler, EuZW 2016, 136; M.-P. Weller/Hübner, NZI 2016, 225. So aber Schall, ZIP 2016, 289 (292). 394  Zur Zurückhaltung bei der Interpretation der „Kornhaas“ Entscheidung mahnt auch Mankowski, NZG 2016, 281 (285), der darauf hinweist, dass es sich um eine Entscheidung einer kleinen Kammer handelt, ohne dass Schlussanträge des Generalanwalts eingeholt wurden. 395  In diese Richtung Kindler, EuZW 2016, 136 (138). 396  Vgl. zu diesem Ansatz und zur Kritik hieran bereits oben ad E.III.5.c. 397  Tietje, in Ehlers, Europ. Grundrechte und Grundfreiheiten, §  7 Rn.  54. 398  Hinsichtlich dem Vorliegen einer Beschränkung mit Marktzugangsbezug a.A: eingehend Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  353 ff.; Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  200 auf Basis seines Legitimationsansatzes (vgl. dazu oben ad B.III.2.g.bb.); Lüneborg, Gesellschafterdarlehen, S.  281; Schmidt-Ehemann, Haftung, S.  291 f., mit äußerst knapper Begründung für das neue Recht. 393 

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

sämtliche Gesellschafterfremdfinanzierungsleistungen. Es bedroht diese unmittelbar mit insolvenzrechtlichem Nachrang, Insolvenzanfechtung und bei fehlender Insolvenzeröffnung mit den Tatbeständen der Gläubigeranfechtung. Allein die Darlehensgewährung eines Gesellschafters stellt den „haftungsbegründenden“ Tatbestand des §  39 I Nr.  5 InsO dar. Daneben bedarf es nur noch des externen Umstands der Insolvenzeröffnung. Ein weiteres, beim Gesellschafter selbst anknüpfendes Kriterium fehlt. Auf die finanzwirtschaftliche Situation der Gesellschaft kommt es weder im Zeitpunkt der Darlehensgewährung noch für die Insolvenz- und Gläubigeranfechtung im Zeitpunkt der anfechtbaren Rechtshandlungen an.399 Ähnliches gilt für die Fälle gesellschafterbesicherter Drittdarlehen. Das Gesellschafterdarlehensrecht erfasst also Darlehen, die mitunter im Zuzugsfall bereits vor Sitzverlegung gewährt oder sogar bereits zurückbezahlt wurden.400 Damit haben die Gesellschafter einer zutrittswilligen EU-Auslandsgesellschaft das Gesellschafterdarlehensrecht bereits in ihrer Entscheidung über den Zuzug in hohem Maße in Rechnung zu stellen.401 Diese (potentielle) Erfassung bereits vollständig abgeschlossener Sachverhalte aus der Zeit vor der Sitzverlegung spricht entscheidend gegen die bloße Tätigkeitsbezogenheit der Regelungen.402 Dies ist auch der entscheidende Unterschied zur Insolvenzverschleppungshaftung, zur Existenzvernichtungshaftung und zur Haftung nach §  64 S.  1403 und 3 GmbHG, die jeweils auf ein konkretes insolvenznahes (Fehl-)Verhalten reagieren. Trotz der in den insolvenzrechtlichen Tatbeständen vorausgesetzten Insolvenzeröffnung handelt es sich vor dem Hintergrund der Ergebnisbezogenheit der Grundfreiheiten404 auch nicht um zu mittelbare oder zu ungewisse Beeinträchtigungen.405 399  Vgl. ausführlich oben ad B.III.2.j. Die Maßgeblichkeit der finanzwirtschaftlichen Situation innerhalb der Anfechtungstatbestände (von der Thole ausgeht) ist für dens., Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  894 ein entscheidender Grund für die Vereinbarkeit des Insolvenzanfechtungsrechts mit der Niederlassungsfreiheit. 400  Für §  135 I Nr.  1 InsO genügt grundsätzlich jede Besicherung, wenn nur innerhalb von zehn Jahren Insolvenz eröffnet wird, selbst wenn die Besicherung noch am früheren Sitz einer zutrittswilligen Auslandsgesellschaft erfolgte. 401  Ähnlich bereits Eidenmüller, in FS Canaris Bd. II, S.  49 (68). Vgl. allgemein zur Vorwirkung des Insolvenzrechts und deren Relevanz für die Niederlassungsfreiheit Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  892. Vgl. zum präventiven, insolvenzfernen Handlungsanreiz bereits oben ad E.III.3.e.aa. 402 Ähnlich Koutsós, Rechtliche Behandlung, S.  326 f., der hier vor allem auf die Rechtsformwahlfreiheit abstellt, die durch die Regelungen beeinträchtigt ist, da sie die Wahl einer ausländischen Rechtsform weniger attraktiv machen. 403  Der EuGH misst daher in der „Kornhaas“-Entscheidung der identischen Vorgängerregelung in §  64 II 1 GmbHG a. F. auch keine beschränkende Wirkung hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit zu, vgl. oben ad E.5.c. mit Nachweis in Fn.  390. 404  Vgl. dazu bereits oben ad E.III.5.c. 405  Der EuGH lehnt in solchen Fällen eine beschränkende Wirkung ab, vgl. EuGH, Urteil vom 7.3.1990 – C-69/88 („Krantz“), Slg 1990, I-583 (Rn.  11) zu Pfändung bei Steuerschulden hinsichtlich Warenverkehrsfreiheit eines Importeurs; EuGH, Urteil vom 20.6.1996 – C-418/93 u. a. („Semeraro Casa Uno u. a.“), Slg 1996, I-2975 (Rn.  32) zu einer Regelung der Ladenöffnungszeiten hinsichtlich Niederlassungsfreiheit.

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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Dies vor allem deshalb, weil eine Insolvenzeröffnung bzw. deren Verhinderung nicht alleine in den Händen der Gesellschaft und deren Gesellschafter liegt und das Gesellschafterdarlehensrecht erhebliche Auswirkungen bereits vor der Insolvenz zeitigt406. Die Regelungen wurden zudem (zumindest auch) zweckgerichtet im Hinblick auf zuziehende Auslandsgesellschaften geschaffen,407 was den Beschränkungscharakter unterstreicht.408 Zudem greift §  6 AnfG unmittelbar, ohne dass eine Insolvenzeröffnung vorausgesetzt wäre, bedroht also mithin jede Rückgewähr oder Besicherung eines Gesellschafterdarlehens innerhalb der Anfechtungsfristen. Damit machen die Regelung zum Nachrang (§  39 I Nr.  5 InsO), die Insolvenzanfechtungstatbestände (§  135 I) und auch die übrigen Regelungen des Gesellschafterdarlehensrechts (§§  44a, 135 II InsO und §  6 AnfG) bereits den Marktzutritt und nicht erst die spätere Tätigkeitsausübung für eine (überwiegend) gesellschafterfremdfinanzierte EU-Auslandsgesellschaft deutlich weniger attraktiv. Sie beschränken also auch bei restriktiver Betrachtung die Niederlassungsfreiheit. Zudem greift das Gesellschafterdarlehensrecht in die Finanzverfassung der Gesellschaft ein und berührt Grundfragen korporativer Natur, namentlich das Trennungsprinzip und die Haftungsbeschränkung. 409 Damit kann es zu Widersprüchen mit dem ausländischen Gesellschaftsstatut kommen, das ggf. einer Fremdfinanzierung bedenkenlos gegenüber steht.410 Die marktzutrittswillige Gesellschaft wird dadurch nicht als dasjenige Rechtssubjekt anerkannt, als das sie vom Heimatrecht geschaffen wurde.411 Genau das verlangt aber der EuGH im Urteil „Überseering“.412 Selbst wenn man der Haftungsbeschränkung eine Bedeutung für die Legitimations- und Wertungsgrundlage abspricht, kommt man an diesem Ergebnis nicht vorbei, da hierfür letztlich die faktischen Wirkungen des Gesellschafterdarlehensrechts ausschlaggebend sind und dieses potenziell die Regeln des Gesellschaftsstatuts beeinträchtigt. Auch diese Umstände begründen eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit.413 A.A.: Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  360; Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  200 auf Basis seines Legitimationsansatzes (vgl. dazu oben ad B.III.2.g.bb.); Wedemann, IPRax 2012, 226 (231). Wohl auch Lüneborg, Gesellschafterdarlehen, S.  281. Zu den Novellenregeln: U. Huber, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  131 (187). 406  Vgl. bereits oben ad E.III.3.e.aa. 407  Der EuGH, Urteil vom 20.6.1996 – C-418/93 u. a. („Semeraro Casa Uno u. a.“), Slg 1996, I-2975 (Rn.  32) stellt neben der fehlenden Unmittelbarkeit gerade auch auf das Fehlen einer solche Zweckrichtung ab, um eine Beschränkung abzulehnen. 408  In eine ähnliche Richtung allgemein Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, §  3 Rn.  12, 15. A.A.: Azara, Eigenkapitalersatzrecht nach MoMiG, S.  362. 409  Eingehend hergeleitet oben ad E.III.3.b. 410  Vgl. bereits oben ad E.III.3.e.bb. 411 Noch weitergehend Meilicke, GmbHR 2007, 225 (231) der von einer Überstülpung des Haftungsprinzips „des für Gesellschaften des Zuzugsstaats geltenden Gesellschaftsrechts“ spricht. 412  Vgl. EuGH, Urteil vom 5.11.2002 – C-208/00 („Überseering“), Slg 2002, I-9919 (Rn.  80). 413  So im Allgemeinen Eidenmüller, in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, §  3 Rn.  7 hinsichtlich der Haftungsverfassung; Fleischer, in Lutter, Auslandsgesellschaften, S.  49

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

f.  Rechtfertigung dieses Eingriffs Ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit scheidet trotz des beschränkenden Charakters der Regelungen des Gesellschafterdarlehensrechts aus, wenn diese Beschränkung gerechtfertigt ist. Da Artt.  51 f. AEUV für das Gesellschafterdarlehensrecht nicht greifen, kommt nur eine Rechtfertigung aufgrund „zwingender Gründe des Allgemeininteresses“414 in Betracht. In diesem Fall verlangt der EuGH in ständiger Rechtsprechung, dass die beschränkenden Maßnahmen vier Voraussetzungen erfüllen: „Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist“.415

Dass die Regeln selbst weder offen noch versteckt diskriminieren, wurde bereits festgestellt.416 Eine diskriminierende Anwendung kommt damit nur noch auf der Einzelfall-Ebene in Betracht, was freilich nicht auf die gesetzliche Grundlage „durchschlagen“ würde. Der Gläubigerschutz ist als zwingendes Interesse des Allgemeinwohls anerkannt417 und wird hier durch das Gesellschafterdarlehensrecht mittels Vergrößerung der Insolvenzmasse418 ersichtlich verfolgt419. In Betracht kommt grundsätzlich auch die Missbrauchsverhinderung als zwingender Grund des Allgemeinwohls.420 Ein solcher Missbrauch kann aber nach dem EuGH nicht generell in der bloßen Nutzung ausländischer Gesellschaftsformen gesehen werden.421 Im Allgemeinen lässt der EuGH die Missbrauchsbekämpfung durch abstrakt-generelle Rege(99 f.): „Hinüberwirken in die korporative Sphäre“ als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Ähnlich Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S.  889 hinsichtlich der Finanzverfassung, der dies für das Gesellschafterdarlehensrecht aber als unschädlich hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit ansieht (S.  895 f.). 414  EuGH, Urteil vom 30.11.1995 – C-55/94 („Gebhard“), Slg 1995, I-4165 (Rn.  37). 415  EuGH, Urteil vom 30.11.1995 – C-55/94 („Gebhard“), Slg 1995, I-4165 (Rn.  37); EuGH, Urteil vom 30.9.2003 – C-167/01 („Inspire Art“), Slg 2003, I-10155 (Rn.  133); EuGH, Urteil vom 5.11.2014 – C-103/13 („Somova“), NJOZ 2015, 25 (Rn.  46). Zuvor bereits in dieser Kombination hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit: EuGH, Urteil vom 31.3.1993 – C-19/92 („Kraus“), Slg 1993, I-1663 (Rn.  32) und in der Sache auch schon EuGH, Urteil vom 20.5.1992 – C-106/91 („Ramrath“), Slg 1992, I-3351 (Rn.  29 ff.); hinsichtlich der Dienstleistungsfreiheit: EuGH, Urteil vom 26.2.1991 – C-180/89 („Kommission / Italien“), Slg 1991, I-709 (Rn.  17 f.). 416  Vgl. oben ad E.III.5.d. 417  EuGH, Urteil vom 5.11.2002 – C-208/00 („Überseering“), Slg 2002, I-9919 (Rn.  92); EuGH, Urteil vom 30.9.2003 – C-167/01 („Inspire Art“), Slg 2003, I-10155 (Rn.  135 ff.). Implizit bereits in EuGH, Urteil vom 9.3.1999 – C-212/97 („Centros“), Slg 1999, I-1459 (Rn.  35). 418  Höhere Aktiv- oder geringere Passivmasse. 419  Vgl. auch Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  201. 420  EuGH, Urteil vom 30.9.2003 – C-167/01 („Inspire Art“), Slg 2003, I-10155 (Rn.  136). 421  EuGH, Urteil vom 30.9.2003 – C-167/01 („Inspire Art“), Slg 2003, I-10155 (Rn.  137 ff.).

