Geschichte der neueren Sprachwissenschaft: Unter dem besonderen Aspekt der Grammatik-Theorie 9783111458854, 9783111091570


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German Pages 392 Year 1986

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
1. Die Situation der Sprachwissenschaft vor de Saussure
2. Die Neuorientierung bei de Saussure
3. Die Herausbildung der strukturellen Linguistik
4. Die inhaltbezogene Grammatik
5. Die funktionale Grammatik
6. Die Abhängigkeitsgrammatik
7. Die Entwicklung und Leistung von Glinz
8. Die Bedeutung von Ch. C. Fries
9. Die generative Transformationsgrammatik
10. Zusammenfassung und Ausblick
Zeittafel
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Personenregister
Sachregister
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Geschichte der neueren Sprachwissenschaft: Unter dem besonderen Aspekt der Grammatik-Theorie
 9783111458854, 9783111091570

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Gerhard Heibig Geschichte der neueren Sprachwissenschaft

GERHARD HELBIG

Geschichte der neueren Sprachwissenschaft Unter dem besonderen Aspekt der Grammatik-Theorie

®

VEB B I B L I O G R A P H I S C H E S I N S T I T U T LEIPZIG

Heibig, Gerhard: Geschichte der neueren Sprachwissenschaft : unter d. bes. Aspekt d. Grammatik - Theorie / Gerhard Heibig. - Unveränd., fotomechan. Nachdruck d. 1. Aufl. Leipzig : Bibliographisches Institut, 1986. - 392 S.

unveränderter, fotomechanischer Nachdruck der 1. Auflage © V E B Bibliographisches Institut Leipzig, 1986 Verlagslizenz Nr. 433 130/105/86 Printed in the German Democratic Republic Druck und Einband: Grafische Werke Zwickau Lektor: Elmar Faber Einband und Schutzumschlag: Rolf Kunze, Großpösna L S V 0804 Best.-Nr.: 575 478 9 01800

Inhalt

Vorwort

9

1.

Die Situation der Sprachwissenschaft vor de Saussure

11

1.1. 1.2. 1.3. 1.3.1. 1.3.2. 1.3.3. 1.3.4.

Die romantische Sprachwissenschaft Die junggrammatische Schule Die Uberwindung der Junggrammatiker Die psychologische Richtung Die neoidealistische Geistesgeschichte Die Mundartforschung Die Kulturmorphologie

11 14 20 20 22 26 29

2.

Die Neuorientierung bei de Saussure

33

2.1. 2.2. 2.3. 2.4. 2.5.

Systemhaftigkeit der Sprache: langue und parole Synchronie und Diachronie Bilaterales Zeichenmodell Die Sprache als immanentes Relationssystem Bedeutung und Wirkung

34 35 38 41 42

3.

Die Herausbildung der strukturellen Linguistik

46

3.1. 3.2. 3.2.1. 3.2.2. 3.2.3. 3.2.4. 3.3. 3.3.1. 3.3.2. 3.3.3. 3.3.4. 3.4. 3.4.1. 3.4.2. 3.4.3. 3.4.4. 3.5.

Allgemeine Grundlagen Die Prager Schule Theoretische Konzeption Die Phonologie Trubetzkoys Die Theorie der binären Oppositionen Die Lehre von der funktionalen Satzperspektive Die Kopenhagener Schule Die vier Strata Relationsgerüst der Sprache und immanente Algebra Funktions- und Zeichenbegriff Zusammenfassung der Ziele und Einschätzung Der amerikanische Deskriptivismus Bloomiields behavioristischer Ansatz Das Meaning-Problem Der Distributionalismus von Harris Auswirkung auf den Fremdsprachenunterricht Zusammenfassung zu den drei großen Schulen des „klassischen Strukturalismus" Kritik der strukturellen Linguistik Verschiedenheit der Schulen Verdienste der strukturellen Linguistik Hauptmethoden der strukturellen Linguistik Zur Entwicklung der strukturellen Linguistik in der Sowjetunion Verhältnis von traditioneller und struktureller Linguistik

46 48 48 52 57 59 60 60 64 65 68 72 73 78 80 84

3.5.1. 3.5.2. 3.5.3. 3.5.4. 3.6. 3.6.1.

87 87 90 92 94 99 99

5

3.6.2. 3.6.3. 3.7. 3.7.1. 3.7.2. 3.7.3.

Übernahme und Weiterentwicklung der Methoden Bedeutung und Syntax Andere Schulen der strukturellen Linguistik Der britische Kontextualismus Zum französischen Strukturalismus Die strukturelle Semantik von Greimas

105 108 109 109 112 US

4.

Die inhaltbezogene Grammatik

119

4.1. 4.2. 4.2.1. 4.2.2. 4.2.3. 4.2.4.

4.6. 4.6.1. 4.6.2. 4.6.3.

Allgemeine Bemerkungen 119 Die Grundbegriffe der inhaltbezogenen Grammatik 121 Wesensbestimmung der Sprache 121 Rezeption Humboldts : Weltansicht der Sprache und innere Sprachform 122 Sprachinhalt, Weltbild und Zwischenwelt 123 Weisgerbers dreigliedriges Sprachmodell (und die Begriffe Inhalt, Funktion und Bedeutung) 126 Die Rolle der Grammatik und der vierstufige Aufbau der Sprachwissenschaft 132 Zusammenfassung 137 Einordnung 137 Kritische Bemerkungen (auch zum sprachphilosophischen Hintergrund und den sprachpolitischen Folgen) 138 Andere Vertreter der inhaltbezogenen Grammatik 145 Verhältnis von struktureller Linguistik und inhaltbezogener Grammatik 147 Parallele Erscheinungen im Ausland (General Semantics - Metalinguistik) 148 Niederschlag in der Sprachbeschreibung 152 Der Begriff des sprachlichen Feldes 152 Die „Akkusativierung" des Menschen 156 Die Satzmodelle Brinkmanns 159

5.

Die funktionale Grammatik

162

5.1. 5.1.1. 5.1.2. 5.2.

162 162 165

5.3. 5.4. 5.5. 5.6. 5.7. 5.8. 5.9. 5.9.1. 5.9.2.

Die beiden Quellen Der Funktionsbegriff Admonis Der Funktionsbegriff G. F. Meiers Ausgangspunkt, Hauptbegriffe und vier Phasen der funktionalen Grammatik Prinzipien und Methoden der funktionalen Grammatik Schlußfolgerungen für den funktionalen Sprachunterricht Verhältnis zu anderen Forschungsrichtungen Praktisches Beispiel: Die Satzmodelle in der funktionalen Grammatik Die westdeutsche funktionale Grammatik Vier Typen der funktionalen Grammatik Andere Wege in der Sprachwissenschaft der DDR Die Noematik G. F. Meiers Die neue Sprachlehre H. Beckers

6.

Die Abhängigkeitsgrammatik

198

6.1. 6.2.

Die Abhängigkeitsgrammatik Tesnières Andere Typen von Dependenz-Grammatiken

198 205

4.3. 4.4. 4.4.1. 4.4.2. 4.4.3. 4.4.4. 4.5.

6

169 177 180 182 186 189 191 192 192 196

6.2.1. 6.2.2. 6.2.3. 6.3.

Amerika Sowjetunion Zusammenfassende Bemerkungen Der Valenzbegriff und seine verschiedenen Fassungen

7.

Die Entwicklung und Leistung von Glinz

7.1. 7.2. 7.3. 7.3.1. 7.3.2. 7.3.3. 7.3.4. 7.4. 7.4.1. 7.4.2. 7.4.3.

Stellung zwischen den Fronten Erste Phase: Kritik an der traditionellen Satzgliedlehre Zweite Phase: Neue Grammatik Anliegen, Ausgangspunkt und Methode Experiment Interpretation, Funktion und Inhalt Ergebnisse und Terminologie Dritte Phase: Wendung zur inhaltbezogenen Grammatik „Der deutsche Satz" und die Überarbeitung der „Inneren Form" . . . Neues Sprachmodell und Ausgang vom Gemeinten Stellung zu anderen Forschungsrichtungen

216 217 219 219 221 223 224 227 227 230 232

8.

Die Bedeutung von Ch. C. Fries

235

8.1. 8.1.1. 8.1.2. 8.1.3. 8.1.4. 8.1.5. 8.2.

Die linguistische Konzeption von Fries 235 Wissenschaftsgeschichtliche Stellung (Verhältnis zum Meaning-Begriff) 235 Meaning und Form, Formklassen und Funktionswörter 239 Structural Meanings 243 Modifikatoren 249 Unmittelbare Konstituenten 252 Umsetzung in den Fremdsprachenunterricht 255

9.

Die generative Transformationsgrammatik

261

9.1. 9.2. 9.2.1. 9.2.2. 9.2.3. 9.2.4. 9.25. 9.2.6. 9.3. 9.3.1. 9.3.2.

Die Einfuhrung der Transformationsebene durch Harris Die erste Phase der generativen Grammatik Chomskys Zielstellung der generativen Grammatik Phrasenstruktur· und Transformationsebene Entwicklung einzelner Transformationen Die „erklärende Kraft" der generativen Grammatik Das Verhältnis von Syntax und Semantik Zusammenfassung zur ersten Phase Die zweite Phase der generativen Grammatik Chomskys Überblick und grundlegende Veränderungen Die neue Rolle der Transformationen; Verzweigungsregeln, Subkategorisierungsregeln und Lexikon Grade der Grammatikalität Aufbau der Grammatik Ebenen der Adäquatheit Kompetenz und Verwendung, Mentalismus und Physikalismus, Grammatikalität und Akzeptabilität Oberflächenstruktur und Tiefenstruktur Universalien und Spracherlermmgsprozeß Modifikationen im technischen Apparat Die semantische Komponente Die dritte Phase der generativen Transformationsgrammatik

261 265 265 267 272 275 277 280 286 286

9.3.3. 9.3.4. 9.3.5. 9.3.6. 9.3.7. 9.3.8. 9.3.9. 9.3.10. 9.4.

205 205 206 208 . 216

289 293 294 296 297 303 305 309 311 314

7

9.4.1. 9.4.2. 9.4.3. 9.4.4. 9.4.5.

314 315 316 318

9.5. 9.5.1. 9.5.2. 9.6.

Allgemeine Kennzeichen Weinreichs Modifizierung der semantischen Theorie Semantische Universalien und Prädikatenlogik Ansätze zu einer Stiltheorie :. Probleme der Subkategorisierung und des Verhältnisses von Syntax und Semantik Die generative Grammatik auf deutschem Sprachgebiet Die generative Grammatik in der D D R Die generative Grammatik in Westdeutschland und Westberlin Das applikativ-generative Modell Schaumjans

10.

Zusammenfassung und Ausblick

340

10.1. 10.2. 10.3.

Zusammenfassung der Haupttendenzen Bemerkungen zu weiteren Richtungen und zu den Proportionen Ausblick auf künftige Möglichkeiten und Notwendigkeiten

340 343 346

320 324 324 326 328

Zeittafel

350

Abkflrzungsverzeichnis

352

Literaturverzeichnis

353

Personenregister

380

Sachregister

384

8

Vorwort

Die vorliegende Arbeit ist hervorgegangen teils aus dem ersten Kapitel der Habilitationsschrift des Verfassers, die unter dem Thema ..Funktion und Inhalt in der Sprache am Beispiel der reinen Kasus des Substantivs in der deutschen Gegenwartssprache" stand, im September 1966 abgeschlossen wurde und im Jahre 1967 von der Philologischen Fakultät der Karl-MarxUniversität Leipzig (auf Grund der Gutachten der Herren Professoren Große, Neubert und Ruzicka) angenommen wurde, teils aus Vorlesungen, die der Verfasser seit 1965 am Institut für Fremdsprachen, am Institut für Deutsche und Germanische Philologie, am Dolmetscher-Institut und am Herder-Institut der Karl-Marx-Universität zum Thema „Zur Entwicklung der modernen Sprachwissenschaft", gehalten hat. Zu der Thematik des Buches liegen vom Verfasser bereits kleinere Arbeiten (vor allem in der Zeitschrift „Deutsch als Fremdsprache") vor, die als Vorstudien angesehen werden können. Wenn im gegenwärtigen Augenblick - trotz der stürmischen Entwicklung der Linguistik und der daraus resultierenden Tatsache, daß heute kaum noch alle Richtungen von einem einzigen Linguisten verarbeitet werden können - eine zusammenfassende Darstellung gewagt worden ist. so vor allem deshalb, um dem dringenden Bedürfnis nach einem Werk mit Überblickscharakter abzuhelfen. Es ist selbstverständlich, daß es sich beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung vornehmlich um eine kritische Bestandsaufnahme handeln muß und noch keineswegs alle linguistischen Modelle unter dem Gesichtspunkt einer - noch nicht voll ausgearbeiteten marxistischen Sprachtheorie durchleuchtet werden können. Um eine solche notwendige Diskussion anzuregen und fruchtbar zu gestalten, bedarf es zunächst der Aufbereitung des Materials, wie sie in der vorliegenden Arbeit zum Zwecke sowohl einer Selbstverständigung der Linguistik als auch einer Orientierung der Studierenden vorgenommen wird. Das Buch kann und soll einer künftigen umfassenden Geschichte der Sprachwissenschaft nicht vorgreifen, die nur das langfristige Werk eines größeren Autorenkollektivs sein kann. Für die Förderung des Vorhabens und für zahlreiche wichtige Hinweise sei an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Große Dank ausgesprochen. Zu Dank ist der Verfasser auch Herrn Prof. Dr. Neubert und Herrn Prof. Dr. Ruzicka für wertvolle Anregungen sowie Herrn E. Faber und dem Verlag für die mühevolle redaktionelle Betreuung des Manuskripts verpflichtet.

9

Vorwort zur zweiten Auflage

Wenn eine unveränderte Auflage dieses Buches - drei Jahre nach der e r sten Auflage und etwa fünf Jahre nach Abschluß der Arbeiten am Manuskript - vorgelegt wird, so ist dies gewiß nicht unproblematisch, zumal die Erkenntnisse der Linguistik in den letzten Jahren ungewöhnlich rasch fortgeschritten sind. Die seit 1969 erschienene Literatur konnte nicht mehr berücksichtigt werden, die seit dieser Zeit sich vollziehenden Diskussionen und daraus gewonnenen Einsichten konnten keinen Eingang in das vorliegende Buch mehr finden. Das muß einer gründlichen Neubearbeitung vorbehalten werden, die bisher aus objektiven und subjektiven Gründen noch nicht geleistet werden konnte. In jüngster Zeit ist vor allem deutlich geworden, daß sich die Sprachwissenschaft stärker als bisher in die marxistischen Gesellschaftswis senschaften integrieren muß, sich nicht ausschließlich auf mikrolinguistische Untersuchungen beschränken kann, vielmehr vor allem aufgerufen ist, die komplizierten Zusammenhänge zwischen Sprache, Denken und Ge sellschaft in das Blickfeld der Forschung zu rücken. Diese Einsicht führt nicht nur zu einem stärkeren Auebau der Soziolinguistik und der Psycholinguistik, sondern zweifellos auch in wesentlichen Punkten zu einer mo difizierten, weitaus kritischeren Wertung einzelner sprachwissenschaftlicher Richtungen und Theorien. Das betrifft z.B. de Saussure (dessen neopositivistische und zugleich undialektische Überbetonung des Sprachsystems eine Isolierung dieses Systems von seinen gesellschaftlichen Bezügen nach sich zog), den deskriptivistischen Strukturalismus (dessen ungerechtfertigtes Primat der Methoden zu einer positivistischen Einschränkung des Gegenstandsbereiches der Sprachwissenschaft führte) und nicht zuletzt die generative Transformationsgrammatik, die in einigen Schulen auf neorationalistischen Grundlagen beruht und grundsätzlich nicht durch eine zusätzliche "pragmatische Komponente" zu einer umfassenden Sprachtheorie ausgebaut werden kann (wie es in den 60er Jahren schien). Vielmehr muß zunächst eine übergreifende marxistisch-leninistische Theorie dei* sprachlichen Kommunikation entwickelt und danach geprüft werden, welche Elemente der einzelnen Grammatik-Theorien in diese eingebaut werden können. Auf diese Weise werden alte Einsichten weder dogmatisch verfestigt noch schlechthin verworfen, sondern - im Sinne einer unbestreitbaren Dialektik der Wissenschaftsentwicklung - als relative (und damit auch aufzuhebende) Elemente unserer ständig fortschreitenden E r kenntnis aufgefaßt.

Leipzig, April 1973

Gerhard Heibig

1.

Die Situation der Sprachwissenschaft vor de Saussure

1.1.

Die romantische Sprachwissenschaft

Ebenso wie die neuere deutsche Literaturwissenschaft war auch die neuere deutsche Sprachwissenschaft ein Kind der Romantik. Vor 1800 richtete sich das Interesse nicht so sehr auf die Sprache als solche, sondern primär darauf, praktische Regeln für den korrekten Sprachgebrauch aufzustellen (vielfach sogar mit dem Zweck, die Sprache vor Veränderungen zu bewahren) oder allgemeine Gesetze des menschlichen Denkens zu entdecken. Die deutsche Sprachwissenschaft erreichte erst im 19. Jahrhundert eine gewisse Geltung und ist - abgesehen von Herders rein philosophischer Besinnung auf die Sprache - vor allem an die Namen Bopp, Rask 1 und Grimm sowie an die historisch-vergleichende Methode geknüpft. Vergleichung und Geschichte setzen aber immer bereits ein Zusammensehen, eine Synthese von verschiedenen Einzelheiten voraus. Bopp sah im Anschluß an Friedrich Schlegels Schrift „Über die Sprache und Weisheit der Inder" (1808) hinter den indoeuropäischen Einzelsprachen eine ehemalige Einheit und machte damit die Sprachvergleichung zum Allgemeingut der Sprachwissenschaft. Grimms Grammatik ist keine Philosophie über die Sprache - wie zumeist die Sprachwissenschaft vor ihm - , aber auch kein normatives Regelbuch - wie noch viele Grammatiken nach ihm. Er stellt die deutsche Sprachforschung vielmehr auf geschichtliche Grundlagen, wird zum Begründer der historischen Grammatik und löst die Sprachvergleichung und Sprachgeschichte von der Sprachphilosophie und Logik.2 Er schreibt der Sprache keine Gesetze vor, sondern beschreibt ihre Gesetze aus ihrer Geschichte.3 Die mit Bopp für das Indoeuropäische und mit Grimm für das Germanische begründete Sprachvergleichung bezog sich vorerst auf die Laut- und Form1

Der Däne Rask wurde in Deutschland weniger bekannt, da die meisten seiner Werke "nur aus zweiter Hand - oft durch Grimms Vermittlung - zugänglich sind. Zu seinen Verdiensten vgl. Thomson, W.: Geschichte der Sprachwissenschaft bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts. Halle 1927, S. 58; Waterman, J. T.: Perspectives in Linguistics. Chicago/London 1963, S. 19; Jespersen, O.: Die Sprache. Ihre Natur, Entwicklung und Entstehung. Heidelberg 1925, S. 18 ff. 2 Vgl. dazu Delbrück, B.: Einleitung in das Sprachstudium. Leipzig 1893, S. 32. 3 Vgl. dazu Newald, R. : Einführung in die deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft. Lahr 1947, S. 60.

11

Verhältnisse. Aber dieser Vergleich der äußeren Lautgestalt war nur als Mittel gedacht, in den bedeutungsmäßigen Zusammenhang einzudringen. Mit Potts Wort „Durch den Buchstaben zum Geiste" 4 ist im Grunde auch das Anliegen Grimms bezeichnet. Seine universale synthetische Haltung bekundet sich nicht nur in der Sprachgeschichte und Sprachvergleichung, sondern auch darin, daß er die Sprache im Zusammenhang mit den anderen Äußerungen des menschlichen Geistes sehen wollte, daß er in der Sprache ein Tor zu Altertumskunde und Universalgeschichte erblickte, daß er das Wort um der Sache willen erforschte und daß seine deutsche Sprachgeschichte letztlich als Mittel zur Erforschung „deutschen Wesens" gedacht war. Der erste Aspekt seiner Leistungen trennt ihn von Humboldt, der zweite von der folgenden Generation der Junggrammatiker. Im Unterschied zu Grimm - der als typischer Repräsentant jenes synthetischuniversalen Beginns unserer neueren Sprachwissenschaft gelten darf markiert das Werk Bopps (da es die Formen der Sprache in ihren weiteren Verzweigungen verfolgt) bereits einen Übergang von der geschichtlichsynthetischen Sprachwissenschaft zur analytischen Gesetzeswissenschaft der Junggrammatiker. 5 Wie Grimms Blick, so ist auch der Wilhelm von Humboldts auf das Ganze gerichtet; das Kernstück seines Werkes ist aber nicht SprachgeicA/c7i?e, sondern Sprachphilosophie : Seine Vergleichung gilt in noch stärkerem Maße als bei Grimm dem Inhalt, dem Weltbild. Er will nicht nur die äußeren Sprachformen vergleichen wie Bopp vor ihm und die Junggrammatiker nach ihm: Die Sprache ist für ihn nicht nur Lautgestalt, sondern innere Formung der Welt. Für ihn „liegt in jeder Sprache eine eigentümliche Weltansicht. Wie der einzelne Laut zwischen den Gegenstand und den Menschen, so tritt die ganze Sprache zwischen ihn und die ... auf ihn einwirkende Natur ... Die Erlernung einer neuen Sprache sollte daher die Gewinnung eines neuen Standpunktes in der bisherigen Weltansicht sein und ist es in der Tat bis zu einem gewissen Grade, da jede Sprache das ganze Gewebe der Begriffe und die Vorstellungsweise eines Teiles der Menschheit enthält." 6 Die Beschäftigung mit der Sprache ist für Humboldt eine Beschäftigung mit den Sprach/wAa/ze« und den in ihnen ausgeprägten Weltansichten. Die Verschiedenheit der Sprachen „ist nicht eine Verschiedenheit von Schällen und Zeichen, sondern eine Verschiedenheit der Weltansichten selbst".7 Die 4 5

6

7

12

Pott, A. F. : Etymologische Forschungen auf dem Gebiete der indogermanischen Sprachen, II, 2. Detmold 1867, S. X. Vgl. dazu Stegmann von Pritzwald, K.: Kräfte und Köpfe in der indogermanischen Sprachwissenschaft. In: Germanen und Indogermanen, Festschrift für H. Hirt. 2. Bd. Heidelberg 1936, S. 13 ff. Humboldt, W. v.: Uber die Kawisprachen auf der Insel Java. Einleitung: Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren EiniluB auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts (1836). Neu hrsg. v. H. Nette. Darmstadt 1949, S. 60f. Humboldt, W. v. : Uber das vergleichende Sprachstudium in Beziehung auf die verschiedenen Epochen der Sprachentwicklung. Leipzig 1910, S. 152.

Sprache rückt dabei aus ihrer Funktion als Mittel heraus; sie „ist kein Werk (Ergon), sondern eine Tätigkeit (Energeia)"8 ; sie ist mehr eine „Erzeugung" als ein „Erzeugtes". 9 Das führt Humboldt weiter zum Begriff der „inneren Sprachform" 10 , auf die es ihm,mehr als auf die äußere Sprachform ankommt. Damit ist bei Humboldt die Konzeption der klassisch-romantischen Sprachwissenschaft zu Ende gedacht: Die Sprache ist in ihrer Ganzheit gesehen, nicht nur als Laut, sondern auch als Inhalt und darüber hinaus in ihrer Beziehung auf den Menschen, die Kultur und das Weltbild.11 Für Humboldt stehen „die Geisteseigentümlichkeit und die Sprachgestaltung eines Volkes ... in einer solchen Innigkeit der Verschmelzung ineinander, daß, wenn die eine gegeben wäre, die andere müßte vollständig aus ihr abgeleitet werden ... Die Sprache ist gleichsam die äußerliche Erscheinung des Geistes der Völker; ihre Sprache ist ihr Geist und ihr Geist ihre Sprache, man kann sich beide nicht identisch genug denken." 12 Indem Humboldt hinter der sprachlichen Form das Weltbild sucht, gerät er in Gefahr, die sprachlichen Eigengesetzlichkeiten aus dem Auge zu verlieren und die Sprachwissenschaft zu einem Mittel der Geistesgeschichte zu machen. Es beginnt jene Einstellung - die auch in der Sprachwissenschaft als „Apriorismus" bezeichnet werden kann - , die in die Sprache leicht etwas Außersprachliches hineinliest. Dabei ist diese Einstellung - im Gegensatz zu manchem seiner Nachfolger, zu denen nicht nur Voßler und Finck 13 , sondern vor allem die „Neuromantiker" um Weisgerber gehören - bei Humboldt noch maßvoll ausgeprägt. Seinen Schlußfolgerungen liegt ein gesichertes, wenn auch nicht sehr reichhaltiges Sprachmaterial zugrunde. Aber auch darin war er ein Produkt seiner Zeit; denn er hatte eben das Unglück, vor den Junggrammatikern geboren worden zu sein.14 Freilich ist der Begriff der „inneren Sprachform" bei Humboldt noch recht unklar; er hat ihn selbst auch nie erklärt, sondern nur in zwei Kapitelüberschriften vorgeführt. Aber was bei Humboldt noch als kühner Ansatz zu werten ist, dem Verhältnis zwischen objektiver Wirklichkeit, gesellschaftlichem Denken und Sprache auf die Spur zu kommen, ist bei vielen seiner Nachfolger - vor allem aus der Schule der „neuromantischen" 8 9 10 11

Ebenda, S. 44. Ebenda, S. 43. Ebenda, S. 89 ff. Zu diesem Wesenszug des Humboldtschen Denkens ausführlicher TyxMaH, M. M.: JlHHrBHCTHHecKa« Teopna JI. Beflcrepöepa. In: Bonpocw Teopim mwxa β coepe-

MeHHoft 3apy6excH0it jiHHTBHCTHKe. Moocea 1961, S. 124ff. 12 13

14

Humboldt, W. v. : Über die Kawisprachen, a. a. O., S. 41. Vgl. Finck, F. N . : Die Aufgabe und Gliederung der Sprachwissenschaft. Halle 1905, Kapitelüberschriften auf S. VII, 1 4 , 1 7 . Vgl. Abegg, E.: Wilhelm v. Humboldt und die Probleme der allgemeinen Sprachwissenschaft. In: Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, Geschichte und deutsche Literatur, 1921, 1/2, S. 62.

13

Sprachwissenschaft Weisgerbers - ein reaktionärer Rückgriff auf das Gedankengut der längst überwundenen romantischen Epoche des wissenschaftlichen Denkens, zumal der dazwischenliegende Zeitraum von ISO Jahren unsere Einsichten in die Zusammenhänge von Natur und Gesellschaft bereichert und zugleich schärfere methodische Maßstäbe in allen Wissenschaften gesetzt hat. Im Unterschied zur späteren, rein idealistischen Konzeption Weisgerbers enthält der Begriff des „Volksgeistes" bei Humboldt - trotz aller Mystifikation - wesentliche materialistische Elemente, weil er weitgehend geographisch-ethnologisch gefaßt ist.15 Die Leistung Humboldts steht zu der Grimms nicht nur in einem Verhältnis des Gegensatzes von Sprachgeschichte und Sprachphilosophie, sondern auch in dem der Ergänzung: War Grimm in seinem morphologisch-genealogischen Vorgehen primär an der Wortform interessiert, so ergänzte Humboldt diese Arbeit durch eine inhaltsgerichtete Forschung, die letztlich auf die Erfassung der inneren Sprachform abzielte. Mit ihm (vor allem mit seiner philosophischen Einleitung zum Kawi-Werk) geht die romantische Sprachphilosophie vorerst zu Ende und räumt der nächsten, naturwissenschaftlich und positivistisch ausgerichteten Generation den Platz.

1.2.

Die janggrammatische Schule

In die Sprachwissenschaft hielt der naturwissenschaftliche Geist seinen Einzug im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts mit den sogenannten Junggrammatikern, genannt nach einem von Zarncke geprägten Scherzwort 16 Als ihr Vorläufer darf der persönliche Freund und wissenschaftliche Widersacher Grimms, Karl Lachmann, gelten, der im Gegensatz zu der synthetisch-schöpferischen Begabung Grimms mehr analytisch-kritisch veranlagt war und deshalb zum Meister der Editionskunst und Textkritik wurde.17 Eigentlich zur Herrschaft kam diese neue analytische Methode erst in den 70er Jahren18 und brachte auf ihrem Höhepunkt (1876-1890) eine solche 15

16 17 18

14

Vgl. dazu Schankweiler, E.: Wilhelm von Humboldts historische Sprachkonzeption. Diss. Berlin 1959; Lorenz, W.: Zu einigen Fragen des Zusammenhangs von Sprache und Gesellschaft - Eine kritische Auseinandersetzung mit Leo Weisgerber. Diss. Leipzig 1965.; Neumann, W.: Wege und Irrwege der Inhaltbezogenen Grammatik. In: Weimarer Beiträge, 1961,1, S. 139. Vgl. Specht, F.: Die „indogermanische" Sprachwissenschaft von den Junggrammatikern bis zum 1. Weltkriege. In: Lexis, 1948, 1, S. 32. Über das Verhältnis zwischen den Brüdern Grimm und Lachmann vgl. Burdach, K.: Die Wissenschaft von deutscher Sprache. Berlin/Leipzig 1934, S. lOOff. Verschiedene Etappen der junggrammatischen Entwicklung werden unterschieden bei GQntert, H.: Zum heutigen Stand der Sprachforschung. In: Wörter und Sachen. Heidelberg 1929, S. 386.

Fülle von Entdeckungen hervor, wie sie die Sprachwissenschaft kaum wieder erlebt hat. Noch heute zehren wir von den Werken Pauls, Braunes, Streitbergs, Behaghels u. a. 19 Dieser ungeheure Aufschwung war möglich, da die Sprachwissenschaft aufhörte, sich vornehmlich mit allgemeinen philosophischen Problemen zu beschäftigen (wie das die vorhergehende Generation mit Humboldt auf der Basis einer noch ungenügenden Datengrundlage tat), weil sie sich statt dessen konkreten Einzelaufgaben zuwandte. Man hat deshalb von einem Übergang der Sprachwissenschaft aus ihrer philosophischen in ihre historische Etappe gesprochen.20 Die Sprache wird nicht mehr im Zusammenhang mit dem gesamten Geistesleben betrachtet, sondern wie ein naturwissenschaftliches Gebilde (damit tritt an die Stelle des alten, geistesgeschichtlichen ein neues, nunmehr naturwissenschaftliches Apriori). Dabei treten die Inhalte zurück und die Formen, besonders aber die Laute in den Vordergrund. Dieser Betonung der äußeren Sprachform entspricht eine Vernachlässigung der von Humboldt so akzentuierten und von der inhaltbezogenen Grammatik Weisgerbers später wiederentdeckten inneren Sprachform. Es ist bezeichnend, daß in Pauls „Prinzipien der Sprachgeschichte" - dem theoretischen Standardwerk jener Epoche - weder Begriff noch Name der inneren Sprachform überhaupt vorkommt21 und daß Delbrück die Frage verneint, ob der Begriff der inneren Sprachform „etwas Faßbares und Brauchbares" sei.22 Die Laute wurden von den Junggrammatikern in einer Weise betont, daß man geradezu um ausnahmslose Lautgesetze bemüht war. Das Lautgesetz, das dem Begriffe nach ursprünglich nur als Metapher gedacht war, wurde bald als Naturgesetz aufgefaßt.23 Die Sprachwissenschaft sollte durch Gesetze in eine so exakte Wissenschaft verwandelt werden, daß sie sich mit den Naturwissenschaften messen und das sprachliche Geschehen nicht nur beschreiben, sondern auch erklären konnte. Am schärfsten ist diese Forderung nach Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze wohl von dem Slawisten Leskien formuliert worden, und zwar mit folgender Begründung: „Läßt man ... beliebige zufallige, untereinander in keinen Zusammenhang zu bringende Abweichungen zu, so erklärt man 19

20 21 22 23

Zur junggrammatischen Methodik in der russischen Sprachwissenschaft vgl. ŒaxΜ β τ ο Β , Α.: CmrraKCHC pyccicoro tnuica. J l e H H H r p a n 1941, S. 59. Zur marxistischen Einschätzung der junggrammatischen Schule vgl. auch Steinitz, W.: Übei die Aufgaben der Abteilung „Deutsche Sprache der Gegenwart". In: Das Institut für deutsche Sprache und Literatur. Hrsg. v. der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin 1954, S. 85 ff. Vgl. Delbrück, B.: Einleitung in das Sprachstudium, a. a. O., S. 142. Vgl. dazu Porzig, W.: Der Begriff der inneren Sprachform. In: Indogermanische Forschungen, 1923, S. 152. Delbrück, B.: Vergleichende Syntax der indogermanischen Sprachen. Teil I. Straßburg 1893, S. 42. Vgl. Wrede, F.: Zur Abwehr. In: Teuthonista, 1925/26, S. 26.

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im Grunde damit, daß das Objekt der Untersuchung, die Sprache, der wissenschaftlichen Erkenntnis nicht zugänglich ist/' 2 * Dieses Credo läßt deutlich werden, daß die Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze im Grunde nicht aus sprachlicher Beobachtung selbst stammt, sondern aller sprachlichen Beobachtung als naturwissenschaftliches Apriori gleichsam vorgeordnet »it: Wenn die Sprachwissenschaft eine exakte Wissenschaft im Sinne der positivistisch-naturwissenschaftlichen Auffassung sein will, muß es in ihr ausnahmslose Gesetze geben. Als Ergänzung zum Lautgesetz wurde die Analogie (d. h. ein psychologischer Begriff) zur Erklärung herangezogen. Freilich ist das Schlagwort von der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze nicht immer so scharf formuliert worden. Entscheidend ist allein, daß man von sprachlichen Erscheinungen denselben Gesetzescharakter erwartete wie von Naturerscheinungen und man deshalb die Form oder gar den Laut als Beobachtungsobjekt wählte, weil diese ja als kleinste Elemente am ehesten isolierbar sind. Begriffe wie „innere Sprachform", „sprachliche Weltansicht", „Volksseele" u. a. dagegen hatten in diesem positivistischen System keinen Platz, da sie über äußere und faßbare Sprachformen hinausgehen und als „transzendent" ausgeschlossen wurden. In diesem Verzicht auf unkontrollierbare Termini und außersprachliche Erklärungen liegt ein positiver Zug der junggrammatischen Methodik ; allerdings wird - eben deshalb - von der Sprache nicht das Ganze erfaßt; sie wird nicht als System begriffen, sondern nur in ihren Formen und Lauten. Abgesehen davon, daß sich einige Junggrammatiker selbst von der Starrheit der These von der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze gelöst haben (unter ihnen Paul25 und Delbrück26), hat diese These grundsätzlich einen doppelten Aspekt: Sie bedeutet zwar einerseits eine Übertragung naturgesetzlicher Denkformen auf die Sprache, andererseits aber war sie als methodisches Postulat ein fruchtbarer Ansporn zu minutiöser und detaillierter Kleinarbeit. Gerade dadurch erreichten die Positivisten ihre gültigen Erfolge, gerade dadurch wurde Deutschland damals zu einem führenden Land in der Sprachwissenschaft, gerade dadurch wurden die Konstruktionen 24

Leskien, Λ. : Die Deklination im Slawischen, Litauischen und Germanischen. Leipzig 1876, S. XXVIII. Vgl. dazu auch Schmidt, J.: Besprechung voti Curtius - Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. In : Deutsche Literaturzeitung, Sp. 339-340; Wrede, F. : Zur Entwicklungsgeschichte der deutschen Mundartenforschung. In: Zeitschrift für deutsche Mundarten, 1919, S.8. 25 Für Paul sagt das Lautgesetz „nicht aus, was unter gewissen allgemeinen Bedingungen immer wieder eintreten muß, sondern es konstatiert nur die Gleichmäßigkeit innerhalb einer Gruppe historischer Erscheinungen" (Paul, H.: Prinzipien der Sprachgeschichte. Halle 1898, S. 861). 26 Delbrück zweifelt daran, „ob der Ausdruck Gesetz überhaupt anwendbar sei", und lehnt eine Bezeichnung als „Naturgesetz" ab (Delbrück, B.: Einleitung in das Sprachstudium, a. a. O., S. 129).

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der vorhergehenden romantischen Generation mit Tatsachen gefüllt. Nicht im Charakter der naturwissenschaftlichen Ausschließlichkeit, sondern in dem des methodischen Postulats liegt die geschichtliche Leistung der These von der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze.27 Deshalb ist es auch geschichtlich unrichtig, die Leistungen der Junggrammatiker als bloßes Absinken von den Höhen Grimms und Humboldts zu deuten. 2 8 Allerdings führen die analytische Kleinarbeit und die Konzentration auf Erscheinungen der äußeren Sprachform zu einer gewissen Isolierung der Sprache vom Menschen, zu einer Lösung vom Sprachträger. Das wurde von den Gegnern der Junggrammatiker immer wieder betont: So bezeichnet Ipsen den junggrammatischen Sprachbegriff als „in jedem Sinne wahrhaft unmenschlich" 29 , Stroh das Sprachproblem als „entseelt und entmenschlicht" 30 . Durch diese Tendenz zur Isolierung vom Menschen und den genannten Atomismus zerfällt die Sprache in eine Fülle von formalen und lautlichen Einzelheiten. Diese Einzelheiten erhalten nicht ihren Platz im Sprachsystem, sondern werden in ihrer geschichtlichen Entwicklung verfolgt. So wird etwa die Entwicklung des Lautes „a" von der althochdeutschen bis in die neuhochdeutsche Zeit betrachtet, ohne daß man die Rolle dieses Lautes im System der betreffenden Sprachstufen (sein Verhältnis zu anderen Lauten) genau untersuchte. Dieser Historismus bildet einen weiteren Wesenszug des junggrammatischen Denkens. Die programmatische Feststellung Pauls über die Reduzierung der Sprachwissenschaft zur Sprachgeschichte lautet: „Es ist eingewendet, daß es noch eine andere wissenschaftliche Betrachtung der Sprache gäbe, als die geschichtliche ... Was man für eine nicht-geschichtliche und doch wissenschaftliche Betrachtung der Sprache erklärt, ist im Grunde nichts als eine unvollkommen geschichtliche, unvollkommen teils durch Schuld des Betrachters, teils durch Schuld des Beobachtungsmaterials. Sobald man über das bloße Konstatieren von Einzelheiten hinausgeht, sobald man versucht den Zusammenhang zu erfassen, so betritt man den geschichtlichen Boden, wenn auch ohne sich klar darüber zu sein." 31 Diese von Paul geforderte Geschichtlichkeit der Sprachwissenschaft hat aber nichts zu tun mit einer Verbindung zur realen äußeren Geschichte. Die Sprachentwicklung hat bei den Junggrammatikern vielmehr ihre 27 28 29 30 31

2

Vgl. auch Ipsen, G.: Sprachphilosophie der Gegenwart. Berlin 1930, S. 6; Malmberg, B.: Structural Linguistics and Human Communication. Heidelberg 1963, S. 3. Das tut etwa Stroh, F.: Der volkhafte Sprachbegriff. Halle 1933, S. Iff.; Stroh, F.: Handbuch der germanischen Philologie. Berlin 19S2, S. 153 ff. Ipsen, G.: Besinnung der Sprachwissenschaft. In: Indogermanisches Jahrbuch, 1927, S. 5. Stroh, F.: Der volkhafte Sprachbegriff, a. a. O., S. 1. Paul, H . : Prinzipien der Sprachgeschichte, a. a. O., S. 19f. Heibig, Sprachwissenschaft

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immanente Geschichtlichkeit, von der Pott - etwas überspitzt - gesagt hat, daß sie „in einem umgekehrten Verhältnis" zur Realgeschichte stehe.32 Aus dieser junggrammatischen Vorliebe für die Geschichtlichkeit der Sprachbetrachtung ergibt sich eine Zuwendung zu den historischen Grammatiken der Einzelsprachen, zur Methode der Rekonstruktion, zur Schematisierung des genealogischen Geschehens in Stammbäumen - oftmals nicht nur als metaphorische Umschreibung, sondern als Biologismus in der Sprachwissenschaft gedeutet - und die damit verbundene Vernachlässigung der Gegenwartssprache. Die Geschichtlichkeit ist der verbindende Zug zwischen der junggrammatischen Generation und der Generation Grimms, so daß man die Linguistik des 19. Jahrhunderts als vorwiegend historisch ansprechen darf. 33 Aber schließlich genügte auch Paul die Geschichte allein nicht; deshalb schuf er eine Wissenschaft außerhalb der Sprachgeschichte, „welche sich mit den allgemeinen Lebensbedingungen des geschichtlich sich entwickelnden Objekts beschäftigt".34 Er nannte sie Prinzipienlehre oder Methodenlehre, weil ihm der Ausdruck „Sprachphilosophie" zu unpositivistisch klang. Diese Prinzipienlehre beschäftigt sich mit den psychischen und gesellschaftlichen Faktoren, die sich - obwohl sie außersprachlich sind - auf die Sprache auswirken. Das psychische Element ist für ihn „der wesentlichste Faktor in aller Kulturbewegung", die Psychologie „die vornehmste Basis aller ... Kulturwissenschaft"; die Kulturwissenschaft „ist immer Gesellschaftswissenschaft". 35 Nach diesen Äußerungen könnte es scheinen, als ob ein tiefgreifender Unterschied bestünde zwischen der physiologisch-positivistischen Einstellung der ersten Junggrammatiker und der psychologischen Methode Pauls. Diese Verschiedenheit war jedoch ohne Einfluß, auch wenn Pauls Prinzipienlehre bereits den Keim zur Selbstüberwindung mancher junggrammatischer Axiome in sich trug. Paul ist sich mit Osthoff und Brugmann durchaus einig in der Ablehnung des Volksgeistes und anderer überindividueller Erscheinungen. Der positivistische Zug auch bei ihm drückt sich darin aus, daß sprachliche Schöpfungen immer das Werk von einzelnen sind36, daß sein Untersuchungsobjekt nicht die Sprache als geschlossenes System ist, sondern „die S/vec/rtätigkeit an sämtlichen Individuen in ihrer Wechselwirkung aufeinander"37. Die physiologische Orientierung der ersten Junggrammatiker und die mehr psychologische Orientierung Pauls gehören im Rahmen der positivistischen Methodik zusammen, die die Sprache als bloße Summierung 32

Aussage Potts, zitiert nach Stegmann v. Pritzwaldt, K. : Kräfte und Köpfe, a. a. O., S. 17. 33 Vgl. dazu Cassirer, E. E.: Structuralism in Modern Linguistics. In: Word. 1943, S. 100; Lohmann, J. : Was ist und was will Sprachwissenschaft? In: Lexis, 1948, I, S. 133. 3 * Paul, H.: Prinzipien der Sprachgeschichte, a. a. O., S. 1. 35 Ebenda, S. 6f. 36 Vgl. ebenda, S. 12, 17. 37 Ebenda, S. 22.

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von Sprechakten begreift. Eben darin besteht der Atomismus der Junggrammatiker: Sie vereinzelten in ihren geschichtlichen Untersuchungen die sprachlichen Formen, lösten sie aus ihren systemhaften und funktionalen Zusammenhängen, so daß ihre historische Grammatik letztlich zur Geschichte einzelner Laute und Formen wurde und die kommunikative, inhaltliche Seite der Sprache vernachlässigte.38 Gewiß gibt es auch innerhalb der junggrammatischen Richtung - namentlich am Ende - Stimmen gegen die Ausschließlichkeit des Historischen und der Lautgesetze. So gesteht Paul selbst zu, daß einer geschichtlichen Betrachtung der Sprache die Beschreibung von Zuständen gleichsam impliziert werden müsse.39 Curtius spricht sogar von der „verfehlten Nachahmung der Naturwissenschaften" und von einer Einordnung der Sprache in die „geschichtlichen Geisteswissenschaften", die ohne ein „vorsichtig tastendes Verfahren" nicht auskommen 40 ; die junggrammatische Axiomatik bezeichnet er als aprioristisch und als im Gegensatz zu den Tatsachen stehend. 41 Im ganzen hat Pauls Prinzipienlehre jedoch die Sprachwissenschaft unbestritten zwei Jahrzehnte lang "bestimmt. In der praktischen Arbeit hat sich die junggrammatische Doktrin - vor allem in der deutschen Sprachwissenschaft - bis weit ins 20. Jahrhundert hinein gehalten, obwohl inzwischen längst andere Strömungen (vor allem seit dem 1. Weltkriege) auf den Plan getreten waren. Davon zeugt Behaghels „Geschichte der deutschen Sprache", deren 5. Auflage von 1928 der Verfasser ein Vorwort vorausschickt, in dem er „in der Ablehnung der idealistischen Richtung" beharrt, „die heute ihr Wesen treibt und die ohne tiefer schürfende Begründung das Wort geprägt hat .Sprachgeschichte ist Bildungsgeschichte, ist Geistesgeschichte'". 42 Behaghel wendet sich auch theoretisch-methodologisch als Anwalt der Junggrammatiker gegen die damals aufblühende Geistesgeschichte und gegen das Schlagwort Burdachs im besonderen. Er wirft der jüngeren Generation vor, daß „das Beherrschen der Tatsachen in Verruf gekommen ist", daß die Synthese zum „Schlagwort der Zeit" geworden sei und daß „die Vertreter dieser .idealistischen' Neuphilologie meist solche Gelehrte sind, deren Hauptarbeitsfeld die Literaturgeschichte ist, während die eigentlichen Sprachforscher ihr zum großen Teil ablehnend gegenüberstehen". Behaghel lehnt diesen aprioristischen Import aus der Literaturgeschichte als Vertreter 38

Daß „sämtliche Äußerungen der Sprechtätigkeit an sämtlichen Individuen in ihrer Wechselwirkung aufeinander" nicht Gegenstand der marxistischen Sprachwissenschaft sein können, haben Kirchner, G., Meier, G. F., Michalk F., Ricken, U., Ruzicka, R., Schuster, H. und Sperber, W. gezeigt (Versuch einer Formulierung von Thesen marxistischer Sprachwissenschaft. In: Zeitschrift für Slawistik 1959, 4, S. 534ff.). ** Vgl. Paul, H. : Prinzipien der Sprachgeschichte, a. a. O., S. 26. 40 Curtius, G.: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig 1885, S. 154f. 41 Ebenda, S. 93. Wenn Curtius' Stellungnahme von K. Brugmann (Zum heutigen Stand der Sprachwissenschaft. StraBburg 1885) und von J. Schmidt (Besprechung von Curtius, a. a. O., Sp. 339) zurückgewiesen wird, so spricht aus ihnen noch die optimistische Siegesgewißheit der jungen rationalen Generation der Junggrammatiker. 42 Behaghel, O. : Geschichte der deutschen Sprache. Berlin/Leipzig 1928, S. VII. 2»

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einer soliden Tatsachenforschung ab und bestreitet „aufs nachdrücklichste die grundsätzliche Gültigkeit des Satzes, daß Sprachgeschichte Bildungsgeschichte, Geistesgeschichte sei". 4 3 Er macht den Methodengegensatz zum Generationsgegensatz, verteidigt die Eigengesetzlichkeit der Sprache und wirft den „jüngeren Herren ... ihre leichtfertige Behandlung der Tatsachen" vor. 4 4 Als Behaghel diese Auseinandersetzung ausfocht, war die methodologische Entwicklung der Sprachwissenschaft bereits weiter fortgeschritten; denn nach dem 1. Weltkrieg hatten sich mehrere Strömungen herausgebildet, die von verschiedenen Seiten her - an einzelne Thesen der junggrammatischen Doktrin anknüpfend - den Positivismus zu überwinden suchten: Bei dieser Überwindung der Junggrammatiker knüpfte die Psychologie von Wundt an die Tatsache an, daß die Junggrammatiker die Sprache weitgehend vom Sprachträger gelöst hatten; die Geistesgeschichte mit Voßler an die Tatsache an, daß die Junggrammatiker nur die Laute und Formen, nicht aber die Inhalte und die Verbindung zum geistigen Leben gesehen hatten; die Mundartenkunde von Wenker und Wrede an die These von der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze; die Kultursoziologie bei Frings und Maurer an die Tatsache, daß die Junggrammatiker die Sprache von der Geschichte isoliert hatten; und schließlich de Saussure mit seiner Neuorientierung an die Tatsache, daß Sprachgeschichte nicht identisch ist mit Sprachwissenschaft, daß die Sprache keine Summierung von Einzelheiten, sondern ein soziales System darstellt. Diese Überwindungsformen des junggrammatischen Positivismus führen zu einer grundsätzlichen Akzentverlagerung des linguistischen Denkens von der Form auf den Inhalt der Spracherscheinungen, bringen dabei aber gleichzeitig in stärkerem Maße außersprachliche Faktoren ins Spiel.

1.3.

Die Überwindung der Junggrammatiker

1.3.1.

Die psychologische Richtung

Die Überwindung des junggrammatischen Positivismus durch die Psychologie ist vor allem an den Namen Wundts geknüpft. Ihm war voraufgegangen eine psychologische Betrachtung der Sprache bei Steinthal, der bereits vor Ausbildung der junggrammatischen Doktrin die Sprache als psychologisches 43 44

20

Ebenda, S. VIII. Behaghel, O.: Die Alten und die Jungen. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift, 1926, S. 389. Behaghel wird unterstützt von H. Arntz (Deutsche Grammatik. I n : Germanische Philologie. Festschrift f ü r O. Behaghel. Heidelberg 1934, S. 79), während H. Sperber (Sprachwissenschaft und Geistesgeschichte. In: Wörter und Sachen, 1929, S. 186) eine vermittelnde Stellung einnimmt.

Objekt angesehen hatte. Weil nach ihm die Sprache nur in ihrer Entwicklung erfaßt werden kann, kann „sie sich gar nicht an die Logik anschließen, sondern nur an die Psychologie". 45 Steinthals Abwendung von der Logik erwächst aus seiner Auseinandersetzung mit K. F. Beckers logizistischer Grammatik; „die Vereinheitlichung der Grammatik mit der Logik ist ihre Erbkrankheit". 4 6 Statt an Becker lehnt sich Steinthal wieder an Humboldt an. Er fühlt sich Humboldt so stark verpflichtet, daß er sein Buch „Grammatik, Logik und Psychologie" nur als Erläuterung des Begriffes der inneren Sprachform aufgefaßt wissen will. 47 Aber der Humboldtsche Begriff wird nicht nur erläutert, sondern damit zugleich psychologisiert und auf das menschliche Seelenleben zurückgeführt. Mit Steinthal bahnte sich eine Entwicklung an, die die Psychologie in gefahrlicher Weise zu einer Prinzipienlehre für die Philosophie und Geschichte machte. Dieser Entwicklung, die bald zur Zersetzung der spezifisch sprachlichen Kategorien führte, wurde erst um 1900 energisch und endgültig durch Husserls Phänomenologie Einhalt geboten. Steinthal sah seine Aufgabe darin, innerhalb der Sprachwissenschaft den Herrschaftsanspruch der Logik zu beseitigen und diesen Herrschaftsanspruch an die Psychologie zu übergeben; damit ersetzt er jedoch nur eine außersprachliche Erklärung durch eine andere. Von einer versuchten Überwindung des junggrammatischen Positivismus kann man aber erst bei Wundt sprechen. Die Ursachen für diesen neuen psychologischen Anstoß lagen in der Sprachwissenschaft selbst: Da die gesamte innere Seite der Sprache, die Inhalte und Bedeutungen, dem junggrammatischen Denken fremd geblieben waren, trat die Psychologie in diesen leeren Raum und nahm sich der bisher vernachlässigten inneren Seite der Sprache an. Durch Wundt wurde die Sprache nicht nur in die übrigen Ausdrucksbewegungen eingegliedert, sondern sie wurde auch aus dem Ausdruck abgeleitet.48 Zwischen den Anhängern der Formalisierung und der Psychologisierung der Sprache entwickelte sich bald eine Auseinandersetzung, die sich etwa in der Rektoratsrede Pauls einerseits und der Entgegnung Wundts in den „Problemen der Völkerpsychologie" auf der anderen Seite spiegelt. Wundt beklagt dabei die Vernachlässigung der Psychologie durch Paul, die - weil sie junggrammatischer Tradition entstammt - nicht zufallig sei. 49 Überdies geht es Wundt um Fö'/Arerpsychologie im Gegensatz zu der aus dem philologischen Individualismus stammenden Individualpsychologie Pauls. Er spricht selbst von einem Streit zwischen dem „philologischen Individualismus" und dem „psychologischen Kollektivismus". 50 45 46 47 48 49 5P

Steinthal, H.: Grammatik, Logik und Psychologie. Berlin 1855, S. 217. Ebenda, S. VII. Ebenda, S. XX. Vgl. Wundt, W.: Völkerpsychologie. 1. Bd., 1. Teil. Leipzig 1900, S. 31. Vgl. Wundt, W.: Probleme der Völkerpsychologie. Leipzig 1911, S. 36f. Ebenda, S. 62.

21

Indem Wundt die Sprache dem psychischen Bereich der Vorstellungen und Ausdrucksbewegungen zuordnet, gewinnt er sicher neue Gesichtspunkte für die Sprachbetrachtung (etwa den Ganzheitsbegriff in der Syntax oder den Apperzeptionsbegriff in der Bedeutungswissenschaft). Der positive Aspekt von Wundts psychologischer Interpretation der Sprache liegt in dem Versuch (dem ersten bedeutenden nach Grimm und Humboldt), die Sprache nicht nur von der lautlich-formalen, sondern auch von der inhaltlichbedeutungsmäßigen Seite her zu verstehen. 51 Aber gerade dadurch führen seine Bemühungen von der Sprache ab und lösen die Sprache weitgehend in Außersprachliches auf. Bei Wundt beginnt - nach der junggrammatischen Isolierung und Atomisierung der Sprache - wieder die Synthese und der Zug zur Transzendierung der Sprache. 52

1.3.2.

Die neoidealistische Geistesgeschichte

Der Versuch, das junggrammatische Denken durch die Geistesgeschichte zu überwinden, stammt aus der Romanistik und ist an die Leistung Karl Voßlers geknüpft. Voßler führt die geistesgeschichtlich-idealistische Methodik in die Sprachwissenschaft ein und steht damit von Anfang an in entschiedener Gegnerschaft zu den Junggrammatikern. Schon in seinem ersten methodologischen Werk von 1904 („Positivismus und Idealismus in der Sprachwissenschaft") hat Voßler von der idealistischen Warte aus scharf mit der positivistischen Forschung abgerechnet, die bei den Tatsachen stehenbleibt und keine kausale Erklärung bietet. Während dies für die Positivisten „strenge objektive Wissenschaft" war, ist es für Voßler „gar keine Wissenschaft. Es ist der Tod des menschlichen Denkens ... Es bleibt nur ein Chaos von Rohstoff, ohne Form, ohne Ordnung, ohne Zusammenhang. Man entziehe unserer Wissenschaft den Kausalitätsbegriff, und sie ist tot." 5 3 Voßler lehnt nicht nur die von den Junggrammatikern so betonte Lautlehre restlos ab (sie läßt sich ja am wenigsten geistesgeschichtlich erklären), sondern verwirft auch die gesamte Grammatik als unwissenschaftlich. Sie ist für ihn „ein von nimmermüden Positivisten angelegter unermeßlicher Kirchhof, wo allerhand tote Sprachteile in Massen und Einzelteilen hübsch eingebettet liegen, und die Gräber sind mit Aufschriften versehen und numeriert." 5 * Im Gegensatz zu diesem „Modergeruch der positivistischen Philologie" ist für Voßler die Stilistik das „Alpha und Omega der Philologie". 55 Sprachwissenschaft ist für ihn - den Schüler Croces - Stilistik, ist 31 32

33 34 33

Vgl. dazu auch Ipsen, G.: Der neue SprachbegrifT. In: Zeitschrift für Deutschkunde, 1932, S. 3. Dabei ist es nicht wesentlich, ob er subjektiv die Absicht gehabt hat, die Resultate der Völkerspychologie auf die Sprache zu übertragen; das wird etwa von L. Sütterlin (Das Wesen der sprachlichen Gebilde. Heidelberg 1902, S. 3) verneint. Voßler, K.: Positivismus und Idealismus in der Sprachwissenschaft. Heidelberg 1904, S. 2f. Ebenda, S. 38. Ebenda, S. 24.

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Kunstgeschichte.56 Da Voßler den Geist als Ursache aller sprachlichen Erscheinungen ansieht, verliert die Sprachwissenschaft wieder - ähnlich wie bei Wundt - ihren eigenen Gegenstand. Die Sprache wird in Geist aufgelöst, die Sprachgeschichte wird zur Geistesgeschichte deklariert. Voßler wendet sich zugleich gegen die Paulsche These von der Geschichtlichkeit aller Sprachwissenschaft und stellt ihr seine These entgegen, daß alle Sprachwissenschaft ästhetisch ist.57 Freilich ist der Begriff des Ästhetischen bei Voßler mehrdeutig und meint in diesem Zusammenhang offenbar soviel wie „mit Sinn versehen".58 Von Voßlers methodologischem Erstlingswerk her datiert der Einbruch des synthetisch-geistesgeschichtlichen Denkens in die Sprachwissenschaft. Durch Voßler und die von ihm ausgehende idealistische Neuphilologie wird die Sprachgeschichte ziir Geistesgeschichte. Voßler leistet damit im Grunde das für die Sprachwissenschaft, was Dilthey für die Literaturwissenschaft und Rickert für die Geisteswissenschaften überhaupt geleistet hatten.59 Bereits in der Festschrift für Voßler mit dem für die ganze Richtung bezeichnenden Titel „Idealistische Neuphilologie" wird in der Widmung Voßlers Verdienst, die Sprachwissenschaft von der junggrammatischen Analyse zur philosophischen Synthese geführt zu haben, deutlich hervorgehoben.60 Auch Voßlers weitere methodologische Werke61 bauen seine Thesen weiter aus, betten die sprachlichen Tatsachen in ihren kulturgeschichtlichen Hintergrund ein und begreifen sie als Spiegelung der Kulturgeschichte. Das auffallend Subjektive, Extreme und Einseitige, das uns schon bei den angeführten Äußerungen Voßlers auffallt, ist nicht nur charakteristisch für die neoidealistische Richtung, sondern entspringt zu einem großen Teil auch dem ausgesprochen künstlerischen Charakter Voßlers und seinem ausgeprägten Persönlichkeitsgefühl.62 Es äußert sich nicht zuletzt in einer zu s6

Ebenda, S. 42. Vgl. ebenda, S. 96. 58 Ausführlicher zur Mehrdeutigkeit des Begriffes „Ästhetik" bei Voßler vgl. Ipsen, G.: Sprachphilosophie der Gegenwart. Berlin 1930, S. 18. Allerdings scheint es kaum gerechtfertigt, wenn Ipsen Voßler als Begründer einer neuen Sprachphilosophie ansieht, die die Sprache als Sprache betrachtet und „nach dem einzigartigen, ausschließenden Wesen der Sprache, nach dem Nichts-als-Sprache-Sein" stellte (S. 4). 59 Vgl. Dilthey, W. : Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften. In: Ges. Schriften, VII. Bd. Berlin/Leipzig 1927; Dilthey, W.: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Leipzig 1883; Rickert, H.: Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft. Tübingen 1926; Rickert, H.: Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung. Tübingen 1929. 60 Vgl. Idealistische Neuphilologie. Festschrift für K. Voßler. Hrsg. v. Klemperer und Lerch. Heidelberg 1922, S. VI. 61 Vgl. etwa Voßler, K.: Sprache als Schöpfung und Entwicklung. Heidelberg 1905; Voßler, K.: Frankreichs Kultur im Spiegel seiner Sprachentwicklung. Heidelberg 1921; Voßler, K.: Gesammelte Aufsätze zur Sprachphilosophie. Heidelberg 1923; Voßler, K.: Geist und Kultur in der Sprache. Heidelberg 1925. 62 Vgl. dazu Funke, O.: Studien zur Geschichte der Sprachphilosophie. Bern 1927, S. 96-97. 57

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großzügigen Behandlung der Tatsachen, in seiner terminologischen Unsicherheit und Unschärfe, für die er mehrfach gerügt worden ist. 63 Er selbst behauptete von sich, mehr nachgedacht als nachgelesen zu haben, und beschwor damit nur die notwendige Antwort herauf, daß sein „Nachlesen ... hätte ausgiebiger sein müssen". 64 Wie weit Voßler von der Sprache selbst entfernt ist, zeigt seine Forderung, die Sprache nicht als akustisches Phänomen, sondern „als Erzeugnis des Geistes, als Schöpfung", zu studieren; denn der Geist ist für ihn „das Reale, wovon wir ausgehen und wozu wir zurück müssen". 6 * Diese Art der Transzendierung hat im einzelnen mit Wundts Bemühungen nicht viel gemein; denn Voßler lehnt die Psychologie ab und rät den Psychologen, sich zu entschließen, „ob sie Erkenntnistheorie oder Physiologie treiben wollen. Mit ihrem naturphilosophischen Mischmasch sind sie uns allen ein Greuel und eine Gefahr geworden." 66 Als Voßler später seine Methodologie auf den praktischen Gegenstand der französischen Sprache anwendet 67 , benutzt er die Sprache eigentlich nur als Illustration der Kultur·,sie wird nicht um ihrer selbst willen erforscht, nicht, um ihren inneren Gesetzlichkeiten nachzugehen, sondern hat nur dokumentarischen Wert für außersprachliche Erscheinungen. Natürlich ist es Voßler nicht verborgen geblieben, daß man es nicht zu weit treiben darf „im Zurückführen dieser oder jener Sprachform auf die kulturellen Tatsachen" 68 , daß eine solche Arbeitsweise sehr bald an Grenzen stößt, namentlich bei solchen sprachlichen Gegebenheiten (etwa der Laut- und Formenlehre), die einer geistesgeschichtlichen Deutung vom Material her Widerstand leisten. Voßler gesteht zwar ein, daß dort die geistige Deutung schwieriger sei, fordert sie aber trotz alledem. Voßlers Anliegen ist die innere Sprachform, nicht die „sogenannte historische Grammatik", die für ihn dasselbe ist, „was ohne den Begriff der Mode oder des Zeitgeschmackes eine Geschichte der Trachten wäre : ein chronologisch und geographisch geordnetes Verzeichnis von Knöpfen, Stecknadeln, Strümpfen und Hosenbändern" 69 , nichts als eine „ausgehungerte Kulturgeschichte der Sprache". 70 Die Sprachgeschichte beraubt Voßler ihres 63

64 65 66 67 68 69 70

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Vgl. ebenda, S. 98. Vgl. auch Jaberg, K.: Idealistische Neuphilologie. In: GermanischRomanische Monatsschrift, 1926, S.2, 12f., 25; Wechssler, E.: Besprechung von Voßler - Positivismus und Idealismus in der Sprachwissenschaft. In: Literarisches Zentralblatt, 1905, Sp. 139. Wechssler, a. a. O., S. 140. Voßler, K.: Sprache als Schöpfung und Entwicklung. Heidelberg 1905, S. 43. Ebenda, S. 105 Vgl. Voßler, K.: Frankreichs Kultur im Spiegel seiner Sprachentwicklung. Heidelberg 1921. Ebenda, S. 374f. Voßler, K. : «rammatik und Sprachgeschichte. In: Logos, 1910, S. 94. Auch enthalten in: Gesammelte Aufsätze zur Sprachphilosophie. München 1923. Voßler, K.: Das Verhältnis von Sprachgeschichte und Literaturgeschichte. In: Logos, 1911/12, S. 176. Auch enthalten in: Gesammelte Aufsätze, a. a. O.

eigenen Gegenstandes und löst sie auf : ihr rezeptiver Teil geht in die Kulturgeschichte, ihr produktiver Teil in die Literatur- und Kunstgeschichte ein. 71 Damit fallen Sprach- und Literaturgeschichte ζ. T. zusammen, haben im sprachlichen Werk denselben Gegenstand, den sie aber mit verschiedenen Methoden behandeln. Die Werke werden „vom Kunst- und Literaturhistoriker als Monumente, d. h. als Dokumente ihrer selbst, vom Sprachhistoriker aber nur ganz allgemein als Dokumente der Kultur, d. h. als ein Reflex des geistigen Lebens betrachtet." 7 2 Da die Literaturgeschichte nach Voßler ihren Gegenstand um seiner selbst willen, die Sprachgeschichte ihn aber als Dokument für anderes betrachtet, zeigt sich deutlich, daß Voßler im Grunde von der Literaturgeschichte herkommt und daß die geistesgeschichtliche Methodik auf dem Gebiet der Sprachwissenschaft in der Tat aus der Literaturwissenschaft importiert worden ist. Die Anregungen zu Voßlers Sprachphilosophie stammen aus zwei Quellen : aus der Ästhetik Croces und der Sprachauffassung Humboldts. Croce hatte Voßler gelehrt, die Sprache als Element der Kunstgeschichte zu betrachten 7 3 ; und Humboldt hatte ihn beeinflußt, die Sprache als Element der Kulturgeschichte zu verstehen. In beiden Fällen aber wird die Sprache mit etwas anderem identifiziert. Daraus resultieren bestimmte Schwächen der Voßlerschen Sprachbetrachtung: Er sieht die Sprache gar nicht in erster Linie als sprachliches, sondern eben als geistesgeschichtliches Phänomen 7 4 und löst sie zwar nicht - wie Wundt - im Ausdruck, aber im Geist auf. Er überwindet damit das junggrammatische System nicht von innen, von der Sprache her, sondern von außen, vom künstlerischen Ausdruck, von der Dichtung her. Dabei führt er die Sprache letztlich auf Dichtung zurück (statt umgekehrt) und überschätzt dàs ästhetische Moment in der Sprache 75 ; das ist ein Wesenszug, der in der neohumboldtianischen Tradition später etwa auch bei Glinz wiederkehrt. Da die geistesgeschichtliche Betrachtung nicht sprachimmanent bleibt, führt sie gewöhnlich dort zu Deutungen, wo rein sprachliche versagen. Man bemüht sich nicht mehr mit junggrammatischer Akribie und Gewissenhaftigkeit um innersprachliche (wenn auch nur formale) Gesetzmäßigkeiten, sondern man nimmt seine Zuflucht zu den oft viel bequemeren geistesgeschichtlichen Lösungen. Es ist bezeichnend, daß Voßlers Methodik stärkei auf die deutsche Sprachwissenschaft wirkte - sicher nicht ohne Einfluß der deutschen Literaturgeschichte, die der Geistesgeschichte bis 1945 geradezu 71

Vgl. ebenda, S. 167. Ebenda, S. 177. 73 Vgl. Croce, Β.: Ästhetik als Wissenschaft des Ausdrucks und allgemeine Linguistik. Leipzig 190S; Croce, Β.: Ästhetik als Wissenschaft vom Ausdruck und allgemeine Sprachwissenschaft. Tübingen 1930. 7 * Vgl. Jaberg, K.: Idealistische Neuphilologie, a. a. O., S. 25 u. a. 75 Vgl. dazu Ipsen, G.: Besinnung der Sprachwissenschaft. In: Indogermanisches Jahrbuch, 1927, S. 23; Funke, O.: Studien zur Geschichte der Sprachphilosophie, a. a. O., S. 39, 113 AT. Funke erkennt zwar die Schwächen Voßlers, übt aber an ihnen Kritik von seinem eigenen - empirisch-psychologischen - Standpunkt aus (etwa S. 103). 12

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verfallen war 76 - ; daß dagegen die französische Sprachwissenschaft den positivistischen Traditionen (die von den deutschen Junggrammatikern ausgebildet worden waren) stärker verhaftet blieb und von Voßler kaum Notiz genommen hat. 77 In die deutsche Sprachwissenschaft ist der geistesgeschichtliche Zug hineingetragen worden vor allem von Burdach und Naumann. Von Burdach stammt auch der zum Programm gewordene Satz „Sprachgeschichte ist Bildungsgeschichte".78 Burdach ist - wie Voßler - der Auffassung, „daß jede sprachliche Wandlung nicht einfacher Naturvorgang, sondern der sprachliche Reflex einer Kulturströmung sei' 4 . 79 In diesem Sinne wendet sich die neue Geschichtssynthetik - in der Literatur- und Sprachgeschichte zu der Einheit einer höheren Geistes-, Kultur- und Bildungsgeschichte zusammenfließen - nicht nur gegen die Stoffanhäufungen der vorangegangenen positivistischen Generation 80 , sondern auch schon gegen die sich anbahnende Geschichtsfremdheit der Phänomenologie. 81 Ähnlich wie Burdach versteht auch Naumann unter Sprache im Anschluß an Humboldt „eine bestimmte Ausdrucksform des Geistes einer Sprachgemeinschaft" und sieht alle sprachlichen Gesetze - auch Laut-, Akzentgesetze u. a. - als „tief im Geistigen begründet" an. 82 Damit wird auch bei ihm, der ausdrücklich Voßler und Burdach als Vorkämpfer geistesgeschichtlicher Methodik in der Sprachwissenschaft nennt, Sprachgeschichte zur Geistesgeschichte.83

1.3.3.

Die Mundartforschung

Die Überwindung und Weiterführung der junggrammatischen Doktrin erfolgte auch von der Seite der Mundartforschung.84 Gewiß gab es die Mundartforschung auch schon früher: Sie arbeitete zunächst mit vorwiegend 76

Das ist sehr leicht abzulesen an den literaturwissenschaftlichen Standardwerken jener Zeit (etwa von Unger, Cysarz, Gundolf, Bertram, Petersen, Korff, Ermatinger u. a.). Zur Entwicklung dieses Verfallsprozesses vgl. Krauss, W.: Literaturgeschichte als geschichtlicher Auftrag. In: Sinn und Form, 1950, 4. 77 Vgl. dazu Jaberg, K. : Idealistische Neuphilologie, a. a. O., S. 2. 78 Burdach, K.: Vom Mittelalter zur Reformation. Bd. V. Berlin 1926, S. 233. 79 Burdach, K.: Die Wissenschaft von deutscher Sprache. Berlin/Leipzig 1934, S. 126. 80 Vgl. Burdach, K.: Vorspiel. Gesammelte Schriften zur Geschichte des deutschen Geistes. 1. Bd., 1. Teil. Halle 1925, S. VII ff. 81 Vgl. ebenda, S. IX. 82 Naumann, H.: Versuch einer Geschichte der deutschen Sprache als Geschichte des deutschen Geistes. In: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 1923, 1, S. 139. 83 Auf dem Gebiet der spezielleren Sprachgeschichte ist die gleiche Tendenz wirksam etwa bei Karg, F.: Deutsche Sprachgeschichte. In: Grundriß der Deutschkunde. Bielefeld/Leipzig 1927, S. 120. 84 Zur Geschichte der Mundartforschung von einem neueren Gesichtspunkt vgl. Schirmunski, V. M.: Deutsche Mundartkunde. Berlin 1962, S. 56ff.

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statistischen Methoden zu dem Zweck, frühere Sprachzustände aufzuhellen, und war in junggrammatischer Zeit phonetisch verfeinert worden. 85 Eine grundsätzliche Wende wurde aber erst erreicht mit der Schaffung von Sprachatlanten, mit deren Hilfe die Mundartforschung berufen war, den um 1870 brennenden Streit um die Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze zu entscheiden. Als Wenker seinen „Sprachatlas des Deutschen Reiches" (1876-1881) schuf, wurde eine neue Epoche in der Mundartforschung eingeleitet: Die Mundarten wurden geographisch und historisch vertieft, die Mundartkunde wurde zur Dialektgeographie. Wenker hatte ursprünglich den Plan, durch seinen auf Erforschung der lebenden Mundarten beruhenden Sprachatlas die Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze zu bestätigen, d. h. dem bisher theoretischen Axiom induktiv beizukommen. Bei der Verwirklichung seines Planes stellte sich aber gerade das Gegenteil heraus. Es gibt keine ausnahmslos wirkenden Gesetze, ja nicht einmal scharf umrissene Mundartgebiete 86 ; so sprach man in der Folge von Kern-, Saumlandschaften und Linienbündeln. Weil der Wenkersche Sprachatlas im Streit um die Lautgesetze geboren war, war er - im Unterschied zum französischen Wor/atlas - im wesentlichen auf Laute und Formen beschränkt und blieb damit der junggrammatischen Tradition noch verhaftet. Immerhin konnte Wenkers Nachfolger Wrede den Atlas auch durch die direkte Methode der Befragung und Beobachtung von Mundartsprechern bestätigen - Wenker war noch auf die indirekte Methode mit Fragebogen angewiesen - und damit die Dialektgeographie legitimieren. Durch die Verknüpfung des sprachlichen Geschehens mit dem Raum erhält die bisher isolierte Sprachbetrachtung eine Fundierung in der außersprachlichen Realität. Wrede selbst spricht im Gegensatz zu den Lautgesetzen, die „überirdische Sprachelysien" konstruieren, zu Sprachgeschichten, „wie der Systematiker sie haben möchte, wie sie aber in Wirklichkeit zumeist nicht existieren", von „Sprachbildern der nüchternen Alltäglichkeit", von „flotten Lebensbildern der Wirklichkeit", „die über die exakten Vorschriften der Lauthygieniker lachend hinweggaukeln". 87 ^ Durch die Dialektgeographie wurden die Lautgesetze aus ihrer starren naturwissenschaftlichen Isolierung und Verabsolutierung gelöst und auf die Wirklichkeit zurückgeführt, d. h. zu Lautregeln relativiert. Nicht die Naturwissenschaft, sondern die Geschichte und Geographie geben nunmehr den Boden ab für sprachliche Wandlungen. Freilich wurde durch die dialektgeographische Methode das Interesse von den eigentlich sprachlichen Erscheinungen ζ. T. abgelenkt auf deren geographische und historische Ver85

86 87

Vgl. dazu Bach, Α.: Deutsche Mundartforschung. In: Germanische Philologie. Festschrift für O. Behaghel. Heidelberg 1934; Wrede, F.: Zur Entwicklungsgeschichte der deutschen Mundartforschung. In: Zeitschrift für deutsche Mundarten, 1919, S. 4. Vgl. Schirmunski, V. M., a. a. O., S. 127ff. Wrede, F.: Zur Abwehr. In: Teuthonista, 1925/26, S. 30.

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breitung, d. h. auf im Grunde außersprachliche Faktoren. 88 Das ist die eine Begleiterscheinung jener grundsätzlichen Wende, die die Sprachwissenschaft von abstrakten Lautgesetzen zur konkreten Wirklichkeit zurückführt. Eine zweite Einschränkung besteht darin, daß trotz des gewaltigen Fortschritts die Dialektgeographie89 noch in einer Beziehung an die junggrammatische Tradition gebunden blieb : Sie achtet zwar auf den Raum und auf die Geschichte der Sprachgebilde, aber vornehmlich auf deren Laut-, weniger auf deren SÏH«seite. Die Wendung der Mundartenkunde zum Bedeutungsproblem hat erst ihre nächste, sogenannte volkskundliche Etappe vollzogen. Das Material der Mundarten soll jetzt dazu benutzt werden, die Geisteshaltung des Volkes, die „Volksseele" zu erforschen. Die Verbindung von Mundartkunde und Volkskunde vollzogen zu haben geht im wesentlichen auf Friedrich Maurer zurück, für den Volkssprache und Mundart dasselbe sind, das erste ein Begriff der Volkskunde, das letztere ein Begriff der Sprachwissenschaft. Nach Maurer sollen sich beide Wissenschaften gegenseitig befruchten 90 , indem die Sprachwissenschaft sich bemüht, „die lebende Sprache als Äußerung bestimmter seelischer Haltungen zu fassen" und „auf Grund der Volkssprache Beiträge zur Erkenntnis der Volksseele zu liefern". 91 Daraus ergibt sich die Aufgabe, „zu den seelischen Kräften vorzudringen, die hinter den sprachlichen Wandlungen stehen". 92 Damit erfolgt die Überschreitung des rein Sprachlichen nicht nur - wie bei der Dialektgeographie - nach Geographie und Geschichte hin, sondern die Mundart wird letztlich als Mittel zur Erforschung des Weltbildes benutzt. 93 Damit wird eine bestimmte Gefahr deutlich, wie sie später in der inhaltbezogenen Grammatik noch viel ausgeprägter wird: die Gefahr, bei irrationalen und letztlich unmeßbaren Begriffen, schließlich bei einem mystifizierten Volksbegriff Zuflucht zu suchen. Eine solche Überschreitung des Sprachlichen trifft also nicht nur für Wundts psychologische und Voßlers geistesgeschichtliche Sprachauffassung zu, sondern auch für die Mundartenkunde, wenn auch hier nicht von Anfang an. Die Mundartforschung überschreitet die Grenzen des rein Sprachlichen in zwei Etappen: zunächst nach der Geographie und Geschichte hin in der dialektgeographischen, schließlich nach der allgemeinen Kulturgeschichte hin in der volkskundlichen Etappe. 94 Innerhalb der Mundartforschung 88 89

90 91 92 93 94

28

Vgl. dazu kritisch auch Stroh, F.: Der Aufbau des Deutschen. In: Germanen und Indogermanen. Festschrift für H. Hirt. 2. Bd. Heidelberg 1936, S. 375. Wrede, F. : Zur Entwicklungsgeschichte der deutschen Mundartforschung, a. a. O., S. 18; dort werden bereits 1919drei Etappen der Mundartforschung - die statistische, die phonetische und die dialektgeographische - unterschieden. Vgl. Maurer, F.: Sprachgeschichte als Volksgeschichte. In: Von deutscher Art und Dichtung, 1941, S. 43 f. Maurer, F.: Volkssprache. In: Fränkische Forschungen, 1933, S. 1. Ebenda, S. 125. Vgl. dazu Bach, Α.: Deutsche Mundartforschung, a. a. O., S. 133. Vg). dazu Frings, Th.: Volkskunde und Sprachgeographie. In: Deutsche Forschung, 1928, S. 91.

selbst spiegelt sich ein Stück der Entwicklung der sprachwissenschaftlichen Methodologie:' Betrachtete die naturwissenschaftliche Mundartforschung isolierte Bestandteile der Sprache, so richtete die dialektgeographische Forschung ihren Blick auf Raum und Zeit der Sprache und die volkskundliche Arbeitsrichtung gar auf den Bedeutungsbereich der Sprache. Damit hat auch die Mundartforschung teil an jener Wende von der Form- zur Inhaltsbetrachtung, die auf diesem Wege zwar den junggrammatischen Atomismus und die ausschließliche Lautbezogenheit überwindet, dabei aber gleichzeitig das Terrain der Sprache selbst verläßt und außersprachliche Faktoren - die ζ. T. auch in einem wenig exakten Begriffsapparat (Weltbild, Volksseele, innere Form, Geist u. a.) gefaßt sind - stärker zur Geltung bringt.

1.3.4.

Die Kulturmorphologie

Das gilt in gleichem Maße für die Überwindung junggrammatischen Denkens durch die kulturmorphologische Richtung, die einerseits ein Abkömmling der Mundartforschung ist, andererseits aber Berührungspunkte zur Geistesgeschichte hat und sich von dieser nur durch den Bezugspunkt unterscheidet. Als Vorläufer dieser kultursoziologischen Einstellung kann die Sprachauffassung der in den 20er Jahren erscheinenden Zeitschrift „ Wörter und Sachen" angesehen werden (Meringer, Sperber, Güntert). Von Meringer stammt das entscheidende Wort „Sprachgeschichte ist Kulturgeschichte" 95 , das zum Programm der Zeitschrift geworden ist, die die junggrammatische Doktrin zwar überwinden, zur gleichen Zeit aber „auf dem soliden Fundament" der Junggrammatiker „weiterbauen und die Form mit Inhalt füllen" will. 96 Das geschieht, indem die Überbetonung der äußeren Sprachform beseitigt werden soll durch die Beziehung auf die Sachen und auf den Menschen. In der Praxis zeigt sich dann freilich, daß sich der Akzent so stark auf die Sachforschung verlagerte, daß man das Sprachliche manchmal nur als Aushängeschild und Dekoration empfindet. 97 Diese Wendung zu den Sachen - als extremer Gegenschlag gegen die junggrammatische Lautbezogenheit und Atomisierung - ergibt sich aus der „allerorten sich regenden Neigung zur Synthese" 98 , aus der Güntert den Schluß zieht, die Sprachwissenschaft in das „Ganze der Kulturentwicklung" einzuordnen; denn sie ist für ihn „zweifellos eine Geistes- und Kulturwissenschaft". 99 Später empfing die kulturgeschichtliche Betrachtung der Sprache ihre entscheidenden Impulse von der Dialektgeographie; die Verbindung ist vor 95 96 97 98 99

Sperber, H.: Sprachwissenschaft und Geistesgeschichte. In: Wörter und Sachen, 1929, S. 173. Güntert, H. : Zum heutigen Stand der Sprachforschung. In: Wörter und Sachen, 1929, S. 393. Vgl. dazu auch Specht, F.: Die „indogermanische" Sprachwissenschaft von den Junggrammatikern bis zum 1. Weltkriege. In: Lexis, 1948, 1, S. 254. Güntert, H.: Grundfragen der Sprachwissenschaft. Leipzig 1925, Vorwort. Ebenda, S. 129.

