Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland: Mit Rechts- und Steuerfragen des Wegzugs deutscher Gesellschaften 9783504381271

Durch die Entscheidungen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ hat der EuGH die Möglichkeit für Gesellschaften aus

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German Pages 455 [454] Year 2005

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Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland: Mit Rechts- und Steuerfragen des Wegzugs deutscher Gesellschaften
 9783504381271

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Lutter (Hrsg.) Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland

Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland Mit Rechts- und Steuerfragen des Wegzugs deutscher Gesellschaften

herausgegeben von

Pro( Dr. Dres. h.c. Marcus Lutter Mit Beitragen von

Prof. Dr. Holger Fleischer, LLM. (Arm Arbor) Prof. Dr. Ulrich Huber Prof. Dr. Dres. h.c. Marcus Lutter Prof. Dr. Wulf-Henning Roth., LLM. (Hruvard) RA Prof. Dr. Harald Schaumburg Prof. Dr. Dres. h.c. Karsten Schmidt Prof. Dr. Gerhard Wagner, LLM (Chicago) Prof. Dr. Daniel Zimmer, LLM. (UCLA)

2005

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Vorwort Die EuGH-Entscheidungen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ haben zu einer völlig neuen Rechtslage für solche Gesellschaften aus dem europäischen Ausland bei uns geführt, die ihren Verwaltungssitz in Deutschland nehmen. Hatte der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung vom 1. Juli 2002 (BGHZ 151, 204) noch versucht, diesen Gesellschaften trotz der bei uns herrschenden Sitztheorie eine Brücke als rechtsfähige Personengesellschaften zu bauen, so verlangt der EuGH nun, diese „als solche“, also als niederländische Besloten Vennootschap oder englische Limited in Deutschland ohne Wenn und Aber anzuerkennen. Das hat eine ungeahnte Fülle von Rechtsfragen entstehen lassen, die von der Firma dieser Gesellschaften über das Handelsregister und die Insolvenz-Antragspflicht bis zur Behandlung von Gesellschafterdarlehen, die Stellung dieser Gesellschaften im Prozess und ihre Besteuerung reichen. Darüber hinaus ist aber zu klären, ob nun deutsche Gesellschaften von diesem europäischen Wanderungs-Privileg auch profitieren. Aus diesen Gründen haben sich die zivilrechtlichen Mitglieder des Bonner Zentrums für Europäisches Wirtschaftsrecht und Prof. Dr. Schaumburg zur Erörterung dieser Fragen zusammengefunden. Alle Überlegungen wurden gemeinsam diskutiert, doch trägt jeder Autor dieses Buches für sein Kapitel die alleinige wissenschaftliche Verantwortung. Bonn, im Januar 2005

Marcus Lutter

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Inhalt Vorwort .................................................................................................

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Marcus Lutter A. Die Eintragung von EU-Auslandsgesellschaften im deutschen Handelsregister .............................................................

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Karsten Schmidt B. Publizität von „Schein-Auslandsgesellschaften“ durch Firmenrecht und durch Angaben auf Geschäftsbriefen ................ 15 Holger Fleischer C. Kapitalschutz und Durchgriffshaftung bei Auslandsgesellschaften .................................................................................. 49 Ulrich Huber D. Gesellschafterdarlehen in der Inlandsinsolvenz von Auslandsgesellschaften .................................................................. 131 Gerhard Wagner E. Scheinauslandsgesellschaften im Europäischen Zivilprozessrecht ............................................................................ 223 Ulrich Huber F. Die Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführer von Auslandsgesellschaften .................................................................. 307 Daniel Zimmer G. Neue Formen der unternehmerischen Mitbestimmung bei In- und Auslandsgesellschaften? .............................................. 365 Wulf-Henning Roth H. Die Wegzugsfreiheit für Gesellschaften ........................................ 379 Harald Schaumburg J. Zuzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften im Steuerrecht .... 403 Stichwortverzeichnis ............................................................................ 433

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A. Die Eintragung von EU-Auslandsgesellschaften im deutschen Handelsregister Marcus Lutter Inhaltsübersicht I. Einführung ................................. 1 II. Eintragung einer Auslandsgesellschaft als Hauptniederlassung ........................................ 2 III. Eintragung einer Auslandsgesellschaft als Zweigniederlassung ........................................ 1. Gebot der richtlinienkonformen Auslegung der §§ 13d ff. HGB ........................... 2. Der Begriff der „Zweigniederlassung“ im deutschen Recht ... 3. Der gemeinschaftsrechtliche Begriff der „Zweigniederlassung“ ...................................... 4. Rechtsprechung des EuGH in Sachen Centros und Inspire Art .................................. 5. Zwischenergebnis ......................

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IV.Sanktionsmöglichkeiten zur Durchsetzung der gebotenen Eintragung .................................. 9

1. Festsetzung von Zwangsgeld nach § 14 HGB ........................... 9 2. Anwendbarkeit des Rechtsgedankens der §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 AktG .......... 9 3. Voraussetzungen der Sanktionierung von Auslandsgesellschaften kraft Gemeinschaftsrechts ........................................ 10 4. Persönliche Haftung der Geschäftsführer/Vorstände als Frage des nationalen Rechts .... 10 5. Argumente gegen die persönliche Haftung der Geschäftsführer/Vorstände ...................... 11 6. Argumente für die persönliche Haftung der Geschäftsführer/ Vorstände .................................. 12 7. Keine Analogiefähigkeit der §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 AktG .............................. 13 8. Vorschlag zur persönlichen Haftung de lege ferenda ........... 14 V. Ergebnis .................................... 14

I. Einführung Mit den Entscheidungen Überseering1 und Inspire Art2 ist geklärt, dass Gesellschaften ausländischen Rechts in Deutschland tätig sein können, auch wenn sie ausschließlich hier tätig und in ihrem Heimatland nur registriert bzw. im Register eingetragen sind. Damit entsteht für den _________ 1 EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-208/00, ZIP 2002, 2037 – Überseering. 2 EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, ZIP 2003, 1885 – Inspire Art.

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deutschen Handels- und Wirtschaftsverkehr ein energisches Bedürfnis nach Information über eben diese Gesellschaften, ihr Tätigkeitsfeld und die für sie vertretungsberechtigten Personen. Dieses Informationsbedürfnis wird hinsichtlich deutscher Gesellschaften durch ihre Eintragung im Handelsregister erfüllt, die jeder Interessierte einsehen kann – demnächst auch auf elektronischem Wege; und um diese Einsicht zu erleichtern, müssen Registerort und Register-Nummer auf allen Geschäftsbriefen angegeben werden, § 35a GmbHG, § 80 AktG. Denkt man das fort, so wird die Frage von Bedeutung, ob diese Auslandsgesellschaften wenigstens im deutschen Register eingetragen werden können oder gar müssen und wie das zu geschehen hat.

II. Eintragung einer Auslandsgesellschaft als Hauptniederlassung In unserer tradierten Sicht haben ausländische Gesellschaften, die nur in Deutschland tätig sind, hier ihren Sitz und ihre Hauptniederlassung. Aber dafür steht ihnen das deutsche Handelsregister nicht zur Verfügung. Denn es müsste dann ja die niederländische beslooten vennootschap oder die englische Limited mit Sitz in Deutschland so im Handelsregister eingetragen werden. Dafür aber ist im deutschen Handelsregister kein Platz, eine solche Eintragung ist nicht vorgesehen, Auslandsgesellschaften können als solche nicht eingetragen werden. Ein gemeinschaftsrechtliches Handelsregister ist für diese Fälle bislang nicht vorgesehen3.

III. Eintragung einer Auslandsgesellschaft als Zweigniederlassung Andererseits können und sollen Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften in Deutschland im Handelsregister eingetragen werden, §§ 13d–13g HGB. Und das gilt aufgrund der ZweigniederlassungsRichtlinie von 19894 vor allem für Zweigniederlassungen von Gesell_________ 3 Vgl. Rehberg in Eidenmüller (Hrsg.), Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 5 Rz. 71. 4 11. EG-Richtlinie 89/666/EWG v. 22.12.1989, ABl. Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 36 ff.; abgedr. auch bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, 4. Aufl. 1996, S. 266 ff.

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schaften aus dem EU- und EWR-Ausland. Zu fragen ist also, ob Gesellschaften aus solchen Ländern mit alleiniger wirtschaftlicher Betätigung in Deutschland als Zweigniederlassungen zu behandeln sind mit der Folge, dass sie sich nach den Regeln der §§ 13d–13g HGB beim örtlich zuständigen deutschen Handelsregister anmelden und eintragen lassen können und müssen.

1. Gebot der richtlinienkonformen Auslegung der §§ 13d ff. HGB Die §§ 13d–13g HGB sind zwar allgemein gefasst, dienen aber vor allem der Umsetzung der 11. EU-(Zweigniederlassungs-)Richtlinie. Sie sind daher – jedenfalls dort, wo Gesellschaften aus Mitgliedsländern der EU und des EWR betroffen sind – richtlinienkonform auszulegen. Das ist unstreitig5.

2. Der Begriff der „Zweigniederlassung“ im deutschen Recht Zweigniederlassung wird im deutschen Recht herkömmlich als Teil eines Gesamtunternehmens verstanden, die gegenüber dem Hauptbereich des Unternehmens (Hauptniederlassung) räumlich getrennt, mit eigenem Geschäftsvermögen versehen und organisatorisch so verselbständigt ist, dass sie auch als eigenständiges Unternehmen fortgeführt werden könnte6. In diesem Verständnis setzt Zweigniederlassung notwendig eine Hauptniederlassung voraus, die mindestens die gleichen Voraussetzungen wie die Zweigniederlassung erfüllt (Geschäftsvermögen, räumliche und organisatorische Selbständigkeit).

_________ 5 Vgl. nur Bokelmann in Münchener Kommentar zum HGB, Band 1, 1996, § 13 Rz. 2; Röhricht/Graf v.Westphalen, HGB, 2. Aufl. 2001, Vor § 13 Rz. 4; Pentz in Ebenroth/Boujong/Joost, Kommentar zum HGB, 2001, § 13 Rz. 8, § 13d Rz. 4, § 13e Rz. 4; Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 31. Aufl. 2003, § 13 Rz. 2; Ruß in Heidelberger Kommentar zum HGB, 6. Aufl. 2002, § 13 Rz. 1, § 13d Rz. 2, jeweils m. w. N. 6 Hüffer in Staub, Großkommentar zum HGB, 4. Aufl. 1995, Band 1, Vor § 13 Rz. 9 ff. und 22 ff.; Pentz in Ebenroth/Boujong/Joost (Fn. 5), § 13 Rz. 17; Baumbach/Hopt (Fn. 5), § 13 Rz. 3; Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 12 Rz. 2.

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In den Fällen Centros7, Überseering8 und Inspire Art9 gab es im obigen Sinne keine Hauptniederlassung. Wirtschaftliche Tätigkeiten fanden erklärtermaßen nur bei den förmlich als Zweigniederlassung angemeldeten Gebilden statt (Centros und Inspire Art) bzw. nur bei der faktischen Niederlassung (Überseering). Daher wären im obigen Sinne diese drei Gebilde keine „Zweigniederlassungen“.

3. Der gemeinschaftsrechtliche Begriff der „Zweigniederlassung“ Der deutsche Begriff von „Zweigniederlassung“ im Sinne der §§ 13 ff. HGB muss aber keineswegs mit dem europarechtlichen Begriff der Zweigniederlassung in der 11. Richtlinie identisch sein; Zweigniederlassung im Sinne der Richtlinie ist ein europarechtlicher, kein nationaler Begriff10. Ziel dieser Richtlinie ist der Schutz von Personen, die über eine Zweigniederlassung mit einer Gesellschaft fremden Rechts in Verbindung treten; daher müssen „zum Schutz der Personen, die über eine Zweigniederlassung mit einer Gesellschaft in Beziehung treten, … in dem Mitgliedstaat, in dem sich die Zweigniederlassung befindet, Maßnahmen der Offenlegung getroffen werden“11. Diese Überlegungen im 6. Erwägungsgrund der Richtlinie gelten naturgemäß erst recht, wenn sich die ausländische Gesellschaft ausschließlich im Inland betätigt; sie gelten der Sache nach daher auch, wenn gar keine ausländische Hauptniederlassung besteht. Im Sinne der Richtlinie und ihrer Schutzrichtung ist entscheidend, dass die ausländische Gesellschaft im Inland oder vom Inland aus tätig ist. _________ 7 EuGH v. 9.3.1999 – Rs C-212/97, ZIP 1999, 438 – Centros; vgl. dazu Bayer, BB 2003, 2357, 2360 m. w. N. in Fn. 44. 8 EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-208/00, ZIP 2002, 2037 – Überseering; vgl. dazu Dubovizkaja, GmbHR 2003, 694; Meilicke, GmbHR 2003, 793; Wagner, GmbHR 2003, 684. 9 EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, ZIP 2003, 1885 – Inspire Art; vgl. dazu Bayer, BB 2003, 2357; Hirsch/Britain, NZG 2003, 1100; Kindler, NZG 2003, 1086; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677; Maul/Schmidt, BB 2003, 2297; Spindler/ Berner, RIW 2003, 949; Zimmer, NJW 2003, 3585. 10 Vgl. die Begründung in OLG Zweibrücken, NZG 2003, 537, 538; LG Trier, NZG 2003, 778; Wachter, GmbHR 2004, 88, 93; Riegger, ZGR 2004, 510, 513; in diesem Sinne auch AG Duisburg, NZG 2003, 1072 f. 11 Richtlinie 89/666/EWG v. 22.12.1989, ABl. Nr. L 395 vom 30.12.1989, S. 36 ff. = Lutter (Fn. 4), S. 266 ff., dort der 6. Erwägungsgrund.

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Somit kann aus der 11. Richtlinie gefolgert werden, dass die Hauptniederlassung jedenfalls europarechtlich nur am Ort des Satzungssitzes bestehen kann; jede andere Niederlassung ist als „Zweigniederlassung“ zu qualifizieren12. Aus diesem Grunde ist es unerheblich, wenn sich die ausländische Gesellschaft mit ausschließlicher Betätigung im Inland darauf beruft, dass sie keine Zweigniederlassung im herkömmlichen Sinne, sondern eine „Hauptniederlassung“ sei. Denn soweit Art. 48, 43 EG die Anerkennung von EU-Gesellschaften vorschreiben, sind die §§ 13d ff. HGB anzuwenden, wenn das Zentrum der wirtschaftlichen Tätigkeit ins Inland verlegt oder gar erst aufgebaut wird13. Dieses Ergebnis stimmt mit der nach dem Centros-Urteil des EuGH14 gebotenen Auslegung der Begriffe „Sitz oder Hauptniederlassung“ in §§ 13d–13g HGB überein. Danach reicht für die Annahme des Sitzes aus, dass ein formaler Satzungssitz im Ausland angegeben wird, auch wenn die gesamte Geschäftstätigkeit im Inland erfolgt. Im Gegensatz dazu war nach der bisher herrschenden Meinung in Deutschland als Sitz oder Hauptniederlassung der effektive Verwaltungssitz zu verstehen. Die Ablehnung dieser Sichtweise für EU-Gesellschaften durch den EuGH führt somit zur direkten Anwendbarkeit der §§ 13d-13g HGB auf Auslandgesellschaften mit effektivem Verwaltungssitz im Inland. Diese Überlegungen werden von den allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätzen gestützt. Danach ist für eine im gewissen Umfang bestehende geschäftliche Tätigkeit von Kaufleuten, Handelsgesellschaften und juristischen Personen in Deutschland eine Eintragung ins Handelsregister erforderlich. Das Handelsregister erfüllt seine Publizitätsfunktion, indem es zum Schutze des Rechtsverkehrs über das Vorliegen wichtiger Tatsachen – und dazu gehört das Betreiben einer Niederlassung (unabhängig von deren Qualifizierung als Haupt- oder Zweigniederlassung) – zuverlässig Auskunft gibt15. Dabei ist die Eintragung _________ 12 Vgl. KG Berlin, GmbHR 2004, 116, 118 f.; OLG Naumburg, GmbHR 2003, 533; OLG Celle, GmbHR 2003, 532; OLG Zweibrücken, NZG 2003, 537; LG Trier, NZG 2003, 778; ebenso Riegger, aaO. (Fn. 10). 13 So schon Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 184, 186; ebenso Koller/Roth/Morck, HGB, 4. Aufl. 2003, § 13d Rz. 1; Rehberg in Eidenmüller (Fn. 3), § 5 Rz. 16 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, 2004, S. 61; Wagner, ZZP 2004, 305 (368 ff.). 14 EuGH vom 9.3.1999 – Rs C-212/97, ZIP 1999, 438 – Centros. 15 Ruß in HK-HGB (Fn. 5), § 8 Rz. 2; Koller/Roth/Morck (Fn. 13), § 8 Rz. 4; Karsten Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, § 13 I; vgl. auch Rehberg in Eidenmüller (Fn. 3), § 5 Rz. 71 f.

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ins Handelsregister obligatorisch, unabhängig davon, ob sie eine deklaratorische (im Hinblick auf die Kaufmannseigenschaft) oder konstitutive Funktion hat16. Nach deutschem Recht müssen daher sowohl die Hauptniederlassung mit Satzungssitz im Inland als auch die Zweigniederlassung nach §§ 13-13c HGB eingetragen werden. Fehlt es an einer Eintragung der ausländischen Gesellschaft im Inland, muss nach diesen Grundsätzen zumindest ihre in Deutschland befindliche Niederlassung in direkter Anwendung der §§ 13d ff. HGB als Zweigniederlassung ins Handelsregister eingetragen werden. Da sich die Eintragung der Zweigniederlassung ins Handelsregister nach deutschem Recht als der lex fori richtet17, hat sie keine konstitutive, sondern nur deklaratorische Wirkung18. Die Registereintragung der ausländischen Gesellschaft darf auch nicht mit der Begründung versagt werden, ihre Tätigkeit im Inland sei nicht kaufmännisch im Sinne von § 1 HGB19. Dies ergibt sich aus der Niederlassungsfreiheit sowie aus dem europarechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz insofern, als auch die Tätigkeit einer deutschen juristischen Person keine kaufmännische Organisation gemäß § 1 HGB voraussetzt. Ob eine Auslandsgesellschaft mit Verwaltungssitz im Inland anstatt oder neben der Eintragung als Zweigniederlassung als inländische Hauptniederlassung wie eine kaufmännisch tätige Stiftung bzw. ein kaufmännisch tätiger Verein in das Handelsregister eingetragen werden darf20, kann hier offen gelassen werden21. Denn Ziel einer in Deutschland tätigen ausländischen Kapitalgesellschaft wird es kaum sein, sich als Verein oder als Stiftung deutschen Rechts eintragen zu lassen; viel einfacher und attraktiver ist vielmehr die Möglichkeit der Eintragung _________ 16 Vgl. Karsten Schmidt (Fn. 15), § 9 III, § 10 IV. 17 Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl. 2003, Einl. Rz. 89; Hüffer in Staub (Fn. 6), § 12 Rz. 30; Rehberg in Eidenmüller (Fn. 3), § 5 Rz. 116. 18 Vgl. KG Berlin, GmbHR 2004, 116, 117. 19 Anders als bei der Eintragung einer deutschen juristischen Person als Kaufmann nach § 33 HGB; vgl. dazu Koller/Roth/Morck (Fn. 13), § 13 Rz. 6. 20 So BayObLG, DB 1986, 1325, 1328 (in Bezug auf eine private limited company); Karsten Schmidt, Paper für den Arbeitskreis Bonn, Juli 2004, S. 2, vgl. dazu auch Hirsch/Britain, NZG 2003, 1100 ff.; Zimmer in Ebenroth/Boujong/Joost (Fn. 5), § 33 Rz. 2; Horn in Heymann, HGB, 2. Aufl. 1995, § 33 Rz. 3. 21 Ablehnend Koller/Roth/Morck (Fn. 13),§ 33 Rz. 2; Riegger, ZGR 2004, 510, 514.

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des Unternehmens als Zweigniederlassung nach §§ 13d ff. HGB, nicht als Hauptniederlassung.

4. Rechtsprechung des EuGH in Sachen Centros und Inspire Art Dieser Sicht folgt ganz offenbar auch der EuGH. Denn er hat in den Sachen Centros und Inspire Art je die Eintragung der angemeldeten Zweigniederlassung für geboten erachtet, obwohl in beiden Fällen eine wirtschaftliche Betätigung am Satzungssitz erklärtermaßen und unbestritten nicht stattfand und auch nicht geplant war. Im Gegenteil: Er hat die Tatsache einer ordnungsgemäßen Gründung und Eintragung der betreffenden Gesellschaft im europäischen Ausland expressis verbis für ausreichend erachtet. Ziel der Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit sei es, „den nach dem Recht eines Mitgliedstaats errichteten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, zu erlauben, mittels einer Agentur, Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft in anderen Mitgliedstaaten tätig zu werden.“

und „kann es für sich allein keine missbräuchliche Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit darstellen, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der eine Gesellschaft gründen möchte, diese in dem Mitgliedstaat errichtet, dessen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften ihm größte Freiheit lassen, und in anderen Mitgliedstaaten Zweigniederlassungen gründet.“22

Der EuGH lässt es hier also genügen, wenn eine nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründete Gesellschaft ihren Satzungssitz innerhalb der Gemeinschaft hat, damit sie in einem anderen Mitgliedstaat eine Zweigniederlassung gründen kann. In sachlich gleicher Weise hat der EuGH mittelbar im Falle Inspire Art entschieden. Dort hatten die niederländischen Behörden keine grundsätzlichen Einwendungen gegen die beantragte Eintragung der Zweigniederlassung im niederländischen Register, sondern wollten nationale beschränkende Regeln anwenden, die über die Anforderungen der 11. Richtlinie hinausgingen. Auch hier wurde also die Tatsache, dass es _________ 22 EuGH (Fn. 7 – Centros), Rz. 26 und 27. Ähnlich schon der EuGH in seiner Entscheidung v. 10.7.1986 – Rs 79/85, NJW 1987, 571 (572) – Seegers; vgl. dazu auch Wagner, ZZP 2004, 305 (370).

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im hergebrachten Sinne keine Hauptniederlassung gab, nicht als Hinderungsgrund allgemein und insbesondere für die Anwendung der 11. Richtlinie angesehen. Dabei haben nach Ansicht des EuGH23 Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit durch eine Anwendung des inländischen Gründungsrechts deshalb zu unterbleiben, weil der – anerkannte – Schutz der Gläubiger auch anderweitig gewährleistet sei, nämlich vorrangig durch Registerpublizität nach Maßgabe der 11. Richtlinie sowie durch die Firmierung der ausländischen Gesellschaft. Der EuGH hat somit zum Ausdruck gebracht, dass auch faktische Hauptniederlassungen ausländischer Gesellschaften im Inland in den Anwendungsbereich der 11. Richtlinie fallen und zur Gewährleistung des Gläubigerschutzes eintragungspflichtig sind. Eine Versagung der Eintragung einer derartigen Zweigniederlassung ist nach Ansicht des EuGH nur dann gerechtfertigt, wenn im konkreten Fall missbräuchliches oder betrügerisches Verhalten vorliegt, so zum Beispiel, wenn sich die Gesellschafter mittels der Einrichtung der Gesellschaft ihren Verpflichtungen gegenüber inländischen privaten oder öffentlichen Gläubigern entziehen wollen24.

5. Zwischenergebnis Bei richtlinienkonformer Auslegung ist „Zweigniederlassung“ im Sinne der §§ 13d bis 13g HGB also dahin zu verstehen, dass damit jede im Inland auf eine gewisse Dauer angelegte wirtschaftliche Betätigung einer im europäischen Ausland wirksam gegründeten und dort mit ihrem Satzungssitz im Register eingetragenen/hinterlegten Gesellschaft gemeint ist, ohne dass es auf die Existenz einer Hauptniederlassung ankäme25. Damit sind Gesellschaften aus dem EU-Ausland und dem EWR mit alleiniger wirtschaftlicher Betätigung in Deutschland als Zweignieder_________ 23 EuGH, BB 2003, 2195 – Inspire Art; dazu Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677 ff. 24 EuGH (Fn. 7 – Centros), Rz. 24 und 38 sowie (Fn. 2 – Inspire Art), Rz. 136. 25 KG v. 18.11.2003, GmbHR 2004, 116; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 680; Wachter, GmbHR 2004, 88, 93; Lutter/Hommelhoff (Fn. 6), Einl. Rz. 34; Rehberg in Eidenmüller (Fn. 3), § 5 Rz. 18; Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, 2004, S. 61; a. A. zu Unrecht Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337, 1338, die den Fall des Zuzugs als Ausübung der primären Niederlassungsfreiheit beurteilen, so dass die §§ 13d ff. HGB mangels einer Zweigniederlassung nicht anwendbar sein sollen.

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lassungen zu behandeln mit der Folge, dass sie sich nach den Regeln der §§ 13d–13g HGB beim örtlich zuständigen deutschen Handelsregister anmelden und eintragen lassen können und müssen.

IV. Sanktionsmöglichkeiten zur Durchsetzung der gebotenen Eintragung Steht die Eintragungspflicht für solche Auslandsgesellschaften einmal fest, bleibt die Frage nach den Sanktionsmöglichkeiten, mit denen die Eintragung als Zweigniederlassung in das deutsche Handelsregister gem. §§ 13d ff. HGB wirksam durchgesetzt werden kann.

1. Festsetzung von Zwangsgeld nach § 14 HGB Unstreitig können Auslandsgesellschaften zur Anmeldung zum Handelsregister vom Registergericht nach § 14 HGB angehalten werden. Die Festsetzung von Zwangsgeld kann jedoch nicht als eine ausreichend wirksame und abschreckende Sanktion zur Ahndung der Verstöße gegen die Eintragungspflicht angesehen werden: Diese Ordnungsvorschrift gilt zwar auch für ausländische Personen, kann jedoch außerhalb ihres Geltungsbereichs, also auch im EU-Ausland, nicht vollzogen werden.

2. Anwendbarkeit des Rechtsgedankens der §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 AktG Es stellt sich aber die Frage, ob darüber hinaus der Rechtsgedanke der §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 AktG anwendbar ist26 mit der Folge einer persönlichen Haftung der Geschäftsführer/Vorstandsmitglieder der fraglichen ausländischen Gesellschaften vor der gebotenen Eintragung in das deutsche Handelsregister. Hierzu werden unterschiedliche Ansichten vertreten, die zunächst von derselben Prämisse ausgehen: Einigkeit besteht darüber, dass europarechtlich unzulässige Verpflichtungen nicht sanktioniert werden dürfen. Darüber hinaus geht der EuGH davon aus, dass die Sanktionen für Verstöße gegen mitgliedstaatliche Rechtsnormen nicht schon deshalb europarechtlich unangreifbar _________ 26 Vgl. LG Frankenthal, NZG 2003, 189; vom EuGH in der Entscheidung Inspire Art ausdrücklich offen gelassen; vgl. Wachter, GmbHR 2004, 2004, 88, 90.

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sind, weil diese nationalen Regelungen den Anforderungen des Sekundärrechts entsprechen27.

3. Voraussetzungen der Sanktionierung von Auslandsgesellschaften kraft Gemeinschaftsrechts Nach Art. 12 der Zweigniederlassungsrichtlinie können Mitgliedstaaten „geeignete Maßnahmen“ zur Durchsetzung der Eintragungspflichten treffen. Darüber hinaus sind Inhalt und Umfang der verfahrensrechtlichen Befugnisse des Registergerichts, insbesondere bezüglich der materiellen Prüfung und der Ahndung von Verstößen, europarechtlich nicht geregelt. Den Mitgliedstaaten steht also in Bezug auf Sanktionen für die Verletzung von Publizitätsanforderungen ein Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Dieser ist allerdings durch den aus den Grundfreiheiten sowie Art. 10 EG abgeleiteten allgemeinen Rechtsgrundsatz beschränkt, wonach die Sanktionen verhältnismäßig und diskriminierungsfrei sein müssen. Dies bedeutet zum einen, dass Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden sollten wie nach Art und Schwere vergleichbare Verstöße in rein nationalen Sachverhalten28. Zum anderen dürfen Auslandsgesellschaften durch diese Sanktionen nicht diskriminiert werden29.

4. Persönliche Haftung der Geschäftsführer/Vorstände als Frage des nationalen Rechts Der EuGH hat die Frage, ob eine persönliche Haftung der Geschäftsführer als Sanktion für einen Verstoß gegen die Eintragungspflicht in Betracht kommt, ausdrücklich offen gelassen. Denn dies ist eine Frage des nationalen Rechts und kann dementsprechend nur vom jeweiligen mitgliedstaatlichen Gericht entschieden werden30.

_________ 27 EuGH (Fn. 2 – Inspire Art), Rz. 59. 28 EuGH (Fn. 2 – Inspire Art), Rz. 62; vgl. Rehberg in Eidenmüller (Fn. 3), § 5 Rz. 105. 29 EuGH (Fn. 2 – Inspire Art), Rz. 64. 30 Vgl. Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 680.

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5. Argumente gegen die persönliche Haftung der Geschäftsführer/Vorstände Nach einer Meinung31 sei es mit der Niederlassungsfreiheit unvereinbar, aufgrund der bloßen Verletzung von Eintragungspflichten eine persönliche Haftung der Geschäftsführer/Vorstandsmitglieder oder der Gesellschafter zu begründen. Dies folge daraus, dass die Eintragung der im Inland tätigen Auslandsgesellschaft als Zweigniederlassung für deren rechtliche Existenz eine lediglich deklaratorische Wirkung habe, da sie im Gründungsstaat bereits eingetragen und nach dem ausländischen Gesellschaftsstatut zu behandeln sei. Dagegen sei die Eintragung bei inländischen Gesellschaften erstmalig und für die Existenz der Gesellschaft konstitutiv, was die persönliche Handelndenhaftung in reinen Inlandsfällen rechtfertige. Folglich wäre die Sanktion der §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 AktG für die bloße Missachtung der Eintragungspflicht durch eine Auslandsgesellschaft diskriminierend und unverhältnismäßig. Für diesen Standpunkt wird ferner geltend gemacht, dass die Haftung der Geschäftsleiter eine Materie sei, die dem kollisionsrechtlichen Herkunftslandprinzip unterfalle und daher nach dem jeweiligen Gründungsrecht zu beurteilen sei32. Hinzu kommt, dass die Haftungsvorschriften der §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 AktG heute gesellschaftsrechtlich und nicht mehr als Druckmittel zur Durchsetzung der Eintragungspflicht verstanden werden33. Nach der Entscheidung Inspire Art sind auf die Auslandsgesellschaften aber nur die Regeln ihres heimatlichen Gesellschaftsrechts am Satzungssitz, nicht aber diejenigen am Ort des faktischen Sitzes anwendbar34.

_________ 31 Eidenmüller (Fn. 3), § 4 Rz. 15 f.; Rehberg in Eidenmüller (Fn. 3), § 5 Rz. 82, 105; wohl auch Hirte, EWS 2003, 521; Kindler, NZG 2003, 1086, 1088. 32 Eidenmüller (Fn. 3), § 4 Rz. 16. 33 Vgl. Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 6),§ 11 Rz. 21; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl. 2000, § 11 Rz. 41; K. Schmidt in Scholz, GmbHG, 9. Aufl. 2000, § 11 Rz. 92. 34 EuGH (Fn. 2 – Inspire Art); BGH, NJW 2003, 2685; zustimmend Meilicke, GmbHR 2003, 1271.

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6. Argumente für die persönliche Haftung der Geschäftsführer/Vorstände Andererseits wird vertreten, dass der EuGH den Regelungsbereich der Richtlinien tendenziell als „primärrechtsfreie Zone“35 ansieht, so dass nationale Bestimmungen, die mit einer EU-Richtlinie vereinbar sind, grundsätzlich nicht gegen die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG verstoßen können36. Darüber hinaus lässt der EuGH offenbar eine Abweichung von dem kollisionsrechtlichen Herkunftslandprinzip insofern zu, als der Sitzstaat die den Kernbereich des Gesellschaftsstatuts betreffenden Sanktionen – die Handelndenhaftung – auf die Auslandsgesellschaft auch dann anwenden darf, wenn deren Gründungsrecht eine solche Haftung nicht kennt bzw. der Tatbestand dieser Haftung im jeweiligen Einzelfall nicht erfüllt wäre37. Um die persönliche Haftung der Geschäftsführer/Vorstandsmitglieder für die fehlende oder unzureichende Eintragung der deutschen Zweigniederlassung zu rechtfertigen, muss gewährleistet werden, dass diese Sanktion Auslandsgesellschaften gegenüber nationalen Gesellschaften nicht benachteiligt38. Als Vergleichsmaßstab ist dabei nicht die Begründung einer weiteren inländischen (Zweig)Niederlassung durch eine nationale Gesellschaft, sondern deren erstmalige Eintragung heranzuziehen. Denn Art. 5 der Zweigniederlassungsrichtlinie stellt unterschiedliche Anforderungen an die erstmalige und die nachfolgende Offenlegung in einem Mitgliedstaat: Bei der Eintragung der ersten Zweigniederlassung bedarf es danach einer vollumfänglichen Offenlegung, um sicherzustellen, dass die wichtigsten Informationen über eine Gesellschaft sämtlichen Personen, die mit dieser im geschäftlichen Kontakt stehen, auch im Inland (und nicht nur im Ausland am Gründungsort der Gesellschaft) zur Verfügung stehen. Dagegen wird bei der Eintragung weiterer Zweigniederlassungen im selben Mitgliedstaat nur ein Verweis auf die erste Eintragung verlangt, da der Gläubigerschutz durch die erste Eintragung bereits hinreichend gewährleistet wird. Die erstmalige Eintragung einer Auslandsgesellschaft im Inland ist mit die_________ 35 Vgl. EuGH (Fn. 2 – Inspire Art), Rz. 64; Rehm in Eidenmüller (Fn. 3), § 2 Rz. 86; Brand, JR 2004, 89, 94. 36 Es sei denn, die Richtlinie ist selbst primärrechtswidrig, vgl. EuGH, Slg. 2000, I-8419, NJW 2000, 3701 (Tabakwerberichtlinie); Kindler, NZG 2003, 1086, 1087. 37 Vgl. EuGH (Fn. 2 – Inspire Art), Rz. 63; Eidenmüller/Rehm (Fn. 3), § 2 Rz. 86. 38 Vgl. EuGH (Fn. 2 – Inspire Art), Rz. 63; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 678.

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ser letzteren Konstellation nicht vergleichbar, während der erste Sachverhalt als Vergleichsfall durchaus dienen kann, da der Rechtsverkehr im Inland durch die fehlende Eintragung in gleicher Weise betroffen ist, unabhängig davon, ob es sich um die erstmalige Eintragung einer Inlandsgesellschaft oder um die erstmalige Eintragung einer Auslandsgesellschaft als inländische Zweigniederlassung handelt39. Die Verhältnismäßigkeit der Geschäftsführerhaftung für die fehlende Eintragung einer Auslandsgesellschaft lässt sich zudem aus Art. 7 Publizitätsrichtlinie 68/151/EWG herleiten, wonach die Handelnden für Handlungen vor Erlangung der Rechtsfähigkeit persönlich haften. Da die Rechtsfähigkeit von Kapitalgesellschaften im deutschen Recht gem. §§ 11 Abs. 1 GmbHG, 41 Abs. 1 AktG an die Eintragung geknüpft ist, wird das Erlöschen der Handelndenhaftung letztendlich aufgrund der Erfüllung der Offenlegungspflicht privilegiert40.

7. Keine Analogiefähigkeit der §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 AktG Trotz dieser Überlegungen ist eine Haftung der Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglieder entsprechend §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 AktG bei Nichteintragung der Auslandsgesellschaft, da die Grenzen der Analogiefähigkeit in dieser Konstellation überschritten sind. Denn es fehlt schon an der erforderlichen Analogiebasis. Diese Gesellschaften sind in dem hier maßgebenden Verständnis des Europäischen Gerichtshofs „Zweigniederlassungen“ im Sinne der 11. Richtlinie. Das bedeutet, dass ihre konstitutive Eintragung anderwärts stattgefunden hat, ein Handeln „vor Eintragung“ also in diesem Verständnis nicht vorliegt. Das wird auch bestätigt durch die Umsetzung dieser Richtlinie in den §§ 13e–g HGB durch entsprechende nur deklaratorische RegisterEintragungen. Der deutsche Gesetzgeber hat also nicht erwogen, dieser Eintragung konstitutive Bedeutung beizumessen. Damit entfällt die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung der §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 AktG41. _________ 39 So i.E. auch Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 678. 40 Vgl. Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 679. 41 Auch der nicht ganz fernliegende Gedanke, der Auslandsgesellschaft vor ihrer Eintragung im deutschen Handelsregister im Inland die Rechts- und mithin Parteifähigkeit in Analogie zu §§ 41 Abs. 1 Satz 1 AktG, 11 Abs. 2 GmbHG

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8. Vorschlag zur persönlichen Haftung de lege ferenda De lege ferenda erscheint es hingegen vorzugswürdig, die Nichteintragung von Auslandsgesellschaften als Zweigniederlassungen in das deutsche Handelsregister mit einer Geschäftsführerhaftung zu ahnden, die ähnlich wie die Handelndenhaftung gem. §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 AktG ausgestaltet ist42. Der deutsche Gesetzgeber sollte also entsprechende Bestimmungen – wie etwa Art. 4 Abs. 4 des niederländischen Gesetzes über formal ausländische Gesellschaften43 – erlassen, um die Ungleichbehandlung ausländischer und deutscher Gesellschaften zu Lasten letzterer insoweit zu beseitigen und Druck auf die Auslandsgesellschaften auszuüben, ihrer Publizitätspflicht nachzukommen.

V. Ergebnis Europäische Auslandsgesellschaften mit wirtschaftlicher Aktivität in Deutschland, aber ohne wirtschaftliche Betätigung an ihrem Satzungssitz müssen sich als Zweigniederlassungen nach den Regeln der §§ 13d ff. HGB beim örtlich zuständigen Handelsregister anmelden und eintragen lassen. Kommen sie dieser Rechtspflicht nicht nach, besteht de lege lata nur die Möglichkeit der Verhängung eines Zwangsgeldes nach § 14 HGB durch den Registerrichter; eine Haftung der Geschäftsführer oder Vorstände entsprechend §§ 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 AktG kommt nicht in Betracht.

_________ abzusprechen, würde – von Fragen der Vorgesellschaft und ihrer Parteifähigkeit einmal ganz abgesehen – der Forderung des EuGH, sie „als solche“ anzuerkennen, ganz offenbar widersprechen. Vgl. dazu auch Wagner, ZZP 2004, 305 (371 f.). 42 So Borges, ZIP 2004, 733, 736; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 679; ähnlich Eidenmüller/Rehm (Fn. 3), § 2 Rz. 86; vgl. auch Brand, JR 2004, 89, 94; kritisch Hirte, EWS 2003, 521, nach dem auf die Auslandsgesellschaften lediglich die Sanktionsmechanismen der §§ 13 ff. HGB, § 325a HGB, § 80 Abs. 4 AktG, § 35a Abs. 4 GmbHG anzuwenden sind. 43 Wet ob de formeel buitenlandse vennootschappen (WFBV) v. 17.12.1997, Staatsblad van het Koninkrijk der Nederlanden 1997 Nr. 697; zur deutschen Übersetzung siehe Schlussanträge des GA Alber v. 30.1.2003, DB 2003, 377, Rz. 2.

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B. Publizität von „Schein-Auslandsgesellschaften“ durch Firmenrecht und durch Angaben auf Geschäftsbriefen Karsten Schmidt Inhaltsübersicht I. Grundlagen ............................. 1. Firma, Firmenverwendung und Regeln über Geschäftsbriefe als Bestandteile der Unternehmenspublizität ........ 2. Die „Schein-Auslandsgesellschaft“ als Trägerin eines inländischen Unternehmens .. 3. Zweigniederlassung oder Hauptniederlassung? .............. 4. Bedeutung des Kaufmannsbegriffs nach §§ 1 ff. HGB? ..... 5. Fazit ......................................... II. Methodisches .......................... 1. Standards der Elften Richtlinie ......................................... 2. Die Vorgaben der Art. 43 und 48 EG ....................................... 3. Zum Verhältnis zwischen der Richtlinie und der Rechtsprechung des Gerichtshofs ... 4. Die Anknüpfungsfrage ........... 5. Zum Verständnis des nationalen Rechts ........................... III. Grundregeln des Firmenrechts ....................................... 1. Anknüpfungsfragen und Vorgaben der Niederlassungsfreiheit ..................................... 2. Geltung der §§ 17, 18 HGB? .. 3. Einschränkende Kasuistik? .... 4. Firmenunterscheidbarkeit ......

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IV. Der Rechtsformzusatz ............ 1. § 19 HGB und Elfte Richtlinie .......................................... 2. Stand der Diskussion vor und nach Inspire Art ............... 3. Stellungnahme ........................ 4. Fazit ......................................... V. Angaben auf Geschäftsbriefen ...................................... 1. Europarechtskonforme Publizitätsregeln ..................... 2. Unklarer Norminhalt ............. 3. Die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben ............................ 4. Der Rechtsformzusatz ............ 5. Die Sitzangabe: Verwaltungssitz oder Satzungssitz? ............ 6. Angabe der Geschäftsleiter? ... VI. Zusammenfassung und Thesen ..................................... 1. Thesen zu Teil I der Untersuchung: Grundlagen .............. 2. Thesen zu Teil II der Untersuchung: Methodisches .......... 3. Thesen zu Teil III der Untersuchung: Grundregeln des Firmenrechts ........................... 4. Thesen zu Teil IV der Untersuchung: Der Rechtsformzusatz ....................................... 5. Thesen zu Teil V der Untersuchung: Angaben auf Geschäftsbriefen .....................

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I. Grundlagen 1. Firma, Firmenverwendung und Regeln über Geschäftsbriefe als Bestandteile der Unternehmenspublizität Das Schlagwort Unternehmenspublizität stand jahrzehntelang im Bann des Handelsregisterrechts und des Rechts der Offenlegung der unternehmerischen Rechnungslegung. Aber auch das materielle Firmenrecht unter Einschluss der Bestimmungen über Geschäftsbriefe verfolgt Ziele der Unternehmenspublizität1. Es geht um Verkehrsschutz durch standardisierte Transparenzregeln. Diese Feststellung rückt die neben den „großen“ Fragen um Auslandsgesellschaften zunächst recht banal erscheinenden Fragen der Firmierung und des Auftretens dieser im Inland residierenden Gesellschaften im Geschäftsverkehr in ein ihnen zukommendes Licht. Es geht um Fragen der Praxis mit einem durchaus theoretischen Hintergrund.

2. Die „Schein-Auslandsgesellschaft“ als Trägerin eines inländischen Unternehmens Bei den sog. „Schein-Auslandsgesellschaften“ handelt es sich um echte Auslandsgesellschaften, d. h. um echte, nicht bloß scheinbare ausländische Rechtsträger. „Scheinbar“ ist evtl. der Eindruck, es handle sich um ein ausländisches Unternehmen, denn es kommt nicht darauf an, ob diese Gesellschaften in ihrem satzungsmäßigen Sitzland als Unternehmensträgerinnen oder als bloße Kapitalgesellschafts-Mäntel fungieren2. Charakteristisch für die sog. „Schein-Auslandsgesellschaften“ ist gerade, dass es an einer Unternehmenstätigkeit in ihrem Gründungsland fehlt. Das „Scheinbare“ an diesem Phänomen hängt mit dem komplizierten Verhältnis zwischen Unternehmen und Unternehmensträger3 zusammen: a) Als ausländischer Rechtsträger „scheinbar“ ist (bzw. war) eine solche „Schein-Auslandsgesellschaft“ nur aus der Perspektive der auf Kon_________ 1 Karsten Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, S. 335 ff.; übereinstimmend Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 6 ff., 22 ff. 2 Vgl. auch EuGH, Slg. 1999, I-1459, I-1493 = NJW 1999, 2027, 2028 – Centros, Tz. 27 ff., EuGH, Slg. 2003, I-10155, I-10235 = NJW 2003, 3331, 3334 – Inspire Art, Tz. 139: kein Gestaltungsmissbrauch. 3 Dazu Karsten Schmidt, Handelsrecht (Fn. 1), S. 88 ff.

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gruenz von Verwaltungssitz und Satzungssitz pochenden strengen – d. h. noch jeder Läuterung entbehrenden4 – Sitztheorie5. Sie musste die Existenz und Handlungsfähigkeit der im Inland residierenden Auslandsgesellschaft leugnen. Aber die europarechtliche Entwicklung hat die Sitztheorie – jedenfalls in ihrer klassischen, auf Nicht-Anerkennung des ausländischen Rechtsträgers im Zuzugsland hinauslaufenden Variante und jedenfalls bezogen auf Zuzugsfälle6 – im europarechtlichen Kontext hinweggefegt7. Die „Schein-Auslandsgesellschaft“ ist also als Rechtsträgerin eine ebenso „reale Verbandspersönlichkeit“ (Otto v. Gierke) wie eine Inlandsgesellschaft und hat als eine solche vor dem deutschen Recht auch Bestand. Das ist heute unstreitig. b) Auch um eine bloß „formal ausländische“ Gesellschaft8 handelt es sich nicht, sondern um eine „wirkliche Auslandsgesellschaft“ und um deren Aktivitäten im Inland. In diesem Punkt ist auch die „geläuterte Sitztheorie“, nach der die Auslandsgesellschaft mit Sitz im Inland ohne weiteres dem Inlandsgesellschaftsrecht untersteht9, durch die europarechtliche Entwicklung überholt10. Das Rechtsproblem besteht, was die „Anerkennung“ der Auslandsgesellschaften als Rechtsträgerinnen anlangt, ausschließlich in ihrer Freizügigkeit. Da diese durch Art. 43, 48 EG zwingend vorgegeben ist, besteht an der Eintragungsfähigkeit und Firmenfähigkeit einer im Inland verwalteten europäischen Auslandsgesellschaft heute kein Zweifel mehr. Diese Grundsatzüberlegungen geben der Untersuchung eine Richtung vor. Als inländisch anerkannte Auslandsgesellschaft kann die sog. „Schein-Auslandsgesellschaft“ ohne weiteres Trägerin eines inländischen Unternehmens sein. Sie kann folg_________ 4 Vgl. zur geläuterten, die Rechtspersönlichkeit achtenden Sitztheorie BGHZ 151, 205; BGH, NJW 2002, 3539; Karsten Schmidt in Multimedia, Kommunikation ohne Grenzen, XXXI. FIW-Symposion, 1998, S. 41 ff.; ders., ZGR 1999, 20 ff. 5 Für diese noch BayObLG, NZG 1998, 936; damals h. M. 6 Vgl. zu diesen Einschränkungen Karsten Schmidt, ZHR 168 (2004), 493, 496. 7 Zusammenfassend Zimmer, ZHR 168 (2004), 355, 359. 8 So das durch Inspire Art kassierte niederländische Gesetz. 9 Vgl. Fn. 4. 10 Zur Frage, inwieweit noch Elemente der Sitztheorie fortgeschrieben werden können, vgl. die Nachweise bei Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083; Bitter in Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2004 (bei Abschluss dieser Arbeit in Druck); ders., WM 2004, 2190; Karsten Schmidt, ZHR 168 (2004), 493; Ulmer, NJW 2004, 1201.

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lich von einer Firma Gebrauch machen und Geschäftsbriefe versenden. Die Detailprobleme beginnen damit allerdings erst.

3. Zweigniederlassung oder Hauptniederlassung? a) Das sich im Firmen- und Bezeichnungsrecht niederschlagende Bedürfnis nach Publizität dieser Auslandsgesellschaften im Inland resultiert aus ihrem inländischen Geschäftsbetrieb, d. h. ihrer Niederlassung, und zwar in Gestalt einer Zweigniederlassung11, nicht Hauptniederlassung. Das scheint in der Praxis ausgemacht. Auch wenn es sich bei dem Inlandsunternehmen der Auslandsgesellschaft um eine „faktische Hauptniederlassung“ handelt, wird diese als Zweigniederlassung angemeldet12. Die Rede ist sogar von einem regelrecht „gemeinschaftsrechtlichen Begriff der Zweigniederlassung“, der das Vorhandensein einer (ausländischen) Hauptniederlassung nicht voraussetzt (dazu auch Lutter in dem vorliegenden Werk, S. 1 ff.)13. Aus § 13d Abs. 1 HGB und aus der EuGH-Rechtsprechung ist zu ersehen, dass eine Eintragung als inländische Zweigniederlassung keine „Hauptniederlassung im Ausland“ voraussetzt, wenn nur ein ausländischer Satzungssitz vorhanden ist. In den Worten des Gerichtshofs haben die in einem Mitgliedsstaat gegründeten Handels-Gesellschaften „das Recht …, ihre Tätigkeit in einem anderen Mitgliedsstaat auszuüben, wobei ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung, ebenso wie die Staatsangehörigkeit bei natürlichen Personen, dazu dient, ihre Zugehörigkeit zur Rechtsordnung eines Mitgliedsstaates zu bestimmen.“14 Die Eintragung der „Schein-Auslandsgesellschaft“ als inländische Zweigniederlassung ist also vom geltenden Recht gedeckt.

_________ 11 KG, BB 2003, 2644 = NZG 2004, 49; OLG Celle, GmbHR 2003, 532; OLG Naumburg, GmbHR 2003, 533; OLG Zweibrücken, BB 2003, 864 = NZG 2003, 537; LG Trier, NZG 2003, 778; Mankowski in Hirte/Bücker (Hrsg.), Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2005, § 12 Rz. 10 ff. (mit eingehenden Angaben). 12 Deutlich AG Duisburg, NZG 2003, 1072 f.; Riedemann, GmbHR 2004, 345, 348; Riegger, ZGR 2004, 510, 512 m. w. N. 13 OLG Zweibrücken, NZG 2003, 537, 538; LG Trier, NZG 2003, 778; Rehberg in Eidenmüller (Hrsg.), Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 5 Rz. 18, 83; Riegger, ZGR 2004, 510, 513; vgl. auch Behrens, IPRax 2004, 20, 23 f.; Schön in Festschrift Lutter, 2000, 685, 696 ff. 14 EuGH, Slg. 2002, I-9919, I-9964 = NJW 2002, 3614 – Überseering, Tz. 57.

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b) Hier wird deshalb die Frage nicht vertieft, ob zwischen der Eintragung einer Zweigniederlassung und der Begründung eines alleinigen Verwaltungs(haupt)sitzes als Hauptniederlassung im Inland unterschieden werden kann15 und ob im letzteren Fall die Auslandsgesellschaft nach § 33 HGB auch eine Eintragung als inländische Hauptniederlassung eines kaufmännischen Unternehmens in Anspruch nehmen kann wie etwa eine kaufmännisch tätige Stiftung oder ein kaufmännisch tätiger Verein deutschen Rechts16. Dies würde bedeuten, dass die Auslandsgesellschaft auch als juristische Person i. S. des § 33 HGB inländischer Kaufmann und als solcher eingetragen sein kann17. Die Eintragung im Handelsregister wäre dann nicht Dokumentation der Gesellschaft als Rechtsperson (dies wäre die Aufgabe ihres ausländischen Heimatregisters), sondern Dokumentation des von ihr betriebenen inländischen Handelsgewerbes. Naturgemäß würde auch diese Eintragung Fragen der Firmenbildung und der Angaben auf Geschäftsbriefen auslösen. Die Eintragung nach § 33 HGB hätte nicht etwa zur Folge, dass die Auslandsgesellschaft nach § 19 HGB als „Einzelkaufmann“ oder „e. K.“ firmieren müsste18. In der Firma und auf den Geschäftsbriefen wäre vielmehr analog §§ 19, 37a HGB die richtige ausländische Rechtsform anzugeben. Damit würden sich die hier untersuchten Rechtsfragen gleichfalls stellen, dies allerdings ohne die z. T. besonderen Vorgaben der §§ 13d ff. HGB und der Elften Richtlinie.

4. Bedeutung des Kaufmannsbegriffs nach §§ 1 ff. HGB? a) Für die hier zu diskutierenden Fragen inländischer Zweigniederlassungen kommt es auch nicht darauf an, ob die Inlandsaktivität der Auslandsgesellschaft kaufmännisch i. S. von § 1 HGB ist19. Im Gegensatz zur Eintragung einer juristischen Person als Kaufmann nach § 33 HGB20 _________ 15 Dazu Hirsch/Britain, NZG 2003, 1100, 1101 ff. 16 Über diese vgl. etwa Kindler in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, § 1 Rz. 67. 17 Vgl. vor der 11. Richtlinie BayObLG, DB 1986, 1325, 1328 (für eine Ltd. englischen Rechts); dazu auch Zimmer in Ebenroth/Boujong/Joost (Fn. 16), § 33 Rz. 2; Horn in Heymann, HGB, 2. Aufl. 1995, § 33 Rz. 3; a.M. Koller/Roth/ Morck, HGB, 4. Aufl. 2003, § 33 Rz. 2; Riegger, ZGR 2004, 510, 514. 18 So aber für die juristischen Personen i. S. von § 33 HGB Roth in Festschrift Lutter, 2000, S. 651 ff. 19 Nur im Ergebnis wie hier Rehm in Eidenmüller (Fn. 13), § 5 Rz. 15. 20 Vgl. Wortlaut § 33 HGB: Eintragung „mit Rücksicht auf den Gegenstand und die Art ihres Gewerbebetriebes“.

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muss die Inlandstätigkeit einer Zweigniederlassung nach §§ 13d ff. HGB nicht selbst kaufmännischer, also i. S. v. §§ 1 ff. HGB handelsgewerblicher Art sein.21 Es ergäben sich sogar Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit, wenn deutsche Registergerichte die Eintragung einer ausländischen juristischen Person im Handelsregister von der Gewerblichkeit ihres Geschäftsbetriebs abhängig machen wollten, während die Tätigkeit einer inländischen Kapitalgesellschaft (§§ 3 Abs. 1 AktG, 13 Abs. 3 GmbHG) und nach § 105 Abs. 2 HGB sogar die Tätigkeit einer eingetragenen Handels-Personengesellschaft einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb nicht voraussetzt. Die Eintragung als inländische Zweigniederlassung setzt also zwar das Vorhandensein der Auslandsgesellschaft und der Zweigniederlassung voraus, nicht aber das Vorhandensein eines die Voraussetzungen der §§ 1-3 HGB erfüllenden Gewerbebetriebes. Die Auslandsgesellschaft ist gleichsam Formkaufmann. Die hier zu besprechenden Grundsätze gelten also auch für im Inland eingetragene Auslands-Freiberuflergesellschaften. b) Aber nicht nur die Eintragungsfähigkeit, sondern auch die Eintragungspflicht einer Auslands-Handelsgesellschaft sollte von den Voraussetzungen eines Handelsgewerbes unabhängig gemacht werden22. Dies ist ein auch für die Formkaufleute des nationalen Rechts (AG, GmbH, eG) geltender Grundsatz. Auch diese unterliegen als Handelsgesellschaften (§§ 3 Abs. 1 AktG, 13 Abs. 3 GmbHG, 17 Abs. 2 GenG) und damit als Kaufleute (§ 6 Abs. 1 HGB) dem Handelsgesetzbuch unter Einschluss der §§ 13 ff. HGB, ohne dass es auf ihre kaufmännische Tätigkeit ankommt. Das schließt die Pflicht zur Anmeldung ihrer Zweigniederlassungen ein. Es ist kein Grund ersichtlich, Auslandsgesellschaften in dieser Hinsicht anders zu behandeln. Wenn diese Überlegungen zutreffen, dann funktioniert die Eintragung der inländischen Zweigniederlassung einer Auslandsgesellschaft wie die eines formkaufmännischen Rechtsträgers23. Handelsrecht findet auf sie

_________ 21 Vgl. zu den Begriffsmerkmalen der Zweigniederlassung Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl. 2003, § 13 Rz. 2; Koller/Roth/Morck (Fn. 17), § 13 Rz. 6; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Bd. I, 2000, Rz. 375. 22 Klärung in der Literatur ist zu vermissen. 23 Eine Eintragungspflicht wird allerdings bei Fehlen des für eine Zweigniederlassung erforderlichen Organisationsgrads verneint von Rehberg in Eidenmüller (Fn. 13), § 5 Rz. 22.

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Anwendung, ohne dass nach der handelsgewerblichen Tätigkeit der Gesellschaft im Ausland oder auch nur im Inland gefragt werden darf24.

5. Fazit Damit ist im Grundsatz der Weg frei für die Anwendung handelsrechtlicher Publizitätsregeln über Firmen und Geschäftsbezeichnungen, dies aber, wie sich versteht, nur im Einklang mit primärem und sekundärem Europarecht.

II. Methodisches 1. Standards der Elften Richtlinie Die (Elfte) „Richtlinie 89/666/EWG über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen“ (sog. Zweigniederlassungsrichtlinie)25 ist Grundlage der §§ 13d, e HGB. Die Richtlinie geht davon aus, es müssten „zum Schutz der Personen, die über eine Zweigniederlassung mit einer Gesellschaft in Beziehung treten, in dem Mitgliedsstaat, in dem sich die Zweigniederlassung befindet, Maßnahmen der Offenlegung getroffen werden“26. Sie vergleicht den wirtschaftlichen und sozialen Einfluss einer Zweigniederlassung mit demjenigen einer Tochtergesellschaft und unterstreicht deshalb „ein öffentliches Interesse an einer Offenlegung der Gesellschaft bei der Zweigniederlassung“27. Dieser Gedanke passt auch auf die sog. „Scheinauslandsgesellschaft“, deren Besonderheit darin besteht, dass eine Hauptniederlassung am Gründungssitz fehlt, womit die Zweigniederlassung – um in dem von der Richtlinie geprägten Bild zu bleiben – der operativ tätigen 100%igen Inlandstochter einer ausländischen Holding vergleichbar ist. Nach den Erwägungsgründen der Richtlinie kann „die Offenlegung … – von der Vertre_________ 24 Unklar Rehm in Eidenmüller (Fn. 13), § 5 Rz. 15 (Hinweis teils auf §§ 1 ff. HGB, teils auf die §§ 6 HGB, 3 Abs. 1 AktG, 13 Abs. 3 GmbHG). 25 Elfte Richtlinie v. 22.12.1989 (EWG) Nr. 89/666 des Rates, ABlEG Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 36 ff., abgedr. bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, 4. Aufl. 1996, S. 269 ff.; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2003, Rz. 134. 26 Erwägungsgründe der Richtlinie. 27 Ebd.

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tungsmacht, der Firma und der Rechtsform sowie der Auflösung der Gesellschaft und dem Verfahren bei Insolvenz abgesehen – auf Angaben beschränkt werden, welche die Zweigniederlassung selbst betreffen, sowie auf Hinweise auf das Register der Gesellschaft, zu der die Zweigniederlassung gehört, da aufgrund der bestehenden Gemeinschaftsvorschriften bei diesem Register die Angaben über die Gesellschaft insgesamt zur Verfügung stehen.“ Und: „Geschäftsbriefe und Bestellscheine, die von der Zweigniederlassung benutzt werden, müssen mindestens die gleichen Angaben wie die Geschäftsbriefe und Bestellscheine der Gesellschaft sowie die Angabe des Registers, in das die Zweigniederlassung eingetragen ist, enthalten.“ Die gemäß Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie vorgesehenen Angaben sind nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung („lediglich“) Mindest- und Höchstmaßstäbe zugleich. Die in der Richtlinie geregelte „Pflicht zur Offenlegung“ befasst sich allerdings nur mit der Anmeldung oder Hinterlegung beim Handelsregister28 und präzisiert auch den Inhalt der Firmenbezeichnung nicht. Mit den Geschäftsbriefen befasst sich Art. 6 der Richtlinie: „Die Mitgliedsstaaten schreiben vor, dass auf Geschäftsbriefen und Bestellscheinen, die von der Zweigniederlassung benutzt werden, außer den in Artikel 4 der Richtlinie 68/151/EWG verlangten Angaben das Register, bei dem die Akte für die Zweigniederlassung angelegt worden ist, und die Nummer der Eintragung in dieses Register anzugeben sind.“

2. Die Vorgaben der Art. 43 und 48 EG Die mit „Centros“29, „Überseering“30 und „Inspire Art“31 bezeichnete Entscheidungskette besteht in der quasi-authentischen Konkretisierung der Vertragsregeln über die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften. Wie insbesondere das Inspire Art-Urteil zeigt, enthält diese Grundfreiheit nach heutiger Sichtweise32 sowohl ein Diskriminierungs- als auch ein Beschränkungsverbot33. Ist der Tatbestand einer Beschränkung fest_________ 28 29 30 31 32

Vgl. nur Habersack (Fn. 25), Rz. 85. EuGH, Slg. 1999, I-1459 = NJW 1999, 2027 – Centros. EuGH, Slg. 2002, I-9919 = NJW 2002, 3614 – Überseering. EuGH, Slg. 2003, I-10155 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art. Zur früheren Sichtweise siehe W.-H. Roth, RabelsZ 55 (1991), 623, 646 ff.; ferner Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1, 10 ff. 33 Eingehend und mit Nachweisen zur Rspr. des EuGH Bröhmer in Callies/ Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 43 EG-Vertrag Rz. 19 ff.; ferner Müller-Graff in Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 43 EGV Rz. 57; vgl. auch

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gestellt, so kann diese nur gerechtfertigt werden, wenn die vier Voraussetzungen − der Nichtdiskriminierung, − des zwingenden Allgemeininteresses, − der Eignung und − der Erforderlichkeit erfüllt sind34. Wörtlich formuliert die Inspire Art-Entscheidung35: „Nach der Rechtsprechung des EuGH sind nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, gerechtfertigt, wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind: Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.“ In der Terminologie der deutschen Judikatur gesprochen läuft diese Kontrolle neben dem Merkmal der Gleichbehandlung auf eine differenzierte Verhältnismäßigkeitsprüfung hinaus. Auf diese Prüfungsmaßstäbe muss sich auch die Beurteilung der hier untersuchten Publizitätsfragen beschränken. Eine Sonderbehandlung von Auslandsgesellschaften, nur weil ihre Verwendung in Deutschland Umgehungscharakter hat36, ist nicht zulässig, denn die bloße Ausnutzung des Rechtsgefälles ist kein Missbrauch i. S. der Rechtsprechung des Gerichtshofs37.

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Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, 2004, S. 33 ff.; Behrens, IPRax 2003, 193, 197; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 162; Leible, ZGR 2004, 531, 543 in Fn. 56; Schön in Festschrift Wiedemann, 2002, S. 1271, 1291. Vgl. EuGH, Slg. 1995, I-4165, I-4197 f. = NJW 1996, 579, 581 – Gebhard, Tz. 37; Slg. 1999, I-1459, I-1495 = NJW 1999, 2027, 2029 – Centros, Tz. 34; Slg. 2003, I-10155, I-10233 = NJW 2003, 3331, 3334 – Inspire Art, Tz. 133. EuGH, Slg. 2003, I-10155, I-10233 = NJW 2003, 3331, 3333 – Inspire Art, Tz. 133. Dafür Rehberg in Eidenmüller (Fn. 13), § 5 Rz. 41. EuGH, Slg. 1999, I-1459, I-1492 f. = NJW 1999, 2027, 2028 – Centros, Tz. 24 ff., insbes. Tz. 27; EuGH, Slg. 2003, I-10155, I-10223 = NJW 2003, 3331, 3333 – Inspire Art, Tz. 95 f.

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3. Zum Verhältnis zwischen der Richtlinie und der Rechtsprechung des Gerichtshofs Die Untersuchung wird immer wieder auf Kriterien der Richtlinie und auf die vom Gerichtshof vorgegebenen Kriterien zu sprechen kommen. Das Verhältnis beider zueinander wird nicht jedesmal verdeutlicht werden. Deshalb sei festgehalten: − Die Zweigniederlassungsrichtlinie macht uns die Arbeit da verhältnismäßig leicht, wo sie, wie in ihrem auf die Offenlegung bezogenen Art. 2, Mindest- und Höchststandards formuliert. Solange nicht die Richtlinie ihrerseits mit den Grundfreiheiten in Konflikt gerät, wofür nichts ersichtlich ist, ist sie für die Anwendung nationalen Rechts absolut verbindlich, so dass Rechtsnormen, die auf zwingenden Vorgaben der Richtlinie beruhen, nicht mehr anhand der primärrechtlichen Grundfreiheit der Art. 43, 48 EG zu messen sind38. − Soweit die Zweigniederlassungsrichtlinie Offenlegungsvorschriften enthält, regelt sie die den Mitgliedsstaaten vorgegebenen und europakonformen Publizitätsanforderungen abschließend39. Allerdings ist die Terminologie der Richtlinie undeutlich. Art. 2, der eindeutig Mindest- und Höchstgrenzen bestimmt, meint mit „Offenlegung“ nicht Publizität im Allgemeinen (dann müsste auch der sich mit Geschäftsbriefen beschäftigende Art. 6 von „Offenlegung“ sprechen), sondern die Einreichung zum Handelsregister. Wenn gleichwohl die Richtlinie insgesamt i. S. von Maximalregelungen verstanden wird, rechtfertigt sich dies nicht aus dem Wortlaut ihres Art. 2 Abs. 1 allein, sondern aus ihrer Interpretation im Lichte der Art. 43 und 48 EG, denn die Richtlinie soll die Ausübung der Niederlassungsfreiheit erleichtern40. − Wie sich herausstellen wird, legt die Richtlinie die meisten hier angeschnittenen Rechtsfragen nicht fest. In diesem Umfang kommt als _________ 38 Vgl. m. w. Nachw. EuGH, NJW 2004, 131, Tz. 64; Kainer, ZHR 168 (2004), 542, 562 ff. 39 EuGH, Slg. 2003, I-10155, I-10216 = NJW 2003, 3331, 3332 f. – Inspire Art, Tz. 65–72; Habersack (Fn. 25), Rz. 122; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 162; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 678 und 680; Meilicke, GmbHR 2003, 1271, 1273; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 662; Wachter, GmbHR 2004, 88, 90. 40 Vgl. statt vieler Habersack (Fn. 25), Rz. 122; Rehm in Eidenmüller (Fn. 13), § 2 Rz. 80.

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Maßstab der Europarechtskonformität der einschlägigen HGB-Regeln die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Zuge.

4. Die Anknüpfungsfrage Große Bedeutung hat innerhalb der Inspire Art-Diskussion die Anknüpfungsfrage41. Dies ist ohne weiteres berechtigt, solange es nur um die kollisionsrechtliche Frage geht, ob deutsches Recht anwendbar ist. Zu warnen ist dagegen vor der gegenwärtigen Tendenz, eine vom Gesellschaftsrecht abgelöste Anknüpfung inländischer Verkehrs- und Gläubigerschutzvorschriften als vermeintliche Zauberformel für die Klärung ihrer Anwendung auf EG-Auslandsgesellschaften misszuverstehen. Die gemeinschaftsrechtlichen, ganz auf die Niederlassungsfreiheit bezogenen Erwägungen des Gerichtshofs sind unempfänglich für begriffsjuristische Ausflüchte. Es gibt keine generell Inspire Art-geschützten Anknüpfungen, und damit verbietet sich jeder Versuch, Regeln des inländischen Rechts dadurch vor dem Zugriff der EuGH-Rechtsprechung in Sicherheit zu bringen, dass man sie als nicht-gesellschaftsrechtlich oder nicht-handelsrechtlich qualifiziert42. Die in Wahrheit entscheidende Frage, ob die Niederlassungsfreiheit die Anwendung inländischer Rechtsregeln hindert, lässt sich nicht mit bloßen Anknüpfungskriterien beantworten, sondern sie hängt von den materiellen Schutzkriterien der Art. 43, 48 EG sowie von der Vereinbarkeit mit der Elften Richtlinie ab (so zusammenfassend die „Inspire Art“-Entscheidung43). Die Prüfung am Maßstab der Niederlassungsfreiheit entzieht sich einer schematisierenden Katalogisierung. Erforderlich ist eine Wertung und Differenzierung: Je weniger die Anwendung einer nationalen Vorschrift die Niederlassungsfreiheit beschränkt, desto geringer sind die Anforderungen an ihre Rechtfertigung. Inländische Regeln der Tätigkeitsausübung haben deshalb vor der Niederlassungsfreiheit generell eher Bestand als solche Vorschriften, die bereits den „Marktzutritt“ der Gesellschaft hindern44. Handelt es sich um allgemeines Verkehrsrecht, so kann dies nach Maß_________ 41 Vgl. statt vieler Michael Fischer, ZIP 2004, 1477 ff.; Ulmer, NJW 2004, 1201 ff. m. w. N. 42 Karsten Schmidt, ZHR 168 (2004), 493, 496 ff.; eingehend Bitter (Fn. 10); ders., WM 2004, 2190, 2191 f.; kritisch zur kollisionsrechtlichen Diskussion auch Schön, ZHR 168 (2004), 268, 293. 43 EuGH, Slg. 2003, I-10155 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art. 44 Näher Bitter (Fn. 10); Weller (Fn. 33), S. 34 ff., 200 ff., der für ein abgestuftes System aus Marktzugangshindernissen einerseits, Tätigkeitsausübungs- und Marktrückzugsregelungen andererseits plädiert.

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gabe der im Keck-Urteil für die Warenverkehrsfreiheit entwickelten45, auf die Niederlassungsfreiheit übertragbaren46 Grundsätze bedeuten, dass überhaupt keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vorliegt. Im Ergebnis liegt dies auf einer Ebene mit dem, was auf der Anknüpfungsebene mit der Sonderanknüpfung gläubigerschützender Gesellschaftsrechtsnormen bezweckt ist47.

5. Zum Verständnis des nationalen Rechts Nicht selten werden die Regeln des nationalen Rechts über Firmen, über die Firmenverwendung und über Geschäftsbriefe – wie übrigens auch die heute distanziert betrachteten Regeln der Sitztheorie – in dem Sinne missverstanden, es handle sich bei ihnen um ein bloß auf den inländischen Markt bezogenes oder gar nur auf den Schutz inländischer Staatsbürger zielendes provinzielles Schutzkonzept. Richtig ist aber nur: Die vor allem im Handelsgesetzbuch enthaltenen Publizitätsregeln bringen – soweit nicht in Ausführung von Richtlinien erlassen – nationale Vorstellungen über die Mindeststandards des Verkehrsschutzes zum Ausdruck, der ohne weiteres auch ausländischen Gläubigern zugute kommen soll. Ihre Anwendbarkeit und ihre Vereinbarkeit mit europäischem Unternehmensrecht ist nunmehr zu prüfen.

III. Grundregeln des Firmenrechts 1. Anknüpfungsfragen und Vorgaben der Niederlassungsfreiheit Die Elfte Richtlinie enthält keine Regeln über zulässige oder unzulässige Firmenbildungen. Das Interesse der Auslandsgesellschaft, ihre nach Maßgabe des Auslandsrechts zulässig gebildete satzungsmäßige Firma auch im Inland verwenden zu können, bricht sich aus der Sicht des deutschen Rechts an den Regeln des inländischen Firmenrechts (§§ 17 ff. HGB). Für dessen Maßgeblichkeit ist einerseits die kollisionsrechtliche Anwendbarkeit deutschen Rechts und anderseits die Bin_________ 45 EuGH, Slg. 1993, I-6097 = ZIP 1993, 1813 = NJW 1994, 121 – Keck. 46 Eingehend W.-H. Roth in Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, 1997, S. 729, 740 ff.; ferner Eidenmüller, JZ 2004, 24, 26 f.; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 168; Leible, ZGR 2004, 531, 543 in Fn. 56; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 667; Spindler/Berner, RIW 2003, 949, 955; dies., RIW 2004, 7, 10 f.; s. aber auch Kieninger, ZEuP 2004, 685, 691. 47 Vgl. Karsten Schmidt, ZHR 168 (2004) 493, 501 f. m. w. N.

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dung an Vorgaben des europäischen Rechts maßgebend. Keine dieser Prüfungen kann, wie unter II 4 herausgestellt wurde, die andere ersetzen. Dagegen scheidet eine auf bloße Richtlinienkonformität gerichtete rein formale Prüfung der §§ 17 ff. HGB aus, weil die Richtlinie insofern keine Festlegung enthält. a) Die internationalprivatrechtliche Anknüpfung des Firmenrechts ist wegen seiner unterschiedlichen Regelungsebenen48 schwierig. Der ordnungsrechtliche, durch Registrierung im Inland dokumentierte Bestandteil des Firmenrechts hat manche Autoren unmittelbar auf das Inlandsrecht verweisen lassen49. Von anderen wird für die Maßgeblichkeit des Gesellschaftsstatuts gestritten50. Dem ist, was die Firmenbildung anlangt, gerade bei Kapitalgesellschaften im Ausgangspunkt zuzustimmen (Satzungsstatut). Die Firma als Element der äußeren Handlungsfähigkeit einer Handelsgesellschaft ist Bestandteil ihrer (bei Kapitalgesellschaften: satzungsförmigen) Verfassung. Die Gesellschaft trägt m.a.W. den namensrechtlichen Teil ihrer Firma mit sich, wo immer sie ihren Verwaltungssitz sucht. b) Grenzen setzt allerdings der verkehrsrechtliche Anteil des sog. Firmenordnungsrechts51. Seine zwingenden Publizitätsregeln verfolgen öffentliche Interessen und gestatten deshalb im Wege der Sonderanknüpfung die Anwendung deutschen Rechts52. Aber damit ist, wie nun schon bekannt, noch nicht entschieden, inwieweit die §§ 17 ff. HGB auch im Ergebnis maßgebend sind.

2. Geltung der §§ 17, 18 HGB? a) Was folgt aus den soeben angestellten Überlegungen für das Firmenrecht? Die Firma ist ein existenzielles, die Identität der Gesellschaft als _________ 48 Zu eng noch, obwohl er die Mehrgestaltigkeit betonen will, Canaris, Handelsrecht, 23. Aufl. 2000, § 10 (Firmennamensrecht) und § 11 (Firmenordnungsrecht). 49 Kindler in Münchener Kommentar zum BGB, Band 11, 3. Aufl. 1999, IntGesR Rz. 146 ff.; ders., NJW 2003, 1073, 1079; vgl. auch Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337, 1339; Wachter, GmbHR 2003, 1254, 1256; Borges, ZIP 2004, 733, 736. 50 Vgl. m. w. N. Rehberg in Eidenmüller (Fn. 13), § 5 Rz. 28; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 183; Geyrhalter/Gänßler, NZG 2003, 409, 412; Leible/ Hoffmann, EuZW 2003, 677, 680 m. w. N.; Bayer, BB 2003, 2357, 2364 m. w. N. 51 Insoweit überzeugend Kindler in MünchKomm BGB (Fn. 49), IntGesR Rz. 148 ff. 52 Vgl. nur OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 1184; Rehberg in Eidenmüller (Fn. 13), § 5 Rz. 32.

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Rechtsträgerin markierendes, ihr durch die Satzung beigegebenes Merkmal. Angesichts des vom EuGH postulierten Herkunftslandprinzips53 ist davon auszugehen, dass jede Bindung der Firmenbildung an die – seit 1998 immerhin erfolgreich liberalisierten – Grundsätze der §§ 17 ff. HGB über bloßes Verkehrsrecht hinausgehen und für eine nach ausländischem Recht rechtmäßig firmierende Gesellschaft eine Beschränkung der Freizügigkeit darstellen kann, ähnlich wie eine Anwendung inländischer Mindestkapitalvorschriften den „Marktzutritt“ ausländischer Gesellschaften als solchen beeinträchtigt (so im Fall Inspire Art). Diese Beschränkung der Niederlassungsfreiheit könnte allerdings gerechtfertigt sein, soweit das Firmenrecht konkrete Gefahren für die Erhaltung der Lauterkeit des Handelsverkehrs im Inland abzuwehren bestimmt und geeignet ist54. Denn „zwingende Gründe des Gemeinwohls“ oder des „Allgemeininteresses“ können Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen55. b) Die Dramatik dieses Problems scheint gering. Das ist das Verdienst der Handelsrechtsreform des Jahres 199856 und der durch sie bewirkten Entschlackung des materiellen Firmenrechts. Dieses bestand bis 1998 noch aus formalistischen Regeln über erlaubte und verbotene Personaloder Sachfirmen57, denen jeder rechtfertigende Bezug zu allgemeinen Verkehrsinteressen fehlte58: − Phantasiefirmen waren verboten, − Personalfirmen waren den einzelkaufmännischen, den personengesellschaftlichen sowie den in GmbH geführten Unternehmen vorbehalten, − Sachfirmen gab es nur für Kapitalgesellschaften und Genossenschaften.

_________ 53 Dazu Knapp, DNotZ 2003, 85, 88; Zimmer, BB 2003, 1, 2; vgl. auch GA La Pergola in der Rechtssache Centros, Slg. 1999, I-1461, I-1480, Tz. 19. 54 Zur Anerkennung dieses Allgemeininteresses EuGH, Slg. 2003, I-10155, I-10235 = NJW 2003, 3331, 3334 – Inspire Art, Tz. 140. 55 Vgl. Fn. 34; ferner EuGH, Slg. 2002, I-9919, I-9974 = NJW 2002, 3614, 3617 – Überseering, Tz. 92. 56 Gesetz vom 22.6.1998, BGBl. I S. 1474. 57 Überblick bei Bokelmann in Münchener Kommentar zum HGB, 1996, § 17 Rz. 10 ff., 26 ff. 58 Vgl. Karsten Schmidt, NJW 1998, 2161, 2167 f.

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An die Stelle dieser einschneidenden Formalregeln sind seit der Handelsrechtsreform die in § 18 HGB verbliebenen Vorschriften über − die Kennzeichnungsfähigkeit, − die Unterscheidungskraft und − das Irreführungsverbot getreten. Diese Firmenvorschriften des reformierten HGB haben direkten Bezug zu Verkehrsinteressen, könnten also als „zwingende Gründe des Gemeinwohls“ oder des „Allgemeininteresses“ i. S. der Rechtsprechung des Gerichtshofs59 anzuerkennen sein. Sie sind im Grundsatz auch „zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet“ und gehen „nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist“, womit aus der Sicht des deutschen Gesetzgebers die Europarechtskonformität einschränkungslos bejaht werden könnte60. Aber genügt das?

3. Einschränkende Kasuistik? Die Regeln des § 18 HGB haben generalklauselhaften Charakter. Aus der grundsätzlichen Anwendbarkeit der in § 18 HGB enthaltenen Schutzprinzipien auch auf die Firmen in Deutschland eingetragener Auslandsgesellschaften ist deshalb nicht ohne weiteres zu folgern, dass auch die unter der Generalklausel des § 18 HGB entwickelte Gerichtspraxis eins zu eins auf Firmen übertragen werden darf, die im Gründungsland bedenkenlos eingetragen worden sind. Im Fall einer Generalklausel kann sich nämlich die europarechtliche Prüfung nicht darin erschöpfen, diese Klausel in abstracto als EG-konform zu akzeptieren. Vielmehr muss auch auf der Ebene der Konkretisierung die von der Praxis des Gerichtshofs verlangte wertende Abstufung Platz greifen61. Nicht jede für das deutsche Recht aus der Generalklausel des § 18 HGB abgeleitete Beschränkung der Firmenbildung kann deshalb vor der Magna Charta der Freizügigkeit Bestand haben. Das sei anhand einiger Beispiele verdeutlicht:

_________ 59 Vgl. Fn. 55. 60 Insoweit zutreffend Mankowski in Hirte/Bücker (Fn. 11), § 12 Rz. 70; Wachter, GmbHR 2003, 1254, 1256. 61 Charakteristisch BGH, NJW 1998, 2208 = WRP 1998, 718 = ZIP 1988, 1084; zum Ganzen Röthel, Normkonkretisierung im Privatrecht, 2004, S. 353 f.; Kainer, ZHR 168 (2004), 542, 561.

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a) Was die Kennzeichnungsfähigkeit und Unterscheidungskraft anlangt, so sind ohne weiteres Fälle anzuerkennen, bei denen diese Voraussetzungen bei der Verwendung im Inland klar verneint werden können, während dieselbe Bezeichnung im Gründungsland, z. B. aus sprachlichen Gründen, unterscheidungskräftig scheint. Würde etwa eine „Handel B. V.“ in Amsterdam, eine „Handel Ltd.“ in London oder eine „EPE Handel“ in Athen eingetragen, so kann die Gesellschaft diese am Eintragungsort vorhandene Unterscheidungskraft nicht in ihre deutsche Zweigniederlassung, wo die Unterscheidungskraft objektiv und unbestreitbarermaßen fehlt, gleichsam mitnehmen. Die vom Gerichtshof als Bestandteil der Freizügigkeit angesehene Möglichkeit, ein rechtliches Gefälle auszunutzen, gestattet nicht, auf eine im Land des Geschäftssitzes objektiv fehlende Unterscheidungskraft unter Berufung auf die Verhältnisse im Gründungsland zu verzichten. Hier wird das Land des Geschäfts- und Verwaltungssitzes auf der Notwendigkeit der Unterscheidungskraft bestehen. Es geht um Konsequenzen aus Fakten, die außerhalb der Diskussion stehen. Anders verhält es sich mit formalen Kriterien, die das Resultat nationaler Wertungen sind. Wenn etwa nach deutschem Recht die Firmen „Profi-Handwerker GmbH“62, „A.A.A.A.A.A. Schlüssel-Notdienste GmbH“63 oder „D@B-GmbH“64 nicht eintragungsfähig sind, kann nicht ohne weiteres auch die Eintragung der Zweigniederlassung einer englischen „Profi-Handicraft Ltd.“ oder einer französischen „A.A.A.A.A.A. clef service S.A.R.L“ abgelehnt werden, wenn solche Firmen nach dem Heimatrecht zulässig gebildet worden sind65. Sogar in germanisierter Fassung – also als „Profi-Handwerker Ltd.“ oder als „A.A.A.A.A.A. Schlüssel-Notdienste S.A.R.L.“ – müsste eine solche nach deutschen Maßstäben unzulässige Firmierung der Auslandsgesellschaft, sofern im Gründungsland eintragbar, als Firma der Zweigniederlassung in Deutschland anerkannt werden, denn dies ist nichts als eine Ausnutzung des Rechtsgefälles innerhalb der Gemeinschaft, die nach der _________ 62 BayObLG DB 2003, 2382 = GmbHR 2003, 1003 = DB 2003, 2382 = NZG 2003, 1029 = NJW-RR 2003, 1544–1545 = DZWIR 2004, 84. 63 OLG Frankfurt 2002, 140 = NJW 2002, 2400 = NZG 2002, 588 = Rpfleger 2002, 365 = GmbHR 2002, 647 = DB 2002, 2269. 64 BayObLGZ 2001, 83 = NJW 2001, 2337 = ZIP 2001, 960; a.M. LG Berlin, NZG 2004, 532. 65 A. M. Mankowski in Hirte/Bücker (Fn. 11), § 12 Rz. 72; im Ergebnis auch Rehberg in Eidenmüller (Fn. 13), § 5 Rz. 41.

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EuGH-Rechtsprechung66 keinen Missbrauch, sondern einen zulässigen Gebrauch der Niederlassungsfreiheit darstellt67. Das Merkmal der Kennzeichnungsfähigkeit duldet unter der Geltung der Art. 43, 48 EG keine dem Recht am Satzungssitz widersprechende Restriktion68. Denn einer solchen Beschränkung kann in Anbetracht des Rechtsgefälles in Europa eine Notwendigkeit im Sinne der Rechtsprechung nur nach deutschem, nicht nach europäischem Maßstab attestiert werden. Dass hiermit aus deutscher Sicht ein Defizit an Publizität verbunden ist, bleibt unverkennbar, muss aber als Preis der Rechtseinheit akzeptiert werden. b) Einfacher verhält es sich mit der Anwendung des Irreführungsverbots, also des § 18 Abs. 2 HGB. Die Grenze zum notwendigen und angemessenen Drittschutz ist zweifelsfrei überschritten, wenn eine handfeste Irreführung (§ 18 Abs. 2 HGB) vorliegt69. Das gilt zunächst wiederum für Irreführungen, die aus faktischen, z. B. sprachlichen Gründen am Gründungssitz nicht als irreführend erkannt wurden (etwa „Fabrik“ für einen bloßen Handelsvertrieb). Aber hierauf ist der Schutz nicht beschränkt. Kögel 70 hat plastische Beispiele gebildet: Gründet eine in Frankreich eingetragene „Stuttgarter Allgemeine Robotic- und Logistic S.A.R.L.“ in Münster eine Zweigniederlassung unter identischer Firma, werden durchschnittlich aufmerksame Verkehrsteilnehmer davon ausgehen, dass es sich um ein deutsches Unternehmen mit Hauptsitz in Stuttgart handelt. Ebenso wäre die griechische Firma „EPE Europäische Produkte“ irreführend, weil der Rechtsverkehr den griechischen Rechtsformzusatz „EPE“ in der vorangestellten Form als reines Firmenlogo und nicht als Rechtsformzusatz ansehen wird. Vollends würde bei einer Personalfirma die vorangestellte Abkürzung „EPE“ als Eigenname missverstanden. Restriktionen gegenüber ausländischen Firmennamen sind auch geboten, wenn auf dem Umweg über ein ausländisches Register hochtrabende, inhaltlich irreführende Firmenbezeichnungen wie „Ostdeutsches Automobilzentrum Ltd.“ bei einem _________ 66 Dazu Fn. 37. 67 A. M. für Scheinauslandsgesellschaften Rehberg in Eidenmüller (Fn. 13), § 5 Rz. 41. 68 So im Grundsatz auch Rehberg in Eidenmüller (Fn. 13), § 5 Rz. 26, der aber bei Scheinauslandsgesellschaften eine Ausnahme anerkennen will (s. vorangehende Fn. 67). 69 Dazu vor Centros BayObLG, DB 1986, 1325 (für eine Ltd. englischen Rechts); vgl. auch Mankowski in Hirte/Bücker (Fn. 11), § 12 Rz. 72. 70 Kögel, DB 2004, 1763, 1765.

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unbedeutenden Unternehmen erschlichen werden oder wenn auf diesem Umweg Buchstabenkombinationen zustande kommen, die im Inland und nur hier unrichtige Folgerungen über publizitätspflichtige Tatsachen zulassen (z. B. „AG“)71. Da die Interessen der Marktteilnehmer in solchen Fällen sehr konkret und nicht nur – wie bei rein formalen Firmenregeln – abstrakt gefährdet sind, wird man die Anwendung des inländischen Irreführungsverbots zur Erhaltung der Lauterkeit des Handelsverkehrs als nach dem „Vier-Kriterien-Test“ der EuGH-Judikatur gerechtfertigt ansehen müssen.

4. Firmenunterscheidbarkeit a) Auch ein Verstoß gegen das Gebot der Firmenunterscheidbarkeit (§ 30 HGB) macht den sonst zulässigen Gebrauch einer Auslandsfirma rechtswidrig72. Die europarechtliche Rechtfertigung fällt hier sogar besonders leicht, weil § 30 Abs. 1 HGB allein darauf abstellt, dass sich jede neue Firma von allen an demselben Ort oder in derselben Gemeinde (!) bereits bestehenden und in das Handelsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheidet. Der ausländischen Gesellschaft wird also nicht generell der Zutritt zum Inland versperrt, sondern allenfalls die Eintragung einer ähnlichen Firma am selben Ort untersagt. Nach den sich aus der – wie gezeigt auf die Niederlassungsfreiheit übertragbaren73 – Keck-Rechtsprechung ergebenden Maßstäben stellt eine Anwendung des § 30 HGB auf die sog. Schein-Auslandsgesellschaften überhaupt keine Beschränkung der Grundfreiheit dar. Jedenfalls wäre diese wegen der konkreten Gefahr für den Handelsverkehr gerechtfertigt nach dem „Vier-Kriterien-Test“ der EuGH-Rechtsprechung. b) Als allgemeines Verkehrsrecht anwendbar sind vor allem die in das Firmenrecht einschlagenden Grundsätze des allgemeinen Wettbewerbsrechts, das wegen seines marktschützenden Ansatzes ohne Verstoß gegen europäisches Recht dem Gebrauch einer firmenrechtlich formal zulässigen Firma entgegenstehen kann74. Eine wettbewerbsrechtlich unzulässige Firma ist allerdings nicht in jedem Fall eintragungsunfähig. Da das UWG als eine der Registerkontrolle nachgelagerte „Feinsteue_________ 71 Ähnlich insofern Mankowski in Hirte/Bücker (Fn. 11), § 12 Rz. 72. 72 Vgl. statt vieler Koller/Roth/Morck (Fn. 17), § 18 Rz. 26; wohl auch Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 183. 73 Vgl. Fn. 46. 74 Wohl unstreitig; vgl. Hirsch/Britain, NZG 2003, 1100, 1102 f.

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rung“ angesehen wird75, kann zurückgeschlossen werden, dass jede wettbewerbsrechtlich unzulässige Firmenführung auch gegen die Grundsätze des § 18 HGB verstößt. Auch versteht sich, dass ein Wettbewerbsverstoß wiederum nicht allein darauf gestützt werden kann, dass mit der Unternehmensgründung im Ausland und der Firmenbildung nach dortigen Maßstäben das Rechtsgefälle innerhalb der Gemeinschaft ausgenutzt wird76, was ja nach der EuGH-Rechtsprechung noch keinen Missbrauch der Niederlassungsfreiheit begründet77. Es handelt sich um einander überschneidende, nicht um vollständig identische Maßstäbe. Immerhin kann hier ein über §§ 18, 30 HGB hinausgehendes Irreführungsverbot praktiziert werden, und zwar ungehindert durch die handelsrechtliche Eintragbarkeit der Firma.

IV. Der Rechtsformzusatz 1. § 19 HGB und Elfte Richtlinie a) Art. 2 Abs. 1 Buchst. d der Elften Richtlinie nennt bei den Registerangaben die Rechtsform neben der Firma. Das Gebot, die Rechtsform offenzulegen, steht damit jedenfalls für die Registeranmeldung fest. Das Handelsgesetzbuch sieht die Rechtsformangabe als Firmenbestandteil an. Bis zur Handelsrechtsreform von 1998 waren Rechtsformzusätze nur für Gesellschaften und Verbände bestimmter Rechtsform vorgeschrieben (§ 19 Abs. 5 HGB a. F., § 4 AktG, § 4 GmbHG, § 3 GenG). Aus damaliger Sicht wäre die Frage des Firmenzusatzes bei Auslandsgesellschaften eine solche der analogen Anwendung dieser Spezialvorschriften gewesen. Seit der Handelsrechtsreform ist gleichzeitig mit der durch das HRefG von 1998 eröffneten Möglichkeit, Personal-, Sach- und Phantasiefirmen sowie Mischformen für alle Unternehmensträger zu verwenden, die Aufnahme eines Rechtsformzusatzes in die Firma zu einem ausnahmslos geltenden firmenrechtlichen Grundsatz erhoben worden78. Der Rechtsverkehr soll durch den Rechtsformzusatz über die konkrete Rechtsform informiert werden79, und zwar auch außerhalb des traditionellen Bereichs der Kapitalgesellschaften und Genossenschaften _________ 75 Vgl. BayObLG 2000, 1648; Baumbach/Hopt (Fn. 21), § 18 Rz. 14. 76 Vgl. allgemein zur europarechtskonformen Anwendung des inländischen Lauterkeitsrechts schon Roth, ZEuP 1994, 5, 17 f. 77 Vgl. Fn. 37. 78 Vgl. Karsten Schmidt, Handelsrecht (Fn. 1), S. 365. 79 Baumbach/Hopt (Fn. 21), § 19 Rz. 1.

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(§§ 4 AktG, 4 GmbHG, 3 GenG). Diese alle – also auch alle ausländischen – Rechtsformen umfassende handelsrechtliche Grundregel wird allerdings durch die verstreuten Gesetzesvorschriften eher verdeckt als herausgestellt. Das ist aber nur eine rein redaktionelle Entscheidung des Reformgesetzgebers, die an der Lückenlosigkeit des Rechtsgrundsatzes nichts ändert. Jede Firma muss die Rechtsform des Unternehmensträgers ausdrücklich kennzeichnen. Versteht man § 19 HGB demgemäß als eine alle nicht durch Spezialregelungen erfassten Rechtsträger umfassende Grundregel der Firmentransparenz, also als eine hinter den nur aus Tradition beibehaltenen Spezialregeln stehende Grundnorm, so wird man diese Grundnorm auch auf Auslandsgesellschaften mit Niederlassung in Deutschland anzuwenden haben. Die Zugehörigkeit des Rechtsformzusatzes zur Firma steht damit aus der Sicht des deutschen Rechts außer Zweifel, und seine Notwendigkeit steht mit der Elften Richtlinie im Einklang. b) Ungeklärt sind aber noch folgende Fragen: − In welcher Form hat der Rechtsformzusatz zu erscheinen: ausgeschrieben oder (auch) abgekürzt? − Muss für Verständlichkeit der Haftungsstruktur in deutscher Sprache gesorgt werden? − Muss das Ursprungsland (die Ursprungsrechtsordnung) angegeben werden? Diese Fragen sind nicht durch Richtlinienrecht vorentschieden. Sie haben durch die Entscheidungskette Centros, Überseering und Inspire Art eine zuvor kaum geahnte Virulenz gewonnen.

2. Stand der Diskussion vor und nach Inspire Art a) Vor dem Urteil Inspire Art ging die Literatur von hohen Schutzanforderungen aus. − Verlangt wurde etwa, dass sämtliche Firmenangaben in deutscher Sprache wiederzugeben seien. Die Firma müsse – soweit möglich – übersetzt werden, und ein erläuternder Rechtsformzusatz in deutscher Sprache sei hinzuzufügen. Danach hätte beispielsweise eine niederländische Immobiliengesellschaft wie folgt zu firmieren: „ABC Onroerend Goed B.V./ABC Immobilien B.V. (GmbH niederländischen Rechts)“80 _________ 80 Bärwaldt/Schabacker, AG 1996, 461, 462.

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− Ein anderer Vorschlag ging dahin, den Rechtsformzusatz ungekürzt und zwar (jedenfalls bei englischem Zusatz) in der Originalsprache, jedoch aus Gründen der Unterscheidbarkeit (§ 18 I HGB) unter Hinweis auf das Herkunftsland wiederzugeben. Eine englische Ltd. hätte dementsprechend einen Firmenzusatz wie diesen tragen müssen: „private limited by shares nach britischem Recht“81. b) Nach Inspire Art82 hat sich das Meinungsbild massiv gewandelt, teilweise sogar der eigene Standpunkt engagierter Autoren83. Nur noch vereinzelt wird ein ungekürzt in Originalsprache gefasster Rechtsformzusatz mit besonderem Hinweis auf das Herkunftsland verlangt84. Nach der Mehrheitsmeinung ist demgegenüber jede über die schlichte Angabe des ausländischen (abgekürzten) Rechtsformzusatzes hinausgehende nationale Publizitätsanforderung mit der Niederlassungsfreiheit unvereinbar. Nicht geboten sei insbesondere die Aufnahme eines zusätzlichen in deutscher Sprache gehaltenen Hinweises auf die Haftungsbeschränkung (z. B. „Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht“)85. Nur bei Verwechslungsgefahr zwischen der ausländischen und einer inländischen Rechtsform könnten die Mitgliedstaaten nach der z. Z. wohl herrschenden Ansicht verlangen, dass sich die ausländische Rechtsform zweifelsfrei aus der Firmierung ergibt, z. B. für eine englische Ltd. in Irland „Ltd. (England)“ oder für eine österreichische GmbH in Deutschland: „GmbH österreichischen Rechts“86, und zwar wohl unabhängig davon, ob das Gesellschaftsrecht des Inlands wirklich strenger oder laxer ist als das in Frage stehende Auslandsrecht87. Fehle es an einer solchen Gefahr der Verwechselung mit inländischen Rechtsformen, so sei jeder aufmerksame Dritte durch die _________ 81 Ulmer, JZ 1999, 662, 663 mit Fn. 13; dem folgend Kindler, NJW 2003, 1073, 1079. 82 EuGH, Slg. 2003, I-10155 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art. 83 Vgl. nur Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 663 unter Aufgabe der in AG 2003, 30, 34, Fn. 52, vertretenen Auffassung. 84 So zuletzt Weller (Fn. 33), S. 102 f. 85 Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 680 f.; Wachter, GmbHR 2003, 1254, 1256; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3587 (bezüglich der Auslandsgesellschaft & Co. KG); vgl. auch Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 183. 86 Mankowski in Hirte/Bücker (Fn. 11), § 12 Rz. 69; Brand, JR 2004, 89, 94; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 681; dem folgend Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 183. 87 Vgl. allerdings Mankowski in Hirte/Bücker (Fn. 11), § 12 Rz. 69: Wegen seines strengeren GmbH-Rechts könne Österreich auf einer Kennzeichnung deutscher Gesellschaften m.b.H. bestehen.

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Angabe des Registers und des Satzungssitzes auf den Briefbögen hinreichend auf die Auslandsrechtsform hingewiesen88. Nach dieser Auffassung müsste die Firma einer „Ltd.“ in Deutschland keinen besonderen Hinweis auf deren Zugehörigkeit zum englischen, irischen oder schottischen Recht enthalten. c) Wirkliche Klärung fehlt. In Anbetracht dieser Unklarheit wird verschiedentlich an den europäischen oder nationalen Gesetzgeber appelliert89. Dem ist hier nicht nachzugehen, zumal eine gesetzliche Festlegung vor detaillierter Prüfung und ohne den Hintergrund praktischer Erfahrung auch fragwürdig wäre.

3. Stellungnahme a) Nicht die gebotenen Rechtsformzusätze als solche, sondern über diesen Zusatz hinausgehende Lesehilfen stehen zur Diskussion. Eine Stellungnahme muss einerseits den gerade in der Zweigniederlassungsrichtlinie zum Ausdruck kommenden hohen Stellenwert der Unternehmenstransparenz90, anderseits die durch die jüngere EuGH-Rechtsprechung konkretisierten Anforderungen der Niederlassungsfreiheit in Rechnung stellen. Aus der Perspektive des deutschen Rechts wäre eine weitreichende, Spontaninformationen abschlusswilliger Dritter gewährleistende Transparenz der Firmierung, wie es der in § 19 HGB – wenn auch unvollkommen – zum Ausdruck gebrachten Grundregel entspricht, zu fordern. Das spräche aus der Sicht des deutschen Rechts für einen Zusatz, der − unmissverständlich auf das für das Haftungsstatut der Gesellschaft maßgebliche Auslandsrecht verweist, − Verwechselungen mit vorhandenen Rechtsformen vermeidet und − eine Haftungsbeschränkung erkennbar werden lässt, und zwar auch ohne Kenntnis der Sprache und der Rechtsformen des Gründungsstaates. Grenzen zieht das Gebot der Niederlassungsfreiheit. Wegen des abschließenden Charakters der Zweigniederlassungsrichtlinie hat der _________ 88 Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 680. 89 Vgl. nur Borges, ZIP 2004, 733, 736; Brand, JR 2004, 89, 94; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 681; Wachter, GmbHR 2004, 88, 98 und 103. 90 Zum Gebot transparenter Firmierung auch Bayer, BB 2003, 2357, 2364.

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Gerichtshof in der Inspire Art-Entscheidung Vorschriften für mit der Niederlassungsfreiheit unvereinbar erklärt, die stigmatisierende Zusätze wie „formal ausländische Gesellschaft“ vorschreiben91. Die hier erwogenen Zusätze enthalten nun allerdings keine gleichartige Stigmatisierung, so dass direkte Folgerungen aus der „Inspire Art“-Entscheidung für sie nicht gezogen werden können92. Damit steht aber nicht fest, dass ein über die bloße Rechtsformangabe hinausgehendes Transparenzgebot vor den Maßstäben des Gerichtshofs Bestand hätte. b) Dass das firmenrechtliche Gebot einer Erkennbarkeit der Haftungsbeschränkung über den Gesetzeswortlaut hinaus allgemeine Gültigkeit hat, ist für das deutsche Recht wegen der Häufigkeit von Kapitalgesellschaften & Co. ein altes Thema und war schon vor der gesetzlichen Klärung93 anerkannt94. Auch dies ist ein allgemeiner handelsrechtlicher Rechtsgrundsatz95. Der inländische Rechtsverkehr kann aus einem in ausländischer Sprache gehaltenen (ausgeschriebenen oder abgekürzten) Rechtsformzusatz die Haftungsbeschränkung nicht ohne weiteres – jedenfalls nicht bei jeder in Betracht kommenden ausländischen Rechtsform – ersehen. Wenn es nun die Zweigniederlassungsrichtlinie den Mitgliedstaaten in Art. 4 erlaubt, eine Übersetzung bestimmter beim Handelsregister einzureichendender Unterlagen in eine andere Amtssprache der Gemeinschaft zu verlangen96, könnte auch das Gebot ergänzender Zusätze bei der Firmenverwendung so lange als europarechtskonform erscheinen, wie sich eine ausländische Rechtsformbezeichnung noch nicht unmissverständlich eingebürgert hat. Dem steht aber das Common Sense-Argument gegenüber, dass auch eine Auslandsgesellschaft vom Boden ihrer (im Fall der „Schein-Auslandsgesellschaften“ allerdings nicht vorhandenen) ausländischen Hauptniederlassung ohne solche Zusätze am inländischen Markt agieren könnte. _________ 91 Zur Stigmatisierung durch Sonderfirmierung Mankowski in Hirte/Bücker (Fn. 11), § 12 Rz. 68; Weller (Fn. 33), S. 63 f.; ders., DStR 2003, 1800, 1802; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 678. 92 Vgl. Rehberg in Eidenmüller (Fn. 13), § 5 Rz. 59 ff., s. aber Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 663; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 680. 93 § 19 Abs. 2 HGB; zuvor § 19 Abs. 5 HGB a. F. (Gesetz v. 4.7.1980), zuvor § 47b HGB a. F. (Gesetz v. 29.7.1976). 94 BGHZ 62, 226; 65, 105; dazu Bokelmann, GmbHR 1975, 25 ff.; Wiedemann, ZGR 1975, 354 ff. 95 Karsten Schmidt, Handelsrecht (Fn. 1), S. 365. 96 Dazu auch Bärwaldt/Schabacker, AG 1996, 461, 462.

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Rechtlich ist die Frage im Rahmen des „Vier-Kriterien-Tests“ auf der Ebene des „Erforderlichkeits-“ oder des „Eignungs“-Kriteriums zu verhandeln. So wird im Centros-Urteil die fehlende Eignung gläubigerschützender Regelungen auf die Überlegung gestützt, das dänische Gericht hätte die Centros-Eintragung bei sonst unveränderter Interessenlage nicht verweigert, wenn die Gesellschaft eine Geschäftstätigkeit im Ausland ausgeübt hätte. Auch in der Firmierungsfrage erscheint ein Gläubigerschutz, der an die inländische Niederlassung Anforderungen stellt, auf die bei einer operativ tätigen Auslandsgesellschaft ohne weiteres verzichtet wird, als eine entweder entbehrliche oder ungeeignete Schutzregel. Das bedeutet: Der Rechtsformzusatz braucht nicht in deutscher Sprache allgemeinverständlich zu sein97. Neuerlich muss hier ein Transparenzdefizit – denn um ein solches handelt es sich aus der Sicht des deutschen Handelsrechts – hingenommen werden. c) Zu klären bleibt noch die Frage, ob der Rechtsformzusatz abgekürzt werden kann oder ausgeschrieben zu verwenden ist. Die Zweigniederlassungsrichtlinie mit ihrem allgemeinen Gebot einer Angabe der „Rechtsform der Gesellschaft“ klärt auch diese Frage nicht. Ein ausgeschriebener Zusatz verspricht bei weit verbreiteten Sprachen wie dem Englischen zweifellos ein klares Plus an Information über die Haftungsbeschränkung. „Limited“ ist leichter zu verstehen als „Ltd.“, und auch unter „limité“, „limitata“ oder „limitada“ kann sich der Rechtsverkehr einiges vorstellen. Bei im Inland ungebräuchlichen Sprachen hätte die ausformulierte Rechtsformbezeichnung hingegen von vorneherein kaum Nutzen für den Rechtsverkehr, insbesondere dann nicht, wenn die Angabe – wie beim Griechischen – in fremder Schrift erfolgt. Unterschiedliche Offenlegungsverpflichtungen für mehr oder weniger verbreitete Sprachen würden aber eine unerträgliche Rechtsunsicherheit mit sich bringen. Zudem bestehen – nicht anders als beim Hinweis auf die Haftungsbeschränkung – Bedenken gegen die Erforderlichkeit und Eignung dergestalt ausdifferenzierter Offenlegungsgebote, weil im Direkthandel der Hauptniederlassung einer Auslandsgesellschaft vom Boden ihres Sitzlandes aus ein vergleichbarer Schutz ohnedies nicht besteht. Das aber bedeutet: Eine im Ausland zugelassene Abkürzung kann auch bei ihrer Verwendung für die inländische Zweigniederlassung nicht beanstandet werden98. Nach den unter III 3 b angestellten Überlegungen ist _________ 97 So auch Rehberg in Eidenmüller (Fn. 13), § 5 Rz. 37. 98 Ebenso Rehberg in Eidenmüller (Fn. 13), § 5 Rz. 54; Kindler, NJW 2003, 1073, 1079.

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allerdings ein wichtiger Gesichtspunkt zu ergänzen: Das Irreführungsverbot untersagt jede Missverständlichkeit, die über bloße Unvertrautheit der Rechtsformbezeichnung hinausgeht. Der vorangestellte Firmenzusatz „EPE“, vor allem vor einer Personalfirma, lässt beispielsweise nicht einmal erkennen, dass es sich um etwas anderes als um Eigennamen handelt. Das ist unzulässig. d) Bei der Herkunftsangabe liegen die Dinge anders. In den Entscheidungsgründen von Inspire Art ist davon die Rede, „dass die Inspire Art als Gesellschaft englischen Rechts und nicht als niederländische Gesellschaft auftritt“99. Die Entscheidung sagt allerdings nichts darüber, ob dergleichen von Rechts wegen verlangt werden kann. Immerhin könnte es dem „Informationsmodell“, das Gläubigerschutz durch Transparenz gewährleisten will100, entsprechen, der Auslandsgesellschaft im Inland eine transparente Firmierung einschließlich der Angabe des Gesellschaftsstatuts vorzuschreiben101 und die nach Art. 2 Abs. 1 lit. d der Zweigniederlassungsrichtlinie gebotene Angabe der Rechtsform als unvollständig anzusehen, wenn nicht erkennbar würde, welchem Recht die Gesellschaft unterliegt102. Die abschließende Regelung in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie wäre nicht notwendig ein Hindernis für solche Argumentation. Wiederum ist aber die Rechtfertigung des Erfordernisses nach Maßgabe des „Vier-Kriterien-Tests“ bestreitbar. Da nämlich das Heimatregister offenzulegen ist – die Angabe des Heimatregisters wird gefordert durch Art. 2 Abs. 1 lit. c der Zweigniederlassungsrichtlinie (für die Eintragung der Zweigniederlassung im Handelsregister) bzw. Art. 6 der Zweigniederlassungsrichtlinie i. V. m. Art. 4 der Publizitätsrichtlinie (für die Geschäftsbriefe) – kann ein hinlänglich aufmerksamer Geschäftspartner auf diesem Weg auf das Heimatrecht der Gesellschaft schließen103. Eine ausdrückliche Herkunftsangabe im Firmennamen erscheint deshalb _________ 99 EuGH, Slg. 2003, I-10155, I-10234 = NJW 2003, 3331, 3334 – Inspire Art, Tz. 135. 100 Rehberg in Eidenmüller (Fn. 13), § 5 Rz. 59; Eidenmüller, JZ 2004, 24, 27; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 171 f.; Merkt, RIW 2004, 1, 6; dazu auch Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 663. 101 Vgl. Paefgen, DB 2003, 487, 490 in Fn. 490, der auch die Ausführungen von GA Alber in seinen Schlussanträgen zu Inspire Art, Tz. 148, in diesem Sinne versteht (Abdruck in NZG 2003, 262, 274). 102 Borges, ZIP 2004, 733, 736. 103 Richtig Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 680.

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nicht als „erforderlich“ im Sinne der Rechtsprechung. Auch die Elfte Richtlinie verlangt nur bei Gesellschaften aus Drittstaaten die Angabe des Rechts des Staates, dem die Gesellschaft unterliegt (Art. 8 lit. c), während eine solche Angabe bei Gesellschaften aus Mitgliedstaaten nicht gefordert wird (Art. 2)104. Auf komplizierte Differenzierungen – z. B. Sonderregeln für namensgleiche Ortschaften in verschiedenen Ländern oder für Städtenamen mit unklarer Lokalisation – sollte aus praktischen Gründen verzichtet werden.

4. Fazit Das deutsche Recht sieht den Rechtsformzusatz in zulässiger Weise als Firmenbestandteil an. Die Rechtsformangabe ist unerlässlich, braucht aber nur den Anforderungen des Gründungssitzlandes zu entsprechen. Eine Übersetzung in die deutsche Sprache ist ebensowenig erforderlich wie ein besonderer Hinweis auf das einschlägige Recht oder eine Auflösung der nach dem Gründungsrecht zulässigerweise verwendeten Abkürzung. Grenzen zieht nur das Irreführungsverbot.

V. Angaben auf Geschäftsbriefen 1. Europarechtskonforme Publizitätsregeln Die handelsrechtliche Verpflichtung zu Angaben auf Geschäftsbriefen steht im Hinblick auf Art. 6 der Elften Richtlinie außer Zweifel105. Die Umsetzungsnormen finden sich in § 80 Abs. 4 AktG und § 35a Abs. 4 GmbHG106. Die Angabepflicht besteht unabhängig davon, ob die Zweigniederlassung, wie gesetzlich geboten, im Handelsregister eingetragen ist oder nicht107. Die Europarechtskonformität dieser Regelung steht damit außer Zweifel.

_________ 104 Darauf wird mit Recht hingewiesen bei Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 680. 105 Dazu eingehend BegrRegE eines Gesetzes zur Durchführung der Elften Richtlinie, BT-Dr. 12/3908, S. 11. 106 Dazu ebd. S. 20. 107 Vgl. statt vieler Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl. 2000, § 35a Rz. 5a.

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2. Unklarer Norminhalt a) Die Regelungen im deutschen Aktien- und GmbH-Gesetz sind wenig geglückt108. Der Gesetzgeber hat sie an § 80 AktG bzw. § 35a GmbHG angehängt und nicht in das HGB aufgenommen, weil es sich nicht um registerrechtliche Vorschriften handle109. Die sich hierin ausdrückende redaktionelle Schwäche hätte ausgeglichen werden können, wenn der Handelsrechtsreformgesetzgeber des Jahrs 1998 den neuen § 37a HGB – ähnlich wie dies hinsichtlich der Regelung des § 19 HGB bezüglich der Firmenzusätze wünschenswert gewesen wäre – klipp und klar als Verallgemeinerung einer allgemeinen Publizitätsregel formuliert und die §§ 80 AktG, 35a GmbHG, 125a HGB, 25a GenG in die Generalregel aufgenommen hätte. Dann hätte das HGB den gegenwärtigen Rechtszustand zutreffend abgebildet110. Der durch die Handelsrechtsreform eingeführte § 37a HGB lässt die unübersichtlich angeordneten Spezialregeln unter Einschluss von § 80 Abs. 4 AktG und § 35a Abs. 4 GmbHG als Bestandteile der allgemeinen Unternehmenspublizität erscheinen111. Die Sonderregeln der §§ 80 Abs. 4 AktG, 35a Abs. 4 GmbHG erscheinen in diesem Lichte nur mehr als richtlinienkonforme Spezialausprägungen dieses allgemeinen Grundsatzes der Publizität durch Geschäftsbriefe: als Spezialregelungen über die Anwendung allgemeiner Publizitätsgrundsätze auf die Geschäftsbriefe von Auslandsgesellschaften mit Inlandsniederlassung. b) Aber nicht nur die Systematik der Spezialregeln ist undeutlich. Undeutlich ist auch ihr Regelungsinhalt. Die §§ 80 Abs. 4 AktG, § 35a Abs. 4 GmbHG sprechen unmittelbar nur von den Angaben über die inländischen Zweigniederlassungen. Die in beiden Vorschriften enthaltene Verweisung auf die Absätze 1–3 wird aber in dem Sinne verstanden, dass Angaben nicht nur über die inländische Zweigniederlassung, sondern auch über die Auslandsgesellschaft in die Geschäftsbriefe und Bestellscheine aufzunehmen sind112. _________ 108 Vgl. insbes. Bärwaldt/Scharbacker, AG 1996, 461, 463 ff. 109 BegrRegE eines Gesetzes zur Durchführung der Elften Richtlinie, BT-Dr. 12/3908, S. 20. 110 Karsten Schmidt, JZ 2003, 585, 592. 111 Karsten Schmidt, Handelsrecht (Fn. 1), S. 337. 112 Vgl. nur Hefermehl/Spindler in MünchKomm AktG, Band 3, 2. Aufl. 2004, § 80 Rz. 11; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 35a Rz. 4; Roth/ Altmeppen, GmbHG, 4. Aufl. 2003, § 35a Rz. 6; a. M. Zöllner in Baumbach/ Hueck (Fn. 107), § 35a Rz. 5a.

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3. Die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben a) Vorgeschrieben sind nach den Spezialregeln der §§ 80 Abs. 4 Satz 1 AktG, 35a Abs. 4 Satz 1 GmbHG folgende Angaben: − Das Register der Zweigniederlassung, sowie − die Registernummer. b) Soweit nicht das Recht des Gründungsstaats Abweichungen notwendig macht113, sind aufgrund der Verweisung auf Abs. 1-3 außerdem anzugeben114: − das Register der Auslandsgesellschaft, − deren Rechtsform, − ihr Sitz und − die Geschäftsleiter. c) Die Verpflichtung zur Angabe der speziell in § 80 Abs. 4 AktG bzw. § 35a Abs. 4 GmbHG vorgeschriebenen Informationen deckt sich unmittelbar mit Art. 6 der Elften Richtlinie. Aus der Verweisung der Zweigniederlassungsrichtlinie auf Art. 4 der Publizitätsrichtlinie folgt, dass auch die Verpflichtung zur Angabe des Auslandsregisters sowie der Rechtsform und des Sitzes der Auslandsgesellschaft europarechtskonform ist. d) Weder in Art. 6 der Elften Richtlinie noch in §§ 80 AktG, 35a GmbHG besonders erwähnt ist die Firma (vgl. demgegenüber die Generalnorm des § 37a HGB). Man wird aber die Firmenangabe als Grundlage des Rechtsformzusatzes als implizit mit erfasst anzusehen haben115. Wegen der Einzelheiten kann auf die in Teil III dieser Untersuchung angestellten Überlegungen verwiesen werden. Was als Firmenangabe geboten und ausreichend ist, muss auch auf den Geschäftsbriefen stehen.

_________ 113 Diese gesetzliche Ausnahme bezieht sich nur auf Auslandsgesellschaften aus Drittstaaten. Sie soll der Tatsache Rechnung tragen, dass außerhalb der Europäischen Gemeinschaft nicht in jedem nationalen Recht die Eintragung in ein Register vorgesehen ist; vgl. BegrRegE eines Gesetzes zur Durchführung der Elften Richtlinie, BT-Dr. 12/3908, S. 20. 114 Überblick bei Wachter, GmbHR 2003, 1254, 1256. 115 Im Ergebnis auch Bärwaldt/Schabacker, AG 1996, 461, 465, a. M. Rehberg in Eidenmüller (Fn. 13), § 5 Rz. 94.

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4. Der Rechtsformzusatz Der Rechtsformzusatz müsste nach traditionellem deutschem Rechtsverständnis unter denselben Voraussetzungen wie nach der firmenrechtlichen Regelung des § 19 HGB, also bei Verwechslungsgefahr, durch einen klarstellenden Hinweis auf das maßgebliche Recht ergänzt werden116. Wie schon im Teil IV dieser Untersuchung stellen sich auch bezüglich der Geschäftsbriefe die Fragen: − Wie hat der Rechtsformzusatz zu erscheinen, ausgeschrieben oder (auch) abgekürzt? − Muss für Verständlichkeit der Haftungsstruktur in deutscher Sprache gesorgt werden? − Muss das Ursprungsland (die Ursprungsrechtsordnung) angegeben werden? In Teil IV 3 wurde herausgearbeitet, dass das deutsche Recht hinsichtlich des Rechtsformzusatzes im Grundsatz nicht strenger sein darf als das Heimatrecht der Gesellschaft, dass allerdings dieser Grundsatz unter dem Vorbehalt des Irreführungsverbots steht. Insbesondere ein ausdrücklicher Hinweis auf die Heimatrechtsordnung (z. B. „Aktiengesellschaft französischen Rechts“)117 kann seit Centros und Inspire Art trotz eines unbestreitbaren Informationsinteresses des Rechtsverkehrs nicht mehr verlangt werden118. Gleiches gilt für ein rechtspolitisch gewiss sinnvolles Gebot, den ausländischen Rechtsformzusatz auszuschreiben. Die Überlegung ist schon bekannt: Eine mittels einer inländischen Zweigniederlassung operierende Auslandsgesellschaft darf nicht stärker behindert werden als eine Auslandsgesellschaft, die direkt von ihrem ausländischen Satzungssitz operiert. Individuelle Ausnahmen aufgrund des Irreführungsverbots („EPE Europäische Produkte“) wurden bereits unter III 3 b und IV 3 c besprochen. Das dort Erwogene gilt auch hier.

5. Die Sitzangabe: Verwaltungssitz oder Satzungssitz? Weder aus §§ 80 AktG, 35a GmbHG noch aus der Zweigniederlassungsrichtlinie ist ersichtlich, welcher Sitz gemeint ist: der (nominelle) Aus_________ 116 Weitergehend noch Bärwaldt/Schabacker, AG 1996, 461, 462. 117 Dafür noch Bärwaldt/Schabacker, AG 1996, 461, 462. 118 Anders offenbar Habersack in Großkommentar zum AktG, 4. Aufl. 2003, § 80 Rz. 8.

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landssitz oder der (effektive) inländische Verwaltungssitz. Übt die Auslandsgesellschaft tatsächlich eine Geschäftstätigkeit im Ausland aus, ist nach einer verbreiteten Ansicht unter dem Sitz der effektive Verwaltungssitz der Hauptniederlassung zu verstehen119. Bei einer sog. Scheinauslandsgesellschaft ohne ausländischen Verwaltungssitz wäre dann konsequent eine Angabe des Sitzes der inländischen Zweigniederlassung erforderlich. Diese erneute Angabe des Sitzes der Zweigniederlassung in seiner Eigenschaft als Verwaltungssitz der Auslandsgesellschaft wäre jedoch nutzlos und würde sich auch nicht durch den Normzweck der §§ 80 Abs. 4 AktG, 35a Abs. 4 GmbHG, das für die Gesellschaft örtlich zuständige Gericht (Art. 5 Nr. 5 EuGVVO, §§ 17, 21 ZPO) erkennbar zu machen, rechtfertigen. § 170 ZPO stellt auf den Satzungssitz der juristischen Person ab120, so dass es auf den Verwaltungssitz nicht ankommen kann.121 Mit dem Sitz der Gesellschaft kann in den §§ 80 Abs. 1 AktG, 35a Abs. 1 GmbHG sowie in Art. 6 der Zweigniederlassungsrichtlinie i. V. m. Art. 4 der Publizitätsrichtlinie hiernach nur der (ausländische) Satzungssitz der Gesellschaft gemeint sein, und zwar unabhängig davon, ob die Gesellschaft tatsächlich im Ausland geschäftlich tätig ist oder als sog. Scheinauslandsgesellschaft ihren effektiven Verwaltungssitz nur am Ort der inländischen Zweigniederlassung hat.

6. Angabe der Geschäftsleiter? a) Zweifel wirft auch die generelle Verweisung der Absätze 4 der §§ 80 AktG, 35a GmbHG auf die Absätze 1-3 bezüglich der Angaben über die Geschäftsleiter auf. Da die meisten Auslandsrechte keine „Geschäftsführer“, „Vorstandsmitglieder“ oder „Vorsitzende des Aufsichtsrates“ im Wortsinne kennen, müssen die Regelungen auf die vergleichbaren Geschäftsleiter der jeweiligen Auslandsgesellschaft bezogen werden.122 _________ 119 Bärwaldt/Schabacker, AG 1996, 461, 463 m. w. N.; dem folgend Habersack in Großkomm AktG (Fn. 118), § 80 Rz. 8. 120 Vollkommer in Zöller, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 17 Rz. 9. 121 Dies übersehen Bärwaldt/Schabacker, AG 1996, 461, 463. 122 Vgl. zur Methode der Substitution Rehberg in Eidenmüller (Fn. 13), § 5 Rz. 73; Bärwaldt/Schabacker, AG 1996, 461, 463, verlangen bei in dem betreffenden Land abweichenden Bezeichnungen der Funktionen eine entsprechende Klarstellung auf deutsch.

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b) Ob die Verpflichtung zur Angabe der ausländischen Geschäftsleiter überhaupt vor dem Europarecht Bestand haben kann, hängt davon ab, inwieweit die Zweigniederlassungsrichtlinie als abschließend zu betrachten ist123 oder ob die Pflicht zur Angabe der Geschäftsleiter ggf. dem „Vier-Kriterien-Test“ des Gerichtshofs standhält. Es ist zweifelhaft, ob man den abschließenden Charakter der Richtlinie auf Art. 6 ausdehnen kann. Aus dem Wortlaut ihres Art. 2 ergibt sich dies nicht124, aber der insgesamt abschließende Charakter wird von der herrschenden Auffassung aus den Zwecken der Richtlinie gefolgert (s. o. unter II 3). Weder Art. 6 der Elften Richtlinie noch der dort in Bezug genommene Art. 4 der Publizitätsrichtlinie bezieht aber die Angabe der Geschäftsleiter ein. Aber selbst wenn man auf die Rechtsprechungsgrundsätze rekurriert, ist die Erforderlichkeit dieser Beschränkung zu bestreiten, zumal die Angabe für Zustellungen gegenüber der inländischen Zweigniederlassung auch ohne eine solche Angabe keine Schwierigkeit bereitet.125 In diesem Punkt verstößt die in den Absätzen 4 der §§ 80 AktG, 35a GmbHG – immerhin Bestimmungen, die in Ausführung der Richtlinie erlassen worden sind! – enthaltene Verweisung auf die Absätze 1-3 gegen europäisches Recht. Die Angabe der Geschäftsleiter kann nur bei Auslandsgesellschaften aus Nichtmitgliedsstaaten verlangt werden (ein neuerliches Schutzdefizit, auch dieses aber europarechtlich vorgegeben).

VI. Zusammenfassung und Thesen Die Untersuchung hat zu Ergebnissen geführt, die teilweise erhebliche Abstriche von dem im deutschen Unternehmensrecht erreichten Transparenzniveau mit sich bringen und verschiedentlich über die im Schrifttum angebotenen Kompromissvorschläge hinausgehen. Diese Ergebnisse sind Resultate auch aus den in diesen Text eingeflossenen Beratungen der Bonner Arbeitsgruppe126. Diese waren von der Überzeugung _________ 123 Vgl. die Nachweise oben in Fn. 39 f. 124 Insbesondere die Ausführungen in Inspire Art beziehen sich nur auf Art. 2. 125 Als „Leiter“ i. S. v. § 170 Abs. 2 ZPO sollte am Gerichtsstand der Zweigniederlassung der Leiter der Niederlassung, nicht das Leitungsorgan der Auslandgesellschaft angesehen werden. Eine Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO setzt nur voraus, dass die Zustellung an diesen „Leiter“ nicht gelingt. 126 Verf. hatte in ersten Vorschlägen mehr Publizität verlangen wollen (die Hinweise auf das maßgebliche Satzungsrecht und auf eine beschränkte Haftung eingeschlossen).

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geleitet, dass im Lichte der Zweigniederlassungsrichtlinie und der Rechtsprechung des Gerichtshofs materielle Schutzdefizite der Gesellschaftsrechte in den Mitgliedsländern nur in engen Grenzen durch nationale Publizitätsanforderungen und Warnhinweise kompensiert werden dürfen. A la longue werden die Probleme an der Stelle zu lösen sein, wohin sie im Lichte der durch Centros, Überseering und Inspire Art markierten Rechtsgrundsätze gehören: bei der materiellen Angleichung des gesellschaftsrechtlichen und firmenrechtlichen Schutzniveaus in Europa.

1. Thesen zu Teil I der Untersuchung: Grundlagen a) Die Untersuchung beschränkt sich auf ausländische Gesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz in Gestalt inländischer Zweigniederlassungen. Der bisher nicht diskutierten Frage, ob eine Auslandsgesellschaft nach § 33 HGB auch eine inländische Hauptniederlassung begründen kann, wird nicht nachgegangen. b) Inlandsniederlassungen von Auslandsgesellschaften i. S. von §§ 13d f. HGB unterliegen – wie Formkaufleute – ohne weiteres handelsrechtlichen Regeln, ohne dass es auf eine handelsgewerbliche Tätigkeit i. S. der §§ 1-3 HGB ankommt.

2. Thesen zu Teil II der Untersuchung: Methodisches a) Soweit die Elfte Richtlinie im Einklang mit primärem Europarecht Mindest- und Höchstmaße für nationale Regelungen setzt, stehen die an nationale Regelungen anzulegenden Maßstäbe fest. Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine zweistufige Prüfung durchzuführen: erstens durch Feststellung des Beschränkungscharakters der in Frage stehenden Regelung und zweitens durch die ihrerseits viergliedrige Rechtfertigungsprüfung (Nichtdiskriminierung, zwingendes Allgemeininteresse, Eignung und Erforderlichkeit). b) Die in der deutschen Inspire Art-Diskussion vielfach dominierende Anknüpfungsfrage kann diese Prüfung nicht ersetzen. Sie ist notwendiger Bestandteil der kollisionsrechtlichen Prüfung der Anwendbarkeit deutschen Rechts, kann aber dessen Regeln unter keinen Umständen der Kontrolle nach den vom Gerichtshof formulierten Regeln entziehen. 46

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B. Publizität durch Firmenrecht und Angaben auf Geschäftsbriefen

3. Thesen zu Teil III der Untersuchung: Grundregeln des Firmenrechts a) Die Regeln des § 18 HGB (Kennzeichnungsfähigkeit, Unterscheidungskraft und Verbot der Irreführung) haben in ihrer Allgemeinheit vor den Art. 43, 48 EG Bestand. Eine diesen Kriterien nicht genügende Firmierung wird nicht dadurch zulässig, dass dieser Mangel (z. B. aus sprachlichen Gründen) im Gründungsstaat nicht erkannt werden konnte („Handels B.V.“ o. ä.). Dagegen sind formalistische Rechtsprechungsregeln, die im Gründungsland nicht akzeptiert werden (z. B. Verbot der „Profi-Handwerker Ltd.“) nicht auf Auslandsgesellschaften übertragbar. b) Das Irreführungsverbot (§ 18 Abs. 2 HGB) hält dem „Vier-KriterienTest“ der EuGH-Judikatur stand. Eine irreführende Firma ist auch dann unzulässig, wenn die Eignung zur Irreführung am Gründungssitz nicht erkannt wurde oder (z. B. aus sprachlichen Gründen) nicht einmal erkannt werden konnte. c) Die Firma der Auslandsgesellschaft darf weder gegen das Gebot der Firmenunterscheidbarkeit (§ 30 HGB) noch gegen das Lauterkeitsrecht des UWG verstoßen.

4. Thesen zu Teil IV der Untersuchung: Der Rechtsformzusatz a) Der Rechtsformzusatz ist, was aus der Richtlinie nicht ablesbar ist, Firmenbestandteil und als solcher ausnahmslos erforderlich. b) Übersetzungen des Rechtsformzusatzes in die deutsche Sprache sind im Prinzip ebensowenig geboten wie besondere Hinweise auf das Heimatrecht der Auslandsgesellschaft. Jedoch hat das Irreführungsverbot in Fällen konkreter Verwechselungsgefahr Vorrang. c) Ein besonderer Hinweis auf das Herkunftsland kann nur bei Zweigniederlassungen von Gesellschaften aus einem Drittstaat verlangt werden, nicht dagegen bei Gesellschaften aus einem Mitgliedstaat. Rechtspolitisch ist dieses Ergebnis fragwürdig, aber es ist europarechtlich vorgegeben.

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B. Publizität durch Firmenrecht und Angaben auf Geschäftsbriefen

5. Thesen zu Teil V der Untersuchung: Angaben auf Geschäftsbriefen a) Die §§ 80 Abs. 4 AktG, 35a Abs. 4 GmbHG sind redaktionell wenig gelungen und vor dem Hintergrund von Art. 6 der Elften Richtlinie sowie der Generalnorm über Geschäftsbriefe (§ 37a HGB) auszulegen. b) Anzugeben sind Register und Registernummer der inländischen Zweigniederlassung sowie Register, Rechtsform und Sitz der Auslandsgesellschaft. Die Regeln implizieren auch die Angabe der Firma (vgl. auch hierzu die Generalnorm des § 37a HGB). c) Für den Rechtsformzusatz gelten dieselben Grundsätze wie bei den Thesen unter VI 4 a–c: Weder kann ein besonderer Hinweis auf das Heimatrecht der Auslandsgesellschaft verlangt werden, noch muss eine am Satzungssitz zulässige Abkürzung ausgeschrieben werden. d) Als Sitz ist der Satzungssitz der Auslandsgesellschaft anzugeben. e) Angaben über die Geschäftsleiter der Auslandsgesellschaft (vgl. §§ 80 Abs. 4 AktG, 35a Abs. 4 GmbHG i. V. m. Abs. 1 der Bestimmungen) können wegen des abschließenden Charakters der Elften Richtlinie hinsichtlich europäischer Auslandsgesellschaften nicht verlangt werden, auch wenn dies rechtspolitisch vorzugswürdig schiene.

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C. Kapitalschutz und Durchgriffshaftung bei Auslandsgesellschaften Holger Fleischer Inhaltsübersicht I. Grundlagen .............................. 1. Die Wahl der Rechtsform als Entscheidungsproblem ............ a) Einordnung der Rechtsformwahl ...................................... b) Entscheidungskriterien der Rechtsformwahl ................... c) Auslandsgesellschaften als Rechtsformalternative ......... 2. Tatsächliche und vermeintliche Vorteile einer Auslandsgesellschaft ............................... a) Angeführte Vorteile ............. b) Ausgeblendete Folgekosten . c) Irrelevante Auswahlkriterien ................................ 3. Schutzlücken zugunsten der Gesellschaftsgläubiger? ........... II. Rechtsvergleichender Überblick ................................. 1. Die Finanz- und Haftungsverfassung der englischen private limited company ........ a) Kapitalaufbringung .............. b) Kapitalerhaltung .................. c) Kapitalersatz ........................ d) Insolvenzverschleppung ...... aa) Fraudulent Trading ........ bb) Wrongful Trading .......... cc) Gläubigerschützende Geschäftsleiterpflichten in Insolvenznähe ........... e) Durchgriffshaftung .............. f) Disqualifizierung von Direktoren ............................ 2. Die Finanz- und Haftungsverfassung der Delaware close corporation ...............................

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a) Kapitalaufbringung .............. b) Kapitalerhaltung .................. c) Kapitalersatz ........................ d) Insolvenzverschleppung ...... e) Durchgriffshaftung .............. 3. Zwischenbefund ...................... III. Kollisionsrechtliche Behandlung .............................. 1. Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung ..................... 2. Durchgriffs- und Existenzvernichtungshaftung ............... 3. Mehrfachqualifikation............. a) Gesellschaftsstatut und Deliktsstatut ........................ aa) Sachrecht ....................... bb) Kollisionsrecht .............. b) Gesellschaftsstatut und Insolvenzstatut .................... aa) Sachrecht ....................... bb) Kollisionsrecht .............. (1) Allgemeine Abgrenzungskriterien ... (2) Anwendung auf die Existenzvernichtungshaftung ............ 4. Sonderanknüpfungen .............. a) Allgemeine Anforderungen . b) Sonderanknüpfungen im Gesellschaftsrecht ...............

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IV. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben .................................. 92 1. Entfaltung durch die EuGHRechtsprechung ....................... 92 2. Auswirkungen auf das nationale Gesellschaftskollisionsrecht ........................ 93

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C. Kapitalschutz und Durchgriffshaftung bei Auslandsgesellschaften 3. Reichweite der Niederlassungsfreiheit ........................ 95 a) Allgemeines ......................... 95 b) Bedeutung der kollisionsrechtlichen Einordnung ....... 97 c) Einschränkungen des Schutzbereichs ..................... 98 4. Rechtfertigung von Beschränkungen .................................... 100 a) Rechtsmissbrauch oder Betrug ................................. 100 aa) Missbrauch .................. 100 bb) Betrug ........................... 101 b) Zwingende Gründe des Allgemeininteresses .......... 102 aa) Der Vier-Faktoren-Test 102 bb) Vorrang des gemeinschaftsrechtlichen Informationsmodells ... 103 cc) Vorrang des gläubigerschützenden Gründungsrechts ......... 104 (1) Meinungsstand ....... 104 (2) Stellungnahme ........ 105 5. Gemeinschaftsrechtliche Grenzen der Rechtsformwahlfreiheit ............................ 109

V. 1. 2. 3.

a) Gegenkräfte aus dem Europäischen Gesellschaftsrecht .................................... b) Gegenkräfte aus der Europäischen Insolvenzverordnung .................................... Anwendung auf einzelne Gläubigerschutzinstrumente Kapitalaufbringung ................ Kapitalerhaltung .................... Durchgriffshaftung ................. a) Materielle Unterkapitalisierung ................................ aa) Meinungsstand ............. bb) Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit? b) Vermögensvermischung .... aa) Meinungsstand ............. bb) Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit . c) Existenzvernichtungshaftung ................................ aa) Meinungsstand ............. bb) Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit . cc) Kollisionsrechtliche Behandlung ...................

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I. Grundlagen 1. Die Wahl der Rechtsform als Entscheidungsproblem a) Einordnung der Rechtsformwahl Am Anfang aller unternehmerischen Tätigkeit steht die Suche nach einem geeigneten Rechtskleid für die Teilnahme am Geschäftsverkehr. Sie bildet neben der Standortwahl eine der grundlegenden organisatorischen Festlegungen und ist daher der strategischen Planung zuzuordnen. In der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre spricht man wegen ihrer langfristigen Bedeutung von einer Meta-Entscheidung1 _________ 1 Vgl. etwa Bea in Bea/Dichtl/Schweitzer, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Grundfragen, 8. Aufl. 2000, S. 302, 346: „langfristig wirkende Entscheidung mit konstitutivem Charakter“.

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und nähert sich ihr mit beträchtlichem Aufwand.2 Dabei gilt das Hauptaugenmerk naturgemäß dem Gründungsstadium. Gleichwohl bleibt die Auswahl der zweckmäßigsten Rechtsform eine betriebswirtschaftliche Daueraufgabe: Sie muss jeweils von neuem überprüft werden, wenn sich die wirtschaftlichen, sozialen oder rechtlichen Rahmenbedingungen ändern.3 Die juristische Infrastruktur dafür stellt das Umwandlungsgesetz zur Verfügung, das sich nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 2 UmwG bislang freilich auf nationale Rechtsträger beschränkt.4

b) Entscheidungskriterien der Rechtsformwahl Bei einer zielgerichteten Wahl der geeigneten Rechtsform werden Gesellschaftsgründer eine Reihe von Entscheidungsgesichtspunkten gegeneinander abwägen. Ihre Zusammenstellung ist auch unter einem gemeinschaftsrechtlichen Blickwinkel höchst aufschlussreich: Sie zeigt nämlich, welche korporativen Merkmalsausprägungen in das Entscheidungskalkül der Gründer eingehen und daher bei der Bestimmung des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit mitzubedenken sind.5 In den einschlägigen Übersichten werden mit geringfügigen Abweichungen folgende Auswahlkriterien genannt: (1) der Umfang der Haftung, (2) die Finanzierungsmöglichkeiten mit Eigen- und Fremdkapital, (3) die Leitungsbefugnisse, (4) die Gewinn- und Verlustbeteiligung sowie die Entnahmerechte, (5) die gesetzlichen Vorschriften über Inhalt, Umfang, Prüfung und Offenlegung des Jahresabschlusses, (6) die Flexibilität beim Gesellschafterwechsel, (7) die rechtsformabhängigen Gründungsaufwendungen und laufenden Organisationskosten sowie (8) die Steuerbelastung.6 Manche dieser Zielkriterien lassen sich nicht genau quantifizieren, und nicht alle gehen mit dem gleichen Gewicht in die Rechtsformentscheidung ein.7 Häufig erfolgt eine gewisse Vorauswahl unter _________ 2 Ausführlich etwa Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 21. Aufl. 2002, S. 267 ff. 3 Dazu Bea (Fn. 1), S. 302, 347. 4 Eingehend zum Diskussionsstand Paefgen, GmbHR 2004, 463, 464 ff.; Gestaltungsüberlegungen zur „Umwandlung“ einer GmbH in eine im Inland ansässige „limited“ bei v. Busekist, GmbHR 2004, 650. 5 Dazu unter IV 3 S. 95 ff. 6 Vgl. Bea (Fn. 1), S. 302, 350; Wöhe (Fn. 2), S. 269. 7 Zu der Zielgewichtung etwa Bea (Fn. 1), S. 302, 353.

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den Gesichtspunkten der Haftungsbeschränkung8 und Steueroptimierung.9

c) Auslandsgesellschaften als Rechtsformalternative Im Gefolge der EuGH-Troika Centros10, Überseering11 und Inspire Art12 hat sich das Tableau der verfügbaren Gesellschaftsformen schlagartig vergrößert: Neben dem numerus clausus der deutschen Rechtsformen13 stehen den Gesellschaftsgründern nunmehr zahlreiche Auslandsgesellschaften als Rechtsformalternative zur Verfügung, so dass man geneigt ist, von einem gesellschaftsrechtlichen embarras de richesse zu sprechen. Mit den erweiterten Wahlmöglichkeiten wächst freilich auch die Komplexität des Entscheidungsproblems: Die Gesellschaftsgründer müssen anhand der vorerwähnten Entscheidungskriterien zusätzlich die Vor- und Nachteile einer Auslandsgesellschaft abschätzen.14 Dies soll im Folgenden durch eine vergleichende Gegenüberstellung von deutscher GmbH und englischer private limited company geschehen.15 _________ 8 Näher Wöhe (Fn. 2), S. 271 ff. 9 Ausführlich Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform – Handbuch zur Besteuerung deutscher Unternehmen, 2002. 10 Vgl. EuGH v. 9.3.1999 – Rs C-212/97, Slg. 1999, I-1459. 11 Vgl. EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-208/00, Slg. 2002, I-9919. 12 Vgl. EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, NJW 2003, 3331. 13 Allgemein dazu Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 5 II 1, S. 96–98; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, 1980, § 1 I 1, S. 2; speziell mit Blick auf eine Erweiterung de lege ferenda Fleischer, ZHR 168 (2004), 673 ff. 14 Ebenso Wachter, GmbHR 2004, 88, 89: „Bei der Beratung von Unternehmensgründern sind daher im Rahmen der Rechtsformwahl künftig nicht nur die verschiedenen deutschen Rechtsformen miteinander zu vergleichen, sondern auch ausländische Gesellschaftsformen mit in die Betrachtung einzubeziehen.“; gleichsinnig Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, 2004, S. 3: „Die ausländische GmbH mit Interessenmittelpunkt in Deutschland wird als Möglichkeit unternehmerischer Betätigung als echte Alternative zur deutschen GmbH avancieren, auf die die Rechtsberater ihre Mandanten zukünftig werden hinweisen müssen.“ 15 Dass insoweit ein Informationsbedarf besteht, zeigt die kleine Schrift von Degenhardt, Die „Limited“ in Deutschland, 3. Aufl. 2004, die für juristische Laien eine gute Einstiegslektüre (aber nicht mehr) darstellt; ferner der Aufsatz von Westhoff, ZInsO 2004, 289 unter dem Titel: „Die Gründung einer britischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz im Inland und die Pflichten ihrer laufenden Geschäftstätigkeit – How to Set up a Limited?“. Jüngst auch

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Für diesen Vergleich spricht, dass die derzeitigen Angebote auf dem europäischen Markt für Vorratsgesellschaften ganz überwiegend englische Gesellschaften zum Gegenstand haben.16 Das spiegelt sich auch in den jüngsten Statistiken zur Verbreitung der „limited“ in Deutschland wider.17

2. Tatsächliche und vermeintliche Vorteile einer Auslandsgesellschaft a) Angeführte Vorteile Bei einem länderübergreifenden Rechtsformenvergleich fallen zugunsten der „limited“ zunächst die geringeren Gründungskosten ins Gewicht: Sie kennt – anders als die GmbH – kein Mindeststammkapital und kann außerordentlich rasch und kostengünstig gegründet werden.18 Weiterhin werden die geringeren Haftungsrisiken der Gesellschafter hervorgehoben, weil es im englischen Korporationsrecht keine verdeckte Sacheinlage19, keine Kapitalersatzregeln20 und keine Durchgriffshaftung21 gebe. Außerdem betont man die größere Flexibilität beim Gesellschafterwechsel wegen des fehlenden Beurkundungserfordernisses

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Silberberger, Die britische Limited in Österreich und Deutschland: Eine intelligente Alternative zur GmbH, 2004, sowie Heinz, Die englische Limited, 2004. Dazu Wachter, GmbHR 2004, 88, 91 mit der (über)pointierten Einschätzung, dass Großbritannien prädestiniert erscheine, sich zum europäischen Delaware zu entwickeln. Vgl. das Zahlenmaterial bei Westhoff, ZInsO 2004, 289. Dazu Triebel, BB 2003, Heft 36, Die erste Seite; Westhoff, ZInsO 2004, 289, 295; Maul/Schmidt, BB 2003, 2297, 2298; ferner Degenhardt (Fn. 15), S. 38: „Eine fix und fertig vorgegründete ‚Limited’ gibt es bereits ab ca. 200 Euro.“; relativierend aus deutscher (Notars-)Sicht Heckschen, GmbHR 2004, R 25; Wachter, GmbHR 2004, 88, 94. Vgl. Kallmeyer, DB 2004, 636, 637; Wachter, GmbHR 2004, 88, 94; genauer unten II 1 a) S. 60. Vgl. Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337, 1346; Kallmeyer, DB 2004, 636, 639; Meilicke, GmbHR 2003, 793, 805; Wachter, GmbHR 2004, 88, 93; genauer unten II. 1. c). Vgl. etwa Degenhardt (Fn. 15), S. 50: „Es bleibt dabei: Jenseits extremer Fälle bleibt die Unterkapitalisierung der ‚Limited’ ohne Sanktion.“; ähnlich Wachter, GmbHR 2004, 88, 91; genauer unten II 1 e) S. 65 ff.

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bei Anteilsübertragungen.22 In der Gegenüberstellung beider Rechtsformalternativen entsteht so bisweilen der Eindruck einer überregulierten GmbH und einer unbürokratischen „limited“.23

b) Ausgeblendete Folgekosten Gerne verschwiegen werden in diesem gründungslastigen Gesamtbild die laufenden Organisationskosten einer „limited“24: Sie ergeben sich aus der Verpflichtung zur Unterhaltung eines „registered office“ in England25, der vorgeschriebenen Bestellung eines „company secretary“26 und dem erhöhten Beratungsaufwand bei Rechtsfragen, die sich etwa bei der Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen oder der Änderung des Gesellschaftsvertrages, in der Unternehmenskrise oder bei Umstrukturierungsmaßnahmen stellen27 und über die deutsche Rechtsanwälte schon aus versicherungsrechtlichen Gründen nur selten Auskunft erteilen werden.28 Zu berücksichtigen sind außerdem die einschlägigen Vorschriften über die Erstellung und Offenlegung des Jahresabschlusses: Jede „limited“ mit Verwaltungssitz in Deutschland bleibt in England rechnungslegungs-, publizitäts- und prüfungspflichtig29; sie ist außerdem gehalten, einen jährlichen Geschäftsbericht („annual return“) zum Gesellschaftsregister („registrar of companies“) einzurei_________ 22 Vgl. Kallmeyer, DB 2004, 636, 638; die Vorzüge des Beurkundungserfordernisses hervorkehrend dagegen Heckschen, GmbHR 2004, R 25, R 26: „Die Gegenleistung besteht in einer juristisch betreuten, strukturierten, beweissicheren und auch gegenüber Umgehungen und Täuschungen Dritter sowie der staatlichen Behörden abgefaßten Urkunde.“ 23 So der Schlussbefund bei Koegel, GmbHR 2003, 1225, 1230; rechtspolitische Vorschläge für eine „Bereinigung der Finanzverfassung der GmbH“ bei Kallmeyer, GmbHR 2004, 377. 24 Darauf mit Recht hinweisend Happ/Holler, DStR 2004, 730, 735; Heckschen, GmbHR 2004, R 25; Wachter, GmbHR 2004, 88, 94; Westhoff, ZInsO 2004, 289, 295. 25 Vgl. sec. 351 CA 1985; dazu etwa Hannigan, Company Law, 2003, S. 14. 26 Vgl. sec. 283 (1) CA 1985; dazu etwa Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, 5th ed. 2003, S. 296- 298. 27 Für einen umfassenden Katalog möglicher Streitfälle Wachter, GmbHR 2004, 88, 93. 28 Vgl. Wachter, GmbHR 2004, 88, 94 unter Hinweis darauf, dass viele Berufshaftpflichtversicherungen eine Haftung für eine Beratung im ausländischen Recht ausschließen. 29 Vgl. Westhoff, ZInsO 2004, 289, 293 ff.

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chen, der Angaben über den aktuellen Satzungssitz, die Verwaltungsorgane sowie die Anteilseigner der Gesellschaft enthalten muss.30

c) Irrelevante Auswahlkriterien Von den sonstigen Auswahlkriterien erweist sich die Steuerbelastung als nicht entscheidungserheblich: Eine ausschließlich im Inland tätige „limited“ ist nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Großbritannien als in Deutschland ansässig zu behandeln31 und wird von den Finanzbehörden als unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG klassifiziert.32 Für ihre Direktoren steht damit gegebenenfalls auch eine Haftung nach § 34 AO i. V. m. § 69 AO in Rede.33 Keine nennenswerten Unterschiede ergeben sich ferner hinsichtlich der Finanzierungsmöglichkeiten mit Eigen- und Fremdkapital: Nicht anders als hierzulande wird eine Darlehenshingabe an geschlossene Kapitalgesellschaften auch in England häufig von einer Bürgschaftsübernahme durch die Gesellschafter abhängig gemacht.34 Das gilt erst recht bei der Kreditaufnahme einer „limited“ in Deutschland.35

3. Schutzlücken zugunsten der Gesellschaftsgläubiger? Tauscht man die einzelwirtschaftliche Optik der Gesellschaftsgründer gegen eine gesamtwirtschaftliche Perspektive ein, so stellen sich andere Probleme. Zu ihnen gehört die Sorge, dass sich das liberalere Gründungsrecht einer „limited“ zu Lasten inländischer Gesellschaftsgläubiger auswirke. Sie hat Anlass zu einer Fülle von Zeitschriftenbeiträgen _________ 30 Vgl. sec. 363 CA 1985; dazu Gower/Davies (Fn. 26), S. 535–537. 31 Vgl. Art. II Abs. 1 (h) (ii) DBA mit Großbritannien v. 23.3.1970, BStBl. 1971 I, 139 = BGBl. 1971 II, 45. 32 Vgl. Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337, 1344–1345; Wachter, GmbHR 2004, 88, 95. 33 Dazu Westhoff, ZInsO 2004, 289, 295. 34 Vgl. Drury/Hicks, J.B.L. 1999, 429, 442; Hannigan (Fn. 25), S. 674. 35 Ebenso Happ/Holler, DStR 2004, 730, 731–732: „Wer mit geradezu reißerischem Werbungsstil im Internet die Möglichkeit einer Geschäftstätigkeit einer limited company ohne nennenswertes Kapital geradezu suggeriert, handelt – vorsichtig ausgedrückt – unseriös.“; ähnlich Maul/Schmidt, BB 2003, 2297, 2299: „Augenwischerei für seriöse Unternehmen“; ferner Wachter, GmbHR 2004, 88, 92.

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gegeben, die sich allesamt um den Gläubigerschutz bei Auslandsgesellschaften ranken.36 Die beiden Kernfragen lauten: Ist kollisionsrechtlich eine Anwendbarkeit deutscher Gläubigerschutzvorschriften auf eine Auslandsgesellschaft begründbar? Und: Welche Grenzen sind dem Gesellschaftskollisionsrecht durch die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit gezogen?

II. Rechtsvergleichender Überblick Vor einer kollisions- und gemeinschaftsrechtlichen Würdigung empfiehlt es sich, einen orientierenden Überblick über die Finanz- und Haftungsverfassung ausländischer Kapitalgesellschaften zu gewinnen: Zum ersten verspricht er ein ausgewogeneres Gesamtbild der Gründungsvorteile und Haftungsgefahren bei der Wahl einer Auslandsgesellschaft als die Hochglanzprospekte interessierter Dienstleistungsanbieter. Zum zweiten machen namhafte Schrifttumsstimmen geltend, dass eine Sonderanknüpfung inländischer Rechtsinstitute nur dann mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar sei, wenn das ausländische Gründungsrecht keinen adäquaten Gläubigerschutz gewähre.37 Zum dritten wirkt eine rechtsvergleichende Skizze dem sprichwörtlichen „Sprung ins Dunkle“38 entgegen, den viele bei der Anwendung ausländischer Rechtssätze fürchten. Auf gedrängtem Raum muss sich der Überblick freilich auf jene beiden Rechtsformen beschränken, die praktisch die größte Rolle spielen: die englische private limited company und die close corporation des US-amerikanischen Bundesstaates Delaware. Letztere hat aufgrund des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten _________ 36 Pointiert die jüngste Zwischenbilanz bei Karsten Schmidt, ZHR 168 (2004), 493, 496–497: „Unter dem Eindruck einer den gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz in den Mitgliedstaaten zurückdrängenden EuGH-Praxis ist die gegenwärtige Diskussion von dem Bemühen beherrscht, notwendige Gläubigerschutzregeln vor dem Zugriff des Gerichtshofs in Sicherheit zu bringen.“ 37 Vgl. Behrens, IPRax 2003, 199, 206; Eidenmüller in Eidenmüller (Hrsg.), Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 3 Rz. 45 ff., 50; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 181; Kieninger, ZEuP 2004, 685, 699; Paefgen, ZIP 2004, 2253, 2257; W.-H. Roth, IPRax 2003, 117, 125; Sandrock in Sandrock/Wetzler (Hrsg.), Deutsches Gesellschaftsrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen, 2004, S. 33, 37–38; Schön, ZHR 168 (2004), 268, 293 mit Fn. 109; Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 14; wohl auch Bayer, BB 2004, 1, 4. 38 Begriffsprägend: Raape, Internationales Privatrecht, 5. Aufl. 1961, S. 90.

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vom 29.10.195439 „in ähnlicher Weise“ an der Niederlassungsfreiheit teil wie EU-Auslandsgesellschaften40 und war erst jüngst Gegenstand einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs unter dem Gesichtspunkt der Durchgriffshaftung.41 Auch der Bundesfinanzhof hat sich neuerdings mit ihrer Organträgereignung in Organschaftsverhältnissen beschäftigt.42

1. Die Finanz- und Haftungsverfassung der englischen private limited company Das englische Gesellschaftsrecht begreift private companies und public companies als Ausprägungen einer einheitlichen Kapitalgesellschaftsform und regelt sie Seite an Seite im Companies Act 1985 (CA 1985).43 Ihr gemeinsamer gesetzlicher Rahmen darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwischen der inkorporierten „ltd“ mit geschlossenem Gesellschafterkreis44 und der womöglich börsennotierten „plc“ mit breitgestreutem Anlegerkreis in rechtstatsächlicher Hinsicht häufig Welten liegen.

a) Kapitalaufbringung Eine gesetzlich vorgeschriebene Mindestkapitalziffer für private companies ist dem englischen Kapitalgesellschaftsrecht seit jeher fremd. Sec. 2 (5) (b) CA 1985 schreibt lediglich vor, dass jeder Gründergesellschafter mindestens einen Anteil übernehmen muss. Außerdem hat die sog. capital clause in der Gründungsurkunde das Nominalkapital (nominal capital, authorized capital) auszuweisen, was indes eine bloße Prognosezahl ohne praktische Aussagekraft darstellt.45 Als gebundendes Kapital im kontinentaleuropäischen Sinne ist allein das ge_________ 39 BGBl. 1956 II, 487. 40 Vgl. BGHZ 153, 353, 355; dazu Bungert, DB 2003, 1043; Merkt, RIW 2003, 458, 459; Paefgen, DZWiR 2003, 441; neuestens BGH, DStR 2004, 2113; dazu Goette, DStR 2004, 2115. 41 Vgl. BGH, AG 2004, 607; dazu Ebke, RIW 2004, 740. 42 Vgl. BFH, GmbHR 2003, 722. 43 Vgl. Gower/Davies (Fn. 26), S. 12–14 unter ausdrücklichem Hinweis auf die abweichende Rechtslage in Deutschland. 44 Zur – formalen – gesetzlichen Abgrenzung zwischen public und private company: sec. 1 (3) CA 1985. 45 Vgl. Gower/Davies (Fn. 26), S. 228.

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zeichnete Kapital (issued capital) anzusehen.46 Allerdings unterliegt seine tatsächliche Aufbringung weniger strengen Regeln als in Deutschland, und zwar in dreierlei Richtung: Was zunächst die Einlagefähigkeit anlangt, zeigt sich das englische Recht insoweit großzügiger, als es im Unterschied zum deutschen GmbH-Recht auch Verpflichtungen zu eigenen Arbeits- oder Dienstleistungen als Gegenstand einer Sacheinlage zulässt.47 Diese Liberalität setzt sich bei der Einlagebewertung nahtlos fort: Eine Werthaltigkeitskontrolle der Einlagen durch das Gericht nach dem Vorbild des § 9c Abs. 1 Satz 2 GmbHG findet nur in sehr engen Grenzen statt48: Die versprochene oder erbrachte Einlage muss lediglich den Erfordernissen der consideration-Doktrin genügen, also einen wirtschaftlichen Wert verkörpern, aber keineswegs vollwertig sein. Der Geschäftsführung eröffnet sich damit ein breiter Ermessensspielraum, der Überbewertungen von Sacheinlagen Tür und Tor öffnet.49 Ein dritter wesentlicher Unterschied betrifft die Einlagefälligkeit: Anders als nach § 7 Abs. 2 und 3 GmbHG kennt das englische Gesellschaftsrecht für Kapitalgesellschaften kein Mindesteinzahlungsgebot; in aller Regel erfolgt die Tilgung der Einlagepflicht erst nach einer Aufforderung durch den Geschäftsführer.

b) Kapitalerhaltung Hinsichtlich der Kapitalerhaltung herrschte lange Zeit ebenfalls große Liberalität50, obwohl das House of Lords schon 1882 entschieden hatte, dass keine Dividenden zu Lasten des Kapitals ausgezahlt werden dür_________ 46 Vgl. Hannigan (Fn. 25), S. 559. 47 Dazu Pennington, Company Law, 8th ed. 2001, S. 167 und 172; rechtsvergleichend Micheler, ZGR 2004, 324, 326. 48 Vgl. Re White Star Line [1938] Ch. 458; aus der Lehrbuchliteratur Gower/ Davies (Fn. 26), S. 234–235: „[I]t seems that the parties’ valuation of the noncash consideration will be accepted as conclusive unless its inadequacy appears on the face of the transaction or there is evidence of bad faith.“ 49 Vgl. bereits Lord Watson in Ooregum Gold Mining Co. of India v. Roper [1892] AC 125, 137: „The rule is capable of being abused and I have little doubt that it has been liberally construed in practice.“; ähnlich Gower/Davies (Fn. 26), S. 235: „Hence, on the issue for a non-cash consideration it is possible to ‘water’ the shares by agreeing to accept payment in property which is worth less than the nominal value of the shares.“ 50 Für eine zeitgenössische Bestandsaufnahme Yamey, Mod. L. Rev. 1941, 273; rückblickend aus heutiger Sicht Gower/Davies (Fn. 26), S. 275–276.