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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lungen nicht zu,422 sondern verlangt den Nachweis eines Missbrauchs im konkreten Fall423. Daran fehlt es aber bei den Regelungen des Gesellschafterdarlehensrechts. Kein tauglicher zwingender Grund des Allgemeininteresses ist dagegen ein Interesse des Staates an der Anwendung eines einheitlichen Anfechtungsrechts zugunsten der Gläubigergleichbehandlung.424 Die Regelungen des Gesellschafterdarlehensrechts dürften ferner noch als geeignet anzusehen sein, da sie dem (Dritt-)Gläubigerschutz insgesamt zugutekommen und trotz Einführung der mindestkapitallosen UG immer noch von einer konsequenten und kohärenten Verfolgung425 des Gläubigerschutzes im deutschen Recht auszugehen ist.426 Die Erforderlichkeit der Regelungen ist dagegen nicht mehr gegeben. Es kommen bereits deutlich mildere Ausgestaltungsmöglichkeiten in Betracht, die den Gläubigerschutz vergleichbar427 verwirklichen428, die Gesellschaft und vor allem ihre Gesellschafter aber deutlich weniger belasten.429 Zu denken ist dabei insbesondere an Regelungen, die Gesellschafterdarlehen nur unter spezifischen Voraussetzungen (Gewährung oder Stehenlassen in finanzieller Schieflage, ggf. mit widerleglicher Vermutung) erfassen oder an anderen verhaltensbezogenen Merkmalen ansetzen (etwa die Ausnutzung eines Informationsvorsprungs mit der Folge der Anfechtbarkeit einer insolvenznahen Befriedigung).430 Dies würde dem vom Gesetzgeber nach 422  Schlussanträge des GA Alber, vom 30.1.2003 (C-167/01 „Inspire Art“), Slg 2003, I-10155 (Rn.  117); Böhmer, in Callies/Ruffert EUV/AEUV, Art.  54 AEUV Rn.  17; M.-P. Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit, S.  66 f. 423  EuGH, Urteil vom 30.9.2003 – C-167/01 („Inspire Art“), Slg 2003, I-10155 (Rn.  105). 424 A.A. offenbar Gruber, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar InsR, Anh. I, Art.  4 EuInsVO Rn.  40. 425  Vgl. zu diesem Erfordernis etwa Forsthoff, in Grabitz/Hilf/Nettesheim, R der EU, Art.  45 AEUV Rn.  401 ff. m.v.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH. 426  So auch etwa Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  201. Mit beachtlichen Gründen hinsichtlich des Nachrangs zweifelnd, aber letztlich wegen des Prognosespielraums des nationalen Gesetzgebers ebenfalls bejahend: Zahrte, ZInsO 2009, 223 (230). 427  Der EuGH prüft im Rahmen der Erforderlichkeit nicht streng am Kriterium gleicher Effektivität der Alternativmaßnahme, sondern integriert in diesen Prüfungsschritt Aspekte der Angemessenheit / Verhältnismäßigkeit i. e. S., vgl. Forsthoff, in Grabitz/Hilf/Nettesheim, R der EU, Art.  45 AEUV Rn.  377 m. w. N. Daher ist es hier unschädlich, wenn die genannten Regelungen in bestimmten Konstellationen weniger effektiv sind. 428  Vgl. zu den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen bereits oben die Auswertung der Gesetzesbegründung ad B.III.2.j.cc. 429  So auch hinsichtlich des Nachrangs : Zahrte, ZInsO 2009, 223 (231); a. A. Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  100, der allerdings insoweit nur über (gesetzliche) Besicherungsmöglichkeiten der Gläubiger nachdenkt; Lüneborg, Gesellschafterdarlehen, S.  282, die wenig überzeugend eine geringere Eingriffsintensität von krisenbezogenen Regelungen ablehnt, da diese nur im Einzelfall schonender wären und im deutschen Recht bisher unbekannt sind. 430  Ob eine Nachrangregelung mit der durch sie ausgelösten, faktischen Umqualifizierung zu Risikokapital überhaupt mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar sein kann, scheint mir fraglich. Jedenfalls aber hinsichtlich der Anfechtungstatbestände, kann durch entsprechende Ausgestaltung eine Europarechtskonformität erreicht werden, vgl. dazu nochmals die Gedanken unten ad G.II.1.

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

eigenen Aussagen anvisierten, schädlichen insolvenznahen Verhalten431 beinahe genauso effektiv432 entgegenwirken wie das Gesellschafterdarlehensrecht de lege lata, nicht aber sämtliche Gesellschafterfremdfinanzierung per se betreffen.433 Der EuGH verweist im Rahmen des Gläubigerschutzes bei Gesellschaften regelmäßig neben bereits harmonisiertem Recht auf das sog. Informationsmodell434, wonach Regelungen zum Gläubigerschutz nicht erforderlich sind, wenn die Gläubiger bereits durch das bloße Auftreten der EU-Auslandsgesellschaft in entsprechender Rechtsform ausreichend davor gewarnt sind, dass möglicherweise ein niedrigerer Gläubigerschutz-Standard als bei Inlandsgesellschaften gegeben ist und wenn die Gläubiger dadurch in die Lage versetzt werden, sich selbst zu schützen.435 Auch wenn der so vermittelte Schutz weniger effektiv ist, sind die Mitgliedstaaten regelmäßig hierauf verwiesen, wenn und soweit sich das Informationsmodell weniger belastend auf den Marktzugang auswirkt.436 Das ist hier der Fall. Es ist dabei auch nicht ersichtlich, dass das Informationsmodell im Fall der Gesellschafterdarlehen generell 437 versagt. Nur weil Gesellschafterdarlehen nicht aus den Handelsbüchern hervorgehen, kann man noch nicht davon ausgehen, dass potenzielle Gläubiger von der durchaus üblichen Gesellschafterfremdfinanzierung438 komplett überrascht würden.439 Gerade bei mit entsprechendem Rechtsformzusatz auftretenden Auslandsgesellschaften genügt dieses bloße Auftreten, um vor einer möglicherweise anderen Kapitalisierungsstruktur und entsprechenden, vom deutschen Recht abweichenden Regelungen zu warnen.440 431  Nach der Gesetzesbegründung des RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  26 geht es beim Gesellschafterdarlehensrecht im Grunde „um fragwürdige Auszahlungen an Gesellschafter in einer typischerweise kritischen Zeitspanne, die einem konsequenten Anfechtungsregime zu unterwerfen sind.“ Ferner führt die Gesetzesbegründung aus (a. a. O., S.  42): „Die Rückzahlung des Gesellschafterkredits ist während des normalen Lebens der Gesellschaft grundsätzlich unproblematisch und wird erst in der Insolvenz kritisch.“ Sieht man dagegen den Zweck des Gesellschafterdarlehensrechts wie hier ohnehin vor allem im Zusammenhang zur Haftungsbeschränkung, scheidet eine Rechtfertigung erst Recht aus, da ein solcher Eingriff in die Finanz- und Haftungsverfassung nicht zu rechtfertigen ist. Vgl. zur Doppelbelastung sogleich. 432  Für eine geringere Effektivität sprechen m. E. nur die dadurch eröffneten Umgehungs- und Beweisschwierigkeiten, denen aber auch anderweit begegnet werden kann (Stichwort: widerlegbare Vermutung). 433  A.A. wohl: Koutsós, Rechtliche Behandlung, S.  332 ff. 434  Der Begriff geht soweit ersichtlich zurück auf Grundmann, FS Lutter, S.  61 (62 f.). 435  EuGH, Urteil vom 9.3.1999 – C-212/97 („Centros“), Slg 1999, I-1459 (Rn.  36); EuGH, Urteil vom 30.9.2003 – C-167/01 („Inspire Art“), Slg 2003, I-10155 (Rn.  135). 436  Teichmann, ZGR 2011, 639 (655). 437  Ein Versagen im Einzelfall (bspw. hinsichtlich gesetzlicher Gläubiger) genügt zur Rechtfertigung der generellen Regelung nicht, sondern könnte allenfalls auf diese Fälle begrenzte Gläubigerschutzregeln tragen. 438  In diese Richtung auch: Zahrte, ZInsO 2009, 223 (230). 439  So aber Kindler, in MüKo BGB, Art.  4 EuInsVO Rn.  99; ders., in Sonnenberger, Vorschläge und Berichte int. GesR, S.  496 (527). 440  So auch hinsichtlich des Nachrangs Zahrte, ZInsO 2009, 223 (230 f.); a. A.: Clemens, Gesellschafterfremdfinanzierung, S.  202, der aber gerade darauf abstellt, dass es sich um insolvenzrechtli-

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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Die Bedrohung sämtlicher Gesellschafterdarlehen mit Nachrang und Insolvenz­ anfechtung geht also weit über das erforderliche Maß hinaus. Auch der Hinweis auf die intendierte Vereinfachung der Rechtslage beseitigt dies nicht. Eine weitere Problematik, aus der sich eine fehlende Erforderlichkeit ergeben kann, ist die mitunter entstehende Doppelbelastung.441 Soweit im Gründungsrecht der EU-Auslandsgesellschaft insolvenzunabhängige Regelungen zur Gesellschafterfremdfinanzierung enthalten sind, die gesellschaftsrechtlich qualifiziert werden, entsteht durch eine zusätzliche Anwendbarkeit des deutschen Gesellschafterdarlehensrechts eine solche Doppelbelastung.442 g.  Primärrechtskonforme Auslegung? Bevor Normen endgültig als europarechtswidrig verworfen werden, muss über eine primärrechtskonforme Auslegung443 nachgedacht werden. Eine solche kommt hier prinzipiell sowohl auf Ebene des materiellen Rechts als auch auf Ebene des Kollisionsrechts in Betracht. Eine Auslegung, die zur kompletten Nichtanwendung des Gesellschafterdarlehensrechts auf EU-Auslandsgesellschaften führt, ist allerdings nicht als europarechtskonforme Auslegung anzusehen bzw. führt praktisch nicht weiter, da eine solche wegen des bloßen Anwendungsvorrangs bereits aus dem Primärrechtsverstoß folgt. che Tatbestände handelt, mit deren fehlender Anwendbarkeit die (potenziellen) Gläubiger nicht zu rechnen bräuchten. Ob Gläubiger tatsächlich zwischen insolvenz- und gesellschaftsrechtlichen Tatbeständen unterscheiden (zumal die Unterscheidung hier nach dem zuvor Gesagten sehr schwierig ist) und von der Nicht-Anwendbarkeit des Einen mehr überrascht sind, scheint allerdings fraglich. 441  Nach der Rechtsprechung des EuGH zur Dienstleistungsfreiheit muss ein Allgemeininteresse bereits als tauglicher Rechtfertigungsgrund ausscheiden, wenn schon die Heimatregelungen des Grundfreiheitenträgers diesem angemessen Rechnung tragen, vgl. EuGH, Urteil vom 17.12.1981 – 279/80 („Webb“), Slg 1981, 3305 (Rn.  17, 20); EuGH, Urteil vom 9.3.2000 – C-355/98 („Kommission / Belgien“), Slg 2000, I-1221 (LS 5, Rn.  37). Für die Niederlassungsfreiheit argumentierte der EuGH bisher nur hinsichtlich des Nachweises beruflicher Qualifikation, vgl. EuGH, Urteil vom 7.5.1991 – C-340/89 („Vlassopoulou“), Slg 1991, I-2357 (Rn.  15 ff.) und hinsichtlich einer doppelten Buchführungspflicht, vgl. EuGH, Urteil vom 15.5.1997 – C-250/95 („Futura Participations und Singer“), Slg 1997, I-2471 (Rn.  25 f.), hiermit. Nach Forsthoff, in Grabitz/Hilf/Nettesheim, R der EU, Art.  45 AEUV Rn.  378 handelt es sich auch um ein bei der Niederlassungsfreiheit allgemein gültiges Kriterium. Vgl. zu diesem Aspekt eingehend auch Forsthoff, in Grabitz/Hilf/Nettesheim, R der EU, Art.  45 AEUV Rn.  395, 406 m.v.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH; ferner Krolop, in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, §  19 Rn.  57 f. 442  Dieser Problematik entgeht man nur, wenn man sämtliche Regelungen zu Gesellschafterdarlehen insolvenzrechtlich qualifiziert, was Gruber, in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar InsR, Anh. I, Art.  4 EuInsVO Rn.  38 (wohl auch wenn diese nicht an eine Insolvenz anknüpfen) vorschlägt. Allerdings kann es nicht überzeugen wegen Art.  4 EuInsVO jede Materie, die irgendwie auch als Insolvenzanfechtungstatbestand regelbar wäre, zwingend insolvenzrechtlich zu qualifizieren. Dies missversteht die funktionale Qualifikation. Ähnlich schon die Begründung der Notwendigkeit von Ausnahmen vom regelungstechnisch bzw. rechtsfolgenseitig konzipierten Katalog in Art.  4 II EuInsVO oben ad E.III.4.b.aa. 443  Vgl. hierzu eingehend Leible/Domröse, in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, §  8.