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allem geknüpft worden von Frings und seinen rheinischen Forschungen.' oa Er hat den Nachweis geführt, daß die Sprachgeschichte mit der Kulturgeschichte und mit der allgemeinen Geschichte eng zusammengehört, „daß Sprachgrenzen Kulturgrenzen, Sprachräume Kulturräume sind". 101 Ihm geht es letztlich um eine Kulturmorphologie auf geographischer Grundlage, zu der neben der Sprachwissenschaft auch die anderen Teildisziplinen beizutragen haben, soweit sie geographisch arbeiten. Der geographische Gesichtspunkt ist der Sprachwissenschaft zwar nicht neu; aber er wird jetzt ausgebaut zu einer „zugleich beschreibenden und geschichtlichen Kulturdynamik und Kulturmorphologie des Raumes und der Räume" 1 0 2 , zu einer „überwölbenden Kulturgeographie und Kulturmorphologie".103 Von den drei genannten Stichworten meint die Kulturmorphologie das letzte Ziel, das in dem Gesamtbild der kulturellen Gestalt (morphé) bestehen soll {entsprechend dem geographischen Begriff der Morphologie einer Landschaft) ; meint die Kulturgeographie den gemeinsamen geographischen Nenner, der die „einzelnen Wissenschaftszweige aus ihrer Vereinsamung erlösen" soll 104 ; meint schließlich die Kulturdynamik nichts anderes als das Dynamische des Forschungsgegenstandes, das auch den von der volkskundlichen Richtung der Mundartforschung geprägten statischen Begriff der „Volksseele" als Forschungsgegenstand ausschließt. 105 Wenn für Frings die Sprache „ein geschichtsgeographisch bedingtes soziales Gebilde, keine organische Bildung" ist 106 , so weist das in die Richtung seines kulturdynamischen Forschungszieles, das freilich außerhalb des Sprachlichen liegt in der „Ordnung, die der Kulturraum und seine Verknüpfungen bestimmen". 107 Dadurch wird die Sprachwissenschaft der allgemeinen Kulturmorphologie dienstbar und erhält neue und umfassendere Gesichtspunkte, durch die „die deutsche Sprachgeschichte als Ausdruck deutscher Kulturgeschichte und deutscher Kulturentwicklung ihren Bau aufrichten" soll. 108 Nachhaltig vertreten wird diese kultursoziologische Betrachtung der Sprache auch von Friedrich Maurer, der die Kulturmorphologie von Frings und die volkskundliche Arbeitsweise der Mundartforschung zu verknüpfen sucht, 100

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30

Über den Ertrag dieser kulturmorphologischen Methode vor allem in der Leipziger Schule vgl. Große, R., u. W. Fleischer: Forschung und Lehre am Institut für Deutsche und Germanische Philologie. In: Lehre - Forschung - Praxis, hrsg. v. G. Harig u. M. Steinmetz. Leipzig 1963, S. 262 ff. Frings, Th.: Grundlegung einer Geschichte der deutschen Sprache. Halle 1948, S. 6. Frings, Th.: Sprachgeographie und Kulturgeographie. In: Zeitschrift für Deutschkunde, 1930, S. 549. Frings, Th.: Volkskunde und Sprachgeographie. In: Deutsche Forschung, 1928, S. 91. Frings, Th. u. E.Tille: Kulturmorphologie. In: Teuthonista, 1925/26. Frings, Th.: Volkskunde und Sprachgeographie, a. a. O., S. 105. Frings, Th.: Sprachgeographie und Kulturgeographie, a. a. O., S. 550. Ebenda, S. 552. Frings, Th. u. E. Tille: Kulturmorphologie, a. a. O., S. 18.

der die äußere Dialektgeographie auch mit der inneren Geistesgeschichte Voßlers zu verbinden trachtet zu einer Kulturmorphologie im Sinne von Frings; denn nur so erhält „das Schlagwort .Sprachgeschichte ist Geistesgeschichte, ist Bildungsgeschichte* ... in dieser Form und mit dieser dialektgeographisch-kulturmorphologischen Untermauerung wieder feste Berechtigung". 109 Darum verknüpft Maurer die Sprachgeschichte mit der Literatur- und Kulturgeschichte, die Wortforschung mit der Sachforschung. Die Sprachgeschichte kann für ihn „nicht als theoretische Entwicklung im luftleeren Raum begriffen werden"; weil sie „eine Äußerung des Volkes" ist, ist sie nur „im Zusammenhang mit der geschichtlichen Entwicklung des Volkes, seinen Voraussetzungen, seinen Schicksalen zu begreifen und darzustellen". 110 Diese Forderung, die Sprachgeschichte mit der realen äußeren Geschichte in Verbindung zu bringen, richtet sich gegen die junggrammatische Auffassung, daß die Geschichtlichkeit nur innerhalb der Sprache selbst bestehe oder sogar im Gegensatz zur äußeren Geschichte stehe. Maurer erstrebt eine „Synchronisierung" von Vorgeschichte und Sprachwissenschaft 111 und sucht nachzuweisen, daß die Sprachgeschichte nur dann zu richtigen Ergebnissen gelangt, wenn sie auf der allgemeinen Geschichte aufbaut. So richtig diese Synchronisierung theoretisch ist, so zeigt die praktische Verwirklichung dieses Programmes in Maurers „Nordgermanen und Alemannen" auch - auf dem ohnehin problematischen Forschungsgebiet der westgermanischen Spracheinheit 112 - die Kehrseite dieser Konzeption, die von der Geschichte die Lösung eines Problems erwartet, das zunächst einmal der Sprachwissenschaft aufgegeben ist. Da zumal in vorgeschichtlichen Zeiten, wo die Geschichtswissenschaft selbst noch im dunklen tastet, die Sprachwissenschaft von ihr keine sicheren Resultate erwarten kann, spiegelt sich die Verschiedenheit historischer Forschungsergebnisse in der Verschiedenheit sprachgeschichtlicher Schlußfolgerungen. 113 Wenn die ungelösten Probleme aus der Sprache in die Geschichte verschoben werden, 109

110 111

n ï

'13

Maurer, F.: Geschichte der deutschen Sprache. In: Germanische Philologie. Festschrift für O. Behaghel. Heidelberg 1934, S. 203; vgl. auch Maurer, F.: Mundart Verkehr - Stamm. In: Germanen und Indogermanen. Festschrift für H. Hirt. 2. Bd. Heidelberg 1936, S. 366 f. Maurer, F.: Sprachgeschichte als Volksgeschichte, a. a. O., S. 43. Ebenda, S. 48; Maurer, F . : Nordgermanen und Alemannen. Straßburg 1942, S. 13, 19. Vgl. dazu Müllenhoff, K.: Deutsche Altertumskunde. IV. Bd. Ber'in 1898, S. 121 ff.; Kossinna, G.: Die ethnologische Stellung der Ostgermanen. In: Indogermanische Forschungen, 1896, S. 276ff.; Wrede, F . : Ingwäonisch und Westgermanisch. In: Zeitschrift für deutsche Mundarten, 1924; Karstien, C : Historische deutsche Grammatik. Heidelberg 1939; Bach, Α.: Geschichte der deutschen Sprache. Heidelberg 1953. S. 63 ff. Vgl. etwa Frings, Th. : Grundlegung, a. a. O., S. 33 ff. ; Maurer, F. : Nordgermanen und Alemannen, a. a. O. ; Maurer, F. : Die westgermanischen Spracheigenheiten und das Merowingerreich. In: Lexis, 1948; Maurer, F.: Zur frühdeutschen Sprachgeschichte. In: Der Deutschunterricht, 1951, 1. 31

können der Sprachwissenschaft von dort Lösungen vorgegeben werden, die sie grundsätzlich durch immanent-sprachliche Feststellungen zu motivieren hat. Somit unterliegt auch die kulturmorphologische Methode jener Gefahr, auf die wir schon bei den anderen synthetisierenden Richtungen der Linguistik hingewiesen hatten: Wie bei der psychologischen, geistesgeschichtlichen und volkskundlichen Methodik besteht die Gefahr, daß man von außen her etwas in die Sprache hineinträgt, ohne es aus der Sprache selbst zu begründen. Die Junggrammatiker waren ihrerseits einem naturwissenschaftlichen Credo unterworfen, beschränkten sich auf Laute und Formen, klammerten die Inhalte und Funktionen weithin aus und verblieben damit innerhalb der Sprache, von der sie freilich nur den äußeren Teil erfaßten. Die synthetischen Richtungen - als Reaktion auf diese Einseitigkeit - brachten nun die vernachlässigten Inhalte. Bedeutungen, Funktionen, die Sinnseite der Sprache stärker zur Geltung, machten sich dabei aber von extralinguistischen Faktoren aus anderen Wissenschaften abhängig. Es versteht sich von selbst, daß damit nichts gegen die gesellschaftliche und außersprachliche Bedingtheit der Sprache gesagt ist. Ganz im Gegenteil: Das Sprachsystem ist kein Selbstzweck, sondern erfüllt sich erst in außersprachlich-gesellschaftlichen Funktionen. Entsprechend ist es in hohem Maße - in seinen verschiedenen Komponenten in verschiedener Weise - von außersprachlichen Faktoren abhängig und bedingt. Aber diese außersprachlichen Faktoren müssen einmal genau untersucht und präzise (d. h. auch ohne mythologischen Begriffsapparat) beschrieben werden. Zum anderen kann man von diesen außersprachlichen Faktoren nicht in unmittelbar-direkter Weise auf sprachinterne (etwa: grammatische) Relationen schließen, weil es nach den Einsichten der gegenwärtigen Sprachtheorie keine 1:1-Entsprechung der Strukturen von Sprache und Wirklichkeit gibt, sondern vielmehr ein nichtisomorphes, vermitteltes Zuordnungsverhältnis von Wirklichkeit, gesellschaftlichem Denken und Sprache vorliegt. Eben diese beiden Voraussetzungen fehlen der bisher genannten und als „aprioristisch" bezeichneten außersprachlichen Orientierung. Die Außersprachlichkeit in diesem Sinne überwunden zu haben ist erst ein Verdienst derjenigen Richtungen, die von de Saussure ausgehen und auf eine Erforschung der Sprache als Sprache drängen.

32

2.

Die Neuorientierung bei de Saussure

Diese grundsätzliche Neuorientierung der Linguistik ist geknüpft an den Namen de Saussures. Sie wurde philosophisch von Husserl, dessen philosophischer Analyse des Zeichenbegriffes (verbunden mit subjektiv-idealistischen Elementen einer „Wesensschau") und dessen Ausschaltung des Psychologismus1, und soziologisch von Durkheim - vor allem von dessen Wesensbestimmung des Sozialen als außer- und überindividueller Wirklichkeit - vorbereitet. Die Bedeutung de Saussures wird erst voll sichtbar, weni\ wir das soeben entworfene Bild von der Lage der Sprachwissenschaft vor de Saussure im Auge haben. Auch de Saussure ging es zunächst - wie Wundt, Voßler, Wrede und Maurer, nur von einer ganz anderen Seite her - um eine Überwindung des junggrammatischen Denkens. Dabei hat er aber zugleich diejenigen mit überwunden, die vor und mit ihm die Junggrammatiker bereits überwunden zu haben glaubten. Mit de Saussure - mit dem die Führung in der Sprachwissenschaft von Deutschland auf das Ausland übergeht - beginnen die Bemühungen, Sprache als Sprache, als System eigener Art zu erfassen, sie nicht zur Form zu reduzieren, sie aber auch nicht in Außersprachliches aufzulösen. 2 De Saussure hat seine Lehre vorgetragen in seinen Genfer Vorlesungen seit 1906; erst nach seinem Tode sind sie 1916 als „Cours de linguistique générale" von seinen Schülern Bally und Sechehaye nach ihren Vorlesungsnachschriften veröffentlicht worden. Auf Grund dieses Entstehens ist dieses grundlegende Werk der modernen Linguistik z. T. uneinheitlich und hat deshalb auch immer wieder Anlaß zu verschiedenartigen Interpretationen und heftigen Diskussionen gegeben.3 1

2

3

3

Vgl. Husserl, E.: Logische Untersuchungen. 2. Bd., 1. Teil. Halle 1913; Landgrebe, L.: Die Methode der Phänomenologie Edmund Husserls. I n : Neue Jahrbücher für Wissenschaft und Jugendbildung, 1933, S, S. 385; Stroh, F.: Allgemeine Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie. In: Germanische Philologie. Festschrift für O. Behaghel. Heidelberg 1934, S. 228; Ipsen, G. : Der neue Sprachbegriff. In: Zeitschrift für Deutschkunde, 1932, S. 6. Der Uberblick von C. C. Fries über die Entwicklung der linguistischen Methodologie (Advances in Linguistics. In: Readings in Applied English Linguistics. Hrsg. ν. Η. Β. Allen. New York 1964, S. 37) wird dieser Neuorientierung kaum gerecht, wenn er nach der Periode Grimms und der der Junggrammatiker - den dritten Neuansatz bei Sapir sieht. Vgl. dazu Wells, R. S.: De Saussure's System of Linguistics. In: Word, 3, S. Iff.; auch enthalten in: Readings in Linguistics. Hrsg. v. M. Joos. New York 1963, S. Iff. Vgl. dazu auch Godei, R.: F. de Saussure's theory of language. In: Current Trends in Linguistics. Ed. by T. A. Sebeok. Vol. III. The Hague/Paris 1966, S. 479 ff. Die handschriftlichen Quellen des „Cours" sind herausgegeben worden von R. Godei: Les sources manuscrites du Cours de linguistique générale (1957). Auf der Basis dieser Quellen wird eine kritische Ausgabe des französischen Originaltextes des „Cours" vorbereitet (hrsg. v. R. Engler, Wiesbaden 1967 ff.). Helblg, Sprachwissenschaft

33

Wenn wir de Saussure an dieser Stelle in der Entwicklung der Linguistik nennen, so meinen wir das nicht rein chronologisch, sondern im Zusammenhang mit der Entwicklung der linguistischen Methodologie und Modellbildung. Rein äußerlich gehört de Saussure in dieselbe Zeit wie Voßler, gehört er sogar weit vor die eigentliche Herausbildung der kulturmorphologischen Methode. Seiner Zielsetzung nach gehört er aber in diesen Zusammenhang. Daß seine Wirkungen erst viel später sichtbar wurden, hat einen Grund darin, daß sein Werk zunächst unbekannt blieb (noch in den 20er Jahren), zum anderen aber darin, daß auf dem Gebiet der praktischen Arbeit die junggrammatische Tradition - zumindest in Deutschland - bis weit in das 20. Jahrhundert hinein herrschend blieb. Dadurch staute sich das Saussuresche Gedankengut, und es entlud sich erst nach dem 2. Weltkrieg in einer reißenden Flut. Als die von den Junggrammatikern errichteten Barrieren fielen, trat die neue linguistische Konzeption plötzlich mächtig in den Vordergrund, die mit de Saussure vorbereitet wurde, aber erst in jenen linguistischen Strömungen ihren Niederschlag fand, die auf dem von de Saussure errichteten Fundament aufbauen. In besonderem Maße zurückhaltend gegenüber den neuen Gedanken de Saussures ist man in Deutschland gewesen; das beruht einmal auf dem noch längeren Beharren auf der für Deutschland so stolzen Tradition der Junggrammatiker, zum anderen auf der zunehmenden Isolierung der deutschen Wissenschaft während des Faschismus und erst recht während des 2. Weltkrieges. Kennzeichnend für diese Isolierung ist auch die Tatsache, daß de Saussures Werk (unter dem Titel „Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft") erst 1931 ins Deutsche übersetzt wurde, daß vorher das Buch nur von einem einzigen deutschen Linguisten rezensiert und daß es danach nur in etwa 500 Exemplaren verkauft worden ist. Im Grunde wurde es erst seit den 50er Jahren richtig beachtet.

2.1.

Systemhaftigkeit der Sprache: langue und parole

De Saussure knüpft an die junggrammatische Überbetonung des Äußeren und Historischen an, die für ihn nicht die Sprache als Sprache, als System ausmachen. Gerade auf dieses System kommt es de Saussure aber an; denn für ihn ist die Sprache „ein System von Zeichen" 4 , „ein System, das nur seine eigene Ordnung zuläßt". 5 Dieses System ist für ihn durchaus zu begreifen, ohne daß man die außersprachlichen Erscheinungen (wie Gesellschaft und Geschichte) studieren muß; es sei falsch zu behaupten, „daß man ohne sie den inneren Organismus der Sprache nicht kennen könne". 6 * de Saussure, F. : Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft. Hrsg. v. Ch. Bally u. A. Sechehaye. Berlin/Leipzig 1931, S. 19. (Vgl. dazu auch 2. Aufl., Berlin 1967). 5 Ebenda, S. 27. 6 Ebenda, S. 26. 34

Dieses System der Sprache nennt Saussure „langue" (Sprache) im Unterschied zur „parole" (in der deutschen Übersetzung Lommels nicht ganz glücklich: (Sprechen); erst beide zusammen machen für ihn die „langage" (menschliche Rede) aus. 7 Dabei versteht er unter langage die allgemein menschliche Sprechfähigkeit, die nicht auf eine Einzelsprache beschränkt ist, unter langue das soziale Systemgefüge der Einzelsprache und unter parole die Aktivierung des Sprachsystems durch das Individuum in der Sprachrealisation, d. h. im konkreten Gebrauch der Sprache, sei es beim Sprechen oder beim Schreiben. Fruchtbar geworden ist vor allem seine Scheidung der systemhaften langue von der aktualisierten parole, durch die er das Soziale vom Individuellen, das Wesentliche vom Zufälligen scheiden will. Deshalb ist die Existenz der „langue" eine notwendige Voraussetzung für die „parole": Wenn es dieses System nicht gäbe, könnten die Sprecher die Sprache nicht als Kommunikationsmittel benutzen. Umgekehrt kann die „langue" natürlich nur studiert werden auf der Basis aktueller Äußerungen (der „parole"), aus denen das System deduziert wird. Entsprechend trennt de Saussure eine innere und eine äußere Sprachwissenschaft 8 und zeigt - in seinem beliébten Vergleich mit dem Schachspiel - , daß innerlich alles ist, „was das System und die Spielregeln betrifft", äußerlich und vom Wesen her gleichgültig dagegen alles andere, vergleichbar etwa mit der äußeren Beschaffenheit der Schachfiguren. 9 Diese Schachfiguren können äußerlich völlig verschieden sein, wenn sich die Spieler nur auf diese äußere Gestalt einigen und wenn (das ist allerdings eine Voraussetzung, die es ausschließt, daß diese Schachfiguren etwa aus Luft oder Wasser bestehen) die inneren Spielregeln nicht gefährdet werden. Aus dieser Konzeption resultiert schließlich der berühmte und berüchtigte Schlußsatz des „Cours": „Die Sprache an und für sich selbst betrachtet ist der einzige Gegenstand der Sprachwissenschaft." 10 Sie ist es für de Saussure, da das System der langue unabhängig existiert von den Individuen, die in der konkreten Sprachverwendung die Möglichkeiten des Systems verwirklichen. Zwischen der langue und der parole besteht ein dialektisches Wechselverhältnis von Möglichkeit und Wirklichkeit. 11

2.2.

Synchronie und Diachronie

Aus dem Systemgedanken der Sprache erwächst für de Saussure die Notwendigkeit, streng zwischen synchrortischerund diachronischer Sprachwissen7

8 9 10 11

3*

Vgl. ebenda, S. 16f. Was de Saussure damals „langue" nannte, wird heute - etwas modifiziert - in der generativen Grammatik als Sprachkompetenz („competence-), was er „parole" nannte, als Sprachverwendung („performance") begriffen. Vgl. dazu genauer Kapitel 9.3.6. Das geschieht wohl als Reaktion auf die „äußere Linguistik" in Gestalt solcher Strömungen wie Meringers „Wörter und Sachen". de Saussure, F.: Grundfragen, a. a. O., S. 27. Ebenda, S. 279. Vgl. dazu Schmidt, W.: Lexikalische und aktuelle Bedeutung. Berlin 1963, S. 9.

35

Schaft zu unterscheiden : Synchronisch ist alles das, „was sich auf die statische Seite unserer Wissenschaft bezieht; diachronisch alles, was mit den Entwicklungsvorgängen zusammenhängt. Ebenso sollen Synchronie und Diachronie einen Sprachzustand bzw. eine Entwicklungsphase bezeichnen."13 Diese Begriffe sind - obwohl bereits von Dittrich vor de Saussure gebraucht 13 - durch de Saussure zum Allgemeingut der Linguistik geworden.14 Sie sind nicht völlig identisch mit dem Begriffspaar historisch-deskriptiv; außerdem versteht man unter dem „Geschichtlichen" in der Sprachwissenschaft keineswegs etwas Einheitliches.1S Synchronie darf auch nicht einfach mit Statik gleichgesetzt werden, da auch die tatsächliche Synchronie Veränderungen und Bewegungen in sich einschließt.16 Die synchronische und diachronische Sprachwissenschaft stehen sich bei de Saussure in Ausschließlichkeit gegenüber; ihr Gegensatz „läßt sich nicht aufheben und nicht vermitteln".17 Es handelt sich um den Gegensatz zwischen der synchronischen Forschungsrichtung, die Tendenzen des klassischen Altertums fortsetzt, und der diachronischen andererseits, wie sie in der deutschen Sprachwissenschaft bisher vorherrschend gewesen war.18 Dieser von de Saussure postulierte metaphysische und undialektische Gegensatz zwischen beiden Forschungsrichtungen wird erst von Wartburg überbrückt.19 In der Tat hängen Synchronie und Diachronie eng miteinander zusammen, ist doch die Synchronie ein Stellenwert innerhalb des zeitlich-diachronischen Kontinuums und die Diachronie andererseits eine Summe von 12 13 14

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19

36

de Saussure, F.: Grundfragen, a. a. O., S. 96. Vgl. Dittrich, O.: Grundzüge der Sprachphysiologie. Halle 1903, S. 50. U m diese Doppeldeutigkeit zu beseitigen, hat K. Ammer (Einführung in die Sprachwissenschaft. fid. I. Halle 1958, S. 197, Anm. 17) vorgeschlagen, zu unterscheiden zwischen diachronisch und synchronisch einerseits (als Eigenschaften des Objekts Sprache) und diachronistisch und synchronistisch andererseits (als Methoden der Sprachbetrachtung). G. Kandier (Das Geschichtliche in der Sprachwissenschaft und seine Ergänzungen. In: Lexis, 1954, S. 10ff.) hat acht Bedeutungen des Begriffes „geschichtlich" in der Sprachwissenschaft ( = faktisch, überliefert, bedeutsam usw.) mit ihren Gegensätzen herausgearbeitet. Vgl. dazu kritisch auch R. Jakobson in: Zeichen und System der Sprache. Bd. II. Berlin 1962, S. 53. de Saussure, F. : Grundfragen, a. a. O., S. 98. Vgl. v. Wartburg, W. : Einführung in die Problematik und Methodik der Sprachwissenschaft. Halle 1943, S. 125, 180;,. Knobloch, J.: Wege und Ziele der indogermanischen Sprachwissenschaft. In: Lexis, 1953, 2, S. 288. Vgl. v. Wartburg, W.: Das Ineinandergreifen von deskriptiver und historischer Sprachwissenschaft. In: Berichte über Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Phil.-hist. Klasse, 1931. Diese Vermittlung darf jedoch zu keinem „Kompromiß" führen; vgl. dazu kritisch Bierwisch, M.: Über die Rolle der Semantik bei grammatischen Beschreibungen. In: Beiträge zur Sprachwissenschaft, Volkskunde und Literaturforschung. Berlin 1965, S. 44, Anm. 1.

Synchronies 20 De Saussure jedoch schuf einen antinomischen Gegensatz und zerriß damit die Einheit seines Forschungsgegenstandes, an dem ihm so sehr gelegen ist. 21 Nach der ersten Scheidung (langue - parole) erfolgt jetzt eine zweite, so daß sich die Sprache für ihn wie folgt darstellt: 22 —Synchronie langue "(Sprache als System)" langage (menschliche Rede)'

^Diachronie _

parole (Sprachgebrauch)

Die Unterscheidung von Synchronie und Diachronie ist von de Saussure mit einem bestimmten Akzent versehen worden. Er ordnet die Synchronie der Diachronie über, weil sich die bisherige Sprachforschung fast ausschließlich der Diachronie gewidmet und damit die Sprache in ihre Einzelheiten und Wandlungen zerlegt habe, statt sie als Ganzheit, als System zu begreifen 23 , und „weil sie für die Masse der Sprechenden die wahre und einzige Realität ist. Ebenso ist es für dèn Sprachforscher: Vom Gesichtspunkt der Diachronie aus kann er nicht mehr die Sprache selbst wahrnehmen, sondeen nur eine Reihe von Ereignissen, welche sie mitgestalten." 24 Damit wird vom Systemcharakter der Sprache her die Wissenschaftlichkeit einer synchronischen Sprachbetrachtung gerechtfertigt und sie der diachronischen, die Sprache in isolierte Tatbestände zerreißenden Betrachtungsweise übergeordnet. Mit dieser Trennung wird eine „Entzweiung der Sprachwissenschaft" 25 geschaffen: Nachdem vorher - etwa bei Paul - die Erklärung der Entwicklung als allein wissenschaftlich angesehen worden war, wird es nun die Beschreibung der Zustände. Zustand und Bewegung werden in einen „starren, metaphysischen (undialektischen) Gegensatz" zueinander gebracht. 26 Ohne Zweifel wird aber - das ist das Bleibende an der Konzeption 20

21 22 23 24 23 26

Vgl. dazu auch Meier, G. F.: Das Zéro-Problem in der Linguistik. Berlin 1961, S. 83; Glinz, H.: Ziele und Arbeitsweisen der modernen Sprachwissenschaft. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Bd. 200. 1963, 3, S. 177. Vgl. dazu auch Ruzicka, R.: Struktur und Dialektik in der russischen Grammatik. In: Zeitschrift für Slavistik, 1959, 4, S. 438-439. Vgl. de Saussure, F.: Grundfragen, a. a. O., S. 116. Vgl. ebenda, S. 97. Ebenda, S. 107. Telegdi, Zs.: Uber die Entzweiung der Sprachwissenschaft. In: Acta Linguistica Academiae Scientiarum Hungaricae, 1962, S. 98 ff. Telegdi, Zs.: Bemerkungen zu einer neuen Konzeption der Grammatik. In: Wiss. Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Gesellschafts- tind Sprachwiss. Reihe, 1963, 1/2, S. 967.

37

de Saussures - eine echte geschichtliche Betrachtung erst auf Grund synchronisier Beschreibung des Systems möglich, weil in ihm allein sprachliche Relationen und Strukturen sichtbar werden.27

2.3.

Bilaterales Zeichenmodell

Das sprachliche System ist bei de Saussure ein System von Zeichen, bei denen es auf eine Verbindung von Inhalt und Lautform ankommt. Im Gegensatz zum unilateralen Zeichenbegriff (der sich auch in der Umgangssprache findet, wenn man etwa von einem Verkehrszeichen spricht) ist das sprachliche Zeichen für de Saussure die Verbindung eines Bezeichnenden mit einem Bezeichneten, einer Lautform mit einer Bedeutung, eines signifiant mit einem signifié, eines Signifikanten mit einem Signifikat. Beide sind untrennbar wie die beiden Seiten eines Blattes Papier miteinander verbunden: „Das Denken ist die Vorderseite und der Laut die Rückseite; man kann die vordere Seite nicht zerschneiden, ohne zugleich die Rückseite zu zerschneiden."28 Beide gehören so untrennbar zusammen, daß vor ihrem Zusammenwirken bei der Konstitution des sprachlichen Zeichens das Denken und die Laute nur eine gestaltlose chaotische Masse sind. „Nichts ist bestimmt, ehe die Sprache in Erscheinung tritt." 29 Die Sprache enthält also „weder'VorsteJlungen noch Laute, die gegenüber dem sprachlichen System präexistent wären, sondern nur begriffliche und lautliche Verschiedenheiten, die sich aus dem System ergeben".30 De Saussure kennzeichnet die bilaterale Ganzheit des sprachlichen Zeichens in folgendem Schema:31 concept

Vorstellung

image acoustique

Lautbild

signifié signifiant 2

Bezeichnetes V

Bezeichnendes

' Vgl. dazu Ruzicka, R.: Struktur und Dialektik, a . a . O . , S. 439; Ruzicka, R.: Zur Situation und Aufgabenstellung der wissenschaftlichen Grammatik. In : Fremdsprachenunterricht, 1964, 4, S. 205; Glinz, H.: Ziele und Arbeitsweisen, a . a . O . , S. 161 ff.; Grosse, S.: Methoden inhaltbezogener Sprachforschung. In: Wirkendes Wort, 1964, 2, S. 76. 28 de Saussure, F.: Grundfragen, a. a. O., S. 134. 29 Ebenda, S. 133 f. 30 Ebenda, S. 143f. 31 Vgl. ebenda, S. 136, 78 u. a. Vgl. dazu auch Hansen, H.: Wege und Ziele des Strukturalismus. In: Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik, 1958, 4, S. 346. 38

Im Gegensatz zur unilateralen Auffassung des Zeichens - nur als Lautbild, als signifiant - ist für de Saussure ein Zeichen immer die „Verbindung der Vorstellung mit dem Lautbild", ist es immer „etwas Doppelseitiges, das aus der Vereinigung zweier Bestandteilie hervorgeht". Das Zeichen ist damit nicht unmittelbar auf einen Gegenstand der außersprachlichen Realität bezogen, sondern ist eine sprachimmanente Größe im Bezugssystem der Sprache. „Das sprachliche Zeichen vereinigt in sich nicht einen Namen und eine Sache, sondern eine Vorstellung und ein Lautbild." 3 2 De Saussure weist die Auffassung der Sprache als einer bloßen Nomenklatur von Sachen zurück; das „Bezeichnete" in seinem Sinne gehört vielmehr mit zur Sprache und darf nicht mit der „chose réelle", dem außersprachlichen Objekt, verwechselt werden. 33 Der sprachimmanente Zusammenhang zwischen Bezeichnendem und Bezeichnetem ist zwar fest und untrennbar; er ist jedoch nicht natürlich oder naturnotwendig, sondern arbiträr und unmotiviert, allein durch die Konvention der Sprachgemeinschaft gegeben und in ihr fest verankert. Gerade deshalb ist die These von der „Willkürlichkeit" des sprachlichen Zeichens in der Formulierung de Saussures zumindest mißverständlich; was er „arbiträr", „unmotiviert" bzw. „willkürlich" genannt hat, ist in Wahrheit eine nicht nur gewohnheitsmäßige, sondern auch für alle Mitglieder der betreffenden Sprachgemeinschaft obligate Verbindung von einem Signifikanten und einem Signifikat. 34 De Saussure will den Begriff „Zeichen" für das Ganze beibehalten und führt zunächst die Begriffe Vorstellung (Concept) und Lautbild (Image acoustique) ein, die er später durch die eindeutigeren - weil entpsychologisierten und entlogisierten - Begriffe Bezeichnetes (signifié) und Bezeichnendes (signifiant) ersetzt. 35 Gerade weil der inhaltbezogenen Grammatik das signifié noch nicht eindeutig genug schien und zumindest das Mißverständnis des Außersprachlichen noch zuließ, knüpfte sie kritisch an dieses zweigliedrige Modell an und entwickelte daraus ein dreigliedriges Modell. Das Bezeichnete wird in seinem Stellenwert bestimmt einmal durch die Bedeutung, die es von der Realität erhält; als Teil eines Systems hat es aber „zugleich und hauptsächlich einen Wert, und das ist etwas ganz anderes" 3 6 und ergibt sich aus seiner Beziehung zu anderen Gliedern. Wir dürfen das 32

33

34 35 36

de Saussure, F.: Grundfragen, a. a. O., S. 77f. Trotzdem fällt de Saussure - oder fallen seine Herausgeber - bisweilen in den umgangssprachlichen Gebrauch zurück und setzen das Zeichen mit dem signifiant gleich ; vgl. dazu auch Wells, R. S. : De Saussure's System, a. a. O., S. 5 f. Vgl. de Saussure, F.: Grundfragen, a. a. O., S. 76. An diese Unterscheidung knüpft vor allem die inhaltbezogene Grammatik an; vgl. dazu Gipper, H.: Sessel oder Stuhl? In: Sprache - Schlüssel zur Welt. Festschrift für L. Weisgerber. Düsseldorf 1959, S. 271 f.; Gipper, H.: Bausteine zur Sprachinhaltsforschung. Düsseldorf 1963, S. 29ff. Vgl. dazu auch R. Jakobson in: Zeichen und System der Sprache. Bd. II. Berlin 1962, S. 51. Vgl. de Saussure, F.: Grundfragen, a. a. O., S. 78f. Ebenda, S. 137f.

39

Begriffssystem de Saussures wie folgt schematisieren:37 signe (Zeichen)

zunächst:

später:

image acoustique (Lautbild, Lautkörper) signifiant (Bezeichnendes)

concept (Vorstellung, Begriff)

I

signifié (Bezeichnetes)

signification (Bezeichnung, Bedeutung, Ausschnitt aus der Realität)

valeur (Wert)

Allerdings hat die bilaterale Zeichenkonzeption de Saussures einige Mißverständnisse heraufbeschworen : Aus dem signifiant wurde zwar zunächst die Form, aus dem signifié der Inhalt oder die Bedeutung. Als man aber erkannte, daß auch in der Grammatik - die man vorerst zum Bereich der Form rechnete - die „Bedeutung" eine Rolle spielte - die traditionellen Grammatiken enthalten tatsächlich sehr viele Bedeutungsangaben - , entstand der an sich widerspruchsvolle Begriff der „grammatischen Bedeutung". Am folgenschwersten dürfte aber wohl die von de Saussure nicht ganz konsequent durchgehaltene Trennung von signifié und chose réelle gewesen sein. Einerseits betont er, daß „le signe linguistique unit non une chose et un nom, mais un concept et une image acoustique" 38 ; andererseits aber ist für ihn die Beziehung zwischen den beiden Seiten des Zeichens arbiträr, weil die Beziehung zur Realität willkürlich sei („o-k-s" und , b-ö-f " bezeichnen in zwei Sprachen das Gleiche „in der Realität"). Damit bezieht sich de Saussure jedoch wieder auf die „chose", die er anfangs aus der Zeichendefinition ausgeklammert hatte. 39 Es geht also im Grunde um eine Dreischichtung - nicht um eine Zweischichtung - , auch wenn sie bei de Saussure selbst noch verdunkelt ist. 40 37 38 39

40

40

Vgl. dazu auch Gipper, H.: Sessel oder Stuhl, a. a. O., S. 272. de Saussure, F.: Cours de linguistique générale. Paris/Lausanne 1916, S. 98, lOOff. Darauf ist kritisch hingewiesen worden von E. Benveniste (Nature du signe linguistique. In: Acta Lingustica I. Copenhague 1939, S. 24, 37) und E. Lerch (Vom Wesen des sprachlichen Zeichens. In: Acta Linguistica I, S. 148, 152f., 161). Gegen diese Kritik hat sich von glossematischer Seite N. Ege (Le signe linguistique est arbitraire. In : Recherches Structurales. Copenhague 1939, S. 14ff.) gewandt. Auch A. H. Gardiner (The Theory of Speech and Language. Oxford 1932, S. 29ff.) hält - mit de Saussure „meaning" für dem Zeichen inhärent, aber sieht das Zeichen - im Unterschied zu de Saussure - als abhängig vom außersprachlichen „thing-meant" an. Deshalb hat man auch die Dichotomie von signifiant - signifié durch cine Trichotomie Bedeutungsträger - Bedeutung - Bezeichnetes ersetzen wollen, wobei das Bezeichnete ( = Gemeinte) allerdings nicht zum Zeichen gehört und die Bedeutung nur das ist, „was das Bezeichnete mit dem Bedeutungsträger verbindet". Vgl. Bröcker, W. und J. Lohmann: Vom Wesen des sprachlichen Zeichens. In: Lexis, 1948, 1, S. 24ff.

2.4.

Die Sprache als immanentes Relationssystem

Weil das Zeichen nicht direkt auf einen Gegenstand der objektiven Realität bezogen wird, ist es primär eine Größe im Relationssystem der Sprache. Damit wird - neben der langue und der Synchronie - der dritte Grundbegriff der neueren, von de Saussure begründeten Linguistik sichtbar: die Struktur.*1 Wieder im Vergleich mit dem Schachspiel, das auf der Kombination und relativen Beziehung der Figuren zueinander (und nicht auf ihrer äußeren materiellen Gestalt) beruht, hat die Sprache bei de Saussure „den Charakter eines Systems, das durchaus auf der Gegenüberstellung seiner konkreten Einheiten beruht". 4 2 Die Sprache ist nichts anderes „als ein System von Werten (valeurs)" 43 , „ein System, dessen Glieder sich alle gegenseitig bedingen und in dem Geltung und Wert des einen nur aus dem gleichzeitigen Vorhandensein des anderen sich ergeben". 4 4 Damit erscheinen die sprachlichen Werte im System als bloße Bezugselemente, die durch Laute und Bedeutungen realisiert werden. Kein Glied im Sprachsystem hat eine Geltung für sich allein, sondern alle Glieder bedingen einander. Auch in der Grammatik stößt de Saussure „statt auf von vornherein gegebene Vorstellungen auf Werte, die sich aus den Systemen ergeben ... Ihr bestimmtestes Kennzeichen ist, daß sie etwas sind, was die anderen nicht sind". 4 5 Diese strukturellen Beziehungen gelten sowohl für die Seite des signifié als auch für die des signifiant. „Wie beim Wort die Seite der Bedeutungen einzig und allem durch seine Beziehungen und Verschiedenheiten mit anderen Gliedern der Sprache gebildet wird, so kann man dasselbe von seiner materiellen Seite sagen." 4 6 Alles läuft darauf hinaus, „daß es in der Sprache nur Verschiedenheiten gibt ... in der Sprache ... gibt es nur Verschiedenheiten ohne positive Einzelglieder".47 Erst durch die Verbindung von Bezeichnendem und Bezeichnetem werden positive Glieder gewonnen; diese Verbindung „schafft eine Form, keine Substanz". 4 8 Das sprachliche System besteht darin, daß Verschiedenheiten des Lautlichen mit Verschiedenheiten der Vorstellungen in Beziehung gesetzt werden, und „dieses ln-Beziehung-Setzen erzeugt ein System von Werten ... Obgleich Bezeichnetes und Bezeichnung, jedes für sich genommen, lediglich differentiell und negativ sind, ist ihre Verbindung ein positives Faktum." 4 9 Damit wird die Sprache bei de Saussure ein Netzwerk reiner Beziehungen, „eine Form und nicht eine Substanz".50 41

42 43 44 45 46 47 48 49 50

Daran knüpft vor allem die strukturelle Linguistik a n ; vgl. etwa Brandal, V.: Linguistique structurale. In: Acta Linguistica 1/1. Kopenhagen 1939, S. 6. de Saussure, F.: Grundfragen, a. a. O., S. 127. Ebenda, S. 104f„ 133. Ebenda, S. 136f. Ebenda, S. 139f. Ebenda, S. 140. Ebenda, S. 143 f. Ebenda, S. 133 f. Ebenda, S. 144. Ebenda, S. 146.

41

Diese Formulierung sei absichtlich wiederholt, weil sie eine folgenschwere Bedeutung für einige Richtungen der strukturellen Linguistik gehabt hat. Sprachliche Elemente werden nicht durch ihre Beziehung auf außersprachliche Eigenschaften (physischer oder psychologischer Art), sondern allein durch ihre Relation zu anderen Elementen des Sprachsystems bestimmt. In diesem Begriff der Beziehung liegt geradezu eine Revolution der traditionellen Sprachwissenschaft. 51 Man hat von einer „Relativitätstheorie der Sprache" gesprochen. 52 Die relative Stellung der Einheiten im System vergleicht de Saussure nicht nur häufig mit dem Schachspiel, sondern auch mit der Ökonomie, wo der Wert einer Münze unabhängig ist von der äußeren Repräsentation, sondern nur bestimmt werden kann durch den Stellenwert im betreffenden Münzsystem. 53

2.5.

Bedeutung und Wirkung

50 vielfältig die Wirkungen de Saussures gewesen sind (nicht zuletzt auf Grund der nicht ganz homogenen Nachschriften seiner Vorlesungen), muß er als Begründer der modernen Linguistik angesehen werden durch die Auffassung der Sprache als immanentes System, durch die Aufwertung der Synchronie und den neuen Relationsgedanken. Es erscheint zumindest einseitig, wenn der antipositivistische Zug des Saussureschen Denkens zu stark in den Vordergrund gerückt wird. 54 Gewiß bedeutet auch die Konzeption de Saussureseine Überwindung der Junggrammatiker, aber diese Überwindung war schon vor de Saussure von verschiedenen anderen Seiten her erfolgt; dabei war aber aus dem atomistischen Formdenken der junggrammatischen Schule noch kein echtes Systemdenken geworden, weil man die Sprache transzendiert hatte und vielfach "on außersprachlichen Gegebenheiten ausgegangen war. Weil de Saussure diese außersprachlichen Gegebenheiten in der Sprachbetrachtung abweist und die Sprache als immanentes Relationssystem im Auge hat, ist er nicht nur ein Überwinder der Junggrammatiker, sondern zugleich ein Überwinder dieser Überwinder. Sich in gleicher Weise gegen formalen Atomismus und außersprachlichen Apriorismus verwahrend, schuf er zum ersten Mal die Möglichkeit, die Sprache aus sich selbst zu verstehen. Die Wirkungen de Saussures sind unbestritten, seit man ihm nicht mehr nur vorwirft, daß er verschiedene Dinge getrennt habe: die Sprache von der Gesellschaft, die Synchronie von der Diachronie, die Sprache von der Rede, 51

51

53 54

42

So IllayMHH, C. Κ.: O cyiuHocTH cTpyKTypHOfi ΛΗΗΓΒΗΟΤΗΚΗ. In: Bonpocbi H S H K O 3HaHHH, 1965, 5, S. 38ff. Ruzicka, R.: Über den Standort des Strukturalismus in der modernen Sprachwissenschaft. In: Fremdsprachenunterricht, 1963, 12, S. 634. Vgl. de Saussure, F.: Grundfragen, a. a. O., S. 137. D a s geschieht etwa bei Brondal, V. : Linguistique structurale, a. a. O., S. 4f. Es ist umgekehrt erst recht inadäquat, de Saussure und die gesamte strukturelle Linguistik als Kind der Junggrammatiker anzusehen (so etwa A6aee, B. M. : JInHrBncTH4ecKnti MosepmoM KaK AeryMaHMaijHH HayxH o jnwKe. In: Bonpocti H3biK03HaHHH, 1965, 3, S. 27f.)

die Form vom Inhalt. Diese Kritik-wie sie in den 50er Jahren auch von einem Teil der sowjetischen Linguisten vorgebracht worden ist 55 - ist erst von Apresjan 56 zurückgewiesen worden. In der Tat sind alle diese Trennungen in erster Linie methodisch und besagen nichts über einen undialektischen Gegensatz in der Sache selbst. Eine solche Trennung auch von Inhalt und Form - aus methodischen Gründen (mit dem Zweck, die Form exakter beschreiben zu können) ist wissenschaftlich nicht nur legitim, sondern bisweilen sogar notwendig. In gleichem Sinne spricht Friedrich Engels bei den Zahlenverhältnisseri und der Mathematik im Anti-Dühring davon, daß man, „um diese Formen und Verhältnisse in ihrer Reinheit untersuchen zu können, ... sie ... vollständig von ihrem Inhalt trennen, diesen als gleichgültig beiseite setzen" muß. s7 Etwas anders verhält es sich mit dem anderen Vorwurf, die synchronische Linguistik de Saussures betone die quasi - mathematische, statische Struktur der Sprache zu stark und vergleiche die Sprache eher mit der Anatomie eines Sektionsraumes als mit der Physiologie eines Lebewesens.58 Hier hat die Weiterentwicklung der Gedanken de Saussures (sowohl in der Transformationsgrammatik als auch in der inhaltbezogenen Grammatik) zu einer Verlagerung der Akzente von der statischen Struktur zur dynamischen Funktion geführt. Auch Chomsky hat de Saussure den Vorwurf der Statik gemacht 59 ; die langue sei für ihn gleichsam „a store-house of signs", so daß die Konstruktion von Sätzen aus diesen Zeichen eine beliebige und nicht-systematische Schöpfung und damit im Grunde der parole überantwortet wird. Deshalb orientiert sich Chomsky - in seiner heutigen Version der generativen Grammatik - stärker als vorher auf Humboldt. 60 Zu den allgemeinen Wirkungen de Saussures gehört seine Scheidung von langage, langue und parole. Es ist dabei sekundär, ob man die gemeinten Gegenstände anders bezeichnet (etwa : language - speech ; Η 3 Μ Κ - peib), ob mit Otto als Objekte der Sprach- und Sprechwissenschaft61 oder der Sprach55 56

57 58 59 60

61

Zu ähnlichen Vorwürfen auch heute noch vgl. A6aee, Β. Α., a. a. O., S. 28. Vgl. AnpecHH, ΙΟ. Α. : Ητο Taicoe CTpyicrypHaa jiHHrBHCTHKa? In: HHOCTpamtbie 5ΠΜΚΗ Β untone, 1961, 3, S. 84; AnpecHH, Κ). Λ. : Haeti Η MeTOflbi coepeMeHHoft CTpyKTypHOfi ΉΗΗΓΒΗΟΤΗΚΗ. Mocicea 1966, S. 8ff.,27 ff. Engels, F.: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft („Anti-Dühring"). Berlin 1948, S. 45. So Firth, J. R.: Linguistics and the Functional Point of View. In: English Studies, 1934,1, S. 19. Vgl. Chomsky, Ν.: Formal Properties of Grammar. In: Handbook of Mathematical Psychology. Vol. II, Chapter 12. New York/ London 1963, S. 328. Vgl. vor allem Chomsky, Ν.: Current Issues in Linguistic Theory. The Hague 1964, S. 17ff. Diese Orientierung auf Humboldt steht freilich unter einem ganz anderen Zeichen als die Rezeption Humboldts in der inhaltbezogenen Grammatik; Chomsky orientiert sich nicht an der Sprache als Weltansicht, sondern an der Sprache als Form, als Erzeugung, als „rule-governed creativity". Vgl. Otto, E.: Stand und Aufgaben der allgemeinen Sprachwissenschaft. Berlin 1954, S. 43. 43

und Sprechkunde 6 2 , ob mit Bühler als Sprachgebilde und Sprechhandlung 63 , mit Trubetzkoy als Sprachgebilde und Sprechakt 6 4 oder noch anders. Sekundär ist auch, daß die genannte Scheidung von langue und parole zuweilen auf Humboldts Ergon und Energeia zurückgeführt wird 6 5 und daß sie manchmal - mitunter unter Berufung auf Humboldt - von Vertretern einer psychologisierenden Linguistik abgelehnt wird. 6 6 Wesentlich ist allein ihre methodische Trennung, die nicht nur dazu geführt hat, daß sich verschiedene Schulen der verschiedenen Aspekte der Sprache angenommen haben (etwa die Schule um Cassirer der langage, die Schule um Weisgerber der langue, die Schule um Bühler der parole 67 ), sondern auch dazu, daß Bühler die verschiedenen Aspekte der Sprache verschiedenen Wissenschaften zugeschrieben hat: So solle sich der Sprachwissenschaftler mit dem Sprachgebilde, der Psychologe mit der Sprechhandlung und der Soziologe mit dem Zeichensystem beschäftigen. 68 Die Wirkungen de Saussures wurden nach dem 2. Weltkrieg so stark, daß die Luft von seinen Ideen gleichsam geschwängert war - obwohl seine Ideen seit damals teilweise modifiziert worden sind. In dieser Atmosphäre konnte man sich seinen Ideen kaum entziehen, selbst wenn man den „Cours" nicht gelesen hatte: So hat Joos nach einer Umfrage freimütig festgestellt, daß nur etwa die Hälfte der führenden strukturalistischen Autoren seines Sammelbandes „Readings in Linguistics" - die sich vielfach auf Saussure berufen, zumindest aber auf ihm aufbauen - den „Cours" wirklich gelesen hat. 6 9 Die spezielleren Wirkungen de Saussures zeichnen sich zunächst in der sogenannten Genfer Schule ab, die sich im wesentlichen aus Saussures unmittelbaren Nachfolgern im Amt rekrutiert (BalIy,Sechehaye, Karcevski.Frei u.a.). Ihr Publikationsorgan sind die „Cahiers F. de Saussure", ihr Kreis nennt sich „Cercle F. de Saussure". Diese Genfer Schule betont die Grundprin42 63

64 65 46

67 68 49

44

Vgl. Otto. E.: Zur Grundlegung der Sprachwissenschaft. Bielefeld/Leipzig 1919, S. If. Bühler, K.: Das Ganze der Sprachtheorie, ihr Aufbau und ihre Teile. In: Bericht über den XU. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Hamburg vom 12.-16. 4. 1931. Jena 1932, S. 96. Vgl. Trubetzkoy, N. S.: Grundzüge der Phonologie. Prag 1939, S. 5. So etwa Finck, F. N.: Die Aufgabe und Gliederung der Sprachwissenschaft. Halle 1905, S. 2. Vgl. etwa ebenda, S. 9. Auch O. Funke (Studien zur Geschichte der Sprachphilosophie. Bern 1927, S. 78) sieht vom psychologischen Standort ein Sprachsystem als „Fiktion" an, die „irgendwie außerhalb psychisch begabten Einzelwesen ein Dasein führte". Vgl. dazu auch Pätsch, G.: Grundfragen der Sprachtheorie. Halle/S. 1955, S. 134. Die Vor- und Nachteile dieser Scheidung hat K. Jaberg (Sprachwissenschaftliche Forschungen und Ergebnisse. Zürich/Leipzig 1937, S. 130f.) nüchtern gegeneinander abgewogen. Vgl. Arens, H.: Sprachwissenschaft. Der Gang ihrer Entwicklung von der Antike bis zur Gegenwart. Freiberg/München 1955, S. 446. Vgl. Bühler, K.: Das Ganze der Sprachtheorie, a. a. O., S. 96. Vgl. Joos. M. : Readings in Linguistics. The Development of Descriptive Linguistics in America since 1925. New York 1963, S. 18.

zipien de Saussures und sah ihre Hauptaufgabe darin, die Mißverständnisse im Werke des Meisters zu beseitigen und seine Grundbegriffe zu präzisieren. 70 Eine wirkliche Weiterentwicklung seines Gedankengutes dagegen erfolgte in der inhaltbezogenen Grammatik und in der strukturellen Linguistik : Dabei knüpfte die erstere vor allem an die Bilateralität des Zeichens und die Scheidung von Bezeichnetem und Sache an, die strukturelle Linguistik dagegen an die Konzeption der Sprache als eines relationalen Bezugs- und Strukturgefüges, an „the conception of language as a purely relational structure, as a pattern, as opposed to the usage ..., in which this pattern is accidently manifested". 71 70 71

Vgl. dazu Godei, R.: L'École saussurienne de Genève. In: Trends in European and American Linguistics 1930-1960. Utrecht/Antwerpen 1961, S. 294 f. Hjelmslev, L.: Structural Analysis of Language. In: Studia Linguistica, 1947, S. 73.

45

3.

Die Herausbildung der strukturellen Linguistik

3.1.

Allgemeine Grundlagen

Die Konzeption de Saussures hat vor allem Fortsetzung und Verwirklichung gefunden im Strukturalismus, ohne Zweifel der am weitesten verbreiteten Strömung der gegenwärtigen synchronischen Linguistik. Im Unterschied zur inhaltbezogenen Grammatik ist sie fast ausschließlich im Ausland entwickelt worden. Der Strukturalismus ist ein grober, undifferenzierter Begriff für mannigfaltige Konzeptionen 1 ; innerhalb des klassischen Strukturalismus werden grob rei große Schulen unterschieden: die Prager funktionale Linguistik, die Kopenhagener Glossematik und die amerikanischen Deskriptivisten. Auch damit erfaßt man die Unterschiede noch nicht zureichend: Einmal gibt es selbst innerhalb dieser Schulen (vor allem in den USA) zahlreiche weitere Differenzierungen; und zum anderen ist die strukturelle Sprachbeschreibung keineswegs auf diese genannten drei Schulen beschränkt geblieben, so daß man heute besser von struktureller Linguistik spricht. Gemeinsam ist den verschiedenen Richtungen der strukturellen Linguistik die Auffassung der Sprache als Beziehungssystem und als immanente Struktur, eine Auffassung, wie sie bei de Saussure vorgebildet war durch seine Thesen, daß der Gegenstand der Sprachwissenschaft nur die Sprache an und für sich selbst sei, daß die Sprache ein Netz von synchronischen Beziehungen, daß sie keine Substanz, sondern eine Form sei.2 Von den Strukturalisten der verschiedensten Färbungen wird auch immer wieder de Saussure als Begründer der modernen Linguistik genannt. Nach Martinet markiert Saussures Hauptwerk „the beginning of a new era in linguistic studies". 3 Tatsächlich trägt Saussures „Cours" erst mit der strukturellen Lin1

2

3

46

Vgl. dazu PeopMaTCKH0, A.A.: Ητο Taicoe crpy KTypaniOM? In: Bonpocu JTJMKO3HaHHH, 1957, 6, S. 25ff.; Baumgärtner, K.: Theoretische Neuerungen in der Sprachwissenschaft. In: Sprache im technischen Zeitalter, 1962, 5, S. 345. Vgl. dazu MejTwnnyK, A. C.: O ouemce JiHHrBHCTHiecKoro CTpyKTypaJin3Ma. In: Bonpocu «3buco3HaHHH, 1957, 6, S. 38ff.; AnpecHH, K). fl.: Ητο Taxoe crpyicrypHafl jiHHTBHCTHKa? In: MHoerpaHHue « M I C H Β mncojie, 1961, 3, S. 83; CxeÖJniH-KaMeHCKHÜ, M. M.: HecKOJiiKO 3aMeiaHH& o cTpyKTypajiMMe. In: Bonpocu H3I>IKO3H&HHJI 1957, 1, S. 35 f. Martinet, Α.: The Unity of Linguistics. In: Word, 1954, 2/3, S. 123.

guistik wirkliche Früchte; denn Saussure hatte im Grunde mehr Aufgaben und Probleme gestellt als sie selbst zu lösen versucht. 4 Ausgehend vom Werke de Saussures und dessen verschiedenen Interpretationen haben sich die verschiedenen Schulen der strukturellen Linguistik entwickelt. Gerade weil so viel von „Struktur" gesprochen wird, verstehen kaum zwei Linguisten das gleiche darunter. 5 Aber trotz dieser theoretischen Divergenzen gibt es in der Praxis beträchtliche Übereinstimmungen. Trotz aller Verschiedenheiten - die zunächst eine Zusammenfassung unter einem gemeinsamen Nenner als fragwürdig erscheinen lassen - schließen sich die einzelnen Schulen der strukturellen Linguistik nicht nur aus, sondern ergänzen auch einander. 6 Der Name „strukturelle Linguistik" trifft ungeachtet aller Unterschiede den Kern; denn mit einer Seite der Struktur haben es alle Schulen zu tun. 7 Hinter allen Verschiedenheiten steht das Relationsgerüst der Sprache als Gegenstand der strukturellen Linguistik8 ; darin besteht eine Art „solidarischer Konzeption". 9 Gemeinsam ist den verschiedenen Schulen auch die Erforschung von Strukturen zunächst in Phonologie und Grammatik. Die Phonologie und die Grammatik bilden die Hauptgegenstände der neuen strukturellen Linguistik, die sich um die von de Saussure betonte Beziehung zwischen dem Bezeichnenden und dem Bezeichneten bemüht. Diese Ausrichtung auf Strukturen in Phonologie und Grammatik bedeutet eine Ablehnung der junggrammatischen Methodik, eine Ablehnung von Atomismus, von Physiologisierung und Psychologisierung. Sie bedeutet aber andererseits auch die Ausschaltung jeglicher außersprachlicher Faktoren bei der Sprachbeschreibung. Die Sprache wird vielmehr auf synchronischer Ebene betrachtet als eine Struktur sui generis, als ein System von reihen Beziehungen mit Methoden, deren Exaktheit die Sprachwissenschaft den Naturwissenschaften annähern soll. Martinet hat es als „basis hypothesis" aller strukturellen Linguistik angesprochen, „that no part can be understood except in connection with the whole". 10 Eben darin besteht das Wesen des Gedankens von der Struktur und vom System, der verbunden ist mit dem Prinzip der Immanenz, das 4 5 6 7 8

9

10

Vgl. Martinet, Α.: Grundzüge der allgemeinen Sprachwissenschaft. Stuttgart 1963, S. 10. Vgl. Martinet, Α.: Structural Linguistics. In: Anthropology Toda v. Chicago 1953, S. 575. Vgl. n i a y M J i H , C. Κ.: O c y m H o c T H CTpyKTypHOfi ΛΗΗΓΒΗΟΤΗΚΗ. In: Bonpocu si3biK03HaHHJi,

1956,

5,

S. 43.

Vgl. Martinet, Α.: Elements of a Functional Syntax. In: Word, 1960, S. 1. Vgl.

UlayMfiH, C . K . :

C r p y i c T y p H t i e Μ Μ Ό Α Μ H3yiK03Hainui. In: Bonpocu fnuK03HaHRn, 1953,3. S. 25; vgl. auch Gipper, H.: Bausteine zur Sprachinhaltsforschung. Düsseldorf 1963.

nal pattern of language without knowing what the relata are", daß erst Phonetik und Semantik - als „metalanguages of a second degree" - beschreiben können - auch wieder in Form von Beziehungen - , „what the relata are". 1 0 2 Allerdings unterscheidet sich Hjelmslevs Modell von den Logistikern dadurch, daß das sprachliche Zeichen zweiseitig ist, eine Ausdrucks· und eins Inhaltsseite besitzt. 103 Brandal hat bei seiner Bestimmung des Strukturbegriffes die Relation und die Totalität betont 104 und unter Struktur verstanden ein „objet autonome et par conséquent comme non dérivable des éléments dont elle n'est ni l'aggregat ni la somme ..." 1 0 S Der strukturelle Gesichtspunkt schließt eine Konzeption der Spräche „dans sa totalité, dans son unité et dans son identité" ein. 106 Mit dem Begriff der Totalität ist der Struktur-, mit dem der Einheit der Langue - und mit dem der Identität der Synchronjebegriff de Saussures aufgegriffen. Hjelmslev hat das Wesen seiner strukturellen Linguistik zusammengefaßt: „On comprend par linguistique structurale un ensemble de recherches reposant sur une hypothèse selon laquelle il est scientifiquement légitime de décrire le langage comme étant essentiellement une entité autonome de dépendences internes, ou, en un mot, une structure" 1 0 7 Aus dieser Definition ergeben sich die wichtigsten Arbeitsbegriffe der Kopenhagener Glossematik : die Annahme, daß die Sprache eine Struktur sei, ist kein apriori angenommenes Dogma, sondern eine Hypothese, die durch die Tatsachen verifiziert werden muß, durch empirische Forschungen, die sich aller metaphysischen Spekulationen enthalten müssen. 108 Der autonomen Ganzheit der Sprache entspricht eine „linguistique immanente" 109 , der es um die inneren Abhängigkeiten in der Sprache geht. Dieser Definition der Sprache als „entité autonome de dépendences internes" entspricht allein die langue, nicht die parole. Deshalb ist auch nur die langue „l'objet spécifique de la linguistique structurale" 110 ; sie ist - im Sinne Saussures - auch für Hjelmslev der einzige wirkliche Gegenstand der Sprachwissenschaft. Diese langue muß von der Linguistik beschrieben werden „free of contradiction (self-consistent), exhaustive and as simple as possible". 111 Diese Dreiheit der For102 103 104 105 106 107

108 109 1,0 111

Hjelmslev: Structural Analysis, a. a. O., S. 75. Vgl. ebenda, S. 76ff. Vgl. Brandal, V.: Linguistique structurale. In: Acta Linguistica, 1939, 1, S. 6f. Ebenda, S. 9f. Brandal, V. und L. Hjelmslev: Éditorial. In: Acta Linguistica, 1939, S. 1. Hjelmslev, L.: Editorial. In: Acta Linguistica, 1944, S. V; vgl. auch Hjelmslev, L.: Dans quelle mesure les significations des mots peuvent-elles considérées comme formant une structure. In: Proceedings of the Eighth International Congress of Linguists. Oslo 1958, S. 641 f. Vgl. dazu Hjelmslev: Prolegomena, a. a. O., S. 13ΑΓ.; dort wird auch der Begriff der „empirischen Deduktion" geklärt. Hjelmslev: Éditorial, a. a. O., S. Vili. Ebenda, S. IX. Hjelmslev: Prolegomena, a. a. O., S. 11.

69

derungen - Widerspruchsfreiheit, Vollständigkeit und Einfachheit - ist auch von vielen amerikanischen Linguisten übernommen worden. 112 Erst unter dieser Bedingung wird für Hjelmslev die wissenschaftliche Grammatik linguistisch (und bleibt nicht länger philosophisch, logisch oder psychologisch). Sie wird es, indem sie sich allein auf Formkriterien stützt und indem sie an den Valeur-Begriffde Saussures anknüpft. Ein sprachliches Element „se définit par la place qu' il occupe dans le système, et cette place lui est assigné par la valeur". 113 Erst mit diesem spracheigenem Valeur könne der Übertragung psychologischer oder logischer Begriffe auf die Sprache wirksam begegnet werden. 114 Erst dadurch wird für Hjelmslev eine sprachimmanente, autonome Linguistik möglich. Strukturell ist eine solche Linguistik, wenn sie die Struktur - die eine Hierarchie darstellt, die nur ihre eigene Ordnung zuläßt - zur Norm aller Klassifikationen macht. 115 Da es sich bei Hjelmslevs Ebenen des Ausdrucks und des Inhalts nicht um wirkliche Sprachlaute und um wirkliche Bedeutungen, nicht um Substanzen, sondern um formale Beziehungen handelt, erscheint die Glossematik mehr als linguistische Theorie denn als empirische Forschungsmethode. 116 Ihr Ziel ist - mit den Worten Hjelmslevs - eine „immanent algebra of language" 117 , eine „algebra of language, operating with arbitrary named entities" 118 , ein abstraktes System, unabhängig von der konkreten materiellen Füllung. 119 Was die Glossematik anstrebt, ist kein System von Hypothesen, sondern ein arbiträres System von Prämissen und Definitionen, das als Modell geeignet ist, - im Sinne empirischer Deduktion - empirische Texte zu beschreiben und den Anforderungen der Widerspruchsfreiheit, Vollständigkeit und Einfachheit zu genügen. 120 112

113 114 115 116 1,7 118

119

120

70

So muß etwa für die generative Grammatik eine linguistische Theorie formal (d. h. expliziert), vollständig und einfach sein; vgl. dazu Bach, E.: An Introduction to Transformational Grammars. New York/Chicago/San Francisco 1964, S. lOf. Einfachheit darf dabei nicht verstanden werden im Sinne der pädagogischen Eingängigkeit, sondern rein wissenschaftlich als ein Minimum von Symbolen, das ein Maximum von Erscheinungen erklärt, d . h . als größere Allgemeinheit und Abstraktheit. Hjelmslev, L.: La catégorie des cas. In: Acta Jutlandica, Aarhus 1935, 1, S. 20. Vgl. ebenda, S. 86, 90. Vgl. Hjelmslev, L.: La notion de rection. In: Acta Linguistica, 1939, S. lOf. Vgl. dazu auch Martinet, A. : Structural Linguistics. In: Anthropology Today. Chicago 1953, S. 579-580. Hjelmslev: Prolegomena, a. a. 0.,.S. 80. Siertsema, B.: Further Thoughts on the Glossematic Idea of Describing Lingflistic Units by Their Relations Only. In: Proceedings of the Eighth International Congress of Linguists. Oslo 1958, S. 142. Das steht nicht im Widerspruch zu der Behauptung der Glossematiker, daß ihre Theorie „empirisch" und nicht „apriorisch" sei. Vgl. dazu auch LeSka, O.: Zur Invariantenforschung in der Sprachwissenschaft. In: Travaux Linguistiques de Prague 1. Prague 1964, S. 87. Vgl. Hjelmslev: Prolegomena, a . a . O . , S. Uff. Zur Rangordnung dieser Kriterien vgl. Uldall: Outline of Glossematics, a. a. O., S. 20ff.; Spang-Hanssen, H.: On the Simplicity of Descriptions. In: Recherches structurales. Copenhague 1949, S. 61 ff.

Es ist nicht verwunderlich, daß HjelmsleY bei der konsequenten Weiterentwicklung der Gedanken Saussures und der Logistik sich dabei so weit von der konkreten Sprache entfernt und einen so hohen Grad von A b straktheit erreicht, daß seine Konzeption für die unmittelbare Erforschung sprachlicher Erscheinungen relativ unfruchtbar geblieben ist. Man hat deshalb bemängelt, daß seine deduktive Methode zu algebraischen Kalkulationen f ü h r e 1 2 1 ; Achmanowa hat sogar - ziemlich überspitzt freilich von einer „wissenschaftlichen Befreiung der Sprachwissenschaft von der Sprache" gesprochen. 1 2 2 Es besteht indes kein Zweifel, daß die Glossematik nur zu einem Teil Sprachtheorie, zu einem anderen Teil Semiotik und allgemeine Wissenschaftstheorie ist, daß Hjelmslevs Theorie zu einem Komplex verschiedener Disziplinen geführt hat (in dem die natürliche Sprache nur einen bescheidenen Platz innehat), also gerade zu solchen Erscheinungen, gegen die Hjelmslev anfangs angekämpft hatte und die der Ausgangspunkt für seine Theorie waren. 1 2 3 Trotzdem wird eine Einschätzung der Glossematik als „Erscheinungsform des Verfalls der bürgerlichen Sprachwissenschaft" 1 2 4 , als „Modernismus", „Formalismus", „Antihumanismus", als „Linguistik im luftleeren Raum", als „Enthumanisierung der Sprachwissenschaft" 1 2 5 ihrer Rolle in der Entwicklung der Sprachwissenschaft kaum gerecht; sie steht auch in der heutigen sowjetischen Sprachwissenschaft vereinzelt da. Namentlich Schaumjan hat gezeigt, daß die strukturelle Linguistik in dieser Form - als abstrakte Theorie der Sprache - mit Notwendigkeit aus der Entwicklung der Sprachwissenschaft selbst hervorgegangen und durch die Praxis bestätigt worden sei. 1 2 6 Dabei handele es sich keineswegs um eine Konzeption, die bei der Reduktion auf die Relationen die Beziehung zur Materie abgebrochen habe. Wenn man diesen Vorwurf erhebe, verwechsele man den philosophischen und den physikalischen MateriebegrifT; und man müsse genauso antworten, wie Lenin in seinem Werk „Materialismus und Empiriokritizismus" den Agnostizisten geantwortet hat: Verschwunden ist nicht die Materie, sondern verschwunden sind allein jene Erscheinungsformen der Materie, die wir bisher - auf Grund unserer mangelnden Kenntnisse - verabsolutiert haben. Die von der strukturellen Linguistik erforschten Beziehungen gehören nicht weniger zur Materie (d. h. zur objektiven Realität) als die anderen (1 121 v g l . TpHKa, Ε. Η αρ.: Κ ÄHcicyccHH no BonpocaM CTpyKTypamnina. In: Bonpocw

Ä3MK03HaHim, 1957, 3, S. 45. AxMaHoea: rnocceMa-rmca Jlya EjibMcneea, a. a. O., S. 44. 123 Vgl. dazu3BERNHUEB,Β. Α.: rnocccManiKaΗ ΛΗΗΓΒΗΟΓΗΚΙ. I N : HoeoeΒ JIHHTBHCTHKC. Bun. I. MocKBa I960, S. 243. 122

124

S o AxMaHoea: rnocceMaTmca

JlyH EjibMcneea Κ3Κ npoflBjiemie y n a w a

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MCHHoro 6yp*cya3Horo a3biK03HaHHJi, a. a. O. 123 So A6aee, Β. H.: JlHHrBHcnwecKHÄ MoaepmDMrarfleryMararouHJtHayxH o idukc, In: Bonpocw (nbiK03HaHHH, 1965, 3, S. 24, 27f., 30f., 38, 42 u. a. 126 vgl. QiayMMi, C. Κ.: φιυηχοφαοΒβ nnea Β. H. Jlemma h pa3Bmrrne coBpeMeHHoro n3UK03Haia»i. In: ΑΚΒΛΟΜΗΗ Hay* CCCP -HHcnnyr cnaBsmoBCneKiui. Kpanoie cooßiueHHH. Mocraa 1961, S. 72 ff. 71

Seiten der Sprache. Mit dieser Argumentation zeigt Schaumjan, daß man zunächst die linguistischen Modelle der strukturellen Linguistik - die sich vielfach in der Praxis haben verifizieren lassen - von ihren ideologischen Implikationen trennen muß, daß auch die ideologische Wertung mit einem pauschalen Hinweis nicht abgegolten werden kann, daß es vielmehr darauf ankommt, die linguistischen Modelle nicht nur nicht mit ihren idealistischén Interpretationen zu identifizieren, sondern ihren rationellen linguistischen Kern herauszuarbeiten und diesen Kern materialistisch zu interpretieren.

3.4.

Der amerikanische Deskriptivismus

Im Unterschied zur Kopenhagener Schule gehen die amerikanischen Strukturalisten nicht deduktiv von abstrakten Theorien aus, sondern arbeiten zumindest in ihrer ersten, deskriptiven Phase - induktiv, beschreibend und kommen von der konkreten Sprache (parole) her. Allerdings sind schon von Anfang an große Unterschiede nicht zu übersehen: Während etwa der Linguistic Circle of New York eine Art Exiluniversität für vor dem Faschismus geflohene europäische Gelehrte (Martinet, Jakobson) darstellte, geradezu als „Zweigstelle der Prager Schule" angesprochen werden kann 1 2 7 und deshalb den europäischen Richtungen stärker verhaftet ist 128 , hat die Yale-Schule (genannt nach der Yale-Universität, an die Bloomfield 1940 berufen wurde) mit der Tradition restlos gebrochen : Sie sieht die bisherige Sprachwissenschaft nicht nur als prästrukturalisiisch, sondern vielfach sogar als vorwissenschaftlich überhaupt an. Die beiden Wegbereiter des amerikanischen Strukturalismus sind Sapir und Bloomfield. Sapir liebäugelt mit der Richtung Voßlers und Croces 129 , Bloomfield dagegen ist Anhänger der deutschen Junggrammatiker (bei denen er auch in Leipzig studiert hat). Die weitere Entwicklung des amerikanischen Strukturalismus ging zunächst mehr von Bloomfield als von Sapir aus, vom Positivisten und Deskriptivisten also, dessen Buch „Language" (1933) zum Standardwerk der amerikanischen strukturellen Linguistik wurde und damit für die amerikanischen Schulen das leistete, was Tru127 ,2S

129

72



Vgl. dazu auch Hansen, K.: Wege und Ziele des Strukturalismus. In: Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik, 1958,4, S. 358. Davon zeugt etwa Martinets Forderung, die Saussuresche Antinomie von Synchronie und Diachronie zu überwinden (vgl. Martinet, Α.: The Unity of Linguistics. In: Word, 1954, 2/3, S. 125), seine Ansetzung auch von semantischen neben formüen Kriterien (vgl. Baumgärtner, Κ.: Elemente der Linguistik. In: Sprache im technischen Zeitalter, 1963,7, S. 571ff.).So sehr Martinet die deskriptivistischen Methoden als heilsame Reaktion gegen die traditionelle Linguistik ansieht, so warnt er doch davor, in ihrer Folge zu vergessen, daB es das Hauptziel der Sprache ist, „to convey information", so soll „the basis communicative function of language" nicht aus dem Auge verloren werden (vgl. Martinet, Α.: Elements of a Functional Syntax. In: Word, 1960,1, S. 2 f.). Vgl. Sapir, E.: Language. New York 1921, S.ìli.

betzkoys „Grundzüge der Phonologie" für die Prager Schule und Hjelmslevs „Prolegomena to a Theory of Language" für die Kopenhagener Schule waren. Zu den wesentlichsten Publikationsorganen der amerikanischen Strukturalisten gehören die Zeitschrift „Language" - 1925 gegründet und später von B. Bloch herausgegeben - , die Zeitschrift „Studies in Linguistics" - 1942 von G. L. Trager gegründet - und die vom „Linguistic Circle of New York" herausgegebene Zeitschrift „Word", deren Titel bereits recht unstrukturalistisch klingt; denn das Wort als Arbeitsbegriff gibt es für die meisten Strukturalisten überhaupt nicht. Dieser Titel wird erst verständlich, wenn man den Charakter und die Zusammensetzung dieses Kreises in New York im Auge hat. Als wichtige Vertreter des amerikanischen Strukturalismus der deskriptivistischen Schule seien genannt: Z. S. Harris, B. Bloch, G. L. Trager/H. L. Smith, Ch. C. Fries, K. L. Pike, Α. A. Hill, M. Joos. H. L. Kufner, W. G. Moulton, R. Wells, R. Jakobson, A. Martinet.

3.4.1.

Bloomfields behavioristischer Ansatz

Die Schlüsselfigur der ersten - deskriptivistischen - Phase des amerikanischen Strukturalismus ist ohne Zweifel L. Bloomfield. Er hatte mit seinem Buch „Language" ursprünglich nur die Absicht, einen einführenden Überblick über das vorhandene sprachwissenschaftliche Wissen zu geben.' 30 Daraus wurde aber im Resultat weit mehr: es wurde ein Fundament für die gesamte strukturelle Linguistik der USA, so daß alle folgenden Forscher wie Bloch es ausgedrückt hat' 3 1 - auf seinen Schultern stehen. Bloomfields Hauptverdienst war es dabei, die Linguistik» als Wissenschaft zu entwickeln, zu fragen, unter welchen Umständen Linguistik als Wissenschaft möglich ist. Er geht dabei von den Gedankengängen der behavioristischen Psychologie aus, von jenem vulgär-mechanischen Materialismus, der die Vorgänge des menschlichen Bewußtseins - als mentalistisch - aus der Betrachtung ausschließt und sich allein auf das beschränkt, was in der unmittelbaren Erfahrung gegeben und der direkten Beobachtung zugänglich ist. Eben das ist das sichtbare und konkrete äußere Verhalten (behavior), das die Behavioristen glauben mit naturwissenschaftlichen Mitteln erklären zu können. Jedes Verhalten kann für sie beschrieben werden durch die Ausgangssituation (den Reiz oder Stimulus) und die durch sie ausgelöste Handlung (die Reaktion). Im behavioristischen Sinne wesentlich für das menschliche Verhalten ist somit allein der Zusammenhang von Stimulus und Reaktion. Es ist offenkundig, daß diese behavioristische Variante des amerikanischen Pragmatismus vulgär-materialistische Züge trägt und einseitig von der Tierpsychologie ausgeht. Das Verhalten der Menschen wird genau wie das der 130 13,

Vgl. dazu auch Fries, C. C.: The „Bloomfield School". In: Trends in European and American Linguistics 1930-1960. Utrecht/Antwerpen 1961, S. 197. Vgl. Bloch, B.: Leonard Bloomfield. In: Language, 1949, S. 92.

73

Tiere erklärt durch die Analyse der Relationen zwischen den einwirkenden Reizen und den durch sie hervorgerufenen Reaktionen. Im Grunde handelt es sich um die Input-Output-Methode, die heute in der Kybernetik eine große Rolle spielt. Aber die Behavioristen haben den Organismus selbst als einen solchen Mechanismus betrachtet. In Wahrheit ist die Reaktion eines Organismus nicht allein vom Reiz her verständlich: Vor allem der Mensch wird keineswegs ausschließlich durch die äußeren Reize gesteuert, sein Verhalten ist nicht nur eine Funktion des äußeren Reizes, weil er ein dynamisch selbstregulierendes System ist. 132 Das bedeutet natürlich nicht, daß man der behavioristischen Methodik von vornherein jegliche Erfolgsmöglichkeit absprechen darf. Einerseits sind mit ihrer Hilfe wertvolle Einzelergebnisse erzielt worden; und andererseits haben die Input-Output-Methoden der Kybernetik gezeigt, daß man diese Theorie mit höchstem Nutzen technisch anwenden kann. Man muß aber stets beachten, daß Reiz (d. h. Input) und Reaktion (d. h. Output) im Falle des Menschen primär gesellschaftlich bedingt sind. In dieses behavioristische Schema baut Bloomfield die Sprache ein, die er als eine besondere Form des menschlichen Verhaltens versteht und aus dem Zusammenhang von Stimulus und Reaktion erklärt. 133 Bloomfield verdeutlicht das an folgender einfachen Situation : Zwei Personen gehen auf der Straße, der eine (A) hat Hunger, sieht einen Apfel auf einem Baum, klettert hinauf und holt sich den Apfel herunter. In diesem Falle haben wir eine einfache Abfolge von Stimulus und Reaktion (S -*• R), die sich überhaupt nicht von der Handlung eines Tieres unterscheidet. Der Vorgang hätte sich aber auch anders abspielen können : A hätte Β (die zweite Person) ansprechen können, Β hätte für A auf den Baum klettern und den Apfel herunterholen können. In diesem Fall sind die praktischen Ereignisse, d. h. der Zusammenhang von Stimulus und Reaktion, durch den Sprechakt unterbrochen. Das Schema wäre nunmehr folgendes: S -»· r ... s R. Das heißt: Auf den praktischen Stimulus (S) folgt nicht eine praktische Reaktion (R), sondern beim Sprecher zunächst eine sprachliche Ersatzreaktion (r). Diese sprachliche Ersatzreaktion wirkt auf den Hörer als sprachlicher Ersatzstimulus (s); und erst dieser sprachliche Ersatzstimulus löst beim Hörer die praktische Reaktion (R) aus. Auf diese Weise wird die Sprache in den behavioristischen Prozeß eingeschaltet. Die Sprache dient also durchaus der Kommunikation; sie „enables one person to make a reaction (R) when another person has the stimulus". 134 Aber sie ist eine Ersatzreaktion (r) und ein Ersatzstimulus (s) in der unendlichen Kette von Reizen und Reaktionen, eine Brücke zwischen den Reizen des Sprechers und den Reaktionen des Hörers. Die Reaktion des Hörers auf den Reiz des Sprechers geschieht ohne das Dazwischentreten des Bewußtseins, von Begriffen, die für Bloom132 133 134

74

Zur marxistischen Einschätzung der behavioristischen Psychologie vgl. Klaus, G. : Die Macht des Wortes. Berlin 1965, S. 22 ff. Vgl. Bloomfìeld, L.: Language. London 1955, S. 24. Ebenda, S. 24.

field nur obskure Synonyme für „speech-forms" sind. 135 Eben das ist das Wesen des Physikalismus - im Gegensatz zum Mentalismus, der in der Nachfolge Bloomfìelds als streng verpönt gilt: Der Sprachprozeß vollzieht sich danach ohne Bewußtsein, und jede wissenschaftliche Feststellung ist „made in physical terms" 136 , soll mechanistisch sein, nicht mentalistisch; wissenschaftlich, nicht philosophisch; bedeutsam, nicht leer. 137 Damit sind wir im Grunde schon bei den methodologischen Schlußfolgerungen, die sich für die linguistische Arbeit aus der behavioristischen Konzeption der Sprache ergeben. Gegenstand der sprachwissenschaftlichen Forschung ist für Bloomfìeld nur der eigentliche Sprechakt (r — s), der allein aus Formen, aus akustischen Erscheinungen, besteht. Die zu diesen Formen gehörenden Bedeutungen sind die entsprechenden Stimulus- und Reaktionselemente (R — S), die aber außersprachlich und deshalb der Linguistik nicht direkt zugänglich sind. Deshalb müsse die Linguistik „always start from the phonetic form and not from the meaning". Ein Teil der Bedeutungen ist erfaßbar „by the arrangement of its forms". 1 3 8 Aber grundsätzlich soll eine strenge Linguistik von „meaning" nicht sprechen, solange wir nicht eine vollkommene wissenschaftliche Beschreibung der Objekte der Welt haben, weil wir dann erst exakt von der Bedeutung sprechen können. 139 Das spiegelt sich zunächst in Bloomfields streng formaler Satzdefinition - wie sie ähnlich von Fries 140 und Hockett 141 übernommen worden ist - , durch die der Satz bestimmt wird als „an independent linguistic form, not included by virtue of any grammatical construction in any larger linguistic form". 1 4 2 Das spiegelt sich auch darin, daß Bloomfìeld eine Bestimmung von syntaktischen Kategorien durch ihr „class-meaning" ablehnt: eine solche Bestimmung setzt nach Bloomfìeld mehr wissenschaftliche und philosophische Kenntnisse voraus, als sie die Menschheit gegenwärtig besitzt. 143 Deshalb sind Definitionen nach der Bedeutung immer unwissenschaftlich; linguistische Kategorien dürfen nur rein formal bestimmt werden. 144 Gerade in Hinsicht auf diese Verbannung der Bedeutung aus der Linguistik hat Bloomfìeld sehr stark auf den amerikanischen Strukturalismus gewirkt. 135 136 137 13e 139 140 141 142

143 144

Bloomfìeld, L.: Language or Ideas? In: Language, 1936, 2, S. 89ff. Ebenda, S. 92. Kritisch zu diesen Gegensatzpaaren Wells, R.: Meaning and Use. In: Word, 1954, 2-3, S. 240f. Bloomfìeld, L.: Language, a. a. O., S. 162f. Vgl. ebenda, S. 74f„ 139f., 162. Vgl. Fries, C. C.: The Structure of English. New York 1952. London 1963, S. 21. Vgl. Hockett, C.: A Course in Modern Linguistics. New York 1959, S. 199. Bloomfìeld: Language, a. a. 0 „ S. 170; vgl. auch Bloomfield, L.: A Set of Postulates for the Science of Language. In: Readings in Linguistics, ed. by M. Joos. New York 1963, S. 28. Vgl. Bloomfìeld: Language, a. a. O., S. 266. Vgl. ebenda, S. 271.