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fen.51 Unbeanstandet blieben etwa Ausschüttungen laufender Gewinne ohne vorherigen Ausgleich der aufgelaufenen Verluste aus früheren Jahren52 (sog. nimble dividends53) oder Dividendenausschüttungen nach einer bilanziellen Neubewertung von Gegenständen des Anlagevermögens.54 Diese und andere Schlupflöcher wurden durch eine große Reform der Kapitalerhaltungsvorschriften im Jahre 1980 geschlossen.55 Nach der Grundregel des sec. 263 (1) CA 1985 dürfen Ausschüttungen heute nur noch aus verfügbaren Gewinnen erfolgen; Verluste aus vorangegangenen Perioden sind gemäß sec. 263 (3) CA 1985 zuvor auszugleichen. Das solchermaßen festgeschriebene Verbot der Einlagenrückgewähr erstreckt sich auch auf verdeckte Gewinnausschüttungen56: In einer Entscheidung aus dem Jahre 1982 sind Zahlungen für nicht erbrachte Dienstleistungen als Einlagenrückgewähr angesehen worden57; in einer Folgeentscheidung aus dem Jahre 1989 hat man die Veräußerung eines Gesellschaftsgrundstücks an einen Strohmann des Hauptgesellschafters als Gesetzesverstoß angesehen58; in einer dritten Entscheidung aus dem Jahre 1996 wurde die Haftungsübernahme im Konzern als verdeckte Einlagenrückgewähr gewertet.59 Bei unzulässigen Gewinnausschüttungen sieht sec. 277 (1) CA 1985 einen gesetzlichen Rückgewähranspruch der Gesellschaft gegen Anteilseigner vor, die von der Unzulässigkeit wussten oder hätten wissen müssen. Hinzu tritt ein Rückgewähranspruch aus dem common law unter dem Gesichtspunkt des constructive trust.60 Eine ausdrückliche Anspruchsgrundlage gegen die Geschäftsführer fehlt, doch springt hier seit jeher das common law in die Bresche.61 Dass die Geschäftsführer _________ 51 Grundlegend Re Exchange Banking Co, Flitcroft’s Case [1882] 21 Ch. D. 519, 533; außerdem: Trevor v. Whitworth [1887] 12 App. Cas. 409. 52 Vgl. Ammonia Soda Co. v. Chamberlain [1918] 1 Ch. 266; Re National Bank of Wales Ltd. [1899] 2 Ch. 629. 53 Zum Begriff Gower/Davies (Fn. 26), S. 275 unter Übernahme des US-amerikanischen Sprachgebrauchs; dazu noch weiter unten II. 2. b) bei Fn. 123. 54 Vgl. Dimbula Valley (Ceylon) Tea Co. Ltd. v. Laurie [1961] Ch. 353, 371–373. 55 Näher Hannigan (Fn. 25), S. 619 ff. 56 Dazu Gower/Davies (Fn. 26), S. 279–280; rechtsvergleichend Micheler, ZGR 2004, 324, 328–329. 57 Vgl. Re Halt Garage (1964) Ltd. [1982] 3 All E.R. 1016. 58 Vgl. Aveling Barford Ltd. v. Perion Ltd. [1989] BCLC 626. 59 Vgl. Barclays Bank v. British & Commonwealth Holdings Plc. [1996] 1 BCLC 1. 60 Vgl. Dippings Ltd. v. Precision Dippings Marketing Ltd. [1985] BCLC 385, 390. 61 Klassisch: Re Exchange Banking Co., Flitcroft’s Case [1882] 21 Ch. D. 519; modern: Bairstow v. Queen’s Moat Houses plc [2001] 2 BCLC 531.

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sich bei ihrer Ausschüttungsentscheidung auf vorgelegte Bilanzen verlassen haben, hilft ihnen nicht, wenn die Bilanzen ersichtlich kein getreuliches Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelten.62 Einen gesetzlichen Mindestschutz gegen gläubigerschädigende Ausschüttungen im Insolvenzfall bieten schließlich noch die im Insolvency Act (IA) von 1986 neugeordneten Anfechtungstatbestände, die freilich nicht speziell auf gesellschaftsrechtliche Sachverhalte zugeschnitten sind. Dazu gehören vor allem sec. 238 IA (transactions at an undervalue)63 und sec. 239 IA (preferences).64

c) Kapitalersatz Ein Sonderrecht für kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen hat sich in England nicht herausgebildet. Die Gelegenheit dazu ließ das House of Lords schon früh in dem Jahrhundertfall Salomon v. Salomon verstreichen, in dem der Schuhmacher Salomon sein einzelkaufmännisches Unternehmen in eine private company eingebracht und als Gegenleistung Anteile und Schuldverschreibungen der Gesellschaft erhalten hatte. Als die Gesellschaft später insolvent wurde, lehnten es die Lordrichter letztinstanzlich ab, Salomons Schuldverschreibungen als haftendes Eigenkapital anzusehen und hinter die Forderungen der anderen Gesellschaftsgläubiger zurückzusetzen.65 Neuere Fälle, in denen eine Überprüfung dieser hergebrachten Position nahegelegen hätte, wurden ausschließlich unter dem Gesichtspunkt materieller Unterkapitalisierung gewürdigt und im Ergebnis negativ beschieden. Illustrativ ist die Entscheidung Re Polly Peck, in der eine Tochtergesellschaft mit einem gezeichneten Kapital von 25000 SFr. von ihrer Muttergesellschaft ein Darlehen in Höhe von 700 Mio. SFr. erhalten hatte und dennoch nicht als unterkapitalisiert eingeordnet wurde.66

_________ 62 Vgl. Bairstow v. Queen’s Moat Houses plc [2001] 2 BCLC 531; Allied Carpets Group plc v. Nethercott [2001] BCC 81. 63 Zu allen Einzelheiten Finch, Corporate Insolvency Law, 2002, S. 402–405; Hannigan (Fn. 25), S. 853–858. 64 Näher dazu Finch (Fn. 63), S. 399–402; Hannigan (Fn. 25), S. 858–862. 65 Vgl. Salomon v. Salomon [1897] AC 22. 66 Vgl. Re Polly Peck International plc (in administration) [1996] 2 All ER 433, 447.

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d) Insolvenzverschleppung Eine Insolvenzantragspflicht nach kontinentaleuropäischem Muster ist dem englischen Recht fremd. Allerdings gibt es durchaus eine insolvenzrechtliche Krisenverschleppungshaftung der Geschäftsleiter, die sich in die beiden Einzeltatbestände des fraudulent trading und des wrongful trading auffächern lässt.67 Zudem finden sich in der Spruchpraxis Ansatzpunkte für gläubigerbezogene Geschäftsleiterpflichten in Insolvenznähe.68

aa) Fraudulent Trading Der Tatbestand des fraudulent trading, dessen Wurzeln bis in die späten zwanziger Jahre zurückreichen, hat im Zuge der Insolvenzrechtsreform in sec. 214 des Insolvency Act 1986 (IA 1986) eine neue Heimstatt gefunden. Seine praktische Durchschlagskraft ist freilich wegen der strengen subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen, die eine Betrugsabsicht – in klassischer richterlicher Interpretation: „actual dishonesty involving, according to current notions of fair trading among commercial men, real moral blame“69 – verlangen, zu allen Zeiten gering geblieben. Vor einem derartigen Unwerturteil scheuten die Gerichte in der Regel zurück. Sie billigten den Geschäftsführungsorganen statt dessen die Hoffnung auf einen günstigen Ausgang zu, wofür sich in der Spruchpraxis die Bezeichnung sunshine-doctrine herausgebildet hat: Eine Betrugsabsicht scheidet danach aus, wenn die Direktoren ungeachtet aller finanziellen Schwierigkeiten glaubten, die Wolken verschwänden und die Sonne komme wieder zum Vorschein.70

bb) Wrongful Trading Der gesetzliche Konstruktionsfehler der Haftung für betrügerische Geschäftsfortführung blieb in der englischen Reformdiskussion nicht unbemerkt. Schon das Jenkins Committee hatte 1962 die Einführung einer neuen Vorschrift empfohlen, die eine Haftung der Leitungsorgane _________ 67 68 69 70

Vgl. vorerst nur Finch (Fn. 63), S. 510 ff. Dazu vorerst nur Hannigan (Fn. 25), S. 204 ff. Maugham in Re Patrick Lyon Ltd. [1933] Ch. 786, 790–791. So die Formulierung in Re White & Osmond (Parkstone) Ltd., unveröffentlicht, aber zitiert in R. v. Grantham [1984] 2 All ER 166, 170.

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bereits bei grober Fahrlässigkeit (recklessness) ermöglichen sollte71, und das Cork Committee sprach sich in seinem Reformgutachten aus dem Jahre 1982 für eine noch weiter reichende Herabsenkung der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen aus.72 Der Gesetzgeber hat die Anregung aufgegriffen und in sec. 214 IA eine Haftung wegen wrongful trading eingeführt. Sie trifft den Geschäftsleiter einer insolventen company, wenn er seit Kriseneintritt nicht jeden möglichen Schritt unternommen hat, um den Schaden für die Gesellschaftsgläubiger möglichst gering zu halten73, wofür ihm die Beweislast obliegt.74 In subjektiver Hinsicht setzt die Krisenverschleppungshaftung weiter voraus, dass der Geschäftsleiter die Unvermeidbarkeit der Insolvenz vorhergesehen hat oder hätte vorhersehen können.75 Welche Anforderungen an die Geschäftsleiter im Einzelnen zu stellen sind, sollte nach Auffassung des Gesetzgebers den Gerichten überlassen bleiben. Sec. 214 (4) IA gibt dem Rechtsanwender als Richtschnur lediglich an die Hand, dass es auf die allgemeinen Fähigkeiten eines umsichtigen Geschäftsleiters in der Stellung des Direktors ankommen soll, wobei ein persönliches Sonderwissen zusätzlich zu berücksichtigen sei.76 Die Gerichte nehmen bei der Ausformung dieses Verhaltensmaßstabes auf den Zuschnitt der betreffenden Gesellschaft Bedacht.77 Von Geschäftsleitern, die ein großes Unternehmen mit weitverzweigten oder besonders risikoreichen Geschäftsbereichen führen, wird ein gesteigertes Maß an Sachverstand und Sorgfalt verlangt. Andererseits gelten auch für private companies gewisse Mindestanforderungen: Kein Geschäftsleiter kann sich darauf berufen, wegen zu spät erstellter Bilanzen nichts von der bedrohlichen finanziellen Lage der Gesellschaft gewusst zu haben.78 Im Übrigen präsentiert sich die spärliche Spruchpraxis uneinheitlich. Einerseits entschied Knox J. in Re Produce Marketing Consortium Ltd., dass Geschäftsleiter dann wegen wrongful trading belangt werden können, wenn sie wussten, dass die Gesell_________ 71 Vgl. Report of the Company Law Committee, 1962, Cmnd 1749, § 503 (b). 72 Vgl. Insolvency Law Review Committee, Insolvency Law and Practice, 1982, Cmnd. 8558, §§ 1776 ff. 73 Vgl. sec. 214 (3) IA. 74 Vgl. statt vieler Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, 2d ed. 1997, S. 470. 75 Vgl. sec. 214 (2) (b) IA. 76 Dazu des näheren Goode (Fn. 74), S. 470 ff. 77 Vgl. Re Produce Marketing Consortium Ltd. (No. 2) [1989] BCLC 520. 78 Vgl. Re D.K.C. Contractors Ltd. [1990] BCC 903.

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schaft in zwei aufeinander folgenden Jahren Verluste erlitten hat, deren Umsatz zurückging und deren Verbindlichkeiten das Aktivvermögen überstiegen.79 Andererseits hat Vinelott J. in Re Purpoint Ltd. eine insolvenzrechtliche Haftung abgelehnt, obwohl die betreffende Gesellschaft hoffnungslos unterkapitalisiert war.80 Auf der Rechtsfolgenseite gewährt sec. 214 (1) IA den Gerichten ein breites Ermessen.81 Festgesetzt werden kann dem Gesetzeswortlaut zufolge „such contribution (if any) to the company’s assets as the court thinks proper“. Nach einer Entscheidung aus dem Jahre 2002 bemisst sich der Altgläubigerschaden nach dem „net increase in deficiency“82, was in etwa unserem Quotenschaden entspricht.83 Ansprüche der Neugläubiger auf Ausgleich ihres vollen Schadens hat die Chancery Division dagegen in einem Urteil aus dem Jahre 1991 brüsk abgelehnt.84 Damit bleibt das englische Recht in einem wichtigen Punkt hinter der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung nach Maßgabe des § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG zurück, die nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch den Neugläubigern zugute kommt.85 Insgesamt fällt die Bewertung der wrongful trading-Haftung, die im Jahre 1986 in England nahezu überschwenglich begrüßt wurde86, heute eher _________ 79 [1989] BCLC 520. 80 [1991] BCLC 491. 81 Eingehend und rechtsvergleichend Fleischer, ZGR 2004, 437, 460–461; ferner Hirt, ECFR 2004, 71. 82 Vgl. Re Continental Assurance Company of London plc [2002] BPIR 733, 821; dazu Walters, Insolvency Lawyer 2001, 211. 83 Rechtsvergleichend Fleischer in Ferrarini/Hopt/Winter/Wymeersch (eds.), Reforming Company and Takeover Law in Europe, 2004, S. 373, 396 ff. 84 Vgl. Re Purpoint Ltd. [1991] BCLC 491, 499: „The purpose is to recoup the loss to the company so as to benefit the creditors as a whole. The Court has no jurisdiction to direct payments to creditors or to direct that moneys paid to the company should be applied in payment of one class of creditors in preference to another. Moreover, creditors whose debts are incurred after the critical date in fact have no stronger claim than those whose debts were incurred before that date. The former class also suffers to the extent that the assets of the company are depleted by wrongful trading.“; zustimmend Prentice, [1990] 10 Journal of Oxford Legal Studies 265, 272–273. Vgl. auch Gower/Davies (Fn. 26), S. 198: „It seems that the contribution from the directors is to the assets of the company generally and not for the particular benefit of those who became creditors of the company during the period of wrongful trading.“ 85 Grundlegend BGHZ 126, 181. 86 Vgl. etwa Prentice [1990] 10 Oxford J. Legal Stud. 265, 277: „one of the most important developments in company law this century“.

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ernüchternd aus87, zumal einschlägige Gerichtsentscheidungen bisher an den Fingern einer Hand abzuzählen sind.88 Ob sich dies durch die kürzlich in Kraft getretene Reform der Insolvency Rules 1986 ändern wird, die den liquidators eine verbesserte Prozessfinanzierung in Aussicht stellt89, bleibt abzuwarten.

cc) Gläubigerschützende Geschäftsleiterpflichten in Insolvenznähe Schließlich ist noch auf eine jüngere Entwicklungslinie der englischen Spruchpraxis hinzuweisen, Gläubigerinteressen in Insolvenznähe als konstitutionellen Bestandteil des Gesellschaftsinteresses anzuerkennen.90 Zur Begründung verweisen die Gerichte darauf, dass die Gesellschaftsgläubiger berechtigt seien, Anteilseigner und Direktoren aus ihrer Verfügungsgewalt über das Gesellschaftsvermögen zu verdrängen.91 Nach vorherrschender Auffassung bestehen die gläubigerbezoge_________ 87 Vgl. Cheffins, Company Law. Theory, Structure and Operation, 1997, S. 539– 541; Finch (Fn. 63), S. 513–515; abschwächend Hirt, ECFR 2004, 71, 103; s. auch Pettet, Company Law, 2001, S. 39: „On the other hand the infrequency of proceedings is probably not an accurate pointer to the effectiveness of the provision. In many situations the wrongful trading provisions are probably operating on the minds of directors, who will have been warned by their accountants about the dangers they face once the company becomes insolvent.“ 88 Eingehend jüngst Hirt, ECFR 2004, 71; rechtsvergleichend Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174; zuvor bereits Fleischer, DStR 2000, 1015, 1018. 89 Dazu Tolmie, Insolvency Lawyer 2003, 153; anders die vorangegangene Rechtsprechung, namentlich Re Floor Fourteen Ltd. [2001] 2 BCLC 392; dazu Gower/Davies (Fn. 26), S. 200: „In this situation, it is not surprising that there is little reported litigation on s. 214 and, one suspects, fewer cases than would occur were the liquidator able to make a credible threat of litigation.“ 90 Vgl. Kinsela v. Russell Kinsela Pty Ltd. (1986) 10 ACLR 395, 401; West Mercia Safetywear Ltd. v. Dodd [1988] BCLC 250, 252; Gwyer v. London Wharf (Limehouse) Ltd. [2002] All ER (D) 226; s. auch Brady v. Brady [1989] AC 755, 778. 91 Vgl. Kinsela v. Russell Kinsela Pty Ltd. [1986] 10 ACLR 395, 401: „But where a company is insolvent the interests of the creditors intrude. They become prospectively entitled, through the mechanism of liquidation, to displace the power of the shareholders and directors to deal with the company’s assets. It is in a practical sense their assets and not the shareholders’ assets that, through the medium of the company, are under the management of the directors pending either liquidation, return to solvency, or the imposition of some alternative administration.“; zustimmend zitiert in West Mercia Safetywear Ltd. v. Dodd [1988] BCLC 250, 252; bestätigt durch Yokong Line Ltd. of Korea v. Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998] 1 WLR 294, 311–312.

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nen Geschäftsleiterpflichten allerdings nur gegenüber der Gläubigergesamtheit und nicht gegenüber einzelnen Gläubigern.92 Der Abschlussbericht der britischen Gesellschaftsrechts-Reformkommission vom Juni 2001 hatte vorgesehen, die referierte Rechtsprechung in Gesetzesform zu gießen und den Verwaltungsmitgliedern aufzugeben, die Gläubigerinteressen mitzuberücksichtigen, sobald sie wissen oder hätten wissen müssen, dass die Gesellschaft mit überwiegender Wahrscheinlichkeit künftig nicht imstande sein werde, ihre Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu erfüllen.93 Das offizielle White Paper der Regierung vom Juli 2002 hat sich jedoch gegen eine solche Vorverlagerung ausgesprochen, weil sie der „rescue culture“ zuwiderlaufe, welche die Regierung zu etablieren suche.94 Auf Gesetzesebene verbleibt es daher einstweilen bei der wrongful trading-Haftung des Insolvency Act von 1986.

e) Durchgriffshaftung Man sollte meinen, dass eine Rechtsordnung ohne Mindestkapitalziffer für geschlossene Korporationen einem Durchgriff auf die dahinter stehenden Gesellschafter großzügiger Raum gewährt. Diese Erwartungen werden enttäuscht: Die englische Spruchpraxis zeigt bis heute nur wenig Bereitschaft, von dem haftungsrechtlichen Trennungsprinzip abzurücken. Den Ausgangs- und Endpunkt aller gesellschaftsrechtlichen Diskussionen um eine Durchgriffshaftung bildet die schon erwähnte Jahrhundertentscheidung des House of Lords in Sachen Salomon v. Salomon.95 Der Fall betraf einen Schuhfabrikanten, der sein einzelkaufmännisches Unternehmen in eine ihm und treuhänderisch beteiligten Familienmitgliedern gehörende Kapitalgesellschaft eingebracht hatte. _________ 92 Vgl. Gower/Davies (Fn. 26), S. 373. 93 Vgl. Department of Trade and Industry, Modern Company Law for a Competitive Economy, Final Report (July 2002), Tz. 3.12–3.20. 94 Vgl. White Paper, Modernising Company Law, Presented to Parliament by the Secretary of State for Trade and Industry by Command of Her Majesty (July 2002), S. 27–28, Tz. 3.8–3.14, insbesondere 3.11: „Directors would need to take a finely balanced judgement, and fears of personal liability might lead to excessive caution. This would run counter to the ‘rescue culture’ which the Government is seeking to promote through the Insolvency Act 2000 and the Enterprise Bill now before Parliament.“ 95 [1897] AC 22; für eine ausführliche Würdigung anläßlich des hundertjährigen Geburtstages der Entscheidung Sealy, 16 Company and Securities L.J. 176 (1998).

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Als diese Gesellschaft binnen Jahresfrist Konkurs anmelden musste, klagten die ungesicherten Gläubiger gegen Salomon auf Schadensersatz und behielten in den ersten beiden Instanzen die Oberhand. Das House of Lords lehnte dagegen eine persönliche Haftung des herrschenden Gesellschafters ab und betonte die Selbständigkeit der juristischen Person.96 Mit dem damit höchstrichterlich festgeschriebenen Trennungsprinzip blieb für eine Durchgriffshaftung von vornherein wenig Spielraum. Prägend für das juristische Bild der private limited company ist vielmehr ihre rechtliche und organisatorische Selbständigkeit, die durch die Umsetzung der Einpersonen-Gesellschafts-Richtlinie ins englische Recht weiter verstärkt worden ist.97 Die Salomon-Doktrin bildet bis heute ein mächtiges Bollwerk gegen einen haftungsrechtlichen Durchgriff auf die Gesellschafter. Im Laufe der Zeit hat es allerdings nicht an Versuchen gefehlt, das allgemeine Durchgriffsverbot wenigstens in Teilbereichen zurückzudrängen. Systematisch lassen sich drei Anwendungsfelder unterscheiden98: Erstens wird eine Auflockerung zuweilen bei der Auslegung von Gesetzen, Verträgen oder sonstigen Dokumenten in Erwägung gezogen; zweitens kommt eine Durchbrechung des Trennungsprinzips in Betracht, sofern die Gesellschaft nach der Überzeugung des Gerichts eine bloße Fassade bildet; drittens ist eine persönliche Haftung der Gesellschafter begründbar, wenn die Gesellschaft als bevollmächtigter Vertreter für ihre Gesellschafter gehandelt hat. Im vorliegenden Zusammenhang ließe die zweite Fallgruppe an sich einen gewissen Spielraum, doch steht die Spruchpraxis dem veil piercing gerade bei unterkapitalisierten Gesellschaften reserviert gegenüber. Obwohl das griffige Bild der „mere facade simply concealing the true facts“99 auf sie vorderhand zu passen scheint, lehnen die Gerichte eine persönliche Haftung der Gesellschafter selbst bei hoffnungslos unterkapitalisierten Gesellschaften fast

_________ 96 Vgl. Lord Halsbury in Salomon v. Salomon [1897] AC 22, 31: „Either the limited company was a legal entity or it was not. If it was the business belonged to it and not to Mr. Salomon.“ 97 Allgemein etwa Gower/Davies (Fn. 26), S. 27–30 unter der Überschrift „Legal entity distinct from its members“. 98 Vgl. Gower/Davies (Fn. 26), S. 184 ff.; ausführliche Aufbereitung des Fallmaterials mit umfassenden Nachweisen bei Fleischer, AG 1999, 350, 353 ff. 99 Woolfson v. Strathclyde Regional Council, 1978 S.L.T. 159; eingehend dazu Hannigan (Fn. 25), S. 69 ff.

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durchweg ab.100 In einer Leitentscheidung aus dem Jahre 1990 fasste der Court of Appeal seinen Rechtsstandpunkt zur Haftungsabschottung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft in der Sentenz zusammen, dass „whether or not this is desirable, the right to use a corporate structure in this manner is inherent in our corporate law.“101 Nachfolgende Urteile haben den mere facade test bekräftigt102 und ein veil piercing nur ausnahmsweise zugelassen.103

f) Disqualifizierung von Direktoren Eine letzte Waffe im Arsenal des kapitalgesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes bilden die Tätigkeitsverbote für Organmitglieder104, die vornehmlich die Geschäftsleiter geschlossener Gesellschaften ins Visier nehmen und den Missbrauch der beschränkten Haftung zu unterbinden suchen.105 Sedes materiae ist der Company Directors Disqualification Act von 1986, der heute zu den praktisch wichtigsten Teilbereichen des englischen Kapitalgesellschaftsrechts gehört. Die offizielle Statistik weist für den Zeitraum von 2001 – 2002 nicht weniger als 1.929 Disqualifizierungen auf, die zumeist auf das Verdikt der Ungeeignetheit zur Unternehmensführung gestützt werden.106 Mit der Verfahrenseinleitung und Sachverhaltsaufklärung ist die Insolvency Agency betraut. _________ 100 Vgl. etwa Re Polly Peck International plc (in administration) [1996] 2 All ER 433; zusammenfassend Gower/Davies (Fn. 26), S. 189: „The doctrine of lifting the veil plays a small role in British company law, once one moves outside the area of particular contracts or statutes. Even where the case for applying the doctrine may seem strong, as in the under-capitalised oneperson company, which may or may not be part of a larger corporate group, the courts are unlikely to do so.“ 101 Adams v. Cape Industries plc [1990] Ch. 433, 544. 102 Vgl. Trust AB v. Smallbone [2001] 2 BCLC 436; Ord v. Belhaven Pubs Ltd. [1998] BCC 607; dazu Walters, Company Lawyer 1998, 228. 103 Vgl. zuletzt Trustor AB v. Smallbone [2001] 2 BCLC 436. 104 Eingehend Hannigan (Fn. 25), S. 315 ff.; rechtsvergleichend Fleischer, WM 2004, 157, 160 ff. 105 Vgl. Gower/Davies (Fn. 26), S. 213: „This demonstrates that it is misuse of the facility of limited liability which lies at the basis of disqualification orders.“; ähnlich die Beobachtung von Hicks, J.B.L. 2001, 431, 442: „The vast majority of directors coming before the disqualification courts are private company director/sole proprietors of the first kind.“ 106 Zahlenmaterial zuletzt bei Griffin, Insolvency Lawyer 2002, 33.

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Einzelheiten sind hier nicht zu vertiefen, zumal die Wirksamkeit dieses Instrumentes gegenüber Auslandsgesellschaften beschränkt ist.107

2. Die Finanz- und Haftungsverfassung der Delaware close corporation Das Kapitalgesellschaftsrecht von Delaware, dem wichtigsten Inkorporationsort in den Vereinigten Staaten, ist im Delaware General Corporation Law (DGCL) geregelt. Unter seinem weit gewölbten Einheitsdach pflegt man public corporations und close corporations zu unterscheiden.108 Für die close corporation, die in vielerlei Hinsicht der deutschen GmbH gleicht109, sieht Subchapter XIV in den §§ 341 – 352 DGCL gewisse Sonderregeln vor; ansonsten gelten auch für sie die allgemeinen Vorschriften.

a) Kapitalaufbringung Das Gesellschaftsrecht Delawares kennt – wie das der meisten anderen Gliedstaaten – kein gesetzliches Garantiekapital mehr110, seit das Mindestkapitalerfordernis von 1000 $ im Jahre 1967 abgeschafft wurde.111 Soweit Gesellschaftsanteile zum Nennwert ausgegeben werden, bildet _________ 107 Dies könnte sich durch eine Initiative der Europäischen Kommission zur gemeinschaftsweiten Einführung und Anerkennung von Tätigkeitsverboten für Direktoren ändern, vgl. EG-Kommission, Aktionsplan zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union, KOM 2003, 284 endg., Ziff. 3.1.3; dazu Fleischer, ZGR 2004, 437, 472 ff.; Hopt in Festschrift Doralt, 2004, S. 213, 233–234. 108 Vgl. zur gesetzlichen Definition der close corporation § 342 (a) DGCL. 109 Vgl. den Titel der rechtsvergleichenden Abhandlung von Bungert, Die GmbH im US-amerikanischen Recht – Close Corporation, 1993. 110 Vgl. Allen/Kraakman, Commentaries and Cases on the Law of Business Organization, 2003, S. 137: „[W]ithin the United States, statutory minimum capital requirements are either truly minimal ($ 1000) or entirely nonexistent. (Neither the DGCL nor the RMBCA requires a minimum capital amount as a condition of incorporation.)“; ähnlich Bainbridge, Corporation Law and Economics, 2002, S. 770: „In the nineteenth century, many states gave teeth to the trust fund doctrine through minimum capital requirements. Over time, however, it became obvious that one size does not fit all and minimum capital requirements have faded from view. Few states have them today and those that do set the minimum at nominal amounts.“ 111 Allgemein zur konzeptionellen Entwicklung Manning/Hanks, Legal Capital, 3d ed. 1990, S. 20 ff.

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deren Summe das Stammkapital (stated capital) der Gesellschaft. Nach § 153 (2) DGCL dürfen jedoch auch echte nennwertlose Anteile (no par value shares) ausgegeben werden, so dass es kein nominelles Stammkapital gibt. Was die Einlagefähigkeit anlangt, gestattet § 152 DGCL Bareinlagen sowie Sacheinlagen in Form von erbrachten Dienstleistungen, beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie Nutzungsrechten an Grundstücken. Andere Einbringungsformen, insbesondere zukünftige Dienstleistungen, sind im Gegensatz zur liberaleren Regelung des Revised Model Business Corporation Act112 nicht erlaubt.113 Das hat beträchtliche Auswirkungen auf die gesellschaftsvertragliche Gestaltungspraxis.114 Hinsichtlich der Einlagebewertung hat sich in § 152 DGCL die sog. good faith rule gegen die sog. true value rule durchgesetzt115: Danach obliegt es allein den Verwaltungsmitgliedern zu entscheiden, ob die erbrachte Sacheinlage den versprochenen Wert erreicht hat. Ihre Beurteilung ist sowohl für die Gesellschaft als auch für ihre Anteilseigner und Gläubiger abschließend, sofern kein tatsächlicher Betrug (actual fraud) vorliegt.116 Bei einer eklatanten Überbewertung von Sacheinlagen helfen die Gerichte Delawares gelegentlich mit der Rechtsfigur des constructive fraud.117 Insgesamt steht das Recht der Kapitalaufbringung daher auf tönernen Füßen118; die Doktrin des watered stock hat heute angesichts der verbreiteten Ausgabe nennwertloser Anteile ihre frühere Bedeutung weithin eingebüßt.119 _________ 112 Vgl. § 6.21 (b) RMBCA: „The board of directors may authorize shares to be issued for consideration consisting of any tangible or intangible property or benefit to the corporation, including cash, promissory notes, services performed, contracts for services to be performed, or other securities of the corporation.“ 113 Dazu Bainbridge (Fn. 110), S. 772: „In particular, Delaware does not permit its corporations to issue stock in return for a promise of future services.“ 114 Für ein Beispiel Maclary v. Pleasant Hills, Inc., 109 A.2d 830 (Del. Ch. 1954). 115 Näher zur theoretischen Entwicklung Henn/Alexander, Laws of Corporations, 3d ed. 1983, § 167, S. 420–421. 116 Vgl. Bainbridge (Fn. 110), S. 772. 117 Vgl. In re Tri-Star Pictures, Inc., Litigation, 634 A.2d 319 (Del. 1993); s. aber auch Haft v. Dart Group Corp., 841 F. Supp. 549 (D. Del. 1993). 118 Vgl. Bainbridge (Fn. 110), S. 772: „Allegations that the board acted improperly in assigning a value to the consideration are therefore relegated to tort fraud rules and corporate fiduciary duties.“ 119 Vgl. abermals Bainbridge (Fn. 110), S. 771: „Consequently, today, watered stock is largely a dead issue. Corporations issue no par or low par stock and sell it at the highest price the shares will bring in the primary market. As long as the investor pays something for his shares, the par value requirement will be satisfied.“

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b) Kapitalerhaltung Vorkehrungen gegen gläubigergefährdende Gewinnausschüttungen trifft der Gesetzgeber Delawares in § 170 DGCL. Sie bleiben freilich hinter dem kontinentaleuropäischen Schutzniveau zurück und sind auch weniger streng als die Ausschüttungssperren in Kalifornien120 oder New York121. Zulässig sind zunächst Dividendenzahlungen aus dem Reinvermögen (surplus), d. h. dem Überschuss der Vermögensgegenstände über das Stammkapital.122 Fehlt es daran, so steht es den Verwaltungsmitgliedern frei, sog. nimble dividends123 aus dem Gewinn des laufenden oder vergangenen Steuerjahres auszuschütten. Bei Verstößen gegen diese Ausschüttungsregeln haften die verantwortlichen Verwaltungsmitglieder gemäß § 174 (a) DGCL persönlich und solidarisch.124 Eine etwaige Haftungsfreistellung in der Satzung125 entfaltet keine Wirkung.126 Allerdings dürfen sich die Verwaltungsmitglieder bei ihrer Ausschüttungsentscheidung nach § 172 DGCL grundsätzlich auf die Unterlagen der Gesellschaft und die Bewertungsauskünfte von Unternehmensangehörigen, board-Ausschüssen oder außenstehenden Sachverständigen verlassen.127 Zudem gibt es keine ausdrückliche Anspruchsgrundlage gegen Anteilseigner, die unzulässige Dividendenzahlungen erhalten haben128, wiewohl die Verwaltungsmitglieder ihrerseits bei bösgläubigen Anteilseignern Rückgriff nehmen können.129 Ferner können Haftungsansprüche nach § 174 DGCL grundsätzlich nur von _________ 120 Vgl. Cal. Corp. Code § 500. 121 Vgl. N.Y. Bus. Corp. Law § 510. 122 Vgl. § 154 DGCL; zum Begriff auch Henn/Alexander (Fn. 115), § 320, S. 893– 894. 123 Dazu die Worterläuterung von Henn/Alexander (Fn. 115), § 320, S. 892 mit Fn. 19: „The word ‚nimble’ has probably been adopted since directors must be ‚nimble’ to declare dividends out of net profits for the permissible accounting period.“ 124 Vgl. Henn/Alexander (Fn. 115), § 323, S. 903. 125 Allgemein zu dem weitreichenden indemnification-Regime für Verwaltungsmitglieder Fleischer in Gedächtnisschrift Heinze, 2004, S. 177, 191; monographisch Bastuck, Enthaftung des Managements, 1986; rechtsvergleichend Daeniker in Festschrift Forstmoser, 2003, S. 523. 126 Vgl. § 102 (b) (7) DGCL. 127 Dazu auch Henn/Alexander (Fn. 115), § 323, S. 903. 128 Vgl. Bainbridge (Fn. 110), S. 775. 129 Vgl. § 174 (c) DGCL.

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der Gesellschaft geltend gemacht werden130; ein Verfolgungsrecht der Gesellschaftsgläubiger besteht lediglich im Insolvenzfall. In Teilen des US-amerikanischen Schrifttums wird der Gläubigerschutz durch die soeben vorgestellten Ausschüttungssperren als unzureichend erachtet.131 Zu den Kritikpunkten zählt, dass den dividend statutes eine zeitliche Dimension fehle132 und dass sie die unterschiedliche Liquidität der einzelnen Vermögensgegenstände unberücksichtigt ließen.133 Außerdem verweist man auf die Umgehungsanfälligkeit der Ausschüttungssperren: Die nimble dividend rule erlaube es hochverschuldeten Unternehmen, Dividenden auszukehren, sofern sie in einem einzigen Jahr Gewinne erzielten.134 Zudem sei es zulässig, vor der Entscheidung über eine Dividendenausschüttung eine Neubewertung der Vermögensgegenstände zu fair value-Ansätzen vorzunehmen135, sofern dies nicht selektiv erfolge.136 Dass durch diese weniger strengen Rechnungslegungsstandards die gläubigerschützende Wirkung der dividend statutes hinter den kontinentaleuropäischen Ausschüttungssperren zu_________ 130 Vgl. Bainbridge (Fn. 110), S. 776: „Worse yet, from the creditor’s perspective, standing under § 174 is limited to the corporation (and, presumably, shareholders suing derivatively).“ 131 Vgl. Bainbridge (Fn. 110), S. 779: „The final question we therefore need to ask is how effective the statutes are in protecting creditors. The answer is, not very.“ Für eine andere Akzentsetzung Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 160. 132 Vgl. Bainbridge (Fn. 110), S. 780: „Dividend statutes wholly lack any time dimension – ancient, present, and future economic events are scrambled together without regard for their current economic significance. In computing the availability of ‘surplus’, for example, there is no difference between a debt due next week and one due 20 years from now; but to a lender there may be a great deal of difference.“ 133 Vgl. Bainbridge (Fn. 110), S. 780: „Dividend statutes treat all assets the same, irrespective of their relative liquidity. Creditors, however, view different types of assets differently.“ 134 Vgl. Bainbridge (Fn. 110), S. 780; aber auch Allen/Kraakman (Fn. 110), S. 135: „The motivation is apparently to permit boards to reward the shareholders of firms that, although not conspicuously healthy, may nevertheless be on an upward trajectory.“ 135 Vgl. Klang v. Smith’s Food & Drug Centers, Inc., 702 A.2d 150 (Del. 1997) zum Parallelproblem beim Rückerwerb eigener Aktien; s. auch § 6.40(d) RMBCA. 136 Vgl. Morris v. Standard Gas & Electric, 63 A.2d 577, 582 (Del. Ch. 1949): „(…) duty to evaluate the assets on the basis of acceptable data and by standards which they are entitled to believe reasonably reflect present values“.

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rückbleibt, ist in der internationalen Diskussion nicht unbemerkt geblieben.137 Im Lichte dieser lückenhaften Regelungen lautet die Empfehlung an alle Gesellschaftsgläubiger, sich nach Kräften selbst zu schützen: „Given the relative ineffectualness of dividend statutes in protecting creditor interests, self-help has become the rule of the day.“138 Tatsächlich finden sich in der Rechtspraxis verbreitet sog. financial covenants, welche die Gesellschaft auf vertraglicher Grundlage zur Einhaltung bestimmter Kennzahlen, etwa hinsichtlich des Verhältnisses von Eigen- und Fremdkapital, verpflichten.139 Einen gesetzlichen Mindestschutz gegen gläubigerschädigende Ausschüttungen vermitteln im Insolvenzfall allerdings die Regelungen des Uniform Fraudulent Transfer Act (UFTA), deren rechtsgeschichtlicher Stammbaum sich bis zum altehrwürdigen Statute of Elizabeth aus dem Jahre 1571 zurückverfolgen lässt. Im konkreten Zugriff sind zwei Anfechtungstatbestände zu unterscheiden: der actual fraud (§ 4 UFTA) und der constructive fraud (§ 5 UFTA). Gemäß § 4 (a) UFTA sind alle Vermögensverschiebungen eines Schuldners gegenüber gegenwärtigen und zukünftigen Gläubigern anfechtbar, bei denen er keinen angemessenen Gegenwert erhält, sofern ihm (i) für seine weitere Geschäftstätigkeit nur noch unvernünftig geringe Vermögenswerte verbleiben oder (ii) er Verbindlichkeiten in einer Höhe einzugehen beabsichtigt, die seine Zahlungsfähigkeit zum Fälligkeitszeitpunkt übersteigen. Einzelne Indizien für die geforderte betrügerische Absicht („badges of fraud“140) hat der Gesetzgeber in § 4 (b) UFTA zusammengestellt. § 5 UFTA entbindet den Anfechtungsberechtigten vom Nachweis einer betrügerischen Absicht, wenn der Schuldner Vermögensgegenstände unter Wert aus der Hand gegeben hat, während er bereits insolvent war. Beide Anfechtungstatbestände sind zwar nicht gesellschaftsrechtsspezifisch angelegt, erfassen aber auch einseitige Auszahlungen der Gesellschaft an ihre _________ 137 Vgl. Hertig/Kanda in Kraakman/Davies/Hansmann/Hertig/Hopt/Kanda/Rock, The Anatomy of Corporate Law, 2004, S. 84: „As one might expect, dividend restrictions are more protective – and more confining – when they are combined with conservative accounting practices, such as those of Germany and Japan. Conversely, dividend restrictions do less to protect creditors where, as in U.S. jurisdictions, accounting principles are less conservative (…).“ 138 Bainbridge (Fn. 110), S. 780. 139 Dazu bereits Fleischer, ZIP 1998, 313; zuletzt Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 156 m. w. N. 140 Tung, 34 Ga. L. Rev. 547, 562 (2000). Der historische Ausgangsfall ist: Twyne’s Case, 76 Eng. Rep. 809 (Star Chamber 1601).

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Gesellschafter.141 In der Literatur hat man die gesellschaftsrechtlichen Einsatzmöglichkeiten des Anfechtungsrechts beizeiten erkannt142, doch ist man sich in ihrer Beurteilung bis heute uneins: Manche verweisen auf ihre funktionelle Vergleichbarkeit mit den kontinentaleuropäischen Kapitalschutzregeln143; andere machen darauf aufmerksam, dass die Anfechtungsmöglichkeiten für Neugläubiger von zweifelhafter Reichweite seien144 und durch die Gerichte noch weiter zurückgedrängt würden145; wieder andere ziehen Verbindungslinien zur historisch jüngeren Durchgriffshaftung.146

c) Kapitalersatz Nicht im Gesellschaftsrecht, sondern im bundesstaatlich geregelten Insolvenzrecht trifft der Gesetzgeber heute Vorsorge gegen eine Gläubigergefährdung durch Darlehensgewährungen aus Gesellschafterhand.147 _________ 141 Vgl. Allen/Kraakman (Fn. 110), S. 140. 142 Grundlegend Clark, 90 Harv. L. Rev. 505 (1977). 143 In diesem Sinne Kahan in Hopt/Wymeersch (eds.), Capital Markets and Company Law, 2003, S. 145, 146: „Since the rules on legal capital in the U.S. are extremely lax, one may be tempted to conclude that there is little protection for creditors in the U.S. This conclusion, however, would be mistaken. The law in the U.S. contains an extensive set of rules addressing in a more general way ‘distributions’ – through dividends, share repurchases, or self dealing transactions – by companies to shareholders which harm creditors. These rules fall under the heading of ‘fraudulent conveyance law’ (…).“; dazu auch Schön, Der Konzern 2004, 162, 168. 144 Vgl. Allen/Kraakman (Fn. 110), S. 141: „How easily future creditors can void transfers on the grounds that there was no equivalent value and the business was left with unreasonably small capital is unclear. One construction of the references to future creditors in the statute is that they can void transfers only in the event of actual fraud.“ 145 Vgl. Kupetz v. Wolf, 845 F.2d 842, 846 n. 16 (9th Cir. 1988), wonach Gläubiger, „[who] knew or could easily have found out about“, ihre Anfechtungsmöglichkeiten verlieren. 146 Grundlegend Clark, 90 Harv. L. Rev. 505, 506 (1977); aus neuerer Zeit Tung, 34 Ga. L. Rev. 547 (2000); zu den immanenten Grenzen des Anfechtungsrechts Michael, 26 Iowa J. Corp. L. 41, 49 (2000): „A final problem with this theory is that fraudulent transfer law requires, of course, a transfer of assets from the corporation. Therefore, it does not deal with the problem of initial inadequate capitalization.“ 147 Ausführlich zu den Grundlagen Clark, Corporate Law, 1986, S. 52–71; ferner Allen/Kraakman (Fn. 110), S. 141–147; rechtsvergleichend Fleischer, ZIP 1998, 313, 318.

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Nach § 510 (c) (1) des Bankruptcy Code kann das Insolvenzgericht einen Rangrücktritt von Gesellschafterforderungen gegen die Gesellschaft hinter die Ansprüche anderer Gesellschaftsgläubiger anordnen, sofern ihm dies aus Fairnesserwägungen geboten erscheint. Ihren historischen Ursprung hat diese Figur im frühen Fallrecht, genauer: in einer Leitentscheidung des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten aus dem Jahre 1939.148 Als eine Ausprägung des Billigkeitsrechts kämpft die sog. equitable subordination doctrine freilich bis auf den heutigen Tag mit tatbestandlichen Unschärfen.149 Die Testfragen der Gerichte sind nicht selten wenig aussagekräftig150; verallgemeinernd wird man immerhin festhalten können, dass die Unterkapitalisierung der Gesellschaft eine wichtige Rolle spielt151, auch wenn sie sich nur schwer in absoluten Größenordnungen abbilden lässt.152 Weiteres Ungemach droht bei einer „thin capitalization“ schließlich von steuerlicher Seite.153

_________ 148 Vgl. Pepper v. Litton, 308 U.S. 235 (1939); besonders gelagert, aber als sog. Deep Rock doctrine häufig zitiert, Taylor v. Standard Gas & Electric Co., 306 U.S. 307 (1939). 149 Vgl. Allen/Kraakman (Fn. 110), S. 142: „The critical question is what sort of circumstances will permit a court to impose this subordination on a shareholder-creditor.“ 150 Für ein Beispiel Benjamin v. Diamond, 563 F.2d 692, 699 (5th Cir. 1977): „[T]hree conditions must be satisfied before exercise of the power of equitable subordination is appropriate. (i) The claimant must have engaged in some type of inequitable conduct (…) (ii) The misconduct must have resulted in injury to the creditors of the bankrupt or conferred an unfair advantage on the claimant (…) (iii) Equitable subordination of the claim must not be inconsistent with the provisions of the Bankruptcy Act.“ 151 Anschaulich Arnold v. Phillips, 117 F.2d 497 (5th Cir. 1941), cert. denied 316 U.S. 583 (1941); rechtsvergleichend dazu Fleischer, Finanzplankredite und Eigenkapitalersatz im Gesellschaftsrecht, 1995, S. 123–124. 152 Dazu etwa In re Mobile Steel Co., 563 F.2d 692, 702 (5th Cir. 1977): „The concept of undercapitalization has never been rigorously defined. Absolute measures of capital inadequacy, such as the amount of stockholder equity or other figures and ratios drawn from the cold pages of the corporation’s balance sheets and financial statements are of little utility, for the significance of this data depends in large part upon the nature of the business and other circumstances.“ 153 Eingehend dazu und zu den Testfragen im US-amerikanischen Steuerrecht Fleischer (Fn. 151), S. 117 ff.

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d) Insolvenzverschleppung Eine Insolvenzantragspflicht nach kontinentaleuropäischem Vorbild ist dem US-amerikanischen Insolvenzrecht unbekannt. Sie wird als entbehrlich angesehen, weil das Management in einem insolvenzrechtlichen Reorganisationsverfahren die Unternehmensleitung behält und daher genügende Anreize hat, den Schutz von Chapter 11 aus eigenem Antrieb zu beantragen.154 Der Delaware Court of Chancery hat allerdings in einer vielbeachteten Entscheidung aus dem Jahre 1991 gläubigerschützende Geschäftsleiterpflichten in Insolvenznähe entwickelt155 und sie damit begründet, dass die Verwaltungsmitglieder in diesem Latenzstadium nicht nur den Anteilseignern, sondern auch den Gesellschaftsgläubigern verpflichtet seien.156 Wann genau die Wendemarke erreicht ist, jenseits derer sich die Geschäftsleiterpflichten verändern, wird in Rechtsprechung und Rechtslehre allerdings nicht einheitlich beurteilt. Die Gerichte Delawares operieren mit der unscharfen Formel der „vicinity of insolvency“157 und stellen dabei nicht auf die formelle Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ab.158 _________ 154 Dazu Allen/Kraakman (Fn. 110), S. 138: „In particular, directors are responsible in many of these jurisdictions [i. e. EU jurisdictions] for ensuring that insolvent corporations enter bankruptcy rather than continuing to do business and accumulating further debt. In the United States where management retains control when the company enters reorganization proceedings under Chapter 11, such duties are unnecessary because management often has an incentive to enter bankruptcy voluntarily in the hopes of engineering a successful recapitalization.“ 155 Vgl. Credit Lyonnais Bank Nederland N.V. v. Pathe Communications Corp., No Civ. A. 12150, 1991 Del Ch. LEXIS 215 (1991) = 17 Del. J. Corp. L. 1099, 1155 (1992); rechtsvergleichend dazu Fleischer, ZGR 2004, 437, 447–448. 156 Vgl. Credit Lyonnais Bank Nederland N.V. v. Pathe Communications Corp., 17 Del. J. Corp. L. 1099, 1155 (1992): „At least where a corporation is operating in the vicinity of insolvency, a board of directors is not merely the agent of the residue risk bearers, but owes its duty to the corporate enterprise.“ 157 Credit Lyonnais Bank Nederland N.V. v. Pathe Communications Corp., 17 Del. J. Corp. L. 1099, 1150 (1992); näher Block/Barton/Radin, The Business Judgment Rule, 5th ed. 1998, S. 619 ff.; Shaffer, 8 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 479, 546 (2000). 158 Vgl. Geyer v. Ingersoll Publications Co., 621 A.2d 784, 789 (Del. Ch. 1992): „An entity is insolvent when it is unable to pay its debts as they fall due in the usual course of business. That is, an entity is insolvent when it has liabilities in excess of a reasonable market value of assets held. Although there may be other definitions of insolvency that are slightly different, I am not aware of any authority which indicates that the ordinary meaning of the word insolvency means the institution of statutory proceedings.“

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e) Durchgriffshaftung Als letztes Mittel ist an eine Durchgriffshaftung zu denken, deren Anfänge bis in das erste Drittel des 20. Jahrhunderts zurückreichen.159 Ihre Umrisse sind in Tausenden von Entscheidungen ausgemessen worden160, doch trotz aller Aufmerksamkeit in Rechtsprechung und Rechtslehre161 fehlt es dem Rechtsinstitut bis heute an Vorhersehbarkeit und Tiefenschärfe162: „[Veil piercing] happens freakishly. Like lightning, it is rare, severe and unprincipled.“163 Obwohl Delaware im Gesellschaftsrecht an sich über eine vorzüglich ausgearbeitete Rechtsprechung verfügt, ist die Doktrin der Durchgriffshaftung dort vergleichsweise unterentwickelt.164 Das mag daran liegen, dass sich die gesellschaftsrechtliche Vorherrschaft des kleinen Ostküstenstaates vornehmlich auf börsennotierte Unternehmen erstreckt, während das veil piercing in erster Linie ein Phänomen der close corporation darstellt.165 Traditionell zeigten sich die Gerichte Delawares äußerst zurückhaltend mit der Annahme einer Durchgriffshaftung. Den Grundton gab eine Leitentscheidung aus dem Jahre 1968 vor: „It may be done only in the interest of justice, when such matters as fraud, contravention of law or contract, public wrong, or where equitable consideration among members of the corporation require it, are involved.“166 Zwei Jahrzehnte _________ 159 Als Meilensteine pflegt man anzuführen (1) die Monographie von Maurice Wormser, The Disregard of the Corporate Fiction and Allied Corporate Problems (1927); (2) die Entscheidung von Benjamin Cardozo in Berkey v. Third Avenue Railway Co., 155 N. E. 58 (N.Y. 1926); (3) die Monographie von Frederick Powell, Parent and Subsidiary Corporations: Liability of a Parent Corporation for the Obligations of Its Subsidiary, 1931. 160 Vgl. die monumentale Studie von Thompson, 76 Cornell L. Rev. 1036 (1991), in der 1.600 Durchgriffsentscheidungen ausgewertet und systematisiert werden. 161 Vgl. die statistische Erhebung von Thompson, 48 J. Legal Educ. 438, 440 (1998), wonach das „veil piercing“ von allen 71 befragten Gesellschaftsrechts-Professoren in ihren Vorlesungen behandelt wird. 162 Fundamentalkritik aus neuerer Zeit etwa bei Presser, 87 Nw. U. L. Rev. 148; Gevurtz, 76 Or. L. Rev. 853 (1997); Michael, Iowa J. Corp. L. 41 (2000). 163 Easterbrook/Fischel, 52 U. Chi. L. Rev. 89 (1985). 164 Dazu das Standardwerk von Presser, Piercing the Corporate Veil, 1997, 2-63; ferner Cohen, 51 Okla. L. Rev. 427, 480 (1998): „While Delaware is acknowledged as having the best-developed general corporate case law, comparatively speaking, its law for veil piercing is underdeveloped.“ 165 Vgl. Bainbridge (Fn. 110), S. 164–165. 166 Pauley Petroleum, Inc. v. Continental Oil Co., 239 A.2d 629, 633 (Del. 1968).

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später vernahm man nicht minder fordernd, dass “fraud or something like it is required.“167 Präzisere Umschreibungen haben Seltenheitswert168, wohl auch, weil die Durchgriffshaftung in Delaware – anders als in den meisten Bundesstaaten – noch immer eine Domäne des equity-Rechts darstellt und daher in das alleinige Ermessen des Chancellor fällt.169 Manche Beobachter haben freilich in jüngeren Entscheidungen einen Stimmungsumschwung zugunsten einer großzügigeren Durchgriffshaftung ausgemacht.170 So hat der Chancellor etwa verlautbart, dass „[while] fraud has traditionally been sufficient reason to pierce the corporate veil (…) other grounds also exist.“171 Auf dieser Linie liegt auch eine weitere Entscheidung, in welcher der District Court of Delaware die „alter ego“-Theorie übernommen172 und die Spruchpraxis damit an den Entwicklungsstand der Durchgriffshaftung in den meisten anderen Bundesstaaten herangeführt hat. Allerdings bleiben die beweisrechtlichen Hürden beträchtlich: „[U]nder Delaware law, fraud is never presumed. Rather it must be proven to the satisfaction of the finder of fact.“173 Gleichwohl urteilen kundige Kommen_________ 167 Mobil Oil Corp. v. Linear Films, Inc., 718 F. Supp. 260, 268 (D. Del. 1989). 168 Vgl. Presser (Fn. 164), 2-65. 169 Dazu Cohen, 51 Okla. L. Rev. 427, 480–481 (1998); aus der Spruchpraxis Sonne v. Sacks, 314 A.2d 194, 197 (Del. Super. Ct. 1973); jüngst Medi-Tec of Egypt Corp. v. Bausch & Lomb Surgical, 2004 Del. Ch. LEXIS 21 (Del. Ch., March 4, 2004) S. 8: „While it is not necessarily clear under Delaware law whether veil piercing is an equitable right or an equitable remedy, it is clear that only the Delaware Court of Chancery has the equitable power to pierce the corporate veil.“ 170 Vgl. Presser (Fn. 164), 2-65. 171 Harco National Insurance Co. v. Green Farms, Inc., No. Civ A. 1131, 1989 WL 110537 (Del. Ch. Sept. 19, 1989); s. zuletzt auch Crosse v. BCBSD, Inc., 838 A.2d 492, 497 (Del. 2003): „To state a ‚veil-piercing claim’, the plaintiff must plead facts supporting that the corporation, through its alter-ego, has created a sham entity designed to defraud investors and creditors.“ 172 Vgl. United States v. Golden Acres, Inc., 702 F. Supp. 1097, 1104 (D. Del. 1988): „[A]n alter ego analysis must start with an examination of factors which reveal how the corporation operates and the particular defendant’s relationship to that corporation. These factors include whether the corporation was adequately capitalized for the corporate undertaking; whether the corporation was solvent; whether dividends were paid, corporate records kept, officers and directors functioned properly, and other corporate formalities were observed; whether the dominant shareholder siphoned corporate funds; and whether, in general, the corporation simply functioned as a façade for the dominant shareholder.“ 173 United States v. Golden Acres, Inc., 702 F. Supp. 1097, 1104 (D. Del. 1988).

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tatoren, dass das geistige Klima dem richterlichen Haftungsdurchgriff in Delaware zunehmend gewogener ist.174 Besondere Aufmerksamkeit verdient schließlich, welches (Durchgriffs-) Recht in zwischenstaatlichen Sachverhalten zur Anwendung gelangt. New York, der Brennpunkt der meisten Durchgriffsfälle, wendet einen „paramount interest test“ an175 und gelangt auf diese Weise zur Anwendbarkeit des Gründungsrechts, weil dieses der Korporation und ihren Mitgliedern als erstes eine Haftungsbeschränkung hat angedeihen lassen.176 Demgegenüber schlagen die Gerichte Delawares einen anderen Weg ein: In einem Fall, in dem es um einen Haftungsdurchgriff bei einer nicht aus Delaware stammenden Tochtergesellschaft zu Lasten einer Muttergesellschaft aus Delaware ging, haben sie ihr Heimatrecht zur Geltung gebracht.177 Ebenso erklärten sie das Gesellschaftsrecht Delawares für anwendbar, als ein Durchgriff bei einer Delaware-Gesellschaft in Rede stand.178 Süffisant bemerkt ein kritischer Beobachter: „Maybe the Delaware rule is just to apply Delaware law!“179

3. Zwischenbefund Der rechtsvergleichende Rundblick räumt zunächst mit dem verbreiteten Vorurteil auf, dass es „das“ anglo-amerikanische Gläubigerschutzrecht gebe. Vielmehr bewahrheitet sich auch hier das Bonmot von George Bernhard Shaw, der England und die Vereinigten Staaten als zwei Länder beschrieb, die durch eine gemeinsame Sprache getrennt seien. In der Sache verwenden beide Systeme weniger Sorgfalt auf die _________ 174 Vgl. Presser (Fn. 164), 2-70.3: „[I]t does seem that the days of Delaware as a state where it was exceptionally difficult to pierce the corporate veil may be numbered.“ 175 Vgl. International Planning Ltd. v. Daystrom, 248 N.E.2d 576, 582 (N.Y. 1969). 176 Vgl. Soviet Pan Am Travel Effort v. Travel Committee, Inc., 756 F. Supp. 126, 131 (S.D.N.Y. 1991): „Because a corporation is a creature of state law whose primary purpose is to insulate shareholders from legal liability, the state of incorporation has the greater interest in determining when and if that insulation is to be stripped.“ 177 Vgl. Japan Petroleum Co (Nigeria) Ltd. v. Ashland Oil, Inc., 456 F. Supp. 831, 840 n. 17 (D. Del. 1978). 178 Vgl. Mobil Oil Corp. v. Linear Films, Inc., 718 F. Supp. 260, 267 (D. Del. 1989). 179 Bainbridge (Fn. 110), S. 165.

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Sicherung der Kapitalaufbringung als die kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen, doch gelten hinsichtlich der Kapitalerhaltung grosso modo vergleichbare Standards. Zudem legen die Rechtsinstitute der directors’ disqualification in England und des veil piercing in Delaware dem Gebaren von Geschäftsleitern und Gesellschaftern Zügel an. Nimmt man hinzu, dass das Problem der Insolvenzverschleppung ebenfalls eine gewisse Aufmerksamkeit erfährt, so kann man zwar im Ergebnis von einem schwächer ausgeprägten Gläubigerschutz als in Deutschland, aber kaum von einem eklatanten Schutzuntermaß zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger sprechen. Darauf ist zurückzukommen.

III. Kollisionsrechtliche Behandlung Bei der nun zu beantwortenden „Gretchenfrage“, ob die inländischen Gläubigerschutzregeln auf Auslandsgesellschaften Anwendung finden, überlappen sich zwei Problemkreise: die kollisionsrechtliche Qualifikation der einzelnen Haftungstatbestände und der gemeinschaftsrechtliche Einfluss der Niederlassungsfreiheit auf das Gesellschaftskollisionsrecht der Mitgliedstaaten.180 Sie werden hier aus Vereinfachungsgründen nacheinander abgehandelt und sodann zusammengeführt. Dabei ist es ratsam, mit den kollisionsrechtlichen Fragen zu beginnen. Sie drehen sich zuvörderst um das Personalstatut der Gesellschaft, das im Einzelnen regelt, „unter welchen Voraussetzungen eine juristische Person entsteht, lebt und vergeht“181. Über seine Reichweite herrscht heute im Grundsatz Einvernehmen. An den Rändern bestehen aber nach wie vor beträchtliche Unschärfen.182

1. Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung Allgemeiner Auffassung zufolge sind die Vorschriften über das Mindestkapital, die Kapitalaufbringung und die Kapitalerhaltung dem Gesellschaftsstatut zu entnehmen. In diesem Sinne hatte bereits das Reichsgericht judiziert183, und der Bundesgerichtshof hat diese Recht_________ 180 Zur Unterscheidung beider Fragenkreise auch Hoffmann in Anwaltkommentar BGB, 2005, Anh. zu Art. 12 EGBGB unter B II. 4. 181 BGHZ 25, 134, 144; Kropholler, Internationales Privatrecht, 5. Aufl. 2004, § 55 II, S. 566. 182 Dazu etwa Zimmer, ZHR 168 (2004), 355, 366–367. 183 Vgl. RGZ 73, 366, 367.

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sprechungslinie fortgeführt.184 Eine Entscheidung des II. Zivilsenats aus dem Jahre 2001 hat dies für das Rückzahlungsverbot der §§ 30, 31 GmbHG nochmals nachdrücklich bekräftigt.185 Auch im Schrifttum werden Fragen der Finanzverfassung durchweg dem Gesellschaftsstatut zugeschlagen.186

2. Durchgriffs- und Existenzvernichtungshaftung Weniger geschlossen präsentiert sich das Meinungsbild bei der Qualifikation von Durchgriffstatbeständen. Die Spruchpraxis neigt auch hier zur Anwendbarkeit des Gesellschaftsstatuts: Der Bundesgerichtshof hat dies wiederholt aus dem Zusammenhang von Haftungsdurchgriff und Umfang der korporativen Rechtsfähigkeit hergeleitet187 und damit bei den Instanzgerichten größtenteils Gefolgschaft gefunden.188 Im Schrifttum differenziert man dagegen häufig zwischen den verschiedenen Durchgriffstatbeständen.189 Soweit der klassische Haftungsdurchgriff – das piercing the corporate veil – in Rede steht, soll über seine Voraussetzungen und Wirkungen aber ausschließlich oder zumindest auch das Gesellschaftsstatut entscheiden.190 Gleiches müsste auf der Grundlage _________ 184 Vgl. BGH, NJW 1991, 1414. 185 Vgl. BGHZ 148, 167, 168. 186 Vgl. Behrens in ders. (Hrsg.), Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung im internationalen und europäischen Recht, 2. Aufl. (1997), IPR Rn. 40; Hoffmann in Anwkomm BGB (Fn. 180), Anh. zu Art. 12 EGBGB unter A I 3; Leible in Michalski, GmbHG, 2002, Syst. Darst. 2 Rz. 61; Kindler in Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 11: IntGesR, 3. Aufl. 1999, Rz. 450; Westermann in Scholz, GmbHG, 9. Aufl. 2000, Einl. Rz. 96; Großfeld in Staudinger, IntGesR, 12. Aufl. 1998, Rz. 259; im Rahmen monographischer Abhandlungen Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 733 mit Fn. 519; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 292. 187 Vgl. BGH, WM 1957, 1047, 1049; BGHZ 78, 318, 334; NJW 1992, 2026, 2030; zustimmend Hoffmann in Anwkomm BGB (Fn. 180), Anh. zu Art. 12 EGBGB unter A I 4; Leible in Michalski (Fn. 186), Syst. Darst. 2 Rz. 112; Kindler in MünchKomm BGB (Fn. 186), IntGesR, Rz. 490. 188 Vgl. OLG Hamburg, NJW 1986, 2199; OLG München, WM 1986, 937; KG, NJW 1989, 3100; abw. LG Bonn, IPRax 1988, 354; LG Frankfurt, AG 1977, 321. 189 Vgl. R. Müller, Kollisionsrechtliche Probleme der Durchgriffshaftung bei Kapitalgesellschaften, 1974, S. 69 ff.; ihm folgend Großfeld in Staudinger (Fn. 186), IntGesR, Rz. 355 ff. 190 Dazu unter umfassender Auswertung des Spezialschrifttums WimmerLeonhardt (Fn. 186), S. 736 ff., 744; Zimmer (Fn. 186), S. 344 ff., 352.

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eines einheitlichen Durchgriffsstatuts für die Existenzvernichtungshaftung gelten191, die vom II. Zivilsenat als Unterfall der Durchgriffshaftung konzipiert worden ist.

3. Mehrfachqualifikation Die Schwierigkeiten beginnen bei der Frage, ob in den Fällen der Durchgriffs- und Existenzvernichtungshaftung gegebenenfalls eine Mehrfachqualifikation in Betracht kommt.192 Sie führt in das unübersichtliche Grenzgebiet von Gesellschafts-, Delikts- und Insolvenzstatut.

a) Gesellschaftsstatut und Deliktsstatut Zu untersuchen ist zuerst, ob sich die Durchgriffsfälle zusätzlich unter das Deliktsstatut bringen lassen, das nach Art. 40 EGBGB zum Recht des Handlungs- oder Erfolgsortes der deliktischen Schädigung führt.

aa) Sachrecht Blickt man zunächst auf das Sachrecht, so zeigt sich, dass in den einschlägigen Lebenssachverhalten häufig eine materiellrechtliche Anspruchskonkurrenz von gesellschaftsrechtlicher Durchgriffshaftung und deliktsrechtlicher Verantwortlichkeit vorliegt. − Vermögensvermischung: In den Fällen der Vermögensvermischung bejaht der Bundesgerichtshof eine persönliche Haftung von GmbHGesellschaftern, wenn die Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen durch eine undurchsichtige Buchführung oder auf andere Weise verschleiert worden ist.193 Dabei stützt er sich in erster Linie auf gesellschaftsrechtliche Begründungsmuster.194 Sofern in _________ 191 Zu dieser Schlussfolgerung auch Weller (Fn. 14), S. 279, der allerdings selbst im nationalen Kollisionsrecht für eine Doppelqualifikation plädiert. 192 Eingehend zuletzt Kindler in Festschrift Jayme, 2004, S. 409. 193 Vgl. BGHZ 95, 330, 332 ff.; 125, 366, 368; zustimmend Mertens in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992, Anh. § 13 Rz. 17; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 13 Rz. 13. 194 Vgl. BGHZ 95, 330, 334 unter Hinweis darauf, dass bei einer Vermögensvermischung die Kapitalerhaltungsvorschriften, deren Einhaltung ein unverzichtbarer Ausgleich für die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen sei, nicht funktionieren könnten.

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derartigen Fällen der Vorsatz einer Gläubigerschädigung hinzutritt, dürfte freilich auch § 826 BGB einschlägig sein.195 − Materielle Unterkapitalisierung: Eine Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung hat der Bundesgerichtshof wiederholt erwogen, aber im Ergebnis regelmäßig verworfen.196 So formulierte der VIII. Zivilsenat im Leitsatz des Typenhaus-Falles, „der Umstand, dass eine GmbH (…) mit einem Stammkapital ausgestattet ist, das außer Verhältnis zu ihrem satzungsmäßigen Zweck steht (Unterkapitalisierung), rechtfertigt weder für sich allein, noch dann ohne weiteres einen Haftungsdurchgriff ihrer Gläubiger gegen die Alleingesellschafterin, wenn die GmbH finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in diese eingegliedert ist.“197 Statt dessen operiert der Bundesgerichtshof mit dem Vorwurf einer vorsätzlichen sittenwidrigen Gläubigerschädigung198, wobei er nicht selten aus der Gefährlichkeit der Handlung auf den bedingten Vorsatz schließt.199 − Existenzvernichtung: In den Fällen der Existenzvernichtung bietet der Bundesgerichtshof sogar in ein und demselben Urteil eine doppelspurige Begründung an: So hat der II. Zivilsenat in der meinungsbildenden KBV-Entscheidung neben einem Anspruch wegen existenzvernichtenden Eingriffs eine Haftung der Gesellschafter nach § 826 BGB bejaht.200 Daran anknüpfend hat der 5. Strafsenat einen existenzgefährdenden Eingriff als Untreue i. S. d. § 266 StGB eingeordnet201 und damit über § 823 Abs. 2 BGB zugleich einem _________ 195 Ebenso Mertens in Hachenburg (Fn. 193), Anh. § 13 GmbHG Rz. 15; ausführliche Rechtsprechungsanalyse bei Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, 2000, S. 104–105. 196 In diesem Sinne auch die (Binnen-)Einschätzung von Goette, Die GmbH nach der BGH-Rechtsprechung, 2. Aufl. 2002, § 9 Rz. 45; für eine seltene Ausnahme BGHZ 54, 222, 226 – Verein. 197 BGHZ 68, 312. 198 Vgl. BGH, NJW 1977, 1683, 1686; WM 1979, 229; DB 1988, 1848; s. aber auch BGH, NJW 1994, 446; ausführliche Rechtsprechungsanalyse, auch der älteren Judikatur und der instanzgerichtlichen Spruchpraxis, bei Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, 2002, S. 252 ff., 259 ff. 199 Vgl. etwa BGH, WM 1979, 229, 230; zustimmend Weitbrecht, Haftung der Gesellschafter bei materieller Unterkapitalisierung der GmbH, 1990, S. 86; kritisch Lutter/Hommelhoff (Fn. 193), § 13 GmbHG Rz. 11. 200 Vgl. BGHZ 151, 181, 183–185. 201 Vgl. BGH, NJW 2004, 2248 – Bremer Vulkan; eingehend dazu Fleischer, NJW 2004, 2867.

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deliktischen Anspruch den Weg geebnet.202 Schließlich hat der II. Zivilsenat in seiner jüngsten Entscheidung sogar offen gelassen, ob eine Ersatzpflicht des Gesellschafters wegen eines existenzvernichtenden Eingriffs bestehe, weil dieser jedenfalls nach § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sei.203 Der maßgebliche Leitsatz lautet: „Der Gesellschafter einer GmbH und eine vom ihm beherrschte Schwestergesellschaft der GmbH haften den Gesellschaftsgläubigern jedenfalls nach § 826 BGB auf Schadensersatz, wenn sie der GmbH planmäßig deren Vermögen entziehen und es auf die Schwestergesellschaft verlagern, um den Zugriff der Gesellschaftsgläubiger zu verhindern und auf diese Weise das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen ohne Rücksicht auf die entstandenen Schulden fortführen zu können.“204

bb) Kollisionsrecht Im Internationalen Privatrecht hat man schon lange vor dem Auftreten der EU-Auslandsgesellschaften über kollisionsrechtliche Auflockerungen nachgedacht. Dabei prallten zwei gegensätzliche Grundansichten aufeinander: Die Anhänger eines gläubigerfreundlichen Anknüpfungskonzepts sprachen sich mit Unterschieden im Einzelnen für eine alternative Heranziehung des Vornahme- und/oder Wirkungsstatuts neben dem Gesellschaftsstatut aus205; ihre Gegner traten für die ausschließliche Heranziehung des Gesellschaftsstatuts ein.206 Daniel Zimmer, der in seiner 1996 vorgelegten Habilitationsschrift eine wissenschaftliche Summe dieser frühen Diskussionsphase gezogen hat, ist der zweiten Auffassung mit beachtlichen Gründen beigetreten: Eine alternative Anknüpfung von Durchgriffstatbeständen, so sein Hauptargument, würde das in sich ausgewogene Gläubigerschutzsystem des jeweiligen Gesellschaftsstatuts aufbrechen und gläubigerschützende Elemente mehrerer _________ 202 203 204 205

Zu dieser Anspruchsgrundlage bereits BGHZ 149, 10, 17–18 – Bremer Vulkan. Vgl. BGH, ZIP 2004, 2138, 2139. BGH, ZIP 2004, 2138. Vgl. etwa Bernstein in Festschrift Zweigert, 1981, S. 37, 51–52; Lüderitz, Internationales Privatrecht, 2. Aufl. 1992, Rz. 243; für eine grundsätzliche Anwendung der lex fori Teipel, Die Bedeutung der lex fori für die Anknüpfung des Haftungsdurchgriffs, 1995, S. 97 ff. 206 Vgl. Hanisch, ZIP 1981, 569, 576; Koppensteiner, Internationale Unternehmen im deutschen Gesellschaftsrecht, 1971, S. 111–112; Mann in Festschrift Barz, 1974, S. 569, 576.

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Rechtsordnungen miteinander kombinieren, die nicht aufeinander abgestimmt seien.207 Außerdem bestehe häufig ein sachrechtlicher Zusammenhang zwischen den verschiedenen Regelungen des Gläubigerschutzes: In Rechtsordnungen, in denen anderweitige Gläubigerschutzmechanismen (wie Mindeststammkapital und Eigenkapitalersatzrecht) fehlten, sei eine größere Neigung zum Haftungsdurchgriff zu verzeichnen als im deutschen Recht.208 Letzteres trifft zwar für das Korporationsrecht von Delaware nur mit Abstrichen zu209 und ist auch für das englische Kapitalgesellschaftsrecht kaum belegbar.210 Dies ändert aber nichts an der Überzeugungskraft der Grundeinsicht, dass gläubigerschützende Normen keine mehr oder minder beliebige Zusammenstellung von Schutzvorschriften, sondern eine geschlossene Einheit darstellen, deren innerer Zusammenhang nicht vorschnell zerrissen werden darf. Unter den veränderten Vorzeichen der Nach-Centros-Ära hat die Literatur die Rechtsfigur der Mehrfachqualifikation neu entdeckt: Zahlreiche Stimmen befürworten in den Fällen der Durchgriffs- und Existenzvernichtungshaftung neben einer gesellschaftsrechtlichen auch eine deliktsrechtliche Qualifikation.211 Man kann insoweit mit Fug von einer „Aufwertung“ des „insolvenzbezogenen Deliktsrechts“ sprechen.212 Dabei überrascht freilich die Selbstverständlichkeit, mit der sich viele Gesellschaftsrechtler der Doppel- oder Mehrfachqualifikation bedienen, die im Internationalen Privatrecht allgemein als ultima ratio gilt213 und wissenschaftlich noch wenig erforscht ist.214 Dies bedeutet nicht not_________ 207 208 209 210 211

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Vgl. Zimmer (Fn. 186), S. 354 und 357. Vgl. Zimmer (Fn. 186), S. 351–352; ders., NJW 2003, 3585, 3588. Vgl. oben II 2 e) S. 76 ff. Vgl. oben II 1 e) S. 65 ff.; relativierend auch Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588 mit Fn. 39. Vgl. mit zum Teil beträchtlichen Unterschieden im Einzelnen Bayer, BB 2003, 2357, 2364–2365; Kindler (Fn. 192), S. 409, 410 ff.; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 669; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1204 ff.; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588–3589. In diesem Sinne Wagner in Festschrift Gerhardt, 2004, S. 1043. Vgl. v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. I: Allgemeine Lehren, 2. Aufl. 2003, § 7 Rz. 178: „Zu einer Doppel- oder Mehrfachqualifikation als ultima ratio muß und darf man erst dann greifen, wenn es nicht möglich ist, einen Schwerpunkt zu bilden und die Erscheinung insgesamt einer Kollisionsnorm zuzuweisen, sei es auch mit Bedenken.“ Monographisch nur (aber immerhin) Heyn, Die „Doppel-“ und „Mehrfachqualifikation“ im IPR, 1986.

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wendig, dass die von ihnen erzielten Ergebnisse fehl gingen, doch bedarf die richtige Begründung weiteren Nachdenkens. Ein gangbarer Weg könnte darin liegen, die jeweiligen Lebenssachverhalte juristisch weiter aufzuschlüsseln und die unterschiedlichen Ansatzpunkte für eine kollisionsrechtliche Qualifikation herauszustreichen: Durchgriffshaftung und vorsätzliche sittenwidrige Schädigung sind nicht eadem res, sondern variae figurae causarum: Die Durchgriffshaftung bildet das Gegenstück zum korporationsrechtlichen Prinzip der Haftungsbeschränkung und gehört daher allein zum gesellschaftsrechtlichen Figurenschatz. Ihre Reformulierung in deliktsrechtlichen Kategorien wird zwar gelegentlich erwogen215, doch bringt sie die beiden Rechtsinstitute nicht zur tatbestandlichen Deckung: Die klassische Durchgriffshaftung verlangt nach h. M. kein Verschulden216, wohl aber ein verbandsrechtlich vermitteltes Zurechnungsmoment.217 Dagegen stellt die deliktische Haftung aus § 826 BGB strengere subjektive Tatbestandsvoraussetzungen auf, begnügt sich aber objektiv mit einer Verletzung von „Jedermann“-Pflichten im allgemeinen Verkehr.218 Liegt eine fraudulöse Gläubigerschädigung vor, so kann sie sachrechtlich in der Tat unabhängig vom anwendbaren Gesellschaftsrecht als unerlaubte Handlung eine Haftung auslösen und kollisionsrechtlich dem – autonom zu bestimmenden219 – Deliktsstatut zugeschlagen werden.220 _________ 215 Vgl. für die Vereinigten Staaten zuletzt Michael, 26 Iowa J. Corp. L. 41, 50 (2000): „One possible solution discussed by few writers, but worthy of further exploration, is to deal with tort plaintiffs with tort law, that is to recognize, or at least discuss, a duty to adequately capitalize the corporation. This duty, according to this theory, would be imposed on the controlling shareholders or managers to make adequate assets available for doing business. This is a novel theory to be sure, but deserves closer examination.“ 216 Vgl. Ulmer, JZ 2002, 1049; Banerjea, ZIP 1999, 1153, 1158–1159; zum Meinungsstand bei der Existenzvernichtungshaftung unten V. 3. c) bei Fn. 480– 481. 217 Vgl. BGHZ 125, 366, 368–369; Lutter/Hommelhoff (Fn. 193), § 13 GmbHG Rz. 13. 218 Eingehend Eckhold (Fn. 198), S. 122 ff.; ferner Weitbrecht (Fn. 199), S. 86–87, der Parallelen zu den Fällen der Gläubigerbenachteiligung im Sicherungsrecht zieht. 219 Dazu Kindler (Fn. 192), S. 409, 416–417: „[D]er internationalprivatrechtliche Begriff der unerlaubten Handlung ist nicht deckungsgleich mit demjenigen des materiellen Rechts.“ 220 So auch Hoffmann in Anwkomm BGB (Fn. 180), Anh. zu Art. 12 EGBGB unter B II 4a: „Soweit hier mitunter eine deliktsrechtliche Qualifikation in Betracht gezogen wird, ist darauf hinzuweisen, daß die Anwendung des § 826

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Die gängige Redeweise von einer Doppelanknüpfung ein und desselben Rechtsinstituts ist geeignet, diese Unterschiede eher zu verdunkeln denn zu erhellen.221

b) Gesellschaftsstatut und Insolvenzstatut Im Hinblick auf die Existenzvernichtungshaftung hat man jüngst auch eine insolvenzrechtliche (Doppel-)Qualifikation ins Spiel gebracht.222

aa) Sachrecht In der höchstrichterlichen Abfolge rechtsfortbildend gewonnener Haftungsfiguren hat die Existenzvernichtungshaftung die umstrittene Gesellschafterhaftung im qualifiziert faktischen Konzern abgelöst.223 Sie ist vom Bundesgerichtshof in drei grundlegenden Entscheidungen entwickelt und weiter verfeinert worden.224 Über ihre dogmatische Fundierung gingen die Meinungen anfangs auseinander: Manche leiteten sie aus einem mitgliedschaftsrechtlichen Sonderverhältnis der Gesellschafter zur juristischen Person ab225 oder bemühten die Treuepflicht zwischen Gesellschaft und Gesellschafter226; andere konstruierten eine Quasi-Geschäftsführerhaftung der Gesellschafter unter dem Gesichts_________

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BGB neben dieser gesellschaftsrechtlichen Haftung in Betracht kommt, nicht aber mit ihr identisch ist.“; differenzierend auch Bayer, BB 2003, 2357, 2364– 2365. Ähnlich Ulmer, NJW 2004, 1201, 1208: „Zwar wird in der Literatur wiederholt auf die Nähe dieser Fallgruppen [scil.: der Durchgriffshaftung] zu § 826 BGB hingewiesen, und in der Tat sprechen gute Gründe dafür, daß je nach Lage des Falls auch der Tatbestand des § 826 BGB unter Einschluß seiner subjektiven Seite (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) gegeben sein kann. Sofern das zutrifft, folgt die persönliche Haftung der beteiligten Gesellschafter aber bereits aus dieser Norm, ohne daß es des Rückgriffs auf die Durchgriffshaftung bedarf.“ Ausführlich zuletzt Weller (Fn. 14), S. 247 ff.; ferner Hirte, EWS 2002, 573, 574; Kindler (Fn. 192), S. 409, 417; G.H. Roth, NZG 2003, 1081, 1085; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588–3589. Eingehend dazu K. Schmidt (Fn. 13), § 39 III 3, S. 1224 ff. Vgl. BGHZ 149, 10 – Bremer Vulkan; 150, 61 – L. Kosmetik Vertriebs-GmbH; 151, 181 – KBV. Vgl. K. Schmidt, NJW 2001, 3577, 3580. Vgl. Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2026–2027.

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punkt der negotiorum gestio227; wieder andere rückten sie in die Nähe der klassischen Durchgriffshaftung228 oder sprachen sich für eine deliktsrechtliche Deutung aus.229 Der II. Zivilsenat hat sie im KBVUrteil als Unterfall der Durchgriffshaftung eingeordnet und an ihrem gesellschaftsrechtlichen Begründungskern keinen Zweifel gelassen: Die Existenzvernichtungshaftung knüpft konzeptionell an das kapitalgesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip an, das im ersten Leitsatz ausdrücklich in Bezug genommen wird230, und ergänzt systematisch die lückenhaften Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 31 GmbHG.231 Die eigentliche Anspruchsgrundlage findet sich – unter Rückgriff auf die Autokran-Entscheidung232 – in einer analogen Anwendung der §§ 105, 128 HGB und damit ebenfalls im Gesellschaftsrecht.233 Schließlich wird die Durchgriffshaftung im ausländischen Recht seit jeher als verbandsrechtliche Haftungsfigur verstanden, wie die Bezeichnungen piercing the corporate veil und transparence d’écran social veranschaulichen, und hat als solche über rechtsvergleichende Vorarbeiten ihren Weg in das hiesige Recht gefunden.234

bb) Kollisionsrecht Die Systembegriffe des Gesellschaftsrechts und des Internationalen Privatrechts müssen nicht notwendig übereinstimmen.235 Daher ist eine insolvenzrechtliche Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung trotz ihrer abweichenden sachrechtlichen Einordnung nicht ausgeschlossen.

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Vgl. Wilhelm, NJW 2003, 175, 179; s. auch Altmeppen, ZIP 2002, 1553, 1562. Vgl. Bitter, WM 2001, 2133; Wiedemann, ZGR 2003, 283, 288 ff. Vgl. Haas, WM 2003, 1929, 1940–1941. Vgl. BGHZ 151, 181. Vgl. BGHZ 151, 181, 187. Vgl. BGHZ 95, 330, 332. Dazu Ulmer, JZ 2002, 149, 150. Zur rechtsvergleichenden Rezeptionsgeschichte des Haftungs- und Zurechnungsdurchgriffs Fleischer, NZG 2004, 1129 ff. unter der Überschrift „Legal Transplants im deutschen Aktienrecht“. 235 Allgemein zur funktionellen oder teleologischen Qualifikation Kropholler (Fn. 181), § 17 I, S. 125 ff.; im vorliegenden Zusammenhang Kindler (Fn. 192), S. 409, 410.

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(1) Allgemeine Abgrenzungskriterien Kollisionsrechtlich hat man die Grenzlinie zwischen Gesellschafts- und Insolvenzstatut noch nicht mit letzter Schärfe gezogen. Einigkeit besteht allein darüber, dass eine einmal als gesellschaftsrechtlich qualifizierte Haftung auch weiterhin dem Gesellschaftsstatut unterstellt bleibt, wenn es zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kommt.236 Die sprichwörtlichen hard cases betreffen freilich Haftungstatbestände, die sich erst in Insolvenznähe oder beim Vorliegen eines Insolvenzgrundes aktualisieren. Einer verbreiteten Formel zufolge soll es hier darauf ankommen, ob die Insolvenz lediglich Tatbestandsvoraussetzung einer organisationsrechtlichen Norm ist oder ob die Vorschrift unmittelbar der Verwirklichung insolvenzpolitischer Ziele dient.237 Andere geben als Leitlinie aus, dass das Gesellschaftsrecht jene Vorschriften enthalte, die über Umfang und Bestand der Haftungsansprüche entscheiden, das Insolvenzrecht dagegen die Regeln, die den Prozess der Haftungsverwirklichung unter Knappheitsbedingungen verwirklichen.238 Wieder andere wollen die materiellen Haftungsregeln immer nach der lex societatis und nicht nach der lex fori concursus beurteilen.239 Ferner gibt es Stimmen, die zwischen präventivem und reaktivem Gläubigerschutz unterscheiden240 oder den insolvenzrechtlichen Charakter einer Haftung aus ihrer Ausgestaltung als Ausfallhaftung herleiten.241 Der Bundesgerichtshof schließlich hat bei der Behandlung der Insolvenzaufrechnung darauf abgestellt, ob die Vorschrift unmittelbar insolvenzrechtliche Ziele verfolgt242, und bei der insolvenzrechtlichen Qualifikation von Rückgewähransprüchen aus Konkursanfechtung unter ande_________ 236 Vgl. Leible in Michalski (Fn. 186), Syst. Darst. 2 Rz. 125; Kindler in MünchKomm BGB (Fn. 186), IntGesR, Rz. 531; Großfeld in Staudinger (Fn. 186), IntGesR, Rz. 380. 237 Vgl. Haas, NZG 1999, 1148, 1151 ff.; ders., NZI 2001, 1, 10; v. Hoffmann in Staudinger, Kommentar zum BGB, 1998, Art. 38 EGBGB Rz. 109; Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, S. 5–6. 238 Vgl. Eidenmüller (Fn. 37), § 4 Rz. 8. 239 Vgl. Ebenroth/Kieser, KTS 1988, 19, 29 ff., 33, 48; Reinhart in Münchener Kommentar zur InsO, 2003, Art. 102 EGInsO Rz. 23; für eine funktionale Zuordnung aller Gläubigerschutzansprüche zum Gesellschaftsrecht auch Zimmer (Fn. 186), S. 291 ff. 240 Vgl. Langen, Die Haftung des herrschenden Unternehmens für Verbindlichkeiten der abhängigen Gesellschaft bei einem multinationalen Unternehmen (1976), S. 213 ff. 241 Vgl. Junker, RIW 1986, 337, 345. 242 Vgl. BGHZ 95, 256, 273.

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rem in Rechnung gestellt, ob ein Anspruch erst mit der Konkurseröffnung entsteht und ob er der Gesamtheit der Gläubiger zugute kommt.243

(2) Anwendung auf die Existenzvernichtungshaftung Auf der Grundlage einer funktionell-teleologischen Betrachtung244 lassen sich durchaus Ansatzpunkte für eine insolvenzrechtliche Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung finden: Konzeptionell versteht der Bundesgerichtshof seine neugeschaffene Rechtsfigur als ein Instrument der Insolvenzbereinigung.245 Tatbestandlich verlangt er einen insolvenzauslösenden oder insolvenzvertiefenden Vermögenseingriff246 und macht die Anspruchsentstehung damit von der materiellen Insolvenz abhängig.247 Phänotypisch erfolgen existenzvernichtende Eingriffe oftmals erst in der (nahezu) insolventen Gesellschaft und weisen insofern Berührungspunkte mit den gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlungen der §§ 129 ff. InsO auf.248 Andererseits streiten gewichtige Argumente für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung: Teleologisch steht sie in untrennbarem Zusammenhang mit der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens und dem Haftungsprivileg des § 13 Abs. 2 GmbHG.249 Systematisch ist sie sowohl mit den Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 31 GmbHG als auch mit den Liquidationsregeln der §§ 72 ff. GmbHG eng verwoben.250 Daran vermag auch die Geltendmachung der Ansprüche durch den Insolvenzverwalter analog § 93 InsO nichts zu ändern, die nicht den Haftungsgrund, sondern nur den Haftungsmodus betrifft.251 Dogmatisch bildet die Existenzvernichtungshaftung einen Unterfall der klassischen Durchgriffshaftung, die _________ 243 Vgl. BGHZ 134, 116, 120 ff. 244 Zu ihrer Bedeutung Kindler (Fn. 192), S. 409–410; Zimmer, ZHR 168 (2004) 355, 367. 245 Ähnlich Nassall, ZIP 2003, 968, 972. 246 Dazu Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 418; Ulmer, JZ 2002, 1049, 1051; Vetter, ZIP 2003, 601, 602. 247 Vgl. Weller (Fn. 14), S. 266–267. 248 Eingehend Weller (Fn. 14), S. 267 ff. 249 Vgl. Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 11. 250 Vgl. Ulmer, KTS 2004, 291, 303. 251 Ebenso Haubold, IPRax 2002, 157, 163 mit Fn. 100; in diese Richtung auch K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 493, 498.

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seit jeher dem Gesellschaftsstatut zugeschlagen wird.252 Funktional geht sie über den durch die Insolvenzanfechtung vermittelten Gläubigerschutz hinaus, weil sie sich nicht in einem Anspruch auf Rückgängigmachung einzelner anfechtbarer Rechtshandlungen erschöpft, sondern eine umfassende Gesellschafterhaftung anordnet.253 Auf diesen fundamentalen Unterschied in den Rechtsfolgen von Durchgriffshaftung und Insolvenzanfechtung hat Robert Clark schon im Jahre 1977 hingewiesen: Jene, so seine treffliche Formulierung, ist ein „shotgun remedy“, diese ein „rifleshot approach“.254 Nimmt man die verbreitete Aufforderung der internationalprivatrechtlichen Lehre ernst, Doppelqualifikationen tunlichst zu vermeiden255 und nach dem Schwerpunkt einer Erscheinung zu forschen256, so führt nach alledem kein Weg am korporativen Kern der Existenzvernichtungshaftung vorbei.257 Nur wenn man einer Doppelqualifikation generell großzügiger gegenübersteht, mag man in der Existenzvernichtungshaftung einen möglichen Anwendungsfall erblicken.258

4. Sonderanknüpfungen Eine letzte Möglichkeit, gläubigerschützende Vorschriften, die sich bei der primären Statusbestimmung nicht haben durchsetzen können, _________ 252 Dazu oben III 2 S. 80 f. 253 Vgl. Ulmer, KTS 2004, 291, 304. 254 Vgl. Clark, 90 Harv. L. Rev. 505, 547 (1977); dieses Bild aufnehmend zuletzt Tung, 34 Ga. L. Rev. 547, 568 (2000). 255 Vgl. Lüderitz in Festschrift Kegel, 1977, S. 31, 37: „Doppelqualifikation [kann] nicht bedeuten, mehrere Kollisionsnormen deshalb für anwendbar zu erklären, weil man sich nicht für eine Anknüpfung entscheiden kann.“ 256 Vgl. v. Bar/Mankowski (Fn. 213), § 7 Rz. 178: „Zu einer Doppel- oder Mehrfachqualifikation (…) darf man erst dann greifen, wenn es nicht möglich ist, einen Schwerpunkt zu bilden und die Erscheinung insgesamt einer Kollisionsnorm zuzuweisen, sei es auch mit Bedenken. Nur dann wenn keines der Elemente die Erscheinung insgesamt wenigstens relativ prägt, muß man in den sauren Apfel beißen.“ 257 Im Ergebnis wie hier Altmeppen, NJW 2004, 97, 101–102; Altmeppen/ Wilhelm, DB 2004, 1083, 1088; Eidenmüller (Fn. 37), § 4 Rz. 21; Paefgen, ZIP 2004, 2253, 2260; Schön, ZHR 168 (2004), 268, 292; Schumann, DB 2004, 743, 748–749; Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 11; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1207. 258 In diesem Sinne Weller (Fn. 14), S. 274–275 im Systemzusammenhang des nationalen Kollisionsrechts; ebenso Kindler, NZG 2003, 1086, 1090; offen lassend Borges, ZIP 2004, 733, 741; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588–3589.

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gleichwohl noch zur Anwendung zu bringen, bietet die Figur der Sonderanknüpfung.

a) Allgemeine Anforderungen Die Sonderanknüpfung ist für das Recht der vertraglichen Schuldverhältnisse in Art. 34 EGBGB geregelt, der jedoch gemäß Art. 37 Satz 1 Nr. 2 EGBGB auf gesellschaftsrechtliche Fragen keine Anwendung findet. Allerdings enthält die Vorschrift einen verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken259, der auch außerhalb des internationalen Schuldvertragsrechts Aufmerksamkeit verdient: Danach kann es Vorschriften der lex fori geben, die den Sachverhalt unabhängig vom an sich anwendbaren Recht zwingend regeln. Nach verbreiteter, aber nicht unangefochtener Auffassung muss eine solche Sonderanknüpfung nicht gesetzlich normiert werden, sondern kann auch durch Richterrecht begründet werden.260 In der Sache muss es sich freilich um (Eingriffs-) Normen handeln, die tragende wirtschafts- oder sozialpolitische Ordnungsvorstellungen des Staates verwirklichen sollen und sich nicht im Ausgleich gegenläufiger Individualinteressen erschöpfen.261

b) Sonderanknüpfungen im Gesellschaftsrecht Im Internationalen Gesellschaftsrecht ist die Reichweite möglicher Sonderanknüpfungen noch wenig ausgeleuchtet. Dies rührt daher, dass die bislang herrschende Sitztheorie auf Sonderanknüpfungen weithin verzichten konnte.262 Mit dem europarechtlich vorgeprägten Übergang zur Gründungstheorie rücken sie nun zunehmend in den Blickpunkt. Ihr scheinbar unaufhaltsamer Vormarsch hat freilich eine Abspaltung einzelner Teilfragen aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt und damit eine teilweise Erosion der Lehre vom einheitlichen Gesellschaftsstatut zur Folge.

_________ 259 Vgl. Sonnenberger in Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 10: Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 1998, Einl. IPR Rz. 34 ff.; ders., IPRax 2003, 104. 260 Vgl. Weller (Fn. 14), S. 305 ff. m. w. N.; abw. Geyrhalter/Gäßler, NZG 2003, 409, 413. 261 Vgl. Franzen, RdA 2004, 257, 259; Sonnenberger, IPRax 2003, 104, 107; Weller (Fn. 14), S. 321 ff. 262 Dazu auch Franzen, RdA 2004, 257, 258.

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IV. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben 1. Entfaltung durch die EuGH-Rechtsprechung Beim gegenwärtigen Entwicklungsstand der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit kann die Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts nicht mehr allein anhand des autonomen deutschen Kollisionsrechts erfolgen. Sie wird vielmehr vorgeprägt durch die Vorgaben der Art. 43, 48 EG, die der Europäische Gerichtshof in drei Leitentscheidungen ausbuchstabiert hat: − In der Centros-Entscheidung aus dem Jahre 1999 ging es um ein dänisches Ehepaar, das nach englischem Recht eine private limited company namens Centros mit einem Gesellschaftskapital von 100 Pfund gegründet und kurz darauf die Eintragung einer Zweigniederlassung von Centros in Dänemark beantragt hatte. Die dänischen Behörden lehnten die Eintragung mit der Begründung ab, die Centros habe in England keine Geschäftstätigkeit entfaltet und wolle in Dänemark unter Umgehung der dänischen Mindestkapitalvorschriften in Wirklichkeit keine Zweigniederlassung, sondern einen Hauptsitz errichten. Der EuGH entschied, dass es für sich allein keine missbräuchliche Ausnutzung des Niederlassungsrechts darstelle, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates, der eine Gesellschaft gründen möchte, diese in jenem Mitgliedstaat errichte, dessen gesellschaftsrechtliche Vorschriften ihm die größte Freiheit ließen, und in anderen Mitgliedstaaten Zweigniederlassungen gründe.263 Ein Mitgliedstaat, der die Eintragung der Zweigniederlassung verweigere, verstoße daher gegen die Art. 43 und 48 EG. Diese Auslegung schließe jedoch nicht aus, dass die Behörden des betreffenden Mitgliedstaates alle geeigneten Maßnahmen treffen, um Betrügereien zu verhindern oder zu verfolgen.264 − Die Überseering-Entscheidung aus dem Jahre 2002 betraf die Rechtsstellung einer nach niederländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft, die ihre Hauptverwaltung nach Deutschland verlegt hatte und vor Gericht einen werkvertraglichen Mängelgewährleistungsanspruch geltend machte. Auf dem Boden der in Deutschland bis dato herrschenden Sitztheorie vertrat das OLG Düsseldorf die Auffas_________ 263 Vgl. EuGH v. 9.3.1999 – Rs C-212/97, Slg. 1999, I-1459, Rz. 27. 264 Vgl. EuGH v. 9.3.1999 – Rs C-212/97, Slg. 1999, I-1459, Rz. 38.

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sung, dass Überseering wegen der Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes nicht mehr rechtsfähig und demnach auch nicht mehr parteifähig sei. Auf Vorlage des BGH entschied der EuGH, dass Überseering aufgrund der Art. 43 und 48 EG das Recht genieße, „als Gesellschaft niederländischen Rechts“ von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen.265 Damit sei es nicht vereinbar, wenn ihr vor deutschen Gerichten die Rechtsfähigkeit und damit auch die Parteifähigkeit abgesprochen werde.266 − In der Inspire Art-Entscheidung aus dem Jahre 2003 ging es um eine nach englischem Recht gegründete private limited company namens Inspire Art, die eine Zweigniederlassung in Amsterdam unterhielt und nach Auffassung der niederländischen Behörden unter ein Gesetz über formal ausländische Gesellschaften (WFBV) fiel. Das WFBV verlangte von den betreffenden Gesellschaften, die Bezeichnung „formal ausländische Gesellschaft“ im Geschäftsverkehr zu führen und die niederländischen Mindestkapitalvorschriften zu erfüllen. Bei Zuwiderhandlungen war eine persönliche Haftung der Geschäftsleiter für alle während ihrer Amtstätigkeit vorgenommenen Rechtshandlungen vorgesehen. Der EuGH entschied unter anderem, dass die Bestimmungen des WFBV über das Mindestkapital und über die Haftung der Geschäftsführer Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit darstellten267 und weder durch Gesichtspunkte des Gläubigerschutzes noch durch sonstige zwingende Allgemeininteressen gerechtfertigt seien.268

2. Auswirkungen auf das nationale Gesellschaftskollisionsrecht Nach dieser Entscheidungstrias steht fest, dass die tatsächlichen Auswirkungen der nationalen Kollisionsnormen am Maßstab der Niederlassungsfreiheit zu messen sind.269 Gesichert ist weiterhin, dass sich aus der in Deutschland traditionell vorherrschenden Sitztheorie Beschränkungen der Art. 43 und 48 EG ergeben können270: Ihre Konse_________ 265 266 267 268 269 270

Vgl. EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-208/00, Slg. 2002, I-9919, Rz. 80. Vgl. EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-208/00, Slg. 2002, I-9919, Rz. 82 und 93. Vgl. EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, NJW 2003, 3331, Rz. 104. Vgl. EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, NJW 2003, 3331, Rz. 142. Abw. noch Rohe, RabelsZ 61 (1997), 1, 58 ff. Abw. noch Flessner, ZEuP 2000, 1, 4.

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quenz, dass eine im europäischen Ausland wirksam gegründete Gesellschaft nach einer Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes in Deutschland neu zu gründen ist, kommt in den Worten des EuGH einer „Negierung der Niederlassungsfreiheit“271 gleich. Sie lässt sich auch nicht durch die vom II. Zivilsenat des BGH als Notbehelf ersonnene Anerkennungslösung abwenden, die zugezogene Auslandsgesellschaften ex lege in eine Personengesellschaft deutschen Rechts umwandelt.272 Eine solche modifizierte Sitztheorie würde die Auslandsgesellschaft in eine andere Gesellschaftsform mit beträchtlichen Haftungsrisiken für die Gesellschafter hineindrängen und sich daher ebenfalls als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit darstellen.273 Schließlich wird man trotz mancher Bewertungsunterschiede im Einzelnen festhalten dürfen, dass die Niederlassungsfreiheit den Mitgliedstaaten konkrete Vorgaben an die Hand gibt, die im Ergebnis auf eine Überlagerung des nationalen Kollisionsrechts durch das Herkunftslandprinzip hinauslaufen.274 Manche sprechen plastisch von einem „Europapass“ für das Gründungsstatut.275 Rechtsdogmatische Diskussionen entzünden sich an der Frage, ob der EuGH in den referierten Entscheidungen die kollisionsrechtliche Gründungstheorie zum primärrechtlichen Prinzip erhoben hat. Dies nimmt man im Schrifttum verbreitet an276, auch wenn nicht immer deutlich wird, ob es sich dabei nur um eine vereinfachende façon de parler handelt. Bei Lichte besehen enthalten die einschlägigen Entscheidungen

_________ 271 Vgl. EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-208/00, Slg. 2002, I-9919, Rz. 81 und 93. 272 Vgl. BGHZ 151, 204. 273 Vgl. BGHZ 154, 185, 189; Eidenmüller, ZIP 2002, 2233, 2238; Leible/Hoffmann, RIW 2002, 925, 929; Lutter, BB 2003, 7, 9; Zimmer, BB 2003, 1, 5. 274 Vgl. Klinke in Anwaltkommentar AktG, 2003, Europ. GesR, Rz. 57; Hoffmann in Anwkomm BGB (Fn. 180), Anh. zu Art. 12 EGBGB unter B I 3; Leible/Hoffmann, RIW 2002, 925, 930–931; Martin-Ehlers in Sandrock/ Wetzler (Hrsg.), Deutsches Gesellschaftsrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen, 2004, S. 1, 14, 29; Paefgen, ZIP 2004, 2253, 2254; Spindler/ Berner, RIW 2003, 949, 954 ff.; Weller (Fn. 14), S. 53 ff. 275 In diesem Sinne Horn, NJW 2004, 893, 896. 276 Vgl. die Ausdeutungen der Überseering-Entscheidung bei Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2004, Rz. 768; Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2004, S. 545; Wimmer-Leonhardt (Fn. 186), S. 721.

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keine verbindlichen internationalprivatrechtlichen Festlegungen277: Der EuGH versteht sich nicht als arbiter elegantiae im kollisionsrechtlichen Theorienstreit, sondern misst die praktischen Auswirkungen für EU-Auslandsgesellschaften am Maßstab der Niederlassungsfreiheit.278 Allein dies entspricht auch seinem – kompetenziell begrenzten – Auftrag, den Vorrang des Gemeinschaftsrechts durchzusetzen und die dogmatischen Folgerungen für das nationale Recht den Mitgliedstaaten zu überlassen.279 Um diesen arbeitsteiligen Rechtsgewinnungsprozess auch begrifflich von der herkömmlichen Gründungstheorie abzuheben, spricht man bisweilen von einer „europarechtlichen Gründungstheorie“280 oder einer „europarechtlich moderierten Kontrolltheorie“281. Es mag dahinstehen, ob sich nicht trefflichere Begriffe hätten prägen lassen. In der Sache verdient die Abschichtung von gemeinschaftsrechtlicher und mitgliedstaatlicher Regelungsmacht volle Zustimmung. Ihr dogmatischer Wert erweist sich etwa bei der Frage, ob der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit im Einzelfall über das nach nationalem Recht definierte Gesellschaftsstatut hinausgehen kann.282 Bei einem ausschließlichen Verständnis der Art. 43 und 48 EG als „versteckte“ Kollisionsnormen wäre dies kaum möglich.283

3. Reichweite der Niederlassungsfreiheit a) Allgemeines Der Einzugsbereich des gemeinschaftsrechtlich vorgeprägten Gesellschaftskollisionsrechts wird maßgeblich durch die Reichweite der Nie_________ 277 Im Ergebnis ebenso Generalanwalt Colomer, Schlussanträge v. 4.12.2001, Slg. 2002, I-9922, Rz. 69; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083, 1084; Bitter, WM 2004, 2190, 2192; Brand, JR 2004, 89; Bruinier, Der Einfluß der Grundfreiheiten auf das Internationale Privatrecht, 2003, S. 39 ff., 60 ff.; Leible, ZGR 2004, 531, 534; Martin-Ehlers (Fn. 274), S. 1, 13 ff.; Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 8. 278 Bündig Leible, ZGR 2004, 531, 534: „Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht zählt nur das Ergebnis.“; gleichsinnig Weller (Fn. 14), S. 41–42. 279 Wie hier v. Halen, EWS 2002, 107, 111–112; Rehm in Eidenmüller (Hrsg.), Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 2 Rz. 71. 280 Hoffmann in Anwkomm BGB (Fn. 180), Anh. zu Art. 12 EGBGB unter B I 3; Leible, ZGR 2004, 531, 532. 281 Schanze/Jüttner, AG 2003, 30, 36; dies., AG 2003, 661, 665. 282 Dazu unten IV 3 b) S. 97 f. 283 Ebenso Rehm (Fn. 279), § 2 Rz. 72.

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derlassungsfreiheit bestimmt. Nur außerhalb ihres Schutzbereichs kann das deutsche Recht noch autonom über die Anknüpfung entscheiden und die überkommene Sitztheorie gegebenenfalls weiter zur Anwendung bringen. Einer Minderauffassung im Schrifttum zufolge erfasst die europarechtskonforme Anknüpfung nur die Grundlagen der Gesellschaft, namentlich das Gründungsrecht und die damit eng zusammenhängenden Fragen der Entstehung, Verfassung, Auflösung und Umwandlung.284 Dagegen soll sich aus der Niederlassungsfreiheit kein Anspruch von Auslandsgesellschaften ergeben, auch hinsichtlich des Gläubigerschutzes nach dem Recht des Gründungsstaates behandelt zu werden. Für die Insolvenzverschleppungs-, Existenzvernichtungs- und Kapitalaufbringungshaftung sowie für die Kapitalersatzregeln soll es bei der Anwendbarkeit der Sitztheorie bleiben.285 Eine solche Deutung der Niederlassungsfreiheit ist mit der zentralen Aussage der ÜberseeringEntscheidung kaum vereinbar, die den Zuzugsstaat verpflichtet, eine in den Niederlanden wirksam gegründete Gesellschaft „als Gesellschaft niederländischen Rechts“286 anzuerkennen. Noch weniger verträgt sie sich mit den Ausführungen des EuGH im Inspire Art-Urteil, wonach die Bestimmungen des niederländischen Gesetzes über formal ausländische Gesellschaften „über das Mindestkapital (sowohl zum Zeitpunkt der Gründung als auch während des Bestehens der Gesellschaft) und über die Haftung der Geschäftsführer Beschränkungen der in den Art. 43 und 48 EG garantierten Niederlassungsfreiheit“287 darstellen. Mit der ganz überwiegenden Meinung im Schrifttum erstreckt sich der Einzugsbereich des europarechtlich vorgeformten Gesellschaftskollisionsrechts daher nicht nur auf die Gründung der Gesellschaft, sondern auf alle Regelungsbereiche, die man gemeinhin dem Gesellschaftsstatut zuschlägt.288

_________ 284 Vgl. Altmeppen, NJW 2004, 97, 99 ff., 104; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083, 1085 ff. 285 Vgl. Altmeppen, NJW 2004, 97, 100 ff.; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083, 1088 ff. 286 EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-208/00, Slg. 2002, I-9919, Rz. 80. 287 EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, NJW 2003, 3331, Rz. 81 und 93. 288 Vgl. Hoffmann in Anwkomm BGB (Fn. 180), Anh. zu Art. 12 EGBGB unter B II 1; Leible, ZGR 2004, 531, 534; Riegger, ZGR 2004, 520, 524; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1206.

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b) Bedeutung der kollisionsrechtlichen Einordnung Auf der Grundlage dieses Befundes hat man nach den geschilderten EuGH-Entscheidungen verschiedentlich empfohlen, das Gesellschaftsstatut gezielt zu verengen und gläubigerschützende Regelungen in das Delikts- und Insolvenzstatut zu überführen.289 Davon verspricht man sich, dem vermeintlichen Würgegriff der Niederlassungsfreiheit zu entkommen und die Errungenschaften des deutschen Gläubigerschutzes vor dem EuGH in Sicherheit zu bringen. Vor allem eine insolvenzrechtliche Qualifikation, die hierzulande schon immer Fürsprecher hatte290 und mit der Gourdain/Nadler-Entscheidung zur französischen action en comblement du passif auch über eine Stütze in der EuGH-Rechtsprechung verfügt291, erfreut sich seit dem Inkrafttreten der Europäischen Insolvenzverordnung am 31.5.2002 zunehmender Beliebtheit.292 Ähnliche Anstrengungen werden unternommen, um geschädigten Gläubigern durch eine deliktsrechtliche „Ausflaggung“ einzelner Rechtsinstitute gemäß dem Tatortprinzip des Art. 40 EGBGB in Deutschland Gerichtsstand und Rechtsordnung zu eröffnen.293 Ein Bundesrichter hat in einem Diskussionsbeitrag Sympathie für diesen Begründungsweg bekundet294, und es hat den Anschein, als liege die jüngste Entscheidung des II. Zivilsenats, die eine Gesellschafterhaftung unter dem Gesichtspunkt eines existenzvernichtenden Eingriffs dahinstehen lässt und sich ausschließlich auf § 826 BGB stützt295, ebenfalls auf dieser Linie.

_________ 289 Vgl. Fischer, ZIP 2004, 1477; Horn, NJW 2004, 893, 899; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1204 ff. 290 Eingehend etwa Wackerbarth, Grenzen der Leitungsmacht in der internationalen Unternehmensgruppe, 2001, S. 109–110. 291 Vgl. EuGH v. 22.2.1979 – Rs 133/78, Slg. 1979, 733; eingehend unten IV. 5. b). 292 Programmatisch der Aufsatztitel von Fischer, ZIP 2004, 1477: „Die Verlagerung des Gläubigerschutzes vom Gesellschafts- in das Insolvenzrecht“; kritisch K. Schmidt, ZHR 168 (2004) 493, 496 ff.; allgemein zur EuInsVO unten IV 5 b) S. 111 ff. 293 Eingehend Kindler (Fn. 192), S. 409, 410 ff.; kritisch Schön, ZHR 168 (2004), 268, 292. 294 Vgl. die Stellungnahme von Röhricht, wiedergegeben von Winter, Der Konzern 2004, 171, 172. 295 Vgl. BGH, ZIP 2004, 2138.

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Eine derartige Strategie dürfte sich indes kaum als zielführend erweisen.296 Ihr haftet der Soupçon der Normerschleichung an, weil sie den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit unzulässig verkürzt: Der durch die Art. 43 und 48 EG vermittelte Schutz ist nicht norm-, sondern wirkungsbezogen.297 Unter dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit können daher auch inländische Sachnormen, die durch das internationale Delikts- oder Insolvenzrecht zur Anwendung berufen sind, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen.298 Das ergibt sich zwanglos aus der hier vertretenen Grundkonzeption, wonach die Niederlassungsfreiheit keine neuen Kollisionsregeln schafft, sondern sich in einer Schrankenfunktion erschöpft.299 Unabhängig davon entspricht es einem anerkannten Lehrsatz der Methodenlehre, dass der Zuordnungswille der Beteiligten zwingende Rechtsvorschriften nicht zu überspielen vermag.300 Daher können die Mitgliedstaaten nicht ihrerseits durch eine rechtsfolgenorientierte Verengung ihres Gesellschaftskollisionsrechts die Reichweite der Niederlassungsfreiheit beeinflussen.301 Ganz in diesem Sinne hat schließlich der EuGH in der Rechtssache Arblad entschieden, dass sich die praktischen Auswirkungen international zwingender Bestimmungen der lex fori ebenfalls an dem Beschränkungsverbot der Dienstleistungsfreiheit messen lassen müssen.302

c) Einschränkungen des Schutzbereichs Vorzugswürdig ist es statt dessen, in sorgfältiger Normanalyse die inneren Grenzen der Niederlassungsfreiheit herauszuarbeiten und dabei solche mitgliedstaatlichen Vorschriften aus dem Schutzbereich der Art. 43 und 48 EG auszuscheiden, denen keine objektiv niederlassungsfreiheits_________ 296 Ablehnend auch Bitter, WM 2004, 2190, 2191; Brand, JR 2004, 89, 93; Eidenmüller (Fn. 37), § 3 Rz. 8; Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 9–10; Weller (Fn. 14), S. 200. 297 Ähnlich Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 9: „So ist denn auch Prüfungsgegenstand der Niederlassungsfreiheit die vom Recht des Mitgliedstaates ausgehende tatsächliche Behinderung; auf die dieser zu Grunde liegende dogmatische Begründung kommt es nicht an.“ 298 Ebenso Eidenmüller (Fn. 37), § 3 Rz. 8. 299 Vgl. oben IV 2 S. 94 ff. 300 Vgl. Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 2. Aufl. 1991, Rz. 316. 301 Wie hier auch Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 9. 302 Vgl. EuGH v. 23.11.199, verb. Rs C-369/96 und C-376/96, Slg. 1999, I-8498; dazu Jayme/Kohler, IPRax 2000, 454, 455.

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regelnde Tendenz innewohnt. Darin liegt auch der richtige Kern der häufig verwandten Formel, dass Vorschriften des allgemeinen Verkehrsrechts vor der Niederlassungsfreiheit Bestand haben.303 Grundfreiheitendogmatisch geht es um die Gewinnung eines Keck-ähnlichen Filters304 im Rahmen der Art. 43 und 48 EG.305 Erste Konkretisierungsvorschläge sind im Schrifttum mit Blick auf das Regelungsregime der Auslandsgesellschaften bereits unterbreitet worden: Manche Stimmen wollen zwischen rein tätigkeitsbezogenen und korporativ wirkenden Vorschriften unterscheiden306; andere stellen gesellschaftsrechtsakzessorische und allgemein-bürgerlichrechtliche Regelungen gegenüber307; wieder andere nehmen Bestimmungen des allgemeinen Verkehrsrechts vom Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit aus und machen nur für solche Regelungen eine Rückausnahme, die eine wesentliche Behinderung des Marktzugangs darstellen.308 Diesen weithin übereinstimmenden Grenzziehungen wird man im Grundsatz gerne beitreten. Dass dem Merkmal des Marktzugangs Gewicht zukommt, lässt sich in der neueren Spruchpraxis zur Warenverkehrsfreiheit belegen309 und findet eine weitere Stütze in der jüngsten Rechtsprechung zur Kapitalverkehrsfreiheit.310 Darüber dürfen aber zeitlich später einsetzende Maßnahmen der Mitgliedstaaten gegenüber Auslandsgesellschaften nicht aus dem Blick geraten. Wie oben dargestellt, zählt insbesondere der Umfang der Haftung zu den wichtigsten Auswahlkriterien der Gesellschaftsgründer bei der Rechtsformwahl.311 Daher ist bei der Anwendung inländischer Haftungsnormen auf Gesellschafter und Geschäftsleiter von Auslandsgesellschaften besondere Sorgfalt geboten, ob sie nicht – offen oder verdeckt – in die korporative Sphäre hinüberwir_________ 303 In diesem Sinne etwa Paefgen, ZIP 2004, 2253, 2255; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 669–670; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1205. 304 Vgl. EuGH v. 24.11.1993 – Rs C-268/91, Slg. 1993, I-6097, Rz. 16 und 17. 305 Allgemein dazu Everling in Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, 1997, S. 607, 618 ff.; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2003, Rz. 28; W.-H. Roth in Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, 1997, S. 729, 739 ff.; Streinz in Festschrift Rudolf, 2001, S. 199, 211–212. 306 Vgl. Eidenmüller (Fn. 37), § 3 Rz. 16 und 17. 307 Vgl. Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 11. 308 Vgl. Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 667–668. 309 Nachweise bei Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 667. 310 Vgl. EuGH v. 13.5.2003 – Rs 463/00, Slg. 2003, I-4581, Rz. 43 und 61 – Kommission/Spanien (Goldene Aktien IV); zu diesem Gesichtspunkt auch Kainer, ZHR 168 (2004), 542, 555 ff. 311 Vgl. oben I 1 b) S. 51.

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ken und damit die Ausübung der Niederlassungsfreiheit weniger attraktiv machen.312

4. Rechtfertigung von Beschränkungen Liegt nach den soeben dargestellten Grundsätzen ein Eingriff in den Schutzbereich der Art. 43 und 48 EG vor, so stellt sich die Frage nach seiner Rechtfertigung.

a) Rechtsmissbrauch oder Betrug Einen ersten Ansatzpunkt hat der EuGH in der Centros-Entscheidung aufgezeigt, indem er daran erinnerte, dass „die missbräuchliche oder betrügerische Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht gestattet [ist].“313

aa) Missbrauch Die vom Gerichtshof für den Missbrauchseinwand in Bezug genommene Urteilsreihe ist stattlich, ihr Ertrag für den konkreten Fall hingegen kärglich. Ausweislich der Urteilsgründe liegt nämlich in der zielgerichteten Wahl des vorteilhaftesten Gesellschaftsrechts gerade keine missbräuchliche Berufung auf die Art. 43 und 48 EG: „Damit kann es für sich allein keine missbräuchliche Ausnutzung des Niederlassungsrechts darstellen, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates, der eine Gesellschaft gründen möchte, diese in dem Mitgliedstaat errichtet, dessen gesellschaftsrechtliche Vorschriften ihm die größte Freiheit lassen (…).“314 Dieses Verständnis der Niederlassungsfreiheit als Rechtswahlfreiheit315 hat der EuGH im Inspire Art-Urteil wiederholt und bekräftigt.316 Trotz aller Zurückhaltung weist der EuGH den Missbrauchseinwand indes nicht gänzlich zurück. Der Centros-Entscheidung zufolge „können die nationalen Gerichte (…) im Einzelfall das missbräuchliche (…) Verhalten der Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien in Rech_________ 312 313 314 315 316

Ähnlich Eidenmüller (Fn. 37), § 4 Rz. 25. Vgl. EuGH v. 9.3.1999 – Rs C-212/97, Slg. 1999, I-1459, Rz. 24. EuGH v. 9.3.1999 – Rs C-212/97, Slg. 1999, I-1459, Rz. 27. Vgl. Kieninger, ZEuP 2004, 685, 699. Vgl. EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, NJW 2003, 3331, Rz. 138.

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nung stellen, um ihnen gegebenenfalls die Berufung auf das einschlägige Gemeinschaftsrecht zu verwehren.“317 Gründlichere Untersuchungen zur Dogmatik des Rechtsmissbrauchs im Gemeinschaftsrecht haben diese Formulierung in einen größeren Gesamtzusammenhang eingeordnet und aufgezeigt, dass generell-abstrakte Gefahren zur Begründung eines Missbrauchsvorwurfs nicht ausreichen.318 Auf dieser Linie liegen auch die Schlussanträge von Generalanwalt Alber in der Rechtssache Inspire Art, die den Stand der Rechtsprechung dahin zusammenfassen, dass „er [i.e. der EuGH] die rechtliche Zulässigkeit derartiger Schutzmaßnahmen stets vom Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für einen Missbrauch im Einzelfall abhängig gemacht [hat].“319 Im Lichte dieser Vorgaben schrumpfen die Einsatzmöglichkeiten des Missbrauchseinwands auf schmale Restbereiche zusammen.320

bb) Betrug Eng mit dem Missbrauchseinwand verbunden, aber dogmatisch von ihm zu trennen, ist der Einwand betrügerischen Verhaltens.321 Seine Relevanz für Auslandsgesellschaften hat der EuGH am Ende der Centros-Entscheidung hervorgehoben: „Diese Auslegung schließt jedoch nicht aus, dass die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats alle geeigneten Maßnahmen treffen können, um Betrügereien zu verhindern oder zu verfolgen. Das gilt sowohl – gegebenenfalls im Zusammenwirken mit dem Mitgliedstaat, in dem sie errichtet wurde – gegenüber der Gesellschaft selbst als auch gegenüber den Gesellschaftern, wenn diese sich mittels der Errichtung der Gesellschaft ihren Verpflichtungen gegenüber inländischen privaten oder öffentlichen Gläubigern entziehen möchten.“322 Illustrationen dieser Rechtfertigungsmöglichkeit in der EuGH-Rechtsprechung fehlen bislang.323 Man wird aus dem Gattungsbegriff „Betrügereien“ aber ableiten können, dass die Mitgliedstaaten _________ 317 EuGH v. 9.3.1999 – Rs C-212/97, Slg. 1999, I-1459, Rz. 25. 318 Vgl. Schön in Festschrift Wiedemann, 2002, S. 1271, 1288–1289; Fleischer, JZ 2003, 865, 873. 319 Schlussanträge v. 30.1.2003 – Rs C-167/01, NZG 2003, 262 Rz. 117. 320 Im Ergebnis ebenso Brand, JR 2004, 89, 92; Eidenmüller (Fn. 37), § 3 Rz. 99; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1203–1204. 321 Zur Dogmatik Schön (Fn. 318), S. 1271, 1277–1278; Fleischer, JZ 2003, 865, 870. 322 EuGH v. 9.3.1999 – Rs C-212/97, Slg. 1999, I-1459, Rz. 39. 323 Mögliche Beispielsfälle bei Eidenmüller (Fn. 37), § 3 Rz. 118–119.

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fraudulöse Gläubigerschädigungen gezielt bekämpfen dürfen, gleichviel, ob die nationalen Schutzinstrumente rechtsdogmatisch unter den Missbrauchs- oder Betrugsvorbehalt oder unter den Vier-Faktoren-Test des EuGH fallen324, von dem nun noch zu handeln ist.

b) Zwingende Gründe des Allgemeininteresses Rechtsmissbrauch und Betrug sind nicht die einzigen Möglichkeiten für einen Mitgliedstaat, Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit einer Auslandsgesellschaft zu rechtfertigen. Eine zweite Verteidigungslinie bilden die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses, deren Vorliegen der EuGH anhand eines Vier-Faktoren-Tests zu prüfen pflegt.

aa) Der Vier-Faktoren-Test Nach einer stehenden Formel des EuGH, wie sie auch in der Inspire Art-Entscheidung wiederkehrt, sind nationale Maßnahmen, welche die Ausübung der Niederlassungsfreiheit weniger attraktiv machen, gerechtfertigt, wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind: „Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.“325 Was die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses anlangt, hat der EuGH in seiner Entscheidungsserie zur Niederlassungsfreiheit von Auslandsgesellschaften folgende Rechtfertigungsgründe gebilligt: den Schutz von Gläubigern326, Minderheitsgesellschaftern327 und

_________ 324 Dazu Kieninger, ZEuP 2004, 685, 698–699; zuletzt Bitter, WM 2004, 2190, 2193: „Ob die Rechtfertigung über die vom EuGH in Centros und Inspire Art zugestandene Missbrauchsausnahme oder über die allgemeine Rechtfertigung nach Maßgabe des ‚Vier-Kriterien-Tests’ (Gebhard-Formel) erfolgt, ist im Bereich der Niederlassungsfreiheit im Ergebnis ohne Belang.“ 325 EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, NJW 2003, 3331, Rz. 133 m. w. N. 326 Vgl. EuGH v. 9.3.1999 – Rs C-212/97, Slg. 1999, I-1459, Rz. 35 ff.; EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-208/00, Slg. 2002, I-9919, Rz. 92; EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, NJW 2003, 3331, Rz. 135. 327 Vgl. EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-208/00, Slg. 2002, I-9919, Rz. 92.

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Arbeitnehmern328 sowie die Erhaltung der Lauterkeit des Handelsverkehrs329 und der Wirksamkeit von Steuerkontrollen.330

bb) Vorrang des gemeinschaftsrechtlichen Informationsmodells Die rechtspraktische Hauptlast des Vier-Faktoren-Tests trägt in aller Regel das Erforderlichkeitskriterium. Es verlangt von dem Rechtsanwender zu untersuchen, ob ein bestimmtes Schutzanliegen durch mildere Maßnahmen verwirklicht werden kann, welche die Niederlassungsfreiheit weniger beeinträchtigen. Im konkretisierenden Zugriff hat der EuGH vor allem in den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien nach Orientierung gesucht. Aus ihnen hat er schon im Centros-Urteil eine gläubigerschützende Gesamtkonzeption entwickelt, die zuvörderst auf dem Gedanken des Selbstschutzes beruht. Wörtlich heißt es dort: „Da die Gesellschaft als Gesellschaft englischen Rechts, nicht als Gesellschaft dänischen Rechts auftritt, ist den Gläubigern weiter bekannt, dass sie nicht dem dänischen Recht über die Errichtung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung unterliegt; sie können sich auf bestimmte gemeinschaftsrechtliche Schutzvorschriften berufen wie die Vierte Richtlinie 78/660 EWG (…) über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (…) und die Elfte Richtlinie 89/666 EWG (…) über die Offenlegung von Zweigniederlassungen (…).“331 Auch im Inspire Art-Urteil kehrt das caveat-creditor-Prinzip an prominenter Stelle wieder: „Erstens ist zum Gläubigerschutz (…) festzustellen, dass die Inspire Art als Gesellschaft englischen Rechts und nicht als niederländische Gesellschaft auftritt. Ihre potentiellen Gläubiger sind hinreichend darüber unterrichtet, dass sie anderen Rechtsvorschriften als denen unterliegt, die in den Niederlanden die Gründung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung regeln (…).“332 Man kann daher verallgemeinernd von einem gemeinschaftsrechtlichen Informationsmodell des Gläubigerschutzes sprechen333, das den Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, gläubigerschützende Maßnahmen gegen Auslandsgesellschaften zu ergreifen, vergleichsweise enge Grenzen zieht. _________ 328 329 330 331 332 333

Vgl. EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, NJW 2003, 3331, Rz. 92. Vgl. EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, NJW 2003, 3331, Rz. 140. Vgl. EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, NJW 2003, 3331 , Rz. 140. Vgl. EuGH v. 9.3.1999 – Rs C-212/97, Slg. 1999, I-1459, Rz. 36. EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, NJW 2003, 3331, Rz. 135. In diesem Sinne etwa Eidenmüller, JZ 2004, 24, 27; Grundmann, DStR 2004, 232; Merkt, RIW 2004, 1, 6.

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Nicht unbemerkt geblieben sind bei alledem Unzulänglichkeiten des Informationsmodells im Hinblick auf den Schutz deliktischer Gläubiger und vertraglicher Kleingläubiger ohne Verhandlungsmacht.334 Sie werden in der Literatur gelegentlich als rechtsökonomische Neuentdeckungen der Nach-Centros-Ära ausgegeben – indes kaum mit Recht: Alle einschlägigen Argumente sind bereits zu Beginn der neunziger Jahre in den Vereinigten Staaten ausgetauscht worden335 und haben dort zum Teil zu der Forderung geführt, eine spezielle Durchgriffshaftung von Deliktsgläubigern zu etablieren.336 Hierzulande sind die Meinungen geteilt: Manche Autoren treten dafür ein, zusätzliche Schutzmechanismen für Deliktsgläubiger einzuführen337, andere lehnen dies strikt ab.338

cc) Vorrang des gläubigerschützenden Gründungsrechts Die zweite große Frage geht dahin, welcher Stellenwert dem ausländischen Gründungsrecht und seinen Gläubigerschutzvorkehrungen im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung zukommt.

(1) Meinungsstand Darüber gehen die Auffassungen im Schrifttum weit auseinander. Eine verbreitete Lehrmeinung will den im Gründungsrecht angelegten Gläubigerschutz mit Formulierungsunterschieden im Einzelnen berücksichtigt wissen.339 Manche postulieren ein allgemeines Subsidiaritäts_________ 334 Vgl. Eidenmüller (Fn. 37), § 3 Rz. 39 ff.; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 663; Spindler/Berner, RIW 2003, 949, 954. 335 Zusammenfassend Bainbridge (Fn. 110), S. 179–183; Fleischer, ZGR 2001, 1, 16 ff. 336 Grundlegend Hansmann/Kraakman, 110 Yale L.J. 1879 (1991): „Toward Unlimited Shareholder Liability for Corporate Torts“. 337 Vgl. den Hinweis auf eine „Versicherungslösung“ bei Grundmann, ZGR 2001, 783, 819–820; Eidenmüller, ZIP 2002, 2232, 2236; ferner die Ansätze bei Schanze/Jüttner, AG 2003, 30, 34, knapp auch Behrens, IPRax 2004, 20, 25; Brand, JR 2004, 89, 94; jüngst der Vorschlag de lege ferenda für eine „Superpriorität von Deliktsgläubigern“ bei Wagner (Fn. 212), S. 1043, 1067 ff. 338 Vgl. Sandrock (Fn. 37), S. 33, 59–61; ders., ZVglRWiss 162 (2003), 447, 478; Mülbert/Birke, EBOR 3 (2002), 695, 714–715. 339 Vgl. Behrens, IPRax 2003, 199, 206; Eidenmüller (Fn. 37), § 3 Rz. 45 ff.; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 181; Kieninger, ZEuP 2004, 685, 699; Paefgen, ZIP 2004, 2253, 2257; W.-H. Roth, IPRax 2003, 117, 125; Sandrock

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prinzip, das für die Anwendung von Normen des Sitzstaates nur dort Raum lässt, wo das Gründungsstatut im konkreten Fall keinen Rechtsschutz bereithält.340 Andere greifen noch weiter aus und wollen das gesamte Gründungsrecht in ihr Vergleichskalkül einbeziehen.341 Wieder andere verlangen für eine Anwendung inländischer Gläubigerschutzregeln eine Schutzlücke im Gründungsrecht342, die durch eine umfassende rechtsvergleichende Analyse zu ermitteln sei.343 Die Gegenmeinung hält einen Vergleich der inländischen Gläubigerschutzvorschriften mit jenen des Gründungsrechts für entbehrlich344 und beurteilt die Erforderlichkeit von Schutzmaßnahmen allein aus der Sicht des deutschen Rechts.345 Dabei spielt nicht zuletzt die pragmatische Erwägung eine Rolle, den inländischen Rechtssuchenden und Gerichten Nachforschungen im ausländischen Gesellschaftsrecht zu ersparen.346

(2) Stellungnahme Eine eigene Stellungnahme hat von den – ausgesprochenen und unausgesprochenen – Prämissen der EuGH-Rechtsprechung zur Niederlas_________

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(Fn. 37), S. 33, 37–38; Schön, ZHR 168 (2004) 268, 293 mit Fn. 108; Schulz/ Sester, EWS 2003, 545, 551; Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 14; wohl auch Bayer, BB 2004, 1, 4. Vgl. Sandrock (Fn. 37), S. 38: „Erst dann, wenn eine Überprüfung des Gründungsstatuts zu dem Ergebnis führt, daß dem Antragsteller nach diesem Statut keine materiellen local remedies von derjenigen Art zur Verfügung stehen, wie sie ihm das Sitzstatut einräumen würde, kann ihm das Sitzrecht zu Hilfe springen. Der Antragsteller darf also mit seinem konkreten Anspruch nicht rechtlos gestellt werden.“ Vgl. Eidenmüller (Fn. 37), § 3 Rz. 50: „Wenn es also beispielsweise darum geht, ob die Anwendung einer bestimmten Vorschrift des Inlandsrechts auf eine Auslandsgesellschaft unter Gläubigerschutzgesichtspunkten erforderlich ist, muß das gesamte auf die Auslandsgesellschaft anwendbare Gründungsrecht einschließlich seiner Gläubigerschutzinstrumente daraufhin befragt werden, ob und in welchem Maße es die Gesellschaftsgläubiger schützt. Auf die rechtstechnische Einkleidung dieses Schutzes kommt es nicht an.“ Vgl. Behrens, IPRax 2003, 199, 206; Kieninger, ZEuP 2004, 685, 699. Vgl. Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 14; Brand, JR 2004, 89, 94. Vgl. Altmeppen/Wilhelm, DB 2003, 1083, 1088; Hoffmann in Anwkomm BGB (Fn. 180), Anh. zu Art. 12 EGBGB unter B II 4; Borges, ZIP 2004, 733, 741–742; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1208–1209. Vgl. Ulmer, NJW 2004, 1201, 1208–1209. Vgl. Altmeppen, NJW 2004, 97, 99; Bitter, WM 2004, 2190, 2193–2194; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1208.

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sungsfreiheit von Auslandsgesellschaften auszugehen. Sie soll in vier Begründungsschritten entfaltet werden: − Ermöglichung einer Regelungsarbitrage: Schiebt man alle tatbestandlichen Einzelheiten beiseite, so liegt die grundlegende Bedeutung der Centros-Entscheidung in ihrer Rechtsformwahlfreiheit eröffnenden Entwicklungsperspektive. Sie ermöglicht es den Gesellschaftsgründern, auf dem europäischen Markt für „kleine“ Kapitalgesellschaften Regelungsarbitrage zu betreiben347 und ein gemeinschaftsweites Regelungsgefälle zum eigenen Vorteil auszunutzen.348 Diesem ordnungspolitisch aufgeladenen Grundgedanken349 hat Generalanwalt La Pergola in seinen Schlussanträgen beredt Ausdruck verliehen350, und der Gerichtshof ist ihm darin gefolgt.351 Resümierend heißt es im Inspire Art-Urteil, der Umstand, „dass eine GmbH in einem Mitgliedstaat nur gegründet wurde, um in den Genuss vorteilhafterer Rechtsvorschriften zu kommen“, stelle keinen Rechtsmissbrauch dar.352 Dieser auf Grenzüberschreitung angelegte Regelungsansatz verlöre erheblich an innerer Stimmigkeit und Stringenz, wenn eine Erforderlichkeitsprüfung im Rahmen der Niederlassungsfreiheit ausschließlich aus der Binnensicht eines Mitgliedstaates vorgenommen würde. − Vermeidung von Doppelregelungen: Weiteren Rückhalt findet die These vom Vorrang des Gründungsrechts in einer langen Entschei_________ 347 Dazu auch Hertig/McCahery, EBOR 4 (2003), 179, 183: „[T]he evidence suggests that, while regulatory competition remains close to non-existent within the European Union, the appearance of new judgments from the ECJ supports the inference that regulatory arbitrage is an imminent possibility.“ 348 Grundlegend zum konzeptionellen Unterschied zwischen Regelungsarbitrage und Regelungswettbewerb Woolcock in Bratton/McCahery/Picciotto/Scott (eds.), International Regulatory Competition and Coordination, 1996, S. 297– 298; am Beispiel der SE auch Fleischer, AcP 204 (2004), 502, 510–511. 349 Monographisch aus ökonomischer Sicht zuletzt Heine, Regulierungswettbewerb im Gesellschaftsrecht, 2003; von juristischer Seite etwa Kieninger, Wettbewerb der Rechtsordnungen in der Europäischen Union, 2002, beide m. w. N. 350 Vgl. Schlussanträge v. 16.7.1998, Slg. 1999, I-1459, Rz. 20: „Solange eine Harmonisierung fehlt, muß letztlich der Wettbewerb zwischen den normalen Systemen („competition among rules“) unbehindert zum Zug kommen, selbst im Recht der Handelsgesellschaften.“ 351 Vgl. EuGH v. 9.3.1999 – Rs C-212/97, Slg. 1999, I-1459, Rz. 27. 352 Vgl. EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, NJW 2003, 3331, Rz. 96.

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dungsreihe zur Dienstleistungsfreiheit, in welcher der EuGH die Durchsetzung von Regeln des Destinationsstaates mangels Erforderlichkeit abgelehnt hat, weil dem jeweiligen Allgemeininteresse bereits durch Vorschriften des Herkunftsstaates Rechnung getragen wurde.353 So hat der Gerichtshof etwa in der Rechtssache Webb festgehalten: „Jedoch darf der freie Dienstleistungsverkehr als fundamentaler Grundsatz des Vertrages nur durch Regelungen beschränkt werden, die durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt sind (…), und zwar nur insoweit, als dem Allgemeininteresse nicht bereits durch die Rechtsvorschriften Rechnung getragen ist, denen der Leistungserbringer in dem Staat unterliegt, in dem er ansässig ist.“354 In dieser Rechtsprechung kommt das Bestreben zum Ausdruck, Doppelregelungen von Herkunfts- und Zielstaat zu vermeiden.355 Wie einzelne Urteile zur Niederlassungsfreiheit natürlicher Personen belegen356, verlangt derselbe Gedanke auch im Rahmen der Artikel 43 und 48 EG Beachtung. Hier stellen sich allerdings schwierige Folgefragen hinsichtlich der Vergleichbarkeit, weil das Ziel des Gläubigerschutzes mit unterschiedlichen Mitteln verfolgt werden kann. − Unzulänglichkeiten einer Mikrovergleichung: Zu kurz greift dabei eine Lehrmeinung, die eine Anwendung des Inlandsrechts immer dann für zulässig hält, wenn das Gründungsrecht keine vergleichbaren Haftungstatbestände kennt.357 Sie berücksichtigt nicht hinreichend, dass der Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht ein bewegliches System darstellt, das sich aus einer Vielzahl von Einzelelementen zusammensetzt. Diese Teilelemente stehen nicht unverbunden nebeneinander, sondern ergänzen sich wechselseitig und sind bis zu einem gewissen Grade austauschbar. Ein anschauliches Beispiel bildet die Durchgriffshaftung, die im englischen Recht bis heute eine randständige Erscheinung geblieben ist. Die Gründe dafür fasst ein führender Lehrbuchautor wie folgt zusammen: „British law has _________ 353 Vgl. etwa EuGH v. 17.12.1981 – Rs 279/80, Slg. 1981, I-3305, Rz. 17 – Webb; EuGH v. 25.7.1991 – Rs 76/90, Slg. 1991, I-4221, Rz. 15 – Säger/Dennemeyer; EuGH v. 9.8.1994 – Rs C-43/93, Slg. 1994, I-3803, Rz. 16 – Vander Elst/OMI; EuGH v. 28.3.1996 – Rs C-272/94, Slg. 1996, I-1905, Rz. 11 – Guiot; EuGH v. 23.1.1999 – verb. Rs 369 und 376/96, Slg. 1999, I-8453, Rz. 34 – Arblade. 354 Vgl. EuGH v. 17.12.1981 – Rs 279/80, Slg. 1981, I-3305, Rz. 17. 355 Dazu Franzen, RdA 2004, 257, 263. 356 Vgl. EuGH v. 7.5.1991 – Rs C-340/89, Slg. 1991, I-2357, Rz. 19 – Vlassapoulou. 357 In diesem Sinne etwa Ulmer, NJW 2004, 1201, 1209.

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approached that problem through the statutory doctrine of wrongful trading rather than through lifting the veil.“358 Ähnliche Normsubstitutionen sind uns aus dem deutschen Recht geläufig, wo die Rechtsprechung die Konzernhaftung zurückgenommen und dafür die Organhaftung verschärft hat: Das Gleichgewicht wird an anderer Stelle und mit anderen Mitteln gesucht. An einer Makrovergleichung des ausländischen Gründungsrechts führt daher kein Weg vorbei.359 − Schwierigkeiten einer Makrovergleichung: Die Stimmen, die für eine sachliche Verbreiterung der Vergleichsbasis eintreten, haben zutreffend verinnerlicht, dass Rechtsvergleichung immer auch Ordnungsvergleichung ist360 und sich nicht in der isolierten Betrachtung einzelner Rechtsfiguren erschöpfen darf. Sie stehen freilich in zweierlei Hinsicht vor zusätzlichen Problemen: Zum einen dürfen sie nicht bei einer theoretischen Bestandsaufnahme der materiellrechtlichen Regeln – dem law in the books – stehenbleiben, sondern müssen zu deren rechtspraktischer Bedeutung – dem law in action – vordringen. Das schließt Fragen der prozessualen Anspruchsdurchsetzung ein361, wie das Beispiel des wrongful trading belegt: Die Wirksamkeit dieses Rechtsinstituts hängt nicht zuletzt von den Möglichkeiten der Prozessfinanzierung ab, die jüngst durch eine Gesetzesreform verbessert worden sind.362 Zum anderen bedarf es stets einer wertenden Entscheidung im Einzelfall, ob der Gläubigerschutz des Gründungsrechts mit dem des Inlandsrechts im Wesentlichen vergleichbar ist.363 So mag man etwa, um beim Beispiel der Insolvenzverschleppung zu bleiben, die Frage aufwerfen, ob die wrongful trading-Haftung deshalb hinter dem deutschen Schutzstandard zurückbleibt, weil sie den Neugläubigern keinen Anspruch auf Ersatz ihres Vertrauensschadens gewährt.364 Der EuGH ist derartigen Schwierigkeiten bislang elegant aus dem Weg gegangen, indem er _________ 358 Gower/Davies (Fn. 26), S. 190. 359 Im Ergebnis ebenso Eidenmüller (Fn. 37), § 3 Rz. 50; Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 14. 360 Näher dazu Großfeld, Kernfragen der Rechtsvergleichung, 1996, S. 11 ff. und passim. 361 Dies erwägend auch Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 14. 362 Näher oben II. 1. d) bb) mit Einzelnachweisen in Fn. 89. 363 Vollständige Identität zwischen den Regelungen des Herkunftsstaates mit dem des Destinationsstaates wird nicht verlangt; dazu EuGH v. 28.3.1996 – Rs C-222/94, Slg. 1996, I-1905, Rz. 19–20 – Guiot. 364 Dazu oben II 1 d) bb) S. 63 mit Fn. 84.

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sich zuvörderst auf gemeinschaftsrechtliche Modellvorstellungen und Wertungsmaßstäbe gestützt hat. Darauf ist sogleich zurückzukommen.

5. Gemeinschaftsrechtliche Grenzen der Rechtsformwahlfreiheit Die der Rechtsformwahlfreiheit in Europa eröffneten Spielräume sind nach den bisherigen Überlegungen beträchtlich. Sie werden allerdings durch gemeinschaftsrechtliche Schutzwälle umhegt, deren genauer Verlauf im Weiteren zu vermessen ist.

a) Gegenkräfte aus dem Europäischen Gesellschaftsrecht Es ist das Verdienst von Wolfgang Schön, darauf hingewiesen zu haben, dass die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit nicht voraussetzungslos gewährt wird, sondern gemäß Art. 44 Abs. 2 lit. g EG in ein System gesellschaftsrechtlicher Richtlinien eingebettet ist.365 Diese Richtlinien formulieren nach seinem Verständnis nicht nur Handlungsanweisungen für die jeweiligen mitgliedstaatlichen Gesetzgeber, „sie definieren auch einen Rahmen für die Ausübung der Niederlassungsfreiheit der Gesellschaften und prägen letztlich auch die Wertentscheidungen, welche der Aufnahmestaat der Auslandsgesellschaft als Mindeststandards entgegenhalten kann“366. Als Demonstrationsobjekt dient ihm die Anwendbarkeit der deutschen Existenzvernichtungshaftung, die er unter Hinweis auf einen Richtlinienentwurf des Gemeinschaftsgesetzgebers zur Durchführung des Liquidationsverfahrens aus dem Jahre 1987 rechtfertigen will.367 Die Grundidee überzeugt, ihre Tragweite im Einzelfall hängt freilich von der methodischen Bereitschaft ab, aus disparaten Bruchstücken und verstreuten Rechtssplittern im Richtlinienrecht einen Kuppelbau des gemeinschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes zu errichten. Davon wird bei der Würdigung der einzelnen Gläubigerschutzinstrumente noch zu handeln sein.368 An die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit stößt die Moderierung der Niederlassungsfreiheit durch gegenläufiges Richtlinienrecht dort, wo sich aus dem gegenwärtigen Normenbestand bei aller juristischen Kunst_________ 365 366 367 368

Vgl. Schön, ZHR 168 (2004) 268, 290 ff. Schön, ZHR 168 (2004) 268, 295. Vgl. Schön, ZHR 168 (2004), 268, 294. Vgl. unten V S. 114 ff.

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fertigkeit keine gemeinschaftsrechtlichen Wertungsmaßstäbe herausmeißeln lassen. Dass hier ein Grundproblem des Europäischen Gesellschaftsrechts liegt, welches nach Inspire Art mehr denn je der Klärung bedarf, hat Peter Mülbert jüngst zurecht hervorgehoben.369 Sein Aufruf, die Europäische Kommission möge das gesellschaftsrechtliche Gläubigerschutzminimum zur effektiven Verwirklichung der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit ausloten und mittels eines oder mehrerer Rechtsakte harmonisieren370, verdient volle Zustimmung. Erste Schritte in diese Richtung unternimmt der Aktionsplan der Kommission zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance, indem er die gemeinschaftsweite Einführung einer wrongful trading-Haftung in Aussicht stellt.371 Soweit es an einschlägigen Orientierungsmarken fehlt, steht der Rechtsanwender gegenwärtig vor einer schwierigen Entscheidung: Er kann entweder versuchen, das gemeinschaftsrechtliche Wertungsvakuum im Wege wertender Rechtsvergleichung auszufüllen, wie dies bei Regelungslücken im Europarecht nicht selten geschieht372, oder er kann der Regelungsarbitrage der Gesellschaftsgründer vorläufig freien Lauf lassen. Im Lichte der bisherigen EuGH-Rechtsprechung sprechen gute Gründe für die zweite Lösung373: So hat der Gerichtshof der dänischen Regierung im Centros-Urteil entgegengehalten, es sei „unerheblich, _________ 369 Vgl. Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 155–156. 370 Vgl. Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 156 mit Fn. 37; zuvor bereits Schanze/ Jüttner, AG 2003, 30, 35: „Auf der Ebene des sekundären Europarechts wäre eine bis in die Formulare hineingehende Vereinheitlichung des Insolvenzantragsverfahrens hilfreich (…).“ 371 Vgl. Mitteilung der EG-Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan, KOM 2003, 284 endg., Ziff. 3.1.3; dazu Fleischer, ZGR 2004, 437, 455 ff. 372 Dazu Fleischer, JZ 2003, 865, 871 m. w. N. 373 In diese Richtung auch Kieninger, ZEuP 2004, 685, 699: „Wenn aber der EuGH die Niederlassungsfreiheit als Rechtswahlfreiheit interpretiert und in der Umgehung der Kapitalschutzregeln des tatsächlichen Sitzes gerade keinen Mißbrauch sieht, dann kann diese Entscheidung nicht dadurch wieder rückgängig gemacht werden, daß es den Mitgliedstaaten erlaubt wird, unter dem Gesichtspunkt des Mißbrauchs der juristischen Person doch wieder das Kapitalschutzrecht am tatsächlichen Sitz zum Maßstab zu erheben. Damit enden meines Erachtens alle Versuche, die Durchgriffshaftung des Rechts am tatsächlichen Sitz unter dem Gesichtspunkt des Mißbrauchs in Stellung zu bringen.“

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dass das Gesellschaftsrecht in der Gemeinschaft nicht voll harmonisiert worden ist“, und sie daran erinnert, dass „es dem Rat jederzeit überlassen [bleibt], aufgrund der ihm in Art. 54 Abs. 3 Buchst g EGVertrag [heute: Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG] übertragenen Befugnisse diese Harmonisierung zu vervollständigen.“374 Der solchermaßen entstehende Rechtszustand hält auch einer Ergebniskontrolle stand375: Wie der rechtsvergleichende Überblick gezeigt hat, ist der Gläubigerschutz der kleinen Kapitalgesellschaft in England und Delaware zwar in verschiedener Hinsicht schwächer ausgeprägt, doch liegt kein eklatantes Schutzuntermaß zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger vor.376

b) Gegenkräfte aus der Europäischen Insolvenzverordnung Einen zweiten Weg, der Rechtsformwahlfreiheit in Europa mitgliedstaatliche Zügel anzulegen, weist womöglich die Europäische Insolvenzverordnung (EuInsVO)377, die am 31.5.2002 in Kraft getreten ist und das Insolvenzkollisionsrecht der EG-Mitgliedstaaten in wesentlichen Teilen vereinheitlicht.378 Nach der Grundkollisionsregel des Art. 4 Abs. 1 EuInsVO gilt für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedstaates, in dem das Verfahren eröffnet wird. Weil für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO die Gerichte jenes Mitgliedstaates zuständig sind, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, ist für Auslandsgesellschaften mit tatsächlichem Inlandssitz der Weg zur Anwendung des deutschen gläubigerschützenden Insolvenzrechts eröffnet.379 Die solchermaßen zur Anwendung be_________ 374 Vgl. EuGH v. 9.3.1999 – Rs C-212/97, Slg. 1999, I-1459, Rz. 28. 375 Ähnlich Behrens, IPRax 2004, 20, 25: „Dabei wird man gewöhnlich feststellen, daß gravierende Schutzlücken gar nicht bestehen.“; ferner Sandrock (Fn. 37), S. 33, 55: „Man darf aber nicht von vornherein davon ausgehen, fremde Gründungsstatute gewährten grundsätzlich geringere Rechte als das deutsche Sitzstatut.“ 376 Vgl. oben II. 3. 377 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO), Abl. Nr. L 160/1. 378 Dazu Becker, ZEuP 2002, 287; Ehricke/Ries, JuS 2003, 313; Eidenmüller, IPRax 2001, 2; Leible/Staudinger, KTS 2000, 533; Peter Huber, EuZW 2002, 490. 379 Vgl. Ulmer, KTS 2004, 291, 292; Weller (Fn. 14), S. 249–250; s. auch AG Hamburg, IPRax 2003, 534; dazu Mock/Schildt, NZI 2003, 442; Weller, IPRax 2003, 520.

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rufenen Sachnormen380 müssen sich zwar in ihrer Wirkung auf Auslandsgesellschaften am Maßstab der Niederlassungsfreiheit messen lassen381, doch dürfte jedenfalls die allgemeine Kollisionsnorm des Art. 4 EuInsVO vor der Niederlassungsfreiheit Bestand haben.382 Die Hauptschwierigkeiten bei der Handhabung dieses Rechtsinstruments bestehen darin zu ermitteln, welche Haftungstatbestände und Sachnormen unter den Begriff „Insolvenzrecht“ i. S. d. Art. 4 EuInsVO fallen.383 Gewiss handelt es sich dabei um einen autonom auszulegenden Begriff des Gemeinschaftsrechts384, doch gibt die Verordnung dem Rechtsanwender im hier interessierenden Grenzbereich von Insolvenzund Gesellschaftsrecht keine aussagekräftigen Leitlinien an die Hand. Dem halboffiziellen Virgos/Schmit-Bericht zufolge erstreckt sich der Insolvenzbereich auf die Eröffnung, Abwicklung und Beendigung des Insolvenzverfahrens sowie auf seine materiellen Wirkungen.385 Gleichsinnig formuliert Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 EuInsVO, und Art. 4 Abs. 2 Satz 2 EuInsVO fügt dem „zur Erleichterung der Auslegung“386 eine nicht abschließende387 Aufzählung von Bereichen hinzu, die nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung zu beurteilen sind. Dazu gehören nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 lit. m EuInsVO auch Regelungen darüber, „welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen“. Weitere Wegleitung verspricht die bislang einzige EuGH-Entscheidung zum Internationalen Insolvenzrecht aus dem Jahre 1979, die noch zum Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handels_________ 380 Die Verweisungen der Verordnung sind Sachnormverweisungen; dazu Duursma-Kepplinger in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Europäische Insolvenzverordnung, 2002, Art. 4 Rz. 2; Peter Huber, EuZW 2002, 490, 492; Leible/Staudinger, KTS 2000, 533, 549. 381 Ebenso Bitter, WM 2004, 2190, 2191–2192. 382 Näher Ulmer, KTS 2004, 291, 295–296. 383 Dazu Paulus, ZIP 2002, 729, 734; zu Qualifikationsproblemen auch DuursmaKepplinger (Fn. 378), Art. 4 EuInsVO Rz. 6. 384 Vgl. Haubold, IPRax 2002, 157, 162; Weller (Fn. 14), S. 258; s. bereits EuGH v. 22.2.1979 – Rs 133/78, Slg. 1979, 733 Rz. 3 – Gourdain/Nadler. 385 Vgl. Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht zur EuInsVO, 1996, Rz. 88; dazu auch Duursma-Kepplinger (Fn. 380), Art. 4 Rz. 5. 386 Virgos/Schmit (Fn. 385), Rz. 91. 387 Dazu Duursma-Kepplinger (Fn. 380), Art. 4 EuInsVO Rz. 12.

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sachen (EuGVÜ) erging.388 In dieser Rechtssache stellte sich die Frage, ob die französische Geschäftsleiterhaftung in der Insolvenz, die berühmte action en comblement du passif389, unter die Ausnahmebestimmung des Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 EuGVÜ über Konkurssachen fiel. Nach den Schlussanträgen von Generalanwalt Reischl sollten von dieser Ausnahme Verfahren über Ansprüche erfasst sein, „die allein das Konkursrecht kennt“ oder „die auch im allgemeinen Zivilrecht bestehen, die aber im Konkursrecht eine so entscheidende Veränderung erfahren, dass sie nach ihrer Zweckbestimmung als zum Konkursrecht gehörig anzusehen sind.“390 Der Gerichtshof stellte maßgeblich auf einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Insolvenz ab391 und sah ihn dann als gegeben an, wenn das Einzelverfahren seine „Rechtsgrundlage im Konkursrecht hat“392. In der Fallanwendung bejahte er eine insolvenzrechtliche Qualifikation der französischen Regelung und stützte sich dabei auf folgende Kriterien: die ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts, die Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters zur Geltendmachung des Anspruchs; die Umkehr der Beweislast im Gegensatz zur normalen zivilrechtlichen Geschäftsführerhaftung; die Anknüpfung der Verjährung an die Feststellung der Konkurstabelle; den Umstand, dass der Erlös des Anspruchs der Gesamtheit der Gläubiger zugute kommt; die Möglichkeit, auch über das Vermögen des Geschäftsleiters ein Insolvenzverfahren zu eröffnen.393 Im Schrifttum hat man an verschiedenen Einzelkriterien Kritik geübt394, ohne freilich eine trennschärfere Formel anzubieten.395 Es führt daher kein Weg an einer fallweisen Konkretisierung anhand der verschiedenen Gläubigerschutzvorschriften vorbei. _________ 388 Vgl. EuGH v. 22.2.1979 – Rs 133/78, Slg. 1979, 733 Rz. 3 – Gourdain/Nadler. 389 Die einschlägige Regelung findet sich heute in art. L. 624-3 C. com., dazu Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, 15° éd. 2002, n° 371–372. 390 Vgl. Schlussanträge v. 7.2.1979 – Rs 133/78, Slg. 1979, 746, 756. 391 Vgl. EuGH v. 22.2.1979 – Rs 133/78, Slg. 1979, 733 Rz. 3 – Gourdain/Nadler, 2. Leitsatz: „Entscheidungen, die sich auf ein Insolvenzverfahren beziehen, sind nur dann von der Anwendung des Übereinkommens ausgeschlossen, wenn sie unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und sich eng innerhalb des Rahmens eines Konkurs- oder Vergleichsverfahrens (…) halten.“ 392 EuGH v. 22.2.1979 – Rs 133/78, Slg. 1979, 733 Rz. 3 – Gourdain/Nadler, Rz. 4. 393 Vgl. EuGH v. 22.2.1979 – Rs 133/78, Slg. 1979, 733 Rz. 3 – Gourdain/Nadler, Rz. 5. 394 Vgl. Haas, NZI 1999, 1148, 1150–1151; Lüke in Festschrift Schütze, 1999, S. 467, 473 ff. 395 Zusammenfassend Haubold, IPRax 2002, 157, 158 ff.