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

aa.  Primärrechtskonforme Auslegung des materiellen Rechts? Eine europarechtskonforme Auslegung des materiellen Gesellschafterdarlehensrechts müsste die Tatbestände derart modifizieren, dass ihre Anwendung nicht mehr gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. Zu denken444 wäre dabei etwa an eine einschränkende Auslegung, so dass die Tatbestände nur greifen, wenn eine Insolvenz- oder wenigstens Krisensituation im Zeitpunkt der Finanzierungsleistung des Gesellschafters vorlag und/oder eine Anwendung der Anfechtungstatbestände nur bei einem nachgewiesenen Insiderdelikt (etwa das Ausnutzen eines Informationsvorsprungs, z. B. bei vorzeitiger Absehbarkeit der Insolvenz und/oder finanziellen Schieflage). All diese Modifikationen finden aber, nach dem hier entwickelten Verständnis und unter Beachtung der Historie,445 im Wortlaut der Normen des Gesellschafterdarlehensrechts keinen Anknüpfungspunkt. Es handelte sich in der Sache also um teleologische Reduktionen. Dies wirft die schwierige und umstrittene Frage nach den Grenzen europarechtskonformer Auslegung auf, die hier nicht näher dargestellt werden kann.446 Vom nationalen Rechtsanwender (d. h. vor allem von den Gerichten) verlangt der EuGH, das nationale Gesetz „so weit wie möglich“447, d. h. „unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihm das nationale Recht einräumt, in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden“.448 Der EuGH respektiert also grundsätzlich die methodologischen Grenzen, die das jeweilige nationale Recht einer primärrechtskonformen Auslegung setzt.449 Im deutschen Recht kommen daher grundsätzlich auch Analogieschluss und teleologische Reduktion in Betracht. Angesichts des klaren Wortlauts, der Nichtumsetzung des Vorschlags einer widerleglichen Vermutung und der eindeutigen Regelungsabsichten des Gesetzgebers, das neue Gesellschafterdarlehensrecht solle sämtliche Gesellschafterdarlehen er­ fassen,450 muss eine teleologische Reduktion des materiellen Rechts als „Rechtsfortbildung contra legem“451 in Anbetracht von Art.  20 III GG vorliegend aber aus444  Ob diese Optionen tatsächlich primärrechtskonform wären, kann dahinstehen, wenn diese im Folgenden aus anderen Gründen ausscheiden. 445  Vgl. dazu eingehend im Rahmen der Erwägungen zur Wertungsgrundlage des reformierten Rechts oben ad B.III.2.j. 446  Vgl. hierzu Herresthal, Rechtsfortbildung, S.  300 ff.; Leible/Domröse, in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, §  8 Rn.  59; Müller/Christensen, Juristische Methodik Bd. II, Rn.  588 zur richtlinienkonformen Auslegung; M. Weber, Grenzen EU-rechtskonformer Auslegung und Rechtsfortbildung, vor allem zur richtlinien- und rahmenbeschlusskonformen Auslegung, aber auch mit allgemeinen Erwägungen. 447  EuGH, Urteil vom 5.10.1994 – C-165/91 („van Munster“), Slg 1994, I-4661 (Rn.  34). Ferner ähnlich EuGH, Urteil vom 18.12.2014 – C-523/13 („Larcher“), NZA 2015, 91 (Rn.  44). 448  EuGH, Urteil vom 4.2.1988 – 157/86 („Murphy u. a.“), Slg 1988, 673 (Rn.  11). Ferner ähnlich: EuGH, Urteil vom 18.3.2004 – C-8/02 („Leichtle“), Slg 2004, I-2641 (Rn.  58). 449  Leible/Domröse, in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, §  8 Rn.  57. 450  Vgl. dazu eingehend im Rahmen der Erwägungen zur Wertungsgrundlage des reformierten Rechts oben ad B.III.2.j. 451  Begriff nach M. Weber, Grenzen EU-rechtskonformer Auslegung und Rechtsfortbildung, S.  48.

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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scheiden.452 Hierfür spricht letztlich auch der bloße Anwendungsvorrang des ­Europarechts, über den bei Neu- oder Umbildung einer Norm jenseits des Gesetz­ geberwillens weit hinausgegangen wird.453 bb.  Primärrechtskonforme Auslegung des Kollisionsrechts? (1)  Heilung durch Anwendung von Art.  13 EuInsVO Als primärrechtskonforme Auslegungsmöglichkeit käme auch die modifizierte Anwendung von Kollisionsrecht in Betracht, etwa i. S. d. Vorschlags Schalls durch Berücksichtigung des Gesellschaftsstatuts i.R.v. Art.  13 EuInsVO.454 Hiergegen wurden oben bereits Bedenken geäußert.455 Auch dieser Ansatz beseitigt durch die einschränkende Berücksichtigung des Gesellschaftsstatuts den Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nicht. Eine Belastung folgt auch bei Anwendung des Art.  13 EuInsVO aus der Darlegungs- und Beweislast des Anfechtungsgegners (Gesellschafters)456. (2)  Heilung durch kumulative Sonderanknüpfung ohne Beweislastumkehr Um dem Problem der durch die Darlegungs- und Beweislast geschaffenen Beschränkung zu entgehen, könnte über eine eingeschränkt kumulative Sonderanknüpfung (zusätzliche Berücksichtigung des Gesellschaftsstatuts neben dem Insolvenzstatut) nachgedacht werden, die an Art.  13 EuInsVO angelehnt ist, allerdings primärrechtskonform auf die Darlegungs- und Beweislastumkehr verzichtet. Diese 452  Vgl. zur Problematik des „Verbot(s) des contra-legem-Judizierens“ m. w. N. Leible/Domröse, in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, §  8 Rn.  59 (insbesondere zur Problematik der Geltung bei der primärrechtskonformen Auslegung); M. Weber, Grenzen EU-rechtskonformer Auslegung und Rechtsfortbildung, S.  48 ff. Ferner: Hager, Rechtsmethoden, S.  269 (mit Blick vor allem auf die richtlinienkonforme Auslegung); Müller/Christensen, Juristische Methodik Bd. II, Rn.  588 (ebenfalls zur richtlinienkonformen Auslegung). Auch nach dem Verständnis Herresthals, Rechtsfortbildung, S.  319 f., 326 ff. müsste eine solche Rechtsfortbildung hier wegen der „(weiterhin) aktuellen Wertentscheidung des Gesetzgebers“ ausscheiden. Vgl. zur nicht unmittelbar übertragbaren Rechtsprechung des BVerfG zur verfassungskonformen Auslegung BVerfG, Urteil vom 22.10.1985 – 1 BvL 44/83, BVerfGE 71, 81 (105): „Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzes in Widerspruch treten würde (…) im Wege der Auslegung darf einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden“. Aus diesem Grund wurde bereits eine Korrektur des erarbeiteten Wertungs- und Legitimationskonzepts zwecks Erreichung der vom Gesetzgeber angestrebten Anwendbarkeit auf EU-Auslandsgesellschaften abgelehnt, vgl. oben ad E.III.4.b.ff. 453  Leible/Domröse, in Riesenhuber, Europ. Methodenlehre, §  8 Rn.  59. Ähnlich auch Herresthal, Rechtsfortbildung, S.  335 der im Rahmen der teleologischen Reduktion nur ein „minus“ nicht aber ein „aliud“ zulässt. 454  Vgl. dazu oben ad E.III.1.b. 455  Vgl. oben ad E.III.4.b.gg. 456  Vgl. zu den Details oben ad C.VI.4.d.

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E.  Anwendbarkeit in der Inlandsinsolvenz von EU-Auslandsgesellschaften

Sonderanknüpfung könnte bei allen Tatbeständen des Gesellschafterdarlehensrechts angewandt werden.457 Dieser Vorschlag kommt praktisch dem Vorfragen-Ansatz aus der Zeit vor dem MoMiG458 nahe, indem über das „wie“ der Haftung von Fremdkapital das Insolvenzstatut entscheidet, während das Gesellschaftsstatut diese Haftung dem Grunde nach beschränkt, also über das „ob“ zumindest mitentscheidet. Der Vorfragen-Ansatz zum Eigenkapitalersatzrecht zielte vor allem darauf ab, die Frage der Verhaftung von Fremdkapital (als Eigenkapitalersatz, Risikokapital o. ä.) dem Gesellschaftsstatut zu unterstellen.459 Auch entspräche dieser Vorschlag der dem Art.  13 EuInsVO zugedachten Funktion, dem Anfechtungsgegner den Schutz eines berechtigten Vertrauens zu gewährleisten, das sich regelmäßig eher auf das Gründungsrecht der Gesellschaft beziehen dürfte460. Ferner berücksichtigte diese Lösung die Nähe der Thematik zu originären Fragen des Gesellschaftsstatuts wie der Finanz- und Haftungsverfassung und verhinderte von vorneherein Normwidersprüche.461 Die gegen den Vorschlag Schalls erhobenen dogmatischen Bedenken sind auch auf diesen Ansatz übertragbar.462 Zudem würde bei diesem Vorschlag Art.  13 EuInsVO noch weiter über den ursprünglichen Gedanken ausgedehnt. Gegen diese Lösung sprechen dabei zusätzlich die generellen Nachteile, die mit einer kumulativen Anknüpfung einhergehen463. Im Ergebnis führt eine solche dazu, dass die Anfechtung deutlich erschwert wird, da die betreffende Rechtshandlung nach beiden Rechtsordnungen angreifbar sein muss, was auch im Prozess bewiesen werden müsste. Diese Nachteile waren maßgeblich für die in Art.  13 EuInsVO gewählte Form der eingeschränkten Kumulation und die Beweislastumkehr zulasten des Anfechtungsgegners.464 Eine derartige Sonderanknüpfung widerspricht damit den Intentionen des Verordnungsgebers und schafft Probleme, denen dieser gerade aus dem Weg gehen wollte. Dies kann nicht überzeugen. Insgesamt überzeugt es nicht, eine derart weitgehende Modifikation von europarechtlichem Kollisionsrecht vorzunehmen, nur um nationales materielles Recht „zu retten“, dessen Anwendung an sich gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. Wenn überhaupt sollte ein derartiges Vorgehen dem EuGH vorbehalten bleiben, weshalb insbesondere ein zu einer solchen Lösung neigendes Gericht unbedingt diese Frage vorlegen sollte. 457 

Entsprechend dem Vorschlag Schalls, vgl. oben ad E.III.1.b. Dazu oben ad E.II.3. 459  Zu diesem eigentlichen Gedanken hinter dem Vorfragen-Ansatz auch bereits oben ad E. III.2. 460  Dazu bereits oben ad E.III.1.b. 461  Damit befindet sich der Vorschlag durchaus auch auf einer Linie mit dem oben in Kapitel E. Fn.  201 angesprochenen Begründungsansatz U. Hubers zu Art.  13 EuInsVO. 462  Vgl. oben ad E.III.4.b.gg. 463  Vgl. dazu eingehend oben ad C.VII.1. und zu weiteren Bedenken in Anbetracht der hierdurch im Fall des Gesellschafterdarlehensrechts erzielbaren Ergebnisse oben ad E.III.4.b.gg.(2). 464  Vgl. dazu eingehend oben ad C.VI.1. mit Nachweis in Fn.  382. 458 

III.  Kollisionsrechtliche Behandlung unter der EuInsVO

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h.  Ergebnis und Folgen für die kollisionsrechtliche Behandlung Es hat sich gezeigt, dass eine Anwendung des Gesellschafterdarlehensrechts gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. Eine primärrechtskonforme Auslegung muss ausscheiden. Dieses Ergebnis stützt die herausgearbeitete gesellschaftsrechtliche Qualifikation des Gesellschafterdarlehensrechts und schließt gleichsam Erwägungen in Richtung einer Sonderanknüpfung an den Tätigkeitsort für EU-Auslandsgesellschaften ebenso wie eine Mehrfachqualifikation aus. 6. Ergebnis Das Gesellschafterdarlehensrecht trifft eine Entscheidung zur Behandlung von Gesellschafterfremdkapital als Risikokapital, die ihrer Natur nach keine Frage der Insolvenz und des Umgangs mit dieser, sondern eine genuin gesellschaftsrechtliche Frage ist. Es ist deshalb aufgrund dieser aus kollisionsrechtlicher Perspektive gesellschaftsrechtlichen Natur abweichend von Art.  4 II lit.  g, i, m EuInsVO gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren. Dieses Ergebnis wird gestützt durch den herausgearbeiteten Verstoß (einer hypothetischen Anwendung) des Gesellschafterdarlehensrechts auf EU-Auslandsgesellschaften gegen die Niederlassungsfreiheit. Damit kommt das deutsche Gesellschafterdarlehensrecht nur bei nach deutschem Recht gegründeten Gesellschaften zur Anwendung, auch in der Auslandsinsolvenz. In der Inlandsinsolvenz einer EU-Auslandsgesellschaft ist das deutsche Gesellschafterdarlehensrecht dagegen nicht anwendbar. Stattdessen ist im Heimatrecht der jeweiligen Gesellschaft nach Lösungen zu suchen.

F.  Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts in den übrigen Konstellationen I.  In der Inlandsinsolvenz von Gesellschaften aus Drittstaaten und Dänemark Für das autonome Internationale Insolvenzrecht, dessen Kollisionsrecht in der Inlands­ insolvenz von Auslandsgesellschaften aus Dänemark und aus Drittstaaten maßgeblich ist,1 stellt sich hinsichtlich des Gesellschafterdarlehensrechts die Frage, ob die unter der EuInsVO (und unter Berücksichtigung der Niederlassungsfreiheit) herausgearbeitete gesellschaftsrechtliche Qualifikation2 ebenfalls vorzugswürdig ist. 1.  Sedes materiae Das autonome Internationale Insolvenzrecht enthält mit §  335 InsO wie die EuInsVO in Art.  4 eine kollisionsrechtliche Generalklausel, die auf das Recht am Ort der Verfahrenseröffnung, die lex fori concursus, verweist.3 Im Gegensatz zur EuInsVO verzichtet das nationale Recht aber auf einen ihm regelungstechnisch fremden Katalog von Rechtsmaterien, die dem Insolvenzstatut unterfallen sollen. Mittelbar ist der Katalog der EuInsVO aber dennoch relevant, da die Gesetzesbegründung für die Reichweite des Insolvenzstatuts i. S. v. §  335 InsO auf die EuInsVO verweist4. Damit unterfallen wie bei der EuInsVO auch im autonomen Internationalen Insolvenzrecht 1 Vgl. zum Anwendungsbereich des autonomen internationalen Insolvenzrechts eingehend etwa Reinhart, in MüKo InsO, Vorbemerkungen vor §§  335 ff. Rn.  84 ff. m. w. N. Vgl. ferner zum Anwendungsbereich der vorrangigen EuInsVO oben ad C.III. Oben ad C.III.2.g.bb. wurde dafür plädiert, die Kollisionsregeln des autonomen Rechts zur Anwendung zu bringen, soweit es um das Verhältnis zu einem Drittstaat geht, auch wenn der COMI des Schuldners in einem Mitgliedstaat belegen ist. In aller Regel dürfte sich die Frage der Gesellschafterfremdfinanzierung bei Auslandsgesellschaften aus Drittstaaten und Dänemark in der Inlandsinsolvenz als ein solcher Sachverhalt mit (bloßem) Drittstaatenbezug darstellen. Aber auch wenn man abweichend davon für die Anwendung von Art.  4 EuInsVO auch ohne qualifizierten Mitgliedstaatenbezug plädiert und im Verhältnis zu Drittstaaten die Ausnahmen des nationalen Kollisionsrechts anwendet (Nachweise oben Kapitel C. Fn.  262), kommt man zu denselben Ergebnissen, da insoweit ähnliche Überlegungen anzustellen sind. 2  Vgl. oben ad E.III. 3  Eingehend hierzu etwa Reinhart, in MüKo InsO, §  335. 4 Begründung RegE eines Gesetzes zur Neuregelung des internationalen Insolvenzrechts, BT Drs. 15/16, S.  18: Katalog der EuInsVO als „Interpretationshilfe“.