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Die Verdrängung von ^meaning" aus der exakten Sprachbeschreibung ist die negative Seite seiner Leistungen. Sie resultiert aus der außerlinguistischen Deutung von „meaning", die die eigentliche Ursache für die Bedeutungsfeindlichkeit der amerikanischen Deskriptivisten ist: Bloomfields „meaning" liegt in der Tat nicht innerhalb, sondern außerhalb der Sprache und meint allenfalls kommunikative Funktionen, aber nicht Sprachinhalte, nicht Bedeutungen sprachlicher Formen. 1 4 5 Bloomfields Hauptverdienst besteht ohne Zweifel darin, aus der Linguistik eine strenge Wissenschaft gemacht zu haben 1 4 6 ; seine Postulate sind geradezu zu einer „Charta der deskriptiven Linguistik" geworden. 147 In diesem Sinne ist Bloomfield wegweisend gewesen für die deskriptivistische Phase des amerikanischen Strukturalismus, auch für den Meaning- und den Funktionsbegriff. Er legte - mit Rücksicht auf die vielen Bedeutungen des Meaning-Begriffes in der Sprachwissenschaft 148 - „meaning of a linguistic f o r m " - ganz im behavioristischen Sinne - fest als „the situation in which the speaker utters it and the response which it calls forth in the hearer" 1 4 9 , identifiziert ihn mit „the situation and the responses to i t " I î 0 , mit „a recurrent stimulus - reaction feature which corresponds to a form". 1 5 1 In diesem Sinne hat der Meaning-Begriff im amerikanischen Deskriptivismus Schule gemacht. 1 5 2 Gerade weil die Bedeutung für Bloomfield außersprachlich ist, schließt er sie aus der strengen Linguistik aus; denn „the meanings cannot be defined in terms of our science". 153 Eine exakte Beschreibung von meaning wäre nur möglich „by a wellnigh omniscient observer", d. h. dann, wenn wir allwissend wären und von der Außenwelt eine absolute Kenntnis hätten. 1 5 4 Da dies aber nicht der Fall ist, muß die Linguistik „start from forms and not from meaning". 1 5 5 Allerdings muß meaning insofern in die Betrachtung eingeschlossen werden, als wir ohne meaning „cannot decide whether two uttered forms are .the same' or .different'". 1 5 6 Es genügt aber fïir 141

Kritisch dazu vgl. auch Xpueea, Β. H.: Ilpo&neMa φορΜΜ

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149 150 151 152 153 154 155 156

76

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Mocraa 1961, S. 99f. Vgl. dazu auch Bloch, Β.: Leonard Bloomfield, a. a. O., S. 92. Joos, M.: Readings in Linguistics. New York 1963, S. 31. Abraham, L. (What is the Theory of Meaning about? In : The Monist, 1936,2, S. 231 ff.) hat SI verschiedene Bedeutungen des Begriffes herausgearbeitet, die auf keinen einheitlichen Nenner zu bringen sind. Bloomfield: Language, a. a. O., S. 139. Ebenda, S. 158; vgl. auch Bloomfield, L.: Meaning. In: Monatshefte für den Deutschen Unterricht (Wisconsin), 1943, 3/4, S. 102. Bloomfield, L.: A Set of Postulates, a. a. O., S. 27. Vgl. etwa Bloch, B. und G. L. Trager: Outline of Linguistic Analysis. Baltimore 1942, Section 1. 2; Wells, R.: Meaning and Use, a. a. O., S. 242. Bloomfield: Language, a. a. O., S. 167. Ebenda, S. 162. Bloomfield: Meaning, a. a. O., S. 102. Bloomfield: Language, a. a. O., S. 77. T c o p H H n3biKa β coBpcMCHHOjt 3 a p y 6 e x H o f t j i h h t b h c t h k c .

Bloomfield zu wissen, daß die Einheiten verschieden sind; was diese Distinktionen semantisch sind, geht über den Rahmen seiner Linguistik hinaus. Im Gegensatz zum Meaning-Begriff verknüpft Bloomfield den Punktionsbegriff mit der strukturellen Position im Satz: „The positions in which a word can appear are its functions or, collectively, its function."157 Alle Formen, die in derselben Position auftauchen, konstituieren eine Formklasse; denn „these privileges of occurrence make up ... the grammatical function". 158 Aus diesen Formklassen kann man nicht ohne weiteres auf ein gemeinsames „class-meaning" schließen, da etwa nicht alle Substantive im Nominativ (Formklasse) die Klassenbedeutung des „actor" haben. 159 Deshalb sind „class-meanings" keine gesunde Basis für die wissenschaftliche Arbeit, Formklassen dürfen nicht „in terms of meaning, but only in terms of linguistic features ... by structure and constituents of the form" definiert werden. 160 Bloomfield betont nachdrücklich, daß die Funktion nicht einfach - wie zuweilen in der traditionellen Linguistik - ein dritter Aspekt zwischen „form" und „meaning" ist, daß sie vielmehr auf formaler Ebene steht: Eben das besagt auch die Definition der Funktion als „a form's privilege of occurring in any one position", die Funktion besteht aus „formal features which appear when it serves as part of a moré inclusive form". 1 6 1 Allerdings darf man aus Bloomfields behavioristischem Prinzip, alles in physikalistischen statt in mentalistischen Begriffen erklären zu wollen, und aus seiner Einsicht, daß die Bedeutungen als Werkzeug der Linguistik als Mittel der Analyse, Definition und Klassifikation - ungeeignet sind, nicht ohne weiteres die Schlußfolgerung ziehen, Bloomfield habe meaning überhaupt ignoriert. 162 Im Gegensatz dazu hat Bloomfield immer betont, daß die Sprache eine „coordination of certain sounds with certain meanings" ist 163 , daß das Studium sowohl der Phonetik als auch der Phonologie „presuppose a knowledge of meaning" 164 und daß eine „proper analysis" eine solche ist, „which takes account of the meanings". 165 Aber wissenschaftlich beschrieben werden kann meaning nur durch die entsprechenden Signale, die rein formale Angelegenheiten sind und „in physical terms" erfaßt werden müssen. 166 Bloomfield hat also meaning nicht ignoriert, sondern 157

Ebenda, S. 185; vgl. auch Bloomfield: A Set of Postulates, a. a. 0., S. 29. Bloomfield: Language, a. a. O., S. 265; vgl. ähnlich aüch Bloch, B. u. G. L. Trager: Outline, a. a. O., S. 72. 139 Vgl. Bloomfield: Language, a. a. O., S. 185. 160 Ebenda, S. 267f. 161 Bloomfield: Meaning, a. a. O., S. 103f. 162 Vgl. dazu auch Fries, C. C.: Meaning and Linguistic Analysis. In: Language, 1954, 1, S. 59. 163 Bloomfield: Language, a. a. O , S. 27. 164 Ebenda, S. 137. 165 Ebenda, S. 161. 166 Vgl. dazu auch Fries, C. C.: The „Bloomfield School", a. a. O., S. 215 f.

158

77

es nur als Basis wissenschaftlicher Beschreibung ausgeschaltet, weil es beim gegenwärtigen Stand unseres Wissens noch nicht exakt erfaßbar sei. Ebensowenig darf man aus der Tatsache, daß Bloomfield von der behavioristischen Psychologie ausgeht und auch die Sprache als Reaktion auf einen Stimulus deutet, die Schlußfolgerung ziehen, Bloomfield interpretiere die sprachlichen Phänomene unter dem Gesichtspunkt der behavioristischen Psychologie. Genau das Gegenteil ist wahr: Bloomfield hat immer darauf bestanden, die Psychologie aus der wissenschaftlichen Beschreibung sprachlicher Erscheinungen auszuschalten. Das berühmte Stimulus-ReaktionsSchema benutzt er nicht, um sprachliche Erscheinungen zu beschreiben (diese müssen vielmehr rein formal beschrieben werden), sondern um die Funktion der Sprache in der Gesellschaft zu illustrieren. 167

3.4.2.

Das Meaning-Problem

Eine zentrale Bedeutung für die weitere Entwicklung der strukturellen Linguistik in den USA hat das von Bloomfield aufgeworfene MeaningProblem bekommen. In dieser Beziehung scheiden sich zunächst 2 Richtungen; die eine (vertreten etwa von Fries) will die Bedeutung in einigen Formen (etwa als „structural meaning") in die Betrachtung einbeziehen; die andere Gruppe aber (Harris, Chomsky, Lees) will die Bedeutung - eben weil sie im Sinne Bloomfìelds nicht greifbar sei - aus der Linguistik völlig ausschließen. Ihren Gipfel findet diese Entwicklung in der Degradierung von „meaning" zum Sammelbegriff für alles linguistisch Unbekannte bei Chomsky 168 und dessen pointierter Feststellung, daß die Frage, ob man eine Grammatik ohne Bezug auf „meaning" konstruieren könne, auf dasselbe hinauslaufe wie die Frage, ob man eine Grammatik ohne Kenntnis der Haarfarbe der Sprechenden konstruieren könne (vgl. Kap. 9.2.5.). 169 Allerdings hat sich auch darin seit der jüngeren Entwicklung Chomskys (seit etwa 1962, vgl. Kap. 9.3. und 9.4.) Wesentliches verändert. 170 Im New York Circle ist das Verhältnis zu „meaning" ohnehin weit traditioneller: In diesem Sinne hat sich Jakobson - entsprechend seiner These „Linguistics without meaning is meaningless" 171 - gegen Chomskys asemantische Theorie der grammatischen Struktur gewandt, weil die Sprache - wie in der Prager Konzeption - ein Mittel zur Übermittlung von Informationen ist. 17 2 167

Vgl. dazu auch ebenda, S. 206ff. Vgl. Chomsky, N.: Syntactic Structures. The Hague 1963, S. 103f. 169 Vgl. ebenda, S. 93. 170 Diese jüngere Entwicklungsphase Chomskys nahm ihren Anfang etwa mit seinem Referat über „The Logical Basis of Linguistic Theory" auf dem IX. Internationalen Linguistenkongreß in Cambridge/Mass. 1962. In: Proceedings of the Ninth International Congress of Linguists. The Hague 1964, S. 914 ff. 171 Zitiert nach Gipper, H.: Leo Weisgerber - Zur Grundlegung einer ganzheitlichen SprachaufTassung. Düsseldorf 1964, S. 5. 172 vgl. Jakobson, R.: Boas' View of Grammatical Meaning. In: The American Anthropologist. San Francisco 1959, S. 139ff. Vgl. dazu auch S. 51 in unserem Kapitel 3.2.1. 168

78

Einig sind sich die beiden genannten Richtungen der amerikanischen Strukturalisten in der theoretischen Annahme, daß die Bedeutung auf keinen Fall zur Basis der linguistischen Analyse gemacht werden kann, daß die sprachlichen Äußerungen in exakter Weise nur im formalen Bereich analysiert werden können und daß die Bedeutungsunterschiede in irgendeiner Weise formal, d. h. distributionell oder strukturell, erfaßt werden können. Einig sind sie sich auch in der praktischen Feststellung, daß die Bedeutung zumindest zur Konstatierung der Äquivalenz oder Differenz von zwei Äußerungen einbezogen werden muß. Gemeinsam ist ihnen weiter, daß die Bedeutung nur aus methodischen, niemals aus philosophischen Gründen aus der Linguistik zurückgedrängt wird: deshalb, weil sie schwer oder nicht zu erfassen ist, und nicht etwa deshalb, weil die Bedeutungen in der Sprache keine Rolle spielten. Als exemplarisch für das Streben der strukturellen Linguistik nach Exaktheit kann die Forderung von Joos angesehen werden, über die Sprache präzise oder überhaupt nicht zu sprechen. 173 Präzise über die Sprache zu sprechen ist aber nur möglich, wenn die Linguistik eine Art Mathematik wird und ihr Feld so begrenzt, daß sie alles Unklare ausschließt und - wie Joos vorschlägt - den Soziologen überläßt. Das hätte zwar den Vorteil (für Joos ist es eine Voraussetzung), daß jede linguistische Feststellung entweder wahr oder falsch sein muß, birgt aber die Gefahr in sich, daß die Linguistik ihr Gebiet wesentlich auf die meßbaren Formen beschränkt und dadurch die Gefahr heraufbeschwört, daß das vernachlässigte Gebiet der Sprachinhalte mit noch viel unexakteren Methoden bearbeitet wird. Diese Gefahr bestand bereits im 19. Jahrhundert, als sich die Junggrammatiker auf die äußere Sprachform beschränkten und damit nur den Weg ebneten für die auf sie folgenden Richtungen der Psychologie und der Geistesgeschichte (vgl. Kap. 1.3.). Diese Gefahr besteht für den amerikanischen Deskriptivismus in der gleichen Weise, nachdem Bloomfield „meaning" aus der linguistischen Analyse ausgeschlossen sehen möchte. Daß diese Gefahr tatsächlich akut ist, zeigt die gesamte Richtung der General Semantics sowie der Metalinguistics (etwa Whorf, vgl. Kap. 4.5.), die sich dieser aus der Linguistik ausgeschlossenen Thematik annehmen und gleichsam in diesen leeren Raum eintreten; sie werden außerhalb der eigentlich linguistischen Fachkreise betrieben und verstehen sich nicht nur als Gegensatz zum Strukturalismus, sondern vielfach sogar zur Linguistik überhaupt. 174 Aber nicht diesen Strömungen außerhalb der strukturellen Linguistik soll an dieser Stelle unser weiteres Interesse gelten, sondern vielmehr der Weiterentwicklung Bloomfields. Wir betrachten an dieser Stelle auch nicht die Leistung von Fries - als Repräsentanten der ersten, gemäßigteren Gruppe der amerikanischen Strukturalisten - , der in seinem theoretischen Haupt173 vgl. Joos, M.: Description of Language Design. In: Readings in Linguistics, ed. by M. Joos. New York 1963, S. 349ff. 174 Vgl. dazu Neubert, Α.: Semantischer Positivismus in den USA. Halle 1962; vgl.dazu auch unser Kapitel 4.5.

79

werk „The S t r i n a r e of English" den Versuch gemacht hat, die Theorie Bloomfields auf den Bau englischer Sätze anzuwenden. Wir klammern die Konzeption von Fries innerhalb dieses allgemeinen Kapitels vorerst aus, weil ihr später - wegen der größeren Wirkung vor allem auf den Fremdsprachenunterricht - ein eigenes Kapitel zu widmen sein wird (vgl. Kap. 8.).

3.4.3.

Der Distributionalismus von Harris

Weit rigoroser als Fries - der zwar von manchen als Revolutionär, von anderen aber auch eben deshalb als altmodischer Reaktionär angesehen wird 17 * verfährt die 2. Gruppe der amerikanischen Strukturalisten, die in Harris' „Methods in Structural Linguistics" „(1951) einen neuen Höhepunkt erreicht. Mit Harris geht die Bloomfield-Ära des amerikanischen Strukturalismus zu Ende; die strukturelle Linguistik amerikanischer Prägung tritt in ihre 2. Entwicklungsphase ein. Die Hauptaufgabe der deskriptiven Linguistik ist für Harris die Erkenntnis der „distribution or arrangement within the flow of speech of some parts or features relatively to each other". 1 7 6 Damit wird Harris zum Begründer der Distributionslehre, die die sprachlichen Elemente allein aus ihrer Distribution, d. h. aus ihrer Umgebung und Verteilung im Satz erkennen will. 177 Sowohl die Phoneme als auch die Morpheme werden nicht mehr mentalistisch (auf Grund bedeutungsdifferenzierender Funktionen), sondern rein physikalistisch und distributionalistisch, durch Feststellung der möglichen Umgebungen und unter Ausschaltung der Bedeutung bestimmt. Sowohl auf phonologischer als auch auf morphologischer Ebene hat die Linguistik für Harris im Grunde nur zwei Aufgaben und zwei Stufen : Sie muß die Elemente der Rede segmentieren und die gewonnenen Segmente distribuieren. 178 „The essential method of descriptive linguistics is to select these parts and to state their distributions to each other". 1 7 9 Mit der Distribution ist im Grunde für Harris die Linguistik zu Ende. 180 Segmentierung und Klassifizierung (durch Distribution) sind nicht nur der Kern der Linguistik bei Harris, sondern sind die Hauptaufgaben der deskriptiven Linguistik in ihrer zweiten Entwicklungsphase. 181 175

176 177

178 179 180 181

80

Vgl. dazu etwa Sledd, J.: Review on Fries - The Structure of English. In: Language' 1955, 2, S. 335; Härtung, C.V.: The Persistence of Tradition in Grammar. In: Readings in Applied English Linguistics, ed. by H. B. Allen. New York 1964, S. 17. Harris, Z. S.: Methods in Structural Linguistics. Chicago 1951, S. 5. Das besagt nicht, äaß der technische Begriff der Distribution nicht schon vor Harris vorkommt; vgl. dazu Diderichsen, P.: The Importance of Distribution versus Other Criteria in Linguistic Analysis. In: Proceedings of the Eighth International Congress of Linguists. Oslo 1958, S. 156ff., 176. Vgl. Harris: Methods, a. a. O., S. 6. Ebenda, S. 20. Vgl. dazu Harris, Ζ. S.: Distributional Structure. In: Word, 1954, 2/3, S. 158. Vgl. dazu auch Gleason, Η. Α.: An Introduction to Descriptive Linguistics. New York 1955, S. 65.

Genauer ausgedrückt, stehen vor dem Linguisten hei der Distributionsanalyse nach Harris folgende drei Aufgaben: 182 1. Zunächst müssen die kleinsten Einheiten auf der betreffenden Forschungsebene (auf der phonologischen oder morphologischen Ebene) herausgefunden werden; das geschieht durch die Segmentierung des Redeflusses. 2. Die herausgearbeiteten Segmente müssen zu bestimmten Klassen (von Phonemen und Morphemen) zusammengefaßt werden; das geschieht durch die Distribution, d. h. die Untersuchung aller möglichen Umgebungen des betreffenden Segmentes auf der betreffenden Ebene. Wenn zwei Elemente die gleichen Umgebungen haben können, gehören sie zur gleichen Klasse. 3. Schließlich werden die Beziehungen zwischen den durch Distribution gefundenen Klassen auf der jeweiligen Ebene beschrieben. Harris' Buch „Methods in Structural Linguistics" ist eben deshalb zur Bibel dieser 2. Etappe des amerikanischen Strukturalismus geworden, weil es die Prozeduren und Methoden angibt, mit deren Hilfe man Phoneme und Morpheme rein distributionell und asemantisch herausfinden kann. Die Segmentierung erfolgt mit Hilfe der Substitution. 183 Mit Hilfe der Substitution werden auch Klassen gefunden, die in derselben Umgebung („environment") vorkommen, d. h. diç dieselbe Distribution haben. 184 Der Begriff der innersprachlichen Distribution soll den außersprachlichen Meaning-Begriff überflüssig machen. Meaning muß in der Distribution eingeschlossen werden nur „to the extent of determining what is repetition. If we know that life and rife are not entirely repetitions of each other, we will then discover that they differ in distribution (and hence in .meaning')". 185 Eine Differenzierung beider Wörter auf der Grundlage der Bedeutung ist für Harris nur „the linguist's and the layman's shortcut to a distributional differentiation". Damit schleicht sich freilich indirekt die Bedeutung in einer zwar unvergleichlich exakteren und meßbareren, dafür aber auch viel umständlicheren und schwierigeren Form wieder in die Sprachbeschreibung ein; es handelt sich dabei aber nicht um die eigentlichen Bedeutungen (d. h. die Situationen in der Außenwelt), sondern um die formale Spiegelung dieser Bedeutungen in einem formalisierten Distributionsmodell. Sprachliche Erscheinungen werden bei Harris nicht unterschieden „on the basis of 182

183 184

185

Vgl. dazu ΡβΒ3ΗΗ, Η. Η.: Ο Ηβκοτοριαχ Bonpocax ληiK03HaHHH, 1960, 6. Helbtg. Sprachwissenschaft

97

rung u. a.)· Begründet wurde diese Transformationslehre von Harris 246 und Chomsky247 ; zwischen beiden gibt es Unterschiede in der Konzeption 248 , auf die im Rahmen des Kapitels über die Entwicklung der generativen Transformationsgrammatik (Kap. 9.) hingewiesen werden soll. Mit der Transformationsanalyse hat man bereits viele praktische Resultate erreicht 249 5. Eng mit der Transformation verbunden ist die Methode der Substitution : Im Rahmen einer bestimmten grammatischen Konstruktion wird eine sprachliche Einheit durch eine andere ausgetauscht oder ersetzt. Erfüllen diese austauschbaren Einheiten im Rahmen einer festen Satzkonstruktion eine identische syntaktische Funktion, so sind sie syntaktisch äquivalent und gehören der gleichen Formklasse an. Bei der Transformation bleibt im allgemeinen der Inhalt erhalten, und die syntaktische Struktur ändert sich; bei der Substitution dagegen bleibt immer die gesamte Satzstruktur (und damit auch der syntaktische Status der substituierten Einheit) erhalten, aber der lexikalische Inhalt ändert sich. Daraus ergibt sich von selbst, daß die Substitution eng mit der Distribution verknüpft ist; denn man kann nur etwas an der gleichen Stelle einsetzen, was in der gleichen Umgebung vorkommen kann. Substitutionen benutzt etwa Fries, um seine Formklassen zu bestimmen. 250 Er stellt ζ. B. den Rahmen „The concert was good" auf und erklärt jedes Wort, das für „concert" substituiert werden kann, zur Klasse 1, das für „was" substituiert werden kann, zur Klasse 2, und das für „good" substituiert werden kann, zur Klasse 3. Eine ähnliche Substitutionstechnik verwendet Glinz unter dem Terminus seiner „Ersatzprobe": 251 1 Den anderen Tag Nun Heute Als er aufstand

2 war

3 eben

4 alles

5 wieder

6 verschwunden.

ist bleibt

leider nun

schon bereits

weg. fort.

scheint

wie er feststellen mußte

das die Erscheinung was er bewundert hatte

ohne Gnade

wie es früher gewesen war.

346

Vgl. Harris, Z. S.: Co-occurrence and Transformations in Linguistic Structure. In: Language, 1957, 3. 247 vgl. Chomsky, N.: Three Models for the Description of Language. In: Transactions on Information Theory, 1956, 3; Chomsky, N.: Syntactic Structures, a. a. O. 248 vgl. dazu s c h o n Jim, Ρ . Ε . : Η τ ο Taxoe TpaHc4>opMaimji? In: Bonpocw «3ΗΚΟ3Η8ΗΗΑ, 1961, 3 ; JIh3, P . S . : O

nepe4>opMyjmpoBaHHHipaHC$opMaiQioHHUxrpaMMarrac.In:

Bonpoc&i snuK03HaHHSi, 1961,6. 249 vg]. ζ. B. Worth, D. S. : Transform Analysis of Russian Instrumental Constructions. In: Word, 1958. Zusammenfassend zur Transformationsanalyse vgl. auch HmcoJiaeea, T. Μ.: Ητο T a x o e TpaHoj>opMaiinoHHMft aHajiH3? In : Bonpocu Λ3ΗΚΟ3ΜΗΗΗ, 1960,1. 150 Vgl. Fries, C. C.: The Structure of English, a. a. O., S. 74 If. 151 Vgl. Glinz, H.: Die innere Form des Deutschen. Bern 1961, S. 87 ff.

98

6. Ein letztes Wort schließlich zur Methode der binären Opposition, die auf der Annahme beruht, daß alle grammatischen Kategorien in Gegensatzpaaren angeordnet sind. Von diesen Gegensätzen sei das eine Glied merkmalhaltig, das andere merkmallos. Diese Lehre ist besonders von der Prager Schule gepflegt worden : So unterscheidet Jakobson etwa im Kasussystem den merkmallosen Nom. vom merkmalhaften Akk. (dessen invariantes Merkmal der Bezug sei), im Verbalsystem zwischen Aktiv und Passiv usw.

3.6.

Zur Entwicklung der strukturellen Linguistik in der Sowjetunion

3.6.1.

Verhältnis von traditioneller and struktureller Linguistik

Die strukturelle Linguistik hat sich im Verlaufe ihrer Entwicklung weit über die Länder hinaus verbreitet, in denen sie ursprünglich entstanden war. Die Sowjetunion gehört heute ohne Zweifel zu den Ländern, in denen am erfolgreichsten mit den Methoden der strukturellen Linguistik gearbeitet wird. Die Diskussionen um die strukturelle Linguistik in der Sowjetunion begannen in den 50er Jahren 252 und führten zu einer Kritik an den philosophischen Grundlagen bestimmter strukturalistischer Schulen, zugleich aber im wesentlichen zu einer positiven Einschätzung der linguistischen Forschungsmethoden. 253 Diese Trennung erscheint insofern unerläßlich, als die ideologischen Grundlagen (etwa Hjelmslevs oder Bloomfields) "in den meisten Werken der strukturellen Linguistik kaum zutage treten, als aber andererseits die strukturelle Linguistik heute mit eine bestimmende Rolle im Weltmaßstab einnimmt, die Sprachwissenschaft um effektive Methoden bereichert und auf diese Weise wertvolle Resultate gezeitigt hat. 2 5 4 Aus dieser Einsicht resultiert der Anspruch der strukturellen Linguistik, nicht nur ein „Zweig" der Linguistik neben anderen 255 , sondern „Kerndisziplin der modernen Sprach252

Zu diesen Diskussionen vgl. Ciofi-ro-UKan : OÖ3op CTpyKTypaJiBHOro HanpaaneHan Β jiHHTBHCTHKe. In: Bonpocti Η3ΜΚ03ΜΗΗΗ 1959, 3. S. 40f.; Papp, F.: Mathematischstrukturelle Methoden in der sowjetischen Sprachwissenschaft. In: Acta Linguistica Scientiarum Hungaricae, 1964, 1/2. 253 Yg] v o r a i) e n l niayMJiH, C. Κ.: O cynmocTH cTpyxTypHOö ΛΗΗΓΒΗopMajit>HbtJc MeTojjax β πΗΗΓΒΗΟτιικβ (no noBoay craTbH Β. H. A6àeea „JlmirBHCTHHecKHB MoaepxH3M Kax aeryMaHH3annji Hayra o srauice"). In: Boapocu jnbiK03HaHiw, 1966, 3, S. 52f. 2 6 5 Vgl. ebenda, S. 54, 57f. 2 6 6 3nanep, JL P.: O HOBOM Β «ΠΗΚΟΒΒΑΒΗΚΗ. In: B o a p o c u «ΠΗΚΟΙΜΗΗΗ, 1966, 3, S. 62 f. 267 v g l . u. a. auch Ky3HeuoB, Π. C.: E m ë o ryMamoMe H .neryMaHroaaiiH. In: B o n p c c u H3biK03HaHHH, 1966, 4, S. 62 ff. 268 v g l . PoîKHecTBeHCKHâ, ΙΟ. Β.: 06sop MaTepaanoB nocTynHBnmx β peaaKnuno no noBoay cTaTbH Β. H. A6aeea „JlHHrBHcnriecKH& MoaepHH3M Kaie ijeryMamnaumr HayxH o «Mice". In: Bonpocu jQMK03HaHHJi, 1966,4, S. 75ff. 2 6 9 Telegdi, Zs.: Über die Entzweiung der Sprachwissenschaft. In: Acta Linguistica Academiae Scienti arum Hungaricae. Budapest 1962.

102

Sprachwissenschaft. 270 Im Unterschied zu Schaumjan, der die traditionelle Linguistik als klassifizierend, die strukturelle Linguistik dagegen als eine Theorie abstrakter Sprachmodelle anspricht 271 , dabei aber die strukturelle Linguistik zur generativen Grammatik reduziert (denn die taxonomischstrukturelle Linguistik ist durchaus auch klassifizierend), bestimmt Rewsin die strukturelle Linguistik allgemeiner als Methode der linguistischen Modellierung. 272 Um eine Weiterentwicklung der Sprachwissenschaft zu gewährleisten, ist von Seiten der strukturellen Linguistik Vorsicht bei der Einfuhrung neuer Terminologien und von Seiten der Traditionalisten die Einsicht notwendig, daß bloße Materialsammlungen aus Texten für die linguistische Arbeit nicht genügen. Eine Überwindung der unfruchtbaren Entzweiung der Linguistik kann auch nicht erreicht werden, wenn man der strukturellen Linguistik das Verhältnis zur Tradition überhaupt abspricht. Demgegenüber betont Rewsin mit Recht, daß die« Distributionalisten bestimmte Traditionen der Junggrammatiker fortsetzen a und daß die generative Grammatik - etwa Chomskys - auf den distributionalistischen Modellen aufbaut. 2 7 3 Eine direkte Beziehung zwischen der traditionellen und der strukturellen Linguistik besteht einerseits darin, daß die strukturelle Linguistik auf einer höheren Stufe der Abstraktion mit Modellen arbeitet und somit die Gesamtheit der Fakten voraussetzt, die von der traditionellen Linguistik beobachtet und beschrieben worden sind. Deshalb ist die strukturelle Linguistik durchaus keine Wissenschaft im luftleeren Raum, sondern die gesetzmäßige Fortsetzung der traditionellen Linguistik. Andererseits bahnt sich in der neueren Entwicklung der generativen Grammatik eine Annäherung an die traditionelle Grammatik an, hat doch Chomsky - etwas überspitzt freilich - selbst betont, daß seine generative Grammatik in vielerlei Hinsicht eine Explizierung von Intuitionen der traditionellen Grammatik ist, daß umgekehrt die traditionellen Grammatiken vielfach nichts anderes sind als „inexplicit transformational generative grammars". 2 7 4 In diesem Sinne sieht auch Rewsin in der generativen Grammatik die Möglichkeit einer fruchtbaren Synthese zwischen traditioneller und struktureller Grammatik. 275 Aus diesem Grunde hat er auch den Weg von der traditionellen Satzgliedanalyse über die Distributionsanalyse zur Transformationsanalyse oder - allgemeiner gesprochen - von der traditionellen Grammatik über die strukturelle Grammatik zur generativen GramV g l . PCB3HH, H . KL: CrpyirrypHaH ΠΗΗΓΒΙΙΟΤΗΚΕ H CAHHCTBO Η3ΜΚΟ3Τ8ΗΗΛ. I n : B o n p o c u »HK03Hamni 1965, 3, S. 44 ff. 2 7 1 V g l . IIIayM«H, C . K . : A U K ΚΕΚ ceMHOTHHecKa* cncreMa. In : TeopenrcecKHe προβπβΜΜ coepeMeHHoro coBercKoro s3BiK03HaHHa. MocKBa 1964, S . 48. 272 VGL PEB3HH: CrpyictypHax JIHHTBHCTHKA, a . A . O . , S . 4 6 ; PCB3HH, H . H . : M o d e r o «Mica. MocKBa 1962, S. 8 ff. 273 v g l . PÇB3HH, O p y K T y p H a j i jmHTBHCTHKa, a . a . O . , S. 50ff. 2 7 4 C h o m s k y , N . : C u r r e n t Issues in Linguistic T h e o r y . T h e H a g u e 1964, S . 16. 2 7 5 V g l . PeB3HH, OrpyKTypHan ΠΗΗΓΒΗΟΤΗΚ3, a. a . O . , S . 53.

270

103

matik als Entwicklung von These über Antithese zur Synthese gedeutet und die generative Grammatik im dialektischen Sinne als „Negation der Negation" angesprochen.276 Ein solcher Mittelweg ist von mehreren sowjetischen Linguisten angedeutet worden. 277 Er bedeutet weder einen einfachen Ersatz alter Methoden durch neue noch einen neuen strukturalistischen Dogmatismus, sondern ein schöpferisches Gespräch zwischen den verschiedenen Konzeptionen. Wie diese Synthese im einzelnen aussehen kann oder wird, ist freilich kaum einhellig beantwortet worden. Wir glauben nicht, daß sich die Verschiedenartigkeit von Methoden allein aus dem Gegenstand ergibt; das würde dem Systemcharakter der Sprache widersprechen und auch keinen geschlossenen Erklärungszusammenhang ermöglichen. Es scheint uns viel eher möglich und fruchtbar, den gleichen Gegenstand mit verschiedenen Methoden zu bearbeiten und damit die Angemessenheit der Methoden zu prüfen. 278 Eine fruchtbare Verbindung von traditioneller und struktureller Grammatik kann auch nur erreicht werden, wenn man bestimmte Mißverständnisse im Hinblick auf die Kriterien der Sprachbeschreibung aus dem Wege räumt, wenn man nicht die Einfachheit, Ökonomie und Praktikabilität der Sprachbeschreibung als einzige Kriterien der strukturellen Sprachwissenschaft anspricht.279 Auch wenn die strukturelle Linguistik von der Einfachheit als Ziel der Sprachbeschreibung spricht, tut sie dies nicht auf Kosten der Wahrheit bzw. Adäquatheit. Die Frage der Adäquatheit bzw. die Schaffung sogar einer Stufenfolge der Adäquatheit ist ein zentrales Anliegen der generativen Grammatik Chomskys.280 Auch Schaumjan hat gezeigt, daß die Modelle der Linguistik ein Analogon zu der Wirklichkeit der Sprache - als dem entsprechenden Original - sind, dem sie adäquat sein müssen281, daß das formale Kriterium der Einfachheit („npocroTa") und das nicht-formale Kriterium der Adäquatheit (bzw. der erklärenden Kraft) der Grammatik („oöiHCHTejibHa* cmia") im Rahmen der generativen Grammatik eng zusammengehören282, ja identisch sind; dehn unter Einfachheit habe man zu verstehen die Fähigkeit einer wissenschaftlichen Theorie, mit Hilfe eines 27« 277

278 279 280

281 282

Vgl. PeB3HH, H . H . : TPAHCIFCOPMAUHOHHMFT AHANRO H T P A H C ^ P M A I I H O H H M S CHHTG3· In: T p a H C < j ) 0 p M a i i H 0 H H H f i MCTOA Β C T p y K T y p H o f i jnmrBHCTHKe. Mocroa 1964, S. 62. Vgl. etwa «tefloceee, Π. H.: HeKOTopwe B o n p o c b i p a 3 B i r n u i c o e e T C K o r o H3MK03HaHHn. In: TeopexHiecKHe npoÖJieMH coepeMeHHoro coBercKoro »3MK03HaHiw. Mocraa 1964, S. 36f.; CepeöpeHHHKOB, Ε. Α.: O JTHKBHÍISHHH iiocneacTBHft Kyjuvra jurmocrtf CraJiHHa Β «3MK03Hamui. In: TeopeTniecKne npoôJieMM coepeMeHHoro coBeracoro »3biK03HanHH. MocKBa 1964, S. 111 ff. Ähnlich auch Apiteea, Β. Η.: O Meroaax aHajuua x3uxa. In: TeoperavecKHe npoÖJieMU coBpeiàeHHoro coBercKoro H3feoco3HaHiw. Mocraa 1964, S. 123. Vgl. etwa JIoMTeB: CoBpeMeBHOe »3HK03HaHHe, a. a. O., S. 152. Vgl. etwa Chomsky: The Logical Basis of Linguistic Theory. In: Proceedings of the Ninth International Congress of Linguists. The Hague 1964, S.923ff.; vgl. auch Chomsky: Current Issues, a. a. O., S. 28ff. Vgl. IIIayMJiH: Λ3ΗΚ icax ceMHonrecKaa CHCTeMa, a. a. O., S. 48f. Vgl. niayMXH, C. K.: CTpyirrypHa« nHHTBHcnnca. MocKBa 1965, S. 140f.

104

begrenzten Begriffskodes ein weites Gebiet von Fakten zu umfassen und dabei in das Gebiet des Unbekannten vorzustoßen: Eben das ist aber nicht mehr nur formal, sondern letztlich identisch mit der Tiefe der Erklärung. Ein solcher Mittelweg bedeutet auch, daß innersprachliche und außersprachliche Faktoren in gleicher Weise und am richtigen Ort in die Sprachbeschreibung einzubeziehen und in adäquate Beziehungen zueinander zu bringen sind. Nachdem man früher einseitig die außersprachlichen Faktoren zur Geltung gebracht und die strukturelle Linguistik zunächst umgekehrt zu einer Verabsolutierung der innersprachlichen Faktoren geführt hat, zeigt sich in der sowjetischen Linguistik heute das Bemühen um eine Synthese von innersprachlichen und außersprachlichen Faktoren, die offensichtlich an eine Scheidung verschiedener Ebenen in der Sprache selbst anzuknüpfen hat. 283 Einen wesentlichen Schritt in der Scheidung bestimmter Ebenen in der Sprache ist Panfilow gegangen, wenn er - anknüpfend an das Beispiel „Er kommt schnell", in dem das hervorgehobene Glied im syntaktischen Sinne Adverbiale, innerhalb der „aktualen Gliederung" des Satzes ( „ a K T y a j n > H o e HJieHeHHe") aber „grammatisch-logisches Prädikat" ist - eine syntaktischgrammatische von einer logisch-grammatischen Ebene trennt. 284 Die Annahme verschiedener Ebenen oder Kategorien in der Sprache bedeutet natürlich nicht, daß zwischen ihnen keinerlei Beziehungen bestehen ; aber der Satz von der Sprache als Wirklichkeit des Gedankens darf nicht im Sinne einer direkten Abhängigkeit oder geradlinigen Entsprechung der verschiedenen Ebenen verstanden werden.285

3.6.2.

Übernahme und Weiterentwicklung der Medioden

Über die theoretische Einstellung hinaus hat sich die neue, positive Einschätzung der strukturellen Linguistik in der Sowjetunion vor allem auch in der praktischen Arbeit niedergeschlagen. Es erschienen nicht nur zahlreiche Sammelbände286, sondern auch die Bände „Hoeoe Β JiHHTBHCTHKe", in 283

Vgl. dazu AxMaHOBa, SKCTpajnuirBHcnpiecKHe H BHyTpmnnirBHCTHHecKHc φακτορυ, a. a. O., S. 72iF. ΠβΗφκποΒ, Β . 3.: Ο COOTHOIHCHHH BHyrpHnHHrBHCTmecKHX Η 3KCTpajiHHrBHCTHHecKHx (JiaKTopoB Β (JiyHKUHOHHpoBaHHH »Mica. In: TeOpeTH-

284

Vgl. ΠβΗφιυιΟΒ, Β. 3.: TpaMMaïuxa H norma. MocKea/JIeHHHrpafl 1963, S. 37ff.; ΠεηΦηΠΟΒ: O COOTHOIICHHH BHyTpHJÏHHrBHCTHHCCKHX H 3KGTpäJlHHrBHCTHHCCKHX φ3κτοροΒ, a.a.O., S.81 if., 86ff.; ΠβΗφκπΟΒ, Β.3.: SiccTpajniHrBHcnnecicHe Η BHyTpiLnHHTBHCTHTHeCKHe φβΚΤΟρΜ Β φγΗΚφΙ0ΗΗρ0Β3ΗΗΗ Η pa3BHTHH H3bIKa. In:

285

necKHe npo&neMH coepeMeraoro coeeTCKoro «i>iK03HaHHH. MocKBa 1964, S. 75 ff.

BonpOCM H3bIK03H&HHJI, 1963, 4, S. SI.

Vgl. dazu auch ΠβΗφκποΒ: rpaMMannca η jionixa, a.a.O., S.4if., 11, 14, 78; ΠβΗφΗΠΟΒ, O cooTHomeHHH, a. a. O., S. 75 ff., 81 if., 86if. íes Vgl. u. a. AxaaeMHn Hay* CCCP, HHCTHTJT pyccKoro n3biKa: IIpoöjieMW cTpyicrypHofl ΠΗΗΓΒΗΟΤΗΚΗ. MocKBa 1962,1963, 1968; AxaAeMH* Hayx CCCP, ΗΗΠΓ pyccKoro fl3bOCa: ΤΡΒΗΘΦΘΡΜΒΙΙΗΟΗΗ£ΐΒ ΜΒΤΟΑ Β CTpyKTypHOß JiHHTBHCTHKe. MocKBa 1964. 105

denen die sowjetischen Leser mit den wichtigsten Arbeiten ausländischer Linguisten (Hjelmslevs, Fries', Harris', Chomskys, Martinets u. a.) vertraut gemacht werden. In der führenden - von der sowjetischen Akademie der Wissenschaften herausgegebenen - sprachwissenschaftlichen Zeitschrift „Bonpocbi «3biK03HaHHa" werden laufend theoretische und praktische Probleme der strukturellen Linguistik erörtert. Im Jahre 1964 erschien unter der Redaktion von Guchman und Jarzewa eine grundlegende Monographie über den Strukturalismus, die den vier Hauptrichtungen - der Prager Schule, der Glossematik, den amerikanischen Schulen und dem Londoner Kreis - im einzelnen nachgeht. 287 Die Arbeit mit der strukturellen Linguistik bezieht sich vor allem auch auf die Verwendung ihrer praktischen Methoden, wie sie völlig unabhängig von bestimmten philosophischen Voraussetzungen und auch über die ursprünglichen Schulen des Strukturalismus hinaus mit großem Erfolg angewandt werden. 288 Von diesen Methoden wurden vor allem die Distributionsanalyse, die ICAnalyse

(,,ΜβτοΑ

HenocpeACTBeHHo-cocraBjiJnouíHx")

und

die

Trans-

formationsanalyse im einzelnen aufgenommen, diskutiert und an russischem Sprachmaterial in ihrem Wesen dargestellt. Rewsin hat in detaillierter Weise die Vor- und Nachteile der Distributionsanalyse untersucht und die Distributionsanalyse amerikanischer Prägung mit dem mengentheoretischen Modell Kulaginas verglichen. 289 Erst recht hat die Transformationsanalyse in der sowjetischen Linguistik starken Widerhall gefunden 2 9 0 : Dabei wird ein Unterschied gemacht zwischen einer umfassenden generativen Transformationsgrammatik (TG) und einer syntaktischen Transformationsanalyse im spezielleren Sinne (TA) 2 9 1 , da die Transformationsanalyse auch außerhalb einer generativen Grammatik als wertvolles Mittel der Sprachbeschreibung zur Entdeckung syntaktischer Regularitäten benutzt werden kann. Weiterhin ist versucht worden, das Modell Chomskys als ein Modell der Transformationssynthese, d. h. einer Grammatik vom Sprecher her, zu interpretieren und sie durch ein Modell der Transformationsanalyse, d. h. einer Grammatik vom Hörenden her, zu ergänzen. 292 Es ist aber - nament217

Vgl. OcHOBHbie HanpaBJiem« CTpyirrypamnMa, H3A. AxaneMH» Hayx CCCP. MocKBa 1964. 288 Vgl. dazu unsere Anm. 235. 289 Vgl. PeB3HH, H . H . : Ο Ηβκοτορυχ Bonpocax ΖΙΗΟΤΡΗ6>ΤΗΒΗΟΓΟ aHanœa H ero aajibHeftuieft φορΜ&ΠΙΗΒΙΐΗΗ. In: ΠροβπβΜΗ C T p y K T y p H O Ä JIHHTBHCTHKH. Mocraa 1962, S. 14. 290 Vgl. dazu Worth, D. S. : Selected Topics in Soviet Linguistics, Syntax. In: Current Trends in Linguistics, vol. I, The Hague 1963, S. 36f. 291 Vgl. etwa HHKOJiaeea, T. Μ.: Ητο Taicoe TpaHCopMauHOHHM8 aHamn? In : Bonpocw (OMkO3HaHHH, 1960,1, S. 142f.; Τοποροβ, Β. Η. : O TpaHC0pMauH0HH0MMerode. In: AkaaeMHÄ Hayjc CCCP-MHCTHTyT pyccxoro JObixa: TpaHC(}>opMaunoHHi>ifl ΜβτοΛ β crpyicrypHoft JTHHTBHCTHKe. Mocicea 1964, S. 74ff.;3acopHHa, JI. H. : TpaHC(j>opMamui KaK Meroa jiHHrBHcnwecKoro 3KcnepxMeHTa Β CHHTaKCHce. In: TpaHofropMauHOHHMfl ΜβτοΛ Β CTpyKTypHOil jmHTBHCTince, a . a. O., S. 111 ff. 292 Vgl. dazu PeB3HH, Τρ3ΗθφθρΜ3ΚΗΟΗΗΗβ aHanH3, a. a. O., S. 57 ff.

106

lieh von Chomsky selbst 293 und von Schaumjan 294 - gezeigt worden, daß sich ihre generativen Modelle neutral zu Sprecher und Hörer verhalten und daß erst auf Grund dieser abstrakten Modelle (die der langue zugehören) bestimmte konkrete - der parole zugehörige - synthetische bzw. analytische Modelle für den Sprecher oder Hörer entwickelt werden können. Eine wesentliche Bedeutung haben die Transformationen wohl vor allem deshalb in der sowjetischen Syntax gewonnen, weil es mit ihrer Hilfe möglich ist, intuitiv empfundene semantische Unterschiede auf rein formale Weise zu erfassen. So kann etwa der Unterschied zwischen dem subjektiven und dem objektiven Genitiv formaliter nicht auf der Stufe der direkten Beobachtungen erfaßt werden (und folglich auch nicht durch Distributionsoder IC-Analyse beschrieben werden), sondern nur auf einer Stufe der theoretischen Konstrukta. 29S Solche theoretische Konstrukta sind die Transformationen, die selbst nichts Semantisches enthalten, aber „für die Erklärung der auf der Beobachtungsstufe gegebenen semantischen Identitäten und Unterschiede sowie auch anderer direkt beobachteter Beziehungen" dienen. 296 Auf diese Weise sind die Transformationen eine formale Basis, auf deren Grund semantische Unterschiede erklärt werden und homonyme Konstruktionen eine verschiedene Ableitung erhalten können. Zu diesem Zweck der Transformationen ist es - angesichts der verschiedenartigen Fassung, die der Transformationsbegriff namentlich bei Harris und Chomsky erhalten hat - notwendig, ihre verschiedenen Arten zu unterscheiden und aufzuschlüsseln. 297 Transformationen in dem genannten Sinne werden dann - im Unterschied zur Rolle der Transformationen in der früheren Phase der generativen Grammatik Chomskys - verstanden als semantische Invarianzbeziehungen zwischen zwei Strukturen. 298 Die Diskussion um die Transformationsgrammatik wurde in der Sowjetunion als so wesentlich empfunden, daß man ihr 1961 eine gesonderte Konferenz des AkademieInstituts widmete. 299 293

Vgl. Chomsky: Current Issues, a. a. O., S. lOf. 294 vgl. mayM«H, C. K. : TpaHcijiopMauHOHHafl rpaMMaTirea h anmuucaTHBHaji nopoamalomafl MOfleJib. In: TpaH^iopMaiiHOHHbifi Μβτο,η β crpyioypHoft ΠΗΗΓΒΗΟτκκβ, a.a.O., S. 14; fflayMXH, Aune xax ceinHOTHMecKaa cHcreMa, a.a.O., S.50ff.; niayMHH, CrpyKTypHan jthhtbhctmea, a. a. O., S. 100. 295

296

Zur Erklärung des subjektiven und objektiven Genitive vgl. auch mayMKH, O.K.: IIpeo6pa30BaHHe ηηΦορμβηηη β npouecce nosHaioui η AByxcryneHraTas τεορκΗ CTpyKTypHOft jthhtbhctiikh· In: ΠροδπβΜΜ crpyicrypHoft jihhtbhcthkh. MocKea 1962, S. lOff. ; vgl. dazu auch lIIayMsm, C. Κ. : TeopenreecKHé ochobh TpaHc4>opMamiOHHoft rpaMMaTHKH. In: Hosoe β othtbhcthkc, Bun. II. Mocicea 1962, S. 394ff., 405. Schaumjan in: Zeichen und System der Sprache. Bd. II. Berlin 1962, S. 194.

297

Vgl. 3acopHHa: TpaHofcopMainra wuc Meroa, a. a. O., S. 107ff. Vgl. IQayMflH, C. K.: nopoatnaiomaJi JiHHTBHCTHMecKa« Moment Ha 6a3e nprnurnta AByxcryneHHaTOCTH. In: Bonpocti « μ κ ή μ η η η , 1963, 2, S. 58, 66f. 299 vgl. dazu den Bericht von Apresjan in: Bonpocw η3μκο3μημη, 1962, 2, S. 138 ff.

298

107

3.6.3.

Bedeutung und Syntax

Von Seiten der strukturellen Linguistik (im vor-transformationellen Entwicklungsstadium) hat sich Apresjan des in anderen Schulen vielfach vernachlässigten Bedeutungsproblems angenommen. 300 Er zeigt, daß die moderne Linguistik unter Bedeutung („3HaHeHHe") nicht mehr den Begriff oder den Gegenstand oder irgendeine andere Wesenheit, sondern eine Beziehung versteht. Im einzelnen unterscheidet Apresjan mehrere Aspekte der Bedeutung: Eine strukturelle Bedeutung, die aus der Beziehung des einen Zeichens zum anderen resultiert und auf syntagmatischem Gebiet syntaktische Bedeutung oder Valenz, auf paradigmatischem Gebiet différentielle Bedeutung oder Wert im Sinne de Saussures genannt werden kann; eine signifikative Bedeutung, die die Beziehung des Zeichens zum Signifikat meint, wobei Apresjan unter „Signifikat" den traditionellen „Begriffsinhalt" versteht, der etwa dem „Sinn" bei Frege, dem „Intensional" bei Carnap und der „Bedeutung" bei Quine entspricht; eine denotative Bedeutung, die die Beziehung des Zeichens zum Denotat, zu den bezeichneten Sachen meint und dem traditionellen „Begriffsumfang", der „Bedeutung" bei Frege, dem „Extensional" bei Carnap und der „Referenz" bei Quine entspricht; und schließlich eine außersprachlich-pragmatische Bedeutung, die - im Sinne Bloomfields - die durch einen sprachlichen Stimulus hervorgerufene außersprachliche Reaktion meint und in der auch emotionale Elemente enthalten sind. Von diesen vier Arten der Bedeutung müsse die strukturelle Bedeutung von der strukturellen Linguistik, die signifikative und die denotative Bedeutung von der Semantik und die pragmatische Bedeutung von der Psycholinguistik erforscht werden. Dabei versteht Apresjan - im Unterschied zu anderen Terminologien 301 - unter Semantik ausdrücklich das Studium sowohl der signifikativen als auch der denotativen Bedeutungen und spricht dem sprachlichen Zeichen damit zwei Arten von Inhalten zu. 302 Apresjan geht dabei - eben das ist ein Kennzeichen der vortransformationellen Entwicklungsstufe der strukturellen Linguistik - von der Hypothese aus, daß sich alle semantischen Identitäten und Unterschiede in irgendeiner Weise in syntaktischen Identitäten und Unterschieden spiegeln und daß hinter jedem syntaktischen Unterschied auch ein semantischer Unterschied steht. 303 Auf diese Weise wäre es möglich, lexikalische Einheiten mit Hilfe Vgl. AnpecBH, K). JX.\ CoBpeMeHHwe Meropu H3yHemui 3h&hchhü h HCKOTOPWC npoÖJieMbi CTpyKTypHoft jihhtbhcthkh. In: ITooÖJieMW crpyicrypHOit ληήγβηοτηκη. MocKBa 1963, S. 102ff. 301 Vgl. etwa Klaus, G.: Semiotik und Erkenntnistheorie. Berlin 1963, S.36; dort wird von der Semantik (die sich auf die gedanklichen Abbilder richtet) eine Sigmatik geschieden (die sich auf die Objekte der Widerspiegelung selbst richtet). 30J vgl. Anpecjm, CoepeMeHHHe ΜβτοΛΜ, a. a. O., S. l l l f . 303 Vgl. ebenda, S. 109; vgl. dazu auch Anpecsm, IO. JX.: flHCTpHÖyTHBHHfi-aHamo 3HaieHBâ h CTpyKTypHbie ceMaHTsnecKHe nojw. In: Jlexcmc. C6ophhk. Bbin. 5. MocKBa 1962, S. 60ff.; Anpecjm, K). ß,.: axcnepHMeHTajibHoe HCCjiefloeaHHe ce¡naHTHKH pyccKoro H3biKa. MocKBa 1967. 300

108

der Syntax zu beschreiben. Zunächst werden nach der Position der Elemente in einer Äußerung bestimmte Distributionsklassen gefunden, die dann weiter differenziert werden in bestimmte Subklassen je nach ihrem Verhalten unter bestimmten Transformationen. Daß solche Untergruppen überhaupt entstehen können, ist ein Zeichen dafür, daß die betreffende Sprache keine Sprache mit voller Transformation (ΗΠΤ) ist, in der eine bestimmte Struktur immer in eine andere überführbar sein müßte. 304 Apresjan versucht, die Hypothese auch praktisch zu beweisen, daß zwischen den syntaktischen Kennzeichen der Wörter und ihren semantischen Merkmalen eine regelmäßige Entsprechung besteht, daß man also aus einem verschiedenen syntaktischen Verhalten auf bestimmte semantische Unterschiede schließen kann. 30S Als differenzierende syntaktische Merkmale der Verben nimmt er dabei die Rektionstypen an, von denen er - im Anschluß an Peschkowski 306 - zwei unterscheidet: eine starke und eine schwache Rektion. 307 Er glaubt, daß hinter den (syntaktischen) Unterschieden der Rektionskraft im letzten Grunde semantische Ursachen stehen, daß sie mit Bedeutungsunterschieden der regierenden und regierten Formen und Wörter zusammenhängen. Deshalb werden zwei Verben in der Bedeutung desto mehr Gemeinsamkeiten haben, je „stärker" sie einen Kasus oder eine Präpositionalgruppe regieren und je geringer ihre Unterschiede in der Rektion und in der Rektionskraft sind. 308

3.7.

Andere Schulen der strukturellen Linguistik

3.7.1.

Der britische Kontextualismus

Die Entwicklung der modernen strukturellen Linguistik ist nicht auf die bisher genannten Länder beschränkt geblieben. Auch andere Länder haben an dieser Entwicklung mehr oder minder großen Anteil; diese Richtungen sollen im folgenden kurz umrissen werden. Es sei besonders auf bestimmte Tendenzen in England und Frankreich verwiesen. In England hat sich eine Variante der strukturellen Linguistik herausgebildet, die unter dem Namen „Kontextualismus" bekannt geworden und vor allem an Firth geknüpft ist. Manche Gesamtdarstellungen der strukturellen Lin304

Vgl. dazu PeB3HH, H . H . : Ο ΠΟΗΗΤΗΗΧ ΟΛΗΟΡΟΛΗΟΓΟ «bina H jobnca c nojibHofi TpaHC(j>opMaiíHeíi (snrr) H BO3MOJKHOCTH HX πρΗΜβΗβΗΗΚ an» CTpyKTypHoñ ΤΗΠΟΛΟΓΗΗ. In: CrpyKTypHbie TimojiorHHecKHe HCcneflOBamm. Mocxea 1962, S.22. 305 Vgl. AnpecHH, IO. JX.: ΟΠΗΤ onncaHM» 3HaieHnfl rjiarojioB no hx CHHTaKCHHccKHM npn3HaKOM (ranaM ynpaBJiemm). In: Bonpcu H3buco3HaHHn, 1965, S, S. 51 ff.; vgl. dazu auch AnpecHH, 3KcnepnMeHTajibHoe HCCJienoBaHne, a. a. O . 306 vgl. neuiKOBCKHö, A. M . : PyccKHfi CHHTaKCHC β HayiHOM oceemeinra. Mocxea 1938, S. 269. 307 Ygi A.npec«H, IO. JX.: O cnJibHOM h CJiaöoMynpaBjieHHH. In: Bonpocbi«3biK03HaHHîi, 1964, 3, S. 32ff. 308 Vgl. AnpecaH, ΟΠΗΤ omicaHim 3HaieHHii, a. a. O., S. 55.

109

guistik nennen diese englische Schule als 4. Schule neben den großen Richtungen in Prag, in Kopenhagen und in Amerika. 309 Im Unterschied zur generativen Grammatik, aber in Übereinstimmung mit den amerikanischen Deskriptivisten geht es um eine Theorie des sprachlichen Kontextes, die nicht auf das abstrakte System der Sprache (langue, competence), sondern auf deren konkrete Verwendung (parole, performance) ausgerichtet ist. Der zentrale Begriff des „Kontextes" hat dabei einen doppelten Aspekt: er meint einmal den Situationskontext, zum anderen aber den Sprachkontext. Die Bedeutung des Situationskontextes für die linguistische Analyse wird etwa in der Tatsache deutlich, daß manche sprachlichen Äußerungen erst dann völlig erklärt werden können, wenn sie in einen bestimmten Situationsbezug gestellt werden (Firth nennt als Beispiel aus dem Englischen „Say when!" 310 , das entsprechend verschiedenen Situationsbezügen verschieden verstanden werden kann und ohne außersprachlich-situative Züge überhaupt nicht völlig erfaßt werden kann). Der sprachliche Kontextbegriff hingegen meint nichts anderes als die Tatsache, daß eine bestimmte Form oft nur im Kontext mit bestimmten anderen Formen auftreten kann; damit berührt sich dieser sprachliche Kontextbegriff sehr eng mit dem Distributionsbegriff der amerikanischen Deskriptivisten. Allerdings ist im Kontextualismus das Bestreben unverkennbar, die Sprache nicht als formales System zu betrachten, sondern sie - im Unterschied dazu - „as part of the social process" zu studieren.311 Aus dieser Grundkonzeption vom Kontext als Grundkategorie resultieren neue Ansatzpunkte, die oftmals im Gegensatz zur traditionellen Grammatik stehen. Die Untersuchungen von Kontexten und Kollokationen (wie sie auch in der amerikanischen Linguistik studiert werden312) führen dazu, nicht Wörter" einfach als lexikalische Füllungen in syntaktische Paradigmen einzusetzen, sondern die Bedingungen ihrer Verwendung in Kombination mit anderen Wörtern genauer zu studieren. Aus dieser Grundkonzeption ergibt sich auch die Auffassung des Satzes als Grundeinheit der sprachlichen Verwendung, als Einheit „showing language in use", weil die Sprache „operates in situations". 313 Auf diese Weise wird der Satz nicht mehr als „Einheit des Gedankens" oder auf dem Grunde der „grammatischen Vollständigkeit" bestimmt, sondern als Kommunikationseinheit aus dem Situationskontext. Damit werden mentalistische Kriterien völlig ausgeschaltet. Sätze werden 309 vgl. etwa OcHOBHbie uanpa&neHBti CTpyKTypamnMa, hrsg. v. AicafleMHH Hayx CCCP. MocKBa 1964. 310 Vgl. Firth, J. R.: The Tongues of Men and Speech. London 1964, S. 110; vgl. dazu auch Gutschow, H.: Der Beitrag des britischen Kontextualismus zu Theorie und Praxis des Fremdsprachenunterrichts. In: Der fremdsprachliche Unterricht, 1968, 2, S. 28 ff. 311 Firth, J. R . : Papers in Linguistics 1934-1951. London 1957, S. 181. 312 Vgl. dazu etwa Neubert, Α.: Analogien zwischen Phonologie und Semantik. In: Zeichen und System der Sprache. III. Bd. Berlin 1966, S. 108ff. 313 Halliday, Μ. Α. K., A. Mcintosh, P. Strevens: The Linguistic Sciences and Language Teaching. London 1964, S. 27.

110

nicht bestimmt auf der Basis einer situationsunabhängigen grammatischen Systematik (nicht vom System her), sondern als Satzbaumuster (= patterns), die zu Situationstypen zusammengeschlossen werden. Ebenso ergibt sich aus dieser Konzeption die Schlußfolgerung, nicht einen Typ der Verwendung einer Sprache als abstrakte Norm zu postulieren und alle anderen Verwendungen als Abweichungen von ihr zu verstehen, sondern diese Varianten als Kontexttypen anzusehen und aus den ihnen innewohnenden Regularitäten die Einheit der betreffenden Sprache abzuleiten. Diese Grundkonzeption des Kontextualismus reflektiert sich auch in einigen Grundbegriffen Firths, etwa den Kategorien der „Funktion" und des „meaning". Zunächst betont Firth das Dynamische eines für die Linguistik notwendigen Funktionsbegriffes. Statt des mathematischen Funktionsbegriffes fordert Firth den physiologischen, mit dem man allein das Funktionieren der Sprache adäquat beobachten könne. 314 Entsprechend dürfe man unter linguistischer Funktion - im Gegensatz zu de Saussure und zum statischen Strukturalismus - nicht verstehen „a dependent variable of fixed structure or nature or state"; die Funktion betont vielmehr „dynamic pattern against static organisation", denn die gegenwärtige Wissenschaftsentwicklung gehe „from static structure to dynamic function". 315 Firth verwirft die mentalistische Deutung von „meaning" durch OgdenRichards (als geistige Beziehung zwischen Dingen und Symbolen) und will „meaning" vielmehr aus Relationen in Situationen und Distributionen bestimmen und als „situational relations in a context of a situation" verstehen. 316 Er identifiziert „meaning" und „function", erläutert beide als Gebrauch einer Sprachfonn „in relation to some context", als „a complex of contextual relations" und spaltet „meaning" bzw. „function" nach den verschiedenen Ebenen der Sprache in verschiedene Faktoren auf: Er unterscheidet 1) phonetische Funktion oder „minor function" (d. h. die kontextuelle Distribution eines Lautes), 2) lexikalische Funktion, 3) morphologische Funktion, 4) syntaktische Funktion (2 bis 4 auch zusammengefaßt als „major functions") und 5) semantische Funktion bzw. die Funktion der gesamten Äußerung im Situationskontext.317 Wesentlich dabei ist, daß Funktion mit „meaning" identifiziert wird und strukturell, aus den Umgebungen bestimmt wird. Die Funktionen der verschiedenen Ebenen werden von Firth gleichsam zum Meaning-Begriff integriert; meaning ist „the whole complex of functions which a linguistic form may have". 318 Damit wird „meaning" bewußt aùf „function" reduziert und alle mentalistische Inter31

* Vgl. Firth, J. R.: Linguistics and the Functional Point of View. In: English Studies, 1934,1, S. 19ff. 315 Ebenda, S. 24. 316 Firth, J.R.: Papers in Linguistics 1934-1951. London 1958, S. 19; vgl. auch Firth, J. R.: A Synopsis of Linguistic Theory, 1930-1955. In: Studies in Linguistic Analysis. Oxford 1957, S. Iff., 6. 317 Vgl. Firth: Papers in Linguistics, 1958, a. a. O., S. 20ff., 26f., 32f.; vgl. auch Firth: A Synopsis, a. a. O., S. 6. 318 Firth: Papers in Linguistics, 1958, a. a. O., S. 33.

Ill

pretation vermieden; meaning kann in dieser Weise unabhängig beschrieben werden von all jenen Korrelationen wie Sprache - Gedanke, signi&ant signifié, Ausdruck - Inhalt. 319

3.7.2.

ZumfranzösischenStrukturalismus

In Frankreich hat die strukturelle Linguistik nicht nur zu der strukturellen Syntax Tesnières und seiner Schüler geführt - die eine Abhängigkeitsgrammatik darstellt und auch im Rahmen dieses Grammatik-Typs vorgeführt wird -, sondern auch zu einer „französischen Schule", zu deren Wortführern vor allem Martinet gehört.320 Die Arbeiten Martinets sind geprägt von den Ausgangspositionen der Prager Schule - die er schöpferisch weiterentwickelt hat -, haben aber zugleich Elemente der dänischen Glossematik und des amerikanischen Deskriptivismus in sich aufgenommen. Trotz dieses Einflusses ist sein sprachtheoretisches System gekennzeichnet durch die aus der Prager Schule bekannte Einheit von Strukturalismus und Funktionalismus. Das zeigt sich am deutlichsten auf dem Gebiet der Phonologie, dem Hauptarbeitsgebiet Martinets. Im Unterschied zu der in manchen Schulen üblichen strengen Trennung von Phonetik und Phonologie versteht er die Phonologie „als eine besondere Auffassung der Phonetik"; sie ist „die unter funktionellem und strukturellem Gesichtspunkt behandelte Phonetik". 321 Die Phonetik behandelt die Laute des langage, ohne sich um die langue zu kümmern; die Phonologie dagegen sieht die Laute in Abhängigkeit von der langue. Im Unterschied zur Phonetik ist die Phonologie in der Lage, mit Hilfe des Relevanzprinzips eine objektive Klassifizierung der sprachlichen Elemente zu schaffen. Mit Hilfe dieses Relevanzprinzips kann man unterscheiden, „was in jeder Sprache oder in jedem Sprachgebrauch wesentlich, weil distinktiv, ist und was zufällig, d. h. durch den Kontext oder verschiedene andere Umstände bestimmt".322 Eine Sprache zu beschreiben heißt also nicht, „alle physikalischen Erscheinungen, die an das Ohr des Beobachters dringen können, aufzählen, sondern bedeutet, die für die beobachtete Sprache eigentümliche Relevanz zu ermitteln". 323 In diesem Relevanzprinzip sieht Martinet den wesentlichsten Beitrag der Phonologie für die moderne Linguistik. Relevant sind für ihn „alle Lauteigentümlichkeiten, die in der betreffenden Sprache eine distinktive Funktion besitzen".324 Die Phonologie beschäftigt sich deshalb nach Martinet nicht nur mit den Phonemen, sondern mit der Relevanz, dem Wert der Spracherscheinungen 319 320 321 322 323 324

Vgl. ebenda, S. 227. Ähnlich Firth in „The Techniques of Semantics" (1935) und „Modes of Meaning" (1951), beide enthalten im Sammelband „Papers in Linguistics". Vgl. allgemein dazu Martinet, Α.: Grundzüge der allgemeinen Sprachwissenschaft. Stuttgart 1963; Martinet, Α.: Synchronische Sprachwissenschaft. Berlin 1968. Martinet: Synchronische Sprachwissenschaft, a. a. O., S.42. Ebenda, S. 44. Ebenda, S. 46. Ebenda, S. 49.

112

überhaupt. Die Aufstellung des Phoneminventars ist nur die erste, keineswegs die einzige Aufgabe der Phonologie.325 „Nicht das Phonem, sondern die relevante Eigenschaft ist die Grundeinheit der Phonologie."326 Die Beschreibung des phonologischen Systems einer Sprache ist also durchaus möglich ohne den Begriff „Phonem", aber nicht ohne Beschreibung der kombinatorischen Möglichkeiten der relevanten Eigenschaften. Die Phonologie wird allein dadurch zu einer selbständigen Wissenschaft, daß sie alle Untersuchungen auf das Relevanzprinzip gründet, daß sie alles gelten läßt, was sich aus ihm ergibt, daß sie aber auch alle Folgerungen aus ihm zieht. Bei der Ermittlung eines Phonems handelt es sich nicht um Feststellungen über das Zusammenwirken von Artikulationen, sondern um die NichtKommutierbarkeit der verschiedenen Bestandteile. Zwei aufeinanderfolgende Laute sind nur dann zwei distinkte Phoneme, wenn sie alle beide kommutierbar sind, d. h. wenn man sie durch einen anderen Laut ersetzen und dadurch ein anderes Wort erhalten kann. 327 Das Kommutationsverfahren besteht darin, eine sprachliche Erscheinung durch eine andere gleichen Typs zu ersetzen, um auf diese Weise festzustellen, ob diese Ersetzung auf die Bedeutung (wenn die Erscheinung lautlicher Natur ist) bzw. auf die Lautung (wenn die Erscheinung semantischer Natur ist) einwirkt. 328 Auf diese Weise entwickelt Martinet eine Konzeption von der Phonologie, die sie nicht in einen absoluten Gegensatz zur Phonetik stellt und auch die Beschreibung der Substanzeigenschaften nicht ausschließt. Darin ist ein deutlicher Gegensatz zur dänischen Glossematik erkennbar. Für Martinet ist jede distinktive Einheit sowohl syntagmatisch (d. h. mit Bezug auf die Kontexte) als auch paradigmatisch (d. h. mit Bezug auf laut- oder bedeutungssubstantielle Eigenschaften, die in Opposition zueinander stehen) definierbar. Beide Methoden verhalten sich für ihn komplementär. In lautlicher Beziehung kann man schon deshalb auf die Substanz nicht verzichten, weil „die Sprache ein Werkzeug ist, um mit Hilfe von etwas, was manifest ist (d. h. der Lautsubstanz G. H.), etwas mitzuteilen, was es nicht ist". Deshalb ist die Phonologie „eine funktionelle und strukturelle Phonetik", „die für jeden Sprachstand eine Hierarchie der lautlichen Gegebenheiten errichtet, welche auf deren Rolle im Kommunikationsprozeß gegründet ist". 329 Aus der Wesensbestimmung der Sprache als Mittel der Kommunikation ergibt sich für Martinet die Notwendigkeit einer Einheit von Strukturalismus und Funktionalismus330, wie sie der Prager, nicht aber der Kopenhagener Schule entspricht. Die Auffassung der Sprache als Struktur bedeutet, daß 325

Vgl. ebenda, S. 51ff.,56f. Ebenda, S. 69. Vgl ebenda, S. 103. 328 Vgl. ebenda, S. 122. 329 Ebenda, S. 116. 330 Vgl. ebenda, S. 62f. 326 327

8 Beibig, BpraohwlMmufihnft

113

kein sprachliches Element autonom ist, daß die Sprache kein Konglomerat von selbständigen Einheiten ist, die man ohne Berücksichtigung der Nachbarelemente beschreiben könnte. Demgegenüber warnt Martinet vor einer Vernachlässigung des funktionalen Gesichtspunktes, weil nur er uns „zuverlässige Kriterien für die Ermittlung und Ordnung der Einheiten, aus denen die sprachlichen Strukturen bestehen, liefern kann". 331 Mit dieser Einbeziehung der Funktion in die Sprachbeschreibung sieht sich der Linguist allerdings zwei Gefahren ausgesetzt, denen er energisch zu begegnen hat: dem Subjektivismus, dem Rückgriff auf das oft bekundete „Sprachgefühl" bzw. die „Intuition", und dem Phonetizismus, d. h. der Tendenz zur Nutzung von rein phonetischen Eigenschaften bzw. Substanzeigenschaften überhaupt. 332 Martinet warnt mehrfach vor diesen Gefahren, vor allem vor den psychologischen Kriterien und den Kriterien des Sprachbewußtseins333, die man nur vermeiden kann, wenn man sich in konsequenter Weise des Relevanzkriteriums bedient. Es kann sich für den Linguisten „nicht darum handeln, seine Bemühungen auf das zu gründen, was man als Sprachgefühl der Sprecher bezeichnete. Die einzige auf direktem Wege beobachtbare Realität ist das Sprachverhalten dieser Sprecher."334 Auch wenn dieses Sprachverhalten bestimmte Spuren im Denken der Sprachträger hinterläßt - und hier richtet sich die Kritik Martinets gegen metalinguistische Theorien -, so ist es ein ernster methodischer Fehler, diesen schwer erkennbaren Effekt zu studieren, wenn die Ursache sich uns unmittelbar darbietet. Auf die Wortarten angewandt, heißt das: „Mensch" und „Baum" unterscheiden sich von „essen" und „laufen" nicht primär darin, daß die Sprecher bei zwei Begriffen jeweils etwas Gemeinsames empfinden, sondern darin, daß das Verhalten der sprachlichen Formen in den gegebenen Fällen abweicht oder übereinstimmt. Grundsätzlich betrachtet Martinet die menschliche Sprache als in zweifacher Weise gegliedert: Sie ist gegliedert in bedeutungstragende Einheiten (die Moneme) und in distinktive Einheiten (die Phoneme).335 Von diesen beiden Gliederungen ist die erste Gliederung in Moneme (die den „Morphemen" der meisten Strukturalisten entsprechen) eine Gliederung in doppelseitige minimale Einheiten (d. h. in Einheiten mit einer Inhalts- und einer Ausdrucksseite im Sinne Hjelmslevs), die zweite Gliederung in Phoneme jedoch eine solche in einseitige (nur der Ausdrucksseite zugehörige), aufeinanderfolgende minimale Einheiten mit einzig und allein distinktiver Funktion. 336 Auf Grund dieser Unterscheidung warnt Martinet davor, im „Morphem" lediglich eine Phortemfolge zu erblicken and entsprechend die Untersuchung der „Morpheme" nach der Art der Phoneme vorzuneh331

Ebenda, S. 63. Vgl. ebenda, S. 82f. 333 Vgl. ebenda, S. 91. 334 Ebenda, S. 176. 335 Vgl. ebenda, S. 24, 27 u. a.; vgl. dazu auch Martinet: Grundzüge, a. a. O., S. 21 ff. 336 vgl. Martinet: Synchronische Sprachwissenschaft, a. a. O., S. 33.

331

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men, wie das etwa die amerikanischen Distributionalisten nach Harris tun. Die Moneme unterscheiden sich von den Phonemen nicht nur quantitativ (weil sie im allgemeinen aus mehreren Phonemen „zusammengesetzt" sind), sondern auch qualitativ (weil ihre Funktion eine andere ist): Bei Monemen - als Bedeutungseinheiten - kann man nach Martinet ihre signifikative Natur nicht eliminieren und sie folglich auch nicht nur aus ihren entsprechenden Positionen im Sprechkcntinuum ermitteln. Den Unterschied zwischen „distinktiven" Einheiten ( = Phonemen) und „signifikativen" Einheiten ( = Monemen) erläutert Martinet an dem Unterschied zwischen Nummern im Telefonbuch und wirklichen Zahlen: Bei den Nummern im Telefonbuch symbolisiert die einzelne Ziffer keine Realität. Nur die Nummer als Ganzes besitzt eine Bedeutung, durch die sie als Nummer eines bestimmten Teilnehmers identifizierbar ist. In der Gesamtnummer hat jede Ziffer nur eine distinktive Funktion (wie die Phoneme). Anders verhalten sich die wirklichen Zahlen, bei denen jeder Ziffer (wie bei den Monemen) eine bestimmte Realität entspricht. 337 Ein Monem ist somit das kleinste Redesegment, dem man einen Sinn zuerkennen kann. Durch diese Konzeption von der zweifachen Gliederung der Sprache liefert Martinets Theorie einen Ansatz zur strukturellen Semantik, zu einem Gebiet, das von der strukturellen Linguistik noch wenig erforscht ist.

3.7.3.

Die strukturelle Semantik von Greimas

Den Versuch einer umfassenderen strukturellen Semantik innerhalb des französischen Strukturalismus hat Greimas vorgelegt. 338 Seine Konzeption geht aus von der Tatsache, daß eine Klassifizierung der Signifikate nicht möglich ist von der Ebene der Signifikanten her, daß überhaupt nicht von einer Beziehung zwischen Zeichen und „Sachen" („choses") gesprochen werden könne, weil das eine unpraktische Transposition der einzelsprachlichen Inhalte in außersprachliche Verhältnisse bedeutet. 339 Um diese sprachlichen Inhalte in den Griff zu bekommen, führt Greimas - im Anschluß an Pottier - in Analogie zu den distinktiven Merkmalen Jakobsons (die auf phonologischer Ebene liegen) den Begriff der Seme auf semantischer Ebene ein. Was etwa Wörtern wie „weiß" und „schwarz" gemeinsam ist, ist eine „axe sémantique"; auf der Basis dieser semantischen Achse erhebt sich - als Gliederung - „l'articulation de la signification". Eine elementare semantische Struktur kann somit begriffen werden unter der Form einer semantischen Achse und unter der Form einer semischen Artikulation. 340 Die Gesamtheit der semantischen Achsen bildet die Substanz des Inhalts (im Sinne Hjelmslevs), die semischen Artikulationen bilden die Form des 337 Vgl. ebenda, S. 153f. 338 vgl. Greimas, A. J.: Sémantique structurale. Recherche de méthode. Paris 1966. 339 Vgl. ebenda, S. 11 ff. 340 vgl. ebenda, S. 21 f.; vgl. dazu auch Pottier, B.: Vers une sémantique moderne. In: Travaux de linguistique et de littérature. Straßburg 1964, II.

8*

115

Inhalts; erstere ergeben den semantischen oder substantiellen Plan, letztere den semischen oder formellen Plan. Dabei darf der von der Glossematik übernommene Gegensatz Form/Substanz natürlich nicht identifiziert werden mit dem Saussureschen Unterschied signifiant/signifié.341 Da es keine Isomorphie zwischen den Plänen des signifié und des signifiant gibt, muß ihre Analyse getrennt erfolgen. Als minimale Einheiten auf der Ebene des signifié müssen die Seme herausgearbeitet werden, von denen sich jedes im Inneren von zahlreichen Lexemen realisiert.342 So entwickelt Greimas ζ. B. ein gesamtes semisches System der Räumlichkeit und zeigt, in welchen französischen Lexemen diese Seme erscheineh343 : spatialité dimensionalité horizontalité I perspectivité (long/court)

non-dimensionalité

verticalité (haut/bas)

superficie (vaste/x)

volume (épais/mince)

latéralité (large/étroit)

Dabei sind deutlich zu unterscheiden lexematische Oppositionen (etwa: haut/vaste/épais) und semische Oppositionen (etwa: dimensionalité/superficie/volume). Im Prinzip ist kein Sem identisch mit dem Lexem, in dem es sich in der Rede manifestiert. Deshalb hat man streng zu scheiden zwischen dem semischen System und der lexikalischen Manifestation seiner einzelnen Elemente: 344 Seme Lexeme

spatialité

dimensiona* lité

haut bas

+

+

+

long court

+ +

+ +

large étroit

+

+ +

vaste épais 341 342 343 344

+ + +

+

— —

Vgl. Greimas, ebenda, S. 26. Vgl. ebenda, S. 28ff. Vgl. ebenda, S. 33. Vgl. ebenda, S. 35.