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V. Anwendung auf einzelne Gläubigerschutzinstrumente Es bleibt die Aufgabe, die hier entwickelte Grundposition an ausgewählten Gläubigerschutzinstrumenten zu erproben.

1. Kapitalaufbringung Eine gesetzliche Mindestkapitalziffer stellt nach der Inspire Art-Entscheidung eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar396, die nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.397 Dabei lässt der EuGH dahinstehen, ob die Vorschriften über das Mindestkapital überhaupt einen geeigneten Schutzmechanismus bilden398, was Generalanwalt La Pergola in seinen Schlussanträgen zum Centros-Urteil in Zweifel gezogen hatte.399 Jedenfalls seien sie im Sinne des Vier-Stufen-Tests nicht erforderlich, weil sich die Gesellschaftsgläubiger auf der Grundlage des gemeinschaftsrechtlichen Informationsmodells selbst schützen könnten.400 Dieses Teilergebnis wird in den zahlreichen Entscheidungsbesprechungen als unverrückbares Rechtsdatum akzeptiert.401 Eine Erstreckung des § 5 Abs. 1 GmbHG auf Auslandsgesellschaften durch Gesetz oder Richterspruch scheidet damit aus.402 Auch in Bezug auf die sonstigen Kapitalaufbringungsvorschriften des GmbH-Rechts wird eine Sonderanknüpfung nahezu einhellig verworfen.403 Der gesamte Gründungsvorgang der Auslandsgesellschaft, so der kleinste gemeinsame Nenner im Schrifttum, beurteilt sich im Lichte _________ 396 397 398 399 400 401 402

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Vgl. EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, NJW 2003, 3331, Rz. 104. Vgl. EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, NJW 2003, 3331, Rz. 142. Vgl. EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, NJW 2003, 3331, Rz. 135. Vgl. Schlussanträge v. 16.7.1998 – Slg. 1999, I-1459, Rz. 21: „Idolum theatri des Stammkapitals“. Vgl. EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, NJW 2003, 3331, Rz. 135. Vgl. etwa Borges, ZIP 2004, 733, 735; Fischer, ZIP 2004, 1477, 1479; Kieninger, ZEuP 2004, 685, 700; Meilicke, GmbHR 2003, 793, 805. Abw. v. Halen, WM 2003, 571, 577, der eine Sonderanknüpfung der Mindestkapitalvorschriften befürwortet und sie durch eine unbeschränkte proratarische Innenhaftung der Gesellschafter sanktionieren möchte; ferner KnobbeKeuk, ZHR 154 (1990), 325, 347; s. auch Kindler, NJW 2003, 1073, 1078–1079. Vgl. Bayer, BB 2003, 2357, 2362; Fischer, ZIP 2004, 1477, 1479; Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), 447, 473 ff.; Schumann, DB 2004, 743.

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der Niederlassungsfreiheit allein nach der lex societatis.404 Dies versteht sich von selbst, soweit die korrekte Erfüllung des Einlageversprechens auch dem Schutz der Mitgesellschafter dient, weil sich die Mitverwaltungs- und Vermögensrechte der Kapitalgesellschafter an der Höhe der zugesagten Einlage ausrichten.405 Es gilt aber auch hinsichtlich der gläubigerschützenden Zielrichtung des gesetzlichen Pflichtenprogramms, für das sich – abseits der nur für Aktiengesellschaften geltenden Kapitalrichtlinie – keine gemeinschaftsrechtlichen Mindestanforderungen herausgebildet haben. Mithin finden die hiesigen Schutzvorkehrungen gegen Unterpariemissionen (§ 9 Abs. 1 AktG analog), Überbewertungen von Sacheinlagen (§ 9c Abs. 1 Satz 2 GmbHG), nicht endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehende Wertüberlassungen (§ 7 Abs. 3 GmbHG) und Befreiungen von der Einlagepflicht durch Erlass, Verzicht oder Aufrechnung (§ 19 Abs. 2 GmbHG) auf Auslandsgesellschaften keine Anwendung. An ihre Stelle treten die liberaleren Regeln des angloamerikanischen Gründungsrechts. Wie im Einzelnen dargelegt, überlassen sie die Bewertung der Sacheinlagen grundsätzlich der abschließenden Entscheidung der Geschäftsführer406 und rücken davon nur in Betrugsfällen sowie bei handgreiflichen Überbewertungen ab.407

2. Kapitalerhaltung Ob die Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 31 GmbHG auf Auslandsgesellschaften anwendbar sind, wird im Schrifttum kontrovers beantwortet. Die überwiegende Meinung408 lehnt dies mit unterschiedlichen Erwägungen ab: Ihre Heranziehung mache beim Fehlen eines _________ 404 In diesem Sinne auch Altmeppen, NJW 2004, 97, 99–100, der im Übrigen eine weitreichende Anwendung inländischer Gläubigerschutzvorschriften befürwortet. 405 Dazu bereits Fleischer, NZG 2000, 561, 562 (Personengesellschaft); Fleischer in Michalski (Fn. 186), Syst. Darst. 6 Rz. 7 (GmbH); Wiedemann in Großkommentar zum AktG, 4. Aufl. 1994, vor § 182 Rz. 43 (AG); ausführlich zuletzt Bitter, ZHR 168 (2004), 302 ff. 406 Vgl. oben II 1 a) S. 57 f. (England) und II 2 a) S. 68 f. (Delaware). 407 Einzelnachweise in Fn. 48 (England) und Fn. 117 (Delaware). 408 Vgl. Drygala, ZEuP 2004, 337, 347–348; Hoffmann in Anwkomm BGB (Fn. 180), Anh. zu Art. 12 EGBGB unter B II 4 b; Bayer, BB 2003, 2357, 2364; Eidenmüller (Fn. 37), § 4 Rz. 13–14; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 181–182; Fischer, ZIP 2004, 1477, 1479; Paefgen, DB 2003, 487, 489–490; Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), 447, 473 ff.; Schumann, DB 2004, 743, 745.

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festen Stammkapitals keinen rechten Sinn409, erweise sich auf der Basis des gemeinschaftsrechtlichen Informationsmodells als nicht erforderlich410, scheitere an den fehlenden Analogievoraussetzungen411 und komme auch deshalb nicht in Betracht, weil das Gründungsrecht einen hinreichenden Gläubigerschutz gewährleiste.412 Verschiedene Gegenstimmen sprechen sich demgegenüber für eine Anwendbarkeit der Rückzahlungsansprüche aus.413 Die Begründungen variieren: Teils führt man an, dass die Kapitalerhaltungsregeln außerhalb des Schutzbereichs der Art. 43 und 48 EG lägen, die nur den Gründungsvorgang erfassten414; teils bejaht man eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, hält sie aber aus der Sicht des inländischen Gesellschaftsrechts für erforderlich und daher mit dem Vier-Faktoren-Test des EuGH für vereinbar415; teils leitet man aus dem Wesen der Kapitalgesellschaft einen Mindestschutz ab, der auch auf Auslandsgesellschaften anwendbar sei und in den Fällen der Überschuldung eingreife.416 Der Standpunkt der Gegenansicht lässt sich nicht schon mit gesellschaftsrechtlichen Argumenten erschüttern. Rechtslogisch besteht kein zwingender Zusammenhang zwischen einer gesetzlichen Mindestkapitalziffer und der Geltung von Kapitalerhaltungsregeln: Es ist sehr wohl vorstellbar, die Höhe des aufzubringenden Kapitals in die Hände der Gesellschaftsgründer zu legen, die einvernehmlich eingebrachten Mittel aber einer gesetzlichen Vermögensbindung zu unterwerfen: „Das erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte.“417 Diesem Grund_________ 409 Vgl. Hoffmann in Anwkomm BGB (Fn. 180), Anh. zu Art. 12 EGBGB unter B II 4 b; s. auch Fischer, ZIP 2004, 1477, 1479 unter Hinweis auf den engen Zusammenhang von Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung. 410 Vgl. Terstegen, Kollisionsrechtliche Behandlung ausländischer Kapitalgesellschaften im Inland, 2002, S. 216–219. 411 Vgl. Schumann, DB 2004, 743, 745. 412 Vgl. Eidenmüller (Fn. 37), § 4 Rz. 13; ferner Paefgen, ZIP 2004, 2253, 2259, der zusätzlich auf die fehlende Konsensfähigkeit dieser Gläubigerschutzregeln im Rahmen der europäischen Wertegemeinschaft verweist. 413 Vgl. Altmeppen, NJW 2004, 97, 102–103; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083, 1088–1089; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1209; ferner Bitter, WM 2004, 2190, 2194–2195. 414 Vgl. Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083, 1088–1089. 415 Vgl. Ulmer, NJW 2004, 1201, 1209. 416 Vgl. Bitter, WM 2004, 2190, 2194–2195; Wilhelm, ZHR 167 (2003), 520, 539– 541. 417 Faust, Erster Teil, Studierzimmer.

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modell folgen sowohl der englische Companies Act418 als auch das Delaware General Corporation Law.419 Gemeinschaftsrechtlich fällt eine Erstreckung der §§ 30, 31 GmbHG auf Auslandsgesellschaften jedoch in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit: Sie greift in den besonders sensiblen Bereich der Finanz- und Haftungsverfassung ein, der im Kalkül der Gesellschaftsgründer eine große Rolle spielt420, und macht die Ausübung der Niederlassungsfreiheit daher weniger attraktiv. Dahin deutet auch das Inspire Art-Urteil, welches den Gewährleistungsgehalt der Art. 43 und 48 EG keineswegs auf das Gründungsstadium begrenzt. Wörtlich heißt es dort, dass die Bestimmungen des niederländischen Sondergesetzes über das Mindestkapital „sowohl zum Zeitpunkt der Gründung als auch während des Bestehens der Gesellschaft“421 Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit darstellen. Damit spitzt sich alles auf die Frage zu, ob die Kapitalerhaltungsvorschriften im Sinne des Vier-Faktoren-Tests für den Gläubigerschutz erforderlich sind. Sie ist auf der Grundlage der hier vorgestellten Gesamtkonzeption zu verneinen: Dabei mag dahinstehen, ob sich dies bereits aus dem gemeinschaftsrechtlichen Informationsmodell ergibt. Jedenfalls kommt insoweit der Anwendungsvorrang des gläubigerschützenden Gründungsrechts zum Tragen: Wie im Einzelnen dargelegt, verfügen die ausländischen Rechte über vergleichbare Ausschüttungssperren422, so dass es an einer Schutzlücke im Gründungsrecht fehlt. Es bleibt daher für die englische private company limited mit Verwaltungssitz in Deutschland bei der Anwendung der in Part VIII des Companies Act 1985 unter der Kapitalüberschrift „Distribution of Profits and Assets“ zusammengestellten Schutzvorschriften und der sie ergänzenden Regeln des common law.

3. Durchgriffshaftung Bei dem Fragenkreis der Durchgriffshaftung empfiehlt es sich, fallgruppenartig vorzugehen und zwischen den verschiedenen Haftungstatbeständen zu unterscheiden. _________ 418 419 420 421 422

Vgl. oben II 1 b) S. 58 ff. Vgl. oben II 2 b) S. 70 ff. Allgemein dazu oben I. 1. b). EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, NJW 2003, 3331, Rz. 104. Vgl. oben II 1 b) S. 58 ff. (England) und II 2 b) S. 70 ff. (Delaware).

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a) Materielle Unterkapitalisierung aa) Meinungsstand Hinsichtlich einer Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung ist das Meinungsbild im Schrifttum gespalten. Nach verbreiteter Auffassung soll in derartigen Fällen eine Sonderanknüpfung in Betracht kommen, die unter dem Gesichtspunkt der Missbrauchsbekämpfung gerechtfertigt sei.423 Die Gegenmeinung424 lehnt dies aus unterschiedlichen Gründen ab: Erstens könne eine Gesellschaft, die nach ihrem Herkunftsrecht ohne Vermögen rechtmäßig errichtet werde, nicht unterkapitalisiert sein425; zweitens sei vorrangig auf die Durchgriffsregeln des Gründungsstatuts der einzelnen Gesellschaft abzustellen426; drittens liege in einer vermeintlichen Unterkapitalisierung jedenfalls kein Missbrauch der Niederlassungsfreiheit.427

bb) Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit? Eine eigene Stellungnahme hat mit der Frage zu beginnen, ob die inländische Unterkapitalisierungshaftung überhaupt an den Art. 43 und 48 EG zu messen ist. Wer die Niederlassungsfreiheit vor allem als Neugründungsfreiheit begreift428, könnte geneigt sein, die Durchgriffshaftung unter Rückgriff auf die Keck-Rechtsprechung als bloße Tätigkeitsausübungsregel anzusehen.429 Daran ist richtig, dass eine Unterkapitalisierungshaftung den Marktzugang nicht unmittelbar erschwert. Gleichwohl berührt sie den Gewährleistungsgehalt der Art. 43 und 48 EG, weil mit ihr ein wesentlicher Entscheidungsparameter der Rechtsform_________ 423 Vgl. Bitter, WM 2004, 2190, 2197–2198; Borges, ZIP 2004, 733, 742; Lutter, BB 2003, 7, 10; W.-H. Roth, IPRax 2003, 117, 125; Ulmer, JZ 1999, 662, 664; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588–3589; s. auch AG Hamburg, DB 2003, 1618, 1619; LG Stuttgart, NJW-RR 2002, 463, 466. 424 Vgl. Eidenmüller (Fn. 37), § 4 Rz. 27; Leible/Hoffmann, RIW 2002, 925, 930; Meilicke, GmbHR 2003, 793, 805; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 669; Wachter, GmbHR 2004, 88, 91; Weller (Fn. 14), S. 91. 425 Vgl. Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 669; Wachter, GmbHR 2004, 88, 91; Weller (Fn. 14), S. 91. 426 Vgl. Behrens, IPRax 2004, 20, 25. 427 Vgl. Eidenmüller (Fn. 37), § 3 Rz. 104. 428 In diesem Sinne Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, 4. Aufl. 1996, S. 299. 429 Allgemein dazu oben IV 3 c) S. 98 f.

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wahl in Rede steht: Unter welchen Voraussetzungen die Gesellschaftsgründer später für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften, beeinflusst bereits ihre anfängliche Bereitschaft zur Sitznahme in Deutschland.430 Bedenkenswert ist lediglich, der Niederlassungsfreiheit bei gründungsfernen Haftungstatbeständen eine geringere Schutzintensität beizulegen.431 In der weiteren Prüfungsreihenfolge schließt sich die Frage an, ob sich eine Sonderanknüpfung der Unterkapitalisierungshaftung unter Berufung auf Schutzlücken im ausländischen Gründungsrecht rechtfertigen lässt. Dies ist auf dem Boden der hier entwickelten Grundkonzeption zu verneinen: Zwar lehnt das englische Recht ein lifting the corporate veil selbst bei „qualifizierter“432 Unterkapitalisierung in aller Regel ab433, doch hält es dafür andere Schutzvorkehrungen bereit434, die bei einer Gesamtwürdigung des Gläubigerschutzniveaus nicht außer Betracht bleiben dürfen.435 Erwägenswert ist allerdings, ob sich aus dem Richtlinienrecht gemeinschaftsrechtliche Wertvorstellungen gewinnen lassen, welche der Aufnahmestaat der Auslandsgesellschaft als Mindeststandard entgegenhalten kann. Einen möglichen Ansatzpunkt bildet die Ein-PersonenRichtlinie436, die ausweislich ihres Art. 1 für die GmbH und die ihr entsprechenden Rechtsformen der übrigen Mitgliedstaaten gilt. Sie versteht sich als ein wichtiger Beitrag zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit für kleine und mittlere Unternehmen.437 Ihren Erwägungsgründen zufolge soll sie „das rechtliche Institut einer Gesellschaft mit Haftungsbeschränkung“ zur Verfügung stellen.438 Anders ausgedrückt erkennt die Ein-Personen-Richtlinie die beschränkte Haftung als prägenden Grundsatz des gemeinschaftsrechtlichen Kapitalge_________ 430 Allgemein dazu oben I 1 b) S. 51 f. 431 Eingehend Weller (Fn. 14), S. 206 ff.; in Anlehnung daran auch Bitter, WM 2004, 2190, 2192–2193. 432 Begriff: Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1990, Anh. § 30 Rz. 23. 433 Vgl. oben II 1 e) S. 65 ff. 434 Dazu den Text zu Fn. 358. 435 Näher dazu IV 4 b) cc) S. 104 ff. 436 Vgl. Zwölfte Richtlinie auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter v. 21.12.1989, ABl. Nr. L 395/40. 437 Vgl. Habersack (Fn. 305), Rz. 320. 438 Vgl. 6. Erwägungsgrund (Fn. 436).

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sellschaftsrechts an439, der erst recht für Mehrpersonen-Gesellschaften gelten muss.440 Durchbrechungen dieses Grundsatzes lässt die Richtlinie jedoch in zweierlei Hinsicht zu: in Art. 2 Abs. 2 für genau umrissene Konzernsachverhalte441 und in ihrem sechsten Erwägungsgrund für nicht näher spezifizierte „Ausnahmefälle“442. Man könnte daran denken, die den Mitgliedstaaten für ihre eigenen Rechtsgeschöpfe eröffneten Konkretisierungsspielräume auch auf die Statthaftigkeit von Sonderanknüpfungen bei Auslandsgesellschaften zu erstrecken. Näher liegt freilich der umgekehrte Gedanke, dass sich die Mitgliedstaaten nicht auf eine Angleichung der Durchgriffstatbestände verständigt haben443 und die Gesellschaftsgründer daher vorerst weiter freie Hand bei der Auswahl des für sie vorteilhaftesten Regelungsregimes haben. Ein Letztes kommt hinzu: Nach den Schlussanträgen von Generalanwalt Alber in der Rechtssache Inspire Art lassen sich gläubigerschützende Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht durch eine generellabstrakte Missbrauchswertung rechtfertigen. Vonnöten ist unter dem Verhältnismäßigkeits-Vorbehalt des Vier-Faktoren-Tests vielmehr, dass konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch im Einzelfall vorliegen.444 Daran fehlt es bei der Figur der materiellen Unterkapitalisierung, die bereits an einen abstrakten Gefährdungstatbestand Haftungsfolgen knüpft.445 Der angesehene US-amerikanische Gesellschaftsrechtler Robert Clark hat diese Regelungstechnik in einem Pionierartikel aus dem Jahre 1977 treffend als „shotgun remedy“446 beschrieben und dafür erst jüngst wieder Zustimmung erhalten.447 _________ 439 Ebenso Grundmann (Fn. 276), Rz. 286. 440 So auch Grundmann (Fn. 276), Rz. 307. 441 Zur – überholten – Diskussion um die Gemeinschaftsrechtskonformität der Video-Rechtsprechung etwa Kindler, ZHR 157 (1993), 1; W.-H Roth, ZIP 1992, 1054. 442 Vgl. 6. Erwägungsgrund (Fn. 436); dazu Grundmann (Fn. 276), Rz. 307. 443 So auch Habersack (Fn. 305), Rz. 329. 444 Vgl. Schlussanträge v. 30.1.2003 – Rs C-167/01, NZG 2003, 263, Rz. 117. 445 Ebenso Weller (Fn. 14), S. 91–93; gegen die Zulässigkeit einer „allzu großzügigen Durchgriffshaftung“ auch Bayer, BB 2003, 2357, 2364; sowie Drygala, ZEuP 2004, 337, 347 mit Fn. 59. 446 Clark, 90 Harv. L. Rev. 505, 547. 447 Vgl. Tung, 34 Ga. L. Rev. 547, 568 (2000): „[V]eil piercing takes a shotgun approach. The elements are more general and more vague. Particular transactions need not to be identified – let alone dissected – provided that some misuse of the corporate form is shown.“

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Das Manko an konkreten Missbrauchselementen haftet freilich einer deliktsrechtlichen Verantwortlichkeit wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nicht in gleicher Weise an: Die Haftung aus § 826 BGB ist nicht struktur-, sondern verhaltensbezogen448 und kommt erst bei einer über das gewöhnliche Maß sehr auffällig hinausgehenden Gläubigergefährdung zum Zuge.449 Sie knüpft auch nicht an ein spezifisch gesellschaftsrechtliches Fehlverhalten an, sondern beruht auf dem allgemeinen Rechtssatz des bürgerlichen Rechts, der vorsätzliche sittenwidrige Gläubigerbenachteiligungen sanktioniert und in ähnlicher Form etwa auch im Kreditsicherungsrecht gilt.450 Man könnte daher erwägen, eine derartige Haftung schon dem niederlassungsfreiheitsresistenten Verkehrsrecht zuzuordnen.451 Jedenfalls sprechen durchschlagende Argumente dafür, sie unter dem Vier-Faktoren-Test des EuGH als gerechtfertigt anzusehen.452

b) Vermögensvermischung aa) Meinungsstand In den Fällen der Vermögensvermischung neigen manche Autoren zur Anwendbarkeit der nationalen Durchgriffshaftung453; andere sehen keinen Raum für einen Missbrauchsvorwurf454 oder verneinen jedenfalls einen Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem anstößigen Verhalten und der Berufung auf die Niederlassungsfreiheit.455

_________ 448 Näher zur haftungsbegründenden Handlung oder Unterlassung Eckhold (Fn. 198), S. 122 ff. 449 Vgl. BGH, NJW-RR 1988, 1181, 1182; DB 1988, 1848; BAG, ZIP 1999, 878, 880; OLG Oldenburg, NZG 2000, 585, 587. 450 Vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, § 57 Rz. 35–37; Gerhard Wagner in MünchKomm BGB, 4. Aufl. 2004, § 826 Rz. 47. 451 So etwa Borges, ZIP 2004, 733, 741; Paefgen, ZIP 2004, 2253, 2260; allgemein Ulmer, NJW 2004, 1201, 1204. 452 Ebenso Bayer, BB 2003, 2357, 2364; Leible/Hoffmann, RIW 2002, 925, 930; Meilicke, GmbHR 2003, 793, 806; Paefgen, DB 2003, 477, 488. 453 Vgl. Bitter, WM 2004, 2190, 2196; Schön, ZHR 168 (2004), 268, 294; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588. 454 Vgl. Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 669; einschränkend Weller, DStR 2003, 1800, 1804. 455 Vgl. Eidenmüller (Fn. 37), § 4 Rz. 27.

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bb) Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit Wiederum stellt sich zunächst die Frage nach der Gemeinschaftsrechtskonformität dieses Haftungstatbestandes unter den Auspizien des VierFaktoren-Tests. Wer im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung nach getreulichen Gegenstücken der Haftung wegen Vermögensvermischung im ausländischen Gründungsrecht forscht, wird zwar in Frankreich456 und in den Vereinigten Staaten457, nicht aber in England fündig. Insofern könnte tatsächlich eine Schutzlücke im dortigen Gründungsrecht vorliegen, die durch die wrongful trading-Haftung nicht geschlossen wird: Diese schafft nur Abhilfe gegen eine masseschmälernde Krisenverschleppung, nicht aber gegen Beweisschwierigkeiten der Gläubiger infolge einer undurchsichtigen Buchführung. Die Vorschriften des Company Directors Disqualification Act, die bei derartigen Verfehlungen in die Bresche springen458, helfen bei Auslandsgesellschaften nicht weiter und wirken ohnehin nur für die Zukunft, begründen aber keine persönliche Haftung für die Vergangenheit. Zu einem ähnlichen Befund gelangt man womöglich, wenn man nach den gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen der Niederlassungsfreiheit fragt. Einzelne Spurenelemente des Prinzips der Vermögenstrennung hat Wolfgang Schön in der Publizitäts-Richtlinie ausgemacht459 und damit teilweise Gefolgschaft gefunden.460 Ob seine gehaltvolle Deutung der Handelndenhaftung in Art. 7 tatsächlich tragfähig ist, bedarf allerdings noch weiterer Diskussion.461 Vieles spricht dafür, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber das Gebot einer ordnungsgemäßen Trennung der Haftungsmassen nicht ausdrücklich expliziert, wohl aber un_________ 456 Näher Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, 15° éd. (2002), n° 172: „confusion de patrimoine“. 457 Vgl. Bainbridge (Fn. 110), S. 157–158 zu entsprechenden Kriterien in der „laundry list“ der Gerichte; für ein Fallbeispiel Associated Vendors, Inc. v. Oakland Meat Co., 26 Cal. Rptr. 806, 813 (Cal. App. 1962): „(1) commingling of fund and other assets, failure to segregate funds of the separate entities (…) (2) the treatment by an individual of the assets of the corporation as his own (…).“ 458 Dazu Gower/Davies (Fn. 26), S. 212 ff.; rechtsvergleichend Höfling, Das englische internationale Gesellschaftsrecht, 2002, S. 181 ff., 196; zuletzt Fleischer, WM 2004, 157, 160–161. 459 Vgl. Schön, ZHR 168 (2004), 268, 294. 460 Vgl. Bitter, WM 2004, 2190, 2196. 461 Vgl. einerseits Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 18–19; andererseits Habersack (Fn. 305), Rz. 96; Mülbert/Nienhaus, RabelsZ 65 (2001), 513, 522–523.

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ausgesprochen vorausgesetzt hat, zeigen doch neuere Untersuchungen, dass das asset partitioning – die Abgrenzung der Vollstreckungssphären zwischen Privatgläubigern der Gesellschafter und Gläubigern der Gesellschaft – den entscheidenden Vorteil juristischer Personifizierung bildet.462 Wem dies als Wertungsbasis ausreicht, der kann eine mitgliedstaatliche Sonderanknüpfung in den Fällen der Vermögensvermischung auch europarechtlich rechtfertigen. Dieses Ergebnis muss freilich noch gegen den naheliegenden Einwand verteidigt werden, dass der Tatbestand der Vermögensvermischung wie jener der materiellen Unterkapitalisierung auf strukturellen Kriterien aufbaut463 und damit dem „Schrotflinten“-Ansatz gleicht, der vor der Niederlassungsfreiheit keinen Bestand hat. Indes verkennt dieser Einwand, dass sich die verantwortlichen Gesellschafter in solchen Fällen selbst eines weitergehenden Schutzes begeben haben, indem sie die „Geschäftsgrundlage“ des Privilegs beschränkter Haftung ignorierten. Unter diesen Voraussetzungen findet eine strenge Durchgriffshaftung auch im ausländischen Gesellschaftsrecht Beifall: „One plausible explanation, consistent with the shotgun approach of veil piercing, is that veil piercing cases may present situations in which it is difficult to quantify the harm to a creditor from the insider’s inequitable behaviour. The imprecision of the approach not only captures more amorphous forms of undesirable behaviour, but also causes some vagueness in quantifying the remedy. Resolving the remedial imprecision in favour of the aggrieved creditor seems reasonable.“464 Nur als Merkposten ist schließlich in Erinnerung zu rufen, dass unter dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit keine durchgreifenden Bedenken bestehen, wenn gleichzeitig die Voraussetzungen des § 826 BGB einschließlich seiner subjektiven Seite gegeben sind.

_________ 462 Grundlegend Hansmann/Kraakman, 110 Yale L.J. 387 (2000); zur geschichtlichen Entwicklung Mahoney, 34 Ga. L. Rev. 873 (2000); für eine Adaption auf das deutsche Gesellschaftsrecht Lombardo, 4 EBOR 301, 314–319 (2003); Fleischer, ZHR 168 (2004), 673 ff. 463 Vgl. etwa die Bedenken bei Weller, DStR 2003, 1800, 1804, der die Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung nur als verschuldensabhängige Verhaltenshaftung für mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar hält. 464 Tung, 34 Ga. L. Rev. 547, 569 (2000).

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c) Existenzvernichtungshaftung aa) Meinungsstand Noch stärker als die klassische Durchgriffshaftung hat die Existenzvernichtungshaftung moderner Prägung die juristische Kreativität angespornt. Zahlreiche Stimmen in der Literatur halten sie geradezu für prädestiniert, die mit der europäischen Rechtsformwahlfreiheit einhergehenden Gefahren im Interesse des inländischen Gläubigerschutzes einzudämmen. Kollisionsrechtlich werden dazu drei verschiedene Lösungsvorschläge unterbreitet: (1) eine Korrektur des ausländischen Gesellschaftsstatuts über den ordre public465 oder vermittels einer Sonderanknüpfung466, (2) eine deliktsrechtliche Anknüpfung an den inländischen Tatort467, (3) eine insolvenzrechtliche Anknüpfung an den im Inland gelegenen Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der insolventen Gesellschaft.468 Gemeinschaftsrechtlich gibt es freilich viele Gegenstimmen, die eine – wie auch immer begründete – Anwendbarkeit der Existenzvernichtungshaftung als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit ansehen.469

bb) Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit In dem hier entwickelten Begründungsrahmen stellt sich – losgelöst von der kollisionsrechtlichen Einkleidung – zunächst die Frage, ob die Erstreckung der Existenzvernichtungshaftung auf Auslandsgesellschaften mit den Artikeln 43 und 48 EG in Einklang steht. Man könnte daran denken, sie aus dem Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit herauszunehmen, weil sie nur das „Ableben“ der Gesellschaft betrifft, wird diesen Gedanken aber sogleich wieder verwerfen: Erstens gehört die Durchgriffsresistenz zu den wichtigsten Merkmalsausprägungen einer Kapitalgesellschaft, die schon die anfängliche Rechtsformwahl beein_________ 465 Vgl. Paefgen, DB 2003, 487, 490; ders., ZIP 2004, 2253, 2258; allgemein für die Durchgriffshaftung Ulmer, JZ 1999, 662, 665. 466 Vgl. v. Halen, Das Gesellschaftsstatut nach der Centros-Entscheidung des EuGH, 2002, S. 234 ff. 467 Vgl. Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 669; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3589. 468 Vgl. Kindler (Fn. 192), S. 409, 417; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3589. 469 Vgl. Eidenmüller (Fn. 37), § 4 Rz. 26; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 182; Paefgen, DB 2003, 487, 490–491; Schumann, DB 2004, 743, 748–749; Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 11; Ziemons, ZIP 2003, 1913, 1917.

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flusst.470 Zweitens hat der EuGH mitgliedstaatliche Auflösungsvorschriften als Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit angesehen471, was wegen der Konvergenz der Grundfreiheiten auch auf die Niederlassungsfreiheit ausstrahlt. Drittens zeigt der auf Art. 44 Abs. 2 Buchst. g gestützte Entwurf einer Liquidationsrichtlinie, dass die Europäische Kommission Auflösungs- und Beendigungsvorschriften ebenfalls zum Gewährleistungsinhalt der Niederlassungsfreiheit rechnet.472 Dieser Zwischenbefund führt geradewegs zu der Folgefrage nach der gemeinschaftsrechtlichen Rechtfertigung der Existenzvernichtungshaftung. Auf der Ebene der Erforderlichkeitsprüfung ist vorrangig nach vergleichbaren Gläubigerschutzinstrumenten im Gründungsrecht Ausschau zu halten. Die Fälle des Vermögensabzugs in Form einer GmbHStafette pflegt das englische Recht unter der anschaulichen Bezeichnung „Phoenix company problem“ zu analysieren.473 Auf sie sollen nach herrschender Lehre474 und dem Abschlussbericht der Gesellschaftsrechts-Reformkommission aus dem Jahre 2002475 die §§ 320 – 322 CA 1985 über „substantial property transactions involving directors“ Anwendung finden. Ob sie freilich das gesamte Problemfeld der Liquidation auf kaltem Wege abdecken, ist vor allem bei Einpersonen-Gesellschaften und bei der Bestandsvernichtung der Gesellschaft durch den Entzug von Geschäftschancen zweifelhaft.476 Selbst wenn man die wrongful trading-Haftung flankierend hinzunimmt, spricht manches für eine Schutzlücke im System des Gründungsrechts477, die Raum für eine Anwendung des Inlandsrechts ließe. Die Existenzvernichtungshaf_________ 470 Allgemein dazu oben I 1 b) S. 51 f. 471 Vgl. EuGH v. 13.5.2003 – Rs C 463/60, Slg. 2003, I-4581, Rz. 54, 58 ff. – Kommission/Königreich Spanien (Goldene Aktien IV). 472 Vgl. Weller (Fn. 14), S. 206. 473 Näher Gower/Davies (Fn. 26), S. 200. 474 Dazu Gower/Davies (Fn. 26), S. 201: „As will be clear, the Phoenix problem needs to be tackled from two angles. One is the transfer of the assets of the first company at an undervalue to a new company controlled by the same persons. Within company law, the regulation of such an event is primarily the function of s. 320.“ 475 Vgl. DTI (Fn. 93). 476 Allgemein zur Geschäftschancenlehre im englischen Recht Fleischer in Festschrift Kilian, 2004, S. 645. 477 Ebensowenig helfen bei Auslandsgesellschaften die Disqualifizierungsvorschriften, die auf das „Phoenix syndrome“ grundsätzlich anwendbar sind; dazu Gower/Davies (Fn. 26), S. 218 mit Fn. 46; Fleischer, WM 2004, 157, 160 unter Hinweis auf Travel Mondial (UK) Ltd. [1991] BCLC 120.

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tung kann auch mit beachtlichen Gründen als angemessene und verhältnismäßige Sanktion angesehen werden478: Sie hat ultima ratioCharakter und kommt erst dann zum Zuge, wenn die Gesellschaft als unmittelbare Schuldnerin dauerhaft nicht mehr leistungsfähig ist. Zweifel könnten sich jedoch daran entzünden, ob ihr das von Generalanwalt Alber geforderte konkrete Missbrauchselement479 eigen ist. Sofern man die Existenzvernichtungshaftung als verschuldensabhängige Insolvenzverschleppungshaftung ansieht480, bestehen insoweit keine Schwierigkeiten. Eine beachtliche Literaturmeinung begreift sie indes als objektive verschuldensunabhängige Haftung.481 Auch sie knüpft jedoch an einen insolvenzauslösenden oder insolvenzvertiefenden Eingriff und damit an eine situative Gefährdungslage an, die sich vom generellabstrakten Gefährdungstatbestand der materiellen Unterkapitalisierung unterscheidet. Damit ist dem Erforderlichkeitskriterium wohl Genüge getan. Einzelne Stimmen in der Literatur wollen die Anwendbarkeit der Existenzvernichtungshaftung zudem mit europarechtlichen Wertungen rechtfertigen, indem sie aus dem Vorentwurf einer Liquidationsrichtlinie aus dem Jahre 1987 ein gemeinschaftsrechtliches Verbot der „wilden Liquidation“ herleiten.482 Dies erscheint aus zwei Gründen in hohem Maße ambitioniert: Zum einen ist der Rückgriff auf einen länger zurückliegenden Richtlinienentwurf, der gegenwärtig nicht weiterverfolgt wird483, methodisch anfechtbar, wenn auch nicht ohne Vorbild in der EuGH-Judikatur.484 Zum anderen hätte die betreffende Richtlinie nur das Prinzip der vorrangigen Gläubigerbefriedigung festgeschrieben, aber keine Harmonisierung der Haftungsfolgen bei prinzipienwidrigem _________ 478 Im Ergebnis auch Bitter, WM 2004, 2190, 2197; Borges, ZIP 2004, 733, 742; Fischer, ZIP 2004, 1477, 1481; Weller (Fn. 14), S. 211 ff. 479 Vgl. Schlussanträge v. 30.1.2003 – Rs C-167/01, NZG 2003, 262, Rz. 117. 480 Vgl. OLG Rostock, ZIP 2004, 118, 119, 121; Altmeppen, ZIP 2002, 1553, 1561; Westermann, NZG 2002, 1129, 1137; Wilhelm, NJW 2003, 175, 179. 481 Vgl. Bruns, WM 2003, 815, 817, 821; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzrenrecht, 3. Aufl. 2003, Anh. § 318 AktG Rz. 38; Keßler, GmbHR 2002, 945, 950; Ulmer, JZ 2002, 1049. 482 Vgl. Schön, ZHR 168 (2004), 268, 294–295. 483 Dazu Habersack (Fn. 305), Rz. 45: „Was schließlich das Vorhaben einer Liquidationsrichtlinie betrifft, so wurde es offensichtlich fallengelassen.“ 484 Vgl. EuGH v. 16.12.1997 – Rs C-104/96, Slg. 1997, I-7219, Rz. 55 ff. – Rabobank, wo sich der EuGH als Hilfserwägung auf Art. 10 des Entwurfs einer Strukturrichtlinie berief.

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Verhalten vorgenommen.485 Dann aber spricht manches, wie schon bei der materiellen Unterkapitalisierung, für einen einstweiligen Vorrang der Regelungsarbitrage.486 Zur argumentativen Abrundung eines schon anderweitig abgesicherten Ergebnisses nimmt man den Hinweis auf den gemeinschaftsrechtlichen Gehalt der Existenzvernichtungshaftung aber gerne zur Kenntnis. Sollte man die Erstreckung der Existenzvernichtungshaftung auf Auslandsgesellschaften gleichwohl wegen eines im Wesentlichen vergleichbaren Gläubigerschutzes im Gründungsrecht ablehnen487, so bleibt als letzte Rückzugslinie die Anwendung des § 826 BGB. Sind dessen Tatbestandsvoraussetzungen einschließlich der subjektiven Seite gegeben, spricht manches dafür, dass bereits eine niederlassungsfreiheitsresistente Regelung des allgemeinen Verkehrsrechts vorliegt.488 Jedenfalls dürfte die Anwendung des § 826 BGB vor dem Vier-Faktoren-Test des EuGH Bestand haben489, zumal nur das Marktaustrittsstadium berührt ist, für das möglicherweise geringere Rechtfertigungsanforderungen gelten.490 Dahin deutet auch der in der Centros-Entscheidung anerkannte Einwand betrügerischen Verhaltens, sofern sich die Gesellschafter „mittels der Errichtung der Gesellschaft ihren Verpflichtungen gegenüber inländischen privaten und öffentlichen Gläubigern entziehen möchten“491. Er erweist sich geradezu als Folie für den Leitsatz der jüngsten BGHEntscheidung: „Der Gesellschafter einer GmbH und eine von ihm beherrschte Schwestergesellschaft der GmbH haften den Gesellschaftsgläubigern jedenfalls nach § 826 BGB auf Schadensersatz, wenn sie der GmbH planmäßig deren Vermögen entziehen und es auf die Schwestergesellschaft verlagern, um den Zugriff der Gesellschaftsgläubiger zu verhindern und auf diese Weise das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen ohne Rücksicht auf die entstandenen Schulden fortführen zu können.“492 _________ 485 486 487 488 489 490 491 492

Dazu Weller (Fn. 14), S. 212. Vgl. oben V 3 a) bb) S. 118 ff. So, freilich ohne nähere Begründung, Eidenmüller (Fn. 37), § 4 Rz. 26. In diesem Sinne etwa Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 669–670; ferner Borges, ZIP 2004, 733, 741; Paefgen, ZIP 2004, 2253, 2260. Vgl. Bayer, BB 2003, 2357, 2364–2365; Schön, ZHR 168 (2004), 268, 292; Schumann, DB 2004, 743, 749; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1208. Dazu Weller (Fn. 14), S. 206 ff.; Bitter, WM 2004, 2190, 2192–2193. EuGH v. 9.3.1999 – Rs C-212/97, Slg. 1999, I-1459, Rz. 39. BGH, ZIP 2004, 2138; s. jüngst auch Goette, DStR 2004, 2115: „Die deutschen Gerichte werden Lösungen entwickeln müssen, um opportunistischem

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cc) Kollisionsrechtliche Behandlung Bejaht man die Gemeinschaftsrechtskonformität der Existenzvernichtungshaftung, so stellt sich die Frage nach ihrer kollisionsrechtlichen Behandlung. Wie bereits dargelegt, sprechen im Systemzusammenhang des inländischen Kollisionsrechts überwiegende Gründe für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation.493 Im Lichte der oben in groben Umrissen vorgestellten Europäischen Insolvenzverordnung494 treten jedoch verschiedene Autoren für eine Überprüfung dieses nationalen Befundes ein. Die maßgeblichen Argumente dafür hat jüngst Weller in monographischer Breite vorgestellt. Nach seiner Auffassung gebieten die Regelungsziele dieses gemeinschaftsrechtlichen Instruments eine extensive Auslegung des Systembegriffs „Insolvenzrecht“ i. S. d. Art. 4 EuInsVO.495 Dass darunter auch die Existenzvernichtungshaftung falle, folge aus ihrer Funktionsäquivalenz mit den in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 lit. m EuInsVO ausdrücklich genannten Tatbeständen der Insolvenzanfechtung.496 Mehr noch: Aufgrund des Vereinheitlichungsbestrebens der EuInsVO im Verein mit dem Grundsatz des effet utile soll die Existenzvernichtungshaftung im Anwendungsbereich des Art. 4 ausschließlich insolvenzrechtlich zu qualifizieren sein.497 Ob sich diese ambitionierte Deutung durchsetzt, bleibt abzuwarten.498 Sie bietet jedenfalls in zweierlei Hinsicht Angriffsflächen: Zum einen besteht ein intergemeinschaftsrechtlicher Abstimmungsbedarf mit der EuGVVO, deren Vorzüge manchen zu der Mahnung veranlasst, den _________

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Verhalten von Gesellschaftern und Organen solcher in Deutschland aktiven kapitallosen Gesellschaften zu begegnen. Außer der sicher umständlichen Heranziehung der Instrumente des Gründungsstaates bieten Art. 40 EGBGB (Anwendbarkeit deutschen Deliktsrechts) und – soweit es sich um eine EUGesellschaft handelt und ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist – Art. 4 EuInsVO Ansatzpunkte hierfür.“ Dazu oben III 3 b) bb) S. 83 ff. Vgl. oben IV 5 b) S. 111 ff. Vgl. Weller (Fn. 14), S. 259 ff. Vgl. Weller (Fn. 14), S. 267 ff. Vgl. Weller (Fn. 14), S. 276 ff., 282 (Ergebnis). Kritisch Ulmer, KTS 2004, 291, 303–304, der unter anderem einwendet, dass dem Katalog des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 EuInsVO keine Beispiele zu entnehmen seien, auf die sich eine insolvenzrechtliche Einordnung der Existenzvernichtungshaftung stützen ließe.

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Anwendungsbereich der EuInsVO nicht zu weit zu fassen.499 Zum anderen erscheinen die funktionellen Parallelen zwischen Existenzvernichtungshaftung und Insolvenzanfechtung nur begrenzt überzeugend.500 Dies gilt erst recht, wenn man bei einer Subsumtion unter Art. 4 EuInsVO das nationale Normumfeld mitheranzieht, wie dies der EuGH in der Rechtssache Gourdain/Nadler vorexerziert hat.501 Ohne einschlägige Rechtsprechung zur EuInsVO sind dies freilich nur wissenschaftliche Mutmaßungen: Die Reichweite der lex fori concursus bleibt jedenfalls an ihren Rändern einstweilen eine terra incognita.

_________ 499 In diesem Sinne Haubold, IPRax 2002, 157, 163, wonach Haftungsansprüche gegen Gesellschafter und Geschäftsleiter prinzipiell nicht unter die EuInsVO fallen sollen. 500 Dazu bereits oben III 3 b) bb) S. 83 ff. 501 Vgl. EuGH v. 22.2.1979 – Rs 133/78, Slg. 1979, 733 Rz. 3 – Gourdain/Nadler; dazu auch Haubold, IPRax 2002, 157, 162; kritisch Lüke (Fn. 394), S. 467, 470, 474 ff.

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D. Gesellschafterdarlehen in der Inlandsinsolvenz von Auslandsgesellschaften Ulrich Huber Inhaltsübersicht I. Rechtsprechungsregeln und Novellenregeln ....................... 1. Die Zweistufigkeit des Ersatzkapitalschutzes ............ 2. Die Rechtsprechungsregeln: Analoge Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG .................. 3. Die Novellenregeln: §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO ........... 4. Das Weiterbestehen der Rechtsprechungsregeln ......... 5. Schlußfolgerung ..................... II. Keine Anwendung der Rechtsprechungsregeln auf Auslandsgesellschaften mit Inlandssitz .............................. 1. Die Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30, 31 GmbHG als Basis der Rechtsprechungsregeln ...................................... 2. Keine Anwendbarkeit der Kapitalerhaltungsregeln des deutschen Rechts auf Auslandsgesellschaften ................ a) Die Rechtsprechung des EuGH als Ausgangspunkt . b) Folgerungen für die Behandlung von Auslandsgesellschaften nach deutschem Recht .................................. 3. Die Gegenmeinung ................ a) Sonderanknüpfung der Kapitalschutzregeln des deutschen Rechts? ............. b) Gesellschaftsrechtliche Gegengründe ...................... c) Europarechtliche Gegengründe ................................. 4. Ergebnis ..................................

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III. Anwendung der Novellenregeln auf Auslandsgesellschaften im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Inland ............. 160 1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Inland ............. 160 a) Anwendbarkeit der EuInsVO ............................. 160 b) Internationale Zuständigkeit ..................................... 162 c) Insolvenzfähigkeit ............. 164 d) Eröffnungsgründe .............. 165 2. Art. 4 EuInsVO als maßgebliche Kollisionsnorm ....... 165 3. Die Bestimmungen des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. g, i und m EuInsVO als Grundlage der Anwendung der Novellenregeln auf Auslandsgesellschaften ................................. 166 4. Die Gegenmeinung ............... 169 5. Kritische Würdigung (1): Der kollisionsrechtliche Einwand ................................. 172 a) Der Grundgedanke der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO .................................... 173 b) „Kapitalersetzende“ Gesellschafterdarlehen im Sinn der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO .................. 176 c) „Gesellschaften“ im Sinn der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO .................................... 178 d) Die gesetzestypische Kommanditgesellschaft als Beispielfall .................... 179 e) Schlußfolgerung ................. 182

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D. Gesellschafterdarlehen in der Inlandsinsolvenz f) Ein rechtsvergleichender Hinweis ............................. 184 6. Kritische Würdigung (2): Der europarechtliche Einwand ...................................... 185 7. Vorlagepflicht gemäß Art. 234 EG-Vertrag? ............ 188 IV. Einzelfragen .......................... 1. Die Einrede aus Art. 13 EuInsVO ................................ 2. Anfechtung im inländischen Sekundärinsolvenzverfahren 3. Gleichgestellte Forderungen; Sicherheitenbestellung ......... 4. Die analoge Anwendbarkeit des § 32a Abs. 3 Satz 2 und 3 GmbHG .................................

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5. Die analoge Anwendbarkeit des § 32a Abs. 2 und des § 32b GmbHG ....................... 204 6. Auslandsgesellschaften mit beschränkter Haftung als einzige Komplementärin einer inländischen Kommanditgesellschaft ....................... 206 7. Anfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens .............. 208 V. Zusammenfassende Würdigung ............................. 209 VI. Thesen ................................... 212

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I. Rechtsprechungsregeln und Novellenregeln 1. Die Zweistufigkeit des Ersatzkapitalschutzes Im folgenden soll die Frage untersucht werden, ob die im deutschen Recht für kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen und sonstige kapitalersetzende Gesellschafterkredite geltenden Regeln auf Auslandsgesellschaften mit beschränkter Haftung anzuwenden sind, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums gegründet sind und ihren tatsächlichen Verwaltungssitz unter dem Schutz der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) ins Inland verlegt haben1. _________ 1 Centros vom 9.3.1999, Slg. 1999 I-1459 ff. = NJW 1999, 2027 ff.; Überseering vom 5.11.2002, Slg. 2002 I-9919 ff. = NJW 2002, 3614 ff.; Inspire Art vom 30.9.2003, Slg. 2003 I – 10155 = NJW 2003, 3331 ff. Vgl. dazu die Nachweise in meinem Beitrag über die Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführer von Auslandsgesellschaften in diesem Band (unten F., S. 308, Fn. 2). Nach der Rechtsprechung des EuGH macht es keinen Unterschied, ob eine Gesellschaft, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats wirksam errichtet ist, ihre Hauptniederlassung im Gründungsstaat behält und im Zuzugsstaat nur eine Zweigniederlassung begründet, oder ob sie ihre zunächst im Gründungsstaat eröffnete Hauptniederlassung vollständig in den Zuzugsstaat verlegt (wie im Fall Überseering), oder ob sie von vornherein ihre Hauptniederlassung im Zuzugsstaat

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Dabei ist vorweg folgendes zu beachten: Kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen2 unterliegen im deutschen Recht bekanntlich einem System des „zweistufigen Ersatzkapitalschutzes“3. Die erste Stufe bilden die „Rechtsprechungsregeln“ (oder „BGH-Regeln“), die in der Rechtsprechung des BGH seit dem Jahr 1959 entwickelt worden sind4. Die zweite Stufe bilden die durch die GmbH-Novelle von 1980 eingeführten und durch die Insolvenzordnung von 1994 fortentwickelten „Novellenregeln“ (§§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und § 135 InsO, zuvor § 32a KO, ergänzt durch §§ 32a, 32b GmbHG und § 6, früher § 3b AnfG)5. Diese Zwei_________

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eröffnet und den ausländischen Satzungssitz nur dazu benutzt, um sich dem dort geltenden Gesellschaftsrecht zu unterstellen (wie in den Fällen Centros und Inspire Art). In allen drei Fällen darf der Zuzugsstaat die Niederlassung der Auslandsgesellschaft in der Rechtsform, die sie aus dem Gründungsstaat mitbringt, weder vereiteln noch behindern; entgegenstehende Rechtsvorschriften des Zuzugsstaats sind europarechtswidrig. Die Geltung der Bestimmungen des EG-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften aus den Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (Island, Liechtenstein, Norwegen) folgt aus Art. 31, 34 des EWR-Abkommens vom 2. Mai 1992; vgl. dazu OLG Frankfurt IPrax 2004, 56 ff. (m. Bspr. Baudenbacher/Busche IPrax 2004, 26 ff.); Leible in Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2005, § 10 Rz. 6. Ein Recht auf Niederlassung im Inland kann überdies auch für Gesellschaften aus Drittstaaten bestehen, wenn mit dem Herkunftsstaat ein entsprechender Staatsvertrag abgeschlossen ist (BGHZ 153, 353 ff. zum deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag v. 29.10.1954; seither wiederholt bestätigt, vgl. zuletzt BGH ZIP 2004, 2230 f. m. weit. Nachw.). Dieser besondere Fall muß im folgenden außer Betracht bleiben; im Ergebnis sollte aber für Gesellschaften aus Drittstaaten nichts anderes gelten als für Gesellschaften aus dem europäischen Ausland. Zum Begriff vgl. Ulmer in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1991, §§ 32a, b Rz. 42 ff.; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl. 2000, § 32a Rz. 41 ff.; Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 9. Aufl. 2000, §§ 32a, 32b Rz. 38 ff.; Goette, Die GmbH, 2. Aufl. 2002, § 4 Rz. 18 ff.; Pentz in Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 32a Rz. 31 ff.; Altmeppen in Roth/ Altmeppen, GmbHG, 4. Aufl. 2003, § 32a Rz. 19; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, §§ 32a/b Rz. 18, 19. Lutter/Hommelhoff (Fn. 2) §§ 32a/b Rz. 10. Grundlegend BGHZ 31, 258 ff.; 67, 171 ff.; 76, 326 ff. Vgl. dazu Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 2) § 32a Rz. 32 ff.; Scholz/Karsten Schmidt (Fn. 2) §§ 32a, 32b Rz. 76 ff.; Goette (Fn. 2) § 4 Rz. 126 ff.; Rowedder/Schmidt-Leithoff/ Pentz (Fn. 2) § 32a Rz. 213 ff.; Altmeppen in Roth/Altmeppen (Fn. 2) § 32a Rz. 107 ff.; Lutter/Hommelhoff (Fn. 2) §§ 32a/b Rz. 102 ff. Vgl. Gesetz zur Änderung des GmbHG und anderer handelsrechtlicher Vorschriften vom 4.7.1980; Insolvenzordnung und Einführungsgesetz hierzu vom 5.10.1994, in Kraft getreten am 1.1.1999; kleinere Änderungen und Ergänzun-

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stufigkeit der Schutzregeln ist auch zu beachten, wenn es um die Frage ihrer Anwendung auf Auslandsgesellschaften geht.

2. Die Rechtsprechungsregeln: Analoge Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG Die Rechtsprechungsregeln setzen bei der Rechtslage außerhalb der Insolvenz an und unterwerfen die kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen den Vorschriften über die Erhaltung des Stammkapitals der GmbH (§§ 30, 31 GmbHG) in analoger Anwendung. Die GmbH, der ein kapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen gewährt worden ist, unterliegt daher einem Ausschüttungsverbot. Als „kapitalersetzend“ sieht die Rechtsprechung Gesellschafterdarlehen an, die der Gesellschafter der GmbH zu einem Zeitpunkt gewährt oder beläßt6, zu dem die Gesellschaft anderenfalls wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag stellen müßte7, oder zu dem sie aus anderen Gründen ein derartiges Darlehen zu marktüblichen Bedingungen von einem an der Gesellschaft nicht beteiligten, wirtschaftlich vernünftig handelnden Dritten nicht mehr erhalten könnte8 – oder abkürzend gesagt: als kapi_________ gen durch das Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz vom 20.4.1998 und das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27.4.1998. 6 Der Gesellschafter „beläßt“ der Gesellschaft das Darlehen („läßt es in der Gesellschaft stehen“), wenn er zu einem Zeitpunkt, zu dem er den kritischen Zustand der Gesellschaft (ihre Insolvenzreife oder mangelnde Kreditwürdigkeit) kannte oder kennen mußte, von einer gegebenen Kündigungsmöglichkeit (etwa dem gesetzlichen Kündigungsrecht aus § 488 Abs. 3 oder dem außerordentlichen Kündigungsrecht aus § 490 Abs. 1 BGB) keinen Gebrauch macht, dazu BGHZ 127, 336 ff. Dem wird der Fall gleichgestellt, daß der Gesellschafter bei Darlehensgewährung von vornherein auf ein Kündigungsrecht für den Fall des Eintritts der Krise verzichtet und die Krise später tatsächlich eintritt, BGHZ 142, 116, 120. Als „Stehenlassen“ des Darlehens ist es außerdem anzusehen, wenn der Gesellschafter, der der Gesellschaft ein langfristiges Darlehen gewährt hat, es unterläßt, die Gesellschaft zu liquidieren und auf diese Weise sein Kreditengagement zu beenden, obwohl er über die hierzu erforderliche Stimmrechtsmacht (gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG: mindestens drei Viertel) verfügt, vgl. BGHZ 121, 31, 36; 127, 1, 6 (beide zur kapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung). 7 BGHZ 31, 258, 271 ff.; 67, 171, 174 ff.; weitere Nachweise bei Goette (Fn. 2) § 4 Rz. 18 ff. 8 In diesem Sinn, mit leicht variierenden Formulierungen, BGHZ 76, 326, 330 f. („wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Leistung von dritter Seite keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen hätte erhalten können und deshalb

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talersetzend gilt der einer kreditunwürdigen Gesellschaft gewährte oder belassene Gesellschafterkredit9. Solange das Darlehen in diesem Sinn kapitalersetzenden Charakter hat, solange also die „Krise“ der Gesellschaft10 nicht nachhaltig behoben ist11, unterliegt das Darlehen nach den Rechtsprechungsregeln einer Ausschüttungssperre analog § 30 GmbHG12. Die Folge ist, daß das Darlehen nur zurückgezahlt werden darf, wenn und soweit die Gesellschaft über ausschüttungsfähiges Vermögen verfügt13, wenn also der nach den maßgeblichen Bilanzierungsgrundsätzen festgestellte Wert ihres Aktivvermögens höher ist als die Summe ihres Stammkapitals und ihrer Verbindlichkeiten (zuzüglich der nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gebotenen Rückstellungen, aber ohne das Gesellschafterdarlehen selbst, das bei dieser Rechnung außer Betracht bleiben muß). Nur Mittel, die die Gesellschaft auch als Gewinn ausschütten dürfte, darf sie statt dessen zur Tilgung und zum Zinsendienst des kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens verwenden, nicht dagegen Mittel, die zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich sind. Im Fall der Liquidation darf das kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen mitsamt aufgelaufenen Zinsen erst getilgt werden, wenn die sonstigen Gesellschaftsgläubiger befriedigt sind. Zahlungen, die von der Gesellschaft unter Verstoß gegen diese Beschränkungen geleistet werden, sind analog § 31 Abs. 1 GmbHG _________

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ohne die Leistung hätte liquidiert werden müssen“); 81, 311, 314 f.; 90, 381, 390 (zum kapitalersetzenden Aktionärsdarlehen); 105, 168, 175 (zu § 32a KO, entsprechend dem jetzigen § 135 InsO); 119, 201, 203 f.; 148, 167, 168. Nach der Terminologie des BGH führt allerdings Überschuldung nicht notwendig zur „Kreditunwürdigkeit“ der Gesellschaft; andererseits ist bei Überschuldung (wie auch bei Zahlungsunfähigkeit) in jedem Fall der kapitalersetzende Charakter des danach gewährten (oder belassenen) Gesellschafterkredits anzunehmen, vgl. BGHZ 109, 55, 59 f. m. weit. Nachw.; 119, 201, 203 f., 213; 127, 1, 5 f. Es handelt sich also um zwei voneinander unabhängige Kriterien. Für die Praxis genügt es daher, den einen oder den anderen Tatbestand festzustellen: entweder Konkursreife (Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit) oder Kreditunwürdigkeit (bzw., bei kapitalersetzender Gebrauchsüberlassung, „Überlassungsunwürdigkeit“). In der Realität wird oft beides zusammentreffen. So BGHZ 105, 168, 175 f.; übernommen in die Neufassung des § 32a GmbHG durch Art. 48 EGInsO vom 5.10.1994. Vgl. BGHZ 31, 258, 272: wenn der Gesellschafter „zur Abwendung der Konkursantragspflicht weitere Gelder zur Verfügung stellte, so durfte er sie nicht zur Unzeit, noch bevor der damit verfolgte Zweck nachhaltig erreicht war, zurückfordern“. BGHZ 31, 258 ff.; 67, 171 ff.; 76, 326 ff.; 90, 370, 376; 148, 167, 168. Dazu grundlegend BGHZ 76, 326, 332 ff.

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an die Gesellschaft zurückzuerstatten, es sei denn, es wären nachträglich die Voraussetzungen eingetreten, die die Rückzahlung erlauben (die Gesellschaft ist nachträglich wieder solvent und kreditwürdig geworden, oder sie hat nachträglich einen ausschüttungsfähigen Überschuß ihrer Aktiven über ihre Passiven erwirtschaftet). Ohne eine solche Heilung verjährt der Rückzahlungsanspruch erst nach fünf Jahren (§ 31 Abs. 5 GmbHG)14. Mitgesellschafter trifft gegebenenfalls eine Ausfallhaftung analog § 31 Abs. 3 GmbHG15, Geschäftsführer eine Haftung gemäß § 43 Abs. 3 GmbHG16. Die Rechtsfolgen, die sich hieraus in der Insolvenz der GmbH ergeben, verstehen sich von selbst. Ist das Darlehen vor Verfahrenseröffnung zurückgezahlt worden, so kann der Insolvenzverwalter den Anspruch der Gesellschaft aus § 31 GmbHG (analog) zugunsten der Insolvenzmasse geltend machen; und soweit das Darlehen noch offensteht, darf es schon gemäß § 30 GmbHG bei der Verteilung nicht berücksichtigt werden, solange nicht alle Gesellschaftsgläubiger befriedigt sind. Diese Rechtslage in der Insolvenz ist einfach die Folge der schon vorher bestehenden Rechtslage nach Gesellschaftsrecht, nämlich nach §§ 30, 31 GmbHG in Verbindung mit den hieraus entwickelten „Rechtsprechungsregeln“. _________ 14 BGHZ 90, 370, 378. 15 BGH WM 1990, 502, 504 = NJW 1990, 1730, 1731 f. Die Höhe dieser Haftung ist umstritten. Der BGH hat entschieden, daß die Haftung des Mitgesellschafters jedenfalls durch den Nennbetrag des Stammkapitals beschränkt ist, auch wenn der an den Gesellschafter, der die verbotene Zahlung empfangen hat, zurückgeflossene Betrag höher ist (BGHZ 150, 64 ff.). Umstritten ist, ob die Ausfallhaftung nicht zu beschränken ist auf die Ziffer des Stammkapitals abzüglich der eigenen Stammeinlage des in Anspruch genommenen Mitgesellschafters, so daß dessen Haftungsrisiko insgesamt auf den Betrag des Stammkapitals beschränkt ist (in diesem Sinn, m.E. überzeugend, Lutter/Hommelhoff [Fn. 2] § 31 Rz. 21), oder sogar auf den Betrag der Stammeinlage des Gesellschafters, der die Auszahlung empfangen hat (so Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 37 III 3 S. 1143). Der BGH hatte das zunächst offengelassen (BGHZ 150, 66), inzwischen aber beide Einschränkungen abgelehnt, BGH ZIP 2003, 2068, 2071. 16 Lutter/Hommelhoff (Fn. 2) §§ 32a/b Rz. 103; als selbstverständlich vorausgesetzt in BGHZ 148, 167, 169 f. (zur Frage der Haftung des Prokuristen, der ein der Bindung analog § 30 GmbHG unterliegendes Darlehen an den Gesellschafter zurückzahlt; nach der Entscheidung haftet der Prokurist nur dann, und zwar aus positiver Vertragsverletzung, wenn er die Auszahlung gegen den Willen oder unter Umgehung des Geschäftsführers vornimmt; dagegen trifft den Prokuristen keine Geschäftsführerhaftung analog § 43 GmbHG).

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3. Die Novellenregeln: §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO Die spätere gesetzliche Regelung bezieht sich auf denselben Tatbestand, wie zuvor auch schon die Rechtsprechungsregeln, weicht aber hinsichtlich der Rechtsfolgen ab. Im Unterschied zur bisherigen Rechtsprechung sieht das Gesetz davon ab, die Regeln des GmbH-Gesetzes über das Stammkapital auf die kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen zu erstrecken. Infolgedessen gibt es für kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen nach der „Novellenregelung“ auch kein Rückzahlungsverbot. Vielmehr hat der Gesetzgeber sich für eine „insolvenzrechtliche Lösung“ entschieden, also für eine Regelung, die auf den Fall der Insolvenz der Gesellschaft bezogen ist und erst eingreift, wenn dieser Fall eingetreten ist17. Solange er nicht eingetreten ist, unterliegen die Darlehen keiner Bindung, und die Rückzahlung an die Gesellschafter keiner Einschränkung18. Kernstück der Novellenregeln in der seit Inkrafttreten der Insolvenzrechtsreform gültigen Fassung sind die beiden Bestimmungen des § 39 Abs. 1 Nr. 5 und des § 135 InsO. Nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO können Forderungen auf Rückgewähr des kapitalersetzenden Darlehens eines Gesellschafters und gleichgestellte Forderungen im Insolvenzverfahren der Gesellschaft zwar angemeldet werden, aber sie sind bei der Verteilung nur mit Nachrang nach allen übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger zu befriedigen (erst wenn dies geschehen ist, ist ein dann noch verbleibender Überschuß gemäß § 199 Satz 2 InsO an die Gesellschafter nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile zu verteilen). Praktisch mag das immer dazu führen, daß der Gesellschafter mit seiner Darlehensforderung in der Insolvenz der Gesellschaft vollständig ausfällt. Immerhin zeigt die Regelung, daß der Gesetzgeber die Wirksamkeit der Darlehensabrede zwischen Gesellschaft und Gesellschafter als solche nicht in Frage stellt; das Gesetz verneint nicht die Existenz der Darlehensforderung, sondern beschränkt nur ihre Durchsetzbarkeit in der _________ 17 Vgl. Hachenburg/Ulmer (Fn. 2) §§ 32a, b Rz. 2: „Die gesetzliche Neuregelung enthält eine auf die Insolvenz der GmbH bezogene und erst bei ihrem Vorliegen eingreifende, sogenannte insolvenzrechtliche Lösung für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen“. 18 Vgl. Lutter/Hommelhoff (Fn. 2) §§ 32a/b Rz. 13: „Solange über das Vermögen der Gesellschaft nicht das Insolvenzverfahren eröffnet ist, unterliegen die eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen keiner Bindung und dürfen ohne Einschränkung an den darleihenden Gesellschafter zurückgezahlt werden“.

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Insolvenz. Nach § 135 InsO kann der Insolvenzverwalter eine vor Eröffnung des Verfahrens erfolgte Rückzahlung des Darlehens anfechten, wenn die Rückzahlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach dem Antrag vorgenommen worden ist. Auch dies bedeutet nicht, daß die Rückzahlung verboten war. Der Grundgedanke der gesetzlichen Regelung ist ein anderer. Die Gläubiger der Gesellschafter sollen mit Vorrang vor den Gesellschaftern aus der Insolvenzmasse befriedigt werden, soweit die Gesellschafter Forderungen geltend machen, die nicht auf gewöhnlichen Verkehrsgeschäften beruhen, wie sie auch jeder Dritte mit der Gesellschaft abschließen könnte, sondern auf Darlehen, die wirtschaftlich gesehen die Funktion einer Zuführung von Eigenkapital haben. Dieser Vorrang wird durch die Anfechtungsvorschrift des § 135 InsO in die Vergangenheit erstreckt: Nicht nur das bei Eröffnung des Verfahrens vorhandene, sondern auch das früher – bis ein Jahr vor Antragstellung – vorhandene Vermögen soll, soweit das Verhältnis der übrigen Insolvenzgläubiger zu den Gesellschaftern betroffen ist, vorrangig den Insolvenzgläubigern zustehen, soweit es zu deren Befriedigung benötigt wird, und nicht den Gesellschaftern, soweit deren Forderungen aus kapitalersetzender Kreditgewährung befriedigt werden sollen. Außerhalb des förmlichen Insolvenzverfahrens hat die kapitalersetzende Darlehensgewährung lediglich die Folge, daß die Rückzahlung innerhalb eines Jahres (zurückgerechnet von der Erhebung der Anfechtungsklage oder der Mitteilung der Anfechtungsabsicht gemäß § 7 Abs. 2 AnfG) der Gläubigeranfechtung gemäß § 6 AnfG unterliegt. Die Anfechtung setzt einen vergeblichen Vollstreckungsversuch oder die offensichtliche Aussichtslosigkeit der Vollstreckung voraus, praktisch also die Insolvenz der Gesellschaft. In der Sache geht es darum, die Anfechtungsmöglichkeit für den Fall aufrechtzuerhalten, in dem es trotz Insolvenz der Gesellschaft nicht zur Durchführung des Insolvenzverfahrens kommt, vor allem deshalb nicht, weil keine ausreichende Masse vorhanden ist (§ 26 InsO). Die übrigen Bestimmungen der Novellenregelung haben im Verhältnis zu den Hauptbestimmungen der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO nur ergänzenden Charakter. Das gilt insbesondere für die §§ 32a Abs. 2 und 3 und 32b GmbHG19, während § 32a Abs. 1 GmbHG nur, streng genommen überflüssigerweise, wiederholt, was schon in allgemeiner Form in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ausgesprochen ist (hier macht sich bemerkbar, daß _________ 19 Dazu auch unten IV 4, 5, S. 203 ff.

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die Novellenregeln nicht aus einem Guß entstanden sind, sondern daß die ursprüngliche, speziell auf die GmbH bezogene Regelung der GmbH-Novelle von 1980 später durch die allgemeinere Regelung der Insolvenzordnung überlagert worden ist). In der Literatur ist deshalb ganz zutreffend festgestellt worden, daß es sich bei der ganzen gesetzlichen Regelung der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen insgesamt um „eine in Wahrheit insolvenzrechtliche Regelung handelt“20, und zwar auch insoweit, als die Vorschriften im GmbH-Gesetz enthalten sind21.

4. Das Weiterbestehen der Rechtsprechungsregeln Mit ziemlicher Sicherheit ist davon auszugehen, daß nach den Vorstellungen der an der Vorbereitung und Verabschiedung der GmbH-Novelle von 1980 Beteiligten die gesetzliche Regelung die bisherigen Rechtsprechungsregeln ablösen sollte und daß eine parallele Anwendbarkeit beider Regelungssysteme nicht beabsichtigt war22. Die Rechtsprechung hat bekanntlich anders entschieden23 und damit die Zustimmung der Literatur gefunden24. Der Gesetzgeber seinerseits hat keine der späteren Gelegenheiten, bei denen er die Novellenregelung überarbeitet hat25, dazu benutzt, um korrigierend einzugreifen, und hierdurch, wie man vielleicht sagen kann, die Rechtsprechung stillschweigend gebilligt. Ob de lege ferenda das Doppelregime wirklich nötig ist, mag man bezweifeln26. Im allgemeinen erlangt das Problem, ob ein Gesellschafterdarlehen kapitalersetzenden Charakter hat, praktische Bedeutung nur in der Insolvenz der Gesellschaft. Hier werden die „Rechtsprechungsregeln“ und die „Novellenregeln“ meistens zum gleichen Ergebnis füh_________ 20 So Fastrich in Festschrift Zöllner Bd. I, 1998, S. 143, 158. 21 So Stodolkowitz in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung Bd. II, 2002, § 135 Rz. 5, mit Hinweis auf Hachenburg/Ulmer (Fn. 2) §§ 32a, b Rz. 2 und Fastrich (Fn. 20): „Bei diesem gesamten kodifizierten Regelwerk handelt es sich, auch soweit es sich in den gesellschaftsrechtlichen Gesetzen … befindet, der Sache nach um insolvenzrechtliche Vorschriften“. Anderer Ansicht Scholz/ Karsten Schmidt (Fn. 2) §§ 32a, 32b Rz. 2 ff., 14 ff. 22 Davon ist auch der BGH ausgegangen, BGHZ 90, 370, 377. 23 Grundlegend BGHZ 90, 370 ff.; seither st. Rspr. 24 Vgl. zuletzt Lutter/Hommelhoff (Fn. 2) §§ 32a/b Rz. 10. 25 Vgl. oben Fn. 5. 26 Kritisch de lege ferenda Fastrich (Fn. 20) S. 159: für Beseitigung der Rechtsprechungsregeln und Beschränkung auf die insolvenzrechtliche Lösung.

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ren. Ist das Darlehen kapitalersetzend, so bekommt der Gesellschafter auf seinen Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens keine Quote; und ist das Darlehen vor Verfahrenseröffnung zurückgezahlt worden, so muß der Gesellschafter den zurückgezahlten Betrag an die Masse erstatten. Man kann dieses Ergebnis auf die Rechtsprechungsregeln stützen oder auf die Novellenregeln oder auf beides zugleich; das macht keinen Unterschied. In Randbereichen kann es aber auch so sein, daß nur das eine oder das andere System zum Zug kommt27. So kann es z. B. vorkommen, daß die einjährige Anfechtungsfrist gemäß § 135 InsO verstrichen ist, nicht aber die fünfjährige Verjährungsfrist gemäß § 31 Abs. 5 GmbHG. Hier läßt der Rückzahlungsanspruch sich nur auf die Rechtsprechungsregeln stützen, nicht auf die Novellenregeln. Es war ein derartiger Fall, der den BGH veranlaßt hat, nach Inkrafttreten der Novellenregeln gleichwohl an den überkommenen Rechtsprechungsregeln festzuhalten28. Wird dagegen ein ursprünglich kapitalersetzendes Darlehen zurückgezahlt und danach innerhalb eines Jahres Insolvenzantrag gestellt, so unterliegt im daraufhin eröffneten Verfahren die Zahlung ohne weiteres der Anfechtung nach § 135 InsO. Ob auch die weitergehenden Voraussetzungen der analogen Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG gegeben sind – so vor allem das Fortbestehen der „Krise“ im Zeitpunkt der Rückzahlung, ebenso das Fehlen frei verfügbarer ausschüttungsfähiger Mittel – ist gleichgültig29. Die Häufigkeit und praktische Bedeutung solcher Divergenzfälle mag nicht sehr groß sein; sie machen aber deutlich, daß es sich bei den „Rechtsprechungsregeln“ und den „Novellenregeln“ um zwei selbständige, voneinander unabhängige Regelungssysteme handelt.

5. Schlußfolgerung Demzufolge ist auch bei der Frage der Anwendung der Regeln über kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen zu unterscheiden, um welches Regelungssystem es dabei gehen soll. Die Frage zu stellen, ob „das deutsche _________ 27 Vgl. Lutter/Hommelhoff (Fn. 2) §§ 32a/b Rz. 10. 28 BGHZ 90, 370 ff. Hier war die Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse angelehnt worden und die einjährige Frist für die Gläubigeranfechtung außerhalb des Konkurses (damals § 3b, jetzt § 6 AnfG) verstrichen. 29 Vgl., allerdings nur in Form eines obiter dictum, BGHZ 90, 370, 381. Praktisch ist der – in der Literatur umstrittene – Fall allerdings eher unwahrscheinlich (schon aus Gründen der Beweislage: bei Anwendung der Rechtsprechungsregeln trifft die Beweislast für den Wegfall der Krise zum Zahlungszeitpunkt den Gesellschafter).

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Kapitalersatzrecht“ auf Auslandsgesellschaften Anwendung findet, ist verfehlt. Es gibt nicht „das“ deutsche Kapitalersatzrecht, sondern, aus historischen Gründen, zwei miteinander konkurrierende Regelungssysteme: die vom Gesellschaftsrecht her konzipierten Rechtsprechungsregeln und die vom Insolvenzrecht her konzipierten Novellenregeln. Die Frage, ob diese Regeln auf Auslandsgesellschaften mit Inlandssitz Anwendung finden, muß für jedes der beiden Regelungssysteme getrennt gestellt und beantwortet werden30. Die Literatur verfährt häufig anders und vertritt daher Einheitslösungen: man überlegt, ob „das“ Kapitalersatzrecht als Gesellschaftsrecht zu qualifizieren ist oder als Insolvenzrecht oder als beides: je nachdem soll das Gesellschaftsstatut maßgeblich sein31 _________ 30 Überzeugend Ulmer NJW 2004, 1201, 1207. Ulmer spricht sich auf dieser Grundlage mit Entschiedenheit für eine Anwendung der „insolvenzrechtlich geprägten“ Novellenregeln aus (§§ 32a, 32b GmbHG i. V. m. §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO), wenn die Auslandsgesellschaft ihren tatsächlichen Sitz in Deutschland hat und über ihr Vermögen in Deutschland das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Hiervon trennt er die Frage der Anwendung der „auf eine Analogie zu §§ 30, 31 GmbHG, das heißt auf Gesellschaftsrecht gestützten Rechtsprechungsgrundsätze“. Insoweit vertritt er die Ansicht, auch für eine Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG auf Auslandsgesellschaften mit Inlandssitz sprächen „gute Gründe“. Zutreffend differenziert auch Michael Fischer ZIP 2004, 1477, 1480 (für Anwendbarkeit der Novellenregeln, gegen Anwendbarkeit der Rechtsprechungsregeln). Im Ausgangspunkt zutreffend auch Forsthoff/ Schulz in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 15 Rz. 35. 31 Vgl. Scholz/Harm Peter Westermann (Fn. 2) Einleitung Rz. 96: das „gesamte Kapitalersatzrecht“ sei Bestandteil „des Gesellschaftsstatuts einer in Deutschland gegründeten und ansässigen GmbH“. Im gleichen Sinn Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 292; Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, S. 192 f.; Günter H. Roth in Festschrift Doralt, 2004, S. 479, 491; Altmeppen NJW 2004, 97, 103; Altmeppen/Wilhelm DB 2004, 1083, 1088; Kallmeyer DB 2004, 636, 639 („zweifellos gehört das Kapitalersatzrecht zum Gesellschaftsstatut“); Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 9 Rz. 43. Ebenso wohl auch Scholz/Karsten Schmidt (Fn. 2) §§ 32a, 32b Rz. 15: die §§ 32a, b GmbHG seien „gesellschaftsrechtliche Vorschriften über die Behandlung von Gesellschafterdarlehen, nicht konkursrechtliche Vorschriften“ (vgl. auch Karsten Schmidt in Festschrift Großfeld, 1998, S. 1031, 1042). Die in diesem Zusammenhang öfter genannte Entscheidung BGHZ 148, 167, 168 bezieht sich nur auf den internationalen Anwendungsbereich der Rechtsprechungsregeln (vgl. Fn. 16; es ging um die Frage, ob im Fall einer analog § 30 GmbHG verbotenen Rückzahlung der für die Zahlung verantwortliche Prokurist, wie ein Geschäftsführer, gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig ist – was verneint wurde). Für den internationalen Anwendungsbereich der Novellenregeln ist das nicht präjudiziell.

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oder das Insolvenzstatut32 oder beides33. Überwiegend wird hieraus der Schluß gezogen, daß Auslandsgesellschaften, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union gegründet sind und ihren Sitz im Inland haben, infolge ihres ausländischen Gesellschaftsstatuts den deutschen Regeln über kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen nicht unterliegen34 oder daß diese Regeln nur in engbegrenzten Ausnahmefällen anwendbar sein sollen35. Solchen undifferenzierten _________ 32 So Haas in v. Gerkan/Hommelhoff, Handbuch des Kapitalersatzrechts, 2. Aufl. 2002, Rz. 15.8 ff. (vgl. auch dens. NZI 2002, 457, 465 f. und zuvor schon NZI 2001, 1, 10). Im gleichen Sinn zum früheren (ungeschriebenen) deutschen internationalen Konkursrecht auch Schücking ZIP 1994, 1156, 1158 f., allerdings mit Beschränkung auf die Novellenregeln (§§ 32a, b GmbHG und § 32a KO, jetzt § 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO), ohne die Rechtsprechungsregeln. 33 So Kindler NZG 2003, 1086, 1090. Demnach soll deutsches Kapitalersatzrecht (genannt werden die §§ 32a, b GmbHG) sowohl dann anwendbar sein, wenn deutsches Gesellschaftsrecht, als auch dann, wenn deutsches Insolvenzrecht kollisionsrechtlich zur Anwendung berufen ist. Vgl. auch Kindler, Internationales Gesellschaftsrecht, in Münchener Kommentar zum BGB Bd. 11, 3. Aufl. 1999, Rz. 475 und 531. 34 So Paefgen DB 2003, 487, 490 sowie ZIP 2004, 2253, 2261 f.; Geyrhalter/ Gänßler NZG 2003, 409, 410 f.; Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 417; Zimmer NJW 2003, 3585, 3589; Meilicke GmbHR 2003, 1271, 1272; Günter H. Roth in Festschrift Doralt (Fn. 31) S. 491; Kallmeyer DB 2004, 636, 639; Schumann DB 2004, 743, 748; Borges ZIP 2004, 733, 745; Wachter GmbHR 2004, 88, 91 und 101 Fn. 99; Riedemann GmbHR 2004, 345, 349; Mock/Schildt in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 15 Rz. 62 ff.; i. E. wohl auch Prütting in Breitenbücher/Ehricke, Insolvenzrecht 2003, 2003, S. 59, 83 f. – Den gegenteiligen Standpunkt vertreten, mit unterschiedlichen Argumenten, außer den bereits Genannten – Ulmer (Fn. 30), Michael Fischer (Fn. 30), Haas (Fn. 32), Kindler (Fn. 33) – Paulus ZIP 2002, 729, 734; Altmeppen NJW 2004, 97, 103; Altmeppen/Wilhelm DB 2004, 1083, 1088. 35 So Eidenmüller ZIP 2002, 2233, 2242 und JZ 2004, 24, 28; Forsthoff DB 2002, 2471, 2477; Wulf-Henning Roth IPrax 2003, 117, 125. „Das“ deutsche Kapitalersatzrecht soll danach nur dann anwendbar sein, wenn das jeweilige ausländische Gründungsrecht keinen ausreichenden Gläubigerschutz sicherstelle. Nach Eidenmüller JZ 2004, 24, 28 soll es dabei auf die schutzrechtliche „Gesamtkonzeption“ des betreffenden Gründungsrechts ankommen, allerdings mit Ausnahme des Insolvenzrechts, da dieses auf im Inland niedergelassene Auslandsgesellschaften keine Anwendung finde. Außerdem sei „das“ deutsche Kapitalersatzrecht auch dann anwendbar, wenn das Insolvenzrecht des Gründungsstaats eine entsprechende Regelung enthalte, soweit die Regeln des deutschen Rechts nicht strenger seien als diejenigen des Gründungsrechts, um auf diese Weise dem sonst auftretenden „Normmangel“ abzuhelfen (denn bei einer Inlandsinsolvenz der Auslandsgesellschaft sei weder das ausländische Insolvenzrecht, noch das deutsche Kapitalersatzrecht, als Teil des deutschen

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Einheitslösungen ist nicht zu folgen. Wie im folgenden zu zeigen und im einzelnen zu begründen ist, sind die Rechtsprechungsregeln aus Gründen sowohl des Europarechts als auch des deutschen Kollisionsund Gesellschaftsrechts auf Auslandsgesellschaften unanwendbar (unten II), dagegen ist die Anwendung der Novellenregeln nach deutschem wie nach europäischem Recht geboten (unten III)36.

II. Keine Anwendung der Rechtsprechungsregeln auf Auslandsgesellschaften mit Inlandssitz 1. Die Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30, 31 GmbHG als Basis der Rechtsprechungsregeln Die Rechtsprechungsregeln haben ihre Basis, wie dargestellt, in den §§ 30, 31 GmbHG, die auf das kapitalersetzende Darlehen und seine Rückzahlung im Weg der Analogie übertragen werden. Eine solche Analogie besteht immer in einer teleologischen Ausdehnung der betroffenen Norm. Der Grundgedanke der Rechtsprechungsregeln, seit sie im Jahr 1959 erstmals vom BGH formuliert worden sind37, liegt darin, daß die Vorschrift des § 30 GmbHG ihre gläubigerschützende Funktion nur _________ Gesellschaftsrechts, anwendbar – daher der „Normmangel“, dem durch eine Kombination beider Rechte abgeholfen werden müsse). So Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften (Fn. 31) § 9 Rz. 44; vgl. auch ders. in Baums/ Cahn, Die Europäische Aktiengesellschaft – Umsetzungsfragen und Perspektiven, 2004, S. 164, 176 und 177 f. – Forsthoff dagegen hat seinen Standpunkt geändert, vgl. Forsthoff/Schulz in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 15 Rz. 35 ff. Zwischen den Rechtsprechungsregeln und den Novellenregeln sei zu differenzieren (Rz. 35). Die Rechtsprechungsregeln seien unanwendbar (Rz. 40). Von den Novellenregeln sei zwar die Anfechtungsvorschrift des § 135 InsO anwendbar (Art. 4 EuInsVO, dazu unten III 3, S. 166 ff.). Gemäß Art. 13 EuInsVO sei das aber nur dann der Fall, wenn die Rückzahlung des Darlehens auch nach dem Insolvenzrecht des Gründungsstaats anfechtbar oder in sonstiger Weise angreifbar sei (Rz. 37 f.; dazu unten IV 1, S. 191 ff.). Im praktischen Ergebnis deckt sich das wohl weitgehend mit dem von Eidenmüller vertretenen Standpunkt. Was die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, 32a, b GmbHG angeht, so scheinen Forsthoff/Schulz (Rz. 41 ff.) davon auszugehen, daß diese Bestimmungen nur auf Gesellschaften deutschen Rechts anwendbar sind, vgl. dazu unten Fn. 97. 36 Diese einfache Lösung vertritt in der bisherigen Literatur soviel ersichtlich als einziger Michael Fischer ZIP 2004, 1477, 1480. 37 BGHZ 31, 258 ff.

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erfüllen kann, wenn man sie nicht auf das Stammkapital im formellen Sinn beschränkt, sondern Gesellschafterdarlehen, die im materiellen Sinn die Funktion von Eigenkapital haben und die in der Praxis für die Kapitalausstattung der Gesellschaft mindestens ebenso wichtig und oft viel wichtiger sind als das nominelle Stammkapital, in den Schutz mit einbezieht. Der Zweck der Vorschrift erfordert also und rechtfertigt ihre Erstreckung auf den von ihr nicht unmittelbar erfaßten Fall des kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens. Es versteht sich von selbst, daß diese Erweiterung der §§ 30, 31 GmbHG im Weg der Analogie und die damit verbundene Gleichsetzung von Stammkapital und kapitalersetzendem Darlehenkapital nur dann möglich ist, wenn man es mit einer Gesellschaft zu tun hat, auf die die Kapitalerhaltungsbestimmungen der §§ 30, 31 GmbHG – an der Spitze das Ausschüttungsverbot des § 30 Abs. 1 – überhaupt Anwendung finden38. Bei einer Gesellschaft, die kein durch § 30 Abs. 1 GmbHG gebundenes Stammkapital hat, ist eine Gleichstellung von Gesellschafterdarlehen und Stammkapital sinnlos; das heißt die Rechtsprechungsregeln sind von vornherein gegenstandslos. Die Rechtsprechungsregeln des deutschen Kapitalersatzrechts sind also, was wohl unstreitig ist, anders als die Novellenregeln rechtsformabhängig; sie gelten nur für Gesellschaften, deren Eigenkapital durch die §§ 30, 31 GmbHG gebunden ist. Das ist der Fall bei der GmbH selbst und außerdem, im Weg der Analogie, bei der Kommanditgesellschaft, deren einziger Komplementär eine GmbH ist („GmbH und Co. KG“)39, und bei der atypischen stillen Gesellschaft, wenn eine GmbH Inhaber des Handelsgeschäfts ist („GmbH und Still“)40. Bei der Aktiengesellschaft (auch bei der Kom_________ 38 Anderer Ansicht soviel ersichtlich nur Haas in v. Gerkan/Hommelhoff (Fn. 32) Rz. 15.8 ff. und NZI 2002, 457, 465 f., der die Rechtsprechungsregeln (wie die Novellenregeln) immer dann anwenden will, wenn (gemäß Art. 4 EuInsVO oder § 335 InsO) deutsches Insolvenzrecht anwendbar ist. Dabei beachtet er nicht hinreichend, daß Art. 4 EuInsVO und § 335 InsO überhaupt nur Anwendung finden können, wenn im Inland ein Insolvenzverfahren eröffnet (oder zumindest beantragt) ist, während die Rechtsprechungsregeln die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen in der Krise verbieten, völlig unabhängig davon, ob es später zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt. Vgl. auch unten Fn. 157. 39 Grundlegend BGHZ 60, 324 (generell zur analogen Anwendung §§ 30, 31 GmbHG auf die GmbH und Co. KG); BGHZ 67, 171 ff. (speziell zur Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG im Fall der Rückzahlung eines der GmbH und Co. KG gewährten kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens). 40 BGHZ 106, 7 ff.

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manditgesellschaft auf Aktien) können auf kapitalersetzende Aktionärsdarlehen die §§ 57, 62 AktG analog angewendet werden41. Bei Gesellschaften dagegen, für die es keine gesellschaftsrechtlichen Regeln über die Kapitalbindung gibt, die hiermit vergleichbar sind, sind die Rechtsprechungsregeln über eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen gegenstandslos. Paradigmatisch hierfür ist der Fall der Kommanditgesellschaft, deren Komplementär eine natürliche Peson ist. Zwar wird seit langer Zeit in der Literatur die Ansicht vertreten, daß die „Novellenregeln“ (§§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO, früher § 32a KO) auch auf solche Gesellschaften anwendbar sind, wenn die Kommanditisten die konkursreife oder kreditunwürdige Gesellschaft mit Darlehen weiterfinanzieren42. Aber auch die Autoren, die hierfür eintreten, sind sich darüber einig, daß es sich hierbei nur um eine Anwendung der Novellenregeln handeln kann und daß eine analoge Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG, und damit eine Anwendung der Rechtsprechungsregeln, nicht in Betracht kommt43, und in diesem Sinn hat sich auch der BGH geäußert44. Daraus folgt: Auf Auslandsgesellschaften, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz im Inland haben, und auf die ihnen gewährten Gesellschafterdarlehen können die im deutschen Recht entwickelten „Rechtsprechungsregeln“ nur dann angewandt werden, wenn für solche Gesellschaften und das ihnen von den Gesellschaftern gewährte reguläre Kapital die Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30, 31 GmbHG gelten.

_________ 41 BGHZ 90, 381, 386 f. Dazu eingehend Lutter in Kölner Kommentar AktG, 2. Aufl. 1988, § 57 Rz. 84 ff.; zuletzt Henckel in Jaeger, InsO, 2004, § 39 Rz. 95 f. 42 In diesem Sinn vor allem Karsten Schmidt in vielen Veröffentlichungen, vgl. zusammenfassend Scholz/Karsten Schmidt (Fn. 2) §§ 32a, 32b Rz. 22 und Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht (Fn. 15) § 18 III 4; vgl. auch Fleischer, Finanzplankredite und Eigenkapitalersatz im Gesellschaftsrecht, 1995, S. 188 ff.; Herrmann, Quasi-Eigenkapital im Kapitalmarkt- und Unternehmensrecht, 1996, S. 107 ff., 247 f.; Gehde, Eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistungen in Deutschland und den USA, 1997, S. 175 ff., 426 f.; MünchKomm InsO/Stodolkowitz (Fn. 21) § 135 Rz. 122 ff.; Bayer in v. Gerkan/ Hommelhoff (Fn. 32) Rz. 11.1, 11.43 ff. Der BGH konnte die Frage bisher offenlassen, vgl. BGHZ 112, 31, 39. Näheres dazu unten III 5 d, S. 179 ff. 43 Vgl. Scholz/Karsten Schmidt (Fn. 2) §§ 32a, 32b Rz. 22; MünchKomm InsO/ Stodolkowitz (Fn. 21) § 135 Rz. 124. 44 BGHZ 112, 32, 39 (obiter dictum).

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2. Keine Anwendbarkeit der Kapitalerhaltungsregeln des deutschen Rechts auf Auslandsgesellschaften a) Die Rechtsprechung des EuGH als Ausgangspunkt Genau das ist nach ganz herrschender Ansicht nicht der Fall. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH in den Fällen Centros, Überseering und Inspire Art45 darf der „Zuzugsstaat“, in den eine nach dem Recht irgendeines Mitgliedstaats wirksam gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung ihren tatsächlichen Verwaltungssitz verlegt, diese Verlegung weder vereiteln noch behindern. Vielmehr müssen im Zuzugsstaat die Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit, die die Gesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaats genießt, in vollem Umfang anerkannt werden, einschließlich ihrer Parteifähigkeit46 und ihrer Fähigkeit, Zweigniederlassungen zu errichten47. Ebenso muß die Haftungsverfassung der Gesellschaft, so wie sie im Recht des Gründungsstaats geordnet ist, nach der Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes im Zuzugsstaat ohne weiteres anerkannt werden; das gilt für den Ausschluß und die Schranken der Haftung sowohl der Gesellschafter48 als auch der Geschäftsführer49. Die Anerkennung solcher Haftungsbeschränkungen des Gründungsrechts darf nicht davon abhängig gemacht werden, daß die Gesellschaft zusätzliche Voraussetzungen erfüllt, die dem Recht des Gründungsstaats fremd sind, etwa davon, daß die Gesellschafter ein bestimmtes Mindestkapital satzungsmäßig festlegen

_________ 45 Oben Fn. 1. 46 Das war, auf Vorlage des BGH (vgl. BB 2000, 1106 = ZIP 2000, 2967), die Frage, um die es im Überseeringfall ging, Slg. 2002 I-9919 ff. = NJW 2002, 3614 ff. Abschließend zu diesem Fall jetzt BGHZ 154, 185 ff. 47 Darum ging es im Centrosfall, Slg. 1999 I-1459 ff. = NJW 1999, 2027 ff. Daß die „Zweigniederlassung“ überhaupt die einzige Niederlassung der Gesellschaft ist, steht nicht entgegen, vgl. Slg. 2003 I – 10155 = NJW 2003, 2331 Tz. 95, 97, 105 – Inspire Art. 48 Das ergibt sich, zumindest indirekt, aus Slg. 2002 I-9919 = NJW 2002, 3614 Tz. 80 – Überseering; so auch BGHZ 154, 185, 189 m. weit. Nachw. Nur Hirte in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 1 hält es für möglich, daß Haftungsbeschränkungen der Auslandsgesellschaft, die ihren Sitz ins Inland verlegt, hier nicht anerkannt werden. In diesem Fall wäre die Frage nach der Behandlung von Gesellschafterdarlehen natürlich gegenstandslos. 49 Vgl. Slg. 2003 I – 10155 = NJW 2003, 3331 Tz. 104 – Inspire Art.

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und aufbringen50. Generell gilt somit die Regel, daß die Gesellschaft weiterhin dem Gesellschaftsrecht unterliegt, nach dem sie gegründet ist, und nicht dem Gesellschaftsrecht des Zuzugsstaats, oder anders gesagt: der Zuzugsstaat darf die Gesellschaft keinem „Statutenwechsel“ unterwerfen51. Im Überseering-Fall ging es um die Verlegung des Verwaltungssitzes der niederländischen Gesellschaft Überseering nach Deutschland. Der EuGH stellt dazu lapidar fest: „Überseering … genießt … das Recht, als Gesellschaft niederländischen Rechts von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen“52. Das ist der Schlüsselsatz der Rechtsprechung (wobei der Nachdruck darauf liegt, daß Überseering „als Gesellschaft niederländischen Rechts“ die Freiheit hat, sich in Deutschland niederzulassen). Das bedeutet, daß der Zuzugsstaat das Gesellschaftsrecht des Gründungsstaats der Gesellschaft so hinzunehmen hat wie es ist. Jede Modifikation durch Gesetz oder Rechtsprechung des Zuzugsstaats, die als Folge der Sitzverlegung eintreten soll, beschränkt in der Sicht des EuGH die Freiheit der zuziehenden Gesellschaft, sich als Gesellschaft ihres Herkunftsrechts („als Gesellschaft des niederländischen Rechts“) im Zuzugsstaat niederzulassen, und ist daher als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anzusehen. Eine solche Beschränkung ist nach der Rechtsprechung des EuGH nur zulässig, um im Einzelfall eine mißbräuchliche Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit abzuwehren, oder _________ 50 Vgl. Slg. 2003 I – 10155 = NJW 2003, 2331 Tz. 104 – Inspire Art. 51 Ein solcher „Statutenwechsel“ war nach der herkömmlichen Auffassung der deutschen Rechtsprechung und Lehre (der „Sitztheorie“) die zwingende Folge, wenn eine im Ausland nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz ins Inland verlegte. Das hieß: Eine ausländische Gesellschaft konnte nach Sitzverlegung als GmbH im Inland nur weiter existieren, wenn die Gründungsvorschriften des deutschen Rechts (insbesondere: Eintragung als nach deutschem Recht errichtete GmbH im deutschen Handelsregister) erfüllt wurden (BGHZ 97, 269, 272), und das bedeutete: vollständige Neugründung ohne Wahrung der Identität und ohne Gesamtrechtsnachfolge. Unterblieb die Neugründung und war die Gesellschaft einfach so, wie sie war, im Inland tätig, so wurde sie, je nach Sachlage, entweder als OHG oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts angesehen, also als Gesellschaft nicht mit beschränkter, sondern mit unbeschränkter Gesellschafterhaftung (BGHZ 151, 204 ff. zu einer limited company nach dem Recht von Jersey), oder sie wurde schlicht als nichtexistent betrachtet (BGHZ 53, 181 ff.; 97, 269 ff., beide zu einer Anstalt des liechtensteinischen Rechts, also einer stiftungsähnlichen juristischen Person ohne Mitglieder). 52 Slg. 2002 I-9919 = NJW 2002, 3614 Tz. 80 – Überseering.

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wenn sie durch überragende Gemeinwohlinteressen des Zuzugsstaats zu rechtfertigen ist. Eine derartige Rechtfertigung wird vom EuGH nur anerkannt, wenn vier Kriterien nebeneinander erfüllt sind: 1. keine Diskriminierung; 2. Vorliegen von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses aus der Sicht des Zuzugsstaats; 3. Geeignetheit der Maßnahme zur Erreichung des Schutzziels; 4. Erforderlichkeit der Maßnahme zur Erreichung des Schutzziels53. Allerdings ist der bisherigen Rechtsprechung zu entnehmen, daß eine Rechtfertigung, die den Anforderungen des EuGH standhält, nicht einfach ist54. Im Fall Inspire Art55 ging es um ein niederländisches Gesetz, das die Tätigkeit „formell ausländischer Gesellschaften“ (mit Satzungssitz im Ausland, Verwaltungssitz im Inland) als Gesellschaften mit beschränkter Haftung in den Niederlanden davon abhängig macht, daß die Gesellschaften ein bestimmtes Mindestkapital nachweisen, mit der Sanktion der persönlichen Haftung der Geschäftsführer im Fall der Zuwiderhandlung. Im Verfahren vor dem EuGH berief die niederländische Regierung sich darauf, diese Bestimmung sei erforderlich, um die Gläubiger der Gesellschaft zu schützen und eine mißbräuchliche Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit zu verhindern. Der EuGH ließ es dahingestellt, ob er Mindestkapitalvorschriften für ein „geeignetes“ Mittel des Gläubigerschutzes hält. Die potentiellen Gläubiger seien jedenfalls ausreichend dadurch geschützt, daß die Auslandsgesellschaft im Rechtsverkehr als solche zu erkennen sei, so daß die potentiellen Gläubiger „hinreichend darüber unterrichtet seien“, daß bei der betreffenden Gesellschaft mit der Einhaltung inländischer Schutzstandards nicht zu rechnen sei56. Was den Mißbrauchseinwand57 angehe, sei es _________ 53 Vgl. Slg. 1999 I-1459 ff. = NJW 1999, 2027 ff. Tz. 24 – Centros; Slg. 2003 I – 10155 = NJW 2003, 3331 Tz. 136 ff. – Inspire Art. Grundlegend EuGH Slg. 1995 I-4165 Tz. 37 – Gebhard, daher „Gebhard-Formel“. Vgl. dazu die eingehenden Darstellungen und Analysen bei Eidenmüller (Fn. 31) § 3 Rz. 20 ff. und bei Forsthoff in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 2 Rz. 53 ff. 54 Vgl. auch die Einschätzung bei Eidenmüller JZ 2003, 526, 528 f. und bei Heldrich in Palandt, BGB, 64. Aufl. 2005, Art. 12 EGBGB Anh. Rz. 8. Ihre praktische Hauptbedeutung hat die Rechtfertigung nach dem Vier-KriterienTest im Bereich der Warenverkehrsfreiheit, vgl. zuletzt EuGH NJW 2004, 2957 ff. (zum Verbot der Alkoholwerbung). 55 Slg. 2003 I – 10155 = NJW 2003, 3331. 56 AaO Tz. 135. Schlagwortartig bezeichnet man diese Erwägung als das „Informationsmodell“ des EuGH. 57 Näheres dazu bei Fleischer JZ 2003, 865 ff.; Eidenmüller (Fn. 31) § 3 Rz. 73 ff.; Forsthoff in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 2 Rz. 46 ff.

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zwar richtig, daß die Mitgliedstaaten ihre Angehörigen daran hindern dürfen, sich „unter Ausnutzung der durch den Vertrag geschaffenen Möglichkeiten in mißbräuchlicher Weise der Anwendung des nationalen Rechts zu entziehen“58. Es sei indessen gerade kein Mißbrauch, sondern eine legitime Ausübung der Niederlassungsfreiheit, wenn die Gründer eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung in einem ausländischen Mitgliedstaat errichten, dessen gesellschaftsrechtliche Vorschriften „die größtmögliche Freiheit“ lassen, auch wenn sie damit, ohne die Absicht, im Gründungsstaat in irgendeiner Weise tätig zu sein, ausschließlich den Zweck verfolgen, sich der Anwendung der strengeren Regeln der inländischen Gesellschaftsrechts zu entziehen59.

b) Folgerungen für die Behandlung von Auslandsgesellschaften nach deutschem Recht Das deutsche Gesellschaftsrecht kennt keine Bestimmungen über „formell ausländische Gesellschaften“. Es kennt nur zwei Möglichkeiten. Entweder, nach deutschem internationalem Privatrecht ist auf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutsches Recht, also das GmbH-Gesetz anwendbar. Dann gelten uneingeschränkt die Bestimmungen des deutschen GmbH-Rechts über die Gründung, die Aufbringung des satzungsmäßigen Stammkapitals und die Erhaltung des Stammkapitals. Oder die Gesellschaft unterliegt ausländischem Gesellschaftsrecht. Dann gilt für die Gründung der Gesellschaft, die Aufbringung des satzungsmäßigen Stammkapitals und die Erhaltung des Stammkapitals genau das, was die betreffende ausländische Rechtsordnung hierüber bestimmt. Nun ist durch die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit vorweg entschieden, daß auf Gesellschaften, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats wirksam gegründet sind und sich in Deutschland niederlassen, das Recht des Gründungsstaats weiterhin anwendbar bleibt60. Das deutsche internationale Privatrecht kann nichts anderes anordnen, ohne gegen die Niederlassungsfreiheit zu verstoßen. Für das deutsche internationale Privatrecht bedeutet das, daß gegenüber Gesellschaften, die nach dem Recht anderer Mitgliedstaaten gegründet sind und ihren tatsächlichen Sitz nach Deutschland verlegen, _________ 58 AaO Tz. 136 m. w. N. 59 AaO Tz. 137–139. 60 Vgl. oben II 2 a, S. 146 ff.

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die „Gründungstheorie“ anzuwenden ist61 und nicht die „Sitztheorie“62, und so ist die Rechtsprechung des EuGH auch allgemein verstanden worden63. Die vereinzelt vertretene Gegenmeinung ist mit der Rechtsprechung des EuGH unvereinbar64. Das heißt: Die Rechtsfolgen _________ 61 Die „Gründungstheorie“ besagt, daß die Gesellschaft dem Recht untersteht, dem die Gesellschafter sie bei der Gründung unterstellt haben; diese Unterstellung geschieht dadurch, daß der in der Satzung bestimmte Sitz der Gesellschaft in den Staat gelegt wird, dessen Recht gelten soll, und daß die Gesellschaft in diesem Staat registriert wird; mit dem tatsächlichen Verwaltungssitz muß der Satzungssitz nicht identisch sein. In Deutschland hat diese Theorie sich bisher nicht durchsetzen können. Vgl. dazu die Nachweise bei Soergel/ Lüderitz, BGB, 12. Aufl. 1996, Art. 10 EGBGB Anh.; Großfeld, Internationales Gesellschaftsrecht, in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 1998; Kindler, Internationales Gesellschaftsrecht (Fn. 33); Palandt/Heldrich (Fn. 54) Art. 12 EGBGB Anh. Zum praktisch seltenen, aber denkbaren Fall, daß die verschiedenen Anknüpfungspunkte der Gründungstheorie (Ort der Registrierung, Satzungssitz, gewähltes Recht) auseinanderfallen, vgl. unten Fn. 77. 62 Die „Sitztheorie“ besagt, daß auf die Gesellschaft stets und nur das Recht desjenigen Staates anwendbar ist, in dem sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat. In Deutschland beherrschte sie seit langem Praxis und Lehre. Vgl. dazu die Darstellungen bei Soergel/Lüderitz, Staudinger/Großfeld, MünchKomm/ Kindler und Palandt/Heldrich aaO. (Fn. 61) und die Rechtsprechungsnachweise oben Fn. 51. 63 Ohne Vollständigkeit anzustreben, seien genannt: Ebke JZ 2003, 927, 928; Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 416; Ziemons ZIP 2003, 1913, 1916 f.; Bayer BB 2003, 2357, 2363; Schanze/Jüttner AG 2003, 661, 664; Zimmer NJW 2003, 3585, 3586 f.; Eidenmüller JZ 2004, 24, 25; Spindler/Berner RIW 2004, 7, 8 f.; Behrens IPrax 2004, 20, 24 f.; Horn NJW 2004, 893, 896 f.; Leible ZGR 2004, 531, 534; ders. in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 10 Rz. 2 ff.; Mülbert, Der Konzern 2004, 151; Michael Fischer ZIP 2004, 1477, 1479; Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, 2004, S. 86 ff.; Forsthoff in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 2 Rz. 1 ff.; Palandt/Heldrich (Fn. 54) Art. 12 EGBGB Anh. Rz. 6 ff.; Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 2) § 4a Rz. 13 ff. Ebenso BGHZ 154, 185 ff. 64 Die Gegenmeinung vertreten Kindler, zuletzt NZG 2003, 1086, 1088 f.; und besonders eingehend und nachdrücklich Altmeppen NJW 2004, 97 ff.; vgl. auch Altmeppen/Wilhelm DB 2004, 1083 ff.; ebenso im Ergebnis auch Bitter WM 2004, 2190 ff. Altmeppen ist der Ansicht, europarechtlich unzulässig sei nur, Auslandsgesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten, die ihren Sitz ins Inland verlegen, den Gründungsvorschriften des inländischen Rechts zu unterwerfen, insbesondere dem Erfordernis der Festsetzung und Aufbringung eines bestimmten Mindestkapitals; im übrigen bleibe es europarechtlich zulässig und nach deutschem internationalem Privatrecht geboten, die Auslandsgesellschaft mit Sitz im Inland in vollem Umfang dem inländischen GmbH-Recht zu unterwerfen. Kritisch Ulmer NJW 2004, 1201 ff.; Sandrock BB 2004, 897 ff.;

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der Sitzverlegung der ausländischen Gesellschaft nach Deutschland richten sich nicht nach deutschem, sondern nach dem Recht des Gründungsstaats. Folgt er auch seinerseits der „Gründungstheorie“65 (wie etwa das englische Recht), so wird die Gesellschaft dadurch, daß sie ihren Sitz nach Deutschland verlegt, in ihren Rechtsverhältnissen nicht verändert. Es gilt das Gesellschaftsrecht des Gründungsstaats ohne Unterschied, ob die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz im Gründungsstaat oder in Deutschland hat. Deutsches GmbH-Recht ist unanwendbar sowohl aus kollisionsrechtlichen Gründen als auch aus materiellrechtlichen Gründen. Aus kollisionsrechtlichen Gründen, denn es gilt eben im vorliegenden Zusammenhang die Gründungstheorie und nicht die Sitztheorie. Und aus materiellrechtlichen Gründen, denn Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die nach ausländischem Recht gegründet und im Ausland registriert sind, sind nicht Regelungsgegenstand des GmbH-Gesetzes. Die „Gesellschaft“, die im GmbHGesetz geregelt und, unter anderem, den Grundsätzen über die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals unterworfen wird, ist die Gesellschaft, die nach deutschem Recht als GmbH gegründet und als GmbH ins deutsche Handelsregister eingetragen ist. Soweit das GmbHG Bestimmungen enthält, die auf ausländische Gesellschaften mit beschränkter Haftung angewendet werden sollen, sagt es das ausdrücklich (vgl. § 35a Abs. 4). Das bedeutet: Soweit es um die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals geht, gelten für die Auslandsgesellschaft nicht die §§ 7, 19, 24, 30, 31 GmbHG, sondern die Regeln, die insoweit das Gründungsrecht vorsieht66. Wenn beispielsweise das Gründungsrecht – nach dem Vor_________ Schön ZHR 168 (2004), 268, 290 f.; Paefgen ZIP 2004, 2253 ff. Der Widerspruch der These von Altmeppen zur Rechtsprechung des EuGH, vor allem zum Überseeringurteil (vgl. oben Fn. 52), scheint mir evident. 65 Dazu oben Fn. 61. 66 So auch Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 2) § 4a Rz. 17; Sandrock ZVglRWiss 102 (2003), 447, 473 ff.; Meilicke GmbHR 2003, 1271, 1272; Behrens IPrax 2004, 20, 24 ff.; Mülbert, Der Konzern 2004, 151; Schumann DB 2004, 743, 745; Riegger ZGR 2004, 510, 522 ff.; Michael Fischer ZIP 2004, 1477, 1479 f.; Eidenmüller (Fn. 31) § 4 Rz. 12 f.; Forsthoff/Schulz in Hirte/ Bücker (Fn. 1) § 15 Rz. 28 ff. Implizit auch Palandt/Heldrich (Fn. 54) Art. 12 EGBGB Anh. Rz. 7 („Die Maßgeblichkeit des Gründungsrechts … betrifft grundsätzlich das gesamte Gesellschaftsstatut“); Horn NJW 2004, 893, 896 („Das Gesellschaftsrecht, dem die Gesellschaft nach ihrer Gründung unterliegt …, hat auch im neuen Niederlassungsstaat im Grundsatz ausschließliche

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bild des schweizerischen Rechts67 und unseres Rechts der Kommanditgesellschaft – bestimmt, daß die Rückzahlung der Einlage erlaubt ist, aber in Höhe des zurückgezahlten Betrags, äußerstenfalls in Höhe der Stammeinlage, zum Wiederaufleben der persönlichen Haftung des Gesellschafters führt, so gilt für die betreffende Auslandsgesellschaft vor deutschen Gerichten, wann immer sie mit der Frage befaßt werden, diese Regel und nicht die Regel der §§ 30, 31 GmbHG, gleichgültig, ob die Auslandsgesellschaft ihre Hauptniederlassung im Gründungsstaat oder in Deutschland hat. Und wenn das Gesellschaftsrecht eines Mitgliedstaats es beispielsweise ohne weitere Kautelen erlauben sollte, das registrierte Gesellschaftskapital durch einfachen Beschluß und durch Registrierung bis null Euro herabzusetzen und an die Gesellschafter auszubezahlen, sofern die Auszahlung nicht zur Überschuldung führt, so wäre dies gleichfalls hinzunehmen, auch wenn die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt hat.

3. Die Gegenmeinung a) Sonderanknüpfung der Kapitalschutzregeln des deutschen Rechts? Ganz unbestritten ist das alles nicht. Vor allem Ulmer68 vertritt einen Ansatz, den man in der früheren internationalprivatrechtlichen Diskussion als „Überlagerungstheorie“ bezeichnet hat69. Demnach soll auf _________ Geltung“); Weller DStR 2003, 1800, 1804 („Für ausländische Briefkastengesellschaften gilt die Gründungstheorie in Verbindung mit der Lehre vom einheitlichen Gesellschaftsstatut“); vgl. auch ders. aaO. (Fn. 63). 67 Vgl. Art. 802 OR. Ursprünglich war eine solche Regelung auch in Deutschland geplant, wie sich an dem Namen (Gesellschaft „mit beschränkter Haftung“) noch ablesen läßt; man hatte sozusagen an eine „Kommanditgesellschaft ohne Komplementär“ gedacht (während sich in den Beratungen das Modell der „kleinen Aktiengesellschaft“ durchsetzte). Vgl. dazu Schilling in Festschrift Kunze, 1969, S. 205 ff.; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht (Fn. 15) § 33 II 1 a. 68 Ulmer NJW 2004, 1201 ff. 69 Vgl. dazu Horn NJW 2004, 893, 896 m. weit. Nachw. Die Überlagerungstheorie ist der Versuch eines Kompromisses zwischen „Gründungs“- und „Sitztheorie“. Als Vertreter ist vor allem Sandrock RabelsZ 42 (1978), 227, 246 ff. zu nennen. Horn konstatiert freilich, m.E. zu Recht, der EuGH habe namentlich durch die Entscheidung „Inspire Art“ (dazu oben bei Fn. 55 ff.) der Überlagerungstheorie eine eindeutige Absage erteilt (vgl. dazu auch Sandrock ZVglRWiss 102 (2003), 447 ff.). Die Überlagerungstheorie ist entwickelt wor-

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die im Inland niedergelassene Auslandsgesellschaft zwar im Prinzip das Gründungsrecht anwendbar sein. Um etwaige Schutzlücken zu schließen, sollen aber von Fall zu Fall die Bestimmungen des deutschen Rechts Anwendung finden70. Das soll insbesondere für die Vorschriften der §§ 30, 31 GmbHG über die Erhaltung des Stammkapitals gelten. Erlaubt sein soll demzufolge die Ausschüttung von Gesellschaftsvermögen nur dann, wenn danach noch mindestens soviel Vermögen übrig ist, um das in der Satzung festgesetzte Eigenkapital der Gesellschaft (anders gesagt: den Gesamtbetrag der im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Einlagen der Gesellschafter) zu decken71. Nach einer Variante dieser Ansicht72 soll die Ausschüttung nur dann erlaubt sein, wenn danach mindestens soviel Vermögen vorhanden ist, um die Schulden zu decken73. Internationalprivatrechtlich handelt es sich hierbei um eine „Sonderanknüpfung“ der Kapitalerhaltungsregeln am Recht des tatsächlichen Verwaltungssitzes, während im übrigen das Gründungsrecht das maßgebliche Personalstatut bleiben soll. Materiellrechtlich handelt es sich, da ausländische Gesellschaften nicht Regelungsgegenstand des GmbH-Gesetzes sind, um eine analoge Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG, wobei das Tatbestandsmerkmal des „Stammkapitals“ durch _________

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den in der US-amerikanischen Wissenschaft. Gesetzlich verwirklicht wurde sie in Kalifornien und New York (dazu Sandrock RabelsZ aaO.). Ein ähnliches Konzept verfolgte die niederländische Gesetzgebung gegen „formell ausländische Gesellschaften“, die den Anlaß zur Inspire-Art-Entscheidung gegeben hat. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit muß die Einführung derartiger Mischsysteme dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Als Richterrecht sind sie ungeeignet. Übrigens sind sie auch in den USA nicht unumstritten. Die anderen Bundesstaaten sind dem Beispiel New Yorks und Kaliforniens nicht gefolgt, und auch dort sind die börsennotierten Gesellschaften von der Anwendung der „outreach statutes“ ausgenommen. Dazu aufschlußreich Klein, Die Rechtsstellung auswärtiger Gesellschaften im deutschen und US-amerikanischen Recht, 2004, S. 360 ff. – Nichts als besondere Spielarten der „Überlagerungstheorie“ sind die sogenannten „modifizierten Gründungstheorien“, vgl. dazu Weller (Fn. 63) S. 27, 86 ff. mit Nachweisen. Sie unterliegen daher den gleichen Einwänden und Bedenken. Ulmer NJW 2004, 1201, 1208 ff. Im Grundsätzlichen wohl ähnlich, aber weniger konkret Karsten Schmidt ZHR 168 (2004) 493, 498 ff. Ulmer NJW 2004, 1201, 1209. Altmeppen NJW 2004, 97 ff. auf der Basis einer modifizierten Sitztheorie, dazu oben Fn. 64. Vgl. auch Altmeppen/Wilhelm DB 2004, 1083, 1088. Altmeppen NJW 2004, 97, 102. Im Ergebnis ebenso Bitter WM 2004, 2190, 2195, der dies allerdings nicht durch einen Rückgriff auf nationales Gesellschaftsrecht, sei es des Sitz- oder des Gründungsstaats, sondern durch die Berufung auf das „Wesen der Kapitalgesellschaft“ rechtfertigen will.

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das jeweilige Äquivalent des ausländischen Rechts, nach dem die Gesellschaft gegründet ist, ersetzt wird. Schließt man sich dem an, so ist es zur Anwendung der deutschen „Rechtsprechungsregeln“ über kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen nur ein kleiner Schritt, indem die §§ 30, 31 nicht nur in ihrer ursprünglichen Form, sondern zusammen mit den von der Rechtsprechung im Weg der Rechtsfortbildung vorgenommenen Erweiterungen analog angewendet werden74.

b) Gesellschaftsrechtliche Gegengründe Gegen eine solche Sonderanknüpfung sprechen indessen – von europarechtlichen Bedenken zunächst einmal abgesehen – Gründe, die aus dem autonomen deutschen internationalen Gesellschaftsrecht abzuleiten sind. Das internationale Gesellschaftsrecht muß auf die Frage, welchem Gesellschaftsstatut eine Gesellschaft unterliegt, eine eindeutige Antwort geben, so daß die Gesellschafter bei einem gegebenen Tatbestand von vornherein wissen, woran sie sind. Damit ist es unvereinbar, das Gesellschaftsrecht, nach Gutdünken des im späteren Streitfall jeweils damit befaßten Richters, aus den Fragmenten verschiedener Rechtsordnungen in freier Rechtsfindung zusammenzubauen. Im praktischen Ergebnis handelt es sich bei der „Überlagerungstheorie“ um eine nicht unbedenkliche Spielart des „better law approach“, um eine Art Freibrief, das an sich anwendbare ausländische Recht nach Belieben durch Elemente und Lösungen des heimischen Rechts zu überformen, wann immer man das für rechtspolitisch wünschenswert hält. Mit den Erfordernissen der Rechtssicherheit und der Gesetzesbindung der Rechtsprechung ist das nur schwer zu vereinbaren. Die Gesellschaft braucht ein einheitliches Personalstatut und nicht eine von Fall zu Fall zubereitete Mixtur. Das gilt jedenfalls dann, wenn das internationale Gesellschaftsrecht, wie bei uns, Richterrecht ist und nicht Gesetzesrecht. Der Gesetzgeber hat es leichter als der Richter, durch detaillierte und verbindliche Ein_________ 74 So wohl auch, ohne die Konsequenz ausdrücklich hervorzuheben, Ulmer NJW 2004, 1201, 1207 Fn. 66 (von dem Ausgangspunkt aus, daß die „Novellenregeln“ der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO gemäß Art. 4 EuInsVO ohnedies anwendbar sind, wenn im Inland das Insolvenzverfahren eröffnet wird, vgl. unten Fn. 97).

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zelregelungen Rechtssicherheit herbeizuführen75. Ob eine solche gesetzgeberische Kasuistik, statt allgemeiner Prinzipien, de lege ferenda wünschenswert wäre, steht auf einem anderen Blatt und ist hier nicht zu erörtern. Im vorliegenden Zusammenhang käme erschwerend hinzu, daß bis auf weiteres in jedem Einzelfall die „Überlagerung“ des ausländischen Gründungsrechts der Gesellschaft durch Schutzbestimmungen des inländischen Gesellschaftsrechts einer Überprüfung durch den EuGH bedürfte, deren Ergebnis man, nach den Erfahrungen im Fall Inspire Art76, nur mit großer Skepsis beurteilen kann. Das ist nicht nur aus Gründen der Rechtssicherheit, sondern auch der Praktikabilität kein wünschenswerter Zustand. Besser ist es, angesichts der durch den EuGH gesetzten Vorgaben, daß wir uns zumindest, soweit aus Mitgliedstaaten der Union und des Wirtschaftsraums zuziehende Gesellschaften betroffen sind, für eine Anwendung der Gründungstheorie ohne Wenn und Aber entscheiden77.

c) Europarechtliche Gegengründe Unter dem Gesichtspunkt der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit steht fest, daß die Auslandsgesellschaft das Recht hat, sich als Gesell_________ 75 So die gesetzlichen Regeln der US-Staaten New York und Kalifornien, über die Sandrock RabelsZ 42 (1978), 227, 246 ff. berichtet. Vgl. dazu oben Fn. 69. 76 Oben Fn. 55. 77 Vgl. auch Forsthoff in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 2 Rz. 85: „… Das wirft die Frage auf, ob es sinnvoll ist, in Verteidigungsstellung gegenüber einer konsequenten Anwendung der Gründungstheorie zu verharren und nach Möglichkeit deutsches Gesellschaftsrecht zur Anwendung zu bringen … Vorzugswürdig erscheint es, zu einer konsequenten Anwendung der Gründungstheorie überzugehen, und nur dann, wenn das ausländische Recht im konkreten Fall tatsächlich keinen ausreichenden Schutz gewährt, die Anwendung einzelner Vorschriften des deutschen Rechts zu erwägen“. Für eine möglichst einfache, eindeutige und einheitliche Anknüpfung im Gesellschaftskollisionsrecht plädiert auch Zimmer ZHR 168 (2004), 355, 362 f. Da der Weg zu einer reinen Sitzanknüpfung durch die Rechtsprechung des EuGH verbaut sei, bleibe als folgerichtige und praktikable Lösung nur noch die Gründungstheorie (mit folgender „Anknüpfungsleiter“: maßgeblich müsse in erster Linie das Gesellschaftsrecht des Orts der konstitutiven Registereintragung der Gesellschaft sein; bei Fehlen einer solchen in zweiter Linie das Recht des Satzungssitzes; fehle auch dieser, in dritter Linie das gesellschaftsvertraglich gewählte Recht; bei Fehlen auch einer Rechtswahl ganz subsidiär das Recht des Orts der tatsächlichen Hauptverwaltung).

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schaft des Rechts, nach dem sie gegründet ist, im Inland niederzulassen, daß „Überlagerungen“ des Gesellschaftsrechts des Gründungsstaats durch das Gesellschaftsrecht des Sitzstaats einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit darstellen, und daß solche Überlagerungen daher nur zulässig sind, wenn sie, nach Maßgabe des oben dargestellten VierKriterien-Tests, durch überragende Gemeinwohlinteressen zu rechtfertigen sind78. Im Gegensatz zu Ulmer79 meine ich, daß sich die Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG auf ausländische Gesellschaften mit beschränkter Haftung auf diese Weise nicht rechtfertigen läßt. Zwar ist nicht zu bezweifeln, daß zwingende Gründe des Allgemeininteresses dafür sprechen, eine Gesellschaft mit allseits beschränkter Gesellschafterhaftung daran zu hindern, das zur Bezahlung der Gesellschaftsschulden erforderliche Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter auszuschütten und die Gläubiger leer ausgehen zu lassen. Auch ist nicht zu bezweifeln, daß die Ausschüttungssperre der §§ 30, 31 GmbHG ein geeignetes Mittel ist, solchen Ausschüttungen entgegenzuwirken. Zu bezweifeln ist dagegen, daß es zu diesem Zweck erforderlich ist, Auslandsgesellschaften dem Regime der §§ 30, 31 GmbHG zu unterwerfen, statt es insoweit bei den Normen des Gründungsrechts zu belassen. Denn es ist nicht damit zu rechnen, daß man in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein Gründungsrecht findet, das bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung Ausschüttungen sanktionslos zuläßt, die nicht durch Gewinne gedeckt sind, sondern dazu führen, daß das zur Deckung der Verbindlichkeiten erforderliche Vermögen ohne Rücksicht auf die Gläubiger an die Gesellschafter verteilt werden kann80. _________ 78 Davon geht auch Ulmer aus, vgl. NJW 2004, 1201, 1208. 79 NJW 2004, 1201, 1209. 80 Das gilt insbesondere für die private company limited des englischen Rechts: nur korrekt ermittelte und offen ausgewiesene Gewinne dürfen ausgeschüttet werden; Rückzahlung von Kapital und verdeckte Ausschüttungen sind unzulässig. Vgl. dazu Rehm in Eidenmüller (Fn. 31) § 10 Rz. 39 f.; Kasolowsky in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 4 Rz. 114 ff.; Fleischer in diesem Band (oben C. S. 49 ff.) unter II 1 b) bei Fn. 80 ff. Es ist also ein Aberglaube zu meinen, dem englischen Recht sei der Grundsatz der Kapitalerhaltung unbekannt. Zum niederländischen und luxemburgischen Recht vgl. die Länderberichte in Hirte/Bücker (Fn. 1) §§ 6, 8. – Bei alledem darf allerdings nicht verkannt werden, daß die Kapitalerhaltungsregeln in den einzelnen Rechtsordnungen, auch wenn sie überall existieren, sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können. Praktisch geht es vor allem um drei Fragen: 1. Führt eine Ausschüttung an den Gesellschaf-

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Nun vertritt Ulmer allerdings die Ansicht, auf einen solchen Vergleich zwischen dem inländischen Kapitalschutzrecht und dem Gründungsrecht dürfe es nicht ankommen81. Man müsse die Dinge pragmatisch betrachten. Es gebe nur zwei Möglichkeiten. Entweder das ausländische Recht bleibe in seinen Schutzvorkehrungen hinter dem deutschen Recht in substantiell erheblicher Weise zurück. Dann sei die Anwendung des deutschen Rechts erforderlich, um die Schutzlücke zu schließen, und aus diesem Grund europarechtlich gerechtfertigt. Oder das Gründungsrecht und das deutsche Recht führten zu einem im wesentlichen gleichwertigen Schutz. Dann könne durch die Anwendung des deutschen anstelle des Rechts des Gründungsstaats die Niederlassungsfreiheit nicht in substantieller Weise beeinträchtigt sein. Infolgedessen sei die Anwendung des deutschen Rechts auf jeden Fall gerechtfertigt, wenn nur feststehe, daß die betreffende Bestimmung „aus der Sicht des inländischen Rechts“, also nach den maßgeblichen Wertungen des deutschen GmbH-Rechts, für den Gläubigerschutz unverzichtbar sei. So läßt sich aber die Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG auf Auslandsgesellschaften nicht rechtfertigen. Der eigentlich kritische Punkt ist der folgende: Das deutsche Recht gestattet es seit jeher, daß ausländische Gesellschaften in Deutschland im Rechtsverkehr auftreten, Rechtsgeschäfte abschließen, Beteiligungen erwerben, Tochtergesellschaften gründen und unselbständige Zweigniederlassungen unterhalten. Niemand ist bisher auf die Idee verfallen, aus diesem Grund auf Auslands_________ ter, die nicht durch Gewinn gedeckt ist, zu einem Wiederaufleben der Haftung nur bis zur Höhe der bedungenen Einlage (wie im deutschen Recht gemäß §§ 171, 172 HGB bei der Kommanditistenhaftung) oder, bei höheren Ausschüttungen, auch darüber hinaus (wie im deutschen Recht nach §§ 30, 31 GmbHG)? 2. Ist eine Ausschüttung von Gewinn nur zulässig, wenn zuvor etwaige Verlustvorträge aus früheren Geschäftsjahren getilgt sind (wie nach deutschem, aber eben auch nach englischem Recht) oder dürfen laufende Gewinne ohne weiteres, d. h. ohne Berücksichtigung früherer Verluste, als „nimble dividends“ („prompte Dividende“) ausgeschüttet werden (wie nach dem Recht von Delaware, dazu Fleischer aaO unter II 2 b), S. 70 ff., und früher auch nach englischem Recht)? 3. Dürfen stille Reserven erst dann ausgeschüttet werden, wenn sie zuvor gewinnbringend realisiert worden sind (wie nach deutschem Recht) oder darf für Zwecke der Gewinnausschüttung ad hoc eine rein buchmäßige Neubewertung des Aktivvermögens vorgenommen werden, unter rechnerischer Auflösung der stillen Reserven (wie ebenfalls nach dem Recht von Delaware, vgl. Fleischer aaO)? 81 NJW 2004, 1201, 1208 f.; ebenso Altmeppen/Wilhelm DB 2004, 1083, 1087 ff. Anders Eidenmüller, Forsthoff und Wulf-Henning Roth aaO (Fn. 35).

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gesellschaften, und sei es auch nur partiell, deutsches Gesellschaftsrecht, speziell dessen Gläubigerschutzvorschriften, anzuwenden. Offenbar erschien dies auch „aus der Sicht des inländischen Rechts“ nicht als „notwendig“. Zu erklären ist, weshalb das plötzlich anders sein soll, wenn die Auslandsgesellschaft ihre Hauptniederlassung ins Inland verlegt. Der Grund ist einfach, aber er ist vom EuGH als Rechtfertigungsgrund nicht akzeptiert. Es soll verhindert werden, daß Gesellschaften, die nur im Inland tätig sind, sich dem strengeren inländischen Gesellschaftsrecht entziehen und dem milderen ausländischen Gesellschaftsrecht unterstellen, indem sie sich als Auslandsgesellschaften gewissermaßen maskieren („Scheinauslandsgesellschaften“). Eine solche freie Rechtswahl, die man als Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten ansah, zu verhindern, war seit jeher das treibende Motiv der internationalprivatrechtlichen „Sitztheorie“ und ist, seit diese Theorie vom EuGH für den europäischen Binnenraum verworfen ist, das treibende Motiv dafür, bei Sitzverlegung ins Inland der Gesellschaft jedenfalls zentrale Schutznormen des inländischen Gesellschaftsrechts aufzuerlegen, mit denen wir die „echten“ Auslandsgesellschaften verschonen. Genau dieses Mißbrauchsargument läßt der EuGH nicht gelten. Er sieht vielmehr die Errichtung von „Scheinauslandsgesellschaften“, um sich dem inländischen Gesellschaftsrecht zu entziehen, als legitime Ausübung der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit an82. Wenn das aber so ist, läßt es sich unter dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit nicht rechtfertigen, auf Auslandsgesellschaften, die ihre Hauptniederlassung ins Inland verlegen, belastende Vorschriften des inländischen Rechts anzuwenden, die für Auslandsgesellschaften nicht gelten, die zwar im Inland tätig und auch niedergelassen sind, aber noch eine ausländische Niederlassung im Gründungsstaat beibehalten. Deshalb ist auch nicht damit zu rechnen, daß der EuGH, wenn er der einmal eingeschlagenen Linie treu bleibt, die Unterstellung der Auslandsgesellschaften unter das inländische Kapitalerhaltungsrecht auf der Grundlage einer fragmentarischen Sitztheorie zulassen würde. Wären nach Ansicht des EuGH im vorliegenden Zusammenhang „Schutzlückenargumente“ europarechtlich tragfähig und daher „Überlagerungstheorien“ europarechtlich zulässig, so wäre der Fall „Inspire

_________ 82 EuGH Slg. I-1459 = NJW 1999, 2027 Tz. 29 – Centros; Slg. 2003 I – 10155 = NJW 2003, 3331 Tz. 105, 137–139 – Inspire Art; dazu oben II 2 a, S. 146 ff.

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Art“ der gegebene Anwendungsfall hierfür gewesen, und das niederländische Gesetz über „formell ausländische Gesellschaften“ hätte als gültig anerkannt werden müssen83. Man sollte den einmal gescheiterten Versuch, sich auf diese Weise gegen Auslandsgesellschaften zur Wehr zu setzen, nicht wiederholen.

4. Ergebnis Es muß deshalb dabei bleiben: Die §§ 30, 31 GmbHG sind auf Auslandsgesellschaften mit beschränkter Haftung, die im Schutz der europäischen Niederlassungsfreiheit im Inland tätig sind, nicht anzuwenden, auch dann nicht, wenn sie im Inland ihre Hauptniederlassung haben, und auch dann nicht, wenn sie ausschließlich im Inland tätig sind. Infolgedessen fallen auch Gesellschafterdarlehen, die solchen Gesellschaften gewährt werden, nicht in den Anwendungsbereich der §§ 30, 31 GmbHG; die hierzu in Deutschland entwickelten „Rechtsprechungsregeln“ sind ebenso unanwendbar wie die Hauptregeln der §§ 30, 31 selbst es sind84. Die Grenzen und Rechtsfolgen von Kapitalrückzahlungen an Gesellschafter von Auslandsgesellschaften bestimmen sich vielmehr allein nach dem Gründungsrecht als dem Personalstatut der Gesellschaft, und das Gründungsrecht entscheidet darüber, ob überhaupt, und wenn ja unter welchen Voraussetzungen, die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen als eine solche Kapitalrückgewähr anzusehen ist. Die praktische Bedeutung dieser Feststellung ist allerdings, soweit es speziell um die Gesellschafterdarlehen der Auslandsgesellschaften geht, nur gering. Praktisch entscheidend ist die Behandlung im Insolvenzfall, die Frage also, ob die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO (die „Novellenregeln“) auf solche Darlehen anwendbar sind. Diese Frage ist Gegenstand der nun folgenden Untersuchung.

_________ 83 Vgl. dazu oben II 2 a, S. 148 f. bei Fn. 55 ff. 84 Wie hier Michael Fischer ZIP 2004, 1477, 1480; Weller (Fn. 63) S. 90; Forsthoff/Schulz in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 15 Rz. 40. Insoweit zutreffend auch Paefgen, Geyrhalter/Gänßler, Hans-Friedrich Müller, Meilicke, Sandrock, Günter H. Roth, Kallmeyer, Schumann, Borges, Wachter, Riedemann, Mock/ Schildt aaO (Fn. 34); Eidenmüller (Fn. 31) § 9 Rz. 43.

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III. Anwendung der Novellenregeln auf Auslandsgesellschaften im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Inland 1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Inland a) Anwendbarkeit der EuInsVO Hat eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ihren satzungsmäßigen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union und unterliegt sie daher dem Gesellschaftsrecht dieses Staates85, hat sie aber ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Deutschland, so fragt sich im Fall der Insolvenz der Gesellschaft, welche Insolvenzgerichte für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens international zuständig sind: die Gerichte des Staates, in dem der satzungsmäßige Sitz liegt, oder die Gerichte des Staates, in dem der tatsächliche Verwaltungssitz liegt. Da die beiden möglichen zuständigkeitsbestimmenden Orte (der Satzungssitz und der Verwaltungssitz) in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union liegen, ist hierfür die am 31. Mai 2003 in Kraft getretene Europäische Insolvenzverordnung maßgeblich86. Sie ist allen Mit_________ 85 Vgl. oben II 2 b, S. 149 ff. 86 Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO), ABl. L 160/1 (deutsche Ausführungsbestimmungen hierzu in Art. 102 EGInsO, neugefaßt durch Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts vom 14.3.2003, BGBl. I 345, Art. 1). Dazu DuursmaKepplinger/Duursma/Chalupsky, Europäische Insolvenzverordnung, Wien 2002; Moss/ Fletcher/Isaacs, The Regulation on Insolvency Proceedings, A Commentary and Annotated Guide, Oxford 2002. Zur Einführung vgl. Leible/Staudinger KTS 2000, 533 ff.; Eidenmüller IPrax 2001, 2 ff.; Peter Huber ZZP 114 (2001), 133 ff.; Kemper ZIP 2001, 1609 ff.; Paulus NZI 2001, 505 ff. sowie ZIP 2002, 729 ff.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl. 2002, Rz. 1051 ff., 1057 ff., 1086 ff.; Smid, Europäisches Internationales Insolvenzrecht, Wien 2002; Wimmer NJW 2002, 2427 ff.; Pannen/Kühnle/ Riedemann NZI 2003, 72 ff.; Ehricke/Ries JuS 2003, 313 ff.; Prütting in Breitenbücher/Ehricke (Fn. 34) S. 59 ff.; Reinhart in Münchener Kommentar InsO Bd. 3, 2003, Art. 102 EGInsO Anh. I; Mincke, VO (EG) 1346/2000, in Nerlich/Römermann, InsO (Loseblatt Stand März 2003); Lüer, VO (EG) 1346/2000, in Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. 2003. Vorangegangen war der fast inhaltsgleiche, nur aus politischen Gründen gescheiterte Entwurf eines Übereinkommens der Mitgliedstaaten vom 23.11.1995, vgl. ZIP 1996, 967 ff.; dazu Balz ZIP 1996, 948 ff.; Virgos/Schmit, Erläuternder Bericht zum Entwurf eines Europäischen Insolvenzübereinkommens (abgedruckt u. a. in Stoll [Hrsg.], Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Übereinkommens über Insol-

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gliedstaaten (außer Dänemark) unmittelbar geltendes Recht und regelt im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander drei Gegenstände: erstens die internationale Zuständigkeit des Insolvenzgerichts, bei dem ein Insolvenzantrag gestellt ist, zweitens die Frage, welches Insolvenzrecht anwendbar ist, wenn das Insolvenzverfahren in einem Mitgliedstaat eröffnet wird, und drittens die Anerkennung des in einem Mitgliedstaat eröffneten Verfahrens in den anderen Mitgliedstaaten87. Die Voraussetzungen der Anwendbarkeit der Verordnung sind im Verordnungstext nicht explizit ausgesprochen. Aus den Regelungsgegenständen und Regelungszielen der Verordnung folgt aber, daß sie immer dann anwendbar ist, wenn in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ein Insolvenzverfahren eröffnet oder beantragt ist und wenn dies Verfahren Auslandsberührung, das heißt eine rechtliche Verbindung zu einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft aufweist88. Diese Auslandsberührung ergibt sich im vorliegenden Zusam_________ venzverfahren im deutschen Recht, 1997, S. 32 ff.); Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, 1997; Trunk (Fn. 31) S. 357 ff.; Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 23.11.1995, 2000. Speziell zur Frage der Eröffnungszuständigkeit nach der EuInsVO vgl. Vogler, Die internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren, Wien/Graz 2004; Bruno M. Kübler in Festschrift Gerhardt, 2004, S. 527 ff.; Eidenmüller NJW 2004, 3455 ff.; speziell zu den Auswirkungen auf Auslandsgesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland vgl. Eidenmüller (Fn. 31) § 9; Mock/Schildt in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 16. Zu den deutschen Ausführungsbestimmungen vgl. Daniel Ludwig, Neuregelungen des deutschen internationalen Insolvenzverfahrensrechts, 2004, S. 23 ff. 87 Außer in Dänemark, das sich gemäß Art. 1, 2 des Protokolls über die Position Dänemarks zum Vertrag über die Europäische Union und zum Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft an dem Zustandekommen der Verordnung nicht beteiligt hat und für das die Verordnung daher nicht gilt, vgl. Erwägungsgrund 33 EuInsVO. In sachlicher Hinsicht sind von der Geltung der Verordnung ausgenommen die Insolvenzen von Banken, Versicherungen, Finanzdienstleistern und Investmentfonds („Organismen für gemeinsame Anlagen“, dazu Balz ZIP 1996, 948, 949 Fn. 9), Art. 1 Abs. 2 EuInsVO. Für derartige Insolvenzen gilt das – mit der EuInsVO weitgehend übereinstimmende – autonome deutsche internationale Insolvenzrecht, §§ 335 ff. InsO i. d. F. des Gesetzes vom 14.3.2003; dazu Ludwig (Fn. 86) S. 38 ff. 88 Vgl. dazu Ulrich Huber, Inländische Insolvenzverfahren über Auslandsgesellschaften nach der Europäischen Insolvenzverordnung, in Festschrift Gerhardt, 2004, S. 397, 402 ff. In Mitgliedstaaten, in denen anders als bei uns das Insolvenzverfahren nicht nur auf Antrag, sondern auch von Amts wegen eröffnet werden kann (wie z. B. in Frankreich, vgl. MünchKomm InsO [Fn. 86] Art. 102

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menhang schon daraus, daß der nominelle Satzungssitz und der tatsächliche Verwaltungssitz der Gesellschaft in unterschiedlichen Mitgliedstaaten liegen.

b) Internationale Zuständigkeit Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO sind für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gerichte desjenigen Mitgliedstaates international zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den „Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen“ hat (das „center of main interest“). Es handelt sich dabei um den Ort, „an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist“ (Erwägungsgrund 13). Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, daß dieser Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen mit dem Satzungssitz zusammenfällt (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 EuInsVO). Diese Vermutung ist aber widerlegt, wenn feststeht, daß der nominelle Satzungssitz mit dem tatsächlichen Verwaltungssitz nicht zusammenfällt89. In einem solchen Fall ist der tatsächliche Verwaltungssitz der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen90. Die internationale Zuständigkeit für die Eröffnung des Insol_________ EGInsO Anh. II), genügt es, daß das Insolvenzgericht den Fall aufgreift und der Sachverhalt Auslandsberührung zu einem anderen Mitgliedstaat aufweist. Abweichend Ludwig (Fn. 86) S. 42 ff. 89 Vgl. dazu Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt (Fn. 88) S. 405 ff. Die Regelung des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO deckt sich mit den Bestimmungen § 3 InsO mit § 17 ZPO, die im deutschen Recht für die örtliche (und internationale) Zuständigkeit gelten. 90 Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt (Fn. 88) S. 405 ff. Der tatsächliche „Verwaltungssitz“ einer Gesellschaft im Sinn des deutschen Internationalen Gesellschaftsrechts ist mit dem „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ im Sinn des europäischen Internationalen Insolvenzrechts im allgemeinen identisch (vgl. auch Peter Huber ZZP 114 [2001], 133, 141; Borges ZIP 2004, 733, 737; Eidenmüller [Fn. 31] § 9 Rz. 11). Das ist allerdings für einen Spezialfall umstritten, nämlich für den Fall, daß eine inländische Gesellschaft, die über inländisches Vermögen, inländische Beschäftigte und eine inländische Geschäftsleitung verfügt, Tochtergesellschaft einer Muttergesellschaft mit Sitz im Ausland und von dieser konzernabhängig ist. Vgl. dazu meinen Beitrag über die Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführer von Auslandsgesellschaften in diesem Band (unten F.) unter III 4 c), S. 336 ff. m. weit. Nachw. Ist am ausländischen Sitz der Muttergesellschaft das Insolvenzverfahren über die im Inland niedergelassene Tochtergesellschaft – sei es zu Recht oder zu Unrecht – tatsächlich eröffnet worden, so kann im Inland nur noch ein auf das inländische Vermögen der Tochtergesellschaft beschränktes Sekundärinsolvenzver-

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venzverfahrens über Auslandsgesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz liegt also bei den deutschen Gerichten91. Die örtliche Zustän_________ fahren gemäß Art. 27 ff. EuInsVO durchgeführt werden, vgl. AG Köln NZI 2004, 151; Landesgericht Innsbruck ZIP 2004, 1721 f.; Vallender/Fuchs ZIP 2004, 829, 833 f.; Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt (Fn. 88) S. 412 f. Die Frage der Eröffnungszuständigkeit für Konzerntochtergesellschaften ist inzwischen vom Supreme Court of Ireland dem EuGH zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EGV vorgelegt worden, NZI 2004, 505. – Außerhalb jeden vernünftigen Zweifels steht, daß es sich bei einer rechtlich selbständigen Tochtergesellschaft nicht um eine „Niederlassung“ der Muttergesellschaft handelt, auf die sich das Hauptinsolvenzverfahren der Muttergesellschaft automatisch erstreckt und für die lediglich unter den Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2–4 ein Partikularinsolvenzverfahren durchgeführt werden kann; vgl. DuursmaKepplinger/Duursma/Chalupsky (Fn. 86) Art. 121; Vogler (Fn. 86) S. 166 ff. 91 In diesem Punkt zutreffend AG Hamburg ZIP 2003, 1008. Ist allerdings ein ausländisches Gericht in einem anderen Mitgliedstaat mit der Eröffnung des Verfahrens, weil es seine Zuständigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO, und sei es zu Unrecht, bejaht hat, zuvorgekommen, so ist diese Entscheidung im Inland hinzunehmen und durch die inländischen Gerichte nicht nachzuprüfen (vgl. Art. 16 Abs. 1 und Erwägungsgrund 22 EuInsVO). Vgl. Balz ZIP 1996, 948, 949; Peter Huber ZZP 114 (2001), 133, 144 ff. m. w. N.; Duursma-Kepplinger/ Duursma/Chalupsky (Fn. 86) Art. 3 Rz. 27 ff.; Moss/Fletcher/Isaacs (Fn. 86) Rz. 8.47 f.; MünchKomm InsO/Reinhart (Fn. 86) Art. 3 Rz. 3; Ehricke/Ries JuS 2003, 313, 314; Paulus ZIP 2003, 1725, 1726 f.; Herchen ZInsO 2004, 61, 63; Weller IPrax 2004, 412, 416 f.; Eidenmüller NJW 2004, 3455, 3457 f.; Ludwig (Fn. 86) S. 32; Mock/Schild in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 16 Rz. 23; AG Köln NZI 2004, 151; AG Düsseldorf NZI 2004, 269; AG Mönchengladbach NZI 2004, 383, 384; Cour d’appell Versailles ZIP 2004, 377; Landesgericht Innsbruck ZIP 2004, 1721 f.; Tribunale di Parma ZIP 2004, 2295; vgl. auch Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt (Fn. 88) S. 404 f., 411 f.; a. A. Trunk (Fn. 31) S. 361. Die abweichende Entscheidung AG Düsseldorf ZIP 2003, 1363 ist vom AG Düsseldorf NZI 2004, 269 durch Einstellung des Verfahrens korrigiert worden. Für den Bereich des deutschen Rechts ist die Frage außer Streit gestellt durch Art. 102 §§ 3, 4 EGInsO i. d. F. des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts vom 14. März 2003 BGBl. I, 345. Hiernach ist, wenn in einem anderen Mitgliedstaat ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet ist, ein vor einem inländischen Gericht gestellter Antrag auf Eröffnung eines zweiten Hauptinsolvenzverfahrens unzulässig; ein im Widerspruch hierzu eröffnetes zweites Hauptinsolvenzverfahren ist einzustellen. Maßgeblich ist die Priorität des Eröffnungsbeschlusses und nicht des Eröffnungsantrags, und zwar auch dann, wenn nach dem betreffenden Insolvenzrecht die Eröffnung auf den Zeitpunkt des Antrags zurückwirkt, zutreffend AG Mönchengladbach NZI 2004, 383. Eidenmüller NJW 2004, 3455, 3457; vgl. auch Ludwig (Fn. 86) S. 32 f. Auch diese Frage liegt inzwischen dem EuGH zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG vor, vgl. Supreme Court of Ireland NZI 2004, 505.

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digkeit richtet sich nach § 3 Abs. 1 InsO, nicht anders als bei rein innerdeutschen Sachverhalten92.

c) Insolvenzfähigkeit Gemäß Art. 4 Abs. 1 EuInsVO gilt, soweit die Verordnung nicht selbst etwas anderes bestimmt93, „für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wird“ (das Recht des „Staats der Verfahrenseröffnung“). Maßgeblich ist also die „lex fori concursus“, das Recht des Insolvenzgerichts. Gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz 1 regelt das Recht des Staats der Verfahrenseröffnung unter anderem auch, „unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird“; und gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a regelt es insbesondere auch, „bei welcher Art von Schuldnern das Insolvenzverfahren zulässig ist“. Die Insolvenzfähigkeit der Auslandsgesellschaft in einem in Deutschland gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO durchgeführten Insolvenzverfahren richtet sich daher nach deutschem Insolvenzrecht, nicht nach dem Personalstatut der Gesellschaft (also nicht nach dem Insolvenzrecht des Gründungsstaats, in dem die Gesellschaft ihren nominellen Satzungssitz hat und in dem sie registriert ist). Infolgedessen ist die Auslandsgesellschaft dann insolvenzfähig, wenn sie, im Sinn des deutschen Rechts, eine „juristische Person“ darstellt (§ 11 Abs. 1 Satz 1 InsO). Ob das der Fall ist, ist nach dem ausländischen Personalstatut der Gesellschaft zu entscheiden. Tatsächlich besitzen ausländische Gesellschaften mit beschränkter Haftung nach ihrem Heimatrecht wohl durchweg eigene Rechtspersönlichkeit, so daß von hier aus dem inländischen Insolvenzverfahren keine Hindernisse entgegenstehen dürften94. _________ 92 Der hiernach maßgebliche „Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit“ des Schuldners (§ 3 Abs. 1 Satz 2 InsO) sollte mit dem „Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen“ (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 InsO) stets zusammenfallen. Vgl. auch oben Fn. 89. 93 Solche vorrangigen Bestimmungen finden sich in Art. 5 ff. EuInsVO. Hier werden für eine Reihe von Regelungsgegenständen Sonderanknüpfungen bestimmt, die auch dann Vorrang vor der lex fori concursus haben, wenn diese selbst sie als Teil des Insolvenzrechts ansieht (so ist z. B. für die Wirksamkeit von dinglichen Sicherheiten in der Insolvenz die lex rei sitae und nicht die lex fori concursus maßgeblich). 94 Vgl. Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 415; Mock/Schildt ZInsO 2003, 396, 399; dies. in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 16 Rz. 27 f.; ebd. § 10 Rz. 46 f.; Eidenmüller (Fn. 31) § 9 Rz. 16 ff.; Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt

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d) Eröffnungsgründe Auch die Frage, ob ein Eröffnungsgrund im Sinn des § 16 InsO gegeben ist, ist für das gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO in Deutschland durchzuführende Verfahren nach deutschem Recht zu entscheiden (Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EuInsVO). In Betracht kommen also die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), bei Antragstellung durch die Gesellschaft selbst auch die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO), und, da es sich, wie hier vorausgesetzt wird, bei der Auslandsgesellschaft nach ihrem Personalstatut um eine juristische Person handelt, auch die Überschuldung (§ 19 InsO)95. Weitere Voraussetzung der Verfahrenseröffnung sind ferner der Eröffnungsantrag durch einen gemäß §§ 13-15 EuInsVO Antragsberechtigten und selbstverständlich das Vorhandensein einer die Kosten voraussichtlich deckenden Masse nach Maßgabe des § 26 InsO.

2. Art. 4 EuInsVO als maßgebliche Kollisionsnorm Hat das inländische Insolvenzgericht das Verfahren über die Auslandsgesellschaft eröffnet, so ist für das Verfahren und seine Wirkungen das deutsche „Insolvenzrecht“ maßgeblich (Art. 4 Abs. 1 EuInsVO). Nun können in den verschiedenen Mitgliedstaaten die Ansichten darüber auseinandergehen, welche Materien zum Insolvenzrecht gehören und _________ (Fn. 88) S. 405 ff. Das gilt auch dann, wenn es sich um eine englische private limited company handelt und die Gesellschaft (etwa wegen Nichtbezahlung fälliger Gebühren oder unterlassener Einreichung des Geschaftsberichts) im dortigen Register gelöscht worden ist, wodurch sie nach englischem Recht ihre Rechtsfähigkeit verliert (konstitutive Wirkung der Löschung!). Denn der Verlust der Rechtsfähigkeit und die damit verbundene Vermögenseinziehung (zugunsten der englischen Krone, des Herzogs von Lancaster oder des Herzogs von Cornwall) beschränkt sich auf das in England belegene Vermögen der Gesellschaft. Zumindest in Bezug auf das in Deutschland belegene Vermögen muß die Gesellschaft deshalb als fortbestehend gelten, solange solches Vermögen vorhanden ist, vgl. Mansel in Liber amicorum Gerhard Kegel, 2002, S. 111 ff.; daher ist sie gemäß § 11 Abs. 3 InsO in Deutschland auch insolvenzfähig, überzeugend Weller IPrax 2004, 412, 414 gegen AG Duisburg NZG 20034, 1167. 95 Vgl. Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 416; Eidenmüller (Fn. 31) § 9 Rz. 18, 20; Mock/Schildt in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 16 Rz. 29; Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt (Fn. 88) S. 408. Nur im Ergebnis zutreffend AG Hamburg ZIP 2003, 1008; zu der verunglückten Begründung vgl. Weller IPrax 2003, 520. Um am Ende die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abzulehnen, hätte es der weitausholenden Darlegungen des AG übrigens nicht bedurft.

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wie das Insolvenzrecht von anderen Regelungskomplexen abzugrenzen ist, z. B. dem Sachenrecht oder dem Gesellschaftsrecht. Aus diesem Grund ist in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 EuInsVO ein Katalog von Materien aufgestellt worden, die in jedem Fall („insbesondere“) dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung unterliegen sollen, ohne Rücksicht darauf, ob sie im betreffenden Mitgliedstaat als „Insolvenzrecht“ angesehen werden oder nicht (das Gegenstück bilden die Art. 5 ff. EuInsVO, die bestimmte Materien, z. B. die Wirksamkeit von dinglichen Sicherheiten in der Insolvenz, dem Anwendungsbereich der lex fori concursus entziehen und gesondert anknüpfen, auch wenn sie nach den im Eröffnungsstaat herrschenden Anschauungen dem Insolvenzrecht zuzurechnen sind; im vorliegenden Zusammenhang spielen diese Ausnahmen keine Rolle96). Insoweit ist das Problem der kollisionsrechtlichen Qualifikation durch positivrechtliche Spezialregelung erledigt, und es lohnt sich nicht, Überlegungen darüber anzustellen, ob es sich bei den positivrechtlich geregelten Einzelmaterien „eigentlich“ um Insolvenzrecht handelt – im Sinn eines allgemeinen Systembegriffs – oder nicht; jedenfalls aber dürfen aus solchen Überlegungen keine praktischen Konsequenzen abgeleitet werden, da es sich um eine gesetzlich entschiedene Frage handelt.

3. Die Bestimmungen des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. g, i und m EuInsVO als Grundlage der Anwendung der Novellenregeln auf Auslandsgesellschaften Zu diesen in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a–m EuInsVO spezialgesetzlich geregelten und dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung zugewiesenen Materien gehören unter anderem auch die Frage, „welche Forderungen als Insolvenzforderungen anzumelden sind“ (Buchst. g), die Frage, mit welchem „Rang“ die Insolvenzforderungen bei der Verteilung des Erlöses zu befriedigen sind (Buchst. i), und die Frage, „welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen“ (Buchst. m). Damit steht fest, daß in der inländischen Insolvenz der Auslandsgesellschaft auch die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO anwendbar sind97. § 39 _________ 96 Vgl. aber, zur Ausnahmebestimmung des Art. 13 EuInsVO, unten IV 1, S. 191 ff. 97 Ebenso Haas in v. Gerkan/Hommelhoff (Fn. 32) Rz. 15.8 ff. (vgl. auch dens. NZI 2002, 457, 465; NZI 2001, 1, 10); Paulus ZIP 2002, 729, 734; Kindler NZG 2003, 1086, 1090; Ulmer NJW 2004, 1201, 1207; ders. KTS 2004, 291, 298 ff.;

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Abs. 1 Nr. 5 regelt die Frage, ob der Gesellschafter der insolventen Gesellschaft eine Darlehensforderung auch dann als Insolvenzforderung geltend machen kann, wenn das Darlehen „kapitalersetzend“ ist. § 39 Abs. 1 Nr. 5 stellt dazu zwei Regeln auf: Erstens, es handelt sich auch in diesem Fall um eine Insolvenzforderung. Zweitens, diese Insolvenzforderung ist im Rang nach allen übrigen Insolvenzforderungen zu berichtigen (falls dann noch, womit allerdings nicht zu rechnen ist, verteilbare Masse übrig ist). Die erste Regel des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO fällt unter Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. g, denn sie betrifft die Frage, welche Forderungen Insolvenzforderungen sind, die zweite Regel des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO fällt unter Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. i EuInsVO, denn sie betrifft die Frage, welchen Rang die Forderung hat. § 135 Nr. 1 und Nr. 2 InsO i. V. m. § 129 InsO ordnen an, daß Sicherheiten, die die Gesellschaft für ein Gesellschafterdarlehen bestellt hat, im Fall der Insolvenz der Gesellschaft anfechtbar sind, wenn die Bestellung nicht länger als zehn Jahre vor Antragstellung zurückliegt, und daß die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen anfechtbar ist, wenn die Zahlung nicht länger als ein Jahr vor Antragstellung erfolgt ist, sofern es sich dabei um kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen handelt und sofern durch die Sicherheitenbestellung oder die Rückzahlung die übrigen Insolvenzgläubiger benachteiligt werden (eine Voraussetzung, die im praktischen Fall wohl stets erfüllt sein wird). Beide Regeln des § 135 InsO fallen unter Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. m EuInsVO, denn sie betreffen die Frage, welche Rechtshandlungen des späteren Insolvenzschuldners anfechtbar sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen. _________ Michael Fischer ZIP 2004, 1477, 1480; ebenso schon und grundlegend (zum Rechtszustand vor Inkrafttreten der EuInsVO, jetzt §§ 235 ff. InsO) Schücking ZIP 1994, 1156, 1158 f. im Hinblick auf den früheren § 32a KO, die Vorgängerbestimmung des jetzigen § 135 InsO. Vgl. auch Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt (Fn. 88) S. 416 ff. Offengelassen wird die Frage bei Weller (Fn. 63) S. 90 Fn. 433. Widersprüchlich Forsthoff/Schulz in Hirte/Bücker § 15 Rz. 38, 42 ff., die § 135 InsO für anwendbar halten und § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nicht. Zu § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO (ebenso zu §§ 32a, b GmbHG) vertreten Forsthoff/ Schulz die Ansicht: ob „Deutschland“ berechtigt sei, diese Regeln auf Auslandsgesellschaften zu erstrecken, lasse sich derzeit verläßlich nicht beantworten; rechtspolitisch sei eine solche Erstreckung nicht empfehlenswert. Zu der Annahme von Forsthoff/Schulz, die Anwendung des § 135 InsO sei bei Auslandsgesellschaften im praktischen Ergebnis durch Art. 13 EuInsVO ausgeschlossen (aaO Rz. 37 f.), vgl. unten IV 1, S. 191 ff.