I.  In der Inlandsinsolvenz von Gesellschaften aus Drittstaaten und Dänemark

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Regelungen des insolvenzrechtlichen Ranges und der Insolvenzanfechtung grundsätzlich dem Insolvenzstatut in Gestalt der lex fori concursus. Wie Art.  13 EuInsVO sieht auch §  339 InsO für die Insolvenzanfechtung die zusätzliche, eingeschränkt kumulative Berücksichtigung des Wirkungsstatuts vor.5 Dabei ist es, wie zu Art.  13 EuInsVO eingehend begründet, vorzugswürdig zur Bestimmung des Wirkungsstatuts die spezifische anfechtbare Rechtshandlung zu betrachten und danach zu differenzieren, ob es sich um ein schuldrechtliches oder ein dingliches Geschäft handelt (oben als sog. Differenzierungslehre bezeichnet).6 Für die i.R.v. §  135 InsO anfechtbare Befriedigung oder Besicherung von Gesellschafterdarlehen oder wirtschaftlich vergleichbaren Forderungen wäre demnach grundsätzlich das jeweils hierfür maßgebliche Recht Wirkungsstatut. 2.  Relevante Konstellationen Die Problematik um die Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts in der Inlandsinsolvenz von Auslandsgesellschaften aus Drittstaaten stellt sich unter autonomem Internationalem Insolvenzrecht allerdings nur in einigen spezifischen Konstellationen, die zunächst herauszuarbeiten sind. a.  Hauptinsolvenzverfahren über das Vermögen von Gesellschaften aus Drittstaaten Auslandsgesellschaften aus Drittstaaten werden grundsätzlich wegen der ihnen gegenüber fortgeltenden Sitztheorie bei einer Verlegung ihres Verwaltungssitzes in die Bundesrepublik nicht als solche anerkannt, sondern als deutsche Personengesellschaften behandelt,7 über deren Vermögen dann ggf. ein Hauptinsolvenzverfahren in Deutschland eröffnet werden kann. Da sowohl der COMI als auch der für die Eröffnungszuständigkeit im autonomen Internationalen Insolvenzrecht vorrangig maßgebliche Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners (§  3 I 2 InsO)8 regelmäßig mit dem Verwaltungssitz zusammenfallen,9 kommt es in Deutschland grundsätzlich zu keiner Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens über das Vermögen von Auslandsgesellschaften aus Drittstaaten. 5 Vgl. hierzu Reinhart, in MüKo InsO, §  339. Vgl. zu Art.  13 EuInsVO eingehend bereits oben ad C.VI., insbesondere zum Mechanismus der eingeschränkten Kumulation ad C.VI.4. 6  Eingehend zu dieser Problematik unter Art.  13 EuInsVO m. w. N. auch hinsichtlich §  339 InsO oben ad C.VI.3.c. 7  Vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2008 – II ZR 158/06 („Trabrennbahn“), BGHZ 178 , 192 (Rn.  20 ff.); vgl. auch m. w. N. oben ad D.I.4. 8  Vgl. zur Problematik des Anwendungsbereichs der EuInsVO, insbesondere der Eröffnungs­ zuständigkeit nach Art.  3 EuInsVO ausführlich oben ad C.III.2.g.aa. (vorzugswürdig: generelle Bestimmung der internationalen Eröffnungszuständigkeit nach der EuInsVO bei COMI in einem Mitgliedstaat). 9  Für den COMI vgl. oben ad C.IV. Für den Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit i. S. v. §  3 I 2 InsO vgl. etwa Andres, in Andres/Leithaus InsO, §  3 Rn.  6; Ganter/Lohmann, in MüKo InsO, §  3 Rn.  10a.

268 F.  Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts in den übrigen Konstellationen Eine Ausnahme hiervon bilden Gesellschaften aus den Vereinigten Staaten, die nach Art. XXV Abs.  5 S.  2 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handelsund Schiffahrtsvertrags10 anzuerkennen sind und damit ihren Verwaltungssitz in die Bundesrepublik Deutschland verlegen können11. Über das Vermögen einer derart in der Bundesrepublik residierenden, insolvenzreifen US-amerikanischen Gesellschaft wäre demnach auch in der Bundesrepublik ein Hauptinsolvenzverfahren zu eröffnen. Über das anwendbare Recht hinsichtlich der Gesellschafterfremdfinanzierung entscheidet dann das autonome nationale Kollisionsrecht.12 Dasselbe gilt für Gesellschaften aus den EFTA-Staaten auf Grund Art.  31 des EWR-Abkommens13, für die ebenfalls die Gründungstheorie gilt.14 b.  Hauptinsolvenzverfahren über das Vermögen von Gesellschaften aus Dänemark als Drittstaat i.R.d. EuInsVO Da Dänemark gegenüber Art.  65 des Amsterdamer Vertrages Vorbehalte erklärt und sich an der Annahme und Anwendung der EuInsVO nicht beteiligt hat, ist Dänemark als Drittstaat zu behandeln.15 Da dänische Gesellschaften ungeachtet dessen nach Art.  49 I i. V. m. Art.  54 I AEUV volle Niederlassungsfreiheit genießen, können diese nach der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften16 ihren Verwaltungssitz problemlos in die Bundesrepublik verlegen. Im Falle der Insolvenz einer solchen, hierzulande residierenden Gesellschaft würde das Hauptinsolvenzverfahren in der Bundesrepublik eröffnet werden.17 In der Frage der Gesellschafterfremdfinanzierung käme autonomes deutsches Kollisionsrecht zur Anwendung.18

10  Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954 (BGBl. II 1956, 487). 11  Nach h. M. gilt hier die Anknüpfung an den Gründungsort, vgl. BGH, Urteil vom 29.1.2003 – VIII ZR 155/02, BGHZ 153, 353 (355 ff., juris Rn.  10 ff.) m.v.w.N. zum Streit um die Bedeutung dieses Vertrages für das Gesellschaftskollisionsrecht. Teilweise wird erwogen, ob man für die Anerkennung zugezogener US-amerikanischer Gesellschaften einen sog. genuine link (vgl. dazu bereits oben ad D.I.5.b.) verlangt, vgl. Lang/Orttmann, in Beck-OK GmbHG, int. GesR, Rn.  92 ff. m. w. N. Ablehnend etwa Reber/Köger, in Schwerdtfeger GesR, Kapitel 4 Rn.  30. 12  Oben Kapitel F. Fn.  1. 13  Oben Kapitel C. Fn.  222. 14  Vgl. bereits oben Kapitel C. Fn.  223. 15  Dazu bereits oben mit entsprechenden Nachweisen ad C.III.2. 16  Dazu eingehend oben ad D.I. 17  Ob man insoweit Art.  3 I EuInsVO heranzieht (was den Anwendungsvorbehalt Dänemarks hinsichtlich der EuInsVO nicht „unterwandert“, dazu bereits oben ad C.III.2.g.) oder auf §  3 I 2 InsO abstellt, spielt auch hier keine entscheidende Rolle; vgl. zur Parallelität dieser Kriterien mit dem Verwaltungssitz in beiden Fällen oben Kapitel F. Fn.  8. 18  Oben Kapitel F. Fn.  1.

I.  In der Inlandsinsolvenz von Gesellschaften aus Drittstaaten und Dänemark

269

c.  Partielle territoriale Verfahren über das Inlandsvermögen von Auslandsgesellschaften Neben diesen denkbaren Hauptinsolvenzverfahren können ggf. in der Bundesrepublik partielle territoriale Insolvenzverfahren (Partikular- und Sekundärinsolvenzverfahren) über das inländische Vermögen von Auslandsgesellschaften nach autonomem nationalem Recht (§§  354 ff. InsO) eröffnet werden, soweit sich deren COMI nicht in einem anderen Mitgliedstaat der Verordnung befindet19. Dies gilt sowohl für Gesellschaften aus den Vereinigten Staaten und Dänemark als auch für Gesellschaften aus sämtlichen anderen Drittstaaten. Nach autonomem Internationalem Insolvenzrecht bedarf es hierfür einer inländischen Niederlassung (§  354 I Var. 1 InsO) oder unter den Voraussetzungen des §  354 II InsO bloßen Vermögens im Inland (§  354 I Var. 2 InsO). In einem solchen partiellen territorialen Verfahren ist (auch) im autonomen Internationalen Insolvenzrecht deutsches Recht als lex fori concursus Insolvenzstatut.20 Demnach wäre ein etwaiger Nachrang hier grundsätzlich zu berücksichtigen. Eine Insolvenzanfechtung im partiellen territorialen Insolvenzverfahren setzt voraus, dass der Insolvenzanfechtungsanspruch dem partiellen territorialen Verfahren zuzuordnen ist. Hierfür sollte, wie von Fehrenbach eingehend begründet, der Anfechtungsanspruch im Fall der Minderung der Aktivmasse demjenigen Insolvenzverfahren zugeordnet werden, zu dessen Masse der Gegenstand ohne die anfechtbare Rechtshandlung gehören würde.21 3.  Übertragbarkeit der Ergebnisse zur EuInsVO Bei der Frage nach der Übertragbarkeit der zur kollisionsrechtlichen Behandlung unter der EuInsVO gefundenen Ergebnisse (gesellschaftsrechtliche Qualifikation) sollte zwischen den oben beschriebenen Konstellationen im Ausgangspunkt unterschieden werden. a.  In den möglichen Hauptinsolvenzverfahren aa.  Über das Vermögen einer dänischen Gesellschaft Unter autonomem Internationalen Insolvenzrecht kann für eine Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts im inländischen Hauptinsolvenzverfahren über das Vermögen einer dänischen Gesellschaft auf den eindeutig geäußerten Willen des 19  Dann wiederum griffen ohnehin die Regelungen der EuInsVO, vgl. zum räumlichen Anwendungsbereich oben ad C.III.2. Zudem wird eine Auslandsgesellschaft aus einem Drittstaat mit COMI in einem anderen Mitgliedstaat in Deutschland ohnehin nicht als Auslandsgesellschaft des Drittstaates anerkannt, vgl. oben Kapitel C. Fn.  217. 20  Reinhart, in MüKo InsO, §  354 Rn.  45. 21  Vgl. zur Problematik (vor allem unter der EuInsVO) eingehend Fehrenbach, NZI 2015, 157 (159 ff.), der es gerade ablehnt, nach den „Regeln zur Aufteilung der Aktivmasse“ vorzugehen, da es sich beim Insolvenzanfechtungsanspruch um keinen Vermögensgegenstand des Schuldners handle. Ferner eingehend m. w. N. bereits oben Kapitel E. Fn.  274.

270 F.  Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts in den übrigen Konstellationen Gesetzgebers verwiesen werden, ein insolvenzrechtliches, auf Auslandsgesellschaften anwendbares Rechtsinstitut zu schaffen 22. Im Gegensatz zur Qualifikationsfrage unter der EuInsVO23 ist dieser Wille hier auch grundsätzlich maßgebend. Allerdings genießen auch dänische Auslandsgesellschaften die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit. Da mit einer Anwendung des Gesellschafterdarlehensrechts in der Inlandsinsolvenz von Auslandsgesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten mit Verwaltungssitz in der Bundesrepublik gegen diese verstoßen würde,24 sind die Normen im Ergebnis nicht anwendbar. Dies gilt, selbst wenn man das Gesellschafterdarlehensrecht unter dem autonomen nationalen Recht insolvenzrechtlich qualifizierte. Vorzugswürdig ist freilich auch hier eine (europarechtskonforme) gesellschaftsrechtliche Qualifikation.25 bb.  Über das Vermögen einer Gesellschaft aus einem EFTA-Staat Da die Reichweite der Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften aus den EFTA-­ Staaten nicht hinter derjenigen von Gesellschaften aus den EU Mitgliedstaaten zurückbleibt,26 sind die Ergebnisse insoweit zu übertragen. cc.  Über das Vermögen einer US-amerikanischen Gesellschaft Auch im inländischen Hauptinsolvenzverfahren über das Vermögen einer US-amerikanischen Auslandsgesellschaft spricht für eine Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts unter autonomem Internationalen Insolvenzrecht der soeben erwähnte, für die nationalen autonomen Kollisionsnormen grundsätzlich entscheidende Wille des Gesetzgebers. Allerdings gewährt auch der deutsch-amerikanische Freundschaftsvertrag, der über die völkerrechtsfreundliche Gesetzesauslegung zu berücksichtigen ist, ausdrücklich Niederlassungsfreiheit für US-amerikanische Gesellschaften, vgl. dessen Art. VII. Die entscheidende Frage ist an dieser Stelle, ob die dort gewährte Niederlassungsfreiheit, ähnlich weitgehend wie die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit, jegliche ungerechtfertigte Eingriffe in das Gesellschaftsstatut in Gestalt des Heimatrechts der Gesellschaft verbietet. Dagegen könnte sprechen, dass in Art. VII des Freundschaftsvertrags nur die Rede von Inländer(gleich)behandlung ist. Allerdings verlangt der Freundschaftsvertrag auch unbedingte Meistbegünstigung (vgl. Präambel, Art. VII Abs.  4), was für eine Anerkennung US-amerikanischer Gesellschaften im selben Umfang wie bei EU-Auslandsgesellschaften spricht.27 Für ein entsprechend weites Verständnis kann weiter22 

Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  26, 57. zur untergeordneten Bedeutung des nationalen Gesetzgeberwillens i.R.d. Auslegung der EuInsVO oben ad E.III.2. 24  Vgl. eingehend oben ad E.III.5. 25  Vgl. zu den Argumenten unten ad F.I.3.b.bb. 26  Mayer, in MüKo GmbHG, §  4a Rn.  19 m. w. N. 27  Vgl. zu Meistbegünstigungsklauseln allgemein Bergmann, in Bergmann, Handlexikon der EU, Meistbegünstigungsklauseln. 23  Vgl.