116

verticalité

horizontalité

perspectivité

+







+

latéralité

+

— — —

+ + +

4+

+

Jedes Lexem ist dabei charakterisiert durch die Anwesenheit einer bestimmten Anzahl von Semen und die Abwesenheit der anderen Seme. Das Lexem ist keine einfache semische Kollektion, sondern ein Ensemble von Semen, die untereinander in hierarchischen Beziehungen stehen. Im Inneren eines Lexems gibt es „des relations hiérarchiques entre les sèmes appartenant à des systèmes sémiques hétérogènes". In jedem Lexem gibt es nach Greimas einen semischen Kern (Ns), d. h. ein permanentes, semisches Minimum, eine Invariante. Der Kontext liefert die semischen Variablen und damit die entsprechenden Sinnverschiebungen des Lexems. Die semischen Variablen sind kontextuelle Seme (Cs). Die Summe des semischen Kerns und der kontextuellen Seme ergibt das Semem (Sm = Ns + Cs). 345 Greimas erläutert diese Struktur am Beispiel des Lexems „Kopf", das aus 2 semischen Kernen (Sj = extremité, s 2 = superativité) besteht ; der semische Kern besteht aus einer komplexen Hierarchie von Semen, die voneinander unabhängigen Systemen entstammen.346 Auf jeden Fall führt die Analyse des Inhalts in der strukturellen Semantik bei Greimas zu minimalen konstitutiven Einheiten, die eine große Anzahl von lexematischen Manifestationen haben. Wenn man jedes Lexem als invariant betrachtet, kann man beobachten, welche kontextuellen Seme sich mit ihm verbinden können (etwa: der Hund bellt, aber nicht: *der Mensch bellt). Der Kontext fungiert auf diese Weise als „un système de compatibilités et d'incompatibilités entre deux figures sémiques qu'il accepte ou non de réunir" ; dabei beruht die Verträglichkeit auf der Tatsache, daß zwei semische Kerne kombiniert werden können mit demselben kontextuellen Sem.347 In ähnlicher Weise - und im Anschluß an Pottier und Greimas - finden sich auch in der deutschen Romanistik Ansätze zu einer strukturellen Semantik, etwa bei Heger 348 und Baldinger.349 Dabei geht es im wesentlichen um die Diskussion der Bedeutung, um die traditionellen Dreiecke, wie sie etwa bei Ullmann erscheinen350:

Im Sinne dieses Schemas hatte Ullmann „meaning" als Beziehung zwischen Name und Sinn begriffen, also „mentalistisch" verstanden und nicht mehr 345 346 347 348 349 350

Vgl. ebenda, S. 44. Vgl. ebenda, S. 46ff. Ebenda, S. 52. Vgl. Heger, K. : Die methodologischen Voraussetzungen von Onomasiologie und begrifflicher Gliederung. In: Zeitschrift für Romanische Philologie, 1964 (1965). Vgl. Baldinger, K.: Sémantique et structure conceptuelle. In: Cahiers de lexicologie, Paris 1966,1. Vgl. Ullmann, S.: The Principles of Semantics. Glasgow 1951, S. 72. 117

wie die amerikanische Bloomfield-Schule - in die vage Situation verschoben. Damit war zugleich eine Identifizierung von Begriff ( = thought) und Bedeutung ( = meaning) vermieden, die oft dort auftritt, wo „meaning" nicht als Relation, sondern als signifié, als Wesenheit verstanden wird. Im Anschluß an diese Konzeption war nun bei Heger und Baldinger die Frage aufgetaucht, ob die „concepts" ( = thoughts) an die Struktur der Einzelsprache gebunden seien (wie es etwa Weisgerber und Whorf annehmen), ob man nicht an der Spitze des Dreiecks überhaupt trennen müsse zwischen dem signifié und dem concept. 331 In der Tat sind die concepts unabhängig von den Gegebenheiten der Einzelsprachen und statt dessen von innerkonzeptuellen Relationen bestimmt. Das Begriffssystem ist unabhängig von den gegebenen Sprachen, realisiert sich aber in verschiedenen Zuschnitten in jeder Einzelsprache. Das führt Heger und Baldinger zur Einfuhrung der von Pottier und Greimas gebrauchten Begriffe Semem und Sem und zugleich zur Verwandlung des traditionellen Dreiecks in ein Trapez352 : signfié y /

Semem ( = signification)

χ y f

concept (= Sem, Begriff) -χ \ \

Monem

Lautkontinuum (Substanz des Ausdrucks)

Sache (Realität)

Dieses Trapez umgeht die Schwierigkeiten der Dreiecke von Ullmann, Ogden-Richards u. a., indem es deutlich scheidet zwischen einem einzelsprachlichen signifié und einem von den Einzelsprachen unabhängigen concept. Das signifié hängt von der Struktur der betreffenden Sprache ab, der Begriff dagegen wird durch seine Stelle in einem logischen Relationssystem definiert. Entsprechend dieser Aufgliederung geht die Semasiologie vom signifié aus und betrachtet die verschiedenen Sememe ( = significations) und schließlich Seme. Sie studiert die verschiedenen Sememe, die mit einem signifié verbunden sind und sich in einem Monem substantialisieren. Im Unterschied dazu geht die Onomasiologie - die längst nicht mehr die Wissenschaft mit dem Schlagwort „Wörter und Sachen" ist - von dem Plan der concepts (der sprachunabhängigen Seme, die der Substanz des Inhalts bei Hjelmslev entsprechen) aus und studiert die verschiedenen Sememe, die sich aus einem einzigen concept ergeben bzw. mit ihm verbunden sind. Dabei entspricht die Semasiologie dem Standort des Hörers, die Onomasiologie dem des Sprechers. 353 351 3,2 353

Vgl. Baldinger: Sémantique et structure conceptuelle, a. a. O., S. 7ff. Vgl. ebenda, S. 11 f. Vgl. ebenda, S. 12f., 31 f., 43ff.

118

4.

Die inhaltbezogene Grammatik

4.1.

Allgemeine Bemerkungen

Die Vertreter der inhaltbezogenen Grammatik erscheinen in der Geschichte der Linguistik auch unter dem Namen „Neuromantiker"1 ; damit wird die romantische Sprachauffassung Humboldts als Wurzel dieser Forschungsrichtung gekennzeichnet. Freilich darf man von einer „neuromantischen Schule" insofern eigentlich nicht sprechen, als die einzelnen Forscher voneinander abweichen.2 Trotzdem erscheint es im Rahmen dieses Überblicks gerechtfertigt, die einzelnen Vertreter der Richtung zusammenzufassen, zumal Leo Weisgerber von Anfang an bis heute ihr methodologischer Wortführer geblieben ist. Weisgerbers Sprachauffassung hat einen ausgesprochen pädagogischen Zug, im Gegensatz zu Humboldt, zu Grimm und erst recht zum Aristokratismus der Junggrammatiker. Das äußert sich nicht nur in Weisgerbers eigener Tätigkeit im Schulunterricht und in seiner Wirkung auf den Schulunterricht 3 , sondern auch in den mehrfachen programmatischen Zusammenfassungen, die Weisgerber seiner Sprachauffassung selbst gegeben hat und die wohl entscheidend dazu beigetragen haben, die inhaltbezogene Grammatik zur herrschenden Sprachauffassung in der westdeutschen Linguistik zu machen. Bereits kurz nach dem 2. Weltkrieg hat er seine Auffassung in 12 Kernsätzen in seinem Aufsatz „Die tragenden Pfeiler der Spracherkenntnis" 4 zusammengefaßt und sie in ähnlicher Konzentration in einem Aufsatz .über „Sprachwissenschaftliche Methodenlehre" 5 wiedergegeben. Darüber hinaus hat Weisgerber seine Sprachauffassung auf die verschiedensten Sekioren angewandt und stichwortartig festgehalten. So arbeitet er in einem Aufsatz „Die .Neuromantik' in der Sprachwissenschaft"6 fünf Punkte für seine Sprachtheorie, so in seinem Aufsatz „Grammatik im Kreuzfeuer" 7 fünf 1

Vgl. Weisgerber, L.: Die „Neuromantik" in der Sprachwissenschaft. In: GermanischRomanische Monatsschrift 1930; vgl. auch Funke, O.: Studien zur Geschichte der Sprachphilosophie. Bern 1927, S. 29; dort wird der Begriff „Neuromantiker" wohl zum erstenmal in dieser Bedeutung gebraucht. 2 Vgl. Weisgerber: Die „Neuromantik", a. a. O., S. 242. 3 Vgl. dazu Schorer, H.: Die Bedeutung W. v. Humboldts und L. Weisgerbers für den Deutschunterricht in der Schule. In: Sprache - Schlüssel zur Welt. Hrsg. v. H. Gipper. Düsseldorf 1959, S. 106. * Weisgerber, L.: Die tragenden Pfeiler der Spracherkenntnis. In: Wirkendes Wort, 1950/51, 1. 5 Weisgerber, L.: Sprachwissenschaftliche Methodenlehre. In: Deutsche Philologie im Aufriß. Hrsg. v. W. Stammler. Westberlin/Bielefeld 1952. 6 Vgl. Anm. 1. 7 Weisgerber, L. : Grammatik im Kreuzfeuer. In: Wirkendes Woit, 1950/51.

119

Punkte für seine neue Auffassung von der Grammatik, so in seinem Aufsatz „Die fruchtbaren Augenblicke in der Spracberziehung"8 drei Gesichtspunkte für die muttersprachliche Erziehung heraus. Seine prinzipielle Konzeption von der Wortforschung enthält der Aufsatz „Die Bedeutungslehre - ein Irrweg der Sprachwissenschaft?"9; seine Auffassung von der Sprachgeschichte hat Weisgerber zu Beginn seines Buches „Die geschichtliche Kraft der deutschen Sprache" herausgearbeitet. Die geschlossenste Darstellung seiner Sprachauffassung finden wir in seinem Buch „Vom Weltbild der deutschen Sprache", dessen beide Halbbände („Die inhaltbezogene Grammatik" und „Die sprachliche Erschließung der Welt") - die in der neueren Auflage als „Grundzüge der inhaltbezogenen Grammatik" und „Die sprachliche Gestaltung der Welt" verselbständigt sind 10 - Stufen einer sich über das Formale erhebenden Sprachbetrachtung darstellen. Um diese nunmehr vier Stufen seiner Sprachbetrachtung ist Weisgerber namentlich in den letzten Jahren bemüht; die Linie seiner zusammenfassenden Arbeiten führt von der „Erforschung der sprachlichen Zugriffe" 11 über den Aufsatz „Die wirkungbezogene Sprachbetrachtung" 12 zu dem voluminösen Buch „Die vier Stufen in der Erforschung der Sprachen". 13 Neben diesem pädagogischen hat die Weisgerbersche Sprachauffassung einen auffalligen autoritären Zug. Weisgerber ist ängstlich darum bemüht, seine Lehre von fremden Entwicklungen freizuhalten und übt unnachsichtige Kritik anzweifelnden. Dafür sprechen seine Auseinandersetzungen mit Boehlich 14 und Betz 15 sowie mit Hartmann, Kandier und Jost 16 sowie seine fortwährende Kritik auch an Glinz 17 und Brinkmann, die sich seinen Positionen schon weitgehend angenähert haben. Es ist nicht zufällig, daß dabei 8 9 10 11

12 13 14 15

16 17

Weisgerber, L.: Die fruchtbaren Augenblicke in der Spracherziehung. In: Wirkendes Wort, 1951/52. Welsgerber, L.: Die Bedeutungslehre - ein Irrweg der Sprachwissenschaft? In: Germanisch-Romanische Monatsschrift, 1927. Zur Begründung dieser Umdisponierung vgl. Weisgerber, L.: Grundzüge der inhaltbezogenen Grammatik. Düsseldorf 1962, S. 5 ff. Weisgerber, L.: Die Erforschung der Sprach-,.Zugriffe". Grundlinien einer inhaltbezogenen Grammatik. In: Wirkendes Wort, 1956/57, 2; auch in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, (Halle/Saale), 1957, 1/2. Weisgerber, L.: Die wirkungbezogene Sprachbetrachtung. In: Wirkendes Wort, 1963, 5. Weisgerber, L.: Die vier Stufen in der Erforschung der Sprachen. Düsseldorf 1963. Vgl. Weisgerber, L.: Von den Grenzen des Irrtums und der Verantwortung einer Schriftleitung. In: Wirkendes Wort, 1955/56, 3. Vgl. Weisgerber, L.: Werner Betz und die Kritik. In: Wirkendes Wort, 1962, 6; Betz, W.: „Authentisch" oder „autoritär"? In: Zeitschrift für deutsche Wortforschung. 19. Bd., H. 1/2. Vgl. Weisgerber, L.: Zur Entmythologisierung der Sprachforschung. In: Wirkendes Wort. 3. Sonderheft 1961. Vgl. Weisgerber, L. : Vom Weltbild der deutschen Sprache. 2. Halbband. Düsseldorf 1954, S. 142; Weisgerber, L.: Rezension von H. Glinz - Die innere Form des Deutschen. In: Wirkendes Wort, 1953/54, S. 116f.

120

in der Auseinandersetzung namentlich mit den ersten beiden das Maß des Sachlich-Fördernden weit überschritten wurde und daß - vor allem in der Auseinandersetzung mit Hartmann - als Argument wiederholt die pädagogische Verwertbarkeit seiner Lehre ins Spiel gebracht wurde.18

4.2.

Die Grundbegriffe der inhaltbezogenen Grammatik

4.2.1.

Wesensbestimmung der Sprache

Weisgerber beginnt mit einer Begriffsbestimmung der Sprache und unterscheidet „4 Ebenen des sprachlichen Lebens": die Ebenen „der Sprache als menschlicher Sprachbegabung, der Sprache als Kulturbesitz einer Gemeinschaft, der Sprache als Sprachbesitz eines einzelnen und der Sprache als Form der Verwendung sprachlicher Mittel." 19 Obwohl die vier Ebenen zunächst gleichberechtigt sind, rückt Weisgerber sehr bald die soziologische Ebene, die Sprache als Muttersprache stärker in den Vordergrund.20 Damit ist wohl das Entscheidende für Weisgerber gefaßt: Er bestimmt die Sprache nicht nach den möglichen Arten ihrer empirischen Verwendung, sondern nach ihrem Wesen, danach, daß Sprache als Muttersprache immer „eine Kraft geistigen Gestaltens" ist. „Sprache als Mittel des Ausdrucks, der Mitteilung, der Verständigung, das ist genau so richtig und so falsch wie die Bestimmung des Wassers als eines Mittels zum Waschen oder zum Durstlöschen".21 Diesen geläufigen „naiven Sprachrealismus", der in der Sprache nur ein Mittel des Ausdrucks oder der Mitteilung sieht, will Weisgerber durch seinen Sprachidealismus überwinden.22 Mit dieser Wesensbestimmung der Sprache stehen wir an der Pforte von Weisgerbers Sprachauffassung. In ihr liegt eine deutliche - idealistische Umwertung der bisherigen Auffassung der Sprache als Kommunikationsmittel. Diese Umwertung ist auch deutlich genug - nicht nur von Weisgerber selbst - empfunden worden. Man hat von einer grundsätzlichen Wende in der Sprachforschung gesprochen23 und diese Wende mit der Begründung der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft durch Bopp verglichen.24 Seine Anhänger glauben, erst durch seine Besinnung auf die Sprache sei der 18 19

20 21 22 23 24

Vgl. Weisgerber: Zur Entmythologisierung, a. a. O., S. 39, 50. Weisgerber: Die tragenden Pfeiler, a. a. O., S. 2f.; Weisgerber, L.: Vorschläge zur Methode und Terminologie der Wortforschung. In: Indogermanische Forschungen, 1928, S. 323; Weisgerber: Die „Neuromantik", a. a. O., S. 344. Vgl. Weisgerber: Die tragenden Pfeiler, a. a. O., S. 3. Weisgerber, L.: Vom Weltbild der deutschen Sprache. 1. Halbband. Düsseldorf 1953, S. lOf. Vgl. Weisgerber, L.: Der deutsche Sprachbegriff. In: Wirkendes Wort. 1. Sonderheft 1951/52, S. 6. Vgl. Arens, H.: Sprachwissenschaft. Freiburg/Mönchen 1955, S. 437f. Vgl. Lohmann, J.: Einige Bemerkungen zu der Idee einer „Inhaltbezogenen Grammatik". In: Sprache - Schlüssel zur Welt, a. a. O., S. 125ff., 128.

121

Psychologismus und Soziologismus überwunden worden, sei eine wahrhaft „phänomenologische" Betrachtung der Sprache „aus unvoreingenommenem Anschauen des Phänomens Sprache erwachsen". 25

4.2.2.

Rezeption Humboldts: Weltansicht der Sprache und innere Sprachform

Das Kernstück der Sprachauffassung des Neuromantikers Weisgerber ist die Rezeption vor allem von drei Begriffen Humboldts: daß die Sprache eine wirkende Kraft sei, eine bestimmte Weltansicht enthalte und eine innere Form darstelle. Weisgerber betont mit Humboldt, „daß die Sprache kein Ergon ist, sondern eine Energeia, kein ,Werk', sondern eine ,wirkende Kraft'". 2 6 Damit stellt sich Weisgerber mit Humboldt in einen Gegensatz zu allem, was nach Humboldt in der deutschen Sprachwissenschaft geleistet worden ist. Für Humboldt enthielt ja jede Sprache eine bestimmte Weltansicht. Die verschiedenen Sprachen waren für ihn „nicht ebensoviele Bezeichnungen einer Sache; es sind verschiedene Ansichten derselben". 27 Die Verschiedenheit der Sprachen ist für ihn somit nicht eine Verschiedenheit des Klanges, „sondern eine Verschiedenheit der Weltansichten selbst. Hierin ist der Grund und der letzte Zweck aller Sprachuntersuchung enthalten." 28 Aber für Humboldt ist dieser Gedanke nur eine Vorstufe für den von der inneren Sprachform, für die aktive, gestaltende, für die dynamische Kraft der Sprache, ist sie doch für ihn ein Weg, um „mit der ihr einwohnenden Kraft" die Lebenswelt „in das Eigentum des Geistes umzuschaffen". 29 Diese Grundgedanken Humboldts übernimmt Weisgerber, der sich um eine Verbindung der Ideen de Saussures und Humboldts bemüht. Er gibt zwar schon 1953 zu, daß „die Verbindung zwischen den statischen Grundgedanken Saussures und dem Kern der dynamischen Betrachtungsweise Humboldts ... allerdings noch nicht ganz hergestellt" sei30, gesteht aber erst im Rahmen seiner späteren Auseinandersetzung mit Hartmann, daß er de Saussure erst später kennengelernt habe und deshalb seine Begegnung mit ihm mehr eine Bestätigung eigener Einsichten gewesen sei als der Ausbau eines fremden Systems.31 Tatsächlich baut Weisgerber viel stärker auf Humboldt als auf de Saussure auf, so daß ihn Jost - nach einem Vergleich zahlreicher Äußerungen - nicht zu Unrecht einen „Humboldt redivivus" nennen konnte. 32 25 26 27 28 29 30 31 32

Gipper, H.: Bausteine zur Sprachinhaltsforschung. Düsseldorf 1963, S. 15. Weisgerber, L.: Die tragenden Pfeiler, a. a. O., S. 1. Humboldt, W. v.: Werke VII. S. 602; Weisgerber: Vom Weltbild. 1. Halbband, a. a. O., S. 12. Humboldt, W. v.: Werke IV. S. 27; Weisgerber: Vom Weltbild. 1. Halbband, a. a. O., S. 12f. Humboldt, W. v.: Werke IV. S.420; Weisgerber: Vom Weltbild. 1. Halbband, a. a. O., S. 14. Weisgerber: Vom Weltbild.· 1. Halbband, a. a. 0., S. 21 f. Vgl. Weisgerber: Zur Entmythologisierung, a. a. O., S. 33. Jost, L.': Die Sprache als Werk und wirkende Kraft. Bern 1960, S. 125.

122

Während die positívistisch-junggrammatische Forschung allein die äußere Sprachform im Blick gehabt hat, bekommt bei Weisgerber und seinen Anhängern der Begriff der „inneren Sprachform" seine alte Bedeutung zurück, so verschieden er auch bei den einzelnen Forschern aufgefaßt wird. Damit im Zusammenhang steht die Bewertung, die Weisgerber der bisherigen Geschichte der Sprachwissenschaft gibt : Mit den Grundgedanken Humboldts sei die Forderung bereits aufgestellt gewesen, von einer formalen Grammatik überzugehen zu einer Sprachwissenschaft im weiteren Sinne ; mit Bopp und Grimm beginne jedoch.eine Art Fehlentwicklung der Sprachwissenschaft in Deutschland, eine Reduzierung zur formalen historischen Grammatik, die gerade die entscheidenden Grundgedanken Humboldts verfehlt habe. Eben deshalb bedarf es - nach Meinung Weisgerbers - einer Wiedergeburt der Konzeption Humboldts. Im Anschluß an Humboldt ist für Weisgerber die sprachliche Weltansicht „die Fülle der Sprachinhalte, geseheir als Ergon, als Ergebnis", als Werk, in statischer Betrachtungsweise; die innere Sprachform dagegen meint die Wirklichkeit der Sprache als Energeia, nicht als Reflex oder Spiegel der Dinge, sondern als Kraft geistiger Gestaltung. 33 Entsprechend kommt es ihm darauf an, die herkömmliche laut- und formbezogene grammatische Betrachtungsweise nach zwei Dimensionen hin zur vollen Sprachwissenschaft zu erweitern. will er doch aus der bisher üblichen eindimensionalen Grammatik eine dreidimensionale Sprachwissenschaft entwickeln durch Einbeziehen der sprachlichen Inhalte einerseits und der sprachlichen Wirkungen andererseits. 34 4.2.3.

Sprachinhalt, Weltbild und Zwischenwelt

Die Weltansicht der Sprache und die innere Sprachform zusammen ergeben für Weisgerber das „ Weltbild" der Sprache. Die Entwicklung des sprachlichen Weltbildes wird möglich durch die Einbeziehung der sprachlichen Inhalte und der sprachlichen Wirkungen, die eine Überwindung einer zwar sprachimmanenten, aber lautlich-formal beschränkten Sprachauffassung einerseits und einer außersprachlichen, an den Dingen der sprachlichen Außenwelt orientierten Sprachbetrachtung andererseits bedeuten soll. Die Lautgebundenheit und die Sachbezogenheit bleiben zwar auch bei Weisgerber als Ausgangspunkte bestehen sollen aber auf das hinleiten, „worauf es entscheidend ankommt, die sprachliche Zwischenwelt, das muttersprachliche Weltbild".35 Darin besteht der rote Faden, der sich durch Weisgerbers Werke hindurchzieht: Sprache wird als wirkende Kraft gesehen, als „aktives Zentrum, von dem nach allen Seiten Ausstrahlungen ausgehen, und dessen Wesen sich erst 33 34 35

Vgl. Weisgerber: Vom Weltbild. I. Halbband, a. a. O., S. 16f. Vgl. ebenda, S. 23. Ebenda, S. 260.

123

in dieser Aktivität erschließt". 36 Zwischen der Wirklichkeit und dem Menschen nimmt Weisgerber eine Zwischenwelt an, eine „wahre Welt", „welche der Geist zwischen sich und die Gegenstände durch die innere Kraft seiner Arbeit setzen muß". 3 7 Diese geistige Zwischenwelt ergibt sich aus dem „Zusammentreffen von vorgegebener ,Außenwelt' und menschlicher .Innenwelt'". 38 Dabei geht er wieder zurück auf Humboldt, der jede Sprache als einen Weg ansah, um „mit der ihr einwohnenden Kraft" die Lebenswelt „in das Eigentum des Geistes umzuschaffen". 39 Der Ort dieses Umschaffens ist die geistige Zwischenwelt, die dadurch entsteht, daß die „Sachen" oder „Dinge" der Außenwelt nicht unmittelbar in unser Bewußtsein dringen, sondern eben als „Gegenstände" dieser Zwischenwelt. Am Beispiel des Sternbildes Orion zeigt Weisgerber, daß es in der Wirklichkeit nur eine unübersehbare Vielfalt von Sternen, aber keine Ordnung, keine Sternbilder, keinen Orion gibt. Die Dinge der Außenwelt spielen im Denken erst eine Rolle, wenn sie vom Mensthen zu geistigen Gegenständen umgeprägt worden sind : Eben das geschieht nach Weisgerber in der geistigen Zwischenwelt. Dieser Zwischenwelt gehört etwa auch die Ordnung des Pflanzenreiches an. Unkraut gibt es in diesem Sinne nicht in der Natur, sondern zu Unkraut werden bestimmte Pflanzen erst durch den Menschen. Damit im Zusammenhang steht die Frage, ob der Schöpfer dieser Zwischenwelt der einzelne Mensch, die Menschheit insgesamt oder eine bestimmte Gemeinschaft ist. Wäre es ein einzelner, müßte sich die Zwischenwelt eines jeden Menschen von der des anderen unterscheiden; wäre es die gesamte Menschheit, dürfte es nur eine Zwischenwelt geben. Dagegen sprechen jedoch viele Beispiele: französisch „fleur" meint „Blume" und „Blüte" zugleich, „herbes" meint „Kräuter" und „Gräser" zugleich. Tatsächlich wirdnach Meinung Weisgerbers - die Zwischenwelt jeweils von der menschlichen Sprachgemeinschaft aufgebaut : Sprachgemeinschaft

Q Zwischenwelt, geistige Gegenstände, Inhalte

Dinge der Außenwelt

Diese „geistige Zwischenwelt ist ihrem Wesen nach eine sprachliche, weil im Kern muttersprachliche Zwischenwelt".40 Die Zwischenwelt wird konstituiert durch die Verselbständigung der Sprachinhalte, die für ihn (im Unterschied zum geläufigen Inhaltsbegriff) eine notwendige Zwischenschicht sind, da es keine unmittelbare Verbindung von Lautform und Außenwelt gibt. 41 36 37 38 39 40 41

Weisgerber: Sprachwissenschaftliche Methodenlehre, a. a. O., S. 3. Weisgerber: Vom Weltbild. 1. Halbband, a. a. O., S. 14. Ebenda, S. 47. Ebenda, S. 14. Ebenda, S. 63. Ebenda, S. 58.

124

Weisgerber zeigt, daß die Sprache keine direkte Widerspiegelung der Natur ist; die geistig-sprachliche Leistung des Menschen - der gesellschaftlich bedingte Erkenntnisvorgang - wird bei ihm aber vom Menschen gelöst und einer muttersprachlichen Zwischenwelt zugewiesen, die als Ort überindividueller Sehweisen, Wertungen, Orientierungen in nach Sprachgemeinschaften gegliederter Form erscheint. 42 In ihr wird für Weisgerber die innere Form einer Sprache überhaupt erst greifbar. Die. Verselbständigung der Sprachinhalte zur Zwischenwelt ist somit eng gebunden an die Begriffe der inneren Form und der Sprachgemeinschaft. Weisgerber lehnt zunächst eine psychologische Deutung des Energeia-Begriffes als Sprec/itätigkeit ab und spricht statt dessen - im Anschluß an de Saussures Langue-Begriff - von wirkender Kraft. Aber diese wirkende Kraft impliziert - wieder im Anschluß an Humboldt - eine Erforschung nicht in erster Linie der sprachlichen Form und Etymologie, sondern der sprachlichen Inhalte. 43 Der Blick der neuromantischen Sprachwissenschaft ist somit nicht auf die äußere Sprachform, sondern auf die „innere Sprachform" gerichtet. Dieser von Humboldt geprägte, aber noch nicht deutlich gekennzeichnete, der von den Junggrammatikern ängstlich gemiedene Begriff 44 erfahrt jetzt seine Renaissance, auch wenn er bei den einzelnen Neuromantikern verschieden formuliert und verstanden wird. 45 Mit dem Begriff der inneren Sprachform überschreitet die Sprachbetrachtung nicht nur die Sprachformen und weist auf die Sprachinhalte, sondern darüber hinaus auf die Sprachgemeinschaft; denn „Sprache als wirkende Kraft in der Ebene des geschichtlichen Lebens ist ... jeweils Muttersprache einer Sprachgemeinschaft".46 In der für Weisgerber grundlegenden Verbindung von Sprache und Sprachgemeinschaft ist die Sprache nicht nur der passive und empfangende Teil; sie ist durchaus aktiv und hat die „Daseins42 43

44 43

46

Vgl. ebenda, S. 52 f. Weisgerber, L.: Die geschichtliche Kraft der deutschen Sprache. Düsseldorf 19S0, S. 23; Weisgerber, L.: Von deutscher Sprache im Aufbau des deutschen Volkslebens. In: Von deutscher Art und Dichtung 1941, S. 8fT. Vgl. Weisgerber, L.: Das Problem der inneren Sprachform und seine Bedeutung für die deutsche Sprache. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift, 1926, S. 241. Weisgerber selbst versteht unter innerer Sprachform alles das, „was in dem begrifflichen Aufbau des Wortschatzes und Inhalt der syntaktischen Formen einer Sprache an gestalteter Erkenntnis niedergelegt ist" (Weisgerber: Die „Neuromantik", a. a. O., S.52; vgl. auch Weisgerber: Muttersprache und Geistesbildung.' Göttingen 1929, S. 86). Für Porzig ist die innere Sprachform „die mit der äußeren Sprachform in Wechselwirkung stehenden eigentlichen Apperzeptionsformen einer Sprachgemeinschaft" (Porzig, W.: Der Begriff der inneren Sprachform. In: Indogermanische Forschungen, 1923, S. 167). Ipsen schließlich hat die verschiedensten Begriffe der inneren Sprachform von Humboldt bis Weisgerber zusammengefaßt und wie folgt integriert: „Innere Sprachform ist das Bildungsgesetz des tragenden Bedeutungsgefüges der Sprache, das eine kategorial geformte Welt als Wirklichkeit meint" (Ipsen, G.: Sprachphilosophie der Gegenwart. Berlin 1930, S. 19). Weisgerber: Die tragenden Pfeiler, a. a. O., S. 2.

125

form einer .Wirklichkeit' und die Leistung einer mitgestaltenden Kraft bei allem geistig bestimmten Tun der Mitglieder einer Sprachgemeinschaft."47 Von der Sprache als überpersönlicher Wirklichkeit seien die einzelnen Menschen der Sprachgemeinschaft abhängig. Erst durch diese „völlige Wendung des Blickes" erhalte die Muttersprache wirkliches Dasein, werde Sprache sichtbar als „Ausstrahlungspunkt primärer Kräfte", als „geistgestaltende Kraft, als kulturschaffende Kraft und als geschichtsmächtige Kraft" 4 8 , als eine „Kraft geistigen Gestaltens, eine Kraft kulturellen Schaffens und eine Kraft geschichtlichen Lebens". 49 Nur auf diese Weise könne die Muttersprache ihre „primäre Leistung" entfalten, „daß sie einer Sprachgemeinschaft den Weg eröffnet, die Lebenswelt in das Eigentum ihres Geistes umzuschaffen". 50 Weisgerber spricht deshalb von einer grundlegenden „Wechselwirkung, die zwischen Muttersprache und Sprachgemeinschaft besteht". 51 Zu seiner Sprachbetrachtung gehören nicht nur an zentraler Stelle die Sprachinhalte, sondern von deren Prägung her auch die Sprachgemeinschaften, da es sich immer um Muttersprache handelt. Aus dieser Korrelation ergibt sich für ihn das Menschheitsgesetz der Sprache, das aus zwei Seiten besteht: Das Gesetz der Sprachgemeinschaft besagt, daß sich die ganze Menschheit „lückenlos, ohne Unterbrechung und mit fast naturgesetzlicher Gewalt in Sprachgemeinschaften" gliedert; das Gesetz der Muttersprache, daß jeder Mensch durch seine Muttersprache „in einer überaus nachhaltigen Weise geistig geprägt und dadurch in die Denk- und Handlungswelt einer Sprachgemeinschaft eingegliedert" wird.52

4.2.4.

Weisgerbers dreigliedriges Sprachmodell (und die Begriffe Inhalt, Funktion und Bedeutung)

Mit der Zwischenwelt verbunden ist für Weisgerber ein spezifischer Begriff des sprachlichen Inhalts. Dieser neue Inhaltsbegriff soll den traditionellen (lexikologischen) Bedeutungs- und den traditionellen (grammatischen) Funktionsbegriff ersetzen ; denn „was da als Bedeutung von Wörtern, als Funktion von Formen auftaucht, das sind sehr ungeklärte Gebilde, und vor allem: die grammatische Betrachtung siedelt üblicherweise diese Bedeutungen und Funktionen bereits außerhalb der Sprache an, im .Denken', 47 48 49 ä0 51 52

Ebenda, S. 3. Ebenda, S. 4. Weisgerber: Sprachwissenschaftliche Methodenlehre, a. a. O., S. 8. Weisgerber: Die tragenden Pfeiler, a. a. O., S. 4; Weisgerber: Sprachwissenschaftliche Methodenlehre, a. a. O., S. 31. Weisgerber: Die tragenden Pfeiler, a. a. O., S. 5f. Ebenda, S. 6ff.

126

in der Außenwelt oder sonstwo". 53 Es besteht kein Zweifel an dieser Diagnose: Sicher sind Funktion und Bedeutung ungeklärte Begriffe, und sicher ergibt sich ihre Verwaschenheit weitgehend aus ihrer - nicht beachteten Lokalisation in verschiedenen Ebenen. Aber (und insofern hegen wir Zweifel an der Therapie Weisgerbers) diese Begriffe werden nicht klarer dadurch, daß man sie einfach aus der linguistischen Beschreibung ausschließt. Weisgerber möchte die genannten Tatbestände (der Funktion und der Bedeutung) vor Augen führen „als eine geistige ,Zwischenwelt', deren Bestand und Aufbau sich uns bewußt in einer Welt von sprachlichen Inhalten" darstellt. Diese Zwischenwelt ist für Weisgerber eine eigenständige Welt der Sprachinhalte, die nur begriffen werden kann, „wenn wir die übliche Verwendung der Lautformen als Maßstab überwinden lernen". 54 Damit leitet Weisgerber den Begriff des Inhalts aus der geistigen und sprachlichen Zwischenwelt ab. Weisgerber kommt es darauf an, mit Hilfe dieser Inhalte ein Modell zu entwickeln, das nicht - wie bei de Saussure - zweischichtig ist, sondern dreischichtig55 : l-autforiii

Außenwelt Dinge und Sachen

geistiger Gegenstand Wortinhall geistige Zwischenwelt

nulli * v ι 1

Onlrrl

^ —



'

Vaterbruder

^

-

Mutterbruder Mann der Vater· Schwester

-,

Mann der MutterSchwester

(Gedankcngebilde)

Die Gedankengebilde der mittleren Spalte sind „geistige Gegenstände" „in einer ,geistigen Zwischenwelt', die jeweils an eine Sprachgemeinschaft gebunden ist und dort erst,Dasein' gewinnt". 56 Erst in dieser Zwischenwelt „treffen die Lautformen die Erscheinungsfülle der,Dinge' und .Sachen'". 57 Diese geistigen Gegenstände haben wir nach Weisgerber „als sprachliche Inhalte, die geistige Zwischenwelt, in der sie Dasein gewinnen, als sprach53 54 55 56 57

Weisgerber: Vom Weltbild, 1. Halbband, a. a. O., S. 27; Weisgerber, L.: Grundzüge der inhaltbezogenen Grammatik. Düsseldorf 1962, S. 29. Weisgerber: Vom Weltbild, 1. Halbband, a. a. O., S. 27f. Vgl. ebenda, S. 69ff.; vgl. Weisgerber: Grundzüge der inhaltbezogenen Grammatik, a. a. O., S. 119, 73f. Weisgerber: Vom Weltbild. 1. Halbband, a. a. O., S. 70. Weisgerber: Grundzüge der inhaltbezogenen Grammatik, a. a. O., S. 74.

127

liehe Zwischenwelt anzusehen". 38 Innerhalb dieses dreigliedrigen Modells gehören die Lautformen und die Sprachinhalte zur Sprache; die Sprachmittel sind „Ganzheiten von Lautform und Inhalt". 59 Von diesem neu gewonnenen Inhaltsbegriff her wertet Weisgerber den alten Funktions- und den Bedeutungsbegriff ab, die für ihn lautbezogen sind und mehrere Fehlerquellen enthalten: Zunächst bringt die lautbezogene Grammatik alles, „was über das lautlich-formal Feststellbare hinausging, unter den Gesichtspunkt der Bedeutung von Wörtern, der Funktion von Formen". 60 Eben daraus erwuchs das alte Modell von der Zweischichtung in Sprache ( = Lautgestalt) und Außenwelt. Damit verbunden sind weiter „zwei folgenschwere Irrtumsquellen : die eine besteht in der verhängnisvollen Problematik und Ungeklärtheit des Denkens in Bedeutungen und Funktionen, die andere in der Vorstellung von einem zu einfachen Gleichlauf zwischen Laut und Inhalt, der es rechtfertige, den Laut auch als Maßstab beim Bemühen um den Inhalt beizubehalten". Das führt - wie Weisgerber meint fast zwangsläufig zu einer Verwischung der Grenzen zwischen der geistigen Zwischenwelt und der Außenwelt und zu einer Überspringung der Schicht der Sprachinhalte. 61 Das Denken in Funktionen enthält für Weisgerber deshalb immer „die Gefahr eines Kurzschlusses" ; es ist Ausdruck einer lautbezogenen Betrachtung und zwingt der Sprachforschung eine Sicht auf, „die dem Eigengesetz der Sprachinhalte nicht angemessen ist". 62 Wenn die traditionelle Grammatik etwa nach den „Funktionen" des Dativs fragt, nimmt sie als Maßstab die äußere Gestalt und lokalisiert die Funktionen in unbestimmter Weise, „meist schon jenseits der Sprache". 63 Darum ist für Weisgerber „die Überwindung des Denkens in Bedeutungen und Funktionen eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Aufbau einer echten inhaltbezogenen Grammatik". 6 4 Mit dem Bedeutungsbegriff hatte sich Weisgerber bereits 1927 auseinandergesetzt und in der Bedeutung lediglich einen Beziehungsbegriff zwischen einem „Bedeutenden" (der Wortform) und einem „Bedeuteten" (Begriff) gesehen. Die Bedeutung war schon damals für ihn „etwas, was es nicht gibt, wenigstens nicht in dem geläufigen Sinne. Bedeutung gibt es nur im Worte, und zwar als Funktion des lautlichen Teils; Bedeutung geht immer vom 58

Weisgerber: Vom Weltbild. 1. Halbband, a. a. O., S. 71. Ebenda, S. 74. Ebenda, S. 102; Weisgerber: Grundzüge der inhaltbezogenen Grammatik, a. a. O., S. 120. 61 Vgl. Weisgerber: Vom Weltbild. 1. Halbband,a. a. O., S. 103; Weisgerber: Grundzüge der inhaltbezogenen Grammatik, a. a. O., S. 121. 62 Weisgerber: Vom Weltbild. 1. Halbband, a. a. O., S. 103f. ; Weisgerber: Grundzüge der inhaltbezogenen Grammatik, a. a. O., S. 121. 63 Weisgerber: Vom Weltbild. 1. Halbband, a . a . O . , S. 80; vgl. auch Weisgerber, L.: Verschiebungen in der sprachlichen Einschätzung von Menschen und Sachen. Köln/ Opladen 1958, S. 62. 64 Weisgerber: Vom Weltbild. 1. Halbband, a. a. O., S. 104; Weisgerber: Grundzüge der inhaltbezogenen Grammatik, a. a. O., S. 122. 59

60

128

Lautlichen, Bedeutenden aus und .bedeutet' den inhaltlichen Teil". 65 Weil die Bedeutung fälschlicherweise mit dem Sprachinhalt gleichgesetzt wurde, sei der Blick für die Sprachinhalte versperrt gewesen66, sei die geläufige Bedeutungslehre „ein Irrweg", der „überhaupt die Voraussetzungen einer Wissenschaft ... fehlen". 67 Statt dieser Bedeutungslehre fordert Weisgerber eine sich um den Inhalt bemühende Begriffslehre68: Wort I Wortform Name ,

Wortinhalt Bedeutung

Bezeichnung

' Begriff

Dieses Schema (das in den Beziehungsbegriffen die Gegenstände der traditionellen Semasiologie und Onomasiologie angibt) zeigt, daß Weisgerber nicht Bedeutung und Inhalt, wohl aber Begriff und Inhalt identifiziert (was zu seiner weitgehenden Gleichsetzung von Sprach- und Denkstrukturen führt, die der marxistischen Auffassung vom Verhältnis von Sprache und Denken widerspricht). Ähnlich verfänglich wie der Begriff der Bedeutung ist für ihn der der Funktion (auf grammatischem Gebiete); beide versperren sie - wie Weisgerber meint - den Blick auf die Sprachinhalte, täuschen eine Parallelität von Sprachlaut und Sprachinhalt vor und beschwören die Gefahr einer Vermengung von Sprachinhalten und Sachen herauf. 69 Weisgerbers inhaltbezogene Betrachtungsweise wendet sich also nicht nur gegen eine laut- (form- oder gestalt-)bezogene Betrachtungsweise einerseits, sondern auch gegen eine sachbezogene Betrachtungsweise andererseits. Die übliche Grammatik erscheint ihm gerade als „Mischung von laut- und pseudosachbezogenem Verfahren". 70 Sie sei /wm/osachbezogen, weil „einer formalen Beobachtung (ich werde gehen, kommen usw.) nach einem in ihrem Umkreis auftretenden Sachverhalt (zeitlich Zukünftiges) eine .Funktion' (Futur) beigelegt" wird, „und nun wird von dieser »Funktion' aus die .Verwendung' der Form interpretiert. Was in Fällen wie Gegenwart, Zukunft allenfalls noch als echter Sachbezug gelten könnte, das wird aber völlig fragwürdig bei Kategorien wie Dativ, Konjunktiv usw. Denn hier werden 65 66 67 68 69 70

9

Weisgerber, L.: Die Bedeutungslehre - ein Irrweg der Sprachwissenschaft? In: Germanisch-Romanische Monatsschrift, 1927, S. 170. Vgl. Weisgerber, L.: Zu Sperbers „Zwei Arten der Bedeutungsforschung". In: Zeitschrift für deutsche Bildung, 1930, 10, S. 508 f. Weisgerber: Die Bedeutungslehre, a. a. O., S. 174. Vgl. Weisgerber, L.: Vorschläge zur Methode und Terminologie der Wortforschung. In: Indogermanische Forschungen, 1928, S. 318f. Vgl. dazu Weisgerber: Grundzüge der inhaltbezogenen Grammatik, a.a. Ó., S. 121. Weisgerber: Vom Weltbild. 1. Halbband, a. a. O., S. 199. Heibig, Sprachwissenschaft

129

aus bestimmten .Anwendungsweisen' der Formen Sachbezüge herausgesponnen, von denen wir gar nicht wissen, ob ihnen echte Sachverhalte zugrunde liegen ..." 7 1 Daraus zieht Weisgerber die Schlußfolgerung, „daß das Denken in Funktionen von Formen keine echten Sprachtatsachen feststellen und insbesondere nicht in angemessener Weise Sprachinhalte erfassen kann". 7 2 Der Inhaltsbegriff Weisgerbers entspringt „dem Durchschauen des Verhältnisses von laut-, sach- und inhaltbezogener Betrachtungsweise. Die Lautgebundenheit aller Ausgangsbeobachtungen besteht nach wie vor: das Messen des Sprachlichen an den Sachen wird immer aufschlußreich bleiben. Aber zum vollen grammatischen Ertrag werden beide - nach Weisgerber erst dann beitragen, wenn eine primär inhaltbezogene Betrachtung die Anstöße von beiden Seiten aufnimmt und auf das hinleitet, worauf es entscheidend ankommt: die sprachliche Zwischenwelt, das muttersprachliche Weltbild".13 Daraus ergibt sich für Weisgerber ein „Viertakt" der linguistischen Verfahrensweise, der sich - angewandt auf die Syntax - wie folgt darstellt: „Lautbezogene Bestandsaufnahme der lautlich-formalen Elemente; lautbezogenes Ausschauen nach den Inhalten (gesehen als .Funktionen der Formen* ...); inhaltbezogenes (meist noch sachbezogenes) Aufsuchen der syntaktischen Zeichen ...; schließlich echt inhaltbezogenes Aufweisen der in einer Sprache vorhandenen syntaktischen Inhalte". 74 An diesem Viertakt werden von Weisgerber auch die Bemühungen in der deutschen Grammatik etwa von Glinz und Brinkmann - gemessen.75 Bei dem Ersatz des Funktions- durch den Inhaltsbegriff handelt es sich für Weisgerber keineswegs nur um einen neuen Terminus, sondern um eine „Wendung um 180 Grad, die in dem Übergang von der Lautform als Maßstab zu den Inhalten als Maßstab beschlossen ist". 76 Die Suche nach Bedeutungen von Wörtern und Funktionen von Formen sind Versuche „gestaltbezogener Betrachtung der Sprachinhalte". 77 Folgerichtig inhaltbezogen ist eine Betrachtungsweise nach ihm nur, wenn sie „Inhalte als Bezugspunkte setzt und ihre Maßstäbe aus eigengesetzlichen Untersuchungen des Inhaltlichen zu gewinnen sucht". 78 Gerade dies sei notwendig, weil es „keinen unmittelbaren Bezug vom Lautzeichen zur Sache" gibt 79 , weil die 71 72 73 74 75 76

77 78 79

Ebenda, S. 201. Ebenda, S. 223. Ebenda, S. 260. Weisgerber: Vom Weltbild. 2. Halbband, a. a. O., S. 147. Vgl. etwa ebenda, S. 154. Weisgerber, L.: Die Welt im „Passiv". In: Die Wissenschaft von deutscher Sprache und Dichtung. Festschrift für Friedrich Maurer zum 65. Geburtstag. Stuttgart 1963, S. 25. Weisgerber, L.: Die vier Stufen in der Erforschung der Sprachen. Düsseldorf 1963, S. 47, 55, 76. Ebenda, S. 63. Ebenda, S. 64.

130

Verbindung immer durch die Zwischenschicht der sprachlichen Inhalte hin' durchgeht 80 : L Laut



G y Gegenstand Sprachinhalt

• S Sache

Sprache

Der Weisgerbersche Inhaltsbegriff darf nicht isoliert von seinem System betrachtet werden; er erwächst nicht nur aus den sprachphilosophischen idealistischen Voraussetzungen der „Zwischenwelt", sondern ist im Grunde auch nur eine Durchgangsstufe zu den anderen sprachphilosophischen Begriffen der Leistung und der Wirkung; denn die inhaltbezogene Betrachtung soll ja zu einer leistung- und wirkungbezogenen Betrachtung weiterführen und zusammen mit ihnen eine „ganzheitliche" Sprachbetrachtung ergeben. Entscheidend für Weisgerber ist nicht, „daß man sich über Tatbestände so oder so ausdrückt", sondern daß die sprachlichen Inhalte sprachliche Leistungen und Wirkungen entfalten können, daß die Sprache auf Grund ihrer „wirkenden Kraft" auch über das Verhalten des Menschen verfügt, „daß mit dem Wirksamwerden bestimmter muttersprachlicher Möglichkeiten die Menschen geistig in die oder die Rolle gebracht werden und daß dabei festgelegt wird, wie mit ihnen geistig und auch tatsächlich verfahren wird". 81 Die lautbezogene Grammatik habe den Einschnitt fälschlicherweise zwischen Lautform und Inhalt gemacht. Weil nach Weisgerber der Sprachinhalt nicht nur zur Sprache, sondern sogar zu ihrem Wesen gehört, liege der entscheidende Schnitt vielmehr zwischen geistiger Zwischenwelt und Außenwelt. Diese Orientierung führt die inhaltbezogene Grammatik zu der Konsequenz, die lautbezogenen Begriffe „Funktion" und „Bedeutung" zu überwinden, weil sie sich einer wirklichen Inhaltbezogenheit hindernd in den Weg stellen. Die Lautform „Schloß" etwa ist im Sinne Weisgerbers nicht ein Wort mit zwei verschiedenen Hauptbedeutungen (wie das bei unilateraler und oft geläufiger Auffassung verstanden werden müßte), sondern sie stellt zwei Wörter dar (weil das Wort im bilateralen Sinne eine Einheit von Lautform und Inhalt darstellt). Ebenso wie Weisgerber die alphabetischen Wörterbücher wegen ihrer Orientierung an der Lautform ablehnt, so auch die Wörterbücher nach Sachgruppen, weil diese Sachgruppen außerhalb der Sprache liegen. Die Verschiedenheit von „Treten Sie mir nicht auf die Füße (Beine, Zehen)!" sei nicht eine Verschiedenheit der Sache, sondern eine Verschiedenheit der 80 81



Ebenda, S. 65. Weisgerber: Verschiebungen in der sprachlichen Einschätzung, a. a. O., S. 68.

131

geistigen Zwischenwelt. Eben deshalb verurteilt Weisgerber nach dem lautbezogenen Versuch der Semasiologie82 - die von der lautlichen Form ausgeht und den Wandel der mit ihr verknüpften „Bedeutungen" betrachtet auch den sachbezogenen Weg der Onomasiologie83 - die umgekehrt von der begrifflichen Bedeutung ausgeht und ihren Blick auf die verschiedenen Lautformen richtet. Immer können - für Weisgerber - solche laut- und sachbezogene Verfahrensweisen nur Hilfsmittel darstellen für eine inhaltbezogene Betrachtungsweise, die den Aufbau der sprachlichen Zwischenwelt nach eigenen Gesetzen erforscht. Immer kommt es darauf an, „an der richtigen Stelle die lautbezogene und die sachbezogene Betrachtungsweise zurücktreten zu lassen und eine dem Aufbau des Sprachlichen angemessene Betrachtungsweise einzusetzen".84 Das gilt für alle Bereiche der Sprache und resultiert aus dem dreigliedrigen Modell Weisgefbers, das - strenger als de Saussure - zwischen Laut, Inhalt und Sache unterscheidet.

4.3.

Die Rolle der Grammatik und der vierstufige Aufbau der Sprachwissenschaft

Aus dieser Konzeption Weisgerbers ergibt sich auch der Ort, den er der Grammatik einräumt. Grammatik ist für ihn „alle Betrachtung der Sprache als Ergon". 85 Auf diese Weise schließt bei Weisgerber der Begriff der „Grammatik" die Wortlehre und die Wortbildungslehre ein. Innerhalb dieser Grammatik unterscheidet Weisgerber - im Unterschied zu dem älteren Triptychon von Laut-, Formen- und Satzlehre - nur die Zweiheit von Wortschatz und Redefügung. Insgesamt ist der Begriff „Grammatik" für Weisgerber nicht so sehr vom Gegenstand als vielmehr von der Methode her bestimmt. Er schließt eine Betrachtung der Formen und Inhalte der Sprache ein, aber die Wirkungen zunächst aus. Damit ist für ihn zugleich „die Notwendigkeit, Aufgabe und Grenze aller grammatischen Arbeit" bestimmt.86 Die Grammatik ist für ihn deshalb nur „Zwischenstufe, wenn man will, ein notwendiges Übel". 87 Diese Zwischenstufe kann Sprache nur als Ergon fassen. Aber selbst innerhalb dieser Einschränkung müsse die Grammatik über die alten, nur formbezogenen Methoden hinausgehen, zu den Sprachinhalten vorstoßen und müsse diese 82 83 84 85 86 87

Vgl. dazu vor allem Kronasser, H.: Handbuch der Semasiologie. Heidelberg 1952. Vgl. dazu vor allem Quadri, Β. : Aufgaben und Methoden der onomasiologischen Forschung. Bern 1952. Weisgerber: Vom Weltbild. 1. Halbband, a. a. O., S. 118. Ebenda, S. 193. Weisgerber: Die tragenden Pfeiler, a. a. O., S. 8. Weisgerber, L.: Grammatik im Kreuzfeuer. In: Wirkendes Wort, 1950/51, S. 130.

132

als Maßstab der Betrachtung setzen, damit sie überhaupt Vorstufe einer vollen Sprachwissenschaft sein kann, die ja die Sprache in dien Dimensionen als Energeia fassen soll.88 Für die Schule ergibt sich daraus, daß die Grammatik aus ihrem Führungsanspruch herausgedrängt wird und einer umfassenderen muttersprachlichen Erziehung Platz machen muß. Wie die Grammatik ihre wissenschaftliche Rolle habe „als unvermeidliche Durchgangsstelle zum Erkennen der Sprache als Energeia",89 so müsse auch in der Schule die Grammatik - als Lehre vom sprachlichen Wissen - den anderen Bereichen vom sprachlichen Wachsen, Können und Wollen neben- oder gar untergeordnet werden90; nur so könne sie einer breiteren muttersprachlichen Erziehung dienen91, könne sie der „Ganzheit muttersprachlicher Erziehung" dienstbar gemacht werden.92 Wie man auf wissenschaftlichem Sektor von einem „Ende des Zeitalters der Grammatik" sprechen müsse, so sei auch für die Schule „das Ende einer bestimmten Form des Sprachunterrichts: der Grammatik" gekommen.93 Für dit Wissenschaft folgt aus dieser Sprachauffassung eine sprachwissenschaftliche Forschung in mehreren Stufen. Nachdem Weisgerber zuerst nur die lautliche und geistige Seite der Sprache geschieden und in den 50er Jahren dann im wesentlichen von drei Stufen (lautbezogene Feststellungen - inhaltbezogene Auswertungen - energetische Wirkungen) gesprochen hatte 94 , unterscheidet er jetzt vier Stufen - entsprechend den vier Seiten jedes sprachlichen Phänomens: der Gestalt - dem Inhalt - der Leistung - der Wirkung.95 Diese vier Stufen ergeben sich aus einer näheren Aufgliederung der ursprünglichen energetischen Sprachbetrachtung in eine leistung- und eine wirkungbezogene Sprachauffassung. Weisgerber hat diese vier Stufen zunächst auf dem Gebiet der Wortbildung96, des Satzbaus97 und der Wortarten 98 exempli88

Vgl. Weisgerber: Sprachwissenschaftliche Methodenlehre, a. a. O., S. 10. Weisgerber: Grammatik im Kreuzfeuer, a. a. O., S. 139. 90 Zu diesen vier Wegen vgl. auch Weisgerber, L.: Das Tor zur Muttersprache. Düsseldorf 1961, S. 28 ff. 91 Vgl. Weisgerber: Grammatik im Kreuzfeuer, a. a. O., S. 137ff., vgl. auch Weisgerber, L.: Die fruchtbaren Augenblicke in der Spracherziehung. In: Wirkendes Wort, 1951/52, S. 245f., 257 ff. 92 Weisgerber: Das Tor zur Muttersprache, a. a. O., S. 101 ff. 93 Ebenda, S. 7f. 9 * Vgl. den Aufbau des Buches „Vom Weltbild der deutschen Sprache", a. a. O. 95 Vgl. etwa Weisgerber, L.: Die wirkungbezogene Sprachbetrachtung. In: Wirkendes Wort, 1963, 5, S. 264; zu dieser Entwicklung vgl. auch Weisgerber, L.: Zur Entmythologisierung der Sprachforschung. In: 3. Sonderheft Wirkendes Wort, 1961, S. 40. 96 Weisgerber, L.: Der Mensch im Akkusativ. In: Wirkendes Wort, 1957/58,4, S. 193 ff.; vgl. auch Weisgerber, L.: Vierstufige Wortbildungslehre. In: Muttersprache, 1964, 2, S. 33fT. 97 Weisgerber, L.: Die ganzheitliche Betrachtung eines Satzbauplans. 1. Beiheft zu Wirkendes Wort, 1962. 98 Weisgerber, L.: Die Welt im „Passiv", a. a. O. 89

133

fiziert und neuerdings in seinem zusammenfassenden Buch über „Die vier Stufen in'der Erforschung der Sprachen" näher ausgeführt. Ausgangspunkt und Grund für diesen Ausbau ist die neuromantische und unserer Sprachtheorie widersprechende Einschätzung der Sprache nicht als „bloßer .Ausdruck' für anderwärts begründete geistige Leistungen", sondern als „mitgestaltende Kraft im Aufbau dieser Leistungen, in stetiger Wechselwirkung mit der Gesamtheit menschlicher Kräfte". 9 9 Weil Sprache „weder Ursache noch Folge, sondern Teilkraft des Lebens" sei, könne sie „in ihren Erscheinungen nur verstanden werden, wenn wir sie in ihren Wechselwirkungen mit allen Bereichen des Lebens untersuchen". 100 Daraus entsteht die Forderung nach einer „ganzheitlichen Sprachbetrachtung" 1 0 1 , die alle vier Tatbestände - die lautliche Form, den inhaltlichen Aufbau, die geistige Leistung und die gestaltende Wirkung 102 - im Auge haben soll. Es handelt sich - entsprechend den vier Seiten jedes Sprachphänomens - um „vier Zugänge, die in wechselseitiger Abhängigkeit voneinander stehen" 103 und an denen gleichzeitig gearbeitet werden soll. Weisgerber spricht einerseits von den Tatbeständen der Gestalt, des Inhalts, der Leistung und der Wirkung, die „im Zusammenhang mit jedem Sprachmittel gegeben sind", andererseits aber von „gestaltbezogener, inhaltbezogener, leistungbezogener und wirkungbezogener Betrachtung", wenn es dabei um den methodischen Maßstab, nicht um den sachlichen Ausschnitt geht; „es kann also gestaltbezogene Betrachtung nicht nur der Lautungen, sondern auch der Inhalte usw. geben ..." 1 0 4 Wenn Weisgerber am Anfang die geistige Seite der Sprache als geschlossenen Komplex der lautbezogenen Seite gegenüberstellt, so ist „gestaltbezogen" jetzt nur ein nach einem Vorschlag Brinkmanns neu aufgenommener Begriff für sein altes und doch wohl zu enges „lautbezogen". Die geistige Seite der Sprache wurde von Weisgerber aber schon im „Weltbild" erschlossen einerseits durch ein inhaltbezogenes Verfahren, das die Sprachinhalte statisch als Ergon festhalten sollte, und andererseits durch ein sprachwissenschaftliches Verfahren, das die Sprachinhalte energetisch als „Zugriffe" sichtbar werden lassen sollte. Dabei bilden die gestaltbezogene und die inhaltbezogene Betrachtung zusammen die Grammatik, die die Sprache notwendig als „Ergon" hypostasiert. Das energetische Verfahren aber wird nun in ein leistung- und wirkungbezogenes Verfahren gespalten; das erste hat die sprachliche Gestaltung der Welt, das „Worten" der Welt zu untersuchen, das zweite die Sprache als AusgangsDunkt von Wirkungen. 105 99

Weisgerber: Verschiebungen in der sprachlichen Èinschâtzung, a. a. O., S. 81. Ebenda, S. 86. 101 Weisgerber: Die vier Stufen, a. a. O., S. 154. 102 Vgl. Weisgerber: Der Mensch im Akkusativ, a. a. O., S. 193. 103 Weisgerber: Die wirkungbezogene Sprachbetrachtung, a. a. O., S. 264. 10 ·* Weisgerber: Die vier Stufen, a. a. O., S. 15. 10s Weisgerber: Die wirkungbezogene Sprachbetrachtung, a. a. O., 266f. 100

134

Insgesamt ist bei Weisgerber eine Entwicklung und ein Ausbau der Verfahren der Sprachbetrachtung in drei Stufen erkennbar: 1. Stufe :

lautliche Seite

geistige Seite

2. Stufe:

lautbezogene Betrachtung

inhaltbezogene Betrachtung

sprachwissenschaftliche energetische Betrachtung

3. Stufe:

gestaltbezogene Betrachtung

inhaltbezogene Betrachtung

leistungwirkungbezogene bezogene Betrachtung

statische Betrachtung, Sprache als Ergon, Grammatik Hauptbegriffe:

Funktion, Bedeutung

Inhalt

dynamische Betrachtung, Sprache als Energeia, Sprachwissenschaft Zugriff

Geltung

Dabei ist die Grammatik auch im wissenschaftlichen Sinne „nicht Selbstzweck, sondern Stufe zu dem eigentlich sprachwissenscháftlichen Ziel". 106 Diese Stufe müsse überschritten werden, da die Sprache „nicht Selbstzweck" ist, „sondern eine bewegende Kraft, die ununterbrochen das Leben einer Sprachgemeinschaft mitgestaltet" 107 , da sie „kein Abklatsch, sondern Gestaltung" ist. 108 Die leistungbezogene Sprachbetrachtung müsse die Sprache aus ihrer statischen Isolierung und künstlichen Hypostasierung erlösen und wieder Welt einbeziehen; die Sprache erscheint damit als Akt der Verwandlung, als Prozeß des „Wortens der Welt" 1 0 9 ; es geht in ihr um „die sprachliche Gestaltung der Welt". 110 Der leistungbezogenen Forschung kommt bei Weisgerber eine zentrale Stellung zu; sie bildet das „Kernstück der Sprachforschung, insofern sie zu einer Einsicht in den Prozeß der sprachlichen Anverwandlung, des ,Wortens der Welt', wie er in einer jeden Muttersprache sich vollzieht, zu gelangen sucht". 111 Ihr methodischer Hauptbegriff ist der des „sprachlichen Zugriffs", „das energetische Gegenstück zum statischen Sprachinhalt".112 Ihr Gegenstand ist der „jeweilige Prozeß des .Wortens der Welt' durch eine Sprachgemeinschaft". 113 Was in 106 101 108 109 110 111 112 113

Weisgerber: Die vier Stufen, a. a. O., S. 92. Weisgerber: Die wirkungbezogene Sprachbetrachtung, a. a. O., S. 267. Weisgerber: Grundformen sprachlicher Weltgestaltung. Köln/Opladen 1963, S. 17. Vgl. Weisgerber: Die wirkungbezogene Sprachbetrachtung, a. a. O., S. 267. Weisgerber: Die vier Stufen, a. a. O., S. 93. Ebenda, S. 28f. Ebenda, S. 96; vgl. auch Weisgerber: Grundformen sprachlicher Weltgestaltung, a. a. O., S. 18. Weisgerber: Die vier Stufen, a. a. O., S. 94.

135

der gestaltbezogenen Betrachtung als Formenbündel erschien und in der inhaltbezogenen Grammatik als Aufbau einer Zwischenwelt, muß in der leistungbezogenen Betrachtung als „Zentrum geistiger Wirkung" erfaßt werden. 114 Primäre Leistung der Sprache ist „alles, was an der sprachlichen Verwandlung mitwirkt und zur muttersprachlichen Weltgestaltung hinführt". 1 1 5 Der Übergang zur 4. Stufe der wirkungbezogenen Betrachtung folgt daraus, „daß die Sprache, bei aller Wichtigkeit ihrer primären Leistung, nicht Selbstzweck ist". „Hatte die grammatische Betrachtungsweise die Sprache aus ihrem Wirkungsbereich herauslösen, die leistungbezogene zunächst die ,Welt' wieder einbeziehen müssen, so kehrt mit der wirkungbezogenen Forschung das ,Leben' wieder in den Gesichtskreis der Sprachwissenschaft zurück". Sie erforscht „die Gesamtheit der Lebensprozesse einer Sprachgemeinschaft, die auf ihren sprachlichen Einschlag hin zu durchleuchten sind". 116 Die sprachliche Leistung war greifbar in den Zugriffen und führte zur muttersprachlichen Gestaltung der Welt; die sprachlichen Wirkungen setzen dort ein, wo die Welt schon gewortet ist. Darum geht es um „den sprachlichen Einschlag, der sich im sogenannten Sprachgebrauch' auf allen Lebensgebieten zeigt" 117 , um „die Wirksamkeit dieser geworteten Welt im Leben ihrer Schöpfer" im sprachlichen Tun und Handeln der gesamten Sprachgemeinschaft. 118 Wie das, was die gestaltbezogene Sprachbetrachtung zunächst als Bedeutung oder Funktion feststellt, von der inhaltbezogenen Sprachbetrachtung zu Sprachinhalten in einer Zwischenwelt erklärt wird, so gewinnen die sprachlichen Zugriffe aus der leistungbezogenen Betrachtung in der wirkungbezogenen Betrachtung sprachliche Geltung. Und zu den muttersprachlichen Wirkungen gehört für Weisgerber alles, „was in den muttersprachlichen Geltungen als Konsequenz beschlossen ist". 119 Für die Bewertung dieser vier Stufen ist es bezeichnend, daß Weisgerber den Ausbau seiner Sprachwissenschaft zu den Leistungen und Wirkungen auch damit begründet, daß man - wenn man die Inhalte ohne Leistungen und Wirkungen zu beschreiben versucht - immer wieder in die „Zwangslage" gerät, „Sachbezirke mit einzubeziehen", daß man bei den grammatischen Betrachtungen allein kaum Sprachinhaltliches von Außersprachlichem trennen kann. 120 Wenn jedoch einerseits die Leistungen und Wirkungen erst zur Abgrenzung der Inhalte dienen, andererseits die Leistungen und Wirkungen auf diesen Inhalten aufbauen, liegt die Gefahr eines Zirkels nahe. 114 113 116 1,7 118 119 120

Ebenda, S. 115. Weisgerber: Grundformen sprachlicher Weltgestaltung, a. a. O., S. 18. Ebenda, S. 124. Ebenda, S. 30. Weisgerber: Die wirkungbezogene Sprachbetrachtung, a. a. O., S. 267. Ebenda, S.269. Weisgerber: Grundformen sprachlicher Weltgestaltung, a. a. O., S. 15.

136

4.4.

Zusammenfassung

4.4.1.

Einordnung

Es wurde bereits sichtbar, daß sich die Konzeption der inhaltbezogenen Grammatik in stetiger Entwicklung (wenn auch nicht grundsätzlicher Veränderung) befindet. Um 1930 hat Weisgerber die ersten Ansätze zu seiner Sprachauffassung entwickelt („Muttersprache und Geistesbildung", 1929, und „Die Stellung der Sprache im Aufbau der Gesamtkultur", 1933); dieses Gespräch zu Beginn der 30er Jahre stand im Zusammenhang mit Ipsen, Porzig, Trier und Schmidt-Rohr. Sein vierbändiges Hauptwerk „Von den Kräften der deutschen Sprache" legte Weisgerber erst 1949/50 vor. Daraus läßt sich schon rein chronologisch ablesen, daß Weisgerber seine Sprachauffassung gleichsam in zwei Stößen entwickelt hat: um 1930 und um 1950. Entsprechend gehört er auch in zwei Zusammenhänge hinein: einmal in die geistesgeschichtliche Richtung, die in den 20er Jahren den Positivismus junggrammatischer Prägung überwindet und von der dann in den 30er Jahren die „volkhafte" und später auch „völkische" Sprachbetrachtung ihren Anfang nimmt. So beruft sich etwa Stroh bei seiner Darstellung des „volkhaften Sprachbegriffes" und auch der rassistisch infizierte SchmidtRohr auf Weisgerber und auf Porzig. 121 Zum anderen gehört Weisgerber in jene Entwicklungslinie, die von de Saussure ausgeht, Sprache als Sprache begreifen will und sich von der Geistesgeschichte Voßlerscher Prägung distanziert. Im 1. Band seines Hauptwerkes („Die Sprache unter den Kräften des menschlichen Daseins") wird die Sprache im Sinne Humboldts als Energeia betrachtet, wird sie in Verbindung mit den Sprachgemeinschaften gesehen, werden das Gesetz der Muttersprache und das der Sprachgemeinschaft entwickelt. Die Sprache erscheint vor allem als System "von Inhalten, die ein muttersprachliches Weltbild konstituieren und durch eine ganzheitliche Sprachbetrachtung erforscht werden sollen. Der 2. Band („Vom Weltbild der deutschen Sprache") legt die philosophischen Voraussetzungen der neuen Sprachbetrachtung dar und umschreibt die entsprechenden Begriffe wie Inhalt, Weltbild, innere Sprachform, sprachliches Feld u. a. Der 3. Band („Die Muttersprache im Aufbau unserer Kultur") zeigt die Sprache nicht nur als bloßen Spiegel im Sinne Voßlers, sondern als aktive und wirkende Kraft, die Geist, Kultur und Geschichte mitgestaltet. Der 4. Band schließlich 121

Zu dieser Entwicklung vgl. Stegmann v. Pritzwaldt, K.: Der Weg der Sprachwissenschaft in die Wirklichkeit. In: Neue Jahrbücher für Wissenschaft und Jugendbildung 1933; Stegmann v. Pritzwaldt, K.: Kräfte und Köpfe in der indogermanischen Sprachwissenschaft. In: Germanen und Indogermanen. Festschrift für H.Hirt. Bd. 2. Heidelberg 1936; Stroh, F.: Der volkhafte Sprachbegriff. Halle 1933; Stroh, F.: Allgemeine Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie. In: Germanische Philologie. Festschrift für O. Behaghel. Heidelberg 1934; Schmidt-Rohr, G.: Die Sprache als Bildnerin der Völker, Jena 1932. 137

(„Die geschichtliche Kraft der deutschen Sprache") gibt eine neue, den sprachtheoretischen Voraussetzungen Weisgerbers entsprechende Sprachgeschichte. Es ist keine Laut- und Formengeschichte, sondern „Erkenntnis des Werdens und Wandels eines sprachlichen Weltbildes". 122 Die Sprache ist nicht nur Objekt, sondern auch Subjekt der Geschichte, ist ein „konstitutiver Faktor der Geschichte". 123 Das sprachliche Leben erweist sich deshalb in Weisgerbers Sprachgeschichte mehr als Triebkraft denn als Folge geschichtlichen Lebens. Dieser Aufbau von Weisgerbers Hauptwerk hat sich in der neuen Auflage verändert insofern, als er den bisherigen ersten Band eliminiert und statt dessen die beiden Halbbände des bisherigen 2. Bandes (des wohl zentralsten Bandes „Vom Weltbild der deutschen Sprache") zu zwei eigenen Bänden verselbständigt hat: Aus dem bisherigen 1. Halbband des 2. Bandes unter dem Titel „Die inhaltbezogene Grammatik" ist der 1. Teil des Gesamtwerkes unter dem neuen Titel „Grundzüge der inhaltbezogenen Grammatik", aus dem bisherigen 2. Halbband „Die sprachliche Erschließung der Welt" ist der 2. Teil des Gesamtwerkes unter dem Titel „Die sprachliche Gestaltung der Welt" geworden. 124

4.4.2.

Kritische Bemerkungen (auch zum sprachphilosophischen Hintergrund und den sprachpolitischen Folgen)

Damit sind wir bei dem Punkt, an dem sich aus dem Überblick über die Weisgerbersche Sprachauffassung ihre Kritik ergibt. 125 Es melden sich folgende grundsätzliche Bedenken an: 1. Wenn bei Weisgerber die Sprachgeschichte zu einer Geschichte von Weltbildern wird, verliert sie am Ende ihren eigenen Gegenstand. Obwohl Weisgerber gerade im Sinne de Saussures ursprünglich von der Sprache selbst als System ausgegangen war, weitet sich dieser Ausgangspunkt allmählich geistesgeschichtlich aus, nicht aus Unterbewertung der Sprache wie bei Voßler, sondern aus Überbewertung der Sprache auf Grund ihrer wirkenden Kraft. Weisgerbers Sprachauffassung steht in diesem Pendelschwung zwischen phänomenologischem Ausgangspunkt und geistesgeschichtlichem Ausbau, in einer Spannung zwischen de Saussure und Humboldt. 2. Durch diesen geistesgeschichtlichen Ausbau entfernt sich die inhaltbezogene Grammatik vom sprachlichen Objekt. Zumal bei der leistungund wirkungbezogenen Betrachtung muß sie „von der Beschreibung zur Interpretation übergehen" und gerät „dabei in die Gefahr des Hineininterpretierens", vergleichbar mit dem geistesgeschichtlichen Interpre122 123 124 125

Weisgerber, L.: Die geschichtliche Kraft der deutschen Sprache. Düsseldorf 1950, S. 9. Ebenda, S. 13. Vgl. dazu Weisgerber, L.: Grundzüge der inhaltbezogenen Grammatik. Düsseldorf 1962, S. 5 ff. Ausführlicher dazu vgl. Heibig, G.: Die Sprachauffassung Leo Weisgerbers. In: Der Deutschunterricht, 1961, 3 und 1963, 1.

138

tieren der Dichtung. 126 Dadurch wurde es möglich, daß die neuromantische Sprachwissenschaft sich zunächst zur Sprachphilosophie und darüber hinaus zur Sprachpolitik ausweitete und dabei außersprachlich-politischen Theoremen von recht gefahrlicher Natur dienstbar gemacht werden konnte. 3. Diese Ausweitung wird möglich durch Weisgerbers Sprachidealismus, dadurch daß er die aktive Kraft der Sprache überbetont, die er mehr wirkend als empfangend sieht. Das ist besonders deutlich geworden in Weisgerbers Auseinandersetzung mit Dornseiff auf dem Gebiet der Semasiologie. Weisgerbers Betonung der aktiven Kraft der Sprache geht sogar noch über Humboldt hinaus, der stärker die Wechselwirkung im Auge gehabt hatte. 127 So entsteht das Bild eines Menschen als „homo loquens", bei dem die komplizierte Bewußtseinsstruktur auf die Dimension des Sprachlichen eingeebnet ist. 128 4. Die aktive und wirkende Kraft führt Weisgerber ungerechtfertigterweise zu einer Verselbständigung der Sprache als „Zwischenwelt". Weisgerber mißt dabei der Sprache etwas zu, was das Denken leistet. Er identifiziert weitgehend Sprach- und Denkstrukturen. Eine geistige Zwischenwelt gibt es nicht, weil das, was Weisgerber dort ansiedelt, eine Leistung des menschlichen Bewußtseins ist; eine sprachliche Zwischenwelt gibt es nicht, weil die Sprache als Mittel nur fixiert und bewahrt, was das kollektive Denken als Summe gesellschaftlicher Erfahrungen leistet. Es ist die Aufgabe vor allem der Sprachsoziologie, diese Zusammenhänge zu erforschen. 5. Da Weisgerber den Gegenstand der, Sprachwissenschaft ausweitet, benötigt er neue Begriffe. Diese Begriffe - meist von Humboldt und der romantischen Sprachphilosophie entlehnt - haben fast durchweg metaphorischen Charakter: Zwischenwelt, Leistung, innere Form, Kraft, Wirkung, Weltbild u. a. Diese metaphysisch-aprioristischen Begriffe sind so wenig exakt, daß man aus ihnen keine Sprachwissenschaft aufbauen kann. Dem kann auch Weisgerbers Einwand, im Unterschied zu einer formalisierten Sprachbetrachtung seien seine Begriffe pädagogisch fruchtbar 1 2 9 , nicht stichhalten. Das Primat der Pädagogik vor der Wissenschaft ist nicht gerechtfertigt, wenn es unkontrolliertere Begriffe rechtfertigt. 126 vgl. dazu auch Gipper, H.: Bausteine zur Sprachinhaltsforschung. Düsseldorf 1963, S. 48. 127 Obwohl Weisgerber seine Arbeit im wesentlichen als Entwicklung von Grundgedanken Humboldts ansieht, geht er in manchem über Humboldt hinaus: vor allem in der Identifizierung von Sprache und Denken und der damit verbundenen Neigung zum „linguistischen Agnostizismus". Vgl. dazu TyxMaH, M . M . : JltHTBHCTHiecKax τβορκΗ JI. Beficrepöepa. In : Bonpocw TeopHH «Mica β cospeMeHHOli 3apy6e*CH0ft jiHHTBHCTHKe. MocKBa 1961, S. 134ff., 139. 128 Vgl. Jost, L.: Sprache als Werk und wirkende Kraft. Bern 1960, S. 148. 129 Vgl. Weisgerber: Zur Entmythologisierung der Sprachforschung, a. a.O., S. 39.

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Verschiedene dieser Einwände sind von marxistischen (Meier130, Neumann 131 , W. Schmidt132, Guchman 133 u. a.) als auch von einigen bürgerlichen Sprachwissenschaftlern (ζ. B. Moser 134 , Hartmann13*, Porzig136 und Jost 137 bereits vorgetragen worden. Sie ergeben sich schon aus der Skepsis des gesunden Menschenverstandes, aus einem „naiven Sprachrealismus", den Weisgerber freilich gerade überwinden will, spricht er doch von „einer zunehmenden Überwindung des .naiven Sprachrealismus' im deutschen Denken". 138 Sie hängen ihrem Wesen nach zusammen: Weil nämlich Weisgerber die Sprache zu sehr als wirkende Kraft sieht, kommt er zur Verselbständigung einer sprachlichen Zwischenwelt und damit - methodologisch — zur Ausweitung der Sprachwissenschaft zur allgemeinen Geisteswissenschaft. Hauptausgangspunkt und Hauptangriffspunkt von Weisgerbers Sprachauffassung ist also die These von der wirkenden Kraft. Dort wird der Sprachwissenschaftler Weisgerber zum Philosophen, dort treten Voraussetzungen zutage, an die man nur glauben oder nicht glauben kann, die mit den Mitteln der Wissenschaft nicht mehr beweisbar sind. Die sprachidealistischen Thesen Weisgerbers sind gleichsam die philosophische Grundlage für sein sprachwissenschaftliches Werk. 138 " Der erste philosophische - und damit über das Sprachliche hinausgehende Schritt Weisgerbers besteht in der Verselbständigung der Zwischenwelt. Obwohl der Mensch zeit seines Lebens ohne Zweifel unter dem bestimmenden Einfluß seiner Muttersprache steht, manches „durch die Brille seiner Muttersprache" sieht 139 , erscheint es nicht gerechtfertigt, die Sprache so zu verselb130

Vgl. Meier, G . F . : Rezension von Weisgerber - Die Sprache unter den Kräften des menschlichen Daseins. I n : Zeitschrift f ü r Phonetik und allgemeine Sprachwissenschaft; Meier, G . F . : Einige Bemerkungen zu Knoblochs Vortrag „Die Situation der Sprachwissenschaft unserer Zeit und ihre Möglichkeiten". In: Wiss; Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig, Gesellschafts- und Sprachwiss. Reihe, 1954/55, 5. 131 Vgl. Neumann, W.: Wege und Irrwege der Inhaltbezogenen Grammatik. In: Weimarer Beiträge, 1961, I und 1962, I. 132 v g l . Schmidt, W.: Grundlagen und Prinzipien des funktionalen Grammatikunterrichts. In: Deutschunterricht, 1963, 11; Schmidt, W.: Deutsche Sprachkunde. Berlin 1959» S. 37f. »33 vgl. T y x M a H , JlmirBHCTHHecKan τβορΗ* Ά. Beficrepöepa, a. a. O., S. 123ff. 134 Vgl. Moser, H . : Rezension von Weisgerber - Von den Kräften der deutschen Sprache. In: Wirkendes Wort, 1950/51, 4, S.250ff. 135 Vgl. Hartmann, P.: Wesen und Wirkung der Sprache im Spiegel der Theorie L e o Weisgerbers. Heidelberg 1958; Hartmann, P.: Die Sprachbetrachtung Leo Weisgerbers - System und Kritik. In: Der Deutschunterricht, 1959, 1. 136 Vgl. Porzig, W.: Die Methoden der wissenschaftlichen Grammatik. In: Der Deutschunterricht, 1957, 2. 131 Vgl. Jost: Sprache als Werk, a. a. O. ,3β Weisgerber, L.: Der deutsche Sprachbegriff. I n : Wirkendes Wort, 1. Sonderheft 1951/52, S. 6. 13ea vgj. Weisgerber, L. : Das Gesetz der Sprache als Grundlage des Sprachstudiums. Heidelberg 1951. S. 191 f. 139 Gipper, H . : Bausteine zur Sprachinhaltsforschung, a. a. O., S. 18.