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Neben § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist § 32a Abs. 1 GmbHG – ursprünglich die Grundbestimmung der Novellenregeln – zu einer Vorschrift ohne eigenständige Bedeutung geworden: die Bestimmung sagt nichts, was sich nicht schon aus der allgemeinen Regel des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ergibt98. Aber auch wenn man das anders beurteilen wollte, wäre das im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung. Denn auch § 32a Abs. 1 GmbHG betrifft die Frage, mit welchem Rang kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz der Gesellschaft zu berücksichtigen sind. Auch diese Bestimmung fällt also, genau wie § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, unter Art. 4 Abs. 1 Buchst. i EuInsVO. Damit steht zumindest im Anwendungsbereich der EuInsVO fest, daß insoweit das Insolvenzstatut maßgeblich ist und nicht das Gesellschaftsstatut. Und selbst wenn man der Ansicht wäre, die Bestimmung des § 32a GmbHG sei zwar nicht aus kollisionsrechtlichen Gründen, aber nach ihrem sachlichen Anwendungsbereich auf Gesellschaften deutschen Rechts beschränkt, da nur diese Regelungsgegenstand des GmbH-Gesetzes seien, wäre das gleichgültig: denn es genügt, daß die Gesellschaft in den sachlichen Regelungsbereich des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO fällt. Auf den ersten Blick ist es überhaupt nicht zu sehen, wo hier ein besonderes Rechtsproblem liegen soll. Auch nach ausländischem Recht gegründete und diesem Recht unterliegende Gesellschaften sind „Gesellschaften“ im Sinn von § 39 Abs. 1 Nr. 5 und § 135 InsO. Die Bestimmungen sagen mit keinem Wort, daß ihre Anwendung auf Gesellschaften einer bestimmten Rechtsform oder auf Gesellschaften, die nach inländischem Recht gegründet sind, beschränkt sein soll, sondern erfaßt sind alle Gesellschaften, die im Inland in Insolvenz fallen. Darlehen, die die Gesellschafter einer ausländischen Gesellschaft gewähren, sind „kapitalersetzend“ unter genau denselben Voraussetzungen, wie sie für Gesellschaften gelten, die nach deutschem Gesellschaftsrecht gegründet sind, und sie unterliegen der Rangrückstufung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und der Anfechtung gemäß § 135 InsO. Daß insoweit deutsches Insolvenzrecht anwendbar ist, ergibt sich aus den positivrechtlichen Bestimmungen des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 Buchst. g, i und m EuInsVO; daher kommt es nicht einmal entscheidend darauf an, ob diese Vorschriften nach den dogmatischen Vorstellungen des deut-

_________ 98 Vgl. oben I 3, S. 138 f.

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schen Rechts als „Insolvenzrecht“ zu qualifizieren sind (was allerdings der Fall ist99) oder als „Gesellschaftsrecht“100.

4. Die Gegenmeinung Trotzdem ist die Frage umstritten. In der Rechtsprechung ist sie bisher nicht entschieden worden, auch nicht nach dem früheren Recht, unter dem sie sich ebenso wie heute hätte stellen können101. Der Bundesgerichtshof hat bisher nur zu der kollisionsrechtlichen Frage der Anwendbarkeit der „Rechtsprechungsregeln“ auf Auslandsgesellschaften außerhalb des Insolvenzverfahrens Stellung genommen, aber nicht zur Anwendbarkeit der „Novellenregeln“ der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO102. In der Literatur wird vielfach die Ansicht vertreten, „kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen“ könne es nur bei Gesellschaften geben, die deutschem Gesellschaftsrecht unterlägen103. Die Begründungen variieren104. _________ 99 Vgl. oben I 3, S. 137 ff. mit Fn. 17, 18, 20, 21; Ulmer NJW 2004, 1201, 1207; dens. KTS 2004, 291, 298 ff. 100 Die älteren, vor Inkrafttreten der EuInsVO geäußerten Stellungnahmen der Literatur, die sich für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation des gesamten Kapitalersatzrechts ausgesprochen haben, sind deshalb inzwischen überholt, so insbesondere Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 292; Karsten Schmidt in Festschrift Großfeld, 1998, S. 1031, 1042; Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, S. 192 f.; Scholz/Harm Peter Westermann (Fn. 31) Einl. Rz. 96. 101 Nämlich dann, wenn eine Gesellschaft mit Verwaltungssitz im Ausland in Deutschland eine unselbständige Zweigniederlassung unterhielt und über das inländische Vermögen ein Filialkonkurs gemäß § 238 KO eröffnet wurde, vgl. Schücking ZIP 1994, 1156, 1159. 102 BGHZ 148, 167, 168; dazu oben Fn. 31 a. E. 103 So insbesondere Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 417; Zimmer NJW 2003, 3585, 3589; Borges ZIP 2004, 733, 743; Eidenmüller (Fn. 31) § 9 Rz. 41 ff.; ferner Kallmeyer DB 2002, 2521, 2522; ders. DB 2004, 636, 639; Paefgen DB 2003, 487, 490 sowie ZIP 2004, 2253, 2261 f.; Geyrhalter/ Gänßler NZG 2003, 409, 410 f.; Meilicke GmbHR 2003, 1271, 1272; Sandrock ZVglRWiss 102 (2003), 447, 473 ff.; Wachter GmbHR 2004, 88, 91 und 101 Fn. 99; Riedemann GmbHR 2004, 345, 349; Schumann DB 2004, 743, 748; Mock/Schildt in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 16 Rz. 62 ff.; i. E. wohl auch Prütting in Breitenbücher/Ehricke (Fn. 34) S. 83 f. Vgl. auch Eidenmüller ZIP 2002, 2233, 2242; dens. JZ 2004, 24, 28; Eidenmüller/Rehm ZGR 2004, 159, 181 f.; Forsthoff DB 2002, 2471, 2477; Wulf-Henning Roth IPrax 2003, 117, 125. Eidenmüller, Forsthoff und Roth gehen hier davon aus, daß grundsätz-

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Vereinzelt versucht man an der These festzuhalten, die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO seien, nicht anders als die „Rechtsprechungsregeln“, materiell als „Gesellschaftsrecht“ zu qualifizieren105. Eine unterschiedliche Qualifikation der Rechtsprechungsregeln (als Gesellschaftsrecht) und der Novellenregeln (als Insolvenzrecht) – so wird gesagt – soll dazu führen, einen „einheitlichen Lebenssachverhalt zu zerreißen“106. Dazu kann nur wiederholt werden, daß es auf die subjektiven Ansichten über die Rechtsnatur der in §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO aufgestellten Regeln nicht mehr ankommen kann, nachdem die kollisionsrechtliche Frage für den Geltungsbereich des europäischen internationalen Insolvenzrechts durch Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. g, i und m EuInsVO positivrechtlich entschieden ist107. Daß im Fall der Gesellschaftsinsolvenz das Personalstatut der Gesellschaft, die lex societatis, und das anwend_________

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lich das ausländische Gesellschaftsstatut der Auslandsgesellschaft maßgeblich sei, wollen aber die deutschen Regeln über kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen im Weg der „Sonderanknüpfung“ anwenden, soweit das Gründungsrecht keinen „angemessenen“ („adäquaten“, „hinreichenden“) Gläubigerschutz zur Verfügung stelle (vgl. dazu auch oben Fn. 35). Forsthoff hat seinen Standpunkt inzwischen modifiziert, vgl. oben Fn. 35, 97. Manche unter den Fn. 103 zitierten Äußerungen beschränken sich allerdings auf eher apodiktische Stellungnahmen. Insbesondere Art. 4 EuInsVO wird vielfach mit Stillschweigen übergangen. So Meilicke GmbHR 2003, 1271, 1272 („§ 135 InsO ist der Sache nach eine Regelung des Gesellschaftsstatuts“); Wachter GmbHR 2004, 88, 101 Fn. 99; Paefgen ZIP 2004, 2253, 2261. Übrigens ist darauf hinzuweisen, daß man unter „Zerreißung“ einheitlicher Lebenssachverhalte („dépeçage“) im internationalen Privatrecht üblicherweise etwas anderes versteht (vgl. dazu Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 8. Aufl. 2000, § 2 II 3 b). Es geht um den Fall, daß verschiedene Elemente eines einheitlichen Lebenssachverhalts unterschiedlich angeknüpft werden, was zu Normlücken oder Normwidersprüchen führen kann (Beispiel: beim Tod des erstversterbenden Ehegatten unterschiedliche Anknüpfung des Ehegüterrechts und des Erbrechts, oder bei der Geburt eines unehelichen Kindes unterschiedliche Anknüpfung der Rechtsbeziehungen zur Mutter und zum Vater). Manche verstehen unter dépeçage auch die unterschiedliche Anknüpfung der verschiedenen Rechtsfolgen eines einheitlichen Sachverhalts durch Sonderanknüpfung (v. Bar, Internationales Privatrecht I, 1987, § 1 Rz. 28; Beispiel: bei der außervertraglichen Haftung, statt einer einheitlichen Kollisionsnorm, unterschiedliche Anknüpfungsregeln für Schmerzensgeld, Produzentenhaftung, Verkehrsunfälle, Gefährdungshaftung etc.). Der hier vorliegende Fall, daß zwei gegebenenfalls konkurrierende Ansprüche wegen ihrer unterschiedlichen Rechtsnatur unterschiedlich angeknüpft werden, hat mit beidem nichts zu tun. Vgl. dazu oben III 3, S. 168 f. bei Fn. 98, 99.

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bare Insolvenzrecht, die lex fori concursus, auseinanderfallen können, ist nach dem Anknüpfungsprinzip des Art. 4 EuInsVO unvermeidlich. Ob dies den Vorwurf rechtfertigt, hier würden „einheitliche Lebenssachverhalte zerrissen“, scheint mir sehr zweifelhaft. Aber der Vorwurf richtet sich entweder gegen die Grundkonzeption des europäischen (wie übrigens auch des autonomen deutschen) internationalen Insolvenzrechts überhaupt. Oder er richtet sich gegen die insolvenzrechtliche Konzeption, die der deutsche Gesetzgeber mit den Novellenregeln verfolgt hat. Über beides läßt sich nur de lege ferenda diskutieren. Danach ist indessen im vorliegenden Zusammenhang nicht gefragt. Entsprechendes gilt von der Behauptung, die Anwendung der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO bei ausländischem Personalstatut der Gesellschaft führe zu „Wertungswidersprüchen“108. Auch dieser Einwand richtet sich letzten Endes gegen das Prinzip des Art. 4 EuInsVO, der Gesellschaften mit ausländischem Personalstatut und inländischem Verwaltungssitz dem inländischen Insolvenzrecht unterwirft und, man mag darüber denken was man will, als geltendes Recht hinzunehmen ist. Im übrigen ist es eine sonderbare Logik, den Gläubigern der Auslandsgesellschaft, nur weil ihnen die Gläubigerschutzvorschriften des inländischen Gesellschaftsrechts nicht zugute kommen, unter Berufung auf das Schlagwort des „einheitlichen Lebenssachverhalts“ oder des „Wertungswiderspruchs“ nun auch noch obendrein den Schutz durch die Gläubigerschutzvorschriften des inländischen Insolvenzrechts entziehen zu wollen. Überwiegend wird aber auch von den Vertretern der Gegenmeinung nicht bezweifelt, daß es sich bei § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und § 135 InsO um insolvenzrechtliche Bestimmungen im Sinn von Art. 4 EuInsVO handele. Man meint indessen, bei der Frage, ob ein Darlehen „kapitalersetzend“ sei, gehe es um eine Vorfrage, die kollisionsrechtlich eigenen Regeln folge109. Gute Gründe sprächen dafür, diese Vorfrage als gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren und am Personalstatut der Gesellschaft anzuknüpfen. Denn die Frage, ob ein Darlehen kapitalersetzenden Charakter habe, stehe in engem Zusammenhang mit den gesellschaftsrechtlichen Regeln der Kapitalaufbringung und Kapital_________ 108 So Schumann DB 2004, 743, 748. 109 Hans-Friedrich Müller, NZG 2003, 414, 417; Zimmer NJW 2003, 3585, 3589; Prütting in Breitenbücher/Ehricke (Fn. 34) S. 83 f.; Eidenmüller (Fn. 31) § 9 Rz. 43.

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erhaltung110; sie betreffe die „ordnungsgemäße Kapitalausstattung“ der Gesellschaft und die „Finanzierungsverantwortung“ der Gesellschafter111. Eine Anknüpfung außerhalb des Gesellschaftsrechts, und damit im Ergebnis eine Unterwerfung der Auslandsgesellschaft unter das deutsche Kapitalersatzrecht, sei deshalb nicht zu rechtfertigen112. Diese „Unterwerfung“ unter das deutsche Kapitalersatzrecht wird darin gesehen, daß „den Gesellschaftern bei Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft untersagt wird, eigene Mittel als Fremdkapital zuzuführen“113. Für die Gesellschafter der Auslandsgesellschaft wäre es „erstaunlich“, wenn das maßgebliche Gesellschaftsrecht die Finanzierung durch Gesellschafterdarlehen billigen würde, im Fall einer späteren Insolvenz der Insolvenzverwalter aber trotzdem zur Anfechtung der Rückzahlung berechtigt wäre114. Aus allen diesen Gründen erscheine es überdies nach der Inspire-Art-Entscheidung115 als ausgeschlossen, daß der EuGH es zulassen würde, Gesellschafterdarlehen bei Gesellschaften, die dem Recht anderer Mitgliedstaaten unterliegen, an den Kapitalersatzregeln des Zuzugsstaats zu messen116. Bei einer Beurteilung dieser Einwände ist zu unterscheiden zwischen dem kollisionsrechtlichen Argument (dazu unter 5) und dem europarechtlichen Argument (dazu unter 6).

5. Kritische Würdigung (1): Der kollisionsrechtliche Einwand Der kollisionsrechtliche Einwand beruht einerseits auf einer Vermischung und Verwechslung der „Rechtsprechungsregeln“117 und der „Novellenregeln“118 und andererseits auf einem falschen Verständnis der Novellenregeln, insbesondere des dort verwendeten Begriffs des „kapitalersetzenden“ Darlehens. _________ 110 111 112 113 114 115 116

Vgl. Zimmer NJW 2003, 3585, 3589. So Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414; Eidenmüller (Fn. 31) § 9 Rz. 43. So Zimmer NJW 2003, 3585, 3589. So Borges ZIP 2004, 733, 743; ähnlich Eidenmüller (Fn. 31) § 9 Rz. 43. So Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 417. Oben Fn. 1. So Zimmer NJW 2003, 3585, 3589; i.E. übereinstimmend Borges ZIP 2004, 733, 743; Paefgen ZIP 2004, 2253, 2261; in diesem Sinn auch Meilicke, Eidenmüller, Eidenmüller/Rehm aaO (Fn. 103). 117 Oben Fn. 4. 118 Oben Fn. 5.

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a) Der Grundgedanke der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO Wie oben dargelegt, findet sich die systematische Zentralbestimmung des gesetzlichen Eigenkapitalersatzrechts (der „Novellenregeln“) in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO119. Die Vorschrift regelt ein genuin insolvenzrechtliches Problem, nämlich das Rangverhältnis zwischen mehreren Gläubigergruppen, die Forderungen gegen die Insolvenzmasse geltend machen. Die eine Gruppe bilden die gewöhnlichen Fremdgläubiger der Gesellschaft, die andere Gruppe die Gesellschafter, die Forderungen gegen ihre eigene Gesellschaft erheben120. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO beruht auf dem Grundgedanken, daß die Gesellschafter, die ihrer eigenen Gesellschaft Kredit gewährt haben, hinter den Fremdgläubigern der Gesellschaft im Rang zurückstehen sollen, es sei denn, der Gesellschafter macht eine gewöhnliche Drittforderung geltend, das heißt eine Forderung, die mit dem Gesellschaftsverhältnis nichts zu tun hat und die ebensogut einem gewöhnlichen Dritten zustehen könnte. Solche Kredite, die an der Gesellschaft unbeteiligte Dritte der Gesellschaft nicht gewähren würden, weil sie insolvenzreif oder aus sonstigen Gründen nicht kreditwürdig ist121, nennt das Gesetz „kapitalersetzend“. Gesellschafterforderungen sollen im Gesellschaftskonkurs gleichen Rang mit den Forderungen von Fremdgläubigern nur haben, wenn es sich um gewöhnliche Drittforderungen handelt, nicht, wenn es sich um Forderungen aus kapitalersetzenden Krediten handelt. Dem Gesellschafter, der die Gesellschaft in der Krise weiterfinanziert hat und der es ihr auf diese Weise ermöglicht hat, den Kredit und das damit verbundene Vertrauen ihrer außenstehenden Gläubiger weiterhin in Anspruch zu nehmen, soll es auf diese Weise verwehrt sein, in der Insolvenz der Gesellschaft mit eben diesen Gläubigern in Konkurrenz zu treten, indem er die geleistete Finanzhilfe zurückfordert und dabei die „par condicio creditorum“ in Anspruch nimmt. Er soll vielmehr den außenstehenden Gläubigern, die der durch ihn finanzierten Gesellschaft Kredit gewährt, das heißt Vertrauen entgegengebracht haben, bei der Verteilung der In_________ 119 Vgl. oben I 3, S. 137 ff. Das gilt unbeschadet der Tatsache, daß in der ursprünglichen Fassung der Novellenregelung durch die GmbH-Novelle von 1980 eine entsprechende Bestimmung noch fehlte (ihre Stelle vertrat damals § 32a Abs. 1 GmbHG [ursprüngliche Fassung]). Dieser gesetzessystematische Mangel ist erst durch die Insolvenzordnung behoben worden. 120 Mit Ausnahme der durch § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG privilegierten nichtgeschäftsführenden Kleingesellschafter mit Anteilen von nicht mehr als 10 Prozent. 121 Vgl. oben Fn. 7 und Fn. 8.

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solvenzmasse den Vorrang lassen und die geleistete Finanzhilfe erst dann zurückverlangen, wenn die außenstehenden Gläubiger befriedigt sind. Indem die von ihm geleistete Finanzhilfe zugunsten der Gläubiger mit Beschlag belegt wird, wird er an dem von ihm geschaffenen Vertrauenstatbestand festgehalten. Der Gesellschafter soll nicht in der Lage sein, dieses Rangverhältnis, demzufolge aus dem Vermögen der insolventen Gesellschaft Fremdgläubigerforderungen mit Vorrang vor Gesellschafterdarlehen bedient werden sollen, dadurch umzukehren, daß er im Vorfeld der Insolvenz Befriedigung der nachrangigen Forderung erlangt. Deshalb ist die Rechtshandlung, die eine solche Befriedigung gewährt, gemäß § 135 Nr. 2 InsO anfechtbar, wenn sie innerhalb des letzten Jahres vor dem Insolvenzantrag oder zwischen Antrag und Eröffnung des Verfahrens vorgenommen worden ist. Die Folge ist, daß die Leistung gemäß § 143 Abs. 1 InsO an die Masse zurückzugewähren ist und daß das ursprüngliche Rangverhältnis wiederhergestellt wird. Der Gesellschafter soll außerdem daran gehindert werden, den Vorrang der gewöhnlichen Drittforderungen vor den Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz dadurch zunichte zu machen, daß er sich an Gegenständen des Gesellschaftsvermögens Sicherheiten bestellen läßt. Solche Sicherheiten unterliegen, wenn ihre Bestellung nicht weiter zurückliegt als zehn Jahre vor Antragstellung, der Anfechtung gemäß § 135 Nr. 1 InsO, soweit sie zur Sicherung von kapitalersetzenden Darlehen (und nicht von gewöhnlichen „Drittforderungen“) der Gesellschafter dienen, mit der Folge, daß die betroffenen Gegenstände des Gesellschaftsvermögens lastenfrei zur Befriedigung der vorrangig zu bedienenden gewöhnlichen Fremdgläubiger herangezogen werden können. Es kann angesichts dieses Befundes keine Rede davon sein, daß durch die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO „den Gesellschaftern bei Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft untersagt wird, eigene Mittel als Fremdkapital zuzuführen“122. Die Gesellschafter dürfen das tun, und der „kapital_________ 122 So aber Borges ZIP 2004, 733, 743. Ähnlich auch Eidenmüller, Unternehmenssanierung zwischen Markt und Gesetz, 1999, S. 390; ders. (Fn. 31) § 9 Rz. 43. Überhaupt handelt es sich hierbei um ein verbreitertes Mißverständnis, zu dem die wenig glückliche Formulierung des § 32a Abs. 1 GmbHG (Darlehensgewährung an die Gesellschaft „in einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten“) beigetragen haben mag (die in §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO aus gutem Grund

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ersetzende“ Charakter der Kreditgewährung hat nur die Folge, daß im Insolvenzfall die Rückforderung, die Sicherung und die Rückzahlung des Kredits den Schranken der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO unterliegt. Man mag das, was hier vom Insolvenzrecht vorgeschrieben wird, als „Finanzierungsverantwortung“ der Gesellschafter bezeichnen123. Das sagt aber doch nicht mehr als das, was hier angeordnet ist: Der Gesellschafter, der einer konkursreifen oder aus anderem Grund kreditunwürdigen Gesellschaft Kredit gewährt, muß im Insolvenzfall bei der Rückzahlung des Kredits den gewöhnlichen Insolvenzgläubigern den Vorrang lassen; wenn er dieses Risiko nicht eingehen will, muß er die weitere Finanzierung der in die Krise geratenen Gesellschaft unterlassen. Es ist, zumindest im Hinblick auf die Novellenregeln, eigentlich ungenau, zu sagen, hier gehe es um die „ordnungsgemäße Kapitalausstattung“ der Gesellschaft124: es ist nicht „ordnungswidrig“ im Sinn irgendeiner gesetzlich (oder sogar über überpositiv) vorgegebenen Ordnung, wenn Gesellschafter den Eigenkapitalbedarf einer Gesellschaft durch Darlehensgewährung decken; ordnungswidrig – im Sinn der legislatorischen Grundentscheidung der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO – ist es nur, daß Gesellschafter, die derartige Darlehen gewähren, in der Insolvenz der Gesellschaft gleichen Rang mit den außenstehenden Gesellschaftsgläubigern beanspruchen. _________ nicht übernommen worden ist). Vgl. demgegenüber BGHZ 31, 258, 268 (es ist „der GmbH nicht verwehrt, eine Unterkapitalisierung ... durch Darlehen ihrer Gesellschafter zu decken oder sich die benötigten Wirtschaftsgüter durch Kauf, Miete oder Pacht von ihren Gesellschaftern zu beschaffen“), 271 („solange der Beklagte den Geldbedarf der Gemeinschuldnerin durch Darlehen deckte, kann ihm auch die Tatsache der Unterkapitalisierung nicht vorgeworfen werden“); BGHZ 90, 381, 390 („die Behandlung eines Gesellschafterdarlehens als Eigenkapital beruht nicht auf dem Vorwurf, der Gläubiger habe es versäumt, auf eine notwendige Kapitalerhöhung hinzuwirken“). 123 So, allerdings zu den Rechtsprechungsregeln, grundlegend BGHZ 90, 381, 388 f. (mit Hinweis auf Karsten Schmidt und Peter Ulmer): Grundlage der „Gleichstellung von Gesellschafterdarlehen mit haftendem Eigenkapital“ sei „die Verantwortung des Gesellschafters für eine ordnungsmäßige Unternehmensfinanzierung, die ihn in der Krise zwar nicht positiv verpflichtet, fehlendes Kapital aus seinem Vermögen nachzuschießen, der er sich aber nicht in der Weise zum Nachteil der Gläubiger entziehen kann, daß er bei einer tatsächlich beabsichtigten Finanzhilfe, anstatt sie durch die objektiv gebotene Einbringung haftenden Kapitals zu leisten, auf eine andere, ihm weniger riskant erscheinende Finanzhilfe ausweicht“. Vgl. auch BGHZ 105, 168, 175 f.; 142, 116, 120. 124 So Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 417 in Anlehnung an BGHZ 90, 381, 388 f. (vgl. vorige Fn.).

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b) „Kapitalersetzende“ Gesellschafterdarlehen im Sinn der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO Die Bezeichnung der nachrangigen Gesellschafterdarlehen als „kapitalersetzend“ und die Analogie zu den §§ 30, 31 GmbHG, auf der die „Rechtsprechungsregeln“ aufbauen, hat zu Mißverständnissen Anlaß gegeben. Es geht nicht darum, daß „Stammkapital“ im Sinn des GmbHRechts ersetzt wird, sondern es geht darum, daß „Eigenkapital“ ersetzt wird125. Der Begriff ist in einem materiellen, wirtschaftlichen Sinn zu verstehen, und zwar als Gegensatz zum Fremdkapital126 – etwa so, wie der Begriff im Bilanzrecht verstanden wird (vgl. §§ 266 Abs. 3 A., 272 HGB). Es handelt sich um finanzielle Mittel, die gegenüber den Gläubigern den Haftungsfonds der Gesellschaft erhöhen (in diesem Sinn um „haftendes Kapital“127), und auf deren Rückzahlung und Verzinsung der Gesellschafter keinen Anspruch hat – im Unterschied zu dem mit Zinsund Tilgungsdiensten belasteten Fremdkapital, dessen Gewährung die Verbindlichkeiten der Gesellschaft in entsprechender Höhe wachsen läßt, den Haftungsfonds also nicht erhöht. Eine Eigenkapitalzuführung in der Krise kann z. B. auch darin bestehen, daß die Gesellschafter vertraglich vorgesehene oder freiwillig vorgenommene Zuschüsse leisten (z. B. „Nachschüsse“ im Sinn des § 26 GmbHG). Entscheidend für den Eigenkapitalcharakter des Zuschusses ist nur, daß der Zuschuß der Gesellschaft mindestens solange zur Verfügung steht, bis die Krise, zu deren Bewältigung er geleistet worden ist, überwunden ist128. Verzinslichkeit des Zuschusses ist mit seinem Eigenkapitalcharakter nicht ganz und gar unvereinbar, vorausgesetzt, die Zinsen sind gestundet – wiederum zumindest solange, bis die Krise überwunden ist129. „Ersetzt“ wird solches Eigenkapital dann, wenn das Unternehmen zu seiner Fortführung objektiv Eigenkapital benötigt, weil es infolge Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung insolvenzreif ist130 oder aus sonstigen Grün_________ 125 Vgl. auch die ausführlichere Umschreibung des Tatbestands in § 32a Abs. 1 GmbHG. 126 Dazu grundlegend Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht (Fn. 15) § 18 III 4. 127 Vgl. BGHZ 90, 381, 388 („haftendes Eigenkapital“), 389 („haftendes Kapital“). 128 BGHZ 105, 168, 175 f.: „er muß vielmehr die Finanzierungsleistung in der Gesellschaft belassen, bis die Krise behoben ist“. 129 Vgl. dazu BGH GmbHR 1996, 285, 287; Lutter/Hommelhoff (Fn. 2) §§ 32a/b Rz. 104 m. w. N. 130 Vgl. oben Fn. 7.

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den nicht imstande ist, die zur Fortführung erforderlichen Kredite zu marktüblichen Bedingungen zu erhalten131, und wenn ein Gesellschafter den Kapitalbedarf des Unternehmens deckt, indem er ihm ein Darlehen gewährt oder ein bereits gewährtes Darlehen beläßt132. „Eigenkapital“ und „eigenkapitalersetzende Darlehen“ sind deshalb bei Gesellschaften aller Art denkbar, nicht nur bei Gesellschaften, die über ein „Stammkapital“ im Sinn des GmbH-Rechts oder über ein „Grundkapital“ im Sinn des Aktienrechts verfügen. Theoretisch denkbar sind eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen deshalb auch bei der OHG, und auch Darlehen, die der Komplementär einer KG oder KGaA gewährt, können eigenkapitalersetzenden Charakter haben133. Denn in eine Krise, im Sinn der Insolvenzreife oder der Kreditunwürdigkeit, kann schlechterdings jedes Unternehmen geraten. Praktisch sind allerdings die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO gegenstandslos, soweit es um Gesellschafterdarlehen unbeschränkt persönlich haftender Gesellschafter geht134. Denn hier haftet der Gesellschafter gemäß § 128 HGB i. V. m. § 93 InsO gegenüber der Insolvenzmasse auf Ausgleich des vollen Fehlbetrags, den die Insolvenzmasse zur Deckung der Gesellschaftsschulden benötigt135. Die Anmeldung eines Gesellschafterdarlehens in der Insolvenz würde nur dazu führen, daß die Verpflichtung des Gesellschafters gegenüber der Insolvenzmasse sich um genau den Betrag der geltend gemachten Forderung erhöhen würde. Ist dagegen das Darlehen eines unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschafters vor Verfahrenseröffnung zurückgezahlt worden, so führt das einfach zu einer entsprechenden Erhöhung seiner Haftung. Der Insolvenzverwalter kann den Gesellschafter gemäß § 93 InsO auf den vollen Fehlbetrag in Anspruch nehmen; eine Anfechtung gemäß § 135 InsO ist für ihn ohne praktisches Interesse. Praktisch geht es also bei den §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO nur um Darlehen von Gesellschaftern, die für Gesellschaftsschulden persönlich nicht oder nur beschränkt haften, sofern die Darlehen eigenkapitalersetzenden Charakter haben. _________ 131 Vgl. oben Fn. 8. 132 Dazu oben Fn. 6. 133 Vgl. Karsten Schmidt ZIP 1991, 1 ff.; Scholz/Karsten Schmidt (Fn. 2) §§ 32a, 32b Rz. 23. 134 Vgl. auch BGHZ 112, 31, 39. 135 Vgl. dazu Uhlenbruck/Hirte (Fn. 86) § 93 Rz. 20 f. m. weit. Nachw.; Kübler/ Prütting/Lüke, InsO (Loseblattwerk Stand März 2004), § 93 Rz. 20 ff.

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c) „Gesellschaften“ im Sinn der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO Es ist deshalb nur konsequent, daß die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO auf keine bestimmte Gesellschaftsform Bezug nehmen: erfaßt werden, jedenfalls vom Wortlaut der Vorschriften, Gesellschaften aller Art, Personen- wie Kapitalgesellschaften, inländische wie ausländische Gesellschaften. Durch diese weite Fassung unterscheidet § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sich von § 32a GmbHG und unterscheidet § 135 InsO sich vom früheren § 32a KO (der die Anfechtung davon abhängig gemacht hatte, daß der Tatbestand des § 32a GmbHG vorlag). Während die ursprüngliche Fassung der Novellenregeln noch ihre historische Herkunft aus der Rechtsprechung zu den Kapitalerhaltungsvorschriften des GmbHRechts erkennen ließ, hat sich die Neuregelung des Insolvenzrechts von diesem Ursprung emanzipiert; inkonsequent ist es allenfalls, daß damals nicht auch die §§ 32a, b GmbHG in rechtsformneutraler Fassung in die Insolvenzordnung übernommen worden sind136. Diese Loslösung der insolvenzrechtlichen Regeln über kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen von einem bestimmten Gesellschaftstyp hatte nicht nur systematische, sondern auch praktische Gründe. Die neue Regelung sollte über die bisher spezialgesetzlich geregelten Fälle (§§ 32a, 32b GmbHG, 129a, 172a HGB) hinausreichen. In der Regierungsbegründung zu § 135 InsO ist dazu ausgeführt137: „Der neue Anfechtungstatbestand nimmt anders als § 32a KO nicht ausdrücklich auf § 32a Abs. 1, 3 GmbHG Bezug, sondern spricht allgemein von der Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines kapitalersetzenden Darlehens. Damit ist klargestellt, daß auch die Fälle der §§ 129a, 172a HGB (kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen bei einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft ohne persönliche Haftung einer natürlichen Person) und auch die von der Rechtsprechung anerkannten weiteren Fälle kapitalersetzender Darlehen insbesondere bei der Aktiengesellschaft erfaßt werden“. Auslandsgesellschaften sind hier nicht besonders erwähnt, und der Gesetzgeber der Insolvenzordnung von 1994 hatte beim damaligen Stand

_________ 136 Vgl. dazu unten Fn. 206, 212. 137 Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf zu § 135 InsO (= RegE § 150) BTDrucks. 12/2443 S. 72, 161 = Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze – Texte mit Einführung und amtlichen Materialien, 2. Aufl. 1999, S. 375.

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des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts138 auch keinen Anlaß, in nennenswertem Umfang mit dem Inlandskonkurs von Auslandsgesellschaften zu rechnen139. Ein sachlicher Grund, weshalb nicht in Zukunft auch Gesellschafterdarlehen, die Auslandsgesellschaften gewährt werden, zu den „von der Rechtsprechung anerkannten weiteren Fällen kapitalersetzender Darlehen“ gehören sollen, ist aber nicht ersichtlich.

d) Die gesetzestypische Kommanditgesellschaft als Beispielfall Daß der sachliche Anwendungsbereich der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO nicht auf Gesellschaften bestimmter Rechtsform beschränkt ist – namentlich nicht auf Gesellschaften, für die die Regeln des deutschen Gesellschaftsrechts über die Aufbringung und Erhaltung eines bestimmten Grund- oder Stammkapitals gelten –, ist auch in der Literatur weithin anerkannt. Testfall ist der in anderem Zusammenhang schon erwähnte Fall der „gesetzestypischen“ Kommanditgesellschaft, also der Kommanditgesellschaft, bei der (mindestens) eine natürliche Person unbeschränkt persönlich haftender Gesellschafter ist140. Gerät eine solche Gesellschaft in eine Lage, in der sie zu marktüblichen Bedingungen von einem sich wirtschaftlich vernünftig verhaltenden, gesellschaftsrechtlich nicht beteiligten Dritten keinen Kredit mehr erhalten kann, ist sie „kreditunwürdig“. Gewährt ihr der Kommanditist in dieser Situation, statt des an sich erforderlichen zusätzlichen Eigenkapitals, ein Darlehen, so ist dieses Darlehen kapitalersetzend, und in einem anschließenden Insolvenzverfahren der Kommanditgesellschaft sind die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO anzuwenden141. Insoweit ist die Lage für den Kommanditisten keine andere als für den Gesellschafter einer GmbH. _________ 138 Nämlich auf der Grundlage der damals herrschenden „Sitztheorie“, vgl. oben Fn. 51, 62. 139 Auch unter der Herrschaft der „Sitztheorie“ konnte es allerdings zum Inlandskonkurs einer Auslandsgesellschaft kommen, wenn diese im Inland eine unselbständige Zweigniederlassung unterhielt und über deren Vermögen ein Partikularinsolvenzverfahren eröffnet wurde (oben Fn. 101). Aber praktisch spielte das wohl nur eine geringe Rolle, weil „echte“ Auslandsgesellschaften, die sich im Inland in größerem Umfang betätigen wollen, hierzu lieber selbständige inländische Tochtergesellschaften als unselbständige inländische Zweigniederlassungen einsetzen. 140 Vgl. oben II 1, S. 145 bei Fn. 42. 141 Vgl. die Nachweise oben Fn. 42. Ich selbst habe dem selbst früher nur für den Fall des „unternehmerisch“ beteiligten Kommanditisten zustimmen wollen, nicht aber für den Fall des typischen, nur vermögensmäßig beteiligten Kom-

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Im Vergleich zu früher hat sich insoweit, seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung, die gesetzliche Ausgangslage geändert. Vor Inkrafttreten der GmbH-Novelle, als die kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen ausschließlich durch eine analoge Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG erfaßt werden konnten142, war schon die Erstreckung dieser Regeln auf die GmbH und Co. KG ein schwieriger Schritt143; eine Ausdehnung auf die gesetzestypische Kommanditgesellschaft144 konnte als unvereinbar damit erscheinen, daß die Kommanditisten Regeln über die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals, die mit den §§ 30, 31 GmbHG vergleichbar sind, nicht unterliegen145. Nach Inkrafttreten der GmbHNovelle von 1980 stand einer Ausdehnung der Regeln der §§ 32a GmbHG, 32a KO auf die gesetzestypische Kommanditgesellschaft immer noch ein formales argumentum e contrario aus § 172a HGB entgegen: das Gesetz hatte eben die Geltung der Kapitalersatzregeln nur für diejenigen Kommanditgesellschaften angeordnet, bei denen keine natürliche Person Komplementär ist146. Seit Inkrafttreten der rechtsformunabhängigen Regeln der Insolvenzordnung ist auch dieses formale Bedenken entfallen. Daß für die Anwendung der Regeln auf Kommanditistendarlehen in der „gesetzestypischen“ Kommanditgesellschaft auch ein praktisches Bedürfnis bestehen kann, ist nicht zu bezweifeln. Zu Recht hat Karsten Schmidt147 in diesem Zusammenhang auf den „Rektorfall“ des BGH _________

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manditisten (ZGR 1988, 1, 40; in Anlehnung an die Rechtsprechung zum kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen in der AG, vgl. BGHZ 90, 381 ff.). Bei heutiger Gesetzeslage sollte man GmbH und KG gleichbehandeln und zugunsten von Kleinkommanditisten § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG analog anwenden – so unbefriedigend die schematische Zehnprozentgrenze sich im Einzelfall auch auswirken mag. Zur früher viel vertretenen Gegenmeinung vgl. Staub/Schilling, HGB, 4. Aufl. 1987, § 172a Rz. 5; Rümker, ZGR 1988, 494, 509 ff.; Habersack, ZHR 162 (1998), 201, 213 f. Weitere Nachweise bei Fleischer (Fn. 42) S. 189 f. Fn. 669, 672. Im Anschluß an BGHZ 31, 258 ff. Vgl. BGHZ 67, 171 ff. In diesem Sinn Joost ZGR 1987, 370 ff.; vgl. auch Karsten Schmidt, Einlage und Haftung des Kommanditisten, 1977, S. 80. Vgl. dazu auch Ulrich Huber ZGR 1988, 1, 12 f. Gegen diesen Umkehrschluß aber Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht (Fn. 15) § 18 III 4. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht (Fn. 15) § 18 III 4 S. 532; zustimmend Ulrich Huber ZGR 1988, 1, 40.

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hingewiesen148. Der Rektor hatte im Jahr 1957 gemeinsam mit einer vermögenslosen ungelernten Textilarbeiterin, die als Komplementärin ihre Arbeitskraft einbrachte, ein Unternehmen zur Herstellung von Strickwaren gegründet und sich daran als Kommanditist mit einer Einlage von 10 000 DM beteiligt. In den folgenden drei Jahren stellte er 83 000 DM als Darlehen und ein Betriebsgrundstück zur Verfügung, das er zu diesem Zweck für 5 000 DM erworben hatte. Nach drei Jahren war das Unternehmen finanziell am Ende. Unterstellt man, es wäre damals zur Eröffnung des Konkursverfahrens gekommen und die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO hätten damals schon gegolten, so scheint es ausgeschlossen, daß der Rektor sich im gleichen Rang mit den übrigen Gläubigern, unter Hinweis auf die persönliche Haftung der Textilarbeiterin, hätte am Konkurs beteiligen können; und wäre es ihm gelungen, einen Teil des Darlehens vor Konkurseröffnung aus dem Unternehmen zurückzuholen, so scheint es ausgeschlossen, daß er sich mit Hinweis auf die persönliche Haftung der Textilarbeiterin der Anfechtung hätte entziehen können. Es ist nicht einzusehen, weshalb der Fall anders behandelt werden soll, als wenn der Rektor eine GmbH gegründet, die Textilarbeiterin als Geschäftsführerin eingesetzt und die GmbH in gleicher Weise finanziert hätte, und die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO enthalten keinerlei Hinweis, der eine solche unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnte. Und wenn man den Fall etwas weiter ausspinnt und sich vorstellt, im Rektorfall hätte es sich um eine österreichische oder schweizerische Kommanditgesellschaft mit einer Betriebsstätte in Deutschland gehandelt, über das Vermögen dieser deutschen Betriebsstätte würde in Deutschland ein Partikularinsolvenzverfahren durchgeführt (Art. 27 EuInsVO, § 354 InsO, früher § 238 KO) und in diesem Verfahren meldete der Rektor seine Darlehensansprüche zur Tabelle an, so wäre natürlich nicht anders zu entscheiden. Selbstverständlich ändert das nichts daran, daß für die Finanzverfassung der Kommanditgesellschaft die Regeln der §§ 161 ff. HGB gelten und nicht die Regeln des GmbH-Gesetzes. Es gibt kein gesetzliches Mindestkapital und kein Verbot der Einlagenrückgewähr. Die §§ 30 und 31 GmbHG sind bei der gesetzestypischen KG149 nicht anwendbar, auch nicht im Weg der Analogie, und infolgedessen finden, wie in anderem Zusammenhang schon erwähnt, auch die „Rechtsprechungsregeln“ auf _________ 148 BGHZ 45, 204 ff. 149 Anders als im Fall der GmbH und Co. KG, vgl. BGHZ 60, 324, 328 ff.; 67, 171, 174; Lutter/Hommelhoff (Fn. 2) § 30 Rz. 46 ff.

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die kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen in der gesetzestypischen Kommanditgesellschaft keine Anwendung150. Die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO haben mit alledem nichts zu tun.

e) Schlußfolgerung Die Kritik an der Anwendung der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO auf Auslandsgesellschaften erweist sich damit als haltlos. Insbesondere ist es verfehlt, hier von einer gesellschaftsrechtlichen „Vorfrage“ zu sprechen151, die nach dem Personalstatut der Gesellschaft, der lex societatis, zu beantworten sei. Eine solche Vorfrage ist überhaupt nicht zu erkennen. Wenn ein Gesellschafter einer zahlungsunfähigen oder überschuldeten oder aus sonstigen Gründen kreditunwürdigen Gesellschaft ein Darlehen gewährt und über das Vermögen dieser Gesellschaft später in Deutschland das Insolvenzverfahren eröffnet wird , so sind in diesem Verfahren die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO anzuwenden, ohne daß irgendeine gesellschaftsrechtliche Vorfrage zu stellen und zu beantworten wäre – welche denn auch? Es mag richtig sein, daß die in Art. 4 EuInsVO angeordnete Anwendung des deutschen Insolvenzrechts bei echten Auslandsgesellschaften für die Gesellschafter zu Überraschungen führen kann152. Allerdings: Wenn eine niederländische GmbH von niederländischen Gesellschaftern zunächst in den Niederlanden betrieben und dort mit Gesellschafterdarlehen finanziert wird, und wenn sie anschließend ihre Tätigkeit nach Deutschland verlegt und hier insolvent wird, so kann es die Gesellschafter nicht überraschen, daß sie bei der Anmeldung ihrer Darlehensforderung dem deutschen Insolvenzrecht unterliegen. Wenn das Darlehen vor Verfahrenseröffnung zurückgezahlt worden ist, mag vielleicht die auf § 135 InsO gestützte Anfechtung für solche Gesellschafter überraschend sein, denen eine derartige Anfechtung von Haus aus unbekannt ist. Sie können sich in diesem Fall auf die Einrede des Art. 13 EuInsVO berufen, indem sie darlegen und im Streitfall beweisen, daß das Darlehen ausländischem Recht unterliegt (im Beispielfall etwa dem niederländischen Recht) und daß nach diesem Recht die Rückzahlung des Darlehens weder anfechtbar noch aus sonstigen Rechtsgründen an_________ 150 Vgl. oben Fn. 43, 44. 151 So aber Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414; Zimmer NJW 2003, 3585, 3589; Eidenmüller (Fn. 31) § 9 Rz. 41 ff. 152 So Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 417.

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greifbar ist153. Damit ist für einen ausreichenden Vertrauensschutz gesorgt. Unerheblich ist schließlich, welche Gläubigerschutzregeln das ausländische Recht, nach dem die Gesellschaft gegründet ist, seinerseits bereithält154. Soweit es sich um Regeln des ausländischen Insolvenzrechts handelt, müssen sie schon deshalb außer Betracht bleiben, weil bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Inland gemäß Art. 4 EuInsVO inländisches Insolvenzrecht anwendbar ist und nicht das Insolvenzrecht des ausländischen Gründungsstaats155. Soweit es sich um gesellschaftsrechtliche Bestimmungen handelt, mögen sie neben den Vorschriften der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO zur Anwendung kommen. Verdrängen können sie sie nicht. Auch das folgt ohne weiteres aus Art. 4 EuInsVO, der die Regeln des inländischen Insolvenzrechts in der Inlandsinsolvenz ohne jede Einschränkung für anwendbar erklärt156. Von selbst versteht sich, daß all dies nur für die insolvenzrechtlich konzipierten „Novellenregeln“ gilt, nicht für die auf §§ 30, 31 GmbHG aufbauenden „Rechtsprechungsregeln“157. Die Rechtsprechungsregeln gelten auch außerhalb des Insolvenzverfahrens und setzen ein solches nicht voraus. Sie werden von Art. 4 EuInsVO, der davon ausgeht, daß ein Insolvenzverfahren eröffnet oder zumindest beantragt ist, nicht erfaßt, insbesondere auch nicht von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. g, i und m. Sie _________ 153 Dazu unten IV 1, S. 191 ff. 154 Anders Eidenmüller ZIP 2002, 2233, 2242 und JZ 2004, 24, 28; Forsthoff DB 2002, 2471, 2477; Wulf-Henning Roth IPrax 2003, 117, 125, die das deutsche Recht nur dann anwenden wolle, wenn das jeweilige ausländische Gründungsrecht keine „angemessenen“ („adäquaten“, „hinreichenden“) Schutzbestimmungen zur Verfügung stellt. 155 Insoweit übereinstimmend Eidenmüller JZ 2004, 24, 28. 156 Eidenmüller, Forsthoff und Wulf-Henning Roth aaO. (Fn. 154) nehmen zur Vereinbarkeit der von ihnen vorgeschlagenen differenzierenden Lösungen mit Art. 4 EuInsVO keine Stellung. 157 Anderer Ansicht, soviel ersichtlich, nur Haas in v. Gerkan/Hommelhoff (Fn. 32) Rz. 15.8 ff., der auch die Rechtsprechungsregeln dem Insolvenzstatut unterstellen will. Zur Begründung führt er aus, zwischen den Rechtsprechungsregeln und den Novellenregeln bestünden „letztlich“ auch „hinsichtlich der Rechtsfolgen keine Unterschiede“; infolgedessen mache „nur eine einheitliche Qualifikation des Eigenkapitalersatzrechts Sinn“ (NZI 2002, 457, 466). Nun ist aber evident, daß die Rechtsfolgen der §§ 30, 31, 43 GmbHG und der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO voneinander verschieden sind; darüber kann man kaum geteilter Meinung sein. Vgl. dazu auch oben Fn. 38.

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sind daher, wie bereits dargelegt, nur auf Gesellschaften mit deutschem Personalstatut anwendbar158.

f) Ein rechtsvergleichender Hinweis Das Ergebnis, daß für die insolvenzrechtliche Behandlung von Gesellschafterdarlehen im inländischen Insolvenzverfahren das deutsche Insolvenzrecht und nicht das davon möglicherweise unterschiedene Personalstatut der Gesellschaft maßgeblich ist, spricht für sich selbst und bedarf keiner rechtsvergleichenden Unterstützung. Immerhin mag es nicht ohne Interesse sein, daß das deutsche Recht mit der insolvenzrechtlichen Rückstufung von Gesellschafterdarlehen innerhalb und außerhalb Europas nicht allein steht. So enthält beispielsweise auch der US-amerikanische Bankruptcy Code in sec. 510 (c) eine dem § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO entsprechende Rangrückstufung von kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen („equitable subordination“)159. Diese Regel gilt für alle Gesellschaften, die in den USA in Konkurs fallen, ohne Rücksicht darauf, was das einzelstaatliche Gesellschaftsrecht in bezug auf Kapitalaufbringung, Kapitalerhaltung und Gläubigerschutz im allgemeinen _________ 158 Im Ergebnis wie hier: Michael Fischer ZIP 2004, 1477, 1480. 159 Vgl. dazu Scheel, Konzerninsolvenzrecht, 1995, S. 129 ff.; Herrmann (Fn. 42) S. 171 ff.; Gehde (Fn. 42) S. 202 ff., insbesondere S. 236 ff.; Vervessos, Das Eigenkapitalersatzrecht, 2001, S. 67 ff.; Fleischer in seinem Beitrag in diesem Band (oben C., S. 73 f. unter II 2 c. Auch die Rechtsordnungen im europäischen Ausland kennen vergleichbare Rückstufungen von Gesellschafterforderungen in der Insolvenz der Gesellschaft, so die englische (sec. 215 Insolvency Act zum Fall des „wrongful trading“, dazu Vervessos op. cit. S. 77 f.; zu dieser Rechtsfigur des englischen Insolvenzrechts im allgemeinen Habersack/Verse ZHR 168 [2004], 174 ff.; Rehm in Eidenmüller [Fn. 31] § 10 Rz. 67 ff.); die französische (auf Grundlage der action en comblement du passif gemäß art. L 624-3 code com., dazu Vervessos op. cit. S. 81 f., allgemein zu dieser Rechtsfigur Habersack/Verse ZHR 168 [2004], 174, 202 ff.); die italienische (art. 2467 codice civile in der seit 1.1.2004 geltenden Fassung, dazu Haas GmbHR 2004, 557 ff.); die spanische (Art. 92 der am 1.9.2004 in Kraft getretenen Insolvenzverordnung); die griechische (dazu Vervessos op. cit. S. 87 ff.); die portugiesische (Vervessos op. cit. S. 89); und die österreichische (§ 57a öst. KO in der seit 1.1.2004 geltenden Fassung; Österreich hat außerdem im gleichzeitig in Kraft getretenen Gesetz über Eigenkapital ersetzende Gesellschafterleistungen eine „gesellschaftsrechtliche“ Lösung nach dem Vorbild der deutschen Rechtsprechungsregeln kodifiziert, verfährt also, wie das deutsche Recht, zweispurig; vgl. dazu Blöse GmbHR 2004, 412 ff.).

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und kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen im besonderen anordnen mag. Wenn eine deutsche GmbH oder eine englische Limited in den Vereinigten Staaten in Konkurs fällt, so besteht überhaupt kein Zweifel, daß auf Gesellschafterdarlehen die Regelung der sec. 510 (c) Anwendung findet. Es ist kaum zu verstehen, weshalb dann, wenn eine USamerikanische oder englische Limited in Deutschland in Konkurs fällt, für § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nicht das gleiche gelten soll.

6. Kritische Würdigung (2): Der europarechtliche Einwand „Nach der Inspire Art Entscheidung“, so heißt es bei Zimmer, erscheine es als „ausgeschlossen“, daß der EuGH eine „Messung von dem Recht anderer Mitgliedstaaten unterliegenden Gesellschaften an den Kapitalersatzregeln des Zuzugsstaats zulassen würde“160. Borges begründet das ausführlicher. Beim Kapitalersatzrecht gehe es „um einen Aspekt der Finanzverfassung der Gesellschaft“161. Eine „europarechtliche Rechtfertigung“162 könne man nicht annehmen: weder handele es sich um einen „Fall des Mißbrauchs“, noch sei „das Kapitalersatzrecht zum Gläubigerschutz erforderlich“, da dieser auch „anders gewährleistet werden könne, namentlich durch Geschäftsleiterhaftung und Durchgriffshaftung der Gesellschafter“163. Was ist, nach den bisherigen Überlegungen, von diesen Behauptungen zu halten? Festzuhalten ist zunächst, daß es hier nicht um die analoge Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG und der daraus abgeleiteten Rechtsprechungsregeln auf Auslandsgesellschaften geht. Es geht nur um die Frage, ob dann, wenn in Deutschland gemäß Art. 3 EuInsVO das Insolvenzverfahren über eine Auslandsgesellschaft eröffnet wird und daher gemäß Art. 4 EuInsVO deutsches Insolvenzrecht anwendbar ist, in der Anwendung speziell der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO ein Verstoß gegen das Prinzip der Niederlassungsfreiheit liegt. _________ 160 161 162 163

Zimmer NJW 2003, 3585, 3589. Borges ZIP 2004, 733, 743. Dazu oben II 2 a mit Fn. 53. Borges ZIP 2004, 733, 743. Ebenso Paefgen ZIP 2004, 2253, 2261. Auch Eidenmüller, Forsthoff und Wulf-Henning Roth aaO. (Fn. 154) gehen jedenfalls von der grundsätzlichen Unvereinbarkeit der Anwendung „des“ Kapitalersatzrechts auf Auslandsgesellschaften mit der Niederlassungsfreiheit aus und halten nur ausnahmsweise beim Bestehen konkreter Schutzlücken einen Rechtfertigungsgrund (dazu oben Fn. 51) für gegeben; anders jetzt Forsthoff/Schulz in Hirte/Bücker (Fn. 35, 97).

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Die Urteile in den Fällen Centros, Überseering und Inspire Art enthalten hierzu keine Aussage164. Sie beschäftigen sich überhaupt nicht mit insolvenzrechtlichen Fragen. Den Urteilen läßt sich nur entnehmen, daß der Zuzugsstaat den Zuzug nicht zum Anlaß nehmen darf, die zuziehende Auslandsgesellschaft dem inländischen Gesellschaftsrecht zu unterwerfen, sofern nicht ausnahmsweise aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses eine solche Einschränkung der Niederlassungsfreiheit gefertigt ist. Mit keinem Wort ist davon die Rede, daß es mit der Niederlassungsfreiheit unvereinbar sein soll, daß der Zuzug zur Eröffnungszuständigkeit der inländischen Insolvenzgerichte und im Fall der Eröffnung des inländischen Insolvenzverfahrens zur Anwendbarkeit des inländischen Insolvenzrechts führt. Es ist klar, daß ein derartiges Verständnis der Niederlassungsfreiheit, das Grundprinzipien der EuInsVO in Frage stellen würde, zu dem Ergebnis führen müßte, daß die EuInsVO insgesamt wegen Verstoßes gegen höherrangiges Europarecht nichtig wäre165. Es ist auch nicht zu erkennen, inwiefern die Grundsätze der Art. 3 und 4 EuInsVO die Niederlassungsfreiheit beeinträchtigen könnten. Es ist nicht anders als im Fall einer natürlichen Person, die sich in den Mit_________ 164 Vgl. auch Ulmer NJW 2004, 1201, 1207. 165 Natürlich wäre ein solches Ergebnis ein harter Rückschlag für die europäische Rechtsintegration. Ulmer NJW 2004, 1201, 1207 Fn. 57 vertritt deshalb mit gutem Grund die Ansicht, schon aufgrund der integrationsfördernden Zielsetzung der EuInsVO sei davon auszugehen, „daß die in Art. 4 EuInsVO enthaltene Verweisung auf die lex fori concursus sich kollisionsfrei in das System der Grundfreiheiten des EG-Vertrags einfügen läßt“. Vgl. auch dens. KTS 2004, 291, 295 f. – Die von Bitter WM 2004, 2190, 2191 f. hiergegen erhobene Kritik wird dem Problem und der Position Ulmers nicht gerecht. Es geht um die Frage, ob die Zuständigkeitsnormen des Art. 3 EuInsVO und die damit verbundenen Kollisionsnormen des Art. 4 EuInsVO gegen höherrangiges Europarecht, nämlich das Prinzip der Niederlassungsfreiheit verstoßen. Verneint man dies, so kann die in Art. 4 Abs. 1 und 2 EuInsVO angeordnete Anwendung des deutschen Insolvenzrechts auf Auslandsgesellschaften nicht europarechtswidrig sein (dies nennt Ulmer bildhaft und ganz zu Recht den „sicheren Hafen“). Daß das deutsche Sachrecht keine diskriminierenden Bestimmungen zum Nachteil von Ausländern und Auslandsgesellschaften aus dem europäischen Ausland enthalten darf, versteht sich von selbst; um solche diskriminierenden Bestimmungen (die es tatsächlich nicht gibt) geht es hier nicht. Das von Bitter aaO gebildete fiktive Beispiel (gesetzliche Anordnung der persönlichen Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer von Scheinauslandsgesellschaften – aber nicht von Inlandsgesellschaften – für die Kosten des Insolvenzverfahrens) liegt deshalb neben der Sache.

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gliedstaaten der Europäischen Union niederlassen kann wo sie will. Wechselt sie ihren Wohnsitz, so begründet sie am neuen Wohnsitz einen neuen allgemeinen Gerichtsstand (Art. 2 Abs. 1 EuGVVO), und wird sie hier verklagt, unterliegt sie dem betreffenden Verfahrens- und, im Fall der Verurteilung, Vollstreckungsrecht. Ein Seitenstück hierzu bildet die inländische Zuständigkeit zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die mit der Verfahrenseröffnung verbundene Geltung des inländischen Insolvenzrechts. Die Freiheit, von einem Land in ein anderes zu übersiedeln, wird hierdurch überhaupt nicht tangiert. Für Gesellschaften gilt insoweit nichts anderes als für natürliche Personen. Auch wenn man speziell die Auswirkungen der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO ins Auge faßt, findet man nichts, was als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit aufgefaßt werden könnte. Sie unterwerfen die Gesellschaft, die sich im Inland niederläßt, keinerlei Handlungsbeschränkungen, und sie verbinden mit der Verlagerung des Sitzes nach Deutschland keinerlei persönliche Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Sie sind erst anwendbar, wenn in Deutschland ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet worden ist – sei es als Hauptverfahren gemäß Art. 3 Abs. 1, sei es als Partikularverfahren gemäß Art. 3 Abs. 2-4 EuInsVO –, wenn die Gesellschaft also ohnedies aus dem Geschäftsverkehr ausgeschieden ist, und der Grund für die Anwendbarkeit ist nicht die Aufnahme der Tätigkeit der inländischen Niederlassung, sondern die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch ein inländisches Gericht. Im Ernst wird niemand behaupten wollen, die Niederlassungsfreiheit werde schon dadurch beeinträchtigt, daß nach dem Wechsel des Sitzes die Gesellschaft potentiell einem Insolvenzrecht unterliegt, das schärfere Anfechtungsbestimmungen enthält als das Insolvenzrecht, das zur Anwendung gekommen wäre, wenn die Gesellschaft an ihrem ursprünglichen Sitz in Konkurs gegangen wäre – schärfere Anfechtungsbestimmungen wohlgemerkt, die sich nicht zu Lasten der Gesellschaft auswirken, sondern zu Lasten von Dritten, die von ihr vor Verfahrenseröffnung etwas erworben haben, zum Nachteil der Gesamtheit der Gläubiger der Gesellschaft. Würde man dies anders beurteilen, so wäre die Folge die, daß im deutschen Insolvenzverfahren die Mitglieder von Gesellschaften ausländischer Rechtsform, im Vergleich zu den Mitgliedern von Gesellschaften deutscher Rechtsform, im Hinblick auf die der Gesellschaft gewährten Darlehen privilegiert werden müßten; dieser Besserstellung entspräche eine Schlechterstellung der übrigen Insolvenzgläubiger der Gesellschaft. Es erscheint als ausgeschlossen, aus der Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft ein derartiges Ulrich Huber

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Recht ihrer Gesellschafter auf insolvenzrechtliche Privilegierung abzuleiten. Da die Niederlassungsfreiheit im vorliegenden Zusammenhang überhaupt nicht tangiert ist, ist es überflüssig zu prüfen, ob die Regeln der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO sich durch „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“166 rechtfertigen lassen167. Die Frage läßt sich übrigens nicht so leichthin verneinen, wie es manchmal geschieht168. Es geht in den §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO nicht einfach nur um „Gläubigerschutz“, sondern es geht um die gerechte Verteilung des Gesellschaftsvermögens zwischen verschiedenen Gläubigergruppen. Der deutsche Gesetzgeber hält es für unangemessen, daß ein Gesellschafter, der der Gesellschaft in einer Krisenlage mit einem Darlehen die weitere Tätigkeit ermöglicht, die Rückzahlung des Darlehens verlangt, bevor die Krise überwunden ist, und zieht hieraus die entsprechenden Konsequenzen, wenn die Krise tatsächlich zur Insolvenz der Gesellschaft geführt hat. Das ist zugleich für die Gesellschafter eine sehr viel schonendere Lösung als die unbeschränkte persönliche Gesellschafter- oder Geschäftsleiterhaftung, die als europarechtlich unbedenkliche Alternative angepriesen wird169. Eine Rechtfertigung durch das Allgemeininteresse wäre also wohl möglich. Nur kommt es darauf gar nicht erst an, weil die Niederlassungsfreiheit durch die Art. 3, 4 EuInsVO und die §§ 39 und 135 InsO a priori nicht beeinträchtigt wird.

7. Vorlagepflicht gemäß Art. 234 EG-Vertrag? Zu prüfen ist schließlich, inwieweit die Frage der Anwendbarkeit der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO auf Auslandsgesellschaften im inländischen Insolvenzverfahren von den damit befaßten nationalen Gerichten abschließend zu entscheiden ist und inwieweit die nationalen Gerichte verpflichtet sind, die Frage vor dem EuGH zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EGV vorzulegen. Hierbei ist zwischen drei verschiedenen Rechtsquellenkreisen zu unterscheiden, in denen sich Auslegungsfragen stellen können: erstens der EG-Vertrag selbst, konkret: Reichweite und Bedeutung der in Art. 43, 48 verbürgten Niederlassungsfreiheit; _________ 166 167 168 169

Dazu oben II 2 a, S. 147 f. mit Fn. 53. So auch Ulmer NJW 2004, 1201, 1207. Vgl. Borges ZIP 2004, 733, 743. Borges ZIP 2004, 733, 743.

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zweitens die Europäische Insolvenzverordnung; und drittens das deutsche Insolvenz- und Gesellschaftsrecht. Kein Zweifel besteht daran, daß Auslegungsfragen der EuInsVO gemäß Art. 234 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 EGV vorlagepflichtig sind, da Art. 234 auch das europäische Sekundärrecht erfaßt. Aber die vorstehenden Darlegungen haben gezeigt, daß insoweit Auslegungsfragen, die man dem EuGH zur Entscheidung vorlegen könnte, überhaupt nicht auftreten. Konkret geht es um die Anwendung von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. g, i und m EuInsVO und hier um die Termini „Insolvenzforderung“, „Rang der Forderung“ und „Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen wegen Benachteiligung der Gesamtheit der Gläubiger“. Insoweit sind aber bei der intensiven Diskussion innerhalb der deutschen Literatur keinerlei Auslegungszweifel erkennbar geworden. Die unterschiedlichen Standpunkte beruhen nicht darauf, daß es unterschiedliche Meinungen darüber gäbe, was mit den Ausdrücken „Insolvenzforderung“, „Rang“ oder „Anfechtung“ gemeint ist. Die Meinungsverschiedenheiten betreffen vielmehr Fragen des deutschen Rechts. Diskutiert wird darüber, ob die „Novellenregeln“ des deutschen Rechts, nach den dem deutschen Recht zugrundeliegenden Systemvorstellungen, „Insolvenzrecht“ oder „Gesellschaftsrecht“ darstellen, und diskutiert wird darüber, ob der in § 39 Abs. 1 Nr. 5 und § 135 InsO gebrauchte Terminus „kapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen“ von einer „Vorfrage“ abhängt, die nach den Regeln des deutschen internationalen Privatrechts nicht nach dem Insolvenzstatut, sondern nach dem Personalstatut der Gesellschaft zu beurteilen ist. Für beide Fragen ist der EuGH, da sie ausschließlich die Auslegung und den Inhalt des nationalen Rechts betreffen, unzuständig; diesbezügliche Vorlagefragen wären unzulässig170. Wie dargestellt, ist von diesen beiden auf das deutsche Recht bezogenen Fragen die erste nicht entscheidungserheblich (weil die Qualifikationsfrage im Bereich des Katalogs des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 EuInsVO irrelevant ist) und die zweite zu verneinen (weil die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO keinen Verweis auf gesellschaftsrechtliche Vorfragen enthalten). Wenn das so ist, ergibt die Anwendbarkeit der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 _________ 170 Vgl. Gaitanides in v. d. Goeben/Schwarze, Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl. 2004, Art. 234 EGV Rz. 27 ff.; Geiger, EG-Vertrag, 2. Aufl. 1995, Art. 177 Rz. 5.

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InsO sich durch einen schlichten Subsumtionsschluß unter Art. 4 EuInsVO, dessen Bedeutung insoweit außer Zweifel steht. Die Subsumtion als solche ist aber Sache der nationalen Gerichte; insoweit ist eine Vorlagefrage weder geboten noch zulässig171. Wer behauptet, das Ergebnis sei, auch wenn es aus dem deutschen Recht in Verbindung mit Art. 4 EuInsVO fehlerfrei abgeleitet sei, mit den Art. 43, 48 EGV unvereinbar, muß mit logischer Notwendigkeit behaupten, Art. 4 EuInsVO sei, indem er ein derartiges Resultat ermögliche, jedenfalls partiell mit höherrangigem europäischem Recht unvereinbar. Für das nationale Gericht gibt es jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder, es hält den Einwand der, zumindest partiellen, Unvereinbarkeit von Art. 4 EuInsVO mit Art. 43, 48 EGV für stichhaltig. Dann stellt sich die Frage der Gültigkeit der EuInsVO. Solche Gültigkeitsfragen sind in jedem Fall vorlagepflichtig gemäß Art. 234 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 EGV; dem EuGH steht insoweit das „Verwerfungsmonopol“ zu172. Oder aber das Gericht hält Art. 4 EuInsVO für vereinbar mit dem europäischen Primärrecht. Dann hat es die Vorschrift anzuwenden und braucht die Frage der Vereinbarkeit mit dem EG-Vertrag nicht durch Vorabentscheidung klären zu lassen173. Anders gesagt: Das Gericht darf von der Rechtmäßigkeit europäischer Rechtsetzungsakte ausgehen, solange es nicht von ihrer Unrechtmäßigkeit überzeugt ist. Da nun die Vereinbarkeit von Art. 4 EuInsVO mit dem EG-Vertrag vernünftigerweise nicht zu bezweifeln ist, ist das Ergebnis einfach: Die nationalen Gerichte können, gestützt auf Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. g, i und m EuInsVO, die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO anwenden, ohne die Frage der Anwendbarkeit dem EuGH vorzulegen. Dagegen steht außer Zweifel, daß die Anwendung der „Rechtsprechungsregeln“ des deutschen Rechts auf Auslandsgesellschaften ohne vorherige Anrufung des EuGH nicht möglich ist. Denn die Rechtsprechungsregeln setzen voraus, daß die Bestimmungen des GmbH-Gesetzes über die Kapitalerhaltung auf Auslandsgesellschaften anwendbar sind. Die Frage, ob dies mit Art. 43, 48 EGV in der Auslegung durch den EuGH vereinbar ist, wird in der Literatur durchaus kontrovers beurteilt; _________ 171 Gaitanides in v. d. Goeben/Schwarze, Geiger aaO (Fn. 170). 172 Geiger (Fn. 170) Art. 177 Rz. 17. 173 Vgl. Geiger (Fn. 172) Art. 177 Rz. 17: „… Gültigkeitszweifel, denen das Gericht nicht folgen will, zwingen nicht zur Vorlage“.

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die Mehrheit verneint es174. Auch Ulmer, der die Gegenmeinung am eingehendsten begründet hat, räumt ein, daß es hier um eine Frage geht, die „bei extensivem Verständnis der Art. 43, 48 EG auch anders beantwortet werden kann“ und daher „letztlich vom EuGH zu entscheiden ist“175. Im Ergebnis bedeutet das gegenwärtig: Die „Novellenregeln“ können auf Auslandsgesellschaften in der Inlandsinsolvenz ohne vorherige Anrufung des EuGH angewendet werden; die Anwendung der „Rechtsprechungsregeln“ würde eine solche Anrufung voraussetzen. Da in der Vielzahl der Fälle beides praktisch zum gleichen Ergebnis führt176, sollte die Praxis sich in diesem Bereich darauf beschränken, die Novellenregeln anzuwenden. Nur in Fällen, die von den Novellenregeln nicht erfaßt sind, wohl aber von den Rechtsprechungsregeln (so z. B. wenn die Anfechtungsfrist des § 135 InsO abgelaufen ist, aber noch nicht die Verjährungsfrist des § 31 Abs. 5 GmbHG), wäre eine Vorlage zum EuGH geboten. Und nur in diesem Fall wäre sie zulässig. Denn solange schon die Novellenregeln zum Ziel führen, ist die Frage, ob daneben die Rechtsprechungsregeln angewendet werden dürfen oder ob dies europäischem Recht widerspricht, nicht entscheidungserheblich, sondern von rein akademischem Interesse. Solche akademischen Streitfragen zu entscheiden, solange sie nicht entscheidungserheblich sind, ist aber nicht Sache des EuGH; hierauf gerichtete Vorlagefragen sind unzulässig.

IV. Einzelfragen 1. Die Einrede aus Art. 13 EuInsVO Die Insolvenzanfechtung nach der lex fori concursus unterliegt dem Vorbehalt des Art. 13 EuInsVO. Hiernach findet Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. m keine Anwendung – das heißt die Anfechtung richtet sich nicht nach dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung –, wenn der Anfechtungsgegner sich darauf beruft, daß für die angefochtene Rechtshandlung das Recht eines anderen Mitgliedstaats maßgeblich ist und daß nach dem maßgeblichen Recht „die Rechtshandlung in keiner Wei_________ 174 Vgl. oben Fn. 66; andere differenzieren je nach dem Schutzniveau des ausländischen Gründungsrechts, vgl. Fn. 35. 175 NJW 2004, 1201, 1209. 176 Vgl. oben I 4 nach Fn. 26.

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se angreifbar“ ist177. „In keiner Weise angreifbar“ ist sie, wenn sie nach diesem Recht weder der Insolvenzanfechtung unterliegt noch aus sonstigen Gründen rechtlich unwirksam oder anfechtbar ist178. Maßgebliches Recht in diesem Sinn ist, wie der Bundesgerichtshof schon vor Inkrafttreten der EuInsVO, aber bereits im Hinblick auf die dort in Art. 13 getroffene Regelung entschieden hat, bei der Anfechtung von Zahlungen, die solvendi causa erfolgt sind, das Schuldstatut, also das Recht, dem die Forderung unterliegt, die bezahlt werden soll179. Hat z. B. der Verkäufer seinen Sitz in Deutschland und der Käufer seinen Sitz in Schweden, haben die Parteien vereinbart, daß für ihre Rechtsbeziehungen deutsches Recht maßgeblich sein soll, fällt nach Bezahlung des Kaufpreises der Käufer in Schweden in Konkurs und erklärt der schwedische Konkursverwalter die Anfechtung nach schwedischem Insolvenzrecht, so dringt er hiermit nur durch, wenn die Anfechtung nicht nur nach schwedischem Insolvenzrecht (der lex fori concursus), sondern auch nach deutschem Insolvenzrecht (dem für die angefochtene Zahlung „maßgeblichen Recht“) anfechtbar ist (oder wenn aus irgendeinem anderen Grund nach deutschem Recht ein Anspruch des Käufers auf Rückzahlung gegeben ist)180. Bestellt der Käufer dem Verkäufer für die Forderung eine Sicherheit (z. B. ein Akkreditiv oder ein Pfandrecht), kann für die Anfechtung der Sicherheit nichts anderes gel_________ 177 Ist das Recht eines Staats, der nicht Mitgliedstaat ist, „maßgebliches Recht“ im gleich näher zu erläuternden Sinn, so gilt kraft autonomen deutschen internationalen Insolvenzrechts genau die gleiche Regel, vgl. § 339 InsO i. d. F. des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts vom 14.3.2003 BGBl. I, 345. 178 Vgl. dazu Balz ZIP 1996, 948, 951; Virgos/Schmit (Fn. 86) Tz. 137; DuursmaKepplinger/Duursma/Chalupsky (Fn. 86) Art. 13 Rz. 18; MünchKomm InsO/ Reinhart (Fn. 86) Art. 13 EuInsVO Rz. 1; Uhlenbruck/Lüer (Fn. 86) Art. 13 EuInsVO Rz. 1; Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt (Fn. 88) S. 420. 179 BGHZ 134, 116, 123. Im gleichen Sinn: Duursma-Kepplinger/Duursma/ Chalupsky (Fn. 86) Art. 13 Rz. 15 f.; Moss/Fletcher/Isaacs (Fn. 86) Rz. 6.32, 6.124 ff., 8.127; ebenso wohl auch Virgos/Schmit (Fn. 86) S. 81 Tz. 137; vgl. auch Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt (Fn. 88) S. 420 ff. Die Entscheidung des BGH ist noch unter der Geltung der früheren Konkursordnung zum autonomen deutschen internationalen Konkursrecht ergangen, das (fast) reines Richterrecht war. Der BGH hat seinerzeit entschieden, das damals noch nicht in Kraft getretene europäische internationale Insolvenzrecht (hier also: Art. 4 und 13 EuInsVO) gewissermaßen im Vorgriff als Richterrecht anzuwenden (vgl. BGHZ 134, 116, 122 u. 125 f.). 180 BGHZ 134, 116, 122 u. 125 f.

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ten, denn die Sicherheitenbestellung ist ja nichts anderes als eine antizipierte und bedingte Befriedigung der Forderung. Auch hier ist also „maßgebliches Recht“ das Schuldstatut (oder „Geschäftstatut“) der gesicherten Forderung. Unerheblich ist das Recht, nach dem sich der Erfüllungsakt – die bare oder unbare Zahlung, die Akkreditivbestellung, die Verpfändung – als solcher richtet181. Wird also z. B. eine Barzahlung angefochten, so ist das Recht des Zahlungsorts gleichgültig. Denn entscheidend ist die Frage, ob der Gläubiger das, was er zur Erfüllung der Forderung erhalten hat, behalten darf. Dieses Recht, das zur Erfüllung Geleistete behalten zu dürfen, ergibt sich aus dem Schuldverhältnis, das erfüllt werden soll, und daher muß das Recht, das für dieses Schuldverhältnis maßgeblich ist, auch darüber entscheiden, ob der Gläubiger auch im Fall der Insolvenz des Schuldners berechtigt sein soll, das Geleistete zu behalten182. Für den Fall des § 135 InsO bedeutet das: Ist in Deutschland das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet, so ist die Anfechtung der Rückzahlung oder der Sicherung des Darlehens gemäß § 135 InsO in Verbindung mit Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. m EuInsVO ohne weiteres möglich, solange der Gesellschafter nicht die Einrede aus Art. 13 EuInsVO erhebt. Die Einrede setzt voraus, daß der zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter geschlossene Darlehensvertrag nicht deutschem Recht, sondern dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegt. Die Frage, welchem Recht der Darlehensvertrag unterliegt, richtet sich nach Art. 27, 28 EGBGB. Wenn Darlehensgeber und Darlehensnehmer ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder, soweit sie den Darlehensvertrag im Rahmen einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit abschließen, ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben, ist mangels beson_________ 181 In der Literatur zum früheren deutschen internationalen Insolvenzrecht wurde das vielfach anders beurteilt: Für die Anfechtung von dinglichen Verfügungen sei die lex rei sitae das maßgebliche Recht. Vgl. etwa Jahr in Jaeger, Konkursordnung, 8. Aufl. 1972, §§ 237/238 Rz. 249 f.; Henckel in Festschrift Nagel, 1987, S. 93, 106; ders. in Stoll (Fn. 86) S. 156, 158 f.; v. Bar, Internationales Privatrecht II, 1991, Rz. 551; Kübler/Prütting/Kemper (Fn. 135) Art. 102 EGInsO Rz. 108 f. Dazu ausführlicher Ulrich Huber, Das für die anfechtbare Rechtshandlung maßgebende Recht, in Festschrift Heldrich, 2005, S. 695 ff. m. weit. Nachw. Die hier im Anschluß an BGHZ 134, 116, 123 vertretene Ansicht geht zurück auf Fragistas RabelsZ 12 (1938/39), 452 ff. 182 Dazu eingehend Ulrich Huber aaO. (Fn. 181).

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derer Rechtswahl (Art. 27 EGBGB) gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 2 EGBGB das Recht des Staats, in dem der Darlehensgeber seinen Aufenthalt oder seine Niederlassung hat, als das Recht der „charakteristischen Leistung“ für den Darlehensvertrag maßgebend183. Haben beide Teile ihren Aufenthalt oder ihre Niederlassung im selben Staat, ist selbstverständlich das Recht dieses Staates für den Darlehensvertrag maßgeblich. Bei der Auslandsgesellschaft, die im Inland ihre Hauptniederlassung hat und deren Gesellschafter sich im Inland aufhalten, ist daher Art. 13 EuInsVO gegenstandslos, wenn die Gesellschaft im Inland in Konkurs fällt und der Insolvenzverwalter die Rückzahlung oder Sicherung von Darlehen gegenüber den inländischen Gesellschaftern anficht184. Fraglich ist, ob die Beteiligten sich in einem derartigen Fall durch Rechtswahl die Vergünstigung des Art. 13 EuInsVO verschaffen können, indem sie den Vertrag dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterstellen, und zwar eines solchen, dessen Insolvenzrecht im Fall der Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen vor Verfahrenseröffnung keine besonderen Anfechtungsmöglichkeiten kennt. Hier ist zunächst einmal

_________ 183 Vgl. Palandt/Heldrich (Fn. 54) Art. 28 EGBGB Rz. 12 mit Nachw. 184 Vgl. Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt (Fn. 88) S. 422. Abweichend Forsthoff/Schulz in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 15 Rz. 3, die der Ansicht sind, eine Anfechtung gemäß § 135 sei gemäß Art. 13 EuInsVO nur möglich, wenn die angefochtene Rückzahlung des kapitalersetzenden Darlehens „nach dem Gründungsrecht der Gesellschaft ebenfalls angreifbar sei“. Sie unternehmen allerdings nicht einmal den Versuch einer Begründung. Tatsächlich ist das Personalstatut einer Gesellschaft für die kollisionsrechtliche Bestimmung des auf die schuldrechtlichen Beziehungen der Gesellschaft anwendbaren Rechts schlechterdings ungeeignet, genauso wie die Staatsangehörigkeit einer natürlichen Person kein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Frage ist, welches Recht auf die schuldrechtlichen Beziehungen dieser Person anzuwenden ist. Das gilt auch für schuldrechtliche Beziehungen der Gesellschaft zu ihren eigenen Gesellschaftern. Das Gegenteil könnte man allenfalls mit Hilfe des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB zu begründen suchen. Es wäre aber eine wirklich abwegige Annahme, ein schuldrechtlicher Vertrag zwischen einer „Scheinauslandsgesellschaft“ mit Tätigkeitsschwerpunkt im Inland und ihren inländischen Gesellschaftern weise die „engsten Verbindungen“ zum ausländischen Staat des Satzungssitzes auf – das heißt engere Verbindungen als zum Inland, in dem beide Parteien ihre Niederlassung haben und in dem das Darlehen tatsächlich gewährt worden ist. Vgl. dazu auch Fn. 187.

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die Schranke des Art. 27 Abs. 3 EGBGB zu beachten185. Hiernach können die Parteien, wenn der „sonstige Sacheverhalt nur mit einem Staat verbunden ist“, von den zwingenden Rechtsvorschriften dieses Staats nicht dadurch abweichen, daß sie das Recht eines anderen Staates als maßgebliches Schuldstatut wählen. Haben beide Parteien eines Darlehens ihren Aufenthalt bzw. ihre Niederlassung im Inland und soll das Darlehen im Inland ausbezahlt und zurückgezahlt (oder gesichert) werden, so weist der „sonstige Sachverhalt“ – abgesehen von der Rechtswahl der Parteien – nur Inlandsberührung auf. Daß die Gesellschaft selbst ausländischem Recht unterliegt, stellt für die von ihr abgeschlossenen schuldrechtlichen Verträge keine hinreichend Auslandsverbindung im Sinn des Art. 27 Abs. 3 EGBGB her. Die zwingende Vorschrift des § 135 InsO bleibt also für das Gesellschafterdarlehen „maßgebliches Recht“ im Sinn des Art. 13 EuInsVO, weil davon durch freie Rechtswahl nicht abgewichen werden kann – auch nicht dadurch, daß die Parteien durch Rechtswahl dem Darlehensvertrag das Rechts des Gründungsstaats unterstellen. Beurteilt man das anders, kommt eine zweite Schranke in Betracht, die der BGH in einem obiter dictum zu seiner grundlegenden Entscheidung aufgestellt hat, und zwar gerade auch im Hinblick auf Fälle mit unzweifelhafter Auslandsberührung. Wenn die angefochtene Rechtshandlung einen „überwiegenden Bezug“ zum Staat der Verfahrenseröffnung aufweise und wenn daher „übergeordnete Gründe“ für die Maßgeblichkeit des Insolvenzstatuts sprächen, dann könne der Anfechtungsgegner die Anfechtung nach dem Insolvenzrecht dieses Staates nicht dadurch verhindern, daß er die angefochtene Rechtshandlung vertraglich dem Recht eines anderen Staates unterstelle186. In einem solchen Fall bleibe also, _________ 185 Nicht dagegen die Schranke des Art. 34 EGBGB. Denn die Anfechtungsbestimmungen des deutschen Insolvenzrechts sind gerade keine Bestimmungen, „die ohne Rücksicht auf das auf den Vertag anzuwendende Recht den Sachverhalt zwingend regeln“, wie sich aus Art. 13 EuInsVO und – im autonomen deutschen Kollisionsrecht – aus § 339 InsO (dazu oben Fn. 177) ergibt. 186 So BGHZ 134, 116, 126 („übergeordnete Gründe“) unter Bezugnahme auf die zum früheren deutschen internationalen Konkursrecht ergangene Entscheidung BGHZ 118, 151, 169 (ausschlaggebend sei im vorliegenden Fall „der ganz überwiegende Inlandsbezug“ der im inländischen Konkursverfahren angefochtenen Rechtshandlung); vgl. auch BGHZ 78, 318, 325 (Verlagerung der anfechtbaren Handlung ins Ausland in fraudulöser Absicht). Zu den beiden zuletzt genannten Entscheidungen vgl. Ulrich Huber in Festschrift Heldrich (Fn. 181) S. 704 ff., 707, 710 f. Im Fall BGHZ 134, 116 spielte dieser Gesichts-

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trotz abweichender Rechtswahl, das Insolvenzstatut das für die angefochtene Rechtshandlung maßgebliche Recht. Mindestens an dieser zweiten Schranke muß der Versuch scheitern, bei reinen Inlandssachverhalten das Gesellschafterdarlehen dadurch der Insolvenzanfechtung zu entziehen, daß man es durch Vereinbarung ausländischem Recht unterstellt, auch wenn es sich dabei um das Recht des Gründungsstaats handelt187. Wie auch immer man solche Umgehungsfälle entscheiden will: Welches Recht im Sinn des Art. 13 EuInsVO für die angefochtene Rechtshandlung „maßgeblich“ ist, wird durch die Verordnung selbst nicht entschieden. Die Verordnung verweist insoweit auf das internationale Privatrecht der Mitgliedstaaten. Das Gericht, bei dem ein Anfechtungsprozeß anhängig ist, muß also nach seinem eigenen internationalen Privatrecht autonom entscheiden, welches Recht es für maßgeblich hält und welche Schranken der freien Rechtswahl dabei zu beachten sind. Soweit es hiernach auf den BGH ankommt, wird kaum eine Möglichkeit bestehen, der Anfechtung im deutschen Insolvenzverfahren dadurch zu entgehen, daß „inländische“ Gesellschafterdarlehen ausländischem Recht unterstellt werden. Eine Vorlage zum EuGH gemäß Art. 234 EG-Vertrag kommt hier nicht in Betracht, weil es nicht um ein Auslegungsproblem des Art. 13 EuInsVO geht, sondern um die Auslegung des autonomen deutschen Kollisionsrechts, auf das Art. 13 EuInsVO verweist. _________ punkt für das Ergebnis keine Rolle, denn die Parteien hatten Anwendbarkeit des Rechts des Verkäuferstaats vereinbart, also desjenigen Rechts, das gemäß Art. 28 EGBGB auch ohne dahingehende Rechtswahl anwendbar gewesen wäre. 187 Vgl. dazu auch BGH WM 1999, 226, 227 = IPrax 2000, 531, 532 m. Bspr. Kubis IPrax 2000, 501 ff. (zur Gläubigeranfechtung außerhalb des Konkurses nach altem Recht, also vor Inkrafttreten des jetzigen § 19 AnfG). Der Schuldner war, wie der Gläubiger, Deutscher, für die Forderung galt deutsches Recht, Anfechtungsgegnerin war eine vom Schuldner beherrschte Gesellschaft mit Satzungssitz in Honolulu, für die der Schuldner an seinem in Deutschland belegenen Grundstück eine Grundschuld gestellt hatte; diese Grundschuld war Gegenstand der Anfechtung. Der BGH wandte deutsches Anfechtungsrecht mit der Begründung an, daß „darauf alle wesentlichen Verhältnisse persönlicher und sachlicher Art hinweisen“. Zu Recht hat er hier dem Umstand, daß eine der beiden am anfechtbaren Vorgang beteiligten Parteien ihren satzungsmäßigen Sitz im Ausland hatte, keinerlei Bedeutung beigelegt. Bei der Anfechtung inländischer Transaktionen, an denen eine Scheinauslandsgesellschaft beteiligt ist, kann nichts anderes gelten.

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Darlehen mit einem „überwiegenden Bezug“ zu einem ausländischen Recht sind kollisionsrechtlich anders zu beurteilen. Nehmen wir an, niederländische Gesellschafter, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden haben, gründen in den Niederlanden nach dortigem Recht eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die zunächst mit Schwerpunkt in den Niederlanden tätig ist. Den Kapitalbedarf der Gesellschaft decken sie im wesentlichen durch Gewährung von Gesellschafterdarlehen. Später verlegt die Gesellschaft ihren Tätigkeitsschwerpunkt und ihren Verwaltungssitz nach Deutschland, und hier fällt sie in Konkurs. Vorher sind einige der Darlehen zurückgezahlt worden, und der Insolvenzverwalter ficht dies gemäß § 135 Nr. 2 InsO an. Hier kann der betreffende Gesellschafter sich mit der Einrede verteidigen, daß Schuldstatut niederländisches Recht sei und daß nach niederländischem Recht die Rückzahlung in jeder Hinsicht unangreifbar wäre, wenn das Insolvenzverfahren nicht in Deutschland, sondern in den Niederlanden eröffnet worden wäre. Wird der Anfechtungsprozeß vor einem deutschen Gericht geführt, trifft den Gesellschafter für den behaupteten Inhalt des niederländischen Rechts gemäß Art. 13 EuInsVO die Darlegungs- und Beweislast188. Hier kann man gegen die Anwendung des niederländischen Rechts sicher nicht einwenden189, daß die angefochtene Rechtshandlung – die Rückzahlung des Darlehens – einen „überwiegenden Bezug“ zum Staat der Verfahrenseröffnung aufweise. Auch hier geht es aber um eine rein kollisionsrechtliche Frage, die ohne Vorlage zum EuGH autonom zu entscheiden ist. _________ 188 Vor einem niederländischen Gericht bedarf der Inhalt des niederländischen Rechts naturgemäß weder der Darlegung noch des Beweises. Auch bei der Kreditgewährung von ausländischen Mutter- an deutsche Tochtergesellschaften, über die später im Inland das Insolvenzverfahren eröffnet wird, kann Art. 13 EuInsVO eine Rolle spielen, wenn der Darlehensvertrag ausländischem Recht unterliegt und der Insolvenzverwalter die Rückzahlung gem. § 135 InsO anficht. Art. 13 EuInsVO geht von der Vorstellung aus, daß für Anfechtungsprozesse das Insolvenzgericht zuständig ist (wie es im Ausland häufig, aber eben nicht bei uns der Fall ist, vgl. BGHZ 134, 116 ff.), und daß der Anfechtungsgegner vor dem Insolvenzgericht sich gegenüber der auf das inländische Insolvenzrecht gestützten Anfechtung auf das ausländische Geschäftsstatut der anfechtbaren Rechtshandlung beruft; in einem solchen Fall soll er für den Inhalt des ausländischen Rechts darlegungs- und beweispflichtig sein. Der Inhalt des inländischen Rechts bedarf dagegen niemals des Beweises. 189 Unter Berufung auf BGHZ 134, 116, 126 und BGHZ 118, 151, 169; vgl. Fn. 186.

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2. Anfechtung im inländischen Sekundärinsolvenzverfahren Wird das Insolvenzverfahren über die Auslandsgesellschaft – und sei es zu Unrecht – in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eröffnet, so ist dies, wie sich aus Art. 16 Abs. 1 und 2 EuInsVO und aus Erwägungsgrund 22 zur EuInsVO (und für Deutschland zusätzlich aus Art. 102 §§ 3, 4 EGInsO) ergibt190, in allen Mitgliedstaaten als verbindlich hinzunehmen, ohne das Recht einer eigenen Nachprüfung, ob das ausländische Insolvenzgericht seine Zuständigkeit aus Art. 3 Abs. 1 EuInsVO zu Recht oder zu Unrecht bejaht hat191. Zu einer Eröffnung des Hauptverfahrens im Ausland kann es insbesondere dann kommen, wenn das Insolvenzgericht am ausländischen Satzungssitz der Gesellschaft (zu Unrecht) annimmt, der Satzungssitz sei zugleich der „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ der Gesellschaft, oder wenn die Gesellschaft von einer ausländischen Muttergesellschaft konzernabhängig ist und das Insolvenzgericht am Verwaltungssitz der Muttergesellschaft (m.E. zu Unrecht192) davon ausgeht, der Ort, an dem die einheitliche Leitung ausgeübt werde, sei zugleich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Tochtergesellschaft193. In beiden Fällen bleibt die Möglichkeit, im Inland gemäß Art. 3 Abs. 2, Art. 27 EuInsVO ein Sekundärinsolvenzverfahren zu eröffnen (vgl. auch Art. 16 Abs. 2 EuInsVO)194. Denn das Sekundärinsolvenzverfahren setzt nur voraus, _________ 190 Art. 16 Abs. 1 bestimmt, daß das in einem Mitgliedstaat eröffnete Verfahren in allen anderen Mitgliedstaaten anerkannt wird. Art. 16 Abs. 2 bestimmt, daß nach Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens in einem Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat nur noch ein Nebeninsolvenzverfahren durchgeführt werden kann. Die Eröffnung eines zweiten Hauptinsolvenzverfahrens ist also ausgeschlossen. Erwägungsgrund 22 erläutert die dadurch gegebene Rechtslage dahin, daß, wenn „sich die Gerichte zweiter Mitgliedstaaten für zuständig halten, ein Hauptinsolvenzverfahren zu eröffnen“, die „Entscheidung des zuerst eröffnenden Gerichts … in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden“ muß. 191 Vgl. dazu die Nachweise oben Fn. 91. 192 Vgl. Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt (Fn. 88) S. 407. 193 Vgl. dazu oben Fn. 90. Wäre dies richtig, so hätte es zur Konsequenz, daß der Geschäftsführer einer deutschen Konzerntochter-GmbH seiner Insolvenzantragspflicht aus § 64 GmbHG im Ausland nachzukommen hätte; Antragstellung beim Insolvenzgericht der ausländischen Muttergesellschaft wäre erforderlich und ausreichend. Insoweit zutreffend Vallender/Fuchs ZIP 2004, 829 ff. 194 Vgl. oben Fn. 90; dazu Ulrich Huber, Festschrift Gerhardt (Fn. 88) S. 412 ff. Näheres zum Sekundärinsolvenzverfahren bei Wimmer ZIP 1998, 982 ff.

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daß im Inland eine „Niederlassung“ im Sinn von Art. 2 Buchst. h EuInsVO besteht195, und diese Voraussetzung ist in den hier behandelten Fällen der Auslandsgesellschaft stets gegeben196. Antragsberechtigt sind nach Art. 29 EuInsVO der Verwalter des Hauptverfahrens und außerdem alle nach inländischem Recht Antragsberechtigten, also jeder Gesellschaftsgläubiger und die Gesellschaft selbst, außerdem jedes Mitglied der Geschäftsführung der Gesellschaft persönlich (§§ 13–15 InsO)197. Eröffnungsgrund ist allein die Tatsache der Eröffnung des ausländischen Hauptverfahrens, ohne daß nachzuprüfen wäre, ob auch nach inländischem Recht (§§ 16 ff. InsO) ein Eröffnungsgrund gegeben ist (Art. 27 Satz 1 EuInsVO). Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen muß das zuständige inländische Insolvenzgericht am Verwaltungssitz der Gesellschaft das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnen (und „kann“ das nicht nur tun, wie Art. 27 Satz 1 EuInsVO mißverständlich sagt)198. Das Sekundärinsolvenzverfahren erfaßt nur das im Inland belegene Vermögen der Gesellschaft (Art. 27 Satz 3 EuInsVO). Nähere Bestimmungen hierzu trifft Art. 2 Buchst. g EuInsVO. Das Verfahren ist nach inländischem Insolvenzrecht durchzuführen (Art. 28 EuInsVO). Für die nähere Abgrenzung dessen, was in diesem Sinn als „Insolvenzrecht“ anzusehen ist, gelten die speziellen Bestimmungen des Art. 4 Abs. 2 EuInsVO. Jeder Gläubiger ist gemäß § 32 Abs. 1 EuInsVO berechtigt, seine Forderung bis zu ihrer vollständigen Befriedigung in voller Höhe sowohl im Haupt- als auch im Sekundärverfahren anzumelden (es besteht also die gleiche Lage wie nach deutschem Recht gemäß § 43 InsO, wenn zwei Gesamtschuldner insolvent sind). Der Verwalter des Sekundärinsolvenzverfahrens ist, wie Art. 18 Abs. 2 Satz 2 EuInsVO klarstellt, berechtigt, „eine den Interessen der Gläubi_________ 195 „Niederlassung“ wird hier definiert als „jeder Tätigkeitsort, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt“. 196 Vgl. auch Paulus ZIP 2003, 1725, 1728; AG Köln NZI 2004, 151. 197 Das ausländische Insolvenzrecht kann den Geschäftsführern der Gesellschaft die Antragsbefugnis nicht entziehen, indem es sie auf den Insolvenzverwalter des Hauptverfahrens überträgt, denn § 15 InsO verleiht den Geschäftsführern ein eigenes Antragsrecht, und dieses Antragsrecht wird ihnen durch Art. 29 EuInsVO europaweit garantiert. Unrichtig insoweit die Überlegungen des AG Köln NZI 2004, 151, 153. 198 Vgl. auch Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt (Fn. 88) S. 413.

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ger dienende Anfechtungsklage zu erheben“199. Ihre Grundlage hat die Anfechtungsklage in dem für das Sekundärinsolvenzverfahren gemäß Art. 28 EuInsVO maßgeblichen inländischen Insolvenzrecht. Bei Durchführung eines Sekundärverfahrens in Deutschland kann der in diesem Verfahren bestellte Verwalter die Anfechtung also auch auf § 135 InsO stützen. Allerdings ist hierbei zu beachten, daß das Sekundärverfahren sich gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 und Art. 27 Satz 3 EuInsVO auf das im Inland belegene Vermögen des Schuldners beschränkt. Diesem Vermögen sind auch die Anfechtungsansprüche zuzurechnen. Inwieweit sie im Inland belegen sind, richtet sich nach Art. 2 Buchst. g EuInsVO. Soweit anfechtbar weggegebenes Geld zurückzuzahlen ist, handelt es sich bei dem Anfechtungsanspruch um eine gewöhnliche Masseforderung, die in dem Mitgliedstaat belegen ist, „in dessen Gebiet der zur Leistung verpflichtete Dritte den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat“ (Art. 2 Buchst. g 3. Spiegelstrich). Der inländische Verwalter kann also Anfechtungsansprüche nur gegen Gesellschafter geltend machen, die im Inland ihren Wohnsitz (oder, soweit gewerbliche Unternehmen Gesellschafter sind, ihre Niederlassung) haben200. Insofern reichen seine Befugnisse weniger weit, als wenn im Inland das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wäre. Denn dann könnten die auf das inländische Anfechtungsrecht gestützten Ansprüche ohne weiteres auch gegen im Ausland wohnende bzw. niedergelassene Gesellschafter geltend gemacht werden. Umgekehrt schließt das inländische Nebeninsolvenzverfahren Anfechtungsklagen des ausländischen Hauptinsolvenzverwalters gegen inländische Anfechtungsgegner aus201. Im Inland wird eben ein Sonderinsolvenzverfahren durchgeführt; alles, was davon erfaßt wird, ist der Zuständigkeit des ausländischen Insolvenzverwalters entzogen. Das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters im inländischen Nebeninsolvenzverfahren gegenüber inländischen Anfechtungsgegnern ist unabhängig davon, ob die anfechtbare Leistung mit Hilfe von „inländischem“ oder „ausländischem“ Vermögen des Schuldners bewirkt worden ist. Die Gegenmeinung202 beruht auf einem Mißverständnis der _________ 199 Dazu auch Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt (Fn. 88) S. 423 f. 200 Bei juristischen Personen ist auch im vorliegenden Zusammenhang gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 EuInsVO zu vermuten, daß der satzungsmäßige Sitz zugleich der für die Belegenheit der Forderung maßgebliche Sitz der Hauptniederlassung ist, aber diese Vermutung ist widerleglich. 201 Abweichend Smid (Fn. 86) S. 166: konkurrierende Zuständigkeiten. 202 Smid (Fn. 86) S. 166.

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Funktion des Nebeninsolvenzverfahrens. Diese Funktion besteht darin, im Inland ein Sonderverfahren über das hier und jetzt im Inland befindliche Vermögen durchzuführen, und nicht darin, zugunsten inländischer Gläubiger ein Sondervermögen zu bilden. Die Interessen der Gläubiger sind dadurch gewahrt, daß alle Gläubiger, inländische wie ausländische, ihre Forderungen in beiden Verfahren in voller Höhe anmelden können (Art. 32 Abs. 1 EuInsVO). Eine Besonderheit gilt, wenn der Anfechtungsanspruch auf Rückgabe einer vom Insolvenzschuldner weggegebenen bestimmten Sache gerichtet ist (z. B. auf Rückübereignung eines Grundstücks oder eines Maschinenparks oder Warenlagers oder auf Verzicht auf ein vom späteren Insolvenzschuldner bestelltes Grundpfandrecht). In einem solchen Fall ist der Lageort maßgeblich (Art. 2 Buchst g EuInsVO, 1. Spiegelstrich)203. Im vorliegenden Zusammenhang kann das praktische Bedeutung erlangen, wenn die Gesellschaft für das kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen dingliche Sicherheiten bestellt hat. Der Insolvenzverwalter im inländischen Nebeninsolvenzverfahren kann derartige Sicherheiten immer dann mit einer auf § 135 Nr. 1 InsO gestützten Anfechtung angreifen, wenn die Sache, die als Sicherheit dient, sich im Inland befindet.

3. Gleichgestellte Forderungen; Sicherheitenbestellung Die Bestimmungen der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO gelten nicht nur für Forderungen auf Rückgewähr kapitalersetzender Darlehen, sondern auch für „gleichgestellte Forderungen“. Mit dieser Formulierung sind diejenigen Forderungen gemeint, die die Rechtsprechung204, und im Anschluß daran die GmbH-Novelle von 1980 (§ 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG), den Darlehensforderungen gleichgestellt hat. Es geht, anders gesagt, um Forderungen aus Rechtsgeschäften, die wirtschaftlich gesehen der Gewährung eines kapitalersetzenden Darlehens durch den Gesellschafter entsprechen. Auch insoweit sind die Regeln und Prinzipien der Rechtsprechung zur GmbH und zur GmbH und Co.KG auf sonstige insolvente Gesellschaften zu übertragen. Eines unmittelbaren Rück_________ 203 Genau genommen, ist bei Grundstücken der Ort maßgeblich, an dem das Register geführt wird (Buchst. g 2. Spiegelstrich), der indessen mit dem Lageort stets zusammenfällt. Eine selbständige Bedeutung hat der Ort der Registrierung bei Schiffen und Luftfahrzeugen. 204 Vgl. BGHZ 67, 171, 180 ff.

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griffs auf § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG bedarf es nicht, da § 39 Abs. 1 Nr. 5 und § 135 InsO die Gleichstellung selbst anordnen. Auf die weitverzweigte Kasuistik der „gleichgestellten Forderungen“ (oder, wie § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG gleichbedeutend sagt, der „der Darlehensgewährung wirtschaftlich entsprechenden Handlungen“) ist hier nicht einzugehen. Die beiden für die Praxis wichtigsten Fälle sind die kapitalersetzende Sicherung von Darlehen, die Dritte der Gesellschaft gewähren, und die Darlehensgewährung durch Dritte, die Treuhänder („Strohmänner“) als Gesellschafter eingeschaltet haben. Der Gesellschafter, der einer Gesellschaft, die aus eigener Kraft für Dritte nicht kreditwürdig ist, einen Kredit verschafft, indem er sich selbst verbürgt oder eine Grundschuld bestellt, kann, wenn er vom Kreditgeber aus der Sicherheit in Anspruch genommen wird, seinen Anspruch auf Freistellung oder Aufwendungsersatz in der Insolvenz der Gesellschaft, als „gleichgestellte Forderung“ im Sinn des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, nur mit Nachrang (also praktisch in aller Regel: überhaupt nicht) geltend machen. Er muß, wenn er bereits vor Verfahrenseröffnung Freistellung oder Aufwendungsersatz erhalten hat und dies im letzten Jahr vor Antragstellung oder zwischen Antragstellung und Verfahrenseröffnung geschehen ist, den von der Gesellschaft hierfür aufgewendeten Betrag der Insolvenzmasse gemäß §§ 135, 143 InsO erstatten. Und Hintermänner, die Strohmänner eingeschaltet haben, sind genau so zu behandeln als wären sie selbst Gesellschafter. Hat die Gesellschaft für ein Gesellschafterdarlehen oder eine „gleichgestellte Forderung“ eine Sicherheit gewährt (etwa durch Sicherungsübereignung, Verpfändung, Hypotheken- oder Grundschuldbestellung), so ist die Sicherheitenbestellung ebenfalls anfechtbar mit der Folge, daß die Sicherheit gemäß § 143 Abs. 1 InsO an die Insolvenzmasse zurückgegeben werden muß, es sei denn, die Sicherheitenbestellung (also das dingliche Rechtsgeschäft) liegt länger zurück als zehn Jahre vor Stellung des Eröffnungsantrags (§ 135 Nr. 1 InsO). Für die Anfechtbarkeit ist entscheidend, daß die gesicherte Darlehens- oder gleichgestellte Forderung jetzt, bei Verfahrenseröffnung, als „kapitalersetzend“ zu qualifizieren ist (insbesondere infolge „Stehenlassens“ eines Kredits nach Eintritt der Krise der Gesellschaft); die Verhältnisse zur Zeit der Bestellung der Sicherheit sind unerheblich. Unterliegt der Darlehensvertrag ausländischem Recht, kann der Gesellschafter sich auch gegenüber der Anfechtung der Sicherheitenbestellung auf Art. 13 EuInsVO berufen; wie bereits dargelegt, gilt das allerdings nicht, wenn die Darlehensge202

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währung ein reiner Inlandssachverhalt ist und nur, um das inländische Insolvenzanfechtungsrecht auszuschalten, durch vertragliche Rechtswahl dem ausländischen Recht unterstellt worden ist205. Die weite Formulierung der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO ermöglicht es, alle Finanzierungsbeiträge zu erfassen, die ein Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise gewährt oder beläßt, auch wenn sie nicht förmlich als „Darlehen“ deklariert sind. Gewährt beispielsweise der Gesellschafter der in der Krise befindlichen Auslandsgesellschaft einen „Nachschuß“ oder eine „Einlage“, zieht er diesen Nachschuß oder diese Einlage wieder ab und wird danach innerhalb eines Jahres das Insolvenzverfahren beantragt, so kann der Insolvenzverwalter die Rückzahlung gemäß § 135 InsO anfechten, genauso, wie wenn ein „Darlehen“ gewährt und zurückgezahlt worden wäre. Das gilt unabhängig davon, ob die Rückzahlung des Nachschusses oder der Einlage nach dem ausländischem Personalstatut der Gesellschaft erlaubt oder verboten ist. Auf diese Weise schafft § 135 InsO einen gewissen Ausgleich dafür, daß die Regeln des deutschen GmbH-Rechts über die Kapitalerhaltung (§§ 30, 31 GmbHG), wie oben ausgeführt, auf die Auslandsgesellschaft mit beschränkter Haftung nicht angewendet werden können. Allerdings hilft § 135 InsO nicht mehr, soweit es dem Gesellschafter gelungen ist, mehr Geld aus der in der Krise befindlichen Gesellschaft herauszuholen, als er jemals in sie eingelegt hat. Hier bleibt nur noch der Rückgriff entweder auf Schutzbestimmungen des ausländischen Personalstatuts der Gesellschaft, falls es solche gibt, oder auf Anfechtungstatbestände außerhalb von § 135 InsO, insbesondere auf § 131 InsO (inkongruente Deckung), § 132 InsO (unmittelbar nachteilige Rechtshandlung) oder § 133 InsO (vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung). Allerdings erfassen §§ 131, 132 InsO nur Vorgänge, die nicht länger zurückliegen als drei Monate vor dem Insolvenzantrag; nur die Anfechtung gemäß § 133 InsO reicht praktisch unbegrenzt in die Vergangenheit zurück.

4. Die analoge Anwendbarkeit des § 32a Abs. 3 Satz 2 und 3 GmbHG Gemäß § 32a Abs. 3 Satz 2 und 3 GmbHG gelten die „Regeln über den Eigenkapitalersatz“ nicht für nicht geschäftsführende Gesellschafter _________ 205 Vgl. dazu oben IV 1, S. 191 ff.

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mit Beteiligungen bis zu zehn Prozent und nicht für Gesellschafter, die den Gesellschaftsanteil erst „in der Krise zur Überwindung der Krise“ erworben haben. Das bedeutet, daß die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO auf die Darlehen und sonstigen Finanzierungshilfen dieser Gesellschafter nicht anwendbar sind. Insofern die Bestimmungen des § 32a Abs. 3 Satz 2 und 3 GmbHG den Anwendungsbereich insolvenzrechtlicher Vorschriften (nämlich der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO) beschränken, haben sie selbst insolvenzrechtlichen Charakter206. Daher sind sie im Insolvenzverfahren von Auslandsgesellschaften (zwar nicht direkt, aber analog) anzuwenden.

5. Die analoge Anwendbarkeit des § 32a Abs. 2 und des § 32b GmbHG Entsprechendes gilt für die in §§ 32a Abs. 2 und 32b GmbHG geregelten Folgeprobleme der kapitalersetzenden Sicherheitengewährung durch einen Gesellschafter. § 32a Abs. 2 GmbHG regelt die Frage, in welcher Höhe die Darlehensforderung eines Drittgläubigers in der Insolvenz der Gesellschaft berücksichtigt werden darf, der das Darlehen einer an sich kreditunwürdigen Gesellschaft gewährt oder bei ihr stehen gelassen hat, und zwar mit Rücksicht darauf, daß ein Gesellschafter sich hierfür verbürgt hat oder hierfür eine dingliche Sicherheit gestellt hat. Der Grundsatz ist, daß der Gläubiger in einem solchen Fall mit Vorrang Befriedigung aus der vom Gesellschafter gewährten Sicherheit suchen soll (der seinerseits, wie schon erwähnt207, gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO mit dem Rückgriffsanspruch gegen die Insolvenzmasse praktisch ausgeschlossen, nämlich in den Nachrang hinter alle anderen Insolvenzgläubiger verwiesen ist208). Es handelt sich um eine rein insolvenzrecht_________ 206 Dazu Hachenburg/Ulmer, Fastrich, Stodolkowitz aaO. (Fn. 17, 20, 21). Bei einem logisch perfekten Aufbau des Gesetzes müßte § 32a GmbHG als eine erläuternde Norm zu § 39 Abs. 1 Nr. 5 in die InsO übernommen werden, etwa als ein neuer § 39a InsO; hierbei müßte Abs. 1 als Definitionsnorm formuliert und dabei die Bezugnahme auf eine bestimmte Gesellschaftsform getilgt werden. 207 Oben IV 3, S. 202. 208 Streitig ist, ob der Kreditgeber die Forderung nur in Höhe des Ausfalls anmelden darf, den er bei Verwertung der vom Gesellschafter gestellten Sicherheit erleidet, oder ob er die Forderung in voller Höhe anmelden darf und sich nur dann, wenn der Erlös aus der Verwertung der Sicherheit und die auf die volle Forderung entfallende Konkursquote zusammen den Betrag der Forderung übersteigen, den Überschuß von der Quote abziehen lassen muß. Im ersten

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liche Frage209, die das Verhältnis der Gesellschaft zu einem gesellschaftsfremden Dritten in der Insolvenz betrifft. An der internationalinsolvenzrechtlichen Anwendbarkeit im deutschen Insolvenzverfahren ist also nicht zu zweifeln210. Da § 32a GmbHG unmittelbar nur im Fall einer nach deutschem Recht errichteten GmbH anwendbar ist, kommt im Fall einer ausländischen Gesellschaft im deutschen Insolvenzverfahren nur eine analoge Anwendung in Betracht, die indessen zweifellos gerechtfertigt und geboten ist. Hat der durch einen Gesellschafter gesicherte Gläubiger – der gemäß § 32a Abs. 2 GmbHG im Insolvenzverfahren der Gesellschaft nur subsidiär berücksichtigt werden soll, soweit er bei der Verwertung der Sicherheit ausfällt211 – schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Gesellschaftsvermögen Befriedigung erlangt, so steht der Insolvenzmasse gegen den Gesellschafter, der die Sicherheit gewährt hatte, _________ Fall trifft die Masse nur eine Ausfallhaftung (ähnlich wie im Fall der abgesonderten Befriedigung gemäß § 52 InsO), im zweiten Fall trifft sie eine volle, aber nachrangige Haftung. Für die erste Ansicht (so etwa Fleischer in v. Gerkan/Hommelhoff [Fn. 32] Rz. 6.32; Lutter/Hommelhoff [Fn. 2] §§ 32a/b Rz. 124 f. m. weit. Nachw.) scheint der Wortlaut des § 32a Abs. 2 GmbHG zu sprechen, für die zweite Ansicht (Scholz/Karsten Schmidt [Fn. 2] §§ 32a, 32b Rz. 156a; Altmeppen in Roth/Altmeppen [Fn. 2] § 32a Rz. 125) sprechen die besseren sachlichen Argumente. Es kann nicht sein, daß die Quote, die ein Gläubiger in der Insolvenz der Gesellschaft zu beanspruchen hat, sich dadurch verringert, daß der Gläubiger sich zugleich oder nachträglich von einem Gesellschafter eine Sicherheit gewähren läßt, und daß diese Verringerung der Quote des Gläubigers aus Gründen eintreten soll, die ausschließlich das Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und ihrem Gesellschafter betreffen und für den Gläubiger res inter alios acta sind. In § 32a Abs. 2 GmbHG kann deshalb nur das Rangverhältnis der beiden Haftungen gemeint sein, eine Frage, für die letztlich in der Tat das Innenverhältnis entscheidend sein muß. 209 Vgl. oben Fn. 206 sowie Karsten Schmidt ZIP 1999, 1821, 1822; Kübler/ Prütting/Paulus (Fn. 135) § 139 Rz. 2a. 210 Anders, aber unklar, Forsthoff/Schulz in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 15 Rz. 47 (es sei „zu erwägen, ob der Verweis auf das Rechts der Verfahrenseröffnung in Art. 4 Abs. 2 lit. g EuInsVO … den Mitgliedsstaaten einen von der Prüfung am Maßstab der Niederlassungsfreiheit freigestellten Spielraum einräumt“). Art. 4 ist eine Kollisionsnorm und als solche unmittelbar geltendes Recht in den Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten sind nicht Normadressaten; ihnen kann durch die Bestimmung daher auch kein „Spielraum“ eingeräumt werden. 211 Dazu oben Fn. 208.

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der anfechtungsähnliche Erstattungsanspruch gemäß § 32b GmbHG zu. Auch hierbei handelt es sich um einen rein insolvenzrechtlichen Anspruch, der die in den §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO getroffenen Regeln ergänzen und gegen Umgehungen sichern soll212. Deshalb bestehen, international-insolvenzrechtlich gesehen, keine Bedenken dagegen, die Bestimmung auch in der deutschen Insolvenz einer Auslandsgesellschaft anzuwenden, wobei es sich allerdings aus den schon mehrfach genannten Gründen nur um eine analoge Anwendung handeln kann213.

6. Auslandsgesellschaften mit beschränkter Haftung als einzige Komplementärin einer inländischen Kommanditgesellschaft Ist die Auslandsgesellschaft mit beschränkter Haftung einzige Komplementärin einer Kommanditgesellschaft, die ihren „Sitz“ (im Sinn des § 106 Abs. 1 HGB)214 und damit zugleich den „Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen“ (im Sinn des Art. 3 Abs. 1, 2 EuInsVO) im Inland hat, so unterliegt die Kommanditgesellschaft als solche ohne weiteres dem deutschen Recht (so ist sie z. B. in dem für ihren Sitz zuständigen Handelsregister einzutragen, widrigenfalls die Kommanditisten gemäß § 176 HGB unbeschränkt persönlich haften). Wird über eine solche „inländische“ Kommanditgesellschaft, deren einziger Komplementär eine „ausländische“ GmbH ist, in Deutschland das Insolvenzverfahren eröffnet, so sind auf kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen nicht nur die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 136 InsO, sondern auch die _________ 212 So auch Altmeppen in Roth/Altmeppen (Fn. 2) § 32a Rz. 4 m. weit. Nachw.; Karsten Schmidt ZIP 1999, 1821, 1822; Fleischer in v. Gerkan/Hommelhoff (Fn. 32) Nr. 6.52; Kübler/Prütting/Paulus (Fn. 135) § 135 InsO Rz. 2a; ferner die in Fn. 206 Genannten. Bei logisch perfektem Gesetzesaufbau müßte § 32b GmbHG, unter Tilgung der speziellen Bezugnahme auf die GmbH, in die Anfechtungsvorschriften der InsO übernommen werden, etwa als neuer § 135 Abs. 2 oder als § 135a InsO. 213 Anderer Ansicht Forsthoff/Schulz in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 15 Rz. 47: die Anwendung des § 32b GmbHG sei unzulässig, weil sie „zu einer Ausweitung der Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30, 31 GmbHG führt“. Ich kann das nicht nachvollziehen und nur wiederholen, daß es sich bei § 32b um eine rein insolvenzrechtliche Regel handelt (oben Fn. 206, 212), die mit den Regeln über die Kapitalerhaltung nichts zu tun hat. 214 Als „Sitz“ im Sinn des § 106 HGB wird seit jeher der Ort angesehen, „wo die Verwaltung geführt wird“, bei Verwaltungstätigkeiten an mehreren Orten der „Ort der Hauptverwaltung“; vgl. Alfred Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 4. Aufl. 1971, § 8 I 5.

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§§ 32a, 32b GmbHG ohne weiteres anwendbar. Das ergibt sich aus der Verweisung auf §§ 32a, 32b GmbHG in § 172a HGB215. § 172a HGB hat zur Voraussetzung lediglich, daß in der Kommanditgesellschaft „kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist“, und die Auslandsgesellschaft mit beschränkter Haftung ist – „natürlich“ – keine natürliche Person. Das genügt; die Rechtsform der Komplementärgesellschaft ist für die Anwendung des § 172a HGB unerheblich. Dagegen sind – mangels Beteiligung einer „GmbH“ im Sinn des deutschen GmbH-Gesetzes216 – die „Rechtsprechungsregeln“ des deutschen Rechts217 auch in diesem Fall unanwendbar218. Die europarechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit ermöglicht es allerdings auch einer in einem anderen Mitgliedstaat nach dortigem Recht errichteten Kommanditgesellschaft, „als solche“ ihren Sitz nach Deutschland zu verlegen. Wird über das Vermögen einer derartigen „ausländischen“ Kommanditgesellschaft gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO im Inland das Insolvenzverfahren eröffnet, so unterliegen Gesellschafterdarlehen, die die Kommanditisten der Gesellschaft gewährt haben, unmittelbar den Regeln der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO. Wie unter III 5 d, S. 179 ff., bereits dargelegt wurde, kommt es hierfür nicht darauf an, ob Komplementär der Kommanditgesellschaft eine GmbH (sei es inländischen, sei es ausländischen Rechts) oder eine natürliche Person ist: die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO erfassen beide Fälle. Kollisionsrechtlich ergibt sich die Anwendbarkeit der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO auch hier aus Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. g, i und m EuInsVO.

_________ 215 Daß in § 172a HGB keine Verweisung auf die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO aufgenommen worden ist, ist nicht etwa ein Redaktionsversehen, sondern erklärt sich daraus, daß im Tatbestand dieser Bestimmungen überhaupt nicht auf Gesellschaften einer bestimmten Rechtsform Bezug genommen wird (vgl. oben II 5 c und die dort bei Fn. 137 wiedergegebene Regierungsbegründung), im Unterschied zu den §§ 32a, b GmbHG, die sich von Haus aus nur auf die GmbH beziehen. 216 Dazu oben II 2 b, S. 151. 217 Dazu oben Fn. 4 und I 2 bei Fn. 10 ff. 218 Anders als bei einer GmbH und Co. KG, deren einziger Komplementär eine GmbH deutschen Rechts ist, vgl. BGHZ 60, 324 ff. (generell zur analogen Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG auf die GmbH und Co. KG); BGHZ 67, 171 ff. (speziell zur analogen Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG im Fall der Rückzahlung eines der GmbH und Co. KG gewährten kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens).

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7. Anfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens Wenn kein Insolvenzverfahren eröffnet ist – weder im Inland noch in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union noch in einem Drittstaat, soweit wir das dortige Insolvenzverfahren gemäß § 343 InsO anerkennen –, können Rückzahlungen, die die Gesellschaft an einen Gesellschafter auf „kapitalersetzende Darlehen“ und „gleichgestellte Forderungen“ geleistet hat, und Sicherheitenbestellungen für solche Forderungen von jedem Gläubiger der Gesellschaft angefochten werden (§§ 1, 6 AnfG). Praktische Bedeutung kann das vor allem dann haben, wenn die Durchführung des Insolvenzverfahrens an mangelnder Masse scheitert. Hat die Gesellschaft, die das Darlehen an den Gesellschafter zurückzahlt oder ihm eine Sicherheit gewährt, ihren satzungsmäßigen Sitz im Ausland, so handelt es sich um einen „Sachverhalt mit Auslandsberührung“ im Sinn des § 19 AnfG. Infolgedessen ist für die Anfechtbarkeit der Zahlung oder Sicherheitenbestellung das Recht maßgeblich, „dem die Wirkungen der Rechtshandlung unterliegen“. Deutsches Anfechtungsrecht ist daher bei Rückzahlung des Darlehens, wie oben dargelegt219, dann anwendbar, wenn der Darlehensvertrag deutschem Recht unterliegt. Die Bestellung dinglicher Sicherheiten ist nach deutschem Recht ebenfalls anfechtbar, wenn das gesicherte Darlehen deutschem Recht unterliegt, während das einschlägige Sachenrechtstatut gleichgültig ist. Denn genau wie im Fall der Insolvenzanfechtung, muß auch bei der Anfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens als maßgebliches „Wirkungsstatut“ dasjenige Recht angesehen werden, das darüber entscheidet, ob der Anfechtungsgegner im Verhältnis zum Schuldner berechtigt ist, dasjenige, was er durch die Rechtshandlung des Schuldners erlangt hat, zu behalten, also das Recht, das über die iusta causa traditionis entscheidet, und das ist das für die schuldrechtliche Kausalbeziehung maßgebliche „Geschäftstatut“. Ist demnach deutsches Anfechtungsrecht anwendbar, ergibt sich die Anfechtungsmöglichkeit unmit-

_________ 219 Vgl. oben IV 1, S. 191 ff. Die Formeln: „das für die benachteiligende Handlung maßgebliche Recht“ (Art. 13 EuInsVO), „das Recht, das für die angefochtene Rechtshandhabung maßgebend ist“ (§ 339 InsO) und „das Recht, dem die Wirkungen der Rechtshandlung unterliegen“ (§ 19 AnfG), meinen alle genau dasselbe Recht. Grundlegend (zur Konkursanfechtung nach früherem Recht) BGHZ 134, 116, 123.

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telbar aus § 6 AnfG, gleichgültig, nach welchem Recht die rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft als solcher zu beurteilen sind220. Bestimmt sich die Wirkung der Rechtshandlung der Gesellschaft nach ausländischem Recht (z. B. weil der Darlehensvertrag, vor der Verlegung des Gesellschaftssitzes ins Inland, im Ausland abgeschlossen worden ist), so ist deutsches Recht nur anwendbar, wenn das betreffende Auslandsrecht hinsichtlich der Anfechtbarkeit auf das deutsche Recht zurückverweist (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Anderenfalls kann der Gläubiger nur dann anfechten, wenn das auf den Fall anwendbare Auslandsrecht einen dem § 6 AnfG vergleichbaren Anfechtungstatbestand kennt221.

V. Zusammenfassende Würdigung Betrachtet man das praktische Ergebnis, so kann man folgendes festhalten: Meistens erlangen Fragen der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen erst in der Insolvenz der Gesellschaft ihr praktisches Gewicht. _________ 220 Unzutreffend auch insoweit Forsthoff/Schulz in Hirte/Bücker (Fn. 1) § 15 Rz. 39: für analoge Anwendung des Art. 13 EuInsVO, was zur Folge haben soll, daß die Anfechtung nur dann möglich sein soll, wenn sie vom Recht des Gründungsstaats zugelassen wird. § 19 AnfG wird nicht erwähnt. Vgl. im übrigen oben IV 1, S. 193 f. mit Fn. 184. 221 Im Fall einer in Deutschland insolvent gewordenen Gesellschaft ist also die Anfechtung von Auslandsvorgängen für die Gläubiger außerhalb des Insolvenzverfahrens schwieriger als die Insolvenzanfechtung für den Insolvenzverwalter. Für beide Anfechtungen gelten unterschiedliche Anknüpfungspunkte: Für die Insolvenzanfechtung gilt primär die lex fori concursus, während das ausländische Wirkungsstatut nur ergänzend berücksichtigt wird, wenn der Anfechtungsschuldner sich darauf beruft und nachweist, daß sein Erwerb nach dem Recht des Wirkungsstatus vollständig unangreifbar ist (vgl. oben IV 1, S. 191 ff.). Für die Gläubigeranfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens gilt von vornherein das ausländische Wirkungsstatut. De lege ferenda wäre es geboten, die kollisionsrechtliche Behandlung der Anfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens an die kollisionsrechtliche Behandlung der Insolvenzanfechtung anzupassen. Maßgeblich müßte in erster Linie das Schuldstatut der Forderung sein, zu deren Befriedigung die Anfechtung betrieben wird; dem Anfechtungsgegner müßte die Einrede gestattet werden, daß sein Erwerb nach dem für die angefochtene Rechtshandlung maßgebenden Recht unanfechtbar und in jeder anderen Weise unangreifbar ist. Dazu nach wie vor grundlegend Fragistas RabelsZ 12 (1938/39), 452 ff. Vgl. auch Ulrich Huber in Festschrift Heldrich (Fn. 181) S. 702 Fn. 29.

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Hier sind im inländischen Insolvenzverfahren die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO anwendbar, und das wird in der großen Menge der Fälle zu denselben Ergebnissen führen, die auch dann zu erwarten wären, wenn die Gesellschaft als GmbH nach deutschem Recht gegründet wäre. In besonderen Fällen führt die Unanwendbarkeit der Rechtsprechungsregeln dazu, daß der Gläubigerschutz schwächer ist (hierin liegt ja der Grund dafür, daß die Rechtsprechung bei deutschen Gesellschaften die „Rechtsprechungsregeln“, neben den „Novellenregeln“, weiterhin anwendet). Diese Schwachpunkte sind die folgenden: Ist die Jahresfrist des § 135 InsO verstrichen, kann nicht auf den Anspruch aus § 31 GmbHG mit seiner längeren Verjährungsfrist (Abs. 5) zurückgegriffen werden; es gibt keine Ausfallhaftung der Mitgesellschafter gemäß § 31 Abs. 3 GmbHG, wenn der Gesellschafter, an den das Darlehen vor Verfahrenseröffnung zurückgezahlt wurde, zahlungsunfähig oder flüchtig ist; es gibt keine Haftung des Geschäftsführers, der das Darlehen vor Verfahrenseröffnung zurückgezahlt hat, entsprechend § 43 Abs. 3 GmbHG; und es gibt (mangels Schadensverursachung) wohl auch keine Haftung des Prokuristen wegen Pflichtverletzung aus dem Dienstvertrag, wenn der Prokurist ein an sich zur Rückzahlung fälliges Gesellschafterdarlehen an den Gesellschafter zurückzahlt, ohne den Geschäftsführer zu fragen – all das natürlich unter dem Vorbehalt, daß Ausschüttungssperren des maßgeblichen ausländischen Gesellschaftsrechts ihre Geltung behalten (von weiteren Detailpunkten, in denen sich Abweichungen ergeben könnten, so z. B. in Fällen der „kapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung“222, soll hier abgesehen werden). Vielleicht sind diese Schutzlücken, wenn ein Insolvenzverfahren eröffnet ist, eher zu verschmerzen, als wenn es dazu nicht gekommen ist, _________ 222 Vgl. dazu BGHZ 127, 1 ff.; 127, 17 ff.; Lutter/Hommelhoff (Fn. 2) § 32a/b Rz. 138 ff. m. weit. Nachw. M. E. läßt sich mit den „Novellenregeln“, ohne Rückgriff auf §§ 30, 31 GmbHG (analog), nur begründen, daß Miet- oder Pachtansprüche des Gesellschafters, die bis zur Verfahrenseröffnung entstanden sind, gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO im Rang zurückzustufen sind und ihre Befriedigung vor Verfahrenseröffnung, soweit sie nicht weiter zurückliegt als ein Jahr vor Antragstellung, gemäß § 135 InsO angefochten werden kann. Dagegen läßt sich ein angebliches Recht des Insolvenzverwalters, das sogenannte „Nutzungsrecht“ zugunsten der Masse unentgeltlich auszuüben oder zu verwerten, jedenfalls aus § 32a Abs. 1 GmbHG und § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nicht ableiten (ob aus §§ 30, 31 GmbHG analog, mag hier offen bleiben, da dies auf Auslandsgesellschaften jedenfalls nicht zutrifft, dazu oben II, S. 143 ff.). Für die Zeit nach Verfahrenseröffnung gelten daher die Regeln der §§ 103 ff. InsO.

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insbesondere wenn die Eröffnung des Verfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist. Denn in diesem Fall ist die Gefahr besonders groß, daß die einjährige Anfechtungsfrist für die individuelle Gläubigeranfechtung gemäß § 6 AnfG versäumt wird. In systematischer Hinsicht fügt der Fall der Auslandsgesellschaft sich dagegen bruchlos und nahtlos in das Gefüge des deutschen Kapitalersatzschutzrechts ein, das von der „Zweistufigkeit“ des Schutzes geprägt ist. Die „Novellenregeln“ des deutschen Rechts, insbesondere und vor allem die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO, sind anwendbar, wenn in Deutschland ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet ist. Die „Rechtsprechungsregeln“, also die §§ 30, 31 und 43 GmbHG in analoger Anwendung, greifen ein, wenn die Gesellschaft ein deutsches „Personalstatut“ hat, wenn es sich also um eine nach deutschem Recht errichtete GmbH handelt. Beides kann miteinander zusammentreffen, muß aber nicht miteinander zusammentreffen. Das ist bei internationalen Sachverhalten nicht anders als bei reinen Inlandssachverhalten. Nimmt man alles in allem, so ist doch festzustellen, daß mit der Anwendung des deutschen Insolvenzrechts und insbesondere der §§ 39, 135 InsO in der Inlandsinsolvenz der Auslandsgesellschaft dem wesentlichen Schutzanliegen des deutschen Rechts Rechnung getragen ist und daß die zusätzliche Anwendung der Rechtsprechungsregeln nur zu einer eher marginalen Verstärkung des Schutzes führen würde. Das ist ein Grund mehr, der dagegen spricht, daß sich die Anwendung der Kapitalerhaltungsregeln des deutschen Rechts auf Auslandsgesellschaften und der damit verbundene Eingriff in die Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft durch „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ europarechtlich legitimieren läßt223. Dazu scheint der zusätzliche Gewinn an Gläubigerschutz, den die Rechtsprechungsregeln gewähren, einfach nicht gewichtig genug. Übrigens hätte der deutsche Gesetzgeber es in der Hand, durch Verlängerung der Anfechtungsfristen den Gläubigerschutz in einer europarechtlich unangreifbaren Weise zu verstärken.

_________ 223 Wie dies Ulmer NJW 2004, 1201, 1208 ff. und für Sonderfälle auch Eidenmüller ZIP 2002, 2233, 2242, Forsthoff DB 2002, 2471, 2477 und WulfHenning Roth IPrax 2003, 117, 125 befürworten.

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VI. Thesen 1. Zweistufigkeit des Kapitalersatzrechts. Das deutsche Kapitalersatzrecht umfaßt aus historischen Gründen zwei einander überlagernde und miteinander weithin deckungsgleiche, aber voneinander unabhängige Regelungssysteme: die von der Rechtsprechung seit dem Jahr 1959 entwickelten „Rechtsprechungsregeln“ und die vom Gesetzgeber in der GmbH-Novelle von 1980 geschaffenen und durch die Insolvenzordnung von 1990 erweiterten „Novellenregeln“. Die Rechtsprechungsregeln beruhen auf einer analogen Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG. Sie unterwerfen kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen von Anfang an dem Grundsatz der Kapitalerhaltung und damit einem befristeten Rückzahlungsverbot. Die Novellenregeln habe ihren Kern in den Bestimmungen der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO. Sie unterwerfen kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen im Fall der Insolvenz einer Rückstufung im Rang hinter die übrigen Insolvenzforderungen und ihre Rückzahlung der Insolvenzanfechtung, wenn sie innerhalb einer kritischen Phase vor Verfahrenseröffnung (ein Jahr vor Antragstellung) erfolgt ist. Bei der Beantwortung der Frage, ob diese Regeln auch für Auslandsgesellschaften mit beschränkter Haftung gelten, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz ins Inland verlegen, ist zwischen den beiden Regelungssystemen zu unterscheiden224. 2. Keine Anwendung der Rechtsprechungsregeln. Eine Anwendung der Rechtsprechungsregeln würde voraussetzen, daß die Regeln des deutschen GmbH-Rechts über die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung ganz allgemein auf Auslandsgesellschaften mit beschränkter Haftung angewendet werden könnten. Das aber ist bei Gesellschaften, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union gegründet sind, aus europarechtlichen Gründen nicht möglich. Vielmehr haben solche Gesellschaften nach der Rechtsprechung des EuGH in den Fällen Centros, Überseering und Inspire Art aufgrund der im EG-Vertrag verbürgten Niederlassungsfreiheit das Recht, sich im Inland als Gesellschaften des Rechts ihres Herkunftsstaats niederzulassen. Das gilt auch dann, wenn sie im Inland ihre einzige Niederlassung haben und im Herkunftsstaat keinerlei geschäftliche Tätigkeit ausüben (sogenannte „Scheinauslandsgesellschaften“). Voraussetzung ist nur, zumindest _________ 224 Vgl. oben I S. 132–143.

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nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung, daß das Recht des Gründungsstaats eine solche Niederlassung außerhalb seiner eigenen Grenzen zuläßt. Daher ist grundsätzlich jede Anwendung inländischen Gesellschaftsrechts, die das inländische Kollisionsrecht als Folge der Niederlassung im Inland anordnen könnte, ein Eingriff in die Niederlassungsfreiheit und daher unzulässig. Infolgedessen gelten für die Kapitalaufbringung und die Kapitalerhaltung bei Auslandsgesellschaften die Regeln des Rechts des Gründungsstaats und nicht die Regeln des deutschen GmbH-Rechts. Damit fehlt bei Auslandsgesellschaften die gesetzliche Basis für die Anwendung der Rechtsprechungsregeln. Wenn schon das Gesellschaftskapital selbst nicht den §§ 30, 31 GmbHG unterliegt, dann umsoweniger das aus Gesellschafterdarlehen gebildete Ersatzkapital225. 3. Die Gegenmeinung: Überlagerung des Gründungsrechts durch deutsches Gesellschaftsrecht bei Vorliegen von Schutzlücken. Nach der Rechtsprechung des EuGH soll ein Eingriff in die Niederlassungsfreiheit dem Zuzugsstaat ausnahmsweise dann gestattet sein, wenn vier Kriterien erfüllt sind: 1. keine Diskriminierung; 2. Vorliegen von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses; 3. Geeignetheit der Maßnahme und 4. Erforderlichkeit der Maßnahme zur Erreichung des Schutzziels. Allerdings gibt es bisher in der Rechtsprechung keinen Beispielfall, in dem eine derartige Rechtfertigung im Hinblick auf restriktive Maßnahmen des Zuzugsstaats tatsächlich bejaht worden wäre. In der Literatur wird gleichwohl die Ansicht vertreten (so namentlich von Ulmer), die Rechtsprechung des EuGH lasse Raum für die Anwendung der deutschen Kapitalschutzregeln, und daher auch der Rechtsprechungsregeln über die Einbeziehung der Gesellschafterdarlehen in den Kapitalschutz. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen, und zwar sowohl aus kollisionsrechtlichen Gründen (dazu 4.) als auch aus europarechtlichen Gründen (dazu 5.)226. 4. Kollisionsrechtliche Einwände gegen die Gegenmeinung. Unter dem Gesichtspunkt des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts sprechen zwingende Gründe dafür, sich für ein einheitliches Anknüpfungsprinzip zu entscheiden. Die Anknüpfung kann erfolgen am Gründungssitz, das heißt dem bei Gründung der Gesellschaft in der Satzung bestimmten Sitz, der für die Registrierung und das an_________ 225 Vgl. oben II 1, 2, 4 S. 143–152, 159. 226 Vgl. oben II 3 a S. 152–154.

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wendbare Gesellschaftsrecht maßgeblich sein soll („Gründungstheorie“). Oder sie kann erfolgen am Verwaltungssitz, das heißt an dem Ort, an dem die Gesellschaft ihre Hauptniederlassung hat und an dem ihre Geschäfte geführt werden („Sitztheorie“). Dagegen sollte aus Gründen der Rechtsklarheit, der Rechtssicherheit und der Gesetzesbindung der Gerichte nicht zugelassen werden, daß die Gerichte im Einzelfall, je nach Belieben und rechtspolitischer Präferenz, die anwendbare Rechtsregel bald dem Gründungsrecht und bald dem Sitzrecht entnehmen. Abzulehnen ist deshalb insbesondere die sogenannte „Überlagerungstheorie“, die es dem Richter erlauben will, ausländisches Gesellschaftsrecht zwar „im Prinzip“ anzuwenden, es aber dann durch Regeln des eigenen Rechts zu ersetzen oder zu ergänzen, wenn er diese Regeln als dem ausländischen Recht überlegen ansieht („better law approach“). Da die Anwendung der unverfälschten Sitztheorie auf Auslandsgesellschaften, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats gegründet sind und sich im Inland niederlassen, aus europarechtlichen Gründen nicht mehr möglich ist, bleibt daher als kollisionsrechtlich annehmbare Lösung insoweit nur die konsequente Anwendung der Gründungstheorie227. 5. Europarechtliche Einwände gegen die Gegenmeinung. Unter dem Gesichtspunkt der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit läßt sich die analoge Anwendung der Regeln des GmbH-Gesetzes über die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung auf Auslandsgesellschaften nicht durch die Berufung auf zwingende Erfordernisse des Schutzes von Allgemeininteressen rechtfertigen. Erstens wird der Nachweis, ausländische Gläubigerschutzbestimmungen seien generell ungeeignet, die vom deutschen GmbH-Recht verfolgten Schutzzwecke zu erreichen, sich nur schwer führen lassen. Zweitens läßt sich nicht begründen, weshalb das deutsche Recht die Tätigkeit von Auslandsgesellschaften im Inland, einschließlich der Errichtung inländischer Zweigniederlassungen, zuläßt, ohne diese Gesellschaften den inländischen Kapitalschutzregeln zu unterwerfen, daß es aber anders entscheidet, wenn die inländische Niederlassung die Hauptniederlassung (insbesondere: die einzige Niederlassung) der Gesellschaft ist. Der einzige Grund, der dies rechtfertigen kann, ist der, „echten“ Auslandsgesellschaften die ungehinderte Tätigkeit im Inland zu ermöglichen, ohne sie dem deutschen Gesellschaftsrecht zu unterwerfen, gegenüber „Scheinauslandsgesellschaften“ dagegen die _________ 227 Vgl. oben II 3 b S. 154 f.

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Herrschaft des deutschen Rechts zumindest partiell aufrechtzuerhalten. Genau diese Differenzierung hat der EuGH in den Fällen Centros und Inspire Art als Rechtfertigungsgrund verworfen228. 6. Anwendbarkeit der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO im inländischen Hauptinsolvenzverfahren (a): Die EuInsVO als maßgebliche Rechtsgrundlage. Die kollisionsrechtliche Frage, ob die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO auf im Inland niedergelassene Auslandsgesellschaften anwendbar sind, richtet sich, soweit die Auslandsgesellschaft nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union gegründet ist, nach der im Jahr 2002 in Kraft getretenen Europäischen Insolvenzverordnung. Die EuInsVO ist immer dann anwendbar, wenn in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ein Insolvenzverfahren beantragt oder eröffnet ist und der Sachverhalt Auslandsberührung zu einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufweist. Im vorliegenden Zusammenhang besteht eine solche Auslandsberührung schon deshalb, weil die Gesellschaft in Deutschland niedergelassen ist und ihren satzungsmäßigen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, dessen Recht für ihre gesellschaftsrechtlichen Rechtsverhältnisse maßgeblich ist. Infolgedessen ist sowohl für die Frage der internationalen Eröffnungszuständigkeit als auch für die Frage des anwendbaren Insolvenzrechts die EuInsVO maßgeblich229. 7. Anwendbarkeit der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO im inländischen Hauptinsolvenzverfahren (b): Art. 4 EuInsVO als maßgebliche Kollisionsnorm. Die internationale Zuständigkeit für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO bei den Gerichten desjenigen Mitgliedstaats, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Daher sind für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über Gesellschaften, die in Deutschland ihre einzige Niederlassung oder ihre Hauptniederlassung haben, die deutschen Gerichte zuständig, unabhängig davon, ob deutsches oder ausländisches Recht Personalstatut der Gesellschaft ist. Wird in Deutschland das Insolvenzverfahren eröffnet, so ist für die Rechtsfolgen das „Recht des Staats der Verfahrenseröffnung“, also das deutsche Insolvenzrecht maßgeblich (Art. 4 Abs. 1 EuInsVO). Nach deutschem Recht bestimmt sich auch, unter welchen Voraussetzungen das Verfahren zu eröffnen ist (Art. 4 _________ 228 Vgl. oben II 3 c S. 155–159. 229 Vgl. oben III 1 S. 160–165.

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Abs. 2 Satz 1 EuInsVO). Im deutschen Insolvenzverfahren sind daher die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO ohne weiteres anwendbar, ohne daß es auf das Personalstatut der Gesellschaft ankommt. Das ergibt sich nicht nur aus dem allgemeinen Prinzip des Art. 4 Abs. 1 EuInsVO, sondern es wird zusätzlich klargestellt durch Art. 4 Abs. 2 Buchst. g, i und m EuInsVO. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 EuInsVO enthält eine Liste von Materien, für die jedenfalls das Recht des Staats der Verfahrenseröffnung maßgeblich sein soll, unabhängig davon, ob sie nach den im jeweiligen Mitgliedstaat herrschenden Systemvorstellungen als „Insolvenzrecht“ angesehen werden oder nicht. Hierzu gehören unter anderem die Frage, welche Forderungen „Insolvenzforderungen“ sind und wie der Rang von Insolvenzforderungen zu bestimmen ist (Buchst. g, i), und die Frage, welche Rechtshandlungen wegen Benachteiligung der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger anfechtbar sind (Buchst. m). § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO fällt unter die Buchstaben g und i, § 135 InsO unter den Buchstaben m. Damit ist die Frage der Anwendbarkeit der beiden Bestimmungen im Inlandskonkurs von Auslandsgesellschaften europarechtlich eindeutig und für das deutsche Recht verbindlich entschieden230. 8. Einwände (a): Gesellschaftsrechtliche Rechtsnatur der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 139 InsO? Gegen die Anwendung der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO ist eingewendet worden, es handele sich bei diesen Bestimmungen, ungeachtet ihrer äußeren Stellung in der Insolvenzordnung, materiell um Gesellschaftsrecht, das nur auf Gesellschaften mit deutschem Personalstatut angewendet werden dürfe. Der Einwand ist aus zwei Gründen verfehlt. Erstens: Beide Bestimmungen regeln rein insolvenzrechtliche Fragen. Die Kernbestimmung ist § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Sie beruht auf dem Grundgedanken, daß es unangemessen ist, daß ein Gesellschafter als Gläubiger der Gesellschaft in deren Insolvenz nach dem Grundsatz der par conditio creditorum den gleichen Rang mit den übrigen Gesellschaftsgläubigern einnimmt, wenn es sich um eine Forderung aus Darlehen oder ähnlichen Finanzierungen handelt, die keine gewöhnlichen „Drittforderungen“ darstellen, sondern die darauf beruhen, daß der Gesellschafter einer insolventen oder aus sonstigen Gründen nicht kreditwürdigen Gesellschaft Eigenkapital zuführt. § 135 InsO stellt sicher, daß dieses für das Insolvenzverfahren maßgebliche Rangverhältnis _________ 230 Vgl. oben III 2, 3 S. 165–169.

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nicht durch Rückzahlungen im Vorfeld der Insolvenz oder durch Sicherheitenbestellung zunichte gemacht werden kann. Zweitens: Selbst wenn es richtig wäre, daß es sich hierbei, systematisch gesehen, nicht um Insolvenzrecht, sondern um Gesellschaftsrecht handelt, wäre dies im Anwendungsbereich des Art. 4 EuInsVO gleichgültig. Denn Art 4 Abs. 2 Satz 2 will die Rangbestimmungen und die Anfechtungsbestimmungen des Rechts des Staats der Verfahrenseröffnung gerade unabhängig davon für maßgeblich erklären, ob diese Bestimmungen nach diesem Recht als „Insolvenzrecht“ oder, wie auch immer, anders zu qualifizieren sind. Dagegen ist jedes dogmatische Argument, das man aus dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung abzuleiten versucht, machtlos231. 9. Einwände (b): Der kapitalersetzende Charakter des Darlehens als gesellschaftsrechtliche Vorfrage? Gegen die Anwendung der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO ist weiter eingewendet worden, zwar sei nicht in Abrede zu stellen, daß es sich dabei um Insolvenzrecht im Sinn des Art. 4 EuInsVO handele; jedoch gehe es bei der Frage, ob ein Darlehen „kapitalersetzenden“ Charakter habe, um eine selbständig anzuknüpfende Vorfrage, die nur bei Gesellschaften bejaht werden könne, auf die die Bestimmungen des deutschen GmbHoder Aktienrechts über die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung anwendbar seien. Auch dieser Einwand ist verfehlt. Die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO enthalten keinerlei Hinweis darauf, daß ihre Anwendung auf Gesellschaften einer bestimmten Rechtsform beschränkt sein soll. Das „Kapital“, das ersetzt wird, ist nicht das „Stamm“- oder „Grundkapital“ im Sinn des deutschen GmbH- und Aktienrechts, sondern „Eigenkapital“ im wirtschaftlichen Sinn, als Gegensatz zum „Fremdkapital“. Ein Darlehen ist eigenkapitalersetzend, wenn die Gesellschaft zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Gesellschafter es ihr gewährt, insolvenzreif oder aus sonstigem Grund kreditunwürdig ist. Dieser Tatbestand kann bei jeder Gesellschaft vorliegen, nicht nur bei „Kapitalgesellschaften“ im Sinn des deutschen Rechts, sondern z. B. auch bei „gesetzestypischen“ Kommanditgesellschaften, und daher auch bei Gesellschaften mit ausländischem Personalstatut. Es gibt keine gesellschaftsrechtliche Vorfrage, die bei der Anwendung der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO zu prüfen wäre, sondern die Bestimmungen sind immer an_________ 231 Vgl. oben III 4 S. 170/171, sowie I 3 S. 137–139, III 3 S. 166–169, III 5 a S. 173–175.

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wendbar, wenn der Tatbestand der Kreditgewährung durch einen Gesellschafter bei Insolvenzreife oder Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft gegeben ist232. 10. Einwände (c): Unvereinbarkeit der Anwendung der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO mit der Niederlassungsfreiheit? Gegen die Anwendung der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO auf Auslandsgesellschaften ist schließlich eingewendet worden, sie sei mit der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit unvereinbar. Auch dieser Einwand ist unbegründet. Der EuGH hat bisher nur entschieden, daß Auslandsgesellschaften vom Zuzugsstaat nicht dem inländischen Gesellschaftsrecht unterworfen werden dürfen, und daß Ausnahmen von diesem Grundsatz allenfalls dann zugelassen werden können, wenn besondere Rechtfertigungsgründe vorliegen. Zur Anwendung des Insolvenzrechts des Zuzugsstaats, wenn die Gesellschaft im Zuzugsstaat in Konkurs fällt, gibt es bisher keine Äußerung des EuGH. Nichts deutet darauf hin, daß die Anwendung des Insolvenzrechts des Zuzugsstaats nach Ansicht des EuGH in einem solchen Fall davon abhängen soll, daß hierfür besondere Rechtfertigungsgründe nachgewiesen werden, und es ist auch nichts dafür ersichtlich, daß die Niederlassungsfreiheit durch die Grundregeln der Art. 3 und 4 EuInsVO in irgendeiner Weise beeinträchtigt sein könnte. Soweit es speziell um die hierauf gestützte Anwendung der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO geht, ist nicht zu erkennen, wieso es die Niederlassungsfreiheit einer Gesellschaft behindern soll, wenn im Fall einer späteren Insolvenz im Zuzugsstaat die Gesellschafter im Hinblick auf ihre Forderungen gegen die Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen den anderen Gesellschaftsgläubigern den Vorrang einräumen müssen233. 11. Keine Vorlagepflicht nach Art. 234 EG. Die deutschen Gerichte können die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO im Fall der Inlandsinsolvenz von Auslandsgesellschaften anwenden, ohne zuvor eine Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art. 234 EG herbeizuführen. Denn über die Auslegung der Art. 4 Abs. 2 Buchst. g, i und m EuInsVO bestehen keine Auslegungszweifel. Die Fragen, die in der deutschen Literatur diskutiert werden, betreffen allein den Inhalt und die Auslegung des deutschen Rechts. Von der Vereinbarkeit der EuInsVO mit dem europäischen Primärrecht dürfen die Gerichte _________ 232 Vgl. oben III 4 S. 171/172, III 5 S. 172–185. 233 Vgl. oben III 6 S. 185–188.

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ausgehen, ohne deshalb den EuGH anzurufen. Nur im Fall, in dem sie europäisches Sekundärrecht für unvereinbar mit dem Primärrecht halten, müssen sie das Verwerfungsmonopol des EuGH beachten. Dagegen würde eine Anwendung der Rechtsprechungsregeln die vorherige Anrufung des EuGH voraussetzen. Zulässig ist eine solche Anrufung nur, wenn die Anwendung der Rechtsprechungsregeln entscheidungserheblich ist, wenn also die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO, z. B. wegen Versäumung der Anfechtungsfrist, nicht zum Ziel führen234. 12. Einreden aus Art. 13 EuInsVO gegen die auf Art. 4 EuInsVO gestützte Anfechtung. Bei der Insolvenzanfechtung der Rückzahlung oder Sicherung von Gesellschafterdarlehen gemäß § 135 InsO ist bei Auslandsgesellschaften die Schranke des Art. 13 EuInsVO zu beachten. Hiernach steht der Anfechtung eine Einrede entgegen, wenn der Gesellschafter sich darauf beruft und erforderlichenfalls nachweist, daß für die angefochtene Rechtshandlung das Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Staats der Verfahrenseröffnung maßgeblich ist, und daß die Rechtshandlung unanfechtbar und auch sonst in jeder Hinsicht rechtsbeständig wäre, wenn in diesem Staat das Insolvenzverfahren durchgeführt würde. Bei Rechtshandlungen, die der Erfüllung oder Sicherung von Forderungen des späteren Anfechtungsgegners dienen, ist maßgebliches Recht das Schuldstatut der Forderung, die erfüllt oder gesichert werden soll. Deutsches Recht ist jedenfalls dann das maßgebliche Schuldstatut, wenn bei Darlehensgewährung nicht nur die Gesellschaft ihre Hauptniederlassung, sondern auch der Gesellschafter seinen Sitz oder seine Niederlassung im Inland hat. In diesem Fall können die Beteiligten die Einrede des Art. 13 EuInsVO auch nicht dadurch ermöglichen, daß sie den Darlehensvertrag durch Vereinbarung einer ausländischen Rechtsordnung unterstellen, der die Anfechtung der Rückzahlung von kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen unbekannt ist. Die Folge ist, daß in einem in Deutschland durchgeführten Insolvenzverfahren bei reinen Inlandssachverhalten eine Einrede aus Art. 13 EuInsVO nicht in Betracht kommt. Praktische Bedeutung kann die Bestimmung dagegen z. B. dann erlangen, wenn die Gesellschaft ursprünglich im Ausland niedergelassen war und dort Gesellschafterdarlehen empfangen hat, wenn sie später ihre Niederlassung nach Deutschland verlegt hat und hier in Insolvenz gefallen ist, und wenn _________ 234 Vgl. oben III 7 S. 188–191.

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nunmehr die Rückzahlung oder Sicherung des Darlehens gemäß § 135 InsO angefochten wird, oder wenn eine ausländische Mutterihrer deutschen Tochtergesellschaft ein Darlehen gewährt hat, das sie sich vor Eröffnung des inländischen Insolvenzverfahrens hat zurückzahlen lassen235. 13. Anfechtung im inländischen Sekundärinsolvenzverfahren. Wird zu Unrecht das Insolvenzverfahren über die Auslandsgesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat eröffnet, z. B. am satzungsmäßigen Sitz der Gesellschaft oder am Sitz einer ausländischen Muttergesellschaft, bevor es im Inland zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens gekommen ist, so ist dieses Verfahren gemäß Art. 16 EuInsVO im Inland anzuerkennen. Denn die Verfahrenseröffnung durch das Gericht eines anderen Mitgliedstaats unterliegt keiner Nachprüfung durch inländische Gerichte, namentlich auch nicht im Hinblick auf die Frage, ob das ausländische Insolvenzgericht seine internationale Zuständigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO zu Recht bejaht hat. Möglich bleibt in einem solchen Fall die Durchführung eines auf das inländische Vermögen der Gesellschaft beschränkten inländischen Sekundärinsolvenzverfahrens (Art. 27 ff. EuInsVO). Auch hierfür gilt das deutsche Insolvenzrecht (Art. 28 EuInsVO). Eine Anfechtung gemäß § 135 InsO ist möglich, soweit die hieraus resultierende Forderung im Inland belegen ist. Bei der Anfechtung von Zahlungen ist hierfür entscheidend, daß der Gesellschafter seinen Wohnsitz oder seine Niederlassung im Inland hat, bei der Anfechtung von Sicherheitenbestellungen, daß die Sache, an der die Sicherheit bestellt ist, sich im Inland befindet (vgl. Art. 2 Buchst. g EuInsVO). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens236. 14. Gleichgestellte Forderungen; analoge Anwendbarkeit weiterer Bestimmungen. Die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO erfassen nicht nur Darlehensforderungen, sondern auch „gleichgestellte Forderungen“. Diese weite Formulierung ermöglicht es, alle Finanzhilfen zu erfassen, die der Gesellschafter der Auslandsgesellschaft in der Krise gewährt oder beläßt, also z. B. auch „Nachschüsse“ oder „Einlagen“, gleichgültig, ob die Rückzahlung nach dem Personalstatut der Gesellschaft erlaubt oder verboten ist. § 32a Abs. 2 GmbHG, § 32a Abs. 3 Satz 2 und 3 GmbHG sowie § 32b GmbHG sind im Fall der _________ 235 Vgl. oben IV 1 S. 191–197. 236 Vgl. oben IV 2 S. 198–201.

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Inlandsinsolvenz von Auslandsgesellschaften analog anwendbar. Der Sache nach handelt es sich auch hierbei um insolvenzrechtliche, nicht um gesellschaftsrechtliche Vorschriften237. 15. Auslandsgesellschaft mbH und Co. KG. Gründet die Auslandsgesellschaft im Inland eine Kommanditgesellschaft, deren einzige Komplementärin sie ist, so unterliegt die Kommanditgesellschaft § 172a HGB. Die Anwendung der §§ 32a, 32b GmbHG, §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO in einem deutschen Insolvenzverfahren ist unproblematisch. Dagegen sind die „Rechtsprechungsregeln“, trotz des deutschen Personalstatuts der KG, unanwendbar, weil es sich bei der Komplementärgesellschaft nicht um eine GmbH im Sinn des deutschen GmbH-Rechts handelt238. 16. Anfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens. Die Anfechtung der Rückzahlung von Darlehen, die Gesellschafter an Auslandsgesellschaften gewähren, und der Bestellung von Sicherheiten hierfür außerhalb des Insolvenzverfahrens richtet sich dann nach deutschem Recht (§ 6 AnfG), wenn deutsches Recht über die „Wirkungen der Rechtshandlung“ entscheidet (§ 19 AnfG). Das ist der Fall, wenn der Darlehensvertrag deutschem Recht unterliegt. Denn maßgeblich muß dasjenige Recht sein, das darüber entscheidet, ob der Anfechtungsgegner im Verhältnis zum Schuldner berechtigt ist, dasjenige, was er durch die Rechtshandlung des Schuldners erlangt hat, zu behalten. Insoweit kann nichts anderes gelten als im Rahmen des Art. 13 EuInsVO. Auch für die Grenzen der freien Rechtswahl gilt dasselbe wie im Fall des Art. 13 EuInsVO (oben 12.)239. 17. Fazit. Im Inlandsinsolvenzverfahren von Auslandsgesellschaften sind die „Novellenregeln“ anwendbar, die „Rechtsprechungsregeln“ nicht. Der Gläubigerschutz ist somit etwas weniger perfekt, als wenn in vollem Umfang deutsches Recht anwendbar wäre. Wirklich gravierende Schutzlücken sind allerdings nicht zu befürchten. De lege ferenda wäre allenfalls zu erwägen, die Anfechtungsfrist zu verlängern, weniger im Hinblick auf § 135 InsO als im Hinblick auf die Anfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens240. _________ 237 238 239 240

Vgl. oben IV 3–5 S. 202–206. Vgl. oben IV 6 S. 206 f. Vgl. oben IV 7 S. 208 f. Vgl. oben V S. 209–211.