I.  In der Inlandsinsolvenz von Gesellschaften aus Drittstaaten und Dänemark

271

hin auf den ähnlichen Wortlaut von Art. XXV Abs.  5 S.  2 des Freundschaftsvertrags und Art.  54 I AEUV verwiesen werden. Art. XXV Abs.  5 S.  2 des Freundschaftsvertrages spricht von einer Anerkennung des rechtlichen Status‘. Zudem verwendet der BGH in der Begründung der Anerkennung der Rechtsfähigkeit zugezogener US-amerikanischer Gesellschaften eine der sog. Geschöpftheorie des EuGH 28 durchaus ähnliche Formulierung: Es würden „die Gesellschaften, (…), als Rechtssubjekte in dem Gebiet des anderen Vertragsteils anerkannt“.29 All dies, insbesondere aber die Meistbegünstigungsklausel, spricht dafür, angesichts der völkervertraglich vereinbarten Niederlassungsfreiheit, auf eine Anwendung des deutschen Gesellschafterdarlehensrechts im inländischen Hauptinsolvenz­ verfahren über das Vermögen einer US-amerikanischen Gesellschaft zu verzichten,30 indem man dieses gesellschaftsrechtlich qualifiziert31. b.  In partiellen territorialen Insolvenzverfahren aa.  Über das Inlandsvermögen von Gesellschaften aus den Vereinigten Staaten, Dänemark und den EFTA-Staaten Die soeben begründete Unanwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts in den Hauptinsolvenzverfahren über das Vermögen von Gesellschaften aus den Vereinigten Staaten, Dänemark und den EFTA-Staaten ist auch auf den Fall partieller territorialer Insolvenzverfahren über das Inlandsvermögen solcher Gesellschaften zu übertragen. Zwar ist hier nicht in jedem Fall zwingend die Niederlassungsfreiheit berührt (Fall der Eröffnung nach §  354 I Var. 2, II InsO), jedoch sollte auf eine Anwendung insgesamt verzichtet werden, da prinzipiell andere Grundfreiheiten bzw. Freiheiten aus dem Freundschaftsvertrag betroffen sein können und ein gespaltenes Kollisionsrecht auf diese Weise in zweifacher Hinsicht32 verhindert werden kann. bb.  Über das Inlandsvermögen sonstiger Gesellschaften aus Drittstaaten Im Fall der partiellen territorialen Insolvenzverfahren über das Inlandsvermögen von Auslandsgesellschaften aus Drittstaaten, die keinerlei Niederlassungsfreiheit genießen, stehen keine zwingenden Gründe gegen eine insolvenzrechtliche Qualifi28 

Vgl. dazu oben ad D.I.1., 2. und 5. BGH, Urteil vom 29.1.2003 – VIII ZR 155/02, BGHZ 153, 353 (356 f., juris Rn.  11). 30  Soweit man entgegen der hier vertretenen Ansicht (vgl. bereits oben Kapitel F. Fn.  1) Art.  4 EuInsVO auch bei Sachverhalten mit ausschließlichem Drittstaatenbezug anwenden will, sind ähnliche Überlegungen anzustellen. Die Verpflichtungen aus dem deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrag sind gem. Art.  44 III lit.  a EuInsVO auch bei einer Qualifikation i.R.v. Art.  4 EuInsVO zu beachten. Zudem gelte hier wieder der Grundsatz der autonomen Auslegung, was eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation hiernach sogar noch näher legt. 31  Vgl. zu den Argumenten unten ad F.I.3.b.bb. 32 Gleichbehandlung aller partiellen territorialen Verfahren über das Vermögen von Auslandsgesellschaften aus Drittstaaten und Dänemark (mit und ohne Inlandsniederlassung) und Gleichbehandlung von partiellen territorialen Verfahren und Hauptinsolvenzverfahren. 29 

272 F.  Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts in den übrigen Konstellationen kation und Anwendung des Gesellschafterdarlehensrechts aufgrund der eindeutigen Äußerungen des Gesetzgebers33. Allerdings hat das Gesellschafterdarlehensrecht aus kollisionsrechtlicher Perspektive eine gesellschaftsrechtliche Natur, die hierbei außer Acht gelassen werden müsste. Eine Anwendung des Gesellschafterdarlehensrechts in den Fällen der partiellen territorialen Verfahren über das Vermögen von Gesellschaften aus den übrigen Drittstaaten führte zudem zu einem gespaltenen Kollisionsrecht. Da der Gesetzgeber zur Auslegung des nationalen autonomen Kollisionsrechts auf die Auslegung der parallelen Normen der EuInsVO verwiesen hat34, ist m. E. ein Spielraum eröffnet, das Gesellschafterdarlehensrecht auch in diesen Konstellationen nicht anzuwenden, indem man es gesellschaftsrechtlich qualifiziert und keine Sonderanknüpfung vornimmt. 4. Ergebnis Auch für dänische und US-amerikanische Auslandsgesellschaften, sowie für solche aus einem EFTA-Staat, muss eine Anwendung des Gesellschafterdarlehensrechts in der Inlandsinsolvenz (sowohl im Haupt- wie auch im partiellen territorialen Insolvenzverfahren bei Bestehen einer Inlandsniederlassung) ausscheiden. In partiellen territorialen Insolvenzverfahren über das Inlandsvermögen von Auslandsgesellschaften aus sonstigen Drittstaaten könnte das Gesellschafterdarlehensrecht, dem Willen des Gesetzgebers folgend, insolvenzrechtlich qualifiziert und angewandt werden, auch wenn dies dogmatisch nicht überzeugt. Über den Auslegungsgleichlauf mit der EuInsVO kann allerdings auch in diesen Fällen eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation35 und die Nichtanwendung begründet werden.

II.  Außerhalb der Insolvenz, in der Zwangsvollstreckung gegen Auslandsgesellschaften Im Mittelpunkt der bisherigen Ausführungen zur kollisionsrechtlichen Behandlung des Gesellschafterdarlehensrechts standen die in der eröffneten Insolvenz greifenden Tatbestände der InsO. Die Tatbestände der Einzelgläubigeranfechtung (§§  6, 6a AnfG), die greifen, solange kein Insolvenzverfahren eröffnet wird, wurden aber auf Grund der vorzugswürdigen Betrachtung des gesamten Rechtsinstituts bei der Er33 

Oben Kapitel F. Fn.  22. RegE eines Gesetzes zur Neuregelung des internationalen Insolvenzrechts, BT Drs. 15/16, S.  18 f. 35  Ein weiterer möglicher Weg, das Gesellschaftsstatut zu berücksichtigen, ist eine Sonderanknüpfung des Wirkungsstatuts an das Gesellschaftsstatut. Diese Lösung wurde oben ad E. III.4.b.gg. und ad E.III.5.g.bb. für Art.  13 EuInsVO allerdings abgelehnt, sollte aber folgerichtig auch auf §  339 InsO übertragen werden, wenn man dem hinsichtlich der EuInsVO folgte. 34 Begründung

II.  Außerhalb der Insolvenz, in der Zwangsvollstreckung gegen Auslandsgesellschaften

273

mittlung der kollisionsrechtlichen Natur mitberücksichtigt.36 Damit steht bereits fest, dass die Tatbestände der Einzelgläubigeranfechtung die aus kollisionsrechtlicher Perspektive gesellschaftsrechtliche Natur des gesamten Rechtsinstituts teilen, was die Frage nach ihrer praktischen kollisionsrechtlichen Behandlung aufwirft. 1.  §  19 AnfG: Maßgeblichkeit des Wirkungsstatuts „Bei Sachverhalten mit Auslandsberührung ist“ nach §  19 AnfG „für die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung das Recht maßgeblich, dem die Wirkungen der Rechtshandlungen unterliegen“. Damit verweist diese Norm ähnlich wie Art.  13 EuInsVO und §  339 InsO trotz des geringfügig abweichenden Wortlauts auf das sog. Wirkungsstatut.37 Anders als im Rahmen der Insolvenzanfechtung ist dieses Statut allerdings bei der Einzelgläubigeranfechtung alleine entscheidend und wird nicht (nur) eingeschränkt kumulativ zu einem anderen Statut herangezogen. Wie für Art.  13 EuInsVO ausführlich hergeleitet,38 ist es auch bei §  19 AnfG vorzugswürdig bei der Bestimmung des Wirkungsstatuts auf die konkrete, anfechtbare Rechtshandlung zu blicken und für ein Erfüllungsgeschäft das Recht anzuwenden, das für dessen Wirksamkeit maßgeblich ist (hier als „Differenzierungslehre“ bezeichnet).39 Für dingliche Rechtshandlungen ist also das jeweilige Sachstatut maßgeblich. Folgt man auch für §§  6, 6a AnfG der Maßgeblichkeit des so verstandenen Wirkungsstatuts, so wäre grundsätzlich das Recht anwendbar, das für die jeweilige Befriedigung oder Besicherung an sich maßgeblich ist. 2.  Ausnahme für §§  6, 6a AnfG Auch für die Tatbestände des Gesellschafterdarlehensrechts im AnfG erweist sich allerdings eine abweichende kollisionsrechtliche Behandlung als vorzugswürdig.40 Wie bereits bei den insolvenzrechtlichen Tatbeständen spricht hierfür entscheidend für alle EU-Auslandsgesellschaften (hier und im Folgenden inklusive Dänemark) mit Verwaltungssitz oder sonstiger Niederlassung in Deutschland und auch für solche aus den Vereinigten Staaten mit Niederlassung in Deutschland der herausgearbeitete Verstoß einer Anwendung des Gesellschafterdarlehensrechts gegen die Niederlassungsfreiheit.41 Dieser Verstoß führt für EU-Auslandsgesellschaften 36  Hierzu eingehend oben ad E.I.3. (zur Vorgehensweise) und ad E.III.3. (zur kollisionsrechtlichen Natur). 37  M. Huber, AnfG, §  19 Rn.  1; Lutz/Haertlein, in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, R der ZV, §  19 AnfG Rn.  1. Zum Begriff „Wirkungsstatut“ oben ad C.VI.3.c.dd.(6). Vgl. zur Historie dieser Norm bereits oben ad C.I.3. 38  Vgl. zur Problematik bei Art.  13 EuInsVO eingehend oben ad C.VI.3.c. 39  So auch BGH, Urteil vom 8.12.2011 – IX ZR 33/11, NJW 2012, 1217 (Leitsatz 1, Rn.  13); M. Huber, AnfG, §  19 Rn.  7; Kirchhof, in MüKo AnfG, §  19 Rn.  10; Lutz/Haertlein, in Kindl/ Meller-Hannich/Wolf, R der ZV, §  19 AnfG Rn.  4. 40 A.A.: Kirchhof, in MüKo AnfG, §  19 Rn.  13. 41  Insoweit ist die Argumentation oben ad E.III.5., die vornehmlich die insolvenzrechtlichen