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ständigen, als ob sie außerhalb der Außenwelt und des Menschen ein eigenes Dasein führe. 1 4 0 In Wirklichkeit reagieren die Menschen auf die Reize der Umwelt unmittelbar und unabhängig von der Art ihrer Sprache. 141 Was dabei von der „Zwischenweit" bleibt, sind gesellschaftlich gültige und historisch entstandene Begriffe sowie besondere Inhaltsstrukturen. 142 Weisgerber hypostasiert pseudowissenschaftlich, was in Wahrheit nur als materielles Korrelat des Denkens eine Hilfsfunktion im Erkenntnisprozeß hat. In dem Streben, dieSprachbetrachtungzu entformalisieren und zuentgrammatikalisieren, trennt Weisgerber die Sprachinhalte zu stark von der Sachwelt. Darin sindphilosophische Elemente der-subjektiv-idealistischen-ErkenntnistheorieKants sichtbar : Weisgerber leugnet zwar die Dinge der Außenwelt nicht, aber indem sie durch die Sprache zur Zwischenwelt umgeprägt werden, sind sie nur durch die a priori gegebenen Strukturelemente der Muttersprache erfaßbar. Ebenso sind Anklänge an den Neothomismus unverkennbar. In der Verselbständigung der Sprache als Zwischenwelt verkennt Weisgerber, daß die Sprache als Zeichensystem immer ein Mittel im Erkenntnis- und Kommunikationsprozeß bleibt, ein Mittel zum Austausch von Bewußtseinsinhalten, „ein Organon", „wie das Werkzeug ein geformter Mittler".143 Die verschiedenen Weltbilder sind in der Tat nicht Erzeugnisse der Sprache, sonst hätten die Angehörigen der gleichen Sprachgemeinschaft notwendig dasselbe und die Angehörigen verschiedener Sprachgemeinschaften notwendig ein verschiedenes Weltbild, was der Wirklichkeit ganz offensichtlich nicht entspricht. Die verschiedenen Weltbilder sind vielmehr ein Erzeugnis des Denkens, der gesellschaftlich-historischen Erfahrungen der Sprachgemeinschaft; die Sprache bleibt dabei ein Werkzeug. Daß die Sprache als Werkzeug kein Weltbild schaffen, sondern es nur materiell bewahren und überliefern kann, ist selbst von streng phänomenologischer Seite betont worden. 1 4 4 Der Weg führt also nicht von der Sprache zum Denken, sondern von der objektiven Realität über das Bewußtsein zu Denken und Sprache. Die Sprache und das Denken sind freilich eng miteinander verbunden, sind eine dialektische Einheit; aber sie sind nicht identisch. Die Sprache - als materielles Korrelatdes Denkens - ist an der Widerspiegelung der Wirklichkeit beteiligt; aber aus dieser Hilfsfunktion macht Weisgerber fälschlicherweise eine irrationale primäre Kraft. 1 4 5 Es ist in Wahrheit der Mensch mit 140

Vgl. dazu auch öhman, S.: Wortinhalt und Weltbild. Stockholm 1951, S. 89. Vgl. Meier, G. F.: Das Zéro-Problem, a. a. O., S. 26. 142 vgl. Neumann, W.: Wege und Irrwege der Inhaltbezogenen Grammatik. In: Weimarer Beiträge, 1961,1, S. 149; 1962,1, S. 140. Dabei schiene es sicher möglich, mit Hilfe eines genau definierten Begriffsapparates manches von dem rational zu explizieren, was sich hinter dem Terminus der „Zwischenwelt" verbirgt; vgl. dazu auch Bierwisch, M.: Eine Hierarchie syntaktisch-semantischer Merkmale. In: Studia Grammatica V. Syntaktische Studien. Berlin 1965, S. 79. 143 Bühler, K.: Sprachtheorie. Jena 1934, S. III. 144 Vgl. Thyssen, J.: Die Sprache als „Energeia" und das „Weltbild" der Sprache. In: Lexis, 1953, S. 303 f., 307. 145 Vgl. Schmidt, W.: Grundlagen und Prinzipien, a. a. O., S. 586. 141

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seinem Denkvermögen, der die Wirklichkeit erkennen und bewältigen muß. Wenn man die Sprache in erster Linie als ein Mittel der Erkenntnis und Kommunikation, der Mitteilung und des Ausdrucks ansieht, erscheint die Verselbständigung der Sprache in einer Zwischenwelt als „Sprachmystizismus" 1 4 6 , als Hypostasierung, als eine Art Aphorismus, der nicht nur unbeweisbar ist, sondern auch indefinible Termini in eine exakte Wissenschaft einzuführen sucht. 147 Mit diesem ersten philosophischen Schritt Weisgerbers hängt folgerichtig sein zweiter zusammen, der nicht mehr kantisch, sondern eher neukantianisch ist : Er billigt der Sprache aktive und wirklichkeitsgestaltende Kraft zu. Eben darin liegt - im Unterschied zum allgemeinen erkenntnistheoretischen Idealismus - sein spezieller SpracAidealismus. Er äußert sich in der Betrachtung der Sprache als Energeia und hat seinen Grund in der Überbewertung der Sprache. Der zweite Teil seines Werkes „Vom Weltbild der deutschen Sprache", der diese These am Sprachmaterial nachzuweisen sucht, bleibt hinter dem ersten zurück. Daß er zurückbleibt, spricht für Weisgerber, aber gegen seine These, zeigt das doch, daß er den Boden der sprachlichen Tatsachen nicht völlig zu verlassen gewillt ist. Immerhin wird bei der Verwirklichung der These die Gefahr sichtbar, daß der Gegenstand der Sprachwissenschaft ins Uferlose wächst und am Ende die ganze Welt zum Gegenstand der Sprachwissenschaft wird. 148 Weisgerbers Sprachidealismus, seine Überbewertung der Sprache zeigt sich etwa, wenn er andeutungsweise einen Grund für den Ausbruch des zweiten Weltkrieges in der Beunruhigung des deutschen Sprachgewissens der deutschen Minderheiten in den benachbarten Ländern sieht und damit reaktionäre politische Forderungen sprachwissenschaftlich verbrämt. Die sprachliche Verteidigung habe schließlich die politische, machtmäßige hervorgerufen. 149 Weisgerber trennt zwar die Bereiche des Volklich-Sprachlichen und des Politisch-Machtmäßigen und lehnt auch gegenseitige Übergriffe ab, nachdrücklich auch alle Versuche, „aus sprachlichen Verhältnissen machtmäßige Folgerungen abzuleiten". 150 Hat aber die Macht einmal unrechtmäßig - was unrechtmäßig ist, kann dabei nur vom Klassenstandpunkt her beurteilt werden - in das Sprachliche eingegriffen, so ist es für Weisgerber nur zu natürlich, daß sich die Sprache - auf Grund des „Gesetzes der Sprache" zur Wehr setzt; denn „nichts ist natürlicher als die gemeinsame Verteidigung der mit dem Gesetz der Sprache gegebenen Ordnung". 151 Darin sieht Weisgerber eine „geradezu typische Entwicklung: Eine staatliche Maßnahme wird 146 147 148 149 150 151

Meier, G. F.: Einige Bemerkungen zu Knoblochs Vortiag, a. a. O., S. 513. Vgl. dazu Meier, G. F.: Rezension von Weisgerber - Die Sprache unter den Kräften menschlichen Daseins, a. a. O., S. 177. Vgl. auch Poizig: Die Methoden der wissenschaftlichen Grammatik, a. a. O., S. 8. Vgl. Weisgerber, L·.: Die sprachliche Zukunft Europas. Lüneburg 1953, S. 17, 22, 24f. u. a. Weisgerber, L.: Sprachenrecht und europäische Einheit Köln/Opladen 1959, S. 134. Ebenda, S. 21.

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als Bedrängnis empfunden und stößt auf Abwehr ... Verstärkter Druck erzeugt in sprachlichen Dingen immer verstärkte Abwehr ,.." 1 5 2 So weiten sich nach Weisgerbers Auffassimg die Sprachenkonflikte zu politischen Konflikten aus. Deshalb spricht er von den „katastrophalen Folgen der Sprachenkämpfe am Vorabend des zweiten Weltkrieges". 153 Innerhalb der Völkerkämpfe ist für ihn die Sprache die Stelle, „an der die endgültigen Entscheidungen fallen, und so wird der Sprachenkampf von beiden Seiten mit einer Erbitterung geführt, die nur einem unmittelbaren Gefühl für die volkhaften Kräfte der Sprache entspringen kann". 1 5 4 Auf diese Weise konkretisiert sich der Einfluß der Muttersprache auf das Geschichtsgeschehen bei Weisgerber, offenbart sich die Sprache als „geschichtsmäßige Kraft", als „ein Subjekt, eine Teilkraft geschichtlichen Lebens". 15 s Die Sprache entfaltet ihre geschichtsmächtige Kraft, „indem sie ... ununterbrochen Wirkungen auf das geschichtliche Leben einer Sprachgemeinschaft ausübt". 156 Mit dieser Überstrapazierung der geschichtsmächtigen Kraft der Sprache entstehen aus Weisgerbers philosophischem Sprachidealismus politische Folgerungen, die mit Sprachwissenschaft, mit Wissenschaft überhaupt nichts mehr zu tun haben. 157 An einer solchen Stelle wird die Sprachwissenschaft nicht nur zur Sprachphilosophie, sondern auch zur Sprachpolitik.158 Wenn Weisgerber auch im allgemeinen in der Anwendung seiner Hauptthese zurückhaltend ist, muß man doch grundsätzlich einwenden, daß das Dasein des Menschen im politischen Raum nicht von seiner Sprache abhängig gemacht werden kann, daß als Triebkraft der geschichtlichen Entwicklung in erster Linie ökonomische und politische Faktoren anzusehen sind. Die Hauptschwäche der Weisgerberschen Sprachphilosophie besteht offensichtlich darin, daß er die Rolle der Sprache in der Gesellschaft verkennt. Die Gesellschaft ist für ihn primär eine Sprachgemeinschaft, Sprachgemeinschaft und Volk werden weitgehend identifiziert. Diese Identifizierung steht jedoch erstens im Widerspruch zur objektiven Realität: Das menschliche Gemeinschaftsleben ist bekanntlich nicht primär eine Sprach- oder Geistesgemeinschaft (die von einer „Zwischenwelt" determiniert wäre), sondern vielmehr eine Produktionsgemeinschaft handelnder Menschen. Die Sprache » " E b e n d a , S.20. 153 Ebenda, S. 10. Weisgerber, L.: Die volkhaften Kräfte der Muttersprache. Frankfurt/Main 1939, S. 75. 155 Weisgerber, L.: Das Gesetz der Sprache als Grundlage des Sprachstudiums. Heidelberg 1951, S. 94. 136 Ebenda, S. 102. 137 Deshalb spricht Guchman von einem Chauvinismus, Revanchismus, Sprachimperialismus und Nationalismus der Weisgerberschen Sprachkonzeption (vgl. ryxwaH : JlKHTBHCTHiecKafl τεορκΛ JI. Bettcrep6epa, a. a. O., S. 132, 143 ff.), Seidel von Weisgerber als „Faschisten" und „Sprachimperialisten" (vgl. Seidel, E.: Sprachwissenschaft, „Weltbild" und Philosophie. In: Deutschunterricht, 1958, 7, S. 338ff.). 138 Vgl. dazu Michelsen, P.: Völkische Sprachwissenschaft? In: Deutsche Universitätszeitung, 1956, 4, S. 12. 154

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gehört wohl zu den Besonderheiten eines Volkes, aber als ein Moment neben anderen, ein Moment, das nicht dieses Volk bestimmt, sondern selbst erst durch die objektiven Lebensumstände geprägt wird. Zum zweiten hat die weitgehende Identifizierung von Sprachgemeinschaft und Volk politische Auswirkungen : Sie dient als theoretische Ausgangsposition zur Begründung imperialistischer Annexionen fremder Gebiete unter der Losung der „Volkstumsgrenzen" und unter Berufung auf das Gesetz der Sprache. 159 Die verschiedenen Weltbilder der Sprachen bei Weisgerber sind Unterschiede in der begrifflichen Widerspiegelung der objektiven Realität; sie ergeben sich nicht aus Unterschieden der Sprache, sondern aus Unterschieden im gesellschaftlichen Entwicklungsstand und in den Bedingungen der historischgesellschaftlichen Umwelt. Die Menschen reagieren auf ihre Umwelt unabhängig von den Besonderheiten ihrer Sprache. Es gibt keine zwangsläufige Parallelität zwischen der Struktur einer Sprache und der Begriifsstruktur des Denkens. Dennoch ist in Weisgerbers Kampf gegen die laut- und sachbezogene Sprachwissenschaft - trotz aller idealistischer Verzerrung - eine echte Fragestellung enthalten, weil die Bedeutungsstruktur einer Sprache nicht einfach an der im Augenblick erkannten Gliederung der Sachwelt ablesbar ist. Es gibt zwar keine Zwischenwelt, wohl aber eine Schicht der Bedeutungsgehalte, die mit den Lautsequenzen zu einem bilateral aufgefaßten Zeichen verbunden ist. 160 Aus der Überbewertung der Sprache ergibt sich auch Weisgerbers Stellung in der Geschichte der Linguistik. Für ihn ist Humboldt, der am Anfang der deutschen Sprachwissenschaft steht, eine letzte Autorität. Deshalb wertet er die junggrammatische Tatsachenforschung - die die Entwicklung der modernen Sprachwissenschaft überhaupt erst ermöglicht hat - als einen Rückschritt vom Standpunkt des spätromantischen Idealismus ab. Sicher wird die Linguistik über den Atomismus der Junggrammatiker hinausschreiten müssen, aber zugleich wird sie auch auf deren gesicherten Ergebnissen aufbauen; einen Weg zurück zu Humboldt und seiner romantisch-synthetischen Gesamtkonzeption der Sprache gibt es nicht. 161 Ebensowenig ist es möglich, mit dessen präwissenschaftlichen und metaphorisierenden Begriffen heute eine exakte Sprachwissenschaft aufzubauen. 162 Im ganzen darf man freilich - trotz aller Affinität und trotz der häufigen Berufung Weisgerbers auf Humboldt - die Sprachauffassung Humboldts und die Weisgerbers nicht schlechterdings identifizieren. Auf der einen Seite hat Humboldt selbst den Begriff der „inneren Sprachform" nicht erklärt, sondern nur in zwei Kapitel139

160 161

162

Vgl. dazu vor allem Lorenz, W. : Zu einigen Fragen des Zusammenhangs von Sprache und Gesellschaft - Eine kritische Auseinandersetzung mit L. Weisgerber. Diss. Leipzig 1965, Vorbemerkungen S. 4; S. 2ff., 25ff., 36ff. Vgl. dazu Neumann: Wege und Irrwege, a. a. O., 1961, I, S. 143ff., 149ff. Unter dem Motto „Zurück zu Humboldt" steht auch die Arbeit von Heintel, E.: Sprachphilosophie. In: Deutsche Philologie im Aufriß. Bd. I. Berlin 1957, etwa S. 568 ff. Vgl. dazu Hartmann, P.: Wesen und Wirkung, a. a. O., S. 6, 14, 122, 166.

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Überschriften verwendet, so daß Steinthal dazu schreiben konnte: „Die innere Sprachform ist für Humboldt ein zu hoher Bestimmung geborenes, aber bei ihm immer schwächlich gebliebenes Kind." 1 6 3 „Es war Humboldt nicht möglich, muß ich annehmen, was er hier fühlte, darzustellen." 164 Zu dieser relativen Unklarheit des Begriffes der inneren Sprachform bei Humboldt - der erst in der neuromantischen Sprachwissenschaft zu einem Schlüsselbegriff wird - kommt noch ein zweites: Was bei Humboldt immerhin noch als kühner Ansatz zu werten ist, das komplizierte Verhältnis zwischen objektiver Wirklichkeit, gesellschaftlichem Denken und Sprache zu beleuchten, ist bei Weisgerber ein reaktionärer Rückgriff auf das Gedankengut einer längst überwundenen Epoche des wissenschaftlichen Denkens, auf die Romantik und die mit ihr verbundene Kraft-Terminologie. Zwischen Humboldt und Weisgerber liegt ein Zeitraum von 150 Jahren, die unsere Einsichten in die Zusammenhänge von Natur und Gesellschaft bereichert und zugleich schärfere methodische Maßstäbe in allen Wissenschaften gesetzt haben. Schon deshalb kann es einen Rückweg zu Humboldt und zur Romantik nicht geben. Darüber hinaus enthält Humboldts „Volksgeist" trotz aller Mystifikation - bestimmte materialistische Elemente (weil er weitgehend als geographisch-ethnologisch determiniert angesehen wird); erst bei Weisgerber erscheint dieser Volksgeist primär geistbestimmt und geistbegründet. 165 In Parallele zur geistesgeschichtlichen Literaturwissenschaft, die die positivistische Forschung in ähnlicher Weise abwertete, kann man Weisgerbers Sprachauffassung als „verstehende Linguistik" betrachten. 166 In paralleler Weise fallt die suggestive Sprachgebung in den Schriften Weisgerbers auf, die an die künstlerischen Wirkungen der geistesgeschichtlich orientierten Literaturwissenschaft erinnert. Dort ist eine solche Sprachkraft notwendig, um die Überzeugungskraft ihrer subjektiven Interpretationen zu erhöhen; sie war letztlich ein Ausdruck für ihre rein wissenschaftliche Bankrotterklärung. 4.4.3.

Andere Vertreter der inhaltbezogenen Grammatik

Zu den Neuromantikern gehören neben Weisgerber auch Cassirer 167 , der freilich stärker die neukantianische Erkenntnistheorie auf die Sprache überträgt und die Sprache den anderen symbolischen Formen nebenordnet, und Junker, der einen Ausweg aus der „Krisis der Sprachwissenschaft" sucht durch Betrachtung sprachlicher Ganzheiten, d. h. vor allem der Sinnfunk161 164 163

164 167

10

Die sprachphilosophischen Werke W. v. Humboldts, hrsg. und erklärt von H. Steinthal. Berlin 1883, S. 342. Sbenda, S. 362; vgl. dazu auch Neumann: Wege und Irrwege, a. a. O., S. 139. Vgl. dazu Schankweiler, E.: Wilhelm von Humboldts historische Sprachkonzeption. Diss. Berlin 19S9, S. 6f., 183, 205; vgl. auch Lorenz: Zu einigen Fragen des Zusammenhangs von Sprache und Gesellschaft, a. a. O., S. 38f., 46. Vgl. Hartmann, P.: Wesen und Wirkung, a. a. O., S. 5. Vgl. Cassirer, E.: Philosophie der symbolischen Formen, Berlin 1923. Hfftbig, Sprachwissenschaft

145

tion. 168 Der wesentlichste Vertreter neben Weisgerber ist ohne Zweifel Porzig, der den Begriff der inneren Sprachform neu untersucht hat 1 6 9 , eine Scheidung des methodologischen Positivismus und des eigenen neuromantischen Idealismus versucht 170 und auch die neue Sprachbetrachtung für breitere Kreise dargestellt hat. 1 7 1 Die neuromantische Auffassung ist freilich weniger rein ausgeprägt, der „Ideenhimmel" hat Unterbrechungen, weil Porzig stärker psychologisch als philosophisch arbeitet. 172 Umgekehrt sind die Konsequenzen der Theorie Weisgerbers ablesbar bei Tschirch, der in seinen extremen Folgerungen weitergeht als Weisgerber selbst. Er meint etwa, daß es für die Eskimos keinen Krieg gäbe, weil sie kein Wort für den Krieg kennen, daß man das unterschiedliche Verhalten der Deutschen und Franzosen zum Völkerbund aus den sprachlichen Formen des Wortes in den beiden Sprachen ableiten könne. 173 Damit wird die Wirklichkeit idealistisch aus dem Wort abgeleitet; analog müßte man dann wohl auch sagen, daß Amerika nicht hätte entdeckt werden können, weil es kein Wort für Amerika gab. Tschirch sieht geradezu einen Makel der Junggrammatiker darin, daß es ihnen „um die Sprache, allein um die Sprache" ging 174 ; er will statt dessen die Sprache der Anthropologie und der Literaturwissenschaft dienstbar machen. 175 Die Thesen der inhaltbezogenen Grammatik werden neuerdings auch verfochten von Hans Glinz, der ursprünglich als erster strukturelle Methoden in die deutsche Linguistik eingeführt hat, sich aber in zunehmendem Maße von der strukturellen ab- und der inhaltbezogenen Richtung zugewandt hat. 176 So rechtfertigt jetzt auch Glinz die Zwischenwelt als „die je besondere, von den Menschen in ihren historischen Gemeinschaften mit Hilfe ihrer Sprachkraft geschaffene seelisch-geistige Ordnung, die sich zwischen ihnen und den .Mächten an sich' ausspannt". Sie ist nicht nur ein Vorhang zwischen Mensch und Welt, sondern auch ein „Bildschirm", „von dem dieses Sein überhaupt 168

Vgl. Junker, H. F.: Die indogermanische und die allgemeine Sprachwissenschaft. In: Stand und Aufgaben der Sprachwissenschaft. Festschrift für Streitberg. Heidelberg 1924. 169 vgl. Porzig, W.: Der Begriff der inneren Sprachform. In: Indogermanische Forschungen, 1923. 170 Vgl. Porzig, W.: Sprachform und Bedeutung. In: Indogermanisches Jahrbuch, 1928. 171 Vgl. Porzig, W.: Das Wunder der Sprache. München 1950. 172 vgl. dazu auch Weisgerber, L. : Rezension von Porzig - Das Wunder der Sprache. In: Wirkendes Wort, 1950/51, S. 249; Kandier, G.: Rezension von Porzig - Das Wunder der Sprache. In: Indogermanische Forschungen, 1954, S. 268. 173 Vgl. Tschirch, F.: Weltbild, Denkform, Sprachgestalt. Berlin (West) 1954, S. 86; vgl. auch Tschirch, F.: Einführung in die Sprachwissenschaft. Lehrbrief für das Fernstudium der Oberstufenlehrer. Potsdam o. J., S. 100f. 174 Tschirch, F.: Frühmittelalterliches Deutsch. Halle 1955, S. IV. 175 Vgl. ebenda, S. IV; vgl. auch Tschirch: Weltbild, Denkform, Sprachgestalt, a. a. 0 . , S. 11. 176 Zu dieser Entwicklung vgl. Heibig, G.: Glinz' Weg von der strukturellen Beschreibung zur inhaltbezogenen Grammatik. In: Deutsch als Fremdsprache, 1964, 2. 146

erst für den Menschen sichtbar, geistig faßbar, verstehbar" wird. 177 Die Linguistik fordert zwar - so meint Glinz in seinen späteren Arbeiten - exakte, experimentelle Verfahren; aber sie verlangt auch, daß die durch Experiment gewonnenen Begriffe „die besondere Art der Weltgestaltung gerade dieser Sprache aufzeigen". 178 4.4.4.

Verhältnis von struktureller Linguistik und inhaltbezogener Grammatik

Sowohl die strukturelle Linguistik als auch die inhaltbezogene Grammatik werden von ihren Anhängern als grundsätzliche Neuerungen, ja als Revolutionen in der Sprachwissenschaft aufgefaßt. Der Unterschied besteht jedoch im folgenden: 1. Die inhaltbezogene Grammatik bedeutet eine philosophisch-ideologische Umwertung der Sprachwissenschaft, wie sie schon bei der Wesensbestimmung der Sprache ansetzt und wie sie zu weitreichenden sprachphilosophischen und sprachpolitischen Konsequenzen führt. Die strukturelle Linguistik dagegen ist eine methodologische Neuorientierung der Linguistik, die eine Sprachbeschreibung mit meßbaren und nachprüfbaren methodischen Verfahren anstrebt, dabei aber die kommunikative Rolle der Sprache weiterhin betont und sich von philosophischen Voraussetzungen neopositivistischer oder mechanisch-materialistischer Art - wie sie in einzelnen Schulen gegeben waren - weitgehend befreit hat. 2. Die inhaltbezogene Grammatik ist - im Gegensatz zu der vorwiegend im Ausland ausgearbeiteten strukturellen Linguistik, aber in Übereinstimmung mit der bürgerlichen deutschen Literaturwissenschaft - eine speziell westdeutsche Entwicklung, an der das Ausland nur mit Zurückhaltung teilgenommen hat. Das hat seinen Grund wohl zunächst in der Isolierung der deutschen Wissenschaft während des Faschismus, darin, daß neuere Wissenschaftsentwicklungen in Deutschland kaum bekannt wurden, so daß zumindest die westdeutsche Linguistik nach 1945 im wesentlichen an ihre alten neuromantischen Ansätze von vor 1933 anknüpfte. Diese Isolierung und Abkapselung ist auch von führenden westdeutschen Linguisten bemerkt und registriert worden: So spricht etwa P. Hartmann von dem begründeten Eindruck, als ob die Sprachwissenschaft „besonders in ihrer (westdeutschen Form dadurch etwas aus der internationalen Diskussion geraten ist, daß sie es nicht verstanden hat, sich in ihren Themen und Problemkxeisen den neueren Wissensformen anzupassen, die sich seit längerem um sie herum entwickelt hatten". 1 7 9 177 17β 179

10»

Glinz, H.: Sprache und Welt. Mannheim 1962, S. 27f. Glinz, H.: Der deutsche Satz. Düsseldorf 1957, S. 6. Hartmann, P.: Modellbildungen in der Sprachwissenschaft. In: Studium Generale, 196S, 6, S. 369. Ähnlich hat Baumgärtner von einer „bestimmten Isolierung der deutschen Schule in der internationalen Diskussion" gesprochen (vgl. Baumgärtner, K. : Forschungsbericht „Syntax und Semantik". In : Deutschunterricht für Ausländer, 1967, 2/3, S. 57).

147

Die internationale Zurückhaltung gegenüber der inhaltbezogenen Grammatik ist offensichtlich auch auf den neuromantischen Rückzug zum Begriffsapparat der romantischen Philosophie und den in der Überbewertung der Sprache begründeten Sprachidealismus mit den gezeigten politischen Konsequenzen zurückfuhrbar. Auf der anderen Seite stand die deutsche Sprachforschung in der Praxis noch so stark im Banne der junggrammatischen Tradition, daß man nach 1945 oder noch viel später erst begann, die internationale Diskussion überhaupt zur Kenntnis zu nehmen; insofern ist die inhaltbezogene Grammatik tatsächlich auch eine (west)-deutsche „Sonderform der Auseinandersetzung mit den Junggrammatikern". 180

4.5.

Parallele Erscheinungen im Ausland (General Semantics - Metalinguistik)

Wenn es ähnliche Konzeptionen wie die inhaltbezogene Grammatik auf internationaler Ebene gibt, dann sind es zwei Strömungen in Amerika, die allerdings dort - zumindest in der Fachwissenschaft - von strukturalistischen Tendenzen überspült worden sind: Da ist zunächst die „General Semantics" (etwa Alfred Habdank Korzybski: General Semantics, Chicago 1949), die keine reine Sprachwissenschaft darstellt, sondern eher eine allgemeine Bedeutungs- oder Wertungstheorie; sie wird außerhalb der linguistischen Fachkreise betrieben und setzt ihre Semantik in einen ausdrücklichen Gegensatz zur Linguistik. Die Sprache soll von ihren Trugbildern geheilt werden, die der Wirklichkeit nicht entsprechen. Die „General Semantics" will die sprachlichen Prozesse nicht nur theoretisch beschreiben, sondern vor allem praktisch steuern; es geht ihr nicht primär um die Beziehung von Sprache und Wirklichkeit, sondern um die von Sprache und Sprecher, darum, wie der Sprecher von der Sprache in seinen Handlungen und Gedanken bestimmt wird. 181 Nach Auffassung der General Semantics erkennt der Mensch die Realitât primär mit Hilfe der Sprache. 182 Er ist in einem Netz von Symbolen verfangen, die er für Relationen der Wirklichkeit hält, die aber in Wahrheit nur Relationen der Sprache sind. Deshalb warnt die General Semantics vor einer Identifizierung von Wirklichkeit und Sprache, von „territory" und „map": Oftmals vermittelt die „map" kein Abbild realer Situationen der Wirklichkeit, oftmals entspricht die Struktur unserer Symbolsysteme nicht der Struktur der Wirklichkeit. Statt dessen tragen wir die Struktur unserer Sprache in die Struktur der Wirklichkeit hinein und stellen auf diese Weise die Wirklichkeit gar nicht mehr so dar, wie sie ist, sondern wie sie durch das Gitter unserer Muttersprache erscheint. Das Denken wird damit zum Sklaven 180 181

1M

Neumann: Wege und Irrwege, a. a. 0 . , S. 128f. Das Verhältnis von Sprache und Sprecher wird innerhalb der marxistischen Semiotik von der Pragmatik beschrieben. Vgl. dazu Klaus, G. : Die Macht des Wortes. Berlin 1965, S. 14, 18 ff. Vgl. dazu und zum folgenden ausführlicher Neubert, λ . : Semantischer Positivismus in den USA. Halle 1962, S. 22f., 150ff.

148

der Sprache. Die Sprache ist ein vorgegebenes Schema, durch das der Mensch die Wirklichkeit immer schon in einer bestimmten Anordnung und Gliederung sieht. Die falsche Identifizierung von Wirklichkeit und Sprache, von Sache und Wort ist für die General Semantics das Grundübel der bisherigen Philosophie: Der Mensch hält die Struktur der Sprache für die Struktur der Wirklichkeit ; er glaubt, sich an der Wirklichkeit zu orientieren, orientiert sich aber in Wahrheit nur an der Sprache. Das spezifische pädagogische Anliegen der General Semantics besteht darin, den einfachen Menschen zu belehren und von dieser Identifizierung, von dieser Tyrannei des Wortes zu befreien. Mit dieser Sprachkritik glaubt man, gesellschaftliche Widersprüche zu beseitigen. Diese Sprachkritik beschränkt sich nicht auf die These von der Nicht-Identität von Wirklichkeit.und Sprache, sondern führt weiter zu einer Kritik an allen Abstraktionen, die nur „Als-ob-Wert" haben und nicht die volle Wirklichkeit widerspiegeln können. Alle Abstraktionen und Symbolisierungen sind für die General Semantics fragwürdig, solange sie nicht als Vereinfachungen und Vergröberungen erkannt werden. Auch politische Abstraktionen (Klassenkampf, Faschismus usw.) seien Begriffe, die die Menschen - nach Meinung der General Semantics - fälschlicherweise für Abbilder der Wirklichkeit halten. Eine solche Konzeption führt letztlich zur agnostizistischen Leugnung der Erkennbarkeit der Welt, führt zur Leugnung jeder Abstraktionsmöglichkeit und steht politisch im Dienste der imperialistischen Sprachmanipulation. In diesem Sinne ist der Mensch nicht fähig, mit Hilfe der Sprache ein Abbild von der Außenwelt zu erhalten; das „Abbild", das er erhält, trägt schon den Stempel eben dieser Sprache. Die Natur unserer Sprache beeinflußt also unser Wissen von der Welt: Die Sprache abstrahiert, ordnet, klassifiziert für uns, wo wir glauben, das selbst zu tun. Die Sprache ist somit ein trügerischer Spiegel der Realität. Der Mensch steht unter dem bestimmenden Einfluß seiner Muttersprache - das entspricht durchaus der Theorie Weisgerbers - ; er ist ein Sklave dieser Sprache und muß sich - das unterscheidet die General Semantics von der inhaltbezogenen Grammatik - dieser Sklaverei bewußt werden und sich auf diese Weise befreien. Noch näher der inhaltbezogenen Grammatik verwandt ist die „Metalinguistics" von Benjamin Lee Whorf, der unabhängig von Humboldt und Weisgerber ganz ähnliche Gedanken entwickelt hat. 1 8 3 Die Sprache ist für ihn kein bloßes Verständigungsmittel, sondern enthält ein bestimmtes Weltbild. Menschen, die verschiedene Sprachen sprechen, haben für Whorf eo ipso ein verschiedenes Weltbild. Ähnlich wie für Weisgerber ist auch für Whorf und seine kulturanthropologische Metalinguistik die Sprache mehr als ein bloßes Mittel im Kommunikationsprozeß ; sie ist ein Gestalter der Gedanken, determiniert die Art, wie die Wirklichkeit gesehen wird, und läßt ein „lin1βΐ

Vgl. etwa Whorf, B.L.: Collected Papers of Metalinguistics. Washington 1952; Whorf, B. L.: Four Articles on Metalinguistics. Washington 1952; Whorf, B. L.: Language, Thought, and Reality. New York 1956; Whorf, B. L.: Science and Linguistics. In: Readings in Applied English Linguistics, ed. by Allen. New York 1964.

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guistic Weltanschauung problem" entstehen. 184 Für Whoif gliedern die Sprachen die Natur und die Gegenstände unserer Erfahrung verschieden. Das System einer Sprache ist „not merely a reproducing instrument for voicing ideas but rather is itself the shaper of ideas, the program and guide for the individual's mental activity". 185 Die Kategorien der Wirklichkeit finden wir nach Whorf nicht in der Wirklichkeit selbst, noch sind sie zufällig, sondern wir finden sie in den sprachlichen Systemen unseres Denkens. Auf diese Weise reiht sich die Konzeption Whorfs ein in das Bestreben der General Semantics, Sachliches in Sprachliches umzumünzen. Der Mensch gliedert die Natur nach der Muttersprache und kann die Realität nur durch dieses Gitter betrachten. Damit erscheint alle Erkenntnis als von der Sprache bedingt. Es handelt sich um eine ausgesprochen metalinguistische Fragestellung unter dem Thema der „Beziehung des gewohnheitsmäßigen Denkens und des Verhaltens zur Sprache" - wie es im Titel einer der wichtigsten Schriften von Whorf heißt - ; einer solchen metalinguistischen Fragestellung ist von der Mikrolinguistik vor allem strukturalistischer Herkunft wenig - ohne Zweifel : zu wenig - Wert zugemessen worden. Da die Sprache nach Whorf unser Bild von der Welt formt und färbt, die Wörter gleichsam Akzente auf das Ungegliederte setzen, kommt es der Metalinguistik darauf an, durch das Studium der Sprachen zur „Erkenntnis" der Natur zu gelangen. Einsichten in die Welt werden also - wie in der General Semantics - reduziert auf Einsichten in die Sprachstruktur, entsprechend der Formulierung Wittgensteins, alle Philosophie sei Sprachkritik. Auf diese Weise verspricht man sich durch das metalinguistische Studium einen gewissen therapeutischen Nutzen: Indem der Sprache die Schlüsselstellung im menschlichen Dasein zuerkannt wird, werden etwa auch Neurosen aus bestimmten Wortsystemen abgeleitet. Damit wird freilich die Bewältigung der Sprache für ein geregeltes Leben höher eingeschätzt als die gesellschaftliche Praxis. Die tatsächliche Reihenfolge der Abhängigkeit (1. ökonomische Basis, 2. ideologischer Überbau, 3. Sprache) wird geradezu umgekehrt: Die Sprache wirkt auf das Denken, das Denken gestaltet das Sein. 186 Die Überschätzung der Rolle der Sprache in der Gesellschaft prägt sich in der Weise aus, daß sie als eine das Denken und Handeln determinierende Kraft angesehen wird, nicht als ein Werkzeug der Kommunikation im Dienste der gesellschaftlichen Praxis. Whorf hat bei der Entwicklung seiner Hypothese offensichtlich einige von seinen eigenen Erfahrungen als Angestellter einer Feuerversicherungsgesellschaft zu verallgemeinern versucht: So sind etwa leere Benzinfässer gefährlicher als volle, wenn sie als leer gekennzeichnet sind und in Wahrheit doch nicht ganz leer sind; in diesem Falle 184

185 186

Vgl. dazu Carroll, J. Β.: The Study of Language. Cambridge/Mass. 1955, S. 43; Neubert: Semantischer Positivismus, a..a. O., S. 91 ff.; Neubert, Α.: Kulturanthropologische Metalinguistik und semantischer Positivismus. In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung, 1962, 3/4, S. 302. Whorf: Science and Linguistics, a. a. O., S. 62. Vgl. dazu Neubert: Semantischer Positivismus, a. a. O., S. 119.

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entspricht die „map" durchaus nicht dem „territory", und die Menschen lassen sich in ihrem Handeln durch das falsche sprachliche Etikett verleiten.187 Auf diese Weise soll auch in der kulturanthropologischen Metalinguistik der Blick immer wieder auf das linguistische Substrat unseres Denkens und Handelns gerichtet werden, so daß sich schließlich alle Gesellschaftswissenschaft auf die Sprachkritik reduziert. Auch wenn dieser Gedanke Whorfs ein anderes Vorzeichen trägt (die Sprachen enthalten mentalistische Anschauungen als Weltbilder, die unserem naturwissenschaftlichen Zeitalter nicht entsprechen), so kann Whorf als echte Parallele zur deutschen Sprachinhaltsforschung, ja geradezu als amerikanischer Weisgerber angesehen werden.188 Gemeinsam ist beiden Richtungen nicht nur die Überbewertung der Sprache innerhalb der Gesellschaft, sondern auch die Ausweitung der Sprachwissenschaft zur Sprachphilosophie und Sprachpolitik, eine Tendenz, auf die im Falle der Metalinguistik Neubert nachdrücklich hingewiesen hat. 189 Die Sprache hat gleichsam einen aktiven Charakter, durch den sie auf den Menschen und auf die Gesellschaft - nicht zuletzt im Sinne der imperialistischen Politik - einwirken kann. Damit soll in keiner Weise der rationelle Kern der anthropologischen Beziehung der Linguistik gïleugnet werden, wie sie etwa in der Ethnolinguistik ihren Ausdruck findet, die aus der Anwendung linguistischer Methoden auf das Gebiet der Sprachinhalte und der Bedeutungen entsteht, der mathematisch-strukturellen Linguistik entgegengesetzt ist und sprachliche Modelle eher mit der Kultursoziologie verbindet.190 Eine solche anthropologische Beziehung bildet nicht nur den Gegenstand der soziolinguistischen Richtungen190®, sondern ist auch für die Grundlegung einer marxistischen Sprachtheorie erforderlich. Die Metalinguistik als reaktionäre Variante dieser anthropologischen Strömungen geht nicht auf Bloomfield, sondern auf Whorfs Lehrer und Freund Sapir zurück; deshalb spricht man auch von der Sapir-Whorf-Hypothese.191 Ihr Wesen besteht darin, daß die Sprache als Führer zur Erfassung der Wirklichkeit begriffen wird, daß der Sprache eine führende Rolle bei unserer Orientierung in der Welt zugesprochen wird. Ähnlich wie Whorf und ebenso 187

Vgl. ebenda, S. 132. Vgl. dazu Gipper, H.: Bausteine zur Sprachinhaltsforschung. Düsseldorf 1963, S. 55, 281ÍT. 189 Vgl. Neubert: Semantischer Positivismus, a. a. O., S. 123ff., 131; Neubert: Kulturanthropologische Metalinguistik, a. a. O., S. 301 ff. 190 Vgl. dazu AnpecHH, IO. JJ,. : CoepeMeHHue mctoam my-jema 3HaieHHfl κ HeKOTopwe npoÖJieMM cxpyKTypHoS JIHHTBHCTHKH. In: FIpoöJieMhi crrpyrrypHoe ΛΗΗΓΒΗΟΤΗΚΗ. Mocraa 1963, S. 116f. 190» Vgl. etwa Greenberg, J.: Language and Evolution. In: Evolution and Anthropology. A Centennial Appraisal. Ed. by Β. J. Meggars. Washington 1959; vgl. auch die Arbeiten von Hockett, Lenneberg, Skalicka und nicht zuletzt den Einfluß von F. Engels auf diese Richtung. 191 Vgl. 3BerHRueB, Β. A. : TeopeTHKO-jniHrBHCTHHecKHe npeanocwiKH Γκποτβ3Η Ceiuipayopa. In: Ho eoe Β jiHHTBucTHKe. Bun. I . MOCK sa 1961, S. 11 Iff. 188

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unier Berufung auf Sapir hat Hoijer als zentrale These der Metalinguistics die Annahme ausgesprochen, daß Menschen, die verschiedene Sprachen sprechen, in verschiedenen „worlds of reality" leben. 192 Das ist im Grunde die These der inhaltbezogenen Grammatik in Westdeutschland und die der Metalinguistik in den USA.

4.6.

Niederschlag in der Sprachbeschreibung

Um die Konzeption der inhaltbezogenen Grammatik noch etwas zu verdeutlichen und zugleich Anwendungen in der praktischen Sprachbeschreibung zu zeigen, wenden wir uns drei Beispielen zu, in denen die Bedeutung und zugleich die Grenze der inhaltbezogenen SprachaufFassung deutlich werden dürften.

4.6.1.

Der Begriff des sprachlichen Feldes

Ein zentraler und fruchtbarer Begriff der inhaltbezogenen Grammatik ist der des sprachlichen Feldes. Zum ersten Mal wird der Begriff des Feldes in der Sprache wohl von Ipsen 1924 gebraucht; Ipsen sprach von einem „Bedeutungsfeld", „das in sich gegliedert ist; wie in einem Mosaik fügt sich hier Wort an Wort". 1 9 3 Seit Trier hat sich dann der Feldbegriff in der Sprachwissenschaft eingebürgert; Trier verstand unter den Feldern „Gliederungseinheiten zwischen dem Ganzen einer Sprache überhaupt und den einzelnen Wörtern und Formen". 1 9 4 So empfangt das Einzelwort erst vom Ganzen des Feldes her seine genaue und differenzierte Bedeutung, die immer von der des Feldnachbarn abhängt. 195 Das Einzelwort „bedeutet nur in diesem Ganzen und kraft dieses Ganzen"; denn „nur im Feld gibt es Bedeutung". 196 Jedes Einzelglied der Sprache ist „durch seinen Stellenwert im Ganzen der Sprache bestimmt ... Das Wort ergliedert sich aus dem Ganzen des gebauten, gegliederten Wortschatzes, und umgekehrt gliedert sich der Wortschatz aus in die einzelnen Worte". 1 9 7 Im Vorwort seines Hauptwerkes „Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes" hat Trier den Feldbegriff am 192 193

194

195 196 197

Hoijer, H.: The Relation of Language to Culture. In: Anthropology Today. Chicago 1953, S. 558. Ipsen, G.: Der alte Orient und die Indogermanen. In: Stand und Aufgaben der Sprachwissenschaft. Festschrift für Streitberg. Heidelberg 1924, S. 225; vgl. dazu auch Trier, J.: Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes. Heidelberg 1931, S. 11. Trier, J.: Sprachliche Felder. In: Zeitschrift für deutsche Bildung, 1932, S. 418; vgl. dazu auch Trier: Der deutsche Wortschatz, a.a.O., S.4; Scheidweiler, J.: Zur Wortfeldtheorie. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, 1942, 3/4, S. 249 f. Vgl. Trier: Der deutsche Wortschatz, a. a. O., S. 2f. Ebenda, S. 5 f. Trier, J. : Das sprachliche Feld. In : Neue Jahrbücher für Wissenschaft und Jugendbildung, 1934, 5, S. 429.

152

Beispiel der Zensurenskala und des Wortes „mangelhaft" verdeutlicht, das in seinem Inhalt und Umfang nur voll zu verstehen ist, wenn man die ganze Werteskala vor Augen hat; denn nur von den anderen Werten des Feldes wird die Bedeutung als „mangelhaft" letztlich bestimmt. 198 Im Anschluß an Trier haben sich dann verschiedene Arten des Wortfeldes das Porzigs, das Ipsens, das Weisgerbers und das Jolies' - herausgebildet, auf deren Unterschiede wir hier im einzelnen nicht eingehen können. 199 Für Porzig gibt es zwei Arten von Bedeutungsfeldern : 1. einbegreifende Bedeutungsfelder vom Typ „blond" - „Haar", „Baum fallen", „Auge" - „sehen", „bellen" - „Hund", von Porzig auch als „wesenhafte Bedeutungsbeziehungen" bezeichnet; 2. aufteilende Bedeutungsfelder vom Typ der Farben oder der sittlichen Werte. Die einbegreifenden Bedeutungsfelder sind syntagmatisch, nicht paradigmatisch wie die Felder Triers; die aufteilenden Bedeutungsfelder entsprechen dagegen weitgehend den Feldern Triers. Jolies bezeichnet als „Bedeutungsfelder" solche Beziehungen wie zwischen „rechts" und „links", „Vater" und „Sohn", „Tag" und „Nacht". Das entspricht ζ. T. dem BegriffTriers, reduziert ihn aber -auf Antonyme und Korrelationsbegriffe, bei denen eine Lückenlosigkeit des Feldes noch am ehesten angenommen werden kann. Für Weisgerber ist das sprachliche Feld „ein Ausschnitt aus der sprachlichen Zwischenwelt, der durch die Ganzheit einer in organischer Gliederung zusammenwirkenden Gruppe von Sprachzeichen aufgebaut wird". 2 0 0 Gemeinsam ist diesen Feldbegriffen der Ausgangspunkt von de Saussure, von der systemhaften Gliederung der Sprache im synchronischen Bereich, und die Einbettung in die inhaltbezogene Grammatik Weisgerbers.201 Das ist von Trier selbst ausgesprochen worden, wenn er seine Wortfelder als ein Mittel verstehen will, „ein Stück sprachlichen Weltbildes zu erkennen". 202 Triers Ziel ist zwar nicht Sprachgeschichte im Spiegel der Geistesgeschichte (wie bei Voßler), sondern „Geistesgeschichte nur in der Sprachgeschichte". 203 Damit werden auch bei Trier - wie bei Weisgerber, aber im Unterschied zu 198 199

200

201

202 i03

Vgl. Trier: Der deutsche Wortschatz, a. a. O., S. 6f. Vgl. Porzig, W.: Das Wunder der Sprache. München 1950, Kap. 2; Porzig, W.: Wesenhafte Bedeutungsbeziehungen. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur. Bd. 58. Halle 1934, S. 70ff.; Trier : Das sprachliche Fei d, a. a. O., S. 431,441 ff., 447 ; Trier, J . : Deutsche Bedeutungsforschung. In : Germanische Philologie. Festschrift für O. Behaghel. Heidelberg 1934, S. 189ff.; Jolies, Α.: Antike Bedeutungsfelder. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, 1934, S. 97ff.; öhman, S.: Wortinhalt und Weltbild. Stockholm 1951, S. 74ff. Weisgerber, L.: Vom Weltbild der deutschen Sprache. 1. Halbband. Düsseldorf 1953, S. 91. Vgl. dazu Trier: Der deutsche Wortschatz, a. a. O., S. 11; Trier: Deutsche Bedeutungsforschung, a. a. O., S. 173 ff. Trier: Der deutsche Wortschatz, a. a. O., S. 20. Ebenda, S. 22.

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de Saussure - sprachliche Tatbestände transzendiert. Das hat Ipsen wohl am deutlichsten ausgesprochen, wenn er das Ordnungsgefüge der Sprache „Welt" nennt und wenn es ihm als eine „Paradoxie der Sprache" erscheint, „daß sie wesentlich nicht Sprache ist, sondern Welt". 204 Daß der Feldbegriff ein konstitutives Element der inhaltbezogenen Grammatik ist, ist vor allem auch in der Auseinandersetzung Weisgerbers und Triers mit Dornseiff deutlich geworden, der die traditionelle Semasiologie durch die Onomasiologie ersetzte und den Wortschatz nach „Sachgruppen" ordnete 205 , die unmittelbar der Wirklichkeit entstammten und außersprachlich waren. Dornseiff lehnte den Begriff der „inneren Sprachform" und den Trierschen Feidbsgriff ab ; die sprachlichen Felder sind für ihn nichts anderes als eine „logische Verabsolutierung von Sachgruppen", die man „getrost wieder auf die Erde herunterholen" könne. Für Dornseiff sind die Wörter „nicht als Ganzes gegliedert und voneinander abhängig". 206 Diese Orientierung Dornseiffs ist von Weisgerber als „außersprachlich" abgewiesen worden, weil sie sich an den Sachen der Außenwelt orientiere und die entscheidende Schicht der Sprachinhalte überspringe.207 Für Dornseiff hingegen war die Forderung der inhaltbezogenen Grammatik, die Sprachinhalte in die Sprachwissenschaft einzubeziehen, „so ungeheuerlich, lädt der Sprachwissenschaft so viel auf, daß ihr letztes Stündlein gekommen wäre, wenn es stimmte". 208 Es ist nicht zufällig, daß die Bedenken gegen den Feldbegriff nicht geschwunden sind, sondern sich im Gegenteil - auf Grund konkreter Faktenbsobachtung - gemehrt haben. So hat Betz das Wortfeld der positiven Verstandisqualitäten praktisch überprüft und dabei gezeigt, daß der Sprachschatz „nicht in erster Linie unter sich gegliedert ist", „sondern auf das Gemeinte hin, auf den jeweiligen Sach- und Sprechzusammenhang hin". 209 Eine strenge Ordnung der Felder erscheint dadurch eher als „ein Wunschbild"; in Wirklichkeit gibt es mehr „Lücken und Überschneidungen".210 Daraus zieht B;tz den Schluß, dsn Terminus besser aufzugeben, da das Feld „keine wesensmäßige, existierende Form des Sprachschatzes" ist. 211 Erst 204 209

206 207

208 209 210 211

Ipsen, G.: Der neue Sprachbsgriff. In: Zeitschrift für Deutschkunde, 1932, S. 15. Vgl. Dornseiff, F.: Das Problem des Bedeutungswandels. In: Zeitschrift für deutsche Philologie, 1938, S. 126; Dornseiff, F.: Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen. Berlin (West) 1954, S. 11 (und das gesamte Vorwort). Dornseiff: Das Problem des Bedeutungswandels, a. a. O., S. 126f.; vgl. auch S. 121, 131. Vgl. Weisgerber, L. : Die Bedeutungslehre - ein Irrweg der Sprachwissenschaft? In: Germanisch-Romanische Monatsschrift, 1927, S. 178; Weisgerber, L.: Zur innersprachlichen Umgrenzung der Wortfelder. In: Wirkendes Wort, 1951/52, S. 139f.; Weisgerber: Vom Weltbild, 1. Halbband, a. a. O., S. 151. Dornseiff: Zum Problem des Bedeutungswandels, a. a. O., S. 131. Betz, W.: Zur Überprüfung des Feldbegriffes. In: Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete der indogermanischen Sprachen, 1954, 3/4, S. 195. Ebenda, S. 191. Ebenda, S. 197f.

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recht ist der Feldbegriff schwierig zu handhaben bei nicht-intellektuellen, nicht-systematisierten, dinglichen Bereichen. 212 Auch theoretisch haben sich immer mehr Bedenken gegen den Begriff des sprachlichen Feldes angemeldet, der ja nicht auf den Wortschatz beschränkt geblieben, sondern auch auf den Satzbau ausgedehnt worden ist. Dieser Begriff ist nicht immer das Resultat überreicher sprachlicher Beobachtungen gewesen, sondern erklärt sich - zumindest partiell - auch aus dem geistesgeschichtlichen Zug nach Deutung, aus einem „zeitgeschichtlichen Bedürfnis, nämlich aus der Suche nach überindividuellen Werten". 213 Damit wird er wie die Zwischenwelt selbst, zu deren Auf bauprinzipien er gehört - zu einem außerwissenschaftlich-philosophischen Theorem, das man ablehnen oder bejahen kann. Es scheint, daß die inhaltbezogene Grammatik auch hier philosophische Konzeptionen auf die Sprache angewandt hat, die die Sprache selbst nicht immer bestätigt. 214 Weil man glaubt, daß die Sprache eine bestimmte Ordnung haben muß, findet man dann in der Sprache diese Ordnung in Gestalt von Feldern. Auch im Bereich der inhaltbezogenen Grammatik selbst ist der Feldbegriff durchaus nicht konstant und eindeutig. Die mosaikartige Vorstellung, die am Anfang gestanden und in der Zensurenskala einen deutlichen Ausdruck gefunden hatte, wird heute weder von Trier noch von Weisgerber aufrechterhalten. Auch die Vorstellungen Triers und Weisgerbers selbst sind verschieden: Trier erläutert neuerdings den Feldbegriff mit dem Pferderennen, bei dem die Pferde ihre Position zueinander und zum Ziel ständig ändern, Weisgerber dagegen mit einem Bündel von Scheinwerfern, die einen Sinnbezirk erhellen. 215 Wenn man die Lückenlosigkeit und den Mosaikcharakter des Feldes aufgibt und die absolute Feldbestimmtheit relativiert, ist natürlich ein wesentlicher Grundstein der ursprünglichen Konzeption - offenbar unter dem Eindruck cfer Tatsachen - herausgebrochen. 216 Ohne Zweifel liegen im Feldbegriff der inhaltbezogenen Grammatik viele Verdienste; diese müssen um so mehr hervorgehoben werden, als sie auf 212 213

214

215 216

Vgl. dazu kritisch auchyjn>MaH,C.:flecKpHnTHBHa«c e M a m r H i c a H jiHHrBHCTHHecKan In: Hoeoe Β ΠΗΗΓΒΗΟΤΗΜ. ΒΜΠ. II. MOCKBÎ 1962, S. 20f. Kandier, G.: Die „Lücke" im sprachlichen Weltbild. In: Sprache - Schlüssel zur Welt. Festschrift für L. Weisgerber. Düsseldorf 1959, S. 259. K. zeigt vom sprachlichen Material her die „Lücken" der Felder und des sprachlichen Weltbildes. Vgl. bereits die Debatte mit Sperber; vgl. dazu Sperber, H.: Zwei Arten der Bedeutungsforschung. In: Zeitschrift für deutsche Bildung, 1930, 5, S. 233; Weisgerber, L.: Zu Sperbers „Zwei Arten der Bedeutungsforschung". In: Zeitschrift für deutsche Bildung, 1930, 10, S. 509; vgl. dazu auch Fröhlich, Α.: Der gegenwärtige Stand der Bedeutungslehre. In: Zeitschrift für Deutschkunde, 1926, S. 338. Vgl. Gipper, H.: Rezension zu P. Hartmann - Wesen und Wirkung der Sprache im Spiegel der Theorie Weisgerbers. In: Indogermanische Forschungen, 1960, 1, S. 61. Kritisch zum Feldbegriff vgl. auch Fleischer, W.: Zur Frage der Namenfelder. In: Wiss. Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig. Gesellschafts- und Sprachwiss. Reihe, 1962, 2, S. 319f.; Ricken, U.: Onomasiologie oder Feldmethode? In: Beiträge zur romanischen Philologie, 1961, 1; YKMUEBA, Α . Α . : Ο Π Μ Τ MYIEHHSI jieKCHKH Kaie cHcreMU. Mocicea 1962.

ΤΗΠΟΛΟΓΗΗ.

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semantischer Ebene liegen und die strukturelle Linguistik, die mit einer Strukturierung der phonologischen Ebene begann, danach die grammatische Ebene mit strukturellen Methoden bearbeitete und erst seit wenigen Jahren sich einer strukturellen Semantik zuwendet, auf dem Gebiet der Semantik bis heute kaum etwas Vergleichbares hervorgebracht hat. 217 Überhaupt ist der Feldgedanke - obwohl in der inhaltbezogenen Grammatik entwickelt - eine echte strukturelle Idee, die aus der Systemhaftigkeit der Sprache erwachsen ist. Aber die Verifizierung dieser Idee in der praktischen Forschung ist der inhaltbezogenen Forschung weithin versagt geblieben, weil sie weiterhin mit intuitiven Methoden arbeitet. Namentlich Apresjan hat betont, daß zu den entsprechenden strukturellen Ideen auch strukturelle Methoden gehören, die von der inhaltbezogenen Grammatik kaum angewandt werden. 21 * Trotz der ausführlichen Kritik - vor allem an der theoretischen Konzeption, am ideologischen Ausbau und den sich daraus ergebenden sprachpolitischen Schlußfolgerungen - sollen gewisse Verdienste der inhaltbezogenen Grammatik nicht geleugnet werden. Zu ihnen gehört sicher der Begriff des sprachlichen Feldes. Darüber hinaus gelingt es - im Unterschied zur traditionellen und auch zur strukturellen Linguistik - der inhaltbezogenen Grammatik in besonderem Maße, den Feinheiten inhaltlicher Nuancierungen im Sprachgebrauch nachzugehen und damit einen Weg von der Grammatik zur Stilistik zu bahnen. So ist beispielsweise aus der traditionellen Grammatik bekannt, daß im Deutschen manche freien Dative bei Körperteilen durch Genitive (oder Possessivpronomina) ersetzbar sind: Er blickt ihm ins Gesicht - Er blickt in sein Gesicht. Die traditionelle Grammatik ging kaum über die Feststellung der semantischen Äquivalenz beider Ausdrücke hinaus, die strukturelle Linguistik explizierte mit Hilfe von Transformationen diesen Dativ als besondere Gruppe des Dativs nicht auf Grund inhaltlicher Besonderheiten, sondern eben auf Grund der Möglichkeit dieser Transformation, die bei anderen Dativen nicht zulässig ist. Aber sowohl in der traditionellen als auch in der strukturellen Grammatik wurden dabei die inhaltlichen Unterschiede beider Äußerungen vernachlässigt. Gerade um solche inhaltliche Feinheiten ist die inhaltbezogene Grammatik in besonderem Maße bemüht, auch wenn diese Beobachtungen impressionistisch-subjektiv bleiben.

4.6.2.

Die „Akkusativierung" des Menschen

Als zweites Beispiel für die inhaltbezogene Sprachbeschreibung wählen wir Weisgerbers These von der „Akkusativierung" des Menschen. Weisgerber geht von der sprachlichen Beobachtung aus, daß in der modernen deutschen Sprache vielfach ein älterer Dativ durch einen jüngeren Akkusativ ersetzt wird (Ich liefere ihm die Butter Ich beliefere ihn mit Butter). Entsprechend seiner Konzeption bleibt er jedoch nicht bei diesem linguistischen Befund 217

V g l . d a z u PeB3HH, H . H . : CrpyicTypHaa JIHHTBHCTHKSÌ H CUHHCTBO SOBUCCMIAHHH. I n : B o n p o c u *3biK03HaHH«, 1965, 3. 218 V g l . AnpecHH, KD. ÁHcrpH6yniBin>ifi amuras SHaieimfi H CTpyirrypHHe ceMairra· HCCKHC n e u n . I n . JIeicc&Korpa4»i'iecKHä CÖOPHHK. B u n . 5. M o o c e a 1 9 6 2 , S. 5 2 f.

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stehen, sondern versucht-im Rahmen einer inhalt-, leistung- und wirkungbezogenen Betrachtung - eine sprachphilosophische Deutung dieser sprachlichen Tatsachen. Während im Dativ der Mensch als sinngebende Person gleichsam im Mittelpunkt des Geschehens stehe, werde der Mensch im Akkusativ zum Objekt und zum Schauplatz eines Eingriffs. 219 Weisgerber möchte zeigen, daß „der, dem ein Kaufmann Waren liefert, zu einem wird, den die Firma mit Waren beliefert" (das ist zunächst der linguistische Befund), daß damit zugleich der Mensch „deutlich aus der Rolle der sinngebenden Person heraus" rückt; „er ist nicht mehr der persönliche Kunde, sondern die Nummer der Lieferliste" 220 (das ist die sprachphilosophische Deutung). Auf diese Weise erscheint es Weisgerber unbestreitbar, „daß jede Akkusativierung, insbesondere jede Ablösung persönlicher Dative durch Akkusative, den Menschen aus seiner gedanklichen Stellung als sinngebender Person herausrückt und ihn den Gegenständen des geistigen Machtausübens und des tatsächlichen Verfugens annähert". 2 2 1 Prototyp für eine solche Verschiebung vom Dativ zum Akkusativ seien im Deutschen die Verben mit ,,be"-. Ihre Deutung durch Weisgerber resultiert aus seiner Sprachkonzeption, will er doch gerade durch diese Beispiele die „primäre Wirkung der Sprache", die Sprache „als mitgestaltende Kraft" zeigen. Die sprachliche Überführung des Menschen in die Rolle des Akkusativobjekts ist für Weisgerber also nicht „eine Sache des Ausdrucks, sondern im Kern der Vollzug eines gedanklichen Verfahrens, durch das der Mensch in eine bestimmte geistige Lage gebracht wird - eine Lage, die dann auch für das tatsächliche Verhalten nicht ohne Folgen bleibt". 222 Entscheidend ist somit für Weisgerber nicht, „daß man sich über Tatbestände so oder so ausdrückt", sondern daß die sprachlichen Inhalte sprachliche Leistungen und Wirkungen entfalten können, daß die Sprache auf Grund ihrer „wirkenden Kraft" letztlich auch das Verhalten des Menschen determiniert, „daß mit dem WirksamWerden bestimmter muttersprachlicher Möglichkeiten die Menschen geistig in die oder die Rolle gebracht werden und daß dabei festgelegt wird, wie mit ihnen geistig und auch tatsächlich verfahren wird". 223 Damit wird vollends deutlich, daß tatsächlich „zwischen dem Denken in Funktionen und dem Denken in Leistungen mehr steckt als nur ein Unterschied zwischen fremdem und einheimischem Wort". 2 2 4 Das wird noch einleuchtender, wenn im Anschluß an eine solche Konzeption Sternberger die Tendenz zur „Akkusativierung des Menschen" als Ausdruck 219 220 221 222 223 224

Vgl. Weisgerber, L.: Der Mensch im Akkusativ. In: Wirkendes Wort, 1957/58, 4, S. 200f. Weisgerber, L.: Verschiebungen in der sprachlichen Einschätzung von Menschen und Sachen. Köln/Opladen 1958, S. 68. Ebenda, S. 69. Weisgerber: Der Mensch im Akkusativ, a. a. O., S. 201. Weisgerber: Verschiebungen in der sprachlichen Einschätzung, a. a. O., S. 36. Weisgerber, L.: Zur Entmythologisierung der Sprachforschung. In: Wirkendes Wort, 3. Sonderheft 1961, S. 36.

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der Inhumanität des Menschen deutet 225 , wenn Höllerer und Korn solche Veränderungen der Kasus als Veränderungen der Gedankenwelt verstehen226. Auch die westdeutsche Duden-Grammatik vermutet hinter der Akkusativierung „die geistige Haltung des modernen Massenzeitalters", „aus der heraus der Mensch schließlich auch ,berentet' wird". 227 Daß eine solche Deutung sprachlicher Tatbestände eine inhaltbezogene Überinterpretation darstellt, haben bereits Kolb und Betz überzeugend nachgewiesen.228 Einmal gibt es innersprachliche Gründe für die neuere Ausbreitung des Akkusativs, so daß man keine Zuflucht zu außersprachlichen Spekulationen zu suchen braucht. Zum anderen ist die Tendenz zur Akkusativierung durchaus nicht auf die Gegenwartssprache beschränkt, sondern schon in früheren Zeiten nachweisbar, bei denen sicher auch bürgerliche Soziologen zögern würden, von einem Massenzeitalter zu sprechen. Schließlich wäre zu bemerken, daß es sich bei manchen angenommenen inhaltlichen Unterschieden (Ich rufe dir - Ich rufe dich) einfach um dialektal bedingte Unterschiede handelt, die nichts mit einer besonderen Sehweise oder Wertung zu tun haben. Deshalb hat Kolb wohl den Nagel auf den Kopf getroffen mit seiner Feststellung, daß der Akkusativ „weder inhuman noch human" ist, „sondern eine grammatische Form, die von human und inhuman Gesinnten gebraucht werden kann". 229 Eine solche inhaltbezogene Überinterpretation ist nicht primär Ausfluß der sprachlichen Tatsachen, sondern einer „panlinguistischen" Sprachkonzeption, die die Macht der Sprache überschätzt und manchmal geradezu die Form pines „wortmagischen Glaubens" annimmt, die „alles Denken und Handeln weithin durch vorgegebene Sprachformen bestimmt sein" läßt. 230 223 226

227 228

229 230

158

Sternberg«·, D./Storz, G./Süskind, W. E.: Aus dem Wörterbuch des Unmenschen München 1962, S. 20f; 87ff. Vgl. Höllerer, W.: Zur Sprache im technischen Zeitalter. In: Sprache im technischen Zeitalter, 1962, 4, S. 285f.; Korn, K.: Sprache in der verwalteten Welt. München 1962; Korn, K.: „in der verwalteten Welt". In: Sprache im technischen Zeitalter, 1962, 5, S. 366. Für Korn ist Sprachwissenschaft immer „Sinnwissenschaft. Ihre Aufgabe ist nicht willkürliche Wertung, sondern die Feststellung von Sinnbezügen". Der Große Duden. Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. Hrsg. v. Grebe, P., Mannheim 1959, S. 465. Vgl. Kolb, H.: Der inhumane Akkusativ. In: Zeitschrift für deutsche Wortforschung, 1960, 3, S. 168ff.; Kolb, H.: Sprache des Veranlassens. In: Sprache im technischen Zeitalter, 1962, 5, S. 380, 385; vgl. auch Betz, W.: Sprachlenkung und Sprachentwicklung. In: Sprache und Wissenschaft. Göttingen 1960; Betz, W.: Zwei Sprachen in Deutschland? In: Merkur, Sept. 1962, Nr. 175, S. 879. Kolb: Der inhumane Akkusativ, a. a. O., S. 177. Betz: Sprachlenkung und Sprachentwicklung, a. a. O., S. 95f. Vgl. dazu auch die in Anm. 228 genannten Arbeiten von Betz und Kolb. Immerhin hat diese neohumboldtianische Konzeption bereits so starke Geltung gewonnen, daß ihre Umkehrung - die im Grunde nicht mehr als normal ist - schon als „Umwertung aller Werte" empfunden wird; vgl. dazu etwa G. Korlén in „Sprache für sich oder Sprache für etwas?" Podiumsgespräch. In: Sprache im technischen Zeitalter, 1962, 4, S. 113.

Auch vom sprachlichen Material her läßt sich die These vom inhumanen Akkusativ, ja die These von einem inhaltlichen Unterschied zwischen Dativ und Akkusativ durchaus nicht immer verifizieren. Vielfach wird etwas als „Inhalt" interpretiert, was einfach Reaktion ist: Manche Verben fordern den Akkusativ, ebenso wie manche Präpositionen den Akkusativ fordern; bei den Präpositionen dagegen hat kaum jemand versucht, aus den von ihnen regierten Kasus einen Inhaltswert herauszulesen oder gar daraus leistungund wirkungbezogene Schlußfolgerungen abzuleiten. Gewiß gibt es Fälle mit einem deutlichen Unterschied zwischen Dativ und Akkusativ: Ich opfere dir - Ich opfere dich, Ich trete dir auf die Füße - Ich trete dich auf die Füße ; Er gibt dem Vater den Brief. Aber es handelt sich um Fälle, bei denen entweder mehrere Kasus in der gleichen Position beim gleichen Verb substituierbar sind oder mehrere Kasus nebeneinander beim gleichen Verb auftreten können, nicht um solche Fälle, bei denen nur ein Kasus von einem Verb regiert wird. In solchen Fällen läßt sich ein bestimmter Inhaltswert der einzelnen Kasus nicht nachweisen (etwa: Ich helfe dir - Ich unterstütze dich ; Ich bitte dich - Ich danke dir). Nicht einmal in dem naheliegenden Wortfeld des Veranlassens läßt sich die These vom stärkeren „Zugriff" des Akkusativs verifizieren, da die Stärkegrade des Veranlassens (auf semantischer Ebene) offenbar nicht mit der Forderung eines bestimmten Kasus parallellaufen : Ich bitte dich - Ich rate dir - Ich befehle dir - Ich zwinge dich u. a. 4.6.3.

Die Satzmodelle Brinkmanns

Das dritte praktische Beispiel wählen wir aus dem Buch, das in geschlossenster Form eine inhaltbezogene Darstellung der'deutschen Sprache versucht: aus Brinkmanns Werk „Die deutsche Sprache". Brinkmann unterscheidet vier „Satzmodelle": 231 1) Vorgangssatz: 2) Handlungssatz: 3) Adjektivsatz (früher: Urteilssatz): 4) Substantivsatz (früher: Identifizierungssatz):

Er schläft. Er liest das Buch. Er ist fleißig. Er ist Lehrer.

Gewiß stehen hinter diesen vier Satzmodellen ganz bestimmte Strukturtypen (Sn V, Sn V Sa, Sn sein Adj, Sn sein Sn); aber dieser strukturelle Bestand der einzelnen Modelle ist für Brinkmann nicht entscheidend : Einmal haben bereits die Wortarten bei ihm einen Inhaltswert, so daß die Ein231

Vgl. Brinkmann, H.: Satzprobleme. In: Wirkendes Wort, 1957/58, 3, S. 137ff.; vgl. auch .Brinkmann, H.: Die deutsche Sprache. Gestalt und Leistung. Düsseldorf 1962, S. 508 ff. Zum Problem der Satzmodelle bzw. Satztypen und ihren verschiedenen Ebenen vgl. Heibig, G. : Die Bedeutung syntaktischer Modelle für den Fremdsprachenunterricht (1). In: Deutsch als Fremdsprache, 1967, 4, S. 195ff. Als Symbole werden hier verwendet: S — Substantiv (mit Kasusindex: η = Nominativ, a - Akkusativ), V = Verb, Adj = Adjektiv.

159

teilung dadurch auf die Inhaltsebene gehoben wird; und zum anderen gibt es für ihn durchaus Fälle, in denen der betreffende Satztyp auch mit einem anderen strukturellen Bestand erscheinen kann. So werden Sätze wie „Die Pyrenäen trennen Frankreich von Spanien" oder „Ich habe einen neuen Hut" als Vorgangssätze gedeutet 232 , obwohl sie dem Strukturschema des Handlungssatzes entsprechen; ähnlich interpretiert Brinkmann einen Satz „Ich befehle dir, ihm zu folgen" als Handlungssatz, obwohl er dem Strukturschema des Vorgangssatzes genügt. 233 Kennzeichnend für den Vorgangssatz sind intransitive Verben, die „immanente Prozesse" bezeichnen, für den Handlungssatz transitive Verben, die einen „übergreifenden Prozeß" darstellen. Bei einem Vorgangssatz ist das Subjekt „als Ort eines verbalen Prozesses aufgefaßt", bei einem Handlungssatz dagegen „als verantwortlicher Urheber des Prozesses, der vom Subjekt aus auf ein Objekt übergreift". 2 3 4 Bei diesen Satzmodellen Brinkmanns handelt es sich weder um gestaltbezogene noch um sachbezogene Typen, sondern um Modelle der Inhaltsebene. Für ihn ist es nicht wesentlich, wie sie in ihrer Struktur aufgebaut sind, auch nicht, welche Sachverhalte der Wirklichkeit sie einfangen; in ihnen stehen sich vielmehr - im Sinne der inhaltbezogenen Grammatik „ganz verschiedene Seh weisen für denselben Sachverhalt" gegenüber: „Im Vorgangssatz bekundet sich das Leben als unabhängiges Dasein, das keiner Motivierung bedarf; es ist da, wenn es sich im Vorgang meldet. Im Handlungssatz begegnet uns der Mensch, der ,Welt' gestaltet und bestimmt, der Welt braucht (ein von ihm geschiedenes Anderes), um gestalten zu können, der dies Andere durch seinen Zugriff, sein aktives Verhalten bestimmt. Der verbale Prozeß bekundet nicht das Dasein von Leben, sondern motiviert, wie es im Zusammenwirken von Mensch und Welt zum Leben kommt. Im Vorgangssatz haben die Dinge ihr immanentes Leben, das sich jederzeit manifestieren kann; Leben ist da, weil sie da sind. Im Handlungssatz aber kommt es zum verbalen Prozeß nur insofern, als der Mensch gestaltend ausgreift, anderes schafft, das durch ihn sein Dasein empfangt, oder als er von ihm unabhängiges Dasein verändert." 235 Auf diese Weise stehen für Brinkmann hinter den vier Satzmodellen bestimmte Sehweisen des Menschen. Die Begriffe Leben - Kausalität - Urteil - Identität deuten bei ihm „die geistigen Grundlagen der Satzmodelle" an. 2 3 6 Indem Brinkmann die strukturelle Ebene verläßt und sich auf die semantische Ebene begibt, stößt er nicht wirklich zur Ebene der Sachverhalte vor und will auch gar nicht zu ihr vorstoßen. Darum darf es auch nicht verwundern, daß Brinkmanns „Handlungssätze" durchaus nicht immer eine „Handlung" im realen Sinne ausdrücken (etwa: Er erleidet eine Krankheit), daß seine 232 vgl. Brinkmann: Die deutsche Sprache, a. a. O., S. 534, 541. Vgl. ebenda, S. 556. 234 Ebenda, S.519f. 233 Ebenda, S. 522. 236 Brinkmann: Satzprobleme, a. a. O., S. 141. 233

160

„Vorgangssätze" durchaus nicht immer einen „Vorgang" im realen Sinne ausdrücken (etwa: Er liegt im Bett).237 Brinkmanns Satzmodelle sind nicht identisch mit Sachverhalten, sondern mit bestimmten Sehweisen von Sachverhalten. Bei seiner Gliederung kommt es ihm nicht darauf an, was die Dinge in Wirklichkeit sind, sondern vielmehr darauf, wie sie gefaßt sind. Nur für den, der diesen Unterschied mißachtet, ist es „einigermaßen erstaunlich", wenn Sätze wie „Er ist zu Hause", „Es gibt Staaten", „Er bricht bei ihm ein" als Vorgangssätze, wenn umgekehrt Sätze wie „Er erblickt ihn" als Handlungssatz angesprochen werden, obwohl im sachlich-realen Sinne kaum ein Vorgang oder eine Handlung dargestellt wird. Immerhin sind die verwendeten Begriffe Brinkmanns mit einem bestimmten sachlichen Gehalt behaftet und haben deshalb auch zu Mißdeutungen geführt. Was - trotz der Zweideutigkeit - bei „Handlungssatz" und „Vorgangssatz" noch angehen mag, war bei den älteren Termini „Urteilssatz" und „Identifizierungssatz" bedenklich, da sie mit dem logischen Sprachgebrauch im Widerspruch stehen: Ein logisches Urteil liegt jedem Satztyp zugrunde, nicht nur dem Brinkmannschen Typ des „Urteilssatzes"; beim „Identifizierungssatz" im Brinkmannschen Sinne handelt es sich durchaus nicht immer um eine Identifizierung im logischen Sinne (etwa: Berlin ist die Hauptstadt der DDR), sondern vielfach auch um eine Subsumtion bzw. Klassifizierung (etwa: Berlin ist eine große Stadt), bei der nichts gleichgesetzt wird, sondern ein Element (oder eine kleinere Klasse) in eine größere Klasse eingeordnet wird, somit ein Inklusionsverhältnis vorliegt. Brinkmann selbst ist diese Problematik offenbar nicht verborgen geblieben; denn er spricht neuerdings von „Verbalsatz" (als Oberbegriff zu Handlungssatz und Vorgangssatz), von „Adjektivsatz" (statt von Urteilssatz) und von „Substantivsatz" (statt von Identifizierungssatz).238 Dennoch ändern diese scheinbar formalen Termini nichts an der inhaltlichen Orientierung der Satzmodelle Brinkmanns, die nicht verwechselt werden dürfen mit strukturellen Satztypen (die etwa gefunden werden durch die von der Valenz des Verbs her geforderten Mitspieler, die bestimmte im Stellenplan des Verbs vorgesehenen Leerstellen besetzen)239 oder mit logischgrammatischen Satztypen im Sinne von Ammoni (die von der Verschiedenheit objektiver Sachverhalte ausgehen).240 Ein Mißverständnis liegt dann vor, wenn die Satzmodelle Brinkmanns nicht mehr inhaltbezogen (als Sehweise), sondern sachbezogen interpretiert werden, wie das teilweise in der funktionalen Grammatik geschieht.241 237 238 239 240 241

So Latzel, S.: Gedanken über die deutsche Sprache. In: Deutschunterricht für Ausländer, 1964, 1, S. 7. Vgl. Brinkmann: Die deutsche Sprache, a. a. O., S. 508ff. Vgl. etwa Erben, J.: Abriß der deutschen Grammatik. Berlin 1964, S. 231 ff. Vgl. Admoni, W.: Der deutsche Sprachbau. Moskau/Leningrad 1966, S. 229ff. Vgl. dazu ausführlicher im Kapitel 5.6.

11 Heibig, Sprachwissenschaft

161

5.

Die funktionale Grammatik

Innerhalb der DDR weit verbreitet ist die funktionale Grammatik. Sie ist vor allem in den pädagogischen Einrichtungen - namentlich des muttersprachlichen Unterrichts - zu einer Art Programm geworden. Ihre theoretische Grundlage hat sie an der Pädagogischen Hochschule in Potsdam gefunden, von wo aus sie als verbindliches Prinzip in den Deutschunterricht an den Schulen Eingang gefunden hat. Zu ihrem Wortführer hat sich vor allem Wilhelm Schmidt gemacht1; ihre Publikationen sind vielfach erschienen als Lehrbriefe der Pädagogischen Hochschule Potsdam für das Fernstudium und in der Zeitschrift „Deutschunterricht" (Berlin). Diese funktionale Grammatik wird im wesentlichen von zwei Quellen gespeist: 1. dem Funktionsbegriff der sowjetischen Linguistik, vor allem Admonis; 2. dem Begriffsapparat Georg F. Meiers, der auf der dialektischen FormFunktions-Korrelation beruht.

5.1.

Die beiden Quellen

5.1.1.

Der Funktionsbegriff Admonis

Für Admoni hat eine grammatische Form immer zwei Funktionen: Sie drückt einmal den „verallgemeinerten und abstrahierten Bedeutungsgehalt" aus, der „die lexikale Semantik der Wörter überlagert" ; zum anderen hat sie auch den Zweck, „die Struktur irgendwelcher grammatischen Einheiten aufzubauen". Der Funktionsbegriff hat für ihn einen doppelten Aspekt: Wenn wir von „Funktion der grammatischen Formen" sprechen, meinen wir semantische Funktion (verallgemeinerter Bedeutungsgehalt oder Inhalt auch im Sinne Weisgerbers) und strukturelle (syntaktische) Funktion, „wobei der Ausdruck von Bedeutungen nur einen Teil, wenn auch den wichtigsten, bildet".2 Die Formmittel wirken also einerseits strukturell: Sie sichern die Einheitlichkeit und die Gliederung des Satzes und seiner Bestandteile, stellen die Verbindungen zwischen einzelnen Komponenten der Rede her, ohne auf den Inhalt dieser Verbindungen einzugehen. Andererseits bezeichnen sie auch den Inhalt der syntaktischen Verbindungen, drücken den verallgemeinerten Bedeutungsgehalt der betreffenden Beziehungen aus: die ,semantisierende' Aufgabe der syntaktischen Formmittel."3 Was Admoni „struk1 2 3

Vgl. vor allem Schmidt, W.: Grundfragen der deutschen Grammatik. Berlin 1965. Admoni, W.: Der deutsche Sprachbau. Leningrad 1960, S. 10. Ebenda, S. 197; vgl. auch S. 56, 98f.; vgl. dazu auch AAMOHH, Β. Γ.: Beeaerae CHHTaKCHC coBpeMeHHoro HeMeuKoro jumca. Mocicea 1955, S. 8.

162

Β

turelle" oder „syntaktische Funktionen" nennt, meint „die aktive Rolle, die der betreffende Redeteil im Satz spielt"4, und wird angegeben in den traditionellen Termini der Satzglieder. Was er „verallgemeinerten Bedeutungsgehalt" nennt, wird bei ihm praktisch nur recht allgemein angegeben und oft auch erst sekundär aus den syntaktischen Funktionen abgeleitet. An anderer Stelle weist Admoni - außer den beiden bereits genannten Funktionen - auch auf die logische Funktion grammatischer Formen hin, wenn er den „logischen Gehalt des Satzes" bestimmen und dabei feststellen will, „welche Urteile ..., welche logischen Zusammenhänge von der Sprache in ihrem Bau fixiert worden sind".5 Dieses Vorhaben zielt offensichtlich zunächst auf die logische Funktion der syntaktischen Formmittel, auf eine Betrachtung des Satzes als Ausdrucksmittel für ein Urteil, des Wortes als ein Ausdrucksmittel für einen Begriff.6 In diesem „logischen Gehalt" des Satzes sieht Admoni „den eigentlichen, den spezifischen Satzinhalt", „den wahren Gegenstand der Aussage", und zwar deshalb, weil „er den wahren Gehalt des menschlichen Denkens formuliert, die Widerspiegelung der objektiven Welt ausdrückt".7 Gerade darin zeigt es sich aber, daß Admonis Begriff des „logischen Gehalts" zweideutig ist: Einmal meint „logisch" - im Sinne der Logik als Lehre vom richtigen Denken - soviel wie Betrachtung des sprachlichen Gebildes Satz als Ausdruck des logischen Gebildes Urteil; zum anderen aber meint „logisch" - mehr im umgangssprachlichen als im wissenschaftlichen Sinnesoviel wie richtige Widerspiegelung der objektiven Welt, soviel wie den Sachverhalten der Wirklichkeit entsprechend. Auf jeden Fall müssen beide Bedeutungen des „Logischen" streng voneinander geschieden werden; nur im ersten Falle können wir von einer eigentlich „logischen" Funktion sprechen, im zweiten handelt es sich eher um eine ontologisch-sachliche, um eine denotative Funktion. Daß Admoni in der Praxis eher die zweite Bedeutung im Auge hat, zeigt sich, wenn er unter logisch - „in dem besonderen Sinne, der ihm sehr oft in der Sprachwissenschaft zugelegt wird" - versteht „die verallgemeinerten Erscheinungen und Sachverhalte der objektiven Welt, wie sie sich im menschlichen Denken widerspiegeln und in der Sprache zum Ausdruck kommen (vgl. solche Ausdrücke wie das logische Subjekt, um den Urheber einer Tätigkeit, das ,Agens', zu bezeichnen)".8 Diesen Begriff des Logischen benutzt Admoni auch, wenn er an die Trennung Peschkowskisjin „objektive" (d. h. sich unmittelbar aus der Wirklichkeit ergebende) und „subjektiv4 5 6

7 8

11»

Admoni: Der deutsche Sprachbau, a. a. O., S. 72. Admoni, W.: Die Struktur des Satzes. In: Das Ringen um eine neue deutsche Grammatik, hrsg. v. H. Moser. Darmstadt 1962, S. 381. Wenn man auf diese Weise hinter dem sprachlichen Satz ein logisches Urteil (eine Aussage), hinter dem sprachlichen Wort einen logischen Begriff sieht, setzt das auch eine Nicht-Identität von Bedeutung und Begriff voraus. Admoni, W.: Die Struktur des Satzes, a. a. O., S. 391 f. Admoni, W.: Der deutsche Sprachbau, a. a. O., S. 12. 163

objektive" (d. h. sich nur vermittelt aus der Wirklichkeit ergebende und nur vom Standpunkt des Menschen aus zu verstehende) Kategorien9 anknüpft, ihnen die schon genannten strukturellen Funktionen hinzufügt und demnach drei Arten von grammatischen Kategorien unterscheidet: 1. „logisch-grammatische" (oder objektive) Kategorien, die „in verallgemeinerter und abstrahierter Form die sich im menschlichen Bewußtsein widerspiegelnden Sachverhalte der objektiven Wirklichkeit zum Ausdruck" bringen (etwa: die Kategorie der Zahl, die unabhängig vom redenden Subjekt ist); 2. „kommunikativ-grammatische" (oder subjektiv-objektive) Kategorien, deren Bedeutung „nur vom Standpunkt des redenden Subjekts aus" verstanden werden kann (etwa : die grammatischen Kategorien der Person, der Zeit und des Modus, bei denen der Standpunkt des redenden Subjekts als Koordinatenachse eine wesentliche Rolle spielt); 3. „strukturell-grammatische" Kategorien, die „der formalen Organisierung der Redeeinheiten dienen" (etwa: die Rahmenkonstruktion des Deutschen, die keinerlei semantischen Wert hat). 10 Trotz der Annahme eines „verallgemeinerten Bedeutungsgehalts" sowie der „kommunikativ-grammatischen" und „strukturell-grammatischen" Kategorien wendet sich Admoni energisch gegen Weisgerbers „Inhaltsbezogenheit", weil für ihn auch der komplizierteste Bedeutungsgehalt „letzten Endes immer der realen Wirklichkeit entnommen", also „sachbezogen" ist.11 Diese Sachbezogenheit Admonis führt ihn aber zur Annahme einer weitgehenden Parallelität von Sprachstruktur und Wirklichkeit12, die sich offensichtlich aus einem angenommenen direkten Widerspiegelungscharakter der Sprache ergibt. Daß die objektive Realität und die Sprache aber nicht notwendig die gleichen Strukturen haben, beweist schon die Existenz passivischer Sätze (in denen das „Agens" keineswegs grammatisches „Subjekt" ist) oder auch die Tatsache, daß die gleichen realen Beziehungen durch verschiedene Satztypen gefaßt werden können. 13 Wenn wir Admoni an dieser Stelle als Beispiel für die Verwendung des Funktionsbegriffes in der sowjetischen Linguistik genannt haben, so allein deshalb, weil er in dieser Form auf die funktionale Grammatik in der DDR einwirkt. Wie in der Linguistik anderer Länder, so besteht auch in der sowjetischen Linguistik keineswegs Einheitlichkeit in der Auffassung solcher zentraler Begriffe wie Funktion (ΦΥΗΚΙΙΗΗ), Inhalt (coflepxamie), Bedeutung (3HaneHHe) usw. 14 : Manchmal wird die Funktion fast synonym ver9 10 11 12 13 14

Vgl. IlemKOBCKEfi, Α. M. : Pycocaft CHHTÜKCHC Β HayraoM oceemeHHH. Mocicea 1956, S. 89 f. Vgl. Admoni: Der deutsche Sprachbau, a. a. O., S. 11 f. Ebenda, S.29. Vgl. ebenda, S. 212. Vgl. dazu auch Schmidt, W.: Grundfragen, a. a. O., S. 283 f. Vgl. dazu Heibig, G.: Zum Funktionsbegriff in der modernen Linguistik. In: Deutsch als Fremdsprache, 1968, 5, S. 281 f.