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E. Scheinauslandsgesellschaften im Europäischen Zivilprozessrecht∗ Gerhard Wagner Inhaltsübersicht I. Einleitung .............................. 225 II. Ausländische Gesellschaften vor deutschen Gerichten ...... 226 1. Parteifähigkeit von Scheinauslandsgesellschaften ......... 226 2. Anknüpfung der Parteifähigkeit ................................ 229 III. Grundlagen des Europäischen Zuständigkeitsrechts ............ 1. Rechtsgrundlagen ................. 2. Die Rechtsprechung des EuGH ..................................... 3. Der Grundsatz autonomer Auslegung ............................. 4. Actor sequitur forum rei ...... 5. Begrenzung der Sonderzuständigkeiten .................... 6. Keine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs ........... IV. Der Allgemeine Gerichtsstand ...................................... 1. Der Wohnsitz als Anknüpfungsmoment der Zuständigkeit ........................ 2. Der „Wohnsitz“ von Gesellschaften ................................. a) Die Rechtslage unter dem EuGVÜ .............................. aa) Der Kompromisscharakter des Art. 53 Satz 2 EuGVÜ .............

_________ ∗

231 231 233 233 235 238 241 241

241 242 242

242

bb) Der Bezugspunkt der Verweisung und § 17 ZPO ............................. b) Fortgeltung des Art. 53 EuGVÜ/LugÜ .................... c) Die Neuregelung der EuGVVO ............................ aa) Internationale Zuständigkeit ................... bb) Örtliche Zuständigkeit ............................... d) Exkurs: Scheinauslandsgesellschaften aus Drittstaaten ................................ 3. Der Umfang des allgemeinen Gerichtsstands ...................... V. Der „besondere“ allgemeine Gerichtsstand der Zweigniederlassung ......................... 1. Zweck und Bedeutung .......... 2. Zweigniederlassung .............. 3. Der Umfang des Gerichtsstands der Zweigniederlassung ...................................

244 246 247 247 249

252 254

254 254 255

257

VI. Ausschließliche Zuständigkeiten für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten ....... 259 1. Allgemeines ........................... 259 2. Registerstreitigkeiten, Art. 22 Nr. 3 EuGVVO ...................... 261

Unter einer Scheinauslandsgesellschaft wird im Folgenden eine Korporation verstanden, die ihren Satzungssitz im Ausland, ihren tatsächlichen Verwaltungssitz jedoch im Inland hat und nur im Inland werbend tätig wird. Die Gesellschaft ist dann insofern nur „scheinbar“ eine Auslandsgesellschaft, als sie vom Inland aus verwaltet wird und auf den Inlandsmarkt ausgerichtet ist.

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E. Scheinauslandsgesellschaften im Europäischen Zivilprozessrecht 3. Gesellschaftsrechtliche Binnenstreitigkeiten, Art. 22 Nr. 2 EuGVVO ..................... 262 a) Anwendungsbereich ........ 262 b) Der Gerichtsstand für gesellschaftsrechtliche Binnenstreitigkeiten ........ 264 VII. Besondere Zuständigkeiten . 1. Vertragsgerichtsstand .......... a) Erfüllungsort .................... b) Vertrag .............................. c) Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten im Vertragsgerichtsstand .................... aa) Gesellschaftsrecht als Vertragsrecht .............. bb) Streitigkeiten im Mitgliedschaftsverhältnis ................... cc) Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen ...................... dd) Streitigkeiten mit Organen ...................... ee) Der Erfüllungsort bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten .. 2. Deliktsgerichtsstand ............ a) Anwendungsbereich und Verhältnis zum Vertragsgerichtsstand .................... b) Der Ort des schädigenden Ereignisses ........................ c) Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten unter Art. 5 Nr. 3 EuGVVO .................

266 267 267 269

270 270

271

273 274

274 276

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IX. Gerichtsstandsvereinbarungen ............................... 1. Inhalt und Zeitpunkt des Abschlusses .......................... 2. Zustandekommen und Form 3. Satzungsmäßige Gerichtsstandsklauseln ...................... X. Schiedsvereinbarungen ........ 1. Ausschluss der EuGVVO ..... 2. Satzungsmäßige Schiedsklauseln ................................ 3. Wirksamkeitsanforderungen nach nationalem Recht ........

292 292 294 296 298 298 298 299

XI. Fazit ...................................... 301 276 278

XII. 1. 2. 3.

279

4.

VIII. Koordination der EuGVVO mit der EuInsVO .................. 282 1. Zuständigkeit und anwendbares Recht nach der EuInsVO ............................... 282 a) Grundlagen ........................ 282 b) Vis attractiva concursus? .. 282

224

c) Folgerungen ...................... 286 2. Der Anwendungsbereich der EuGVVO ................................ 286 a) Ausklammerung von Insolvenzsachen ................ 286 b) Die Rechtsprechung des EuGH ................................ 287 c) Folgerungen ...................... 289 3. Der Gerichtsstand für Einzelverfahren .................... 290 a) Bei Anwendbarkeit der EuGVVO ........................... 290 b) Nach autonomem deutschen Zivilprozessrecht .................................. 292

5. 6. 7. 8. 9.

Thesen .................................. Parteifähigkeit ...................... Allgemeiner Gerichtsstand . Gerichtsstand der Niederlassung .................................. Gesellschaftsrechtliche Binnenstreitigkeiten ............ Vertragsgerichtsstand .......... Deliktsgerichtsstand ............ Vorrang der EuInsVO ........... Gerichtsstandsvereinbarungen ............................... Schiedsvereinbarungen ........

302 302 302 302 303 303 304 304 305 306

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I. Einleitung Der EuGH hat mit seinen Urteilen in Sachen Centros,1 Überseering2 und Inspire Art3 den Weg für sog. Scheinauslandsgesellschaften freigemacht. In den Augen des EuGH gewährleistet die Niederlassungsfreiheit auch – wenn nicht sogar primär – die Freiheit der Wahl des Gesellschaftsstatuts.4 Selbst wenn eine Gesellschaft in ihrem Gründungsstaat keinerlei Geschäftstätigkeit entfaltet, sondern ihren Verwaltungssitz von Anfang an in einem anderen Staat nimmt, kann sie sich auf Art. 43, 48 EG berufen. Damit wird möglich, was bisher durch die das autonome deutsche Internationale Gesellschaftsrecht beherrschende Sitztheorie verhindert worden ist, nämlich das „Eindringen“ von Scheinauslandsgesellschaften in den deutschen Markt. Ob die genannten Entscheidungen des EuGH nun das endgültige Aus für die in Deutschland noch vor kurzem als herrschend bezeichnete Sitztheorie bedeuten, darüber wird in der aktuellen Literatur noch gestritten.5 Gleich, wie dieser Streit ausgeht, steht jedoch heute schon fest, dass in Zukunft in Deutschland Gesellschaften auftreten werden, die zwar „Ltd.“ als Kürzel hinter ihrer Firmierung platziert haben, dennoch bis auf eine Registrierung keinen Bezug zu England haben, sondern ihre gesamte Geschäftstätigkeit in Deutschland entfalten. In Zukunft können sich die Gründer in einem Mitgliedstaat ein für sie passendes gesellschaftsrechtliches Kleid schneidern lassen, um in diesem Gewand in einem anderen Mitgliedstaat die Geschäfte aufzunehmen und als Gesellschaft am Rechtsverkehr teilzunehmen. Die Umwälzung des Internationalen Gesellschaftsrechts durch den EuGH stellt auch das Internationale Zivilprozessrecht vor neuartige Problemstellungen. Diese sollen im Folgenden untersucht und die Kon_________ 1 EuGH v. 9.3.1999 – Rs C-212/97 – Centros Ltd. / Erhvervs-og Slskabsstyrelsen, Slg. 1999, I-1459 = ZIP 1999, 438 = NJW 1999, 2027. 2 EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-208/00 – Überseering B.V. ./. Nordic Construction Company Baumanagement GmbH, Slg. 2002, I-9919 = ZIP 2002, 2037 = NJW 2002, 3614. 3 EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01 – Kamer van Koophandel en Fabrieken voor Amsterdam ./. Inspire Art Ltd., ZIP 2003, 1885 = NJW 2003, 3331. 4 Kritisch dazu Kieninger, ZEuP 2004, 685. 5 Vgl. Altmeppen, NJW 2004, 97; Behrens, IPRax 2004, 20; Bayer, BB 2003, 2357; Eidenmüller, JZ 2004, 24; Horn, NJW 2004, 893 ff.; Kieninger, ZEuP 2004, 685, 692 ff.; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661; Zimmer, NJW 2003, 3585; Weller, IPRax 2003, 207 ff.

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sequenzen der EuGH-Rechtsprechung für das Europäische Zivilprozessrecht herausgearbeitet werden. Dabei wird der Fall einer Gesellschaft ins Auge gefasst, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU ihren Satzungssitz, in Deutschland aber ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat, wobei der Satzungssitz zu Illustrationszwecken im Vereinigten Königreich lokalisiert wird. Im Mittelpunkt der Analyse stehen dabei die Fragen der Parteifähigkeit (unten II) sowie die internationale Zuständigkeit für Klagen gegen Scheinauslandsgesellschaften (unten III – VIII) .

II. Ausländische Gesellschaften vor deutschen Gerichten 1. Parteifähigkeit von Scheinauslandsgesellschaften Gemäß § 50 Abs. 1 ZPO ist im deutschen Zivilprozess parteifähig, wer rechtsfähig ist.6 Die Verknüpfung der Parteifähigkeit mit der Rechtsfähigkeit macht bei natürlichen Personen kaum Probleme, weil Menschen in allen zivilisierten Rechtsordnungen Rechts- und Parteifähigkeit genießen.7 Schwieriger wird es bei Personenvereinigungen, weil die Voraussetzungen für die Anerkennung einer juristischen Person von verschiedensten Voraussetzungen abhängig gemacht werden können, wobei der Variantenreichtum nur durch die beiden polaren Prinzipien der freien Körperschaftsbildung und der Konzessionierung begrenzt ist. Von der daraus resultierenden Gestaltungspraxis machen die verschiedenen Mitgliedstaaten intensiven Gebrauch, wie beispielsweise die unterschiedlichen Ansätze bei der Normierung eines bestimmten Mindestkapitals zeigen.8 Diese Unterschiede sind es, die eine vorbehaltlose Anerkennung ausländischer Gesellschaften problematisch erscheinen lassen. Die zivilprozessuale Seite der Problematik kulminiert in der Frage, ob Auslandsgesellschaften vor inländischen Gerichten Parteifähigkeit genießen, also „als solche“ vor Gericht stehen und einen Prozess im eigenen Namen führen können.9 _________ 6 Eingehend zu Geschichte und Problematik dieses Satzes Wagner, ZZP 117 (2004), 305, 306 f. 7 Birk in Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 10, 3. Aufl. 1998, Art. 7 EGBGB Rz. 3. 8 Vgl. Behrens, Die GmbH im internationalen und europäischen Recht, 2. Aufl. 1997. 9 Eingehend zu Begriff und Funktion der Parteifähigkeit Wagner, ZZP 117 (2004), 305, 308 f.

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Trotz der Aufregung um die neueste Rechtsprechung des EuGH zum Internationalen Gesellschaftsrecht wäre es ein Irrtum zu glauben, in der Vergangenheit seien Auslandsgesellschaften vor deutschen Zivilgerichten nicht parteifähig gewesen. Auch die Vorstellung, die Sitztheorie sei ein Instrument zur Abwehr von Auslandsgesellschaften tout court, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Nach der in Deutschland bis vor kurzem herrschenden Sitztheorie sind Auslandsgesellschaften nur solche Personenvereinigungen, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz im Ausland haben.10 Ist diese Voraussetzung erfüllt, kann die Gesellschaft als solche, d. h. als Gesellschaft ausländischen Rechts, selbstverständlich auch im Inland vor Gericht stehen, sofern das ausländische Gesellschaftsrecht ihr Parteifähigkeit verleiht.11 Wenn eine ausländische Kapitalgesellschaft beispielsweise die Anteile an einer deutschen AG oder GmbH erworben hatte und später gegen den Veräußerer wegen arglistiger Täuschung über den Wert des veräußerten Unternehmens vorgehen wollte, dann war ihr das selbstverständlich auch schon vor Überseering möglich. Die Sitztheorie führte also nicht zur Diskriminierung von Auslandsgesellschaften mit Verwaltungssitz im Ausland, sondern allein von sog. Scheinauslandsgesellschaften, deren tatsächlicher Verwaltungssitz im Inland belegen ist.12 Diese werden von der Sitztheorie als inländische Gesellschaften identifiziert und damit den Normativbestimmungen des deutschen Korporationsrechts unterworfen.13 Den darin aufgehobenen Anforderungen an die Rechtsfähigkeit werden die nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaften durchweg nicht gerecht; sie scheitern spätestens an dem Erfordernis der Eintragung im deutschen Handelsregister.14 Wegen der durch § 50 Abs. 1 ZPO vollzogenen Ankoppelung der Partei- an die Rechtsfähigkeit ist bzw. war es diesen Scheinauslandsgesellschaften verwehrt, vor deutschen Gerichten _________ 10 Großfeld in Staudinger, Kommentar zum BGB, 1998, IntGesR Rz. 38 ff., 97 ff., 167, 171; Kindler in MünchKomm BGB, Bd. 11, 3. Aufl. 1999, IntGesR Rz. 264 ff., 426, 448. 11 Bork in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1993, § 50 Rz. 36; Lindacher in MünchKomm ZPO, 2. Aufl. 2000, § 50 Rz. 67 ff.; Kindler in MünchKomm BGB (Fn. 10), Rz. 448; zur Frage, ob es auf die Rechtsfähigkeit oder auf die Parteifähigkeit der Gesellschaft nach ausländischem Personalstatut ankommt, sogleich unter 2. 12 Lindacher in MünchKomm ZPO (Fn. 11), § 50 Rz. 71. 13 BGHZ 51, 27, 28; 53, 181, 183; 78, 318, 334; 97, 269, 271; 151, 204, 206; Großfeld in Staudinger (Fn. 10), Rz. 38 ff., 265, 289 ff.; Kindler in MünchKomm BGB (Fn. 10), Rz. 264, 312 ff. 14 BGHZ 97, 269, 272; BGH, ZIP 2000, 967, 968.

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als Partei aufzutreten. Diese Rechtsfolgen ergeben sich nicht gleichsam zufällig aus der Anwendung der Sitztheorie, sondern sie markieren den teleologischen Kern eines kollisionsrechtlichen Prinzips, dem es um die Verhinderung des Eindringens von Scheinsauslandsgesellschaften in den deutschen Markt geht.15 Die Überseering-Entscheidung des EuGH hat dem Anliegen der Sitztheorie – Abwehr von Scheinauslandsgesellschaften – ebenso die normative Grundlage entzogen wie dem von ihr eingesetzten Mittel – Verneinung der Rechts- und Parteifähigkeit. Nach Auffassung des Gerichtshofs verstößt es gegen die Art. 43, 48 EG, „wenn einer Gesellschaft, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet sie ihren satzungsmäßigen Sitz hat, gegründet worden ist und von der nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats angenommen wird, dass sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz dorthin verlegt hat, in diesem Mitgliedstaat die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit […] abgesprochen wird.“16 Dabei hat der Gerichtshof ausdrücklich klargestellt, Überseering habe Anspruch darauf, „als Gesellschaft niederländischen Rechts in Deutschland von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen“, und die inländischen Gerichte seien verpflichtet, „die Rechtsfähigkeit und die Parteifähigkeit zu achten, die diese Gesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaats besitzt.“17 Damit ist jedenfalls im Bereich des Zivilprozessrechts und mit Blick auf Gesellschaften mit Satzungssitz in Staaten der EU die Sitztheorie erledigt,18 und für Korporationen mit Satzungssitz in den USA gilt nach der Rechtsprechung des BGH Entsprechendes.19 Für die Zwecke des § 50 Abs. 1 ZPO behält eine nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaft diesen Status auch dann bei, wenn ihr Verwaltungssitz ins Inland verlegt wird. Sie bleibt dann eine Auslandsgesellschaft, über deren Par_________ 15 Deutlich Kindler in MünchKomm BGB (Fn. 10), Rz. 269 ff.; Großfeld in Staudinger (Fn. 10), Rz. 65 ff. 16 EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-208/00 – Überseering, Slg. 2002, I-9919, 9975 Antwort Nr. 1 = ZIP 2002, 2037 = NJW 2002, 3614. 17 EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-208/00 – Überseering, Slg. 2002, I-9919, 9976 Antwort Nr. 2 sowie S. 9970 f. Nr. 80 f. = ZIP 2002, 2037. 18 So auch BGH, ZIP 2003, 718, 719; Beyer, BB 2003, 2357, 2362, 2363; Kieninger, ZEuP 2004, 685, 688 f.; Ebke, JZ 2003, 927, 929; vgl. auch Rehm in Eidenmüller (Hrsg.), Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 5 Rz. 124. 19 BGHZ 153, 353, 355 ff. = ZIP 2003, 720 = NJW 2003, 1607; eingehend unten IV 2 d) S. 252 ff.

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teifähigkeit weiter das Recht des Gründungsstaates entscheidet, wie es der Gründungstheorie entspricht.

2. Anknüpfung der Parteifähigkeit Soweit nach ausländischem Gründungsrecht der Nexus zwischen Rechts- und Parteifähigkeit aufgebrochen, die Gesellschaft also nur rechts-, nicht aber parteifähig ist, ist die Anwendung des § 50 Abs. 1 ZPO problematisch. Für die Wahl des Parteifähigkeitsstatuts kommen zwei verschiedene Anknüpfungen in Betracht. Entweder wird zunächst § 50 Abs. 1 ZPO angewendet und erst die Rechtsfähigkeit anhand des jeweiligen Personalstatuts bestimmt,20 oder das Personalstatut entscheidet bereits über die Parteifähigkeit des Gebildes, nicht über seine Rechtsfähigkeit.21 Hier sprechen die besseren Gründe dafür, das Personalstatut, also das Gründungsrecht der Gesellschaft, direkt über die Parteifähigkeit entscheiden zu lassen, anstatt den Umweg über die Rechtsfähigkeit zu gehen. In der Sache besteht kein Bedürfnis dafür, ausländische Personenvereinigungen an inländischen Prozessen zu beteiligen, die nach ihrem Heimatland nicht parteifähig sind und gegen die in ihrem Heimatland folglich auch nicht vollstreckt werden kann. Hat ein solches Gebilde allerdings im Inland Schulden gemacht, dann haben die inländischen Gläubiger ein schützenswertes Interesse an der Erlangung eines Vollstreckungstitels. Diesem Interesse kann durch Ausdehnung der passiven Parteifähigkeit in Analogie zu §§ 50 Abs. 2, 735 ZPO Rechnung getragen werden.22 Der BGH hat § 50 Abs. 2 ZPO wiederholt analog angewandt, wenn eine ausländische Gesellschaft, die in Deutschland in der Zeit vor Überseering23 nicht parteifähig war, gleichwohl im eigenen Namen Geschäfte tätigte, Schulden begründete oder gar als Wohnungseigentümerin in ein Grundbuch eingetragen worden war.24 In einem Urteil gegen eine niederländische Stiftung hat das Gericht den allgemeinen Rechtsgedanken postuliert, „dass Gebilde ohne _________ 20 So BGH, NJW 1965, 1666 (ohne Problematisierung); Heldrich in Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, Art. 7 EGBGB Rz. 2. 21 So BGHZ 51, 27, 28 f.; BGH, IPRax 2000, 21, 22; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl. 2002, Rz. 535. 22 BGHZ 97, 269, 270; Schack (Fn. 21), Rz. 531; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl. 2002, § 4 Rz. 22 f.; vgl. auch BGHZ 25, 311, 313 f. 23 Oben Fn. 17. 24 BGHZ 97, 269, 270.

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Rechtspersönlichkeit, die im Rechtsverkehr wie juristische Personen auftreten, unter bestimmten Voraussetzungen als solche wenigstens verklagt werden können, dann nämlich, wenn die Erfordernisse des redlichen Geschäftsverkehrs dies verlangen.“25 Mit diesem Instrumentarium ist auch heute noch Gesellschaften zu begegnen, die in Deutschland wirtschaftliche Aktivitäten entfalten, obwohl sie nach ihrem Gründungsrecht nicht parteifähig sind. Ein Bedürfnis für eine darüber hinausgehende Verleihung auch der aktiven Parteifähigkeit an Gebilde, die nach ihrem Heimatrecht keine Parteifähigkeit genießen,26 besteht nicht.27 Die Anerkennung der aktiven Parteifähigkeit ist in diesen Fällen auch europarechtlich nicht geboten, denn der EuGH hat in der Rechtssache Überseering die inländischen Gerichte zur Achtung der Parteifähigkeit einer Auslandsgesellschaft mit Verwaltungssitz im Inland nur insoweit verpflichtet, als sie diese „nach dem Recht ihres Gründungsstaats besitzt.“28 Generalanwalt Colomer hat in seinen Schlussanträgen in Überseering Anstoß daran genommen, dass das deutsche Zivilprozessrecht Auslandsgesellschaften nur die passive Parteifähigkeit zubilligte, die aktive aber vorenthielt.29 Zwar ist dem Generalanwalt darin zuzustimmen, dass es sich hierbei „eher um eine Abschreckungsmaßnahme oder um eine Sanktion [handelt]“,30 doch soweit die fragliche Gesellschaft nach ihrem eigenen Gründungsstatut keine aktive Parteifähigkeit genießt, ist diese Abschreckungsmaßnahme sowohl geboten als auch gerechtfertigt. Das deutsche Zivilprozessrecht ist demnach europarechtlich nicht gehalten, einer Auslandsgesellschaft zur aktiven Parteifähigkeit zu verhelfen, die ihr selbst nach ihrem Gründungsrecht vorenthalten bleibt.

_________ 25 BGH, NJW 1960, 1204, 1205. 26 Dafür Lindacher in MünchKomm ZPO (Fn. 12), § 50 Rz. 67, im Anschluss an Lüderitz in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1996, Anh. Art. 10 EGBGB Rz. 29. 27 Schack (Fn. 22), Rz. 533 f.; Wagner, ZZP 117 (2004), 305, 363 f. 28 EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-208/00 – Überseering, ZIP 2002, 2037, Leitsatz 2 sowie S. 2044 Nr. 80, 81. 29 EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-208/00 – Überseering, Slg. 2002, I-9919, 9934 f. Nr. 46. 30 Ebenda, S. 9935.

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III. Grundlagen des Europäischen Zuständigkeitsrechts 1. Rechtsgrundlagen Das autonome deutsche Zivilprozessrecht enthält keine spezifischen Vorschriften über die internationale Zuständigkeit, wenn man von den Sondervorschriften für Ehesachen in § 606a ZPO absieht. Im Übrigen folgt die internationale Zuständigkeit der örtlichen Zuständigkeit: Soweit sich die Zuständigkeit eines deutsches Gerichts auf der Grundlage der §§ 12 ff. ZPO begründen lässt, soweit reicht auch die deutsche Gerichtsbarkeit in Zivilsachen.31 Die Allokation der internationalen Zuständigkeit der Gerichte im europäischen Binnenmarkt wird durch die Verordnung über die Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungs-Verordnung geregelt, die zum 1.3.2002 das EuGVÜ als zentralen Rechtsakt des Europäischen Zivilprozessrechts abgelöst hat.32 Das EuGVÜ gilt allerdings auch heute noch im Verhältnis zu Dänemark, das der Ausweitung der Gemeinschaftskompetenzen durch den Amsterdamer Vertrag nicht zugestimmt hat.33 Gleiches gilt eigentlich auch für das Vereinigte Königreich und für Irland, die jedoch ausweislich von Art. 3 des Protokolls zum Amsterdamer Vertrag ihren Vorbehalt ausdrücklich nicht auf die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen bezogen haben. Damit ist die EuGVVO auch für diese Staaten verbindlich.34 Ob die EuGVVO auch dann den Vorrang vor dem nationalen Zivilprozessrecht beansprucht, wenn es um Streitigkeiten mit Bezügen lediglich zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat geht, ist strei_________ 31 Ständige Rechtsprechung; vgl. nur RGZ 126, 196, 198; BGHZ (GS) 44, 46 f.; 134, 116, 117; H. Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2003, Vor § 12 Rz. 32 f.; Geimer in Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, ZPR Rz. 37. 32 Vgl. Art. 76 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates v. 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. Nr. L 12 v. 16.1.2001, S. 1 ff.; über die Vorarbeiten zur EuGVVO berichtet Kohler, Revision des Brüsseler und Luganer Übereinkommens, in Gottwald (Hrsg.), Revision des EuGVÜ – Neues Schiedsverfahrensrecht, 2000, S. 1 ff. 33 Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 7. Aufl. 2002, Einl. Rz. 21; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl. 2004, Art. 1 EuGVVO Rz. 167 ff.; eingehend Kohler in Festschrift Geimer, 2002, S. 461, 468 ff.; Heß, NJW 2000, 23, 27 f. 34 Kropholler (Fn. 33), Einl. Rz. 20.

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tig.35 Würde auch die Auslandsberührung allein mit einem Drittstaat ausreichen, wäre die Zuständigkeit der deutschen Gerichte auch dann auf der Grundlage der EuGVVO zu bestimmen, wenn es beispielsweise um Streitigkeiten mit einer deutschen Scheinauslandsgesellschaft mit Satzungssitz in Delaware ginge.36 Dem EuGH war im Jahr 2000 die Klage einer kanadischen Gesellschaft gegen eine in Belgien ansässige Rückversicherung mit der Frage vorgelegt worden, ob die Zuständigkeitsvorschriften des EuGVÜ auch in diesem Fall Anwendung finden. Der Gerichtshof hat eine differenzierte Antwort gegeben und ausgesprochen, Art. 2 EuGVÜ (= Art. 2 EuGVVO) finde immer dann Anwendung, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat habe, ohne Rücksicht darauf, ob (auch) der Kläger seinen Sitz im Gebiet der Gemeinschaft oder in einem Drittstaat habe.37 Diese Formulierung wird in Erwägungsgrund Nr. 8 zur EuGVVO aufgegriffen, und in Art. 4 Abs. 1 EuGVVO heißt es ausdrücklich: „Hat der Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, so bestimmt sich vorbehaltlich der Artikel 22 und 23 die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedstaats nach dessen eigenen Gesetzen“. Die Konstellation, dass allein um die Zuständigkeit der Gerichte entweder eines Mitgliedstaats oder eines Drittstaats gestritten wird, lag dem EuGH zwar noch nicht vor, denn in der zitierten Entscheidung ging es allein um die Frage, ob die französischen oder die belgischen Gerichte zur Entscheidung des Falls berufen waren.38 Gleichwohl wird man im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1 EuGVVO davon ausgehen müssen, dass jedenfalls Art. 2 EuGVVO nicht voraussetzt, dass beide Parteien ihren Sitz im Gemeinschaftsgebiet haben. Folgerichtig beansprucht Art. 2 EuGVVO auch dann den Vorrang vor den §§ 12 ff. ZPO, wenn eine Scheinauslandsgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland und Satzungssitz in Delaware vor einem deutschen Gericht verklagt wird. Auf die weiteren Konsequenzen ist zurückzukommen.39 _________ 35 Ablehnend Jayme/Kohler, IPRax 2000, 454, 459; Schack (Fn. 22), Rz. 240; ohne Begründung auch BGHZ 109, 29, 34. 36 So Kropholler (Fn. 33), vor Art. 2 Rz. 8; Schlosser, EU-Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 2003, Vor Art. 2 Rz. 5 ff.; Geimer in Geimer/Schütze (Fn. 33), Einl. Rz. 234 ff.; Staudinger, IPRax 2000, 483 ff.; eingehend unten, IV 2 d), S. 252 ff. 37 EuGH v. 13.7.2000 – Rs C-412/98 – Group Josi Reinsurance Company SA ./. Universal General Insurance Company, Slg. 2000, I-5925, 5955 Nr. 47 = NJW 2000, 3121 = IPRax 2000, 520 m. Anm. Staudinger, 483. 38 Jayme/Kohler, IPRax 2000, 454, 459. 39 Vgl. unten IV 2 d) S. 252 ff.

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2. Die Rechtsprechung des EuGH Seitdem das Europäische Zuständigkeitsrecht mit der Unterzeichnung des EuGVÜ am 27.9.1968 aus der Taufe gehoben40 und die Auslegungskompetenz des EuGH mit dem Luxemburger Protokoll vom 3.6.1971 begründet worden ist,41 hat der Gerichtshof über 120 Entscheidungen zu zivilprozessualen Zuständigkeitsfragen getroffen.42 Dadurch ist ein beeindruckendes Gebäude von Regeln der internationalen Zuständigkeit entstanden, das auf festen normativen Grundprinzipien beruht. Der Gerichtshof hat sich nicht gescheut, diese Grundprinzipien offen auszusprechen und in Zweifelsfällen das richtige Ergebnis durch explizite Diskussion der maßgeblichen Entscheidungsfaktoren zu begründen. Dank dieses offenen und prinzipienverhafteten Entscheidungsstils erscheint die Judikatur des EuGH der teilweise unreflektierten und starren Dogmatik des nationalen Zuständigkeitsrechts als überlegen. Diese Judikatur wird ihre Gültigkeit auch nach dem Übergang zur EuGVVO behalten, zumal die Eingriffe in das überkommene System des Zuständigkeitsrechts eher geringfügig ausgefallen sind. Im Folgenden wird deshalb ohne weiteres auf die Entscheidungspraxis des EuGH zum EuGVÜ zurückgegriffen und eine Erläuterung lediglich dann angefügt, wenn der Wortlaut der EuGVVO in einem bestimmten Punkt von demjenigen des EuGVÜ abweicht.

3. Der Grundsatz autonomer Auslegung Der EuGH legt die zentralen Begriffe der EuGVVO autonom aus.43 Dieser methodische Ansatz schließt es zwar nicht aus, die Haltung der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf ein bestimmtes Problem Revue passieren zu lassen, behält jedoch dem Europarecht bzw. dem zu seiner Interpretation und Anwendung berufenen EuGH das letzte Wort vor. So legt der Gerichtshof bereits den Begriff der „Zivil- und Handelssache“ in Art. 1 Abs. 1 EuGVVO autonom aus, um

_________ 40 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 1972 II, 774. 41 BGBl. 1972 II, 846. 42 Umfassende Nachweise bei Geimer/Schütze (Fn. 33), S. XXXV ff. 43 Zusammenfassend EuGH v. 9.1.1997 – Rs C-383/95 – Rutten ./. Cross Medical Ltd, Slg. 1997, I-57, 74 f. Nr. 12 f. = IPRax 1999, 332 m. Bespr. Mankowski.

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ihn zur Materie des Insolvenzrechts abzugrenzen.44 Auch die für die besonderen Zuständigkeiten des Art. 5 Nr. 1, 3, 5 EuGVVO zentralen Begriffe „Vertrag“,45 „unerlaubte Handlung“46 und „Zweigniederlassung“47 werden aus dem Europäischen Zuständigkeitsrecht heraus interpretiert,48 und Gleiches gilt für den Begriff der „Gerichtsstandsvereinbarung“, deren Zustandekommen und Wirksamkeit in Art. 23 EuGVVO

_________ 44 EuGH v. 14.10.1976 – Rs 29/76 – LTU Lufttransportunternehmen GmbH & Co KG ./. Eurocontrol, Slg. 1976, 1541, 1550 Nr. 3 = NJW 1977, 489 m. Anm. Geimer; EuGH v. 22.2.1979 – Rs 133/78 – Henri Gourdain ./. Franz Nadler, Slg. 1979, 733, 743 Nr. 3 = RIW 1979, 273 = KTS 1979, 268; vgl. auch EuGH v. 15.5.2003 – Rs C-266/01 – Préservatrice foncière Tiard SA ./. Staat der Nederlanden, Slg. 2003, I-4881, 4889 Nr. 20 = IPRax 2003, 528. 45 EuGH v. 22.3.1983 – Rs 34/82 – Martin Peters Bauunternehmung GmbH ./. Zuid Nederlandse Aannemers Vereniging, Slg. 1983, 987, 1002, Nr. 10 = RiW 1983, 871 = IPRax 1984, 85; EuGH v. 27.10.1998 – Rs C-51/97 – Réunion européenne SA ./. Spliethoff’s Bevrachtingskantoor BV u. a., Slg. 1998 I-6511, 6541 Nr. 15 = EuZW 1999, 59; EuGH v. 17.9.2002 – Rs C-334/00 – Fonderie Officine Meccaniche Tacconi SpA ./. Heinrich Wagner Sinto Maschinenfabrik GmbH, Slg. 2002, I-7357, 7392 Nr. 19 = NJW 2003, 3159 = IPRax 2003, 143 mit Anm. Mankowski 127; EuGH v. 1.10.2002 – Rs C-167/00 – Verein für Konsumenteninformation ./. Karl Heinz Henkel, Slg. 2002, I-8111, 8139 Nr. 35 = NJW 2002, 3617. 46 EuGH v. 27.9.1988 – Rs 189/87 – Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co., Slg. 1988, 5565, 5584 f. Nr. 15 f. = NJW 1988, 3088 m. Anm. Geimer = IPRax 1989, 288; EuGH v. 17.9.2002 – Rs C-334/00 – Fonderie Officine Meccaniche Tacconi SpA ./. Heinrich Wagner Sinto Maschinenfabrik GmbH, Slg. 2002, I-7357, 7392 Nr. 19 = NJW 2003, 3159 = IPRax 2003, 143 mit Anm. Mankowski 127; vgl. auch EuGH v. 22.3.1983 – Rs 34/82 – Martin Peters Bauunternehmung GmbH ./. Zuid Nederlandse Aannemers Vereniging, Slg. 1983, 987 = RIW 1983, 871 = IPRax 1984, 85; EuGH v. 8.3.1988 – Rs 9/87 – SPRL Arcado und SA Hauiland, Slg. 1988, 1539 = NJW 1989, 1424; EuGH v. 27.10.1998 – Rs C-51/97 – Réunion européenne SA ./. Spliethoff’s Bevrachtingskantoor BV u. a., Slg. 1998, I-6511, 6543 Nr. 22 = EuZW1999, 59. 47 EuGH v. 22.2.1978 – Rs 33/78 – Somafer SA ./. Saar-Ferngas AG, Slg. 1978, 2183, 2192 Nr. 8 = RIW 1979, 56. 48 Zusammenfassend EuGH v. 22.3.1983 – Rs 34/82 – Martin Peters Bauunternehmung GmbH ./. Zuid Nederlandse Aannemers Vereniging, Slg. 1983, 987, 1002, Nr. 10 = RIW 1983, 871 = IPRax 1984, 85; EuGH v. 1.10.2002 – Rs C-167/00 – Verein für Konsumenteninformation ./. Karl Heinz Henkel, Slg. 2002 I-8111, 8139 Nr. 35 = NJW 2002, 3617.

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geregelt ist,49 sowie für denjenigen des Verbrauchervertrags, an dessen Vorliegen Art. 15 ff. EuGVVO besondere Zuständigkeitsregeln knüpft.50 Eine für die Praxis wichtige Ausnahme vom Grundsatz autonomer Auslegung betrifft den „Erfüllungsort“ i. S. d. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ/EuGVVO, der nach der sog. Tessili-Rechtsprechung mit Hilfe der lex causae, also durch Rückgriff auf das anwendbare Kauf- und Schuldrecht zu lokalisieren ist.51 Ob diese Ausnahme die Ablösung des EuGVÜ durch die EuGVVO überdauern wird, bleibt abzuwarten.52

4. Actor sequitur forum rei Gemäß Art. 2 Abs. 1 EuGVVO „sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedsstaats zu verklagen.“ Die EuGVVO folgt damit dem in ganz Europa anerkannten Prinzip des actor sequitur forum rei, indem sie einen allgemeinen Gerichtsstand für sämtliche Klagen gegen eine Person zur Verfügung stellt und diesen Gerichtsstand am Wohnsitz des potentiellen Beklagten fixiert. Obwohl die deutsche Literatur zum Zivilprozessrecht dem Grundsatz des Beklagtengerichtsstands kritisch bis ablehnend gegenüber steht,53 ist es in Wahrheit ohne überzeugende Alternative.54 Dementsprechend hat der EuGH das Prinzip des actor sequitur forum rei in seiner Rechtsprechung von Beginn an als Strukturprinzip des EuGVÜ anerkannt,55 _________ 49 EuGH v. 10.3.1992 – Rs C-214/89 – Powell Duffryn plc ./. Wolfgang Petereit, Slg. 1992, I-1745, 1773 f. Nr. 11 ff. = IPRax 1993, 32 mit Anm. Koch 19. 50 EuGH v. 11.7.2002 – Rs C-96/00 – Rudolf Gabriel, Slg. 2002, I-6367, 6399 Nr. 37 = NJW 2002, 2697 = ZEuP 2004, 762 mit Bespr. Staudinger. 51 EuGH v. 6.10.1976 – Rs 12/76 – Industrie Tessili Italiana Group ./. Dunlop AG, Slg. 1976, 1473, 1486 Nr. 13 f. = NJW 1977, 491 m. Anm. Geimer. 52 Eingehend unten VII 1 a) S. 267 ff. 53 Grundlegend Jochen Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, S. 232 ff.; vgl. auch Bucher, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, 1998, S. 85 ff. 54 Übereinstimmend Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 599 ff. 55 Grundlegend EuGH v. 30.11.1976 – Rs 21/76 – Handelswerkerij G. J. Bier B. V. ./. Mines Potasse d’Alsace S. A., Slg. 1976, 1735, 1746 f. = NJW 1977, 493 = RIW 1977, 356 m. Anm. Linke; besonders deutlich zuletzt EuGH v. 13.7.2000 – Rs C-412/98 – Group Josi Reinsurance Company SA ./. Universal General Insrance Company, Slg. 2000, I-5925, 5952 Nr. 35 = IPRax 2000, 520 mit Anm. Staudinger 483, und EuGH v. 19.2.2002 – Rs C-256/00 – Besix SA ./. Wasser-

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und daran wird sich auch unter der EuGVVO nichts ändern. In den Augen des Gerichtshofs liegt dem Europäischen Zivilprozessrecht ein ausbalanciertes System zugrunde, das aus einem allgemeinen, beim Sitz des Beklagten lokalisierten Gerichtsstand und einer Mehrzahl klar definierter Sonderzuständigkeiten besteht, unter denen der Kläger die Wahl hat.56 Die Sonderzuständigkeiten beruhen darauf, „dass zwischen der Streitigkeit und anderen Gerichten als denen des Staates, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, eine besonders enge Beziehung be_________ reinigungsbau Alfred Kretschmar GmbH & Co KG, Planungs- und Forschungsgesellschaft Dipl. Ing. W. Kretzschmar GmbH & Co KG, Slg. 2002, I-1699, 1732 f. Nr. 52 = NJW 2002, 1407; vgl. weiter EuGH v. 6.10.1976 – Rs 12/76 – Industrie Tessili Italiana Group ./. Dunlop AG, Slg. 1976, 1473, 1485 f. Nr. 12 f. = NJW 1977, 491 m. Anm. Geimer; EuGH v. 27.9.1988 – Rs 189/87 – Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co., Slg. 1988, 5565, 5583 Nr. 7 f. = NJW 1988, 3088 m. Anm. Geimer; EuGH v. 17.6.1992 – Rs C-26/91 – Jakob Handte & Co. GmbH Maschinenfabrik ./. Traitements mécano-chimques des sufaces SA, Slg. 1992, I-3967, 3994 Nr. 14 = JZ 1990, 90 mit Anm. Pfeiffer = RIW 1994, 680; EuGH v. 19.1.1993 – Rs C-89/91 – Shearson Lehman Hutton Inc. ./. TVB Treuhand für Vermögensverwaltung und Beteiligungen mbH, Slg. 1993, I-139, 187 Nr. 14 ff. = NJW 1993, 1251; EuGH v. 19.9.1995 – Rs C-364/93 – Antonio Marinari ./. Lloyds Bank plc und Zubaidi Trading Company, Slg. 1995, I-2719, 2739 Nr. 13 = JZ 1995, 1107 m. Anm. Geimer = EuZW 1995, 765 m. Anm Holl; EuGH v. 27.10.1998 – Rs C 51/97 – Réunion européenne SA ./. Spliethoff’s Bevrachtingskantoor BV u. a., Slg. 1998, I-6511, 6541 f. Nr. 16 = EuZW 1999, 59. 56 Grundlegend wiederum EuGH v. 30.11.1976 – Rs 21/76 – Handelswerkerij G. J. Bier B. V. ./. Mines Potasse d’Alsace S. A., Slg. 1976, 1735, 1746 f. = NJW 1977, 493 = RIW 1977, 356 m. Anm. Linke; zuletzt EuGH v. 19.2.2002 – Rs C 256/00 – Besix SA ./. Wasserreinigungsbau Alfred Kretschmar GmbH & Co KG, Planungs- und Forschungsgesellschaft Dipl. Ing. W. Kretzschmar GmbH & Co KG, Slg. 2002, I-1699, 1733 Nr. 53 = NJW 2002, 1407; vgl. weiter EuGH v. 6.10.1976 – Rs 12/76 – Industrie Tessili Italiana Group ./. Dunlop AG, Slg. 1976, 1473, 1485 f. Nr. 12 = NJW 1977, 491 m. Anm. Geimer; EuGH v. 14.12.1977 – Rs 73/77 – Theodorus Engelbertus Sanders ./. Ronald van der Putte, Slg. 1977, 2383, 2389 f. = NJW 1978, 1007; EuGH v. 22.3.1983 – Rs 34/82 – Martin Peters Bauunternehmung GmbH ./. Zuid Nederlandse Aannemers Vereniging, Slg. 1983, 987, 1002, Nr. 11 = RIW 1983, 871 = IPrax 1984, 85; EuGH v. 27.9.1988 – Rs 189/87 – Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co., Slg. 1988, 5565, 5583 Nr. 7 f. = NJW 1988, 3088 m. Anm. Geimer; EuGH v. 7. 3. 1995 – Rs C-68/93 – Shevill u. a. ./. Presse Alliance S. A., Slg. 1995, 415, 459 Nr. 19 = NJW 1995, 1881 = EuZW 1995, 248 = ZUM 1995, 858 = ZZPInt 1 (1996), 145 mit Bespr. Rauscher 151 = ZEuP 1996, 295 mit Bespr. P. Huber, 300–313 = IPRax 1997, 111 mit Bespr. Kreuzer/ Klötgen 90.

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steht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses eine Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt“.57 Diese besondere Beziehung kann sich aus einer spezifischen Sach- und Beweisnähe des an einem bestimmten Ort sitzenden Gerichts ergeben, wie etwa im Fall des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO58 und im Fall der besonderen Zuständigkeit für Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung nach Art. 5 Nr. 5 EuGVVO,59 eventuell verbunden mit dem Bedürfnis nach Konzentration miteinander verbundener Streitigkeiten an einem einzigen Gericht wie im Fall des Vertragsgerichtsstands des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO.60 Ein anderer wesentlicher Grund für die Begründung eines Gerichtsstands an einem anderen Ort als dem Wohnsitz des Beklagten ist das Bedürfnis nach Schutz der schwächeren Prozesspartei, das etwa in den Sonderzuständigkeiten für Versicherungssachen

_________ 57 EuGH v. 11.1.1990 – Rs C-220/88 – Dumez France und Tracoba ./. Hessische Landesbank (Helaba) und andere, Slg. 1990, I-49, 79 f. Nr. 17 = NJW 1991, 631; EuGH v. 7. 3. 1995 – Rs C-68/93 – Shevill u. a. ./. Presse Alliance S. A., Slg. 1995, 415, 459 Nr. 19 = NJW 1995, 1881 = EuZW 1995, 248. 58 Besonders deutlich: EuGH v. 30.11.1976 – Rs 21/76 – Handelswerkerij G. J. Bier B. V. ./. Mines Potasse d’Alsace S. A., Slg. 1976, 1735, 1746 = NJW 1977, 493; EuGH v. 1.10.2002 – Rs C-167/00 – Verein für Konsumenteninformation ./. Karl Heinz Henkel, Slg. 2002, I-8111, 8142 Nr. 46 = NJW 2002, 3617; vgl. weiter EuGH v. 11.1.1990 – Rs C-220/88 – Dumez France und Tracoba ./. Hessische Landesbank (Helaba) und andere, Slg. 1990, I-49, 80 Nr. 21 = NJW 1991, 631; EuGH v. 7. 3. 1995 – Rs C-68/93 – Shevill u. a. ./. Presse Alliance S. A., Slg. 1995, 415, 462 Nr. 31 = NJW 1995, 1881; EuGH v. 27.10.1998 – Rs C-51/97 – Réunion européenne SA ./. Spliethoff’s Bevrachtingskantoor BV u. a., Slg. 1998, I-6511, 6544 Nr. 27 = EuZW 1999, 59. 59 EuGH v. 22.2.1978 – Rs 33/78 – Somafer SA ./. Saar-Ferngas AG, Slg. 1978, 2183, 2192 Nr. 7 = RIW 1979, 56; EuGH v. 9.12.1987 – Rs 218/86 – SAR Schotte GmbH ./. Parfums Rothschild SARL, Slg. 1987, 4905, 4919 Nr. 9 = NJW 1988, 625. 60 EuGH v. 6.10.1976 – Rs 12/76 – Industrie Tessili Italiana Group ./. Dunlop AG, Slg. 1976, 1473 = NJW 1977, 491 m. Anm. Geimer, 1486 Nr. 13; EuGH v. 22.3.1983 – Rs 34/82 – Martin Peters Bauunternehmung GmbH ./. Zuid Nederlandse Aannemers Vereniging, Slg. 1983, 987, 1002, Nr. 12 = RIW 1983, 871 = IPRax 1984, 85; EuGH v. 19.2.2002 – Rs C-256/00 – Besix SA ./. Wasserreinigungsbau Alfred Kretschmar GmbH & Co KG, Planungs- und Forschungsgesellschaft Dipl. Ing. W. Kretzschmar GmbH & Co KG, Slg. 2002, I-1699, 1727 f. Nr. 31 = NJW 2002, 1407.

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(Art. 8 ff. EuGVVO), Verbrauchersachen (Art. 15 ff. EuGVVO)61 und Arbeitssachen (Art. 18 ff. EuGVVO)62 zum Ausdruck kommt.

5. Begrenzung der Sonderzuständigkeiten Das europäische Zuständigkeitsrecht hat sich demnach klar gegen ein forum actoris entschieden, so dass die besonderen und ausschließlichen Gerichtsstände der Art. 5 ff., 22 EuGVVO auf die dort geregelten Fallgruppen zu beschränken sind.63 Der EuGH ist dabei stets darauf bedacht, eine Verdoppelung oder Vervielfachung der Zuständigkeiten im Interesse der Rechtssicherheit zu vermeiden.64 Wie ernst es dem Ge_________ 61 EuGH v. 19.1.1993 – Rs C-89/91 – Shearson Lehman Hutton Inc. ./. TVB Treuhand für Vermögensverwaltung und Beteiligungen mbH, Slg. 1993, I-139, 187 Nr. 18 = NJW 1993, 1251; EuGH v. 11.7.2002 – Rs C-96/00 – Rudolf Gabriel, Slg. 2002, I-6367, 6400 Nr. 41, 6404 Nr. 58 = NJW 2002, 2697 = ZEuP 2004, 762 mit Bespr. Staudinger. 62 EuGH v. 15.2.1989 – Rs 32/88 – Six Constructions Ltd ./. Humbert, Slg. 1989, I-341, 364 Nr. 18 = RIW 1990, 139 = IPRax 1990, 173. 63 EuGH v. 6.10.1976 – Rs 14/76 – Ets. A. de Bloos SPRL ./. Societé en commandite par actions Bouyer, Slg. 1976, 1497, 1508 Nr. 8 f. = NJW 1977, 490 m. Anm. Geimer; EuGH v. 22.2.1978 – Rs 33/78 – Somafer SA ./. Saar-Ferngas AG, Slg. 1978, 2183, 2192 Nr. 7 = RIW 1979, 59; EuGH v. 27.9.1988 – Rs 189/87 – Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co., Slg. 1988, 5565, 5585 Nr. 19 = NJW 1988, 3088 m. Anm. Geimer; EuGH v. 15.2.1989 – Rs 32/88 – Six Constructions Ltd ./. Humbert, Slg. 1989, I-341, 364 Nr. 18 = RIW 1990, 139; EuGH v. 11.1.1990 – Rs-C 220/88 – Dumez France und Tracoba ./. Hessische Landesbank (Helaba) und andere, Slg. 1990, I-49, 79 Nr. 16 = NJW 1991, 631; EuGH v. 19.1.1993 – Rs C-89/91 – Shearson Lehman Hutton Inc. ./. TVB Treuhand für Vermögensverwaltung und Beteiligungen mbH, Slg. 1993, I-139, 187 Nr. 16 = NJW 1993, 1251; EuGH v. 27.10.1998 – Rs C-51/97 – Réunion européenne SA ./. Spliethoff’s Bevrachtingskantoor BV u. a., Slg. 1998, I-6511, 6541 f. Nr. 16 = EuZW 1999, 59; EuGH v. 13.7.2000 – Rs C-412/98 – Group Josi Reinsurance Company SA ./. Universal General Insurance Company, Slg. 2000, I, 5925, 5952 f. Nr. 36 = IPRax 2000, 520 m. Anm. Staudinger 483. 64 Besonders deutlich EuGH v. 4.3.1982 – Rs 38/81 – Effer S.p.A. ./. Hans-Joachim Kantner, Slg. 1982, 825, 834 Nr. 6 = RIW 1982, 280; EuGH v. 22.3.1983 – Rs 34/82 – Martin Peters Bauunternehmung GmbH ./. Zuid Nederlandse Aannemers Vereniging, Slg. 1983, 987, 1003 Nr. 17 = RIW 1983,871 = IPRax 1984, 85; EuGH v. 19.2.2002 – Rs C-256/00 – Besix SA ./. Wasserreinigungsbau Alfred Kretschmar GmbH & Co KG, Planungs- und Forschungsgesellschaft Dipl. Ing. W. Kretzschmar GmbH & Co KG, Slg. 2002, I-1699, 1726 f. Nr. 27 = NJW 2002, 1407; EuGH v. 11.7.2002 – Rs C-96/00 – Rudolf Gabriel, Slg. 2002, I-6367, 6404 Nr. 57 = NJW 2002, 2697 = ZEuP 2004, 762 m. Bespr. Staudinger.

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richtshof mit dem Bemühen um Vermeidung einer Häufung von Sonderzuständigkeiten ist, zeigt sich daran, dass er beispielsweise die Tatortregel des Deliktsgerichtsstands gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO bewusst restriktiv anwendet und dabei besonders darauf Bedacht nimmt, nicht unversehens bei einem forum actoris zu landen.65 Im Rahmen des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO ist der Gerichtshof sogar dazu bereit, einen an sich eindeutig gegebenen Gerichtsstand am Erfüllungsort gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVVO zu verneinen, wenn sich sonst die Zuständigkeit der Gerichte sämtlicher Mitgliedstaaten ergäbe, weil die streitgegenständliche vertragliche Unterlassungspflicht ohne geographische Begrenzung gilt.66 Führt die Anwendung der Art. 5 ff. EuGVVO zu einer unangemessenen Häufung von Zuständigkeiten, setzt sich das Grundprinzip des actor sequitur forum rei wieder durch und verdrängt die potentiellen Sondergerichtsstände. Auf derselben Linie fortfahrend hat es der Gerichtshof auch achselzuckend hingenommen, wenn ein Arbeitnehmer, der seine Arbeitsleistung für ein europäisches Unternehmen, aber an wechselnden Orten außerhalb der Gemeinschaft erbracht hat, nicht in den Genuss eines innergemeinschaftlichen Gerichtsstands des Erfüllungsorts gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVVO kommt.67 Die in Art. 23 EuGVVO normierten Voraussetzungen für eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung werden restriktiv gehandhabt, um die Aushöhlung des Zuständigkeitssystems des Europäischen Zivilprozessrechts und des diesem zugrunde liegenden actor-sequitur-Prinzips zu verhindern.68 _________ 65 Besonders deutlich EuGH v. 27.10.1998 – Rs C-51/97 – Réunion européenne SA ./. Spliethoff’s Bevrachtingskantoor BV u. a., Slg. 1998, I-6511, 6546 Nr. 34 = EuZW 1999, 59. 66 EuGH v. 19.2.2002 – Rs C-256/00 – Besix SA ./. Wasserreinigungsbau Alfred Kretschmar GmbH & Co KG, Planungs- und Forschungsgesellschaft Dipl. Ing. W. Kretzschmar GmbH & Co KG, Slg. 2002, I-1699, 1728 ff. Nr. 34 ff., 50 = NJW 2002, 1407. 67 EuGH v. 15.2.1989 – Rs 32/88 – Six Constructions Ltd ./. Humbert, Slg. 1989, I-341, 363 f. Nr. 16 ff. = RIW 1990, 139 = IPRax 1990, 173. Anders bei wechselnden Arbeitsorten innerhalb der Gemeinschaft EuGH v. 27.2.2002 – Rs 37/00 – Herbert Weber ./. Universal Ogden Services Ltd, Slg. 2002, I-2013, 2045 ff. Nr. 42 ff. = IPRax 2003, 45 m. Anm. Mankowski 21 = ZZPInt 2002, 220 m. Anm. Junker. Die Zuständigkeit für Arbeitsstreitigkeiten ist mit der EuGVVO aus Art. 5 Nr. 1 herausgenommen und in den Art. 18 ff. EuGVVO gesondert geregelt worden. Als Vorbild fungierten dabei die Sonderzuständigkeiten in Versicherungs- und Verbrauchersachen (vgl. jetzt Art. 8 ff., 15 ff. EuGVVO); vgl. dazu Kohler (Fn. 32), S. 16 ff.; Junker, RIW 2002, 569, 574 f. 68 EuGH v. 20.2.1997 – Rs C-106/95 – Mainschiffahrts-Genossenschaft eG ./. Les Gravières Rhénanes SARL, Slg. 1997, I-911, 939 Nr. 14 = NJW 1997, 1431.

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Schließlich hat der Gerichtshof angemahnt, die Kompetenzen des Art. 22 EuGVVO dürften „nicht weiter ausgelegt werden, als dies sein Ziel erforderlich macht“, um zu vermeiden, dass die Parteien vor ein Gericht ziehen müssen, an dem keine von ihnen ihren allgemeinen Gerichtsstand hat.69 Darauf wird im Zusammenhang zurückzukommen sein.70 Bei der Auslegung der Art. 5, 22 EuGVVO versteht sich der EuGH aber nicht ausschließlich als Hüter der Maxime des actor sequitur forum rei; daneben treten die Prärogativen der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit. Der Gerichtshof müht sich um eine möglichst klare und eindeutige Konturierung der Sonderzuständigkeiten, damit „ein Kläger ohne Schwierigkeiten festzustellen vermag, welches Gericht er anrufen kann, und einem verständigen Beklagten erkennbar wird, vor welchem Gericht er verklagt werden kann“.71 So kann sich beispielsweise eine Kapitalgesellschaft selbst dann nicht auf die in den Art. 15 ff. EuGVVO eröffnete Zuständigkeit des forum actoris für Verbrauchersachen berufen, wenn sie einen ihr abgetretenen Anspruch aus einem Verbrauchervertrag geltend macht.72 Ausnahmen zu einzelnen der in Art. 22 EuGVVO aufgezählten Domänen ausschließlicher Zuständigkeit, die _________ 69 Grundlegend EuGH v. 10.1.1990 – Rs C-115/88 – Reichert u. a. ./. Dresdner Bank, Slg. 1990, I-27, 41 Nr. 9 = RIW 1991, 631 = IPRax 1991, 45; vgl. weiter EuGH v. 26.2.1992 – Rs C-280/90 – Hacker ./. Euro-Relais GmbH, Slg. 1992, I-1111, 1132 Nr. 12 = NJW 1992, 1029; EuGH v. 9.6.1994 – Rs C-292/93 – Lieber ./. Göbel und Göbel, Slg. 1994, I-2535, 2550 Nr. 12 = NJW 1995, 37; vgl. auch den ähnlichen Fall EuGH v. 17.5.1994 – Rs C-294/92 – Webb ./. Webb, Slg. 1994, I-1717, 1738 Nr. 13 ff. = RIW 1994, 590. 70 Unten VI 1 S. 259 f. 71 EuGH v. 17.9.2002 – Rs C-334/00 – Fonderie Officine Meccaniche Tacconi SpA ./. Heinrich Wagner Sinto Maschinenfabrik GmbH, Slg. 2002, I-7357, 7392 Nr. 20 m. w. N. = NJW 2003, 3159 = IPRax 2003, 143 m. Anm. Mankowski 127; ähnlich bereits EuGH v. 14.12.1977 – Rs 73/77 – Theodorus Engelbertus Sanders ./. Ronald van der Putte, Slg. 1977, 2383, 2390 f. Nr. 17 f. = NJW 1978, 1107. 72 EuGH v. 19.1.1993 – Rs C-89/91 – Shearson Lehman Hutton Inc. ./. TVB Treuhand für Vermögensverwaltung und Beteiligungen mbH, Slg. 1993, I-139, 188 Nr. 22 = NJW 1993, 1251; EuGH v. 1.10.2002 – Rs C-167/00 – Verein für Konsumenteninformation ./. Karl Heinz Henkel, Slg. 2002, I-8111, 8138 f. Nr. 33 = NJW 2002, 3617; bestätigt in EuGH v. 11.7.2002 – Rs C-96/00 – Rudolf Gabriel, Slg. 2002, I-6367, 6399 Nr. 39 = NJW 2002, 2697 = ZEuP 2004, 762 m. Bespr. Staudinger.

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im Wortlaut der Kompetenznorm keinen Anhalt finden, akzeptiert der EuGH auch dann nicht, wenn sie sachlich noch so sinnvoll wären.73

6. Keine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs Eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs in dem Sinne, dass das aufgrund eines besonderen Zuständigkeitstitels kompetente Gericht auch über solche Ansprüche entscheiden könnte, die nicht unter den besonderen Zuständigkeitstitel fallen, um den Rechtsstreit umfassend zu erledigen,74 erkennt der Gerichtshof nicht an. Das Forum am Vertragsgerichtsstand kann folglich nicht über Deliktsansprüche entscheiden und umgekehrt.75 Allerdings hat der EuGH das forum actoris als Gerichtsstand für Ansprüche aus einem Verbrauchervertrag gemäß Art. 15 ff. EuGVVO auch auf den Anspruch aus einer Gewinnzusage erstreckt, wenn der Verbraucher zugleich einen Kaufvertrag mit dem Unternehmer abgeschlossen hatte.76

IV. Der Allgemeine Gerichtsstand 1. Der Wohnsitz als Anknüpfungsmoment der Zuständigkeit Es fällt nicht immer leicht, den Wohnsitz einer Person zu bestimmen, von dessen Lokalisierung Art. 2 Abs. 1 EuGVVO die Eröffnung der allgemeinen Zuständigkeit abhängig macht.77 Sämtliche nationalen Zivilrechte kennen Regelungen über die Lokalisierung des Wohnsitzes oder des domicile natürlicher Personen.78 In einem vereinheitlichten Recht _________ 73 EuGH v. 15.1.1985 – Rs 241/83 – Rösler ./. Rottwinkel, Slg. 1985, 99, 126 f. Nr. 21 ff. = NJW 1985, 905: Kurzfristiger Mietvertrag zwischen Inländern über im Ausland belegene Ferienwohnung begründet Zuständigkeit der Gerichte am locus rei sitae gemäß Art. 22 Nr. 1 EuGVVO. 74 Vgl. zum autonomen deutschen Zivilprozessrecht § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG und dazu BGH, NJW 2003, 826; eingehend zum Streitstand BGH, NJW 2002, 1425; Vollkommer in Zöller (Fn. 31), Einl. Rz. 85. 75 EuGH v. 27.9.1988 – Rs 189/87 – Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co., Slg. 1988, 5565, 5585 f. Nr. 19 f. = NJW 1988, 3088 m. Anm. Geimer. 76 EuGH v. 11.7.2002 – Rs C-96/00 – Rudolf Gabriel, Slg. 2002, I-6367, 6403 Nr. 54 f. = NJW 2002, 2697 = ZEuP 2004, 762 m. Bespr. Staudinger. 77 H. Roth in Stein/Jonas (Fn. 31) § 13 Rz. 2 m. w. N. 78 Vgl. den Überblick bei Schlosser, Bericht zum EuGVÜ, ABl. Nr. C 59, S. 71, 95 f. Nr. 71 ff.

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schafft die unterschiedliche Bestimmung der für die Fixierung des Wohnsitzes maßgeblichen Kriterien ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit. Für natürliche Personen hat die EuGVVO jedoch nichts daran geändert, dass das angerufene Gericht eines Mitgliedsstaats bei der Bestimmung des Wohnsitzes sein eigenes Recht – die lex fori – anwendet (Art. 59 Abs. 1 EuGVVO).79 In Deutschland sind damit die §§ 7 ff. BGB einschlägig; ergibt sich danach kein Wohnsitz im Inland, kann über die Fiktion des § 15 ZPO immer noch ein inländischer Wohnsitz ermittelt werden.

2. Der „Wohnsitz“ von Gesellschaften Die Lokalisierung des Sitzes einer Gesellschaft betrifft einen der wenigen Punkte, in denen die EuGVVO in praktisch relevanter Hinsicht von den Gerichtsstandsbestimmungen des EuGVÜ abweicht. Zum besseren Verständnis des aktuellen Rechtszustands unter der Verordnung und wegen der Fortgeltung der ursprünglichen Regelungen des EuGVÜ in bestimmten Fällen, wird zunächst jedoch die frühere Rechtslage geschildert (unten a, b), bevor auf Art. 60 EuGVVO (unten c) und schließlich auf die Zuständigkeit bei Beteiligung einer Gesellschaft aus einem Drittstaat eingegangen wird (unten d).

a) Die Rechtslage unter dem EuGVÜ Für Gesellschaften und juristische Personen enthielt noch das EuGVÜ in seinem Art. 53 Abs. 1 eine entsprechende Regelung. Dort hieß es: „Der Sitz von Gesellschaften und juristischen Personen steht für die Anwendung dieses Übereinkommens dem Wohnsitz gleich.“ Weiter: „Jedoch hat das Gericht bei der Entscheidung darüber, wo der Sitz sich befindet, die Vorschriften seines internationalen Privatrechts anzuwenden.“

aa) Der Kompromisscharakter des Art. 53 Satz 2 EuGVÜ Der Wortlaut des Art. 53 EuGVÜ legt Zeugnis ab von den Divergenzen und Schwierigkeiten im Bereich des europäischen Gesellschaftsrechts. Der erste Satz der Vorschrift, die den Wohnsitz von Gesellschaften an _________ 79 Kropholler (Fn. 33), Art. 59 Rz. 6.

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ihrem „Sitz“ lokalisiert, lässt in Wahrheit alle Fragen offen, weil nicht gesagt wird, ob es auf den Satzungssitz oder auf den Verwaltungssitz ankommt. Auch Satz 2 des Art. 53 EuGVÜ schweigt sich darüber aus und verweist statt dessen auf das Kollisionsrecht der lex fori. Das mit einer Klage gegen eine Gesellschaft oder juristische Person befasste Gericht hat also sein internationales Privatrecht darauf zu befragen, wo dieses den Sitz einer Gesellschaft lokalisiert. Diese Verweisung zielt wiederum auf das Personalstatut der Gesellschaft und damit auf den Gegensatz von Gründungs- und Sitztheorie.80 In Betracht kommt entweder die Anknüpfung an den Ort der Gesellschaftsgründung, der regelmäßig dem Ort der Inkorporation durch Eintragung in ein Register entspricht und in der Satzung als Sitz ausgewiesen wird, oder der Ort des tatsächlichen Verwaltungssitzes.81 Damit zeigt sich: Die für das internationale Zivilprozessrecht zu treffende Wahl zwischen Satzungssitz und Verwaltungssitz zur Anknüpfung des allgemeinen Gerichtsstands spiegelt sich in der kollisionsrechtlichen Entscheidung zwischen Gründungs- und Sitztheorie. Die Parallelität der Problemlage im Prozess- und Kollisionsrecht ebnete den Verfassern des EuGVÜ den Weg zum Kompromiss. Als das Vereinigte Königreich 1972 der EG beitrat, war man sich bewusst, dass damit das bis dato auf dem europäischen Kontinent noch relativ einheitliche Konzept des „Sitzes“ einer Gesellschaft endgültig gesprengt würde.82 Die Definition des Gesellschaftssitzes im Sinne des Orts, wo die Verwaltung der Gesellschaft tatsächlich geführt wird, hätte diejenigen Mitgliedstaaten verprellt, die der Gründungstheorie folgen und den Gesellschaftssitz am Ort ihres statutarischen Sitzes lokalisieren. In dieser Situation versöhnt Art. 53 EuGVÜ/LugÜ das Wünschbare mit dem Machbaren, indem er es den Gerichten der Gründungstheoriestaaten erlaubt, ihre Zuständigkeit auf sämtliche Gesellschaften auszudehnen, die im Gebiet ihrer Jurisdiktion ihren Satzungssitz hatten, während die der Sitztheorie verhafteten Mitgliedstaaten für die Zuständigkeit ihrer Gerichte weiter auf die Lokalisation des tatsächlichen Verwaltungssitzes in ihrem Staatsgebiet abstellen konnten. Damit war der Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Gesellschaftsrecht sichergestellt, und zwar im Binnenmarkt insgesamt, unabhängig _________ 80 Vgl. Kohler (Fn. 32), S. 10. 81 So die bisher h. M. in Deutschland; vgl. oben Fn. 13. 82 Schlosser (Fn. 78), S. 79 Nr. 75; Jenard, Bericht zum EuGVÜ, ABl. Nr. C 59, S. 1, 57.

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davon, ob der betreffende Mitgliedstaat der Sitz- oder der Gründungstheorie folgte. Der Preis für diesen eleganten Kompromiss besteht allerdings darin, dass sich konkurrierende Zuständigkeiten ergeben, wenn zugleich (1) Satzungssitz und tatsächlicher Verwaltungssitz bei einer Gesellschaft auseinanderfallen, also in verschiedenen Staaten liegen, und (2) die beteiligten Staaten nicht beide der Gründungstheorie folgen, sondern einer die Gründungs- und der andere die Sitztheorie zugrunde legt.83 Folgt die am tatsächlichen Verwaltungssitz geltende Rechtsordnung der Sitztheorie, werden die dort tätigen Gerichte ihre Zuständigkeit bejahen, und ebenso werden die Gerichte am Satzungssitz entscheiden, sofern dort die Gründungstheorie dominiert. Bei gewöhnlichen Passivprozessen der Gesellschaft geben die konkurrierenden Zuständigkeiten dem Kläger die Gelegenheit zum forum shopping, und bei den in Art. 16 Nr. 2 EuGVÜ, Art. 22 Nr. 2 EuGVVO geregelten Gestaltungsklagen mit ausschließlicher Zuständigkeit droht die Gefahr wechselseitiger Anerkennungshindernisse.84 Darauf ist im Zusammenhang mit diesen Streitgegenständen zurückzukommen.85

bb) Der Bezugspunkt der Verweisung und § 17 ZPO Vor dem eben geschilderten Hintergrund des Art. 53 EuGVÜ erstaunt es ein wenig, dass in Deutschland darüber gestritten wurde, ob die Verweisung auf das internationale Privatrecht wirklich wörtlich zu nehmen war, so dass es auf das Kollisionsrecht ankam,86 und nicht etwa auf das internationale Zivilprozessrecht.87 Auf der Grundlage der prozessualen Auffassung der in Art. 53 EuGVÜ enthaltenen Verweisung wäre sie auf § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu beziehen, dessen Wortlaut man nicht auf den ersten Blick ansieht, dass er auf den Satzungssitz der Ge_________ 83 84 85 86

Jenard (Fn. 82), S. 57. Jenard (Fn. 82), S. 57. Vgl. unten VI 3 b) S. 264 ff. So Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 6. Aufl. 1998, Art. 53 EuGVÜ Rz. 2; Schack (Fn. 20), Rz. 252; Gottwald in MünchKomm ZPO, 2. Aufl. 2002, Art. 53 EuGVÜ Rz. 6; Geimer in Geimer/Schütze (Fn. 33), Art. 60 EuGVVO Rz. 10. 87 So Schlosser (Fn. 36), Art. 60 EuGVVO Rz. 1; genauso Schnyder in Festschrift Schütze, 1999, S. 767, 770.

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sellschaft abstellt.88 Die Vorschrift verweist nämlich auf das materielle Gesellschaftsrecht, und nach den einschlägigen Bestimmungen der deutschen Korporationsstatute wird der Sitz der Gesellschaft durch die Satzung bzw. den Gesellschaftsvertrag fixiert, §§ 5 Abs. 1 AktG, 4a Abs. 1 GmbHG. Dabei wird eine gewisse Konvergenz des Satzungssitzes mit dem tatsächlichen Verwaltungssitz zwar angestrebt, strikte Kongruenz aber nicht verlangt. So hat gemäß §§ 5 Abs. 2 AktG, 4a Abs. 2 GmbHG der Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung lediglich „in der Regel“ für die Übereinstimmung von Satzungs- und Verwaltungssitz zu sorgen, wobei es noch nicht einmal notwendig auf den Sitz der tatsächlichen Verwaltung ankommt, sondern alternativ dazu auch auf den Ort abgestellt werden kann, an dem die Gesellschaft einen Betrieb hat oder an dem sich die Geschäftsleitung befindet. Zwar wird durch § 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO der allgemeine Gerichtsstand auch dort fixiert, „wo die Verwaltung geführt wird“, doch diese Regelung gilt nur subsidiär für den Fall, dass Satzung oder Gesellschaftsvertrag die Sitzfrage offen lassen.89 Fallen tatsächlicher Verwaltungssitz und statutarischer Sitz auseinander, kommt es ausschließlich auf Letzteren an, wie das RG bereits 1904 entschieden hat.90 Das deutsche Zivilprozessrecht konnte mit § 17 ZPO nur deshalb leben, weil es durch die Sitztheorie des Internationalen Gesellschaftsrechts vor Scheinauslandsgesellschaften geschützt wurde.91 Mit der Gründungstheorie ist § 17 ZPO in seinem herkömmlichen Verständnis nicht kompatibel, weil der allgemeine Gerichtsstand einer von Deutschland aus verwalteten Gesellschaft dann ggf. im Ausland, nämlich im Staat der Gründung bzw. des statutarischen Sitzes lokalisiert würde. Wie sich noch zeigen wird, zerbricht das Regelungskonzept des § 17 ZPO auch im Anwendungsbereich der Nachfolgevorschrift des Art. 53 EuGVÜ, nämlich des Art. 60 EuGVVO.92 _________ 88 RGZ 59, 106, 107 f.; Schack (Fn. 20), Rz. 251; Vollkommer in Zöller (Fn. 31), § 17 Rz. 9; Patzina in MünchKomm ZPO (Fn. 11), § 17 Rz. 10; v. Seuffert, ZPO, Bd. I, 11. Aufl. 1910, § 17 Anm. 1. Zu den Einzelheiten unten IV 2 c) bb) S. 249 f. 89 Vollkommer in Zöller (Fn. 31), § 17 Rz. 10. Als Beispiel wird die Gesellschaft bürgerlichen Rechts genannt; vgl. LG Bonn, NJW-RR 2002, 1399; Wertenbruch, NJW 2002, 324, 325 f.; Wagner, ZZP 117 (2004), 305, 339. 90 RGZ 59, 106, 108. 91 Vgl. oben Fn. 86. 92 Vgl. unten IV 2 c) bb) S. 249 ff.

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b) Fortgeltung des Art. 53 EuGVÜ/LugÜ Im Verhältnis zu Dänemark gelten bis heute unverändert die Art. 2 Abs. 1, Art. 53 EuGVÜ, weil Dänemark die Erweiterung der Kompetenzen der Gemeinschaft durch den Amsterdamer Vertrag nicht mitgetragen hat.93 Da die Grundfreiheiten des EG-Vertrags indessen auch für dänische Gesellschaften gelten, tritt das Problem auf, dass auf der Basis der Gründungstheorie der allgemeine Gerichtsstand einer nach dänischem Recht gegründeten, aber von Deutschland aus verwalteten Gesellschaft gemäß Art. 53 EuGVÜ in Dänemark zu lokalisieren wäre. Da Art. 53 EuGVÜ keinen Spielraum zur Abweichung von den Regeln des internationalen Privatrechts lässt, müssten hier die Gläubiger der Gesellschaft wohl tatsächlich nach Dänemark geschickt werden, soweit sich keine Sonderzuständigkeit in Deutschland begründen lässt. Angesichts des Bemühens des EuGH, den Kreis der besonderen (Art. 5 f. EuGVVO) und ausschließlichen Zuständigkeiten (Art. 22 EuGVVO) klein zu halten,94 ist dies keine ermutigende Perspektive. Darüber hinaus lebt Art. 53 EuGVÜ in Art. 53 des Luganer Übereinkommens (LugÜ) fort, wobei sich der Kreis der Vertragsstaaten, die nicht zur EU gehören und insofern an die EuGVVO gebunden sind, nach der Norderweiterung im Jahr 1996 auf Island, Norwegen und die Schweiz beschränkt.95 Das Szenario einer schweizerischen Scheinauslandsgesellschaft mit Hauptverwaltungssitz in Deutschland scheitert nicht schon am schweizerischen Recht, das „seinen“ Gesellschaften die „Ausreise“ durchaus ermöglicht,96 und es scheint auch aus deutscher Sicht nicht ausgeschlossen, nachdem der BGH die Parteifähigkeit amerikanischer Gesellschaften bereits anerkannt hat.97 Anders als im Verhältnis zu den USA existiert zwischen Deutschland und der Schweiz zwar kein völkerrechtlicher Vertrag, der die Anerkennung von Auslandsgesellschaften forderte.98 Würde das deutsche Recht jedoch in der Folge der EuGH-Rechtsprechung zur Scheinauslandsgesellschaft nunmehr generell, auch im Verhältnis zu den Signatarstaaten des LugÜ, zur Gründungstheorie übergehen, hätte das im Verhältnis zu schweizeri_________ 93 94 95 96 97

Vgl. oben Fn. 33. Vgl. oben unter III 5 S. 238 ff. Vgl. Geimer in Geimer/Schütze (Fn. 33), Einl. Rz. 38. Vgl. Art. 163 IPRG und dazu Großfeld in Staudinger (Fn. 10), Rz. 616. BGHZ 153, 353, 355 ff. = ZIP 2003, 720 = NJW 2003, 1607; BGH, ZIP 2004, 1549, 1550; ZIP 2004, 2230, 2231. 98 Lüderitz in Soergel (Fn. 26), Anh. § 10 EGBGB Rz. 12 f.

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schen Gesellschaften mit Satzungssitz in einem schweizerischen Kanton und tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland ebenfalls die Konsequenz, dass der allgemeine Gerichtsstand in der Schweiz belegen wäre! Damit bestätigt sich die Einschätzung, dass Art. 53 EuGVÜ/LugÜ mit seiner Verweisung auf das Kollisionsrecht die Problematik der Scheinauslandsgesellschaft nicht bewältigen kann. Anders als unter Art. 60 EuGVVO99 ist indessen nicht recht ersichtlich, mit welchen methodischen Mitteln es verhindert werden könnte, dass der allgemeine Gerichtsstand einer vom Inland aus verwalteten Gesellschaft im Ausland zu lokalisieren ist. Schärfer ausgedrückt, erweist sich das Konzept des Art. 53 EuGVÜ/LugÜ als mit der Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrags inkompatibel. Auch aus diesem Grund ist es nicht in die Nachfolgeregelung des Art. 60 EuGVVO übernommen worden.100

c) Die Neuregelung der EuGVVO aa) Internationale Zuständigkeit Die EuGVVO hat den in Art. 53 EuGVÜ/LugÜ enthaltenen Verweis auf das nationale Kollisionsrecht beseitigt und eine einheitliche, autonome Definition des Wohnsitzes von Gesellschaften und juristischen Personen an seine Stelle gesetzt. Die einschlägige Vorschrift lautet: Art. 60 EuGVVO (1) Gesellschaften und juristische Personen haben für die Anwendung dieser Verordnung ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich a) ihr satzungsmäßiger Sitz b) ihre Hauptverwaltung oder c) ihre Hauptniederlassung befindet. (2) Im Falle des Vereinigten Königreichs und Irlands ist unter dem Ausdruck „satzungsmäßiger Sitz“ das registered office oder, wenn ein solches nirgendwo besteht, der place of incorporation (Ort der Erlangung der Rechtsfähigkeit) oder, wenn ein solcher nirgendwo besteht, der Ort, nach dessen Recht die formation (Gründung) erfolgt ist, zu verstehen.

_________

99 Vgl. sogleich unter c) bb). 100 Vgl. den Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (von der Kommission vorgelegt), v. 14.7.1999, KOM(1999) 348 endg., S. 27 (zu Art. 57 des Entwurfs).

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Die mit Art. 60 EuGVVO erfolgte Abkoppelung von den einzelstaatlichen Kollisionsrechten und die damit erzielte Rechtsvereinheitlichung hat einen hohen Preis. Man sieht es dem Wortlaut des Art. 60 Abs. 1 EuGVVO nicht sofort an, aber es besteht kein Zweifel daran und ist auch nicht umstritten, dass die drei dort genannten Gerichtsstände – satzungsmäßiger Sitz, Ort der Hauptverwaltung, Ort der Hauptniederlassung – alternativ zur Verfügung stehen.101 Der Kläger hat also immer die Wahl, wo er die Gesellschaft oder juristische Person verklagen will, ob an ihrem Satzungssitz oder an demjenigen Ort, an dem sich die Hauptverwaltung befindet, also die Geschäfte geführt werden. Bei einer in England als Public oder Private Limited Company inkorporierten Gesellschaft, die ihren Hauptverwaltungssitz oder ihre Hauptniederlassung in Deutschland hat, ist also immer ein allgemeiner Gerichtsstand in Deutschland gegeben. Daneben können sämtliche Klagen gegen die Gesellschaft auch vor die englischen Gerichte gebracht werden.102 Grundgedanke dieser Verdoppelung (bzw. Verdreifachung) des allgemeinen Gerichtsstands ist es, dem Kläger einen „safe harbour“ in Gestalt der Klageerhebung am Satzungssitz zur Verfügung zu stellen, ohne ihm den an sich näher liegenden Weg zum Gericht am tatsächlichen Verwaltungssitz bzw. am Sitz der Hauptniederlassung zu verbauen.103 Dies gilt allerdings nur, soweit keine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22 EuGVVO begründet ist (dazu unten V), und ferner nur unter der Voraussetzung, dass die Parteien nicht durch eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 EuGVVO die Zuständigkeit an einem einzigen Gerichtsort fixiert haben (dazu unten VIII). Für Gesellschaften und juristische Personen, die ihren satzungsmäßigen Sitz im Vereinigten Königreich oder in Irland haben, gelten gemäß Art. 60 Abs. 2 EuGVVO Besonderheiten. Diesen Rechtsordnungen ist die Vorstellung eines „Satzungssitzes“ an sich fremd, und deshalb wird erläutert, was in diesen Ländern als satzungsmäßiger Sitz zu gelten hat, nämlich das registered office, der place of incorporation oder der Ort, nach dessen Recht die Gründung erfolgt ist. Anders als Art. 60 Abs. 1 _________ 101 Kohler (Fn. 32), S. 11; Schack (Fn. 20), Rz. 252; Kropholler (Fn. 33), § 60 Rz. 2; Schlosser (Fn. 36), Art. 60 EuGVVO Rz. 2; Nagel/Gottwald (Fn. 22), § 3 Rz. 29; Geimer in Geimer/Schütze (Fn. 33), Art. 60 EuGVVO Rz. 3; Staudinger in Rauscher (Hrsg.), Europäisches Zivilprozeßrecht, 2004, Art. 60 EuGVVO Rz. 1; Piltz, NJW 2002, 789, 792. 102 Zur Verbindlichkeit der EuGVVO auch im Vereinigten Königreich vgl. oben Fn. 34. 103 Kohler (Fn. 32), S. 11.

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EuGVVO stellt Abs. 2 der Vorschrift diese drei verschiedenen loci nicht zur Wahl, sondern ordnet sie in Gestalt einer Zuständigkeitsleiter: Primär maßgeblich ist der Ort des registered office, die übrigen Orte kommen nur dann in Betracht, wenn, wie die Verordnung formuliert, „ein solches nirgendwo besteht.“104 Gleiches gilt für das Verhältnis des place of incorporation zum Ort des Gründungsrechts. Die in England beim Companies House in Cardiff inkorporierten Gesellschaften verfügen jedoch normalerweise über ein registered office in England oder Wales. Selbst Gesellschaften, die in England inkorporiert sind, aber ihre Hauptverwaltung im Ausland haben, beauftragen regelmäßig einen englischen Rechtsanwalt mit der Führung ihres registered office. Gemäß Sect. 287 Companies Act 1985 besteht sogar eine Pflicht zur Einrichtung eines solchen office im Inland.105 Anderenfalls hätte es das Companies House schwer, die jährlich fälligen Gebühren für die Aufrechterhaltung der Inkorporation einzutreiben und den Schriftverkehr mit der Limited zu führen.106

bb) Örtliche Zuständigkeit Nach herkömmlicher und allgemeiner Auffassung begründet Art. 2 Abs. 1 EuGVVO lediglich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte und verhält sich nicht zu der Frage, welches Gericht örtlich zuständig ist.107 Um das örtlich zuständige Gericht zu identifizieren, bedarf es des Rückgriffs auf das nationale Zivilprozessrecht der §§ 12 ff. ZPO, genauer auf § 17 ZPO, der in Abs. 1 Satz 1 primär auf den Satzungssitz – und nicht auf den tatsächlichen Verwaltungssitz – abstellt.108 Damit ergibt sich das absurde Resultat, dass Art. 60 Abs. 1 _________ 104 Kropholler (Fn. 33), Art. 60 EuGVVO Rz. 3; Staudinger in Rauscher (Fn. 101), Art 60 EuGVVO Rz. 6. 105 Die Vorschrift lautet: „(1) A company shall at all times have a registered office to which all communications and notices may be addressed. (2) On incorporation the situation of the company’s registered office is that specified in the statement sent to the registrar under section 10.“ Dazu Pennington, Company Law, 1995, S. 13 f. 106 Vgl. dazu Westhoff, ZInsO 2004, 289 ff. 107 Begründung der Kommission zum Entwurf der EuGVVO (Fn. 100), KOM (1999), 348, S. 19: „Regel, wonach die Verordnung nur die internationale gerichtliche Zuständigkeit betrifft und nicht die innerstaatliche örtliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten“; Kropholler (Fn. 33), Vor Art. 2 EuGVVO Rz. 3; Geimer in Geimer/Schütze (Fn. 33), Art. 2 EuGVVO Rz. 41. 108 Vgl. oben IV 2 a) bb) S. 244 ff. mit Nachweisen in Fn. 88 f.

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lit. b) EuGVVO eine von Deutschland aus verwaltete Gesellschaft im Inland gerichtspflichtig macht, das deutsche Zivilprozessrecht jedoch keinen allgemeinen Gerichtsstand zur Verfügung stellt, weil § 17 Abs. 1 ZPO eben nicht zwei Gerichtsstände am Satzungs- und am Verwaltungssitz eröffnet, sondern diese beiden Gerichtsstände in eine Hierarchie bringt: Wird der Sitz durch das anwendbare materielle Gesellschaftsrecht bzw. auf dessen Grundlage durch den Gesellschaftsvertrag bestimmt, liegt der allgemeine Gerichtsstand der Gesellschaft allein an diesem Ort, nicht aber (auch) am Sitz der Hauptverwaltung. Mit dieser Rechtslage wird man sich nicht abfinden können. Das Leerlaufen einer an sich bestehenden internationalen Zuständigkeit in Ermangelung örtlicher Zuständigkeit eines deutschen Gerichts mag im Anwendungsbereich völkerrechtlicher Verträge nach Art der CMR hinnehmbar sein,109 nicht aber im harmonisierten Europäischen Zivilprozessrecht.110 Ein vergleichbarer Mangel an Gerichtsständen bestand unter der EuGVÜ mit Blick auf Verbrauchersachen, weil Art. 14 EuGVÜ die Gerichte des Vertragsstaats, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hatte, für international zuständig erklärte, ohne die örtliche Zuständigkeit mitzuregeln. Das deutsche Zivilprozessrecht kennt bis heute indessen kein forum actoris für Verbrauchersachen, so dass speziell für Art. 14 EuGVÜ eine „Ersatzzuständigkeit“ des Gerichts am Wohnsitz des Verbrauchers angenommen werden musste.111 Im Ergebnis nichts anderes kann unter den Art. 2 Abs. 1, Art. 60 EuGVVO mit Blick auf den allgemeinen Gerichtsstand von Gesellschaften und juristischen Personen gelten. Die Vorschriften des § 17 Abs. 1 ZPO sind auf der Grundlage der Sitztheorie geschrieben und praktiziert worden, die das Eindringen auslän_________ 109 So BGHZ 79, 332, 334 ff., mit Blick auf Art. 31 Abs. 1 CMR. 110 Treffend, aber im Kontext des Verbraucherprozessrechts Thorn, IPRax 1994, 426, 427; a. A. OLG München, NJW-RR 1993, 701, 702, das das Leerlaufen der internationalen Zuständigkeit nach dem EuGVÜ einfach hinnehmen will. 111 Vgl. nur Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl. 1998, Art. 14 EuGVÜ Rz. 1 m. w. N.; Thorn, IPRax 1994, 426, 428. Das Problem ist jetzt behoben, weil Art. 16 Abs. 1 EuGVVO nicht nur die internationale, sondern auch die örtliche Zuständigkeit am Wohnsitz des Verbrauchers fixiert; vgl. Begründung der Kommission zum Entwurf der EuGVVO (Fn. 100), KOM (1999), 348, S. 19; Kropholler (Fn. 33), Art. 16 Rz. 1.

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discher Korporationen in den deutschen Markt zuverlässig verhindert hat.112 Für deutsche Gesellschaften mag die primäre Anknüpfung allein an den Satzungssitz im Hinblick auf die Gewährleistung einer gewissen Konvergenz durch §§ 5 Abs. 2 AktG, 4a Abs. 2 GmbHG sowie die diesbezügliche Publizität des Handelsregisters durchaus hinzunehmen sein. Für Scheinauslandsgesellschaften lässt sich auf der Grundlage der §§ 13d ff. HGB zwar auch Publizität herstellen,113 damit wird jedoch der Widerspruch zum Europarecht nicht beseitigt. Unter Art. 60 EuGVVO geht es nicht an, den inländischen Gläubigern einer von Deutschland aus verwalteten Auslandsgesellschaft den allgemeinen Gerichtsstand am Verwaltungssitz vorzuenthalten. Die alternative Eröffnung allgemeiner Gerichtsstände sowohl am Satzungs- als auch am Verwaltungssitz durch Art. 60 Abs. 1 EuGVVO ist bereits Ausdruck der Liberalisierungstendenzen im Europäischen Gesellschaftsrecht, die zur Verabschiedung der Sitztheorie geführt haben. Insofern ist § 17 Abs. 1 ZPO ein Fossil, das von der Rechtsentwicklung überrollt worden ist. Die Anschlussfähigkeit des § 17 Abs. 1 ZPO mit Blick auf die Zukunft lässt sich herstellen, indem die Vorschrift einer europarechtskonformberichtigenden Auslegung unterzogen und das Verhältnis der Sätze 1 und 2 bei Scheinauslandsgesellschaften umgekehrt wird, so dass das deutsche Gericht am Verwaltungssitz stets für Klagen gegen die Gesellschaft zuständig wäre. Dasselbe Resultat ließe sich auch direkt auf der Grundlage des Europarechts ansteuern, indem jedenfalls Art. 60 EuGVVO nicht nur auf die internationale, sondern auch auf die örtliche Zuständigkeit bezogen würde, wie es für die meisten Sonderzuständigkeiten der Art. 5 Nr. 1 und 3 EuGVVO anerkannt ist.114 Die zuletzt genannte Lösung liegt angesichts des normativen Zusammenhangs zwischen Art. 60 EuGVVO und der Freizügigkeit von Gesellschaften und juristischen Personen im Binnenmarkt näher.115

_________ 112 Vgl. oben II 1 S. 226 f. 113 Vgl. Wagner, ZZP 117 (2004), 305, 368 ff. 114 Vgl. den Wortlaut der Vorschriften: „Gericht des Ortes“; dazu Kropholler (Fn. 33), Vor Art. 2 Rz. 3. 115 Diese Verbindung hat die Kommission beim Entwurf des Art. 60 EuGVVO ausdrücklich hergestellt; vgl. den Vorschlag zur EuGVVO (Fn. 100), S. 27 (zu Art. 57 des Entwurfs).

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d) Exkurs: Scheinauslandsgesellschaften aus Drittstaaten Nachdem der BGH die Tore für amerikanische „Corporations“ mit Satzungssitz in einem Mitgliedstaat der USA, vorzugsweise Delaware, und Hauptverwaltungssitz in Deutschland aufgemacht hat,116 stellt sich dieselbe Frage auch in diesem Fall: Wo ist der allgemeine Gerichtsstand einer solchen „pseudo-foreign corporation“ zu lokalisieren, in Delaware oder am Sitz ihrer Hauptverwaltung in Deutschland? Von der Antwort hängt ab, ob die deutschen Gläubiger der Gesellschaft, die es wegen des hiesigen Verwaltungssitzes in großer Menge geben wird, vor ein USamerikanisches Gericht ziehen müssen, um x-beliebige Forderungen durchzusetzen, für die kein besonderer oder ausschließlicher Gerichtsstand in Deutschland eröffnet ist. Es ist umstritten, ob auch die Drittstaaten-Fälle auf der Grundlage der EuGVVO zu lösen sind.117 Wird die Anwendbarkeit der EuGVVO bejaht, führt dies zur Anwendung nicht nur des Art. 2 Abs. 1, sondern auch des Art. 60 EuGVVO. Im Ergebnis hätte also der Gläubiger einer Scheinauslandsgesellschaft mit Satzungssitz in Delaware wegen Art. 60 Abs. 1 lit. b) EuGVVO immer einen Gerichtsstand in Deutschland zur Verfügung. Alternativ dazu könnte er auch die Gerichte des Staates Delaware anrufen (!), soweit das Recht von Delaware einen Gerichtsstand für die im Staatsgebiet inkorporierten Gesellschaften ohne Rücksicht auf den Ort der Hauptverwaltung vorsieht. Letzteres ist der Fall; die allgemeine Zuständigkeit (general jurisdiction) wurde ursprünglich sogar ausschließlich am Satzungssitz (state of incorporation) lokalisiert118 und erst später (auch) auf den Ort der Hauptverwaltung (principle place of business) sowie schließlich auf den gesamten Raum wirtschaftlicher Aktivitäten (doing business) ausgedehnt.119 Im Ergeb_________ 116 Vgl. Fn. 97. 117 Vgl. oben III 1 S. 231 f. m. w. N. 118 Bank of Augusta v. Earle, 38 U.S. 519, 588 (1839), mit der berühmten Formulierung: „It is very true that a corporation can have no legal existence out of the boundaries of the sovereignty by which it is created. It exists only in contemplation of law; and where that law ceases to operate an is no longer obligatory, the corporation can have no existence. It must dwell in the place of its creation, and cannot migrate to another sovereignty.“ 119 Eingehend zur Entwicklung Friedrich K. Juenger, The American Law of General Jurisdiction, 2001 U. Chi. Legal F. 141, 149 ff. (2001); sowie Twitchell, The Myth of General Jurisdicition, 101 Harv. L. Rev. 610, 614 ff.; zum Ge-

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nis unterliegt also eine deutsch-amerikanische Scheinauslandsgesellschaft sowohl der deutschen als auch der amerikanischen Gerichtsbarkeit. Für die Gesellschaft dürfte die Aussicht, auch in den USA verklagt werden zu können, indessen nicht sonderlich attraktiv sein. Für die inländischen Gläubiger lässt die Anwendung der Art. 2 Abs. 1, Art. 60 EuGVVO hingegen nichts zu wünschen übrig, zumal der Gerichtsstand des Sitzes der Hauptverwaltung gemäß Art. 60 Abs. 1 lit. b) EuGVVO auf die örtliche Zuständigkeit durchschlägt.120 Die Dinge werden nicht einfacher, wenn die Anwendung der EuGVVO in den Drittstaaten-Fällen mit einer verbreiteten Ansicht abgelehnt wird.121 Anwendbar ist dann allein das nationale Zivilprozessrecht, dessen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit die internationale Zuständigkeit mitregeln.122 Damit fällt Art. 60 EuGVVO als Korrektiv des § 17 Abs. 1 ZPO aus, und die Begründung einer „Ersatzzuständigkeit“ des Gerichts am Sitz der Hauptverwaltung123 bricht in sich zusammen. Gleichwohl sollte § 17 Abs. 1 ZPO einer berichtigenden Auslegung unterzogen, die dort aufgerichtete Hierarchie, die den Gerichtsstand am Satzungssitz demjenigen am Verwaltungssitz vorordnet, auf den Kopf gestellt und primär an den Sitz der Hauptverwaltung angeknüpft werden. Zur Begründung lässt sich anführen, dass das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht die Gesellschafter zwar nicht dazu verpflichtet, den Satzungssitz am Sitz der Hauptverwaltung zu lokalisieren, die Kongruenz von statutarischem Sitz und Ort der Hauptverwaltung aber doch zumindest anstrebt. Bei Personengesellschaften wird sogar dem tatsächlichen Verwaltungssitz der Vorrang vor abweichenden Regelungen der Sitzfrage im Gesellschaftsvertrag eingeräumt.124 Dafür spricht nicht zuletzt das Interesse der Gesellschaftsgläubiger, ihren Schuldner an dessen Tätigkeitsort verklagen zu können, sowie das öffentliche Interesse am Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht. Die über 100 Jahre alte gegenläufige Praxis zu § 17 Abs. 1 ZPO, die den statutarischen Sitz ganz in den Vordergrund rückt, spricht nicht _________

120 121 122 123 124

richtsstand an „defendant’s home base“ (place of incorporation, principal place of business) Twitchell aaO, S. 633; zu „doing business“ als Kompetenzbasis Juenger aaO, S. 149 f. Vgl. oben IV 2 c) bb) S. 249 ff. Vgl. oben III 1 mit Nachweisen in Fn. 35. Vgl. oben III 1 mit Nachweisen in Fn. 31. Dazu oben IV 2 c) bb) S. 249 ff. BGH, BB 1957, 799; MDR 1969, 662; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl. 2003, § 106 Rz. 8; a. A. Ulmer in Staub, HGB, 4. Aufl. 1989, § 106 Rz. 20.

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gegen eine solche Lösung, denn dank der Sitztheorie blieb dem deutschen Zivilprozessrecht die Auseinandersetzung mit den prozessualen Problemen von Scheinauslandsgesellschaften bisher erspart.125 Nachdem dieses Bollwerk beiseite geräumt ist, muss die Zuständigkeitsfrage neu gestellt und in normativ überzeugender Weise gelöst werden. Bei Scheinauslandsgesellschaften führt an der Begründung einer Zuständigkeit am Sitz der Hauptverwaltung auch im Rahmen des § 17 Abs. 1 ZPO kein Weg vorbei.

3. Der Umfang des allgemeinen Gerichtsstands Der Gerichtsstand des Art. 2 Abs. 1 EuGVVO ist ein allgemeiner Gerichtsstand in dem Sinne, dass vor den dort bestimmten Gerichten grundsätzlich jedwede Klage, gleich welchen Streitgegenstands, erhoben werden kann. Es kommt nicht darauf an, ob das Gericht mit dem Streitgegenstand durch eine besondere Sachnähe verbunden ist. Eine Ausnahme gilt nur für die ausschließlichen Gerichtsstände des Art. 22 EuGVVO, die die allgemeine Zuständigkeit des Art. 2 Abs. 1 und besonderen Zuständigkeiten nach Art. 5 ff. EuGVVO ausschließen und eine exklusive Sonderzuständigkeit normieren.126

V. Der „besondere“ allgemeine Gerichtsstand der Zweigniederlassung 1. Zweck und Bedeutung Zusätzlich zu dem allgemeinen Gerichtsstand von Gesellschaften und juristischen Personen, der nach den Art. 2, 60 EuGVVO bestimmt wird, eröffnet Art. 5 Nr. 5 EuGVVO einen besonderen Gerichtsstand der Zweigniederlassung. Der Gerichtsstand der Niederlassung ist kein ausschließlicher, sondern ein besonderer, d. h. er tritt neben den allgemeinen Gerichtsstand des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 60 EuGVVO.127 Für die inländischen Gläubiger der Niederlassung kommt er praktisch einem allgemeinen Gerichtsstand der Gesellschaft gleich.128 Gemäß Art. 5 _________ 125 126 127 128

Vgl. oben II 1 und IV 2 a) S. 226 f. und 242 ff. Kropholler (Fn. 33), Art. 22 Rz. 2; Schlosser (Fn. 36), Vor Art. 22 Rz. 1. Piltz, NJW 2002, 789, 792. Zum Umfang der Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 5 EuGVVO unten unter V 3 S. 257 ff.

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Nr. 5 EuGVVO kann eine Person, deren Wohnsitz sich in einem Mitgliedstaat befindet, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, „wenn es sich um Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder sonstigen Niederlassung handelt“. Zuständig ist dann das Gericht des Ortes, an dem sich die Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung befindet. Die Niederlassung muss noch im Zeitpunkt der Klageerhebung unterhalten werden.129 Die Ratio des Art. 5 Nr. 5 EuGVVO erschließt sich nicht auf Anhieb, wie an dem praktisch wichtigen Fall deutlich wird, dass die Niederlassung einer ausländischen Gesellschaft in den Formen des inländischen Gesellschaftsrechts betrieben wird, also beispielsweise in der Rechtsform einer GmbH, die von der ausländischen Muttergesellschaft beherrscht wird. Die Tochtergesellschaft ist dann selbst ein rechts- und parteifähiges Subjekt, das seinen allgemeinen Gerichtsstand gemäß Art. 2 Abs. 1, 60 Abs. 1 EuGVVO ohnehin im Inland hat, weil dort sowohl der Satzungs- als auch der Verwaltungssitz lokalisiert sind. Welche Bedeutung hat in diesem Szenario noch Art. 5 Nr. 5 EuGVVO? – Sie liegt darin, dass die Vorschrift einen inländischen Gerichtsstand nicht für Klagen gegen die Niederlassung zur Verfügung stellt – das versteht sich, wie gesehen, von selbst –, sondern gegen den Inhaber der Niederlassung, im Beispiel also die ausländische Muttergesellschaft im Inland gerichtspflichtig macht.130

2. Zweigniederlassung Der eben geschilderte Fall geht nur auf, wenn Art. 5 Nr. 5 EuGVVO auch für solche Zweigniederlassungen gilt, die selbst als ein nach Inlandsrecht parteifähiges Subjekt organisiert sind, also als juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft – wenn man diesen Unterschied im Anschluss an § 14 BGB überhaupt machen will.131 Der EuGH legt die in den Art. 5 Nr. 5 EuGVVO genannten Etablissementbezeichnungen autonom aus, müht sich jedoch nicht um die Abgrenzung der Begriffe untereinander, sondern arbeitet die gemeinsamen Anforderungen heraus, die an eine Zweigniederlassung, Agentur oder _________ 129 OLG Saarbrücken, RIW 1980, 796. 130 Kropholler (Fn. 33), Art. 5 Rz. 90; Schlosser (Fn. 33), Art 5 Rz. 23. 131 Vgl. dazu Wagner, ZZP 117 (2004), 305, 336 f.

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sonstige Niederlassung zu stellen sind.132 Nach der insoweit grundlegenden Entscheidung de Bloos sind diese Einrichtungen „wesentlich dadurch charakterisiert, dass sie der Aufsicht und Leitung eines Stammhauses unterliegen.“133 Danach fallen weder echte Handelsvertreter i. S. d. §§ 84 ff. HGB134 noch Handelsmakler gemäß §§ 93 ff. HGB noch selbständige Alleinvertriebshändler135 unter Art. 5 Nr. 5 EuGVVO, weil sie selbständig agieren, anstatt der Leitung durch das Stammhaus zu unterliegen. In der Rechtssache Somafer hat der EuGH erläutert, eine Zweigniederlassung usw. sei „ein Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit […], der auf Dauer als Außenstelle eines Stammhauses hervortritt, eine Geschäftsführung hat und sachlich so ausgestattet ist, dass er in der Weise Geschäfte mit Dritten betreiben kann, dass diese, obgleich sie wissen, dass möglicherweise ein Rechtsverhältnis mit dem im Ausland ansässigen Stammhaus begründet wird, sich nicht unmittelbar an dieses zu wenden brauchen, sondern Geschäfte an dem Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit abschließen können, der dessen Außenstelle ist.“136 Dabei ist gleichgültig, wo die von der Zweigniederlassung begründete Verbindlichkeit zu erfüllen ist, ob in dem Staat, in dem die Niederlassung ihren Sitz hat, oder in einem Drittstaat. Käme es näm_________ 132 EuGH v. 22.11.1978 – Rs 33/78 – Somafer SA ./. Saar-Ferngas AG, Slg. 1978, 2183, 2191 ff. Nr. 5 ff. = RIW 1979, 56. 133 EuGH v. 6.10.1976 – Rs 14/76 – Ets. A. de Bloos SPRL ./. Societé en commandite par actions Bouyer, Slg. 1976, 1497, 1509 Nr. 18 = NJW 1977, 490 m. Anm. Geimer; genauso EuGH v. 18.3.1981 – Rs 139/80 – Blanckaert & Willems PVBA ./. Luise Trost, Slg. 1981, 819, 829 Nr. 12 = RIW 1981, 341 = IPRax 1982, 64. 134 EuGH v. 18.3.1981 – Rs 139/80 – Blanckaert & Willems PVBA ./. Luise Trost, Slg. 1981, 819, 829 Nr. 12 = RIW 1981, 341 = IPRax 1982, 64; vgl auch LG Hamburg, IPRspr. 1974 Nr. 154 S. 407 für einen selbständigen Handelsmakler. 135 EuGH v. 6.10.1976 – Rs 14/76 – Ets. A. de Bloos SPRL ./. Societé en commandite par actions Bouyer, Slg. 1976, 1497, 1509 f. Nr. 20 ff. = NJW 1977, 490 m. Anm. Geimer. 136 EuGH v. 22.11.1978 – Rs 33/78 – Somafer SA ./. Saar-Ferngas AG, Slg. 1978, 2183, 2191 ff. Nr. 5 ff. = RIW 1979, 56; genauso EuGH v. 18.3.1981 – Rs 139/80 – Blanckaert & Willems PVBA ./. Luise Trost, Slg. 1981, 819, 829 Nr. 12 = RIW 1981, 341 = IPRax 1982, 64; EuGH v. 9.12.1987 – Rs 218/86 – SAR Schotte GmbH ./. Parfums Rothschild SARL, Slg. 1987, 4905, 4919 Nr. 10 = IPRax 1989, 96 mit Anm. Kronke 81; EuGH v. 6.4.1995 – Rs C-439/93 – Lloyd’s Register of Shipping ./. Société Campenon Bernard, Slg. 1995, I-961, 980 Nr. 18 = RIW 1995, 585 = EWS 1995, 194.

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lich im Rahmen des Art. 5 Nr. 5 EuGVVO auf den Erfüllungsort an, wäre dieser Kompetenztitel neben Art. 5 Nr. 1 EuGVVO überflüssig.137 Nach der Rechtsprechung des EuGH kann auch eine inländische juristische Person als Zweigniederlassung zu qualifizieren sein, wenn sie wie eine (unselbständige) Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft auftritt.138 Die Eröffnung eines solchen Gerichtsstands „kraft Rechtsscheins“ setzt voraus, dass die inländische Tochter bei ihren Geschäftspartnern den Eindruck erweckt, sie handele für ihre ausländische Mutter. Schließlich ist auch unter § 21 ZPO anerkannt, dass rechtlich selbständige Tochtergesellschaften als Zweigniederlassung in Betracht kommen.139 Allerdings hat der EuGH in der zitierten Entscheidung die Nr. 5 sogar auf einen „umgekehrten“ Fall angewandt, in dem die deutsche Muttergesellschaft (Rothschild GmbH mit Sitz in Düsseldorf) den Anschein erweckt hatte, für ihre französische Tochtergesellschaft (Parfums Rothschild mit Sitz in Paris) zu handeln. Damit wurde die ausländische Tochtergesellschaft (!) in Deutschland gerichtspflichtig.

3. Der Umfang des Gerichtsstands der Zweigniederlassung Der sachliche Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 5 EuGVVO ist beschränkt auf Streitigkeiten „aus dem Betrieb“ der Niederlassung. Der EuGH hat in der Rechtssache Somafer drei verschiedene Arten von betriebsbezogenen Streitigkeiten unterschieden, nämlich Streitigkeiten (1) um Rechte und Pflichten bezüglich des Betriebs der Zweigniederlassung selbst, etwa mit dem Vermieter der Geschäftsräume oder mit Personal; (2) um Verbindlichkeiten, die von der Zweigniederlassung im Namen des Stammhauses mit Geschäftspartnern eingegangen worden sind;140 (3) um außervertragliche Ansprüche, die aus der Tätigkeit der _________ 137 EuGH v. 6.4.1995 – Rs C-439/93 – Lloyd’s Register of Shipping ./. Société Campenon Bernard, Slg. 1995, I-961, 980 Nr. 17 = RIW 1995, 585 = EWS 1995, 194. 138 EuGH v. 9.12.1987 – Rs 218/86 – SAR Schotte GmbH ./. Parfums Rothschild SARL, Slg. 1987, 4905, 4919 Nr. 10 = IPRax 1989, 96 mit Anm. Kronke 81; vgl. dazu Kropholler (Fn. 33) Art. 5 EuGVVO Rz. 97; ausführlich Kronke, IPRax 1989, 81 ff. 139 BGH, NJW 1993, 2683, 2684; NJW 1998, 1322; Vollkommer in Zöller (Fn. 31), § 21 ZPO Rz. 6. 140 Vgl. dazu LG Bremen, VersR 2001, 782 m. Anm. Hohloch, JuS 2001, 1026 f., das eine betriebsbezogene Streitigkeit verneint hat, weil der Vertragsschluss zwar durch eine Agentur vermittelt wurde, aber am Ort des Stammhauses erfolgte.

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Niederlassung entstanden sind.141 In keinem der drei genanten Fälle kommt es darauf an, ob der Erfüllungsort im Inland belegen ist.142 Streitigkeiten im Binnenbereich des (konzernierten) Unternehmens, also Klagen des Inhabers der Niederlassung gegen das Stammhaus, fallen nach zutreffender Ansicht der Literatur indessen nicht unter Art. 5 Nr. 5 EuGVVO.143 Die Frage, ob die Durchgriffshaftung des Mutterunternehmens einer als Zweigniederlassung auftretenden Konzerntochter im Gerichtsstand der Niederlassung geltend gemacht werden kann, ist derzeit völlig offen. Der BGH hat sich in einer zum autonomen deutschen Zivilprozessrecht ergangenen Entscheidung dazu verpflichtet, die Selbständigkeit der juristischen Person (vgl. §§ 1 Abs. 1 AktG, 13 Abs. 1 GmbHG) auch im Rahmen des Zuständigkeitsrechts zu achten und es folgerichtig abgelehnt, dem im Ausland domizilierten Alleingesellschafter einer inländischen Gesellschaft deren Vermögen im Rahmen von § 23 ZPO zuzurechnen und damit einen Gerichtsstand im Inland zu begründen.144 Die Eröffnung des Gerichtsstands der Zweigniederlassung gemäß § 21 ZPO hat der BGH erwogen, ohne definitiv Stellung zu beziehen.145 Legt man die eben geschilderte Rechtsprechung des EuGH zum Geltungsbereich des Art. 5 Nr. 5 EuGVVO zugrunde, so dürfte der Gerichtsstand der Niederlassung für Ansprüche aus Durchgriffshaftung nicht zur Verfügung stehen. Auf den Punkt gebracht, werden durch Art. 5 Nr. 5 EuGVVO die Handlungen der Niederlassung für die Zwecke der Gerichtsstandsbegründung dem ausländischen Mutterunternehmen zugerechnet. In diesem Sinne ist ein Vertrag der Niederlassung ein Vertrag des Mutterunternehmens (Nr. (1) und (2) der Somafer-Kriterien), und ein von der Niederlassung begangenes Delikt gilt als unerlaubte Hand_________ 141 EuGH v. 22.11.1978 – Rs 33/78 – Somafer SA ./. Saar-Ferngas AG, Slg. 1978, 2183, 2191 ff. Nr. 5 ff. = RIW 1979, 56. 142 EuGH v. 6.4.1995 – Rs C-439/93 – Lloyd’s Register of Shipping ./. Société Campenon Bernard, Slg. 1995, I-961 = RIW 1995, 585 = EWS 1995, 194. 143 Kropholler (Fn. 33), Art. 5 EuGVVO Rz. 90; Leible in Rauscher (Fn. 101), Art. 5 EuGVVO Rz. 101; Linke, Der „kleineuropäische“ Niederlassungsgerichtsstand (Art 5 Nr. 5 GVÜ), IPRax 1982, 46, 48 f.; Geimer in Zöller (Fn. 31), Anh. I EuGVVO Art. 5 Rz. 41. 144 BGH, NJW 1993, 2683, 2684; die Entscheidung ist das Schlussurteil zu EuGH v. 19.1.1993 – Rs C-89/91 – Shearson Lehman Hutton Inc. ./. TVB Treuhand für Vermögensverwaltung und Beteiligungen mbH, Slg. 1993, I-139, 181 ff. = NJW 1993, 1251; der Vorlagebeschluss des BGH ist abgedruckt in NJW 1991, 1632; vgl. auch Rehm in Eidenmüller (Fn. 18), § 5 Rz. 123. 145 BGH, NJW 1993, 2683, 2684, unter III 2.

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lung der Mutter, für deren Folgen letztere im Inland geradestehen muss (Nr. (3) der Somafer-Kriterien).146 Die Durchgriffshaftung indessen ist nicht an ein (Fehl-)Verhalten der Niederlassung bzw. des abhängigen Unternehmens geknüpft, sondern an das Verhalten des Mutterunternehmens selbst. Besonders deutlich ist dies bei der deliktischen oder doch deliktsähnlichen Haftung aus existenzvernichtendem Eingriff,147 doch es dürfte auch für die übrigen Durchgriffstatbestände gelten. Der Gerichtsstand der Niederlassung steht aber für Klagen wegen einer Schädigung der Niederlassung durch die ausländische Mutter nicht zur Verfügung,148 und zwar auch dann nicht, wenn sie von Gläubigern der Niederlassung erhoben werden. Wenn sich insoweit an die Begründung einer inländischen Zuständigkeit denken lässt, dann wohl über Art. 5 Nr. 3 EuGVVO, nicht aber über Art. 5 Nr. 5 EuGVVO.149

VI. Ausschließliche Zuständigkeiten für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten 1. Allgemeines Art. 22 EuGVVO enthält einen Katalog von Streitgegenständen, für die eine ausschließliche Zuständigkeit besteht. Sofern ein solcher ausschließlicher Gerichtsstand einschlägig ist, können Klagen nur vor diesem Gericht und eben nicht am Wohnsitz des Beklagten erhoben werden. Das bedeutet: Art. 22 EuGVVO verdrängt in seinem Anwendungsbereich auch den allgemeinen Gerichtsstand nach Art. 2 Abs. 1, Art. 60 EuGVVO, der für Gesellschaften mindestens ein doppelter ist, nämlich derjenige am Satzungssitz und derjenige am Sitz der Hauptverwaltung.150 Der EuGH nimmt die selbstdefinierte Rolle als Hüter des Prinzips des actor sequitur forum rei auch dann wahr,151 wenn es um die Konturierung des in Art. 22 EuGVVO (Art. 16 EuGVÜ) enthaltenen Katalogs ausschließlicher Zuständigkeiten geht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Kompetenzen des Art. 22 EuGVVO „nicht weiter _________ 146 147 148 149 150 151

Vgl. oben Fn. 141. Unten VII 2 c) S. 279 mit Nachweisen in Fn. 257. Vgl. die Nachweise in Fn. 143. Dazu unten VII 2 S. 276 ff. Vgl. bereits oben IV 2 c) S. 247 ff. Vgl. dazu allgemein oben III 4 S. 235 ff.

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auszulegen, als dies ihr Ziel erforderlich macht“, um zu vermeiden, dass die Parteien vor ein Gericht ziehen müssen, an dem keine von ihnen ihren allgemeinen Gerichtsstand hat.152 Das „Ziel“ der ausschließlichen Zuständigkeiten sieht der EuGH in der Gewährleistung der besonderen Sach- und Beweisnähe des Gerichts am Belegenheitsort.153 Auf dieser Grundlage hat der EuGH Streitigkeiten aus bestimmten Vertragstypen aus dem Geltungsbereich des dinglichen Gerichtsstands nach dem jetzigen Art. 22 Nr. 1 EuGVVO (vgl. auch §§ 24 – 26, 29a, 29b ZPO) ausgeklammert, etwa betreffend einen Unterpachtvertrag über ein Ladenlokal154 oder die Vermietung einer Ferienwohnung im Rahmen eines Reisevertrags,155 nicht aber die bloße Miete einer Ferienwohnung von einem Privatmann.156 In dem zuletzt genanten Fall war für den EuGH der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit maßgebend, der es ausschließe, ohne jeden Anhalt im Wortlaut Ausnahmen von Art. 22 EuGVVO zu kreieren.157 Auf der anderen Seite hat der Ge_________ 152 Grundlegend EuGH v. 14.12.1977 – Rs 73/77 – Theodorus Engelbertus Sanders ./. Ronald van der Putte, Slg. 1977, 2383, 2390 f. Nr. 17/18 = NJW 1978, 1107; EuGH v. 10.1.1990 – Rs C-115/88 – Reichert u. a. ./. Dresdner Bank, Slg. 1990, I-27, 41 Nr. 9 = RIW 1991, 331 = IPRax 1991, 45; vgl. weiter EuGH v. 26.2.1992 – Rs C-280/90 – Hacker ./. Euro-Relais GmbH, Slg. 1992, I-1111, 1132 Nr. 12 = NJW 1992, 1029; EuGH v. 9.6.1994 – Rs C-292/93 – Lieber ./. Göbel und Göbel, Slg. 1994 I-2535, 2550 Nr. 21 = NJW 1995, 37; vgl. auch den ähnlichen Fall EuGH v. 17.5.1994 – Rs C-294/92 – Webb ./. Webb, Slg. 1994, I-1717, 1738 Nr. 13 ff. = RIW 1994, 590 = IPRax 1995, 314. 153 Grundlegend EuGH v. 14.12.1977 – Rs 73/77 – Theodorus Engelbertus Sanders ./. Ronald van der Putte, Slg. 1977, 2383, 2390 f. Nr. 17/18 = NJW 1978, 1107; EuGH, Urt. v. 15.1.1985, Rs 241/83 (Rösler ./. Rottwinkel), Slg. 1985, 99, 126 Nr. 20; EuGH v. 10.1.1990 – Rs C-115/88 – Reichert u. a. ./. Dresdner Bank, Slg. 1990, I-27, 41 Nr. 9 = RIW 1991, 331 = IPRax 1991, 45; EuGH v. 26.2.1992 – Rs C-280/90 – Hacker ./. Euro-Relais GmbH, Slg. 1992, I-1111, 1132 Nr. 12 = NJW 1992, 1029; EuGH v. 9.6.1994 – Rs C-292/93 – Lieber ./. Göbel und Göbel, Slg. 1994 I-2535, 2550 Nr. 21 = NJW 1995, 37. 154 EuGH v. 14.12.1977 – Rs 73/77 – Theodorus Engelbertus Sanders ./. Ronald van der Putte, Slg. 1977, 2383, 2390 f. Nr. 17/18 = NJW 1978, 1107. 155 EuGH v. 26.2.1992 – Rs C-280/90 – Hacker ./. Euro-Relais GmbH, Slg. 1992, I-1111, 1132 Nr. 12 = NJW 1992, 1029. 156 EuGH v. 15.1.1985 – Rs 241/83 – Rösler ./. Rottwinkel, Slg. 1985, 99, 126 f. Nr. 21 ff. = NJW 1985, 905. 157 EuGH v. 15.1.1985 – Rs 241/83 – Rösler ./. Rottwinkel, Slg. 1985, 99, 126 f. Nr. 21 ff. = NJW 1985, 905: Kurzfristiger Mietvertrag zwischen Inländern über im Ausland belegene Ferienwohnung begründet Zuständigkeit der Gerichte am locus rei sitae gemäß Art. 22 Nr. 1 EuGVVO.

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richtshof den dinglichen Gerichtsstand sogar in Bezug auf eine Widerklage verneint, mit der Nutzungsentschädigung nach Rückabwicklung eines Kaufvertrags über eine Eigentumswohnung verlangt wurde.158 Maßgebend für den EuGH war hier, dass es sich um eine Klage „in personam“ und nicht „in rem“ handelte und es an einer besonderen Sach- und Beweisnähe des Gerichts am Belegenheitsort der Eigentumswohnung fehlte.159 Was immer man von der spitzfindig-haarspalterischen Argumentation des EuGH in diesem Urteil halten mag, verdient das rechtspolitische Ziel des Gerichts, die Aushöhlung des actorsequitur-Prinzips zu vermeiden,160 Unterstützung. Aus dem Katalog des Art. 22 EuGVVO weisen lediglich die Zuständigkeiten nach Nr. 2 und Nr. 3 einen spezifischen Bezug zum internationalen Gesellschaftsrecht auf.

2. Registerstreitigkeiten, Art. 22 Nr. 3 EuGVVO Gemäß Art. 22 Nr. 3 EuGVVO sind für Klagen, welche die Gültigkeit von Eintragungen in öffentliche Register zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedsstaats ausschließlich zuständig, in dessen Hoheitsgebiet die Register geführt werden. Das bedeutet: Streitigkeiten um Eintragungen im deutschen Handelsregister gehören ausschließlich vor die Zuständigkeit der deutschen Gerichte, und wer Eintragungen im Gesellschaftsregister des englischen Companies House beanstanden will, der muss sich an die englischen Gerichte wenden. _________ 158 EuGH v. 9.6.1994 – Rs C-292/93 – Lieber ./. Göbel und Göbel, Slg. 1994 I-2535, 2550 Nr. 21 = NJW 1995, 37. 159 EuGH v. 9.6.1994 – Rs C-292/93 – Lieber ./. Göbel und Göbel, Slg. 1994 I-2535, 2550 Nr. 21 = NJW 1995, 37; genauso EuGH v. 17.5.1994 – Rs C-294/92 – Webb ./. Webb, Slg. 1994, I-1717, 1738 Nr. 13 ff. = RIW 1994, 590 = IPRax 1995, 314; zum Gesichtspunkt der Sach- und Beweisnähe grundlegend EuGH v. 15.1.1985 – Rs 241/83 – Rösler ./. Rottwinkel, Slg. 1985, 99, 126 f. Nr. 21 ff. = NJW 1985, 905; EuGH v. 10.1.1990 – Rs C-115/88 – Reichert u. a. ./. Dresdner Bank, Slg. 1990, I-27, 41 Nr. 9 = RIW 1991, 331 = IPRax 1991, 45; EuGH v. 26.2.1992 – Rs C-280/90 – Hacker ./. Euro-Relais GmbH, Slg. 1992, I-1111, 1132 Nr. 12 = NJW 1992, 1029. 160 Explizit EuGH v. 10.1.1990 – Rs C-115/88 – Reichert u. a. ./. Dresdner Bank, Slg. 1990, I-27, 41 Nr. 9 = RIW 1991, 331 = IPRax 1991, 45; EuGH v. 9.6.1994 – Rs C-292/93 – Lieber ./. Göbel und Göbel, Slg. 1994 I-2535, 2550 Nr. 21 = NJW 1995, 37.

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3. Gesellschaftsrechtliche Binnenstreitigkeiten, Art. 22 Nr. 2 EuGVVO a) Anwendungsbereich Die im hier interessierenden Kontext zentrale Bestimmung des Art. 22 EuGVVO ist seine Nr. 2. Danach sind ausschließlich zuständig „für Klagen, welche die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedsstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Gesellschaft oder juristische Person ihren Sitz hat“. Unter Art. 22 Nr. 2 EuGVVO fällt die Klage auf Nichtigerklärung einer AG gemäß §§ 275 ff. AktG bzw. nach Maßgabe der Parallelnormen der §§ 75 ff. GmbHG. Bei diesen handelt es sich um Gestaltungsklagen,161 doch der Anwendungsbereich der Nr. 2 erstreckt sich auch auf Feststellungsklagen (§ 256 ZPO) von Gesellschaftern, mit denen die Deklaration der Nichtigkeit der Gesellschaft erstrebt wird.162 Für von Amts wegen zu betreibende Löschungsverfahren nach dem LöschG bzw. §§ 144, 144a FGG gilt die Vorschrift hingegen nicht,163 wohl aber für die Auflösungsklage gemäß § 61 GmbHG.164 Bei der Klage auf Klärung der Nichtigkeit oder Auflösung einer Gesellschaft kann die Abgrenzung zum Insolvenzrecht problematisch sein, für das die EuGVVO ausweislich ihres Art. 1 Abs. 2 lit. b nicht gilt.165 So fallen z. B. winding-up proceedings nach englischem Recht nicht unter die EuGVVO, sondern unter die EuInsVO.166 Für die Abgrenzung im

_________ 161 Hüffer, Aktiengesetz, 6. Aufl. 2004, § 275 Rz. 27; Lutter/Hommelhoff, GmbHGesetz Kommentar, 16. Aufl. 2004, § 75 Rz. 5. 162 Mankowski in Rauscher (Fn. 101), Art. 22 EuGVVO Rz. 33. 163 Kropholler (Fn. 33), Art 22 Rz. 34; Mankowski in Rauscher (Fn. 33), Art. 22 EuGVVO Rz. 34; Geimer in Festschrift Schippel, 1996, S. 869, 883. 164 Mankowski in Rauscher (Fn. 101), Art. 22 Rz. 34; Schlosser (Fn. 36), Art. 22 EuGVVO Rz. 17; zur Auflösungsklage des GmbH-Rechts Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 38 IV 2, S. 1198 f. 165 Eingehend dazu unten VIII S. 282 ff. 166 Mankowski in Rauscher (Fn. 101), Art. 22 EuGVVO Rz. 33; Schlosser (Fn. 36), Art. 22 EuGVVO Rz. 17.

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Einzelfall kommt es darauf an, ob es sich um ein „Gesamtverfahren“ nach Art. 1 Abs. 1, Art. 2 lit. a, Anhang A EuInsVO handelt.167 In praktischer Hinsicht liegt die Bedeutung von Art. 22 Nr. 2 EuGVVO vor allem bei den sog. Beschlussmängelklagen, mit denen die Gültigkeit der Beschlüsse von Gesellschaftsorganen angegriffen werden kann. In Deutschland besonders beliebt sind Klagen gegen die Wirksamkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft (§§ 243 ff. AktG) sowie gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH, wobei auf den zuletzt genannten Fall die Bestimmungen des AktG analog anzuwenden sind.168 Wiederum ist es für die Zuständigkeit gleichgültig, ob der Angriff gegen den Beschluss als Anfechtungsoder als Feststellungsklage erfolgt.169 Grob zusammengefasst bezieht sich Art. 22 Nr. 2 EuGVVO auf Streitigkeiten im Innenverhältnis der Gesellschaft. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Tatbestand keineswegs flächendeckend formuliert ist, sondern sich auf Streitigkeiten im gesellschaftsrechtlichen „Grundverhältnis“ beschränkt.170 Die Vorschrift erfasst folglich weder Klagen der Gesellschafter auf Auszahlung eines Gewinnanteils noch umgekehrt Klagen der Gesellschaft gegen ein Mitglied etwa auf Zahlung der Stammeinlage oder Klagen auf Ausschließung eines Gesellschafters. Auch der Antrag, einem Gesellschafter die Vertretungsbefugnis zu entziehen, fällt nicht darunter.171 Noch viel weniger gilt die Vorschrift für Vertragsansprüche oder Schadensersatzklagen von Gesellschaftsgläubigern gegen die Gesellschaft, einzelne Organe oder Gesellschafter. Nr. 2 normiert eben keinen Gerichtsstand der Mitgliedschaft, wie ihn im autonomen deutschen Zivilprozessrecht § 22 ZPO für Klagen der Gesellschaft gegen ihre Mitglieder oder Streitigkeiten unter den Mitgliedern einer Gesellschaft zur Verfügung stellt.172 Diese Lücken hat der

_________ 167 Vgl. unten VIII 1 S. 282 ff.; der Anhang A zur EuInsVO nennt unter der Rubrik „United Kingdom“, Lemma 1: „Winding-up by or subject to the supervision of the court“. 168 Vgl. statt aller RGZ 166, 129, 131; BGHZ 11, 231, 235; 104, 66; 111, 224; 132, 278, 280; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht (Fn. 164), § 15 II. 3, S. 447 f. 169 Kropholler (Fn. 33), Art. 22 EuGVVO Rz. 39. 170 Kritisch dazu Geimer in Festschrift Schippel (Fn. 163), S. 869, 873 ff. 171 Vgl. unten VII 1 c) bb) S. 271 ff. 172 Zimmer, IPRax 1998, 187, 189.

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EuGH vor allem durch Mobilisierung des Vertragsgerichtsstands (Art. 5 Nr. 1 EuGVVO) für das Gesellschaftsrecht weitgehend geschlossen.173

b) Der Gerichtsstand für gesellschaftsrechtliche Binnenstreitigkeiten Wo sind nun die Auflösungs-, Nichtigkeits- und Beschlussmängelklagen zu erheben, für die Art. 22 Nr. 2 EuGVVO einen ausschließlichen Gerichtstand normiert? Satz 1 der Vorschrift scheint geradezu paradox, weil dort wieder vom Sitz der Gesellschaft die Rede ist, so dass der Weg zum allgemeinen Gerichtsstand gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 60 EuGVVO zurückzuführen scheint. Doch der Schein trügt, denn nach Satz 2 der Nr. 2 wendet das Gericht bei der Entscheidung darüber, wo der Sitz sich befindet, die Vorschriften seines internationalen Privatrechts an. Damit ist der Rückgriff auf Art. 60 Abs. 1 EuGVVO und dem dort normierten Dreiklang aus Satzungssitz, Sitz der Hauptverwaltung, Sitz der Niederlassung versperrt. Statt dessen erlebt im Rahmen der Zuständigkeit für gesellschaftsrechtliche Binnenstreitigkeiten der frühere Art. 53 Satz 2 EuGVÜ seine Wiederauferstehung.174 Damit gilt unter Art. 22 Nr. 2 EuGVVO die folgende, bereits von Art. 53 EuGVÜ geläufige Faustformel:175 Gerichte in Mitgliedstaaten, die der Gründungstheorie folgen, sind für gesellschaftsrechtliche Klagen der bei ihnen inkorporierten Gesellschaften zuständig; Gerichte in Mitgliedstaaten, die der Sitztheorie folgen, sind für gesellschaftsrechtliche Klagen gegen Gesellschaften zuständig, die in ihrem Territorium ihre Hauptverwaltung haben. Solange das Internationale Gesellschaftsrecht der Mitgliedstaaten nicht seinerseits harmonisiert ist, ergibt sich im Verhältnis zwischen Staaten, die nicht beide entweder der Gründungstheorie oder der Sitztheorie folgen, eine Verdoppelung der Zuständigkeit.176 Gemäß Art. 29 EuGVVO kommt es dann darauf an, welches Gericht zuerst angerufen wird; das erste Verfahren steht der Befassung weiterer Gerichte in anderen Mitgliedsstaaten mit demselben Streitgegenstand entgegen. Ob das Urteil des zuerst angerufenen Gerichts allerdings auch in dem anderen Staat anzuerkennen ist, obwohl dessen eige_________ 173 Vgl. unten VII 1 c) S. 270 ff.; in der Zusammenfassung von Art. 2 Abs. 1, 22 Nr. 2 EuGVVO zu undifferenziert Rehm in Eidenmüller (Fn. 18), § 5 Rz. 119 f. 174 Vgl. oben IV 2 a) S. 242 ff. 175 Vgl. oben IV 2 a) S. 242 ff. 176 Kropholler (Fn. 33), Art. 22 EuGVVO Rz. 41.

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ne Gerichte bei Anwendung ihres eigenen Kollisionsrechts ebenfalls – ausschließlich ! – zuständig gewesen wären, ist ungeklärt und umstritten.177 Wenn es zutrifft, dass der EuGH spätestens mit seiner Entscheidung in Sachen Inspire Art der Sitztheorie den Garaus gemacht hat,178 ist die Gefahr einer Doppelzuständigkeit sowohl der Gerichte am Ort des Verwaltungssitzes als auch derjenigen am Ort des statutarischen Sitzes allerdings gebannt, und zwar um den Preis einer Alleinzuständigkeit der Gerichte am Satzungssitz. Für Nichtigkeits-, Auflösungs- und Beschlussmängelklagen betreffend eine von Deutschland aus verwaltete Scheinauslandsgesellschaft englischen Rechts wären dann die englischen Gerichte ausschließlich zuständig. Diese Kompetenz könnte wegen Art. 23 Abs. 5 EuGVVO auch nicht im Wege der Gerichtsstandsvereinbarung nach Deutschland zurückgeholt werden,179 wohl aber mit Hilfe einer Schiedsvereinbarung.180 Wollte man auch nach Inspire Art an einer wie auch immer modifizierten Sitztheorie festhalten, sollte die Lokalisierung des ausschließlichen Gerichtsstands gemäß Art. 22 Nr. 2 EuGVVO doch dieselbe bleiben, also zugunsten des Satzungssitzes entschieden werden. Der Bruch zwischen Art. 2 Abs. 1, Art. 60 EuGVVO einerseits und Art. 22 Nr. 2 EuGVVO anderseits ist kein Redaktionsversehen. Die Kommission hat bewusst davon abgesehen, den Gesellschaftssitz auch im Rahmen von Art. 22 Nr. 2 EuGVVO autonom zu definieren.181 Zweck dieser Zurückhaltung war es, den Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Gesellschaftsrecht zu gewährleisten.182 Würde der Gesellschaftssitz auch im Kontext des Art. 22 Nr. 2 EuGVVO autonom fixiert, bestünde die Gefahr, dass das danach zuständige Gericht daran gehindert wäre, sein eigenes Gesellschaftsrecht anzuwenden, soweit nämlich das Kollisionsrecht der lex fori auf das Gesellschaftsrecht eines _________ 177 Vgl. Kropholler (Fn. 33), Art. 35 EuGVVO Rz. 13 m. w. N. 178 Vgl. nur Behrens, IPRax 2004, 20, 25 f.; Beyer, BB 2003, 2357, 2363.; Horn, NJW 2004, 893, 896 f.; zuvor bereits Behrens, IPRax 2003, 193; Ebke, JZ 2003, 927, 928 f.; Eidenmüller, ZIP 2002, 2233, 2241 f.; anders (vor Inspire Art) noch Kindler, IPRax 2003, 41, 43. 179 Unten IX 1 S. 292 f. 180 Unten X 3 S. 299 f. 181 Entwurf der Kommission (Fn. 100), KOM (1999) 348 endg., S. 20; vgl. auch Kohler (Fn. 32), S. 11. 182 Kohler (Fn. 32), S. 11; Kropholler (Fn. 33) Art. 22 EuGVVO Rz. 33.

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anderen Staates verweist. Die Anwendung fremden Rechts sollte aber gerade in einer so schwierigen und sensiblen Materie wie dem Gesellschaftsrecht vermieden werden.183 Dies zeigt sich sofort in dem hypothetischen Fall, dass das Gericht am Sitz der Hauptverwaltung der Regelung des Art. 60 Abs. 1 lit. b) EuGVVO entsprechend zuständig wäre, aber der Sitztheorie folgte: Auf eine Scheinauslandsgesellschaft mit Satzungssitz im Ausland und Hauptverwaltung im Inland wäre dann inländisches Gesellschaftsrecht anzuwenden. Letzteres verfügt aber über kein Gesellschaftsrecht, das auf Auslandsgesellschaften anwendbar wäre – eine Limited ist eben keine GmbH – und speziell auf Scheinauslandsgesellschaften gemünztes Gesellschaftsrecht ließe sich zwar schaffen, doch hat der EuGH den Weg dorthin mit der Entscheidung in Sachen Inspire Art verstellt.184 Damit zeigt sich: Mit der EuGHRechtsprechung auf ihrem jetzigen Stand ist auch aus der zivilprozessualen Sicht des Art. 22 Nr. 2 EuGVVO allein die Gründungstheorie kompatibel. Ausschließlich zuständig für gesellschaftsrechtliche Binnenstreitigkeiten sind damit die Gerichte im Gründungsstaat.

VII. Besondere Zuständigkeiten Die mit Art. 5 EuGVÜ in weiten Teilen übereinstimmende Regelung des Art. 5 EuGVVO bringt eine Reihe besonderer Zuständigkeiten, die – anders als die ausschließlichen Zuständigkeiten des Art. 22 EuGVVO – neben den allgemeinen Gerichtsstand nach Art. 2 Abs. 1 EuGVVO treten.185 Fallen der allgemeine Gerichtsstand und der besondere Gerichtsstand nach Art. 5 EuGVVO auseinander, hat der Kläger die Wahl, an welches Gericht er sich wenden will. Zum Gerichtsstand der Niederlassung nach Art. 5 Nr. 5 EuGVVO ist bereits das Nötige gesagt worden.186

_________ 183 Zu den stets gegebenen Vorteilen eines Rechtsstreits à la lex fori G. Wagner, ZEuP 1999, 6, 7 m. w. N. 184 EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01 – Kamer van Koophandel en Fabrieken voor Amsterdam ./. Inspire Art Ltd., ZIP 2003, 1885 = NJW 2003, 3331. 185 Leible in Rauscher (Fn. 101), Art. 5 EuGVVO Rz. 1. 186 Vgl. oben V S. 254 ff.

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1. Vertragsgerichtsstand Unter den Zuständigkeiten des Art. 5 EuGVVO ist der Vertragsgerichtsstand der Nr. 1 von besonderer Bedeutung, der cum grano salis dem Gerichtsstand des Erfüllungsorts gemäß § 29 ZPO entspricht.

a) Erfüllungsort Unter dem EuGVÜ hatte der EuGH keine andere Wahl gesehen, als den für den Vertragsgerichtsstand zentralen Begriff des „Erfüllungsorts“ mit Hilfe des im Streitfall anwendbaren einzelstaatlichen Rechts zu bestimmen.187 Eine Ausnahme zugunsten einer autonomen Bestimmung des Erfüllungsorts und damit auch des Gerichtsstands hatte der EuGH selbst für Streitigkeiten aus individuellen Arbeitsverträgen entwickelt, die jetzt in Art. 18 EuGVVO gesondert geregelt sind.188 Darüber hinaus enthält Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO nunmehr eine autonome und für sämtliche Ansprüche aus einem Vertrag einheitliche Bestimmung des Erfüllungsorts für die praktisch besonders wichtigen Warenkauf- und Dienstleistungsverträge. Maßgebend für sämtliche Verpflichtungen aus einem solchen Vertrag ist derjenige Ort, an dem die vertragscharakteristische Leistung erbracht worden ist oder nach dem Vertrag hätte erbracht werden müssen.189 Was das im Einzelnen bedeutet, soll hier nicht weiter vertieft werden.190 Jenseits von Kauf- und Dienstleistungsverträgen ist gemäß Art. 5 Nr. 1 lit. a, c EuGVVO das Gericht desjenigen Ortes zuständig, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. In diesem Zusammenhang bleibt es bis auf weiteres dabei, dass der Erfüllungsort _________ 187 EuGH v. 6.10.1976 – Rs 12/76 – Industrie Tessili Italiana Group ./. Dunlop AG, Slg. 1976, 1473, 1486 Nr. 13 f. = NJW 1977, 491 m. Anm. Geimer, vgl. bereits oben Fn. 51. 188 Zusammenfassend EuGH v. 27.2.2002 – Rs 37/00 – Herbert Weber ./. Universal Ogden Services Ltd., Slg. 2002, I-2013, 2044 Nr. 38 = IPRax 2003, 45 m. Anm. Mankowski 21 = ZZPInt 2002, 220 m. Anm. Junker. 189 Zum alten Recht unter dem EuGVÜ vgl. etwa EuGH v. 6.10.1976 – Rs 14/76 – Ets. A. de Bloos SPRL ./. Societé en commandite par actions Bouyer, Slg. 1976, 1497, 1508 f. Nr. 13 ff. = NJW 1977, 490 m. Anm. Geimer. Zu den Reformüberlegungen Kohler (Fn. 32), S. 12 ff. 190 Vgl. hierzu Kropholler (Fn. 33), Art. 5 EuGVVO Rz. 30 ff.; Kropholler/von Hinden in Gedächtnisschrift Lüderitz, 2000, S. 401, 406 ff.; Hager/Bentele, IPRax 2004, 73; Gsell, IPRax 2002, 484; Piltz, NJW 2002, 789.

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nach der lex causae zu bestimmen ist.191 Entscheidend ist dabei die vertragscharakteristische Leistung und damit die in concreto verletzte Primärpflicht.192 Anders als nach Nr. 1 lit. b können sich im Bereich der allgemeinen Auffangregelung auf der Grundlage der Entscheidung de Bloos also nach wie vor verschiedene Erfüllungsorte für die gegenseitigen Pflichten aus einem einzigen Vertrag ergeben.193 Die Bestimmung des Erfüllungsorts mit Hilfe des anwendbaren Sachrechts der lex causae stellt heute einen Fremdkörper dar. Die Rechtsprechung zum EuGVÜ folgte ganz überwiegend dem Prinzip autonomer Auslegung,194 und der Gesetzgeber der EuGVVO wollte diesen Trend nicht umkehren, sondern verstärken, wie nicht zuletzt die Neufassung des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO zeigt.195 Die Tessili-Entscheidung stammt zudem aus der Frühzeit des EuGVÜ, aus dem Jahr 1976, und war dem damaligen status quo im Europäischen Privatrecht geschuldet. Wie der EuGH ausdrücklich eingestand, sah er sich „angesichts der Unterschiede, die nach wie vor zwischen den einzelnen nationalen Rechten bei der Regelung von Verträgen bestehen, und in Ermangelung jeder Vereinheitlichung des anwendbaren materiellen Rechts beim gegenwärtigen Stand der Rechtsentwicklung“ außer Stande, den Erfüllungsort autonom zu definieren.196 Seither sind im Bereich des materiellen Privatrechts eine Fülle von Richtlinien ergangen, mit denen wesentliche Teile des Vertragsrechts harmonisiert worden sind,197 so dass beim „heutigen Stand der Rechtsentwicklung“ eine autonome Interpretation des Erfüllungsorts auch jenseits der legislatorischen Breschen des Nr. 1 lit. b gewagt werden mag. Tatsächlich scheint den EuGH das Zuge_________ 191 BGH, NJW 2001, 1936; RIW 2003, 221; Kropholler (Fn. 33), Art. 5 EuGVVO Rz. 23 f. 192 Schack (Fn. 21), Rz. 265. 193 EuGH v. 6.10.1976 – Rs 14/76 – Ets. A. de Bloos SPRL ./. Societé en commandite par actions Bouyer, Slg. 1976, 1497, 1508 f. Nr. 13 ff. = NJW 1977, 490 m. Anm. Geimer. 194 Vgl. oben III 3 S. 233. 195 Junker, RIW 2002, 569, 571 f. 196 EuGH v. 6.10.1976 – Rs 12/76 – Industrie Tessili Italiana Group ./. Dunlop AG, Slg. 1976, 1473, 1486 Nr. 14 = 1977, 491 m. Anm. Geimer. 197 Vgl. insbesondere die Richtlinie 1999/44/EG vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. Nr. L 171 v. 7.7.1999, S. 12, sowie die Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen v. 5.4.1993, ABl. Nr. L 95 vom 21. 4. 1993, S. 29.

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ständnis an das mitgliedstaatliche Recht zu reuen,198 so dass eine Aufgabe der Tessili-Rechtsprechung in naher Zukunft nicht ausgeschlossen erscheint.199 Erfüllungsortvereinbarungen sind wirksam und unterfallen nicht den Formanforderungen des Art. 23 EuGVVO.200 Das gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass es sich um eine „reale Erfüllungsortvereinbarung“ handelt, mit der der Ort festgelegt wird, an dem die Leistung wirklich erbracht werden soll. Liegt hingegen eine sog. „abstrakte Erfüllungsortvereinbarung“ vor, für die kennzeichnend ist, dass an dem designierten Ort ein Leistungsaustausch gar nicht stattfinden soll, ist die Vereinbarung als Gerichtsstandsvereinbarung zu qualifizieren. Dann sind die Anforderungen des Art. 23 EuGVVO zu beachten, die sonst allzu leicht umgangen werden könnten.201 Zum autonomen deutschen Zivilprozessrecht vgl. §§ 29 Abs. 2, 38 ZPO.202

b) Vertrag Der Erfüllungsort begründet nur dann einen Gerichtsstand, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Rechtsstreits bilden. Anders als der Erfüllungsort wird der Vertragsbegriff vom EuGH nicht lege causae, sondern autonom bestimmt.203 Danach kommt es darauf an, dass eine Partei gegenüber einer anderen freiwillig Verpflichtungen eingegangen ist.204 Entscheidende Merkmale des zu_________ 198 EuGH v. 19.2.2002 – Rs C-256/00 – Besix SA ./. Wasserreinigungsbau Alfred Kretschmar GmbH & Co KG, Planungs- und Forschungsgesellschaft Dipl. Ing. W. Kretzschmar GmbH & Co KG, Slg. 2002, I-1699, 1729 Nr. 36 = NJW 2002, 1407. 199 Dafür Kropholler/von Hinden (Fn. 190), S. 401, 408 f.; Kropholler (Fn. 33), Art. 5 EuGVVO Rz. 25; Schack (Fn. 22), Rz. 273; Junker, RIW 2002, 569, 572. 200 EuGH v. 17.1.1980 – Rs 56/79 – Zelger ./. Salinitri, Slg. 1980, 89 Rz. 4 = NJW 1980, 1218. 201 EuGH v. 20.2.1997 – Rs C-106/95 – MSG ./. Les Gravieres Rhenanes, Slg. 1996, I-911 Rz. 33 = NJW 1997, 1431; EuGH v. 28.9.1999 – Rs C-440/97 – GIW Groupe Concorde ./. Kapitän des Schiffs „Suhadiwarno Panjan“, Slg. 1999, I-6307 Rz. 28 = NJW 2000, 719 ; vgl. auch BGH, RIW 1997, 872. 202 Vollkommer in Zöller (Fn. 31), § 29 Rz. 26. 203 Nachweise oben Fn. 45. 204 EuGH v. 17.6.1992 – Rs C-26/91 – Jakob Handte & Co. GmbH Maschinenfabrik ./. Traitements mécano-chimques des sufaces SA, Slg. 1992, I-3967, 3994 Nr. 15 = JZ 1990, 90 mit Anm. Pfeiffer = RIW 1994, 680; EuGH v. 27.10.1998 – Rs C-51/97 – Réunion européenne SA ./. Spliethoff’s Bevrach-

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ständigkeitsrechtlichen Vertragsbegriffs sind die Freiwilligkeit der Pflichtenbegründung und das Konsensprinzip; Leitbild ist die durch Rechtsgeschäft entstandene Sonderverbindung. Ansprüche aus Bereicherungsrecht, Geschäftsführung ohne Auftrag und Delikt fallen nicht unter Nr. 1, unter Umständen aber unter Art. 5 Nr. 3 EuGVVO.205 Auch Ansprüche aus culpa in contrahendo hat der EuGH deliktsrechtlich qualifiziert. Das gilt jedenfalls dann, wenn ein Schadensersatzanspruch auf culpa in contrahendo gestützt wird und nach dem Vortrag des Klägers ein Vertrag nicht zustande gekommen ist.206 Die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO umfasst auch Streitigkeiten um das Nichtbestehen eines Vertrags, denn andernfalls hätte es der Gegner in der Hand, durch bloßes Bestreiten der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts dem Gericht die Zuständigkeit zu entziehen.207 Das Gericht muss aber in die Lage versetzt werden, über seine Zuständigkeit zu entscheiden, ohne in eine Sachprüfung eintreten zu müssen.208

c) Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten im Vertragsgerichtsstand aa) Gesellschaftsrecht als Vertragsrecht Die Frage, wie und an welcher Stelle gesellschaftsrechtliche Rechtsverhältnisse in das System des Zivilrechts einzufügen sind, stellt eine der großen theoretischen Grundfragen dieses Rechtsgebiets dar. Seit jeher konkurrieren miteinander eine primär kontraktliche Sicht der Gesell_________

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tingskantoor BV u. a., Slg. 1998, I-6511, 6542 Nr. 17 = EuZW 1999, 59; EuGH v. 17.9.2002 – Rs C-334/00 – Fonderie Officine Meccaniche Tacconi SpA ./. Heinrich Wagner Sinto Maschinenfabrik GmbH, Slg. 2002, I-7357, 7393 Nr. 23 = NJW 2003, 3159 = IPRax 2003, 143 mit Anm. Mankowski 127. Vgl. unten VII 2 a) S. 276 f. EuGH v. 17.9.2002 – Rs C-334/00 – Fonderie Officine Meccaniche Tacconi SpA ./. Heinrich Wagner Sinto Maschinenfabrik GmbH, Slg. 2002, I-7357, 7393 Nr. 23 = NJW 2003, 3159; eingehend Mankowski, IPRax 2003, 127, 134 f., der mit Recht zwischen verschiedenen Domänen der culpa in contrahendo differenzieren will. EuGH v. 4.3.1982 – Rs 38/81 – Effer S.p.A. ./. Hans-Joachim Kantner, Slg. 1982, 825, 834 Nr. 7 = RIW 1982, 280 = IPRax 1983, 31. EuGH v. 22.3.1983 – Rs 34/82 – Martin Peters Bauunternehmung GmbH ./. Zuid Nederlandse Aannemers Vereniging, Slg. 1983, 987, 1003, Nr. 17 = RIW 1983, 871 = IPRax 1984, 85.

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schaft, die Letztere als ein Netz von Verträgen qualifiziert,209 und eine kollektivistische Sicht der Korporation, die die Gesellschaft als eine von den Mitgliedern unabhängige Organisation begreift.210 Indem Art. 5 Nr. 1 EuGVVO einen besonderen Gerichtsstand (nur) für Ansprüche „aus Vertrag“ eröffnet, erzwingt er zwar keine Stellungnahme zu dem gesellschaftsrechtlichen Grundlagenstreit in toto, wohl aber eine spezifisch zivilprozessuale Antwort auf die Frage, ob Streitigkeiten unter den Mitgliedern und Organen einer Gesellschaft als vertraglich zu qualifizieren sind oder nicht. Dieser Aufgabe hat sich der EuGH gestellt. Für das Verständnis der Rechtsprechung ist die Einsicht grundlegend, dass die EuGVVO zwar besondere Gerichtsstände für die Streitigkeiten aus Vertrag (Art. 5 Nr. 1) und Delikt (Art. 5 Nr. 3), abgesehen von den Materien des Art. 22 Nr. 2 EuGVVO aber keinen besonderen Gerichtsstand der Mitgliedschaft enthält, der im autonomen Zivilprozessrecht in Gestalt des § 22 ZPO zur Verfügung steht.211 Deshalb sah sich der Gerichtshof dazu genötigt, genuin gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten in die Systematik des Art. 5 und damit in die Alternative aus Vertrag und Delikt einzuordnen.

bb) Streitigkeiten im Mitgliedschaftsverhältnis In Zweifelsfragen ist zu berücksichtigen, dass der EuGH den Vertragsgerichtsstand nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO stets auch unter dem Gesichtspunkt würdigt, das sachnahe Gericht mit der Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits zu betrauen.212 Im Kontext gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten sieht der EuGH das Gericht des Ortes, an dem sich der Sitz der Korporation befindet, als das sachnächste Ge_________ 209 So aus ökonomischer Sicht Easterbrook/Fishel, The Economic Structure of Corporate Law, 1991, S. 14: „corporation as a set of contracts“; dazu etwa Teubner, ZHR 165 (2001), 550, 553; vgl. aber auch Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht (Fn. 164), § 1 I, S. 3 ff. 210 Vgl. nur Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht (Fn. 164), § 5 I Nr. 2, S. 80. 211 Vgl. oben,VI 3 a) S. 262. 212 EuGH v. 4.3.1982 – Rs 38/81 – Effer S.p.A. ./. Hans-Joachim Kantner, Slg. 1982, 825, 834 Nr. 7 = RIW 1982, 280 = IPRax 1983, 31 m. Anm. Gottwald 13; EuGH v. 22.3.1983 – Rs 34/82 – Martin Peters Bauunternehmung GmbH ./. Zuid Nederlandse Aannemers Vereniging, Slg. 1983, 987, 1003, Nr. 17 = RIW 1983, 871 = IPRax 1984, 85 m. Anm. Schlosser 65; vgl. auch LG Mainz, WM 1989, 1053, 1057; allgemein zu den Gesichtspunkten der Sach- und Beweisnähe als Strukturprinzipien des Europäischen Zuständigkeitsrechts oben III. 4.

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richt an, weil es die Umstände, die mit der Entstehung des Rechtsstreits zusammenhängen, am besten verstehen kann.213 In der Rechtssache Peters/ZNAV hat der Gerichtshof die Mitgliedschaft in einem Verein auf eine vertragliche Grundlage gestellt und damit den Gerichtsstand des Art 5 Nr. 1 EuGVVO eröffnet.214 Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich der streitgegenständliche Anspruch unmittelbar aus dem Beitritt zu dem Verein ergibt oder ob er erst mit einem Beschluss des zuständigen Vereinsorgans entsteht.215 Da Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO nicht einschlägig ist, kommt es für die Zuständigkeit darauf an, wo die streitgegenständliche Verpflichtung nach nationalem Recht zu erfüllen ist. Dabei geht der EuGH davon aus, dass die lex causae den Erfüllungsort für mitgliedschaftliche Verpflichtungen stets am Vereinssitz lokalisieren wird, so dass sich die Zuständigkeit desjenigen Gerichts ergibt, das die Streitigkeit am besten verstehen kann.216 Wie diese Formel in der post-Inspire-Art-Zeit zu verstehen ist, bedarf gesonderter Erörterung.217 Diese Rechtsprechung hat der EuGH später in der Sache Powell Duffryn/ Petereit auf die Aktiengesellschaft übertragen. Das Rechtsverhältnis von Aktionären untereinander und zwischen Aktionären und der Gesellschaft sei ebenfalls vertraglicher Natur.218 Dabei hat der Gerichtshof klar gesehen, dass die Qualifikationsfrage nicht in allen Mitgliedstaaten gleich beantwortet wird.219 In einer solchen Situation würde ein Rückgriff auf die lex causae indessen den Inhalt der EuGVVO (und früher des EuGVÜ) de facto zur Disposition des mitgliedstaatlichen Rechts stellen, weil in dem einen Staat die Satzung einer AG als Vertrag anerkannt ist, in anderen dagegen nicht. Es ist das Bestreben nach der Einheit des Europäischen Zivilprozessrechts, das den EuGH dazu geführt hat, den Begriff des „Vertrags“ in Art. 5 Nr. 1 EuGVVO ebenso autonom auszulegen wie denjenigen der „Gerichtsstandsvereinbarung“ in Art. 23 _________ 213 EuGH v. 22.3.1983 – Rs 34/82 – Martin Peters Bauunternehmung GmbH ./. Zuid Nederlandse Aannemers Vereniging, Slg. 1983, 987, 1003, Nr. 17 = RIW 1983, 871 = IPRax 1984, 85. 214 EuGH (Fn. 213), Slg. 1983, 987, 1002 f., Nr. 13 f. = IPRax 1984, 85. 215 EuGH (Fn. 213), Slg. 1983, 987, 1003, Nr. 18. = IPRax 1984, 85. 216 EuGH (Fn. 213), Slg. 1983, 987, 1003 Nr. 14 = IPRax 1984, 85. 217 Unten VII 1 c) ee) S. 274 ff. 218 EuGH v. 10.3.1992 – Rs C-214/89 – Powell Duffryn plc ./. Wolfgang Petereit, Slg. 1992 I-1745, 1774 Nr. 15 f. = IPRax 1993, 32 mit Anm. Koch 19. 219 EuGH v. 10.3.1992 – Rs C-214/89 – Powell Duffryn plc ./. Wolfgang Petereit, Slg. 1992 I-1745, 1773 Nr. 10 = IPRax 1993, 32 mit Anm. Koch 19.