274 F.  Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts in den übrigen Konstellationen unmittelbar nur zu einer Unanwendbarkeit der Normen im jeweils konkreten Fall (sog. Anwendungsvorrang). Allerdings ist angesichts der Wertungen der Niederlassungsfreiheit und der aus kollisionsrechtlicher Perspektive herausgearbeiteten gesellschaftsrechtlichen Natur des Gesellschafterdarlehensrechts auch hier eine europarechtskonforme gesellschaftsrechtliche Qualifikation vorzugswürdig.42 In der Zwangsvollstreckung gegen EU-Auslandsgesellschaften ohne Niederlassung im Inland und gegen Auslandsgesellschaften aus sonstigen Drittstaaten könnten §§  6, 6a AnfG demgegenüber grundsätzlich (soweit kein Verstoß gegen die übrigen EU-Grundfreiheiten oder völkervertragliche Regelungen vorliegt) angewandt werden, wenn deutsches Recht Wirkungsstatut der anfechtbaren Rechtshandlung ist. Die Gesetzesbegründung enthält keine ausdrückliche Stellungnahme zur Anwendbarkeit der o.g. Regelungen des AnfG auf Auslandsgesellschaften.43 Dennoch ist wohl davon auszugehen, dass sich die vom Gesetzgeber intendierte Anwendbarkeit der insolvenzrechtlichen Regelungen „auf entsprechende Auslandsgesellschaften“ auch auf die Regelungen des AnfG bezieht, selbst wenn sich die Ausführungen an den betreffenden Stellen auf die Insolvenzabwicklung nach deutschem Recht beziehen, bzw. zur Begründung von einem „insolvenzrechtlichen Anwendungsbereich“ die Rede ist.44 Hierfür spricht auch der ausdrückliche Verweis auf §  39 I Nr.  5 InsO in §  6 AnfG und auf §  39 IV, V InsO in §  6a AnfG, sowie die den genannten Normen des AnfG zugedachte Funktion, die im Fall einer ausbleibenden Insolvenzeröffnung entstehende Regelungslücke zu schließen45. Allerdings teilen auch die Normen im AnfG, wie bereits erwähnt, die gesellschaftsrechtliche Natur des gesamten Rechtsinstituts, was für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation und die Anknüpfung der Regelungen entsprechend der gesellschaftsrechtlichen Regelanknüpfung46 spricht. Daneben käme es angesichts des möglichen „Übergangs“ von Gläubigeranfechtungsansprüchen zu Insolvenzanfechtungsansprüchen47 zu gewissen Widersprüchen (namentlich einem Statutenwechsel zum Gesellschaftsstatut), wenn man die Tatbestände der GläubigeranfechNormen im Blick hat, auf diejenigen des AnfG übertragbar. Letztlich greifen diese sogar noch stärker ein, da es auf eine Insolvenzeröffnung nicht ankommt. 42  Zum selben Ergebnis kommt man insoweit auch, wenn man das Gesellschafterdarlehensrecht unter der EuInsVO nicht gesellschaftsrechtlich qualifiziert, sondern das Gesellschaftsstatut über eine (europarechtskonforme) Sonderanknüpfung als Wirkungsstatut i. S. v. Art.  13 EuInsVO heranzieht. Dieses Vorgehen wurde i. E. allerdings oben ad E.III.4.b.gg. und ad E.III.5.g.bb. für Art.  13 EuInsVO gerade abgelehnt. 43  Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140 zu den Regelungen des AnfG und die allgemeinen Ausführungen, S.  25 ff. und S.  58. 44  Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, S.  26, 57. 45  Vgl. Begründung RegE MoMiG, BT-Drs. 16/6140, insb. S.  26 und mittelbar S.  58 (zur Lückenschließung durch §  6a AnfG). 46  Heimatrecht bei EU-Auslandsgesellschaften und solchen aus den Vereinigten Staaten; das Recht am Verwaltungssitz im Fall von Auslandsgesellschaften aus sonstigen Drittstaaten. 47 Vgl. zum streitigen Verhältnis von Gläubiger- und Insolvenzanfechtung m. w. N. bereits oben ad C.VII.4.c.

III.  Exkurs: Qualifikation von §  135 III InsO

275

tung dem Wirkungsstatut unterwürfe und demgegenüber §  135 I, II InsO, wie oben in allen Konstellationen befürwortet,48 gesellschaftsrechtlich qualifizierte. Diese Widersprüche sind auch weitergehend als der naturgemäß beim Übergang zur Insolvenzanfechtung eintretende Statutenwechsel,49 da das Wirkungsstatut grundsätzlich bei der Insolvenzanfechtung über den Mechanismus der eingeschränkten Kumulation als Einrede weiter beachtet wird. Zudem vermeidet man durch eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation der §§  6, 6a AnfG in allen Konstellationen abermals ein gespaltenes Kollisionsrecht. Insgesamt ist es daher vorzugswürdig, diese Tatbestände, entsprechend der aus kollisionsrechtlicher Perspektive herausgearbeiteten, gesellschaftsrechtlichen Natur des Gesellschafterdarlehensrechts, abweichend von §  19 AnfG gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren. Damit scheidet eine Anwendbarkeit von §§  6, 6a AnfG auf Auslandsgesellschaften aus.50

III.  Exkurs: Qualifikation von §  135 III InsO Verbreitet wird für §  135 III InsO51 von einer insolvenzrechtlichen Qualifikation ausgegangen.52 Die insolvenzrechtlichen Bezüge von §  135 III InsO sind tatsächlich größer als bei den bisher betrachteten Normen des Gesellschafterdarlehensrechts, so dass man auch bei gesellschaftsrechtlicher Qualifikation derer über eine abweichende, insolvenzrechtliche Qualifikation von §  135 III InsO nachdenken kann. Für eine insolvenzrechtliche Qualifikation wird teilweise auf Art.  4 II lit.  e EuInsVO verwiesen.53 §  135 III InsO setzt seinem Wortlaut nach allerdings gerade ein Aussonderungsrecht des Gesellschafters voraus, wofür das Vertragsverhältnis nicht fortbestehen darf. Ob §  135 III InsO bei fortlaufenden Verträgen überhaupt greift, ist hingegen gerade umstritten.54 Art.  4 II lit.  e EuInsVO deutet aber jedenfalls auf 48 

Oben ad F.I.3. Vgl. auch hierzu bereits oben ad C.VII.4.c. 50  Zu diesem Ergebnis gelangt man auch, wenn man nicht gesellschaftsrechtlich qualifiziert, sondern das Gesellschaftsstatut über eine Sonderanknüpfung als Wirkungsstatut heranzieht. Dieses Vorgehen wurde i. E. allerdings oben ad E.III.4.b.gg. und ad E.III.5.g.bb. für Art.  13 EuInsVO gerade abgelehnt. 51 Dieser wird in der vorliegenden Arbeit nur exkursorisch betrachtet (vgl. oben ad A.II.). Zum materiellen Regelungsgehalt der Norm oben ad B.II.7. und zu den Zusammenhängen zu den übrigen Regelungen des Gesellschafterdarlehensrechts oben ad B.IV. 52  Hörndler/Hoisl, NZM 2009, 377 (378 f.); Schall, NJW 2011, 3745 (3747); Wedemann, IPRax 2012, 226 (234). 53  Neußner, in Graf-Schlicker InsO, §  135 Rn.  6; Schall, NJW 2011, 3745 (3747). Zurückhaltender: Wedemann, IPRax 2012, 226 (234): „enger Konnex zum Regelbeispiel“. 54  Für ein entsprechendes Wahlrecht des Insolvenzverwalters zwischen §  135 III InsO und §  103 ff. InsO etwa Nerlich, in Nerlich/Römermann InsO, §  135 Rn.  58 m. w. N.; dagegen etwa J.-S. Schröder, in HaKo InsO, §  135 Rn.  56 m. w. N. Auch der BGH sieht für §  135 III InsO nur Raum, wenn das vertragliche Verhältnis beendet ist und ein Aussonderungsanspruch dem Grunde nach besteht, vgl. BGH, Urteil vom 29.1.2015 – IX ZR 279/13, NJW 2015, 1109 (Rn.  52, 57). 49 

276 F.  Anwendbarkeit des Gesellschafterdarlehensrechts in den übrigen Konstellationen die Nähe der Thematik zu insolvenzrechtlichen Fragen hin. Für eine insolvenzrechtliche Natur sprechen daneben vor allem die Rechtsfolgen der Norm in Form einer zeitlich befristeten Aussonderungssperre, für die im Gegenzug ein Ausgleich fällig wird, der sich am tatsächlich gezahlten Entgelt der letzten zwölf Monate vor Antragsstellung55 orientiert. §  135 III InsO greift außerdem nicht in jedem Fall einer Gesellschafter-Nutzungsüberlassung, sondern setzt ähnlich der allgemeinen Regelung im Insolvenzeröffnungsverfahren (§  21 II 1 Nr.  5 InsO) voraus, dass der Gegenstand von erheblicher Bedeutung für die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens ist. Dies unterstreicht, dass es hier vom Normzweck her neben dem Gläubigerschutz im Zusammenhang mit der Haftungsbeschränkung auch um die Ermöglichung einer Sanierung des schuldnerischen Unternehmens geht. Damit bestehen erhebliche Unterschiede zur vorhergehenden Rechtsprechung zur sog. eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung, die weder die Ausgleichspflicht noch die Beschränkung auf fortführungsrelevante Gegenstände kannte.56 Zur Begründung der Norm wurde neben der Treuepflicht des Gesellschafters auf die Zwecksetzung des Insolvenzverfahrens verwiesen. Im Fall einer insolvenzrechtlichen Qualifikation wäre Art.  5 EuInsVO zu berücksichtigen.57 Allerdings ist der persönliche Anwendungsbereich von §  135 III InsO gleichlaufend mit demjenigen der (übrigen) Regelungen des Gesellschafterdarlehensrechts, was zumindest für einen teilweisen Gleichlauf in den entscheidenden Wertungsgesichtspunkten spricht.58 Handelte es sich tatsächlich um eine insolvenzrechtlich motivierte Regelung, bei der gesellschaftsrechtliche Wertungen keine entscheidende Rolle spielen, so ist nicht ersichtlich, warum §  135 III InsO im Anwendungsbereich an die übrigen Regelungen, mithin also auch an die Haftungsbeschränkung anknüpft. Seiner Funktion nach soll §  135 III InsO die Regelungen zu den Gesellschafterdarlehen flankieren und einen gewissen, der konkreten Ausgestaltung als bloße Nutzungsüberlassung entsprechenden Umgehungsschutz bieten.59 Dieser Umgehungsschutz geht zwar in der Risikozuweisung nicht so weit wie die Regelungen zu Darlehen aus Gesellschafterhand, ist jedoch letztlich maßgeblich auf den Legitimationsansatz des gesamten Rechtsinstituts zurückzuführen. Damit sprechen trotz der vorhandenen Bezüge zu insolvenzrechtlichen Wertungen die besseren Gründe dafür, dass §  135 III InsO die aus kollisionsrechtlicher Perspektive gesellschaftsrechtliche Natur der übrigen Normen des Gesellschafterdarlehensrechts teilt und ebenfalls gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren ist. 55 

Entgegen dem Wortlaut, vgl. oben Kapitel B. Fn.  120. zur auf reiner Rechtsprechung basierenden eigenkapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung vor dem MoMiG m. w. N. Lutter/Hommelhoff, in Lutter/Hommelhoff GmbHG 16. A., §  32a/b GmbHG Rn.  138 ff. Nachweise zur Rechtsprechung oben Kapitel B. Fn.  114. 57  Neußner, in Graf-Schlicker InsO, §  135 Rn.  6; Wedemann, IPRax 2012, 226 (234). 58 So auch Neußner, in Graf-Schlicker InsO, §  135 Rn.  6 und Wedemann, IPRax 2012, 226 (234), die freilich insgesamt für eine insolvenzrechtliche Qualifikation plädieren. 59  Hierzu bereits oben ad B.IV. 56  Vgl.

G.  Ausblick und Anregungen de lege ferenda I. Ausblick Die Problematik um den Gläubigerschutz gegenüber Gesellschaften ohne voll haftende natürliche Person als Gesellschafter wird die Rechtswissenschaft auch in Zukunft beschäftigen und das nicht nur im Hinblick auf Auslandsgesellschaften. Der Ansatz, gesellschaftsrechtliche Gläubigerschutzinstrumente durch eine Verlagerung aus dem Gesellschaftsrecht in andere Rechtsgebiete und durch entsprechende rechtstechnische Ausgestaltung gegenüber Auslandsgesellschaften in Stellung zu bringen, ist nach den hier gefundenen Ergebnissen nicht geeignet, das Problem des Schutzes der Gläubiger von Auslandsgesellschaften zu lösen, solange weiterhin gesellschaftsrechtliche Wertungen im Zentrum der jeweiligen Rechtsinstitute stehen. Derartige Bestrebungen beeinträchtigen die durch die europäischen Verträge eingeräumte, vom EuGH maßgeblich fortentwickelte Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften und können damit zur Gefahr für den europäischen Integrationsprozess werden. Sie sind zudem im Kern Ausdruck eines nach wie vor bestehenden Misstrauens gegenüber fremden Rechtsordnungen, das gerade innerhalb der Europäischen Union keinen Platz mehr haben sollte. Mehr denn je muss man sich im Internationalen Privatrecht darauf besinnen, die räumlich bzw. kollisionsrechtlich am besten geeignete Rechtsordnung anzuwenden, anstatt nach Wegen zu suchen, der eigenen zum Durchbruch zu verhelfen. Unter den Vorgaben des EuGH zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften können und sollten Mindeststandards im gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz insbesondere über eine materielle Rechtsvereinheitlichung angestrebt werden. Gewisse Differenzen im Schutzniveau sind dabei naturgemäß hinzunehmen und, wie der EuGH apodiktisch wiederholend betont, auch aus der entsprechenden Firmierung im Rechtsverkehr zu entnehmen. Speziell hinsichtlich des Gesellschafterdarlehensrechts bleibt zu hoffen, dass es zeitnah zu einer Vorlage und entsprechenden Entscheidung des EuGH, sowohl zur Qualifikationsfrage als auch zur Frage der Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit, kommen wird.1 Das EuGH Urteil „Kornhaas“2 zu §  64 II 1 GmbHG 1 Der BGH hat in der sog. PIN-Entscheidung unmittelbar nur über die Anwendbarkeit der Novellenregeln des Eigenkapitalersatzrechts entschieden, auch wenn dies obiter dictae auf das neue Recht erstreckt wurde, vgl. m.e.N. oben ad E.II.3. 2 EuGH, Urteil vom 10.12.2015 – C-594/14 („Kornhaas“), NJW 2016, 223. Hierzu bereits oben ad C.V.2.a.bb.