164

wendet wie die Bedeutung (etwa in der Akademie-Grammatik 15 ), manchmal wird sie in syntaktischem Sinne - gerade im Gegensatz zur außersprachlichen Bedeutung - verstanden 16 . Schließlich gibt es mehrere Versuche, die Bedeutung („3HaHeHHe") aufzuschlüsseln und die - innersyntaktische Funktion als Spezialfall der Bedeutung aufzufassen: So unterscheidet etwa Schendels eine Bedeutung Nr. 1 ( = objektive Bedeutung Peschkowskis), eine Bedeutung Nr. 2 ( = subjektiv-objektive Bedeutung Peschkowskis) und eine Bedeutung Nr. 3 ( = relational-innersprachliche Funktion auf dem Ausdrucksplan). 17 So unterscheidet Apresjan zwischen einer „strukturellen Bedeutung", einer „signifikativen Bedeutung", einer „denotativen Bedeutung" und einer „pragmatischen Bedeutung". 18 Dabei wird der Terminus „Bedeutung" im weitesten Sinne gebraucht, so daß er die Funktion in sich einschließt. Bei diesen Ebenen der Bedeutung handelt es sich im Grunde um Ebenen der Funktionen : Das wird etwa bei Rewsin deutlich, der - zunächst im Anschluß an Morris - zwischen syntaktischen, semantischen und pragmatischen Funktionen 19 , danach zusätzlich - im Anschluß an Freges Differenzierung von Sinn und Bedeutung - zwischen kategorialer und denotativer Funktion unterscheidet. 20 Aber nicht in dieser - stärker an der Philosophie orientierten - hohen Differenzierung geht der Begriff der Funktion in die funktionale Grammatik ein, sondern eher in der Fassung, wie er bei Admoni erscheint.

5.1.2.

Der Funktionsbegriff G. F. Meiers

Innerhalb der Linguistik und Kommunikationsforschung der DDR sieht Meier als Zentralproblem der Linguistik „das Verhältnis von sprachlicher Form und kommunikativer Funktion" an. 21 „Form" ist für ihn die „wahrnehmbare Seite der Sprache", sind alle - vor allem akustisch - wahrnehmbaren Elemente, die vor den Sinnesorganen des Hörerden (Lesenden) ver15

16 17 18

Vgl. Γρ&ΜΜ&ΊΉΚΑ pyccKoro &3UKa. Hrsg. v. AxaAeMHJi HayK CCCΡ - ΗΗΤ fl3uxo3HaHHH. MOCKM 1953, S. 124f. Vgl. etwa KynepeHKO, H. Κ.: Κ Bonpocy o KaTeropra naaexca. I n : PyccKHft «aux Β nncojie, 1957, 5, S. 42f. Vgl. IOeHA&nbC, E . H . : O rpaMMâTHHecKHx 3ΜΗΟΗΗΗΧ Β nnaHe coAepacamm. In: OpHHUHTiu HayHHoro aHajiroa «boca. Mocraa 1959, S. 49, 59, 62f. Vgl. Anpecjm.K). fl.: CoBpevteHHue Meroüu myHemw SHaiCHHä Η Ηβκοτορυβ NPOÔNEMBI cTpyKTypHofl /ΙΗΗΓΒΗΟΤΤΤΚΗ. I N : ΠΡΟΔΗΒΜΜ c T p y i r r y p H O t t ΠΒΒΓΒΗΟΤΠΚΠ.

19 20 21

MocKBa 1963, S. 106 f. Vgl. PCB3BH, Η. Η. : ΦορΜβΛΜΙΜβ Η CeMaHTHMeCKHÄ aH&ITH3 CHHTaKCHWeCKHX CBH3eft Β «uice. In: ΠρΗΜβΗβΗηβ ΛΟΓΉΚΗ Β nayxe Η Texmnce. Mocxea 1960, S. 119ff. Vgl. PcB3HH, H . H . : Οτ CTpyKTypHoft jiHHrBHcnncH Κ ceMHOTmce. I n : Bonpocu φκηοοοφΗΒ, 1964, 9, S. 44, 49. Meier, G . F . : Das Ζ ro-Problem in der Linguistik. Berlin 1961, S. 13; vgl. dazuauch Viehweger, D.: Kommunikationstheoretische Untersuchung der Dialektik des Syntagmas. Diss. Berlin 1962, S. 125 If.

165

standen werden und vom Sprechenden (Expedienten) erzeugbar sind, „unabhängig von der jeweiligen Relevanz" 22 , ist „alles, was an sprachlichen Äußerungen mit Sinnesorganen wahrnehmbar ist". 23 Dieser physikalistische Formbegriff schließt den „Pseudobegriff" der „inneren Form" aus und läßt - im Unterschied zu de Saussures signifiant - zunächst noch nichts über den kommunikativen Effekt erkennen. Meier hat den Begriff „Form" deshalb gewählt, „weil die Gegenüberstellung (und zugleich dialektische Einheit) von Form und Inhalt (bzw. Funktion) in anderen Gebieten der Wissenschaft längst Usus ist und dem dialektischen Denken entspricht". 24 In dieser Übertragung der philosophischen Begriffe Form und Inhalt auf die Sprache stecken offensichtlich jedoch mehrere Schwierigkeiten: Einmal scheint es nicht völlig geklärt zu sein, ob sich Form und Funktion in de»· Sprache in gleicher Weise verhalten wie Form und Inhalt in der Philosophie. 25 Zum anderen setzt Meier seinem physikalistisch geprägten Form- einen sehr weiten Funktionsbegriff gegenüber, den er bald mit Inhalt, bald mit „meaning" identifiziert.26 Meier erkennt sehr deutlich, daß die Bestimmung des Begriffes „Funktion" „ungleich schwieriger" ist als die der Form, „nicht nur weil der Terminus in noch vielfaltigerer Weise von den verschiedenen Autoren verwendet wird, sondern auch weil eine Funktion nur in Korrelation zur Form definiert werden kann. Eine Funktion (oder auch ein Inhalt) existiert nicht als solche, sondern immer nur von irgendwelchen Formen ..." 2 7 Damit setzt Meier abermals Funktion und Inhalt gleich, betont aber zugleich - wohl in Anspielung auf den mathematischen Funktionsbegriff - die Abhängigkeit der Funktion von der Form, die gerade für Weisgerbers Inhaltsbegriff - dessen Wesen in seiner Eigengesetzlichkeit liegt - nicht zutrifft. Meiers Funktionsbegriff unterscheidet sich sowohl vom physiologischen Funktionsbegriff (bei dem ein viel direkteres Kausalitätsverhältnis vorliegt) als aüch vom mathematischen Funktionsbegriff und orientiert sich statt dessen am philosophischen Inhaltsbegriff (an der Dialektik von Form und Inhalt). 28 Die Definition der Funktion ergibt sich für Meier aus der Wesensbestimmung der Sprache als „Mittel der Verständigung, Kommunikationsmittel". 2

Meier: Das Zéro-Problem, a. a. O., S. 21. Meier, G. F.: Was versteht man unter marxistischer Sprachwissenschaft? In: Hochschulwesen, 1959, 1, S. 34f. 24 Meier: Das Zéro-Problem, a. a. O., S. 22. 24 Vgl. Artikel „Inhalt" in Klaus, G., Buhr, M.: Philosophisches Wörterbuch. Leipzig 1964, S. 260; vgl. dazu die neuere Auflage des Philosophischen Wörterbuches von G.Klaus u. M. Buhr, Leipzig 1969, Bd. 1, S. 526f. Kritisch zur Übertragung der Begriffe Inhalt und Form auf die Sprache vgl. vor allem die Diskussionsbeiträge von Bierwisch und Mötsch in: Zeichen und System der Sprache. Bd. I. Berlin 1961, S. 41 f., 113. 26 Vgl. Meier: Das Zéro-Problem, a. a. O., S. 17. 27 Ebenda, S. 23. 28 Vgl. ebenda; vgl. auch Viehweger: Kommunikationstheoretische Untersuchung, a.a.O., S. 128ff. 23

166

Diese Kommunikation besteht darin, „mittels eines Mediums einen ent sprechenden Kommunikationseffekt auszulösen. Das zu diesem Zweck verwendete Medium ist die Form, der von diesem Medium auszulösende Effekt ist die Funktion der verwendeten Form". 2 9 Mit dieser Festlegung der Funktion „ausschließlich durch das Kriterium der kommunikativen Leistung" 30 scheint für Meier die Frage ausreichend geklärt zu sein; denn für ihn kann „die Schwierigkeit, Wirklichkeit, Inhalt und Funktion auseinanderzuhalten, ... nur überwunden werden, wenn man sich von diesen terminologischen Systemen trennt". 31 Gerade die Differenzierung in den meisten anderen Schulen scheint jedoch deutlich zu machen, daß es sich bei den genannten Schwierigkeiten nicht nur um eine Trennung in bestimmten „terminologischen Systemen", sondern um verschiedene Sachverhalte handelt, die scharf getrennt werden müssen (deren Trennung also nicht „überwunden" werden kann). Meier erläutert im Grunde nur den Funktionsbegriff durch den auch noch nicht völlig geklärten Begriff des Kommunikationseffektes. 32 Was darunter zu verstehen ist, wird deutlich, wenn Meier den Bloomfieldschen Terminus „meaning" etwa mit „Kommunikationsabsicht" und „Kommunikationseffekt" gleichsetzt und mit seinen Begriffen den Bloomfieldschen Terminus überflüssig machen möchte. 33 Meiers Bestimmung der Funktion (als kommunikative Leistung) gründet sich in der Tat auf den behavioristischen, extralinguistischen und undifferenzierten Meaning-Begriff; es handelt sich dabei um die Einbettung des meaning in das physikalistische StimulusReaktions-Schema. Damit soll in keiner Weise die kommunikative Leistung der Sprache in Frage gestellt werden, ganz im Gegenteil ; sie muß vielmehr nicht zuletzt durch eine genauere Schichtung des Funktionsbegriffes - im linguistischen Bereich exakter gefaßt werden. Meier greift zur Trennung von Funktion (d. h. kommunikativer Leistung) und Relation (d. h. struktureller Abhängigkeit der Teile voneinander), weil „die Verwendung des Terminus .Funktion' für Relationen zwischen strukturellen Elementen" „den Terminus zweideutig" macht, „da er auch für Beziehungen zwischen .Ausdruck' und .Inhalt' (im Sinne der Glossematik) verwendet wird". So sind für ihn die strukturellen Beziehungen der Teile untereinander 29 30 31 32

33

Meier: Das Zero-Problem, a.a.O., S. 23; genauso Viehweger, a.a.O., S. 128 ff.; Schmidt, W.: Grundfragen, a. a. O., S. 24f. Meier: Das Zéro-Problem, a. a. O., S. 27. Ebenda, S. 25. Zur Kritik des Meierschen Funktionsbegriffes vgl. auch CenneepcTOBa, Ο. H. : Rezension von Meier - Das Zéro-Problem in der Linguistik. In: Bonpocn «3hko3HaHHH, 1963, 2, S. 124. Vgl. Meier: Das Zéro-Problem, a. a. O., S. 32. In ähnlichem Sinne identifiziert auch Jarzewa den Bloomfieldschen Meaning-Begriff mit Meiers „kommunikativer Funktion", die aber noch nichts über die Bedeutung sprachlicher Formen besagt. Vgl. Apiteea, B. H.: IIpo6neMa φορΜΜ h coaepxaHHsr β TpairroBice AecKpHirniBHCTOB h „MeirranHCTOB". In: Bonpocu Teopnn n u c a β coepeMeHHofl 3apy5eacHoB πηηγβηcnree. MocKBa 1961, S. 100.

167

„nicht deren Funktion, sondern stellen nur den relativen Anteil der formellen Teile an der gemeinsamen Funktion, dem kommunikativen Effekt, dar" 3 4 Damit gesteht Meier im Grunde ein, daß auch die Relationen (für die er im Anschluß an die glossematische Terminologie den Begriff „Funktive" vorschlägt) ihren Anteil an der gesamten kommunikativen Leistung haben, obwohl er andererseits wieder gegen die Hjelmslevsche „Übertragung des Fuoktionsbegriffes auf die interformalen Beziehungen" polemisiert, nicht nur wegen der daraus möglicherweise resultierenden „Zweideutigkeit" des Funktionsbegriffes, sondern auch „in der Erkenntnis, daß keine Ermittlung relevanter Beziehungen ... ohne Berücksichtigung des kommunikativen Wertes möglich ist". 35 Damit wird die Einsicht, daß auch die strukturellen Funktionen (d. h. die Relationen im Sinne Meiers) Anteil am kommunikativen Prozeß haben, zumindest wieder eingeschränkt. Solche Schwierigkeiten ergeben sich bei dem angenommenen Form-Funktions-Schema mit Notwendigkeit, weil die Relationen der sprachlichen Elemente untereinander weder unter dem physikalistischen Formbegriff untergebracht werden können noch außerlinguistisch sind (wie die Funktionen bei Meier). Der „reichlich unklare" Funktionsbegriff ist in der Tat so uneinheitlich, daß, „was die einen Form nennen", „bei den anderen Funktion" ist.36 Meier zieht daraus die Schlußfolgerung, von dem Oberbegriff der Verständigungsfunktion der Sprache auszugehen (als „primärer Funktion") und ihr alle übrigen Funktionen der einzelnen Sprachmittel (als „sekundäre Funktionen") gegenüberzustellen.37 Er zieht auch die methodische Konsequenz, bei der Analyse nicht von dem unklaren Funktionsbegriff, sondern „von der Form auszugehen, da sie die einwandfrei gegebenen Tatsachen in einer bestimmten Sprache zeigt".38 Die Form wird in diesem Rahmen definiert als „Summe der in einer bestimmten Sprache zur Verfügung stehenden Mittel", der Inhalt oder die Funktion als „beabsichtigte ... und normalerweise erzielte kommunikative Leistung".39 Gerade aus der Tatsache, daß Meier unter „Inhalt (Effekt, Funktion)" alles versteht, „was eine geäußerte Form im Gehirn des Hörers an Vorstellungen, Emotionen oder logischen Operationen auslöst", 40 wird die weite, außersprachliche, das Psychologische und sogar die unbewußten 34 35 36

37 38 39

40

Meier: Das Zéro-Problem, a. a. O., S. 41. Ebenda, S. 72. Meier. G. F.: Ein Beitrag zur Erforschung der Zusammenhänge von Sprache und Denken und der Entwicklungsgesetzmäßigkeiten der Sprache. In: Wiss. Zeitschrift der Karl-Marx-Univcrsität Leipzig, Gesellschafts- und Sprachwiss. Reihe, 1952/53, 9-10, S. 602. Vgl. ebenda, S. 607f. Ebenda, S. 605. Meier: Das Zéro-Problem, a. a. O., S. 40; vgl. dazu auch Kirchner, G., Meier, G. F., Michalk, F., Ricken, U., Ruzicka, R., Schuster, H., Sperber, W.: Versuch einer Formulierung von Thesen marxistischer Sprachwissenschaft. In: Zeitschrift für Slawistik, .1959, 4, S. 537. Meier: Was versteht man unter marxistischer Sprachwissenschaft? A. a. O., S. 34f.

168

Reaktionselemente einbeziehende Fassung des Funktions- und Inhaltsbegriffes deutlich. Im Gegensatz zu de Saussure und Hjelmslev stehen sich bei Meier Form und Funktion nicht gegenüber, stehen nicht in einem 1:1-Verhältnis41, sondern „bilden eine Einheit, wie etwa ein Werkzeug und dessen Verwendungsmöglichkeit".42 Deshalb spricht er statt von der glossematischen AusdruckInhalt-Beziehung von einer Mittel-Effekt-Beziehung43, statt des Saussureschen dualistisch-bilateralen Schemas von signifiant und signifié (die sich gegenüberstehen wie zwei Seiten eines Blattes) von einer dialektischen Beziehung von Effektor (Form, Mittel) und Effekt (Funktion, Inhalt. Zweck)44; dabei entspricht der Form „der Terminus Kommunikationsmittel, dem Inhalt entspricht der kommunikative Effekt".*5 Als dritter kommunikationstheoretischer Begriff erscheint bei Meier die kommunikative Absicht, die er als Gemeintes, als „Intentum" (nach Koschmieder) im aktuellen kommunikativen Prozeß deutet.46 Der Sprecher wählt im kommunikativen Akt entsprechend seiner kommunikativen Absicht (Intentum) einen Bestand an Kommunikationsmitteln (Form, Effektor) aus, um mit ihnen einen kommunikativen Effekt (Inhalt, Funktion) auszulösen. Dabei ist es zunächst theoretisch kaum von Belang, daß sich Meier - auch im Gegensatz zu de Saussure und Hjelmslev - für die unilaterale Auffassung des Zeichens entscheidet.47 Bedeutsam wird diese Fragestellung erst dadurch, daß er auf Grund dieser Gleichsetzung von Zeichen und Bezeichnendem alles, was nicht zur Form (d. h. zum Zeichen) gehört, in undifferenzierter Weise der Funktion bzw. dem Inhalt zuschreibt und dabei die Grenze zwischen Sprachlichem und Außersprachlichem verwischt. So setzt Meier grundsätzlich Inhalt und Funktion gleich48 ; der Inhalt ist für ihn „bei dynamischen Bereichen oft besser mit dem Terminus Funktion ausgedrückt".49

5.2.

Ausgangspunkt, Hauptbegriffe und vier Phasen der funktionalen Grammatik

Ausgangspunkt für die Ausarbeitung der funktionalen Grammatik in der DDR ist die Tatsache, daß sich die Grammatik-Forschung und die prak41 42 43 44 45 46 47 48

49

Vgl. Meier: Das Zéro-Problem, a. a. O., S. 48ff., 74. Ebenda, S. 42. Vgl. ebenda, S. 76. Vgl. ebenda; vgl. auch Meier, G. F. in: Zeichen und System der Sprache. Bd. I. Berlin 1961, S. 85; Bd. II. Berlin 1962, S. 241 f. Meier, G. F. in: Zeichen und System der Sprache, Bd. I, a. a. O., S. 105, 186. Vgl. ebenda, Bd. II., S. 243. Vgl. ebenda, Bd. I., S. 178; Bd. II., S. 242. Eine ähnliche Gleichsetzung von kommunikativem Wert, Inhalt und Funktion findet sich auch bei Kirchner, Meier, Michalk, Ricken, Ruzicka, Schuster, Sperber: Versuch, a. a. O. Schlußwort von G. F. Meier in: Zeichen und System der Sprache. Bd. II. Berlin 1962, S. 253.

169

tische Grammatik seit Jahrzehnten in einem Zustand der Bewegung und der Krise befinden. Dieser Zustand findet seinen Ausdruck in Formulierungen wie „das Ende der Grammatik" (Weisgerber), „das Wagnis der Grammatik" (Weisgerber), „Grammatik im Kreuzfeuer" (Weisgerber) oder gar „Es kracht im Gebälk" (Holz). 50 Diese angenommene Krise der Grammatik sieht die funktionale Grammatik in doppelter Weise: Sie versteht sie einerseits als Unzulänglichkeit der grammatischen Theorie (und damit verbunden auch als Unzulänglichkeit der grammatischen Terminologie, die - da sie auf den griechisch-lateinischen Begriffsapparat zurückgeht - die Besonderheiten der gegenwärtigen Sprachen nicht zu erfassen vermag); sie versteht sie aber andererseits auch als Unzulänglichkeit der Methoden des gegenwärtigen Grammatikunterrichts, aus der Erkenntnis heraus, daß die bisherigen Methoden des Grammatik-Unterrichts in der Schule nicht zu den gewünschten Ergebnissen geführt haben. Es handelt sich somit um eine theoretisch-wissenschaftliche und um eine praktisch-methodische Unzulänglichkeit, die die funktionale Grammatik überwinden möchte, aus der sich ihr doppelter Anspruch ableitet, sowohl praktische Schulgrammatik als auch wissenschaftliche Grammatik zu sein. W. Schmidt betont ausdrücklich, „daß funktionale Grammatik primär eine besondere Methode der wissenschaftlichen Erforschung und Darstellung sprachlicher Sachverhalte ist. Von funktionalem Grammatikunterricht können wir dann sprechen, wenn die theoretische Grundkonzeption und die Methoden des Herangehens an die sprachlichen Erscheinungen sinngemäß angewandt werden". Schmidt gesteht durchaus zwischen der funktionalen Grammatik als theoretischer Disziplin und der funktionalen Grammatik als Unterrichtsmethode „qualitative und quantitative Unterschiede" zu, weist aber nachdrücklich darauf hin, „daß funktionale Grammatik nicht nur eine Sache der Unterrichtsmethode ist, sondern auch - und das in erster Linie - eine Sache der prinzipiellen theoretischen Einstellung gegenüber den grammatischen (und überhaupt den sprachlichen) Gegebenheiten". 51 Diese doppelte Aufgabenstellung müssen wir bei der Darstellung und Einschätzung der funktionalen Grammatik im Auge behalten. Dabei müssen verschiedene Phasen in der Entwicklung der funktionalen Grammatik unterschieden werden, entsprechend der verschiedenen Fassung der zentralen Begriffe, vor allem des Funktionsbegriffes. Grundsätzlich versucht die funktionale Grammatik - ähnlich wie auch G. F. Meier - , die dialektischen Kategorien von Inhalt und Form auf die Sprache anzuwenden 52 und damit eine marxistische Betrachtung in der Grammatik zu begründen. Beide 50

51

52

Vgl. Schmidt, W.: Grundfragen, a . a . O . , S. 11; Weisgerber, L.: Das Wagnis der Grammatik. In: Wirkendes Wort, 1960, 6; Holz, G.: Es kracht im Gebälk. In: Muttersprache, 1956, 7/8. Schmidt, W.: Grundfragen, a. a. O., S. 33; vgl. dazu auch Spiewok, W.: Zur Einteilung der deutschen Sätze. Ein Beitrag zur Diskussion über Wesen und Konsequenzen der „funktionalen Methode". In: Deutschunterricht, 1968, 7/8, S. 410f. Vgl. etwa Schmidt, W.: Grundfragen, a. a. O., S. 23 ff.

170

Komponenten „bedingen und bestimmen einander gegenseitig. Der Inhalt, die Bedeutung ist geformt und die Form, die Lautgestalt ist inhaltsvoll." Wie Meier versteht auch Schmidt zunächst als „Inhalt eines sprachlichen Mittels" „seine Funktion" 53 und identifiziert damit Inhalt, Funktion und Bedeutung. Jedes sprachliche Mittel hat eine funktionale und eine formale Seite, wobei die Form „im Rahmen der Aussage eine bestimmte Funktion erfüllt". 54 In einer ersten Phase hatte W. Schmidt nicht nur Funktion und Inhalt, sondern auch Bedeutung ( = Inhalt) und Begriff weitgehend identifiziert. Deshalb war es auch nicht zufällig, daß die Morpheme bald als „die kleinsten sprachlichen Einheiten, die eine Bedeutung tragen", bald als „Begriffsträger" bestimmt wurden. 55 Aus dieser Konzeption erwuchs auch die Definition der Bedeutung eines Wortes als dessen innere Seite, als sein Inhalt, als „die mit einem Lautkomplex traditionell verbundene Widerspiegelung eines Gegenstandes oder einer Erscheinung der Wirklichkeit im Bewußtsein der Angehörigen einer Sprachgemeinschaft". 56 Kennzeichnend für diese erste Phase ist weiterhin die strenge Gegenüberstellung einer älteren „formalen" und einer jüngeren, geforderten „funktionalen Betrachtungsweise". Im Unterschied zu einer bloß „formalen Betrachtungsweise" stehen bei der „funktionalen Betrachtungsweise" „Funktionen grammatischer Erscheinungen im Mittelpunkt der Betrachtung, und die Formmerkmale dieser Erscheinungen werden als Mittel zur Realisierung von Funktionen bewußtgemacht". 57 Mit einer solchen Forderung, bei der Sprachbetrachtung von den Funktionen auszugehen und die Formen nur als Funktionsträger zu beschreiben, schien für manchen Programmatiker damals das Problem gelöst, ohne daß man sich um eine genauere Klärung des Funktionsbegriffes bemühte, der natürlich die Voraussetzung für ein adäquates Verständnis der „funktionalen Grammatik" sein muß. Das spiegelte sich auch in der Tatsache, daß funktionale und inhaltbezogene Grammatik von der Seite der funktionalen Grammatik vielfach identifiziert worden sind. 58 Wenn etwa Strehle eine „inhaltbezogene Sprachbetrachtung" verstanden hat als „eine funktionale Betrachtungsweise grammatischer Erscheinungen... , die entsprechend den Erfordernissen unserer Schule bei den grammatischen Erscheinungen deren Inhalt in der erforderlichen Weise be53 54

55 56 ,7 58

Schmidt, W.: Lexikalische und aktuelle Bedeutung. Berlin 1963, S. 12f. Sommerfeld, K.-E.: Was verstehen wir unter funktionaler Grammatik? In: Deutschunterricht, 1962, 7, S. 390; vgl. dazu auch Schmidt, W.: Grundlagen und Prinzipien des funktionalen Grammatik-Unterrichts. In: Deutschunterricht, 1963, S. 650. Vgl. etwa Schmidt, W.: Deutsche Sprachkunde. Berlin 1959, S.41f. Ebenda, S. 45. Strehle, H.: Einige grundsätzliche Bemerkungen zum funktionalen Grammatikunterricht. In: Deutschunterricht, 1962, 12, S. 694. Vgl. etwa Schreinert, G.: Zur Behandlung der Syntax in der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule. In: Deutschunterricht, 1960, 4, S.217; Schreinert, G.: Vor besseren Methoden im Sprachunterricht? In: Deutschunterricht, 1962, 6, S. 341; Graehn, F.: Vor neuen Methoden im Sprachlehreunterricht? In: Deutschunterricht, 1962, 2, S. 93.

171

rücksichtigt"59, so ist darin ein mehrfacher Trugschluß enthalten: Einmal ist der Inhaltsbegriff der „funktionalen Grammatik" - auch schon in diesem Stadium - zumindest potentiell extralinguistisch im Gegensatz zum Inhaltsbegriff der inhaltbezogenen Grammatik Weisgerberscher Prägung; beide Inhaltsbegriffe sind also durchaus nicht identisch. Zum anderen geht es in der inhaltbezogenen Grammatik gar nicht um eine „Berücksichtigung" des Inhalts, sondern um den Inhalt als Bezugspunkt. Wenn die „Funktion" aber in der funktionalen Grammatik extralinguistisch verstanden wird, ist die funktionale Grammatik eher „sachbezogen" als „inhaltbezogen" im Weisgerberschen Sinne. Daß die Funktion vielfach außersprachlich-sachbezogen oder „logisch" verstanden wird, zeigen solche Aufgaben - die damals vielfach für den Schulunterricht vorgeschlagen worden sind - , in denen man sprachliche Mittel suchte, zeitliche Beziehungen, eine Aufforderung, ein Geschehen und seine Folge, eine Einräumung usw. auszudrücken.60 In solchen Aufgabenstellungen drückte sich deutlich der methodische Weg von den Sachen zu den syntaktischen Mitteln, vom Denken zur Sprache aus 61 , ein Weg, der wissenschaftlich und auch pädagogisch einige Schwierigkeiten in sich birgt (weil er das Verständnis solcher außersprachlichen Begriffe wie „Zweck", „Absicht", „Einräumung" usw. voraussetzt).62 Eine zweite Phase der funktionalen Grammatik ist gekennzeichnet durch eine deutlichere Trennung zwischen dem logischen (d. h. für alle Menschen gleichen) Begriff und der linguistischen (d. h. für jede Muttersprache verschiedenen) Bedeutung. Schmidt hat seine Definition der Bedeutung entsprechend modifiziert63 und unterscheidet in dieser Phase im Grunde vier Ebenen : Lautform - Bedeutung - Begriff - Wirklichkeit II Wort Widerspiegelung im Bewußtsein

Diese Aufgliederung entsteht, indem Schmidt einerseits - in Auseinandersetzung mit Galkina-Fedoruk - nachweist, daß es keine einfache Entsprechung zwischen Lautkörper und Wirklichkeit gibt, daß vielmehr die Be39 60

61

62 63

Strehle: Einige grundsätzliche Bemerkungen, a. a. O., S. 704. Vgl. etwa Donath, R.: Syntaktische Mittel, zeitliche Beziehungen auszudrücken. In: Deutschunterricht, 1960, 2; Sommerfeldt, K.-E.: Sprachliche Möglichkeiten, eine Aufforderung auszudrücken. In: Deutschunterricht, 1961, 11; Sorgenfrei, G.: Syntaktische Mittel, ein Geschehen und seine Folge auszudrücken. In: Deutschunterricht, 1961, 9; Tille, L.: Syntaktische Mittel, eine Einräumung auszudrücken. In: Deutschunterricht, 1962, 7. Vgl. dazu etwa Gottschick, G., S. Warkentien: Beispiele für einen vom Inhalt ausgehenden Sprachunterricht. In: Deutschunterricht, 1958,4, S. 214ff.; vgl. dazu auch Schreinert: Zur Behandlung der Syntax, a. a. O., S. 278. Vgl. dazu auch Schreinert: Vor besseren Methoden, a. a. O., S. 337ff., 342ff. Vgl. Schmidt: Lexikalische und aktuelle Bedeutung, a. a. O., S. 16ff.; vgl. auch den Diskussionsbeitrag in: Zeichen und System der Sprache, I. Bd. Berlin 1961, S. 137.

172

Ziehungen immer über die Widerspiegelung im Bewußtsein gegeben sind, indem er andererseits - im Unterschied zum Begriff - die Bedeutung als „innere Seite des Wortes" auffaßt. 64 Ein Vergleich mit Weisgerbers dreigliedrigem Modell zeigt, daß dessen Inhalt bei Schmidt in eine sprachliche (= Bedeutung) und eine logische Komponente (= Begriff) aufgegliedert ist. Schmidt scheidet zwar sehr deutlich zwischen Bedeutung und Sachverhalt (in den Sätzen „Der Vater kommt" und „Jetzt kommt bald die Station N" etwa ist die Bedeutung des Verbs identisch, obwohl es objektiv verschiedene Sachverhalte bezeichnet65), versucht auch eine Schichtung der Bedeutungen 66 , bleibt aber 1963 bei der weitgehenden Identifizierung von Inhalt, Funktion und Bedeutung. Das zeigt sich etwa, wenn er Glinz vorwirft, er lasse „bei der Betrachtung und Einteilung der sprachlichen Erscheinungen die Inhalte außer acht", und fordert, daß bei einer vollen Erfassung der sprachlichen Mittel „ihre Funktion nicht außer Betracht bleiben" darf. 67 Glinz aber geht es gerade darum, die Inhalte von der (strukturellen) Funktion her - im Sinne des Funktionierens - zu erschließen. Überhaupt versucht man in dieser zweiten Phase, den vorher noch wenig geklärten Funktionsbegriff in der funktionalen Grammatik näher zu bestimmen. Schmidt trennt jetzt - im Anschluß an Otto und Admoni - mit den Beziehungsbedeutungen ( = grammatischen Bedeutungen) und den strukturellen Leistungen beim Aufbau der Rede „zwei grundsätzlich unterschiedliche Arten der Funktionen grammatischer Mittel". 68 Indem er Admonis logisch-grammatische, kommunikativ-grammatische und strukturell-grammatische Kategorien69 in seinen Funktionsbegriff einarbeitet, gelangt er zu folgender Schichtung70: Funktion Beziehungsbedeutung ( = gramm. Bedeutung)

logisch-grammatische Funktion 64 65 66 67 68 69 70

kommunikativgrammatische Funktion

strukturelle Leistungen

strukturell-grammatische Funktion

Vgl. Schmidt: Lexikalische und aktuelle Bedeutung, a. a. O., S. 14ff. Vgl ebenda, S. 36f. Vgl. ebenda, S. 50. Ebenda, S. 94. Schmidt: Grundlagen und Prinzipien, a. a. O., S. 653. Vgl. Admoni, W.: Der deutsche Sprachbau. Leningrad 1960, S. 11 f. Vgl. Schmidt: Grundlagen und Prinzipien, a.a.O., S.653f.; Pfütze, M.: Moderne Syntax in der Schule? In: Deutschunterricht, 1963, S. 437f.; Pfütze, M.: Einführung in die Sprachlehre. Teil II: Der Satz. Lehrbriefe für das Fernstudium der Lehrer. Potsdam 1965, S. 74ff.; vgl. dazu auch Schmidt: Grundfragen, a. a. O., S. 29; Graehn, F.: Anregungen für eine anschauliche funktionale Satzbetrachtung. In: Deutschunterricht, 1964, 11, S. 607f. 173

Mit dieser Schichtung verbunden ist die Einsicht, daß die in unseren Schulen weithin praktizierte funktionale Grammatik gar nicht inhaltbezogen, sondern sachbezogen ist.71 Eine solche Sachbezogenheit besteht darin, daß man untersucht, „wie bestimmte Gegenstände oder Bereiche der Wirklichkeit oder des Denkens von sprachlichen Formen bezeichnet werden".72 Eine solche Sachbezogenheit ist nicht nur außersprachlich im Ausgangspunkt, sie muß auch unzulänglich im Resultat bleiben, setzt sie doch eine vollständige Erkenntnis und Ordnung der objektiven Realität voraus, die wir schon deshalb nicht haben können, weil sich die Wirklichkeit in ständiger Entwicklung befindet.73 So sehr Schmidt einerseits die Sachbezogenheit der funktionalen Schulgrammatik fordert, so sehr erkennt er andererseits auch, daß eine solche Sachbezogenheit zu einer vollen Strukturbeschreibung einer Sprache nicht genügt, daß sie „wenig geeignet ist... als Bezugspunkt, wenn es darum geht, die Strukturbeziehungen einer Sprache darzustellen, denn diese lassen sich nicht unter außersprachlichen Gesichtspunkten erfassen".74 Diese Außersprachlichkeit steht jedoch im Widerspruch zu einer linguistischen FormFunktion-Korrelation, bei der Funktion als Bedeutung, also sprachintern gefaßt ist. Mit der Inadäquatheit einer rein sachbezogenen Betrachtung hängt es wohl auch zusammen, daß die in der Anfangsphase erhobene Forderung, man müsse grundsätzlich von der „Funktion" ausgehen und die Sprachformen nur als Funktionsträger ansehen, nunmehr aufgegeben wird. Schmidt sieht das Wesen der „funktionalen Sprachbetrachtung" jetzt darin, daß diese mit der Form und Funktion immer „beide Pole der Korrelation im Auge behält". Dabei ist es durchaus möglich, von beiden Seiten auszugehen, „die Akzente in der Darstellung unterschiedlich zu setzen".75 Wenn Schmidt nun allerdings es als Aufgabe der funktionalen Sprachbetrachtung ansieht, „das Funktionieren der sprachlichen Mittel im Kommunikationsprozeß und ihre funktional bedingte Ordnung in der Gestalt des sprachlichen Systems" zu untersuchen76, so ist diese Forderung freilich so allgemein, daß sie kaum noch ein Spezifikum der funktionalen Grammatik darstellt, sondern im Grunde für die meisten sprachwissenschaftlichen Richtungen zutrifft. Jedermann wird Schmidt zustimmen, wenn er aus der Grundeinsicht, daß die Sprache ein der Kommunikation dienendes Mittel ist, die Forderung ableitet, daß die Sprachwissenschaft „funktional" sein muß. Daraus resultiert 71 72 73 74 75

76

Vgl. Schmidt: Grundlagen und Prinzipien, a.a.O., S.584; vgl. auch Schmidt: Grundfragen, a. a. O., S. 18. Neumann, W.: Wege und Irrwege der Inhaltbezogenen Grammatik. In: Weimarer Beiträge, 1961,1, S. 132. Vgl. ebenda, S. 132; audi in: Weimarer Beitrüge, 1962,1, S. 142. Schmidt: Grundlagen und Prinzipien, a.a.O., S.584f.; Schmidt: Grundfragen, a. a. O., S. 18. Schmidt: Grundlagen und Prinzipien, a.a.O., S.655; vgl. auch Michel, G.: Zur funktionalen Grammatik im muttersprachlichen Unterricht. In: Deutschunterricht, 1964, 11, S.607f. Schmidt: Grundfragen, a. a. O., S. 5, 19.

174

freilich nur die allgemeine Feststellung, daß „funktionale!' Sprachbetrachtung nichts anderes sei als „eine bestimmte, auf die Wechselwirkung zwischen Form und Funktion gerichtete Methode" der Sprachforschung. 77 Problematisch dabei bleibt immer noch, was unter „Funktion" verstanden wird. Gerade in dieser Frage unterscheidet sich die dritte Phase der funktionalen Grammatik von ihrer zweiten Phase. Schmidt hat nämlich sein 1963 entwickeltes Schema zum Funktionsbegriff in seinem Buch „Grundfragen der deutschen Grammatik" (1965) insofern wesentlich modifiziert, als er nun die Struktur der Form zuordnet, keine „strukturellen Funktionen" mehr annimmt und damit den Funktionsbegriff einseitig auf die semantische Seite festlegt 78 : Grammatische Mittel Form ·« Lautform (Laute, Lautfolgen)

>- Funktion Struktur

logischgrammatisch

kommunikativgrammatisch

Dieses zweite Schema lehnt sich nicht mehr an Admoni, sondern an Meier an. Schmidt begründet diese Modifizierung damit, daß die „strukturellen Funktionen" nur Mittel seien, noch keine kommunikativen Leistungen, und daß vor allem die prinzipielle dialektische Unterscheidung von Form und Funktion nicht verwischt werden dürfe. Damit treten jedoch eine Reihe neuer Probleme auf: Abgesehen davon, daß Form und Funktion keine echte Korrelation darstellen 79 , wird auf diese Weise der Formbegriff unscharf (er deckt sich offensichtlich nicht mehr mit dem physikalistischen Formbegriff Meiers), und die Funktion wird auf die semantische Seite reduziert - im Gegensatz zu Schmidts eigener Erklärung der „funktionalen Sprachbetrachtung", in der er vom „Funktionieren der sprachlichen Mittel" und von einer „funktional bedingten Ordnung in der Gestalt des sprachlichen Systems" spricht 80 , den Funktionsbegriff also nicht oder zumindest nicht nur semantisch versteht. Das Sorgenkind bleiben außerdem - wie bei Meier - die strukturellen Funktionen, die Relationen, die u. U. durchaus einen kommunikativen Effekt auslösen können (vgl. die Sätze „Die Mutter sieht die Tochter" und „Die Tochter sieht die Mutter", deren unterschiedlicher Kommunikationseffekt sich allein auf Grund einer verschiedenen Distribution der Wörter im Satz ergibt). Diese strukturellen Funktionen, d. h. Funktionen der Satzglieder 77 78 79 80

Ebenda, S. 22. Vgl. ebenda, S. 24, 28f. Vgl. dazu etwa Klaus, G.: Kybernetik in philosophischer Sicht. Berlin 1961, S. 23. Vgl. etwa Schmidt: Grundfragen, a. a. O., S. 19.

175

„die Tochter" und „die Mutter", die durch die Position und Abhängigkeit bedingt sind, die weder einem physikalistischen Formbegriff noch der semantischen Funktion zuzuordnen sind, müssen offensichtlich so lange ein Sorgenkind bleiben, wie man die philosophischen Begriffe „Inhalt" und „Form" in direkterWeise mit den linguistischen Begriffen „Funktion" und „Form" identifiziert. Das schwerwiegendste Problem in dieser Version der funktionalen Grammatik besteht jedoch darin, daß Schmidt einerseits - im Anschluß an Meier - die Funktion als Kommunikationseffekt - also außersprachlich - definiert, daß er andererseits aber von einem bilateralen Zeichen spricht, das aus der Einheit von Form und Funktion bestehe81 - im Unterschied zu Meiers unilateralem Zeichenbegriff. Auf diese Weise zeigt sich eine Vermengung von inner- und außersprachlichen Faktoren im Funktionsbegriff der funktionalen Grammatik. Gerade auf Grund dieser Schwächen hat Schmidt 1968 ein neues Modell entwickelt 82 , mit dem die funktionale Grammatik gleichsam in ihre vierte Phase eintritt. Schmidt gibt jetzt die - von Meier übernommene - postulierte „Einheit" von Form und Funktion auf und spricht von einer Trias von Form Bedeutung - Funktion, die sich weniger an Admoni oder Meier als vielmehr an G. Klaus orientiert. Was er bisher „Funktion" genannt hat, differenziert er in „Bedeutung" ( = sprachinterne Komponente des bilateralen Zeichens, abstrahierte invariante Widerspiegelung einer Beziehung oder Erscheinung der objektiven Realität, die mit der Lautform zum sprachlichen Zeichen verbunden ist, = Input) und „Funktion" ( = sprachexterner Kommunikationseffekt, Wirkung der Sprache auf den Empfänger, = Output). Es wird nach wie vor ein bilaterales Zeichen angenommen, das als Einheit von Form und Bedeutung begriffen wird; dabei wird innerhalb der Bedeutung zwischen lexikalischer und grammatischer Bedeutung differenziert, dabei umfaßt die Form nicht nur die Lautkomplexe, sondern auch die Abhängigkeitsverhältnisse und die Distribution (also die „Struktur") sowie die suprasegmentalen Elemente. Damit wird das, was Klaus als syntaktische, semantische, sigmatische und pragmatische Beziehung unterschieden hat 8 3 , von Schmidt übernommen, aber bilateral gedeutet: Das Zeichen besteht nicht nur aus dem Lautkomplex, sondern aus der Einheit von Lautkomplex und Bedeutung ( = Abbild bei Klaus); erst diese Einheit hat eine sigmatische Beziehung zu den außersprachlichen Obiekten (O) und eine pragmatische Beziehung zu den Menschen (M). 81 82

83

Vgl. ebenda, S. 23 ff. Vgl. Schmidt, W.: Funktionen und Stilnormen grammatischer Erscheinungen. In: Wiss. Zeitschrift der Humboldt-Universität Berlin, Gesellschafts- und Sprachwiss. Reihe, 1969, 2. Vgl. auch Schmidt, W.: Zur Theorie der funktionalen Grammatik. In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung, 1969,2, S. 135ff.; Schmidt, W.: Zum gegenwärtigen Stand der funktionalen Grammatik. In: Deutschunterricht, 1969, 4, S. 227ff. Vgl. Klaus, G.: Semiotik und Erkenntnistheorie. Berlin 1963, S. 36, 39f.; Klaus, G.: Die Macht des Wortes. Berlin 1965, S. 14f., S. 12 ff.

176

Auf diese Weise ist ohne Zweifel die theoretische Hauptschwäche der funktionalen Grammatik - die Vermengung von innersprachlichen und außersprachlichen Komponenten - überwunden. Es ist dabei aber zugleich eingestanden, daß der Hauptbegriff der funktionalen Grammatik - der der „Funktion" - extralinguistisch definiert wird. Das würde zu dem Schluß führen, die funktionale Grammatik primär auf außersprachliche Faktoren aufzubauen, wollte man sich streng an den Terminus halten. Die Alternative dazu wäre die Frage, ob der Begriff der „funktionalen Grammatik" überhaupt glücklich ist, wenn man berücksichtigt, daß es einer Grammatik doch wohl primär um sprachliche Gegebenheiten geht. Schmidt selbst beantwortet diese Frage positiv mit der Begründung, daß die Grammatik die Regularitäten und das Verhältnis der grammatischen Formen und der grammatischen Bedeutungen zu untersuchen und zu beschreiben habe, daß „der Bedeutungsbegriff in dem weiter gefaßten Funktionsbegriffim dialektischen Sinn - aufgehoben" sei.83*

5.3.

Prinzipien and Methoden der funktionalen Grammatik

W. Schmidt räumt ein, daß die Methoden zur exakten Ermittlung der kommunikativen Leistung gegenwärtig noch unvollkommen sind, daß folglich die funktionale Grammatik „auch in Zukunft auf die Methode der logischen Analyse und der subjektiven Interpretation nicht wird verzichten können". 84 Im Bemühen um exaktere Methoden übernimmt die funktionale Grammatik einige Verfahrensweisen der strukturellen Linguistik, vor. allem solche Verfahren der Kontrolle, wie sie Glinz mit seiner Weglaß-, Verschiebe· und Ersatzprobe entwickelt hat, aber auch solche Methoden, wie sie unter dem Namen Substitution, Distribution, Transformation usw. in der internationalen strukturellen Linguistik entwickelt worden sind. Die genaue Feststellung der kommunikativen Leistung sprachlicher Formen ist erschwert, weil zwischen den Formen und den Funktionen sprachlicher Einheiten keine Äquivalenz besteht. Beide Seiten zu untersuchen ist jedoch gerade das erklärte Anliegen der funktionalen Gràmmatik : „Das Wesen der funktionalen Sprachbetrachtung besteht darin, daß sie grundsätzlich immer beide Pole der Form-Funktion-Korrelation im Auge behält. Dabei kann die funktionale Betrachtung sowohl von der Form wie auch von der Funktion ausgehen, sie kann die Akzente in der Darstellung verschieden setzen J e nach der besonderen Zielstellung der Untersuchung. Entscheidend ist nur, daß sie nicht bei der isolierten Betrachtung der einen Seite der Wechselbeziehung stehenbleibt und daß sie den sprachlichen Kommunikationsakt immer in der Absicht untersucht, die Gesetzmäßigkeiten des Funktionierens der sprachlichen Mittel und ihre funktional bedingte Ordnung aufzudecken". 85 83

«Schmidt, W.: Zum gegenwärtigen Stand der funktionalen Grammatik, a.a.O., S. 232. 84 Vgl. Schmidt: Grundfragen, a. a. O., S. 29. 85 Ebenda, S. 30. 12

Heibig, Sprachwissenschaft

177

Wenn -man die Grammatik unter diesem funktionalen Gesichtspunkt betrachtet - also immer Form und Funktion der sprachlichen Erscheinungen im Auge hat -, kommt man nach Schmidt „sehr bald zu wichtigen Einsichten, die sich der Sehweise der traditionellen Grammatik längst nicht so leicht eröffnen' 4 . 86 Gemeint ist vor allem die Erkenntnis, daß zwischen den Formen und ihren Funktionen nicht das Verhältnis einfacher und geradliniger Entsprechung besteht, daß 1. nicht jede Funktion nur einen ihr eindeutig zugeordneten Funktionsträger besitzt, sondern bestimmte Leistungen durch unterschiedliche Mittel erzieit werden können; 2. nicht jede Form nur eine bestimmte Funktion auslösen kann, sondern daß manche Formen verschiedene Leistungen hervorbringen können. Schmidt erläutert diesen einfachen Tatbestand am Beispiel des Befehls, der als Funktion - keineswegs nur durch die Form des Imperativs, sondern auch durch die Formen des Infinitivs, des Partizips II, des Konjunktivs, des Futurs usw. ausgedrückt werden kann. Umgekehrt drückt das Präsens des Verbs als Form - keineswegs nur die Gegenwart aus, sondern kann auch die Zukunft, die Vergangenheit oder eine allgemeine Zeit meinen. Diese Erkenntnis von der fehlenden 1:1-Entsprechung von Form und Funktion zeigt zunächst, daß die funktionale Grammatik keineswegs auf eine genaue Darstellung des Formensystems verzichtet, wie ihr manchmal vorgeworfen wird. Sie verzichtet nicht nur nicht auf die Formbetrachtung, sondern setzt - umgekehrt - ein vertieftes Wissen um die Sprachformen voraus, damit diese überhaupt in ihren Beziehungen zu den Funktionen beobachtet werden können.87 Die funktionale Grammatik schließt also eine sehr genaue Erfassung des Formensystems ein, lehnt aber eine Beschränkung auf dieses Formensystem ab. Fraglich erscheint allerdings Schmidts Behauptung, daß es die eigentliche Leistung der funktionalen Grammatik sei, auf dieses Wechselspiel zwischen Formen und Funktionen hingewiesen, zu haben. Immer wieder wird von der funktionalen Grammatik gegenüber der älteren traditionellen Grammatik der Vorwurf erhoben, sie sei „formal", beschränke sich auf die Formen und schließe eine Beschreibung der Funktionen aus. Ein Blick in die älteren deutschen Schulgrammatiken (etwa von Heyse, Sütterlin, Blatz u. a.) genügt jedoch, um festzustellen, daß dieses Wechselspiel von Formen und Funktionen bereits dort in recht detaillierter Weise dargestellt ist. In diesem Sinne ist also durchaus auch die ältere Grammatik bereits „funktional" orientiert gewesen.88 Auch wenn die traditionelle Grammatik Formen wie „ich gehe" / „du gehst" usw. Präsens nannte (entsprechend der Hauptfunktion dieser 86 87 88

Ebenda, S. 30. Vgl. dazu auch Spiewok, W.: Zur Einteilung der deutschen Sätze. In: Deutschunterricht, 1968, 7/8, S. 410. Kritisch zu diesem „Novum" bereits die Bemerkungen „Zu Wesen und Bedeutung der funktionalen Grammatik". In: Sprachpflege, 1962, 2, S. 61.

178

Formen), so hat sie damit weder sagen wollen noch gesagt, daß diese Formen notwendig die Funktion hätten, immer die Gegenwart auszudrücken; sie hat vielmehr ein ausführliches Verzeichnis der möglichen Bedeutungen und Funktionen (meist geschieden in Haupt- und Nebenfunktionen) geliefert. Die traditionelle Grammatik ist besonders durch zweierlei gekennzeichnet: 1. Sie ist im wesentlichen, um dieses Wechselspiel zwischen Form und Funktion in den Blick zu bekommen, von den Formen ausgegangen ; sie ist also gestaltbezogen in der Terminologie Weisgerbers. In den Formen hat sie einen exakten Anhaltspunkt für die Beschreibung, während - eingestandenermaßen - dieser meßbare Ausgangspunkt fehlt, wenn man die Funktion als alleinigen Maßstab wählt. Deshalb wählen auch heute noch die meisten grammatischen Richtungen die Form als Ausgangspunkt: das trifft nicht nur für die strukturelle Linguistik und für G. F. Meier zu, sondern sogar für die inhaltbezogene Grammatik, die zunächst von lautbezogenen Feststellungen und Materialsammlungen ausgeht, dann aber dieses Material unter inhaltbezogenem Maßstab auswertet. Was bei einem ausschließlichen Ausgang von der Form aber nicht in den Blick kommt und kommen kann, sind solche Fälle, in denen mehrere Formen einer gemeinsamen Funktion zugeordnet werden können. In dieser Hinsicht geht die funktionale Grammatik tatsächlich über die traditionelle Grammatik hinaus, wenn sie unter dem Gesichtspunkt der Funktion sprachliche Mittel zusammenstellt, die einen gleichen Kommunikationseffekt auslösen, d. h. die gleiche Funktion haben. Es gibt mehrere Arbeiten in der funktionalen Grammatik, die etwa die syntaktischen Mittel zusammenstellen, die zeitliche Beziehungen, ein Geschehen und seine Folge, eine Einräumung usw. ausdrücken. 89 Aber auch der Versuch, die Funktion potentiell als Zuordnungspunkt zu benutzen, um verschiedene sprachliche Mittel zusammenzustellen, ist kein absolutes Novum, sondern knüpft an die inhaltbezogene Grammatik an, die ja die Inhalte in konsequenter Weise als methodischen Maßstab und Zuordnungspunkt setzte. Bezeichnend für diese Fragestellung ist etwa die Behandlung des „Modalfeldes" bei Brinkmann 9 0 , in dem die verschiedenen Formen oder Mittel der Modalität (Modaladverbien, Modalverben, Modus des Verbs, modale Infinitive) unter dem gemeinsamen inhaltlichen Gesamtnenner zusammengefügt werden. Freilich bleibt die inhaltbezogene Grammatik bei einer intuitiv-impressionistischen Feststellung dieser Tatbestände; aber auch in dieser Richtung geht die funktionale Grammatik kaum prinzipiell über sie hinaus. In neuerer Zeit versucht die generative Grammatik mit den Beziehungen zwischen Oberflächenstrukturen und Tiefenstrukturen in präziserer Weise zumindest einen Teil dessen einzufangen, was die funktionale Grammatik als Wechselbeziehungen zwischen Form und Funktion anspricht. Wenn etwa 89 90

12*

Vgl. dazu unsere Anm. 60. Vgl. Brinkmann, H.: Die deutsche Sprache. Düsseldorf 1962, S. 345ff.

179

Mötsch die Apposition, den Relativsatz und die Parenthese als verschiedene Oberflächenstrukturen für die gleiche Tiefenstruktur deutet (z. B. : Peter, mein bester Freund, hat mich enttäuscht. Peter - er war mein bester Freund - hat mich enttäuscht. Peter, der mein bester Freund war, hat mich enttäuscht.) 91 , wird im Grunde nichts anderes getan, als daß verschiedene Formen für die gleiche Funktion (d. h. unter dem Gesichtspunkt der gleichen Funktion) zusammengestellt werden. Aber die generative Grammatik stellt diese verschiedenen Formen nicht nur intuitiv - als bloße „Konkurrenzformen" - nebeneinander, sondern tut darüber hinaus noch mehr: Sie legt die verschiedenen Oberflächenstrukturen genau (in Form von P-Markers) fest und expliziert die genaue Ableitung aus der Tiefenstruktur durch einen Regelmechanismus von bestimmten Transformationen, der zugleich die exakten Bedingungen festlegt, unter denen die verschiedenen Oberflächenstrukturen erscheinen können. 2. Was die traditionelle Grammatik auch noch kennzeichnet, ist die fehlende genaue Bestimmung und Lokalisierung der Funktionen; denn als Funktionen tauchen in der älteren Grammatik bald syntaktische Funktionen (etwa: Subjekt, Objekt), bald innersprachliche semantische, bald außersprachliche Funktionen auf. 92 In der Klärung dieser - zentralen - Frage führt die funktionale Grammatik jedoch - zumindest in ihren ersten Phasen - über die traditionelle Grammatik nicht sehr wesentlich hinaus. Diese Unklarheiten im Funktionsbegriff gezeigt zu haben ist nicht ein Verdienst der funktionalen Grammatik (die vielmehr von einem unreflektierten Gebrauch als Schlagwort ausgegangen ist und erst danach eine genauere Bestimmung versuchte), sondern der inhaltbezogenen Grammatik, die den Funktionsbegriff - eben weil er mehrdeutig und nicht völlig geklärt ist - als lautbezogen aus der Sprachbeschreibung überhaupt ausscheiden und durch den Inhaltsbegriff ersetzen möchte. Zweifellos ist auch damit nicht viel gewonnen - denn man schafft die durch einen Begriff bezeichneten Sachverhalte nicht dadurch aus der Welt, daß man den Begriff beseitigt; auf die Fragwürdigkeit des an seine Stelle getretenen Inhaltsbegriffs ist schon ausführlicher hingewiesen worden.

5.4.

Schlußfolgerungen fur den funktionalen Sprachunterricht

Die funktionale Grammatik betrachtet sich - wie bereits ausgeführt worden ist - nicht nur als theoretische Disziplin, sondern auch als praktische Unterrichtsmethode. Als solche Unterrichtsmethode will sie nicht verstanden 91 92

Vgl. Mötsch, W.: Untersuchungen zur Apposition im Deutschen. In: Studia Grammatica V. Syntaktische Studien. Berlin 1965, S. 95 ff. Vgl. dazu Heibig, G.: Zum Funktionsbegriff in der modernen Linguistik. In: Deutsch als Fremdsprache, 1968, 5, S. 276.

180

werden „als Anhäufung mehr oder weniger isolierter Formen und Regeln", sondern „als lebendige Anleitung zum richtigen Gebrauch und Verstehen unserer Sprache". In diesem Sinne ist die funktionale Grammatik kein Selbstzweck, sie dient vielmehr nachdrücklich dem Ziele, „die Schüler zu weitgehender praktischer Sprachbeherrschung zu führen". Wie in der inhaltbezogenen Grammatik kommt es darauf an, daß im muttersprachlichen Unterricht nicht nur Sprachw/iie« vermittelt wird, sondern daß über dieses Sprachwissen ein hoher Grad von Sprachfcöw/iew und Sprach verstehen erzielt wird. 93 Während Schmidt in der sprachwissenschaftlichen Arbeit durchaus Verfahren für möglich und manchmal sogar für notwendig hält, die die Wechselbeziehung von Form und Funktion vernachlässigen, sind sie „im Sprachlehreunterricht grundsätzlich unzulässig und immer vom Übel. Die Arbeit an den sprachlichen Formen ohne Einbeziehung ihrer Funktionen führt zum Formalismus und muß zwangsläufig steril bleiben, denn sie mißachtet ein Grundprinzip jedes Sprachunterrichts, ganz besonders aber des muttersprachlichen Unterrichts, dem es um das Bewußtmachen der Faktoren und Bedingungen des sprachlichen Kommunikationsaktes einerseits und des sprachlichen Systems andererseits gehen muß". 9 4 Mit dieser Zielsetzung wendet sich die funktionale Grammatik deutlich gegen bekannte moderne Verfahren im Fremdsprachenunterricht, in denen (etwa im Anschluß an die Pattern-Practice, wie sie als Folgeerscheinung der strukturellen Linguistik entstand) die automatisierende Vermittlung bestimmter sprachlicher Stereotype als das Wesentliche angesehen wird. Schmidt meint, eine solche Aneignung von automatisierten Sprechgewohnheiten genüge nicht für den Sprachunterricht, vor allem nicht für den muttersprachlichen Unterricht: „Wenn die Arbeit im muttersprachlichen Unterricht überhaupt einen Sinn hat, dann ist er in dieser anderen und höheren Qualität der Aneignung von Sprache zu sehen: in der bewußten Durchdringung und Anwendung der Ausdrucksmöglichkejten, die uns das sprachliche System bietet." 95 Es kommt der funktionalen Grammatik somit im Unterricht auf die Bewußtmachung von sprachlichen Möglichkeiten an, nicht auf ihre Automatisierung zu speech-habits, die jener Bewußtmachung höchstens folgen könne. Damit erweist sie sich als Methode, die sich auf den muttersprachlichen Unterricht bezieht, nicht so sehr auf den Fremdsprachenunterricht, der anderen Zielsetzungen unterliegt. Wie bei der theoretischen Beschreibung kommt es auch im funktionalen Grammatikunterricht darauf an, die Mitteilung als Ganzes im Auge zu haben und die wechselseitige Abhängigkeit von Form und Funktion zu beachten. Auf diese Weise sollen die grammatischen Kenntnisse niemals als bloßer Gedächtnisstoff angesehen werden, sondern als Stoff, „mit dem man nur in 93 94 95

Schmidt: Grundfragen, a.a.O., S. 32f.; vgl. auch Schmidt, W.: Sprachwissen und Sprachkönnen. In: Deutschunterricht, 1961, 7. Schmidt: Grundfragen, a. a. O., S. 22. Ebenda, S. 22.

181

und zum Zwecke der selbsttätigen Auseinandersetzung mit der Sprache und ihrer schöpferischen Anwendung konfrontiert wird". 96 Dabei ist die genaue und solide Kenntnis des Formensystems durchaus nicht überflüssig; aber sie ist kein Selbstzweck, sondern dient der Einsicht, welche Leistungen mit Hilfe dieser Formen erzielt werden können. So wird beim aktiven Sprachgestalten der Schüler - gleichgültig ob es sich um den mündlichen oder den schriftlichen Ausdruck handelt - der Weg von der Funktion zur Form eingeschlagen werden müssen : Man wird von der Gestaltungsaufgabe, der beabsichtigten Leistung ausgehen müssen und zu prüfen haben, welche sprachlichen Formen dabei eingesetzt werden können oder müssen. Umgekehrt erfordert die Arbeit an einem vorliegenden Text den Weg von der Form zur Funktion, denn man wird aus dem Zusammenwirken der sprachlichen Formen den Inhalt und die Leistung erschließen können. Beide Wege - der von der Funktion zur Form und der von der Form zur Funktion - schließen sich im funktionalen Sprachunterricht nicht aus, sondern ergänzen einander. Wesentlich ist allein, daß die Schüler die sprachlichen Mittel sowohl nach der Form als auch nach der Funktion sicher beherrschen lernen. Dazu genügt ein bloßes Kennen der Regeln und Muster nicht; was von der funktionalen Grammatik angestrebt wird, ist vielmehr die Sicherheit im Erkennen und Anwenden der Formen nach ihrer Leistung. 97

5.5.

Verhältnis zu anderen Forschlingsrichtungen

Das Verhältnis der funktionalen Grammatik zur strukturellen Linguistik ist von Anfang an mit einigen Vorbehalten belastet gewesen. Vor allem wird der strukturellen Linguistik vorgeworfen, daß sie ihren Untersuchungsgegenstand von séinen natürlichen Bedingungen und Entwicklungsfaktoren (vor allem von der objektiven Realität, vom Sprachträger und von der Sprachgeschichte) isoliere, die Grammatik zur reinen Formanalyse reduziere und die Bedeutung vernachlässige. Dieser Vorwurf trifft - wie wir sahen - nur für einige Richtungen des weitverzweigten Strukturalismus zu; er richtet sich außerdem gegen Schwächen, die durch die Entwicklung der strukturellen Linguistik selbst weithin als überwunden gelten. Die strukturelle Linguistik ist heute nicht mehr der Meinung, daß sie - wie es Schmidt formuliert - die Bedeutungen „als mit wissenschaftlichen' Methoden nicht faßbare Größen grundsätzlich vernachlässigt". Schmidt konstatiert selbst, „daß die bisherigen Methoden zur Erfassung der Sprachinhalte unzulänglich sind", und folgert, daß deshalb angestrebt werden muß „nicht die Ausschaltung der Bedeutung als Gegenstand der Forschung, sondern die Entwicklung exakterer Verfahren zur Erforschung der Bedeutungen". 98 Was damit als Forderung der funktio96 97 98

Ebenda, S. 33. Vgl. ebenda, S. 34f. Ebenda, S. 14.

182

nalen Grammatik ausgesprochen wird, entspricht der Forderung und dem Anliegen der generativen Grammatik in ihrer heutigen Version. ^ In Übereinstimmung mit der generativen Grammatik erkennt Schmidt an, daß das Postulat nach größerer Exaktheit in der Sprachwissenschaft eine volle Berechtigung hat. Er bezweifelt jedoch die Möglichkeit, eine solche Erzeugungsgrammatik für den Schulunterricht nutzbar machen zu können. Der muttersprachliche Unterricht muß die Betrachtung der Form immer mit der des Inhalts verbinden. Auch wenn die Beschreibung der Sprache allein nach formalen Gesichtspunkten ihre große Bedeutung für die angewandte Linguistik und vor allem für die Konstruktion von Übersetzungsmaschinen habe, so genüge eine solche Beschreibung für den muttersprachlichen Unterricht nicht, da dieser immer der Ausdrucksschulung dienen muß und nicht nur Spracherziehung, sondern zugleich auch Denkschulung und Persönlichkeitsbildung i s t . " Damit wird - ebenso wie von der inhaltbezogenen Grammatik 100 - auch von der funktionalen Grammatik das pädagogische Argument als entscheidendes Motiv gegen eine exakte Formalisieruug in der Sprachbeschreibung genannt. Die Notwendigkeit einer funktionalen Grammatik wird auf diese Weise nicht so sehr von der Seite der Theorie (bei der Schmidt j a zugesteht, daß es möglich, bisweilen sogar notwendig ist, die Formen von den Funktionen zu isolieren) als vielmehr von der Seite der pädagogischen Praxis begründet. Die angeführten Argumente betreffen jedoch - auch das wird mehrfach ausgesprochen - den muttersprachlichen Unterricht, nicht den Fremdsprachenunterricht. Es ist mit Recht bemerkt worden, daß der wissenschaftliche Rückstand der deutschen Grammatik nicht primär darin besteht, daß sie sich zu wenig an der Praxis orientiert hat; viel eher besteht er darin, daß sie sich auf Kosten der wissenschaftlichen Exaktheit und Verallgemeinerung - zu stark an oberflächlichen Einzelproblemen orientiert hat. 1 0 1 Die Einstellung der funktionalen Grammatik zur strukturellen Linguistik wird deutlich in der Art, wie Schmidt die Arbeit von Glinz einschätzt, der bekanntlich zunächst von strukturellen Methoden ausgeht, die strukturell durch „Experiment" - ermittelten Elemente aber dann „inhaltlich" interpretiert, was ihn schließlich später in das Lager der inhaltbezogenen Grammatik hinüberführt. Schmidt meint, daß Ghnz mit seinen „strukturalistischen" Methoden nicht zu einer vollen Erfassung der Sprache kommt, daß er aus diesem Grunde „die formalistische Beschränkung der strukturalistischen Betrachtungsweise" überwindet, indem er sich der Notwendigkeit bewußt wird, die Inhalte in den Mittelpunkt zu stellen. Da es sich jedoch um Bewußtseinsinhalte handelt, bedarf dieses Verfahren „doch immer wieder der Selbstbeobachtung, der sogenannten Introspektion, die bei vielen modernen 9 9 Vgl. ebenda, S. 15. too Vgl. dazu vor allem Weisgerber, L.: Zur Entmythologisierung der Sprachforschung. In: Wirkendes Wort, 3. Sonderheft 1961. 1 0 1 Vgl. dazu ausführlicher Härtung, W. : Grammatikunterricht und Grammatikforschung. In: Deutschunterricht, 1964, 3, S. 150.

183

Linguisten verpönt ist. Glinz verfolgt aber ein richtiges Prinzip, wenn er hofft, in einem Verfahren, das er .Interpretation' nennt, eine wenigstens angenäherte Verbindung von Selbstbeobachtung und Kontrolle, von lebendigem Erleben und wissenschaftlich objektivem Beobachten zu erreichen". 102 Damit wird der Weg von Glinz von der strukturellen Beschreibung zur inhaltbezogenen Grammatik - der in Wahrheit die Preisgabe von exakten Forschungsmethoden bedeutet 103 - als eine Höherentwicklung bewertet. Mit dieser Wendung zur inhaltbezogenen Grammatik ist freilich auch bei Glinz eine bestimmte sprachphilosophische Konzeption verbunden, die Schmidt natürlich ablehnt. Die funktionale Grammatik heißt auf der einen Seite die Wendung zu den Inhalten und zur Introspektion gut, lehnt aber auf der anderen Seite die theoretische Basis ab, auf der diese Wendung beruht. Diese beiden Seiten werden auch in der Tatsache deutlich, daß die funktionale Grammatik zwar einerseits theoretisch gegen die strukturelle Linguistik polemisiert, aber praktisch in zunehmendem Maße - sogar für den praktischen Unterricht in der Muttersprache - deren Methoden für die funktionale Sprachbeschreibung übernimmt. 104 Während die funktionale Grammatik eine sehr kritische Position zur strukturellen Linguistik bezieht, ist sie mit der inhaltbezogenen Grammatik eher vergleichbar. Die Affinität beider Grammatik-Modelle geht so weit, daß sie zumindest von einzelnen Vertretern der funktionalen Grammatik - sogar gleichgesetzt worden sind. 105 Diese Identifizierung ist nicht statthaft deshalb, weil der Inhaltsbegriff der inhaltbezogenen Grammatik innersprachlich, der Funktionsbegriff der funktionalen Grammatik jedoch - schon in ihren ersten Phasen, erst recht in ihrer heutigen Fassung - zumindest potentiell extralinguistisch ist. Deshalb betont Schmidt mit Recht, daß die funktionale Schulgrammatik in ihrem Wesen gar nicht inñaltbezogen, sondern sachbezogen im Weisgerberschen Sinne ist. Auf der einen Seite wird somit eingestanden, daß das sachbezogene Vorgehen „ein Prinzip des muttersprachlichen Unterrichts auch in der sozialistischen Schule" darstellt; auf der anderen Seite steht jedoch die Einsicht, daß eine solche Sachbezogenheit für eine Sprachbeschreibung im vollen Sinne des Wortes nicht ausreicht. 106 Die funktionale Grammatik lehnt in entschiedener Weise die philosophischen und ideologischen Implikationen des Weisgerberschen Inhaltsbegriffes ab, vor allem die für die inhaltbezogene Grammatik grundsätzlichen Hypothesen 1. von der Verselbständigung der Sprachinhalte zu einer sprachlichen Zwischenwelt, 2. von der weitgehenden Identifizierung von Sprache und Denken. 102

Schmidt: Grundfragen, a. a. O., S. 16. 103 vgl. dazu Heibig, G.: Glinz' Weg von der strukturellen Beschreibung zur inhaltbezogenen Grammatik. In: Deutsch als Fremdsprache, 1964, 2, S. 6ff. 104 Vgl. dazu Schmidt: Grundfragen, a. a. O., S. 29. 105 Vgl. dazu unsere Anm. 58 und 59. 106 Schmidt: Grundfragen, a. a. O., S. 18.

184

Demgegenüber steht in der funktionalen Grammatik die richtige Einsicht, daß Sprache und Denken zwar unlöslich miteinander verbunden sind, aber keineswegs als identisch angesehen werden können. Deshalb unterscheidet Schmidt im Unterschied zu Weisgerber deutlich zwischen einer muttersprachlichen Bedeutung ( = Inhalt) und einem interlingualen Begriff; auf diese Weise vermeidet er die in der inhaltbezogenen Grammatik übliche Gleichsetzung von Sprach- und Denkstrukturen. Daraus entsteht im Unterschied zu de Saussures zweigliedrigem Modell von Signifikant und Signifikat, im Unterschied auch zu Weisgerbers dreigliedrigem Modell von Lautform, Inhalt und außersprachlichen Sachen ein viergliedriges Modell, das die Ebenen der Lautform, der Bedeutung ( = innersprachlicher Inhalt), des Begriffes ( = Abbild, Widerspiegelung im Bewußtsein) und der außersprachlichen Realität umfaßt. 107 Mit dieser Vierschichtung ist eine Differenzierung erreicht, die das Verhältnis von Sprache, Denken und Wirklichkeit adäquat abbildet. Allerdings wird damit eingestanden, daß das in der Schule meist praktizierte sachbezogene Verfahren die Schicht der Bedeutungen überspringt und damit eine wissenschaftlich nicht zulässige direkte Beziehung von Lautform und Wirklichkeit nahelegt. Während Weisgerber eben deshalb konsequenterweise die Sachbezogenheit als methodisches Prinzip der Sprachbetrachtung radikal ablehnt und statt dessen sein inhaltbezogenes Verfahren (mit all seinen bedenklichen philosophischen und politischen Konsequenzen) fordert, behält Schmidt die Sachbezogenheit als Prinzip des funktionalen GrammatikUnterrichts bei (wohl wieder aus pädagogischen Gründen). Darüber hinaus ist eine gewisse Zwitterstellung der funktionalen Grammatik im Verhältnis zur inhaltbezogenen Grammatik erkennbar: Auf der einen Seite werden die oben genannten Thesen der inhaltbezogenen Grammatik abgelehnt, auf der anderen Seite jedoch werden zahlreiche sachliche Ergebnisse der inhaltbezogenen Grammatik übernommen und als „funktionale" Einsichten interpretiert: So lehnt Schmidt zwar die „Zwischenwelt" Weisgerbers ab, übernimmt aber den Begriff der „inneren Sprachform" 108 ; so wird gegen die inhaltbezogene Konzeption der Wortarten polemisiert, zugleich aber eine analoge Trennung von „Sachbedeutung" und „begrifflichkategorialer Prägung" vorgenommen. 109 Schmidt scheint auch mit der westdeutschen Duden-Grammatik übereinzustimmen, nach der die Wörter einer Wortart „die Welt" kennzeichnen, „die durch die Sprache in unser geistiges Bewußtsein gerückt wird" 1 1 0 , und identifiziert seinen Terminus der „begrifflich-kategorialen Prägung" weitgehend mit der „geistigen Grundgestalt" von Glinz. 111 Ebenso werden von der inhaltbezogenen Grammatik bestimmte 107 108 109 110 111

Vgl. dazu auch Neumann, W. : Wege und Irrwege der Inhaltbezogenen Grammatik (II) In: Weimarer Beiträge, 1962,1, S. 143. Vgl. Schmidt: Grundfragen, a. a. O., S. 40f. Vgl. ebenda, S. S2f. Vgl. ebenda, S.53. Vgl. ebenda, S. 62. 185

allgemeine Inhalte für die einzelnen Kasus übernommen 112 , obwohl es sich offensichtlich zum großen Teil nur um syntaktische Abhängigkeiten handelt, die zu bestimmten - leicht falsifizierbaren - Inhalten hypostasiert werden. 113 Insgesamt besteht ein Verdienst der funktionalen Grammatik darin, das Interesse der Sprachwissenschaft im Rahmen der Ausgangssituation der DDR-Linguistik nach 1950 von der einseitig historischen Orientierung auf die Gegenwartssprache hingelenkt zu haben ; dieses Verdienst wird jedoch eingeschränkt durch die Tätsache, daß sich die funktionale Grammatik nur zögernd mit einigen wichtigen Strömungen der Linguistik auseinandergesetzt hat.

5.6.

Praktisches Beispiel: Die Satzmodelle in der funktionalen Grammatik

Um die zentralen Begriffe der funktionalen Grammatik und deren Verhältnis zu anderen Forschungsrichtungen durch ein praktisches Beispiel der Sprachbeschreibung zu illustrieren, wählen wir die Satztypen bzw. Satzmodelle aus, d. h. das gleiche Beispiel, mit dem wir auch das Modell der inhaltbezogenen Grammatik verdeutlicht haben. 114 Gerade an diesem Beispiel zeigt es sich, daß die funktionale Grammatik die aus der inhaltbezogenen Grammatik stammenden vier Satzmodelle übernimmt, sie ζ. T. neu benennt und nicht mehr inhaltbezogen, sondern sachbezogen interpretiert. Auf diese Weise werden in der funktionalen Grammatik vier Satztypen unterschieden 115 : 1) 2) 3) 4)

Handlungssatz: Vorgangssatz: Merkmalssatz : Einordnungssatz:

Er sieht den Freund. Er schläft. Der Schüler ist fleißig. Berlin ist die Hauptstadt der DDR.

Was Brinkmann früher Urteilssatz nannte und heute besser Adjektivsatz nennt, erscheint in der funktionalen Grammatik als Merkmaissatz; was Brinkmann früher Identifizierungssatz nannte und heute besser Substantivsatz nennt, erscheint hier als Einordnungssatz. Gewiß ließe sich manches 112 113

114 113

Vgl. ebenda, S. 121ff.,144. Vgl. kritisch dazu Neumann, W.: Rezension von Jung - Grammatik der deutschen Sprache. In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung, 1967, 4, S. 372. Vgl. unser Kapitel 4.6.3. Vgl. etwa Graehn, F.: Vor neuen Methoden im Sprachlehreunterricht? In: Deutschunterricht, 1962, 2; Ludwig, W.: Die zwölf Satztypen Admonis und die vier Grundtypen unseres Lehrmaterials. In: Material für Fachschullehrer. Zur Syntax der deutschen Sprache der Gegenwart. Dresden 1963; Ausdruckslehre - Lehrbuch für den Deutschunterricht an Ingenieur- und Fachschulen. Leipzig 1965; Pfütze, M.: Einführung in die Sprachlehre. Teil II: Der Satz. Potsdam 1965.

186

gegen diese neue Terminologie sagen, weil die von der funktionalen Grammatik vorgeschlagenen Begriffe nicht viel glücklicher sind als die Brinkmanns : Ein Merkmal im logischen Sinne enthält nicht nur der Typ des Merkmalssatzes, sondern enthalten alle Sätze; der Typ des „Einordnungssatzes" umfaßt durchaus nicht nur Einordnungen (etwa: Berlin ist eine große Stadt), sondern auch Identifizierungen (etwa: Berlin ist die Hauptstadt der DDR). · Entscheidend ist aber nicht diese neue Namensgebung, sondern vielmehr die Tatsache, daß die funktionale Grammatik die Satzmodelle Brinkmanns bewußt oder unbewußt - nicht mehr inhaltbezogen, sondern sachbezogen versteht. Brinkmann hatte ausdrücklich betont, daß seine Grundmodelle inhaltbezogen zu verstehen sind, d. h. daß sie als „verschiedene Sehweisen für denselben Sachverhalt" aufzufassen sind. 116 Dieser Tatbestand wird in der funktionalen Grammatik offensichtlich manchmal völlig verkannt. So führt etwa die „Ausdruckslehre" 117 diese Satztypen zurück auf „grundlegende objektive Sachverhalte", die sich „aus der Untersuchung der objektiven Realität" ergeben. Diese Satztypen haben dann „die gleiche Aufgabe", d. h., sie geben den gleichen Sachverhalt wieder, und die „gleiche Struktur". Indem die inhaltlichen Grundmodelle auf diese Weise sachbezogen mißverstanden werden und ihnen in direkter Weise eine gleiche Struktur zugesprochen wird, wird ein Gleichlauf von Sachverhalten und sprachlichen Strukturen angenommen, der in Wirklichkeit nicht vorhanden ist. Auch Ludwig führt die vier Satztypen - die genau den Grundmodellen Brinkmanns entsprechen - auf „Sachverhalte" oder „Grundsachverhalte" zurück 118 , empfindet aber instinktiv richtig, wenn er es für notwendig hält, die gegebene Einteilung - durch eine sachbezogene Aufgliederung des Brinkmannschen „Vorgangssatzes" in einen Tätigkeits-, Vorgangs- und Zustandssatz - auf Grund „der Bedeutungsarten der betreffenden Verben" aus den „Satzinhalten" weiter zu spezifizieren.119 Das Bestreben, die „Grundsachverhalte" (die in Wirklichkeit Inhaltstypen sind) noch weiter aufzuschlüsseln, sie „semantisch zu begründen" 120 (was im Ergebnis auf ontologische Kategorien hinausführt), ist im Grunde ein Eingeständnis dafür, daß die genannten Grundsachverhalte gar keine sachbezogenen Tatbestände sind. Diese Vermengung der inhaltlichen und der sachlichen Ebene hat ihren letzten Grund ohne Zweifel in dem bisher noch nicht genügend scharfen Funktionsbegriff der funktionalen Grammatik, der (zumindest bis zu ihrer dritten Phase) alles das der Funktion zugewiesen hat, was nicht Form ist, und damit inner- und außersprachliche Gesichtspunkte vermischt hat. Sie wirkt sich praktisch u. a. nicht nur darin aus, daß der Begriff „Vorgangssatz" in einem doppelten Sinne verwendet wird (als Inhaltstyp und als 116 117 118 119 420

Brinkmann, H. : Die deutsche Sprache, a. a. O., S. 522. Vgl. Ausdruckslehre, a. a. O., S. 35ff. Vgl. Ludwig, a. a. O., S. 32. 44. Ebenda, S. 38. Ebenda, S.44.