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EuGVVO.220 Speziell im Fall der Satzung einer Aktiengesellschaft fiel für den EuGH entscheidend zugunsten einer kontraktlichen Qualifikation ins Gewicht, dass die verpflichtende Wirkung der Satzung stets auf einer Zustimmung des Aktionärs beruht.221 Die erforderliche Zustimmung sieht der Gerichtshof dabei bereits in dem Beitritt zur AG durch den Erwerb entsprechender Anteile bzw. in dem Unterlassen des Austritts durch Verkauf der Aktien. Folgerichtig kommt es weder darauf an, dass die streitbefangene Bestimmung bereits in die Satzung aufgenommen worden war, als der Aktionär Mitglied der AG geworden ist, noch darauf, dass er der Satzungsbestimmung individuell zugestimmt hat.222 Die Entscheidungen in Sachen Peters und Powell Duffryn erscheinen als Ausdruck des Bemühens des EuGH, durch erweiterte Auslegung des Art 5 Nr. 1 eine Art europäischen „Gerichtsstand der Mitgliedschaft“ für sämtliche gesellschaftsrechtlichen Ansprüche zu schaffen, den das deutsche Zuständigkeitsrecht in § 22 ZPO ausdrücklich normiert.223

cc) Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen Auf der eben erarbeiteten Grundlage ist die Zuständigkeit des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO vom OLG Bremen auch für Ansprüche der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter aus §§ 32a, 32b GmbHG auf Rückgewähr eigenkapitalersetzender Darlehen eröffnet.224 Genauso hat das OLG Jena für den Erstattungsanspruch des § 31 GmbHG nach rechtswidriger (§ 30 GmbHG) Rückzahlung von Eigenkapital an einen Gesellschafter _________ 220 EuGH v. 10.3.1992 – Rs C-214/89 – Powell Duffryn plc ./. Wolfgang Petereit, Slg. 1992 I-1745, 1774 Nr. 13, 15 = IPRax 1993, 32 mit Anm. Koch 19; vgl. allgemein oben III 3 S. 233 ff. 221 EuGH v. 10.3.1992 – Rs C-214/89 – Powell Duffryn plc ./. Wolfgang Petereit, Slg. 1992 I-1745, 1775 Nr. 17 ff. = IPRax 1993, 32 mit Anm. Koch 19. 222 EuGH v. 10.3.1992 – Rs C-214/89 – Powell Duffryn plc ./. Wolfgang Petereit, Slg. 1992 I-1745, 1775 Nr. 18 = IPRax 1993, 32 mit Anm. Koch 19. 223 EuGH v. 10.3.1992 – Rs C-214/89 – Powell Duffryn plc ./. Wolfgang Petereit, Slg. 1992 I-1745, 1775 Nr. 20 = IPRax 1993, 32 m. Anm. Koch 19; vgl. auch Vollkommer in Zöller (Fn. 31), § 22 Rz. 4; zu den Bedenken einer erweiterten Auslegung von Art. 5 Nr. 1 vgl. Haubold, Internationale Zuständigkeit für gesellschaftsrechtliche und konzerngesellschaftsrechtliche Haftungsansprüche nach EuGVÜ und LugÜ, IPRax 2000, 375, 377; vgl. bereits oben VI 3 a) S. 262. 224 OLG Bremen, RIW 1998, 63.

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entschieden.225 Beides gilt im Übrigen auch dann, wenn der Beklagte gar nicht unmittelbar an der Gesellschaft beteiligt war, sondern sie über eine zwischengeschaltete Gesellschaft kontrollierte.226 Ansprüche auf Rückzahlung von Eigenkapital gemäß § 31 GmbHG fallen auch nicht deswegen gemäß Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 EuGVVO aus dem Anwendungsbereich der Verordnung heraus, weil es sich um eine insolvenzrechtliche Materie handelte.227 Streitigkeiten um das Rückzahlungsverbot der §§ 30 f. GmbHG hat der BGH ausdrücklich dem Gesellschaftsstatut unterstellt,228 was im Europäischen Zivilprozessrecht zum Vertragsgerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO führt.

dd) Streitigkeiten mit Organen Die Bedeutung des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO für das Gesellschaftsrecht ist nicht auf Streitigkeiten zwischen der Korporation und ihren Mitgliedern beschränkt. Vielmehr hat das OLG München auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Organen vertraglich qualifiziert und damit den Gerichtsstand des Erfüllungsorts eröffnet.229 Zwar wird nach herrschender Meinung die Organstellung nicht unmittelbar durch Vertrag begründet, sondern durch einen einseitigen Bestellungsakt.230 Zur Wirksamkeit der Bestellung ist indessen die Zustimmung des Organs erforderlich. Die Vertragsähnlichkeit ergibt sich somit aus dem Konsenserfordernis.231 Haftungsansprüche der Gesellschaft gegen ihre Geschäftsführer und Vorstände aus dem Anstellungsvertrag können also im Vertragsgerichtsstand geltend gemacht werden.232

ee) Der Erfüllungsort bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten Der nach der lex causae zu bestimmende Erfüllungsort liegt nach deutschem Gesellschaftsrecht am Sitz der Gesellschaft, und zwar für sämt_________ 225 226 227 228 229 230

OLG Jena, ZIP 1998, 1496, 1497. OLG Bremen, RIW 1998, 63, 64; OLG Jena, ZIP 1998, 1496, 1497. OLG Jena, ZIP 1998, 1496. BGHZ 148, 167, 168 = NJW 2001, 3123. OLG München, RIW 1999, 871= IPRax 1999, 416 Nr. 33. Mertens in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl. 1986, § 84 Rz. 3; Hüffer (Fn. 161), § 84 Rz. 4, a. A. Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 1987, S. 40, der von einem Vertrag spricht. 231 Haubold, IPRax 2000, 375, 377. 232 OLG München, RIW 1999, 871; OLG Celle, RIW 2000, 710.

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liche Ansprüche der Gesellschaft gegen ihre Mitglieder.233 Gleiches gilt für Ansprüche aus Organhaftung.234 Doch wo liegt der „Sitz der Gesellschaft“? Vor der mit Centros begonnenen Entwicklung war die Antwort eindeutig: Der Sitz der Gesellschaft war auf der Grundlage der Sitztheorie zu lokalisieren, so dass die Kompetenz der deutschen Gerichte von vornherein nur für Streitigkeiten um deutsche Gesellschaften eröffnet sein konnte, d. h. für Gesellschaften, die ihren Hauptverwaltungssitz in Deutschland hatten. Diese Rechtslage entsprach im übrigen auch dem Verständnis des EuGH in der Rechtssache Peters/ZNAV.235 Seit der deutsche Markt für Scheinauslandsgesellschaften geöffnet ist, stellt sich die Frage, ob der Sitz der Gesellschaft in seiner Funktion als Erfüllungsort für Ansprüche im Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Mitgliedern sowie ihren Organen nunmehr am Satzungssitz (England) oder am Verwaltungssitz (Deutschland) zu lokalisieren ist, wobei auch eine konkurrierende Zuständigkeit der Gerichte an beiden Orten denkbar wäre, wie Art. 60 Abs. 1 EuGVVO zeigt. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs verbietet sich an dieser Stelle eine begrifflich-deduktive Bestimmung des Erfüllungsorts, etwa in dem Sinne, dass Art. 60 Abs. 1 EuGVVO auch im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 EuGVVO für verbindlich erklärt würde. Der Gerichtshof legt die Sonderkompetenzen des Art. 5 EuGVVO stets im Hinblick auf die Sachgerechtigkeit der Zuständigkeitsverteilung aus und ist stets darum besorgt, dasjenige Gericht mit der Entscheidung des Rechtsstreits zu betrauen, das wegen seiner Sach- und Beweisnähe am besten dazu geeignet erscheint.236 Für gesellschaftsrechtliche Binnenstreitigkeiten i. S. d. Art. 22 Nr. 2 EuGVVO ist oben die Auffassung vertreten worden, das Gericht am Satzungssitz sei zur Entscheidung solcher Fälle berufen, weil es sein eigenes Gesellschaftsrecht anwenden könne und damit der Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht gewährleistet sei.237 Auf die Streitigkeiten des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO lässt sich diese Argumentation nicht bruchlos übertragen, _________ 233 OLG Jena, ZIP 1998, 1496, 1497 f.; OLG Bremen, RIW 1998, 63, 65; BayObLG, NJW-RR 1990, 742; Heinrichs in Palandt (Fn. 20), § 269 Rz. 14; Krüger in MünchKomm BGB, Bd. 2a, 4. Aufl. 2003, § 269 Rz. 32. 234 BGH, NJW-RR 1992, 800, 801. 235 Vgl. oben Fn. 216. 236 Vgl. oben III 5 S. 238 ff. sowie VII 1 c) bb) S. 271 ff. mit Fn. 212. 237 Vgl. oben VI 3 b) S. 264 ff.

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weil das Gesellschaftsrecht für deren Entscheidung eine weitaus geringere Rolle spielt als bei den Streitigkeiten des Art 22 Nr. 2. Sowohl die Ansprüche aus dem Mitgliedschaftsverhältnis als auch Haftungsansprüche gegen Organe werden ihre Grundlage regelmäßig nicht nur – und vielleicht nicht einmal an erster Stelle – im Gesellschaftsrecht als Gesetzesrecht finden, sondern vielmehr in der Satzung bzw. im Anstellungsvertrag. Für die Interpretation und Anwendung dieser Akte der Privatautonomie erscheint das Gericht am Sitz der Hauptverwaltung (Deutschland) indessen als deutlich besser geeignet als das Gericht am Satzungssitz (England), wo die Gesellschaft lediglich einen Briefkasten als registered office unterhält. Auf der anderen Seite schweben die für die Mitglieder verbindliche Satzung und der Anstellungsvertrag des Organs nicht im rechtsfreien Raum, sondern sind in das jeweils anwendbare Gesellschaftsrecht eingebettet und auf dessen Regelungsspielräume abgestimmt. Gänzlich ohne Rückgriff auf das Gesellschaftsstatut lassen sich also Streitigkeiten der Gesellschaft mit ihren Mitgliedern und Organen nicht lösen, was dafür spricht, die Zuständigkeit der Gerichte am Satzungssitz zu eröffnen. Für die Maßgeblichkeit des Satzungssitzes fällt weiter ins Gewicht, dass auf diese Weise die Kumulierung von Streitgegenständen vertraglicher Natur mit den Binnenstreitigkeiten des Art. 22 Nr. 2 EuGVVO möglich wird.238 Im Übrigen lassen sich die Vorschriften über die Rückzahlung von Eigenkapital (§ 31 GmbHG) und über eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen (§§ 32a, 32b GmbHG) auf eine in England inkorporierte Limited nicht anwenden, und zwar einfach deshalb nicht, weil Letztere keine GmbH ist. Insoweit gibt es also auch keinen Vertragsgerichtsstand in Deutschland, an dem entsprechende Klagen erhoben werden könnten.

2. Deliktsgerichtsstand a) Anwendungsbereich und Verhältnis zum Vertragsgerichtsstand Ein weiterer besonderer Gerichtsstand wird durch Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zur Verfügung gestellt. Danach kann eine Person in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, „wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden.“ Zuständig ist dann das Gericht des Ortes, „an dem das _________ 238 Vgl. oben VI 3 b) S. 264 ff.

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schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.“ Der EuGH versteht den Deliktsgerichtsstand als alternativ zum Vertragsgerichtsstand, wendet Nr. 3 also nur an, wenn eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag i. S. von Art. 5 Nr. 1 geknüpft ist.239 Insofern hat die Frage der vertraglichen Qualifikation in der Konzeption des EuGH „logisch wie prüfungstechnisch Vorrang“ vor der Prüfung des Gerichtsstands für unerlaubte Handlungen.240 Dieses Konzept einer strikten Alternativität von Vertragsgerichtsstand und Deliktsgerichtsstand kann nur aufgehen, wenn der EuGH auch den Begriff der unerlaubten Handlung autonom definiert, wie er es auch tatsächlich praktiziert.241 Wie bereits angesprochen, können Ansprüche aus culpa in contrahendo das Nadelöhr des Vertragsgerichtsstands jedenfalls dann passieren, wenn ein Vertrag in concreto nicht zustande gekommen ist; in diesen Fällen greift die deliktische Qualifikation.242 Ansprüche aus Gefährdungshaftung sowie Abwehransprüche analog § 1004 BGB fallen ebenfalls darunter.243 Schließlich hat der EuGH sogar die von Verbraucherschutzverbänden erhobenen Unterlassungsklagen gemäß Art. 7 der Richtlinie 93/13/EWG244 gegen missbräuchliche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Deliktsgerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO unterstellt.245

_________ 239 EuGH v. 27.9.1988 – Rs 189/87 – Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co., Slg. 1988, 5565, 5585 Nr. 17 ff. = NJW 1988, 3088 m. Anm. Geimer; EuGH v. 17.9.2002 – Rs C-334/00 – Fonderie Officine Meccaniche Tacconi SpA ./. Heinrich Wagner Sinto Maschinenfabrik GmbH, Slg. 2002, I-7357, 7393 Nr. 23 = NJW 2003, 3159 = IPRax 2003, 143 mit Anm. Mankowski 127; EuGH v. 1.10.2002 – Rs C-167/00 – Verein für Konsumenteninformation ./. Karl Heinz Henkel, Slg. 2002 I-8111, 8139 Nr. 36 = NJW 2002, 3617; EuGH v. 11.7.2002 – Rs C-96/00 – Rudolf Gabriel, Slg. 2002 I-6367, 6398 Nr. 34 = NJW 2002, 2697 = ZEuP 2004, 762 m. Bespr. Staudinger. 240 Mankowski, IPRax 2003, 127, 128. 241 Vgl. oben Fn. 46. 242 Vgl. oben VII 1 b) S. 269 ff. 243 OLG München, NJW-RR 1994, 190; Kropholler (Fn. 33), Rz. 66, 68; Schlosser (Fn. 36), Rz. 16. 244 Richtlinie des Rates v. 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. Nr. L 95 v. 21.4.1993, S. 29 ff. 245 EuGH v. 1.10.2002 – Rs C-167/00 – Verein für Konsumenteninformation ./. Karl Heinz Henkel, Slg. 2002 I-8111, 8139 Nr. 36 = NJW 2002, 3617.

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b) Der Ort des schädigenden Ereignisses Soweit ein Anspruch aus unerlaubter Handlung gegeben ist, legt der EuGH den Deliktsgerichtsstand genauso aus, wie dies im deutschen Recht zu § 31 ZPO anerkannt ist: Es gilt das so genannte Ubiquitätsprinzip, nach dem der „Ort des schädigenden Ereignisses“ sowohl dort zu lokalisieren ist, wo der Schaden eingetreten ist (so genannter Erfolgsort) als auch an demjenigen Ort, an dem die für die Verletzung kausale Handlung ausgeführt wurde (so genannter Handlungsort). Bei Distanz- und Streudelikten hat der Geschädigte somit die Wahl, wo er Klage erheben will.246 Während mit der am Handlungsort erhobenen Klage allerdings der gesamte Schaden liquidiert werden kann, ist die Kognition der Erfolgsortgerichte auf die im Bereich ihrer Jurisdiktion entstandenen und in diesem Sinne „lokalen“ Schäden beschränkt.247 Der Gerichtshof definiert als Erfolgsort denjenigen Ort, „an dem die schädigenden Auswirkungen des haftungsauslösenden Ereignisses zu Lasten des Betroffenen eingetreten sind“.248 Die in der deutschen Dogmatik anerkannte Lokalisation des Erfolgsorts am Ort der Rechtsgutsverletzung249 hat er zwar ausdrücklich abgelehnt,250 doch scheint dem _________ 246 EuGH v. 30.11.1976 – Rs 21/76 – Handelswerkerij G. J. Bier B. V. ./. Mines Potasse d’Alsace S. A., Slg. 1976, 1735, 1746 f. = NJW 1977, 493; EuGH v. 11.1.1990 – Rs C-220/88 – Dumez France und Tracoba ./. Hessische Landesbank (Helaba) und andere, Slg. 1990, I-49, 78, Nr. 10 = NJW 1991, 631; EuGH v. 7. 3.1995 – Rs C-68/93 – Shevill u. a. ./. Presse Alliance S. A., Slg. 1995, 415, 459 f. Nr. 20 = NJW 1995, 1881; EuGH v. 19.9.1995 – Rs C-364/93 – Antonio Marinari ./. Lloyds Bank plc und Zubaidi Trading Company, Slg. 1995 I-2719, 2738 f. Nr. 11 = JZ 1995, 1107 m. Anm. Geimer = EuZW 1995, 765 m. Anm. Holl; EuGH, Urt. v. 27.10.1998, Rs C-51/97 (Réunion européenne SA ./. Spliethoff’s Bevrachtingskantoor BV u. a.), Slg. 1998 I-6511, 6544 f. Nr. 28, 30 = EuZW 1999, 59. 247 EuGH v. 7. 3.1995 – Rs C-68/93 – Shevill u. a. ./. Presse Alliance S. A., Slg. 1995, 415, 459 f. Nr. 20 = NJW 1995, 1881; EuGH, Urt. v. 27.10.1998, Rs C-51/97 (Réunion européenne SA ./. Spliethoff’s Bevrachtingskantoor BV u. a.), Slg. 1998 I-6511, 6545 Nr. 30 = EuZW 1999, 59. Eingehend zu dieser Rechtsprechung Wagner, RabelsZ 62 (1998) 243, 277 ff. 248 EuGH v. 7. 3.1995 – Rs C-68/93 – Shevill u. a. ./. Presse Alliance S. A., Slg. 1995, 415, 459 f. Nr. 20 = NJW 1995, 1881. 249 RGZ 140, 25, 29; BGHZ 70, 7 = NJW 1978, 495 = VersR 1978, 231; Wagner in Anwaltkommentar BGB, Bd. I, 2004, Art. 40 EGBGB Rz. 21. 250 EuGH v. 19.9.1995 – Rs C-364/93 – Antonio Marinari ./. Lloyds Bank plc und Zubaidi Trading Company, Slg. 1995 I-2719, 2738 f. Nr. 11 = JZ 1995, 1107 m. Anm. Geimer = 1995, 765 m. Anm. Holl.

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ein Missverständnis bzw. eine unklare Darstellung der Rechtslage durch die deutsche Regierung zugrunde zu liegen.251 Bei Verletzungen der persönlichen Integrität und von Eigentumsrechten kommt es nämlich tatsächlich auf diese an, während bei reinen Vermögensschäden – in Übereinstimmung mit dem EuGH – darauf abzustellen ist, wo der vom Geschädigten erlittene „Erstschaden“ bzw. die Interesseverletzung eingetreten ist.252 Folgerichtig kann sich eine bloß mittelbar an ihrem Vermögen geschädigte Partei, beispielsweise die Muttergesellschaft einer primär geschädigten Konzerntochter, nicht an das Gericht des Erfolgsorts wenden, um den von ihr erlittenen Folgeschaden einzuklagen.253

c) Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten unter Art. 5 Nr. 3 EuGVVO Im Kontext des internationalen Gesellschaftsrechts könnte der Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO vor allem im Zusammenhang mit der Existenzvernichtungshaftung und der Insolvenzverschleppungshaftung Bedeutung erlangen.254 Die Insolvenzverschleppungshaftung trifft Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder, und sie wird weithin als Domäne des Gesellschaftsrechts angesehen.255 Dies ändert allerdings nichts daran, dass sie ihre Grundlage in der allgemeinen Deliktsnorm des § 823 Abs. 2 BGB findet – das Gesellschaftsrecht liefert lediglich das _________ 251 EuGH v. 19.9.1995 – Rs C-364/93 – Antonio Marinari ./. Lloyds Bank plc und Zubaidi Trading Company, Slg. 1995 I-2719, 2738 f. Nr. 11 = JZ 1995, 1107 m. Anm. Geimer = EuZW 1995, 765 m. Anm. Holl. 252 EuGH v. 19.9.1995 – Rs C-364/93 – Antonio Marinari ./. Lloyds Bank plc und Zubaidi Trading Company, Slg. 1995 I-2719, 2738 f. Nr. 11 = JZ 1995, 1107 m. Anm. Geimer = 1995, 765 m. Anm. Holl; genauso bereits EuGH v. 11.1.1990 – Rs C-220/88 – Dumez France und Tracoba ./. Hessische Landesbank (Helaba) und andere, Slg. 1990, I-49, 78, Nr. 10 = NJW 1991, 631; zum deutschen Recht vgl. Wagner, ZInsO 2003, 485, 489, sowie ders. in Anwaltkommentar BGB (Fn. 249), Art. 40 EGBGB Rz. 21. 253 EuGH v. 11.1.1990 – Rs C-220/88 – Dumez France und Tracoba ./. Hessische Landesbank (Helaba) und andere, Slg. 1990, I-49, 78, Nr. 10 = NJW 1991, 631; EuGH v. 27.10.1998 – Rs C-51/97 – Réunion européenne SA ./. Spliethoff’s Bevrachtingskantoor BV u. a., Slg. 1998 I-6511, 6545 Nr. 31 = EuZW 1999,59. 254 Wagner in MünchKomm BGB, Bd. 5, 4. Aufl. 2004, § 823 Rz. 385 ff., § 826 Rz. 101. 255 Ulmer, NJW 2004, 1201, 1207; ders., KTS 2004, 291, 301; Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 11 f.; vgl. auch Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588 f.; Weller, IPRax 2003, 207, 210.

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Schutzgesetz; vgl. § 92 Abs. 2 AktG, § 64 Abs. 1 GmbHG.256 Die Haftung der Gesellschafter für existenzvernichtenden Eingriff ist vom II. Zivilsenat des BGH allerdings neben diejenige aus § 826 BGB gestellt worden, obwohl sie wegen ihrer anspruchsvollen Voraussetzungen ohne weiteres unter die deliktische Generalnorm des Vermögensschadensersatzes hätte gebracht werden können.257 Soweit in der Literatur erörtert wird, ob diese Institute auf Scheinauslandsgesellschaften auch nach Inspire Art noch Anwendung finden können, wird geltend gemacht, auf die deliktsrechtliche Qualifikation komme es nicht wirklich an, weil der EuGH diese Institute ohne Rücksicht auf ihre Qualifikation an den Vorgaben der Niederlassungsfreiheit messen werde.258 Das mag im Kontext des europäischen Primärrechts richtig sein, für die gerichtliche Zuständigkeit wird die Qualifikation doch von entscheidender Bedeutung sein. Selbstverständlich ist nicht davon auszugehen, dass der EuGH eine Zuständigkeitsbegründung über eine deliktsrechtliche Qualifikation gleichsam „blind“ akzeptiert, denn dem steht schon die autonome Interpretation des Begriffs der „unerlaubten Handlung“ entgegen.259 Das trifft aber genauso zu, wenn dem Gerichtshof eine gesellschaftsrechtliche oder auch eine insolvenzrechtliche Qualifikation dargeboten würde.260 In der Sache ist zu berücksichtigen, dass zwar das Kollisionsrecht eine spezielle Abteilung für das Gesellschaftsrecht reserviert hat, dass die EuGVVO jedoch einen „Gerichtsstand der Gesellschaft“ oder des Gesellschaftsrechts nicht kennt.261 Deshalb verschlägt es im Rahmen des Art. 5 EuGVVO überhaupt nichts, wenn auf einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation der Insolvenzverschleppungshaftung und der Haftung aus existenzvernichtendem Eingriff insistiert wird; für das Europäische Zivilprozessrecht ist dies irrelevant. Entscheidend ist vielmehr die Abgrenzung des Deliktsgerichtsstands gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zum Vertragsgerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO.262 Diese Abgren_________ 256 Wagner in MünchKomm BGB (Fn. 254), 823 Rz. 385 ff. 257 Kritisch zur Vernachlässigung dieser Zentralnorm des Vermögensschadensersatzes Wagner in MünchKomm BGB (Fn. 254) § 826 Rz. 101. 258 Ulmer, NJW 2004, 1201, 1207; Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 10 ff.; vgl. auch Altmeppen, NJW 2004, 97, 101 f.; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 182. 259 Vgl. unter VII 2 a) S. 276 f. 260 Dazu sogleich VIII 1 c) S. 286, 2 c) S. 289, 3 S. 290 ff. 261 Vgl. oben VI 3 a) S. 262, VII 1 c) aa) S. 270 f. 262 Vgl. oben Fn. 254.

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zung zur Vertragshaftung können beide Institute mühelos bestehen, denn die Haftung ist weder freiwillig noch konsensbasiert.263 Der EuGH hat zwar die Durchsetzung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen ihre Mitglieder oder Organe unter den Vertragsgerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO gebracht.264 Der Schutz externer Gesellschaftsgläubiger ist jedoch keine Angelegenheit des Vertrags-, sondern des Deliktsrechts. Bei der Insolvenzverschleppung und dem existenzvernichtenden Eingriff geht es um die Sanktionierung des Verhaltens von Geschäftsführern und Gesellschaftern im Verhältnis zu externen Gesellschaftsgläubigern, ohne dass es darauf ankommt, ob diese mit der Gesellschaft in einem Vertragsverhältnis stehen. Und selbst wo ein Vertragsverhältnis zwischen dem geschädigten Gläubiger bzw. Kreditgeber und der Gesellschaft existiert, fehlt es stets an einer vertraglichen Beziehung zum Beklagten, nämlich zum Gesellschafter bzw. zum Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied. Es fällt schon sach- und kollisionsrechtlich nicht schwer, in dem Schutz externer Gläubiger vor der Zufügung reiner Vermögensschäden durch Gesellschafter und Gesellschaftsorgane eine genuine Aufgabe des Rechts der außervertraglichen Haftung zu sehen.265 Zivilprozessual dürfte an einer Qualifikation als „unerlaubte Handlung“ kaum vorbeizukommen sein. Allerdings bezieht sich die Insolvenzverschleppungshaftung schon ihrem Namen nach auf das Vorfeld der Insolvenz, auf die Unternehmenskrise, und Gleiches gilt der Sache nach auch für die Haftung aus existenzvernichtendem Eingriff.266 Wirklich problematisch ist deshalb nicht so sehr ihre Abgrenzung zum Vertragsrecht als vielmehr zum Insolvenzrecht. Die aktuelle Diskussion konzentriert sich dementsprechend auf die Alternative aus deliktsrechtlicher oder insolvenzrechtlicher Qualifikation der Haftung wegen Insolvenzverschleppung und existenzvernichtendem Eingriff. Die Bedeutung dieser Entscheidung für die Zuständigkeitsfrage lässt sich allerdings erst auf der Grundlage _________ 263 Vgl. zu diesen Kriterien oben VII 1 b) S. 269 f. 264 Grundlegend EuGH v. 22.3.1983 – Rs 34/82 – Martin Peters Bauunternehmung GmbH ./. Zuid Nederlandse Aannemers Vereniging, Slg. 1983, 987, 1003, Nr. 17 = RIW 1983, 871 = IPRax 1984, 85; eingehend oben, unter VII 1 c) S. 270 ff. 265 Übereinstimmend Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 669 f., 670; vgl. auch Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588 f., 3590. 266 Vgl. Wagner, Deliktshaftung und Insolvenzrecht, in Festschrift Gerhardt, 2004, S. 1043, 1060 ff. (im Erscheinen).

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einer genaueren Analyse des Regelungsgehalts des Europäischen Insolvenzrechts einschätzen. Davon hängt auch ab, ob Insolvenzanfechtungsklagen am Deliktsgerichtsstand erhoben werden können.267

VIII. Koordination der EuGVVO mit der EuInsVO 1. Zuständigkeit und anwendbares Recht nach der EuInsVO a) Grundlagen Die EuInsVO hat das internationale Insolvenzrecht im Binnenmarkt mit Wirkung vom 31.5.2002 vereinheitlicht.268 Das Verhältnis der EuGVVO zur EuInsVO ist Thema sowohl des Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuGVVO als auch – implizit – des Art. 4 Abs. 2 EuInsVO. Gemäß Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 EuGVVO ist die Verordnung nicht anzuwenden auf „Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren“. Auf der anderen Seite enthält Art. 4 Abs. 2 EuInsVO einen Katalog von Regelungsgegenständen, für die gemäß Art. 4 Abs. 1 EuInsVO die lex fori concursus gilt. Das zuständige Forum wiederum wird in Art. 3 Abs. 1 EuInsVO bestimmt, der die wie immer zentrale Entscheidung zwischen der Maßgeblichkeit entweder des Satzungssitzes oder des Verwaltungssitzes grundsätzlich für den Verwaltungssitz entscheidet. Zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gerichte desjenigen Staates zuständig, „in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat“, wobei allerdings bei juristischen Personen und Gesellschaften „bis zum Beweis des Gegenteils vermutet“ wird, dass dieser Ort mit dem Satzungssitz identisch ist.

b) Vis attractiva concursus? In der Literatur wird verbreitet eine insolvenzrechtliche Qualifikation der Insolvenzverschleppungshaftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG und der Haftung aus existenz-

_________ 267 Unten VIII 3 a) S. 290 f. 268 Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren v. 29.5.2000, ABl. Nr. L 160 v. 30.6.2000, S. 1 ff.; zum Inkrafttreten vgl. Art. 47 EuInsVO.

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vernichtendem Eingriff erörtert und zum Teil auch befürwortet.269 Wie auch immer man dazu stehen mag, für die Frage der internationalen Zuständigkeit ist von zentraler Bedeutung, dass sich aus einer kollisionsrechtlichen Entscheidung zugunsten der insolvenzrechtlichen Qualifikation nicht ohne weiteres auf die Zuständigkeit schließen lässt. Der Grund dafür liegt darin, dass der Anwendungsbereich der kollisionsrechtlichen Regelung des Art. 4 EuInsVO mit der Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nach Art. 3 EuInsVO nicht kongruent ist, sondern deutlich darüber hinausgeht. Diese Inkongruenz von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht zeigt sich am deutlichsten am Beispiel der Anfechtung: Sieht man von den Qualifizierungen des Art. 13 EuInsVO einmal ab, so beherrscht die lex fori concursus gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. m EuInsVO auch die Frage, „welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen.“ Das bedeutet aber nicht, dass das Insolvenzgericht, bei dem das Verfahren gemäß Art. 3 EuInsVO anhängig ist, dafür zuständig wäre, Anfechtungsklagen des Insolvenzverwalters gegen x-beliebige Dritte zu erledigen.270 Obwohl also die Anfechtung auf der Ebene des Kollisionsrechts insolvenzrechtlich qualifiziert wird, fehlt es offenbar an der Zuständigkeit des Insolvenzgerichts. Wie diese Inkongruenz zwischen kollisionsrechtlicher Anknüpfung und Zuständigkeit des Insolvenzgerichts aufzulösen ist, darüber herrscht Streit. Dieser dreht sich im Kern um die sog. vis attractiva concursus, also die Geltung des (ausschließlichen) Insolvenzgerichtsstands für sog. Annexverfahren. Die in Deutschland herrschende Ansicht bezieht Art. 3 Abs. 1 EuInsVO allein auf Gesamtverfahren i. S. d. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 lit. a, Anhang A EuInsVO, in Deutschland also auf Insolvenzverfahren nach der InsO,271 und verneint seine Geltung für Annexverfahren wie Anfechtungs- und Haftungsklagen. Die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts beschränkt sich demnach auf die Abwicklung des Ge_________ 269 Paulus, ZIP 2002, 729, 734; Müller, NZG 2003, 414, 416 f.; Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, S. 103 f.; vgl. auch Zimmer, NJW 2003, 3585, 3589 f.; zu den Anhängern einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation vgl. die Nachweise oben Fn. 255. 270 BGH, IPRax 2004, 59, 61 m. Anm. Mörsdorf-Schulte; vgl. weiter BGH, NJW 1990, 990 = ZZP 105 (1992), 212 m. Anm. Taupitz, wo die Zuständigkeit des Konkursgerichts für Anfechtungsklagen nicht einmal erwogen wird! 271 Ausweislich des Anhang A zählen zu den Gesamtverfahren i. S. d. EuInsVO auch Konkurs-, Vergleichs- und Gesamtvollstreckungsverfahren nach altem Recht.

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samtverfahrens und erstreckt sich nicht auf sämtliche Einzelverfahren, derer es bedarf, um von der Ist-Masse zur Soll-Masse zu gelangen.272 Die Gegenauffassung will dagegen die vis attractiva concursus bejahen, was darauf hinaus läuft, die Kollisionsnormen des Art. 4 Abs. 2 EuInsVO in Kompetenznormen umzudeuten bzw. um solche zu ergänzen.273 In dem Entwurf eines EG-Konkursübereinkommens aus dem Jahre 1980, der nie verabschiedet worden ist, war der Umfang der vis attractiva noch ausdrücklich geregelt.274 Art. 15 des Entwurfs enthielt eine lange Liste von Streitigkeiten, für die die Gerichte des Konkurseröffnungsstaates ausschließlich zuständig sein sollten, darunter insbesondere Streitigkeiten über die Unwirksamkeit von Rechtshandlungen des Schuldners gegenüber den Konkursgläubigern, gleich, ob sie vor oder nach Konkurseröffnung vorgenommen worden waren. Die vis attractiva concursus erstreckte sich also auf Anfechtungsstreitigkeiten. Darüber hinaus beanspruchte aufgrund der Sonderregel des Art. 11 Übereinkommens-Entwurf das Insolvenzgericht die Zuständigkeit auch für „Haftungsklagen“ gegen die Organe von Gesellschaften oder juristischen Personen auf Schadensersatz wegen ihrer Geschäftsführungstätigkeit (lit. a) sowie gegen Gesellschafter wegen deren akzessorischer Mithaftung für die Gesellschaftsschulden (lit. b). In Deutschland hat die Erstreckung der (ausschließlichen) Zuständigkeit des Konkursgerichts auf Anfechtungs- und Haftungsklagen gegen Dritte heftige Kritik erfahren.275 Mit Recht ist gefragt worden, warum „bei einem Konkurs in Deutschland die deutschen Gerichte über Rückgewährklagen hinsichtlich eines Ferienhauses in den schottischen Hochmooren entscheiden [sollen]“ und umgekehrt „die Klage auf Bewilligung der Berichtigung des Grundbuches gegen den Erwerber eines oberbayrischen Grundstücks in Schottland entschieden werden [soll], nur weil der Veräußerer vor der Veräußerung dort in Konkurs gefallen war“.276 _________ 272 Leipold in Stoll (Hrsg.), Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EUÜbereinkommens über Insolvenzverfahren im deutschen Recht, 1997, S. 185, 198 f.; Lüke, ZZP 111 (1998), 275, 291 f.; Haas, NZG 1999, 1148, 1149; Leible/Staudinger, KTS 61 (2000), 533, 566 m. Fn. 230; Eidenmüller, IPRax 2001, 2, 7 m. Fn. 40; Reinhart in MünchKomm InsO, Bd.3, 2003, Art. 3 EuInsVO Rz. 4. 273 So Leipold, FS Ishikawa, 2001, S. 222, 236; Haubold, IPRax 2002, 157, 160 f. 274 Der Entwurf ist abgedruckt und wird analysiert in Kegel/Thieme (Hrsg.), Vorschläge und Gutachten zum Entwurf eines EG-Konkursübereinkommens, 1988, Entwurfstext auf S. 45 ff. 275 Jahr in Kegel/Thieme (Fn. 274), S. 305, 311, 315. 276 Jahr in Kegel/Thieme (Fn. 274), S. 311.

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Welchen Umfang die vis attractiva concursus in der EuInsVO angenommen hat bzw. ob sie überhaupt anerkannt worden ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Für die Anerkennung einer vis attractiva concursus spricht die Genealogie der Kollisionsnormen des Art. 4 Abs. 2 EuInsVO in den Zuständigkeitsnormen des Art. 15 Übereinkommens-Entwurf sowie der Wortlaut von Erwägungsgrund Nr. 6 zur EuInsVO, wo es heißt, die VO beschränke sich auf Vorschriften, „die die Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren und für Entscheidungen regeln, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen“. Auf der anderen Seite spricht gegen eine umfassende Zuständigkeit des Insolvenzgerichts der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO, wo nur vom eigentlichen Insolvenzverfahren die Rede ist, das zuvor in Art. 1 Abs. 1, Art. 2 lit. a i. V. m. Anhang A EuInsVO im Sinne eines Gesamtverfahrens definiert worden ist. Darüber hinaus handelt Art. 25 Abs. 2 EuInsVO ausdrücklich von der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, „die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen, auch wenn diese Entscheidungen von einem anderen Gericht getroffen werden“. Auch die EuInsVO geht also offenbar davon aus, dass ein „anderes Gericht“ Entscheidungen „unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens“ treffen kann.277 Vor allem aber sprechen die eben in Frageform angeführten Sachgründe gegen die vis attractiva: Die umfassende Zuständigkeit der Gerichte des Konkursstaates für sämtliche Anfechtungs- und Haftungsklagen gegen ausländische Parteien steht in diametralem Gegensatz zur Wertung der EuGVVO, weil sie dem Verwalter de facto ein forum actoris zur Verfügung stellt, also das vom EuGH so hoch geschätzte Prinzip des actor sequitur forum rei in sein Gegenteil verkehrt.278 Bei Erhebung einer Anfechtungs- oder Haftungsklage steht im Übrigen noch keineswegs fest, dass der Beklagte sich irgendwie unredlich verhalten hat, und folgerichtig wird die Schutzbedürftigkeit beispielsweise des Anfechtungsgegners in Art. 13 EuInsVO anerkannt, wobei der Schutz sogar übertrieben wird, indem der Anspruch des Verwalters von dem kumulativen Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen sowohl des Konkursstaates als auch des Empfangsstaates abhängig gemacht wird. Auch mit dieser Wertung ließe es sich nicht in Einklang bringen, wenn dem Insolvenzverwalter ein forum actoris zur Verfügung gestellt würde, das der Schuldner nie hatte. _________ 277 BGH, ZIP 2003, 1419, 1420 = IPRax 2004, 59, 61 m. Anm. Mörsdorf-Schulte; Lüke in Festschrift Schütze, 1999, S. 467, 481. 278 Vgl. oben III 4 S. 235 ff.

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c) Folgerungen Aus der eben beschriebenen Rechtslage folgt: Die insolvenzrechtliche Qualifikation der Insolvenzanfechtung sowie die arguendo akzeptierte entsprechende Qualifikation der Insolvenzverschleppungshaftung und der Haftung aus existenzvernichtendem Eingriff besagen nichts für die internationale Zuständigkeit. Die EuInsVO lässt die Zuständigkeit für solche Annexverfahren offen. Gleiches gilt im Übrigen auch für Ansprüche auf Rückzahlung von Kapitalersatz (§§ 30 f. GmbHG) und für Streitigkeiten um eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen (§§ 32a, 32b GmbHG, §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO).279 Zwar ist der Nachrang von Rückzahlungsansprüchen wegen eigenkapitalersetzender Darlehen im Insolvenzverfahren (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) zweifellos insolvenzrechtlich zu qualifizieren (Art. 4 Abs. 2 lit. i EuInsVO), und Gleiches gilt für Anfechtungsansprüche nach Befriedigung solcher Rückzahlungsansprüche, Art. 4 Abs. 2 lit. m EuInsVO, § 135 InsO.280 Aus dem Umstand, dass das Insolvenzrecht den Rang der Insolvenzforderungen und die Insolvenzanfechtung regelt, ergibt sich aber kein Gerichtsstand für Ansprüche des Insolvenzverwalters gegen Dritte, die im Zusammenhang mit eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen stehen.

2. Der Anwendungsbereich der EuGVVO a) Ausklammerung von Insolvenzsachen Die Abstinenz der EuInsVO bei der Regelung des Gerichtsstands für Anfechtungs- und Haftungsklagen des Insolvenzverwalters gegen Dritte besagt für sich allein noch nichts für die Anwendbarkeit der EuGVVO. Indessen verneint Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 EuGVVO den Anwendungsbereich dieser Verordnung, soweit es um „Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren“ geht. Genauso wie Art. 1 EuGVVO im Übrigen ist auch dieser Vorbehalt autonom auszulegen.281 Nach der Rechtsprechung des EuGH gilt er für sämtliche Verfahren, die „auf der Zahlungseinstellung des Schuldners beruhen und ein Eingreifen der Gerichte beinhalten, das in eine zwangsweise kollektive Liquidation der Vermögenswerte des _________ 279 Vgl. dazu oben VI 1 c) cc) S. 273 f. 280 Ulmer, KTS 2004, 291, 299; vgl. weiter Haas, NZI 2001, 1, 5 ff.; ders., NZI 2002, 459, 465 f. 281 EuGH v. 22.2.1979 – Rs 133/78 – Henri Gourdain ./. Franz Nadler, Slg. 1979, 733, 743 Nr. 3 = RIW 1979, 273 = KTS 1979, 268; allgemein oben III 3 S. 233 ff.

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Schuldners oder zumindest in eine Kontrolle der Gerichte über den Schuldner mündet“.282 Für ein Insolvenzverfahren nach dem Muster der deutschen InsO ist diese Voraussetzung problemlos zu bejahen. Die entscheidende Frage lautet hingegen, ob die negative Abgrenzung des Anwendungsbereichs der VO auch dann eingreift, wenn zwar ein unter Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 EuGVVO fallendes Verfahren eröffnet worden ist, es jedoch nicht um die Bestimmung des Gerichtsstands für dieses Verfahren selbst geht – diese Frage ist in Art. 3 EuInsVO beantwortet –, sondern um die Zuständigkeit für eine Klage, die im Zusammenhang mit einem solchen Insolvenzverfahren gegen einen Dritten erhoben wird.

b) Die Rechtsprechung des EuGH Genau diese Frage lag dem EuGH in der Sache Gourdain gegen Nadler vor.283 Der Gerichtshof hat geantwortet, der Vorbehalt des Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 EuGVÜ/EuGVVO gelte für Verfahren, „die sich auf ein Insolvenzverfahren beziehen, wenn sie unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und sich eng innerhalb des Rahmens eines Konkurs- oder Vergleichsverfahrens […] halten.“ Diesen Test konnte die französische „action en comblement de passif social“ passieren, mit der der Konkursverwalter einer insolventen französischen Gesellschaft von dem Alleingesellschafter ihrer deutschen Konzernmutter Verlustausgleich verlangt hatte.284 Zur Begründung hat der Gerichtshof ausgeführt, nur der Konkursverwalter könne diese Klage im Namen und im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger beim Konkursgericht mit dem Ziel der Vergrößerung der Masse anhängig machen. Diese Klage weiche vom allgemeinen Haftungsrecht ab und begründe zu Lasten der Geschäftsführer einer Gesellschaft eine Haftungsvermutung, von der diese sich nur befreien könnten, wenn sie nachweisen würden, dass sie die Geschäfte der Gesellschaft mit der erforderlichen Sorgfalt und dem nötigen Einsatz geführt haben. Habe der Verwalter Erfolg, komme der Ertrag zudem der Gesamtheit der Gläubiger durch Vermehrung der Masse zugute. _________ 282 EuGH v. 22.2.1979 – Rs 133/78 – Henri Gourdain ./. Franz Nadler, Slg. 1979, 733, 743 Nr. 3 = RIW 1979, 273 = KTS 1979, 268; OLG Jena, ZIP 1998, 1496. 283 EuGH v. 22.2.1979 – Rs 133/78 – Henri Gourdain ./. Franz Nadler, Slg. 1979, 733, 743 Nr. 3 = RIW 1979, 273 = KTS 1979, 268. 284 EuGH v. 22.2.1979 – Rs 133/78 – Henri Gourdain ./. Franz Nadler, Slg. 1979, 733, 743 Nr. 3 = RIW 1979, 273 = KTS 1979, 268; vgl. auch OLG Hamm RIW 1994, 62.

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Es liegt auf der Hand, dass diese vom EuGH entwickelten Kriterien großräumig und vage sind und vor allem viel zu weit greifen.285 Die Konzentration der Prozessführungsbefugnis in der Hand des Insolvenzverwalters beispielsweise trifft auf jede Forderung aus einem vom Gemeinschuldner abgeschlossenen gegenseitigen Vertrag zu, und doch würde wohl niemand auf den Gedanken kommen, auch für eine diesbezügliche Klage das Insolvenzgericht für zuständig zu erklären. Im Übrigen wird die action en comblement de passif sociale von der französischen Lehre deliktsrechtlich – und nicht insolvenzrechtlich – qualifiziert.286 Ihre Besonderheit liegt allein darin, dass sie nach französischem Konkursrecht beim Konkursgericht erhoben werden kann, weil das französische Recht insoweit eine vis attractiva concursus bejaht. Es scheint, als läge hier der entscheidende Gesichtspunkt, den der EuGH allerdings nicht benennen konnte, weil er auf einer autonomen Auslegung des Vorbehalts des Art. 1 Abs. 2 lit. b EuGVÜ/EuGVVO beharren wollte. Immerhin leitet er die zentrale Stelle der Urteilsbegründung mit der Feststellung ein, die action en comblement de passif sociale gehöre „zur ausschließlichen Zuständigkeit des Gerichts, welches das Konkurs- oder Vergleichsverfahren eröffnet hat“.287 Man kann sich kaum vorstellen, dass die Anwendbarkeit des Europäischen Zivilprozessrechts auch dann verneint worden wäre, wenn das französische Recht für die streitgegenständliche Klage nicht die Zuständigkeit des Konkursgerichts begründet hätte.288 Unter dieser Hypothese wäre die internationale Zuständigkeit für solche Klagen nämlich auf der Grundlage des autonomen staatlichen Zivilprozessrechts zu bestimmen, und eben diesen _________ 285 Mit Recht kritisch Haas, NZG 1999, 1148, 1150 ff.; Lüke in Festschrift Schütze (Fn. 277), S. 467, 474 ff. 286 Junker, RIW 1986, 337, 345 m. umfangreichen Nachweisen in Fn. 111 f.; Haas, NZG 1999, 1148, 1152 m. w. N. in Fn. 41; dies ist noch deutlicher seit der Reform des französischen Konkursrechts im Jahre 1985, denn seither setzt der Verlustausgleichsanspruch gegen den Geschäftsleiter eine Pflichtverletzung voraus; eingehend dazu Junker, RIW 1986, 337, 341 ff.; Gruber, EWS 1994, 190, 191 f.; Chr. Pernice, Die Insolvenzverschleppung durch das Geschäftsführungsorgan der kleinen Kapitalgesellschaft im deutschen, französischen und englischen Recht, 2002, S. 158 ff. Die aktuelle Regelung der Geschäftsleiterhaftung im Konkurs ist kodifiziert worden in Art. L 624-3 Code de commerce. 287 EuGH v. 22.2.1979 – Rs 133/78 – Henri Gourdain ./. Franz Nadler, Slg. 1979, 733, 743 Nr. 3 = RIW 1979, 273 = KTS 1979, 268. 288 Die Zuständigkeit des Konkursgerichts als entscheidender Gesichtspunkt wird betont von OLG Hamm, RIW 1994, 62, 63; Junker, RIW 1986, 337, 345.

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Weg hat der BGH in einem deutschen Parallelfall mit Blick auf eine Anfechtungsklage auch beschritten.289 Nach der Ergänzung des Europäischen Zivilprozessrechts um eine Schwesterverordnung zum Europäischen Insolvenzrecht spricht alles dafür, die unter Art. 1 Abs. 2 lit. b EuGVÜ ergangene Rechtsprechung des EuGH restriktiv zu interpretieren und strikt auf jene Fälle zu begrenzen, in denen das gemäß Art. 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EuInsVO anwendbare Insolvenzrecht die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts für die in Art. 4 Abs. 2 EuInsVO genannten und für sonstige Annexverfahren bejaht.290 Nur soweit dies der Fall ist, lässt die EuGVVO das nunmehr durch die EuInsVO gedeckte nationale Zivilprozessrecht unberührt. Soweit hingegen die lex fori concursus die vis attractiva für Annexverfahren verneint, tritt die EuGVVO in die Lücke.

c) Folgerungen Treffen die vorstehenden Überlegungen zu, bliebe die EuGVVO in den hier interessierenden Fällen durchweg anwendbar, weil das deutsche Insolvenzrecht eine Zuständigkeit des Insolvenzgerichts für Einzelverfahren generell nicht kennt. Dies gilt ganz selbstverständlich für die Insolvenzverschleppungshaftung und die Haftung aus existenzvernichtendem Eingriff, aber auch für die Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO, die in Deutschland jedenfalls nicht beim Insolvenzgericht (§ 3 InsO) zu erheben ist, da § 19a ZPO nur für Passivprozesse gegen die Masse gilt.291 Folgt man dem nicht und stellt statt dessen entscheidend auf die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters zugunsten der Masse ab, drängen sich folgende Unterscheidungen auf: Im Fall der Insolvenzverschleppungshaftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG wäre der Quotenschaden der Altgläubiger, den der Konkursverwalter im Insolvenzverfahren gemäß § 92 InsO geltend machen und _________ 289 BGH, ZIP 2003, 1419, 1420 = IPRax 2004, 59, 60 f. m. Anm. MörsdorfSchulte; vgl. auch BGH, NJW 1990, 990, 991. 290 Ähnlich Lüke in Festschrift Schütze (Fn. 277), S. 473, 482 ff., der allerdings den Gesichtspunkt der Zuständigkeit des Insolvenzgerichts für „rein formal“ hält, aaO S. 475 f. 291 BGH, ZIP 2003, 1419, 1420 = NJW 2003, 2916 = IPRax 2004, 59, 60 m. Anm. Mörsdorf-Schulte. Zur Zuständigkeit für Anfechtungsklagen sogleich, S. 291.

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zur Masse ziehen kann,292 insolvenzrechtlich zu qualifizieren. Maßgebend für die Wahl des Gerichtsstands wäre somit nicht die EuGVVO, sondern das autonome deutsche Zivilprozessrecht. Ergäbe sich nach den §§ 12 ff. ZPO kein Gerichtsstand im Inland, wäre der Verwalter genötigt, sein Glück im Ausland zu versuchen. Etwas anderes müsste für die Kontrahierungsschäden der Neugläubiger gelten,293 weil diesen individuelle Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer zustehen,294 die außerhalb des Insolvenzverfahrens durchzusetzen sind.295 Hier wären also die Gerichtsstände der EuGVVO einschlägig. Wie sich speziell die Haftung aus existenzvernichtendem Eingriff zu § 92 InsO verhält, ist bisher völlig ungeklärt, obwohl die Annahme eines „Gesamtschadens“ der Gesellschaftsgläubiger auch hier keineswegs fernliegt. Wird ein Gesamtschaden und damit die Anwendbarkeit des § 92 InsO bejaht, richtet sich die Zuständigkeit wiederum nach den §§ 12 ff. ZPO.

3. Der Gerichtsstand für Einzelverfahren a) Bei Anwendbarkeit der EuGVVO Wird die Anwendbarkeit der EuGVVO auf insolvenzbezogene Einzelverfahren nach deutschem Recht bejaht, bleibt die Frage nach dem Gerichtsstand erhalten. Nach der hier vertretenen Auffassung wäre jedenfalls für die Insolvenzverschleppungshaftung wie auch für die Geltendmachung der Haftung aus existenzvernichtendem Eingriff der Deliktsgerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO eröffnet.296 Die Geltendmachung der Insolvenzverschleppungshaftung des Geschäftsführers einer englischen Limited mit tatsächlichem Sitz in Deutschland vor deutschen Gerichten wäre somit möglich, weil sowohl der Handlungsort in _________ 292 Vgl. BGHZ 29, 100, 105 ff., = NJW 1959, 623, 624 f.; BGHZ 100, 19, 23 ff. = NJW 1987, 2433, 2434 f.; Hirte in Uhlenbruck, InsO, 2003, § 92 Rz. 12. 293 Der Ausdruck Kontrahierungsschaden ist allerdings irreführend, weil auch Deliktsgläubiger den Schutz der §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG genießen; vgl. Wagner in Festschrift Gerhardt (Fn. 266) S. 1043, 1060 ff. 294 BGHZ 126, 181, 190 ff. = NJW 1994, 2220, 2222; BGHZ 138, 211, 214 ff. = NJW 1998, 2667 ff.; vgl. zu dieser Differenzierung Wagner in MünchKomm BGB (Fn. 254), § 823 Rz. 385 ff. 295 So Haas, NZG 1999, 1148, 1152 f.; a. A. Haubold, IPRax 2002, 157, 163 Fn. 100. 296 Vgl. oben VII 2 c) S. 279 ff.

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Deutschland läge – der Insolvenzantrag wäre gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO beim deutschen Insolvenzgericht zu stellen – als auch der Erfolgsort – der Schaden deutscher Gläubiger ist hierzulande eingetreten.297 Ob und wie sich eine Insolvenzantragspflicht zu Lasten des Geschäftsführers einer englischen Gesellschaft begründen lässt, für den § 64 Abs. 1 GmbHG nicht gilt, steht auf einem anderen Blatt.298 Streitigkeiten im Zusammenhang mit eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen gehörten hingegen in den Vertragsgerichtsstand gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVVO.299 Gänzlich ungeklärt ist die Rechtslage im Anfechtungsrecht. Legt man die Rechtsprechung des BGH zugrunde, sind Anfechtungsansprüche gemäß §§ 129 ff. InsO nicht im Deliktsgerichtsstand geltend zu machen, wie das RG noch gemeint hatte,300 sondern am allgemeinen Gerichtsstand des Anfechtungsgegners.301 Der vom BGH darüber hinaus eröffnete exorbitante Vermögensgerichtsstand gemäß § 23 ZPO302 steht im Geltungsbereich der EuGVVO nicht zur Verfügung (Art. 3 Abs. 2 i. V. m. Anhang I Lemma 2 EuGVVO). Der EuGH versteht den Begriff der „unerlaubten Handlung“ in Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ/EuGVVO hingegen extensiv und als Komplement zum Vertragsbegriff.303 Auf dieser Grundlage erscheint es nicht als ausgeschlossen, die Anfechtungsansprüche als Streitgegenstände des außervertraglichen Haftungsrechts zu qualifizieren und dafür die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zu eröffnen.

_________ 297 Anders Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 670: Handlungsort am Satzungssitz. Allgemein zur Zuständigkeitsbegründung am Handlungs- und am Erfolgsort oben VII 2 b) S. 278 ff. 298 Vgl. Trunk (Fn. 269), S. 103 f.: Insolvenzrechtliche Qualifikation der Antragspflicht und deren Übertragung auf sämtliche Gesellschaften, die unter dem Gesichtspunkt der Gläubigergefährdung den deutschen Typen AG und GmbH entsprechen. Erwogen von Zimmer, NJW 2003, 3585, 3589 f. 299 Vgl. oben VII 1 c) cc) S. 273 ff. 300 So, zur Absichtsanfechtung RG (VZS), RGZ 21, 420, 425; eingehend zur Qualifikation der Anfechtungsklagen und zur Zuständigkeitsproblematik Henckel in Festschrift Deutsch, 1999, S. 967 ff. 301 BGH, NJW 1990, 990, 991 f. 302 BGH, NJW 1990, 990, 992. 303 Vgl. oben VII 2 a) S. 276 f.

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b) Nach autonomem deutschen Zivilprozessrecht Unter der Hypothese, dass die EuGVVO für insolvenzbezogene Einzelverfahren nicht gilt, wäre das autonome deutsche Zivilprozessrecht einschlägig. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit ist immer dann gegeben, wenn sich die örtliche Zuständigkeit eines deutschen Gerichts gemäß §§ 12 ff. ZPO begründen lässt.304 Selbstverständlich stellt auch die ZPO einen Gerichtsstand für Klagen aus unerlaubter Handlung zur Verfügung (§ 32 ZPO). Mit Blick auf Anfechtungsansprüche ist soeben das Nötige gesagt worden; für sie ist nach der Rechtsprechung der Deliktsgerichtsstand nicht eröffnet.305 Die Insolvenzverschleppungshaftung und die Haftung aus existenzvernichtendem Eingriff wären nach hier vertretener Auffassung vor dem gemäß § 32 ZPO zuständigen Gericht geltend zu machen.306 Werden diese Haftungsgründe gesellschaftsrechtlich qualifiziert,307 käme wohl nur der allgemeine Gerichtsstand des Geschäftsführers bzw. des Gesellschafters in Betracht, ggf. kumulativ zum Gerichtsstand des § 23 ZPO. Die Eröffnung des Gerichtsstands der Mitgliedschaft gemäß § 22 ZPO für die gegen den Gesellschafter gerichtete Klage aus existenzvernichtendem Eingriff wäre zwar denkbar, ist im Ergebnis aber zu verneinen, weil sie sich nicht gegen das Mitglied „als solches“ richtet und nicht von der Korporation, sondern von ihren Gläubigern erhoben wird.

IX. Gerichtsstandsvereinbarungen 1. Inhalt und Zeitpunkt des Abschlusses Gemäß Art. 23 Abs. 1 EuGVVO haben es die Parteien in der Hand, eine Vereinbarung über die Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedsstaats zu schließen. Damit die dafür in Art. 23 EuGVVO normierten Voraussetzungen nicht umgangen werden, gelten diese auch für sog. abstrakte Erfüllungsortvereinbarungen, bei denen der vereinbarte Erfül-

_________ 304 305 306 307

Vgl. oben III 1 S. 231 ff. Vgl. unter a) mit Fn. 301. Vgl. oben VII 2 c) S. 270 ff. So Ulmer, NJW 2004, 1201, 1207 f.; ders., KTS 2004, 291, 301, 303 f.; weitere Nachweise oben, Fn. 255.

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lungsort nicht demjenigen Ort entspricht, an dem die Leistungen tatsächlich erbracht werden sollen.308 Gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO steht es den Parteien frei, die ausschließliche Zuständigkeit eines Gerichts durch Vereinbarung zu begründen, also aus einer Mehrzahl an sich gegebener Gerichtsstände einen einzigen auszuwählen, an dem dann ausschließlich geklagt werden kann. Gemäß Satz 2 gilt sogar eine Vermutung, dass eine Zuständigkeitsvereinbarung zugunsten eines bestimmten Gerichts in diesem Sinne zu verstehen ist. Schließlich können die Parteien auch die Zuständigkeit eines sonst inkompetenten Gerichts begründen, ohne dabei auf diejenigen Foren beschränkt zu sein, die irgendeinen spezifischen Bezug zum Streitgegenstand haben.309 Auf die Sach- und Beweisnähe des prorogierten Gerichts kommt es nicht an. Art. 23 EuGVVO ist indessen nur anwendbar auf Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten eines Gerichts im europäischen Justizraum, während die Prorogation eines drittstaatlichen Gerichts nicht darunter fällt. Wird dessen Zuständigkeit vereinbart und dann gleichwohl ein Gericht im Gebiet der EU angerufen, beurteilt Letzteres die Vereinbarung nicht am Maßstab des Art. 23 EuGVVO, sondern auf der Grundlage der lex fori.310 Unwirksam ist hingegen eine Derogation der ausschließlichen Zuständigkeiten des Art. 22 EuGVVO, wie sich aus dem Vorbehalt des Art. 23 Abs. 5 EuGVVO ergibt. Daraus folgt für die hier interessierende Problematik der Scheinauslandsgesellschaften, dass die Zuständigkeit für die Auflösungs- und Beschlussmängelklagen des Art. 22 Nr. 2 EuGVVO nicht durch Gerichtsstandsvereinbarung modifiziert werden kann. Wird insoweit mit der hier vertretenen Auffassung die Zuständigkeit der Gerichte am Satzungssitz für die Binnenstreitigkeiten des Art. 22 Nr. 2 EuGVVO bejaht,311 haben die deutschen Gesellschafter einer in England _________ 308 EuGH v. 20.2.1997 – Rs C-106/95 – Mainschiffahrts-Genossenschaft eG ./. Les Gravières Rhénanes SARL, Slg. 1997 I-911, 943 f. Nr. 31 ff. = NJW 1997, 1431; vgl. bereits oben VII 1 a) S. 267 ff. 309 EuGH v. 16.3.1999 – Rs C-159/97 – Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA ./. Hugo Trumpy SpA, Slg. 1999, I-1597, 1655 f. Nr. 48 ff. = EWiR 1999, 645 m. Anm. Kröll = ZEuP 2000, 656 m. Anm. Saenger. 310 EuGH v. 9.11.2000 – Rs C-387/98 – Corek Maritime GmbH ./. Handelsveem BV u. a., Slg. 2000, I-9337, 9373 Nr. 19 = NJW 2001, 501; zu den insoweit geltenden Maßstäben des deutschen Rechts Wagner, Prozeßverträge – Privatautonomie im Verfahrensrecht, 1998, S. 357 ff., 556 ff. 311 VI 3 b) S. 264.

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inkorporierten Gesellschaft also keine Möglichkeit, den Streit um die Wirksamkeit eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung per Vereinbarung oder einfach durch Einfügung einer entsprechenden Gerichtsstandsklausel in die Satzung der Gesellschaft312 vor die deutschen Gerichte zu bringen.

2. Zustandekommen und Form Eine Gerichtsstandsvereinbarung kann wirksam sowohl ex ante, vor Entstehung der Streitigkeit, als auch ex post, nach dem Auftreten von Meinungsverschiedenheiten, geschlossen werden. Gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 3 EuGVVO muss sie allerdings in beiden Fällen bestimmten Formvorschriften genügen. Die Vereinbarung muss entweder schriftlich bzw. mündlich mit schriftlicher Bestätigung (lit. a) oder in einer unter den Parteien üblichen Form (lit. b) oder in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten (lit. c), abgeschlossen werden. Der EuGH hat die inhaltsgleichen Vorschriften des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EuGVÜ nicht bloß als Formvorschriften verstanden, sondern ihnen einen weitergehenden Sinn beigelegt, nämlich denjenigen einer „Gültigkeitsform“.313 Die Anforderungen erfüllen nicht nur Warn- und Beweisfunktionen, wie sie für Schriftformerfordernisse sonst typisch sind, sondern bezwecken die Sicherung der Privatautonomie des Vertragspartners und machen sich damit wichtige Teile des Regelungsprogramms des AGB-Rechts und der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre zu Eigen. Wie der EuGH ständig formuliert, sollen die Formerfordernisse des Art. 17 EuGVÜ gewährleisten, „dass die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststeht“.314 Danach _________ 312 Dazu sogleich unter 3. 313 EuGH v. 14. 12.1976 – Rs 24/76 – Estatis Salotti di Colzani Aimo ./. Rüwa Polstereimaschinen GmbH, Slg. 1976, 1831, 1841 Nr. 7 = NJW 1977, 494; EuGH v. 14.12.1976 – Rs 25/76 – Galeries Segoura SPRL ./. Rahim Bonakdarian, Slg. 1976, 1851, 1860 Nr. 6 = NJW 1977, 495; EuGH v. 20.2.1997 – Rs C-106/95 – Mainschiffahrts-Genossenschaft eG ./. Les Gravières Rhénanes SARL, Slg. 1997, I-911, 943 f. Nr. 31 ff. = NJW 1997, 1431; eingehend Wagner, Prozeßverträge (Fn. 310) S. 382 ff.; EuGH v. 16.3.1999 – Rs C-159/97 – Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA ./. Hugo Trumpy SpA, Slg. 1999, I-1597, 1655 f. Nr. 48 ff. = EWiR 1999, 645 m. Anm. Kröll = ZEuP 2000, 656 m. Anm. Saenger. 314 EuGH v. 14. 12.1976 – Rs 24/76 – Estatis Salotti di Colzani Aimo ./. Rüwa Polstereimaschinen GmbH, Slg. 1976, 1831, 1841 Nr. 7 = NJW 1977, 494; EuGH, Urt. v. 14.12.1976, Rs 25/76 (Galeries Segoura SPRL ./. Rahim

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ist die Vereinbarung einer Gerichtsstandsklausel im Wege der Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zulässig, wenn der von den Parteien unterzeichnete Vertragstext selbst ausdrücklich auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Teils Bezug nimmt und diese dem anderen Teil im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegen.315 Die bloße Bezugnahme auf Allgemeine Geschäftsbedingungen in einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben bzw. das bloße Schweigen des Empfängers auf ein solches Schreiben vermag den Formerfordernissen des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 lit. a, b EuGVVO hingegen nicht zu genügen.316 Dieses Resultat hat 1978317 zur Einfügung der lit. c in Art. 17 EuGVÜ geführt, so dass nunmehr auch das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben für die Wirksamkeit einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Gerichtsstandsklausel ausreicht, sofern in dem betroffenen Geschäftszweig ein entsprechender Handelsbrauch besteht.318 Erstmals mit der EuGVVO eingeführt worden ist die Vorschrift des Art. 23 Abs. 2, nach der elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, der Schriftform gleichgestellt sind. Danach ist insbesondere die Vereinbarung einer Gerichtsstandsklausel im Wege des Austausches von e-mails möglich. _________

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Bonakdarian), Slg. 1976, 1851, 1860 Nr. 6 = NJW 1977, 495; EuGH v. 24.6.1981 – Rs 150/80 – Elefantenschuh GmbH/ Pierre Jacqmain, Slg 1981, 1671, 1687 f. = NJW 1982, 507; EuGH v. 20.2.1997 – Rs C-106/95 – Mainschiffahrts-Genossenschaft eG ./. Les Gravières Rhénanes SARL, Slg. 1997 I-911, 943 f. Nr. 31 ff. = NJW 1997, 1431; EuGH v. 16.3.1999 – Rs C-159/97 – Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA ./. Hugo Trumpy SpA, Slg. 1999, I-1597, 1655 f. Nr. 48 ff. = EWiR 1999, 645 m. Anm. Kröll = ZEuP 2000, 656 m. Anm. Saenger; EuGH v. 9.11.2000 – Rs C-387/98 – Corek Maritime GmbH ./. Handelsveem BV u. a., Slg. 2000, I-9337, 9373 Nr. 19 = NJW 2001, 501. EuGH v. 14. 12.1976 – Rs 24/76 – Estatis Salotti di Colzani Aimo ./. Rüwa Polstereimaschinen GmbH, Slg. 1976, 1831, 1841 Nr. 7 = NJW 1977, 494; EuGH v. 14.12.1976 – Rs 25/76 – Galeries Segoura SPRL ./. Rahim Bonakdarian, Slg. 1976, 1851, 1860 Nr. 6 = NJW 1977, 495. EuGH v. 14.12.1976 – Rs 25/76 – Galeries Segoura SPRL ./. Rahim Bonakdarian, Slg. 1976, 1851, 1860 Nr. 6 = NJW 1977, 495. Eingefügt durch das Beitrittsabkommens von 1978 anlässlich der Aufnahme von Dänemark, Irland und des Vereinigten Königreichs, ABl. Nr. L 304, S. 77. EuGH v. 20.2.1997 – Rs C-106/95 – Mainschiffahrts-Genossenschaft eG ./. Les Gravières Rhénanes SARL, Slg. 1997, I-911, 943 f. Nr. 31 ff. = NJW 1997, 1431; vgl. Wagner, Prozeßverträge (Fn. 310), S. 384 f.

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In Fällen gesellschaftsrechtlicher Umwandlungsvorgänge gilt es zu beachten, dass eine einmal wirksam zustande gekommene Gerichtsstandsvereinbarung nicht nur die ursprünglichen Parteien, sondern auch ihre Rechtsnachfolger bindet.319

3. Satzungsmäßige Gerichtsstandsklauseln Von besonderer Bedeutung für das internationale Gesellschaftsrecht ist die Rechtsprechung des EuGH zu satzungsmäßigen Gerichtsstandsklauseln, die Teil eines Gesellschaftsvertrags oder der Satzung einer Kapitalgesellschaft sind. In der Sache Powell Duffryn plc gegen Wolfgang Petereit hat der EuGH entschieden, dass eine derartige Klausel in der Satzung einer Aktiengesellschaft als „Vereinbarung“ i. S. d. Art. 23 EuGVVO anzusehen ist.320 Danach ist der Begriff der „Vereinbarung“ autonom auszulegen und umfasst den Beitritt zu einer Aktiengesellschaft auch dann, wenn die Satzung einer Kapitalgesellschaft nach dem einschlägigen nationalen Recht nicht als Vertrag, sondern als Norm oder als Rechtsakt sui generis qualifiziert wird.321 Eine in der Satzung einer Aktiengesellschaft enthaltene Gerichtsstandsklausel steht folglich einer Vereinbarung i. S. d. Art. 23 EuGVVO gleich. Sie bindet sämtliche Aktionäre, ohne Rücksicht darauf, ob der Einzelne der Annahme dieser Klausel individuell zugestimmt hat oder erst nach Einfügung dieser Klausel in die Satzung Aktionär geworden ist. „Dadurch, dass er Aktionär einer Gesellschaft wird und bleibt, erklärt sich der Aktionär nämlich damit einverstanden, dass sämtliche Bestimmungen der Gesellschaftssatzung sowie die in Übereinstimmung mit dem anwendbaren nationalen Recht und der Satzung gefassten Beschlüsse der Gesellschaftsorgane für ihn gelten, selbst wenn einige dieser Bestimmungen oder Beschlüsse nicht seine Zustimmung finden.“322 Diese Recht_________ 319 EuGH v. 19.6.1984 – Rs 71/83 – Russ ./. Nova, Slg. 1984, 2417 Nr. 25 = IPRax 1985, 152 m. Anm. Basedow 133; EuGH v. 9.11.2000 – Rs C-387/98 – Corek Maritime GmbH ./. Handelsveem BV u. a., Slg. 2000, I-9337, 9373 Nr. 19 = NJW 2001, 501. 320 EuGH v. 10.3.1992 – Rs C-214/89 – Powell Duffryn plc ./. Wolfgang Petereit, Slg. 1992, I-1745, 1774 f. Nr. 16 ff. = IPRax 1993, 32 mit Anm. Koch 19. 321 EuGH v. 10.3.1992 – Rs C-214/89 – Powell Duffryn plc ./. Wolfgang Petereit, Slg. 1992, I-1745, 1774 f. Nr. 16 ff. = IPRax 1993, 32 mit Anm. Koch 19; vgl. bereits oben VII 1 c) bb) S. 271. 322 EuGH v. 10.3.1992 – Rs C-214/89 – Powell Duffryn plc ./. Wolfgang Petereit, Slg. 1992, I-1745, 1774 f. Nr. 16 ff. = IPRax 1993, 32 mit Anm. Koch 19.

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sprechung hat erhebliche Bedeutung für Binnenstreitigkeiten zwischen der Gesellschaft und ihren Mitgliedern, die mit Hilfe einer satzungsmäßigen Gerichtsstandsklausel vor das von der Mehrheit der Gesellschafter präferierte Gericht gebracht werden können. In Powell Duffryn plc gegen Wolfgang Petereit konnte die Frage der Zulässigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung offen bleiben. In der Sache kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass auch eine satzungsmäßige Gerichtsstandsklausel die Zulässigkeitsschranken des Art. 23 Abs. 5 EuGVVO nicht zu überwinden vermag. Soweit Art. 22 Nr. 2 EuGVVO für einen Kreis wichtiger gesellschaftsrechtlicher Binnenstreitigkeiten, insbesondere für die praktisch bedeutsamen Beschlussmängelklagen, eine ausschließliche Zuständigkeit begründet, die nach hier vertretener Auffassung am Satzungssitz zu lokalisieren ist, vermag daran auch eine Satzungsbestimmung nichts zu ändern, die den Gerichtsstand in Deutschland fixierte.323 Die Wirksamkeit satzungsmäßiger Gerichtsstandsklauseln kann auch unter dem Aspekt des Art. 17 EuGVVO zweifelhaft sein, der eine Abweichung von den in Art. 15 EuGVVO genannten Zuständigkeiten in Verbrauchersachen nur zugunsten des Verbrauchers zulässt.324 Zählt man Kapitalmarktgeschäfte von Privatanlegern zu den Verbrauchergeschäften i. S. d. Art. 15 EuGVVO,325 müsste eine satzungsmäßige Gerichtsstandsvereinbarung die Vorgaben der Art. 15 ff. EuGVVO beachten, dürfte dem Verbraucher also das forum actoris nicht nehmen (Art. 16, 17 EuGVVO). Allerdings hat der EuGH in Petereit dem Ziel einer zuständigkeitsrechtlichen Gleichbehandlung aller Aktionäre großes Gewicht beigemessen,326 und dieses Ziel lässt sich nur erreichen, wenn für Privatanleger und institutionelle Anleger gleiche Standards gelten, obwohl Art. 17 EuGVVO nur für Erstere gilt. Deshalb ist es nicht ganz sicher, wie der EuGH einen solchen Fall beurteilen würde.

_________ 323 Vgl. oben VI 3 b) S. 264. 324 Zum Parallelproblem bei satzungsgemäßen Schiedsklauseln nach deutschem Zivilprozessrecht Wagner, Prozeßverträge (Fn. 310), S. 496 ff. 325 So Geimer in Geimer/Schütze (Fn. 33), Art. 15 Rz. 24. 326 EuGH v. 10.3.1992 – Rs C-214/89 – Powell Duffryn plc ./. Wolfgang Petereit, Slg. 1992, I-1745, 1774 f. Nr. 16 ff. = IPRax 1993, 32 mit Anm. Koch 19.

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X. Schiedsvereinbarungen 1. Ausschluss der EuGVVO Gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. d gilt die EuGVVO nicht für die Schiedsgerichtsbarkeit. Daraus folgt insbesondere, dass die EuGVVO die Freiheit der Parteien, sich der Rechtsprechung eines privaten Schiedsgerichts zu unterwerfen, nicht einschränkt, und zwar auch nicht insoweit, als sie ausschließliche Zuständigkeiten normiert.327 Schließlich ist auch im autonomen deutschen Schiedsverfahrensrecht anerkannt, dass die Schiedsunfähigkeit einer Streitigkeit gemäß § 1030 ZPO nicht schon aus der Existenz eines ausschließlichen Gerichtsstands gefolgert werden darf.328 Auch der ausschließliche Gerichtsstand des Art. 22 Nr. 2 EuGVVO u. a. für Beschlussmängelstreitigkeiten steht also zur Disposition der Parteien, wenn sie sich auf die Streitentscheidung durch ein Schiedsgericht – und nicht durch ein anderes staatliches Gericht – verständigen. Damit besteht die Möglichkeit, für sämtliche Binnenstreitigkeiten von Gesellschaften die einheitliche Zuständigkeit eines Schiedsgerichts zu normieren. Der Schiedsort (§ 1043 ZPO) darf dabei ohne weiteres in Deutschland lokalisiert werden. Ist die Schiedsgerichtsbarkeit einmal wirksam vereinbart worden, sind auch Rechtsnachfolger und Insolvenzverwalter der ursprünglichen Parteien daran gebunden.329

2. Satzungsmäßige Schiedsklauseln Selbstverständlich steht es den Mitgliedern einer Personengesellschaft frei, in ihren Gesellschaftsvertrag eine Schiedsklausel einzufügen, die für allfällige Streitigkeiten die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte ausschließt. Auf Schiedsklauseln in Satzungen von Kapitalgesellschaften ist die Rechtsprechung des EuGH zu satzungsmäßigen Gerichts_________ 327 Kropholler (Fn. 33), Art. 1 Rz. 41; Geimer in Geimer/Schütze (Fn. 33), Art. 1 Rz. 147. 328 BGHZ 132, 278, 281; Begründung der Bundesregierung zum SchiedsVfG, BTDrucks. 13/5274, S. 34 f.; weiter Wagner, Prozeßverträge (Fn. 310), S. 586; Bork, ZZP 100 (1987), 249, 259 f.; ders., ZHR 160 (1996), 374, 376; Henze, ZGR 1988, 542, 550 f.; Karsten Schmidt, ZIP 1987, 218, 219; ders., ZGR 1988, 523, 526 f.; a. A. noch BGH, MDR 1951, 674. 329 BGHZ 24, 15, 18; BGH, NJW 1979, 2567; zuletzt BGH, SchiedsVZ 2004, 259, 260 f. m. Anm. Habersack; eingehend Wagner, Prozeßverträge (Fn. 310), S. 303 ff., 309.

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standsvereinbarungen330 zu übertragen.331 Durch Aufnahme einer Schiedsklausel in die Satzung können also Binnenstreitigkeiten unter den Gesellschaftern der Streitentscheidung durch ein Schiedsgericht anheim gegeben werden, ohne dass es auf die Zustimmung jedes einzelnen Aktionärs ankäme. Die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung bzw. einer satzungsmäßigen Schiedsklausel unterliegt im Übrigen dem nationalen Recht.332 Das deutsche Schiedsverfahrensrecht kommt gemäß § 1025 Abs. 1 ZPO zur Anwendung, sofern der Schiedsort des § 1043 ZPO in Deutschland liegt. Die Parteien haben es damit in der Hand, durch entsprechende Lokalisierung des Schiedsorts – der gemäß § 1043 Abs. 2 ZPO mit dem Verhandlungsort nicht identisch sein muss – das deutsche Schiedsverfahrensrecht zu wählen. Ausländische Schiedsvereinbarungen sind gemäß Art. 2 des New Yorker UN-Übereinkommens ebenfalls zu beachten.333

3. Wirksamkeitsanforderungen nach nationalem Recht Rechtsgrundlage für satzungsmäßige Schiedsklauseln im autonomen deutschen Zivilprozessrecht ist § 1066 ZPO.334 Der II. Zivilsenat des BGH vertritt allerdings in einer Entscheidung aus dem Jahr 2000 eine restriktive Auslegung des § 1066 ZPO (§ 1048 ZPO a. F.), nach der das Mitglied eines Idealvereins nicht an eine Schiedsklausel gebunden ist, die erst nach seinem Beitritt, gegen seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in die Satzung aufgenommen wurde.335 Der BGH hat diese – für die Wirksamkeit satzungsmäßiger Schiedsklauseln u. U. desaströse – Regel freilich ausdrücklich auf Fälle beschränkt, in denen die Austrittsfreiheit des § 39 BGB als Korrektiv des Verbandshandelns leer läuft, weil der Einzelne de facto auf die Mitgliedschaft in dem Verein angewiesen ist.336 Diese Ausnahme kommt im Fall der Beteiligung an einer _________ 330 EuGH v. 10.3.1992 – Rs C-214/89 – Powell Duffryn plc ./. Wolfgang Petereit, Slg. 1992, I-1745, 1774 f. Nr. 16 ff. = IPRax 1993, 32 mit Anm. Koch 19; dazu ausführlich oben IX 3 S. 296 ff. 331 Wagner, Prozeßverträge (Fn. 310), S. 495 f. 332 Geimer in Geimer/Schütze (Fn. 33), Art. 1 Rz. 148. 333 Abgedr. bei Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl. 2004, Erläuterungen zu § 1061 ZPO. 334 BGHZ 38, 155, 159; 48, 35, 43; 65, 59, 63; 88, 314, 316; zuletzt BGH, SchiedsVZ 2004, 259, 260 m. Anm. Habersack; Geimer in Zöller (Fn. 31), § 1066 Rz. 2; eingehend Wagner, Prozeßverträge (Fn. 310), S. 489 ff. m. w. N. 335 BGHZ 144, 146, 148 ff. = NJW 2000, 1713 f.; dazu Haas, ZGR 2001, 325. 336 BGHZ 144, 146, 149 f. = BGH, NJW 2000, 1713 f.

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Kapitalgesellschaft wohl nicht in Betracht, weil hier der Ausstieg durch Veräußerung der Gesellschaftsanteile stets möglich und auch zumutbar ist.337 Folgerichtig hat der EuGH Gerichtsstandsklauseln in korporativen Satzungen auch dann als wirksam akzeptiert, wenn das betroffene Mitglied dieser Bestimmung nicht zugestimmt hatte.338 In einer aktuellen Entscheidung zu einer Schiedsklausel in einem Gesellschaftsvertrag hat der BGH mögliche Beschränkungen des § 1066 ZPO (= § 1048 ZPO n. F.) nicht einmal erwähnt.339 Speziell mit Blick auf die sonst unter Art. 22 Nr. 2 EuGVVO fallenden Beschlussmängelstreitigkeiten ist zu beachten, dass der BGH ihrer Schiedsfähigkeit bisher skeptisch gegenüber steht. In einer grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1996 hat der III. Zivilsenat die Tür zur Schiedsfähigkeit zwar nicht gänzlich verschlossen,340 doch die Akzeptanz entsprechender Schiedsklauseln von anspruchsvollen Voraussetzungen abhängig gemacht.341 Diese lassen sich cum grano salis in der Forderung zusammenfassen, die komplexen verfahrensrechtlichen Maßgaben der §§ 246 ff. AktG in das Schiedsverfahren zu transformieren.342 Insbesondere ist die Beschlussmängelklage bekannt zu machen, anfechtungswilligen Mitgesellschaftern ist Gelegenheit zu geben, sich dem Verfahren vor dem Schiedsgericht anzuschließen (vgl. § 246 Abs. 2, 3 AktG), die Kosten des Schiedsverfahrens für die Beschlussmängelkläger sind entsprechend § 247 Abs. 1 AktG aus einem Streitwert von maximal 500 000 Euro zu berechnen, und schließlich ist ein faires Verfahren der Schiedsrichterwahl für die Gruppe der Anfechtungskläger zur Verfügung zu stellen. Sind diese Prärogativen gewahrt, ist die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten zu bejahen, und zwar nicht nur bei der GmbH, sondern trotz § 23 Abs. 5 AktG auch bei der AG.343 Wie _________ 337 338 339 340

Eingehend Wagner, Prozeßverträge (Fn. 310), S. 476 ff. Vgl. oben Fn. 322. BGH, SchiedsVZ 2004, 259, 260 m. Anm. Habersack. BGHZ 132, 278, 289 = NJW 1996, 1753: „nach dem gegenwärtig erreichten Rechtsstand“. 341 BGHZ 132, 278, 285 ff.; eingehend dazu Wagner, Prozeßverträge (Fn. 310), S. 588 ff.; Karsten Schmidt, BB 2001, 1857, 1858 ff. 342 Im Einzelnen Wagner, Prozeßverträge (Fn. 310), S. 589 ff.; vgl. auch Karsten Schmidt, ZHR 162 (1998), 265, 287: „Vertragsgestaltungsproblem“. 343 Wagner, Prozeßverträge (Fn. 310), S. 593; übereinstimmend Geimer in Zöller (Fn. 31), § 1029 Rz. 65c; für börsennotierte Aktiengesellschaften vehement ablehnend Karsten Schmidt, BB 2001, 1857, 1860 f. Indessen ist die Schiedsgerichtsbarkeit selbst bei Finanztermingeschäften zulässig; vgl. § 37h WpHG.

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auch sonst schließt der zwingende Charakter des anzuwendenden materiellen Rechts die Erledigung der Streitigkeit durch ein Schiedsgericht nicht aus.344

XI. Fazit Prima facie möchte man meinen, die durch den EuGH ausgelöste Revolution im Europäischen Gesellschaftsrecht berühre das Zivilprozessrecht nicht. Wie die vorstehende Untersuchung gezeigt hat, trügt der erste Eindruck. Dies gilt noch am wenigsten für den allgemeinen Gerichtsstand der Art. 2 Abs. 1, 60 Abs. 1 EuGVVO, der Gründungs- und Sitztheorie für die Zwecke der Zuständigkeitsbegründung gleichsam kumuliert. Diese Lösung wird mit dem Phänomen der Scheinauslandsgesellschaft mühelos fertig, allerdings um den Preis der Rechtssicherheit und der prozessualen Gerechtigkeit, die beide zu leiden haben, wenn inländischen Gläubigern erlaubt ist, ihre inländische Schuldnerin wahlweise auch im Ausland zu verklagen, nur weil sie dort inkorporiert ist. Historisch gesehen ist die Alternativlösung des Art. 60 Abs. 1 EuGVVO ganz jung, und folglich finden sich in der EuGVVO auch noch Regelungsmuster, die dem Vorbild des alten Art. 53 EuGVÜ folgen, insbesondere der für gesellschaftsrechtliche Binnenstreitigkeiten geltende Art. 22 Nr. 2 EuGVVO. Dieser punktuellen Regelung hat der EuGH einen weit verstandenen Vertragsgerichtsstand an die Seite gestellt, um damit eine Fülle gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten an einem einzigen Gerichtsort zu konzentrieren. Dieser Gerichtsstand war am Sitz der Gesellschaft zu lokalisieren, was reibungslos funktionierte, solange die Sitztheorie sicherstellte, dass in Deutschland tätige Gesellschaften auch nach deutschem Gesellschaftsrecht inkorporiert sind. Dieser Zusammenhang ist nun aufgebrochen, und man darf gespannt sein, wie der EuGH die dadurch heraufbeschworenen Probleme auflösen wird. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Koordination des Europäischen Zivilprozessrechts mit der ebenfalls noch neuen EuInsVO bedarf der Überprüfung. Dabei ist ein Kurzschluss zwischen kollisionsrechtlicher Geltung des Insolvenzrechts nach Maßgabe der lex fori concursus und internationaler Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nach Maßgabe der vis attractiva concursus zu vermeiden. Die EuInsVO _________ 344 Eingehend Wagner, Prozeßverträge (Fn. 310), S. 106 ff., 583 ff., zum U.S.amerikanischen Recht S. 198.

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hat nur den Anwendungsbereich der lex fori concursus extensiv ausgestaltet, nicht aber auch die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts. Nicht alle Streitigkeiten, die insolvenzrechtlicher Natur sind, gehören vor das Insolvenzgericht.

XII. Thesen 1. Parteifähigkeit Scheinauslandsgesellschaften genießen Parteifähigkeit vor deutschen Gerichten, soweit sie nach ihrem Gründungsrecht als parteifähig anerkannt sind. Ist Letzteres nicht der Fall, doch geriert sich eine nichtparteifähige Gesellschaft wie ein entsprechend befähigtes Subjekt, indem sie im eigenen Namen Rechte und Pflichten begründet, ist analog § 50 Abs. 2 ZPO die passive Parteifähigkeit zu bejahen.

2. Allgemeiner Gerichtsstand a) Der allgemeine Gerichtsstand von Gesellschaften, bei denen der tatsächliche Verwaltungssitz und der Satzungssitz auseinander fallen, wird durch Art 2 Abs. 1 i. V. m. Art 60 Abs. 1 EuGVVO verdoppelt. Die Gesellschaft kann sowohl am Ort ihrer Hauptverwaltung als auch am Satzungssitz, und wegen Art. 60 Abs. 1 lit. c EuGVVO u. U. auch noch an einem davon verschiedenen Ort der Hauptniederlassung, verklagt werden. Daraus folgt: Von Deutschland aus operierende, aber in England inkorporierte Gesellschaften müssen es hinnehmen, von ihren inländischen Gläubigern (!) wegen x-beliebiger Forderungen vor den englischen Gerichten verklagt zu werden, weil dort ein registered office unterhalten wird (Art. 60 Abs. 2 EuGVVO). b) Der allgemeine Gerichtsstand für Scheinauslandsgesellschaften aus Drittstaaten, etwa einer Corporation U.S.-amerikanischen Rechts, ist ebenfalls auf der Grundlage der Art. 2 Abs. 1, 60 EuGVVO zu bestimmen. Damit kann eine in Delaware inkorporierte und von Deutschland aus verwaltete Gesellschaft sowohl in Deutschland als auch in den USA verklagt werden.

3. Gerichtsstand der Niederlassung Der besondere Gerichtsstand der Niederlassung gemäß Art. 5 Nr. 5 EuGVVO gilt für Streitigkeiten aus dem Betrieb einer inländischen 302

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Außenstelle, die dem Direktionsrecht einer ausländischen Gesellschaft unterliegt. Diese Anforderungen können auch bei einer rechtlich selbstständigen Tochtergesellschaft einer ausländischen Konzernmutter erfüllt sein, wenn für den Rechtsverkehr der Anschein einer unselbstständigen Niederlassung erweckt wurde. Für Klagen aus dem Betrieb der Niederlassung wird die ausländische Gesellschaft im Inland gerichtspflichtig. Entsprechendes gilt unter den genannten Voraussetzungen für ausländische Konzernmütter inländischer Tochtergesellschaften. Art. 5 Nr. 5 EuGVVO stellt allerdings keinen Gerichtsstand für die Geltendmachung der Durchgriffshaftung ausländischer Muttergesellschaften bzw. Mehrheits- oder Alleingesellschafter zur Verfügung. Die Ansprüche, um deren Durchsetzbarkeit im Inland es Art. 5 Nr. 5 EuGVVO zu tun ist, müssen aus dem Betrieb der Niederlassung herrühren. Dies ist bei der Schädigung der Niederlassung durch einen im Ausland domizilierten Gesellschafter nicht der Fall.

4. Gesellschaftsrechtliche Binnenstreitigkeiten Für die Nichtigkeits-, Auflösungs- und Beschlussmängelklagen des Gesellschaftsrechts ist die ausschließliche Zuständigkeit gemäß Art. 22 Nr. 2 EuGVVO zu beachten. Hier ist zwar ebenfalls das Gericht am Sitz der Gesellschaft zuständig, doch wird der Sitz nicht nach Art. 60 EuGVVO bestimmt, sondern anhand des Kollisionsrechts der lex fori. Je nachdem, ob das jeweils einschlägige Kollisionsrecht der Gründungsoder der Sitztheorie folgt, sind die Gerichte am Ort des Satzungssitzes oder am Ort des Verwaltungssitzes ausschließlich zuständig. Der Zweck dieser Kompetenzverteilung nach Maßgabe des Kollisionsrechts ist die Gewährleistung des Gleichlaufs von Zuständigkeit und anwendbarem Recht. Dieser Funktion entsprechend ist im Rahmen des Art. 22 Nr. 2 EuGVVO die Gründungstheorie zugrunde zu legen. Für Beschlussmängelklagen gegen in England inkorporierte Scheinauslandsgesellschaften wären somit die englischen Gerichte zuständig.

5. Vertragsgerichtsstand Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVVO ist vom EuGH zu einem allgemeinen Vertragsgerichtsstand ausgebaut worden. Der Begriff des Vertrags wird dabei autonom und extensiv ausgelegt und erfasst jede freiwillig eingegangene, konsensbasierte VerGerhard Wagner

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pflichtung. Dazu zählen insbesondere auch Gesellschaftsverträge und Satzungen von Kapitalgesellschaften, ohne dass es auf deren Qualifikation nach nationalem Recht ankäme. Folgerichtig ist für Ansprüche der Gesellschaft gegen einen Gesellschafter der Vertragsgerichtsstand eröffnet, und Gleiches gilt im umgekehrten Fall sowie bei Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft und einem Organ, etwa über Schadensersatz wegen pflichtwidriger Geschäftsleitung. Der Erfüllungsort für diese Verbindlichkeiten liegt am Sitz der Gesellschaft. Abzustellen ist dabei nicht auf den Sitz der Hauptverwaltung, sondern auf den Satzungssitz.

6. Deliktsgerichtsstand Der Deliktsgerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist für sämtliche Schadensersatzklagen eröffnet, die nicht auf Vertrag in dem weiten Sinn des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO beruhen. Im Europäischen Zivilprozessrecht zählt insbesondere auch die culpa in contrahendo zu den „unerlaubten Handlungen“. Weiterhin ist die Organhaftung für Insolvenzverschleppung (vgl. §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG) und die Gesellschafterhaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs an den Deliktsgerichtsstand zu verweisen. Die kollisionsrechtlichen Probleme der Anwendbarkeit dieser Institute auf Scheinauslandsgesellschaften sind dadurch natürlich noch nicht gelöst. Immerhin kann aber in Deutschland Klage erhoben werden, weil dort jedenfalls der Erfolgsort der gegenüber den Gesellschaftsgläubigern verübten unerlaubten Handlung zu lokalisieren ist.

7. Vorrang der EuInsVO a) Die EuInsVO lokalisiert den Insolvenzgerichtsstand in demjenigen Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, also am tatsächlichen Verwaltungssitz. Diese Regelung stimmt weitgehend mit § 3 InsO überein, wenn man davon absieht, dass bei Gesellschaften und juristischen Personen eine Vermutung dafür streitet, dass der tatsächliche Verwaltungssitz mit dem Satzungssitz übereinstimmt. Bei Scheinauslandsgesellschaften dürfte die Vermutung leicht zu widerlegen sein. b) Nach Art. 4 Abs. 1 EuInsVO ist das Insolvenzverfahren auf der Grundlage der lex fori concursus abzuwickeln, die gemäß Art. 4 Abs. 2 EuInsVO auch eine Reihe von sog. Annexstreitigkeiten beherrscht, etwa 304

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die Anfechtung von Rechtshandlungen des Schuldners, die die Gläubiger benachteiligen. Der kollisionsrechtlichen Maßgeblichkeit der lex fori concursus entspricht indessen keine entsprechende vis attractiva des Insolvenzgerichtsstands. Auch nach der EuInsVO erstreckt sich die ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nicht auf Anfechtungsansprüche gegen Dritte und auf Haftungsansprüche gegen Geschäftsleiter und Gesellschafter. c) Nach In-Kraft-Treten der EuInsVO bedarf der Vorbehalt des Art. 1 Abs. 2 lit. b EuGVVO, der Insolvenzsachen aus dem Anwendungsbereich des Europäischen Zuständigkeitsrechts ausklammert, der Neuinterpretation. Die EuGVVO beherrscht danach auch insolvenzrechtliche Annexstreitigkeiten, sofern die lex fori concursus insoweit keine vis attractiva kennt. Dies ist nach deutschem Insolvenzrecht durchweg der Fall. Somit bleibt es dabei: Haftungsansprüche der Gesellschaft gegen die Organe sind im Vertragsgerichtsstand (Art. 5 Nr. 1 EuGVVO) geltend zu machen, und die Gläubiger der Gesellschaft können im Deliktsgerichtsstand (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO) die Organe wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch nehmen sowie aus existenzvernichtendem Eingriff gegen die Gesellschafter vorgehen.

8. Gerichtsstandsvereinbarungen a) Gemäß Art. 23 EuGVVO kann von dem Zuständigkeitssystem der EuGVVO durch Vereinbarung abgewichen werden. Bei Scheinauslandsgesellschaften besteht somit die Möglichkeit, den alternativen allgemeinen Gerichtsstand der Art. 2 Abs. 1, 60 Abs. 1 lit. a EuGVVO am (ausländischen) Satzungssitz zugunsten der alleinigen Zuständigkeit der Gerichte am (deutschen) tatsächlichen Verwaltungssitz auszuschalten. Eine solche Abrede muss allerdings mit jedem einzelnen Gläubiger vereinbart werden. b) Gerichtsstandsklauseln in Gesellschaftsverträgen und korporativen Satzungen sind wirksam und binden auch diejenigen Gesellschafter, die ihre Zustimmung verweigert haben. Damit lässt sich ein einheitlicher Gerichtsstand am tatsächlichen Verwaltungssitz der Gesellschaft für Binnenstreitigkeiten unter den Gesellschaftern und im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Mitgliedern begründen. c) Vereinbarungsfest sind gemäß Art. 23 Abs. 5 EuGVVO die ausschließlichen Zuständigkeiten des Art. 22 EuGVVO. Folglich lässt sich die Gerhard Wagner

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ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte am (ausländischen) Satzungssitz für Nichtigkeits-, Auflösungs- und Beschlussmängelklagen gemäß Art. 22 Nr. 2 EuGVVO nicht mit Hilfe einer satzungsmäßigen Gerichtsstandsklausel ausschalten.

9. Schiedsvereinbarungen a) Die EuGVVO gilt ausweislich ihres Art. 1 Abs. 2 lit. d nicht für die Schiedsgerichtsbarkeit. Das Zuständigkeitssystem des Europäischen Zivilprozessrechts kann somit durch eine Schiedsvereinbarung insgesamt zugunsten eines privaten Tribunals abbedungen werden. b) Die Wirksamkeit einer Schiedsklausel richtet sich nach dem anwendbaren nationalen Recht. Das deutsche Schiedsverfahrensrecht ist gemäß §§ 1025 Abs. 1, 1043 ZPO anwendbar, wenn der Schiedsort in Deutschland liegt. Wird als Schiedsort der tatsächliche Verwaltungssitz einer von Deutschland aus geführten Scheinauslandsgesellschaft vereinbart, findet das deutsche Schiedsrecht Anwendung. c) Auf der Grundlage von § 1066 ZPO werden auch Schiedsklauseln in Gesellschaftsverträgen und korporativen Satzungen als wirksam anerkannt. Sie gelten für sämtliche Gesellschafter und Mitglieder, einschließlich derjenigen, die ihnen nicht zugestimmt haben. Genauso wie vertragliche Schiedsvereinbarungen binden sie auch Rechtsnachfolger und Insolvenzverwalter der ursprünglichen Parteien. d) Schiedsklauseln setzen sich auch gegen ausschließliche Zuständigkeiten des sonst anwendbaren Zivilprozessrechts durch. Art. 22 Nr. 2 EuGVVO steht der wirksamen Vereinbarung der Schiedsgerichtsbarkeit für gesellschaftsrechtliche Nichtigkeits-, Auflösungs- und Beschlussmängelklagen somit nicht entgegen. Allerdings steht der BGH satzungsmäßigen Schiedsklauseln skeptisch gegenüber, wenn sie auf Beschlussmängelstreitigkeiten angewendet werden sollen. Die Streiterledigung durch ein Schiedsgericht ist in diesem Bereich allenfalls dann zulässig, wenn das durch die §§ 246 ff. AktG aufgerichtete System des verfahrensrechtlichen Interessenausgleichs zwischen der Gesellschaft und den anfechtungswilligen Gesellschaftern auch im Schiedsverfahren gewährleistet bleibt. Dies erfordert eine aufwendige Ausgestaltung des Verfahrens und der diesem zugrunde liegenden Vereinbarung.

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F. Die Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführer von Auslandsgesellschaften Ulrich Huber Inhaltsübersicht I. Problemstellung .................... 308 II. Meinungsstand in der Literatur ................................ 1. Übersicht ............................... 2. Zur Anknüpfung des § 64 GmbHG nach der Sitztheorie 3. Zur deliktsrechtlichen Qualifikation des § 64 GmbHG ................................. 4. Zur insolvenzrechtlichen Qualifikation des § 64 GmbHG ................................. III. Kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung des § 64 GmbHG ................................. 1. Ratio legis der Insolvenzantragspflicht ........................ 2. Internationale Regelungsziele und Regelungsinteressen des deutschen Rechts .................. 3. Folgerungen für den internationalen Anwendungsbereich der Regeln über die Insolvenzantragspflicht ........ 4. Einzelfragen .......................... a) Analoge Anwendung des § 64 GmbHG ..................... b) Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen und Verwaltungssitz ................ c) Inländische Konzerntöchter ausländischer Muttergesellschaften ........ d) Im Gründungsstaat gelöschte Gesellschaften ..

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e) Keine zusätzliche Anknüpfung nach dem Personalstatut („Doppelanknüpfung“) ..................... 5. Sanktionen ............................ a) § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 40 EGBGB ............................... b) Zahlungsverbot und Erstattungspflicht (§ 64 Abs. 2 GmbHG) ........ c) Erstattungsanspruch gemäß § 26 Abs. 3 InsO .... d) Keine Strafsanktion gemäß § 84 GmbHG ......... 6. Die Auslandsgesellschaft mit beschränkter Haftung als einzige Komplementärin einer inländischen Kommanditgesellschaft .......................

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IV. Insolvenzantragspflicht und Niederlassungsfreiheit .......... 344 1. Die bisherige Rechtsprechung des EuGH ............................... 344 2. Keine Beschränkung der Ausübung der Niederlassungsfreiheit ................................... 348 3. Hilfserwägung: Europarechtliche Rechtfertigungsgründe .................................... 351 4. Vorlagepflicht gemäß Art. 234 EG-Vertrag .............. 354 V. Thesen ................................... 356

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I. Problemstellung Im folgenden soll die Frage untersucht werden, ob die Geschäftsführer von Auslandsgesellschaften mit beschränkter Haftung der Insolvenzantragspflicht gemäß § 64 GmbHG und den damit verbundenen Sanktionen unterliegen (vor allen Dingen der Schadensersatzhaftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB bei schuldhaft unterlassener Antragstellung1), wenn die Gesellschaft ihren satzungsmäßigen Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums hat und ihren tatsächlichen Veraltungssitz ins Inland verlegt hat, in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV)2. _________ 1 Daß § 64 GmbHG Schutzgesetz im Sinn von § 823 Abs. 2 BGB ist, ist herrschende Meinung (und vor allem ständige Rechtsprechung) seit BGHZ 29, 100 ff.; vgl. weiterhin BGHZ 75, 96, 106; 100, 19, 21; grundlegend jetzt BGHZ 126, 181, 190; 138, 211 ff. Dagegen hatte das RG die Anwendung des § 823 Abs. 2 abgelehnt (RGZ 73, 30 ff.; die komplexe und nicht sehr präzise Begründung der Entscheidung ist in BGHZ 29, 100, 103 anscheinend mißverstanden worden). Bemerkenswert ist immerhin, daß das GmbH-Gesetz von 1892 selbst, anders als kurz darauf das BGB (vgl. § 42 Abs. 2 Satz 2), so wenig wie seinerzeit Art. 240 Abs. 3 ADHGB und heute § 92 AktG, die Schadensersatzpflicht nicht erwähnt und sich auf ein Verbot von Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife beschränkt (§ 64 Abs. 2 GmbHG). Es ist daher gut möglich, daß es nach den Intentionen des Gesetzgebers von 1892 bei der Sanktion des § 64 Abs. 2 GmbHG sein Bewenden haben und eine darüberhinausgehende Schadensersatzhaftung ausgeschlossen sein sollte. Sollte dies der Fall gewesen sein, so wäre diese Intention überholt und unbeachtlich, seit der Gesetzgeber des BGB von 1896 in § 42 Abs. 2 Satz 2 sich im entgegengesetzten Sinn entschieden hat. Denn § 42 Abs. 2 Satz 2 BGB beruht nicht auf irgendwelchen Besonderheiten des bürgerlichrechtlichen Idealvereins, sondern ist als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips zu verstehen, das bei allen juristischen Personen des Privatrechts Beachtung verlangt. 2 EuGH Slg. 1999 I – 1459 = NJW 1999, 2027 – Centros (umfassende Literaturnachweise hierzu bei Bayer BB 2003, 2357, 2360 Fn. 44); Slg. 2002 I – 9919 = NJW 2002, 3614 – Überseering (umfassende Literaturnachweise hierzu bei Schanze/Jüttner AG 2003, 661, 662 Fn. 7); Slg. 2003 I – 10155 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art (umfassende Literaturnachweise hierzu bei Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 4a vor Rz. 11; hinzugekommen sind die Beiträge von Horn NJW 2004, 893 ff.; Borges ZIP 2004, 733 ff.; Ulmer NJW 2004, 1201 ff.; Sandrock BB 2004, 897 ff.; Schumann DB 2004, 743 ff.; Michael Fischer ZIP 2004, 1477 ff.; Günter H. Roth in Festschrift Doralt, Wien 2004, S. 479 ff.; Mankowski RIW 2004, 481, 483 ff.; Karsten Schmidt ZHR 168 [2004], 493 ff.; Kieninger ZEuP 2004, 685 ff.; Bitter WM

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Nun kann es sich dabei jedenfalls nur um eine analoge Anwendung des § 64 GmbHG handeln3. Denn die Bestimmungen des GmbH-Gesetzes sind, soweit sie nicht ausnahmsweise selbst etwas anderes anordnen (vgl. § 35a Abs. 4 GmbHG), nur auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung anwendbar, die als solche nach deutschem Recht errichtet und ins deutsche Handelsregister eingetragen sind. Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die hier nicht eingetragen sind (wobei die Eintragung von Niederlassungen ausländischer Gesellschaften gemäß §§ 13d, e und g HGB4 außer Betracht bleiben muß), existieren nicht „als solche“ und sind daher als solche auch nicht Regelungsgegenstand des deutschen GmbH-Gesetzes. Allerdings fällt es nicht besonders schwer zu begründen, daß die ratio legis des § 64 GmbHG auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung zutrifft, unabhängig davon, ob es sich um Gesellschaften inländischen oder ausländischen Rechts, in diesem Sinn also um „Inlandsgesellschaften“ oder um „Auslandsgesellschaften“ handelt5. Das Problem liegt nicht im materiellen, sondern im Kollisionsrecht. Denn die Anwendung des § 64 GmbHG, sei es direkt, sei es analog, setzt jedenfalls voraus, daß die dort behandelte Rechtsfrage überhaupt nach deutschem Recht zu entscheiden ist. Dies ist eine Frage, die nicht nach den Sach_________ 2004, 2190 ff.; Paefgen ZIP 2004, 2253 ff.; Lehmann RIW 2004, 816 ff.; sowie die Dissertationen von Stefan Klein, Die Rechtsstellung auswärtiger Gesellschaften im deutschen und US-amerikanischen Recht, 2004; und von Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, 2004. Die Erstreckung der Niederlassungsfreiheit auf Gesellschaften aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (Irland, Liechtenstein, Norwegen) folgt aus Art. 31, 34 des EWR-Vertrags vom 2.5.1992, dazu OLG Frankfurt IPrax 2004, 56 ff. m. Bspr. Baudenbacher/Busche IPrax 2004, 26 ff.; Leible in Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2005, § 10 Rz. 6. Analoge Fragen der Anwendbarkeit des § 64 GmbHG können sich übrigens auch dann stellen, wenn die Zuzugsfreiheit sich aus einem mit dem Gründungsstaat geschlossen Staatsvertrag ergibt, so insbesondere aus dem zwischen der Bundesrepublik und den USA geschlossenen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 29.10.1954 (BGBl. 1956 II, 487), dazu BGHZ 153, 353 ff.; BGH ZIP 2004, 2230 f.; Leible in Hirte/Bücker op. cit. § 10 Rz. 7 f. Ähnliche Verträge wie mit den USA sind mit einer Vielzahl anderer Staaten abgeschlossen, vgl. Rehm in Eidenmüller (Hrsg.), Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004 § 2 Rz. 12 ff. Die im folgenden angestellten Überlegungen gelten sinngemäß auch für derartige Staatsvertragsfälle 3 Vgl. Zimmer NJW 2003, 3585, 3590; Borges ZIP 2004, 733, 737, 740. 4 Vgl. dazu den Beitrag von Lutter in diesem Band, S. 1 ff. 5 Dazu unten III 4a, S. 334 f.

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normen, sondern nach den Kollisionsnormen des deutschen Rechts zu entscheiden ist. Dabei ist im vorliegenden Zusammenhang zu beachten, daß das deutsche Kollisionsrecht durch die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43, 48 EGV, so wie sie vom EuGH, für die Gerichte aller Mitgliedstaaten verbindlich, interpretiert wird, gebunden ist. Aus der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit6 folgt, daß Gesellschaften, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet sind, das Recht haben, sich als Gesellschaften, die weiterhin dem Recht des Herkunftsstaats unterliegen, in jedem anderen Mitgliedstaat niederzulassen7. Der Zuzugsstaat hat nicht das Recht, die Gesellschaft als Folge der Niederlassung in seinem Gebiet einem „Statutenwechsel“ zu unterwerfen, ihr also die Rechtsfähigkeit nach dem Gesellschaftsrecht des Gründungsstaats abzuerkennen, sie seinem eigenen Gesellschaftsrecht zu unterwerfen und ihr Rechtsfähigkeit allenfalls nach Maßgabe dieses Rechts zuzusprechen8. Und der Zuzugsstaat hat auch nicht das Recht, die Auslandsgesellschaft in einzelnen Beziehungen seinem eigenen Gesellschaftsrecht zu unterwerfen, etwa den inländischen Bestimmungen über das Mindestkapital oder besonderen Bestimmungen des inländischen Rechts über die persönliche Haftung von Gesellschaftern oder Geschäftsführern9. Eine Ausnahme soll nur gelten, wenn die Behinderung der Niederlassungsfreiheit, die mit der Unterwerfung unter die Rechtsvorschriften des inländischen Gesellschaftsrechts verbunden ist, sich ausnahmsweise durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses rechtfertigen läßt10. Indessen sind bisher keine Entscheidungen _________ 6 Oben Fn. 2. 7 So besonders prägnant EuGH Slg. 2002 I – 9919 = NJW 2002, 3614 Tz. 80: „Überseering … genießt das Recht, als Gesellschaft niederländischen Rechts von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen“. 8 So, auf der Grundlage der im deutschen Recht herrschenden „Sitztheorie“, zuletzt BGHZ 151, 204 ff. 9 Vgl. EuGH Slg. 2003 I – 10155 = NJW 2003, 3331 – Inspire Art. 10 Vgl. EuGH Slg. 1999 I – 1459 = NJW 199, 2027 Tz. 24 ff. – Centros; Slg. 2003 I – 10155 = NJW 2003, 3331 Tz. 132 ff. – Inspire Art. Die Rechtsprechung des EuGH hat hierfür einen Vier-Kriterien-Test entwickelt (erforderlich sind: 1. keine Diskriminierung; 2. Vorliegen von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses aus der Sicht des Staates, der die Maßnahme ergreift; 3. Geeignetheit der Maßnahme und 4. Erforderlichkeit der Maßnahme zur Erreichung des Schutzziels). Die Regel gilt für alle Eingriffe in die europäischen Grundfreiheiten durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten. Grundlegend EuGH Slg. 1995 I – 4165 Tz. 32 – Gebhard (daher „Gebhard-Formel“). Dazu eingehend Eidenmüller (Fn. 2) § 3 Rz. 20 ff.; Forsthoff in Hirte/Bücker (Fn. 2) § 2 Rz. 53 ff.

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ergangen, in denen der EuGH tatsächlich eine derartige Rechtfertigung anerkannt hätte. Im Prinzip gilt also für Auslandsgesellschaften ausländisches, und nicht deutsches Gesellschaftsrecht11.

II. Meinungsstand in der Literatur 1. Übersicht In der Literatur ist daraus allerdings nur von wenigen der Schluß gezogen worden, § 64 GmbHG sei auf im Inland niedergelassene Auslandsgesellschaften nicht anwendbar, mit der Konsequenz, daß für solche Gesellschaften eine Antragspflicht nur besteht, wenn ihr Gründungsrecht eine dem § 64 GmbHG entsprechende Bestimmung enthält12. Nach ganz überwiegender Auffassung soll § 64 GmbHG auch auf Auslandsgesellschaften, zumindest analog, Anwendung finden, wenn sie im _________ 11 Aus der Literatur seien genannt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Ebke JZ 2003, 927, 928 f.; Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 416; Ziemons ZIP 2003, 1913, 1916 f.; Bayer BB 2003, 2357, 2363; Schanze/Jüttner AG 2003, 661, 664; Zimmer NJW 2003, 3585, 3586 f.; Eidenmüller JZ 2004, 24, 25; Spindler/Berner RIW 2004, 7, 8 f.; Behrens IPrax 2004, 20, 24 f.; Horn NJW 2004, 893, 896 f.; Weller (Fn. 2) S. 86 ff.; Heldrich in Palandt, BGB, 64. Aufl. 2005, Art. 12 EGBGB Anh. Rz. 6 ff.; Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 2) § 4a Rz. 13 ff. Ebenso in der Rechtsprechung BGHZ 154, 185 ff. (abschließende Entscheidung im Überseering-Fall nach der Vorlageentscheidung des EuGH, dazu oben Fn. 1); BGHZ 153, 353 ff. (auf der Grundlage des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrags vom 29.10.1954). Die Gegenansicht wird nur vereinzelt vertreten, vgl. Kindler NZG 2003, 1086, 1088 f. und, besonders eingehend und nachdrücklich, Altmeppen NJW 2004, 97 ff. sowie Altmeppen/Wilhelm DB 2004, 1083 ff. Sie wollen aus Inspire Art (Fn. 9) den Schluß ziehen, das Gründungsrecht gelte nur, soweit es um die Gründungsbestimmungen und die Vorschriften zur Aufbringung des Mindestkapitals gehe; im übrigen sei weiterhin das Gesellschaftsrecht des tatsächlichen Verwaltungssitzes, also deutsches Gesellschaftsrecht, anwendbar. Dazu kritisch Ulmer NJW 2004, 1201 ff.; Sandrock BB 2004, 897 ff.; Schön ZHR 168 (2004) 268, 290 f.; Paefgen ZIP 2004, 2253 ff. Der Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH, insbesondere zum Überseering-Urteil (oben Fn. 7), scheint mir evident zu sein. 12 So Mock/Schildt ZInsO 2003, 396, 399 f.; dies. in Hirte/Bücker (Fn. 2) § 16 Rz. 36 ff.; Spindler/Berner RIW 2004, 7, 11 ff.; Riegger ZGR 2004, 510, 526; Schumann DB 2004, 743, 746 f.; Vallender/Fuchs ZIP 2004, 829, 830; Paefgen ZIP 2004, 2253, 2260 f.

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Inland ihren tatsächlichen Verwaltungssitz (also ihre einzige Niederlassung oder ihre Hauptniederlassung) haben13. Die Begründungen weichen allerdings voneinander ab. Teilweise will man insoweit weiterhin an der im deutschen internationalen Gesellschaftsrecht bisher herrschenden Sitztheorie festhalten14. Die Mehrzahl der Autoren, die die Anwendbarkeit des § 64 GmbHG bejahen, gehen dagegen davon aus, daß auf Auslandsgesellschaften (soweit sie aus dem europäischen Ausland stammen) ausschließlich das Gesellschaftsrecht des Mitgliedstaats anwendbar ist, nach dem die Gesellschaft gegründet ist (das heißt des Mitgliedstaats, in dem der Satzungssitz der Gesellschaft liegt und in dem die Gesellschaft registriert ist). Sie bestreiten indessen, daß § 64 GmbHG eine Norm des Gesellschaftsrechts ist, sondern qualifizieren die Bestimmung anders. Hier trennen sich dann wieder die Wege. Einerseits wird die Ansicht vertreten, die Konkursverschleppung sei als unerlaubte Handlung zu qualifizieren, mit der Folge, daß gemäß Art. 40 EGBGB in erster Linie das Recht des Handlungsorts maßgeblich sei, der mit dem inländischen Niederlassungsort identisch sei15. Andererseits und überwiegend wird die Ansicht vertreten, § 64 _________ 13 So Paulus ZIP 2002, 729, 734; Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 416; Bayer BB 2003, 2357, 2365; Schanze/Jüttner AG 2003, 661, 670; Zimmer NJW 2003, 3585, 3589 f.; Kindler NZG 2003, 1086, 1090; Altmeppen NJW 2004, 97, 100 f.; Borges ZIP 2004, 733, 737 ff.; Ulmer NJW 2004, 1201, 1208 ff.; ders. KTS 2004, 291, 300 f.; Weller IPrax 2004, 412, 414; Günter H. Roth in Festschrift Doralt (Fn. 2) S. 491; Goette in Festschrift Kreft, 2004, S. 53, 55, 58 f., 63 f.; Wachter GmbHR 2004, 88, 101; Riedemann GmbHR 2004, 345, 348; Eidenmüller (Fn. 2) § 9 Rz. 25 ff.; Bitter WM 2004, 2190, 2198 f.; Klein (Fn. 2) S. 543 ff.; Heldrich in Palandt (Fn. 11) Art. 12 EGBGB Anh. Rz. 8. Vgl. auch Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt, 2004, S. 397, 424 ff. 14 So Altmeppen NJW 2004, 97. 100 f. sowie Altmeppen/Wilhelm DB 2004, 1083, 1088 (von dem oben Fn. 11 geschilderten Ausgangspunkt aus); Ulmer NJW 2004, 1201, 1208 ff. (der auf die Sitztheorie ausnahmsweise ergänzend, zur Vermeidung von Schutzlücken, zurückgreifen will). In der Sache ähnlich Bitter WM 2004, 2190, 2198 f., der die Anwendung des § 64 GmbHG und der damit verbundenen Regeln über die Insolvenzverschleppungshaftung damit begründet, daß dies nicht gegen das europarechtliche Prinzip der Niederlassungsfreiheit verstoße – was nur dann einen Sinn hat, wenn man zumindest subsidiär weiterhin von der Sitztheorie ausgeht. 15 So Bayer BB 2003, 2357, 2365; im Grundsatz auch Schanze/Jüttner AG 2003, 661, 670. Schanze/Jüttner wollen, was die Dinge allerdings sehr kompliziert, die Insolvenzantragspflicht primär dem ausländischen Personalstatut der Gesellschaft entnehmen und nur, wenn dieses keine Insolvenzantragspflicht kennt, § 64 GmbHG anwenden. Dabei sehen sie auch ausländische Bestimmungen über Insolvenzantragspflichten und funktional vergleichbare Be-

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GmbHG sei im Kern eine insolvenzrechtliche Bestimmung. Maßgeblich sei daher gemäß Art. 3 und 4 EuInsVO das Recht desjenigen Staats, in dem der „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ der Gesellschaft liege, also das Recht des inländischen Verwaltungssitzes16. Nach herrschender Meinung liegt in der Anwendung des § 64 GmbHG auf Auslandsgesellschaften mit beschränkter Haftung auch kein Verstoß gegen deren europarechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit im Sinn der EuGH-Rechtsprechung. Auch hier wird unterschiedlich argumentiert. Teilweise wird die Ansicht vertreten, durch die Anwendung des § 64 GmbHG werde die Niederlassungsfreiheit schon dem Tatbestand nach nicht berührt, so daß eine „Rechtfertigung“ durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses17 überhaupt überflüssig sei18. Dieser Standpunkt wird insbesondere (aber nicht nur) von solchen Autoren eingenommen, die § 64 GmbHG dem Deliktsrecht oder dem Insolvenzrecht zuordnen, indem sie davon ausgehen, daß die Niederlassungsfreiheit die Gesellschaft nur vor der Anwendung des Gesellschaftsrechts des Zuzugsstaats schützt, nicht vor der Anwendung seines Delikts- und Insolvenzrechts entsprechend den hierfür europaweit anerkannten Prinzipien des internationalen Privatrechts19. Teilweise wird dagegen angenommen, daß zwar dem Tatbestand nach ein Eingriff in die Niederlassungsfreiheit vorliege, daß dieser Eingriff aber, soweit es um die Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführer gemäß (oder analog) § 64 GmbHG und die daraus folgende Deliktshaftung wegen Insolvenz_________

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stimmungen des ausländischen Rechts (so z. B. Section 214 des britischen Insolvency Act über „wrongful trading“) als Schutzgesetze im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB an. So Paulus ZIP 2002, 729, 734; Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 416; Zimmer NJW 2003, 3585, 3590; Kindler NZG 2003, 1086, 1090; Borges ZIP 2004, 733, 737 ff.; Weller IPrax 2004, 412, 414; Günter H. Roth in Festschrift Doralt (Fn. 2) S. 491; Goette in Festschrift Kreft (Fn. 13) S. 55, 58 f., 63 f.; Eidenmüller (Fn. 2) § 9 Rz. 26; Klein (Fn. 2) S. 543 ff.; Heldrich in Palandt (Fn. 11) Art. 12 EGBGB Anh. Rz. 8. In der Literatur zum früheren deutschen Recht (vor Inkrafttreten der EuInsVO am 31.5.2002 und der §§ 335 ff. InsO am 20.3.2003) hat sich im gleichen Sinn Trunk ausgesprochen, Internationales Insolvenzrecht, 1998, S. 103 f. Dazu oben Fn. 10. So Altmeppen NJW 2004, 97, 101; Borges ZIP 2004, 733, 740. So ausdrücklich Borges ZIP 2004, 733, 740. Andere Autoren gehen als selbstverständlich davon aus, daß Bestimmungen, die sich delikts- oder insolvenzrechtlich qualifizieren lassen, von der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit nicht betroffen sind, vgl. etwa Bayer BB 2003, 2357, 2365; Schanze/Jüttner AG 2003, 665, 670; Kindler NZG 2003, 1086, 1090.

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verschleppung gehe, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses nach Maßgabe des hierfür vom EuGH entwickelten 4-Kriterien-Tests20 gerechtfertigt sei21. Diese Ansicht wird nicht nur von solchen Autoren vertreten, die § 64 GmbHG kollisionsrechtlich eindeutig dem Gesellschaftsrecht zuweisen22, sondern auch von Autoren, die § 64 GmbHG im Kern für eine insolvenzrechtliche Bestimmung halten23, aber der Ansicht sind, daß es für die europarechtliche Zulässigkeit der Anwendung belastender Rechtsvorschriften des Zuzugsstaats auf Gesellschaften aus dem europäischen Ausland nicht darauf ankommen könne, wie diese Vorschriften nach dem Kollisionsrecht des Zuzugsstaats zu qualifizieren seien.

2. Zur Anknüpfung des § 64 GmbHG nach der Sitztheorie Soweit die Anwendung des § 64 GmbHG weiterhin mit der herkömmlichen „Sitztheorie“24 begründet wird25, ist zu unterscheiden: Sicherlich ist die Sitztheorie, als allgemeine Regel, mit der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit26 unvereinbar, wenn Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union betroffen sind27. Das hat zuletzt Ulmer noch einmal eingehend auseinandergesetzt28. Ulmer meint indessen, an der Sitztheorie sei ausnahmsweise in bezug _________ 20 Oben Fn. 10. 21 So Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 417 (der eine europarechtliche Rechtfertigung zwar nicht im Hinblick auf § 64 GmbHG selbst, aber im Hinblick auf die damit verbundene Sanktion des § 823 Abs. 2 BGB für erforderlich hält); Zimmer NJW 2003, 2385, 2390; Ulmer NJW 2004, 1201, 1208; ders. KTS 2004, 291, 300 f. Anderer Ansicht Mock/Schildt ZInsO 2003, 396, 399 f.; Paefgen ZIP 2004, 2253, 2261; sowie (speziell im Hinblick auf die Schadensersatzhaftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB) Spindler/Berner RIW 2004, 7, 11 f. 22 So Ulmer NJW 2004, 1201, 1207 f. 23 So Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 417; Zimmer NJW 2003, 2385, 2389 f.; Heldrich in Palandt (Fn. 11) Art. 12 EGBGB Anh. Rz. 8. 24 Dazu BGHZ 53, 182 ff.; 97, 269 ff.; 151, 204 ff. sowie die Darstellungen bei Lüderitz in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1996, Art. 10 EGBGB Anh.; Großfeld, Internationales Gesellschaftsrecht, in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 1998; Kindler, Internationales Gesellschaftsrecht, in Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1999; Palandt/Heldrich (Fn. 11) Art. 12 EGBGB Anh. 25 So Altmeppen, Ulmer (Fn. 14). 26 Oben Fn. 2. 27 Vgl. oben Fn. 11. 28 Ulmer NJW 2004, 1201 ff. in kritischer Auseinandersetzung mit Altmeppen NJW 2004, 97 ff.

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auf bestimmte Einzelvorschriften festzuhalten, und zwar insoweit, als es um die spezifischen Gläubigerschutzbestimmungen des deutschen Rechts gehe. Hierzu gehörten insbesondere der Grundsatz der Kapitalerhaltung und die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit, verbunden mit der „Insolvenzverschleppungshaftung“ gemäß § 823 Abs. 2 BGB im Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung29. Insoweit lasse die Sitztheorie sich auch unter dem Gesichtspunkt der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit rechtfertigen, und zwar unabhängig davon, ob das Gründungsrecht der Gesellschaft seinerseits angemessene Gläubigerschutzregeln aufstelle oder insoweit Schutzlücken offenlasse. Denn entweder, das Gründungsrecht der Auslandsgesellschaft enthalte vergleichbare Schutzbestimmungen. Dann könne es die Niederlassungsfreiheit nicht beeinträchtigen, wenn statt dieser Vorschriften die im wesentlichen gleichartigen Vorschriften des deutschen Rechts zur Anwendung kämen. Oder das Gründungsrecht enthalte keine vergleichbaren Schutzbestimmungen. Dann aber sei die Anwendung des deutschen Rechts, möge sie auch zu einer gewissen Behinderung der Niederlassungsfreiheit führen, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, nämlich das Schutzbedürfnis der Gläubiger, zu rechtfertigen30. Wie in anderem Zusammenhang näher ausgeführt, bestehen gegen diesen Versuch, Gründungs- und Sitztheorie in freier Rechtsfindung zu kombinieren, Bedenken nicht nur europarechtlicher, sondern vor allem auch kollisionsrechtlicher Natur31. Meines Erachtens sprechen zwingende Gründe, zumindest aber Gründe von ganz überwiegendem Gewicht, dafür, das für eine Gesellschaft maßgebliche Gesellschaftsrecht im Prinzip einheitlich anzuknüpfen. Eine solche Anknüpfung kann erfolgen am Gründungssitz, das heißt dem bei Gründung in der Satzung bestimmten Sitz, der für die Registrierung und das anwendbare Gesellschaftsrecht maßgeblich sein soll – so die Gründungstheorie32. Oder sie kann erfolgen am Verwaltungssitz, das heißt an dem vom Satzungssitz möglicherweise unterschiedenen Ort, an dem die Gesellschaft ihre Niederlassung, bei mehreren Niederlassungen ihre Hauptniederlassung hat und an dem ihre Geschäfte geführt werden – so die Sitztheorie33. _________ 29 30 31 32

NJW 2004, 1201, 1208. NJW 2004, 1201, 1208 f. Vgl. in diesem Band unter D. II 3 b), S. 154 f. Vgl. dazu die Darstellungen bei Soergel/Lüderitz, Staudinger/Großfeld, MünchKomm/Kindler, Palandt/Heldrich aaO. (Fn. 24). 33 Vgl. oben Fn. 24.

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Dagegen sollte es nicht zugelassen werden, daß die Gerichte im Einzelfall, je nach Belieben und rechtspolitischer Präferenz, die anwendbare Rechtsregel bald dem Gründungsrecht und bald dem Sitzrecht entnehmen und so aus zwei fragmentierten Gesellschaftsrechten ein drittes zusammensetzen, von dem man, solange und soweit die Gerichte nicht entschieden haben, nicht wissen kann, welchen Inhalt es hat. Das verbietet sich aus Gründen der Rechtsklarheit, der Rechtssicherheit und der Gesetzesbindung der Gerichte34. „Überlagerungstheorien“35 mögen in der akademischen Diskussion attraktiv erscheinen; praxistauglich sind sie nicht. Da nun die Anwendung der unverfälschten Sitztheorie auf Auslandsgesellschaften, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats gegründet sind und sich im Inland niederlassen, aus europarechtlichen Gründen nicht mehr möglich ist, bleibt als kollisionsrechtlich annehmbare Lösung insoweit nur die Gründungstheorie. Ob dieser generelle Einwand gegen das von Ulmer vorgestellte Konzept zutrifft, kann aber im vorliegenden Zusammenhang auf sich beruhen. Denn auch wenn man das Gesellschaftsrecht der Auslandsgesellschaft einheitlich dem Recht des Gründungsstaats entnimmt (also dem Recht des Staats, in dem der satzungsmäßige Sitz der Gesellschaft liegt und in dem sie registriert ist), bleibt immer noch die Möglichkeit, die Bestimmung des § 64 GmbHG gesondert anzuknüpfen, weil sie Besonderheiten und infolge dieser Besonderheiten engere Beziehungen zu einem anderen Recht aufweist als zum Personalstatut der Gesellschaft (der „lex societatis“). Man braucht deshalb gar nicht in Abrede zu stellen, daß es sich bei § 64 GmbHG um eine Norm des Gesellschaftsrechts handelt. Bevor hierauf näher eingegangen wird, ist indessen zu prüfen, ob nicht diejenigen Ansichten im Recht sind, die § 64 als deliktsrechtliche oder insolvenzrechtliche Bestimmung qualifizieren. Denn ist das richtig, ist das Personalstatut der Gesellschaft von vornherein unmaß_________ 34 Noch unsicherer, unklarer und beliebiger wird die Rechtsanwendung naturgemäß, wenn man bei der europarechtlichen Prüfung jedesmal die Schutzvorkehrungen des deutschen Rechts mit denen des jeweiligen Gründungsrechts vergleicht (so Schanze/Jüttner AG 2003, 661, 670; Behrens IPrax 2004, 20, 25 f.; Eidenmüller JZ 2004, 24, 28) und je nachdem, ob man die ausländische Schutzvorschrift als „ausreichend“ oder „mangelhaft“ benotet, die ausländische oder die inländische Schutzvorschrift anwendet. Die Folge wäre, daß in Bezug auf jeden Mitgliedstaat der Europäischen Union ein eigenes internationales Gesellschaftsrecht zu entwickeln wäre. 35 Vgl. etwa Sandrock RabelsZ 42 (2978), 227, 246 ff.; dazu auch Horn NJW 2004, 893, 896.

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geblich; es gilt das Delikts- oder das Insolvenzstatut, ohne daß es einer „Sonderanknüpfung“ im eigentlichen Sinn des Wortes bedürfte36.

3. Zur deliktsrechtlichen Qualifikation des § 64 GmbHG Die Ansicht, § 64 GmbHG sei deliktsrechtlich zu qualifizieren37, hat ihr gedankliches Fundament in der ständigen Rechtsprechung des BGH, die § 64 GmbHG zum „Schutzgesetz“ im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB erklärt38. Geschützt sind einerseits die „Altgläubiger“ der Gesellschaft, soweit die Fortführung des Unternehmens nach Eintritt der Überschuldung oder der Zahlungsunfähigkeit die Folge hat, daß die Quote sich verringert, mit der sie aus der Insolvenzmasse befriedigt werden (sogenannter „Quotenschaden“)39. Während der Dauer des Insolvenzverfahrens ist dieser Schaden gemäß § 92 InsO vom Insolvenzverwalter geltend zu machen40. Geschützt sind andererseits, wie in der Rechtsprechung allerdings erst seit jüngerer Zeit anerkannt ist, auch die _________ 36 Ulmer NJW 2004, 1201 ff., 1208 beurteilt das in der Sache genauso. Nur geht er von der Prämisse aus, daß die deliktsrechtliche und die insolvenzrechtliche Anknüpfung des § 64 GmbHG verfehlt sind. 37 Bayer, Schanze/Jüttner (Fn. 15). 38 Vgl. Fn. 1. Dazu und zum Meinungsstand in der Literatur vgl. SchulzeOsterloh in Baumbach-Hueck, GmbHG, 17. Aufl. 2000 § 64 Rz. 82 ff.; Schmidt-Leithoff in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 64 Rz. 37 ff.; Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 9. Aufl. 2002, § 64 Rz. 37 ff.; Altmeppen in Günter H. Roth/Altmeppen, GmbHG, 4. Aufl. 2003, § 64 Rz. 24 ff., 55; Lutter/Kleindiek in Lutter/Hommelhoff (Fn. 2) § 64 Rz. 38 ff. 39 Herrschende Meinung seit BGHZ 29, 100 ff.; vgl. auch BGHZ 75, 96, 106; 100, 19 f.; 138, 211 ff. Die Rechtsprechung hat insoweit weitgehende Zustimmung in der Literatur gefunden. Abweichend insbesondere Altmeppen in Roth/ Altmeppen (Fn. 38) § 64 Rz. 25 ff., 55 ff. Er bestreitet den Schutzgesetzcharakter des § 64 und will statt dessen aus § 64 Abs. 2 im Weg der Rechtsfortbildung eine Pflicht des schuldhaft handelnden Geschäftsführers entwickeln, gegenüber der GmbH alle Verluste auszugleichen, die zwischen dem Zeitpunkt, zu dem der Antrag hätte gestellt werden müssen, und dem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem er tatsächlich gestellt worden ist. Schließt man sich dem an, ist naturgemäß die deliktsrechtliche Qualifikation von vornherein hinfällig (vgl. auch Altmeppen NJW 2004, 97, 101 Fn. 41). 40 Der Insolvenzverwalter hat aus dem gemäß § 92 InsO eingezogenen Betrag eine Sondermasse zu bilden und an die „Altgläubiger“ zu verteilen. Vgl. dazu BGHZ 138, 211 ff. (der Fall war an sich noch nach der alten KO zu beurteilen, der BGH hat aber die Regel des § 92 InsO kraft Richterrechts gewissermaßen „im Vorgriff“ angewendet).

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„Neugläubiger“, die erst nach Eintritt der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit vertragliche Ansprüche gegen die Gesellschaft erworben haben und die bei rechtzeitiger Verfahrenseröffnung diese Verträge nicht abgeschlossen hätten. Sie können Ersatz des Schadens verlangen, der ihnen daraus entsteht, daß sie Leistungen an die Gesellschaft erbracht haben und ihr Anspruch auf die Gegenleistung sich nunmehr als wertlos erweist, oder daß sie der Gesellschaft in sonstiger Weise Kredit gewährt haben, mit dem sie jetzt ausfallen (sogenannter „Kontrahierungsschaden“ oder „Vertrauensschaden“)41. Diesen Anspruch können sie nach der Rechtsprechung des BGH auch während des Insolvenzverfahrens persönlich geltend machen, weil er von § 92 InsO nicht erfaßt wird42. Die deliktsrechtliche „Insolvenzverschleppungshaftung“ ist – seit die Haftung auch hinsichtlich des Vertrauensschadens der „Neugläubiger“ anerkannt ist und seit die Ansprüche der „Altgläubiger“ in die Hand des Konkursverwalters gelegt sind – in der Praxis die wichtigste Rechtsfolge der Insolvenzantragspflicht des § 64 GmbH43. Diese _________ 41 Grundlegend BGHZ 126, 181, 190 ff.; bestätigt durch BGHZ 138, 211, 214; weitere Nachweise bei Lutter/Kleindiek in Lutter/Hommelhoff (Fn. 2) § 64 Rz. 48 Fn. 3 (in Abweichung von der früheren Rechtsprechung seit BGHZ 29, 100 ff., die den Vertrauensschaden als außerhalb des Schutzbereichs des § 823 Abs. 2 BGB liegend ansah und daher auch die Neugläubiger auf den Ersatz eines etwaigen Quotenschadens beschränkte). Zu ersetzen ist nicht der Ausfall, sondern das negative Interesse (so als ob kein Vertrag abgeschlossen wäre). Soweit der Gläubiger den Vertrauensschaden geltend machen kann, ist ein gleichzeitiger Anspruch auf den „Quotenschaden“ ausgeschlossen (BGHZ 138, 211, 214 ff.). Ob das Konzept auf Forderungen aus gesetzlichen Schuldverhältnissen, insbesondere aus Delikt, erstreckt werden kann, ist zweifelhaft, dazu Lutter/Kleindiek in Lutter/Hommelhoff (Fn 2) § 64 Rz. 50 m. w. N., und in der Rechtsprechung noch nicht entschieden (mit Nachdruck befürwortend zuletzt Wagner in Festschrift Gerhardt, 2004, S. 1043, 1060 ff.). – Anders als die Haftung auf den Quotenschaden, ist die Einbeziehung des Vertrauensschadens der Neugläubiger in die Haftung in der Literatur sehr umstritten, vgl. die oben Fn. 38 Zitierten mit zahlreichen weiteren Nachweisen. Von den Fn. 38 Genannten eindeutig zustimmend nur Schmidt-Leithoff und Lutter/Kleindiek und im praktischen Ergebnis auch Karsten Schmidt, ablehnend SchulzeOsterloh und Altmeppen (vgl. aaO. [Fn. 38] § 64 Rz. 55, 64 ff.). Ich selber halte die neue Judikatur für überzeugend, und im übrigen halte ich es für sehr unwahrscheinlich, daß der BGH seinen Standpunkt noch einmal revidiert. 42 BGHZ 126, 181, 201; 138, 211, 214; dazu kritisch Scholz/Karsten Schmidt (Fn. 38) § 64 Rz. 40. 43 Sie ist, seit der Erweiterung durch BGHZ 126, 181 ff., für die Geschäftsführer wohl eine wesentlich empfindlichere Sanktion als die Strafsanktion des § 84 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 GmbHG. Zu bedenken ist allerdings, daß auch die Erstat-

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Rechtsfolge soll es rechtfertigen, die Bestimmung deliktsrechtlich, also gemäß Art. 40 EGBGB, anzuknüpfen. Maßgeblich ist dann der Ort, an dem das Delikt begangen wird und das ist der tatsächliche Sitz der Geschäftsleitung und nicht der formelle Satzungssitz44. Dieser deliktsrechtlichen Qualifikation ist nicht zu folgen45. Zwar steht außer Zweifel, daß § 823 Abs. 2 BGB eine Vorschrift des Deliktsrechts ist und daß insoweit Art. 40 EGBGB Anwendung findet. Aber bei der Frage, ob der Geschäftsführer der Auslandsgesellschaft zur Antragstellung gesetzlich verpflichtet ist, handelt es sich um eine hiervon zu unterscheidende Vorfrage, die internationalprivatrechtlich selbständig anzuknüpfen ist und über die Art. 40 EGBGB nichts aussagt46. Erst wenn feststeht, daß eine Antragspflicht besteht und daß sie verletzt worden ist, ist für die Frage der deliktsrechtlichen Haftung Art. 40 EGBGB maßgeblich47. Von vornherein maßgeblich ist das Deliktsstatut nur, wenn das Verhalten des Geschäftsführers zugleich den Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) oder des Betrugs (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. 263 StGB) erfüllt48. Hier kommt es also gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB in erster Linie auf den Handlungsort an (der im Fall des Betrugs mit dem gemäß § 3 StGB für die Strafbarkeit maßgeblichen Begehungsort identisch ist), und der Handlungsort wird bei im Inland niedergelassenen Gesellschaften wohl stets im Inland liegen. Von irgendwelchen Vorfragen gesellschaftsrechtlicher oder insolvenzrechtlicher Art hängen diese Deliktstatbestände nicht ab, so daß Art. 40 EGBGB unmittelbar zum Zuge kommt. Aber die typischen Insolvenzverschleppungsfälle zeichnen sich dadurch aus, daß es an dem für § 826 BGB und ebenso für § 263 StGB erforderlichen Schädigungsvorsatz fehlt oder daß er zumindest nicht nachweisbar ist. Gerade hieraus erklärt sich die Rechtsprechung des BGH zu § 823 Abs. 2 BGB49. _________

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tungspflicht gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG in der Auslegung durch die Rechtsprechung eine einschneidende Sanktion darstellt, dazu BGHZ 146, 264 278 m. weit. Nachw. und unten III 5 b, S. 341 f. Vgl. dazu auch unten III 5 a, S. 340 f. Überzeugend Ulmer NJW 2004, 1201, 1207 f.; vgl. auch Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt (Fn. 13) S. 427 Fn. 71. Vgl. auch Ulmer aaO. (Fn. 45); Mock/Schildt in Hirte/Bücker (Fn. 2) § 16 Rz. 45, 47. So auch Zimmer NJW 2003, 2385, 2390. Vgl. auch Ulmer NJW 2004, 1201, 1204 u. 1207. Vgl. oben Fn. 1, 39, 41.

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Mit Hilfe des § 826 BGB ist der Fall der „Insolvenzverschleppung“ (im hier gemeinten Sinn) auch dann nicht zu erfassen, wenn man den Begriff des „Vorsatzes“, der Funktion des § 826 BGB entsprechend, weit auffaßt und nicht nur bedingt vorsätzliches, sondern auch „leichtfertiges“ Verhalten mit einbezieht. Es ist nicht leichtfertig und überdies auch sittlich nicht anstößig, ein überschuldetes Unternehmen weiter zu betreiben in der Hoffnung, daß es gelingen wird, die aufgelaufenen Verluste wieder auszugleichen und das Unternehmen in die Gewinnzone zurückzuführen. Dem Einzelkaufmann und der gesetzestypischen Personengesellschaft ist ein solches Verhalten ohne weiteres gestattet; die damit für die Gläubiger verbundenen Gefahren sind „erlaubtes Risiko“. Daß es der GmbH und ihren Geschäftsführern nicht gestattet ist, beruht nicht auf einem sittlichen Gebot, sondern auf einer Anordnung des positiven Rechts, die den besonderen Gefahren Rechnung tragen soll, die die Weiterführung einer überschuldeten GmbH für die Gläubiger mit sich bringt (Näheres dazu im folgenden unter III 1, S. 329 f.), die es andererseits aber auch vermeiden will, die Gesellschaft vorschnell ins Insolvenzverfahren zu treiben. Bei der Insolvenzverschleppungshaftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB handelt es sich also nicht um eine Weiterentwicklung und Konkretisierung der allgemeinen Haftung wegen Vermögensschädigung im Sinn des § 826 BGB mit Bezug auf ein spezifisches Problem des Gesellschaftsrechts (wie das beispielsweise bei der Durchgriffshaftung wegen „Existenzvernichtung“ oder, soweit sie praktisch eine Rolle spielt, wegen „materieller Unterkapitalisierung“ der Fall ist), sondern um eine Haftung wegen Verletzung spezifischer, komplex strukturierter und mit einem hohen Kontrollaufwand verbundener Verhaltensanforderungen, die das deutsche Gesellschaftsrecht zum Schutz der Gläubiger der GmbH aufstellt. Für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen diese Verhaltensgebote auch für die Geschäftsführer von Auslandsgesellschaften gelten, läßt sich dem deutschen Deliktsrecht keine Antwort entnehmen.

4. Zur insolvenzrechtlichen Qualifikation des § 64 GmbHG Das deutsche internationale Insolvenzrecht richtet sich im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (außer Dänemark)50 nach der am 31.5.2002 in Kraft getretenen Europäischen Insol_________ 50 Dänemark hat sich gemäß Art. 1 und 2 des Protokolls über die Position Dänemarks, das dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt ist, an der EuInsVO nicht

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venzverordnung51. Die Insolvenzverordnung regelt in ihrem Anwendungsbereich die internationale Zuständigkeit für die Eröffnung und Durchführung des Insolvenzverfahrens, die Frage, welches Insolvenzrecht anwendbar ist, und die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren. Für maßgeblich wird in Art. 4 Abs. 1 EuInsVO das „Recht des Staats der Verfahrenseröffnung“ (die lex fori concursus) erklärt. Die internationale Zuständigkeit für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO bei den Gerichten des Staats, in dem der Schuldner den „Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen“ hat. Daraus ziehen die Anhänger einer insolvenzrechtlichen Anknüpfung des § 64 GmbHG52 den Schluß, daß anwendbar immer das Insolvenzrecht des Staates sei, in dem der Schuldner den „Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen“ habe53, deutsches Insolvenzrecht also immer dann, wenn die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Deutschland habe. Als Bestandteil des hiernach anwendbaren deutschen Insolvenzrechts wird auch § 64 GmbHG angesehen54. Diese Qualifikation wird damit begründet, daß § 64 GmbHG55 dem Schwerpunkt nach insolvenzrechtliche Zielsetzungen verfolge: nämlich den Zweck, den Geschäftsverkehr vor der Tätigkeit insolventer, namentlich überschuldeter Gesellschaften zu schützen, sofern bei ihnen die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt sei56, und den Zweck, bei derartigen Gesellschaften das Insolvenzverfahren möglichst früh_________

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beteiligt (vgl. Erwägungsgrund 33). Soweit eine dänische Gesellschaft mit beschränkter Haftung sich in Deutschland niederläßt, richten sich die kollisionsrechtlichen Fragen, soweit sie das Insolvenzrecht betreffen, also nicht nach der EuInsVO, sondern nach dem autonomen deutschen internationalen Insolvenzrecht (vgl. §§ 335 ff. InsO), das allerdings dem Recht der EuInsVO weitgehend entspricht. Wenn im folgenden von „Mitgliedstaaten“ die Rede ist, ist Dänemark jeweils stillschweigend ausgeschlossen. Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren. Vgl. dazu die Nachweise in meinem Beitrag über Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz von Auslandsgesellschaften in diesem Band (oben D. S. 131 ff.) S. 160 Fn. 86. Paulus, Hans-Friedrich Müller, Zimmer, Kindler, Borges, Weller, Günter H. Roth, Goette, Eidenmüller, Klein (oben Fn. 16). Kritisch Ulmer NJW 2004, 1201, 1207; Karsten Schmidt ZHR 168 (2004), 493, 497 f., 499. So besonders deutlich Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414 ,416. Dazu besonders eingehend Borges ZIP 2004, 733, 736 ff. Entsprechendes muß dann natürlich auch für sonstige Insolvenzantragspflichten gelten, etwa nach § 92 AktG, §§ 130a, 177a HGB, § 42 Abs. 2 Satz 1 BGB und so fort. Vgl. Borges ZIP 2004, 733, 739.

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zeitig einzuleiten, um die Chancen der Sanierung und einer zumindest partiellen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zu verbessern57. Ergänzend wird darauf hingewiesen, daß Rechtsinstitute des ausländischen Rechts, die der deutschen Insolvenzverschleppungshaftung funktional entsprächen, dort als Bestandteil des Insolvenzrechts konzipiert sind, so die englische Haftung für „wrongful trading“58 und die französische „action en comblement du passif“59. Knüpft man nun § 64 GmbHG nicht insolvenzrechtlich an, sondern am ausländischen Personalstatut, so entsteht in der Tat eine Schutzlücke: Wird (wenn auch mit Verspätung) in Deutschland das Insolvenzverfahren über eine hier niedergelassene Gesellschaft englischen oder französischen Rechts eröffnet, so ist die Haftung wegen „wrongful trading“ oder aufgrund der „action en comblement du passif“ ausgeschlossen, weil gemäß Art. 4 EuInsVO deutsches, und nicht englisches oder französisches Insolvenzrecht anwendbar ist60, während die Haftung aufgrund von § 64 GmbHG, wenn dafür das Personalstatut maßgeblich wäre, daran scheiterte, daß für die Gesellschaft nicht das deutsche, sondern das englische oder französische Gesellschaftsrecht gilt. Mit Art. 4 EuInsVO läßt sich die Anwendung des § 64 GmbHG auf im Inland niedergelassene Auslandsgesellschaften indessen nicht begründen61. Der Fehler dieses Begründungsversuchs liegt in der Behauptung, Art. 4 erkläre das Insolvenzrecht des Staates für anwendbar, in dem der

_________ 57 So Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 416; Zimmer NJW 2003, 3585, 3589. 58 Vgl. dazu Borges ZIP 2004, 733, 739. Der Rechtsbehelf ist geregelt in sec. 214 des Insolvency Act. Näheres dazu bei Habersack/Verse ZHR 168 (2004), 174 ff. Vgl. auch den Beitrag von Fleischer in diesem Band (unter C.), dort II 1 d bb, S. 62 bei Fn. 71 ff. 59 Vgl. dazu Zimmer NJW 2003, 3585, 3590; Borges ZIP 2004, 733, 739. Der Rechtsbehelf ist jetzt geregelt in art. L 624-3 Code com., dazu Habersack/ Verse ZHR 168 (2004), 174, 202 ff. 60 Zu einem „Export“ der ausländischen Geschäftsführerhaftung kann es daher – entgegen der Annahme von Paulus ZIP 2002, 729, 734 – gerade nicht kommen, wenn die Auslandsgesellschaft sich im Inland niederläßt und das Recht des Herkunftsstaats die Haftung insolvenzrechtlich regelt. 61 Überzeugend Ulmer NJW 2004, 1201, 1207 und KTS 2004, 291, 300 f.; vgl. auch Mock/Schildt in Hirte/Bücker (Fn. 2) § 16 Rz. 35; Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt (Fn. 13) S. 425 f.

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Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen habe62. Das ist nicht der Fall. Art. 4 erklärt nicht das Insolvenzrecht des Staates der Hauptniederlassung, sondern das Insolvenzrecht „des Staates der Verfahrenseröffnung“ für maßgeblich, das heißt „das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wird“. Art. 3 Abs. 1 EuInsVO wird zwar in der Regel dazu führen, daß dieser Staat mit dem Staat, in dem die Hauptniederlassung der Gesellschaft sich befindet, identisch ist. Aber notwendig ist das nicht, und für die Anwendbarkeit des Art. 4 ist es ganz gleichgültig, ob es der Fall ist. Art. 4 EuInsVO gilt beispielsweise auch, wenn in einem anderen Staat als dem Staat der Hauptniederlassung, in dem die Gesellschaft eine Zweigniederlassung unterhält, ein Nebeninsolvenzverfahren (Art. 3 Abs. 2, 3 i. V. m. Art. 27 ff. EuInsVO) oder ein „Partikularverfahren“ (Art. 3 Abs. 2, 4 EuInsVO) durchgeführt wird (vgl. dazu auch Art. 28 EuInsVO). Ist dagegen das Hauptinsolvenzverfahren in einem bestimmten Staat gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO eröffnet worden, so gilt für das Insolvenzverfahren das Recht dieses Staates mit europaweiter Wirkung auch dann, wenn der „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ in einem anderen Staat liegt, wenn also das Gericht, das das Verfahren eröffnet, seine Zuständigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO zu Unrecht bejaht hat63. Mehr als den Tatbestand der Verfahrenseröffnung setzt Art. 4 Abs. 1 EuInsVO nicht voraus; auf den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners kommt es, ist das Verfahren einmal in einem _________ 62 So, besonders deutlich, Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 416: „Für das Insolvenzstatut bestimmt Art. 4 EuInsVO hingegen, daß das Recht am Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen, hier das deutsche Recht, maßgeblich ist“. 63 Ganz herrschende Meinung. Vgl. Balz ZIP 1996, 948, 949; Peter Huber ZZP 114 (2001), 133, 144 ff.; Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Europäische Insolvenzverordnung, Wien 2002, Art. 3 Rz. 27 ff.; Moss/Fletcher/ Isaacs, The Regulation on Insolvency Proceedings: A Commentary and Annotated Guide, Oxford 2002, Rz. 8.47 f.; Reinhart in MünchKomm InsO, 2003, Art. 102 EGInsO Anh.: Art. 3 EuInsVO Rz. 3; Ehricke/Ries JuS 2003, 313, 314; Paulus ZIP 2003, 1725, 1726 u. 1727; Herchen ZInsO 2004, 61, 63; Weller IPrax 2004, 412, 416 f.; Mock/Schildt in Hirte/Bücker (Fn. 2) § 16 Rz. 23; Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt (Fn. 13) S. 404 f., 411 f.; AG Köln NZI 2004, 151; AG Düsseldorf NZI 2004, 269; AG Mönchengladbach NZI 2004, 383; Cour d’appel Versailles ZIP 2004, 377.; Landesgericht Innsbruck ZIP 2004, 1721 f.; Tribunale di Parma ZIP 2004, 2295. Die abweichende Entscheidung AG Düsseldorf ZIP 2003 1363 ist vom AG Düsseldorf NZI 2004, 269 durch Einstellung des Verfahrens korrigiert worden. Anderer Ansicht Trunk (Fn. 16) S. 361.

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Mitgliedstaat nach dortigem Recht wirksam eröffnet, nicht mehr an. Das Verfahren ist vielmehr in allen anderen Mitgliedstaaten ohne weiteres als wirksam anzuerkennen (Art. 16 EuInsVO), einschließlich der Wirkung des Art. 4 EuInsVO, und den Gerichten der anderen Mitgliedstaaten steht nicht das Recht zu, zu überprüfen, ob das Gericht, das das Verfahren eröffnet hat, seine Zuständigkeit zu Recht oder zu Unrecht bejaht hat64. Nun greift zwar der Grundsatz der Geltung des Rechts des Staats der Verfahrenseröffnung (die lex fori concursus) nicht erst nach Verfahrenseröffnung, sondern bereits im Eröffnungsstadium ein, wie sich aus Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EuInsVO ergibt. Hiernach regelt das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung, „unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird“. Das heißt: Wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei einem Gericht beantragt ist und dieses seine Zuständigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 oder gemäß Art. 3 Abs. 2, 4 EuInsVO bejaht, dann ist das Insolvenzrecht des Gerichts, bei dem der Antrag gestellt ist und das sich für zuständig hält, auch für die Frage maßgeblich, ob die materiellen Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung gegeben sind (Insolvenzfähigkeit des Schuldners65, Vorliegen eines Eröffnungsgrundes, wie Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, Nichtvorliegen von Hinderungsgründen wie insbeson_________ 64 Das wird klargestellt durch Erwägungsgrund 22 zur EuInsVO: „… Die Anerkennung der Entscheidungen der Gerichte der Mitgliedstaaten sollte sich auf den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens stützen … Nach diesem Grundsatz sollte auch der Konflikt gelöst werden, wenn sich die Gerichte zweiter Staaten für zuständig halten, ein Hauptinsolvenzverfahren zu eröffnen. Die Entscheidung des zuerst eröffnenden Gerichts sollte in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden; diese sollten die Entscheidung diese Gerichts keiner Überprüfung unterziehen dürfen“. Der deutsche Gesetzgeber hat sich diesen Standpunkt zu eigen gemacht. Gemäß Art. 102 § 3 Abs. 1 und § 4 EGInsO (i. d. F. des Gesetzes zur Neuregelung des internationalen Insolvenzrechts vom 14.3.2003 BGBl. I, 345) ist, sobald in einem anderen Mitgliedstaat ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet ist, ein vor einem inländischen Gericht gestellter Antrag auf Eröffnung eines weiteren Hauptinsolvenzverfahrens unzulässig; ein im Widerspruch hierzu eröffnetes zweites Hauptinsolvenzverfahren darf nicht weitergeführt werden und muß, nach Anhörung der Beteiligten, von Amts wegen eingestellt werden. Ein Vorbehalt zugunsten des deutschen ordre public (der nach Art. 26 EuInsVO an sich zulässig wäre) ist hier übrigens nicht vorgesehen (anders als bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einem Drittstaat, vgl. dazu § 343 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO). 65 Dies wird zusätzlich klargestellt durch Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EuInsVO.

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dere das Fehlen einer die Kosten deckenden Masse)66. Es ist aber evident, daß die Pflicht der Geschäftsführer, bei Vorliegen von Insolvenzgründen ihrerseits einen Insolvenzantrag zu stellen, hiervon überhaupt nicht erfaßt wird; sie ist nicht Regelungsgegenstand dieser Bestimmung67. Auch in dem Beispielkatalog des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a–m, in dem einzelne Materien als zum Insolvenzrecht im Sinn des Art. 4 Abs. 1 gehörig aufgezählt sind, kommt die Insolvenzantragspflicht nicht vor. Es ist auch leicht einzusehen, warum das so ist. Die Regel, daß für das Insolvenzverfahren die lex fori concursus maßgeblich ist, hat denknotwendig zur Voraussetzung, daß es ein forum concursus, ein mit der Sache befaßtes Insolvenzgericht, überhaupt gibt. Solange kein Insolvenzverfahren bei einem bestimmten Insolvenzgericht beantragt oder von einem bestimmten Insolvenzgericht eröffnet ist, geht die Verweisung auf das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung ins Leere. Mehr noch als das: Die Anwendbarkeit der EuInsVO im Ganzen hängt davon ab, daß bei einem Gericht eines Mitgliedstaats ein Insolvenzverfahren anhängig ist – sei es, daß es bereits eröffnet, sei es, daß es beantragt ist –, und daß der Sachverhalt Auslandsberührung zu einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufweist68. Die Insolvenzantragspflicht des § 64 GmbHG setzt aber gerade voraus, daß ein Insolvenzantrag noch nicht gestellt ist – sie fällt also mit logischer Notwendigkeit aus dem Anwendungsbereich der EuInsVO heraus. Hiergegen kann man nicht einwenden, daß das Insolvenzrecht auch Tatbestände erfassen kann, die der Verfahrenseröffnung, und auch dem Eröffnungsantrag, zeitlich vorangehen, wie insbesondere die Tatbestände der Insolvenzanfechtung zeigen, die Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. m EuInsVO ausdrücklich dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung unterstellt. Denn die Insolvenzanfechtung ist ein Doppeltatbestand: sie setzt nicht nur voraus, daß eine nach irgendeinem Insolvenzrecht an_________ 66 Vgl. dazu Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 415 f.; Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt (Fn. 13) S. 407 f. 67 Zutreffend Ulmer NJW 2004, 1201, 1207. 68 Vgl. dazu Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt (Fn. 13) S. 401 ff. In Mitgliedstaaten der Union, in denen ein Insolvenzverfahren, auch ohne förmlichen Antrag, von Amts wegen eröffnet werden kann (wie in Frankreich), hat die Maßgeblichkeit der lex fori concursus im Sinn des Art. 4 EuInsVO zwar nicht die Antragstellung, wohl aber die amtliche Befassung des Insolvenzgerichts mit dem Fall zur denknotwendigen Voraussetzung.