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G.  Ausblick und Anregungen de lege ferenda

a. F. (= §  64 S.  1 GmbHG n. F.) löst diese Fragen nicht i. S. e. acte clair3. Im Unterschied zum Gesellschafterdarlehensrecht knüpft §  64 II 1 GmbHG a. F. an ein spezifisches Fehlverhalten bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes an und steht damit insolvenzrechtlichen Wertungen deutlich näher als das Gesellschafterdarlehensrecht mit seiner verhaltensunabhängigen „Verhaftung“ sämtlichen Gesellschafterfremdkapitals, das wertungsmäßig mit der konkreten Insolvenzsituation in keinem engen Zusammenhang steht.4

II.  Anregungen de lege ferenda 1.  Materielles Recht Das Gesellschafterdarlehensrecht de lege lata erweist sich als „flexibler Kapitalschutz“ hinsichtlich des von den Gesellschaftern zur Verfügung gestellten Fremdkapitals, basierend auf dem Gedanken einer vorrangigen Risikotragung der Gesellschafter.5 Die Erweiterung bzw. Fortentwicklung zu einem „Gesellschafter-Fremdkapitalschutz“ erscheint als konsequente Fortführung des tradierten deutschen Kapitalschutzmodells, die ohne die Nachteile eines präventiv wirkenden Mindestkapitals auskommt, aber auch nicht alleine auf subjektives Fehlverhalten reagiert. Diese Fortentwicklung überzeugt, auch wenn sie durch (weitere) ex post greifende Haftungsfiguren ergänzt werden muss. Dringender und grundsätzlicher Reform­ bedarf ist m. E. hinsichtlich des Gesellschafterdarlehensrechts nicht gegeben. Allerdings hat diese Konzeption des Gesellschafterdarlehensrechts, wie hier ausführlich begründet, zur Folge, dass die Regelungen nicht auf Auslandsgesellschaften angewandt werden können. Als Alternative, die auf Auslandsgesellschaften anwendbar ist, scheint eine Insideranfechtung denkbar, die am Informationsvorsprung besser informierter Gläubiger ansetzt. Eine solche Anfechtung müsste entweder an einem tatsächlich gegebenen und nachzuweisenden Informationsvorsprung anknüpfen6 oder sollte, soweit es um einen potentiellen, vermuteten Informationsvorsprung geht, erst ab dem nachzuweisenden Zeitpunkt der materiellen Insolvenz greifen7, um nicht ihrerseits in Konflikt mit der Niederlassungsfreiheit zu geraten. Der Ansatz sollte sich tatbestandlich und wertungsmäßig gerade von der Haf3 Zur acte clair Doktrin: EuGH, Urteil vom 6.10.1982 – Rs. 283/81 („CILFIT“), Slg 1982, 3415 (Rn.  16). 4 Vgl. zu den Unterschieden zwischen dem Gesellschafterdarlehensrecht und der Haftung nach §  64 S.  1 GmbHG oben ad B.III.2.j.ff., ad E.III.3.e.aa. und E.III.5.e. 5  Ohne Bezug zur Haftungsbeschränkung ähnlich die Gedanken bei: J. Weber, GesellschaftsR und Gläubigerschutz im IZVR, S.  171 f., der aber i. E. zwischen Insolvenzanfechtung und Nachrang differenzieren möchte. 6  Der Tatbestand ginge dann in Richtung der Vorsatzanfechtung und könnte ggf. eine Paralle­le im AnfG finden. 7 Der Tatbestand ginge dann eher in Richtung der Deckungsanfechtung. Ein Paralleltatbestand im AnfG müsste dann wohl ausscheiden.

II.  Anregungen de lege ferenda

279

tungsbeschränkung der Gesellschaft und der Gesellschafterstellung des Gläubigers lösen und muss deshalb konsequenterweise auf einen Nachrang noch offener Forderungen verzichten, um kollisionsrechtlich unproblematisch als Insolvenzrecht zu gelten. Ein solcher, auch auf Auslandsgesellschaften anwendbarer Insideranfechtungstatbestand wäre grundsätzlich auch neben dem Gesellschafterdarlehensrecht denkbar. Insgesamt scheint es im Bereich des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes angezeigt, eine europaweite Vereinheitlichung durch Sekundärrecht anzustreben, da hiervon naturgemäß „keine Beeinträchtigung gerade des grenzüberschreitenden Verkehrs“ ausgeht, womit die Niederlassungsfreiheit nicht berührt wird.8 2.  Internationales Insolvenz- und Gesellschaftsrecht Sowohl die Regelungen in der EuInsVO als auch diejenigen des autonomen Internationalen Insolvenzrechts haben sich als praktisch bedeutsame Materie erwiesen und sollten weiter den aktuellen Bedürfnissen angepasst werden. Insbesondere die Idee eines universellen Hauptverfahrens, gekoppelt mit dem Mechanismus der automatischen Anerkennung, sollte dabei konsequent als Leitlinie weiterverfolgt werden. Einschränkungen des Universalitätsprinzips sollten die Ausnahme bleiben. Im Verhältnis zu Drittstaaten lässt sich dies am besten auf völkervertraglicher Basis realisieren. Trotz der Schwächen in der Konzeption von Art.  4 II EuInsVO als Katalog, der die insolvenzrechtlichen Materien vorwiegend anhand der Regelungstechnik umschreibt, kann hieran mit der Maßgabe festgehalten werden, dass im Einzelfall eine abweichende Qualifikation erfolgen muss, wenn die insolvenzrechtlichen Wertungen der betreffenden Tatbestände oder Rechtsinstitute hinter anderen Wertungen eindeutig zurücktreten.9 Hinsichtlich der Insolvenzanfechtung im Speziellen hat sich gezeigt, dass die kumulative Anknüpfung Bedenken ausgesetzt ist.10 Vor allem der Zweck der besonderen Insolvenzanfechtung, die insolvenzrechtliche Wertungen, namentlich den Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz, verwirklichen soll, spricht für eine Zuordnung zum Insolvenzstatut. Auf Grund der Vorzüge eines einheitlichen (Anfechtungs-)Statuts, gerade in Anbetracht der innerhalb Europas unterschiedlich ausgestalteten Anfechtungsrechte, und des Fehlens einer überzeugenden Anknüpfungs-Alternative sollte das Insolvenzstatut aber auch über die allgemeine Insolvenzanfechtung entscheiden, solange die Tatbestände nicht eindeutig kollisionsrechtlich anders zuzuordnende Wertungen verwirklichen, wie §  135 InsO. Für die Einzelgläubigeranfechtung empfiehlt es sich in Anbetracht des wertungsmäßi8 So

Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S.  528. Diese Einschränkung wurde ausführlich begründet oben ad E.III.4.b. 10  Hierzu und zum Folgenden bereits eingehend die Würdigung der Anknüpfung der Insolvenzanfechtung in der EuInsVO oben ad C.VII. 9 

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G.  Ausblick und Anregungen de lege ferenda

gen Gleichlaufs auf eine mit der Anknüpfung der (allgemeinen) Insolvenzanfechtung korrespondierende Regelung zurückzugreifen. So könnte sich die Einzelgläubigeranfechtung nach dem Recht am Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners richten, so dass es praktisch zu keinem Statutenwechsel bei Insolvenzeröffnung mehr kommt. Für das Internationale Gesellschaftsrecht sollte dringend eine gesetzliche Regelung – idealerweise im Unionsrecht – geschaffen werden. Hierzu zwingt im Grunde neben dem praktischen Bedürfnis nach einer Beantwortung von Zweifelsfragen im Sinne der Rechtssicherheit bereits das Prinzip der Gewaltenteilung. Wünschenswert wäre, dass sich aus den Regelungen eine klare Abgrenzung von Gesellschafts- und Insolvenzstatut ergibt, soweit dies möglich ist. Diese Abgrenzung sollte sich allerdings nicht nur anhand der Regelungstechnik vollziehen, sondern vor allem von den konkreten Wertungen und funktionalen Rechtsfragen ausgehen.

H.  Zusammenfassung der Ergebnisse Das Gesellschafterdarlehensrecht hängt wertungsmäßig eng mit der Gesellschafterstellung und der Haftungsbeschränkung der betroffenen Gesellschaften zusammen. Für diese wird ein angemessener Ausgleich in Form eines Risikobeitrages des Gesellschafters durch die Einordnung von Fremdkapital aus Gesellschafterhand als Risikokapital geschaffen, nachdem das Mindestkapital durch das MoMiG faktisch aufgegeben wurde. Damit legitimieren sich Gesellschafterdarlehensrecht und Haftungsbeschränkung wechselseitig.1 Diese Wertungen sind aus kollisionsrechtlicher Perspektive gesellschaftsrechtlicher Natur.2 Trotz der insolvenzrechtlichen Regelungstechnik der Tatbestände muss in Anbetracht dieses Wertungskonzepts und der Vorgaben der Niederlassungsfreiheit eine Anwendung der Art.  4 II lit.  g, i, m EuInsVO bzw. eine insolvenzrechtliche Qualifikation des Gesellschafterdarlehensrechts insgesamt ausscheiden. Vorzugswürdig ist eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation,3 die auch auf das autonome Kollisionsrecht und das Kollisionsrecht der Gläubigeranfechtung zu übertragen ist4. Damit steht fest, dass das Gesellschafterdarlehensrecht auf Auslandsgesellschaften insgesamt nicht anwendbar ist. Die Arbeit hat exemplarisch gezeigt, dass das gezielte Streben nach einer Anwendbarkeit nationaler, gesellschaftsrechtlich veranlasster Rechtsinstitute5 gegenüber EU-Auslandsgesellschaften unabhängig von den hinter diesen Instituten stehenden Wertungen nicht nur rechtspolitisch fragwürdig ist, sondern auch dogmatisch nicht überzeugend konstruiert werden kann.6 Kollisionsrechtlich kann die „Flucht aus dem Gesellschaftsstatut“7 nicht überzeugen. Diesen Befund stützt die primärrechtliche Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften, die von den Mit1 

Eingehend hierzu oben ad B. Eingehend hierzu oben ad E.III.3. 3  Eingehend hierzu oben ad E.III.4. 4  Eingehend hierzu oben ad F. 5 Formulierung angelehnt an Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, S.  524: „gesellschaftsrechtlich veranlasste Haftungstatbestände“. Gemeint sind damit nationale Regelungen des Gläubigerschutzes, die auf gesellschaftsrechtlichen Wertungen basieren, unabhängig von ihrer Regelungstechnik. 6  Vgl. allgemein zweifelnd am „relabelling“ von Gesellschafts- zu Insolvenzrecht Enriques/ Gelter, EBOR 2006, 417 (449 ff.). 7  Begriff nach Süß, in Süß/Wachter, HdB int. GmbHR, §  1 Rn.  59 f. Unter der Sitztheorie gab es dagegen noch eine „Flucht in das Gesellschaftsstatut“. 2 

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H.  Zusammenfassung der Ergebnisse

gliedstaaten nicht weniger als das gegenseitige Vertrauen in einen angemessenen gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz verlangt. Eine Anwendung eigener, gesellschaftsrechtlich veranlasster Gläubigerschutzmaterien gegenüber EU-Auslandsgesellschaften kommt nur in ganz eng begrenzten Ausnahmefällen, etwa einem Missbrauch im konkreten Fall, in Betracht.

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Sachregister Abgrenzung Insolvenz- und Gesellschaftsstatut 200–204 – siehe auch Gesellschaftsstatut, Reichweite – siehe auch Insolvenzstatut, Reichweite Abwälzung des Finanzierungsrisikos, siehe Risikoabwälzung actio pauliana  171, 240 f. AnfG, siehe Gläubigeranfechtung Anwendungsbereich – Artt. 4 II lit. m, 13 EuInsVO  117, 161–164 – EuInsVO  89, 91–106 – Gesellschafterdarlehensrecht 15 f. Anwendungsvorbehalt  92, 95, 101 Auslandsgesellschaften – aus Dänemark  99, 268 f., 269 f., 271 – aus den EFTA-Staaten  99, 268 f., 270, 271 – aus den USA  99, 268 f., 270 f. – aus Drittstaaten  99, 189, 266–272 – Auslands-GmbH  182, 193, 234 f., 246 – siehe auch EU-Auslandsgesellschaft, Begriff – siehe auch Wegzug – siehe auch Zuzug Ausweichklauseln  245 f. Auszahlungsverbot, präventives  10, 18 f., 217 f. autonome Auslegung (Unionsrecht)  3, 89, 110, 113, 115, 120 f., 124, 197, 200 f., 209, 215, 219, 222 f., 238 f. autonomes internationales Insolvenzrecht  76– 79, 83–85, 86, 91–106, 161, 266–272 Bereicherungsrecht, Parallele der Insolvenz­ anfechtung zum  127, 129 f. Binnensachverhalte  139 f. Cadbury Schweppes-Entscheidung  191–193 Cartesio-Entscheidung  189 f. Centros-Entscheidung  183 f., 186–189 COMI (center of main interest)  90, 92, 106–108, 110, 176, 233 f. – siehe auch Eröffnungszuständigkeit, internationale

Daily Mail-Entscheidung  182 f., 186 f., 190 Dänemark – siehe Anwendungsvorbehalt – siehe Auslandsgesellschaften aus Dänemark Deko Marty Belgium-Entscheidung  121, 216 deutsch-amerikanischer Freundschaftsvertrag, siehe Auslandsgesellschaften aus den USA Differenzierungslehre  125 f., 128–139, 267, 273 Doppelbelastung 261 Doppelfunktionalität 100 Doppelqualifikation  212, 249, 265 Doppelrolle  23, 33, 38 f., 59 f. – siehe auch Gesellschafterstellung Drittforderung, gesellschafterbesicherte, siehe Gesellschaftersicherheit Drittstaatengesellschaften, siehe Auslandsgesellschaften aus Drittstaaten effektiver Verwaltungssitz  99, 106–108, 188, 233–235 – siehe auch Sitztheorie – siehe auch Wegzug – siehe auch Zuzug effet utile  98, 114, 198, 244 Eigenkapital – funktionales 24 – Funktionen 36, 61 f. – Merkmale 61 Eigenkapitalersatz – Aufgabe des Merkmals, siehe Krisenmerkmal, Aufgabe – bei der Personengesellschaft, siehe Personengesellschaft – Institut des 30 Eigenkapitalersatzrecht – Begriff  6 (Fn. 1) – Entwicklung 6–12 – kollisionsrechtliche Behandlung / Qualifikation  204–212 – siehe auch Finanzierungsfolgenverantwortung