187

sachbezogener Typ, der - neben Zustands- und Tätigkeitssatz - eine Unterart des Inhaltstyps ist), sondern auch darin, daß ein Satz wie „Vater schlägt das Kind" als Handlungssatz bezeichnet wird (da es sich um ein transitives Verb handelt), daß er nicht als Tätigkeitssatz angesprochen werden kann, obwohl ganz sicher eine Tätigkeit vorliegt. Diese Schwierigkeit ist darin begründet, daß die Tätigkeit als sachliche Untergruppe der Vorgänge verstanden wird und diese den Handlungen (als Inhalts- und Strukturtypen) gegenübergestellt werden. Daß die angenommene Parallelität von Sachverhalt und Satzstruktur keineswegs immer zutrifft, läßt sich mühelos zeigen: Ein Satz wie „Er erleidet eine Krankheit" ist zwar ein Handlungssatz (sowohl bei Brinkmann als auch in der funktionalen Grammatik), aber sachbezogen drückt er durchaus keine Handlung aus; ein Satz wie „Der Vater handelt" drückt zwar sachlich eine Handlung aus, die aber nicht im Typ des Handlungssatzes, sondern in dem des Vorgangssatzes gefaßt ist. Sätze wie „Ich gratuliere dir" und „Ich beglückwünsche dich", „Ich helfe dir" und „Ich unterstütze dich" drücken zwar etwa den gleichen Sachverhalt aus, stellen aber verschiedene Satztypen dar. Dieser Unterschied wird jedoch dann oft mißachtet, wenn die Satzmodelle Brinkmanns nicht mehr inhaltbezogen als „Sehweisen", sondern sachbezogen als Sachverhalte interpretiert werden. Diese sachbezogenen Typen setzen - ebenso wie die inhaltbezogenen Modelle - Begriffe voraus (Handlung, Vorgang, Tätigkeit, Zustand u. a.), die im Grunde außerlinguistisch (ζ. T. logisch, ζ. T. ontologisch) sind und der Linguistik von außen her vorgegeben werden. Es sind Begriffe, für die der Linguist zumindest nicht allein zuständig ist und die seinen Kompetenzbereich überschreiten. Deshalb ist es auch gar nicht zufällig, daß die gleichen Begriffe bei verschiedenen Lingu'Sten verschieden verstanden werden. 121 Im Unterschied zu dem hier vielfach praktisch vorausgesetzten Gleichlauf von Sachverhalten und Satztypen betont W. Schmidt grundsätzlich, daß „keine einlinige Entsprechung zwischen strukturellen Satztypen und inhaltlichen Leistungstypen besteht", und wendet sich auch gegen Admoni, weil „einerseits ein und derselbe Sachverhalt mit Hilfe verschiedener Satztypen ausgedrückt werden kann und andererseits ein bestimmter Satztyp verschiedene Beziehungen der objektiven Realität wiedergeben kann". 1 2 2 Aber daraus zieht er nicht die Schlußfolgerung, zwischen verschiedenen Ebenen zu unterscheiden. Offensichtlich werden die Modelle Brinkmanns und die Typen Admonis (die logisch-grammatischer Natur sind) von ihm auf einer Ebene miteinander verglichen. 123 Die fehlende Anerkennung verschiedener Ebenen - in der Sprache überhaupt und bei den Satztypen im besonderen führt Schmidt sogar dazu, in den von der Valenz des Verbs her gewonnenen Satztypen Erbens „keine echten Satztypen" zu sehen, weil sie „inhaltlich 121 122 123

Man vergleiche nur die entsprechenden Begriffe bei Griesbach, H. und D. Schulz: Grammatik der deutschen Sprache. München 1962, S. 59, 294f. Schmidt: Grundfragen, a. a. O., S. 283f. Vgl. ebenda, S.297.

188

sehr unterschiedliche Leistungen" zusammenfassen.124 In Wahrheit handelt es sich bei Erben um Satztypen einer bestimmten Ebene; die Satztypen gerade dieser Ebene werden heute - weil für die anderen Ebenen keine zweifelsfreie, innerlinguistische Abgrenzung möglich ist - auch für den muttersprachlichen Unterricht vorgeschlagen.125 Daß sich auch in der Darstellung der Satztypen ein Wandel in der funktionalen Grammatik abzuzeichnen scheint, wird deutlich an der Arbeit von S. Weber zu den Satztypen, die in der ursprünglichen Form 126 von den Brinkmannschen Typen auszugehen versuchte und dabei auch kaum eine Trennung verschiedener Ebenen erkennen ließ. In der endgültigen Form 127 geht die Arbeit von strukturellen Kriterien aus: Satztypen sind für ihn „unter dem Gesichtspunkt der Strukturübereinstimmung geordnete Satzminima" 128 ; sie ergeben sich aus dem Minimalbestand an obligatorischen Satzgliedern, der durch die Glinzsche Weglaßprobe gefunden wird. Freilich ordnet Weber diesen strukturell gewonnenen Strukturtypen - durchaus nicht in 1:1-Entsprechung - bestimmte „kommunikative Effekte" zu, die ihrerseits noch mehrere Ebenen vereinigen.

5.7.

Die westdeutsche funktionale Grammatik

Eine „funktionale Grammatik" für die Schule ist vor etwa fünfzehn Jahren auch Gegenstand von Diskussionen in Westdeutschland gewesen. Bereits vor dem Kriege hatte Rahn neben der üblichen formalen eine funktionale Betrachtung gefordert, die den Gegensatz zwischen rein formaler und rein inhaltlicher Betrachtung überwinden helfen sollte.129 Nach dem Kriege entstand in Westdeutschland eine solche funktionale Grammatik als eine Art Reaktion auf den amerikanischen Begriff des Funktionalen, der mit utilitaristisch gleichzusetzen ist und einem pragmatischen Bildungsideal entstammt.130 Der deutsche Begriff der „funktionalen Grammatik" - dem „die überwiegend utilitaristische Bedeutungskomponente des englischen Wortes" fehlt - enthält vielmehr eine teleologische Komponente (Funktion bedeutet Zweck im System des Ganzen) und eine psychophysische Komponente, auf die es Hamann - als einem Wortführer 124 125 126

127 128 129 130

Ebenda, S. 283. Vgl. etwa Flämig, W.: Probleme und Tendenzen der Schulgrammatik. In: Deutsch Unterricht, 1966, 6. Vgl. Weber, S.: Syntaktische Möglichkeiten zur Wiedergabe von Zuordnungen - Der Zuordnungssatz und seine Umformungen. In: Wiss. Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Potsdam, Sonderheft: Beiträge zur deutschen Sprachwissenschaft. Gesellschafts- u. sprachwiss. Reihe, 1964. Vgl. Weber, S.: Zur Leistung der Satztypen in der deutschen Gegenwartssprache. Diss. Potsdam 1967. Ebenda, S. 52; vgl. auch S. 32ff., 39f., 50f. Vgl. Rahn, F.: Neue Satzlehre. Frankfurt/M. 1940, S. 18. Hamann, H.: „Funktionale Grammatik" - eine neue Lehrweise? In: Die lebenden Fremdsprachen, 1951, 1, S. 18.

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dieser westdeutschen funktionalen Grammatik - besonders ankommt: Er möchte die Formen der Sprache begreifen „als Funktion. Die Sprachform hat nicht eine Funktion, sondern ist eine Funktion. Damit wird die Sprachform ... als Form für einen Inhalt gesehen, d. h. die Sprachform führt immer wieder zum Menschen als Natur- und Kulturwesen". 131 Daraus ergibt sich eine radikale Umkehrung des Blickes: Während die Wissenschaft (bis zur inhaltbezogenen und strukturellen Grammatik) bisher meist von den Formen ausgegangen ist, will Hamann die Sprachform als Funktion des Menschen ansehen : Form: bisher Hamann :

Inhalt >• -
temp {dies (Í)} + sequ {immed} + dir {fut} Es handelt sich um einen Zustand (6) Untermenge Zeitangaben (temp), um eine Tageszahl (dies), um einen Tag, der folgt (sequ), der unmittelbar 155

156 157

Vgl. Meier: Semantische Analyse und Noematik, a.a.O., S. 590; vgl. dazu auch Viehweger, D. : Bedeutung und Struktur. II. Internationales Symposium „Zeichen und System der Sprache". In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung, 1965, S. 512f. Vgl. Meier: Semantische Analyse und Noematik, a. a. O., S. 591 ; Meier: Ein Beispiel der Monosemierung, a. a. O., S. 53 f. Vgl. Meier: Ein Beispiel der Monosemierung, a.a.O., S. 54ff.; vgl. auch Meier, G. F.: Noematische Analyse als Voraussetzung für die Ausschaltung der Polysemie. In: Zeichen und System der Sprache. III. Bd. Berlin 1966, S. 117ff.; Ammer, K. u. G. F. Meier: Bedeutung und Struktur. In: Zeichen und System der Sprache. III. Bd. Berlin 1966, S. 5 ff.

13*

195

folgt (¡mined), von der Richtung her (dir) nach dem Zeitpunkt des Gesprächs liegt (fut). 2. 6 o temp {dies => part a (ante m.)} Es handelt sich um einen Zustand (6), Untermenge Zeitangaben (temp), um einen Tagesbereich (dies), davon aber nur um einen Teil (part), und zwar um den Teil, der vor der Mitte liegt (ante m.). Auf diese Weise werden alle acht Lexeme in Sememe gegliedert (das Lexem „Einstellung" umfaßt allein acht Sememe), diesen wieder werden die noematischen Lexikondefinitionen zugeschrieben. Auf Grund dieser Lexikoneintragungen beginnen dann die Entscheidungsoperationen, die schließlich zur Monosemierung der einzelnen Elemente im Satz führen sollen. Diese Noematik (oder Konoematik, denn die Noeme bedingen einander im Kontext) Meiers führt die sprachlichen Elemente im Grunde auf außersprachlich-intôrlingual-begriffliche Elemente zurück und erreicht auf diese Weise - über ein „Noematikon" - eine Art „extralinguistischer Klassifizierung der Welt". Es ist allerdings wohl nicht zu vermeiden, daß bei einem solchen Verfahren die Grenze zwischen logischer, semantisch-inhaltlicher und sachlich-denotativer Ebene aufgehoben wird (Meier formuliert selbst, daß seine Noeme auch nicht-logische, aber immer definier bare Elemente enthalten).

5.9.2.

Die neue Sprachlehre H. Beckers

In der Konzeption einer „neuen Sprachlehre" von Henrik Becker spielt der Funktionsbegriff eine untergeordnete Rolle. Er versteht unter „Funktion" genau wie die „funktionale Grammatik" und wohl auch in Anlehnung an die Prager Schule - die kommunikative Funktion, die Mitteilungsabsicht; aber eben deshalb glaubt er - im Gegensatz zur „funktionalen Grammatik" - , daß dieser Funktionsbegriff „nur Prinzip" und „niemals Kern einer neuen Sprachlehre sein" könne, sondern allenfalls eine zusätzliche Orientierung. 138 Darum warnt er vor einem „Fetischismus" nicht nur der „transformierbaren Strukturen", sondern auch der „kommunikativen Funktionen". Weil der Strukturgedanke viel wichtiger als der Funktionsgedanke sei, ist die „neue Sprachlehre" eine vorwiegend strukturale Sprachlehre. 159 Becker erkennt die Schwächen der „funktionalen Grammatik" und die Vermischung der grammatischen und der logischen Ebene in ihrem Funktionsbegriff sehr genau. Diese Vermischung verschiedener Ebenen möchte Becker in seinem „Neubau der Grammatik" vermeiden. Deshalb wird streng unterschieden zwischen Formbeziehungen und Sinnbeziehungen; erstere sind eine Angelegenheit der reinen Syntax, letztere eine Angelegenheit der Urteilssyntax. Die Formbeziehungen werden bei Becker erfaßt durch ein syn198 159

Becker, H.: Neue Sprachlehre. In: Wiss. Zeitschrift der Friedr.-Schiller-Universität Jena. Gesellschafts- und sprachwiss. Reihe, 1965, 1, S. 163. Vgl. ebenda, S. 164.

196

taktisches „Platzmodell", das in erster Linie die Tatsache meint, „daß für bestimmte Formen freie Plätze im Satzplan bestehen". 160 Dieses Platzmodell enthält nur drei Satzteile (Satzkern - Füllung - Beifügung) und ist frei von solchen semantischen Begriffen wie Zeit, Ort, Grund usw. Die Sinnbeziehungen dagegen werden erschlossen durch ein logisches „Netzmodell"; sie durchziehen jeden Text wie ein Netz und durchbrechen die Schallmauer des Satzes, vor die uns die Wortfügung stellt. Es werden in der Schule Béckers fünf solche Netze unterschieden, die von seinen Schülern bearbeitet worden sind: das Raumnetz (Lage, Richtung, Bewegung, Zeigen), das Zeitnetz (alle Zeitangaben, auch Veränderungen und Geschehen), das Mengennetz (alle Angaben der Quantität und Qualität), das Klärungsnetz (Kausalität, Modalität, Verarbeitung) und das Sachnetz (Wesen, Erscheinung, Namen). Bestimmte Wörter sind orts-, zeit-, mengen-, klärungs- oder sacherföllt, wenn sie in erster Linie zu den betreffenden Netzen gehören; sie sind orts-, zeit-, mengen-, klärungs- oder sachhaltig, wenn sie erst in zweiter oder dritter Linie zu dem betreffenden Netz gehören; sie sind orts-, zeit-, mengen-, klärungs- oder sachassoziativ, wenn sie nur eine entsprechende Assoziation auslösen. Am wesentlichsten erscheint die Tatsache, daß es Becker mit Hilfe seiner Trennung in die beiden Modelle gelingt, die traditionelle und auch funktionale Vermischung zweier verschiedener Ebenen zu vermeiden. So gibt es in seiner „Dreisatzteillehre" auch kein Subjekt, kein Prädikat, kein Prädikativ und kein Objekt mehr; denn „diese logisch identifizierten Begriffe sind tot, weg, aus". 161 Er nennt die traditionelle Lehre von den Satzteilen eine „halblateinische verpfuschte Logiklehre", „keine Sprachlehre"162, eine „halblateinische, halbstatistische und halblogisierende Sprachlehre".163 Becker ist sicher auch im Recht, wenn er Jakobsons Satz „Formgebung ist auch eine Funktion" den „inhaltbezogenen Funktionalisten" zuruft und damit die Korrelation Form - Funktion in der üblichen Form in Frage stellt.164 160

Ebenda, S. 165; zur Trennung mehrerer heterogener „Sprachvorgänge" mit eigenen Gesetzlichkeiten vgl. audi schon Becker, H.: Die letzte Hand am Sprachgebäude. In: Travaux du Cercle Linguistique de Prague, 1936, 6, S. 14ff. 161 Ebenda, S. 165; vgl. dazu auch schon Becker, H.: Ist eine neue Satzlehre unterrichtsreif? In: Deutschunterricht, 1957, 7, S. 381 fT. 162 Becker, H. : Ist eine neue Satzlehre unterrichtsreif? A. a. O., S. 380. 163 Ebenda, S. 384. 164 Vgl. Becker: Neue Sprachlehre, a. a. O., S. 384.

197

6.

Die Abhängigkeitsgrammatik

6.1.

Die Abhängigkeitsgrammatik Tesnières

Als spezifische Form der strukturellen Linguistik muß die Abhängigkeitsoder Dependenzgrammatik angesehen werden, wie sie sich vor allem in Frankreich, aber auch in anderen Ländern entwickelt hat. Zu ihren repräsentativsten Vertretern gehört L. Tesnière, dessen Konzeption deshalb hier stellvertretend für andere Abhängigkeitsgrammatiken umrissen werden soll.1 Tesnière geht aus von der Frage, wieviele Elemente ein Satz wie ,,Alfred singt" enthält. Manche Grammatiker schreiben dem Satz zwei Elemente zu; für andere enthält der Satz nur ein Element, wenn sie die Einheit des Satzes im Auge haben. Eben aus diesem Grunde nimmt Tesnière in dem genannten Satz drei Elemente an: „Alfred", „singt" und die Beziehung zwischen diesen beiden Elementen, ohne die nur zwei voneinander unabhängige Ideen existieren, aber noch kein Satz. Die Beziehung, ohne die kein Satz existieren kann, nennt Tesnière „connexion". Diese Konnexion ist die Seele des Satzes, sie übt eine strukturelle Funktion aus und wird im Abhängigkeitsstammbaum durch einen vertikalen Strich verdeutlicht: singt

I

Alfred

Jedes der beiden durch Konnexion verbundenen Elemente („Alfred" und „singt") nennt Tesnière einen „Nucleus" (oder Kern). Der Nucleus ist das konstitutive Atom des Satzes, enthält die Idee und übt eine semantische Funktion aus. Für jede Konnexion gibt es zwei Nuclei, und zwar ein regierendes und ein untergeordnetes Glied. Bei zwei Konnexionen müssen mindestens drei Nuclei vorhanden sein, von denen einer beiden Konnexionen gemeinsam ist, die von ihm zusammengeknotet werden : singt

I

Freund

I

sein

In diesem Falle ist der zentrale Nucleus der Knoten der beiden Konnexionen und übt eine Knotentunktion („fonction nodale") aus. 1

Vgl. dazu und zum folgenden Tesnière, L. : Esquisse d'une syntaxe structurale. Paris 1953; Tesnière, L.: Eléments de syntaxe structurale. Paris 1959.

198

Die Struktur des Satzes hängt fìir Tesnière von der Architektur seiner Konnexionen ab. Die strukturelle Syntax ist die Wissenschaft, die diese Architektur studiert. Der Stammbaum ist die graphische Repräsentation für die Architektur der Konnexionen. Dieser Stammbaum kann linear sein, kann aber auch zwei- oder mehrfache Gabelungen enthalten : singt

I

Alfred

schlägt

I

1

Alfred

gibt

I

Hans

I

Alfred

I

Hans

I

Buch

Die in der Sprache unmittelbar gegebene Redekette ist eindimensional und linear. Das wichtigste Problem der Grammatik besteht für Tesnière in dem Unterschied zwischen der linearen Ordnung der Redekette und der internstrukturellen Ordnung, wie sie sich im Stammbaum repräsentiert. Es ist die Aufgabe der strukturellen Syntax, die tiefere strukturelle Realität herauszuarbeiten, die sich hinter der linearen Erscheinungsform der gesprochenen oder geschriebenen Rede verbirgt, hinter der eindimensionalen Redekette die hierarchische Stammbaumstruktur sichtbar zu machen. Die Strukturanalyse des Satzes wird auf diese Weise identisch mit dem Aufbau eines solchen Stammbaums; sie bedeutet „transformer l'ordre linéaire en ordre structurale", bedeutet die Erkenntnis einer mehrdimensionalen strukturellen Ordnung (die Tesnière - im Gegensatz zu der sonst üblichen Bedeutung dieses Terminus - auch als „innere Form" bezeichnet) hinter der äußeren, eindimensionalen Ordnung des Satzes in der Redekette.2 Es versteht sich von selbst, daß in der linearen Redekette ein Wort immer nur zwei Nachbarn (links und rechts, vorn und hinten) haben kann; dahinter steht aber eine interne Architektur des Satzes, eine mehrdimensionale strukturelle Ordnung mit Beziehungen sehr verschiedener Art. Hinter der linearen Redekette „Meine Schwester gibt ihr neues Buch meinem kleinen Sohn" wären etwa folgende Konnexionen in Form von Stammbaumbeziehungen erkennbar: gibt Schwester roe ine

Buch ihr

Sohn neues

meinem

kleinen

Indem die strukturelle Syntax im Sinne Tesnières durch die Stammbaumanalyse eine innere Architektur sichtbar macht, möchte sie die ältere grammatische und logische Analyse in sich vereinigen und zugleich beide ersetzen; sie schafft eine Unterscheidung zwischen äußerer Redekette und innerer Architektur, wie sie später - in der generativen Transformations2

Vgl. Tesnière: Eléments, a. a. O., S. 19ff.; vgL dazu auch Fourquet, J.: Aufbau der Mitteilung und Gliederung der gesprochenen Kette. In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und KommunikationsfoTSchung, 1965, 2.

199

grammatik - in etwas modifizierter Form als Unterscheidung zwischen syntaktischer Oberflächen· und Tiefenstruktur wiederkehrt. In umgekehrter Richtung entsteht die Redekette nur dadurch, daß der Stammbaum in eine lineare Form umgesetzt wird. Dabei kann freilich in den verschiedenen Sprachen eine verschiedene lineare Wortfolge entstehen etwa bei dem Verhältnis von Substantiv und attributivem Adjektiv - , obwohl die interne Architektur gleich ist: frz. chien blanc

aber:

engl, white dog dt. weißer Hund

Der Stammbaum wird bei Tesnière so aufgebaut, daß das Verb - als Knoten aller Knoten im Satz - den Satz regiert und an der Spitze steht. Die strukturelle Satzanalyse geht deshalb vom Verb aus. Die unmittelbar dem Verb untergeordneten Glieder („subordonnés immédiats") sind die „actants" (die Handelnden) und die „circonstants" (die Umstände). 3 „Actants" sind für Tesnière diejenigen Untergeordneten des Verbs, die an der Handlung teilnehmen. Es gibt im Französischen drei Arten von „Actants", die in gleicher Weise direkt vom Verb abhängig sind und im Stammbaümschema Tesnières auf der gleichen Ebene stehen: einen 1. Aktanten ( = Subjekt), einen 2. Aktanten ( = direktes Objekt) und einen 3. Aktanten ( = indirektes Objekt). Auf diese Weise verliert das Subjekt seine Sonderstellung im Satz und ist ein Aktant neben den anderen Aktanten, „un complément comme les autres". 4 Das Subjekt ist nur noch ein semantischer Name für den ersten Aktanten. Aus der traditionellen semantischen Opposition zwischen Subjekt und Objekt wird die strukturelle Differenz zwischen dem ersten und dem zweiten Aktanten. „Circonstants" sind für Tesnière diejenigen Untergeordneten des Verbs im Satz, die die Umstände der Handlung angeben (Ort, Zeit, Art usw.). Die Zahl der Umstände im Satz ist - im Gegensatz zur Zahl der Aktanten unbegrenzt: kommt

I

Alfred

I

morgen

I

!

schnell

I

herunter...

Im Stammbaum sind die Umstände immer rechts von den Aktanten angeordnet. Das Beiwort („épithète") ist bei Tesnière ein dem Substantiv untergeordnetes Glied; auch die Zahl der Beiwörter zu einem Substantiv ist unbeschränkt: bedeutet

Katze

Signal

Fahrt

grünes

freie

I

3

I

eure

schöne

kleine

weiße

Vgl. Tesnière: Esquisse, a. a. O., S. 4fF.; Tesnière: Eléments, a. a. O., S. 103ff. * Tesnière: Esquisse, a. a. O., S. 5; Tesnière: Eléments, a. a. O., S. 109.

200

Das Beiwort kann seinerseits als untergeordnetes Glied einen „circonstant" bei sich haben, der wiederum einen untergeordneten „circonstant" neben sich haben kann: Beileid mein

empfundenes

I

tief

I

sehr

Im Unterschied zu den bisher genannten Beispielen ist die Apposition für Tesnière eine horizontale Konnexion: schrieb Millier—Freund

einen Brief

mein

Damit im Zusammenhang steht bei Tesnière eine Wortartklassifizierung, die von der Einteilung in die traditionellen neun oder zehn Klassen stark abweicht. Für ihn gibt es nur zwei Arten von Wörtern: 1. volle Wörter, d. h. Wörter, die eine Idee ausdrücken, eine semantische Funktion ausüben (etwa: Alfred, singt, rot...); 2. leere Wörter, d. h. Wörter, die selbst keine Idee ausdrücken, sondern nur als grammatische Mittel fungieren (etwa: und, daß, von ...). Hinter dieser Zweigliederung ist unschwer die Scheidung in Autosemantika und Synsemantika aus der Schule Martys oder die Scheidung in Formklassen und Funktionswörter bei Fries erkennbar. 3 Innerhalb der „vollen Wörter" gibt es für Tesnière vier Arten: das Verb mit seinem Adverb und das Substantiv mit seinem Adjektiv. Auch innerhalb der „leeren Wörter" werden zwei Arten unterschieden: „Jonctifs" („Bindewörter" wie etwa „und", „oder", „aber" u. a.) und „Translatifs" („Überführungswörter" wie „von", „als", „in" u. a.). Der „Jonctif" kommt zwischen den Kernen vor, der „Translatif" aber innerhalb eines Kernes:

5

Vgl. Fries, C. C.: The Structure of English. London 1963, S. 104ff.; vgl. dazu auch Heibig, G.: Die methodische Konzeption der Sprachbeschreibung bei Charles C. Fries. In: Deutsch als Fremdsprache, 1965, 4, S. 3if.

201

Darin spiegelt sich die Tatsache, daß die traditionellen Konjunktionen zwischen Satzgliedern oder Sätzen, die traditionellen Präpositionen jedoch innerhalb von Satzgliedern stehen. Die Präpositionen sind deshalb „Überführungswörter", weil sie die Funktion haben, eine Einheit in eine andere grammatische Einheit zu überfuhren: So wird etwa ein Substantiv durch einen „Translativ" in ein Adjektiv verwandelt (Alfred -» das Haus von Alfred). Wird ein Verb aus dem Präsens in das Perfekt gesetzt, so bleibt der Stammbaum bei Tesnière gleich, weil sich an der Struktur des Satzes nichts ändert. Auf diese Weise kommt es freilich häufig vor, daß zwei Wörter zusammen einen einzigen Nucleus bilden :

Ein solcher kombinierter Kern hat in der Regel zwei Zentren: ein strukturelles und ein semantisches Zentrum. Das strukturelle Zentrum (hier: „hat") nennt Tesnière „auxiliaire", das semantische Zentrum (hier: „gesungen") nennt er „auxilié". Nur der „auxilié" (das Vollverb) ist ein volles Wort, der „auxiliaire" (das Hilfsverb) dagegen ist ein leeres Wort, ein „translatif", weil er innerhalb eines Kernes vorkommt. Alle zusammengesetzten Verbalformen werden nach diesem Modell gebildet. Das prädikative Adjektiv verhält sich für Tesnière wie ein „auxilié" zu dem Auxiliarverb „sein". Deshalb kann man nebeneinanderstellen: Alfred ist gekommen - Alfred ist jung. Auch die beiden Wörter „ist jung" bilden zusammen einen kombinierten Kern. Innerhalb dieses Kernes ist das Hilfsverb „ist" der „Translatif", der das Adjektiv „jung" in das Prädikat „ist jung" überführt. Deshalb regiert das prädikative Adjektiv in der Verbindung „ist jung" das handelnde Substantiv, im Gegensatz zum attributiven Adjektiv, das dem Substantiv untergeordnet ist:

Zur Symbolisierung seiner Wortarten benutzt Tesnière folgende Zeichen: O = Substantiv, A = Adjektiv, E = Adverb, I = Verb; j = jonctif, t = translativ. Wenn in einem Stammbaum die Wörter durch die entsprechenden Symbole ersetzt werden, erhält man einen symbolischen Stammbaum, etwa von der Art /

I l/\2

0 / \ A A 202

\ 0

Allerdings sind nicht alle Verben gleichermaßen fähig, drei Aktanten zu regieren. Die Fähigkeit eines Verbs, eine bestimmte Zahl von Aktanten zu sich zu nehmen, vergleicht Tesnière mit der Wertigkeit eines Atoms und nennt sie Valenz. Nach der Valenz unterscheidet Tesnière vier Gruppen von Verben: 1. Avalente Verben haben keine Valenz und können im Prinzip überhaupt keinen Aktanten regieren. Es handelt sich dabei um die gewöhnlich als „unpersönlich" bezeichneten Verben (etwa: es regnet, schneit ...); das unpersönliche Pronomen kann dabei nicht als Aktant bewertet werden, weil es nur die 3. Person Singular des Verbs bezeichnet. 2. Monovalente Verben haben nur eine Valenz; sie regieren nur einen Aktanten und sind intransitiv im traditionellen Sinne (etwa: Alfred fallt). 3. Divalente Verben haben zwei Valenzen und können zwei Aktanten regieren; sie sind transitiv im tràditionellen Sinne. Wenn der Satz zwei Aktanten hat, können die Beziehungen zwischen ihnen verschieden sein: a) aktives Verb b) passives Verb c) reflexives Verb d)reziprokes Verb

O -* O Oa O^

O O O O

(Alfred schlägt Otto) (Otto wird von Alfred geschlagen) (Alfred schlägt sich) (Alfred und Otto schlagen sich)

In der Stemma-Darstellung werden die Unterschiede wie folgt sichtbar: I wird geschlagen | Otto I von Alfred]

Alfred *—

sich

Alfred I und | Otto | sich ν

Dabei bedeuten die gestrichelten Linien anaphorische Konnexionen, d. h. zusätzliche semantische Konnexionen, denen keine strukturelle Konnexion entspricht (während im Regelfalle jeder strukturellen Konnexion eine semantische Konnexion entspricht). 4. Trivalente Verben haben drei Valenzen und können drei Aktanten regieren. Auch sie sind transitiv im traditionellen Sinne; die traditionelle Grammatik ist jedoch nicht in der Lage, sie von den divalenten transitiven 203

Verben zu unterscheiden. Zu den trivalenten Verben gehören vor allem die Verben des Gebens und Sagens: gibt 2 1 Alfred das Buch

3 Karl

Die trivalenten Verben sind für Tesnière die komplexesten in der französischen Sprache; tetravalente Verben (d. h. Verben mit vier Valenzen) gibt es für ihn nicht. Bei den trivalenten Verben besteht zwischen dem 1. und dem 2. Aktanten die Aktiv-Passiv-Opposition; der 3 Aktant bleibt dagegen außerhalb dieser Beziehung. Auf diese Weise wird in Tesnières Abhängigkeitsgrammatik deutlich zwischen „fonction structurale" und „fonction sémantique" unterschieden; die erstere ist auf die Konnexionen, auf die Verknüpfung im Satz ausgerichtet, die letztere auf den Inhalt und auf das Auszudrückende. 6 Die strukturellen Beziehungen sind für ihn Abhängigkeitsbeziehungen, das Studium des Satzes ist für ihn wesentlich „l'étude de sa structure, qui n'est autre que la hiérarchie de ses connexions". 7 Innerhalb dieser hierarchischen Struktur ist die Funktion der Wörter „le rôle qui leur est assigné dans le mécanisme de l'expression de la pensée". Da es sich um eine strukturelle Funktion im hierarchischen Stammbaum handelt, setzt Tesnière „syntax structurale" und „syntaxe fonctionelle" gleich.8 Von diesem strukturellen Plan unterscheidet Tesnière den semantischen Plan 9 , entsprechend von der strukturellen „fonction nodale" die „fonction sémantique". 10 Obwohl für die Linguistik nach Tesnière allein der strukturelle Plan wesentlich ist (der Plan des Ausdrucks, nicht der des ausgedrückten Denkinhalts), hat dieser strukturelle Plan doch nur Existenzberechtigung für Semantisches. Wenn die strukturellen Funktionen damit auch eigentlich nur Träger der semantischen sind, so hat sich doch die Syntax nach Tesnière allein mit ihnen zu beschäftigen; denn Syntax ist strukturelle Syntax. 11 Trotz dieses Primats der strukturellen Funktion unterscheidet sich diese im Akzent doch wesentlich von der strukturellen Funktion der amerikanischen Deskriptivisten. Während die Amerikaner unter dieser strukturellen Funktion entweder ganz konkret die Position (wie Fries) oder - etwas abstrakter, aber noch immer in der Oberflächenstruktur - die Distribution (wie Harris) verstehen, meint die strukturelle Funktion bei Tesnière - in noch abstrakterem Sinne - den Platz eines Elements nicht in der konkreten Redekette, sondern im hierarchischen Stammbaum der Abhängigkeitsgrammatik. 6 7 8 9 10 11

Vgl. Tesnière: Esquisse, a. a. O., S. 3. Tesnière: Eléments, a. a. O., S. 14. Ebenda, S. 39. Vgl. ebenda, S. 40. Vgl. ebenda, S. 46. Vgl. ebenda, S. 50.

204

6.2.

Andere Typen von Dependenz-Grammatiken

6.2.1.

Amerika

Andere Arten von Abhängigkeitsgrammatiken sind in den angelsächsischen Ländern entwickelt worden. So hat etwa Hays nicht nur einen eigenen Dependenz-Calcul entwickelt, sondern darüber hinaus die Abhängigkeitsgrammatik mit der IC-Grammatik - da sie beide das gleiche Ziel haben verglichen und beide als schwach äquivalent miteinander angesehen.12 Ähnlich hat Paduceva die Übersetzbarkeit beider Grammatiken nachgewiesen unter den Bedingungen, daß der Abhängigkeitsstammbaum zusätzlich die Reihenfolge der Glieder numeriert (damit die abstrakten in lineare Beziehungen transponiert werden können) und daß im PhrasenstrukturStammbaum zusätzlich das bestimmende und das bestimmte Glied - etwa durch Striche - unterschieden werden (damit über Segmentierung und Klassifizierung hinaus die abstrakteren Abhängigkeits- bzw. Dominanzbeziehungen sichtbar werden).13 Die Frage der Notation spielt auch bei den Abhängigkeitsgrammatiken eine untergeordnete Rolle. Im Unterschied zu Tesnière würde Hays einen Satz wie „Children eat candy neaty" darstellen als V, (N pl, *, N, Db), wobei Va eine Klasse von Verbalmorphemen, Npl eine Klasse von substantivischen Pluralmorphemen, Ν eine beliebige Substantivklasse, Db eine Klasse der Adverbien der Art und der Stern die Stellung der regierenden Größe unter den abhängigen Größen bezeichnet.14 Dieses Strukturschema könnte ebensogut als Abhängigkeitsstammbaum bzw. „D-Tree" ( = Dependency-Tree) Tesnièrescher Prägung dargestellt werden, enthält aber mehr Information, da zusätzlich die lineare Wortstellung eingefangen wird.

6.2.2.

Sowjetunion

Auch in der Sowjetunion hat die Abhängigkeitsgrammatik weite Verbreitung gefunden. Zu ihren bekanntesten Vertretern gehört Meltschuk.15 Es sind - innerhalb der sowjetischen Linguistik - verschiedene Arten von Abhängigkeitsstammbäumen entwickelt und diskutiert worden, die vielfach mit Pfeilen arbeiten 16 : b 3TO BPCMÄ MOJIOAOft HCJ10B6K 6BUI Β TeaTpe. 12 13 14 19 16

Vgl. Hays, D. G.: Dependency Theoiy. In: Language, 1964, 4, S. 511 ff. Vgl. n w r e e a , Ε. Β.: O cnocoôax npeflCTaaneiau cmrraiccHHecKoB crpyKTypbi npefljioxeHHx. In: Bonpocw tnuKOSHaimti, 1964, 2, S. 99ff. Vgl. Hays: Dependency Theory, a. a. O., S. 513. Vgl. Mejmyx, Η. Α.: ABTOMannecicHfi otHTaKCHHecKHü aHajim. HOBOCMÖHPCK 1964. Verschiedene Arten von AbhSngigkeitsstammbäumen (bzw. Valenz-Calculs) der sowjetischen Linguistik werden diskutiert in ΦιτπκυιοΒ, C.JL: O MOAenHpoBaHHH CHHTaKCHca Β crpyrrypHOfl jnrarBecnnce. In: Προβπβκηι CTpyinypHofl ΠΗΗΓΒΗΟΤΠΚΗ. MocKBa 1962, S. 103 ff.

205

Sosehr sich die Notation von der bei Tesnière oder Hays unterscheidet, so verschiedene Notationen auch sonst vorgeschlagen worden sind, so wenig ändert das am Wesen der Abhängigkeitsgrammatik. Hier wie dort werden hinter den linearen Beziehungen der eindimensionalen konkreten Redekette hierarchische Abhängigkeitsbeziehungen sichtbar gemacht; hier wie dort wird das Verb als Zentrum dieser Abhängigkeitsbeziehungen begriffen. Eine Abweichung ergibt sich bei Rewsin, der einen Stammbaum konstruiert hat, in dem der prädikativen Beziehung (d. h. der Beziehung von Subjekt und Prädikat) eine Sonderstellung eingeräumt wird 17 : fleeonta

(

*"

CHAHT

* MajieHbKax

+ Mojwa

+ nepea

Ι

I

FLOMOM

+ c Kyicjioä

Dabei symbolisieren prädikative (d. h. zweiseitige), -* attributive (d. h. einseitige) Beziehungen. Als attributiv werden im weitesten Sinne solche Beziehungen aufgefaßt, die nicht prädikativ sind. Dabei gibt es in jedem Satz nur eine prädikative Beziehung, die ein Kennzeichen des Satzes ist.

6.2.3.

Zusammenfassende Bemerkungen

Neben der generativen Grammatik darf die Abhängigkeitsgrammatik wohl heute als eine der wesentlichsten expliziten grammatischen Theorien im Weltmaßstab angesprochen, werden. 18 Deshalb ist es auch nicht zufällig, daß das II. Internationale Symposion „Zeichen und System der Sprache" (1964 in Magdeburg) im Zeichen einer immanenten Auseinandersetzung zwischen generativer Grammatik und Abhängigkeitsgrammatik stand. 19 Aus diesem Grunde sind auch die beiden Typen der Grammatik - oder genauer gesprochen: das IC- bzw. Phrasenstrukturmodell einerseits und das Dependenzmodell andererseits - mehrfach im Hinblick auf ihren Informationsgehalt verglichen worden. 20 So spricht beispielsweise Bierwisch von zwei verschiedenen Auffassungen von der Konstituentenstruktur (denn es handelt sich ja bei vielen Typen der Grammatik um eine Konstituentenanalyse), die er vereinfachend die „konkretere" und die „abstraktere" Auf17 18 19 20

Vgl. PEB3HH, H . H. : OopMaJibHuft Η ceMaHTOTecKHft aHajiHS CHHTÜKCHHCCKIIX CBNAEFT «tace. In: N P H M E H E I M E normen Β Hayxe Η Texmae. Mocraa 1960, S. 132f. Vgl. dazu auch Mötsch, W.: Zur „Autonomie" der Sprachwissenschaft. In: Beiträge zur romanischen Philologie, 1967, 1, S. 153. Vgl. Zeichen und System der Sprache. ΙΠ. Bd. Berlin 1966. Vgl. Hays: Dependency Theory, a . a . O . ; ïlaoyieBa: O cnocoôax npeacraBJieHwi, a . a . O . ; Gaifman, H.: Dependency Systems and Phrase Structure Systems. Santa Monica (RAND Corporation) 1961. Β

206

fassung nennt. 21 Die konkretere Form der PS-Grammatik (wie sie vor allem in der deskriptiven Linguistik der USA ausgearbeitet worden ist) segmentiert die konkrete Rede, stößt allerdings sehr bald bei den diskontinuierlichen Konstituenten (Dort hat Peter nicht gesprochen) an ihre Grenzen. Diese Schwierigkeiten vermeidet die abstraktere Form der Abhängigkeitsgrammatik, da sie von vornherein die Segmente gar nicht als lineare Segmente der Kette, sondern in ihren hierarchischen Beziehungen fassen will, die unabhängig von der konkreten Wortstellung sind. Auch Fourquet hat darauf hingewiesen22, daß die konkrete Redekette und der Aufbau der Mitteilung nicht isomorph sind, daß folglich alle Versuche, die Gliederung der gesprochenen Kette mit Baumdarstellungen zu erfassen, im Grunde auf einem Mißverständnis beruhen. Sie stellen in Wahrheit gar nicht die Gliederung der gesprochenen Kette, sondern die „Hierarchie des Aufbaus der Mitteilung" dar. Wenn beide Ebenen nicht isomorph sind, bedeutet das natürlich keine Beziehungslosigkeit (wohl bedeutet es: keine Projektivität); die Linguistik hát vielmehr die Beziehungen zwischen ihnen exakt und systematisch zu erforschen. Ein Weg dazu ist ohne Zweifel die moderne Version der generativen Grammatik, die aus einer abstrakteren (semantisch zu interpretierenden) Tiefenstruktur mit Hilfe von Transformationen (auch von Permutationstransformationen) eine konkrete Oberflächenstruktur ableitet, die der linearen Redekette des aktualen Satzes entspricht. Auf Grund dieser Sachlage sind einige kritische Bedenken gegen die Abhängigkeitsgrammatik vor allem von Seiten der generativen Grammatik vorgebracht worden. 23 Zunächst ist vermerkt worden, daß die Abhängigkeitsgrammatik mit einem Begriff der „Abhängigkeit" arbeite, dessen empirischer Sinn bisher noch nicht völlig geklärt sei. Wenn etwa die Abhängigkeitsgrammatik von der Hypothese ausgeht, daß eine Präposition vom folgenden Substantiv „abhängt", so könne man ebensogut umgekehrt annehmen, daß das Substantiv von der vorausgehenden Präposition abhängig ist. Auf jeden Fall expliziert sie nicht die Relation „ist ein" wie die PSGrammatik (etwa in Feststellungen von der Art: dieses Segment ist eine Nominalphrase), sondern eine Relation von der Art „A ist abhängig von B", eine Relation, die theoretisch immer die Beziehung „ist ein" voraussetzt. Anders ausgedrückt: Relationen zwischen Einheiten setzen im Grunde immer die kategoriale Bestimmung dieser Einheiten voraus. Weiterhin wendet die generative Grammatik gegen die Abhängigkeitsgrammatik kritisch ein, daß diese die abstrakteren Beziehungen völlig unabhängig von der aktuellen Redekette erforscht, daß im Abhängigkeitsstammbaum die Konstituenten in beliebiger Reihenfolge auftreten. Die Abhängigkeitsgrammatik umgeht zwar die Schwierigkeiten der aktuellen Wort21 22 23

Vgl. Bierwisch, M.: Aufgaben und Form der Grammatik. In: Zeichen und System der Sprache. ΠΙ. Bd. Berlin S. 39 ff. Vgl. Fourquet, J.: Aufbau der Mitteilung und Gliederung der gesprochenen Kette, a. a. O. Vgl. Bierwisch: Aufgaben und Form, a. a. O., S. 43ff.

207

folge (die etwa bei den diskontinuierlichen Konstituenten vorhanden sind), vermag aber die Reihenfolgebeziehungen im Satz überhaupt nicht zu erfassen und sieht keine Verbindung zwischen den beiden Ebenen, die heute von der generativen Grammatik als Oberflächen- und Tiefenstruktur voneinander unterschieden und durch Transformationen voneinander abgeleitet werden. Trotz dieser theoretischen Bedenken haben die Abhängigkeitsgrammatiken eine große Wirkung auf die angewandte Linguistik, vor allem die Theorie der Maschinenübersetzung.24

6.3.

Der Valenzbegriff und seine verschiedenen Fassungen

Als integrierender Bestandteil der Abhängigkeitsgrammatik muß die Valenztheorie angesehen werden. Allerdings hat der Begriff der Valenz bei verschiedenen Linguisten eine verschiedene Fassung erhalten.23 Dem Sinne (noch nicht dem Begriffe oder gar dem Terminus) nach erscheint er in der älteren Grammatik in Behaghels26 und Heyses 27 Einteilung der Verben in absolute bzw. subjektive (d. h. keine Ergänzung fordernde) und relative bzw. objektive (d. h. eine Ergänzung fordernde) Verben. Später erkannte dann Bühler, „daß die Wörter einer bestimmten Wortklasse eine oder mehrere Leerstellen um sich eröffnen, die durch Wörter bestimmter anderer Wortklassen ausgefüllt werden müssen".28 Aber diese Bemerkungen blieben Ansätze und wurden zunächst systematisch kaum weiter verfolgt; sie sind allenfalls als Vorläufer für den modernen Valenzbegriff anzusehen. 24

Vgl. etwa MeJib^yx: ABTOMaTHiecKHtt CHirraKCHHCCKHft anajra3, a.a.O. Auch die Arbeiten zur automatischen Sprachübersetzung an der deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin beruhen auf einem Abhängigkeitsmodell. Vgl. dazu Agrìcola, E.: Aktuelle theoretisch-linguistische Probleme der automatischen Sprachübersetzung. In: Sprache im technischen Zeitalter, 1967, S. 284ff.; Agrìcola, E.: Modell eines operativen sprachlichen Thesaurus. In: Probleme der strukturellen Grammatik und Semantik. Hrsg. v. R. Ruzicka. Leipzig 1968; Kunze, J.: Theoretische Probleme der automatischen Übersetzung. In: Zeitschrift für mathematische Logik und Grundlagen der Mathematik, 1966, S. 85if.; Kunze, J.: Versuch eines objektivierten Grammatikmodells I. In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung, 1967, 5/6, S. 4151T. Über die internationale Situation auf dem Gebiet der Maschinenübersetzung orientiert das Heft 23/1967 von „Sprache im technischen1 Zeitalter"; vgl. darin vor allem Bar-Hillel, Y.: Die Zukunft der maschinellen Übersetzung, oder: Warum Maschinen das Übersetzen nicht erlernen (S. 210ff.) ; Schnelle,H. : Neue Aspekte in der Theorie des Übersetzens (S. 239ff.); Garwin, P. L.: Maschinelle Übersetzung - Tatsache oder Illusion? (S. 249 ff.). 25 Eine ausführlichere Entwicklung und Kritik des Valenzbegriffes vgl. Heibig, G.: Der Begriff der Valenz als Mittel der strukturellen Sprachbeschreibung und des Fremdsprachenunterrichts. In: Deutsch als Fremdsprache, 1965,1, S. 10ff. 26 Vgl. Behaghel, O.: Deutsche Syntax. Bd. II. Heidelberg 1924, S. 113ff. 27 Vgl. Heyse, J. C. Α.: Deutsche Grammatik. Hannover/Leipzig 1908, S. 296f. 28 Bühler, K.: Sprachtheorie. Jena 1934, S. 173.

208

Der eigentliche Valenzbegriff wurde in der Linguistik erst heimisch durch Tesnière, der bei seiner strukturellen Satzanalyse vom Verb ausgeht und als dessen Untergeordnete „actants" und „circonstants" ansieht.29 Die Fähigkeit der Verben, eine bestimmte Anzahl von „actants" (die im Unterschied zu den „circonstants" durch Substantive bzw. Äquivalente dafür ausgedrückt werden und in der Struktur des Satzes zahlenmäßig begrenzt sind) zu sich zu nehmen, vergleicht Tesnière mit der Wertigkeit eines Atoms und nennt sie Valenz. Dabei wird die Valenz beschränkt auf Subjekte, Akkusativund Dativobjekte, die im hierarchischen Stammbaumschema auf der gleichen Stufe stehen. Das Subjekt verliert auf diese Weise seine Sonderstellung; aber ausgeschlossen von den Valenzbeziehungen bleiben bei Tesnière die Adverbialbestimmungen und die Prädikativa. Es ist möglich, daß einige Valenzen „inemployées ou libres" bleiben.30 Für die deutsche Grammatik ist der Valenzbegriff Tesnières zuerst nutzbar gemacht worden von Brinkmann und Erben. Brinkmann bleibt dabei seinem Vorgänger insofern verhaftet, als auch er nur die „actants" (bei ihm „Mitspieler") einschließt, nicht aber die im deutschen Satz manchmal notwendigen Umstandsbestimmungen (etwa: Er legt das Buch auf den Tisch, aber: •Er legt das Buch). Brinkmann nennt „die Fähigkeit des Verbums, weitere Stellen im Satz zu fordern, mit Tesnière ,Valenz'" und die „Stellen selbst, die für weitere Beziehungen offen sind", „Mitspieler".31 Das Verb stiftet somit - wie bei Tesnière - im Satz eine Hierarchie, weil es bestimmt, „wieviel Stellen im Satz besetzt werden müssen (oder können)".32 Allerdings kann sich Brinkmann von der Sonderstellung des Subjekts nicht völlig lösen; denn er will die Verben einteilen danach, „wieviel Stellen sie (außer dem Subjekt) fordern oder ermöglichen".33 Diese Inkonsequenz rächt sich dann bei der Einteilung der Verben nach ihrer Valenz, wenn Brinkmann unterscheidet34 1) nullstellige Verben (es friert), 2) beschränkt einstellige Verben (der Versuch ist mißglückt), 3) unbeschränkt einstellige Verben (der Vater schläft), 4) erweitert einstellige Verben mit Dativ (ich danke dir), 5) erweitert einstellige Verben mit Genitiv (wir gedachten der Toten), €) notwendig zweistellige Verben (du hast den Brief geschrieben), 7) erweitert zweistellige Verben (man hat ihn des Diebstahls beschuldigt), 8) dreistellige Verben (ich habe ihm das Haus übertragen). Bei.dieser Einteilung werden offensichtlich die Kasus ganz unterschiedlich im Hinblick auf die Sättigung der Valenzen behandelt. Der Dativ und der 19 30 31 32 33 34

14

Vgl. Tesnière, L.: Esquisse d'une syntaxe structurale. Paris 1953, S. 4 C ; Tesnière, L.: Eléments de syntaxe structurale. Paris 1959, S. 103ff. Tesnière: Eléments, ebenda, S. 238f. Brinkmann, H.: Die deutsche Sprache. Düsseldorf 1962, S. 223f. Ebenda, S. 465. Ebenda, S. 464. Vgl. ebenda, S. 223 fr. Heibig, Sprachwissenschaft

209

Genitiv bei „danken" (4) und „gedenken" (5) ergeben nur erweitert einstellige Verben, der Akkusativ bei „schreiben" dagegen (6) ergibt bei Brinkmann ein zweistelliges Verb. Strukturell liegt aber gerade beim Genitiv, nicht bei dem genannten Akkusativ eine Notwendigkeit vor: „ich schreibe" ist grammatisch, aber „ich gedenke" ungrammatisch. In ähnlicher Weise sieht Brinkmann den Genitiv bei „beschuldigen" (7) nur als Erweiterung, den Dativ bei „übertragen" aber (8) als selbständige Stelle an. Der Akkusativ gilt bei ihm immer als Stelle, der Dativ manchmal, der Genitiv nie. Offensichtlich werden dabei rein strukturelle Gesichtspunkte von semantischen überlagert und nicht deutlich genug getrennt; diese ungenügende Trennung war schon bei Tesnière angelegt, indem er von „actants" und „circonstants"also von semantischen Erscheinungen - sprach. Bei Erben erscheint der Valenzbegriff unter dem Terminus „Wertigkeit". Von der Art und „Wertigkeit" des Verbs - „man kann sie geradezu mit der Valenz des Atoms vergleichen - hängt es wesentlich ab, welche urtd wie viele Ergänzungsbestimmungen im Vor- und Nachfeld des Verbs auftreten und das Satzschema ausgestalten". 35 Von dieser Wertigkeit der Verben her - die gemessen wird an der Zahl der Ergänzungsbestimmungen - entwickelt Erben seine Grundmodelle des deutschen Satzes. Im Unterschied zfù Tesnière und Brinkmann sieht Erben als „Ergänzungsbestimmungen" des Verbs nicht nur Subjekte und Objekte, sondern auch Prädikativa und strukturell notwendige Adverbialbestimmungen an. 36 Allerdings faßt er den Rahmen dafür u. E. teils zu weit (etwa beim freien Dativ), teils zu eng (bei den strukturell notwendigen und darum in seine Satzmodelle aufgenommenen Adverbialbestimmungen handelt es sich fast ausschließlich nur um Orts- und Richtungsangaben). Daß es sich bei diesen für den strukturellen Bestand des Satzes notwendigen Gliedern durchaus nicht immer nur um Lokal-, sondern auch um Temporal-, Modal- oder Kausalbestimmungen im traditionellen Sinne handelt, haben Grebe mit seiner Gliederung in notwendige „Umstandsergänzungen" und freie „Umstandsangaben" 37 und Schulz-Griesbach mit ihrer Scheidung in notwendige „Prädikatsergänzungen" und „freie Angaben" 38 gezeigt (obwohl dabei nicht mit dem Begriff der Valenz gearbeitet wird). Erben gibt kaum Kriterien dafür an, wie er seine Ergänzungsbestimmungen theoretisch ermittelt, und geht statt dessen sogleich zur praktischen Aufstellung seiner Satzmodelle über. Bei Admoni erscheint der Begriff der Valenz als „Fügungspotenz" und wird wie oft in der sowjetischen Linguistik - nicht nur auf das Verb, sondern auf alle Wortarten bezogen. So spricht er von „Fügungspotenzen" oder Valenzen, die „jeder Redeteil enthält"" und die „unter dem Einfluß von Kontext und Situation zum Teil aktualisiert werden. Diese Potenzen .schlummern* 35 36 37 38

Erben, J.: Abriß der deutschen Grammatik. Berlin 1964, S. 231. Vgl. ebenda, S. 231 ff. Vgl. Der große Duden. Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, hrsg. v. P. Grebe. v Mannheim 1959, S. 436ff., 445f., 466ff., 470f. , Vgl. Griesbach, H. und D. Schulz: Grammatik der deutschen Sprache. München 1962, S. 312ff.

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im Redeteil und werden erst durch Berührung mit dem konkreten Redeprozeß zum Leben erweckt". 39 Im Unterschied zu Bühler jedoch trennt Admoni obligatorische und fakultative Fügungspotenzen ; denn „einige Beziehungen sind obligatorisch, d.h., ohne an ihnen teilzunehmen, kann der Redeteil überhaupt nicht im Satz erscheinen. Die anderen sind fakultativ, d. h., der Redeteil kann sie auch entbehren". Die Beziehung des attributiven Adjektivs zum Substantiv etwa ist obligatorisch, die des Substantivs zum attributiven Adjektiv dagegen in der Regel fakultativ. Auf diese Weise berühren sich die Begriffe „obligatorisch" und „fakultativ" mit denen des „abhängigen" und des „dominierenden" Gliedes: Die Beziehung des „abhängigen" Redeteils zum „dominierenden" ist für Admoni immer obligatorisch, die des „dominierenden" Redeteils zum „abhängigen" kann jedoch sowohl fakultativ als auch obligatorisch sein. Am deutlichsten wird diese Beziehung in Admonis Skizze für die „Fügungspotenzen des Substantivs im Akkusativ" 40 , in der alle Fügungspotenzen, die der Akkusativ zu den ihm übergeordneten Gliedern (vor allem zum Verb, zum Adjektiv und zu bestimmten Präpositionen) hat, als obligatorisch, alle Fügungspotenzen dagegen, die der Akkusativ zu den ihm syntaktisch ««/ergeordneten Gliedern (vor allem zu Attributen und Pronomina) hat, als fakultativ vermerkt sind. In ähnlichem Sinne wird der Valenzbegriff erweitert auch bei Katznelson41, Lomtew42, Lejkina 43 und Meltschuk44. Das schließt natürlich nicht aus, daß etwa Lomtew den Valenzbegriff praktisch am Verb exemplifiziert und Klassen von Verben nach ihren abhängigen Gliedern (d. h. nach ihrer Distribution) aufstellt. Sein Weg zu den Satzmodellen führt jedoch nicht - wie etwa bei Erben - über ein strukturelles Minimum, sondern eher über ein invariantes Maximum, aus dem durch Weglassung Varianten entstehen. Auch Meltschuk versteht unter Valenz theoretisch die Fähigkeit eines Stammes, eine Form stark zu regieren.45 Im Zentrum seiner Analyse - die er eine Analyse der „Beziehungen der unmittelbaren Domination" nennt, die eine Abhängigkeitsanalyse ist, jedoch bestimmte Momente der IC-Analyse einschließt46 - steht 39 40 41

42

Admoni, W.: Der deutsche Sprachbau. Moskau/Leningrad 1966, S. 80ff. Vgl. ebenda, S. 84f. Vgl. KaimenbcoH, C. R.: O rpaMManriecKott KaTeropim. In: BecTHHK JleHHHrpaacκογο yrnttepcHTeTa. Cepa» hctophh, «WKa h jnrrepaTypn. No. 2. Jlemnirpaa 1948, S. 132. Vgl. JloMTeB, Τ. Π.: Ο Ηβκοτορυχ Bonpocax crpyirrypH npewioaceHHJi. In: Hayonae

AOKJiaau Bbicmea dikojih. φΒποποππβααιβrayra.Mocraa 1959, 4, S. S f.; JIomtcb,

43

44 44 48

T. Π.: ITpHpofla CHHTaKCHiecKHX «BJieHHfi. In: Hayraue aokjuwh Bucmeft nntonw. OHJioJiormecKHe HayKH. Mocraa 1961, 3, S. 27. Vgl. JleBxHHa, Ε. Μ.: Ηεκοτορυβ acnerra b&jxchthocth. In: βρκιαρίΛ Ha κοΗφβpeHOHH no o6pa6oTKe ΗΗφορΜβιοΐΗ, MamHHHOMy nepeeoay η aBTOMaimecKOMy

ttchhjo Texcra. Bun. 5. Mocraa 1961, S. 1. Vgl. Mentiyic,

S. 274flf.

Η. Α.: ABTOMamecKHfi ciiHTaKcsnecKHfi aBajna. Hobochöhpck 1964,

Vgl. ebenda, S. 247ff. Vgl. ebenda, S. 17f.

14»

211

aber praktisch das Verb, dessen Umgebungen (Meltschuk nennt - mit Einschluß des Infinitivs und einiger Nebensätze - 33 mögliche stark regierte Formen 47 ) zum Zwecke der „automatischen syntaktischen Analyse" eingefangen werden sollen. Die starke Rektion wird bei Meltschuk reduziert auf Objekte bzw. Subjekte (d. h. die „actants" bei Tesnière), während die Adverbialien (die „circonstants" bei Tesnière) als schwach regiert angesehen werden. Das Rektionsmodell eines Wortes ergibt sich nicht nur aus dem Satz der Valenzen, sondern umschließt auch ihre Funktion (d. h. die Bedeutung der Formen, ihre Koordination bzw. Subordination). Oftmals erscheinen bei diesem weiteren Valenzbegriff freilich auch verschiedene Schattierungen. So bezeichnet etwa Lejkina die vom übergeordneten Glied ausgehende - im Sinne Admonis meist fakultative - Fügurigspotenz als aktive Valenz, die vom untergeordneten Glied ausgehende - im Sinne Admonis stets obligatorische - Fügungspotenz als passiv.48 Abramow versteht in ähnlichem Sinne die vom Verb - als dem strukturellen Zentrum des Satzes - ausgehende Potenz als zentrifugal, die zum Verb hinfuhrende als zentripetal.49 Es gibt sogar einige Linguisten, die den Begriff Valenz nicht nur auf das Verb und alle Wortarten, sondern auf alle sprachlichen Elemente überhaupt anwenden: Sassorina/Berkow definieren die Valenz etwa als „potentielle Verknüpfbarkeit von gleichartigen Sprachelementen"50, wenn sie ein Modell für die Maschinenübersetzung entwickeln, das im Grunde einer Distributions- bzw. Umgebungsanalyse im Sinne von Harris gleichkommt und ebenso wie diese als Basis für die Transformationsanalyse dienen kann. Auf Grund dieser Erweiterung ist es nicht verwunderlich, daß man in der sowjetischen Linguistik manchmal nicht nur von syntaktischen und semantischen Valenzarten, sondern auch von phonologischer, morphologischer Valenz usw. spricht.51 Der Begriff der Valenz wird im weiteren Sinne von Stepanowa jetzt auch für die Wortbildung verwendet.52 Von diesen Einzelheiten abgesehen, darf man heute wohl grob vereinfacht drei Gruppen von Linguisten unterscheiden: 1. Von einigen Linguisten wird die Valenz im engeren Sinne als eine Eigenschaft betrachtet, die nur den Verben zukommt (Tesnière, Brinkmann, Erben u. a.). 47 48 49

s0

51 52

Vgl. ebenda, S. 247f. Vgl. JlefiKHHa, a. a. O., S. 14. Vgl. A6paMOB, E. A. : CiorraKCHHecKHe noTemiHH rnarojia Β conocraBJieHHH c ποτβΗUHUMH apyrHx nacTefl penn). In : Haymwe AouiaoH Buciueft IUKOJIM. 4>iuiojiora. auch in Polen (vgl. L. Zabrocki, in: Glottodidactica 1/1966, S. 4,132) und in der CSSR (vgl.E. Spalény, in: Glottodidactica, 1/1 1966,S. 70) die Grundlage für weitere Erörterungen. Fries, Ch. C.: Teaching and Learning English as a Foreign Language. Ann Arbor 1945. Fries, Ch. G : The Chicago Investigation. In: Language Learning, 1949, 3. Vgl. unsere Anm. 5 (in diesem Kapitel).

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modern linguistic science and to use the results of scientific linguistic research". 74 Für Fries und seine Schule hat jemand eine Fremdsprache gelernt, wenn er innerhalb eines begrenzten Vokabulars das Lautsysiem beherrscht und die Strukturen zu automatischen Gewohnheiten geworden sind. Die primäre Aufgabe im Fremdsprachenunterricht (vor der Bereicherung des Wortschatzes) ist deshalb die Beherrschung des Lautsystems und der Strukturformen, bei denen äußerste Exaktheit angestrebt werden muß : Exaktheit bedeutet jedoch nicht die Anerkennung isolierter Sprachnormen, sondern bedeutet exakte Reproduktion der Laute und Formen, wie sie der Muttersprachler im normalen Gespräch verwendet. Derjenige wird mit dieser Methode die Sprache am besten lernen, der am besten nachahmen kann 73 ; das aber sind offensichtlich die Kinder. Aber auch die Erwachsenen müssen darauf bedacht sein - auch wenn bei ihnen die fremde Sprache niemals so vollkommen funktionieren wird wie die Muttersprache - , die Übersetzungsmethode zu vermeiden. Sie sollen vielmehr versuchen, eine direkte Beziehung zwischen den Erfahrungen und den Äußerungen in der Fremdsprache herzustellen und auf diese Weise die Sprachgewohnheiten der Muttersprachler („speaking habits") nachzuahmen. 76 Der ökonomischste Weg, die Strukturmodelle einer Sprache zu lernen (auch wenn man in erster Linie die Fremdsprache lesen lernen will) ist nach Fries der „oral approach" oder „basic drill", d. h. die fortlaufende Wiederholung der Patterns durch einen Muttersprachler. Dieser „oral approach" ist nicht identisch mit der „direkten Methode", die das Lernen einer Fremdsprache durch Konversation, Diskussion und Lesen in der Fremdsprache selbst ohne das Studium der formalen Grammatik - anstrebt. Trotz mancher Gemeinsamkeiten (Primat des Gebrauchs vor dem Paradigma, Ablehnung der Übersetzungsmethode u. a.) gibt es wesentliche Unterschiede: Der „oral approach" vermeidet das Lesen am Anfang der Arbeit und schließt muttersprachliche Erklärungen und grammatische Verallgemeinerungen nicht aus (wenn auch erst nach der praktischen Übung). In diesem Sinne bedeutet „oral approach" eher ein Ziel, das in den ersten Stadien der Spracherlernung erreicht werden soll, als eine Begrenzung der Mittel, die für dieses Ziel eingesetzt werden. Und dieses Ziel heißt: Aneignung von Gewohnheiten für die mündliche Produktion der Sprache und das rezeptive Verständnis der gesprochenen Sprache. 77 Damit unterscheidet sich die Pattern-Methode sowohl von den grammatikalisierenden Übersetzungsmethoden, durch die die Studenten in erster Linie 74

75 76

77

Fries: Teaching and Learning English, a. a. O., Preface. Man wird diese Stufen der Konzeption von Fries streng auseinanderhalten müssen, wenn man nicht zu falschen Schlußfolgerungen kommen will. Vgl. ebenda, S. 5. Vgl. ebenda, S. 6; vgl. dazu auch Fries, Ch. C.: Preparation of Teaching Materials, Practical Grammars, and Dictionaries, Especially for Foreign Languages. In: Proceedings of the Eighth International Congress of Linguists. Oslo 1958, S. 744. Vgl. Fries: Teaching and Learning English, a. a. O., S. 7f.

256

in die Lage versetzt werden, die Wortarten zu bestimmen, Paradigmen und rammatische Regeln zu beherrschen, ein Wörterbuch zu benutzen und Übersetzungen anzufertigen, als auch von den direkten Methoden, die mit Recht die grammatischen Regeln durch den direkten Kontakt ersetzen, dabei aber die Grammatik völlig eliminieren und das Lernen einer Fremdsprache mit dem Erlernen der Muttersprache völlig gleichsetzen. Es handelt sich vielmehr um eine linguistische Methode im Fremdsprachenunterricht, die auf einer soliden linguistischen Grundlage basiert und zu deren Kern die Idee der „pattern practice" und des „oral approach" mit dem genannten Ziel gehört. 78 Um dieses Ziel erreichen zu können, hält Fries drei Schritte für erforderlich: Erstens muß die zu erlernende Sprache, zweitens die Muttersprache des Lernenden strukturell analysiert werden; auf Grund des Vergleiches der Strukturanalyse von Fremdsprache und Muttersprache muß drittens ein effektives System von Lehrmaterialien geschaffen werden. 79 Diese Konzeption enthält nicht nur die richtige Einsicht, daß das Lehren von Fremdsprachen immer auf dem Hintergrund bestimmter Muttersprachen erfolgt, daß folglich ein Chinese anders Englisch lernt als ein Spanier und daher die Schaffung spezieller Lehrmaterialien für bestimmte Sprachengruppen sehr dringlich ist. 80 Sie schätzt auch die Rolle der Grammatik beim Sprachenlernen richtig ein - im Gegensatz zur direkten Methode, die alle Grammatik ablehnt, weil angeblich auch das Kind seine Muttersprache ohne Grammatik lerne. Eine solche Auffassung konnte nur deshalb aufkommen, weil man unter „Grammatik" etwas Verschiedenes versteht: Versteht man unter Grammatik das Lernen von Konjugations- und Deklinationsparadigmen, logische Satzanalyse oder gar ein universales philosophisches System, so leugnet auch Fries den Wert dieser Grammatik für den Fremdsprachenunterricht. 81 Im Sinne der strukturellen Linguistik deskriptivistischer Provenienz bedeutet Grammatik aber etwas völlig anderes und steht durchaus nicht im Widerspruch zu der Art, wie ein Kind seine Muttersprache lernt. Wenn Kinder Formen verwenden wie „They swimmed fast", „He knowed it" oder „three mans", so ist das ein Zeichen dafür, daß sie unbewußt die Patterns der Form begriffen haben und nur fälschlicherweise auf andere Wörter anwenden, die eine Ausnahme von diesen Patterns darstellen. Und diese Patterns sind die Grammatik einer Sprache ; sie müssen gelernt werden, auch wenn man sich ihrer oft nicht bewußi ist. Deshalb ist für Fries die Frage falsch gestellt, ob man eine neue Sprache ohne Grammatik lernen kann (denn das ist unmöglich); die Frage besteht vielmehr nur darin, ob man den Er-

f

78

79 80 81

17

Zu dieser Abfolge verschiedener Methoden im Fremdsprachenuntenicht vgl. auch Lado, R. : Language Teaching. New York/San Francisco/Toronto/London 1964, S. 3 ff. ; Szulc, Α.: Intensive und extensive Methode im Fremdsprachenuntenicht. In: Glottodidactica, 1/1966, S. 43 ff. Vgl. Fries: Preparations of Teaching Materials, a. a. O., S. 738ff. Vgl. Fries: The Chicago Investigation, a. a. O., S. 97. Vgl. Fries: Teaching and Learning English, a. a. O., S. 27f. Heibig, Sprachwissenschaft

257

wachsenen diese Patterns - als eine Summe der Sprachpraxis - nicht bewußt machen sollte und auf diese Weise den Lernprozeß beschleunigen und effektiver gestalten könnte. Die Grammatik darf folglich für den Fremdsprachenuuterricht im Sinne von Fries nicht dargestellt werden als eine Sammlung von Regeln und Illustrationen von diesen Regeln. Sie ist vielmehr inkorporiert in Sätze, die so lange praktiziert und wiederholt werden, bis der Ausdruck in der Fremdsprache diesen Kanälen unbewußt folgt. 82 In den Lehrmaterialien des von Fries geleiteten English Language Institute (Michigan) werden die strukturellen Patterns in den meisten Fällen explizit gezeigt und beschrieben; aber solche Feststellungen über die Patterns, die sie bewußt machen, dürfen niemals ein Ersatz für die Praxis der Sätze selbst sein. 83 Dabei muß die Exaktheit im Gebrauch der strukturellen Patterns am Anfang der Flüssigkeit vorgezogen werden. Um bestimmten Mißverständnissen seines „new approach" vorzubeugen, hat Fries betont, daß das Wesen seiner neuen Methode nicht die größere zur Verfügung stehende Zeit oder die kleinere Klassenfrequenz, ja nicht einmal die größere Betonung der mündlichen Praxis sei, sondern allein die wissenschaftliche Strukturbeschreibung der betreffenden Sprache, auf deren Grundlage die Lehrmaterialien geschaffen werden müssen. 84 Alle anderen Momente sind nach Fries „externals of procedure", sogar die „oral-aural practice". 85 Wenn man das Neue seiner Fremdsprachenmethodik allein nach diesen Äußerlichkeiten beurteilt, ignoriert man ihr Wesen, das in der theoretischen Strukturbeschreibung besteht. Deshalb wäre es falsch, wenn sich die Fremdsprachenmethodik vom Primat der Linguistik - die in den letzten Jahrzehnten bedeutende Fortschritte vor allem in der Strukturanalyse aufzuweisen hat - zu emanzipieren suchte und sich auf bloße Äußerlichkeiten des Verfahrens beschränken wollte. Nach Fries muß jeder Unterricht, der nicht auf einer wissenschaftlichen Analyse der betreffenden Sprache basiert, letztlich wirkungslos bleiben. 86 Für den Fremdsprachenlehrer genügt es nicht, die fremde Sprache zu sprechen (obwohl das eine notwendige Voraussetzung ist); er muß vielmehr darüber hinaus ihr Lautsystem, ihr Strukturgefüge und ihr Vokabular vom Gesichtspunkt der Strukturanalyse kennen.61 Deshalb ist auch nicht jeder, der die betreffende Sprache spricht, fähig, language-drills durchzuführen. Die Pattern-Methode stellt sogar höhere Anforderungen an den Fremdsprachenlehrer als manche traditionelle Methode. 82 83

84 85 86 87

Vgl. ebenda, S. 34ff. Zu ähnlichen Methoden am Dolmetscher-Institut in Leipzig vgl. Neubert, A. u. O. Kade: Zu einigen Problemen der Ausbildung von Dolmetschern und Übersetzern an der Karl-Marx-Universität. In: Lehre - Forschung - Praxis, hrsg. v. G. Hang u. M. Steinmetz, Leipzig 1963, S. 308 ff. Vgl. Fries: The Chicago Investigation, a. a. O., S. 90. Vgl. ebenda, S. 93; vgl. dazu auch Fries: Teaching and Learning English, a. a. O., S. 7. Vgl. Fries: The Chicago Investigation, a. a. O., S. 90f. Vgl. ebenda, S. 97f.

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Eine bestimmte Verfeinerung dieser methodischen Konzeption von Fries liegt sicher vor, wenn Lado heute ausdrücklich die „Mimicry-memorizationmethod" (wie sie zuerst im „Intensive Language Program" entwickelt worden ist und wie sie die Grammatik ausschließlich durch Nachahmung von Sätzen, lehrt) von der „Pattern-Practice" trennt, die nicht ungebührlich lange bei der Wiederholung bestimmter Sätze verweilt, statt dessen das Satzmodell durch verschiedene inhaltliche Situationen modifiziert und den Satz dadurch nicht mehr als unstrukturierte Einheit, sondern eben als „Pattern" für verschiedene lexikalische Füllungen begreift. 88 Deshalb ist die einfache Wiederholung von Sätzen nicht gleichzusetzen mit dem eigentlichen „Pattern-DriU", sondern geht ihm-als erstes Stadium des Lernprozesses-voraus. 89 Dieser „MimicryMemorization" folgen auf zweiter Stufe die bewußte Selektion der Patterns, auf dritter Stufe die eigentliche Pattern-Practice und - weil der Student auch damit noch nicht fähig ist, frei zu sprechen - auf vierter Stufe die freie Auswahl der sprachlichen Mittel in den entsprechenden Situationen. 90 Damit ist die Pattern-Practice in einem spezifischen Sinne verstanden und ihr Ort im gesamten Prozeß des Lernens einer Fremdsprache genau festgelegt. Gewiß enthalten diese methodischen Prinzipien - Fries steht dabei nur als Repräsentant für die gesamte Schule der deskriptiven Linguistik in den U S A bedeutende Fortschritte gegenüber den mit der traditionellen Grammatik verbundenen grammatikalisierenden Übersetzungsmethoden: Dazu gehört etwa die Einsicht, daß das Ziel der Spracherlernung nicht identisch ist mit dem Erwerb von Wissen über die Sprache, sondern mit dem Erwerb praktischer Fertigkeiten, daß die mündliche Sprachausübung und die übersetzungsfreie Beherrschung der Fremdsprache angestrebt werden müssen, daß die Wörter stets im Kontext, die grammatischen Erscheinungen in Modellen eingeführt und gelehrt werden sollen. 91 Neben diesen Vorteilen der „intensiven" Methoden der amerikanischen Strukturalisten haben sich jedoch in der Praxis auch offensichtliche Mängel herausgestellt: Der Wert des Auswendig-Lernens wurde überschätzt, die Überbetonung des übermäßigen und oft auch monotonen Drills führte zur Vernachlässigung der synthetisch-kommunikativen Übungen (so daß der Student oft auch mit großen Fertigkeiten in Drill-Übungen in der praktischen Kommunikation versagte), das Verhältnis von bewußtem Lernen und Automatisierung wurde einseitig eingeschätzt, ebenso das Verhältnis von mündlicher und schriftlicher Sprachbeherrschung: Während man früher glaubte, das Sprechen über das Lesen und Übersetzen entwickeln zu können, glaubt man nun, das Lesen auf dem Wege über das Sprechen lehren zu 88 89 90 91

Vgl. Lado: Language Teaching, a. a. O., S. 92ff. Vgl. ebenda, S. 105. Vgl. ebenda, S. 112f. Vgl. dazu Subin, E. P.: Aktuelle Probleme der modernen Fremdsprachenmethodik. In: Deutsch als Fremdsprache, 1967, 6, S. 416f.; Beljaev, Β. V.: Eine psychologische Analyse neuester methodischer Prinzipien des Fremdsprachenunterrichts. In: Deutsch als Fremdsprache, 1967, 6, S. 440.

17*

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können. In beiden Fällen wird offensichtlich die Spezifik der schriftlichen und der mündlichen Kommunikation nicht genügend beachtet. 92 Diese Mängel resultieren zum großen Teil aus der behavioristischen Psychologie - der theoretischen Grundlage sowohl der Sprachtheorie als auch der Lerntheorie der amerikanischen Deskriptivisten. Diese Psychologie reduzierte das Verhalten des Menschen auf den mechanischen Ablauf von Stimuli und Reaktionen (so bei Bloomfield, Fries, Skinner u. a.) und beschränkte damit die schöpferische Aktivität des Menschen auf ein Minimum. Auf diese Weise wird der Erfolg des Fremdsprachenunterrichts in einseitiger Abhängigkeit gesehen von der rein quantitativen Menge und Verteilung der Stimuli. 93 Selbst für den „programmierten Unterricht" in den USA (Skinner, Crowder u. a.) lieferte der Behaviorismus die theoretische Basis : Letztlich führt auch dieser programmierte Unterricht zu nichts anderem als zu einem organisierten System von Stimuli, die die erforderlichen Reaktionen hervorrufen sollen und kaum Raum für aktive psychische Prozesse lassen. Dagegen haben sich vor allem einige sowjetische Psychologen - etwa aus der Schule von Wygotski - gewandt, die nicht mehr vom sprachlichen „Verhalten" (wie in der Tierpsychologie), sondern von sprachlicher „Tätigkeit" sprechen und somit auch ein anderes Verhältnis von Automatisierung und Bewußtheit annehmen. 94 92

93

94

Vgl. Subin, a. a. O., S. 417ff.; rHH36ypr, P. C.: JlHHrBHcniHecKaji τβορκιτ H nponoaaBaHHe HHOcrpaHHbix tttUKOB. I n : PyccxHü m u x 3a py6eacoM, 1967, 2, S. 12f.; JleoHTtcB, A . A . : Teopiw peieeoft AetrrejibHocTH H npo6/ieMti o6y· N 2 ν be Ven by N t vorgenommen werden („The wreck was seen by the boy" hat zwar ein entsprechendes Aktiv, nicht aber „The wreck was seen by the seashore", obwohl der gleiche Satz von Elementen vorliegt). Grundsätzlich muß bei Transformationen der semantische Informationsgehalt des Satzes gleichbleiben; was sich ändern kann, ist der grammatische Status (so kann ein Satz in eine Nominalphrase verwandelt werden) und der Stilwert (etwa bei der Verwandlung vom Aktiv ins Passiv)5. Der invariante semantische Inhalt ist nicht an das Vorkommen bestimmter Morpheme im Satz allein geknüpft: Die beiden Sätze „Die Katzefrißt die Maus" (Nx ν VN 2 ) und „Die Maus frißt die Katze" (N2 ν V N x ) enthalten zwar die gleichen Morpheme, beschreiben aber eine völlig verschiedene Situation und können deshalb nicht als Transformationen voneinander betrachtet werden. Im einzelnen stellt Harris eine ganze Liste von Transformationen für das Englische auf 6 , von denen wir nur einige nennen wollen : 1) Passivtransformation: Ν, ν V N 2 N 2 ν be Ven by ΝΓ (The children were drinking milk -» Milk was being drunk by the children) 2) Einleitungstransformation: S «-* Introducer + S Etwa: Ν y V «-• There ν V Ν (A boy came < (Phys. Objekt) (soziale Aktivität)

(wertend)

I

Γ mit bestimmtem Charakter,

1

J > < [Lebhaftigkeit, (Ästh. Objekt) Anschaulichkeit... ν (soziale Aktivität)

Die semantischen Marker haben eine ähnliche Allgemeingültigkeit wie die syntaktischen Marker und kommen deshalb in gleicher Weise bei vielen Eintragungen vor. Im Unterschied dazu geben die Distinguishers das Besondere und Spezifische in der Bedeutung an und kommen deshalb im Lexikon in dieser Form nur einmal vor. Die Selektionsbeschränkungen legen die Bedingungen fest, unter denen eine semantische Interpretation mit einer anderen zu verbinden ist; sie werden formuliert als Funktionen der syntak190 191 192

Vgl. Katz, Postal: An Integrated Theory, a. a. O., S. 1, 13; vgl. Katz: The Semantic Component, a. a. O., S. 196, 201 f. Vgl. Katz, Postal: An Integrated Theory, a.a.O., S. 12f.; Katz: The Semantic Component, a. a. O., S. 201 ff. Vgl. Katz, Postal: An Integrated Theory, a. a. O., S. 22.

312

tischen und semantischen Marker (nicht der Distinguishers). So kann etwa ein Adjektiv wie „honest" ( = ehrbar, sittsam) nur zu einem Substantiv hinzugefügt werden, das als semantische Merkmale menschlich und weiblich aufzuweisen hat, nicht zum Substantiv „Blume" oder „Kind". Die Lexikoneintragung würde folgendes enthalten: 193 honest -+ Adj (wertend) (moralisch) [unschuldig im Hinblick auf illegitimen Geschlechtsverkehr] < (Human) A (Fem.) > . Solche Lexikoneintragungen zeigen, daß die Bedeutung einer lexikalischen Einheit kein undifferenziertes Ganzes ist, sondern in atomare Begriffselemente zerlegt werden kann, die mit Hilfe von semantischen Markern und Distinguishers beschrieben werden. Die Projektionsregeln orientieren über die Kombinierbarkeit der Bedeutungen auf Grund der Basis-P-Marker der syntaktischen Tiefenstruktur. Deshalb bestimmt die syntaktische Struktur im wesentlichen, wie die Lexikoneintragungen mit Hilfe der Projektionsregeln verbunden werden. Stufenweise wird jeweils die Bedeutung von zwei Konstituenten bis zum nächsten Knoten kombiniert, die verschiedenen Lesarten („readings") der einzelnen Konstituenten werden vom Boden bis zur Spitze des P-Markers amalgamiert. Wenn eine Konstituente durch Anwendung der Projektionsregeln keine Lesart erhält, ist die Äußerung anormal (*ehrbare Blume); erhält sie eine Lesart, ist der Satz eindeutig; erhält sie mehrere Lesarten, ist der Satz ambig. 194 Auf diese Weise würde sich durch die Projektionsregeln zeigen, daß „colorful" nur in der ersten Bedeutung mit einem Substantiv wie „ball" verbunden werden kann, wenn dieses die Lexikoneintragung -» Subst. -*• (Physisches Objekt) (rund)... hat, oder besser gesagt: „colorful" bekommt durch die Kombination mit „ball" von den Projektionsregeln die erste Bedeutung zugewiesen, weil „phys. Obj." die gemeinsame Lexikoneintragung von Adjektiv und Substantiv ist und somit die zweite Bedeutung von „colorful" ausgeschlossen wird. Die Projektionsregeln explizieren damit den Prozeß der Attribution und produzieren semantisch interpretierte P-Marker. Sie operieren ausschließlich auf den zugrunde liegenden P-Markern (der Tiefenstruktur), nicht auf den abgeleiteten P-Markern (der Oberflächenstruktur). 195 Katz/Postal haben zwei Arten von Projektionsregeln unterschieden: Die PR 1 werden angewandt auf Strukturen, deren T-Marker nur singulare und obligatorische Transformationen enthält ( = Kernsätze der älteren Transformationsgrammatik), die die Bedeutung überhaupt nicht affízieren. Die PR 2 werden angewandt auf Strukturen, die fakultativ-singuläre Transformationen (mit Bedeutungsveränderung) oder generalisierte Transformationen enthalten. 196 Wenn man aber den singulären Transformationen gene193 194 195 196

Vgl. ebenda, Vgl. ebenda, Vgl. ebenda, Vgl. ebenda,

S. 15. S. 20 ff. S. 68,120,158 u. a. S. 23ff„ 31 ff.

313

rell jede Bedeutung$veränderung abspricht und wenn - nach dem Vorschlag Chomskys - die generalisierten Transformationen eliminiert werden können, sind auch die Projektionsregeln des 2. Typs nicht mehr nötig.1®7

9.4.