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fechtbare Rechtshandlung vorliegt, sondern außerdem, daß ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestimmt zugleich, nach welchem Insolvenzrecht die Anfechtbarkeit der betreffenden, vor Verfahrenseröffnung vorgenommenen Rechtshandlung zu beurteilen ist (nämlich nach dem Recht des Staates, in dem das Verfahren später eröffnet worden ist, nicht dagegen des Staates, in dem der spätere Insolvenzschuldner zur Zeit der Vornahme der später angefochtenen Rechtshandlung den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat). Insofern hat die Verfahrenseröffnung eine gewisse Rückwirkung, sowohl in kollisionsrechtlicher Hinsicht, weil sie nachträglich über das auf die Rechtshandlung anwendbare Recht entscheidet, als auch in materieller Hinsicht, weil sie eine ursprünglich wirksame Rechtshandlung nachträglich für anfechtbar erklärt69. § 64 GmbHG und die damit verbundenen Sanktionen hängen dagegen überhaupt nicht davon ab, daß es tatsächlich zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kommt, sondern sie greifen sofort ein, sobald der Tatbestand der Über_________ 69 Eine ähnliche Rückwirkung wäre zu konstatieren, wenn man die in der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 149, 10; 150, 61; 151, 181) entwickelte „Existenzvernichtungshaftung“ insolvenzrechtlich qualifiziert; so vor allem Weller (Fn. 2) S. 247 ff.; vgl. dazu auch den Beitrag von Fleischer in diesem Band (oben C.), dort unter III 3 b), S. 86. Um kein Mißverständnis entstehen zu lassen: Meines Erachtens ist die insolvenzrechtliche Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung zwar eine mögliche, aber nicht die richtige Lösung des Qualifikationsproblems. Wie oben bereits angedeutet (II 3, S. 320), ist die Existenzvernichtungshaftung (ebenso wie eine etwaige Haftung wegen „materieller Unterkapitalisierung“ oder wegen „Vermögensvermischung“) vielmehr (und zwar ausschließlich) deliktsrechtlich zu qualifizieren (Art. 40 EGBGB analog) in Analogie zur Haftung wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung, deren funktionale Ergänzung sie bildet (dazu grundlegend Gerhard Wagner in Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2004, § 826 Rz. 101; zum zugrundeliegenden Gesamtkonzept der Haftung gemäß § 826 BGB vgl. ebd. Rz. 1–29). Dabei ist zu bedenken, daß für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Kollisionsnorm des Art. 40 EGBGB die Kategorien und Systembegriffe des inländischen Sachrechts nicht ohne weiteres maßgeblich sein müssen; auf die dogmatischen Konstruktionsfragen der Durchgriffshaftung kann es also hier nicht entscheidend ankommen. Anders Fleischer unter III 3 a), S. 81 (für ausschließlich gesellschaftsrechtliche Qualifikation). Praktisch wird das Problem sich vielleicht dadurch erledigen, daß die Rechtsprechung bei Auslandsgesellschaften im kritischen Fall unmittelbar auf § 826 BGB (i. V. m. Art. 40 EGBGB) zurückgreifen wird, der hierfür genügend Interpretationsspielraum bietet (was übrigens auch die europarechtliche Rechtfertigung erleichtern würde, und zwar unter dem Gesichtspunkt von „Betrug und Mißbrauch“, dazu unten Fn. 129).

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schuldung oder der Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Infolgedessen müssen zu diesem Zeitpunkt auch die kollisionsrechtlichen Voraussetzungen dafür vorliegen, daß deutsches Recht anwendbar ist. Es bleibt somit dabei, daß die Insolvenzantragspflicht von der Kollisionsnorm des Art. 4 EuInsVO ihrem Tatbestand nach nicht erfaßt wird. Dafür ist es gleichgültig, ob man § 64 GmbHG als „Gesellschaftsrecht“ oder als „Insolvenzrecht“ oder als was sonst immer ansieht. Es würde auch gar nichts ändern, wenn der Gesetzgeber die Bestimmung aus dem GmbH-Gesetz in die Insolvenzordnung verpflanzen würde: sie wäre dann vielleicht ein Teil des deutschen Insolvenzrechts, aber ein solcher, der von Art. 4 EuInsVO nicht erfaßt wird. In Wirklichkeit wenden die Befürworter der „insolvenzrechtlichen“ Rechtsnatur des § 64 GmbHG den Art. 4 EuInsVO auch gar nicht an, sondern sie nehmen eine verdeckte Sonderanknüpfung vor70. Für diese Sonderanknüpfung entwickeln sie, ohne es ausdrücklich zu sagen, eine eigenständige Kollisionsnorm des Inhalts, daß die Insolvenzantragspflicht sich nach dem Recht des Staates richten soll, in dem der Schuldner gegenwärtig den „Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen“ hat, also nach dem Recht des Staates, dessen Gerichte für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO international zuständig wären, wenn ein Insolvenzantrag gestellt würde. Diese Sonderanknüpfung wird begründet mit dem Sinn und Zweck des § 64 GmbHG71 und mit der engen Verbindung zwischen der Insolvenzantragspflicht und dem sonstigen Insolvenzrecht des Staates der Hauptniederlassung, die durch Art. 4 EuInsVO hergestellt wird, wenn es später tatsächlich zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens in diesem Staat kommt72. Nur in diesem Sinn ist der Hinweis auf Art. 3 und Art. 4 EuInsVO zu verstehen, nicht dagegen in dem Sinn, daß es sich bei der Insolvenzantragspflicht um einen in Art. 4 EuInsVO geregelten Gegenstand handelt. Im folgenden ist deshalb zu untersuchen, ob eine solche Sonderanknüpfung kollisionsrechtlich zu rechtfertigen ist, wobei es sich, eben weil der Fall vom Anwendungsbereich des Art. 4 EuInsVO _________ 70 Vgl. dazu auch Ulrich Huber in Festschrift Gerhardt (Fn. 13) S. 426 f. 71 Vgl. oben Fn. 56, 57. 72 Dabei wird besonders betont, daß die Insolvenzantragspflicht und die Insolvenzeröffnungsgründe, die zweifellos von Art. 4 EuInsVO erfaßt werden, sich nach demselben Recht richten sollten, vgl. Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 416; Borges ZIP 2004, 733, 739. Insbesondere ist der zentrale Rechtsbegriff der „Überschuldung“ in beiden Fällen derselbe (§ 19 Abs. 2 InsO).

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nicht erfaßt wird, um eine Frage des autonomen deutschen Kollisionsrechts handelt (dazu unten III, S. 328 ff.), und ob sie unter dem Gesichtspunkt der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit als zulässig erscheint (dazu unten IV, S. 344 ff.).

III. Kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung des § 64 GmbHG 1. Ratio legis der Insolvenzantragspflicht Den praktischen Schwerpunkt des § 64 GmbHG bildet die Pflicht, im Fall der Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen. Es handelt sich dabei um ein allgemeines Prinzip des deutschen Rechts, das immer dann eingreift, wenn der Schuldner nur über einen beschränkten Haftungsfonds verfügt. Das Prinzip läßt sich zurückverfolgen bis ins Aktienrecht des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs von 1861 (Art. 240 Abs. 3 ADHGB, jetzt § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG)73. In der Folgezeit hat der Gesetzgeber das Prinzip auf alle Gesellschaften und alle sonstigen juristischen Personen erstreckt, bei denen die Haftung gegenüber den Gläubigern auf das Gesellschaftsvermögen oder das Vermögen der juristischen Person beschränkt ist: auf die GmbH (§ 64 Abs. 1 Satz 2 GmbHG), den Verein (§ 42 Abs. 2 Satz 1 BGB), die Stiftung (§ 86 Satz 1 i. V. m. § 42 Abs. 2 Satz 1 BGB), auf die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, soweit sie insolvenzfähig sind (§ 89 Abs. 2 i. V. m. § 42 Abs. 2 Satz 1 BGB), mit gewissen Modifikationen auf die Genossenschaft74 und den Versicherungsverein auf Gegenseitig_________ 73 Art. 240 Abs. 3 ADHGB: „Ergibt sich, daß das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden deckt, so muß der Vorstand hiervon dem Gericht behufs der Eröffnung des Konkurses Anzeige machen“. Auch § 42 Abs. 2 BGB hatte ursprünglich eine Konkursantragspflicht nur für den Fall der Überschuldung vorgesehen (dazu Motive I S. 104: eine Antragspflicht im Fall der Zahlungsunfähigkeit sei überflüssig); das ist erst durch das EG zur InsO vom 5.10.1994 mit Wirkung ab 1.1.1999 geändert worden. Dagegen enthielt § 64 des GmbHG von 1892 von Anfang an die Antragspflicht sowohl bei Überschuldung als auch bei Zahlungsunfähigkeit. 74 Die Modifikation bei den Genossenschaften betrifft den Fall, daß Nachschußpflichten der Genossen offenstehen. In diesem Fall ist der Vorstand erst dann verpflichtet, Insolvenzantrag zu stellen, wenn die Schulden das Vermögen, zuzüglich ein Viertel des Gesamtbetrags der noch offenen Nachschußpflichten, übersteigen, § 99 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 98 Nr. 1 GenG.

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keit75, und schließlich, seit dem Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität von 1976, auf die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft, sofern unbeschränkt persönlich haftende Gesellschafter ausschließlich Gesellschaften oder juristische Personen sind, bei denen die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen bzw. das Vermögen der juristischen Person beschränkt ist (§§ 130a, 177a HGB). Für alle diese Gesellschaften und juristischen Personen mit beschränktem Haftungsfonds gilt die Regel76: Tritt Überschuldung ein, so sind die Mitglieder des gesetzlichen Vertretungsorgans verpflichtet, Insolvenzantrag (früher: Konkursantrag oder zumindest Vergleichsantrag) zu stellen. Mit der Rechtsform der Gesellschaft oder der sonstigen juristischen Person hat das Prinzip nichts zu tun, sondern nur mit dem Umstand, daß es sich um eine Gesellschaft oder juristische Person handelt, für deren Schulden keine natürliche Person unbeschränkt haftet (bei den insolvenzfähigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist entscheidend, daß keine unbedingte Einstandspflicht der öffentlichen Hand für die Schulden der juristischen Person besteht). Der Grund liegt in folgendem: Wenn ein Unternehmen überschuldet ist, für das eine natürliche Person unbeschränkt haftet (sei es als Einzelkaufmann, sei es als Gesellschafter einer OHG oder Komplementär einer KG), so wirkt diese Haftung sich praktisch als eine unbegrenzte Nachschußpflicht aus, für die die natürliche Person ihr gesamtes gegenwärtiges und künftiges Vermögen einzusetzen hat. Im Fall der Überschuldung bietet das zugleich einen Anreiz, das Unternehmen zu liqui_________ 75 Hier gilt, wie für alle Versicherungsunternehmen im Sinn des § 1 VAG (also auch für Versicherungsaktiengesellschaften), die Sonderbestimmung des § 88 VAG: die Überschuldung ist von den zuständigen Organen des Versicherungsunternehmens der Aufsichtsbehörde zu melden, und nur diese ist berechtigt, Insolvenzantrag zu stellen. Das gibt der Aufsichtsbehörde Gelegenheit, zunächst in eigener Regie eine außergerichtliche Sanierung zu versuchen. 76 Den einzigen Fall, in dem eine Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung trotz Bestehens einer unbeschränkten persönlichen Haftung angeordnet ist, bildet die KGaA: hier müssen die persönlich haftenden Gesellschafter, infolge der Verweisung des § 283 Nr. 14 auf § 92 Abs. 2 AktG, im Fall der Überschuldung auch dann Insolvenzantrag stellen, wenn es sich bei ihnen um natürliche Personen handelt (vgl. dazu den Herstatt-Fall BGHZ 75, 96, 105 ff.). – Dagegen erklärt die Pflicht des Erben, im Fall der Überschuldung des Nachlasses das Nachlaßinsolvenzverfahren zu beantragen (§ 1980 BGB), sich daraus, daß die Nachlaßinsolvenz gemäß § 1975 BGB zur beschränkten Erbenhaftung führt. Auch hier steht also den Gläubigern nur ein beschränkter Haftungsfonds zur Verfügung.

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dieren, wenn die Weiterführung des Unternehmens und der damit möglicherweise verbundene weitere Anstieg der Schulden als zu riskant erscheinen. Haftet keine natürliche Person unbeschränkt, so stellt sich im Fall der Überschuldung die Lage wie folgt dar: Wird das Unternehmen sofort liquidiert, ist das darin investierte Vermögen verloren, denn es reicht nicht aus, die Schulden zu decken. Das schafft einen Anreiz, das Unternehmen weiterzuführen. Ist die Weiterführung erfolgreich, so ist die Investition gerettet. Ist sie erfolglos, so bleibt es dabei, daß die Investition verloren ist; für die Investoren verwirklicht sich kein zusätzliches Risiko. Führt die Fortsetzung der Tätigkeit des Unternehmens dazu, daß zwischen dem erstmaligen Eintritt der Überschuldung und dem endgültigen Zusammenbruch des Unternehmens der Schuldenstand sich erhöht, so tragen dieses Risiko nur die Gläubiger: die bei Eintritt der Überschuldung vorhandenen Altgläubiger, indem ihre Quote sich verschlechtert, die danach hinzugekommenen Neugläubiger, die dem überschuldeten Unternehmen, z. B. durch Darlehensgewährung oder Erbringung von Vorleistungen, Kredit gewährt haben, indem sie mit diesem Kredit ausfallen. Die Weiterführung des Unternehmens nach Eintritt der Überschuldung erfolgt also einseitig zugunsten der Investoren (wenn sie Erfolg hat) und zu Lasten der Gläubiger, die das Risiko des Mißerfolgs tragen. Das schafft einen Anreiz für die Investoren und für die von ihnen eingesetzten Geschäftsleiter, das Unternehmen auch bei noch so geringen Erfolgschancen weiterzuführen77. Um diesen Anreiz auszuschalten, erklärt das Gesetz die Überschuldung bei Gesellschaften und sonstigen juristischen Personen mit beschränktem Haftungsfonds zum Eröffnungsgrund des Insolvenzverfahrens (§ 19 InsO), früher des Konkursverfahrens (§§ 207, 213 KO, 63 GmbHG) und ordnet zugleich die Antragspflicht der verantwortlichen Geschäftsleiter an. Nach heutiger Rechtslage ist die Insolvenzantragspflicht im Fall der Überschuldung stets mit einer davon unabhängigen Antragspflicht im Fall der Zahlungsunfähigkeit verbunden78. Der Grund liegt darin, daß die Weiterführung der Geschäfte einer zahlungsunfähigen Gesellschaft für die Gläubiger mit besonderen Gefahren verbunden ist, während für Investoren, die keine über das Unternehmensvermögen hinausgehende Haftung trifft, kein besonderer Anreiz besteht, das Verfahren einzuleiten, weil sie in einem solchen Verfahren das Unternehmensvermögen _________ 77 Vgl. auch Goette in Festschrift Kreft (Fn. 13) S. 55. 78 Historisch am Anfang steht die Antragspflicht im Fall der Überschuldung; vgl. oben Fn. 73.

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ohnehin verloren geben müssen und dieser Verlust sich durch die Weiterführung des Unternehmens nicht erhöht. Die Gefahr für die Gläubiger besteht einerseits darin, daß nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit noch Vermögen beiseite geschafft wird oder bestimmte bevorzugte Gläubiger befriedigt werden, ohne daß sich dies durch spätere Insolvenzanfechtung wieder rückgängig machen läßt. Und sie besteht andererseits darin, daß Gläubiger der Gesellschaft in Unkenntnis ihres Zustands noch Kredit gewähren, obwohl sie objektiv gesehen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit kaum Aussicht auf Befriedigung ihrer Forderungen haben. Deshalb soll bei Zahlungsunfähigkeit das Verfahren sofort eingeleitet werden. Die praktische Bedeutung der Antragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit ist allerdings geringer als bei Überschuldung, weil es schwieriger ist, ein zahlungsunfähiges Unternehmen fortzuführen als ein überschuldetes Unternehmen. Denn die Zahlungsunfähigkeit läßt sich vor den Gläubigern nur schwer verbergen, und die Fortführung eines Unternehmens ist auf liquide Mittel angewiesen. Bei der Antragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit geht es deshalb eher darum, kurzfristige Verzögerungen der Antragstellung zu verhindern.

2. Internationale Regelungsziele und Regelungsinteressen des deutschen Rechts Der internationale Anwendungsbereich der Regel über die Antragspflicht bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit ergab sich ursprünglich aus der „Sitztheorie“79. Die Sitztheorie stellte sicher, daß die Regel alle Gesellschaften und sonstigen juristischen Personen erfaßte, die ihren Tätigkeits- und Interessenschwerpunkt im Inland hatten. In diesen Fällen bestand aber stets – und besteht auch noch heute – eine internationale Zuständigkeit der inländischen Gerichte für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, und zwar eines „Hauptinsolvenzverfahrens“ mit Anspruch auf universale Wirkung. Diese Zuständigkeit ergibt sich heute im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (außer Dänemark) aus Art. 3 Abs. 1 EuInsVO, im Verhältnis zu allen anderen Staaten aus einer analogen Anwendung von § 3 InsO in Verbindung mit § 343 InsO80. Nach der Sitztheorie fielen _________ 79 Dazu oben Fn. 24. 80 I. d. F. des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts vom 14.3.2003 BGBl. I, 345. In Fällen, in denen gemäß § 3 InsO (analog) die inländische Eröffnungszuständigkeit gegeben ist, werden gemäß § 343 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO im Ausland eröffnete Verfahren im Inland nicht anerkannt.

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also das Personalstatut der Gesellschaft und die Eröffnungszuständigkeit stets zusammen; die Frage, ob die Pflicht zur Antragstellung „gesellschaftsrechtlich“ oder „insolvenzrechtlich“ anzuknüpfen war, stellte sich nicht. Im praktischen Ergebnis hatte das zur Folge, daß es sich bei den Bestimmungen über die Insolvenzantragspflicht, soweit Gesellschaften und sonstige juristische Personen mit Tätigkeits- und Interessenschwerpunkt im Inland betroffen waren, um international zwingende Bestimmungen des deutschen Rechts handelte. Bei Gesellschaften, die ihren Tätigkeits- und Interessenschwerpunkt im Ausland haben, waren die Regeln des deutschen Rechts nach der Sitztheorie unanwendbar. Damit stimmte überein, daß es für solche Gesellschaften im Inland auch keine Eröffnungszuständigkeit für ein inländisches Hauptinsolvenzverfahren gibt. Die Tatsache allein, daß Gesellschaften mit Sitz im Ausland im Inland Geschäfte abschließen können und daß deshalb Gläubiger, die im Inland ihren Wohnsitz oder Aufenthalt oder ihre gewerbliche oder berufliche Niederlassung haben, durch Weiterführung der Geschäfte einer überschuldeten ausländischen Gesellschaft gefährdet werden können, hat den deutschen Gesetzgeber nie dazu veranlaßt, die Insolvenzantragspflicht auf Gesellschaften mit Sitz im Ausland zu erstrecken. Insoweit hat der deutsche Gesetzgeber keine Regelungszuständigkeit in Anspruch genommen. Vielmehr blieb die Vorsorge dem ausländischen Gesellschafts- und Insolvenzrecht überlassen. Dafür sprachen (und sprechen) nicht nur Gründe der Praktikabilität, sondern auch die Erwägung, daß die Gefährdung inländischer Gläubiger durch Unternehmen mit Hauptsitz im Inland (einschließlich der inländischen Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen) sehr viel intensiver ist als die Gefährdung durch Unternehmen mit Sitz im Ausland.

3. Folgerungen für den internationalen Anwendungsbereich der Regeln über die Insolvenzantragspflicht Vom Regelungsziel der Vorschriften über die Insolvenzantragspflicht sind also alle Gesellschaften und sonstige juristische Personen mit beschränktem Haftungsfonds erfaßt, die im Inland ihren tatsächlichen Sitz haben und für die daher eine inländische Zuständigkeit für die Eröffnung und Durchführung des Insolvenzverfahrens besteht, nicht dagegen Gesellschaften und sonstige juristische Personen, die ihren Tätigkeitsschwerpunkt im Ausland haben. An diesem Regelungsziel hat sich dadurch, daß die europarechtliche Niederlassungsfreiheit es nach aus332

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ländischem Recht gegründeten Gesellschaften ermöglicht, ihren Tätigkeitsschwerpunkt ins Inland zu verlegen, nichts geändert. Es stellt sich nur eine neue kollisionsrechtliche Frage: nämlich die Frage, ob für die Anwendung der Vorschriften über die Insolvenzantragspflicht das Personalstatut der Gesellschaft oder die inländische Zuständigkeit für die Eröffnung und Durchführung des Insolvenzverfahrens maßgeblich sein soll. Läßt man insoweit die Möglichkeit der Doppelanknüpfung außer Betracht, sondern trifft man eine eindeutige Entscheidung, so fällt die Antwort nicht schwer. Nach dem Regelungsziel der Bestimmungen über die Antragspflicht muß an dem Ort angeknüpft werden, wo die durch die Weiterführung des überschuldeten Unternehmens gefährdeten Gläubigerinteressen ihren Schwerpunkt haben. Das aber ist der Ort, an dem der Schuldner den „Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen“ hat und an dem das Insolvenzverfahren durchzuführen ist. Letzten Endes sind es dieselben Gründe, die die inländische Zuständigkeit für die Durchführung des Hauptinsolvenzverfahrens rechtfertigen, die auch die Anwendung der inländischen Regeln über die Insolvenzantragspflicht rechtfertigen. Jedenfalls erscheint, wenn Insolvenzstatut und Gesellschaftsstatut auseinanderfallen, die Verbindung zum Insolvenzstatut wesentlich enger als die Verbindung zum Gesellschaftsstatut, mit dem die Antragspflichten wenig zu tun haben. Für die Sonderanknüpfung spricht also der Sachzusammenhang der Insolvenzantragspflicht mit dem Insolvenzverfahren im Ganzen und der Umstand, daß der Ort des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen, wie für die Eröffnungszuständigkeit und das anwendbare Insolvenzrecht, so auch für die Insolvenzantragspflichten der nach den beteiligten sachrechtlichen Regelungsinteressen am besten passende Anknüpfungspunkt ist. Von der dogamatisch-begrifflichen Frage, ob § 64 GmbHG als „gesellschaftsrechtliche“ oder „insolvenzrechtliche“ Norm aufzufassen ist, darf man die Anknüpfung hier nicht abhängig machen; es geht vielmehr darum, den interessegerechten, sachentsprechenden Anknüpfungspunkt zu finden. Das heißt: Auch wenn man § 64 GmbHG als „gesellschaftsrechtliche“ Norm qualifiziert, muß man mit Vorrang beachten, daß es sich, wie auch bisher, nach der Intention des Gesetzes um eine international zwingende Norm handelt, die auf alle Gesellschaften anwendbar ist, bei denen eine inländische Zuständigkeit für die Durchführung des Hauptinsolvenzverfahrens besteht, unabhängig vom Personalstatut der Gesellschaft. Das Gesagte bestätigt sich, wenn man sich den Fall vorstellt, daß eine nach deutschem Recht gegründete GmbH den „Mittelpunkt ihrer Ulrich Huber

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hauptsächlichen Interessen“, und damit zugleich ihren tatsächlichen Verwaltungssitz im Sinn der „Sitztheorie“, ins Ausland verlegt. Jedenfalls für den Fall, daß es sich dabei um einen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft handelt, spricht alles dafür, die Sitztheorie auch insoweit aufzugeben und den Wegzug ohne Wenn und Aber zuzulassen81 – unabhängig davon, ob dies unter dem europarechtlichen Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit geboten ist, wofür allerdings ebenfalls gute Gründe sprechen82. Ist auf diese Weise eine GmbH deutschen Rechts beispielsweise in Dublin oder Krakau tätig, während sie ihre Tätigkeit in Deutschland aufgegeben hat, dann ist die deutsche Rechtsordnung wenig daran interessiert, ob die Gesellschaft im Fall der Überschuldung Insolvenzantrag stellen muß. Das kann ebensogut der Entscheidung des irischen oder polnischen Gesetzgebers überlassen werden, wie im Fall einer in Irland oder Polen tätigen Gesellschaft mit irischem oder polnischem Personalstatut. Im Ergebnis bedeutet das: Die Regeln des deutschen Rechts über die Insolvenzantragspflicht sind, nach deutschem internationalen Privatrecht, an dem Ort anzuknüpfen, an dem die Gesellschaft den „Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen“ im Sinn des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO hat und an dem daher, wenn der Antrag gestellt wird, das Hauptinsolvenzverfahren durchzuführen ist. Ausländische Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die ihre Hauptniederlassung im Inland haben, und ihre Geschäftsführer unterliegen daher der Insolvenzantragspflicht des § 64 GmbHG.

4. Einzelfragen a) Analoge Anwendung des § 64 GmbHG Daß es sich bei der Anwendung des § 64 GmbHG auf Auslandsgesellschaften mit inländischer Hauptniederlassung nur um eine analoge Anwendung handeln kann, da diese Gesellschaften nicht unmittelbar Regelungsgegenstand des GmbH-Gesetzes sind, wurde bereits gesagt83. Es ist ein allgemeiner Grundsatz des geltenden Rechts, daß alle Gesell_________ 81 Vgl. dazu Lutter/Hommelhoff (Fn. 2) Einleitung Rz. 37 sowie Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff § 4a Rz. 20 f. Anderer Ansicht, aber nicht überzeugend Weller (Fn. 2) S. 79 ff. 82 Vgl. den Beitrag von Wulf-Henning Roth in diesem Band S. 379. 83 Dazu oben I mit Fn. 3.

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schaften und sonstigen juristischen Personen mit beschränktem Haftungsfonds im Fall der Überschuldung der Insolvenzantragspflicht unterliegen, ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform. Die Lückenlosigkeit dieses Konzepts wurde bisher durch die internationalprivatrechtliche Sitztheorie gesichert. Die partielle Aufgabe der Sitztheorie hat insoweit zu einer Lücke geführt, die im Weg der Analogie zu schließen ist.

b) Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen und Verwaltungssitz Von wesentlicher Bedeutung für die Sonderanknüpfung des § 64 GmbHG ist es, die Insolvenzantragspflicht und die Zuständigkeit für die Eröffnung und Durchführung des Insolvenzverfahrens zusammenzuhalten. Für Auslandsgesellschaften aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bedeutet das, daß sie der Pflicht aus § 64 GmbHG immer dann unterliegen, wenn sie im Inland den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen im Sinn des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO haben84. Praktisch wird der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen mit dem tatsächlichen Verwaltungssitz der Gesellschaft im Sinn der früher herrschenden „Sitztheorie“85 meistens identisch sein86. In Grenzfällen können sich Abweichungen ergeben, weil die Regelungsziele des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO und der Sitztheorie sich zwar überschneiden, aber nicht decken. Führt ein in Vaduz niedergelassener Rechtsanwalt als Verwaltungsrat formell die Geschäfte der von einem deutschen Investor errichteten Anstalt des liechtensteinischen Rechts, deren ausschließlicher Zweck darin besteht, wertvollen Grundbesitz in Südfrankreich _________ 84 Im Ergebnis ebenso Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 416; Borges ZIP 2004, 733, 636 f. 85 Den Altmeppen und Ulmer für maßgeblich halten, oben Fn. 14. 86 Vgl. auch Peter Huber ZZP 114 (2001), 133, 141; Borges ZIP 2004, 733, 737 („Synonym“); Eidenmüller (Fn. 2) § 9 Rz. 11. Zum Begriff des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ eingehend Bruno M. Kübler in Festschrift Gerhardt, 2004, S. 527 ff. Kübler weist zu Recht darauf hin, daß als Mittelpunkt der Interessen nur ein Ort in Betracht kommen kann, der zumindest generell für die Geschäftspartner der Gesellschaft als solcher erkennbar ist. Sonst hat es gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 EuInsVO beim Satzungssitz, als dem mutmaßlichen Interessenmittelpunkt, sein Bewenden. Im gleichen Sinn auch Eidenmüller NJW 2004, 3455, 3456 f. Bei der typischen „Scheinauslandsgesellschaft“ ist die Erkennbarkeit des inländischen Interessenschwerpunkts indessen unproblematisch; es handelt sich um einen evidenten Fall.

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für den Gründer zu halten und zu verwalten87, so mag die Vaduzer Niederlassung des Anwalts genügen, um dort einen Verwaltungssitz im Sinn der Sitztheorie anzunehmen; als Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Anstalt könnte man aber doch eher den französischen Lageort des Grundstücks ansehen88. Solche Abweichungen in Grenzfällen sind hinzunehmen.

c) Inländische Konzerntöchter ausländischer Muttergesellschaften In der Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 1 EuInsVO ist mehrfach entschieden worden, daß dann, wenn Mutter- und Tochtergesellschaft in verschiedenen Staaten tätig sind und die Muttergesellschaft die Tochtergesellschaft, ähnlich einer unselbständigen Zweigniederlassung, einheitlich leitet, der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Tochtergesellschaft nicht am Ort ihrer eigenen Geschäftsführung, sondern am Ort der Geschäftsführung der Muttergesellschaft liegt89. Sollte das richtig sein, so hätte es zur Konsequenz, daß inländische Tochtergesell_________ 87 Tatbestand nach BGHZ 118, 151. 88 Oder auch die deutsche Hauptniederlassung des die Anstalt beherrschenden Gründers – wenn man der Ansicht folgt, daß abhängige Unternehmen den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen am Sitz des herrschenden Unternehmens haben, dazu im folgenden Text. 89 Vgl. High Court of Justice Lees ZIP 2004, 963 = NZI 2004, 219 (ISA I: Eröffnung des Konkurses über die deutsche Tochtergesellschaft am Sitz der englischen Muttergesellschaft); AG München ZIP 2004, 962 (Hettlage: Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die österreichische Tochtergesellschaft am Sitz der deutschen Muttergesellschaft). Weitere Hinweise auf die englische Praxis bei Liersch NZI 2004, 141. Ebenso die NZI 2004, 505 ff. referierte Entscheidung des Insolvenzgerichts in Parma im Parmalat-Fall (Tribunale di Parma ZIP 2004, 1220 ff.; ebenso auch Tribunale di Parma ZIP 2004, 2295 ff.). Anderer Ansicht (maßgeblich sei der Ort, an dem die Tochtergesellschaft ihre eigene werbende Tätigkeit entfalte) AG Mönchengladbach NZI 2004, 383, 384 = ZIP 2004, 1066 (EMBIC), sowie High Court of Dublin ZIP 2004, 1223 ff. (EurofoodParmalat: der Sitz der Konzernspitze sei unmaßgeblich; der Fall war möglicherweise insofern atypisch, als es sich bei der Tochtergesellschaft offenbar um eine reine „Briefkastengesellschaft“ handelte). Der Supreme Court of Ireland hat im Parmalat-Fall die Frage inzwischen dem EuGH gemäß Art. 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt, vgl. NZI 2004, 505 ff. (mit einer deutlichen Tendenz, die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts am Verwaltungssitz der Tochtergesellschaft für die Durchführung des Hauptinsolvenzverfahrens zu bejahen). Näheres zu den zitierten Entscheidungen bei Kübler (Fn. 86) S. 541 ff.

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schaften ausländischer Muttergesellschaften, zumindest im Fall hinreichend straffer Konzernführung, den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen nicht im Inland hätten, sondern im Ausland (die Adam Opel AG als Tochtergesellschaft von General Motors also nicht in Rüsselsheim, sondern in Detroit, vielleicht aber auch in Zürich als dem Sitz der Zentrale für das europäische Konzerngeschäft). § 64 GmbHG wäre also im Fall der Überschuldung der inländischen Konzerntochtergesellschaft unanwendbar, gleichgültig, ob es sich dabei um eine „Auslandsgesellschaft“ handelt oder um eine nach deutschem Recht gegründete GmbH. Gegen die Ansicht, eine konzernabhängige Gesellschaft habe den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen am Sitz der Geschäftsleitung der Konzernobergesellschaft, sprechen auf der Hand liegende Bedenken90. Es geht nicht um den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Konzernobergesellschaft, sondern der Konzerntochtergesellschaft als einer selbständigen juristischen Person mit einem eigenen, beschränkten Haftungsfonds. Dort, wo dieser Haftungsfonds sich der Hauptsache nach befindet, wo er verwaltet wird und wo für ihn Geschäfte abgeschlossen werden, ist der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Gesellschaft und zugleich der Fokus der Gläubigerinteressen. Mit dem Fall einer unselbständigen inländischen Zweigniederlassung ist der Fall überhaupt nicht zu vergleichen, denn die inländische Zweigniederlassung hat keinen selbständigen Haftungsfonds. Möglicherweise ist das Empfinden für die rechtliche Selbständigkeit auch von konzernabhängigen Tochtergesellschaften und für die Schutzbedürftigkeit ihrer Gläubiger gegenüber der Konzernobergesellschaft und ihren Gläubigern nicht in allen Mitgliedstaaten der Union so ausgeprägt ist wir bei uns. Solange der EuGH die Frage nicht verbindlich entschieden hat91, ist es deshalb eine offene Frage, welche Interpretation des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO sich in den Konzernfällen durchsetzen wird. Sollten die Würfel zugunsten der Anknüpfung am Sitz der Muttergesellschaft fallen, so bleibt nur die Möglichkeit der Doppelanknüpfung der Insolvenzantragspflicht, um die legitimen inländischen Regelungsinteressen zu wahren. Es müßte demnach für die Anwendung des _________ 90 Dazu überzeugend Weller IPrax 2004, 412, 415 f.; Vogler, Die internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren, Wien/Graz 2004, S. 168 ff.; Kübler (Fn. 86) S. 350 ff. Zur Gegenmeinung tendieren Moss/Fletcher/Isaacs (Fn. 63) Rz. 8.39. 91 Vgl. Fn. 89 a. E.

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§ 64 GmbHG ausreichen, daß entweder der „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ oder der Verwaltungssitz der Gesellschaft im Inland liegt. Der Antrag wäre bei dem Insolvenzgericht der Konzernobergesellschaft zu stellen. Ist das nicht möglich (z. B. weil nach dem dortigen Insolvenzrecht Überschuldung kein Eröffnungsgrund ist), so müßte im Inland ein Partikularverfahren gemäß Art. 3 Abs. 2, 4 EuInsVO durchgeführt werden. Juristisch ist das keine besonders elegante Lösung. Aber das bestätigt nur, daß es juristisch verfehlt ist, eine selbständige Konzerntochtergesellschaft im praktischen Ergebnis mit einer unselbständigen Zweigniederlassung gleichzusetzen. Ob die inländische Konzerntochtergesellschaft nach deutschem oder ausländischem Recht gegründet ist, ist für die ganze Frage gleichgültig.

d) Im Gründungsstaat gelöschte Gesellschaften Eine englische private company limited verliert nach englischem Recht ihre Rechtsfähigkeit, wenn sie im dortigen Register gelöscht wird92 (etwa deshalb, weil sie es versäumt, den vorschriftsmäßigen jährlichen Geschäftsbericht beim Registeramt einzureichen). Das Vermögen der Gesellschaft verfällt dann der Einziehung (zugunsten der englischen Krone oder des Herzogs von Lancaster oder des Herzogs von Cornwall). Diese Rechtsfolge ist auf das im Vereinigten Königreich belegene Vermögen beschränkt93. In Deutschland belegenes Vermögen ist hiervon nicht betroffen, gehört also der Gesellschaft weiterhin. Infolgedessen muß die Gesellschaft, soweit solches Vermögen vorhanden ist, in Deutschland als fortbestehend angesehen werden94. Ist aber die Gesellschaft im Inland weiterhin als juristische Person anzusehen, so ist sie im Inland auch weiterhin insolvenzfähig95. Infolgedessen unterliegt sie, und unterliegen ihre Geschäftsführer, auch weiterhin der Insolvenzantragspflicht des inländischen Rechts, sofern sich die Feststellung treffen läßt, daß die Gesellschaft im Inland nicht nur Vermögen, sondern auch den „Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen“ hat.

_________ 92 Vgl. dazu Mansell in Liber amicorum Gerhard Kegel, 2002, S. 111 ff.; C. Knütel RIW 2004, 503 ff. Beispiel aus der Praxis: AG Duisburg NZG 2003, 1167. 93 Mansell aaO. (Fn. 92). 94 Mansell aaO. (Fn. 92). 95 Überzeugend Weller IPrax 2004, 412, 414 gegen AG Duisburg NZG 2003, 1167.

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e) Keine zusätzliche Anknüpfung nach dem Personalstatut („Doppelanknüpfung“) Für eine gesellschaftsrechtliche und insolvenzrechtliche „Mehrfachanknüpfung“ des § 64 GmbHG hat sich Kindler ausgesprochen: § 64 GmbHG soll sowohl „insolvenzrechtlich“ als auch „gesellschaftsrechtlich“ qualifiziert werden, also sowohl dann angewendet werden, wenn die Gesellschaft einen inländischen Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen hat, als auch dann, wenn sie ein deutsches Personalstatut hat96. Solche Mehrfachqualifikationen, die immer eine gewisse Unentschlossenheit in der Qualifikationsfrage verraten, und die stets zu einseitigen Kollisionsnormen zugunsten des eigenen Rechts führen und einen internationalen Entscheidungseinklang nicht zulassen, sind nach Möglichkeit zu vermeiden und nur als „ultima ratio“ in Betracht zu ziehen, wenn anders keine zufriedenstellende Lösung zu erreichen ist. Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Solange die Gesellschaft ihren Handlungsschwerpunkt im Inland hat, reicht die insolvenzrechtliche Anknüpfung aus, um den Fall zuverlässig zu erfassen. Es geht daher praktisch nur noch um die bereits angesprochene Konstellation, die dann eintritt, wenn eine in Deutschland gegründete GmbH den „Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen“ in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, was der Zuzugsstaat nicht verhindern darf und was das deutsche Recht nicht verhindern sollte97. In einem solchen Fall besteht, wie oben gezeigt, kein Regelungsinteresse des deutschen Rechts – jedenfalls keines, das so stark wäre, daß es die Mehrfachanknüpfung rechtfertigen könnte. Allerdings könnte man sich durch eine Mehrfachanknüpfung das eben behandelte Problem der Antragspflicht bei inländischen Tochtergesellschaften ausländischer Konzernobergesellschaften vom Hals schaffen – vorausgesetzt, daß es sich bei der Tochtergesellschaft um eine nach deutschem Recht gegründete GmbH handelt. Unabhängig davon, wo man den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen lokalisiert (bei der Tochter- oder bei der Muttergesellschaft), wäre § 64 GmbHG jedenfalls wegen des deutschen Personalstatuts der Tochtergesellschaft anwendbar. Aber das Aushilfsmittel versagt, wenn die im Inland tätige Toch_________ 96 Kindler NZG 2003, 1086, 1090. Vgl. auch dens. in Festschrift Jayme, 2004, Bd. I S. 409 ff. 97 Vgl. oben III 3, S. 333 f.

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tergesellschaft nach ausländischem Recht gegründet ist. Nicht die inländische Rechtsform, sondern die inländische Hauptaktivität der Tochtergesellschaft ist es, die es rechtfertigt, die Gesellschaft der inländischen Insolvenzantragspflicht zu unterwerfen. Nach alledem sollte man die Regel, daß die Insolvenzantragspflicht sich nach dem Recht des Ortes richtet, an dem sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen befindet, als allseitige Kollisionsnorm verstehen. Liegt der Ort im Inland, führt das zur Anwendung des inländischen, liegt er im Ausland, zur Anwendung des ausländischen Rechts, ohne Rücksicht auf das Personalstatut der Gesellschaft.

5. Sanktionen a) § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 40 EGBGB Verletzen die Geschäftsführer der Auslandsgesellschaft mit beschränkter Haftung, deren „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ im Inland liegt, die analog § 64 GmbHG bestehende Insolvenzantragspflicht schuldhaft, so sind sie gemäß § 823 Abs. 2 BGB den Gesellschaftsgläubigern zum Ersatz des Quotenschadens und des Vertrauensschadens verpflichtet, nicht anders als die Geschäftsführer einer deutschem Recht unterliegenden GmbH98. Die Anwendbarkeit des § 823 Abs. 2 BGB ergibt sich kollisionsrechtlich aus Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB99. Hiernach unterliegen Ansprüche aus unerlaubter Handlung dem Recht des Handlungsorts. Besteht, wie hier, die unerlaubte Handlung in einem Unterlassen (nämlich im Unterlassen der Stellung des Insolvenzantrags trotz bekannter oder erkennbarer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit), so ist Handlungsort der Ort, an dem hätte gehandelt werden müssen100 – also der Ort, an dem der Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen. Da dieser Ort gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO im Inland liegt, ist inländisches Deliktsrecht anwendbar, und zwar zugunsten aller geschädigten Gläubiger der Gesellschaft, ohne _________ 98 Vgl. oben II 3, S. 317 f. 99 Zimmer NJW 2003, 2385, 2390. – Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 417 und Eidenmüller (Fn. 1) § 9 Rz. 32 wollen auch die Schadensersatzhaftung insolvenzrechtlich anknüpfen, was im Ergebnis keinen Unterschied macht und eine überflüssige Komplikation ist; ebenso Heldrich in Palandt (Fn. 11) Art. 12 EGBGB Anh. Rz. 8. 100 Vgl. Soergel/Lüderitz (Fn. 24) Art. 38 EGBGB Rz. 10; Palandt/Heldrich (Fn. 11) Art. 40 EGBGB Rz. 3; beide m. w. N.

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Rücksicht darauf, ob sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt bzw. ihre Niederlassung im Inland oder im Ausland haben.

b) Zahlungsverbot und Erstattungspflicht (§ 64 Abs. 2 GmbHG) Ergänzt wird die Schadensersatzhaftung durch ein Zahlungsverbot und eine dementsprechende Haftung der Geschäftsführer für verbotene Zahlungen. Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung dürfen nur noch solche Zahlungen geleistet werden, die mit der „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns“ vereinbar sind. Ein schuldhafter Verstoß hiergegen führt zu einem speziell geregelten Ersatzanspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer (§ 64 Abs. 2 GmbHG)101. Der Anspruch ist nach der Rechtsprechung ein „Ersatzanspruch eigener Art“, der nicht auf Schadensersatz (im Sinn der §§ 249 ff. BGB) gerichtet ist, sondern darauf, „das Gesellschaftsvermögen wieder aufzufüllen, damit es im Insolvenzverfahren zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht“102. Die zu Unrecht geleisteten Zahlungen sind also der Masse 1:1 zu erstatten; eine Bereicherung der Masse ist durch sinngemäße Anwendung der Regeln über die Vorteilsausgleichung zu verhindern103. Da es kaum möglich ist, ein überschuldetes Unternehmen weiterzuführen, ohne Zahlungen zu leisten, handelt es sich bei der Erstattungspflicht gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG, neben der Schadensersatzpflicht aus § 823 Abs. 2 BGB, um eine ziemlich einschneidende Sanktion der Verletzung der Antrags_________ 101 Zum Verschuldenserfordernis vgl. Lutter/Kleindiek in Lutter/Hommelhoff (Fn. 2) § 64 Rz. 62. Verschulden kann insbesondere fehlen, wenn dem Geschäftsführer zur Zeit der Zahlung die Überschuldung unbekannt war und er sie auch nicht kennen mußte, wobei die Beweislast für den Eintritt der Überschuldung bei der Gesellschaft, die Beweislast für die Unerkennbarkeit beim Geschäftsführer liegt (BGHZ 143, 184, 185 f.). Zu unterscheiden sind also, außer dem objektiven Tatbestand der Überschuldung, zwei Zurechnungselemente: subjektiv muß Kenntnis oder vorwerfbare Unkenntnis des Insolvenzgrundes vorliegen (mit Beweislastumkehr), objektiv muß die Zahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters unvereinbar sein. – Im Fall der GmbH und Co. KG ergibt sich ein entsprechendes Zahlungsverbot (mit Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft im Fall des Verstoßes) aus § 177a i. V. m. § 130a Abs. 2 und 3 HGB. 102 BGHZ 146, 264, 278 m. weit. Nachw.; dagegen insbesondere Scholz/Karsten Schmidt (Fn. 38) § 64 Rz. 35. Erläutert und verteidigt wird die Rechtsprechung von Goette in Festschrift Kreft (Fn. 13) S. 56 ff. 103 Vgl. dazu BGHZ 146, 264, 279 f.

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pflicht104 – allerdings nur, wenn ein Insolvenzverfahren durchgeführt wird (denn nur der Insolvenzverwalter wird imstande sein, die anspruchbegründenden Tatsachen zu ermitteln). Soweit die Erstattung zur Folge hat, daß die Insolvenzmasse vermehrt wird und daher die Insolvenzquote sich erhöht, führt sie mittelbar dazu, daß der Quotenschaden der Altgläubiger und der Vertrauensschaden der Neugläubiger, den der Geschäftsführer zu ersetzen hat105, sich verringert. Die Gläubiger werden also nicht mehrfach entschädigt. Für den kollisionsrechtlichen Anwendungsbereich des § 64 Abs. 2 gilt naturgemäß das gleiche wie für den Anwendungsbereich des § 64 Abs. 1 GmbHG: die Haftung greift bei allen Gesellschaften ein, die im Inland den „Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen“ haben, gleichgültig, ob sie ein deutsches oder ein ausländisches Personalstatut haben106.

c) Erstattungsanspruch gemäß § 26 Abs. 3 InsO Leistet der Gläubiger im Fall einer massearmen Gesellschaft gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 InsO einen Vorschuß zur Deckung der Verfahrenskosten, so hat er gemäß § 26 Abs. 3 InsO gegen den Geschäftsführer, der „entgegen den Vorschriften des Gesellschaftsrechts“ es pflichtwidrig und schuldhaft unterlassen hat, den Insolvenzantrag zu stellen, einen Erstattungsanspruch. Es handelt sich um eine Bestimmung des Insolvenzrechts, die gemäß Art. 4 EuInsVO dann anwendbar ist, wenn das Insolvenzverfahren im Inland durchgeführt wird. Ob nach „den Vorschriften des Gesellschaftsrechts“ eine Antragspflicht bestand, ist demgegenüber eine Vorfrage, die selbständig zu beantworten ist. Da diese Pflicht sich, wie dargestellt, nach dem Ort des „Mittelpunkts der _________ 104 Hinzukommt, daß der Begriff der „Zahlungen“ von der herrschenden Praxis und Lehre weit interpretiert wird: Zahlung soll jede Leistung sein, die das Gesellschaftsvermögen schmälert; vgl. BGHZ 126, 181, 194; 143, 184, 186 f.; Lutter/Kleindiek in Lutter/Hommelhoff (Fn. 2) § 64 Rz. 59 – allerdings nicht die Eingehung von Verbindlichkeiten. Insoweit hat es bei der Haftung des Geschäftsführers auf den Vertrauensschaden der Neugläubiger sein Bewenden, BGHZ 138, 211, 216 f.; Goette in Festschrift Kreft (Fn. 13) S. 61 (was aber umstritten ist, vgl. die Nachweise bei Lutter/Kleindiek aaO). Dazu zuletzt (mit einer von der h. M. abweichenden Neukonzeption) Karsten Schmidt ZHR 168 (2004), 637 ff. 105 Oben II 3, S. 317 f. 106 Hiervon geht ersichtlich auch Goette in Festschrift Kreft (Fn. 13) S. 59 f., 63 f. aus, wenn er mit Nachdruck den „insolvenzrechtlichen“ Charakter der Haftung aus § 64 Abs. 2 GmbHG betont.

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wirtschaftlichen Interessen“ richtet, der zugleich die Zuständigkeit für die Durchführung des inländischen Insolvenzverfahrens begründet, werden im Inlandskonkurs die Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 InsO immer dann vorliegen, wenn der Geschäftsführer trotz erkennbarer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit den Insolvenzantrag unterlassen und ein Gläubiger einen Vorschuß geleistet hat (wobei das Verschulden gemäß § 26 Abs. 3 Satz 2 InsO vermutet wird).

d) Keine Strafsanktion gemäß § 84 GmbHG Dagegen ist die Strafbestimmung des § 84 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 GmbHG bei Auslandsgesellschaften nicht anwendbar. Da § 64 GmbHG hier nur analog anzuwenden ist107, steht der Anwendung der strafrechtlichen Sanktionsnorm des § 84 GmbHG das auf dem Grundsatz nulla poena sine lege (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB) beruhende strafrechtliche Analogieverbot entgegen108.

6. Die Auslandsgesellschaft mit beschränkter Haftung als einzige Komplementärin einer inländischen Kommanditgesellschaft Der Fall, daß eine Auslandsgesellschaft mit beschränkter Haftung sich als einzige Komplementärin an einer inländischen Kommanditgesellschaft beteiligt, wirft unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzantragspflicht keine Probleme auf. Da kein Gesellschafter persönlich unbeschränkt haftet, sind bei Überschuldung der Kommanditgesellschaft die Geschäftsführer als die organschaftlichen Vertreter der Komplementärgesellschaft verpflichtet, Insolvenzantrag zu stellen (§ 177a i. V. m. § 130a HGB). Die Lage ist keine andere, als wenn eine GmbH deutschen Rechts Komplementärin wäre. Verletzung der Antragspflicht führt nicht nur zur Schadensersatzhaftung, sondern auch zur Strafbarkeit der Geschäftsführer der ausländischen Komplementärgesellschaft gemäß § 130b i. V. m. § 177a HGB. Der Fall der im Inland tätigen Auslands-GmbH und Co. KG (z. B. einer „Limited und Co. KG“) ist also, vom deutschen Standpunkt her betrachtet, viel harmloser und einfacher als der Fall der Auslands-GmbH, die unmittelbar als solche im Inland unternehmerisch tätig ist. Es besteht daher kein Grund, gerade an _________ 107 Vgl. dazu oben I, S. 309, III 4a, S. 334 f. 108 Weller IPrax 2003, 207, 208 f.; Zimmer NJW 2003, 3585, 2590; Eidenmüller (Fn. 2) § 9 Rz. 39.

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dieser durch die europäische Niederlassungsfreiheit ermöglichten Gestaltungsform einen besonderen Anstoß zu nehmen.

IV. Insolvenzantragspflicht und Niederlassungsfreiheit 1. Die bisherige Rechtsprechung des EuGH Die bisherige Rechtsprechung des EuGH in den Fällen Centros, Überseering und Inspire Art109 enthält keine Aussagen, die den Schluß zuließen, der EuGH könnte es als einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit ansehen, wenn das deutsche Recht Auslandsgesellschaften bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit einer Insolvenzantragspflicht und einem Zahlungsverbot unterwirft, mit der Folge, daß die verantwortlichen Geschäftsführer bei Zuwiderhandlung einer Schadensersatzpflicht wegen Insolvenzverschleppung und einer Erstattungspflicht für verbotene Zahlungen unterliegen. Die Entscheidungen befassen sich mit ganz anderen Sachverhalten. Vor allem ging es in keinem der drei Fälle um die Folgen der Insolvenz von ausländischen Gesellschaften im Zuzugsstaat. Im Fall Centros110 ging es um die Weigerung der dänischen Registerbehörde, die dänische Niederlassung einer nach englischem Recht gegründeten Limited Company (der Centros Ltd.) einzutragen, mit der Begründung, es handele sich nicht nur um eine Zweigniederlassung, sondern um die Hauptniederlassung, und die Gesellschaft übe in England keinerlei Tätigkeit aus. Der EuGH entschied, die Niederlassungsfreiheit erlaube es der Gesellschaft, ihre Hauptniederlassung nach Dänemark zu verlegen; es stelle daher eine unzulässige Behinderung der Niederlassungsfreiheit dar, den Eintragungsantrag zurückzuweisen. Die Entscheidung läßt keinen Schluß darauf zu, daß der Gerichtshof es als eine Behinderung der Niederlassungsfreiheit ansähe, wenn das dänische Recht alle in Dänemark niedergelassenen Unternehmen, ungeachtet ihrer Rechtsform, verpflichten würde, bei Insolvenz unverzüglich Konkursantrag zu stellen, und dies mit Sanktionen gegen die verantwortlichen Geschäftsführer versehen würde. Die beiden Fälle und die durch sie aufgeworfenen Rechtsfragen haben nichts miteinander zu tun. _________ 109 Dazu oben Fn. 2. 110 Slg. 1999 I-1459 ff. = NJW 1999, 2027 ff.

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Im Fall Überseering111 ging es um die Verlegung des Sitzes von Überseering BV aus den Niederlanden nach Deutschland und um die Frage, ob hierdurch die Parteifähigkeit von Überseering beeinträchtigt wurde. Die zentrale Aussage des EuGH hierzu lautet: Überseering genießt „das Recht, als Gesellschaft des niederländischen Rechts von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen“112. Das heißt, Überseering bleibt in Deutschland das, als was sie in den Niederlanden gegründet ist: eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung niederländischen Rechts mit unveränderter Rechts- und Parteifähigkeit, unveränderten Vertretungsregeln und unveränderter Haftungsverfassung; die Gesellschaft wird keinem „Statutenwechsel“ unterworfen und nicht zwangsweise in eine OHG oder BGB-Gesellschaft deutschen Rechts umgewandelt113, und auch nicht in eine GmbH deutschen Rechts114. Gegen diese Kernaussage der Rechtsprechung verstößt es nicht, wenn Überseering in Deutschland verpflichtet ist, bei Überschuldung Insolvenz zu beantragen. Diese Pflicht ändert nichts daran, daß Überseering hier als Gesellschaft niederländischen Rechts anerkannt wird. Im Fall Inspire Art115 ging es um die Aufnahme der Tätigkeit der in England gegründeten Inspire Art Limited in den Niederlanden und um die Frage, ob die Niederlande dies von der Einhaltung der Mindestkapitalvorschriften des niederländischen GmbH-Rechts abhängig machen durften mit der Sanktion, daß anderenfalls die Geschäftsführer persönlich für die Schulden von Inspire Art haften. Die zentrale Aussage des EuGH hierzu lautet: Die „Regelung, die die Zweigniederlassung einer nach dem Recht eine Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft dazu verpflichtet, die Vorschriften des Niederlassungsstaats über das Stammkapital und die Haftung der Geschäftsführer zu beachten, führt dazu, daß die Ausübung der vom Vertrag anerkannten Niederlassungsfreiheit durch diese Gesellschaften behindert wird“116. Anders gesagt: Der Zuzugsstaat darf als Folge der Niederlassung der ausländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Inland weder die Gesellschafter117 _________ 111 Slg. 2002 I-9919 ff. = NJW 2002, 3614 ff. 112 Tz. 80 der Entscheidungsgründe. 113 Vgl. BGHZ 154, 185 ff. Anders, aber überholt BGHZ 151, 204 ff. auf der Basis der „Sitztheorie“. 114 Anders, aber mit Überseering unvereinbar Altmeppen NJW 2004, 97 ff., vgl. dazu auch oben II 2, S. 314. 115 Slg. 2003 I – 10155 = NJW 2003, 3331 ff. 116 Tz. 101 der Entscheidungsgründe. 117 Das folgt schon aus Überseering.

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noch die Geschäftsführer118 einer persönlichen Haftung für die Gesellschaftsschulden unterwerfen. Auch diese Regel der Rechtsprechung wird durch die Pflicht der Auslandsgesellschaft, bei Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen, nicht tangiert. Zwar hat die Insolvenzantragspflicht mittelbar die Folge, daß die Geschäftsführer der Gesellschaft einer persönlichen Haftung unterliegen können, wenn sie die Antragspflicht schuldhaft verletzen. Aber diese Haftung ist eben nicht, wie im Fall Inspire Art, die unmittelbare Folge der Verlegung des Sitzes ins Inland, sondern sie ist die Folge der Verletzung der Insolvenzantragspflicht, der alle Gesellschaften und juristischen Personen mit beschränktem Haftungsfonds unterliegen, für die im Inland die Zuständigkeit für die Eröffnung und Durchführung des Hauptinsolvenzverfahrens begründet ist. Unabhängig von den konkreten Aussagen der drei Urteile, kann man der Rechtsprechung aber auch eine allgemeine Regel entnehmen, die besagt: Alle belastenden Vorschriften des inländischen Rechts, denen wir Auslandsgesellschaften, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats gegründet sind, dann unterwerfen, wenn sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz im Inland haben und ihre Tätigkeit mit Schwerpunkt im Inland ausüben, sind unabhängig davon, wie sie internationalprivatrechtlich zu qualifizieren sind – als Teil des Gesellschaftsrechts, des Deliktsrechts, des Insolvenzrechts, oder wessen sonst immer –, daraufhin zu überprüfen, ob ihre Erstreckung auf Auslandsgesellschaften die durch Art. 43, 48 EGV verbürgte Niederlassungsfreiheit beeinträchtigt119. Ist das der Fall, so ist weiter zu prüfen, ob die Maß_________ 118 Das ergibt sich aus Inspire Art. 119 Vgl. Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff (Fn. 2) § 4a Rz. 18. Verboten ist in diesem Zusammenhang sowohl die „Diskriminierung“ ausländischer gegenüber inländischen Gesellschaften (der Auslandsgesellschaft muß also „Inländerbehandlung“ eingeräumt werden) als auch die ungerechtfertigte „Beschränkung“ der Ausübung der Niederlassungsfreiheit (durch Maßnahmen, die zwar diskriminierungsfrei, aber gleichwohl geeignet sind, die ausländische Gesellschaft bei der Niederlassung im Inland zu „behindern“ oder die inländische Niederlassung „weniger attraktiv zu machen“). Vgl. dazu Everling und Wulf-Henning Roth in Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, 1997, S. 607 ff. und 729 ff. mit Nachweisen. Praktisch kommen zwei Fälle in Betracht. Erstens: Eine Bestimmung des inländischen materiellen Rechts verletzt ihres Inhalts wegen die Niederlassungsfreiheit (sei es wegen Diskriminierung, vgl. das von Bitter WM 2004, 2190, 2192 gebildete Beispiel, sei es wegen Beschränkung in der Ausübung der Niederlassungsfreiheit). Zweitens: Die Erstreckung von für Inlandsgesellschaften geltenden Bestimmungen des

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regel des inländischen Rechts ausnahmsweise nach den hierfür von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien120 gerechtfertigt ist121. Ist es dagegen nicht der Fall, ist also der Tatbestand einer Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit nicht gegeben, dann bedarf es keiner Rechtfertigung, und die Maßregel ist nicht darauf zu überprüfen, ob sie dem VierKriterien-Test standhält122. Diese Regeln gelten auch für Gesellschaften, die nach ausländischem Recht allein zu dem Zweck gegründet sind, im Inland tätig zu sein123. Anders gesagt: Die Absicht der ausschließlichen Tätigkeit im Inland nimmt der Auslandsgesellschaft nicht das Recht, sich auf die Niederlassungsfreiheit zu berufen, falls diese durch die Maßregel des inländischen Rechts betroffen ist; die Absicht, sich auf diese Weise dem inländischen Recht zu entziehen, ist für sich allein genommen kein Mißbrauch der Niederlassungsfreiheit124.

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inländischen Rechts auf Auslandsgesellschaften beschränkt diese in der Ausübung ihrer Niederlassungsfreiheit. Diese gegen das Beschränkungsverbot verstoßende Erstreckung des Inlandsrechts auf Auslandsgesellschaften kann entweder auf Regeln des inländischen Kollisionsrechts beruhen (wie im Fall Überseering, oben S. 345 bei Fn. 111) oder auf besonderen Bestimmungen des inländischen Sachrechts (wie im Fall Inspire Art, oben S. 345 f. bei Fn. 115). Soweit die Anwendbarkeit von inländischem Insolvenzrecht auf Auslandsgesellschaften sich aus der europarechtlichen Kollisionsnorm des Art. 4 EuInsVO ergibt, befindet man sich allerdings europarechtlich im „sicheren Hafen“, da man davon ausgehen darf, daß Art. 4 EuInsVO höherrangigem europäischem Recht nicht widerspricht (Ulmer NJW 2004, 1201, 1207 mit Fn. 57; anders Bitter WM 2004, 2190, 2191 f.). Die Anwendung des § 64 GmbHG auf Auslandsgesellschaften mit Inlandssitz läßt sich aber, wie oben (II 4, S. 321 ff.) dargestellt, gerade nicht mit Art. 4 EuInsVO begründen; insoweit befindet man sich also nicht mehr im „sicheren Hafen“ (so auch Ulmer aaO). Vgl. oben Fn. 10. Vgl. Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff aaO (Fn. 119). Es ist mißverständlich, wenn die Rechtsprechung des EuGH gelegentlich so dargestellt wird, als dürfe hiernach inländisches Recht auf Auslandsgesellschaften überhaupt nur noch dann angewendet werden, wenn ein besonderer Rechtfertigungsgrund vorliege (vgl. z. B. Ziemons ZIP 2003, 1913, 1917: „Ausnahmsweise darf der Zuzugsstaat auf eine Scheinauslandsgesellschaft seine nationalen Vorschriften anwenden. Dies setzt nach der Rechtsprechung des EuGH voraus, daß im Einzelfall Betrug oder Mißbrauch nachgewiesen wird …“). Vgl. die Fälle Centros (Fn. 110) und Inspire Art (Fn. 115). Vgl. Inspire Art (Fn. 115) Tz. 96.

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2. Keine Beschränkung der Ausübung der Niederlassungsfreiheit Prüft man die Frage, ob die inländischen Insolvenzantragspflichten die Niederlassungsfreiheit einer ausländischen Gesellschaft, die sich im Inland niederlassen will, beschränkt, so ist folgendes festzustellen: Eine ausländische Gesellschaft, die zum Zeitpunkt der Niederlassung weder zahlungsunfähig noch überschuldet ist, kann sich im Inland ungehindert niederlassen und betätigen; sie wird durch die potentielle Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführer im Fall einer späteren Insolvenz in der Möglichkeit, sich niederzulassen und zu betätigen, überhaupt nicht berührt. Tritt später Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ein, so verliert die Gesellschaft allerdings die Freiheit der Betätigung. Denn jetzt unterliegt sie gemäß Art. 3 und 4 EuInsVO dem deutschen Insolvenzrecht. Das heißt: Gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO und § 14 InsO hat jeder Gläubiger, der hieran ein rechtliches Interesse hat, die Möglichkeit, bei dem örtlich zuständigen inländischen Insolvenzgericht Insolvenzantrag zu stellen, und gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz1 EuInsVO und §§ 17, 19 InsO hat das Gericht das Verfahren zu eröffnen, wenn es Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung feststellt. Hierin liegt keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Entschiede man das anders, wären die beiden Grundprinzipien des internationalen Insolvenzrechts aufgegeben, auf die sich bei den Vorbereitungen der EuInsVO alle Mitgliedstaaten verständigt haben und ohne die ein vereinheitlichtes internationales Insolvenzrecht überhaupt nicht denkbar wäre: das Prinzip der internationalen Zuständigkeit des Gerichts der Hauptniederlassung und das Prinzip der Maßgeblichkeit der lex fori concursus nicht nur für die Durchführung, sondern auch für die Eröffnung des Verfahrens. Gewiß ist auch die EuInsVO, als europäisches Sekundärrecht, an die Grundfreiheiten des EG-Vertrags gebunden. Es wäre aber kein sinnvolles Verständnis der Niederlassungsfreiheit, wenn man daraus eine Immunität von Auslandsgesellschaften gegenüber dem Insolvenzrecht des Niederlassungsstaats ableiten würde, die im Widerspruch zu Grundprinzipien des internationalen Insolvenzrechts stünde, die in allen Mitgliedstaaten anerkannt sind. Stellt es aber keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar, daß Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung auch für Auslandsgesellschaften Insolvenzgründe sind, die der weiteren Betätigung der Auslandsgesellschaft ein Ende setzen, dann kann es auch keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sein, wenn der Auslandsgesellschaft, genau wie einer vergleichbaren inländischen Gesellschaft, die Pflicht auferlegt wird, 348

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bei Vorliegen dieser Voraussetzungen von sich aus den Insolvenzantrag zu stellen und nicht abzuwarten, bis er von Gläubigerseite gestellt wird. Denn die Niederlassungsfreiheit verleiht der Gesellschaft gerade nicht das Recht, trotz Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung weiter am Wirtschaftsverkehr teilzunehmen. Hat sie aber kein derartiges Recht, kann es durch die Antragspflicht auch nicht beeinträchtigt werden. Ist die Gesellschaft schon zu dem Zeitpunkt zahlungsunfähig oder überschuldet, zu dem sie sich mit ihrem Hauptsitz im Inland niederlassen will, so hat nach dem europäischen internationalen Insolvenzrecht jeder interessierte Gläubiger sofort das Recht, bei dem zuständigen inländischen Gericht die Einleitung des Insolvenzverfahrens herbeizuführen. Die freie inländische Tätigkeit ist hier also von Anfang an nicht möglich, ohne daß hierin ein Verstoß gegen das im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit bestehende Beschränkungsverbot zu erblicken wäre. Infolgedessen ist es auch kein Verstoß gegen das Beschränkungsverbot, daß die Gesellschaft von Anfang an der Insolvenzantragspflicht des inländischen Rechts unterliegt. Praktisch geht es dabei vor allem um die Frage der Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers, der die Geschäfte der im Inland mit dem Hauptsitz niedergelassenen Gesellschaft weitergeführt hat, obwohl er wußte oder wissen mußte, daß die Gesellschaft überschuldet ist, gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft. Diese Frage stellt sich nur dann, wenn der Versuch, die Geschäfte weiterzuführen, erfolglos war und es anschließend zum Zusammenbruch der Gesellschaft gekommen ist: sei es, daß mit Verspätung das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, sei es, daß der verspätet gestellte Insolvenzantrag mangels Masse abgelehnt worden ist. Nur in diesen Fällen, in denen es ohnehin zum finanziellen Zusammenbruch der Gesellschaft und infolgedessen zu ihrem Ausscheiden aus dem Markt gekommen ist, stellt sich die Frage, ob der Geschäftsführer der Gesellschaft, infolge seines Verhaltens in der Krise der Gesellschaft, den Gläubigern gegenüber wegen Insolvenzverschleppung schadensersatzpflichtig ist. Es ist nicht zu erkennen, mit welchem Recht er sich gegenüber einem solchen Schadensersatzanspruch auf die europarechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft soll berufen können; beides hat nichts miteinander zu tun. Entschiede man das anders, wären nicht nur die Insolvenzantragspflicht und die Insolvenzverschleppungshaftung des deutschen Rechts betroffen, sondern ebenso die Rechtsinstitute des ausländischen Rechts, die

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ähnliche Funktionen erfüllen, so insbesondere die Haftung für „wrongful trading“ des englischen Rechts125 und die „action en comblement du passif“ des französischen Rechts126. Für Gesellschaften, die sich im Ausland niederlassen, entstünde auf diese Weise ein nicht zu rechtfertigender Freiraum: die Haftungsbestimmungen des Herkunftsstaats wären unanwendbar, weil sie dort nicht tätig sind, und die Haftungsbestimmungen des Zuzugsstaats wären unanwendbar, weil der Zuzug nicht behindert werden darf127. Das alles kann nicht im Sinn der in Art. 43 und 48 EGV verbürgten Niederlassungsfreiheit liegen. Als Ergebnis ist festzuhalten, daß die Anwendung der inländischen Bestimmungen über die Insolvenzantragspflicht auf Auslandsgesellschaf-

_________ 125 Vgl. dazu Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 285 ff.; Fleischer DStR 2000, 1015, 1018; Altmeppen NJW 2004, 97, 101 Fn. 42; Schumann DB 2004, 743, 747 f.; Rehm in Eidenmüller (Fn. 2) § 10 Rz. 67 ff.; eingehend Habersack/Verse ZHR 168 (2004), 174 ff. Vgl. auch den Beitrag Fleischers in diesem Band (oben C.) unter II 1 d) bb), S. 61 ff. 126 Vgl. dazu Zimmer (Fn. 125) S. 281 ff.; Habersack/Verse ZHR 168 (2004), 174, S. 202 ff. 127 In der Literatur ist allerdings die Ansicht vertreten worden, die Bestimmungen des englischen Rechts über „wrongful trading“ könnten auch im Fall der Insolvenz einer ausschließlich in Deutschland tätigen private company limited by shares englischen Rechts angewendet werden – sei es, daß dem deutschen Insolvenzverwalter diejenigen Befugnisse zuerkannt werden, die sec. 214 Insolvency Act dem englischen Insolvenzverwalter beilegt (so Schumann DB 2004, 743, 747 f.), sei es, daß sec. 214 Insolvency Act zum „Schutzgesetz“ im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB erklärt wird (so Schanze/ Jüttner AG 2003, 661, 670; als Hilfsbegründung auch Schumann aaO; wohl auch Mock/Schildt in Hirte/Bücker [Fn. 2] § 16 Rz. 46). Ich halte beides für unzutreffend: das erste, weil die Befugnisse des Insolvenzverwalters im deutschen Insolvenzverfahren sich nach deutschem und nicht nach englischem Recht richten (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EuInsVO), das zweite, weil sec. 214 Insolvency Act nach dem hierfür maßgeblichen englischen Recht gerade keine Einzelansprüche der Gläubiger begründet, sondern nur einen Anspruch des Insolvenzverwalters, über dessen Höhe das Insolvenzgericht nach billigem Ermessen entscheidet (Habersack/Verse ZHR 168 [2004], 174, 195), also gerade kein Schutzgesetz zugunsten der einzelnen Gläubiger darstellt. Diese sind nur mittelbar geschützt, in vergleichbarer Weise, wie im deutschen Recht die Insolvenzgläubiger mittelbar durch die Anfechtungsrechte des Insolvenzverwalters geschützt sind, die ebenfalls nicht als Schutzgesetz zugunsten der einzelnen Gläubiger angesehen werden dürfen. Für die action en comblement du passif des französischen Rechts gilt entsprechendes.

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ten schon dem Tatbestand nach keine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit darstellt128.

3. Hilfserwägung: Europarechtliche Rechtfertigungsgründe Geht man entgegen dem, was soeben ausgeführt wurde, davon aus, daß die Unterwerfung der im Inland niedergelassenen Auslandsgesellschaft unter die inländische Insolvenzantragspflicht ihre europarechtliche Niederlassungsfreiheit beeinträchtigt, so stellt sich die Frage, ob diese Beeinträchtigung gerechtfertigt ist. Eine solche Rechtfertigung ist nach der Rechtsprechung des EuGH dann anzuerkennen, wenn vier Voraussetzungen zusammentreffen: 1. keine Diskriminierung, 2. Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses aus der Sicht des betreffenden Mitgliedstaats, 3. Geeignetheit, 4. Erforderlichkeit129. Prüft man die Insolvenzantragspflicht, und vor allem auch die damit verbundene Schadensersatzhaftung der Geschäftsführer, unter diesen Gesichtpunkten, ergibt sich folgendes: Erstens: Daß die Insolvenzantragspflicht für Auslandsgesellschaften keinen diskriminierenden Charakter hat, steht außer Zweifel. Denn es handelt sich um eine Pflicht und um eine Schadensersatzsanktion, die für alle im Inland niedergelassenen Gesellschaften und juristischen Personen gilt, für deren Schulden niemanden eine unbeschränkte persönlichen Haftung trifft und die daher nur über einen beschränkten Haftungsfonds verfügen. Zweitens: Die zwingenden Gründe des Allgemeinwohls, die den deutschen Gesetzgeber zur Aufstellung des Prinzips der Insolvenzantragspflicht im Fall der Überschuldung veranlaßt haben, betreffen vor allem _________ 128 Ebenso Borges ZIP 2004, 733, 740; Eidenmüller (Fn. 2) § 9 Rz. 29, 33; offengelassen bei Bitter WM 2004, 2190, 2199. 129 Vgl. EuGH Slg. 1999 I-1459 = NJW 1999, 2027 Tz. 24 ff. – Centros; Slg. 2003 I – 10155 = NJW 2003, 3331 ff. Tz. 132 ff. – Inspire Art. Hiervon strikt zu unterscheiden sind die Fälle der „mißbräuchlichen“ und „betrügerischen“ Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit, die zur Folge haben, daß der Betroffene sich wegen eines im konkreten Fall festzustellenden Rechtsmißbrauchs auf die Niederlassungsfreiheit nicht berufen kann (nach dem Prinzip: das Recht endet, wo der Mißbrauch beginnt). Um etwas derartiges geht es im vorliegenden Zusammenhang nicht. – Vgl. zu alledem Eidenmüller (Fn. 2) § 3 Rz. 20 ff., 73 ff.; Forsthoff in Hirte/Bücker (Fn. 2) § 2 Rz. 46 ff., 53 ff.; zu Mißbrauch und Betrug auch Fleischer JZ 2003, 865 ff.

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den Schutz der sogenannten „Neugläubiger“130. Es geht darum, die Allgemeinheit – das heißt jeden möglicherweise Betroffenen – vor Geschäftsabschlüssen mit bereits überschuldeten Gesellschaften zu schützen, die nur über einen beschränkten Haftungsfonds verfügen. Jedermann soll davor geschützt werden, daß er, ohne etwas davon zu wissen oder wissen zu können, mit einer konkursreifen Gesellschaft Geschäfte abschließt und in diesem Zusammenhang Kredite gewährt, die durch das den Gläubigern ausschließlich haftende Gesellschaftsvermögen nicht mehr gedeckt sind (und sei es nur die im alltäglichen Geschäftsleben unvermeidlichen kurzfristigen Kredite durch Vorleistung bei Kauf-, Dienst- oder Werkverträgen). Dieser Schutz der Neugläubiger vor einer Enttäuschung ihres Vertrauens in die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft ist sicherlich ein legitimes Anliegen der deutschen Rechtsordnung, das eine gesetzliche Beschränkung der freien Betätigung der Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt des Allgemeinwohls zu rechtfertigen vermag. Das gleiche gilt für den Schutz der „Altgläubiger“131, denen bei Eintritt der Überschuldung oder der Zahlungsunfähigkeit Forderungen gegen die Gesellschaft zustehen und die bessere Befriedigungschancen haben, wenn das Verfahren bei Vorliegen des Insolvenzgrundes möglichst schnell eingeleitet wird. So wie es überhaupt im Allgemeininteresse liegt, daß über insolvente Schuldner ein geordnetes Insolvenzverfahren durchgeführt wird, liegt es auch im Allgemeininteresse, das Verfahren bei Vorliegen seiner Voraussetzungen zum baldestmöglichen Zeitpunkt durchzuführen. Drittens: Daß die Insolvenzantragspflicht – wenn sie nur befolgt wird – ein geeignetes Mittel ist, diesen Schutz zu bewirken, ist nicht zu bezweifeln. Diese Eignung hängt damit zusammen, daß das Gesetz die Antragspflicht nicht von schwer faßbaren subjektiven Voraussetzungen abhängig macht, sondern objektiv-typisierend verfährt. Vor allem die Überschuldung ist vom Gesetz als ein typischer Gefährdungstatbestand konzipiert, bei dessen Vorliegen die Gesellschaft als entweder sanierungsbedürftig oder insolvenzreif eingeschätzt wird. Naturgemäß hängt die Eignung, den erhofften Schutz tatsächlich zu gewähren, von der Effektivität der Sanktionen ab. Diese Effektivität der Sanktionen wird _________ 130 Grundlegend BGHZ 126, 181, 190 ff.; dazu oben II 3, S. 317 f. bei Fn. 41 ff. 131 Vgl. BGHZ 29, 100 ff.; 138, 211 ff.; dazu oben II 3, S. 317 bei Fn. 39 f.

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vor allem durch den Anspruch der Neugläubiger auf Ersatz des Vertrauensschadens gewährleistet132. Viertens: Fragt man schließlich, ob die Insolvenzantragspflicht erforderlich ist, um den ihr zugedachten Zweck zu erreichen, so ist die Antwort einfach. Ein schonenderes Mittel, um das Schutzziel zu erreichen, gibt es nicht. Wenn man hier überhaupt von einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sprechen will, so setzt diese Beschränkung erst ein, wenn ein Tatbestand gegeben ist, durch den Dritte, die der Gesellschaft Kredit gewährt haben oder die ihr möglicherweise noch Kredit gewähren könnten, unmittelbar und konkret gefährdet sind: nämlich der Tatbestand des drohenden finanziellen Zusammenbruchs, der durch den formellen Tatbestand der Überschuldung nur dokumentiert wird. Als Ergebnis ist festzuhalten: Selbst wenn die Unterwerfung der im Inland niedergelassenen Auslandsgesellschaft unter die inländische Insolvenzantragspflicht als eine Beschränkung ihrer Niederlassungsfreiheit anzusehen wäre, wäre diese Beschränkung nach den Kriterien der Rechtsprechung des EuGH gerechtfertig133. Naturgemäß gilt das nicht nur für die Tätigkeit ausländischer Gesellschaften im Inland, sondern ebenso für die Tätigkeit inländischer Gesellschaften im Ausland. Auch im Fall von deutschen Gesellschaften, die sich in Frankreich oder England niederlassen und dort insolvent werden, sind die Geschäftsleiter möglichen Haftungsansprüchen aufgrund der „action en comblement du passif“134 oder aufgrund von „wrongful trading“135 genauso ausgesetzt wie die Geschäftsführer von Gesellschaften französischen oder englischen Ursprungs und sie können sich dieser Haftung nicht unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit entziehen. _________ 132 Dazu BGHZ 126, 181, 197 ff. 133 Vgl. auch Hans-Friedrich Müller NZG 2003, 414, 417; Zimmer NJW 2003, 3585, 3590; Schanze/Jüttner AG 2003, 661, 670; Ulmer NJW 2004, 1201, 1208. Im Ergebnis ebenso, in der Begründung abweichend Bitter WM 2004, 2190, 2199, nicht unter Berufung auf den Vier-Kriterien-Test, sondern indem er das Verhalten des Geschäftsführers, der die Geschäfte trotz Überschuldung weitergeführt hat, für „mißbräuchlich“ und „betrügerisch“ erklärt (dazu oben Fn. 129). Der Vorwurf erscheint als überzogen und läßt sich in dieser pauschalen Form nicht aufrechterhalten. Man denke an den Fall, daß der Geschäftsführer den Tatbestand der Überschuldung oder das Bestehen der Insolvenzantragspflicht fahrlässig verkennt, oder an den Fall, daß er in ungerechtfertigtem Optimismus davon ausgeht, er werde die Krise meistern. 134 Vgl. oben Fn. 126. 135 Vgl. oben Fn. 125.

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4. Vorlagepflicht gemäß Art. 234 EG-Vertrag Bei alledem handelt es sich um eine Frage der Auslegung der Art. 43, 48 des EG-Vertrags. Denn es geht um die Frage, ob die Art. 43 und 48 EGV dahin auszulegen sind, daß sie einer Regelung eines Mitgliedstaats, wie derjenigen des § 64 GmbHG, entgegenstehen, die Gesellschaften, die den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen in den betreffenden Mitgliedstaat verlegen und nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats gegründet sind, im Fall der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung der Pflicht unterwerfen, Insolvenzantrag zu stellen, auch wenn das Recht des Gründungsstaats eine derartige Pflicht nicht vorsieht, und die im Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung die Geschäftsführer der Gesellschaften der Sanktion von Schadensersatz- und Erstattungsansprüchen unterwerfen. Auch wenn die Gründe dafür, diese Frage zu verneinen, noch so überzeugend erscheinen: so klar, daß die nationalen Gerichte, etwa in einem Prozeß über einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB oder über einen Erstattungsanspruch gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG, die Frage ohne Vorlage beim EuGH gemäß Art. 234 EGV selbst abschließend entscheiden könnten, erscheinen sie nicht. Denn die bisherige Rechtsprechung des EuGH in den Fällen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ betrifft andersartige Sachverhalte und enthält keine Aussage, die eine eindeutige Entscheidung ermöglichen würde136. In der Literatur werden die Urteile überwiegend so interpretiert, daß tatbestandsmäßig ein Eingriff in die Niederlassungsfreiheit vorliegt137. Das mag unrichtig sein, ist aber jedenfalls eine Frage der Auslegung der Art. 43, 48 EGV, über die dem EuGH das letzte Wort zusteht. Erst recht gilt das für die in der Literatur überwiegend vertretene Ansicht, es handele sich hier zwar um einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit, aber um einen Fall, in dem eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch gesetzliche Maßnahmen des Zuzugsstaats ausnahmsweise durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei138. Inwieweit der Grundsatz der Niederlassungsfreiheit solche Beschränkungen zuläßt, ist eine Frage der Abwägung zwischen dem Prinzip der Niederlassungsfreiheit einerseits und den Regelungsinteressen der Mitgliedstaaten andererseits, die mit Sicherheit in die alleinige Entscheidungszuständigkeit des EuGH fällt. An der Pflicht, die eingangs gestellte Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung _________ 136 Oben IV 1, S. 344 ff. 137 Vgl. die Nachweise oben Fn. 133. 138 Vgl. Fn. 133.

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vorzulegen, wenn über einen Anspruch letztinstanzlich zu entscheiden ist, der auf eine Verletzung des § 64 GmbHG gestützt ist, ist also kaum zu zweifeln. Ein Vorabentscheidungsverfahren erübrigt sich dagegen in den Fällen, in denen das Recht des Gründungsstaats die gleichen Insolvenzantragspflichten vorsieht wie das deutsche Recht. Denn in einem solchen Fall ist es evident, daß die Niederlassungsfreiheit nicht beeinträchtigt sein kann. Denn hier hat die Anwendung des § 64 GmbHG nur die Folge, daß die vom Gründungsrecht vorgesehene Antragspflicht bei Verlegung des Sitzes in den Zuzugsstaat bestehen bleibt. Daß der Antrag jetzt beim Insolvenzgericht nicht des ursprünglichen Satzungssitzes, sondern des Zuzugsstaats zu stellen ist, ergibt sich aus der Regel des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO, die mit Sicherheit nicht europarechtswidrig ist. Und daß im Fall eines Verstoßes gegen die Antragspflicht die Schadensersatzpflicht sich nach dem Recht des Handlungsorts bestimmt, beruht ebenfalls auf einem Prinzip des internationalen Privatrechts, das europaweit anerkannt ist und an dessen Vereinbarkeit mit dem EG-Vertrag ein Zweifel nicht möglich ist. Zulässig mag die Vorlagefrage indessen auch in einem solchen Fall sein139. Denn soweit es um die Auslegung des europäischen Rechts geht, ist der EuGH berechtigt, auch solche Auslegungsfragen zu beantworten, die das vorlegende Gericht in nachvollziehbarer Weise für entscheidungserheblich hält, auch wenn nach Art. 234 EGV eine Vorlage nicht unbedingt geboten war140. Um ein mögliches Mißverständnis auszuschließen, ist noch folgendes klarzustellen: Die Frage, ob die Bestimmung des § 64 GmbHG auf Auslandsgesellschaften mit Inlandssitz überhaupt anwendbar ist, ist in er_________ 139 Die oben gestellte hypothetische Vorlagefrage müßte dann allerdings etwas anders formuliert werden, etwa so: ob die Art. 43, 48 EGV dahin auszulegen sind, daß sie einer Regelung eines Mitgliedstaats, wie derjenigen des § 64 GmbHG, entgegenstehen, die Gesellschaften, die den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen in den betreffenden Mitgliedstaat verlegen und nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats gegründet sind, im Fall der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung der Pflicht unterwerfen, Insolvenzantrag zu stellen, und die im Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung die Geschäftsführer der Gesellschaft der Sanktion von Schadensersatz- und Erstattungsansprüchen unterwerfen; und ob dies auch dann gilt, wenn das Recht des Gründungsstaats eine gleichartige Antragspflicht und gleichartige Sanktionen vorsieht. 140 Vgl. dazu zuletzt EuGH Slg. 2003 I – 10155 = NJW 2003, 3331 ff. Tz. 42 ff. – Inspire Art mit umfassenden Nachweisen aus der Rechtsprechung.

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ster Linie nach deutschem Recht autonom zu entscheiden, und sie fällt nicht in die Zuständigkeit des EuGH. Nur wenn diese Frage nach deutschem Kollisionsrecht und deutschem Sachrecht zu bejahen ist, ist es zulässig, den EuGH mit der weiteren Frage zu befassen, ob die nach deutschem Recht an sich gebotene Anwendung des § 64 GmbHG die europarechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit der Auslandsgesellschaft in unzulässiger Weise beschränkt.

V. Thesen 1. Die Gründungstheorie als Ausgangspunkt. Die Frage, ob § 64 GmbHG auf Auslandsgesellschaften mit beschränkter Haftung anwendbar ist, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union gegründet sind und sich mit ihrem tatsächlichen Verwaltungssitz im Inland niederlassen, ist in erster Linie eine Frage des deutschen internationalen Privatrechts und erst in zweiter Linie eine Frage des deutschen Sachrechts. Die internationalprivatrechtliche Frage läßt sich nicht mit einem einfachen Hinweis auf die das deutsche internationale Gesellschaftsrecht bisher beherrschende Sitztheorie beantworten. Vielmehr hat die Rechtsprechung des EuGH in den Fällen Centros, Überseering und Inspire Art zur Konsequenz, daß die Sitztheorie auf Gesellschaften, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats gegründet sind und sich, in Übereinstimmung mit den Regeln dieses Rechts, in Deutschland niederlassen, nicht mehr angewendet werden kann. Solche Gesellschaften müssen internationalprivatrechtlich, jedenfalls im Prinzip, nach der Gründungstheorie beurteilt werden141. 2. Meinungsstand der Literatur. Trotzdem ist es ganz überwiegende Meinung in der Literatur, daß auf derartige Auslandsgesellschaften § 64 GmbHG, sei es unmittelbar, sei es analog, anzuwenden ist mit der Folge, daß die Geschäftsführer, die es unterlassen, bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag zu stellen, gemäß § 823 Abs. 2 BGB wegen Insolvenzverschleppung schadensersatzpflichtig sind. Die Begründungen sind unterschiedlich. Teils wird die Ansicht vertreten, die Sitztheorie sei punktuell neben der Gründungstheorie anzuwenden, soweit dies zur Schließung von Schutzlücken erforderlich und im Sinn der Rechtsprechung des _________ 141 Oben I S. 308–311.

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EuGH durch dringende Erfordernisse des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei. Internationalprivatrechtlich handelt es sich hierbei um eine neue Spielart der schon früher von einer Minderheitsmeinung zum deutschen internationalen Gesellschaftsrecht vertretenen „Überlagerungstheorie“. Überwiegend wird dagegen bestritten, daß es sich bei § 64 GmbHG der Sache nach überhaupt um eine Norm handle, die kollisionsrechtlich dem Personalstatut der Gesellschaft unterliege (zumindest soll das Personalstatut nicht ausschließlich maßgeblich sein). Teils wird die Ansicht vertreten, die Insolvenzverschleppungshaftung sei kollisionsrechtlich als Deliktsrecht zu qualifizieren und daher gemäß Art. 40 EGBGB am Recht des inländischen Begehungsorts anzuknüpfen. Mehrheitlich wird dagegen angenommen, es handele sich bei § 64 GmbHG um eine Norm, die als Teil des Insolvenzrechts zu qualifizieren sei. Maßgeblich soll daher gemäß Art. 3, 4 EuInsVO für die Insolvenzantragspflicht das Recht des Ortes sein, an dem die Gesellschaft den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen hat, bei Auslandsgesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland also das deutsche Recht142. 3. Einwände und Bedenken. Allen diesen Annahmen stehen Einwände und Bedenken entgegen. Die Überlagerungstheorie, die ausländisches und inländisches Gesellschaftsrecht im Mischverfahren anwenden will, stößt, zumindest als allgemeiner Lösungsansatz, auf Bedenken nicht nur unter dem Gesichtspunkt der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit, sondern auch unter dem Gesichtspunkt des autonomen deutschen Kollisionsrechts. Die deliktsrechtliche Einordnung der Insolvenzverschleppungshaftung scheitert daran, daß zwar die Anspruchsgrundlage des § 823 Abs. 2 BGB deliktsrechtlicher Natur ist, daß aber die Frage, ob überhaupt eine Insolvenzantragspflicht besteht, eine hiervon unabhängige Vorfrage darstellt, die nicht deliktsrechtlicher Natur ist und internationalprivatrechtlich selbständig angeknüpft werden muß. Die insolvenzrechtliche Einordnung stößt auf das Problem, daß nach europäischem internationalem Insolvenzrecht die lex fori concursus (das „Recht des Staats der Verfahrenseröffnung“) das maßgebliche Insolvenzstatut darstellt (Art. 4 EuInsVO). Das gilt zwar auch schon im Eröffnungsstadium (vgl. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EuInsVO zu den Eröffnungsgründen). Aber die ganze Regel setzt, wie übrigens überhaupt die Anwendbarkeit der EuInsVO, voraus, daß ein Insolvenzverfahren ent_________ 142 Oben II 1 S. 311–314.

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weder von dem Gericht eines Mitgliedstaats eröffnet worden oder zumindest bei dem Gericht eines Mitgliedstaats beantragt worden ist. Vorher geht die Regel des Art. 4 EuInsVO ins Leere. Auf Art. 4 EuInsVO kann die Anwendbarkeit des § 64 GmbHG auf Auslandsgesellschaften mit inländischem Sitz deshalb nicht gestützt werden, ganz unabhängig davon, ob die Bestimmung als „Gesellschaftsrecht“ oder als „Insolvenzrecht“ zu qualifizieren ist143. Trotzdem ist der h. M., aus den unter Nr. 4–6 dargelegten Gründen, im Ergebnis zu folgen. 4. Insolvenzantragspflicht bei beschränktem Haftungsfonds als Grundprinzip des deutschen Rechts. Bei der Insolvenzantragspflicht in den Fällen der Zahlungsunfähigkeit und vor allem der Überschuldung handelt es sich um ein allgemeines Prinzip des deutschen Rechts. Das Prinzip gilt lückenlos für alle Gesellschaften und für alle sonstigen juristischen Personen, bei denen keine natürliche Person unbeschränkt mit ihrem gegenwärtigen und künftigen Vermögen haftet, bei denen den Gläubigern also nur ein beschränkter Haftungsfonds zur Verfügung steht. Denn bei allen diesen Gesellschaften besteht die Gefahr, daß Investoren und die von ihnen abhängigen Geschäftsleiter der Gesellschaft im Fall der Überschuldung des Haftungsfonds eine einseitige Spekulation vornehmen, um die Investition womöglich zu retten. Das Risiko des Fehlschlags dieser Spekulation liegt ausschließlich bei den Gläubigern, die nach Eintritt der Überschuldung neuen Kredit gewährt haben oder deren Konkursquote bei Altkrediten sich verschlechtert, während die Investoren nach Eintritt der Überschuldung nichts Zusätzliches mehr zu verlieren haben. Das schafft einen Anreiz zur Insolvenzverschleppung. Diesem unerwünschten Effekt der Haftungsbeschränkung soll die Pflicht, bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit sofort Insolvenzantrag zu stellen, entgegenwirken. Von der Rechtsform der Gesellschaft oder juristischen Person ist diese Zielsetzung ganz unabhängig; es handelt sich um einen Effekt, der immer eintritt, wenn der Haftungsfonds eines potentiellen Insolvenzschuldners beschränkt ist144. 5. Internationales Regelungsziel und Regelungsinteresse des deutschen Rechts. Unter der Herrschaft der Sitztheorie war sichergestellt, daß von dem Prinzip der Antragspflicht alle Gesellschaften und sonsti_________ 143 Oben II 2–4 S. 314–328. 144 Oben III 1 S. 328–331.

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gen juristischen Personen mit beschränktem Haftungsfonds erfaßt waren, die ihre Hauptniederlassung im Inland hatten. Auslandsgesellschaften als solche konnten einen derartigen Sitz im Inland nicht einnehmen. Gesellschaften mit Hauptniederlassung im Ausland wurden von der Antragspflicht nach der Sitztheorie auch dann nicht erfaßt, wenn sie im Inland tätig waren und hier Zweigniederlassungen unterhielten. Diese Unterscheidung ist deshalb gerechtfertigt, weil es um den Schutz der Gläubigerinteressen geht und der Schwerpunkt dieser Interessen dort liegt, wo die Hauptniederlassung sich befindet145. 6. Sonderanknüpfung der Insolvenzantragspflicht am Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Gesellschaft. In diesem Schutzsystem ist durch die Möglichkeit, daß Auslandsgesellschaften im Inland ihre Hauptniederlassung nehmen, eine Lücke entstanden. Um den Regelungszielen und Regelungsinteressen des deutschen Rechts weiterhin Rechnung zu tragen, ist es daher geboten, speziell im Hinblick auf die Insolvenzantragspflicht eine Sonderanknüpfung vorzunehmen. Die Anknüpfung ist vom Personalstatut der Gesellschaft zu lösen und an denjenigen Ort zu verlegen, an dem das Insolvenzverfahren durchzuführen ist. Inländisches Recht ist deshalb immer dann anzuwenden, wenn die Gesellschaft den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen im Inland hat und infolgedessen die internationale Zuständigkeit für die Eröffnung und Durchführung des Insolvenzverfahrens im Inland liegt (Art. 3 EuInsVO). Die Sonderanknüpfung rechtfertigt sich daraus, daß die Antragspflicht nähere Verbindungen zum Insolvenzverfahren aufweist als zu dem Recht, das für die Gesellschaft im übrigen maßgeblich ist. Das gilt unabhängig von der Frage, ob § 64 GmbH als „gesellschaftsrechtliche“ oder als „insolvenzrechtliche“ Norm einzuordnen ist146. 7. Analoge Anwendung des § 64 GmbHG auf Auslandsgesellschaften. Da § 64 GmbHG unmittelbar nur Gesellschaften mit beschränkter Haftung im Sinn des GmbH-Gesetzes erfaßt, kommt im Fall von Auslandsgesellschaften nur eine analoge Anwendung in Betracht. Sie rechtfertigt sich durch eine Gesamtanalogie zu allen Bestimmungen des deutschen Rechts, aus denen das allgemeine Prinzip der _________ 145 Oben III 2 S. 331 f. 146 Oben III 3 S. 332–334.

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Insolvenzantragspflicht bei beschränktem Haftungsfonds herzuleiten ist147. 8. Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen und Verwaltungssitz. Der für den Geltungsbereich der Insolvenzantragspflicht nach inländischem Recht maßgebliche „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ im Sinn des Art. 3 EuInsVO wird praktisch fast immer mit dem „Verwaltungssitz“ im Sinn der Sitztheorie des deutschen internationalen Privatrechts übereinstimmen. In sehr speziell gelagerten Grenzfällen können sich Divergenzen ergeben. In diesem Fall ist entscheidend der „Mittelpunkt“ im Sinn des Art. 3 EuInsVO und nicht der „Sitz“ im Sinn der Sitztheorie148. 9. Inländische Konzerntochtergesellschaften. Zu Art. 3 EuInsVO wird die Ansicht vertreten, der „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ inländischer Konzerntöchter von Konzernobergesellschaften mit Sitz im Ausland liege nicht am inländischen Sitz der Geschäftsführung der Tochtergesellschaft, sondern am ausländischen Sitz der Geschäftsführung der Obergesellschaft. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Sollte sie sich gleichwohl in dem gegenwärtig beim EuGH anhängigen Vorlageverfahren durchsetzen, entstünde hierdurch unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzantragspflicht eine empfindliche Schutzlücke. Die Schutzlücke könnte kollisionsrechtlich nur durch eine Doppelanknüpfung geschlossen werden. Neben dem „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ müßte bei konzernabhängigen Gesellschaften der Sitz ihrer eigenen Hauptniederlassung maßgeblich sein, mit der Folge, daß inländische Konzerntochtergesellschaften weiterhin der Insolvenzantragspflicht nach inländischem Recht unterliegen. Ob die Tochtergesellschaft inländisches oder ausländisches Personalstatut hat, wäre auch in diesem Fall gleichgültig149. 10. Gelöschte Gesellschaften. Wird die Auslandsgesellschaft im Gründungsstaat im Register gelöscht und führt dies nach dem Recht des Gründungsstaats dazu, daß die Gesellschaft die Rechtsfähigkeit verliert und ihr Vermögen eingezogen wird, so ist die Gesellschaft in Deutschland als fortbestehend anzusehen, wenn sie hier belegenes _________ 147 Oben III 4a S. 334 f. 148 Oben III 4b S. 335 f. 149 Oben III 4c S. 336–338.

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Vermögen hat. Daher bleibt sie im Inland insolvenzfähig, und die Insolvenzantragspflichten analog § 64 GmbHG bestehen weiterhin150. 11. Keine zusätzliche Anknüpfung am Personalstatut der Gesellschaft. Für eine zusätzliche Anknüpfung der Insolvenzantragspflicht am Personalstatut der Gesellschaft („Doppelanknüpfung“) besteht kein Anlaß. Gesellschaften mit deutschem Personalstatut, die ihre Hauptniederlassung ins Ausland verlegen und deshalb dort von nun an den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen haben, unterliegen deshalb nicht mehr den Insolvenzantragspflichten des deutschen Rechts, wohl aber den entsprechenden Regeln des Zuzugsstaats. Die Regel, daß der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen Anknüpfungspunkt für die Insolvenzantragspflicht ist, ist also als allseitige Kollisionsnorm aufzufassen151. 12. Haftung der Geschäftsführer gemäß § 823 Abs. 2 BGB. Verletzen die Geschäftsführer einer Auslandsgesellschaft, die den „Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen“ im Inland hat, die Insolvenzantragspflicht analog § 64 GmbHG, so unterliegen sie der Schadensersatzpflicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB. Kollisionsrechtlicher Anknüpfungspunkt ist gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB der Ort, an dem der Antrag hätte gestellt werden müssen, also der Sitz des zuständigen inländischen Insolvenzgerichts. Denn bei unerlaubten Handlungen, die durch Unterlassen begangen werden, ist Handlungsort der Ort, an dem die unterlassene Handlung hätte vorgenommen werde müssen. Inländische und ausländische Gläubiger sind hierdurch in gleicher Weise geschützt152. 13. Sonstige Sanktionen. Die Geschäftsführer der Auslandsgesellschaft unterliegen zusätzlich den Sanktionen des § 64 Abs. 2 GmbHG und des § 26 Abs. 3 InsO. Keine Anwendung findet dagegen wegen des strafrechtlichen Analogieverbots die Strafbestimmung des § 84 GmbHG153. 14. Auslandsgesellschaft mbH und Co. KG. Auf Kommanditgesellschaften deutschen Rechts, deren einziger Komplementär eine Auslands_________ 150 151 152 153

Oben III 4d S. 338. Oben III 4e S. 339 f. Oben III 5a S. 340 f. Oben III 5b–d S. 341–343.

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gesellschaft ist, sind die §§ 130a, 130b, 177a HGB uneingeschränkt anwendbar154. 15. Keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Die europarechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit wird durch die den Gesellschaftsorganen im Fall der Überschuldung auferlegte Insolvenzantragspflicht und die damit verbundenen Schadensersatzsanktionen zugunsten der Gesellschaftsgläubiger nicht beeinträchtigt. Die Freiheit der ausländischen Gesellschaft, sich im Inland niederzulassen, ist nicht beschränkt. Die Pflicht der Geschäftsführer, im Fall einer späteren Überschuldung Insolvenzantrag zu stellen, hat mit der Freiheit der Gesellschaft, sich im Inland niederzulassen, nichts zu tun. Es handelt sich nicht um einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit, der besonderer Rechtfertigungsgründe bedürfte, sondern es fehlt von vornherein am Tatbestand der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit155. 16. Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses. Geht man entgegen dem eben Gesagten davon aus, tatbestandsmäßig stelle die Insolvenzantragspflicht eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar, so ist die Beschränkung jedenfalls gerechtfertigt, weil sie dem Schutz überragender Gemeinwohlinteressen dient, nämlich dem Schutz der gegenwärtigen und vor allem der möglichen künftigen Gläubiger vor der konkreten Gefährdung, die durch die weitere geschäftliche Tätigkeit einer Gesellschaft mit beschränktem Haftungsfonds herbeigeführt wird, wenn sie diesen Haftungsfonds erschöpft hat. Hierbei handelt es sich im Sinn der Rechtsprechung des EuGH um zwingende Gründe des Allgemeininteresses. Die weiteren vom EuGH aufgestellten Erfordernisse der Rechtfertigung von Eingriffen in die Niederlassungsfreiheit sind gewahrt: die Auslandsgesellschaften werden nicht diskriminiert, sondern genauso behandelt wie inländische Gesellschaften, und die Insolvenzantragspflicht zusammen mit der Sanktion der Schadensersatzhaftung ist das geeignete und erforderliche Mittel, um das angestrebte Schutzziel zu erreichen156. 17. Vorabentscheidungskompetenz des EuGH. Die Frage der Vereinbarkeit der Anwendung des § 64 GmbHG und der damit verbundenen _________ 154 Oben III 6 S. 343 f. 155 Oben IV 2 S. 348–351. 156 Oben IV 3 S. 351–353.

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Sanktionsnormen auf Auslandsgesellschaften und deren Geschäftsführer unterliegt der Zuständigkeit des EuGH zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 des EG-Vertrags. Eine Vorlagepflicht besteht nicht, wenn das Recht des Gründungsstaats die Gesellschaft einer Insolvenzantragspflicht unterwirft, die mit § 64 GmbHG übereinstimmt. Denn in diesem Fall ist evident, daß die Niederlassungsfreiheit nicht dadurch beeinträchtigt sein kann, daß die Gesellschaft im Zuzugsstaat der gleichen Pflicht unterworfen ist wie im Gründungsstaat. Zulässig ist die Vorlage allerdings auch in einem solchen Fall157.

_________ 157 Oben IV 4 S. 354–356.

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G. Neue Formen der unternehmerischen Mitbestimmung bei In- und Auslandsgesellschaften?∗ Daniel Zimmer Inhaltsübersicht I. Unternehmerische Mitbestimmung in Europa .......... 365 II. Anwendbarkeit der Unternehmensmitbestimmung bei Auslandsgesellschaften mit Hauptverwaltung im Inland? 369

III. De lege ferenda: Lösung der Unternehmensmitbestimmung von den Rechtsformen des deutschen Rechts? ........... 371

I. Unternehmerische Mitbestimmung in Europa Ansätze zu einer Beteiligung von Arbeitnehmern an unternehmerischen Entscheidungsprozessen finden sich in Deutschland bereits im 19. und im frühen 20. Jahrhundert.1 Eine unternehmerische Mitbestimmung im Sinne einer rechtlich verbürgten Repräsentation von Arbeitnehmern in Leitungsorganen von Gesellschaften ist aber erst nach dem zweiten Weltkrieg anzutreffen. Nach einigen Fällen paritätischer Besetzung von Aufsichtsräten auf vertraglicher Basis vermochten die Gewerkschaften eine entsprechende Regelung zunächst im Montan-Mitbestimmungsgesetz von 1951 zu verankern. Ihre Bemühungen, eine derartige auf paritätische Repräsentation gerichtete Regelung auch außerhalb der Montanbranchen durchzusetzen, waren demgegenüber zunächst nicht erfolgreich. Im Betriebsverfassungsgesetz von 1952 wurde Arbeitnehmern immerhin das Recht eingeräumt, bei Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, in bestimmten Fällen auch bei anderen Rechtsformen, ein Drittel der Aufsichtratssitze zu besetzen.2 _________ * Die hier entwickelten Thesen werden in anderer Form auch in einem Beitrag in der Gedächtnisschrift für Meinhard Heinze, 2005, S. 1123 ff. vorgetragen. 1 Vgl. Raiser, Mitbestimmungsgesetz, 4. Aufl. 2002, Einl. Rz. 1 ff., 6 ff. 2 §§ 76 f. BetrVG 1952. Die Vorschriften sind ersetzt worden durch die im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen des Drittelbeteiligungsgesetzes, BGBl. 2004 I, 97.

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1956 weitete der Bundesgesetzgeber den Paritätsgrundsatz der MontanMitbestimmung auf Konzernmuttergesellschaften von Montangesellschaften aus, soweit der Unternehmenszweck des Konzerns durch Montanunternehmen gekennzeichnet war.3 Die Forderung nach einer verstärkten Teilhabe von Arbeitnehmern an unternehmerischen Entscheidungsprozessen durch Repräsentation in Gesellschaftsorganen hatte sich damit aber nicht erledigt: In den 1960er Jahren wurde die Mitbestimmungsfrage zum Gegenstand einer großen gesellschaftspolitischen Debatte, und die von der Bundesregierung berufene sog. Mitbestimmungs-Kommission empfahl 1970 einen Ausbau der Mitbestimmung im Aufsichtsrat in Richtung auf eine nahezu paritätische Vertretung von Arbeitnehmern.4 Erst 1976 kam die Debatte mit dem Erlass des sog. Mitbestimmungsgesetzes zu einem vorläufigen Ende. Hiernach ist bei bestimmten Gesellschaftsformen (insbesondere Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien und GmbH) ein paritätisch besetzter Aufsichtsrat zu bilden, wenn die Gesellschaft in der Regel mehr als 2000 Arbeitnehmer beschäftigt. Eine volle Parität bedeutet dies – anders als nach dem Montan-Mitbestimmungsgesetz – nicht, da nach dem Mitbestimmungsgesetz dem Aufsichtratsvorsitzenden, bei dessen Bestimmung der Anteilseignerseite mindestens potentiell ein größerer Einfluss zukommt als der Arbeitnehmerseite, bei Stimmengleichheit zwei Stimmen zustehen.5 Das Mitbestimmungsgesetz sieht darüber hinaus eine Repräsentation von Arbeitnehmervertretern auf der Ebene der Geschäftsführung resp. des Vorstandes durch einen Arbeitsdirektor vor.6 Das französische Gesellschaftsrecht kennt die Besonderheit, dass Gründer bzw. Gesellschafter einer société anonyme zwischen einer eingliedrigen und einer zweigliedrigen Leitungsstruktur wählen können: Im zuerst genannten Fall wird die Gesellschaft durch einen Verwaltungsrat, im zweiten durch einen Aufsichtsrat und einen Vorstand geleitet.7 Der Code du Travail sieht eine Mitwirkung von Arbeitnehmer-Vertretern im Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrat vor: Aus einem im _________ 3 4 5 6

§§ 2 f. Mitbestimmungsergänzungsgesetz. Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drucks. VI/334, S. 18 ff. Vgl. §§ 27 Abs. 2, 29 Abs. 2 MitbG. § 33 MitbG. Eine Ausnahme gilt für die Kommanditgesellschaft auf Aktien, bei der mit Rücksicht auf die persönliche Haftung der Komplementäre ein Einfluss von Arbeitnehmervertretern auf die Geschäftsführung nicht angeordnet wird. 7 Art. 89 ff., 118 ff. Code des Sociétés (Loi No. 66-537 du 24.7.1966).

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Unternehmen bestehenden comité d’entreprise entsandte Arbeitnehmer-Vertreter können an Sitzungen beratend teilnehmen; ein Stimmrecht steht ihnen aber nicht zu.8 Das niederländische Recht kennt eine Mitbestimmung von Arbeitnehmervertretern bei den Rechtsformen der naamloze vennootschap (Aktiengesellschaft) und der besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid (Gesellschaft mir beschränkter Haftung): Bei Erreichung bestimmter Größenkriterien ist die Bildung eines Aufsichtsrates vorgeschrieben, dessen Besetzung durch Kooptation erfolgt. Der Aufsichtsrat bestimmt hiernach selbst über die Bestellung oder Wiederwahl von Mitgliedern. Hauptversammlung und Betriebsrat können aber gegen eine solche Ergänzung bei einer öffentlichen Kommission Widerspruch einlegen und hierdurch auf die Bestellung Einfluss nehmen.9 Nach österreichischem Recht ist bei Aktiengesellschaften und bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie Genossenschaften, welche eine bestimmte Zahl von Arbeitnehmern dauerhaft beschäftigen, ein zu einem Drittel mit Arbeitnehmer-Vertretern besetzter Aufsichtsrat zu bilden. Die Besetzung dieser Sitze erfolgt durch den Betriebsrat resp. Zentralbetriebsrat.10 In anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bestehen keine so weit reichenden Repräsentationsrechte von Arbeitnehmern in Gesellschaftsorganen, wie sie hier für die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, die Niederlande und Österreich dargestellt worden sind. Dies gilt namentlich für Großbritannien, wo eine Vertretung von Arbeitnehmern im board of directors einer limited company nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Bemühungen der EU-Kommission um eine Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Mitbestimmungsrechte waren nicht von Erfolg gekrönt: Ein aus dem Jahre 1972 datierender Vorschlag einer fünften ge_________ 8 Vgl. Art. 432-6 des Code du Travail (Loi No. 73-4 du 2.1.1973). Hierzu und zu Sonderformen der Mitbestimmung bei Unternehmen des öffentlichen Sektors (secteur public) bei privatisierten Unternehmen sowie bei Unternehmen mit mindestens 3%iger Aktionärsbeteiligung von Arbeitnehmern: Urbain-Parleani, in Baums/Ulmer (Hrsg.), Unternehmens-Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Recht der EU-Mitgliedstaaten, 2004, S. 47 ff. 9 Vgl. Timmermann/Spanjaard in Baums/Ulmer (vorige Fn.), S. 75 ff. 10 § 110 Abs. 1 des österreichischen Arbeitsverfassungsgesetzes. Hierzu Kalss in Baums/Ulmer (Fn. 8), S. 95 ff.

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sellschaftsrechtlichen Richtlinie (sog. Strukturrichtlinie) hatte die zwingende Einführung einer zweigliedrigen Leitungsstruktur mit einer Repräsentation der Arbeitnehmer auf der Ebene der Aufsichtsrates vorgesehen. Im Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie im Europäischen Parlament konnte keine Einigkeit über diesen Vorschlag erzielt werden. Nach einem im Jahre 1983 vorgelegten geänderten Richtlinienvorschlag sollten die Mitgliedstaaten das Recht haben, entweder für eine eingliedrige oder für eine zweigliedrige Leitungsstruktur zu optieren. Bei Wahl des eingliedrigen (Verwaltungsrats-)Systems sollte die Mitbestimmung durch eine gesetzlich geregelte Beteiligung von Arbeitnehmervertretern im Leitungsorgan, durch eine tarifvertraglich festgelegte Beteiligung in diesem Organ oder durch Mitwirkungs-, Konsultations- und Informationsrechte sichergestellt sein. Bei einer zweigliedrigen Ausgestaltung der Leitungsstruktur sollte die – wiederum auf einem der drei vorgenannten Wege festgelegte – Mitbestimmung im Aufsichtsrat erfolgen.11 Auch dieser Vorschlag, der den bei den überkommenen mitgliedstaatlichen Regelungszuständen bestehenden Unterschieden sehr viel weitergehend Rechnung trug als derjenige von 1972, hat sich nicht durchsetzen können. In Mitgliedstaaten, in denen die Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern stärker durch Konfrontation denn durch Kooperation geprägt sind, stößt der Gedanke der Repräsentation von Arbeitnehmervertretern in Gesellschaftsorganen weiterhin auf Ablehnung, und auch in ihrem Stammland Deutschland ist die Unternehmensmitbestimmung erneut stark in die rechtspolitische Diskussion geraten.12 Im Statut für eine Europäische Gesellschaft (Societas Europaea) ist die intrikate Mitbestimmungsfrage gleichfalls nicht durch eine materiellrechtliche Gestaltung gelöst worden. Ein erster Verordnungsvorschlag von 1970 sah noch vor, dass Arbeitnehmervertreter ein Drittel der Sitze im Aufsichtsrat der zweigliedrig konzipierten SE-Verwaltung einnehmen sollten; zwei Drittel der Sitze sollten mit Vertretern der Anteilseigner besetzt werden.13 Ein zweiter Verordnungsvorschlag der Kommission von 1975 sah einen noch weitergehenden Einfluss von Arbeitnehmervertretern vor: Hiernach sollten Arbeitnehmer und Anteilseigner je ein _________ 11 Vgl. Art. 4b ff. des Geänderten Richtlinienvorschlages, ABl. EG Nr. C 240 v. 9.9.1983, S. 2 ff. 12 Vgl. stellvertretend für die Kritik Junker, NJW 2004, 728 f. 13 Art. 137 ff. des Vorschlages einer Verordnung des Rates über das Statut für europäische Aktiengesellschaften vom 30.6.1970, ABl. EG Nr. C 124 v. 10.10.1970, S. 28 f.

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Drittel der Aufsichtsratsmitglieder bestellen, das letzte Drittel sollte von beiden Gruppen gemeinsam hinzugewählt werden.14 Dem gegenüber enthält die im Jahr 2001 verabschiedete SE-Verordnung – die die Wahl zwischen einer ein- und einer zweigliedrigen Leitungsstruktur eröffnet – keine inhaltliche Regelung der Mitbestimmungsfrage; die Regelung der Mitbestimmungsproblematik ist auf eine gleichfalls verabschiedete Richtlinie15 verlagert worden, welche keinen inhaltlichen Standard für mitgliedstaatliche Regelungen zur Mitbestimmung bei der SE vorsieht, sondern eine prozedurale Lösung vorschreibt:16 Verfahren einer grenzüberschreitenden Unterrichtung und Anhörung und – je nach Ausgestaltung durch den Sitzmitgliedstaat – einer Mitbestimmung der Arbeitnehmer sollen vorrangig durch eine Vereinbarung zwischen den betroffenen Parteien und – in Ermangelung einer solchen Vereinbarung – durch die Anwendung subsidiärer Regeln festgelegt werden. Durch eine im Anhang der Richtlinie vorgesehene Auffangregelung wird dafür Sorge getragen, dass bei der Gründung einer SE die weitestreichende Regelung der Unternehmensmitbestimmung aus den Sitzstaaten der an der Gründung beteiligten Gesellschaften zur Durchsetzung gelangt.17

II. Anwendbarkeit der Unternehmensmitbestimmung bei Auslandsgesellschaften mit Hauptverwaltung im Inland? Es besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass die Mitbestimmungsregeln des Montan-Mitbestimmungsgesetzes, des Mitbestimmungsgesetzes von 1976 und des Drittelbeteiligungsgesetzes von 2004 de lege lata bei Gesellschaften ausländischen Rechts keine Anwendung fordern. Zwar legt die Teleologie der Gesetze ihre Wirksammachung auch in Fällen nahe, in denen Auslandsgesellschaften im Inland Arbeitnehmer _________ 14 Art. 74a des Geänderten Verordnungsvorschlags, abgedr. in BT-Drucks. VII/3713, S. 54. 15 Richtlinie 2001/86/EG des Rates v. 8.10.2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer, ABl. EG Nr. L 294 v. 10.11.2001, S. 22 ff. 16 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates v. 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. EG Nr. L 294 v. 10.11.2001, S. 1 ff. 17 Vgl. Teil 3 lit. b der Auffangregelung für die Mitbestimmung im Anhang zur Richtlinie (Fn. 16).

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beschäftigen: Das gesetzlich geschützte Interesse von Arbeitnehmern an einer Teilhabe an sie betreffenden unternehmerischen Entscheidungen verträgt keine Unterscheidung danach, ob der Arbeitgeber in der Rechtsform einer Inlands- oder einer Auslandsgesellschaft organisiert ist. Vor diesem Hintergrund läge eine Durchsetzung eigener Mitbestimmungsstandards jedenfalls in den in diesem Beitrag angesprochenen Fällen nahe, in denen die Hauptverwaltung der Auslandsgesellschaft sich im Inland befindet18; denn im Fall einer solchen inlandsverwalteten Gesellschaft ist auch das Regelungsinteresse des Staates in grundsätzlich nicht anderer Weise angesprochen als bei der im Inland verwalteten Gesellschaft inländischen Rechts. Gleichwohl hat der Bundesgesetzgeber die bestehenden Mitbestimmungsgesetze durch Inbezugnahme der Rechtsformen der Aktiengesellschaft, der Kommanditgesellschaft auf Aktien, der GmbH usw. allein an den Gesellschaftsformen des deutschen Rechts ausgerichtet, und eine Ausweitung ihres Anwendungsbereichs durch analoge Anwendung auf Auslandsgesellschaften mit Inlandshauptverwaltung stieße auf kaum zu überwindende Schwierigkeiten: Zwar wird man die erste Voraussetzung der Analogiebildung – das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke – noch annehmen können; bei Schaffung der Mitbestimmungsgesetze sind die am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten jedenfalls bis zum Mitbestimmungsgesetz von 1976 auf der Grundlage der seinerzeit unangefochten geltenden Sitztheorie offenbar davon ausgegangen, dass es den hier zu besprechenden Fall einer Gesellschaft ausländischer Rechtsform mit tatsächlicher Inlands-Hauptverwaltung kaum geben dürfte.19 Das Auf_________ 18 Vgl. zu dieser Gedankenführung Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 148–151. 19 Vgl. Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung über die Beratungen zum Mitbestimmungsgesetz von 1976, BT-Drucks. 7/4845, S. 4: „Im Ausschuss bestand Einmütigkeit darüber, dass der Gesetzentwurf nicht für Unternehmensorgane ausländischer Unternehmen Geltung beanspruchen kann, dass sich vielmehr der Geltungsbereich des Entwurfs auf Unternehmen und Konzernobergesellschaften beschränkt, die ihren Sitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben …“ (Hervorhebungen hinzugefügt). Streng genommen war schon seinerzeit mit dem Aufkommen von Auslandsgesellschaften mit Inlands-Hauptverwaltung zu rechnen, da aufgrund bilateraler Übereinkommen im Verhältnis zu bestimmten Staaten eine Pflicht zur Anerkennung von im anderen Übereinkommensstaat gegründeten Gesellschaften unabhängig vom Ort der tatsächlichen Verwaltung bestand; vgl. etwa Art. XXV Abs. 5 des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika geschlossenen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages v. 29.10.1954 und das Gesetz v. 7.5.1956 hierzu: BGBl. 1956 II, S. 487, 500;

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kommen solcher Gesellschaften lag also nicht ‚im Plan’ des Gesetzgebers. Eine analoge Anwendung der Regeln des deutschen Mitbestimmungsrechts in ihrer derzeit geltenden Form dürfte aber an rechtstechnischen Schwierigkeiten scheitern, die auf unterschiedliche Ausgestaltungen des in- und des ausländischen materiellen Gesellschaftsrechts zurückgehen: Das geltende Mitbestimmungsrecht knüpft mit seiner Bezugnahme auf den Aufsichtsrat an das materielle deutsche Gesellschaftsrecht an, und auch die Durchsetzung der Mitbestimmungsbefugnisse im Wege des Statusverfahrens nach § 98 AktG wird bei Auslandsgesellschaften nicht verfangen.

III. De lege ferenda: Lösung der Unternehmensmitbestimmung von den Rechtsformen des deutschen Rechts? Ob rechtsformunabhängige Mitbestimmungsregelungen, die auch Auslandsgesellschaften mit tatsächlicher Inlands-Hauptverwaltung erfasst, geschaffen werden sollten, ist eine Frage der Rechtspolitik. An dieser Stelle soll allein der Frage nachgegangen werden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Lösung der Unternehmensmitbestimmung von den Rechtsformen des deutschen Gesellschaftsrechts rechtstechnisch möglich ist. Zum ersten müsste ein Entscheidung darüber getroffen werden, welche Gesellschaften von der Mitbestimmungsregelung erfasst werden sollen. Das geltende deutsche Recht der Unternehmensmitbestimmung bezieht sich nur auf Kapitalgesellschaften – bei Personengesellschaften, die nach dem Prinzip der Selbstorganschaft verfasst sind, wird ein Einfluss von Arbeitnehmervertretern auf Fragen der Unternehmens-‚Politik’ nicht angeordnet. Wie sollte der Bundesgesetzgeber den Kreis der zu erfassenden Gesellschaften ausländischen Rechts im Einzelnen abgrenzen? Im Hinblick auf Gesellschaften aus anderen EG-Mitgliedstaaten könnte die Abgrenzung in Anlehnung an bestehende gesellschaftsrechtliche Richtlinien erfolgen, die sich auf bestimmte Rechtsformen des Kapitalgesellschaftsrechts beziehen. Im Hinblick auf Gesellschaften aus Drittstaaten wird die Abgrenzung demgegenüber schwierig, wenn nicht _________ hierzu zuletzt BGH, Urt. v. 13.10.2004 – IZR 245/01; ferner bereits Ebenroth/Bippus, DB 1988, 842, 844; Großfeld/Jasper, RabelsZ 53 (1989), 52, 55; Bungert, ZVgl Rwiss 93 (1994), 117 ff.

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unmöglich: Hier begegnen Gestaltungen, die keine Entsprechung im eigenen Recht haben. Sollte ein deutsches Mitbestimmungsgesetz mit einem an seiner Peripherie unscharfen Gesetzesbegriff wie dem der Kapitalgesellschaft arbeiten? Hiergegen – und damit in der Tendenz überhaupt gegen eine Erstreckung des Mitbestimmungsrechts auf Gesellschaften ausländischen Rechts – spricht das bei einer zentralen Frage des Unternehmensrechts wie dieser bestehende Bedürfnis für eindeutige und rechtssichere Regelungen. Eine zweite wichtige Fragestellung ist die nach der verfahrensmäßigen Durchsetzung des Mitbestimmungsrechts. Das geltende deutsche Recht sieht eine Umsetzung im Wege des Statusverfahrens nach § 98 AktG vor. Dieses Verfahren kann bei Auslandsgesellschaften, die in anderen Staaten registriert sind, nicht wirksam werden. Wenn das inländische Recht von der Pflicht zur Einrichtung eines mitbestimmten Aufsichtsrates ausginge, die Rechtsordnung, der die Gesellschaft unterliegt, dagegen nicht, könnten ‚hinkende’ Rechtsverhältnisse entstehen; es könnte sogar – weitergehend – zu offen widersprüchlichen, rechtliche Dilemmata begründenden Situationen kommen, nämlich dann, wenn das Gesellschaftsstatut den Einfluss von anderen Personen als Anteilseignern untersagt. Dass die Rechtskulturen im Hinblick auf die Zulässigkeit eines Einflusses von Nicht-Anteilseignern in UnternehmensLeitungsorganen ganz unterschiedlich ausgebildet sind, zeigt das Beispiel des US-amerikanischen Sarbanes-Oxley-Act: Dieses US-amerikanische Kapitalmarktgesetz bringt zum Ausdruck, dass die unternehmerische Mitbestimmung mit dem einseitig aktionärsorientierten Konzept des US-amerikanischen Rechts konfligiert.20 Die wichtigste bei einer Lösung der unternehmerischen Mitbestimmung von den Rechtsformen des deutschen Rechts zu beantwortende Frage lautet: In welcher Weise soll die Unternehmensmitbestimmung ausgestaltet sein, wenn eine Gesellschaft nicht mit einer zweigliedrigen (Aufsichtsrat/Vorstand), sondern – wie in vielen Kapitalgesellschaftsrechten – mit einer eingliedrigen (Verwaltungsrat oder board) Leitungsstruktur versehen ist? Welche Schwierigkeiten diese Frage aufwirft, wird an den Versuchen offenbar, für die mit eingliedriger Leitungsstruktur versehene Societas Europaea eine Mitbestimmungsregelung zu _________ 20 Allerdings hat die SEC den Konflikt in ihren Ausführungsbestimmungen zum Sarbanes-Oxley-Act praktisch ausgeräumt; s. hierzu Kersting, ZIP 2003, 2010 ff.; zum Konflikt auch schon Krause, WM 2003, 762 ff.

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finden. Der Versuch, das deutsche Modell der Aufsichtratsmitbestimmung auf ein Verwaltungsratsmodell zu übertragen, führt notwendigerweise entweder dazu, dass die im geltenden Recht gefundene Balance zwischen Anteilseigner- und Arbeitnehmereinfluss gestört wird, oder dass im Verwaltungsrat eine Ausdifferenzierung zwischen geschäftsführenden und überwachenden Organmitgliedern erfolgen muss, die derjenigen gleichkommt, welche nach deutschem Kapitalgesellschaftsrecht bei einer zweigliedrigen Leitungsstruktur gesetzlich vorgeschrieben ist. Das eine – die Störung der in den bestehenden Mitbestimmungsgesetzen gefundenen Einflussbalance – erschiene willkürlich, das andere – eine Oktroyierung einer dem deutschen Kapitalgesellschaftsrecht entsprechenden Differenzierung zwischen geschäftsführenden und überwachenden Organmitgliedern bei einer mit eingliedriger Leitungsstruktur ausgestalteten Gesellschaft – könnte aus anderen Gründen nicht überzeugen: Es würde der eingliedrig ausgestalteten SE allen Charme größerer Flexibilität und Vereinfachung nehmen. Nimmt man anstelle der SE die in diesem Beitrag angesprochenen Gesellschaften ausländischen Rechts in den Blick, so erweist sich der Versuch einer Übertragung des heimischen Mitbestimmungsstandards als illusorisch: Da die innergesellschaftliche Kompetenzverteilung – auch im Verhältnis von Leitungsorgan(-en) und Gesellschafterversammlung – von Rechtsordnung zu Rechtsordnung durch Gesetz oder Satzung ganz unterschiedlich geregelt sein kann, würde eine Auslandsgesellschaften einbeziehende Regelung über die Mitbestimmung in Gesellschaftsorganen gerade nicht zu einer prinzipiell gleichen Einflussverteilung bei allen erfassten Gesellschaften führen. Die vorstehende Analyse erweist: Das Ziel einer prinzipiell gleichmäßigen und gleichwertigen Beteiligung von Arbeitnehmervertretern an unternehmerischen Entscheidungsprozessen in allen vom Inland aus verwalteten (Kapital-)Gesellschaften, d. h. bei Gesellschaften in- wie ausländischer Rechtsformen, ist mit dem Mittel der Mitgliedschaft von Arbeitnehmervertretern in Gesellschaftsorganen nicht zu erreichen: Eine derartige Mitbestimmungsregelung würde sich auf Leitungsorgane mit Befugnissen beziehen, die von Rechtsordnung zu Rechtsordnung unterschiedlich ausgestaltet sind. Das Ziel einer gleichmäßigen Teilhabe der Arbeitnehmer an grundlegenden unternehmerischen Entscheidungen kann nicht durch die bloße Lösung der Mitbestimmung von den Gesellschaftsformen des nationalen Rechts erreicht werden; vielmehr wäre hierzu eine Lösung der Mitbestimmung aus dem Zusammenhang des Gesellschaftsrechts im Ganzen erforderlich: Die Teilhabe der ArDaniel Zimmer

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beitnehmer wäre hiernach nicht mit Mitteln des – von Rechtsordnung zu Rechtsordnung divergierenden – Gesellschaftsrechts, sondern mit hiervon unabhängigen Instrumenten zu gewährleisten. Bei der Entwicklung einer von dem einengenden Rahmen des Gesellschaftsrechts emanzipierten Mitbestimmungslösung könnten Anleihen im in- wie im ausländischen Recht genommen werden. Ein Anknüpfungspunkt findet sich im deutschen Recht in Gestalt des Wirtschaftsausschusses, der in allen Unternehmen mit in der Regel mehr als einhundert ständig beschäftigten Arbeitnehmern zu bilden ist.21 Der Wirtschaftsausschuss hat die Aufgabe, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer zu beraten und den Betriebsrat zu unterrichten (§ 106 Abs. 1 BetrVG). Er ist bereits nach geltendem Recht von dem Unternehmer rechtzeitig und umfassend unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens zu unterrichten, soweit dadurch nicht Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährdet werden; darzustellen sind auch Auswirkungen der zu berichtenden Angelegenheiten auf die Personalplanung (§ 106 Abs. 2 BetrVG). Zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens zählen insbesondere die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens, die Produktions- und Absatzlage, das Produktions- und Investitionsprogramm, Rationalisierungsvorhaben, Fabrikations- und Arbeitsmethoden (insbesondere die Einführung neuer Arbeitsmethoden), die Einschränkung, Stilllegung oder Verlegung von Betrieben oder von Betriebsteilen, der Zusammenschluss oder die Spaltung von Unternehmen oder Betrieben, die Änderung der Betriebsorganisation oder des Betriebszweckes sowie „sonstige Vorgänge und Vorhaben, welche die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens wesentlich berühren können“ (§ 106 Abs. 3 BetrVG). Vorbildfunktion für eine vom Gesellschaftsrecht gelöste Mitbestimmungsregelung könnte ferner den Vorschriften des französischen Rechts zum comité d’entreprise zukommen. Im Unterschied zum Wirtschaftausschuss deutschen Rechts, dessen Mitglieder einseitig vom Betriebsrat bestimmt werden, besteht das comité d’entreprise aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Vertretern. Zu seinen Aufgaben zählt neben der Regelung betrieblicher auch eine solche bestimmter überbetrieblicher Angelegenheiten.22 Entsandte des comité d’entreprise haben, wie _________ 21 In diesem Sinne die Reformüberlegungen von Schiessl, ZHR 167 (2003), 235, 254 f. 22 Vgl. Art. 432 – 3 ff. Code du Travail (Loi No. 73-4 du 2.1.1973).

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bereits erwähnt (o. I), in der Unternehmensleitung, d. h. in Abhängigkeit von der Organisationsstruktur der Gesellschaft im Verwaltungs- resp. Aufsichtsrat, beratende Funktion, aber kein Stimmrecht. Einen weiteren Bezugspunkt für die Entwicklung einer gesellschaftsrechtsunabhängigen Mitbestimmungsregelung bieten die Teile 1 und 2 der Auffangregelung zu Art. 7 der Richtlinie zur Ergänzung des SEStatuts hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer. Diese im Anhang der Richtlinie (hierzu o. I) enthaltenen Bestimmungen ordnen die Schaffung eines Vertretungsorgans der Arbeitnehmer einer SE, ihrer Tochtergesellschaften und Betriebe an, die auf der Grundlage regelmäßig von dem zuständigen Organ der Gesellschaft erstellter Berichte über die Entwicklung der Geschäftslage und die Perspektiven der SE unterrichtet und dazu gehört werden und zu diesem Zweck regelmäßig mit dem zuständigen Organ zusammentreten. Die Unterrichtung und Anhörung bezieht sich insbesondere auf die Struktur der SE, ihre wirtschaftliche und finanzielle Situation, die voraussichtliche Entwicklung der Geschäfts-, Produktions- und Absatzlage, auf die Beschäftigungslage und deren voraussichtliche Entwicklung, auf Investitionen, grundlegende Änderungen der Organisation, auf die Einführung neuer Arbeitsund Fertigungsverfahren, Verlagerungen der Produktion, auf Fusionen, Verkleinerungen oder Schließungen von Unternehmen, Betrieben oder wichtigen Teilen derselben und auf Massenentlassungen. Bei Auftreten außergewöhnlicher Umstände, die erhebliche Auswirkungen auf die Interessen der Arbeitnehmer haben, insbesondere bei Verlegungen, Verlagerungen, Betriebs- oder Unternehmensschließungen oder Massenentlassungen hat das Vertretungsorgan das Recht zur Unterrichtung. Beschließt das zuständige Organ, nicht im Einklang mit einer vom Vertretungsorgan abgegebenen Stellungnahme zu handeln, so hat das Vertretungsorgan das Recht, ein weiteres Mal mit dem zuständigen Organ zusammenzutreffen, um eine Einigung herbeizuführen. Dass die zuletzt skizzierten Regelungskonzepte konstruktive Züge einer betrieblichen Mitbestimmung tragen, ist nicht zu verkennen. Ein Übergang auf eine solche außerhalb der Gesellschaftsorgane stehende Mitbestimmungsstruktur ist daher als eine „Verbetrieblichung“ der Mitbestimmung beschrieben worden.23 Soweit die in solcher Weise nicht ‚in’, sondern ‚gegenüber der Gesellschaft’24 erfolgende Mitwirkung _________ 23 Schiessl, ZHR 167 (2003), 235, 254. 24 Eingehend zu dieser Unterscheidung Windbichler, AG 2004, 190 ff.

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von Arbeitnehmervertretern sich nicht allein auf betriebliche Angelegenheiten, sondern (auch) auf solche der Unternehmens-‚Politik’ bezieht, könnte sie aber mit Recht als unternehmerische Mitbestimmung (oder Mitwirkung) bezeichnet werden. Die Diskussion alternativer Mitbestimmungskonstruktionen25 verdient angesichts der beschriebenen Schwierigkeiten einer gesellschaftsrechtlichen Verankerung der Arbeitnehmermitwirkung Aufmerksamkeit. Wenn an dieser Stelle für die Entwicklung von Konzepten einer Mitbestimmung (oder Mitwirkung) ‚gegenüber’ der Gesellschaft eingetreten wird, so muss dies keine Absage an den zu gleicher Zeit im Schrifttum vorgetragenen, im Wesentlichen auf die Richtlinie zur Mitbestimmung in der SE zurückgehenden Gedanken eines Vorrangs einer im Verhandlungswege gefundenen Mitbestimmungsregelung vor einer solchen durch gesetzliche Anordnung bedeuten.26 Beide Konzepte können einander ergänzen: Vorrang kommt einer zwischen den Leitungsorganen der Gesellschaft und einem Verhandlungsgremium der Belegschaft erzielten Vereinbarung über die Mitbestimmungsfrage zu. Kommt es nicht zu einer Einigung, so greift eine gesetzliche Regelung ein, die keine Mitbestimmung durch Arbeitnehmervertreter ‚in’ der Gesellschaft, d. h. durch Mitgliedschaft von Arbeitnehmervertretern in einem Gesellschaftsorgan, sondern eine solche durch Mitwirkungsrechte gegenüber der Gesellschaft anordnet. Gute Gründe sprechen für die Annahme, dass eine Lösung wie die soeben skizzierte – diskriminierungsfrei angelegt – auch gegenüber Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten in Ansatz gebracht werden dürfte, welche im Inland in erheblicher Zahl – etwa in den von den deutschen Unternehmensmitbestimmungsgesetzen geforderten Größenordnungen – Arbeitnehmer beschäftigen. Ob ein gesetzgeberisches Interesse an der Teilhabe von Arbeitnehmern an unternehmerischen Entscheidungen zum Kreis der ‚zwingenden Erfordernisse des Allgemeininteresses’ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu rechnen ist, ist Gegenstand einer in jüngerer Zeit verstärkt geführten wissen-

_________ 25 Vgl. neben Schiessl und Windbichler (Fn. 23, 24) z. B. Schwark, AG 2004, 173 ff. sowie die Thesen des Berliner Netzwerks Corporate Governance, AG 2004, 200 ff.; demgegenüber skeptisch Rehberg in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 6 Rz. 181. 26 Für den Vorrang einer Verhandlungslösung mit rechtsökonomischer Begründung Fleischer, AcP 204 (2004), 502, 536 ff.; vgl. ferner z. B. Junker, NJW 2004, 728, 730; Thüsing, ZIP 2004, 381, 387 f.

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schaftlichen Auseinandersetzung.27 Der Europäische Gerichtshof scheint einer bejahenden Antwort zuzuneigen: Im Überseering-Urteil hat er ausgeführt, es lasse sich nicht ausschließen, dass zwingende Gründe des Gemeinwohls wie der Schutz von Arbeitnehmerinteressen unter bestimmten Umständen und unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen könnten.28

_________ 27 Vgl. statt aller W.-H. Roth in Gedächtnisschrift Heinze, 2005, 709 ff.; Thüsing, ZIP 2004, 381, 383–387 sowie Bayer, AG 2004, 534 ff. (jeweils mit eingehenden Nachweisen). 28 Urteil vom 5.11.2002 – Rs C-208/00, NJW 2002, 3614 = NZG 2002, 1164 – Überseering, Rz. 92.

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H. Die Wegzugsfreiheit für Gesellschaften Wulf-Henning Roth Inhaltsübersicht I. Fragestellung ......................... 379 II. Der Wegzug im deutschen Kollisions- und Sachrecht: Eine Bestandsaufnahme ....... 380 1. Kollisionsrechtliche Vorklärungen ........................ 381 2. Deutsches Sachrecht ............ 383 III. Niederlassungsfreiheit .......... 1. Niederlassungsfreiheit als Wegzugsfreiheit .................... 2. Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften ...................... a) Das Urteil Daily Mail ....... b) Das Überseering-Urteil ..... c) Ein zweiter Blick auf Daily Mail ......................... d) Ein zweiter Blick auf Überseering ....................... 3. Gesellschaften als creatures of the law ..............................

384 384 385 385 386 387

IV. Auflösungsgründe? ............... 1. Vorbemerkung ...................... 2. Verlegung des Verwaltungssitzes ................ 3. Verlegung des Satzungssitzes ..................................... V. Rechtfertigung ...................... 1. Verlegung des Verwaltungssitzes ..................................... a) Kollisionsrecht: Statutenwechsel ............................. b) Sachrecht: Auflösung ....... 2. Verlegung des Satzungssitzes .....................................

392 392 393 395 395 396 396 397 399

VI. Freiwillige Umwandlung ..... 400 VII. Zusammenfassung ............... 402

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I. Fragestellung Mit den Urteilen Centros1, Überseering2 und Inspire Art3 hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) einen Prozess des Wandels im deutschen internationalen Gesellschaftsrecht eingeleitet, dessen Tragweite und Auswirkungen auf das Kollisionsrecht wie auch auf das Sachrecht – vom Gesellschaftsrecht über das Deliktsrecht bis hin zum Steuer- und Insolvenzrecht – erst in Umrissen erkennbar _________ 1 EuGH v. 3.9.1999 – Rs 212/97, Slg. 1999, I-1459 = ZIP 1999, 438. 2 EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-208/00, Slg. 2002, I-9919 = ZIP 2002, 2037. 3 EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, Slg. 2003, I-10155.

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wird4. Für die Fragen der Rechtsfähigkeit, der Anforderungen an ein Mindestkapital und der Haftung der Organe ist kraft Gemeinschaftsrechts die bisher herrschende Sitztheorie zu ergänzen: Für nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der EU (und eines Vertragsstaats des EWR5) wirksam gegründete Gesellschaften ist das Recht des Gründungsstaats zu (be-)achten6. Diese Anforderung wird von den deutschen Gerichten als eine Verpflichtung zur Anwendung ausländischen Rechts und damit kollisionsrechtlich gedeutet7 und auf alle dem Gesellschaftsstatut unterfallenden Fragen8 erstreckt. Die insoweit vollzogene Hinwendung zur Gründungstheorie gilt sowohl für den Fall der Einwanderung von Gesellschaften aus EU- bzw. EWR-Staaten wie auch für den Fall der anfänglichen Divergenz von (ausländischem EU-, EWR-) Satzungssitz (Gründungsrecht) und (inländischem) Verwaltungssitz9. Für Gesellschaften, die mit (Satzungs- und) Verwaltungssitz in Deutschland gegründet werden, verbleibt es bei der Sitztheorie: Die Gesellschaften unterliegen deutschem (Gesellschafts-)Recht. Im Folgenden ist der Frage nachzugehen, welches Schicksal eine nach deutschem Recht gegründete Gesellschaft erleidet, wenn sie ihren Verwaltungs- und/oder Satzungssitz in das EU-Ausland verlegt.

II. Der Wegzug im deutschen Kollisions- und Sachrecht: Eine Bestandsaufnahme Nach bisherigem deutschen Kollisions- und Sachrecht gelten für den Wegzug deutscher Gesellschaften (d. h. von Gesellschaften, deren Verwaltungssitz in Deutschland liegt) die folgenden Grundsätze. _________ 4 Zuletzt Eidenmüller (Hrsg.), Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004; Sandrock/Wetzler (Hrsg.), Deutsches Gesellschaftsrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen, 2004. 5 Im Verhältnis zu den Vertragsstaaten des EWR gelten die im Text dargelegten Grundsätze entsprechend, OLG Frankfurt/M., IPRax 2004, 56, 57 f. 6 So die Formulierung in EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-208/00, Slg. 2002, I-9919, 9974 – Überseering, Rz. 95 (in Rz. 82 ist hingegen von der „Anerkennung“ der Rechtsfähigkeit einer ausländischen Gesellschaft die Rede). 7 Einzelheiten (und Aussagen zur Anwendbarkeit deutschen Mitbestimmungsrechts) bei Roth, Unternehmensmitbestimmung und internationales Gesellschaftsrecht, in Gedächtnisschrift Heinze, 2005, S. 709. 8 BGH, NJW 2003, 2609 = JZ 2003, 525. 9 OLG Celle, GmbHR 2003, 532; OLG Zweibrücken, BB 2003, 864; BayObLG, NZG 2003, 290; OLG Frankfurt/M., IPRax 2004, 56, 58 f.

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1. Kollisionsrechtliche Vorklärungen Mit der Verlegung des Verwaltungssitzes von Deutschland in das Ausland kann es mit Wirkung ex nunc zur Anwendung des Rechts des neuen Sitzstaates und damit zu einem Statutenwechsel kommen. Diese von der h.L. vertretene Ansicht10 wird von der Rspr. geteilt, wobei freilich zumeist zum Fall der Einwanderung entschieden worden ist11. Urteile zur alleinigen Verlegung des Verwaltungssitzes in das Ausland sind eher selten. In den meisten Fällen geht es um die gemeinsame Verlegung des Satzungs- und Verwaltungssitzes12. In einer jüngeren Entscheidung des OLG Hamm wird (als obiter dictum) die Veränderung des Personalstatuts an die (bloße) Verlegung des Verwaltungssitzes geknüpft13. Dagegen hat das Reichsgericht in einem Fall, in dem es unter Beibehaltung des deutschen Satzungssitzes um die alleinige Verlagerung des Verwaltungssitzes in das Ausland ging, angenommen, dass es nicht zu einem Statutenwechsel gekommen ist14. Kollisionsrechtlich ist im Einzelnen genauer zu differenzieren: (1) Die Verweisung auf ausländisches Recht ist eine Gesamtverweisung, also eine Verweisung auch auf das ausländische Kollisionsrecht (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Wird der Verwaltungssitz der Gesellschaft in einen Staat verlegt, der der Gründungstheorie folgt, ist nach h. L. und Rspr. von einer Rückverweisung auszugehen, wobei der renvoi vom _________ 10 Leible in Michalski, GmbHG, Bd. 1, 2003, Syst. Darst. 2 Rz. 131; Kindler in Münchener Kommentar zum BGB, Band 11, 3. Auf. 1999, IntGesR Rz. 389, 390; Großfeld in Staudinger, Kommentar zum BGB, Neub. 1998, IntGesR Rz. 608. Soweit die Maßgeblichkeit des neuen Sitzrechts als zwingende Folge der Sitzanknüpfung dargestellt wird, wird übersehen, dass die Entscheidung für die Sitzanknüpfung noch nicht über die Frage der Wandelbarkeit des Statuts entscheidet. Dies erweist auch RG, IPRspr. 1934 Nr. 14 (S. 30–31). 11 Z. B. BGHZ 97, 269. 12 BayObLG, ZIP 1992, 842; RGZ 7, 68 und RGZ 88, 53 betreffen Gesellschafterbeschlüsse über die Verlegung des Satzungssitzes; BGHZ 25, 134, 144 ist enteignungsrechtlich geprägt und enthält nur eine abstrakte Aussage zur Wirkung der durch inländisches Recht verliehenen Rechtsfähigkeit im Ausland; vgl. dazu auch schon Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325, 352, die zu Recht auf die geringe Aussagekraft der Rspr. hinweist. Dies gilt auch für die jüngste Rspr.: OLG Hamm, DB 1997, 1865; OLG Hamm, NJW 2001, 2183; OLG Düsseldorf, NJW 2001, 2184. 13 OLG Hamm, DB 1997, 1865. 14 RG, IPRspr. 1934 Nr. 14.

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deutschen Recht angenommen wird (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB)15. Obwohl damit ein Statutenwechsel nicht eintritt, wird im Schrifttum16 davon ausgegangen, dass das deutsche Gesellschafts-(Sach-)recht eine Auflösung der Gesellschaft anordnet. (2) Folgt das Recht des aufnehmenden Staates der Sitztheorie, geht es aber davon aus, dass ein neuer Verwaltungssitz in seinem Territorium (noch) nicht besteht, liegt eine Rückverweisung vor. An der Anwendbarkeit deutschen Rechts ändert sich nichts. Geht dagegen das Recht des aufnehmenden Staates ebenfalls von einer Verlegung des Verwaltungssitzes aus, hängt alles davon ab, ob diese Anknüpfung wandelbar oder unwandelbar ausgestaltet ist. Geht das Recht des neuen Sitzlands von der Unwandelbarkeit des Gesellschaftsstatuts aus, liegt eine Rückverweisung auf das deutsche Recht vor, die vom deutschen Recht angenommen wird. An der Anwendbarkeit deutschen Rechts für diese Gesellschaft hat sich dann wiederum nichts geändert. Liegt aus der Sicht des aufnehmenden Staates eine Verlegung des Verwaltungssitzes vor und geht dieses Recht ebenfalls von der Wandelbarkeit des Gesellschaftsstatuts aus, kommt das Sachrecht des neuen Sitzstaates zur Anwendung. Dieses mag eine Neugründung verlangen17, aber auch Umwandlungslösungen eröffnen. Ob die Gesellschaft aufgrund der Verlegung ihres Verwaltungssitzes aufgelöst wird oder fortbestehen kann (ggf. in einem gewandelten Rechtskleid), ist eine Frage, die das Sachrecht des bisherigen Verwaltungssitzstaates, bei der Verlegung des Verwaltungssitzes aus Deutschland heraus also deutsches Recht entscheidet. (3) Soll nur der Satzungs- und nicht der Verwaltungssitz verlegt werden, ändert sich durch den Beschluss über die Verlegung des Satzungssitzes nichts an der kollisionsrechtlichen Lage: Die Gesellschaft lebt weiter _________ 15 Leible in Michalski (Fn. 10), Syst. Darst. 2 Rz. 132; OLG Hamm, NJW 2001, 2183. 16 Großfeld in Staudinger (Fn. 10), IntGesR Rz. 618; ausdrücklich a. A. insoweit Kindler in MünchKomm BGB (Fn. 10), IntGesR Rz. 394–396; Leible in Michalski (Fn. 10), Syst. Darst. 2 Rz. 132. 17 Seit Überseering ist davon auszugehen, dass, wenn es sich bei dem neuen Sitzstaat um einen EU-Staat (oder EWR-Staat) handelt, zumindest die Neugründungslösung mit Art. 43, 48 EG unvereinbar ist, die Gesellschaft also identitätswahrend fortbesteht (sofern sie nicht nach dem bisher geltenden Statut aufgelöst wird). Kollisionsrechtlich gewendet: Art. 43, 48 EG erzwingen jedenfalls im Ergebnis eine (Rück- oder Weiter-) (Sachnorm-)Verweisung auf das Recht, nach dem die Gesellschaft gegründet ist.

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unter deutschem Gesellschaftsrecht. Die h. L. deutet freilich den Beschluss als einen Auflösungsbeschluss18, der von einigen als unwirksam (und deshalb nicht in das Register einzutragen19) angesehen wird, weil deutsches Recht einen Satzungssitz im Inland verlangt20. (4) Werden Verwaltungs- und Satzungssitz in einen Staat verlegt, der der Sitztheorie folgt, gelten die oben unter (2) getroffenen Aussagen. Nach deutschem Sachrecht wird die Gesellschaft auch dann aufgelöst, wenn der Aufnahmestaat eine Umwandlung ermöglicht21. Folgt der Aufnahmestaat der Gründungstheorie, geht die Rechtsprechung von einer Auflösung der Gesellschaft (kraft deutschen Gesellschaftsrechts) aus22.

2. Deutsches Sachrecht Die bisher h.L. postuliert, dass die Verlegung des Verwaltungssitzes aus Deutschland heraus einen Auflösungsgrund darstellt, die Gesellschaft sich deshalb in eine Liquidationsgesellschaft verwandelt und das Abwicklungsverfahren durchzuführen ist23. Die so behauptete Auflösung ist nicht eine Folge des Kollisionsrechts, sondern des Sachrechts. Der Auflösungsgrund wird entweder in einem Gesellschafterbeschluss über die Sitzverlegung oder in einem ungeschriebenen Rechtssatz gesehen, der die Auflösung an den tatsächlichen Vorgang der Sitzverlegung knüpft (Letzteres vor allem dann, wenn der Verlegungsbeschluss als nichtig angesehen wird). Die Auflösung ist zwingend; weder die Satzung noch ein entgegenstehender Wille der Gesellschafter (der z. B. im Verlegungsbeschluss zum Ausdruck kommen mag) können daran etwas ändern24. Die als Abwicklungsgesellschaft existierende Gesellschaft untersteht deutschem Recht. Sie kann sich nicht in eine Gesellschaft ausländischen Rechts umwandeln, selbst wenn das ausländische Recht _________ 18 Großfeld in Staudinger (Fn. 10), IntGesR Rz. 655. 19 Leible in Michalski (Fn. 10), Syst. Darst. 2, Rz. 133. 20 In diesem Sinne Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 4. Aufl. 2003, § 4a Rz. 4, 10. 21 OLG Hamm, DB 1997, 1865. 22 BayObLG, ZIP 1992, 842, 843; OLG Hamm, NJW 2001, 2183. 23 Z. B. Leible in Michalski (Fn. 10), Syst. Darst. 2 Rz. 131; Großfeld in Staudinger (Fn. 10), IntGesR Rz. 617; weitere Nachweise bei Kindler in MünchKomm BGB (Fn. 10), IntGesR Rz. 393 Fn. 856. 24 BayObLG, ZIP 1992, 842, 843.

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dies ermöglichen sollte. Bemerkenswert ist, dass die Verlegung des Verwaltungssitzes als ungeschriebener Auflösungsgrund unabhängig davon eingreifen soll, ob ein Statutenwechsel gegeben ist, und damit auch dann, wenn die Gesellschaft kollisionsrechtlich weiterhin nach deutschem Recht zu behandeln ist25. Fälle aus der Rechtsprechung zu finden, die eine solche Rechtsfolge belegen, ist wiederum nicht einfach, da die in diesem Zusammenhang zumeist zitierten26 Entscheidungen27 die gemeinsame Verlegung von Verwaltungs- und Satzungssitz betreffen. In dem bereits zitierten Urteil des Reichsgerichts (Verlagerung des Verwaltungssitzes in das Ausland unter Beibehaltung des deutschen Satzungssitzes) wurde bei Verlagerung des Verwaltungssitzes weder ein Statutenwechsel noch eine Auflösung der Gesellschaft angenommen28.

III. Niederlassungsfreiheit Es liegt auf der Hand, dass die hier aufgezeigten, vor allem sachrechtlichen Konsequenzen einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung eine Verlegung des Verwaltungs- und des Satzungssitzes in das Ausland unter Aufrechterhaltung der Identität der Gesellschaft verhindern. Im Folgenden soll überlegt werden, ob diese Hemmnisse für den Wegzug von Gesellschaften mit der Niederlassungsfreiheit des EG-(und des EWR-) Vertrages vereinbar sind, soweit es um eine Sitzverlegung in einen anderen Mitglieds-(Vertrags-)Staat geht.

1. Niederlassungsfreiheit als Wegzugsfreiheit Die Niederlassungsfreiheit sichert für die Unionsbürger die Möglichkeit, in allen Mitgliedstaaten der Union mittels einer festen Einrichtung auf unbestimmte Dauer tätig werden zu können. Sie sichert die freie Standortwahl29 und damit die Freiheit der wirtschaftlich Tätigen, dort zu produzieren, wo die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen am günstigsten sind. Während der Wortlaut des Art. 43 Abs. 1 und Abs. 2 EG allein auf die Zuzugsbeschränkungen Bezug _________ 25 Großfeld in Staudinger (Fn. 10), IntGesR Rz. 618. 26 Großfeld in Staudinger (Fn. 10), IntGesR Rz. 610 ff.; ebenso Leible in Michalski (Fn. 10), Syst. Darst. 2 Rz. 131 Fn. 352. 27 S. oben Fn. 12. 28 RG, IPRspr. 1934 Nr. 14. 29 Roth in Dauses, Handbuch des EU- Wirtschaftsrechts, 1993 ff., E.I. Rz. 2.

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nimmt und damit diejenigen Hemmnisse erfassen will, die den Vätern der Römer Verträge als die gravierendsten vor Augen standen, steht es nach dem heute erreichten Stand der Judikatur des EuGH30 außer Frage, dass die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EG über den Wortlaut der Norm hinausgehend nicht nur die Zuzugs-, sondern auch die Wegzugsfreiheit umfasst. Damit wird nicht nur eine strukturelle Parallele zur Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 EG einerseits und Art. 29 EG andererseits) hergestellt, sondern eine „offene Flanke“ der Niederlassungsfreiheit geschlossen: Denn was nützt dem Unionsbürger die Kontrolle der Zuzugshemmnisse des Aufnahmestaates, wenn der Wegzugsstaat ihn, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen, am Wegzug hindern kann?

2. Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften Art. 48 EG erstreckt die Niederlassungsfreiheit auf Gesellschaften (im Sinne des 2. Absatzes), sofern sie nach dem Recht eines der Mitgliedstaaten gegründet worden sind und entweder ihren Satzungssitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben.

a) Das Urteil Daily Mail Das Urteil Daily Mail31 enthält – anlässlich eines Falles, in dem es um die Verlegung des steuerrechtlich relevanten Verwaltungssitzes von England in die Niederlande ging – weit reichende und allgemein gehaltene Aussagen zur (primären) Niederlassungsfreiheit: Im Hinblick auf weitgehend divergierende Regelungen der Mitgliedstaaten für den Fall des Wegzugs (Liquidation; Umwandlung; steuerrechtliche Konsequenzen) geht der Gerichtshof davon aus, dass der EWG-Vertrag die Probleme, die aus den Unterschieden in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Anknüpfungen für ihre Gesellschaften und die Modalitäten der Sitzverlegung erwachsen, als Probleme ansehe, die nicht von der Niederlassungsfreiheit gelöst werden, sondern im Wege eines Übereinkommens zwischen den Mitgliedstaaten oder im Wege der Gesetzgebung durch die Gemeinschaft geregelt werden müssten32. _________ 30 Zuletzt EuGH v. 11.3.2004 – Rs C-9/02 – de Lasteyrie du Saillant, Rz. 42, RIW 2004, 392; EuGH v. 13.4.2000 – Rs C-251/98, Slg. 2000, I-2787, 2817 – Baars, Rz. 28 m. w. N. aus der Rspr. 31 EuGH v. 27.9.1988 – Rs 81/87, Slg. 1988, 5483. 32 Rz. 23.