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Sachregister

– siehe auch Novellenregeln – siehe auch Rechtsprechungsregeln eingeschränkte Kumulation  84 f., 86, 117–179 – beim Gesellschafterdarlehensrecht 216 f., 220 f., 245–247, 263 f. – Darlegungs- und Beweislast  159 f., 263 f. – Entwicklung des Mechanismus  118 f. – Form der Anfechtung  156–159 – im autonomen Kollisionsrecht  266 f. – Kritik 164–179 – Regelungsmechanismus 125, 154–161 – Verjährungs-, Anfechtungs-, und Ausübungsfrist 156–159 eingeschränkte Universalität  79 f., 90 Eingriffsnormcharakter 140 Einheitslehre  181, 188 f., 194 f., 201 Einheitsprinzip  131 f. Einzelgläubigeranfechtung, siehe Gläubigeranfechtung Eröffnungszuständigkeit, internationale  90, 97 f., 100, 102 f., 104, 106–108, 267 EU-Auslandsgesellschaft, Begriff  2 (Fn.11) EuInsVO 2017  81, 86, 88, 89, 91, 92, 100, 107, 116, 118, 121 f. Existenzvernichtungshaftung 256 Finanz- und Haftungsverfassung  194 f., 205, 206 f., 216, 225, 228 f., 230, 233, 238, 243, 252, 257, 264 Finanzierungsentscheidung  14, 25 f., 30 f., 33, 37, 50–52, 57, 205 f., 218, 228 – siehe auch Verhaltensvorwurf Finanzierungsfolgenverantwortung – im Eigenkapitalersatzrecht  8, 21–26 – Fortgeltung und -entwicklung im reformierten Recht  27–31, 43, 50–59, 67 f. Finanzierungsfreiheit  37, 50, 62, 65, 72 f., 228 Finanzierungsrisiko  23, 31, 65 f., 68, 228, 231 – siehe auch Risikoabwälzung – siehe auch Risikoausgleich – siehe auch Risikobeitrag – siehe auch Risikoerhöhung Finanzierungszuständigkeit  30 f., 57, 62 forum shopping  98, 109, 142, 231 f. fraudulöse Anknüpfung  141 f. F-Tex-Entscheidung 122 Gebrauchsüberlassung, siehe Nutzungsüberlassung genuine link  191–193 Gesamtbetrachtung des Rechtsinstituts – kollisionsrechtlich 198 f. – materiell-rechtlich 45–47

– Niederlassungsfreiheit 249 f. – siehe auch konzeptionelle Trennung Geschäftsstatut, siehe Wirkungsstatut Geschöpftheorie  183, 189 f., 271 Gesellschafter-Gesellschafter, Begriff  9 Gesellschaftersicherheit  17, 18, 70 Gesellschafterstellung  25, 37, 57, 60, 228 – siehe auch Doppelrolle – siehe auch Näheverhältnis Gesellschaftsstatut – Anknüpfungsmoment 180–193 – Reichweite  181, 194 f., 200–204, 230 f., 247 f. – siehe auch Gründungstheorie – siehe auch Sitztheorie Gesetzesstandort als Qualifikationsargument  111, 201, 214, 222 Gläubigeranfechtung  18, 46, 163, 170–172, 225 f. – Kollisionsrecht  88 f., 177 f., 272–275 – siehe auch Gesamtbetrachtung des Rechtsinstituts Gläubigergleichbehandlung  42, 109, 116, 162, 167 f., 169 f., 202, 217, 218, 225, 227, 229, 230 f., 259 Gleichlauf von forum und ius  108–110 Gourdain-Entscheidung  112 f., 202, 219 grenzüberschreitende Zahlung  142–154 Gründungstheorie  182, 186–189 Haftungsbeschränkung  15, 30, 31, 35–38, 40, 44 f., 47, 50, 58, 59–69, 72 f., 75, 194, 225, 228, 237 f., 244, 257, 276 – Ausgleich 36–38, 65–68, 72, 228, 230 – Legitimation  66–68, 72, 205, 228, 235, siehe auch Legitimation, wechselseitige – Missbrauch 35 f., 67 Handlungsanreiz  53, 58, 233, 256 f. Hauptverwaltung, siehe effektiver Verwaltungssitz H-Entscheidung 114 Informationsmodell 260 Informationsvorsprung  23, 29, 33, 38, 41 f., 44, 47 f., 69, 205, 217, 278 Insolvenzantragspflicht  114 f., 233 Insolvenzeröffnung – Tatbestandsmerkmal als Qualifikationsargument  114, 201, 216, 225 f. – Einheitlichkeit der Entscheidung  103, 104 Insolvenzrechtsreform  11, 78 f., 83 f., 86 Insolvenzreife  31 f., 57, 207 Insolvenzstatut 108–117

Sachregister – Anknüpfungsmoment, siehe lex fori concursus – Einheitlichkeit  106, 109 f., 166 f., 231, 244 – Reichweite 110–117, 200–204 Insolvenzverschleppung  32–34, 53, 58, 163, 224, 228, 256 Inspire Art-Entscheidung  185–189 Interessensmittelpunkt, siehe COMI internationale Insolvenzanfechtung  82–88, 117–179 – siehe auch eingeschränkte Kumulation – siehe auch Kumulation internationale Rangordnung  86–88, 116 internationaler Entscheidungseinklang  109, 230 Kapitalaufbringung und -erhaltung  1, 24, 36, 40, 72, 203, 205–208, 218–220, 225, 228, 230 Katalogtatbestände Art. 4 II EuInsVO  116 f., 198, 201, 215, 218, 219, 252, 266, 279 – Bezug zum Regelungsmechanismus und den Rechtsfolgen  3 f., 226, 239 f. – teleologische Reduktion 238–247 Kleinbeteiligungsprivileg  11, 18, 28, 37, 70 f. Kommanditgesellschaft, gesetzestypische  73 konzeptionelle Trennung  41 f., 44, 45–47 – siehe auch Gesamtbetrachtung des Rechtsinstituts Kornhaas-Entscheidung  113–115, 203, 254 f., 277 f. Krise der Gesellschaft  23 f., 25 f., 40, 61, 63 f., 66, 205 f., 209 f., 216, 218, 219, 228, 244, 262 – Begriff 9 – Aufgabe des Krisenmerkmals  14, 16, 26, 30 f., 43, 48, 50–59, 67 f., 214–216, 221 f., 224, 237 – unwiderlegliche Vermutung  16, 27 f., 32 f., 50–56, 69 Kumulation  82–86, 88 – Nachteile 164, 264 – siehe auch eingeschränkte Kumulation Lastschrift, siehe grenzüberschreitende Zahlung Legitimation, wechselseitige  65–67 lex causae, siehe Wirkungsstatut lex fori concursus  79, 108–110, 115, 230, 266 f., 269 – siehe auch Insolvenzstatut Lufttaxi-Entscheidung  6 f., 24 Lutz-Entscheidung  156–159, 162

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Manipulation des Wirkungsstatuts  139–142 Marktzugangsregel  252 f., 253–257 Masse- und Quotensteigerung als Qualifikationsargument  202 f., 215 f., 219, 225 Massesicherungspflicht  18 f., 113–115, 164, 203, 228, 233, 254, 256, 277 f. materielle Insolvenz, Tatbestandsmerkmal als Qualifikationsargument  201, 225 Meistbegünstigungsklausel 270 Mindestkapital  1, 64 f., 68, 72, 184, 185, 206, 210, 211, 218, 228, 235, 259, 278 Missbrauch, siehe Haftungsbeschränkung, Missbrauch Missbrauchsvorbehalt  185 f., 258 f. MoMiG  1 f., 12–20, 26, 48–50, 55 f., 64 f., 74, 193, 214 Näheverhältnis  38–42, 44, 59 f. – siehe auch Gesellschafterstellung National Grid Indus-Entscheidung  190 Niederlassungsfreiheit  4, 180–195, 196, 248–265 – Beschränkung 253–257 – EuGH Rechtsprechung 180–193 – Gesellschafterdarlehensrecht  4, 196, 220, 248–265 – Rechtfertigung 258–261 – Schutzbereich 250 f. – siehe auch sicherer Hafen-Doktrin – Wirkungsbezogenheit 252 f. Novellenregeln  9–12, 204–212 Nutzungsüberlassung  19 f., 49, 74 f., 275 f. partielle territoriale Insolvenzverfahren  81, 90, 99, 108, 196 (Fn. 2), 230 f., 234, 269, 271 f. Personengesellschaften  30, 61 f. PIN-Entscheidung  209 f., 215, 223 f. primärrechtskonforme Auslegung  244 f., 261–264 Qualifikation  122–124, 197–200 – eines Rechtsinstituts  115, 199 f., 227 – funktionale 3, 115, 124, 198, 200, 226 f., 229–232 – Gesellschafterdarlehensrecht 2–4, 212–248 – Gläubigerschutz 201 f. – Insolvenzanfechtung, siehe internationale Insolvenzanfechtung qualifizierter Mitgliedstaatenbezug  92, 94–106 Quotensteigerung, siehe Masse- und Quotensteigerung als Qualifikationsargument

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Sachregister

rechtsformneutrale Ausgestaltung  1 f., 14, 214, 223 f., 277 Rechtsformwahlfreiheit  188, 193 Rechtsfrage  123, 134, 136, 227, 229 Rechtshandlungsbegriff  124 f., 137, 149 Rechtsmissbrauch  6 (Fn. 3), 35 f., 67 – siehe auch Haftungsbeschränkung, Missbrauch – siehe auch Missbrauchsvorbehalt Rechtsprechungsregeln  7 f., 10, 13, 204–212 Rechtssicherheit  12 f., 98, 118, 230, 243, 280 rechtstechnische Umsetzung  227, 238 – siehe auch Katalogtatbestände, Bezug zum Regelungsmechanismus und den Rechtsfolgen Rechtsvergleich 235–237 Rechtswahl  139–142, 231 f., 241 Risikoabwälzung  23, 43, 44, 63 f., 65–67 Risikoausgleich  39 f., 63 f., 219 Risikobeitrag  65–68, 68–75, 228, 238 Risikoerhöhung  23 (Fn. 139), 26, 32 f., 40, 43, 44, 50 f., 63 f., 219 Risikokapital, Begriff  62 f. Sachfrage, siehe Rechtsfrage Sanierungsprivileg 11 f., 18, 70–72 Schmid-Entscheidung  97 f. Schuldstatutslehre 126–139 Sekundärinsolvenzverfahren, siehe partielle territoriale Insolvenzverfahren SEPA, siehe grenzüberschreitende Zahlung Sevic Systems-Entscheidung  190 sicherer Hafen-Doktrin  251–253, 255 Sitztheorie  99, 181 f., 186 f., 189, 242 Sonderanknüpfung – Satzungssitz  220 f., 245 f., 249, 263 f. – Verwaltungssitz / COMI  220, 265 Sonderopfer  37 f. tatbestandliche Grundkonstanten  15 f., 60 f., 68 Tätigkeitsausübungsregel 254–257 Territorialitätsprinzip 76–78 Todeskampf  22 f., 218 Trabrennbahn-Entscheidung 189 Trennungsprinzip – kapitalgesellschaftsrechtliches 60, 67, 228 f., 230, 257 – Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäft  126, 131 f. Überseering-Entscheidung  184 f., 186–189

Überweisung, siehe grenzüberschreitende Zahlung Umqualifizierung  14 f., 22, 24, 50, 216, 218 Umwandlung, grenzüberschreitende  190–192 Universalitätsprinzip 76, 78–80 – siehe auch eingeschränkte Universalität Unterkapitalisierung – materielle 9 f., 29 – nominelle 34, 58 f. Unternehmensfinanzierung, ordnungsgemäße – siehe Finanz- und Haftungsverfassung – siehe Finanzierungsfolgenverantwortung Unternehmergesellschaft (UG)  64 f., 72, 228, 259 Vale-Entscheidung 191–193 Vereinfachung, angestrebte  12 f., 29, 37, 49 f., 53, 55, 58 f., 244, 261 Verhaltensvorwurf  50–52, 56, 58 f., 65, 228 – siehe auch Finanzierungsentscheidung – siehe auch Haftungsbeschränkung, Missbrauch – siehe auch Risikoabwälzung Verschmelzung, grenzüberschreitende  190 Vertrauensschutz  138, 157 f., 173–176, 206, 241, 264 – institutioneller 29, 56 f. – kollisionsrechtlicher  105, 108, 118–120, 173–176, 221, 241 f. – materiell-rechtlicher  69 f., 173 f. Verwaltungssitz – effektiver  99, 107, 181 f., 193, 197 – -verlegung, siehe Wegzug, siehe Zuzug Vorfragen-Ansatz  210–212, 214 f., 219, 224, 264 Vorsatzanfechtung  129, 171 Wegzug  182 f., 185 – Beschränkung  182 f., 187, 189–193 – siehe auch Auslandsgesellschaften widersprüchliches Verhalten  7, 24 Wirkungsstatut 117–139 – Begriff 133–135 – siehe auch eingeschränkte Kumulation – siehe auch Kumulation wirtschaftliche Entsprechung  9, 16 (Fn. 90), 20, 33, 43, 74 Zuzug  99, 181, 184–193, 233 f., 256 – Beschränkung 184–188, 189–193 – siehe auch Auslandsgesellschaften Zweigniederlassung  183 f.