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Das aber bedeutet: Die Gesellschaften können sich für Sitzverlegungsfälle (im Gegensatz zur Errichtung einer Zweigniederlassung) nicht auf die Niederlassungsfreiheit berufen; sie ist als nicht unmittelbar anwendbar anzusehen. Der Gerichtshof ist – zumindest im deutschen Schrifttum und in der Rspr.33 – so verstanden worden, dass seine Aussagen nicht nur auf den Fall des Wegzugs, sondern ganz allgemein, und hier insbesondere für den Zuzug Geltung haben. Auch Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer hat den Gerichtshof so verstanden34: Die Begrenzung der in Daily Mail getroffenen Aussagen auf Wegzugsfälle, wie sie etwa die Kommission behauptet hat, bezeichnet er als „eigenwillige“ und „unzutreffende“ Auslegung des Urteils, da diesem nicht zu entnehmen sei, „dass es eine unterschiedliche Schutzintensität vorsieht, je nachdem, ob der Schutz vom Herkunftsstaat oder vom Aufnahmestaat gewährt wird.“35.

b) Das Überseering-Urteil Das Urteil Überseering grenzt die Tragweite der in Daily Mail getroffenen, ganz allgemein gehaltenen Aussage36 zur fehlenden unmittelbaren Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften dahingehend ein, dass dem Urteil Daily Mail ein Wegzugssachverhalt zugrunde lag, die getroffenen Aussagen mithin für Zuzugsfälle keine Bedeutung hätten37. Zugleich wird damit erneut bekräftigt, dass die Niederlassungsfreiheit für die sog. Wegzugsfälle weiterhin keine unmittelbare Anwendbarkeit entfalten soll38. _________ 33 Kritisch dazu Halbhuber, National Doctrinal Structures and European Company Law, C.M.L.Rev. 38 (2001) 1385. 34 Schlussanträge im Überseering-Verfahren, Slg. 2002, I-9922, 9928, Rz. 25 f. 35 Rz. 26 der Schlussanträge. 36 So ausdrücklich die Rz. 72 in Überseering – wohl auch mit Blick auf die Schlussanträge des GA Colomer. 37 Ein solches distinguishing erstaunt, ist es doch Aufgabe des Gerichtshofs im Vorlageverfahren nach Art. 234 EG nicht einzelne Fälle zu entscheiden, sondern den EG-Vertrag auszulegen. Die in Rz. 23 des Daily Mail-Urteils getroffene Aussage ist in der Tat „allgemein“. Dies gilt umso mehr als die in Rz. 19–23 angesprochenen kollisionsrechtlichen und sachrechtlichen Fragen des Gesellschaftsrechts in dem dem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt irrelevant gewesen sind: England und die Niederlande folg(t)en der Gründungstheorie. Ein Statutenwechsel lag nicht vor. Das vorlegende Gericht hatte eine andere Frage gestellt, als sie der Gerichtshof beantwortete. 38 So Rz. 70; bestätigt durch EuGH, Rs C-167/01, Slg. 2003, I-10155, Rz. 103.

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c) Ein zweiter Blick auf Daily Mail Scheint mit dem Urteil in der Sache Überseering die Rechtslage dahingehend klargestellt, dass die Niederlassungsfreiheit, was ihre unmittelbare Anwendbarkeit für Gesellschaften angeht, als gespaltene Freiheit zu denken ist, so muss dieses mehr als merkwürdige Ergebnis Anlass sein, sich der Tragweite des Daily Mail-Urteils doch noch einmal zu versichern. Was sind die tragenden Gründe, die die Niederlassungsfreiheit als Wegzugsfreiheit für Gesellschaften in einem anderen – besonderen – Licht erscheinen lassen? Könnte es gar sein, dass der Gerichtshof sein eigenes Präjudiz in seiner vollen Tragweite missversteht? (1) Ein zweiter Blick auf Daily Mail führt uns zu einem merkwürdigen und wenig erkannten39 Widerspruch hinsichtlich der Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit, von dem die Entscheidung geprägt ist. Denn einerseits geht der Gerichtshof (in der Rz. 16 des Urteils) davon aus, dass die Art. 43, 48 EG (vormals Art. 52, 58 EWGV) es dem Herkunfts-(Sitz-)Staat verwehren, die Verlegung der (Haupt-)Niederlassung einer nach seinem Recht gegründeten, der Definition des Art. 58 EWGV genügenden Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat zu behindern. Wörtlich heißt es: „… die in Art. 52 ff. EWGV gewährten Rechte (wären) sinnentleert, wenn der Herkunftsstaat Unternehmen verbieten könnte auszuwandern, um sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen.“ Diese Passage basiert auf Rz. 15 des Urteils, in der der Gerichtshof klarstellt, dass die Niederlassungsfreiheit des Art. 52 EWGV unmittelbar anwendbar ist, und dies nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für Gesellschaften. Diese Aussagen gelten nicht nur für die Einwanderungs-, sondern auch für die Auswanderungsfreiheit. Zugleich bedarf der Hervorhebung, dass der Gerichtshof in Rz. 16 ausdrücklich – in Parallele zur Behandlung der eigenen Staatsgehörigen – zumindest ein (einschränkungsloses) Verbot für Gesellschaften auszuwandern als Verstoß gegen die von Art. 52, 58 EWGV garantierte Auswanderungsfreiheit ansieht. Andererseits betont Daily Mail in Rz. 19, dass Gesellschaften „aufgrund einer nationalen Rechtsordnung“ gegründet werden und als solche „jenseits der jeweiligen nationalen Rechtsordnung … keine Realität _________ 39 S. aber Eidenmüller, JZ 2004, 24, 29.

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haben“, und verbindet damit die Konsequenz, dass – mangels weiterer Vorgaben im EG-Recht – die Mitgliedstaaten bestimmen könnten, welche Verknüpfung zu ihrem nationalen Gebiet gegeben sein müssten, damit eine Gesellschaft nationalen Rechts entsteht (Rz. 20); ebenso sei es Sache des jeweiligen Mitgliedstaats, darüber Bestimmungen zu treffen, wann die maßgebliche Verknüpfung mit dem nationalen Gebiet gelöst werde. In Rz. 23 findet sich dann die weittragende Formulierung, dass der EWG-Vertrag die Unterschiede in den Kollisionsnormen der Mitgliedstaaten sowie in den Sachnormen hinsichtlich der Möglichkeit und der Modalitäten der Verlegung des Satzungs- und Verwaltungssitzes von einem Mitgliedstaat zum anderen als „Probleme … (ansehe), die durch die Niederlassungsfreiheit nicht gelöst seien, sondern einer Lösung im Wege des Staatsvertrags oder der Gemeinschaftsgesetzgebung bedürf(t)en.“ Diese Aussage lässt sich – wie bereits gezeigt – schwerlich anders interpretieren, als dass die Niederlassungsfreiheit jedenfalls derzeit nicht als unmittelbar anwendbar angesehen werden soll, womit sich ein Widerspruch zu den Aussagen in Rz. 15-16 des Urteils ergibt. Die in Rz. 20 gewählte Formulierung der „Möglichkeit und Modalitäten“ der Sitzverlegung klingt jedenfalls so, als könnten die Sitzstaaten ihre „eigenen“ Gesellschaften an der Auswanderung – mangels unmittelbarer Anwendbarkeit der Freiheit – unbeschränkt und damit auch unkontrolliert hindern40. (2) Im Hinblick auf diesen nahezu unüberbrückbaren Gegensatz der Formulierungen in Rz. 15-16 einerseits und Rz. 23 andererseits mag jedoch die in Rz. 24 des Urteils Daily Mail getroffene Aussage von Interesse sein, wonach die Art. 52 und 58 EWGV den Gesellschaften nationalen Rechts „kein Recht (gewähren), den Sitz ihrer Geschäftsleitung unter Bewahrung ihrer Eigenschaft als Gesellschaften des Mitgliedstaats ihrer Gründung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen“ (Hervorhebung von mir). Die in Rz. 24 gewählte Formulierung betont, dass das Wegzugsrecht nicht das Recht umfasst, sein nationales Rechtskleid mitzunehmen; sie lässt aber eine Auslegung dahingehend zu (und legt sie sogar nahe), dass die Art. 52, 58 EWGV (als auch für den Wegzug von Gesellschaften unmittelbar anwendbare Normen im Sinne der Rz. 15) einer Gesell_________ 40 Lutter, BB 2003, 7, 10, auch unter Hinweis auf Schön in Festschrift Lutter, 2000, S. 685, 702 f.

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schaft das Recht zu einem identitätswahrenden Wegzug einräumen, wenn und soweit sich diese in eine Gesellschaft umwandelt, die dem Recht des neuen Sitzstaats untersteht. In dieser Deutung gäbe die Niederlassungsfreiheit ein unmittelbar anwendbares Recht zum identitätswahrenden Auswandern41, hingegen kein Recht zum Auswandern ohne Statutenwechsel. Diese Deutung der in Rz. 24 getroffenen Aussage in Daily Mail würde in der Tat den Gegensatz zwischen den in Rz. 15-16 und Rz. 23 getroffenen Feststellungen aufheben.

d) Ein zweiter Blick auf Überseering Überseering interpretiert (in Rz. 70 des Urteils) die in Daily Mail für die Auswanderungsfreiheit getroffenen Aussagen dahingehend, dass sich der Gerichtshof darauf beschränkt habe, die Regelungszuständigkeit des Sitzstaates für Fragen des Verlustes der Rechtsfähigkeit und der Modalitäten der Umwandlung für die Fälle der Verlegung des Sitzes in das Ausland zu bestätigen, und fügt hinzu: „… dass ein Mitgliedstaat die Möglichkeit hat, einer nach seiner Rechtsordnung gegründeten Gesellschaft Beschränkungen hinsichtlich der Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes aus seinem Hoheitsgebiet aufzuerlegen, damit sie die ihr nach dem Recht dieses Staates zuerkannte Rechtspersönlichkeit beibehalten kann.“ (Hervorhebung von mir). Vergleicht man diesen Passus mit dem Text der Rz. 24 in Daily Mail, fällt ein Perspektivenwechsel auf42: Aus „die Gesellschaften haben kein Recht …“ wird „… ein Mitgliedstaat (hat) die Möglichkeit …“. Hier mag sich in der Tat ein Wandel in der Rspr. des EuGH in der Beurteilung der eingeschränkten unmittelbaren Anwendbarkeit andeuten: Gewährt die Niederlassungsfreiheit den Gesellschaften „kein Recht“, heißt dies, dass sie sich nicht – mangels unmittelbarer Anwendbarkeit – auf die Freiheit berufen können. Haben die Mitgliedstaaten dagegen (nur) die Möglichkeit, bestimmte Regelungen zu treffen, bedeutet dies (nur), dass die Staaten regelungszuständig für Rechtsfragen des Wegzugs sind, ohne dass die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit präjudiziert wäre. Hinzu kommt eine zweite Beobachtung: In der gerade zitierten Rz. 70 deutet das Überseering-Urteil die Aussagen in Daily Mail dahingehend, dass es in diesem Urteil nur um die Regelungskompetenz des Wegzugsstaates im Zusammenhang mit der Beibehaltung (!) der der Gesellschaft _________ 41 Roth, ZEuP 1994, 5, 21. 42 Dazu schon Roth, IPRax 2003, 117, 122.

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zuerkannten Rechtspersönlichkeit gegangen sei. Dies schlägt die Brücke zu der in Rz. 15-16 in Daily Mail getroffenen Aussage, dass die Mitgliedstaaten ihren Gesellschaften das Auswandern – man wird ergänzen dürfen: das identitätswahrende Auswandern unter Wechsel des Rechtskleids – nicht verbieten dürfen. Eine solche Deutung der bisherigen Rechtsprechung erscheint – bei einer entsprechenden Vorlage an den Gerichtshof43 – möglich und aus der Sicht des Art. 43 EG geboten.

3. Gesellschaften als creatures of the law Eine unterschiedliche Behandlung der Zuzugsfälle einerseits und der Wegzugsproblematik andererseits, wie sie die derzeitige Interpretation der Niederlassungsfreiheit im Hinblick auf ihre unmittelbare Anwendbarkeit prägt, erscheint auf den ersten Blick alles andere als überzeugend44. Den tragenden Grund für diese differenzierende Behandlung scheint der Gerichtshof aus der Annahme ableiten zu wollen, dass es sich bei einer Gesellschaft um ein Rechtsprodukt eines mitgliedstaatlichen Rechtes handelt und dieses Produkt „jenseits der jeweiligen nationalen Rechtsordnung, die ihre Gründung und ihre Existenz regelt, … keine Realität (hat)“.45 Freilich ist der Hinweis des Gerichtshofs auf die Kompetenz der Mitgliedstaaten, das Entstehen, die Existenz und damit auch das Erlöschen der unter seinem Recht gegründeten Gesellschaften regeln zu können46, ohne weitere Aussagekraft, da es ja gar nicht um die Existenz einer solchen Kompetenz, sondern allein um die Schranken ihrer Ausübung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten geht: Selbstverständlich kann, ja muss, das nationale Gesellschaftsrecht die Auflösung der seinem Recht unterstehenden Gesellschaften, die Auflösungsgründe und das Auflösungsverfahren regeln. Dies wird niemand bestreiten wollen. Es geht vielmehr allein darum, ob aus der Perspektive der Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zustehen soll, den Wegzug einer Gesellschaft – und damit die Wahrnehmung einer Grundfreiheit – zum Anlass zu nehmen, in unkontrollierter Weise unberechtigte Hindernisse für den Wegzug _________ 43 Vgl. die (leider, aber zu Recht) als unzulässig zurückgewiesene Vorlage des AG Heidelberg, EuZW 2000, 414 (zu einem Sitzwechsel nach Spanien); dazu auch Roth, ZIP 2000, 1597. 44 Ebenso z. B. Ziemons, ZIP 2003, 1913, 1919; Behrens, IPRax 2004, 20, 26; Baudenbacher/Buschle, IPRax 2004, 26, 28. 45 EuGH Rs 81/87, Slg. 1988, 5483, 5511, Rz. 19. 46 EuGH Rs C-208/00, Slg. 2002, I-9919, 9971, Rz. 81.

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aufzubauen, insbesondere mit der Auflösung der Gesellschaft zu sanktionieren47. Dies bedeutet im Einzelnen: Ist eine Gesellschaft einmal wirksam gegründet, kann sie sich gegenüber allen übrigen Mitgliedstaaten bei der Erbringung von Dienstleistungen, bei der Verlegung des Verwaltungssitzes, aber auch in sonstigen Fällen (Prozessführung aus einem zunächst rein nationalen Geschäft) auf die Pflicht dieser Staaten zur Anerkennung berufen48. Diese aus den Freiheiten resultierende Pflicht der anderen Mitgliedstaaten nimmt dem Gründungs-/Sitzstaat keineswegs die Möglichkeit, die Auflösung der Gesellschaft zu bestimmen: Die gegenüber den anderen Mitgliedstaaten eingeräumte Rechtsposition der Gesellschaft ist also eine relative; sie existiert nicht gegenüber dem bisherigen Sitzstaat: Eine Gesellschaft wird durch Art. 43, 48 EG gegen seine Auflösung durch den bisherigen Sitzstaat nicht schon deshalb geschützt, weil die anderen Mitgliedstaaten kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet sind, die Existenz der Gesellschaft anzuerkennen (solange sie nicht wirksam aufgelöst ist). Wenn und soweit die in Daily Mail getroffenen und in Überseering bestätigten Aussagen diese Rechtslage fixieren wollen, ist ihnen voll zu zustimmen. Die Niederlassungsfreiheit als Wegzugsfreiheit ist unabhängig von der unter dem Schutz der Art. 43, 48 EG stehenden Zuzugsfreiheit. Sie bedarf einer eigenständigen Absicherung gegenüber dem Sitzstaat: Die Ausübung der Niederlassungsfreiheit als Wegzugsfreiheit darf vom Sitzstaat nicht zum Anlass genommen werden, die Gesellschaft zu liquidieren49. Mit den Worten von Daily Mail in Rz. 16: „… die in den Art. 52 ff. EWGV gewährten Rechte (wären) sinnentleert, wenn der Herkunftsstaat Unternehmen verbieten könnte auszuwandern, um sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen.“ Die Tatsache, dass Gesellschaften Produkte eines nationalen Rechts sind, rechtfertigt es nicht, ihnen die Berufung auf Art. 43 EG gegenüber ihrem „Heimatstaat“ zu nehmen. _________ 47 I.E. ebenso von Halen, WM 2003, 571, 574; Rehm in Eidenmüller (Fn. 4), § 2 Rz. 63 f. 48 Insoweit trifft die in Daily Mail in Rz. 19 getätigte Aussage, dass einer Gesellschaft außerhalb des eigenen Staates keine Realität zukomme, gerade nicht zu! 49 Übereinstimmend Baudenbacher/Buschle, IPRax 2004, 24, 26; Eidenmüller, JZ 2004, 24, 29; Hausmann, Der Renvoi im deutschen internationalen Gesellschaftsrecht nach „Überseering“ und „Inspire Art“, in Gedächtnisschrift W. Blomeyer, 2004, S. 579, 591; dazu bereits Roth, IPRax 2003, 117, 121 f.

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Die hier vertretene Position findet ihre Entsprechung im Bereich der Dienstleistungsfreiheit: Das Finanzprodukt eines Finanzdienstleisters mit Sitz in Staat A, das durch zwingende Normen des Staates A gestaltet wird, wird für den Export dem Schutz durch Art. 49 EG gegenüber dem Staat A nicht deshalb entzogen, weil das Finanzprodukt als Rechtsprodukt des Staates A anzusehen ist. Und die strukturelle Parallele zur Warenverkehrsfreiheit ist bereits angedeutet worden50: Die Mitgliedstaaten haben die Kompetenz, die Produktion von Waren auf ihrem Territorium – im Rahmen des evtl. vorhandenen sekundären Gemeinschaftsrechts – zu regeln, Produktionsstandards zu setzen oder die Produktion total zu verbieten, ohne dass damit die Warenverkehrsfreiheit des Art. 29 EG tangiert wäre. Aber: Im Produktionsland rechtmäßig hergestellte Ware fällt in den Schutzbereich des Art. 29 EG. Der Produktionsstaat kann sich bei seinen den Export behindernden (hier: diskriminierenden) Regelungen nicht darauf berufen, er hätte ja auch die Produktion unterbinden und damit jeglichen Export verhindern können.

IV. Auflösungsgründe? Führt damit (auch für den Gerichtshof!) an der unmittelbaren Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit als Wegzugsfreiheit kein Weg vorbei, richtet sich das ganze Interesse auf die Rechtfertigung der die Wegzugsfreiheit beschränkenden Kollisions- und Sachnormen des deutschen Rechtes anhand der zwingenden Erfordernisse des Allgemeininteresses51. Dies führt unmittelbar zur Frage, warum das deutsche Gesellschaftsrecht an die Verlegung des Verwaltungs- und/oder Satzungssitzes in das Ausland die Auflösung der Gesellschaft knüpft. Hier erscheint der Mangel an wirklich stringenten Begründungen auffallend.

1. Vorbemerkung Die Deutung des Beschlusses über die Verlegung des Verwaltungsund/oder Satzungssitzes als Auflösungsbeschluss hat nur wenig mit tradierten Auslegungsgrundsätzen zu tun. Dies gilt umso mehr, wenn ein entgegenstehender, im Beschluss selbst zum Ausdruck kommender _________ 50 Roth, IPRax 2003, 117 (121). 51 EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-208/00, Slg. 2002, I-9919, 9974 – Überseering, Rz. 92.

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Wille der Gesellschafter unbeachtlich bleiben soll. Im Übrigen wird man annehmen müssen, dass jeder auf eine Verlegung des Verwaltungsund/oder Satzungssitzes zielende Beschluss zumindest konkludent zum Ausdruck bringt, dass die Gesellschaft (am neuen Sitz) weitergeführt werden soll.

2. Verlegung des Verwaltungssitzes Gibt es die Gründe für eine ex lege-Auflösung der Gesellschaft bei Verlegung des Verwaltungssitzes, wenn und soweit das überkommene deutsche Kollisionsrecht (im Zusammenspiel mit ausländischem Kollisionsrecht beim renvoi) der Verlegung des Verwaltungssitzes in das Ausland keine Bedeutung beimisst52, also aus der Sicht des Kollisionsrechts gerade das Kontinuitätsinteresse geschützt wird? Das Interesse an der Durchsetzung deutscher Sachnormzwecke – Stichworte wären Mitbestimmung, Gläubigerschutz, Schutz der Minderheitsgesellschafter – kann hier eine Auflösung schon deshalb nicht rechtfertigen, weil die Gesellschaft ja weiterhin eine Gesellschaft unter deutschem Recht bleiben kann. Bei Großfeld findet sich der Hinweis, dass die Verlegung des Verwaltungssitzes in das Ausland eine Verlegung der Gesellschaft „in ein anderes wirtschaftliches, rechtliches, kulturelles und politisches Umfeld“ bedeute53. Dies wird mit der – uns schon vertrauten – Überlegung ergänzt, dass die juristische Person die Schöpfung einer Rechtsordnung sei, von deren Grundlage sich die juristische Person löse, wenn sie ihren Verwaltungssitz in einen anderen Staat verlege54. Großfeld vermag frei_________ 52 S. oben im Text nach Fn. 14. 53 Großfeld in Staudinger (Fn. 10), IntGesR Rz. 610, 629; dieses Argument wird zustimmend zitiert von Ebenroth in MünchKomm BGB, Band 7, 1983, Nach Art. 10 Rz. 183. Aus der rechtskulturellen Dimension des internationalen Gesellschaftsrechts ziehen Großfeld/Beckmann, ZVglRWiss 91 (1992), 351, 352– 353, die Konsequenz, dass Deutschland als ein Staat „in Europas Mitte … (ohne) natürliche Grenzen, … (sich) … „um die Eigenständigkeit seiner Rechtskultur besonders bemühen (muss, um) eine Überflutung mit ausländischen Rechtsvorstellungen (zu) verhindern. Es will und muss gesellschaftsrechtlich „Herr im eigenen Haus“ bleiben, muss einen gesellschaftsrechtlichen „Flickenteppich“ vermeiden“. Mit den Zwecken und Zielen der Niederlassungsfreiheit hat dieser Ansatz freilich nicht viel zu tun. 54 Großfeld in Staudinger (Fn. 10), IntGesR Rz. 617. Ergänzend heißt es, dass zudem niemand wisse, ob die Rückverweisung auf deutsches Recht von Bestand sei, vgl. ebenda Rz. 629.

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lich weder hinreichend zu erklären noch rechtlich zu begründen, warum das „sich ändernde Umfeld“ überhaupt Rechtsfolgen und noch dazu so drastische zeitigen soll, wenn sich an der grundsätzlichen Anwendbarkeit deutschen Sachrechts überhaupt nichts ändert. Zumindest reicht dafür die Behauptung nicht aus, dass sich eine juristische Person von ihrer Grundlage löst, wenn sie ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegt, zumal diese Ableitung den Staaten, die der Gründungstheorie folgen, völlig fremd zu sein scheint. Sucht man nach überzeugenden Gründen für eine ex lege-Auflösung der Gesellschaft bei Wegzug, könnte ein relevanter Gesichtspunkt darin liegen, dass durch die Verlegung (nur) des Verwaltungssitzes die Durchsetzung der Forderungen der (Alt-)Gläubiger im Zivilverfahren erschwert wird. Hier gilt kurz gefasst das Folgende: § 17 Abs. 1 ZPO bestimmt nicht nur die örtliche, sondern aufgrund des doppelfunktionalen Charakters55 der Norm auch die deutsche internationale Zuständigkeit (soweit diese nicht von der VO Nr. 44/200156 verdrängt wird). Gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist primär auf den Satzungssitz abzustellen und nur hilfsweise (Satz 2) auf den Ort, an dem die Verwaltung geführt wird57. Prozessuale Nachteile entstehen für die Gläubiger daher nicht, solange nicht auch der Satzungssitz in das Ausland verlegt wird. Im Anwendungsbereich der VO Nr. 44/2001 besteht der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten an dessen Wohnsitz (Art. 2 Abs. 1 VO), bei juristischen Personen und Gesellschaften (gem. Art. 60 Abs. 1 lit. a)–c) VO) alternativ an deren Satzungssitz, Ort der Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung. Auch nach europäischem Prozessrecht ergeben sich damit für die Gläubiger keine Nachteile. Schließlich mag man auch an die Vollstreckung denken. Da aber die Verlegung des Verwaltungssitzes nicht notwendig mit einer Verlagerung von wesentlichen Vermögensmassen ins Ausland einhergeht, ist insoweit keine Gläubigerbenachteiligung gegeben. Im Rahmen des Anwendungsbereichs der VO Nr. 44/2001 (und des Luganer Übereinkommens) ist zudem für eine erleichterte Vollstreckbarkeit in den anderen Mitgliedstaaten gesorgt. _________ 55 Dazu allgemein BGHZ 44, 46, 47. 56 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000, ABl. 2001 L 12/1. 57 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl. 2002, Rz. 251; Putzo in Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl. 2004, § 17 Rz. 3; Vollkommer in Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 17 Rz. 3.

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3. Verlegung des Satzungssitzes Es ist weitgehend konsentiert, dass die Verlegung des Satzungssitzes zur Auflösung der Gesellschaft führen soll. Knobbe-Keuk spricht in diesem Zusammenhang von einer „Nationalitätsänderung“ und – uns nun schon ganz vertraut – davon, dass sich die Gesellschaft aus der Rechtsordnung löse, der sie ihre Existenz als Rechtsperson verdanke58. Damit wird ein vor allem auch in der Rechtsprechung verankerte Gedanke59 aufgegriffen, wonach eine Gesellschaft – in Parallele zur Staatsangehörigkeit natürlicher Personen – eine Nationalität habe und die entscheidende Verknüpfung mit dem deutschen Staat im inländischen Satzungssitz liege. Ob die Zuordnung einer Nationalität an die Gesellschaft in unserem Zusammenhang wirklich hilfreich ist, erscheint eher zweifelhaft. Entscheidend ist vielmehr: Die Verlegung des Satzungssitzes in das Ausland kann überhaupt nur dann von Bedeutung sein, wenn deutsche juristische Personen über einen inländischen Satzungssitz verfügen müssen. Und dies ist zumindest für die Kapitalgesellschaften deutschen Rechts aufgrund gesetzlicher Vorgaben der Fall. Erst mit der Eintragung in das Handelsregister beim zuständigen Registergericht entsteht die juristische Person. Die Zuständigkeit des Registergerichts für die Eintragung von Satzungsänderungen etc. gründet sich auf den (inländischen) Satzungssitz der Gesellschaft. Eine Verlegung des Satzungssitzes in das Ausland entzieht dem Registergericht die Zuständigkeit (z. B. § 7 Abs. 1 GmbHG): Mit dem Satzungssitzwechsel werden die Regelungszwecke, die mit der Registereintragung und Registerführung verbunden sind, in Frage gestellt. Insoweit ließe sich daher durchaus auch an eine Auflösung der Gesellschaft als Konsequenz denken, wie dies etwa auch das englische Recht kennt. Dazu bedürfte es dann aber auch der (Er-)Klärung, warum nicht die Eröffnung einer identitätswahrenden Umwandlung (dann unter gleichzeitiger Annahme eines Statutenwechsels) Vorrang haben kann60.

V. Rechtfertigung Im Folgenden ist der Rechtfertigung möglicher Beschränkungen der Wegzugsfreiheit im Einzelnen nachzugehen. _________ 58 ZHR 154 (1990), 325, 352 (S. 353: „nationalitätsändernde Sitzverlegung“). 59 BGHZ 25, 134, 144. 60 Womit sich etwa OLG Hamm, DB 1997, 1865, nicht auseinandersetzt.

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1. Verlegung des Verwaltungssitzes a) Kollisionsrecht: Statutenwechsel Keine Probleme wirft das derzeitige deutsche Kollisionsrecht für den Fall auf, dass das Kollisionsrecht des neuen Sitzstaats einen renvoi auf deutsches Recht vorsieht, da die Verlegung des Verwaltungssitzes hier nicht zu einem Statutenwechsel führt. Nimmt dagegen der Zuzugsstaat die Verweisung auf sein Recht an, erscheint der damit verbundene Statutenwechsel problematisch. Ein Statutenwechsel kann für Gesellschaft und Gesellschafter im Hinblick auf die Änderungen in der Binnenorganisation der Gesellschaft Nachteile mit sich bringen, die diese davon abhalten mögen, den Verwaltungssitz in das Ausland zu verlegen61. Damit liegt eine „Beschränkung“ i. S. v. Art. 43 EG vor, da die Regelung die Ausübung der Niederlassungsfreiheit insoweit behindern bzw. weniger attraktiv machen kann62. Eine Rechtfertigung durch das Allgemeininteresse stößt bei dem an die Verlegung des Verwaltungssitzes geknüpften Statutenwechsel auf ein nahezu unüberwindliches Problem: Alle Freiheiten stellen Anforderungen an die Klarheit und Transparenz der beschränkenden Regelungen, die mit der Ausübung der Freiheiten verknüpft werden. Der Gerichtshof hat etwa hinsichtlich eines Genehmigungserfordernisses klargestellt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung für die Antragsteller klar sein müssten, damit sich diese nicht davon abhalten ließen, ihr Vorhaben zu betreiben63. Und im Überseering-Urteil findet sich der beiläufige Hinweis, dass es den beteiligten Parteien (Gesellschaft und Gesellschafter) nicht klar sein konnte, ob deutsche Gerichte im gegebenen Fall von einem Statutenwechsel ausgehen würden64. Im Hinblick auf die gravierenden Kon_________ 61 Auch wer diese Hemmnisse als geringfügig einschätzt, sei daran erinnert, dass die Niederlassungsfreiheit auch vor geringfügigen Eingriffen geschützt wird; EuGH v. 11.3.2004 – Rs C-9/02 – de Lasteyrie du Saillant, Rz. 43, RIW 2004, 392. 62 Vgl. zum Beschränkungsbegriff bei Art. 43 EG z. B. EuGH v. 17.10.2002 – Rs C-79/01, Slg. 2002, I-8923, 8950 – Payroll Data, Rz. 13. 63 EuGH v. 22.1.2002 – Rs C-390/99, Slg. 2002, I-607, 656 – Canal Satélite Digital, Rz. 41; EuGH v. 20.2.2001 – Rs C-205/99, Slg. 2001, I-1271, 1313 – Analir, Rz. 38; zuletzt zu Art. 12 EG: EuGH v. 20.3.2004 – Rs C-138/02 – Collins, Rz. 72, mit der Forderung nach „klaren und im Voraus bekannten Kriterien“. 64 Rz. 63–64.

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sequenzen, die ein Statutenwechsel für die Rechtsverhältnisse in der Gesellschaft mit sich bringen mag, wird man diese Rechtsprechung auf unsere Problematik übertragen und die Mitgliedstaaten als verpflichtet ansehen müssen, die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Statutenwechsel im internationalen Gesellschaftsrecht in klarer Weise festzulegen. Schon die Bestimmung des Verwaltungssitzes bei Gründung einer Gesellschaft kann Schwierigkeiten aufwerfen. Angesichts der großen Unklarheiten, die sich mit der Fortdauer des Verwaltungssitzes in Deutschland und seiner Verlegung verbinden65, ist davon auszugehen, dass die Verwendung dieses Kriteriums für Zwecke des Statutenwechsels nicht nur eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit darstellt, sondern dass das Kriterium auch nicht den Anforderungen entspricht, die an eine Regelung zu stellen sind, die vom Allgemeininteresse gerechtfertigt werden kann. Der deutsche Gesetzgeber steht unter der Verpflichtung, klare Regeln zu schaffen; unterlässt er dies, darf dies die Wahrnehmung der unmittelbar anwendbaren Wegzugsfreiheit nicht beeinträchtigen. Da der vom deutschen Kollisionsrecht vorgesehene Statutenwechsel nicht von hinreichend klaren Kriterien abhängt und insoweit nicht mit Art. 43, 48 EG vereinbar ist, bleibt es bei der (möglichen) Verlegung des Verwaltungssitzes in einen anderen EU-Staat bei der Anwendung deutschen Rechts auf die Gesellschaft (unter Ausschluss eines Statutenwechsels) auch dann, wenn das (mögliche) Zuzugsland der Sitztheorie folgt66.

b) Sachrecht: Auflösung Die für das deutsche Gesellschaftsrecht behauptete Auflösung der Gesellschaft bei Verlegung des Verwaltungssitzes in einen anderen EU(oder EWR-)Staat erweist sich als die denkbar schwerwiegendste (und zudem auch: diskriminierende) Beeinträchtigung der Wegzugsfreiheit: Sie stellt nichts anderes dar als ein Verbot der Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit, das deshalb eine besonders sorgfältige Prüfung des verfolgten Allgemeininteresses und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verlangt. _________ 65 Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 233 ff.; OLG München, NJW 1986, 2197, 2198. 66 Das Zuzugsland hat die nach deutschem Recht gegründete Gesellschaft anzuerkennen.

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Ist bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes in das Ausland aufgrund der Einwirkung der Niederlassungsfreiheit davon auszugehen, dass die Gesellschaft weiterhin deutschem Recht unterliegt, werden – wie oben angedeutet – die im deutschen Sachrecht verfolgten Regelungsziele sichergestellt (Mitbestimmung, Gläubigerschutz, Schutz der Minderheitsgesellschafter). Da die Gesellschaft bei fortbestehendem Satzungssitz weiterhin in Deutschland verklagt werden kann, ist auch die Durchsetzung des Gläubigerschutzes gewährleistet. Für die Führung von Organstreitigkeiten, die Klage auf Auflösung etc. besteht aufgrund von Art. 22 Nr. 2 VO Nr. 44/2001 (abweichend von Art. 60) eine ausschließliche internationale Zuständigkeit am Sitz der Gesellschaft, wobei sich der Sitz nach dem Internationalen Privatrecht des in Anspruch genommenen Gerichts richtet (Satz 2). Art. 22 Nr. 2 VO Nr. 44/2001 ist Ausdruck des Kompromisses zwischen „Sitz-“ und „Gründungstheorie“. Da das deutsche Kollisionsrecht in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung die Verlegung des Verwaltungssitzes in einen anderen EU- oder EWR-Staat als irrelevant ansehen muss, für die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft also weiterhin das Recht des bei der Gründung maßgeblichen Verwaltungssitzes gilt und die anderen Mitgliedstaaten die „deutsche“ Gesellschaft als unter deutschem Recht lebende Gesellschaft anzuerkennen haben, bleibt die (ausschließliche) internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte auch für die Streitigkeiten i. S. v. Art. 22 Nr. 2 VO Nr. 44/2001 erhalten. Dies entspricht auch der Intention der Regelung des Art. 22 Nr. 2 VO, soll doch durch sie ein Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht sichergestellt werden. Weitere Gründe, die eine Auflösung der Gesellschaft rechtfertigen könnten, werden in den einschlägigen Urteilen (die, wie gezeigt, zumeist auch die Verlegung des Satzungssitzes betreffen) nicht genannt und sind auch aus dem Schrifttum nicht erkennbar. Im Übrigen sind die von Großfeld angestellten Erwägungen bezüglich des sozialen und politischen Umfelds der Gesellschaften67 von geringer Überzeugungskraft und im Lichte der Judikatur des EuGH zu den Grundfreiheiten wenig geeignet, eine Rechtfertigung durch das Allgemeininteresse abzugeben.

_________ 67 S. oben Fn. 54.

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2. Verlegung des Satzungssitzes Die oben bereits dargelegte enge Verknüpfung von Satzungssitz, Handelsregister(-aufsicht) und konstitutiver Wirkung der Eintragung für das Entstehen der juristischen Person stellt den Rechtfertigungsgrund für eine Beschränkung der Verlegung des Satzungssitzes dar68. Insbesondere dann, wenn dem Registergericht oder der -behörde eine Rechtskontrolle (etwa im Hinblick auf Änderungen des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung) obliegt, wird man im Hinblick auf die Effektivität dieser Kontrolle annehmen können, dass sie nur gewährleistet ist, wenn das Registergericht Aufsicht (nur) über heimische Gesellschaftsformen ausübt. Die in Rz. 24 des Daily Mail-Urteils getroffene Feststellung, dass Art. 43, 48 EG nationalen Gesellschaften kein Recht gewähren, den Sitz ihrer Geschäftsleitung „unter Bewahrung ihrer Eigenschaft als Gesellschaften des Mitgliedstaats ihrer Gründung“ zu verlegen, kann auch, wie angedeutet, als Fingerzeig dahingehend gewertet werden, dass von dieser Feststellung der Wegzug unter Umwandlung in eine Gesellschaftsform des Rechts am neuen Satzungssitz unberührt bleiben soll. Für das Wegzugsland (wie für das Zuzugsland) hat dies kollisionsrechtliche wie auch sachrechtliche Konsequenzen: Kollisionsrechtlich muss ein Statutenwechsel bei Wechsel des Satzungssitzes ermöglicht werden, sachrechtlich hat der alte Sitzstaat im Rahmen seiner Förderpflicht (Art. 10 EG i. V. m. Art. 43, 48 EG)69 ein Umwandlungsregime vorgesehen, wobei die verfahrensmäßigen Vorkehrungen bei der Umwandlung am Beschränkungsverbot zu messen sind und daher dazu geeignet und erforderlich sein müssen, um legitime Allgemeininteressen zu schützen70. So erscheint es möglich, zum Schutze von Minderheitsgesellschaftern besondere Anforderungen an den Beschluss der Gesellschaf_________ 68 Dazu nachdrücklich Zimmer, BB 2000, 1361, 1362. 69 EuGH v. 28.4.1977 – Rs 71/76, Slg. 1977, 765, 777 – Thieffry, Rz. 15–18; EuGH v. 7.5.1991 – Rs C-340/89, Slg. 1991, I-2357, 2383 – Vlassopoulou, Rz. 14; Roth in Schneider/Wouters (Hrsg.), Current Issues of Cross-Border Establishment of Companies in the European Union, 1995, S. 29, 38; Behrens, ZGR 1994, 1, 23; s. auch Wouters, EBOR 1 (2000) 101, 123, 126. EuGH v. 5.10.1994 – Rs C-165/91, Slg. 1994, I-4661, 4697 – Van Munster, Rz. 32, entnimmt dem in Art. 10 EG niedergelegten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, dass bei Unterschieden zwischen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten die Behörden „alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um den Zweck des Artikels 48 EWG-Vertrag (jetzt Art. 39 EG) zu erreichen.“ 70 Zu steuerrechtlichen Gesichtspunkten vgl. zuletzt EuGH v. 11.3.2004 – Rs C-9/02, allerdings für die Auswanderung natürlicher Personen.

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terversammlung bzw. der Hauptversammlung zu stellen, mit dem die Verlegung des Satzungssitzes festgelegt wird71. Im Hinblick auf die Änderungen in der internationalen Zuständigkeit der Gerichte (bei gemeinsamer Verlegung von Satzungs- und Verwaltungssitz) wird man zum Schutze derjenigen, die im Zeitpunkt der Verlegung Gläubiger der Gesellschaft sind, ebenfalls besondere Vorkehrungen treffen dürfen. Naheliegend wäre es, eine fortdauernde Gerichtspflichtigkeit der Gesellschaft im Verhältnis zu Altgläubigern zu statuieren. Einer solchen Regelung der Mitgliedstaaten steht allerdings der Vorrang der VO Nr. 44/2001 entgegen, die ihrerseits eine solche Regelung gerade nicht kennt. Daher muss es den Mitgliedstaaten – bis zu einer evtl. Änderung der VO Nr. 44/2001 – ermöglicht werden, zum Schutze der Gesellschaftsgläubiger sichernde Maßnahmen vorzusehen72. Im Übrigen darf Deutschland den Wegzug von Gesellschaften (in sich wandelnder Rechtsform) nicht mit seinem Interesse an der Aufrechterhaltung der Mitbestimmung beschränken, da es für Gesellschaften mit Satzungssitz im (EU-, EWR-)Ausland und ausländischer Rechtsform nicht die Anwendung seines Mitbestimmungsrechts beansprucht73.

VI. Freiwillige Umwandlung Von den bisher besprochenen Problemen zu unterscheiden ist die ganz andere Frage, ob bei der Verlegung des Verwaltungssitzes Deutschland als Wegzugsstaat (Hand in Hand mit dem EU-/EWR-Zuzugsstaat) einen freiwilligen, also der Parteiautonomie unterliegenden Statutenwechsel, begleitet von Umwandlungsregelungen, kennen muss. Für den Zuzugsstaat gilt, dass eine Umwandlung in eine inländische Gesellschaftsform schon deswegen bereitgestellt werden muss, weil alles andere eine im Vergleich zu inländischen Unternehmen diskriminierende und nicht zu rechtfertigende Behandlung darstellt, die gegen Art. 43, 48 EG verstößt74. Sieht Deutschland als Wegzugsstaat seinerseits keine Umwandlungsmöglichkeit vor, stellt dies zumindest eine Beschränkung der Wegzugsfreiheit dar, da auswanderungswillige Gesellschaften und Gesellschafter an der Auswanderung gehindert werden. Ohne diese Frage _________ 71 Behrens, ZGR 1994, 1, 11. 72 Behrens, ZGR 1994, 1, 11. 73 Roth in Schneider/Wouters (Fn. 70), S. 38; ders. in Gedächtnisschrift Heinze, 2005, S. 709. 74 Roth, IPRax 2001, 117, 124.

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hier vertiefen zu können, ist davon auszugehen, dass ein auf die Wegzugsfreiheit gestützter Anspruch, einen Statutenwechsel herbeiführen zu können – erinnert sei noch einmal an die grundlegende Aussage in Rz. 16 von Daily Mail –, vom Wegzugsstaat wohl auch an die Verlegung des Satzungssitzes in das Ausland geknüpft werden darf (um für die notwendige Klarheit und Rechtssicherheit, aber auch für eine effektive Rechtsaufsicht zu sorgen). Die Beschränkung der Wegszugsfreiheit durch Verweigerung einer freiwilligen Umwandlung in eine ausländische Gesellschaftsform bei Verwaltungs- und Satzungssitzwechsel unterliegt wiederum einer Überprüfung anhand des Allgemeininteresses. Naheliegend ist hier für Deutschland das Argument, dass die Mitbestimmung (als – unterstellt – gewichtiges Allgemeininteresse) im deutschen Recht rechtsformabhängig ausgestaltet ist, die grenzüberschreitende Umwandlung damit eine Flucht aus der deutschen Mitbestimmung ermöglicht. Freilich greift diese Argumentation zu kurz: Die deutschen Mitbestimmungsregelungen müssen so ausgestaltet sein, dass sie die Wahrnehmung der Zuzugswie der Wegzugsfreiheit nicht vereiteln. Gewiss sprechen gute Gründe dafür, dass der Gesetzgeber das gegenwärtige deutsche Mitbestimmungsrecht rechtsformbezogen ausgestaltet hat und von daher nur deutsche Gesellschaftstypen erfasst. Da das Mitbestimmungsgesetz auf jede Anwendung auf Gesellschaften, die nach deutschem Kollisionsrecht ausländischem Gesellschaftsrecht unterstehen, unabhängig davon verzichtet, wie viele Arbeitnehmer in Deutschland (und im Ausland!) beschäftigt sind, ist daraus die Wertung zu entnehmen, dass das mit der Mitbestimmung verfolgte Allgemeininteresse gegenüber dem Ziel einer unverfälschten Anwendung des ausländischen Gesellschaftsrechts und einer evtl. fehlenden Effektivität (mangels Durchsetzbarkeit vor ausländischen Gerichten) zurücktreten soll. Angesichts des Verzichts des deutschen Mitbestimmungsrechts, dem ausländischen Gesellschaftsrecht unterstehende Unternehmen zu erfassen, erschiene eine Verweigerung der Umwandlung in eine ausländische Gesellschaftsform (bei Verlegung des Satzungs- und Verwaltungssitzes in das EU-Ausland) als eine in sich nicht konsistente Verfolgung des Allgemeininteresses, die sich spezifisch gegen die Wegzugsfreiheit richtet.

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H. Die Wegzugsfreiheit für Gesellschaften

VII. Zusammenfassung 1. Art. 43 EG gewährt den in Art. 48 EG umschriebenen Unternehmen ein unmittelbar anwendbares Recht, ihren Verwaltungssitz in einen anderen EU-Staat zu verlegen. 2. Ein zwangsweise vorgesehener Statutenwechsel durch das Recht des Wegzugsstaates ist für den Fall der Verlegung des Verwaltungssitzes eine Beschränkung der Wegzugsfreiheit (Art. 43, 48 EG) und kann auch nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden. Ebenso ist eine Auflösung der Gesellschaft ex lege mit Art. 43, 48 EG unvereinbar. 3. Die Mitgliedstaaten müssen die Möglichkeit eines Wechsels des Satzungssitzes vorsehen. Dieser Wechsel kann mit einem Statutenwechsel verbunden werden; dabei ist eine Umwandlungsregelung bereitzustellen. Eine Auflösung der Gesellschaft ist unzulässig. 4. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, eine grenzüberschreitende Umwandlung für Unternehmen vorzusehen, die anlässlich der Verlegung des Verwaltungssitzes freiwillig eine solche Umwandlung vornehmen wollen.

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J. Zuzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften im Steuerrecht Harald Schaumburg Inhaltsübersicht I. Einführung ............................ 403 II. Dogmatische Grundlagen .... 405 1. Steuerliche Gewinnrealisierung ........................... 405 2. Steuerliche Verlustrealisierung ........................... 407 3. Steuerrechtliche Legitimation des Realisationsprinzips ....... 408 4. Steuerliche Durchbrechungen des Realisationsprinzips ....... 409 a) Gewinnrealisierung ohne Besteuerung ....................... 409 b) Besteuerung ohne realisierte Wertzuwächse . 410 III. Zuzug von Kapitalgesellschaften ................................. 411 1. Besteuerung auf Gesellschaftsebene .......................... 411 a) Subjektqualifikation ......... 411

b) Zuzugsbedingte Betriebsstättenbesteuerung ............ 414 2. Besteuerung auf Gesellschafterebene ......................... 416 IV. Wegzug von Kapitalgesellschaften ................................. 1. Besteuerung auf Gesellschaftsebene .......................... a) Subjektqualifikation .......... b) Wegzugsbedingte Schlussbesteuerung ........................ aa) Wegzug einer Inlandsgesellschaft .................. bb) Wegzug einer Auslandsgesellschaft .. 2. Besteuerung auf Gesellschafterebene .........................

419 419 419 421 421 426 427

V. Ausblick ................................ 430

I. Einführung Der Zuzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften ist ein Problemfeld der grenzüberschreitenden Gewinnrealisierung. Diese im außensteuerlichen Kontext bestehenden Gewinnrealisierungsprobleme werden seit vielen Jahren insbesondere im Schrifttum1 kontrovers diskutiert. Eine klare Linie ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht erkennbar. Auch der Gesetzgeber hat bislang nicht reagiert. Es fehlt überhaupt an einer gesetzgeberischen Konzeption, aus der Orientierungsmaßstäbe _________ 1 Vgl. die Literaturübersicht bei Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl. 1998, Rz. 5.378; zur grenzüberschreitenden Gewinnrealisierung bei Betriebsstätten, Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl. 2002, S. 621 ff.

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für die Lösung grenzüberschreitender Gewinnrealisierungsprobleme gewonnen werden könnten. Dieses normativ-konzeptionelle Defizit hat weit reichende Folgen, weil insbesondere mit grenzüberschreitenden Sitzverlegungen nicht selten ein Export stiller Reserven verbunden ist, der einen endgültigen Verlust von inländischem Steueraufkommen bewirkt. Im Hinblick auf die fortschreitende Internationalisierung der deutschen Wirtschaft bleibt der Gesetzgeber aufgefordert, einen allgemein verbindlichen grenzüberschreitenden Gewinnrealisierungstatbestand zu normieren2, der den Zuzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften gleichermaßen betrifft. Nur so kann die weit verbreitete Rechtsunsicherheit über die Rechtsfolgen grenzüberschreitender Tätigkeiten vermieden werden. Freilich werden bei einer zu erarbeitenden gesetzgeberischen Konzeption die gegen eine steuerwirksame grenzüberschreitende Gewinnrealisation gerichteten Schrankenwirkungen zu berücksichtigen sein: Insbesondere ergibt sich aus dem verfassungsrechtlich abgesicherten Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, dass in dem hier interessierenden Zusammenhang eine steuerwirksame grenzüberschreitende Gewinnrealisierung allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer ultima ratio-Besteuerung zulässig ist. Darüber hinaus bleibt auch auf Grund der europarechtlichen Grundfreiheiten3 eine durch grenzüberschreitenden Zuzug und Wegzug ausgelöste Besteuerung versagt, so lange entsprechende Sitzverlegungen im Inland ohne steuerliche Folgen bleiben. Diese europarechtlichen Schranken sind für den Zuzug durch die Entscheidungen des EuGH in Sachen Centros4, Überseering5 und Inspire Art6 und für den Wegzug von Kapitalgesellschaften durch die jüngste Entscheidung des EuGH in der Sache Hughes de Lasteyrie du Saillant7 deutlich geworden.

_________ 2 Hierzu schon Tipke, Steuerrecht, 1. Aufl. 1993, S. 199. 3 Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 39 ff. EG); Niederlassungsfreiheit der Selbstständigen (Art. 49 ff. EG), Dienstleistungsfreiheit (Art. 43 ff. EG), Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit (Art. 56 ff. EG). 4 EuGH v. 9.3.1999 – Rs C-212/97, EuGHE 1999, I-1459. 5 EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-208/00, BB 2002, 2402. 6 EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, BB 2003, 2195. 7 EuGH v. 11.3.2004 – Rs C-9/02, GmbHR 2004, 504.

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Im Wesentlichen geht es in Zuzugsfällen − um die Verlegung der Geschäftsleitung8 in das Inland unter Beibehaltung des ausländischen Satzungssitzes und in Wegzugsfällen um die − Verlegung der Geschäftsleitung in das Ausland unter Beibehaltung des inländischen Satzungssitzes9. In beiden Fallgruppen wird nach herrschender Ansicht bislang eine Gewinnrealisation sowohl auf Gesellschafts- als auch auf Gesellschafterebene angenommen. Im Hinblick auf die vorgenannten Entscheidungen des EuGH bedarf es insoweit einer kritischen Überprüfung. Hierfür ist zunächst eine Klärung der für die grenzüberschreitende Gewinnrealisierung maßgeblichen dogmatischen Grundlagen des nationalen Rechts erforderlich.

II. Dogmatische Grundlagen 1. Steuerliche Gewinnrealisierung Die durch den Zuzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften ausgelöste grenzüberschreitende Gewinnrealisierung der den betreffenden Gesellschaften gehörenden Wirtschaftsgüter findet wie die Gewinnrealisierung überhaupt ihre Wurzel im Realisationsprinzip, das dem Bilanzsteuerrecht konzeptionell zu Grunde liegt. Nach diesem Realisationsprinzip dürfen nur realisierte Gewinne ausgewiesen werden, so dass bloße Wertsteigerungen ruhender Vermögensgegenstände nicht erfasst werden10. Das Realisationsprinzip, das zu den materiellen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung gehört, ist im § 5 _________ 8 Der Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) ist der Ort, an dem der Geschäftsleitungswille gebildet wird (BFH v. 16.12.1998, BStBl. 1999 II, 437; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Loseblatt, § 10 AO Rz. 1). Insofern ist er nicht stets identisch mit dem Verwaltungssitz im Sinne des IPR, mit dem der Ort bezeichnet wird, an dem der Geschäftsleitungswille umgesetzt wird (BGH v. 21.3.1986, BGHZ 97, 269, 272; Triebel, BB 2003, 2409). 9 Vgl. § 11 AO. 10 Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 letzter Halbsatz HGB.

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Abs. 1 Satz 111 EStG verankert, wonach der für die Ermittlung des Gewinns maßgebliche Betriebsvermögensvergleich von den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung abhängig gemacht wird. Über § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG wird damit für das Bilanzsteuerrecht das handelsrechtliche System ordnungsmäßiger Buchführung und damit zugleich auch das Realisationsprinzip rezipiert. Im Hinblick darauf basiert der für die Besteuerung maßgebliche Gewinn auf dem Normensystem der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, das sich in den formellen und materiellen Grundsätzen auch für Zwecke des Steuerrechts konkretisiert. Dieses Realisationsprinzip, das eine Konkretisierung des Vorsichtsprinzips12 ist, bedeutet, dass eine Gewinnrealisierung nicht schon bei bloßer Wertsteigerung, sondern erst dann eintritt, wenn eine Außentransaktion erfolgt, wenn also der Unternehmer eine Lieferung oder sonstige Leistung gegenüber Dritten erbringt. Der vorstehende Grundsatz gilt nicht nur für Einzeltransaktionen, also etwa für die Veräußerung einzelner zu einem steuerlichen Betriebsvermögen gehörender Wirtschaftsgüter, sondern auch für Gesamttransaktionen, etwa für die Veräußerung von Unternehmen oder Unternehmensteilen. Dieses Realisationsprinzip ist aber nicht mehr als ein Grundsatz mit wichtigen steuerspezifischen Ausnahmen. Hierzu gehören insbesondere jene Normen, die auf die vollständige steuerliche Erfassung stiller Reserven gerichtet sind. Sie ermöglichen auch ohne Transaktion eine steuerliche Abrechnung der stillen Reserven zu dem Zeitpunkt, zu dem Wirtschaftsgüter und Unternehmen aus der steuerlich relevanten Erwerbssphäre ausscheiden. Eine derartige ultima ratio-Besteuerung verwirklichen insbesondere − − − − −

Entnahme (§§ 4 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG), Betriebsaufgabe (§§ 14, 14a Abs. 3, 16 Abs. 3, 18 Abs. 3 EStG), Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland (§ 12 KStG), Wechsel zur Steuerbefreiung (§ 13 Abs. 6 KStG), Wegzug (§ 21 Abs. 2 UmwG, § 6 AStG).

Steuerspezifische Modifikationen des Realisierungsprinzips enthalten jene Vorschriften, die, obwohl ein Gewinnrealisierungstatbestand gegeben ist, auf eine steuerliche Erfassung der stillen Reserven verzichten. _________ 11 Über § 8 Abs. 1 KStG gilt diese Vorschrift auch für Kapitalgesellschaften. 12 Ableitung aus § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB.

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Es geht hierbei um Transaktionen, bei denen die Besteuerung der stillen Reserven durch eine Buchwertverknüpfung sichergestellt ist. Die dem Prinzip der Buchwertverknüpfung13 folgenden Normen betreffen − unentgeltliche Übertragungen (§ 6 Abs. 3 EStG), − Betriebsvermögenstransfer (§ 6 Abs. 5 EStG) und − Umwandlungen (UmwStG). Die (steuerneutrale) Umwandlung ohne Gewinnrealisierung steht durchweg unter Entstrickungsvorbehalt, so dass die Buchwertverknüpfung nur dann möglich ist, wenn die Besteuerung der transferierten stillen Reserven weiterhin gewährleistet bleibt. Diese Entstrickungsklauseln bewirken im Ergebnis eine Rückführung auf das grundlegende Prinzip der steuerlichen Gewinnrealisierung. Zu diesen Normen zählen z. B. §§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 20 Abs. 3 UmwStG. Das Realisationsprinzip erfährt schließlich aber auch in jenen Fällen eine steuerspezifische Modifikation, in denen zwar steuertechnisch an eine Gewinnrealisierung angeknüpft, die Besteuerung der stillen Reserven aber aufgeschoben wird. Zu diesem Normenkreis zählen §§ 6b, 6d EStG14. Trotz Gewinnrealisierung wird ein Steuerverzicht schließlich bei der Veräußerung von Beteiligungen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften (§ 8b Abs. 2 KStG) ausgesprochen.

2. Steuerliche Verlustrealisierung Während beim Betriebsvermögensvergleich in Anknüpfung an die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung nach Maßgabe des Realisationsprinzips Gewinne grundsätzlich erst bei Außentransaktionen auszuweisen sind, werden Verluste dagegen schon vor der Realisierung berücksichtigt: Das Imparitätsprinzip15 gebietet, Risiken und Verluste bereits dann zu berücksichtigen, wenn sie noch nicht realisiert sind. Diese vorgelagerte Verlustberücksichtigung entspricht ebenso wie das Realisationsprinzip dem Vorsichtsprinzip. Im Hinblick _________ 13 Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl. 2002 , § 9 Rz. 405; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. 1993, 786 ff. 14 Ferner die gewohnheitsrechtlich anerkannte Rücklage für Ersatzbeschaffung (vgl. R 35 Abs. 1, 4 EStR). 15 § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB.

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darauf hat auch das Imparitätsprinzip Geltung bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gem. §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG. Das Imparitätsprinzip ist insbesondere für den Bereich der Rückstellungen durch zahlreiche Ausnahmen durchsetzt. Gem. § 5 Abs. 3–5 EStG wird die Bildung von Rückstellungen für steuerliche Zwecke entweder eingeschränkt oder überhaupt nicht anerkannt.

3. Steuerrechtliche Legitimation des Realisationsprinzips Das über § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG für das Steuerrecht rezipierte Realisationsprinzip beruht zwar auf dem handelsrechtlichen Normensystem der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, es erfährt aber auch eine spezifisch steuerrechtliche Legitimation durch das Fundamentalprinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sowie durch das Übermaßverbot. Hiernach ist eine Besteuerung nicht realisierter Wertzuwächse grundsätzlich nicht gerechtfertigt: Steuerliche Leistungsfähigkeit setzt stets Liquidität für die Steuerzahlung voraus16, und das Übermaßverbot17 gebietet eine vorsichtige Besteuerung, d. h. eine Besteuerung nur des liquiden Einkommens18. Für den steuerlichen Betriebsvermögensvergleich ergibt sich hieraus, dass nur fundiertes Vermögen, also nur im Bestand gefestigtes Vermögen einbezogen wird. Die Gefahr falscher Bewertung nicht realisierten Vermögenszuwachses wird hierdurch vermieden19. Das Realisationsprinzip harmonisiert ebenso wie das Imparitätsprinzip im Übrigen auch mit dem für das Einkommensteuerrecht maßgeblichen Markteinkommenskonzept, wonach grundsätzlich nur das erwirtschaftete, am Markt realisierte Einkommen der Besteuerung zugeführt wird20. Im Ergebnis wird damit eine Besteuerung frei von Substanzsteuereffekten gewährleistet. _________ 16 Lang in Tipke/Lang (Fn. 13), § 4 Rz. 103. 17 Das Übermaßverbot ergibt sich als übergreifende Leitregel aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten, insbesondere aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG; hierzu Lang in Tipke/Lang (Fn. 13), § 4 Rz. 209 ff. 18 Lang in Tipke/Lang (Fn. 13), § 9 Rz. 404. 19 Zu Einzelheiten Pezzer, Bilanzierungsprinzipien als sachgerechte Maßstäbe der Besteuerung, in Doralt (Hrsg.), Probleme des Steuerbilanzrechts, 1991, S. 3 ff., 22 ff. 20 Zu Einzelheiten Lang in Tipke/Lang (Fn. 13), § 4 Rz. 109, § 9 Rz. 52; Pezzer, Bilanzierungsprinzipien als sachgerechte Maßstäbe der Besteuerung, in Doralt (Fn. 19), S. 3 ff., 22 ff.

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4. Steuerliche Durchbrechungen des Realisationsprinzips a) Gewinnrealisierung ohne Besteuerung Eine Besteuerung trotz Gewinnrealisierung unterbleibt in jenen Fällen, in denen ausnahmsweise kein am Markt erwirtschaftetes Einkommen erzielt wird. In diesen Fällen wird das Realisationsprinzip in Ausrichtung an das Leistungsfähigkeitsprinzip und das Übermaßverbot zurückgenommen. Steuertechnisch geschieht dies dadurch, dass entweder eine Gewinnrealisierung durch das Gebot der Buchwertfortführung vermieden (Steueraufschub) oder aber an eine erfolgte Gewinnrealisierung keine Steuerfolge geknüpft wird (Steuerverzicht). Im Hinblick darauf sind etwa der steuerneutrale Betriebsvermögenstransfer sowie der steuerneutrale Transfer anderer Wirtschaftsgüter nach Maßgabe des UmwStG, § 6b EStG (Übertragung stiller Reserven bei der Veräußerung bestimmter Anlagegüter) sowie R 35 Abs. 1, 4 EStR (Rücklage für Ersatzbeschaffung) gerechtfertigt: Diese Vermögensübergänge sind nicht auf Gewinnerzielung gerichtet, sondern dienen der Erhaltung der Erwerbsgrundlagen, so dass kein Markteinkommen erzielt wird. Die gleiche Teleologie liegt auch dem in den §§ 6 Abs. 5, 16 Abs. 3 Satz 2 EStG verankerten Steuerregime zu Grunde, wonach insbesondere der Betriebsvermögenstransfer zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen zu Buchwerten, also ohne Gewinnrealisation zu erfolgen hat. Soweit schließlich § 6 Abs. 3 EStG für den unentgeltlichen Betriebsvermögenstransfer eine Gewinnrealisierung ausschließt, obwohl hierdurch eine intersubjektive Übertragung stiller Reserven erfolgt, geht es darum, Zuwendungsvorgänge aus dem durch Außentransaktionen geprägten Markteinkommen auszugrenzen. Diese in § 6 Abs. 3 EStG verankerte Buchwertfortführung ist unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten gerechtfertigt. Gerechtfertigt ist auch die Steuerbefreiung gemäß § 8b Abs. 2 KStG, wonach Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften grundsätzlich von deutscher Körperschaftsteuer freigestellt werden21. § 8b Abs. 2 KStG dient nämlich der Ver_________ 21 Gem. § 8b Abs. 3 KStG gelten allerdings 5 v. H. des Gewinns als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben; weitere Einschränkungen gem. § 8b Abs. 7, 8 KStG.

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meidung der Doppel- und Mehrfachbesteuerung, womit zugleich dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprochen wird.

b) Besteuerung ohne realisierte Wertzuwächse22 Dem am Leistungsfähigkeitsprinzip und am Übermaßverbot ausgerichteten Realisationsprinzip, wonach nicht realisierte Wertzuwächse nicht erfasst werden, sind allerdings in den Fällen Grenzen gesetzt, in denen eine Besteuerung später nicht mehr möglich ist. Hier ist vorbehaltlich europarechtlicher Restriktionen ein steuerlicher Zugriff auf stille Reserven auch ohne transaktionsbedingte Gewinnrealisierung gerechtfertigt. Eine Nichtbesteuerung wäre jedenfalls mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip unvereinbar. Eine derartige ultima ratio-Besteuerung erfolgt demgemäß insbesondere bei Entnahme23 und bei Betriebsaufgabe24 und beim Wechsel zur Steuerbefreiung25. In den vorgenannten Fällen wird normativ sichergestellt, dass die stillen Reserven im letzten noch möglichen Zeitpunkt für steuerliche Zwecke abgerechnet werden (Steuerentstrickung). Zu den Normen, die eine Besteuerung stiller Reserven ohne transaktionsbedingte Gewinnrealisierung aus Gründen des Wechsels des Besteuerungsregimes vorsehen, gehört auch § 4 Abs. 4 UmwStG, wonach der Übernahmegewinn bei Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften ausdrücklich der Besteuerung unterworfen wird: Hier erfolgt ein Wechsel von der Zwei-Ebenenzur Ein-Ebenen-Besteuerung26. Demgegenüber geht es im außensteuerlichen Kontext um den Wechsel in der Steuerhoheit. Die auf die Abrechnung der stillen Reserven im Sinne einer ultima ratio-Besteuerung gerichteten Normen erfassen insbesondere den Wechsel des Steuersubjekts in eine andere Steuerhoheit, also etwa den Zuzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften. Beim Zuzug geht es auf Gesellschaftsebene um die zuzugsbedingte Realisation von stillen Reserven in inländischen Betriebsstätten (§ 12 Abs. 2 Satz 2 KStG) und auf Gesellschafterebene um einen Auflösungs_________ 22 23 24 25 26

Im Sinne realisierter Vermögenszuwächse. § 4 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG. §§ 14, 14a Abs. 3, § 16 Abs. 3, § 18 Abs. 3 EStG. § 13 Abs. 6 KStG. Hierzu Schaumburg/Schumacher in Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, Anh. § 122 Rz. 3 f.

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gewinn gem. §§ 4 Abs. 1, 3; 5 Abs. 1; 17 Abs. 4 EStG bzw. § 8b Abs. 2, 5 KStG. Beim Wegzug steht die Schlussbesteuerung der Kapitalgesellschaft gem. §§ 11, 12 KStG und die Besteuerung eines Auflösungsgewinns gem. §§ 4 Abs. 1, 3; 5 Abs. 1; 17 Abs. 4 EStG bzw. § 8b Abs. 2, 3 KStG auf Gesellschafterebene im Vordergrund. Die Besteuerung ist in beiden Fallgruppen europarechtlichen Schrankenwirkungen ausgesetzt.

III. Zuzug von Kapitalgesellschaften 1. Besteuerung auf Gesellschaftsebene a) Subjektqualifikation Verlegen nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaften ihre Geschäftsleitung in das Inland, so werden sie hierdurch unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind gem. § 1 Abs. 1 KStG dort näher bezeichnete Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben. Aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht folgt u. a., dass das betreffende Steuersubjekt im Ausgangspunkt mit seinem gesamten Welteinkommen der deutschen Körperschaftsteuer unterliegt. Zu den Körperschaftsteuersubjekten zählen u. a. Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG) sowie nichtrechtsfähige Vereine (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG). Zu den Kapitalgesellschaften zählt § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, die AG, die KGaA sowie die GmbH, also nur Kapitalgesellschaften des deutschen Rechts, die dadurch geprägt sind, dass sie über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügen (§§ 1 Abs. 1, 278 Abs. 1 AktG; § 13 Abs. 1 GmbHG). Im Hinblick auf die bislang in Deutschland herrschende Sitztheorie wird für nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaften die Qualifikation nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG bislang mit der Begründung verneint, dass nur Kapitalgesellschaften inländischen Rechts und abgesehen davon nur rechtsfähige Rechtsträger erfasst würden, zu denen nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaften nicht zähHarald Schaumburg

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len. Demzufolge komme für derart nicht rechtsfähige Gebilde lediglich eine Qualifikation als nichtrechtsfähiger Verein i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 3 Abs. 1 KStG in Betracht27. Hiernach wird somit einer identitätswahrenden Sitzverlegung als Kapitalgesellschaft eine Absage erteilt28. Demgegenüber werden aber seit jeher nach ausländischem Recht errichtete Gesellschaften unabhängig davon, ob sie aus der Sicht der deutschen Sitztheorie rechtsfähig sind oder nicht, als Kapitalgesellschaften gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG qualifiziert, wenn sie im Rahmen eines Typenvergleichs einer deutschen Kapitalgesellschaft vergleichbar sind. Der Typenvergleich bezieht sich hierbei auf die nach dem ausländischen Gesellschaftsrecht vorgegebene Struktur des ausländischen Rechtsträgers. Es muss sich mithin um ein verbandsrechtlich strukturiertes Gebilde handeln29. Zwar sind nach beiden Ansichten nach ausländischem Recht errichtete Gesellschaften unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, die Qualifikation als nichtrechtsfähiger Verein einerseits oder als Kapitalgesellschaft andererseits hat aber weit gehende Bedeutung für die Anwendung von Folgevorschriften, soweit diese nur für Kapitalgesellschaften gelten30. Die hierdurch entstandenen Anwendungsprobleme hat man in der Vergangenheit dadurch zu lösen versucht, dass zwischen § 1 Abs. 1 KStG einerseits und den übrigen Normen, insbesondere des Körperschaftsteuerrechts andererseits, eine Qualifikationsverkettung mit dem Ziel verneint wurde, eine am Leistungsfähigkeitsprinzip orientierte und damit eine belastungsgleiche Besteuerung von Kapitalgesellschaften in- und ausländischen Rechts sicherzustellen31. Die Qualifikation einer nach ausländischem Recht errichteten Gesellschaft als Kapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG) für den Fall, dass _________ 27 BFH v. 23.6.1992 – XI R 182/87, BStBl. 1992 II, 972; Abschn. 2 Abs. 1 Satz 9 KStR. 28 Anders gem. Art. 8 SE-VO, wonach eine ausländische SE identitätswahrend zuziehen kann. 29 So die traditionelle Rechtsprechung: RFH v. 12.12.1930, RStBl. 1930, 444; BFH v. 17.7.1968, BStBl. 1968 II, 695; BFH v. 6.11.1980, BStBl. 1981 II, 222; BFH v. 3.2.1988 – I R 134/84, BStBl. 1988 II, 588; BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. 1999 II, 437; Wassermeyer, DStJG 20 (1997), 86. 30 So z. B. § 8a KStG (Gesellschafterfremdfinanzierung), § 11 KStG (Liquidationsbesteuerung), § 27 KStG (Steuerliches Einlagekonto), § 14 UmwStG (Formwechsel), §§ 20, 22 UmwStG (Einbringung); hierzu Deininger, IStR 2003, 214 ff. (215). 31 Schaumburg (Fn. 1), Rz. 6.23.

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das ausländische Rechtsgebilde dem Typus einer deutschen Kapitalgesellschaft entspricht, ist nach Maßgabe der Entscheidungen des EuGH in Sachen Centros, Überseering und Inspire Art nunmehr zwingend geboten32: Deutschland muss als Zuzugsstaat die Rechtsfähigkeit zuziehender Gesellschaften anerkennen, wenn sie diese im Wegzugsstaat wirksam erlangt und durch Wegzug nicht verloren haben. Das bedeutet aber nicht, dass diese zuziehenden Gesellschaften auch als Kapitalgesellschaften qualifiziert werden müssen, nur weil sie nach Maßgabe des ausländischen Rechts so organisiert sind. Im Hinblick darauf bleibt ein Typenvergleich vorbehalten, der freilich im EU-Bereich in aller Regel zu keiner abweichenden Qualifikation führt33. Die Anerkennung der Rechtsfähigkeit gilt unabhängig davon, ob die zuziehende Gesellschaft im Ausland unter der Herrschaft der Sitz- oder Gründungstheorie errichtet worden ist. Der EuGH hat zwar das Gebot der rechtlichen Anerkennung nur für zugezogene Gesellschaften begründet, die nach den Regeln der Gründungstheorie34 errichtet worden sind. Hieraus wird gefolgert, dass in Anknüpfung an die rechtsfähigkeitsorientierte Subjektqualifikation35 Gesellschaften, die in Drittstaaten und in EU-Staaten, in denen die Sitztheorie gilt36, unverändert als nicht rechtsfähige Vereine (§§ 1 Abs. 1 Nr. 5, 3 Abs. 1 KStG) einzustufen seien37. Eine derart unterschiedliche Qualifikation ist freilich mit der an der Leistungsfähigkeit orientierten Besteuerung unvereinbar38 und zudem den Schrankenwirkungen etwa des deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrages39 und der abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbote40 ausgesetzt. Eine steuerlich unterschiedliche Qualifikation scheidet daher aus. Im Hinblick auf die vorgenannte EuGH-Rechtsprechung und in Orientierung an dem Gebot gleichmäßiger Besteuerung nach der Leistungs_________ 32 Rengers in Blümich, EStG/KStG/GewStG, Loseblatt, § 1 KStG Rz. 142 f.; Schnitger, IStR 2002, 818; Meilicke, GmbHR 2003, 793; Wagner, GmbHR 2003, 684; Sörgel, DB 1999, 2236; Schmidt/Sedemund, DStR 1999, 2057; Birk, IStR 2003, 473. 33 Hierzu Hey, Der Konzern 2004, 577 ff., 582. 34 In Großbritannien, Dänemark, Spanien und in den Niederlanden. 35 BFH v. 23.6.1992, BStBl. 1992 II, 972; Abschn. 2 Abs. 1 Satz 9 KStR. 36 Außer in Deutschland in Österreich, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Griechenland und Portugal. 37 So z. B. Rengers in Blümich (Fn. 32), § 1 KStG Rz. 142. 38 Ebenso Hey, Der Konzern 2004, 577 ff., 582. 39 Vgl. BGH v. 29.1.2003, DStR 2003, 948. 40 Vgl. BFH v. 29.1.2003, BFH/NV 2003, 969.

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fähigkeit41, ist somit § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG stets so auszulegen, dass auch Gesellschaften ausländischen Rechts ohne Rücksicht auf eine ihnen aus der Sicht des deutschen Rechts zukommenden Rechtsfähigkeit erfasst werden, wenn sie im Rahmen des maßgeblichen Typenvergleichs im Übrigen Kapitalgesellschaften deutschen Rechts entsprechen42. Hieraus folgt, dass eine zugezogene ausländische Gesellschaft gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG auch dann als Kapitalgesellschaft qualifiziert werden kann, wenn sie nach dem Recht des Gründungsstaates wegzugsbedingt die Rechtsfähigkeit verlieren und es zur Auflösung der Gesellschaft kommen sollte43. Die vorgenannte Rechtslage entspricht im Ergebnis derjenigen, die sich in Anwendung von Art. 8 Abs. 1 SE-VO44 ergibt. Hiernach kann eine ausländische SE identitätswahrend45 Satzungssitz und Ort der Geschäftsleitung in das Inland verlegen46 mit der Folge, dass die SE ohne weiteres unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG)47.

b) Zuzugsbedingte Betriebsstättenbesteuerung § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG sieht eine Betriebsstättenschlussbesteuerung für den Fall vor, dass das Vermögen der inländischen Betriebsstätte als Ganzes auf einen Anderen übertragen wird. Abgesehen von Transaktionsgewinnen wird diese Betriebsstättenschlussbesteuerung, die die Besteuerung sämtlicher stiller Reserven aller einer inländischen Betriebsstätte48 gewidmeten Wirtschaftsgüter betrifft, auch auf den Zuzug von Gesellschaften angewendet, soweit diese eine inländische Betriebsstätte unterhalten. Begründet wird dies damit, dass durch die Sitzverlegung die ausländische Gesellschaft nach der überkommenden Sichtweise der in Deutschland maßgeblichen Sitztheorie die Rechtsfähigkeit _________ 41 42 43 44 45 46 47 48

Hierzu vorstehend unter II. 3. Die Aufzählung in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ist insoweit nur beispielhaft. Das gilt bis zu einer etwaigen (vollständigen) Abwicklung der Gesellschaft. Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates v. 8.10.2001, ABl. Nr. L 294 v. 10.11.2001, S. 1. Die Rechtsfähigkeit geht nicht verloren. Nach Art. 7 SE-VO müssen Sitz und Hauptverwaltung stets im selben Mitgliedstaat liegen. Kessler/Achilles/Huck, IStR 2003, 715 ff., 719. Betriebsstätte ist nach § 12 AO jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient.

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verliere und somit nicht mehr als beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft, sondern nunmehr als unbeschränkt steuerpflichtiger nichtrechtsfähiger Verein (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG) zu qualifizieren sei. Durch die Verlegung der Geschäftsleitung in das Inland entstehe somit ein neues Körperschaftsteuersubjekt mit der Folge eines Zuordnungswechsels des inländischen Betriebsstättenvermögens49. Indessen: Dass nach der im deutschen Recht bislang noch herrschenden Sitztheorie die zugezogene Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit verliert und somit als aufgelöst zu gelten hat, ist aus der Sicht des Körperschaftsteuerrechts ohne Bedeutung, weil es für die entsprechende Subjektsqualifikation nicht darauf ankommt, ob zuzugsbedingt die Rechtsfähigkeit verloren geht50. Ergibt sich auf Grund eines maßgeblichen Typenvergleichs51, dass die ausländische Gesellschaft vor ihrem Zuzug als Kapitalgesellschaft zu qualifizieren ist, ändert sich an diesem Befund durch den Zuzug nichts. Somit tritt kein steuerlicher Rechtsträgerwechsel ein mit der Folge, dass eine Betriebsstättenschlussbesteuerung (§ 12 Abs. 2 Satz 2 KStG) unterbleibt52. Diese Sichtweise, die durch die Rechtsprechung des EuGH – Centros, Überseering, Inspire Art – bestätigt wird, findet ihre Legitimation schließlich auch darin, dass durch den Wechsel von der beschränkten in die unbeschränkte Steuerpflicht keine stillen Reserven aus dem deutschen Steuerzugriff ausscheiden, so dass schon im Ausgangspunkt eine möglicherweise sonst zu rechtfertigende ultima ratio-Besteuerung aus_________ 49 Baranowski, IWB F. 3a, Gr. 4, 331; Oppermann, DB 1988, 1471; Debatin, GmbHR 1991, 164. 50 Hierzu vorstehend unter III 1 a) S. 411 ff. 51 Hierzu vorstehend unter III 1 a) S. 411 ff. 52 Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, Loseblatt, § 12 KStG Rz. 52; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, Loseblatt, § 12 KStG Rz. 28; Hofmeister in Blümich (Fn. 32), § 12 KStG Rz. 43; Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, Wien 1999, S. 166; Förster, Umstrukturierung deutscher Tochtergesellschaften im Ertragsteuerrecht, 1991, S. 321 ff.; Eyles, Das Niederlassungsrecht der Kapitalgesellschaften in der Europäischen Gemeinschaft, 1990, S. 326 ff.; Zisowski, Grenzüberschreitender Umzug von Kapitalgesellschaften, 1994, S. 77 f.; Knobbe-Keuk (Fn. 13), S. 939; dies., StuW 1990, 372, 376 ff.; dies., DB 1991, 298 ff., 301; Dötsch, DB 1989, 2296 ff., 2302; Thiel, GmbHR 1994, 277 ff., 279; Schaumburg, GmbHR 1996, 501 ff., 585 ff., 593; Birk, IStR 2003, 469 ff., 470. Die entgegenstehenden Ansichten z. B. von BFH v. 30.10.1973, BStBl. 1974 II, 255; Baranowski, IWB, F. 3, Deutschland, Gr. 4, 331 ff., 336; Oppermann, DB 1988, 1469 ff. sind überholt; vgl. auch BFH v. 17.5.2000, BStBl. 2000 II, 619.

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scheidet53. Die an der Leistungsfähigkeit orientierte Besteuerung erfährt somit keine Einschränkung. Wird eine ausländische SE in das Inland verlegt, scheidet eine zuzugsbedingte Betriebsstättenschlussbesteuerung ohnehin von vornherein aus. Dies deshalb, weil der Zuzug stets identitätswahrend erfolgt (Art. 8 Abs. 1 SE-VO), somit eine Übertragung der inländischen Betriebsstätte auf einen Anderen nicht gegeben ist54. Als Folge des identitätswahrenden Zuzugs ergibt sich freilich eine Steuerverstrickung von bislang nicht der deutschen Besteuerung unterworfenen Wirtschaftsgütern55. Soweit diese Wirtschaftsgüter in der Bilanz unter den steuerlichen Teilwerten, etwa mit den historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder den bisherigen Buchwerten angesetzt werden56, sind sie einer rückwirkenden Wertzuwachsbesteuerung ausgesetzt. Ein derartiger Import stiller Reserven mit der Folge der steuerlichen Erfassung von außerhalb des deutschen Steuerregimes entstandenen stillen Reserven führt zu einer Doppelbesteuerung, falls der Wegzugsstaat eine Wegzugsbesteuerung vorsieht und entsprechende abkommensrechtliche Aufteilungsregeln nicht eingreifen57.

2. Besteuerung auf Gesellschafterebene Der Zuzug von Kapitalgesellschaften löst auf Gesellschafterebene ggf. dann eine Besteuerung aus, wenn auf Grund des Zuzugs eine Auflösung der Kapitalgesellschaft anzunehmen ist. Gem. § 8b Abs. 2 Satz 3 KStG und § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG58 werden nämlich Auflösungsgewinne den Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalanteilen gleichgestellt. Die diesbezüglichen Rechtsfolgen59 sind allerdings unterschiedlich: Werden _________ 53 Schaumburg (Fn. 1), Rz. 6.54. 54 Rödder, Der Konzern 2004, 522 ff., 527; Kessler/Achilles/Huck, IStR 2003, 715 ff., 719. 55 Zur Steuerverstrickung Schaumburg (Fn. 1), Rz. 5.388 ff. 56 So BFH v. 19.3.1996, BStBl. 1996 II, 312; anders in der Tendenz BFH v. 5.6.2002, IStR 2002, 596 m. Anm. FW. 57 Zur Aufteilung zwischen Wegzugs- und Zuzugsstaat unter IV b) aa) S. 425 f. 58 Entsprechendes gilt, wenn die Kapitalanteile zu einem Betriebsvermögen gehören. 59 Es geht nur um die unbeschränkte Steuerpflicht; etwaige Auflösungsgewinne ausländischer Kapitalgesellschaften zählen nicht zu den inländischen Einkünften, so dass eine beschränkte Steuerpflicht insoweit in aller Regel ausscheidet, soweit die Anteile nicht zu einem inländischen Betriebsvermögen gehören.

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die Anteile an der zuziehenden Kapitalgesellschaft von einer Kapitalgesellschaft gehalten, ist der Auflösungsgewinn auf Gesellschafterebene gem. § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG von der Körperschaftsteuer befreit, soweit dem nicht die Sperrwirkungen des § 8b Abs. 4 KStG entgegenstehen oder der Auflösungsgewinn von einem Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut oder einem Finanzunternehmen unter den Voraussetzungen des § 8b Abs. 7 KStG oder einem Versicherungsunternehmen gem. § 8b Abs. 8 KStG erzielt wird. Die Steuerbefreiung wird im Ergebnis aber auf 95 % der Bemessungsgrundlage reduziert, weil 5 % des Veräußerungsgewinns als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben fingiert werden (§ 8b Abs. 3 KStG). Bei natürlichen Personen unterliegt ein etwaiger Auflösungsgewinn dem Halbeinkünfteverfahren, und zwar unabhängig davon, ob die Anteile an der zuziehenden Kapitalgesellschaft zu einem Betriebsvermögen gehören oder nicht (§ 3 Nr. 40c EStG). Auch hier gelten im Grundsatz die auch für § 8b Abs. 2 KStG geltenden Restriktionen (§ 3 Nr. 40 Sätze 2-6 EStG) sowie die Ausgabenabzugsbeschränkung gem. § 3c Abs. 2 EStG. Aus der Sicht der bislang im deutschen Recht geltenden Sitztheorie führt die tatsächliche Verlegung der Geschäftsleitung in das Inland zum Verlust der Rechtsfähigkeit und damit zugleich zur Auflösung der zuziehenden Gesellschaft60. Im Hinblick darauf, dass § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG nach seinem Wortlaut eine Veräußerungsgewinnbesteuerung statuiert, „wenn eine Kapitalgesellschaft aufgelöst wird“, ist in der Vergangenheit mitunter angenommen worden, dass damit zugleich auf Gesellschafterebene eine Besteuerung einsetze61. Indessen: Aus § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG ergibt sich, dass ein Auflösungsgewinn erst dann entsteht, wenn auflösungsbedingt Vermögen aus dem Kapital selbst zugeteilt oder zurückgezahlt wird. Hieraus folgt, dass ein Auflösungsgewinn allgemein erst dann entsteht, wenn nach handelsrechtlichen GoB ein Gewinn realisiert wäre62. In aller Regel ist das der Zeitpunkt, zu dem gesellschaftsrechtlich der Anspruch auf Auszahlung eines Abwick_________ 60 BFH v. 23.6.1992, BStBl. 1992 II, 972; Ebling in Blümich (Fn. 32), § 17 EStG Rz. 248 b. 61 Ebling in Blümich (Fn. 32), § 17 EStG Rz. 248; Dötsch in Dötsch/Eversberg/ Jost/Pung/Witt (Fn. 52), § 17 EStG Rz. 288. 62 BFH v. 3.6.1993, BFH/NV 1994, 459; BFH v. 14.6.2000, BFH/NV 2001, 302; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 17 Rz. 221; Strahl in Korn, EStG, § 17 Rz. 115; bei § 17 EStG gilt nicht das Abflussprinzip; die vorstehenden Grundsätze gelten auch für den Fall, dass die Kapitalanteile zum Betriebsvermögen gehören.

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lungsguthabens entsteht63. Bei einem Zuzug von ausländischen Gesellschaften entsteht freilich ein derartiger Anspruch auf Auszahlung eines Abwicklungsguthabens nicht, jedenfalls dann nicht, wenn aus der Sicht des ausländischen Rechts der diesbezügliche Wegzug nicht zu einer Auflösung mit nachfolgender Abwicklung führt64. Im Gefolge der Rechtsprechung des EuGH – Centros, Überseering, Inspire Art –, wonach die bislang herrschende Sitztheorie für Zuzugsfälle obsolet geworden ist, bleibt die zuzugsbedingte Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG und des § 17 Abs. 4 EStG versagt65. Eine zuzugsbedingte Auflösung der ausländischen Kapitalgesellschaft ist jedenfalls in den Fällen ausgeschlossen, in denen eine ausländische Kapitalgesellschaft aus einem Staat zuzieht, in dessen Recht die Gründungstheorie gilt66. Soweit ausländische Kapitalgesellschaften aus Staaten zuziehen, deren Rechtsordnung durch die Sitztheorie geprägt ist, gilt Folgendes: Führt der Wegzug der ausländischen Kapitalgesellschaft in dem anderen Staat zu einer Auflösung67 ohne Abwicklung, unterbleibt eine Veräußerungsgewinnbesteuerung bei den deutschen Gesellschaftern. Da eine transaktionsbedingte Gewinnrealisierung auf Gesellerschaftsebene im vorliegenden Fall nicht gegeben ist und durch den Zuzug auch kein Export stiller Reserven erfolgt, ist die Nichtbesteuerung auch unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gerechtfertigt. Führt demgegenüber der Wegzug der ausländischen Kapitalgesellschaft nach Maßgabe des betreffenden ausländischen Rechts im Wegzugsland zu einer Auflösung und Abwicklung68, wird auf Gesellschafterebene in Anwendung des § 8b Abs. 2 Satz 3 KStG und § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG69 eine Besteuerung ausgelöst. Die Besteuerung eines der_________ 63 Weber-Grellet in Schmidt (Fn. 62), § 17 Rz. 221; Neu, GmbHR 2000, 57 ff., 61; zu einem ähnlichen Fall BFH v. 27.10.1992, BStBl. 1993 II, 340. 64 Solange handelt es sich bei der zugezogenen Gesellschaft noch um eine Kapitalgesellschaft i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG; die vorstehenden Grundsätze gelten auch für den Fall, dass die Kapitalanteile zu einem Betriebsvermögen gehören (§§ 4 Abs. 1, 3; 5 Abs. 1 EStG). 65 Eilers/R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Loseblatt, § 17 EStG Rz. 289; Birk, IStR 2003, 473. 66 Die vorgenannten EuGH-Entscheidungen betreffen nur den Zuzug von ausländischen Kapitalgesellschaften aus Staaten mit Gründungstheorie. 67 Europarechtlich ist das zweifelhaft; vgl. die Hughes de Lasteyrie du SaillantEntscheidung des EuGH v. 11.3.2004, GmbHR 2004, 504. 68 Das ist in der Praxis die Ausnahme und zudem europarechtlich zweifelhaft. 69 Entsprechendes gilt für Anteile im Betriebsvermögen einer natürlichen Person.

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artigen Auflösungsgewinns vermag sich auch gegenüber dem systemtragenden Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu legitimieren. Dies deshalb, weil auf Gesellschafterebene im Ergebnis ein Tausch von untergehenden Kapitalanteilen gegen entsprechend ausgekehrte Vermögenswerte der liquidierten ausländischen Gesellschaft vorliegt. Unter europarechtlichen Gesichtspunkten ist das nach Maßgabe der EuGH-Rechtsprechung – Centros, Überseering, Inspire Art – hinzunehmen. Europarechtliche Schranken sind freilich gegen die wegzugsbedingte Auflösung und Abwicklung der Kapitalgesellschaft im Wegzugstaat gegeben70. Eine zuzugsbedingte Besteuerung auf Gesellschafterebene scheidet beim Zuzug einer SE freilich von vornherein aus: Der Zuzug erfolgt identitätswahrend (Art. 8 Abs. 1 SE-VO), so dass eine Liquidation und eine Abwicklung grundsätzlich außer Betracht bleibt. Etwas anderes gilt ausnahmsweise in dem Fall, in dem entgegen Art. 7 SE-VO Satzungssitz und Ort der Geschäftsleitung (Verwaltungssitz) nicht gemeinsam verlegt werden und deshalb die Liquidation und Abwicklung angeordnet wird71.

IV. Wegzug von Kapitalgesellschaften 1. Besteuerung auf Gesellschaftsebene a) Subjektqualifikation Wird die Geschäftsleitung einer im Inland errichteten Kapitalgesellschaft in das Ausland verlegt, erfolgt nach der das deutsche Recht bislang prägenden Sitztheorie eine Auflösung der wegziehenden Kapitalgesellschaft, wobei entweder bereits der Beschluss über die Sitzverlegung als Auflösungsbeschluss72 oder erst die tatsächliche Verlegung des Verwaltungssitzes als Auflösung73 gewertet wird. Der Wegzug einer derartigen Kapitalgesellschaft hat hiernach ihre Liquidation und anschlie_________ 70 Hierzu nachfolgend unter IV. 71 Schön/Schindler, IStR 2004, 571 ff., 573. 72 BGH v. 11.7.1957, BGHZ 25, 134 ff., 144; Hueck/Fastrich in Baumbach/ Hueck, GmbHG, 17. Aufl. 2000, § 60 Rz. 40. 73 Hüffer, AktG, 6. Aufl. 2004, § 5 Rz. 11 f.; Heider in Münchener Kommentar zum AktG, Band 1, 2. Aufl. 2000, § 5 Rz. 67.

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ßende Löschung im Handelsregister74 zur Folge. Hierdurch verliert die Kapitalgesellschaft ihre Rechtsfähigkeit. Hieran anknüpfend geht die überkommene Lehre im Steuerrecht davon aus, dass eine derart aufgelöste Gesellschaft bei Beibehaltung des Satzungssitzes in Deutschland75 als Steuersubjekt weiterbesteht, wobei freilich die Qualifikation nicht als Kapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG), sondern als nicht rechtsfähiger Verein (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG) erfolgt76. Solange indessen der Satzungssitz in Deutschland nicht aufgegeben wird, bleibt es, wie bereits ausgeführt77, bei der Qualifikation als Kapitalgesellschaft, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob deren Rechtsfähigkeit zu bejahen ist oder nicht. Europarechtliche Probleme entstehen somit nicht. Wird allerdings auch der Satzungssitz aufgegeben, was bei einer SE wegen Art. 7 SE-VO zwingend ist, scheidet die wegziehende Kapitalgesellschaft aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht aus, weil nunmehr weder Ort der Geschäftsleitung noch der Satzungssitz im Inland gegeben sind. Für diesen Fall kommt eine Subjektsqualifikation nach Maßgabe des § 1 KStG von vornherein nicht in Betracht. Soweit die wegziehende Kapitalgesellschaft beschränkt steuerpflichtig wird, wenn etwa eine zunächst zugezogene nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaft mit inländischen Einkünften (§ 49 Abs. 1 EStG) durch Verlegung der Geschäftsleitung wieder weg zieht, ist für Zwecke der beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Nr. 1 KStG) für die fortbestehende oder neu errichtete Gesellschaft ein Typenvergleich dahingehend vorzunehmen, ob das ausländische Rechtsgebilde einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse nach deutschem Recht entspricht78. Die vorstehende Subjektsqualifikation erfolgt unabhängig von der bislang das deutsche Recht prägenden Sitztheorie, die im Ergebnis durch die Daily Mail-Entscheidung des EuGH79 legitimiert ist. Hiernach dürfen Staaten, die der Sitztheorie folgen, die Rechtsfolge der Auflösung der Gesellschaft kraft ihres internationalen Gesellschaftsrechts herbei_________ 74 Soweit dies überhaupt zulässig ist; hierzu Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, Wien 1999, S. 200 f. 75 Die Löschung im Handelsregister ist nicht zwingend mit der Vollbeendigung und dem Ende der Körperschaftsteuerpflicht identisch; Klein in Herrmann/ Heuer/Raupach (Fn. 65), § 11 KStG Rz. 31 f. 76 BFH v. 21.6.1992, BStBl. 1992 II, 972; vgl. im Übrigen oben unter III. 1.1.1. 77 Hierzu oben unter III 1 a) S. 411 ff. 78 Zu Einzelheiten Schaumburg (Fn. 1), Rz. 6.31 f. 79 EuGH v. 27.9.1988, EuGHE 1988, 5483.

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führen mit der Folge, dass hieran auch steuerlich angeknüpft werden kann. Dies bedeutet aber keineswegs, dass der Wegzug eine Sofortversteuerung aller auf Gesellschaftsebene gebildeten stillen Reserven rechtfertigt. Die Daily Mail-Entscheidung, die zuletzt noch durch die Inspire Art-Entscheidung des EuGH80 bestätigt wurde, wird insoweit überlagert durch die Hughes de Lasteyrie du Saillant-Entscheidung des EuGH81, wonach letztlich nur eine transaktionsbedingte Besteuerung zulässig ist. Hierdurch wird vermieden, dass wegzugsbedingt steuerliche Nachteile eintreten82.

b) Wegzugsbedingte Schlussbesteuerung Eine wegzugsbedingte Schlussbesteuerung auf Gesellschaftsebene (§§ 11, 12 KStG) kommt in Betracht für die Verlegung der Geschäftsleitung sowohl einer im Inland (Inlandsgesellschaft) als auch einer im Ausland errichteten Kapitalgesellschaft (Auslandsgesellschaft).

aa) Wegzug einer Inlandsgesellschaft Der Wegzug einer im Inland errichteten Kapitalgesellschaft zieht nach Maßgabe der bislang im deutschen Recht geltenden Sitztheorie einen Statutenwechsel nach sich mit der Folge, dass die wegziehende Gesellschaft nunmehr dem ausländischen Gesellschaftsrecht unterworfen wird (dazu oben Wulf-Henning Roth, S. 371 ff.). Die Verlegung der Geschäftsleitung führt also zur Auflösung der Gesellschaft, wobei entweder an den Verlegungsbeschluss83 oder an die tatsächliche Verlegung der Geschäftsleitung84 angeknüpft wird. Hieraus wird gefolgert, dass die wegziehende Kapitalgesellschaft einer Schlussbesteuerung gem. § 11 KStG zu unterwerfen sei85. Indessen: § 11 KStG greift deshalb nicht ein, weil die dort geregelte Liquidationsbesteuerung stets an die tatsächliche Abwicklung der Kapitalgesellschaft und damit an das Ende des _________ 80 81 82 83

EuGH v. 11.3.2004, GmbHR 2004, 504. EuGH v. 11.3.2004, IStR 2004, 236. Hierzu nachstehend. BGH v. 11.7.1957, BGHZ 25, 134 ff., 144; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck (Fn. 72), § 60 Rz. 40. 84 Hüffer (Fn. 73), § 5 Rz. 11 f.; Heider in MünchKomm AktG (Fn. 73), § 5 Rz. 67. 85 Ebenroth/Auer, RIW 1992, Beil. zu Heft 3, Rz. 39 ff.; Debatin, GmbHR 1991, 164 ff., 167.

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betreffenden Körperschaftsteuersubjekts86 anknüpft87. Solange also trotz Verlegung der Geschäftsleitung in das Ausland der Satzungssitz im Inland beibehalten wird und eine Abwicklung tatsächlich nicht erfolgt88 oder noch nicht beendet ist, unterbleibt eine Liquidationsbesteuerung gem. § 11 KStG89. Eine Schlussbesteuerung gem. § 12 Abs. 1 KStG, die der Liquidationsbesteuerung entspricht, unterbleibt aber ebenfalls, solange die Kapitalgesellschaft, etwa wegen Fortbestehens des inländischen Satzungssitzes, nicht aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht ausgeschieden ist90. Führt der Wegzug zu einer Abwicklung der wegziehenden Gesellschaft mit der Folge, dass ihre Körperschaftsteuerpflicht auch endet91, sind die Voraussetzungen der Liquidationsbesteuerung gem. § 11 KStG erfüllt92. Diese Liquidationsbesteuerung hat zur Folge, dass alle auf Gesellschaftsebene gebildeten stillen Reserven der Besteuerung zugeführt werden93. Diese wegzugsbedingte Liquidationsbesteuerung ist freilich den europarechtlichen Schrankenwirkungen ausgesetzt. Es geht hierbei insbesondere um die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG). Nach Maßgabe der die Hughes de Lasteyrie du Saillant-Entscheidung des EuGH94 tragenden Gründe, ist ein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgte Niederlas_________ 86 Die Körperschaftsteuerpflicht endet erst mit der Vollbeendigung als Schlusspunkt der Abwicklung; Klein in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 65), § 11 KStG Rz. 31. 87 Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt (Fn. 52), § 12 KStG Rz. 27, 13; Schaumburg, GmbHR 1996, 501 f., 585 ff., 592. 88 Hierzu Staringer (Fn. 74), S. 63. 89 Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 65), § 12 KStG Rz. 418; Hofmeister in Blümich (Fn. 32), § 12 KStG Rz. 6; Frotscher in Frotscher/Maas (Fn. 52), § 12 KStG Rz. 10; Schaumburg, GmbHR 1996, 585 ff., 592; Dreissig, DB 2000, 893 ff., 894. 90 Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 65), § 12 KStG Rz. 16; Hofmeister in Blümich (Fn. 32), § 12 KStG Rz. 7; Frotscher in Frotscher/Maas (Fn. 52), § 12 KStG Rz. 11; a. A. Knobbe-Keuk, StuW 1990, 372 ff., 378; Thiel, GmbHR 1994, 277 ff., 278. 91 Die Körperschaftsteuerpflicht endet erst mit Abschluss der Abwicklung; Klein in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 65), § 11 KStG Rz. 31. 92 Lenz in Erle/Sauter, Heidelberger Kommentar zum KStG, 2003, § 12 Rz. 19. 93 Zu Einzelheiten Klein in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 65), § 11 KStG Rz. 60 ff. 94 V. 11.3.2004 – Rs C-9/02, GmbHR 2004, 504.

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sungsfreiheit gegeben, wenn an den Wegzug innerhalb der EU steuerliche Nachteile geknüpft werden. Zwar billigt der EuGH in der vorgenannten Entscheidung jedem Staat Maßnahmen zu, die Besteuerung der stillen Reserven sicher zu stellen, einer Sofortversteuerung bei Wegzug hat er aber klar eine Absage erteilt95. Im Hinblick darauf ist nicht nur die französische Wegzugsbesteuerung für natürliche Personen europarechtswidrig, sondern auch die vergleichbare deutsche Regelung in § 6 AStG96. Was für natürliche Personen gilt, hat auch für Kapitalgesellschaften zu gelten97. Mit anderen Worten: Eine wegzugsbedingte Sofortversteuerung der stillen Reserven auf Gesellschaftsebene ist unzulässig98. Zwar hat der Europäische Gerichtshof in seiner Daily Mail-Entscheidung99 die sachliche Rechtfertigung der Wegzugsbesteuerung mit den gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen einer Sitzverlegung verknüpft. Er bejahte die Zulässigkeit der steuerlichen Aufdeckung stiller Reserven aus Anlass der Verlegung des Verwaltungssitzes mit der Begründung, dass ein Mitgliedstaat kraft Europarechts nicht gehindert sei, die Sitzverlegung zum Anlass für die gesellschaftsrechtliche Liquidation zu nehmen. Im Hinblick darauf sei auch die Besteuerung nach Liquidationsregeln zulässig, was freilich nicht unbedingt eine Sofortbesteuerung bedeutet. Obwohl der EuGH in seinen Entscheidungen in Sachen Überseering100 und Inspire Art101 die gesellschaftsrechtlichen Aussagen der vorgenannten Daily-Mail-Entscheidung bestätigt hat, wonach es in erster Linie Aufgabe des Gründungsstaates sei, über die Entstehung und den Fortbestand einer Kapitalgesellschaft im Falle der Sitzverlegung zu entscheiden, ist hinsichtlich der steuerlichen Rechtsfolgen nunmehr der Rahmen gesteckt: Sicherstellung: ja – Sofortbesteue_________ 95 Zu Einzelheiten Wassermeyer, GmbHR 2004, 613 ff. 96 Wassermeyer, GmbHR 2004, 613 ff., 614 mit Hinweis auf eine Verletzung (auch) der Kapitalverkehrsfreiheit); Schön, Arbeitsbuch der FfStR 2004, S. 41; die Entscheidung des BFH v. 17.12.1997, BStBl. 1998 II, 558, die eine Europarechtswidrigkeit des § 6 AStG noch verneint hat, ist wohl überholt; zur Kritik an dieser Entscheidung Schaumburg, StuW 2000, 374 ff. 97 Schön, Arbeitsbuch FfStR 2004, S. 41 ff.; Hey, Der Konzern 2004, 577 ff., 581; wohl auch Wassermeyer, GmbHR 2004, 613 ff., 615; a. A. z. B. Franz, EuZW 2004, 270 ff., 271. Zu Einzelheiten Zimmer, ZHR 168 (2004), 355 ff., 360; Kessler/Huck/Obser/Schmalz, DStZ 2004, 813 ff., 321. 98 Schön, Arbeitsbuch FfStR 2004, S. 41 ff.; wohl auch Wassermeyer, GmbHR 2004, 613 ff., 615. 99 EuGH v. 27.9.1988 – Rs 81/87, EuGHE 1988, 5500 ff. 100 EuGH v. 5.11.2002 – Rs C-203/00, EuGHE 2002, 1-9919 ff. 101 EuGH v. 30.9.2003 – Rs C-167/01, DB 2003, 2219 ff.

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rung: nein102. Diese eigentlich nicht neue Erkenntnis103 wird durch die Entscheidung des EuGH in Sachen Hughes de Lasteyrie du Saillant aktualisiert: Der Gründungsstaat entscheidet über die gesellschaftsrechtliche Entstehung und Rechtsfähigkeit einer Kapitalgesellschaft und öffnet ihr damit auch den Zugang zur Niederlassungsfreiheit (Art. 48 EG)104. Ist die Kapitalgesellschaft aber einmal dem Schutzbereich der europarechtlichen Grundfreiheiten unterstellt, entfalten diese ungehindert ihre Schrankenwirkung gegen das nationale Recht, so dass eine Liquidationsbesteuerung bei einem Wegzug etwa von Bonn nach Paris unzulässig ist, wenn entsprechend ein Wegzug von Bonn nach München ohne steuerliche Folgen bleibt105. Eine wegzugsbedingte Liquidationsbesteuerung ist auch nicht etwa unter Missbrauchs- oder Kohärenzgesichtspunkten gerechtfertigt. Die Verhinderung von Missbrauch als Rechtsfertigungsgrund scheitert schon an der teleologischen Struktur dieser Liquidationsbesteuerung. Sie ist nämlich darauf gerichtet, die auf Gesellschaftsebene gebildeten stillen Reserven für Zwecke der deutschen Besteuerung zu sichern. Um Missbräuche geht es aber nicht. Dies deshalb schon nicht, weil unterschiedslos sowohl dauerhafte nicht steuerorientierte Wegzüge als auch solche erfasst werden, die nur erfolgen, um im Ausland außerhalb des deutschen Steuerzugriffs eine liquidationsbedingte Realisation stiller Reserven herbeizuführen106. Die wegzugsbedingte Liquidationsbesteuerung ist auch nicht Teil einer kohärenten Regelung, die sicherstellt, dass zum letztmöglichen Zeitpunkt stille Reserven der deutschen Besteuerung zugeführt werden. Von einer wegzugsbedingten Liquidationsbesteuerung wird nämlich eine wegziehende Kapitalgesellschaft verschont, wenn sie unter Beibehaltung des inländischen Satzungssit_________ 102 So die verkürzte Formel von Wassermeyer, GmbHR 2004, 619. 103 Zu § 6 AStG so schon Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl. 2002, S. 253 f.; Schaumburg (Fn. 1), Rz. 5.398; Sass, FR 1998, 1 ff.; Dautzenberg, IStR 1997, 39 ff. 104 Schön in Festschrift Lutter, 2000, S. 685 ff., 702 f.; ders., Arbeitsbuch der FfStR 2004, S. 43. 105 Seer in Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer, Die beschränkte Steuerpflicht im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, Wien 2004, S. 37 ff., 57; Weber, ET 2003, 350 ff., 352 f.; Schön, Arbeitsbuch der FfStR 2004, S. 43 mit Hinweis auf die Sitzverlegungs-RL, die offenbar im Ausgangspunkt von der Zulässigkeit einer Liquidationsbesteuerung ausgeht. 106 Art. 12 Abs. 1 KStG ist mithin für Zwecke der Missbrauchsverhinderung nicht erforderlich, vgl. EuGH v. 21.11.2002 (X u. Y), EuGHE 2002, I-10847.

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zes ihre Geschäftsleitung in das Ausland verlegt, wodurch sie zwar nicht aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht, aber dennoch abkommensrechtlich aus dem deutschen Steuerzugriff ausscheidet. In diesem Fall gilt die wegziehende Kapitalgesellschaft als im Ausland ansässig, so dass fortan nur dort die stillen Reserven der Besteuerung unterliegen107. Demgegenüber greift die Liquidationsbesteuerung aber auch ein, obwohl der steuerliche Zugriff auf stille Reserven nicht verloren geht, wie dies etwa bei der Verlegung der Geschäftsleitung einer nach ausländischem Recht errichteten Gesellschaft unter Beibehaltung einer inländischen Betriebsstätte der Fall ist108. Erweist sich somit die wegzugsbedingte Liquidationsbesteuerung als wenig konsistent109 mit der Folge, dass dieselbe zwecks Erhaltung der Kohärenz im deutschen Steuersystem nicht erforderlich erscheint, scheitert eine dahingehende Rechtfertigung auch schon daran, dass der freiwillige abkommensrechtliche Verzicht auf die spätere Besteuerung von stillen Reserven nicht durch eine vorgelagerte die Niederlassungsfreiheit beschränkende ultima ratio-Besteuerung korrigiert werden darf110. Eine wegzugsbedingte Liquidationsbesteuerung im Sinne einer Sofortbesteuerung ist schließlich auch unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht gerechtfertigt. Die Verlegung der Geschäftsleitung in einen anderen Mitgliedstaat unter Beibehaltung des inländischen Satzungssitzes führt zwar zu einem Statuswechsel in dem Sinne, dass die derart wegziehende Kapitalgesellschaft nunmehr abkommensrechtlich nicht mehr in Deutschland als ansässig gilt111, so dass die deutsche Besteuerung auf das Territorialitätsprinzip zurückgeführt wird, eine an der Leistungsfähigkeit orientierte ultima ratioBesteuerung112 gebietet aber allenfalls die Erfassung bzw. Sicherstellung der stillen Reserven für Zwecke einer späteren transaktionsbedingten Besteuerung. Das bedeutet, dass Wegzugs- und Zuzugsstaat im Falle einer späteren tatsächlichen transaktionsbedingten Gewinnrealisierung die Besteuerung unter sich aufzuteilen haben. Dies kann entweder im Rahmen eines Clearing-Verfahrens oder durch entsprechende Änderung _________ 107 Art. 4 Abs. 3 OECD-MA. 108 Hierzu Schaumburg (Fn. 1), Rz. 6.48. 109 Das deutsche Steuerrecht entbehrt ohnehin einer in sich geschlossenen Entstrickungskonzeption. 110 So Schön, Arbeitsbuch der FfStR 2004, S. 40. 111 Art. 4 Abs. 3 OECD-MA. 112 Hierzu oben II 1 S. 406.

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der maßgeblichen Doppelbesteuerungsabkommen erfolgen. Die derzeitige Rechtslage ermöglicht eine derartige Besteuerung allerdings nicht113. Auf Grund der europarechtlichen Vorgaben der Hughes de Lasteyrie du Saillant-Entscheidung des EuGH114 und des systemtragenden Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist eine nur transaktionsbedingte Besteuerung indessen geboten.

bb) Wegzug einer Auslandsgesellschaft Verlegt eine nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaft115 ihre Geschäftsleitung in das Ausland, scheidet sie aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG) aus. Dies gilt wegen Art. 7 SE-VO (Einheit von Satzungs- und Verwaltungssitz) auch für eine wegziehende deutsche SE. Dieser Wegzug führt zu einer Schlussbesteuerung gem. § 12 Abs. 1 KStG, die insbesondere die nach Art. 7 Abs. 1 SE-VO eigentlich mögliche grenzüberschreitende Sitzverlegung einer SE obsolet werden lässt. Diese Schlussbesteuerung erfolgt nach den Regeln des § 11 KStG allerdings mit der Besonderheit, dass bei der Ermittlung des Verlegungsgewinns auch ein originärer Firmenwert zu berücksichtigen ist116. Der Wortlaut des § 12 Abs. 1 KStG geht indessen weit über den Sinn und Zweck dieser Vorschrift hinaus. Es werden stille Reserven einer Schlussbesteuerung ohne Rücksicht darauf unterworfen, ob die Besteuerung derselben zukünftig gewährleistet ist oder nicht. Verbleibt etwa das Vermögen der wegziehenden Kapitalgesellschaft als Betriebstättenvermögen im Inland, so bleibt auch die deutsche Besteuerung der stillen Reserven im Rahmen der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht ohne Einschränkung durch Doppelbesteuerungsabkommen erhalten117. Im Hinblick darauf ist die Schlussbesteuerung gem. § 12 Abs. 1 KStG auch in Orientierung an die SE-VO ohnehin

_________ 113 Ein nachlaufendes Besteuerungsrecht ist nur in wenigen Doppelbesteuerungsabkommen verankert; z. B. im DBA-Italien (SP Nr. 12 zu Art. 13), DBAFinnland (Art. 13 Abs. 5), DBA-Österreich (Art. 13 Abs. 6), DBA-Dänemark (Art. 13 Abs. 5), DBA-Schweden (Art. 13 Abs. 5). 114 EuGH v. 11.3.2004, GmbHR 2004, 504. 115 Zu deren vorangehendem Zuzug vgl. oben III S. 411 ff. 116 Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt (Fn. 52), § 12 KStG Rz. 25; Schaumburg (Fn. 1), Rz. 6.52; OFD Frankfurt v. 1.8.1985, WPg. 1985, 499. 117 Art. 7 Abs. 1 OECD-MA (Betriebsstättenprinzip).

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nicht gerechtfertigt118. Darüber hinaus verbietet aber auch die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit eine wegzugsbedingte Sofortversteuerung der stillen Reserven auf Gesellschaftsebene119. Hieraus folgt, dass auch insoweit allenfalls eine (spätere) transaktionsbedingte Besteuerung der stillen Reserven gerechtfertigt ist.

2. Besteuerung auf Gesellschafterebene Die insbesondere im § 17 EStG120 für natürliche Personen und im § 8b Abs. 2 KStG für juristische Personen geregelte Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen erfasst auch Gewinne aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften (§ 17 Abs. 4 Satz 1 EStG, § 8b Abs. 2 Satz 3 KStG)121. Anknüpfungspunkt für die Besteuerung ist aber nicht schon etwa der Auflösungsbeschluss oder die Auflösung der Kapitalgesellschaft als solche, sondern erst die Abwicklung derselben122. Der Auflösungsgewinn entsteht in Höhe der Differenz zwischen ausgekehrtem Vermögen und den Anschaffungskosten der Anteile unter Berücksichtigung der Veräußerungskosten123. Im Hinblick darauf entsteht der Auflösungsgewinn erst dann, wenn er nach handelsrechtlichen GOB realisiert wäre124. Allgemein ist dies der Zeitpunkt, zu dem gesellschaftsrechtlich der Anspruch auf Auszahlung eines Abwicklungsguthabens entsteht. Hierfür muss feststehen, ob und wie hoch mit einer Zuteilung des Gesellschaftsvermögens auf Gesellschafterebene zu rechnen ist125. Damit entsteht der Auflösungsgewinn in aller Regel erst mit Beendigung der Abwicklung. Im Hinblick darauf gilt: Verlegt eine deutsche Kapitalgesellschaft ihre Geschäftsleitung ins Ausland, ohne den inlän_________ 118 Im Ergebnis ebenso Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach (Fn. 65), § 12 KStG Rz. 16; Frotscher in Frotscher/Maas (Fn. 52), § 12 KStG Rz. 12; Knobbe-Keuk (Fn. 13), S. 938; dies., StuW 1990, 372 ff., 378 f.; Schaumburg, GmbHR 1996, 501 ff., 585 ff., 592; Herzig/Griemla, StuW 2002, 55 ff., 75; a. A. z. B. Hofmeister in Blümich (Fn. 32), § 12 KStG Rz. 13; Haase, IStR 2004, 232 ff. 233. 119 Vgl. hierzu vorstehend. 120 Für zu einem Betriebsvermögen gehörende Kapitalanteile folgt die Steuerpflicht aus §§ 4 Abs. 1, 3; 5 Abs. 1 EStG. 121 Hierzu oben unter III 2 S. 416 ff. 122 Hierzu oben unter III 2 S. 416 ff. 123 Weber-Grellet in Schmidt (Fn. 62), § 17 Rz. 220. 124 BFH v. 3.6.1993, BFH/NV 1994, 459; BFH v. 14.6.2000, BFH/NV 2001, 302; Weber-Grellet in Schmidt (Fn. 62), § 17 Rz. 221; Strahl in Korn (Fn. 62), § 17 Rz. 115; bei § 17 EStG gilt nicht das Abflussprinzip. 125 BFH v. 12.10.1999, BFH/NV 2000, 561.

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dischen Satzungssitz aufzugeben, erfolgt zwar nach Maßgabe der bislang die deutsche Rechtsordnung prägenden Sitztheorie eine Auflösung der wegziehenden Kapitalgesellschaft126, so lange aber eine Abwicklung des Gesellschaftsvermögens unterbleibt, wird auch auf Gesellschafterebene eine Besteuerung nicht ausgelöst. Das gilt auch im Falle des Wegzugs einer SE, die wegzugsbedingt nicht aufgelöst und somit auch nicht abgewickelt wird127. Nur dann, wenn wegzugsbedingt das Gesellschaftsvermögen abgewickelt wird, was tatsächlich in aller Regel nicht erfolgt, entsteht auf Gesellschafterebene ein Auflösungsgewinn. Diese Sichtweise entspricht im Ergebnis auch der Hughes de Lasteyrie du SaillantEntscheidung des EuGH128, wonach eine wegzugsbedingte Sofortversteuerung, nicht aber eine transaktionsbedingte Besteuerung gegen die europarechtlichen Grundfreiheiten verstößt129. Der Sache nach führt die Besteuerung des Auflösungsgewinns erst im Zeitpunkt der Beendigung der Abwicklung zu einer aufgeschobenen Besteuerung, die in Wegzugsfällen allein europarechtskonform ist. Die Anknüpfung an einen tatsächlichen Auflösungsgewinn und nicht an einen fiktiven Veräußerungsgewinn entspricht auch dem für das Steuerrecht maßgeblichen Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, wonach die Besteuerung nur dann gerechtfertigt ist, wenn sie an Ist-Einkommen anknüpft130. Die vorstehenden Grundsätze gelten uneingeschränkt für unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner: Entsteht ein Auflösungsgewinn, so ist dieser bei natürlichen Personen unabhängig davon, ob die Kapitalanteile zu einem Betriebsvermögen gehören oder nicht, nach dem Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40c, § 3c Abs. 2 EStG) zu versteuern, soweit die Einschränkungen des § 3 Nr. 40 Sätze 2 ff. EStG nicht eingreifen. Der Auflösungsgewinn ist demgegenüber bei juristischen Personen grundsätzlich von der Körperschaftsteuer befreit (§ 8b Abs. 2 KStG), wobei freilich 5 % des Auflösungsgewinns als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben zu behandeln sind (§ 8b Abs. 3 KStG). Die vorgenannte Steuerbefreiung ist hier ebenfalls bestimmten Restriktionen unterworfen (§ 8b Abs. 4, 7, 8 KStG). Soweit die vorgenannten Anteilseigner un_________ 126 Hierbei wird teils an den Sitzverlegungsbeschluss, teils an die tatsächliche Verlegung des Verwaltungssitzes angeknüpft. 127 Hierzu Kessler/Achilles/Huck, IStR 2003, 715 ff., 719. 128 EuGH v. 11.3.2004, Rs C-9/02, GmbHR 2004, 504. 129 Hierzu oben IV S. 421. 130 Tipke, Die Steuerrechtsordnung II, 2. Aufl. 2003, S. 631 ff.

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beschränkt steuerpflichtig sind, wird die Besteuerung auf Gesellschafterebene abkommensrechtlich nicht dadurch eingeschränkt, dass die betreffende Kapitalgesellschaft die Geschäftsleitung in das Ausland verlegt. Dies deshalb nicht, weil unabhängig davon, wo die Kapitalgesellschaft ansässig ist, dem Wohnsitzstaat die Veräußerungsgewinnbesteuerung zugewiesen ist131. Das gilt freilich nicht für beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner. Dies deshalb nicht, weil abkommensrechtlich die Bundesrepublik Deutschland von vornherein die Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen bzw. entsprechende Auflösungsgewinne nicht versteuern darf132. Durch die Verlegung der Geschäftsleitung in das Ausland ändert sich also nichts. Wird in Folge der Verlegung der Geschäftsleitung in das Ausland auch der inländische Satzungssitz aufgehoben oder verlegt eine nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaft133 die Geschäftsleitung in das Ausland, scheidet die Kapitalgesellschaft aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht aus. Entsprechend der bislang durch die Sitztheorie geprägten Sichtweise führt der Beschluss über die Verlegung der Geschäftsleitung in das Ausland bzw. die tatsächliche Verlegung zu einer Auflösung der Kapitalgesellschaft134. Solange das Gesellschaftsvermögen tatsächlich aber nicht abgewickelt wird, unterbleibt freilich auf Gesellschafterebene eine Besteuerung eines Auflösungsgewinns135. Wird das Gesellschaftsvermögen dagegen tatsächlich abgewickelt, ist die Besteuerung auf Gesellschafterebene bei natürlichen Personen nach den Regeln des Halbeinkünfteverfahrens (§§ 3 Nr. 40c; 3c Abs. 2 EStG)136 und bei juristischen Personen gem. § 8b Abs. 2, 3 KStG137 durchzuführen. Hierdurch wird im Ergebnis sichergestellt, dass nur der tatsächlich erzielte Auflösungsgewinn und nicht etwa fiktive Veräußerungsgewinne besteuert werden. Dies entspricht der Sichtweise, insbesondere der Hughes de Lasteyrie du Saillant-Entscheidung des EuGH138, wonach in Wegzugsfällen im Ergebnis nur der tatsächlich erzielte Veräußerungsgewinn besteuert werden darf. Schließlich ist allein diese Be_________ 131 Art. 13 Abs. 5 OECD-MA; hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, Art. 13 Rz. 74. 132 Art. 13 Abs. 5 OECD-MA. 133 Also mit Satzungssitz im Ausland. 134 Das gilt nicht für die SE. 135 Hierzu oben. 136 Unter Beachtung der Einschränkungen gem. § 3 Nr. 40 Sätze 2 ff. EStG. 137 Unter Beachtung der Einschränkungen gem. § 8b Abs. 4, 7 und 8 KStG. 138 EuGH v. 11.3.2004 – Rs C-9/02, GmbHR 2004, 504.

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steuerung durch das Leistungsfähigkeitsprinzip legitimiert: Grundsätzlich ist nur die Besteuerung von Ist-Einkommen, nicht aber von SollEinkommen gerechtfertigt139. Für beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner gilt: Da abkommensrechtlich für die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung an Anteilen an Kapitalgesellschaften bzw. Gewinne aus der Auflösung und Abwicklung derselben, grundsätzlich das Wohnsitzprinzip140 eingreift, ist Deutschland der steuerliche Zugriff auf die auf Gesellschafterebene angesiedelten stillen Reserven von vornherein entzogen. Durch die Verlegung der Geschäftsleitung in das Ausland und das dadurch bewirkte Ausscheiden aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht der Kapitalgesellschaft ändert sich insoweit also nichts141.

V. Ausblick Die Entscheidungen des EuGH in Sachen Centros, Überseering und Inspire Art haben jedenfalls in den Fällen, in denen Kapitalgesellschaften aus Staaten zuziehen, deren Rechtsordnung durch die Gründungstheorie geprägt ist, zu einer Abkehr von der bislang herrschenden Sitztheorie geführt. Entsprechend der offenkundigen Tendenz der EuGHRechtsprechung wird dies auch für den Zuzug von Kapitalgesellschaften aus Staaten zu gelten haben, in denen noch die Sitztheorie Geltung hat. Im Hinblick auf diese EuGH-Rechtsprechung und in Orientierung an dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist in Zuzugsfällen eine Besteuerung sowohl auf Gesellschafts- als auch auf Gesellschafterebene nicht gerechtfertigt. Obwohl die Daily-Mail-Entscheidung des EuGH, auf die zuletzt noch die Überseering- und Inspire Art-Entscheidung des EuGH verwiesen hat, in Wegzugsfällen eine Schlussbesteuerung auf Gesellschaftsebene im Ergebnis für rechtmäßig gehalten hat, ist auf Grund der Hughes de Lasteyrie du Saillant-Entscheidung des EuGH eine Tendenzwende erkennbar. Nach dieser jüngsten EuGH-Entscheidung ist eine Wegzugsbesteuerung im Sinne einer Sofortbesteuerung mit den europarechtlichen Grundfreiheiten unvereinbar. Diese Entscheidung ist zwar zum _________ 139 Hierzu Tipke (Fn. 130), S. 631 ff. 140 Art. 13 Abs. 5 OECD-MA. 141 Anders ist die Rechtslage in den Fällen, in denen – außerhalb der EU – Doppelbesteuerungsabkommen nicht eingreifen.

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Wegzug natürlicher Personen ergangen, es ist aber kein Grund erkennbar, warum für den Wegzug juristischer Personen etwas anderes gelten sollte. Geboten ist eine europarechtskonforme, an der steuerlichen Leistungsfähigkeit orientierte Entstrickungskonzeption, die letztlich eine ultima ratio-Besteuerung in Anknüpfung an Ist-Einkommen gewährleistet. Für eine entsprechende normative Umsetzung bleibt dem Gesetzgeber nicht mehr viel Zeit.

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Stichwortverzeichnis (Erstellt von Martin Wittmann)

Action en comblement du passif (franz. Recht) – Insolvenzrecht 322 – Niederlassungsfreiheit 347 Actor sequitur forum rei siehe Gerichtsstand – Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten 259 AGB-Recht – Gerichtsstandsvereinbarung 292 ff. Aktiengesellschaft – Aktionär 271, 296 – Mitbestimmung 366 – Satzung 295 Allgemeininteresse siehe Zwingende Gründe des Allgemeininteresses Anfechtung siehe Insolvenzanfechtung – Insolvenzverfahren 208, 220 – US-Recht 72 f. Anknüpfungskonzept 83 Annexverfahren 282, 304 Arbeitnehmer – comité d´entreprise (franz. Recht) 374 – Gerichtsstand 237, 266 – Teilhabe 365, 369, 373 asset partitioning siehe Vermögensvermischung Auflösungsgewinn 417 Aufsichtsrat 365 Ausfallhaftung 136 Auslandsgesellschaft – Eintragung 1 ff., 17 – Geschäftsleiterhaftung 310

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Gesellschafterdarlehen 168 GmbHG 309, 334 Haftungsverfassung 147 Insolvenzrecht 131 ff., 161, 182 ff., 208, 217, 308 ff., 334, 355 – Insolvenzverschleppung 338, 341 – Interessenmittelpunkt 335 – Kapitalersatzrecht 171, 178, 204 – Komplementärin einer inländischen KG 206 ff. – Körperschaftsteuerpflicht 411, 426 – Löschung 359 – mbH und Co. KG 220 – Mindestkapital 310 – Mitbestimmung 365 ff., 370 f. – Natürliche Person 186 – Parteifähigkeit 229 – Personalstatut 170 – Rechtsträgerwechsel 415 – Scheinauslandsgesellschaft siehe dort – Schutzlücken 210 – Statutenwechsel durch Zuzugsstaat 310 – Typenvergleich 412 – US-Recht 184 f. – Vertrauensschutz 182 – Zivilprozess 223 ff. Auslandsverbindung – Kriterium der Rechtswahl in der Insolvenz 196 Auslegung – durch EuGH 354 – EuGVVO 233 433

Stichwortverzeichnis

– Niederlassungsfreiheit 351 – ZPO 250 Ausschüttungsverbot 134 Außensteuerrecht 403 Auswanderungsfreiheit siehe Wegzug Betriebsaufgabe 406 Betriebsrat 374 Betriebsstättenbesteuerung 414 ff. Betrug – Betrügerische Berufung auf Gemeinschaftsrecht 100 – Insolvenzverschleppung 321 better law approach – Internationales Gesellschaftsrecht 154 – Überlagerungstheorie 213 Bilanzsteuerrecht siehe Steuerrecht Centros 92, 342 – Firmenrecht 34 – Gerichtsstand 273 – Insolvenzrecht 342 – Rechtsformwahl 52 – Steuerrecht 404 close corporation siehe auch Delaware – Durchgriffshaftung 77 – Einlagebewertung 69 – Gerichtsstand 250 – Gewinnausschüttung 70 – Gläubigerschutz 71 – Kapitalaufbingung 68 – Zivilprozess 227, 245, 250 comité d´entreprise (franz. Recht) 374 Comon Sense-Argument 37 Companies Act (engl. Recht) 117 434

Companies House (engl. Recht) siehe Handelsregister Company Secretary (engl. Recht) 54 consideration-Doktrin 58 Constructive Trust (engl. Recht) 59 Corporate Governance 110 Daily Mail – Steuerrecht 421 – Wegzugsfreiheit 385 Dänemark 245 Darlehen siehe Gesellschafterdarlehen Delaware – close corporation siehe dort – Delaware General Corporation Law - Kapitalerhaltung 117 – Durchgriffshaftung 76 – Insovenzverschleppung 75 – Scheinauslandsgesellschaft 231 Deliktsrecht – c.i.c. 270, 277 – Existenzvernichtung 83, 258 – Gerichtsstand 236, 276, 303 – Geschäftsführerhaftung bei Insolvenzverschleppung 361 – Gläubigerbenachteiligung 121 – Insolvenzantragspflicht 313, 318 – Insolvenzverschleppungshaftung 320, 338, 356 – Tatortprinzip 97 – Ubiquitätstheorie 277 – Unterkapitalisierung 82 – Vermögensvermischung 82 – Vier-Faktoren-Test 127 Deutsche Gerichtsbarkeit 230 Dienstleistungsfreiheit 392

Stichwortverzeichnis

Dividende siehe Gewinnausschüttung Doppelanknüpfung 337, 339 Drittstaat – EuGVVO 252 – Mitbestimmung 371 – Scheinauslandsgesellschaften 29, 251 – Zivilprozessuale Zuständigkeit 232, 302 Durchgriffshaftung 49 ff. – Englisches Recht 65 ff. – Gerichtsstand 118, 123, 258, 302 – Gläubigerschutzinstrument 118 – GmbH 53, 123 – Materielle Unterkapitalisierung 118 – Tätigkeitsausübungsregel 119 – US-Recht 76 – Vermögensvermischung 121 EG-Konkursübereinkommen 284 Ein-Personen-Richtlinie 119 Eintragung – Handelsregister 1 ff. – Hauptniederlassung 2 – Wirkung 6 – Zweigniederlassung 2, 6, 12 Erforderlichkeitskriterium – Existenzvernichtungshaftung 126 – Vier-Faktoren-Test 103 Erfüllungsort – Erfüllungsortvereinbarungen 269 – Gerichtsstandsbestimmung 267 – Gesellschaftssitz 274 – Tessili-Rechtsprechung 234

EuGVÜ 113 – Gesellschaftssitz 242 – Niederlassungsfreiheit 247 EuGVVO – Anerkennung von Urteilen 264 – Anwendungsbereich 252, 257, 286 ff. – Auslegung 233, 268 – EuInsVO 282 – Gerichtsstandsvereinbarungen 292 ff. – Internationale Zuständigkeit 247 – Schiedsvereinbarungen 297 Europäische Gesellschaft siehe Societas Europaea Europäische Insolvenzverordnung – Anwendbarkeit 160 f., 327 – Eröffnungsgründe 165 – Eröffnungszuständigkeit 215, 283 – EuGVVO 282 – Grundfreiheiten 348 – Insolvenzanfechtung 328 – Insolvenzantragspflicht 312, 321, 328, 337 – Insolvenzfähigkeit 163 – Insolvenzforderung 166 – Insolvenzkollisionsrecht 111 – Insolvenzverschleppung 339 – Internationale Zuständigkeit 161 – Konzern 338 – Koordination mit Europäischem Zivilprozessrecht 301 – Partikularverfahren 338 – Rangbestimmung 166 – Schuldstatut 192 f. – Sekundärinsolvenzverfahren 198 435

Stichwortverzeichnis

– Vereinbarkeit mit Europarecht 186, 189 Europäisches Insolvenzrecht – Anerkennung von Urteilen 264 – Beschlussmängelklagen 262 Europäisches Zivilprozessrecht – Auslegung 233 – EuGVÜ 231 – EuGVVO 231 – EuInsVO 301 – Existenzvernichtungshaftung 289 – Gerichtsstand 236 – Gerichtsstandsvereinbarung 265, 292 ff. – Insolvenzrecht 233, 262 – Insolvenzverschleppungshaftung 289 – Kollisionsrecht 280 – Scheinauslandsgesellschaft 222 ff. – Schiedsvereinbarung 265, 305 – Zuständigkeit 230, 236, 241, 245, 290 Europapass 95 Existenzvernichtungshaftung – Deliktsrecht 124 – Gemeinschaftsrechtskonformität 124 ff. – Gerichtsstand 279 – Grundlagen 87 ff. – haftungsrechtliche Einordnung 126, 259 – Insolvenzrecht 124 – ordre public 124 – Qualifikation 89 f. – Rechtfertigung 125 Firma – Angabe des Satzungssitzes 35 – Auslandsgesellschaft 7, 19 436

– Europarechtskonformität 29 – Firmenunterscheidbarkeit 32, 47 – Handelsrechtsreform von 1998 28, 33, 41 – Herkunftsangabe 39 – Irreführungsverbot 31, 38, 47 – Publizität 15 ff., 21 – Rechtsformzusatz 31, 33 ff., 37, 47 – Verkehrsinteressen 29 – Verwechslungsgefahr 35 forum actoris siehe Gerichtsstand forum shopping 244 fraudulent trading (engl. Recht) 61 Freiberufler 20 Gefährdungstatbestand Überschuldung 350 Gerichtsstand – Annexverfahren 283 – Beklagtengerichtsstand 235, 239 – Deliktsgerichtsstand 276, 303 – dinglicher Gerichtsstand 259 – Doppelzuständigkeit 265 – Durchgriffshaftung 258, 302 – Ersatzzuständigkeit 250 – Existenzvernichtung 259 – forum actoris 239 – Gerichtsstandsklauseln 295 – Gerichtsstandsvereinbarung 292 ff., 305 – gesellschaftsrechtliche Binnenstreitigkeiten 261, 264, 271, 274, 303 – insolvenzbezogene Einzelverfahren 290 – Insolvenzgerichtsstand 283, 290, 304

Stichwortverzeichnis

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Rechtsschein 257 Registerstreitigkeiten 261 Sach- und Beweisnähe 260, 275 Sachzusammenhang 241 Scheinauslandsgesellschaft 302 Schiedsvereinbarungen 297 ff. Ubiquitätstheorie 277 Vereinbarung durch AGB 294 Vereinbarung durch KBS 295 Vertragsgerichtsstand 237, 263, 266, 303 – vis attractiva concursus 282 – winding-up proceedings 262 – Wohnsitz 241 – Zweigniederlassung 254, 302 Geschäftsführer siehe Geschäftsleitung Geschäftsleitung – Angabe auf Geschäftsbriefen 44 – Aufsichtsrat 365 ff. – Disqualifizierung von Direktoren (im engl. Recht) 67, 122 – französische Gesellschaft 366 – Gerichtsstand 290, 304 – Haftung 61, 70, 113, 211, 279, 304, 338, 348 – Insolvenz 307 ff., 340 – Kapitalersatzregeln 203 – Organstreitigkeiten 271, 274 – Pflichten in Insolvenznähe 64 f., 75 – Repräsentation von Arbeitnehmern 365 – Strafsanktion bei Auslandsgesellschaft 341 Gesellschafterdarlehen – Auslandsgesellschaft 131 ff., 169 – Ausschüttungsverbot 134 – Eigen- und Fremdkapital 175

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Ersatzkapitalschutz 132 Gerichtsstand 273 Insolvenzanfechtung 173, 218 Insolvenzrecht 131 ff., 137 ff., 167, 176, 201, 211, 217 – Kapitalerhaltungsregeln 144 – Kapitalersetzender Charakter 132 ff., 171 ff., 217 – Kommanditgesellschaft 179 – Liquidation 136 – Rückzahlung 135, 138, 159 – Sicherheitenbestellung 202 – US-Recht 184 Gesellschafterwechsel 53 Gesellschaftskollisionsrecht 94 Gesellschaftsregister siehe Handelsregister Gesellschaftsstatut – Deliktsstatut 81 ff. – Insolvenzstatut 86 ff. – Niederlassungsfreiheit 97 – Durchgriffs- und Existenzvernichtungshaftung 80 – Finanzverfassung 80 – Gesellschafterdarlehen 167 – Kapitalersatzrecht 142 – Mitbestimmung 372 – Wegzug 381 ff. Gewinnausschüttung – close corporation (Delaware) 70 – Englisches Recht 58 ff. Gewinnrealisierung – Betriebsvermögenstransfer 409 – Realisationsprinzip 405 – Steuerentstrickung 410 Gläubigerbenachteiligung 204 Gläubigerschutz – Auslandsgesellschaft 55 f., 149, 210 – Befriedigungschancen 350 – Deliktsrecht 281 437

Stichwortverzeichnis

– Doppel- und Mehrfachqualifikation 84 f. – Durchgriffshaftung 118 – Eintragungspflicht 8 – Englisches Recht 67 – Gleichgewicht des Gläubigerschutzes 108 – Informationsmodell 104 – Insolvenzanfechtung 90 – Insolvenzrecht 183, 208, 221, 314, 330, 340 – Insolvenzverschleppungshaftung 348 – Kapitalerhaltung 116, 144, 314 – Kollisionsrecht 79, 84 – Konzerngesellschaft 337 – Kreditgewährung 350 – Personalstatut 203 – Rechtfertigungsgrund 103 – Schutzlücken 210, 221 – Sitztheorie 314 – US-Recht 71, 79 – Wegzug von Gesellschaften 394, 398 – Zivilprozessrecht 229 Gleichbehandlungsgrundsatz 6 GmbH – Gesellschafterdarlehen 167 – Insolvenzantragspflicht 312 – Mitbestimmung 366 – PLC 52 ff., 276 GmbH-Novelle – Gesellschafterdarlehen 140 – Insolvenzrecht 180 – Novellenregeln 211 Großbritannien siehe auch Private limited company – Gesellschaftssitzbestimmung 243 – Krisenverschleppungshaftung 61 f. 438

– Mitbestimmung 367 – Tätigkeitsverbot für Organmitglieder 67 – Zivilprozess 248 Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung 405 Gründungskosten 53 Gründungsrecht – Gläubigerschutz 104 ff. – Gründungsvorgang (lex societatis) 115 – Rechtssicherheit 155 – Stammkapital 151 Gründungstheorie 213 – europarechtliche Gründungstheorie 95 – Gerichtsstand bei Binnenstreitigkeiten 264 – Insolvenzantragspflicht 317, 355 – Wegzug von Gesellschaften 380 Haftung – Auslandsgesellschaft 146 – beschränkte Haftung 123 – Durchgriffshaftung 183 – Existenzvernichtungshaftung 259 – Gerichtsstand 276 – Geschäftsleiterhaftung 9 ff., 11, 14, 113, 185, 308, 361 – Haftungsrisiko 53 – Insolvenz 113, 308, 361 – Insolvenzverschleppung 338, 355 – Mitgesellschafter 207 – Quotenschaden 63 Halbeinkünfteverfahren 417 Handelsbrauch 294 Handelsgesellschaft 5

Stichwortverzeichnis

Handelsrecht – Angaben auf Geschäftsbriefen und Bestellscheinen 40 – Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung 405 – handelsrechtliche Grundsätze 5, 37 Handelsregister – Eintragung 1 ff. – Eintragungsfähigkeit 20 – Eintragungspflicht 11, 20 – Englisches Recht 54, 249 – Gemeinschaftsrecht 2 – Gesellschaftssitz 243 – Löschung 337, 360 – Niederländisches Recht 7 – Registergericht 10 – Registerstreitigkeiten 261 – Sanktionsmöglichkeiten 8, 14 Handelsverkehr 103 Harmonisierung 367 Hauptniederlassung – Anwendbarkeit deutschen Rechts 156 – Auslandsgesellschaft 2 – faktische Hauptniederlassung 8, 18 – Satzungssitz 4 Herkunftslandsprinzip 11, 27, 94 f. Identitätswahrung 389 Imparitätsprinzip 407 Informationsmodell 39 – Gläubigerschutz 104 – Kapitalerhaltungsvorschriften 116 Informationsrecht 368 Inlandsberührung 194 Insolvency Act (engl. Recht) 60 ff.

Insolvenzanfechtung – Anfechtung von Sicherheitenbestellungen 202, 220 – Anfechtungsanspruch 200 – EuInsVO 191, 328 – Gesellschafterdarlehen 218 – Niederlassungsfreiheit 187 – Rechtsfolgen 90 – Rechtswahl 195 f. – Schuldstatut 192 – Sekundärinsolvenzverfahren 197, 219 – Zuständigkeit des Insolvenzgerichts 283 Insolvenzantragspflicht – Auslandsgesellschaft 307 ff., 341, 355 – EuInsVO 328 – Gläubigerschutz 317 – Insolvenzstatut 333 – Internationales Privatrecht 334 – Niederlassungsfreiheit 312, 342 ff., 348 – Partikularverfahren 337 – Personalstatut 332 – Qualifizierung 312, 320 ff. – Sanktionen 338 ff. – Sonderanknüpfung 329 ff., 333, 337, 359 – Vier-Kriterien-Test 313, 349 – Vorabentscheidungsbefugnis 362 – Zweck 322, 332 Insolvenzgerichtsstand 354 Insolvenzkollisionsrecht siehe EuInsVO Insolvenzrecht – Auslandsgesellschaft 131 ff., 170, 179, 182, 207 – Englische Gesellschaft 323 – Eröffnungszuständigkeit 332 439

Stichwortverzeichnis

– – – –

Eröffungsgründe 165 EuGVVO 286 EuInsVO siehe dort Existenzvernichtungshaftung 128 – Französisches Recht 287, 323 – Gerichtsstand 283, 290 – Gesellschafterdarlehen 137, 167 – Gläubigerschutz 183, 332 – Insolvenzanfechtung siehe dort – Insolvenzantragspflicht siehe dort – Insolvenzgerichtsstand 304 – Insolvenznähe 64 f. – Insolvenzstatut 195 – Internationale Zuständigkeit 161 – Internationales Privatrecht 86 ff. – Niederlassungsfreiheit 185, 346 – Parteivereinbarung 192 – Partikularinsolvenz 181 – Prozessführungsbefugnis 287 – Quotenschaden 318 – Rangverhältnis 172, 216 – Schutzlücken 210 – US-Recht 74 f., 184 – verbotene Zahlungen 339 – Verfahrenseröffnungsstaat 324 – Vorabentscheidung 188 – Zahlungsunfähigkeit 332 – Zahlungsverbot 339 Insolvenzstatut – Gesellschafterdarlehen 167 – Kapitalersatzrecht 142 Insolvenzverschleppungshaftung – Auslandsgesellschaft 341 – Betrug 321 – Deliktsrecht 281, 356 440

– Englisches Recht 61 ff. – Gerichtsstand 279 – Qualifikation 285 – Sanktionen 341, 361 – US-Recht 75 Insolvenzverwalter 199 Inspire Art 93, 343 – Regelungsgefälle 106 – Firmenrecht 34 – Insolvenzantragspflicht 342 – Kapitalerhaltungsrecht 158 – Kapitalersatzrecht 185 – Kollisionsrecht 25 – Rechtsformwahl 52 – Steuerrecht 404 Interessenmittelpunkt – Anknüpfungsprinzip 213 – Auslandsgesellschaften 335 – Gerichtsstand 261, 264, 279 – Gerichtsstandsklauseln 295 – Gesellschaftsstatut 153 – Insolvenzantragspflicht 352, 359 – Konzern 335, 360 – Liquidation 421 – Personalstatut 154 – Scheinauslandsgesellschaft 245 – Sitztheorie 225, 245 – Sonderanknüpfung 359 Internationales Privatrecht – Anknüpfungskonzept 83 – Auslandsgesellschaft 149 – Deliktsrecht 84 ff. – Durchgriffshaftung 85 f. – EuGVÜ 242 – EuInsVO 196 – Gesellschaftsrechtliche Binnenstreitigkeiten 264 – Gläubigerschutz 79, 84 – Gründungstheorie 150

Stichwortverzeichnis

– Insolvenzrecht 86 ff., 165, 313, 329, 334, 340, 357 – Kontinuitätsinteresse 393 – Mehrfachqualifikation 84 – Niederlassungsfreiheit 212, 310 – ordre public 124 – Sitztheorie 150, 157 – Sonderanknüpfungen 91 – Überlagerungstheorie 153 – Wegzug deutscher Gesellschaften 380 Internationales Zivilprozessrecht siehe Europäisches Zivilprozessrecht Juristische Person – creatures of the law 390 – Eintragung ins Handelsregister 5 – Konzessionierung 226 Kapitalerhaltungsrecht – Auslandsgesellschaften 116, 146 ff. – Begriff des Kapitals 144 – close corporatin (Delaware) 70 – Gläubigerschutzinstrument 116 – GmbH und PLC 58 f. – Insolvenzrecht 179 – Novellenregeln 211 – Sitztheorie 158, 314 Kapitalersatzrecht siehe auch Gesellschafterdarlehen – Auslandsgesellschaft 141 – close corporation (Delaware) 74 – Einheitslösung 142 – Englisches Recht 60 – Erforderlichkeit 185 – Novellenregeln 172

– Rechtsprechungsregeln 173 – Sicherheitengewährung 205 – Zweistufigkeit 211 Kapitalgesellschaft – Auslandsgesellschaft 411 – Gläubigerschutz 108 – Mitbestimmung 371 – Steuerrecht 403 ff. – Wegzug/Zuzug 403 ff. Kapitalschutzrecht – Auslandsgesellschaft 49 ff. – Sonderanknüpfung 153 – Vier-Kriterien-Test 213 Kaufmann – Formkaufmann 46 – Handelsregister 5 – Juristische Person 19 – Kaufmännisches Bestätigungsschreiben 295 – Kaufmannsbegriff 19 Keck – Durchgriffshaftung 118 – Firmenrecht 32 – Niederlassungsfreiheit 25, 99 Kollisionsrecht siehe Internationales Privatrecht Kommanditgesellschaft – Auslandsgesellschaft 207 ff., 220 – Gesellschafterdarlehen 181 – Insolvenz 179, 181, 207 Konkursrecht siehe Insolvenzrecht Konsultationsrecht 368 Kontinuitätsinteresse 393 Kontrahierungsschaden 319 Konzern – EuInsVO 337 – Gläubigerschutz 337 – Interessenmittelpunkt 335, 360 – Mitbestimmung 366 441

Stichwortverzeichnis

– Partikularverfahren 337 – Zweigniederlassung 337 Konzessionierung 226 Kreditgewährung 350 Leitungsstruktur – Mitbestimmung 365 ff. – Societas Europaea 372 lex fori 91, 98, 242 lex fori concursus 89 – Auslandsgesellschaften 170 – Eröffnungsstadium 327 – Europäische Insolvenzverordnung 164 – Gerichtsstand 282 – Insolvenzanfechtung 191 – Insolvenzantragspflicht 322, 357 – Insolvenzverfahren 304 – Reichweite 129 lex societatis – Auslandsgesellschaften 170 – Gründungsvorgang 115 Liquidation – Auslandsgesellschaft 360 – Besteuerung 416, 422 – Wegzug 392 Luganer Übereinkommen 246, 394 Mantelgesellschaft 16 Markteinkommenskonzept 408 Materielle Unterkapitalisierung – Niederlassungsfreiheit 118 – Vier-Faktoren-Test 120 Mehrfachanknüpfung 337 Mehrfachqualifikation 84 Minderheitsgesellschafter 103 Mindeststammkapital – close corporation (Delaware) 68 – GmbH und Plc 53, 57 f. 442

– Niederlassungsfreiheit 114 Mischverfahren siehe Überlagerungstheorie Missbrauch – Gemeinschaftsrecht 100 – Niederlassungsfreiheit 149 – Scheinauslandsgesellschaft 157 Mitbestimmung 365 ff. – Auslandsgesellschaft 369 ff. – comité d´entreprise (franz. Recht) 374 – Durchsetzung 372 – Europäische Union 365 – Frankreich 366 – Großbritannien 367 – Harmonisierung 367 – Mitbestimmungs-Kommission 366 – Montan-Mitbestimmung 365 – Niederlande 367 – Niederlassungsfreiheit 376 – Österreich 367 – Paritätsgrundsatz 365 – Rechtsformabhängigkeit 371 – Societas Europaea 364, 371 – Umwandlung 371 – Verwaltungsratsmodell 372 – Wegzug von Gesellschaften 400 – Wirtschaftsausschuss 374 Nebeninsolvenzverfahren 200 New Yorker UN-Übereinkommen 299 Niederlassungsfreiheit – Eingriffsrechtfertigung 22 f., 28, 100, 148, 310 – EuInsVO 189 – Firmenrecht 36 – Haftungsverfassung 148 – Handelsregistereintragung 20

Stichwortverzeichnis

– Insolvenzrecht 185 ff., 218, 312, 349, 361 – Mindestkapitalvorschriften 114, 149, 211 – Missbrauch 7, 149 – Mitbestimmung 376 – Rechtswahlfreiheit 101 – Regelungsgefälle 106 – Schutzbereich 96 ff., 346 – Sitztheorie 94 – Steuerrecht 423 f., 430 – Vier-Kriterien-Test 213 – Wegzug von Gesellschaften 384, 430 – Zuzug von Gesellschaften 384 nimble dividends 59 Novellenregeln – Kapitalersatzrecht 137, 211 – Schwachpunkte 210 ordre public 124 Partikularverfahren 337 Personalstatut – Anknüpfung der Insolvenzantragspflicht 332, 360 – Rechts- und Parteifähigkeit 229 place of incorporation 247 Prinzip der Buchwertverknüpfung 407 Private limited company (engl. Recht) – Finanz- und Haftungsverfassung 57 – Gerichtsstand 248, 290 – GmbH 52 ff. – Insolvenzfähigkeit 337 – Kapitalerhaltung 117 – Löschung 337 ff. pseudo-foreign corporation siehe Scheinauslandsgesellschaft

Publizität – Angaben auf Geschäftsbriefen und Bestellscheinen 40 – Auslandsgesellschaft 18 – Englisches Recht 54 f. – Europäisches Unternehmensrecht 26 – Firmenordnungsrecht 15 ff., 27 – Handelsregisterrecht 16 – Niederlassungsfreiheit 35 – Publizitätsdefizit 31 – Publizitätspflicht 13 – Publizitätsrichtlinie 12, 42, 44, 122 – Rechnungslegung 16 – Scheinauslandsgesellschaften 15 ff. – Unternehmenspublizität 16 – Verkehrsschutz 26 – Zivilprozessrecht 251 – Zweigniederlassungsrichtlinie 21, 42 Quotenschaden 318, 338 Realisationsprinzip 405 ff. Rechnungslegung 16 Rechtfertigung – Wegzug von Gesellschaften 395 – Insolvenzantragspflicht 361 Rechtsfähigkeit – Handelsregistereintragung 223 – Löschung einer engl. Plc 337 – Überseering 93 Rechtsformwahl 50 ff. Rechtsformwahlfreiheit – Gesellschaftsrecht 109 – Grenzen 109 ff. – Insolvenzrecht 111 443

Stichwortverzeichnis

Rechtsprechungsregeln – Anwendung auf Auslandsgesellschaften 212 – Kapitalersatzrecht 211 Rechtssicherheit – Gerichtsstand 240 – Insolvenzantragspflicht 318 Rechtsträgerwechsel 415 Rechtswahl – Grenzen 221 – Parteivereinbarung 192 Regelungsinteresse – Gläubigerschutz 332, 359 – Insolvenzantragspflicht 333, 358 – Niederlassungsfreiheit 352 Register siehe Handelsregister Registered Office (engl. Recht) 54, 247, 276 Rückzahlungsverbot 211 Salomon-Doktrin siehe Durchgriffshaftung (im engl. Recht) Sanierungsbedürftigkeit 350 Sarbanes-Oxley-Act siehe US Kapitalmarktrecht Satzungssitz – Angabe auf Geschäftsbriefen 43 f. – Ausland 5, 7 – Hauptniederlassung 4 – Inland 5 – Zivilprozessrecht 244 Scheinauslandsgesellschaft 15 ff. – Definition 222 – Drittstaat 251, 302 – Existenzvernichtungshaftung 280 – Gerichtsstand 265, 293, 302 – Insolvenzverschleppungshaftung 280 444

– Kapitalschutzregeln 212 – Missbrauchsargument 157 – Rechts- und Parteifähigkeit 226, 301 – Schiedsvereinbarung 305 – Zivilprozessrecht 222 ff. Schiedsvereinbarung 297 ff. – Gerichtsstand 265, 298, 306 – New Yorker UN-Übereinkommen 299 – Schiedsrichterwahl 300 – Wirksamkeitsanforderungen 298 ff. – Zivilprozessrecht 305 Schutzlücke – Insolvenzverfahren 221 – Kapitalerhaltungsrecht 158 Sekundärinsolvenzverfahren – Befugnisse des Insolvenzverwalters 199 – Insolvenzanfechtung 197, 219 – Voraussetzungen 198 shotgun-remedy 121 Sitztheorie – Insolvenzrecht 317, 333 – Körperschaftssteuer 412 – Mitbestimmung 370 – Scheinauslandsgesellschaft 225 – Überseering 93 – Wegzug 380 – Zivilprozess 227, 264 Sitzverlegung siehe auch Wegzug – Export stiller Reserven 404 Societas Europaea – Betriebsstättenschlussbesteuerung 416 – Identitätswahrung 414 – Körperschaftssteuerpflicht 414 – Mitbestimmung 368, 375 – Verlegung ins Inland 416 – Verwaltungsratsmodell 373

Stichwortverzeichnis

– Wegzug 420, 426 Sonderinsolvenzverfahren siehe Sekundärinsolvenzverfahren Staatsvertrag – deutsch-amerikanischer Freundschaftsvertrag 413 – Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Großbritannien 55 – Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen Deutschland und den USA 56 Statutenwechsel 147 Steuerrecht – Auflösungsgewinn 417 – Betriebsvermögenstransfer 409 – Entstrickungsklauseln 407 – Gewinnrealisierung 405 – Halbeinkünfteverfahren 417 – Markteinkommenskonzept 408 – Steuerhoheit 410 ff. – Steuerkontrolle 103 – Wohnsitzprinzip 430 – Zuzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften 403 ff., 411, 416 Stiftung 6, 19 Stille Reserven – Aufdeckung 423 – Buchwertverknüpfung 407 – Realisationsprinzip 406 – Sitzverlegung 404 Strafrecht – Betrug 100, 321 – Untreue 83 Strohmann siehe Treuhänder Strukturrichtlinie 367 sunshine-doctrine (engl. Recht) 61

Tessili-Rechtsprechung 234 Tochtergesellschaft 21 Treuhänder 201 Typenvergleich 412 Überlagerungstheorie – better law approach 213 – Insolvenzantragspflicht 318, 355 – Kapitalschutzregeln 153 Überseering 93, 342 – Firmenrecht 34 – Insolvenzantragspflicht 342 – Mitbestimmung 376 – Rechts- und Parteifähigkeit 228 – Rechtsformwahl 52 – Steuerrecht 404 – Wegzugsfreiheit 386 Ubiquitätstheorie 277 Umwandlung – Bindung der Rechtsnachfolger 295 – Mitbestimmung 401 – Steuerrecht 407, 410 – Wegzug 383, 400 f. US-Kapitalmarktrecht 372 US-Gesellschaften siehe close corporation veil piercing siehe Durchgriffshaftung Verbraucherschutz – Gerichtsstand 237, 250, 277, 297 – Gewinnzusage 241 – Kapitalmarktgeschäft 297 Verbrauchervertrag 234 Verlustrealisierung 407 Vertrauensschaden – Ersatz bei Neugläubigern 351 445

Stichwortverzeichnis

– Insolvenzantragspflicht 319, 338 Verwaltungsratsmodell siehe Mitbestimmung Verwaltungssitz – Angabe auf Geschäftsbriefen 43 f. – EuInsVO 335 – Wegzug 381 – Zivilprozessrecht 245 Verwerfungsmonopol 190, 218 Vier-Faktoren-Test – Allgemeininteresse 102 – Deliktsrecht 127 – Erforderlichkeitskriterium 103 – Insolvenzrecht 313 – Kapitalschutzregeln 156 – Materielle Unterkapitalisierung 120 – Niederlassungsfreiheit 213, 349 – Vermögensvermischung 122 Völkerrecht 250 Vorabentscheidungsverfahren – Anwendbarkeit deutschen Insolvenzrechts 188 – Insolvenz 218, 353, 362 Vorsichtsprinzip siehe Realisationsprinzip Vorstand siehe Geschäftsleiter Warenverkehrsfreiheit 392 Wegzug – Abwicklung der Gesellschaft 383, 392, 397, 422 – Besteuerung auf Gesellschafterebene 419, 427 – DailyMail Urteil 385 – Identitätswahrung 389 – Liquidationsbesteuerung 422 – Mitbestimmung 400 446

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Niederlassungsfreiheit 384 Schlussbesteuerung 421 Statutenwechsel 396 Steuerrecht 403 ff. Überseering 386 Umwandlung 400 Wegzugsfreiheit für Gesellschaften 379 ff. Wettbewerbsrecht 32 winding-up proceedings 262 Wirtschaftsausschuss 374 Wohnsitz – Gerichtsstand 241 – Steuerrecht 430 Wrongful Trading (engl. Recht) 61ff. – Insolvenzrecht 322 – Niederlassungsfreiheit 350 Zahlungsunfähigkeit 330 f. Zivilprozessrecht siehe Europäisches Zivilprozessrecht Zuzug – Besteuerung auf Gesellschaftsebene 411, 414 – Niederlassungsfreiheit 384 – Rechtsfähigkeit 391, 413 – Steuerrecht 403 ff. – Veräußerungsgewinnbesteuerung 418 Zweigniederlassung – Auslandsgesellschaft 18 – Begriff 3 f., 18, 255 – Gerichtsstand 237, 254, 302 – Handelsregistereintragung 2 – Insolvenz 323 f. – Konzerngesellschaft 21, 337 Zweigniederlassungsrichtlinie – Begriff der Zweigniederlassung 4 – Firmenrecht 38

Stichwortverzeichnis

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Kollisionsrecht 25 Publizität 9, 21, 24, 42 Rechtsformzusatz 33 Umsetzung 3 Verhältnis zwischen Richtlinie und Rechtsprechung 23 f. – Vier-Faktoren-Test 46

Zwingende Gründe des Allgemeininteresses – Gläubigerschutz 104, 398 – Insolvenzantragspflicht 349 – Mitbestimmung 376 – Rechtfertigungsgrund 310 – Vier-Faktoren-Test 102

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