Die dritte Phase der generativen Transformationsgrammatik

9.4.1.

Allgemeine Kennzeichen

Die zweite Phase der generativen Grammatik stand noch immer unter dem bestimmenden Einfluß Chomskys. Wohl war es nicht mehr die - noch den Einfluß von Harris verratende - Arbeit „Syntactic Structures" mit ihrem Postulat einer asemantischen Theorie der Sprache, sondern vor allem das Buch über „Aspects of the Theory of Syntax", das die weitere Entwicklung der Transformationsgrammatik maßgeblich beeinflußte und nicht nur zu einer völlig neuen Konzeption vom Aufbau der Grammatik, sondern auch zum Einbau von Subkategorisierungsregeln und eines Lexikons in die Syntax sowie der Annahme einer besonderen semantischen Komponente führte. Die Unterschiede zwischen der ersten und der zweiten Phase der generativen Grammatik dürfen aber nicht überbewertet werden. 198 Auch der Einschluß der Semantik in die Grammatik verändert nämlich zunächst noch nicht den Gesichtspunkt, nach dem die Syntax auch in der zweiten Phase unabhängig von der Semantik aufgebaut werden soll. Bei Fodor/Katz u. a. erscheint die Semantik vorerst mehr als ein Zusatzapparat, der der Syntax hinzugefügt wird. Es sollten einige Lücken geschlossen werden, die bei der asemantischen Syntax noch offengeblieben waren. Dieser Appendix-Charakter der Semantik äußert sich nicht zuletzt in der Feststellung von Fodor/Katz, daß die Semantik nichts anderes sei als linguistische Beschreibung minus Grammatik. Gerade an diesem Punkt setzt die dritte Phase der generativen Grammatik ein, die freilich nicht mehr eine solche einheitliche Konzeption erkennen läßt wie in den ersten beiden Phasen. Das ergibt sich schon daraus, daß sie nicht mehr unter dem bestimmenden Einfluß von Chomsky steht, sondern vielmehr durch eine Fülle auch von divergierenden Ansätzen gekennzeichnet ist, die sich meist auch mit dem „konservativen" Standpunkt Chomskys in „Aspects of the Theory of Syntax" nicht mehr in Übereinstimmung befinden. Es beginnt gleichsam ein Differenzierungsprozeß innerhalb der generativen Grammatik, der zu verschiedenartigen neuen Ansätzen führt und damit im Zusammenhang auch grundsätzliche Fragen - etwa des Verhältnisses von Syntax und Semantik - neu zur Diskussion stellt. 197

Vgl. ebenda, S. 67f. im vgl. dazu auch ΥπβΗδβκ, 3. M. : Emë pa3 o TpaHc4>0pManH0HH0fi rpaMManox. In: Bonpocu «WK03Hamw, 1968, 4, S. 108f.

314

9.4.2.

Weinreichs Modifizierung der semantischen Theorie

Scharfe Kritik an der semantischen Theorie von Fodor/Katz hat vor allem Weinreich geübt, wenn er ihnen vorwirft, ihre Theorie reduziere sich auf die, Kalkulation der semantischen Ambiguitäten und die Disambiguierung dieser potentiellen Ambiguitäten durch die Projektionsregeln. Weiterhin werden die Unterscheidungen zwischen syntaktischen und semantischen Markern sowie zwischen semantischen Markern und Distinguishers in Frage gestellt (denn es gibt ζ. B. Verzweigungen des syntaktischen Markers bei Rekonvergenz der Zweige des semantischen Markers) 199 : adolescent

Nom -» (menschlich) \Adj>"

(nicht erwachsen)

(nicht Kind).

Auf Grund dieser nicht genügend präzisierten Unterscheidungen zerstören die Projektionsregeln von Fodor/Katz - wie Weinreich meint - die semantische Struktur und reduzieren den Satz auf eine ungeordnete Anhäufung von Wörtern. Es sei eine Ironie, daß ausgerechnet eine Konzeption der Semantik, die von der strengsten syntaktischen Forschung - nämlich der generativen Grammatik Chomskys - inspiriert ist, zu einer fundamental asyntaktischen Theorie von „meaning" führe. 200 Weinreich sieht die Aufgabe auch seiner semantischen Theorie darin, die Bedeutung eines Satzes mit einer bestimmten Struktur aus den voll spezifizierten Bedeutungen der einzelnen Teile abzuleiten und damit dem Anspruch von Chomskys generativer Grammatik gerecht zu werden. Auf Einzelheiten seiner Theorie (mit ungeordneten - clusters - und geordneten semantischen Merkmalen - configurations - , mit entsprechenden linking- und nestingKonstruktionen, mit Transferierungsregeln, einem Calculator, einem Evaluator u. a.) kann hier nicht eingegangen werden. Weinreichs Transferierungsregeln entsprechen im wesentlichen Chomskys Selektionsregeln, allerdings mit dem Unterschied, daß Chomsky die Selektionsmerkmale des Verbs in Abhängigkeit von den inhärenten Merkmalen des Substantivs konstatiert, während Weinreich die Merkmale des Verbs auf das Substantiv transferiert. Darüber hinaus wirft er Chomsky vor, daß dessen strikte Subkategorisierungsregeln auf Grund oberflächlichster formaler Kategorien Differenzierungen schaffen, obgleich oftmals die gleiche semantische Funktion ausgeübt wird. Während Chomsky die Verben etwa auf der Grundlage relativ oberflächlicher Züge des syntaktischen Kontextes subklassifiziert (etwa des Vorhandenseins eines Nebensatzes oder einer bestimmten Präposition in der Umgebung des Verbs), möchte Weinreich von „tieferen" semantischen Transferierungsmerkmalen (etwa: Behauptung, Befehl, Frage u. a.) ausgehen. 201 199 200 201

Vgl. Weinreich, U.: Explorations in Semantic Theory. In: Current Trends in Linguistics, ed. by Th. A. Sebeok. Vol. III. The Hague/Paris 1966, S. 397ff., 402ff., 405 ff. Vgl. ebenda, S. 410. Vgl. ebenda, S. 431 f.

315

Entsprechend möchte Weinreich auch in der Ableitung des Satzes - im Gegensatz zu Chomsky - schon vor Erreichung der syntaktischen Endketten und Einsetzung der Lexikoneintragungen einige semantische Merkmale einsetzen. 202 Auf diese Weise entstehen Regeln wie Umstand •

Adverb Präpos. + N P Konj. + S

[



±



Count]

ΙΔ Eben darin besteht wohl Weinreichs hauptsächliches Anliegen: Er bezieht semantische Merkmale'schon in die Basis der Grammatik ein und versieht dann in komplementärer Weise im Lexikon die semantischen Merkmale mit einer syntaktischen Form. 2 0 î Im Gegensatz zur bisherigen These - von Chomsky, Fodor, Katz, Postal u. a. - , daß die Semantik dort beginnt, wo die Syntax aufhört, möchte Weinreich syntaktische und semantische Regeln ineinandergreifen lassen, weil er der Überzeugung ist, daß die Unterscheidung zwischen Syntax und Semantik nur für künstliche, nicht aber für natürliche Sprachen zu rechtfertigen Sei.204 Er wirft der bisherigen generativen Grammatik - die die semantische Komponente erst auf der syntaktischen Komponente aufbaut - vor, sie verlange zu viel für die Syntax. Weinreich möchte sein Ziel „No syntax without semantics" im ganzen aber durchaus nicht als Aufhebung der Ziele der generativen Grammatik, sondern als ihre Weiterentwicklung betrachtet wissen.

9.4.3.

Semantische Universalien und Prädikatenlogik

Die Frage der semantischen Komponente und der semantischen Marker steht in engem Zusammenhang mit dem Problem der semantischen Universalien, denen sich die generative Grammatik - in Analogie zu den phonologischen Universalien, den distinktiven Merkmalen von Jakobson - in zunehmendem Maße zuwendet. Wie die phonologische Struktur einer Sprache mit Hilfe von universalen phonetischen Merkmalen akustisch-physiologischer Art interpretiert worden ist, so soll auch die semantische Struktur einer Sprache mit Hilfe von universalen elementaren Merkmalen begrifflicher bzw. referentieller Art interpretiert werden, die innerlinguistisch nicht weiter analysierbar sind und Grundkomponenten für die Wortbedeutung darstellen. 205 Auf diese Weise ist die Struktur der natürlichen Sprache sowohl in der phonologischen als auch in der semantischen Komponente mit außerlinguistischen Phänomenen verknüpft. Solche außerlinguistische Phänomene sind die distinktiven Merkmale der Phonologie (als phonologische Universalien) und die Grundkomponenten der Bedeutung (als semantische Universalien). Diese Kompo201 203 204 205

Vgl. ebenda, S. 432, 440f. Vgl. ebenda, S. 446. Vgl. ebenda, S. 468 ff. Vgl. Bierwisch, M . : Some Semantic Uni versais of German Adjectivals. In: Foundations of Language, 1967, 1, S. Iff.

316

nenten sind zwar universal, die Verbindung dieser Komponenten dagegen wäre in jeder Sprache verschieden. Bierwisch möchte auch die semantischen Marker von Fodor/Katz als einen Satz von solchen außerlinguistisch-universalen Grundkomponenten interpretieren. Er möchte dabei allerdings - wie Weinreich - den Unterschied zwischen semantischen Markern und Distinguishers aufgeben, weil es zwischen ihnen keine deutliche Grenze gebe und auch die Distinguishers universalen Charakter haben. 206 Es gibt für ihn auch keine komplexen Marker mehr, sondern er nimmt nur nicht-komplexe Basis-Marker an und bestimmte allgemeine Prinzipien, nach denen diese Marker verbunden werden. Im Unterschied zu Katz möchte Bierwisch diese semantischen Marker auch als Prädikate im Sinne der modernen Logik verstehen, die nach der Zahl und Art ihrer Argumente klassifiziert werden. Insbesondere ergibt sich dabei die Notwendigkeit von mehrstelligen Prädikaten, und es ist Bierwischs offensichtliches Ziel, die semantische Interpretation von Katz logisch umzuschreiben, so daß nunmehr etwa folgende Schreibung entsteht: 207 Chase (Jagd) ([[Physische] Aktivität] Λ [(schnelle] Bewegung]) X Λ pfolgend] XY Λ [[^versuchend]] X [^fangen] XY Λ [Bewegung] Y

An anderer Stelle hat Bierwisch versucht, für die Raumadjektive im Deutschen bestimmte semantische Universalkomponenten aufzustellen (Dimensionalität, Vertikalität, Hauptdimension, Beobachterorientiertheit u. a.), um mit ihrer Hilfe die Adjektive in ihrer Kombinierbarkeit mit bestimmten Substantiven zu unterscheiden. 208 Ein traditionelles Wörterbuch kann keine Auskunft darüber geben, warum etwa ein Wagen lang, breit und hoch sein kann, ein Schrank aber hoch, breit und tief, eine Tür hoch, breit und dick, ein Brett lang, breit und dick, eine Zigarette lang und dick („dick" steht dabei für zwei Dimensionen), eine Stange lang, hoch und dick (wobei „dick" für zwei Dimensionen steht, „lang" und „hoch" dagegen für die gleiche Dimension stehen). 209 Auf der anderen Seite kann sich das Adjektiv „groß" 206 207

Vgl. Bierwisch, M.: On Certain Problems of Semantic Features. Berlin 1967 (hekt.), S. 1, 19f., 22ff., 25f. Ebenda, S. 9, 2ff., 6ff. Dabei bedeuten Λ logische Konjunktionen, runde Klammern Prädikationsebenen. „Physisch" erscheint als Prädikation zu „Aktivität", „schnell" zu „Bewegung". X und Y sind Variable für Argumente, die hochgestellten Ziffern geben die Argumentstellen des Prädikats an. Das hochgestellte 2,1 bei „versuchend" besagt, daB das erste Argument zwei Ebenen tiefer, das zweite Argument nur eine Ebene tiefer ist als das Prädikat. Bierwisch möchte durch diese logische Schreibung die Schreibung von Katz ersetzen, der zusammengesetzte Marker angenommen hatte: chase ->- ((Activity of X) (Nature: (Physical)) (Motion) (Rate: (Fast)) (Charakter: (Following (I)))). Intention of X : (Trying to catch (Y) (Motion)))).

208 V g j Bierwisch : Some Semantic Universale, a. a. O. ; zu ähnlichen Grundkomponenten, die als „Seme" interpretiert werden, vgl. Greimas, A. J.: Sémantique structurale. Paris 1966, S. 35. 209 Vgl. Bierwisch: Some Semantic Universals, a. a. O., S. I4f. 317

manchmal auf drei Dimensionen beziehen (bei einem Wagen), manchmal auf zwei Dimensionen (wie bei Brett, Fenster und Tür), manchmal auch auf eine Dimension (wie bei Stange und Mensch). Bierwîsch versucht, diese Beziehungen aufzuhellen mit Hilfe der genannten Grundkomponenten, die jedem Adjektiv und Substantiv zugeschrieben werden; entsprechende Kombinationsregeln zeigen dann, ob die Merkmale verträglich sind oder nicht. So wird „lang" gekennzeichnet durch den Marker (+Max) (+Second) ( - V e r t ) 2 1 0 und kann deshalb kombiniert werden mit Wagen, Brett, Stange und Zigarette, nicht aber mit Turm (das (+Vert) in der einzigen Hauptdimension hat). Auf diese Weise soll im Resultat schließlich ein universales Alphabet von semantischen Markern entstehen, das Teil der Fähigkeit zum Erlernen der Sprache sein muß; denn nur so sei es zu erklären, daß ein Kind die gesamte semantische Struktur einer Sprache begreift, ehe es überhaupt eine Ahnung von Physik, Geometrie u. a. (d. h. von den Wissenschaften, die Informationen über die objektive Außenwelt liefern) hat. 2 1 1

9.4.4.

Ansätze zu einer Stiltheorie

Es ist begreiflich, daß sich die generative Grammatik bisher relativ wenig mit Fragen der Stilistik beschäftigt hat, setzt doch im Grunde die stilistische Beschreibung einer Sprache die Ausarbeitung der syntaktischen und semantischen Komponente voraus. Dennoch gibt es Ansätze, die erkennen lassen, daß es mit Hilfe der Transformationsgrammatik möglich ist, eine adäquate Stiltheorie auf der Basis der linguistischen Theorie aufzubauen. Besonders auf Prosatexte anwendbar erscheint der Versuch von Ohmann 212 , der unter Stil eine bestimmte Relation von Invarianz (d. h. syntaktischer oder semantischer Regel) und Variabilität (d. h. freiem Spiel mit der Regel) versteht. Er baut auf der syntaktischen Komponente auf, stützt sich auf die von Chomsky in „Syntactic Structures" entwickelten fakultativen Transformationen und führt bestimmte Texte von Hemingway, Faulkner u. a. dadurch auf ihre „Normalform" zurück, daß er die für den jeweiligen Dichter charakteristischen Transformationen (es kann sich dabei natürlich nur um fakultative, nicht um obligatorische Transformationen handeln) eliminiert. Auf diese Weise entsteht mit Hilfe der Transformationsgrammatik eine Art stilistischer Normaltext, der keinerlei spezifische Stilmerkmale der betreffenden Dichter mehr enthält (abgesehen von der Lexik), der dazu gegebenenfalls durch entsprechende Anwendung der für den jeweiligen Dichter charakteristischen Transformationen wieder in einen Text verwandelt werden kann, der als 210 211

2,2

Vgl. ebenda, S. 22. Vgl. ebenda, S. 34f. Eine ausführlichere Ubersicht über die gegenwärtigen Forschungsprobleme auf dem Gebiet der generativen Semantik gibt Bierwisch, M. : Strukturelle Semantik. In: Deutsch als Fremdsprache, 1969, 2. Vgl. Ohmann, R.: Generative Grammars and the Concept of Literary Style. In: Word, 1964, 3.

318

Text des betreffenden Dichters erkennbar ist. Auf diese Weise wird Stil begriffen als die Art der bei einem Autor dominierenden fakultativen Transformationen. Was syntaktisch invariant ist, wird durch die Anwendung oder Nicht-Anwendung bestimmter fakultativer Transformationen stilistisch variabel. Es ist zu hoffen, daß die Stilistik durch einen solchen präziseren Begriffsapparat über jenen unfruchtbaren Pendelschwung zwischen statistischen Sammelarbeiten (mit Feststellungen der Art, daß etwa 30% der Bilder aus der Technik stammen) und impressionistisch-metaphorischen Stilbeschreibungen (mit Feststellungen der Art, daß der Stil etwa belebt, nüchtern, männlich u. a. sei) hinwegkommt, die beide wenig wissenschaftlichen Wert besitzen und die Stilistik bisher auch nur zu einem intermediären Zwischengebilde zwischen Grammatik und Literaturwissenschaft gemacht haben. Nachdem man früher die Dichter entweder wegen der Verstöße gegen die grammatische Norm getadelt hat oder - das war das andere Extrem - ihnen jede dichterische Freiheit zugestanden hat, kommt es der generativen Grammatik darauf an, die besonderen Effekte dieser Abweichungen festzustellen. Jakobson hat schon behauptet, daß es keine agrammatische Dichtung gibt ; der Dichter hält entweder die Norm ein, oder er widersetzt sich ihr mit bestimmter Absicht: in diesem Falle schreibt er nicht agrammatisch, sondern antigrammatisch und muß von einer anderen, neuen Norm her verstanden werden. Freilich kann man diese Normen nicht zu einer vollen Grammatik der poetischen Sprache ausbauen, weil diese Grammatik einerseits viel zu komplex wäre, andererseits aber nicht alle potentiell in der Dichtung vorkommenden Sätze generieren könnte. 2 1 3 Eine angemessene Stiltheorie und Poetik muß deshalb - wenn sie nicht bloße Textstatistik oder subjektive Interpretation sein will - auf der linguistischen Struktur (wie sie die drei Komponenten der Grammatik aufhellen) aufbauen, das Spezifische der dichterischen Wirkung erfassen und damit die „poetische Kompetenz" erklären. 2 1 4 Poetische Strukturen sind „parasitäre Strukturen, die nur auf der Grundlage linguistischer Primärstrukturen möglich sind". 2 1 5 Die poetisch-stilistischen Regeln operieren auf der Grundlage der linguistischen Strukturen, sind selbst aber außerlinguistisch und stellen eine Art Superstruktur dar, in die die sprachlichen Strukturen eingehen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Sätzen zu, die als ungrammatisch gelten und doch bestimmte poetische Wirkungen hervorrufen. Natürlich wirken nicht alle Abweichungen von der Grammatikalität poetisch, sondern 213

2,4

21 s

Vgl. Steube, Α.: Gradation der Grammatikalität und stilistische Adäquatheit. Diss. Leipzig 1966, S. 33 f. Vgl. Bierwisch, M.: Poetik und Linguistik. In: Sprache im technischen Zeitalter, 15/1965, S. 1258 ff. Auch für Staiger ist e s - v o n d e r Phänomenologie her - das erklärte Ziel der Literaturwissenschaft, ,,zu Zugreifen, was uns ergreift" (Staiger, F..: Die Zeit als Einbildungskraft des Dichters. Zürich 1939, S. 13); aber er versucht dieses Ziel zu erreichen mit Hilfe seiner stilkritisch-subjektiven Interpretation, die jedes Kunstwerk aus sich selbst versteht und auf jede generalisierende Aussage verzichtet. Bierwisch: Poetik und Linguistik, a. a. O., S. 1264. 319

nur diejenigen Verstöße, die die poetischen Superstrukturen erfüllen. 2 1 6 Deshalb ist die Feststellung über die grammatische Abweichung eines Satzes noch keinerlei Wertung: Ein solcher Satz ist nämlich durchaus interpretierbar und - falls er die poetischen Superstrukturen erfüllt - auch stilistisch adäquat. 2 1 7 Das setzt freilich formalisierte Regeln für die poetischen Superstrukturen (Metapher, Metonymie usw.) voraus, die die entsprechenden Sätze erfüllen müssen, wenn sie - trotz ihrer Abweichungen von der Grammatikalität - stilistisch adäquat sein sollen. So stellen sich etwa die meisten Metaphern als Verletzungen grammatischer Subkategorisierungsregeln dar. 2 1 8 Die syntaktische Theorie erklärt jedoch mit der Feststellung der grammatischen Abweichung für die Dichtung selbst noch nichts: Die stilistische Adäquatheit des abweichenden Satzes wird erst bewiesen, wenn die poetischen Regeln und Superstrukturen erkennbar werden, in die er eingeht. Deshalb muß - in der Konzeption der generativen Grammatik - eine Stiltheorie, die das literarische Werk nicht nur beschreiben, sondern auch vor allem in seiner Wirkung - erklären will, ein System von Stilregeln sein, die selbst außerlinguistisch sind, aber auf der Basis von linguistischen Strukturen operieren und die stilistische Adäquatheit eines grammatisch abweichenden Satzes in der Dichtung möglich und prädiktabel(= vorhersagbar) machen. 2 1 9

9.4.5.

Probleme der Subkategorisierung und des Verhältnisses von Syntax und Semantik

Fm Anschluß an Chomskys Konzeption ist vielfach auch das Problem der Subkategorisierung Gegenstand von Diskussionen der generativen Grammatik gewesen. 2 2 0 Dabei stellte sich heraus, daß die Konzeption Chomskys zu bestimmten Schwierigkeiten etwa bei den traditionellen Adverbialbestimmungen führt, von denen mehrere Arten angesetzt werden müssen, die dann zu einer Veränderung des PS-Stammbaums führen, der nun etwa folgendes Aussehen haben kann: S Adv

216 2,7 218 2,9 220

NP

VP

NP

Adv (PP)

V

Vgl. ebenda, S. 1266 ff. Vgl. Steube, a. a. O . , S. 160IT., S. 164ff. Vgl. ebenda, S. 164, S. 180ff. Vgl. ebenda, S. 203ff. Vgl. etwa die Referate von R . Steinitz ( „ P r o b l e m e der Subkategorisierung") und W. Härtung ( „ M ö g l i c h e Alternative zur Subkategorisierung") auf der Arbeitstagung „ P r o b l e m e der Transformationsgrammatik" an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (September 1967): vgl. Heidolph, Κ . E . : Zur Subkategorisierung. Berlin 1967 (hekt.).

320

Entscheidend für die verschiedenen Arten der Adverbialien sind nicht morphologische Unterschiede (NP oder PP), sondern ist der Grad der Verbundenheit mit dem Verb : die eine Art steht direkt unter dem Knoten des Satzes, betrifft die Subkategorisierung des Verbs nicht und ist eine FV ( = fernere Verbergänzung), die andere Art steht unter dem Knoten der Verbalphrase, fallt in den Bereich der Subkategorisierung des Verbs und ist eine EV ( = engere Verbergänzung). Eine FV stellt letztlich immer - relationslogisch - einen Satz über einen Satz dar (P. aß die Suppe auf dem Bahnhof *P. aß die Suppe, als er auf dem Bahnhof war). 221 Zu welcher Art die Adverbialbestimmungen gerechnet werden, hängt dabei von inhärenten semantischen Merkmalen der Verben ab; die inhärenten semantischen Merkmale der Verben determinieren die syntaktischen Merkmale der Adverbialbestimmungen. Das führt zu der Schlußfolgerung, daß die Selektions- und Kookkurrenzbeziehungen, die man bisher - seit Harris als syntaktisch angesehen hat, nicht mehr der Syntax zugesprochen werden, sondern der Semantik, daß sie damit letztlich außerlinguistisch motiviert werden. 222 Damit deutet sich - zumindest bei einigen Vertretern der generativen Grammatik - ein radikaler Umbau im Aufbau der Grammatik an: Während in Chomskys früherer Konzeption („Syntactic Structures") eine asemantisch-syntaktische Theorie entwickelt worden ist (in der die Semantik nichts als ein Appendix zur Syntax war) und Chomskys spätere Version („Aspects of the Theory of Syntax") die semantische Komponente an die syntaktische Komponente angeschlossen hat, wird nun die Syntax eher ein Appendix zur Semantik. Dieser Umbau der generativen Grammatik wurde weiterhin angeregt durch Untersuchungen zur Kasussemantik. 223 Fillmore hatte die semantische Relevanz der relationalen Funktionsbegriffe (Subjekt - von, Objekt - von) bezweifelt, bei der Einführung der verschiedenen Kasus in der Tiefenstruktur auf den Unterschied zwischen „Subjekt", „Objekt" und „Adverbialbestimmung" verzichtet und statt dessen die Funktion der Kasus mit Begriffen wie „Agens", „Benefaktiv", „Dativ", „Ergativ", „Instrumental", „Lokativ" usw. eingefangen. Der Anlaß für diese Lossagung von den traditionellen Funktionsbegriffen (ζ. B. Subjekt, Objekt) besteht offensichtlich darin, daß sie - wenn sie im Anschluß an Chomsky als Relationsbegriffe zwischen Paaren von Kategorien in der syntaktischen Tiefenstruktur verstanden werden wenig oder gar keine semantische Information enthalten, daß man aus syn221

222

223

21

Auf diese Weise hat die Logik schon längere Zeit die aktualen Sätze auf bestimmte potentielle Prädikationen zurückgeführt; vgl. dazu etwa Schmidt, F.: Logik der Syntax. Berlin 1962. Vgl. die Referate von J. R. Ross und M. Bierwisch über „Syntax und Semantik" auf der Arbeitstagung „Probleme der Transformationsgrammatik" an der DAW Berlin (September 1967). Vgl. etwa Fillmore, Ch. J.: Toward a modern theory of case. In: The Ohio State University Research Foundation Project of Linguistic Analysis. Report No. 13, 1966; vgl. Zimmermann, I.: Die Funktionen der Nominalphrase im Satz (zu Ch. J. Filimores Kasusgrammatik). Berlin 1967 (hekt.). Heibig, Sprachwissenschaft

321

taktischen Tiefen-Begriffen wie „Subjekt" oder „Objekt" noch nichts für die semantische Interpretation als „Agens", „Patiens" usw. schließen kann. Es handelt sich bei Fillmore um Abstriche von der syntaktischen Struktur (unter vorwiegend semantischem Aspekt), wobei man dann freilich zu fragen hätte, auf welcher linguistischen Ebene solche Bestimmungen der Nominalphrase als „Subjekt", „Objekt" usw. dann ihre Geltung haben. 224 Immerhin haben solche Untersuchungen bei einigen Vertretern der generativen Grammatik (Fillmore, Ross, Lakoff u. a.) zu einer prinzipiellen Kritik am Chomskyschen Begriff der Tiefenstruktur geführt. Nachdem die Tiefenstruktur bei Chomsky ursprünglich einen rein syntaktischen Charakter hatte, hat man in der letzten Zeit immer mehr semantische Begriffe in die Tiefenstruktur eingeführt, weil offensichtlich die syntaktische Tiefenstruktur für eine semantische Interpretation nicht ausreicht. Das hat den Begriff der Tiefenstruktur - der ohnehin insofern etwas unscharf war, als es sich ζ. T. um universale, ζ. T. um für die einzelnen Sprachen charakteristische Züge, ζ. T. um rein syntaktische, ζ. T. aber auch schon um semantische Informationen handelte - erneut in das Blickfeld der generativen Grammatik gerückt und die Frage heraufbeschworen, ob eine solche Tiefenstruktur (im Sinne Chomskys) überhaupt notwendig und sinnvoll ist. Diesen Fragen ist besonders Ross nachgegangen. 225 Er hat gezeigt, daß wenn es eine Tiefenstruktur überhaupt gibt - diese viel abstrakter und universeller sein muß, daß ihre Beziehung zur Oberflächenstruktur viel verwickelter ist, als man ursprünglich angenommen hatte. Wenn es eine solche Tiefenstruktur mit universellen Regeln gibt, gibt es in ihr nur fünf Kategorien (S, VP, NP, Ν, V), weil alle anderen Kategorien auf sie zurückführbar sind : PP auf NP, Adj auf V, Aux auf V, Num auf Adj, Adv auf S (Sätze über Sätze im logischen Sinne) usw. Eine solche Tiefenstruktur ist so abstrakt und universell, daß sie keine sprachspezifischen Regeln mehr enthält und ganz weit an die semantische Interpretation herangerückt ist. Aber die Notwendigkeit auch einer solchen abstrakten Tiefenstruktur - als Zwischenebene zwischen der Oberflächenstruktur und der Semantik - wird von Ross verneint, da ja die Kookkurrenz-Probleme gar keine syntaktischen - wie man lange angenommen hatte - , sondern rein semantische Fragen sind. Auch die von Chomsky in der Tiefenstruktur lokalisierten grammatischen Relationen G,Funktionen" wie Subjekt, Objekt usw.) erscheinen ihm sinnlos, weil von ihnen kein Weg zur semantischen Interpretation führt (in den beiden Sätzen „I inflicted torture" und „I underwent torture" etwa erscheint der Nominativ semantisch einmal als Agens, einmal als Patiens, was aber in der syntaktischen Tiefenstruktur nicht unterscheidbar ist) und weil sie andererseits auch für die syntaktische Oberflächenstruktur wenig aussagen. Auch dadurch wird offensichtlich für ihn die These von einer angenommenen syntaktischen Tiefenstruktur nicht gestützt. 224 229

Vgl. Zimmermann, a. a. O., S. I2f. Vgl. dazu Ross: Syntax und Semantik, a. a. O.

322

Sie wird überdies dadurch in Frage gestellt, daß eine Isomorphic zwischen einer solchen abstrakt-universellen Tiefensyntax und der Logik besteht, die bis ins Terminologische reicht: Was die Tiefensyntax Satz nennt, ist in der Logik eine Aussage (Proposition); was sie NP nennt, ist in der Logik ein Argument ; was sie V nennt, ist in der Logik ein Prädikat. Von den fünf f ü r eine Tiefensyntax notwendigen Kategorien bleiben schließlich nur noch zwei (VP, Ν), von denen Ν in seiner Unterscheidung von N P nicht gerechtfertigt ist und VP ein Überbleibsel von Proposition ist und auf V reduziert werden kann (weil im Grunde syntaktisch auch das Hilfsverb Hauptverb ist). Wenn aber eine solche Übereinstimmung zwischen Logik und Syntax besteht, kann man auf die syntaktischen Termini überhaupt verzichten, kann man statt x{NP S} getrost auch schreiben: x{Arg. Proposition}. Auf diese Weise würde sich die Tiefensyntax auf universelle logische Termini reduzieren, wenn man sie überhaupt beibehält. Sie ist jedenfalls keine besondere Ebene, sondern allenfalls eine Grenze zwischen Syntax ( = Oberflächenstruktur) und Semantik, eine Grenze, die es möglicherweise nicht gibt, die man aufzuheben sucht. Auf diese Weise ergibt sich für Ross eine Konzeption vom A u f b a u der Grammatik, die erheblich von der abweicht, die Chomsky in „Aspects of the Theory of Syntax" entwickelt hatte und auf deren Boden auch Fodor, Katz und Postal ihre semantische Theorie ausgearbeitet hatten. Es gibt keine Tiefenstruktur mehr, aus der einerseits durch Transformationen die Oberflächenstruktur abgeleitet wurde und aus der andererseits auf Grund der semantischen Regeln die Bedeutungen entwickelt wurden, sondern es gibt nur zwei Ebenen : als Grundlage eine universale Begriffsstruktur (beruhend auf semantischen Wohlgeformtheitsregeln), von ihr abgeleitet die syntaktische Oberflächenstruktur. 226 Damit hat sich das Verhältnis von Syntax und Grammatik (im Verhältnis zu Chomsky) radikal umgekehrt: die semantische Komponente erscheint als fundamental und generativ, die syntaktische Komponente nur noch als interpretativ. Die semantische Struktur wird im Rahmen eines mehrstufigen Prädikatenkalküls beschrieben - wie die generative Grammatik in ihrer dritten Phase überhaupt in stärkerem Maße von logischen Untersuchungen natürlicher Sprachen (etwa im Sinne von Reichenbach 2 2 7 ) ausgeht - und wird danach auf die syntaktische Struktur abgebildet. Die Annahme, daß die Semantik generativ und die Syntax nur interpretativ sei, bedeutet jedoch für andere Linguisten nicht notwendig einen Verzicht auf die syntaktische Tiefenstruktur. 2 2 8 Es muß überhaupt im Auge behalten werden, daß dieser „ U m b a u " nicht von allen Vertretern der generativen Grammatik vorgenommen wird. Die meisten 226 227 228

21«

Vgl. dazu Bierwisch: Syntax und Semantik, a. a. O. Vgl. Reichenbach, H.: Elements of Symbolic Logic. New York 1947. Nach einer brieflichen Mitteilung von W. Mötsch über entsprechende Diskussionen in der Arbeitsstelle „Strukturelle Grammatik" an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin.

323

Linguisten haben einen „konservativen" Standpunkt eingenommen und im wesentlichen an den Grundlagen der Konzeption Chomskys festgehalten. 229 Die Skepsis gegenüber den Neuerungen von Ross, Fillmore u. a. stützt sich vor allem auf die Einsicht, daß durchaus nicht alle Eigenschaften der syntaktischen Basisstruktur semantisch motiviert sein müssen, daß die Überführung aus der semantischen in die syntaktische Struktur noch nicht geklärt ist (und folglich aus semantischen Erwägungen für die syntaktische Tiefenstruktur nur sehr wenig folgen kann). 2 3 0 Allerdings wird man sich wohl - wie es Heidolph von einem solchen Standort aus formuliert hat - mit deskriptiver Adäquatheit begnügen müssen, solange man - mit Chomsky - der Semant : k nur eine interpretative Rolle zuschreibt; explanative Adäquatheit ist erst erreichbar in einer Theorie, in der - im Gegensatz zu Chomsky - die Semantik eine generative Komponente ist und der Syntax eine interpretative Rolle zufällt. 2 3 1 Es dürfte jedoch möglich sein, die gleichen linguistischen Fakten auf beide Arten darzustellen und syntaktische Probleme auf Gründ der bisherigen Annahmen zu beschreiben, ohne die Frage endgültig geklärt zu haben, ob die Semantik interpretativ oder generativ ist. Vielleicht wird es sich gar eines Tages nachweisen lassen, daß eine Theorie mit generativer Semantik äquivalent ist einer Theorie mit interpretativer Semantik. 232

9.5.

Die generative Grammatik auf deutschem Sprachgebiet

9.5.1.

Die generative Grammatik in der DDR

Der Überblick über die drei Phasen der generativen Grammatik hat bereits hinreichend deutlich werden lassen, daß die generative Grammatik keineswegs allein auf die USA beschränkt geblieben ist, daß sie sich vielmehr auch in europäischen Ländern verbreitet und dort sehr stark an Çpden gewonnen hat. Eine ausführliche Darstellung der Arbeiten aus der DDR erübrigt sich an dieser Stelle, weil sie bereits im entsprechenden Zusammenhang der allgemeinen Entwicklung - vor allem in der dritten Phase - genannt worden sind. Das Zentrum für die generative Grammatik innerhalb der DDR ist die Arbeitsstelle „Strukturelle Grammatik" an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, ihre selbständigen Arbeiten - neben denPublika229 230 231 232

Vgl. Heidolph: Zur Subkategorisierung, a. a. O., S. iii. Vgl. ebenda, S.iii.iv, I3f. Vgl. ebenda, S . 4 l f . Nach einer brieflichen Mitteilung von VV. Mötsch, Berlin,

324

tionen in Zeitschriften des In- und Auslandes - sind erschienen in der Reihe „Studia Grammatica". 2 3 3 Ziel dieser Arbeiten ist es, eine deutsche Grammatik nach dem Vorbild des generativen Modells Chomskys zu schaffen. Diese Grammatik soll „streng formal" und „prädiktiv" sein 2 3 4 ; zum Gegenstandsbereich dieser Grammatik gehören nur - so nahm man ursprünglich unter einer noch vorwiegend taxonomischen Konzeption an - die direkten Beziehungen (d. h. die Beziehungen der Formen untereinander), die indirekten Beziehungen (d. h. die der Formen auf den Gegenstand) nur dann, wenn sie von den direkten Beziehungen abhängen. 2 3 5 Ein Teil dieser indirekten Beziehungen könne mit Hilfe von Transformationen exakt erfaßt werden, die eine Beschreibung semantischer Verhältnisse auf syntaktischer Grundlage ermöglichen. 2 3 6 Im Unterschied zu einer üblichen „Identifikationsgrammatik", die ein System von Regeln entwickelt und jedem Satz seine Struktur zuordnet, sei die angestrebte „Produktionsgrammatik" - deren Regelsystem aus einem Anfangsterminus „Satz" alle einzelnen Sätze ableitet 2 3 7 - das „angemessenere Modell für die Beschreibung natürlicher Sprachen". 2 3 8 Diese generative Grammatik will - wie die Chomskys - nichts als „eine exakte Spezifizierung des Begriffes .grammatisch richtiger Satz der Sprache L' sein." Sie beschreibt 233

Von dieser Reihe sind bisher erschienen: Studia Grammatica I. Berlin 1965 (mit grundlegenden „Thesen über die theoretischen Grundlagen einer wissenschaftlichen Grammatik" sowie Aufsätzen von Mötsch, Bierwisch und Härtung); Studia Grammatica II - Bierwisch, M.: Grammatik des deutschen Verbs. Berlin 1963; Studia Grammatica III - Mötsch, W.: Syntax des deutschen Adjektivs. Berlin 1964; Studia Grammatica IV - Härtung, W.: Die zusammengesetzten Sätze des Deutschen. Berlin 1964; Studia Grammatica V - Syntaktische Studien. Berlin 1965 (mit Aufsätzen von Isa£enko, Bierwisch, Mötsch und Isenberg); Studia Grammatica VI - Phonologische Studien. Berlin 1967 (mit Aufsätzen von Bierwisch, Zwicky, Ross und Mötsch); Studia Grammatica VII - Untersuchungen über Akzent und Intonation im Deutschen. Berlin 1966 (mit Aufsätzen von Isaienko, Schädlich, Kiparski und Bierwisch); Studia Grammatica VIII - Isenberg, H.; Das direkte Objekt im Spanischen. Berlin 1968. Studia Grammatica Χ - Steinitz, R.: Adverbial-Syntax. Berlin 1969. Vgl. Rezensionen zu dieser Reihe von G. Heibig in: Deutsch als Fremdsprache, 1965, 4; 1966, 2; 1966, 3; 1966, 4; 1967, 2; 1969, 2. 234 Thesen über die theoretischen Grundlagen einer wissenschaftlichen Grammatik. In: Studia Grammatica I. Berlin 1965, S. lOf. 23s Vgl. ebenda, S. 14f. 236 Vgl. ebenda, S. 29f. 237 Vgl. Bierwisch, M.: Über den theoretischen Status des Morphems. In: Studia Grammatica I. Berlin 1965, S. 53. Bierwisch (ebenda, S. 82) hat den Unterschied zwischen beiden Typen von Grammatiken in einem Satt gefaßt: „Erklärt ist ein Satz, wenn er durch eine Produktionsgrammatik abzuleiten oder durch eine Identiükationsgrammatik als Satz anzuerkennen ist." 23e Ebenda, S. 72.

325

nicht die gegebenen Sprech- oder Schreibereignisse eines Textes oder einer Rede, sondern die „intuitiven Auffassungen der Sprecher über die Form von grammatisch richtigen Sätzen", also Auffassungen, die jenen Sprech- und Schreibereignissen erst zugrunde liegen. 239 Dazu kann eine Sammlung noch so reichhaltigen „Materials" - da sie keine Regularitäten erklärt - wenig beitragen. 2 4 0 Die Adäquatheit einer solchen Grammatik kann also nicht an der Zahl der „Belege", sondern allein danach gemessen werden, „wieviele strukturelle Einsichten explizit und formal formuliert sind". 2 4 1 Auch ihre Termini sind beliebig und asemantisch, „beziehen sich ausschließlich auf formale Eigenschaften und könnten geradesogut durch numerierte Grundzeichen ersetzt'werden." 2 4 2 Das Verdienst dieser Arbeitsstelle besteht darin, die Konzeption Chomskys auf die deutsche Sprache angewandt zu haben. Entsprechend der neuen Orientierung Chomskys nimmt auch Bierwisch - mit der fundamentalen Syntax und der phonologischen und semantischen Interpretation - jetzt drei Komponenten der generativen Grammatik a n 2 4 3 und unterscheidet eine Oberflächenstruktur und eine Tiefenstruktur. 2 4 4 Die Transformationen sind damit keine eigene Ebene mehr - wie bei Harris und beim frühen Chomsky - , sondern ein Durchgangsstadium zwischen der Oberflächenstruktur und der Tiefenstruktur. 2 4 5 Transformationen haben deshalb keinen Einfluß auf die Bedeutung mehr; alle die Bedeutung bestimmenden Elemente müssen bereits in der Tiefenstruktur angelegt sein. Auf diese Weise zeichnet sich auch innerhalb der generativen Grammatik der D D R eine ähnliche Entwicklung ab, wie sie für die generative Grammatik generell gekennzeichnet worden ist. Wie die entsprechenden Veröffentlichungen zeigen, beschränkt sich das Arbeitsgebiet der Arbeitsstelle keineswegs nur auf die Syntax im engeren Sinne - wie die 1. Phase zunächst erwarten ließ - , sondern reicht in das Gebiet der Semantik, Stilistik, Phonologie und Sprachgeschichte hinein. Ebenso wurde die Beschränkung auf die generative Grammatik der deutschen Sprache aufgehoben und die Methode der generativen Grammatik auch auf andere Sprachen angewandt.

9.5.2.

Die generative Grammatik in Westdeutschland und Westberlin

Auch in Westdeutschland und Westberlin sind einige Ansätze zur Arbeit an der generativen Grammatik zu beobachten, so etwa in den Zeitschriften ..Sprache im technischen Zeitalter" und „Beiträge zur Linguistik und 239 240 241 242 243 244 245

Bierwisch, M.: Grammatik des deutschen Verbs. Berlin 1963, S. 5f. Ebenda, S. 9 ff. Ebenda, S. 13. Ebenda, S. 28. Vgl. Bierwisch, M.: Aufgaben und Form der Grammatik. In: Zeichen und System der Sprache. III. Bd. Berlin 1966, S. 30ff. Vgl. ebenda, S.Slff. Vgl. ebenda, S. 54.

326

Informationsverarbeitung" sowie an der Universität Stuttgart. Zu den führenden Vertretern der generativen Grammatik in Westdeutschland gehört ohne Zweifel K. Baumgärtner (Universität Stuttgart), der zugleich das zentrale Thema „Syntax und Semantik" im Zusammenhang mit einer Wertung der bisherigen Forschungsrichtungen aufgegriffen hat. 2 4 6 Baumgärtner kennzeichnet in deutlicher Weise auch die Isolierung der deutschen Linguistik, die sich so lange von der strukturellen und generativen Grammatik ferngehalten hat und sich statt dessen auf die inhaltbezogene Grammatik Baumgärtner nennt sie etwas irreführend „deutschen Strukturalismus" 247 orientiert hat: „Die Nachteile in Theorie und Praxis der (westdeutschen strukturalistischen Schule beruhen auf einer recht spekulativen, gesellschaftlich sicher nicht zufalligen Sprachphilosophie und bestehen vor allem in einem deutlichen Mangel an begrifflicher Präzision, an Ausnutzung der logistischen und grundlagen-mathematischen Entwicklungen dieses Jahrhunderts ... Eine bestimmte Isolierung der (west-)deutschen Schule in der internationalen Diskussion ist darum nicht zu übersehen. Mir scheint, der Anschluß an die internationale Forschung ist erst in der allerletzten Zeit wiedergewonnen worden (Baumgärtner verweist auf die Berliner Arbeitsstelle der DAW G. H.), und das noch kaum, wenn man unsere Beteiligung an der kontinuierlichen internationalen Diskussion abschätzt." 248 Baumgärtner selbst orientiert sich nicht an dem auf Bloomñeld zurückgehenden „positivistischen Umweg" des amerikanischen Strukturalismus, sondern an dem „zweiten Strukturalismus", der mit den Namen Chomsky, Lees, Katz, Postal, Weinreich u. a. verbunden ist, die Transformationsebene und die Bedeutungsseite der Sprache einbezieht sowie zwischen Kompetenz und Performanz, zwischen Oberflächen- und Tiefenstruktur unterscheidet. Dabei hält er das Modell Weinreichs - mit seiner weitreichenden Durchdringung von Syntax und Semantik - für das flexibelste Modell auf der Basis der Theorie Chomskys, ordnet aber zugleich die Abhängigkeitsgrammatik (in der Art von Tesnière) diesem zweiten amerikanischen Strukturalismus zu, dem sie äquivalent sei. 249 In der Tat zeigt sein eigenes Modell eine Synthese von generativer Grammatik (mehr in der Version von Weinreich als in der von Chomsky) und Dependenzgrammatik; die Kontexte des Verbs werden in nuce als Dependenzregeln des Systems verstanden, einer vom „Satz" dominierten Struktur wird in direkterWeise eine vom „Verbal" dominierte Struktur zugeordnet. 250 Aus der Schule Baumgärtners stammt nicht nur eine Darstellung des deutschen Tempussystems unter dem Aspekt der generativen Grammatik 251 , 246

Vgl. Baumgärtner, K.: Forschungsbericht „Syntax und Semantik". In: Deutschunterricht für Ausländer, 1967, 2-3. 247 Ebenda, S. 56. 24 · Ebenda, S. 57. 249 Vgl. ebenda, S. 57ff. 250 Vgl. ebenda, S. 62 ff. 2,1 Vgl. Baumgärtner, K., J. Kühnast, D. Wunderlich: Entwurf einer Semantik des deutschen Tempussystems. Berlin (West) 1967 (hekt.).

327

aus ihr stammen auch einige von der Universität Stuttgart herausgegebene Arbeitspapiere. 252 Die Aktivität der generativen Grammatik beschränkt sich jedoch nicht auf Stuttgart und Westberlin, sondern zieht auch in Westdeutschland breitere Kreise: Im Oktober 1966, 1967 und 1968 trafen sich Vertreter verschiedener Universitäten und hielten Kolloquien zur generativen Grammatik a b . 2 "

9.6.

Das applikativ-generative Modell Schaumjans

Der bekannteste Versuch eines eigenen Modells der generativen Grammatik in der Sowjetunion stammt von Schaumjan. Im Unterschied zum bisherigen Verständnis der strukturellen Linguistik (die im Anschluß an de Saussure auch noch bei Hjelmslev als statische synchronische Linguistik aufgefaßt wird) bestimmt Schaumjan die strukturelle Linguistik als Wissenschaft vom dynamischen Aspekt der Synchronie der Sprache. 254 Die taxonomischdeskriptive Linguistik, die sich mit dem statischen Aspekt der Synchronie beschäftigt, sei dagegen nur quasi-strukturell. Der Gegenstand der strukturellen Linguistik sind für Schaumjan die generativen Grammatiken, der der taxonomischen Linguistik die klassifizierenden Systeme. Damit verbunden ist die logische Forderung, zwischen zwei Stufen der Abstraktion zu unterscheiden: einer Stufe der Beobachtungen (als der protokollarischen oder empirischen Basis der Wissenschaft) und einer Stufe der Konstrukta, die der direkten Beobachtung nicht zugänglich, mit ihr aber durch Korrespondenzregeln verbunden sind. 255 Die Struktur der Sprache stellt einen hypothetischen Bau dar, der zur Stufe der Konstrukta gehört und nicht erfaßt werden kann mit einer bloßen Beschreibung unmittelbarer Beobachtungen; diese Fakten müssen vielmehr durch tiefere Abhängigkeiten erklärt werden, die hinter den direkten Beobachtungen verborgen sind. 212

253

254 253

Vgl. etwa Thammel, W.: Dominum currebar. - Die syntagmatischen und paradigmatischen Funktionen der glossematik in der generativen transformationsgrammatik (Papier Nr. 2, April 1968, hekt.); Baumgärtner, K.: Synchronie und Diachronie in der Sprachstruktur - Faktum oder Idealisierung? (Papier Nr. 3, Mai 1968, hekt.); Lerot, J. : Zur Grundlegung einer formalen Wissenschaft der linguistischen Bedeutungen (Noetik) (Papier Nr. 4, Mai 1968, hekt.); Baumgärtner, K.: Synästhesie und das Problem sprachlicher Universalien (Papier Nr. 5, August 1968, hekt.). Wunderlich, D. : Pragmatik, Sprechsituation und Deixis (Papier Nr. 9, November 1968, hekt.). Vgl. etwa Zweites linguistisches Kolloquium „Über generative Grammatik". Haus Rothenberge bei Ochtrup/Niedersachsen 10.-13.10.1967, hrsg. von der Universität Stuttgart (hekt.), Vorwort von P. Hartmann (Münster); Drittes Linguistisches Kolloquium. Stettenfels 1.-4.10.1968. Vgl. I I I a y M J i H , C. K.: O r p y i c r y p H a H jiHHrBncTHKa. Mocicea 1965, S. 7, 15IT., 369. Vgl. ebenda, S. I3f.; vgl. dazu auch UlayMtiH, C. Κ.: O jiorniecicoM 6aiHce ΛΗΗΓBHCTHiecKoft T e o p H H . In: Π ρ ο & π β Μ Μ crpyiaypHoií ΛΜΗΓΒΗΟΤΗΚΗ. Mocicea 1963, S. 3.

328

Diese Konzeption Schaumjans richtet sich natürlich in erster Linie gegen die Beschränkung auf die Oberflächenstruktur bei den amerikanischen Deskriptivisten. Es wird aber auch ein Unterschied zum generativen Modell Chomskys erkennbar: Während Chomsky seine generative Grammatik als eine Art Selbstüberwindung der strukturellen Linguistik ansieht (die er mit der deskriptiv-statischen Linguistik identifiziert), ist für Schaumjan - entsprechend seiner Definition der strukturellen Linguistik - die generative Grammatik und mit ihr das Transformationsmodell der eigentliche Gegenstand der strukturellen Linguistik. 256 Sie ist eine Revolution in der Sprachwissenschaft, weil sie die Linguistik aus einer empirisch-beschreibenden zu einer präzisen und erklärenden Wissenschaft macht. 257 Diese strukturelle Linguistik - die in Wahrheit generative Grammatik ist gehört für Schaumjan zu den theoretisch-abstrakten empirischen Wissenschaften (sie verfahrt weder rein mathematisch-deduktiv noch rein empirischinduktiv), deren logisches Fundament die hypothetisch-deduktive Methode bildet. 258 Aufgabe dieser Methode ist es, ein deduktives System von Hypothesen aufzubauen. Zu ihren Grundlagen gehören die Begriffe der Theorie und des Modells. 259 Der Begriff der Theorie ist in den empirischen Wissenschaften logisch identisch mit dem des hypothetisch-deduktiven Systems. Im Unterschied zum mathematischen Modell - das eine Interpretation der Theorie darstellt, das in der Theorie sein Original hat - ist in den empirischen Wissenschaften die empirische Wirklichkeit das Original für das Modell. 260 Das Modell ist folglich abstrakter als sein Original und entsteht durch die Methode der Idealisierung; ein Modell ist eine Idealisierung der realen Wirklichkeit und muß in der Lage sein, nichtbeobachtete Fakten vorherzusagen, denn andernfalls erhebt es sich nicht über das Niveau der einfachen Summierung des empirisch Gegebenen. 261 Ein Modell darf also nicht nur die Objekte erfassen, die in der unmittelbaren Beobachtung gegeben sind; es ist vielmehr ein Konstrukt, das als Analogon auch der Objekte dient, die hinter den Beobachtungen verborgen sind. 262 Die Methode einer solchen Modellierung ist in den empiri256

Vgl. DlayMMi, CrpyirrypHa« JiHHTBHCTHtca, a. a. O., S. 23. Vgl. ebenda, S. 43f. 2S · Vgl. ebenda, S. 46f., 370. 2,9 Mit der hypothetisch-deduktiven Methode und dem Modellbegriif wird nicht nur in den Naturwissenschaften, sondern auch in einigen Gesellschaftswissenschaften gearbeitet; für die Pädagogik vgl. etwa Itelson, L.: Mathematische und kybernetische Methoden in der Pädagogik. Berlin 1967. 260 Vgl. IIIayMflH, CrpyicTypHa» jiHHrBHCTHica, a. a. O., S. 64f., 69f., 73ff. 257

261

Vgl. ebenda, S. 119. 262 vgl. ebenda, S. 75, 370. In ähnlichem Sinne ist auch für Rewsin das Modell ein hypothetisches Konstrukt, ein System abstrakter Behauptungen, das an der konkreten Sprache verifiziert werden muß und nicht mit seiner linguistischen Interpretation verwechselt werden darf. Vgl. dazu PeeíHH, U . M . : Mo/ie/m «nbiica. MocK-ea 1962, S. 8ff.

329

sehen Wissenschaften unumgänglich; die Begriffe Theorie und Modell haben in ihnen eine äquivalente erkenntnistheoretische Funktion: Ein Modell ist eine Theorie, die als Analogon nichtbeobachteter Objekte dient, ist ein symbolischer Apparat der generativen Grammatik in Form eines semiotischen Analogons für den objektiven grammatischen Mechanismus natürlicher Sprachen. Im Unterschied zur bisherigen Entwicklung der generativen Grammatik vor allem zu Chomsky - möchte Schaumjan zwei Erscheinungen streng trennen: die Erzeugung nichtlinearer Kombinationen von Symbolen und die Verwandlung dieser Kombinationen in lineare Erscheinungen. Daraus ergibt sich Schaumjans zweistufiges Modell, das innerhalb der generativen Grammatik eine genotypische Stufe (die mit idealen linguistischen Objekten arbeitet) und eine phänotypische Stufe (die aus einer Verwandlung der genotypischen Objekte in Objekte einer realen natürlichen Sprache entsteht) scheidet. 263 Chomskys generative Grammatik hat nicht nur diese beiden Stufen - wie Schaumjan meint - vermengt (auf der einen Seite dient sein Transformationsmodell zur Erforschung tieferer sprachlicher Beziehungen, auf der anderen Seite basiert es auf den durch unmittelbare Beobachtung gewonnenen Ketten des PS-Modells), sondern es beschränkt sich auch auf die Erzeugung von Sätzen (schließt also die Erzeugung von Wörtern aus, obwohl die Erzeugung von Sätzen und die Erzeugung von Wörtern zwei Teile eines einheitlichen generativen Prozesses sind). 264 Aus der Überwindung dieser beiden Mängel erwächst das applikative Modell ( „ a n n j i H KaTHBHaa nopoxflaiomaji M o a e j i b " ) Schaumjans, das es nicht - wie das auf der IC-Analyse basierende Modell Chomskys - mit (linearen) Ketten, sondern mit (nichtlinearen) Komplexen zu tun hat: die Struktur der Komplexe und die Struktur der Ketten verhalten sich wie Genotyp und Phänotyp. 265 Sein zweistufiges applikatives Modell erzeugt auf der ersten Stufe Wortgenotypen und Satzgenotypen, auf der zweiten Stufe verwandelt es diese in Wortphänotypen und Satzphänotypen. 266 Dabei dient die genotypische Stufe als Vergleichsmaß für strukturell-typologische Forschungen. Bisher sind zwei Modelle der generativen Grammatik für die Beschreibung natürlicher Sprachen benutzt worden: das IC-Modell und das Transformationsmodell; dabei setzt das letztere das erstere nicht außer Kraft, sondern schließt es als eine Ebene des Generationsprozesses in sich ein. Obwohl das Transformationsmodell (etwa Chomskys) eine größere erklärende Kraft als das IC-Modell hat. bleibt es dem IC-Modell verhaftet, weil es die Fakten 2 6 3

V g l . I I I a y M H H : C r p y i r r y p H a j i jiHHrBHCTHKa., a . a . O . , C. K. : Mouejib.

. 2 6 4

TpaHC(J>opMauHOHHaH In:

rpaMMarwca

TpaHCopMauHOHHbifl

H

S. 94ff., 100, 3 7 0 f . ;

anroiHKaniBHa*

MCTOA Β C T p y i r r y p H O f t JIHHRBRCTHKC.

1964, S. 12f. V g l . e b e n d a , S . 1 5 ; I I I a y M H H : C r p y i n - y p H a » ΛΗΗΓΒΗΟΤΗΜ, a . a . O . , S . 9 8 ff.

2 6 3 v g l . e b e n d a , S . 1 3 ; I I I a y M H H : C r p y i r r y p H a H JiHHrBHCTHKa, a . a . O . , S . 1 8 4 . 2 6 6

V g l . I I I a y M H H : C r p y i c r y p H a j i JiHHrBHCTHKa, a . a . O . , S . 9 9 f .

330

IIIayMHH,

nopoxcnaioniasi Mocraa

der geiiotypischen und der phänotypischen Stufe vermengt: 267 Schaumjans applikativ-generatives Modell dagegen unterscheidet Regeln zur Bildung von Komplexen und Regeln zur Transformation von Komplexen. Gebildet werden die Komplexe (bis zur höchsten Stufe) durch Operationen der Applikation. Deshalb kommt das applikative Modell im Prinzip auch ohne Transformationsregeln aus. Dennoch spielen die Transformationen in ihm eine wesentliche Rolle, haben allerdings eine andere Funktion als bei Chomsky: Sie dienen nicht zur Ableitung einer unendlichen Menge von Sätzen aus einer endlichen Menge von Kernsätzen und leiten auch keine Oberflächenstruktur aus einer Tiefenstruktur ab, sondern sind ein Mittel, invariante Beziehungen zwischen dea Komplexen zu fixieren. Die Transformationen ergeben sich im applikativen Modell automatisch auf der Grundlage einer bestimmten Berechnung, während sie in den bisherigen Modellen willkürlich in Form eines Verzeichnisses erscheinen. 268 Auf diese Weise verzichtet Schaumjan auf die bei Chomsky übliche Trennung in Formationsund Transformationsregeln und entwickelt ein homogenes Modell, das auf der genotypischen Stufe frei ist von räumlichen Beziehungen - im Unterschied zum IC-Modell, das eben deshalb der Transformationen bedarf und allein die immanenten Beziehungen zwischen sprachlichen Elementen in der langue im Auge hat. 269 Dabei sind die Applikationsprozeduren in der Sprache selbst nichtlinear; sie werden jedoch beschrieben mit Hilfe einer linearen Metasprache. 270 Das applikative Modell Schaumjans besteht aus vier miteinander verbundenen Teilmodellen, die er Generatoren nennt: Er unterscheidet jetzt einen abstrakten Generator, einen Generator der Wörter, einen Generator der Phrasen (Komplexe) und einen Generator der Transformationsfelder von Phrasen. 271 Von ihnen ist der erste Generator erst später von Schaumjan entwickelt worden. 272 Auch der Wort- und der Phrasengenerator erzeugen nur abstrakte Analoga zu Wörtern und Phrasen in natürlichen Sprachen; Vgl. ebenda, S. 151, 166, 183f. ses vgl. ebenda, S. 184; vgl. dazu auch IüayMHH: TpaHCpMamiOHHajr rpaMMa-nnca h amirtHKaTHBHa* nopoxmaioma* Modera, a. a. O., S. 12f.; IHayMsm, C. K. : Ποροamaroma« Jimn-BHCTHHecKaH Mouejn. Ha 6a3c npHHiwna aeyxcTyneHiaTOCTH. In: BonpocH jnbnco3HaHHÄ, 1963, 2, S. 65ff., 69ff.; QlayMAH, C. Κ./ Π. A. Co6ojicea: ArmnHKaTHBHan nopoamaroma* MOAEJIB Η HCHHCJICHHC TpaHcopMaunft Β pyccKOM JDbiKe. Mocicea 1963, S. 5ff., 11 Iff., 124; Saumjan, S. K . : Concerning the Logical Basis of Linguistic Theory. In: Proceedings of the Ninth International Congress of Linguists. The Hague 1964, S. 155f. 2 6 9 Vgl. UlayMÄH, C. Κ.: O JioraiecicoM 6a3Hce jiKHTBHCTHHecKOä τβορΗΗ, a . a . O . , S. 3 ff., 7. 270 vgl, mayMHH, CrpyKTypHa« jiHHrBHCTHKa, a. a. O., S. 189f. 267

271

Vgl. ebenda, S. 190.

272

Vgl. MayMHH : TpaHCffropMauHOHHan rpaMMaTHKa H anruiKKaTHBHan nopoxtaaiouiafl Moaejib, a. a. O., S. 17, 37ff.

331

um zu diesen Einheiten der realen Sprache überzugehen, bedarf es entsprechender Modifikationen durch Korrespondenzregeln. Der abstrakte Generator arbeitet auf zwei Abstraktionsstufen, auf denen er Episemione und Semione erzeugt: das sind abstrakte Analoga zu grammatischen Kategorien. Jedes Semion repräsentiert ein Episemion, und jedes Episemion wird durch ein Semion repräsentiert.273 Ein Semion ist entweder ein Operator (d. h. eine Einheit, die mit einer anderen Einheit verbunden wird - auf sie appliziert wird - und dadurch eine neue Einheit erzeugt) oder ein Operand (d. h. eine Einheit, mit der ein Operator verbunden wird, auf die ein Operator appliziert wird). 274 Ein Relator ist ein konstanter Operator, d. h. ein Operator, der in Verbindung mit einem beliebigen Semion als Operand ein Bündel von Semionen ergibt, die das gleiche Episemion repräsentieren. Die Einheiten dieses abstrakten Generators können linguistisch verschieden interpretiert werden. In einer ersten Etappe erzeugt der abstrakte Generator Episemione, in einer zweiten Bündel von Semionen.275 Der Wortgenerator geht aus von der „Wurzel" O, d. h. einem leeren Semion, einem amorphen Wort; der Begriff „Wurzel" ist dabei nicht diachronisch zu verstehen. Auf dieses amorphe Wort werden fünf verschiedene Relatoren appliziert, die linguistisch wie folgt verstanden werden können: 276 R , : Affix R 2 : Affix R 3 : Affix R4.: Affix R 5 : Affix

des des des des des

Verbs Substantivs Adjektivs Adverbs beim Verb Adverbs beim Adjektiv

Durch die wiederholte Applikation der Relatoren auf das leere Semion entstehen im applikativen Modell alle Wörter. Als elementare Wörter erscheinen R , 0 (Verb), R 2 0 (Substantiv), R 3 0 (Adjektiv beim Substantiv), R 4 O (Adverb beim Verb), R s O (Adverb beim Adjektiv). Wiederholt man diese Operationen, entstehen Wörter nicht nur auf der ersten Stufe der A b leitung ( R 2 0 , R 3 O usw.), sondern auch Wörter auf der zweiten Stufe der Ableitung (mit zwei Relatoren wie etwa R 3 R 2 0 , d. h. ein von einem Substantiv gebildetes Adjektiv) usw. Dabei bildet jeweils das Wort der zweiten Ableitungsstufe den „Stamm" für ein Wort der dritten Ableitungsstufe usw. Auf diese Weise arbeitet der Wortgenerator in Takten: Im ersten Takt werden die Wörter der ersten Ableitungsstufe erzeugt, im zweiten Takt die der zweiten usw. Während im ersten Takt nur 5 Wörter der ersten Stufe erzeugt werden können, sind es - durch die Kombinationen - im zweiten Takt schon 25, im dritten Takt 125: die Menge der Formen (bestehend aus Operator und Operand) steigt in geometrischer Progression. Die Gesamtheit 213 274

-75 270

332

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

llJayMiiM, CTpyKTypnaa JinHrewcTHKa, a. a. O . , S. 193. ebenda, S. 201. ebenda, S. 373. ebenda, S. 211 f., 215f.

der Wörter, die in einem gegebenen Takt erzeugt werden, nennt Schaumjan ein „Feld". 2 7 7 Es versteht sich von selbst, daß sich bei der linguistischen Interpretation der gewonnenen Einheiten eine gewisse Verschiebung gegenüber den traditionellen Termini ergibt: So kann etwa R 3 R 2 0 (ein von einem Substantiv gebildetes Adjektiv) im Russischen verstanden werden als „OTUOBCKHH" oder als „aoMa"; als „Adjektiv" erscheint in Schaumjans Modell jedes beliebige Wort, das ein Substantiv näher bestimmt. Entsprechend verschieben sich auch die anderen Wortarten : Ein Verb ist nur die finite Form bzw. der Ausdruck eines zusammengesetzten Prädikats (etwa : war fröhlich), ein Substantiv nur ein Substantiv im Nominativ oder ein Infinitiv, ein Adjektiv jede Bestimmung des Substantivs (also auch ein Substantiv in einem casus obliquus), ein adverbiales Adverb jeder Ausdruck, der das Verb näher bestimmt (also auch ein Substantiv in einem casus obliquus) und ein Adverb beim Adjektiv jede nähere Bestimmung des Adjektivs. 278 So können die auf erster Ableitungsstufe gewonnenen Wörter am Material der russischen Sprache wie folgt interpretiert werden : R j O : yiHT, β η λ η τ

R í o : λομ, xapTa

R3O: ÖeiLMfi, XpaCHBblft R4O: saecb, Biepa R3O: oieHb, BecbMa Als Wörter auf zweiter und dritter Ableitungsstufe ergeben sich : R2RiO: y Hernie, yHHTb, yurrejn» R i R j R i O : ecTb yiemie, ecTb yiHTejib, ywrenbCTByeT R3R20: AOMamHHtt, flOMa R4R2O: KapTy, KapTe, xapTofi, ο κβρτβ, ηοημο

R2R3O: R4R3O:

R3R4O:

BecejiocTb, xpacoTa Becejio,

KpacHBO

3AeuiHHü, BiepamHHti

Die Menge der auf diese Weise erzeugbaren Wörter ist theoretisch unendlich ; mit Hilfe graphischer Darstellungen gelingt es, die Ableitungsgeschichte von Wörtern einer Wortfamilie stammbaumartig in den Griff zu bekommen. Der Phrasengenerator arbeitet ähnlich wie der Wortgenerator. Eine Phrase als abstraktes Analogon zur Wortverbindung - ist jede beliebige Kombination von Wörtern. Durch die Applikation werden die durch den Wortgenerator erzeugten Wortklassen miteinander verbunden. Als elementare Phrasen erscheinen die durch den Wortgenerator erzeugten Wörter R t X, R 2 X, R 3 X, R 4 X und R S X, als Operatoren die Relatoren R , , R 2 , R 3 , R 4 und R 5 sowie der Adnektor A (der etwa einen Fragesatz oder einen verneinten Satz erzeugt) und der Konnektor C (der gleichartige Glieder oder 277 278

Vgl. IHayMJiH, TpaHC0pMauH0HHaH rpaMMamica h annjimcaTHBHa« nopoxcaaiomaH Moaejib, a. a. O., S. 31. Vgl. IIIayMflH, CrpyictypHaH jiHHrBHCTHKa, a. a. O., S. 216ff. 333

Sätze verbindet). Wenn jede elementare Phrase nur einmal verwendet wird, entstehen 15 mögliche Phrasen bzw. Basiskomplexe 279 (die wir jeweils mit einem deutschen Beispiel illustrieren): 1) R 2 X 2) R , X 3) R 3 X 4) R 4 X 5) R j X

(Häuser) (stehen) (schöne) (dort) (sehr) 6) R 5 X R 3 X (sehr schöne) 7) R3XR2X (schöne Häuser) 8) R 2 X R , X (Häuser stehen) 9) R t X R 4 X (stehen dort) 10) ( ( R 5 X R 3 X ) R 2 X) (sehr schöne Häuser) 11) ((R3XR2X) R I X ) (schöne Häuser stehen) 12) (R 2 X) (R,XR 4 X) (Häuser stehen dort) 13) (((R 5 XR 3 X) R 2 X) R t X) (sehr schöne Häuser stehen) 14) ( ( R J X R 2 X ) ( R T X R 4 X ) ) (schöne Häuser stehen dort) 15) ( ( ( R 5 X R 3 X ) R 2 X) (R,XR 4 X)) (sehr schöne Häuser stehen dort) Der Konnektor verbindet Operatoren zu dem gleichen Operanden : ( R 3 X ( ( R 5 X C ) R J X ) ) (älter als ich und die Schwester) Schwierigkeiten tauchen dann auf, wenn ein Objekt mit Adjektiv oder ein Nebensatz erscheint: 280 1) R 2 0 R ! 0 R 4 ( R 3 0 R 2 0 ) (der Junge ißt eine schmackhafte Speise) 2) R 2 OR 1 OR 4 (R 2 OR l O) (der Bruder sagt, daß der Vater kommt) In diesem Falle wird der eingeklammerte Block als Quasi-Stamm angesehen, auf den R 4 als Relator appliziert wird. Auf diese Weise können aus den primären Objekten mit Hilfe von Applikationsoperationen Phrasen von beliebigem Komplexitätsgrad erzeugt werden. Das vierte Teilmodell Schaumjans ist der Transformationsgenerator. Im Unterschied zum IC-Modell und zum Transformationsmodell bisheriger Prägung ist das applikative generative Modell genereller, da ihm die Applikationsoperationen zugrunde liegen, mit deren Hilfe die Erzeugung syntaktischer Strukturen von beliebiger Komplexität möglich ist. Während im bisherigen Transformationsmodell (etwa Chomskys) die Transformationen als Mittel zur Erzeugung komplizierter syntaktischer Strukturen aus einfachen dienen (zumindest in der früheren Version seiner generativen Grammatik), benötigt das applikative Modell die Transformationen als Mittel zur Erzeugung syntaktischer Strukturen überhaupt nicht. Die Transformationen dienen vielmehr dazu, die Beziehungen der Invarianz zwischen Phrasen (etwa zwischen Aktiv und Passiv) zu beschreiben, damit den Be279 280

Vgl. ebenda, S. 225 ff. Vgl. ebenda, S. 232f.

334

griff der grammatischen Synonymie zu formalisieren und überhaupt die erklärende Kraft des linguistischen Modells zu erhöhen. 281 Zunächst werden von Schaumjan die konstitutive Verbindung und die Blockverbindung geschieden. In der Phrase „kleine Jungen schlafen" (R3OR.2OR.iO) sind zwei Blockpaare zu trennen: 1) ( R 3 0 R 2 0 ) (R x O) 2) (R3O) (R 2 0). R3O und R^O sind unmittelbar miteinander verbunden, nicht aber R 2 0 und R t O : diese Blockverbindung entspricht etwa der Analyse nach unmittelbaren Konstituenten. Von ihr muß eine andere Verbindung getrennt werden, die sich nur aus den Kernen der Blockpaare ergibt. Die Phrase R 5 0 R 3 0 R 2 0 R 1 0 R 4 R 2 0 (Sehr kleine Kinder essen Schokolade) ergibt folgende Gliederung a) nach Blockpaaren : 1) ( R 5 0 R 3 0 R 2 0 ) ( R , 0 R 4 R 2 0 ) 2) ( R 5 0 R 3 0 ) (R 2 0) 3)(Rs0)(R30) 4)(Rt0)(R4R20) b) nach den Kernen der Blockpaare: 1) (R 2 0) (R.O) 2) (R 3 0) (R.O) 3)(Rs0)(R30) 4)(R,0)(R4R20). Diese Verbindung zwischen den Kernen der Blockpaare nennt Schaumjan konstitutive Verbindung; sie darf nicht verwechselt werden mit den Beziehungen der Unterordnung der Glieder im Satz, wie sie auf den Unterschieden zwischen dominierenden und abhängigen Gliedern beruhen und vor allem von den Abhängigkeitsgrammatiken erforscht worden sind. Die konstitutive Beziehung beruht auf den Beziehungen zwischen Operatoren und Operanden, die genannte Dominationsbeziehung auf den Unterschieden zwischen dominierenden und abhängigen Gliedern. Der Unterschied wird deutlich in der Beziehung zwischen Verb und Subjekt : Obwohl einerseits im konstitutiven Sinne - das Verb Operator des Subjekts ist, erscheint in den Abhängigkeitsbeziehungen das Verb als Hauptelement des Satzes, dem das Subjekt untergeordnet ist. 282 Diese Abhängigkeitsbeziehungen lassen sich für die Hauptglieder des Satzes wie folgt darstellen: 283 ( p , < Α] < Ν) < (V > D J ) 281 282 283

Vgl. ebenda, S. 234. Vgl. ebenda, S. 234f. Vgl. dazu Coöojieea, Π. Α.: ΟΠΜΤ mHHCJieHHsi TpaHCopMaunfl Ha ocHoee τεορπΗ C. K. IHayMflHa o nopoxmemiH miaccoe ΟΠΟΒ Β npouecce nopoxAeHH» rpaMMaTHKH. In: ΠροβπβΜΗ crpyrrypHofl ΠΗΗΓΒΗΟΤΗΚΗ. Mocroa 1963, S. 233. 335

Das besagt folgendes: Das Verb V ist das absolut dominierende Glied des Satzes; das Substantiv Ν ist dem Verb untergeordnet, aber noch immer ein dominierendes Glied 1. Ranges. Dagegen ist das Adjektiv A, das dem Substantiv untergeordnet ist, nur ein dominierendes Glied 2. Ranges. Ein Adverb kann als D, dem Adjektiv untergeordnet sein oder als D 2 zusammen mit dem Verb als dominierend für den ganzen Satz gelten. Der deutsche Satz „Sehr begabte Schüler arbeiten fleißig" illustriert diesen Sachverhalt. Von dieser Art Domination (D D)

- die Schaumjan früher auch konstitutive Domination genannt hat, weil sie den Äquivalenzbeziehungen zwischen den Komplexen entspricht - ist zu unterscheiden eine andere Domination ( D + - A < - N - > V - » D), die Schaumjan applikative Domination genannt hat, weil sie der realen Synthese des Satzes und zugleich den Operator-Operand-Beziehungen entspricht. Durch die Annahme einer solchen wechselseitigen Domination möchte Schaumjan zur Lösung des umstrittenen Problems von Subjekt und Prädikat beitragen ; er ordnet damit nicht einseitig ein Glied dem anderen unter und bleibt auch nicht bei der formalen Annahme wechselseitiger Beziehungen stehen, die die beiden Glieder nicht genügend in ihren Beziehungen zueinander differenziert. 284 Die konstitutive Verbindung liegt als invariante Beziehung gleichsam verschiedenen möglichen Blockbildungen zugrunde. Der Satz „«Hiera« (R 3 ) npocTopHaa ( R 3 R 2 0 ) KOMHaTa ( R 2 0 ) " kann vierfach geschrieben werden je nach der Beziehung der Adjektive zueinander: 1) ( R 3 0 ( R 3 R 2 0 R 2 0 ) ) 2) ( R 3 R 2 0 ( R 3 0 R 2 0 ) ) 3) (((R 3 OC) R 3 R 2 0 ) R 2 0 ) 4) (((R 3 R 2 0C) R 3 0 ) R 2 0 ) Die Phrasç erscheint in drei verschiedenen Strukturen - denen jeweils eine verschiedene semantische Interpretation entspricht - ; die dritte Struktur erhält in 3) und 4) nur eine verschiedene Schreibung. Allen drei Strukturen liegt aber eine einzige konstitutive Verbindung zugrunde ( R 3 0 und R 3 R 2 0 werden mit dem Kern R 2 0 verbunden), die gegenüber den drei Aspekten der Blockverbindungen als invariant angesehen werden kann. 2 8 5 Als Anfangsglied der Transformationen erscheint bei Schaumjan der TOperand (O-Transform), als letztes Glied das gewünschte Transform, das wir in einem Arbeitstakt des Transformgenerators erhalten. Aus der Phrase 284 285

Vgl. mayMUH/CofSoneBa: ArmjimcaTHBHaH nopojKflaiomaH MOflejit, a. a. O., S. 11 ff., 15 ff. Vgl. UlayMJtH, CrpyKTypHaji jiHHrBHCTHKa, a. a. O., S. 235f.

336

„weißer Schnee" (als Operand des Transformationsfeldes) gewinnen wir etwa folgende Transformationskette:286 To weißer Schnee R 3 OR 2 0 T t Schnee ist weiß R^RjOR^O T 2 (die) Weiße des Schnees R2RiR30R3R2R20 Aus dem Operanden „Paul lehrt" erhalten wir folgende Transformationskette: T 0 Paul lehrt R 2 OR t O T t (das) Lehren Pauls R3R2OR2R1O T 2 Paul ist Lehrer R 2 R° 3 R 2 OR 1 R 2 R l O Der oben geschriebene O-Tndex bedeutet, daß der Relator R 3 leer ist, d. h. der Anfangskette nichts hinzufügt. Schaumjan unterscheidet Transforme der 1., 2. Ableitungsstufe usw. Das Transform der 0. Stufe der Ableitung ist der T-Operand. Die Transforme der 2. Ableitungsstufe dienen als Operanden für die Transforme der 3. Ableitungsstufe usw. Der Generator der Transformationsfelder arbeitet in Takten: Im ersten Takt werden die Transforme der 1. Ableitungsstufe erzeugt, im zweiten Takt die der 2. usw. 287 Im ersten Takt können etwa aus der Phrase R 3 0 R 2 0 folgende Transforme erhalten werden:288 1) R 3 0 R 2 0 R5R3OR3R2O (rjiyöoKoe HecnacTte -+ rjiyöoKo HecnacTHtift) 2) R 3 0 R 2 0 R 3 R 3 0R5R 2 0 ( b b i c o k h ö pocT -> b m c o k h h p o c r o M ) 3) R 3 0 R 2 0 R 3 R 3 0 R 2 R 2 0 (Identitätstransformation) 4) R 3 0 R 2 0 R 2 R 3 0 R 3 R 2 0 (BMCOKan ropa -> BMcoTa ropw) 5) R 3 0 R 2 0 -+ R 2 R 3 0 R i R 2 0 (BbicoKas ropa -* BwcoTa 6wjia ropoio) 6) R 3 0 R 2 0 -* R 1 R 3 0 R 2 R 2 0 ( b h c o k e h ropa -* ropa ötuia BucoKaa) 7) P. 3 0R 2 0 -·• R!R 3 0R 4 R 2 0 ( b m c o k h h pocr [6hji] b m c o k p o c t o m ) 8) R 3 0 R 2 0 R 4 R 3 0 R 1 R 2 0 (xoponraö oöefl xoporno nooöeAaji). Entsprechend entstehen komplexere Transforme bei dreigliedrigen Operanden. Dabei wird - wie bei jedem Modell - die reale Sprache idealisiert; nicht alle durch den Generator erzeugten Transforme können in einer bestimmten konkreten Sprache interpretiert werden.289 Überhaupt kommt es darauf an, den Transformationsgenerator empirisch, d. h. mit den Begriffen der konkreten Sprache zu interpretieren. Dabei ergibt sich eine starke Spezifizierung der entsprechenden abstrakten Kategorien: So kann das Symbol R 4 R 2 0 in der russischen Sprache aufgespalten werden in ein Substantiv im Genitiv, Dativ usw., in ein Substantiv mit verschiedenen Präpositionen oder in ein von einem Substantiv abgeleitetes Adverb.290 Es 286 287 288 289 290

22

Vgl. ebenda, Vgl. ebenda, Vgl. ebenda, Vgl. ebenda, Vgl. ebenda,

S. 240. S. 243. S. 252f. S. 363. S. 290 ff.

Heibig, Sprachwissenschaft

337

gibt sehr verschiedene Beziehungen zwischen den abstrakten R-Symbolen und den grammatischen Objekten der konkreten Sprache. Jede ideale Transformation des Modells spaltet sich in eine Reihe von realen Transformationen in der konkreten Sprache auf ; dabei ergeben sich aus den realen Transformationen automatisch bestimmte semantische Kategorien der Substantive, Verben, Adjektive und Adverbien, die grammatischen Kategorien werden semantisch zu Subklassen aufgespalten.291 Die Berechnung der Transformationen ist untrennbar mit dem applikativen Modell verbunden. Wörter, Phrasen und Transformationsfelder sind nichts als verschiedene Kombinationen derselben grundlegenden Objekte, der Rektoren. Deshalb ist das applikative Modell eine Algebra der Rektoren. 292 Während die Transformationen bei Harris definiert waren als Beziehung zwischen zwei Strukturen mit identischen lexikalischen Morphemen und identischen syntaktischen Umgebungen, kommt es Schaumjan auf eine Berechnung der Transformationen an. Aus diesem Grunde führt er den Begriff der Transformationsreihe ein, versteht die Transformation selbst als elementares Glied einer solchen Transformationsreihe und spricht von einem Transformationsfeld als Menge der Transforme, die durch die Transformationsreihen generiert werden.293 Erst auf dieser Basis ist das erste Problem der Berechnung der Transformationen und das zweite Problem der Interpretation dieser Berechnung auf der Grundlage konkreter Sprachen lösbar. Auf diese Weise stellt die Applikation ein logisches Analogon zur linguistischen Methode der unmittelbaren Konstituenten dar, vermeidet aber die Nachteile der IC-Analyse, vor allem ihre Beschränkung auf lineare Beziehungen. 294 Schaumjan vergleicht die Stellung der Transformationen in seinem Modell und die in der bisherigen Transformationsgrammatik mit der Situation in der Phonologie: Wie sich mit Trubetzkoy und Jakobson die Phonologie aus einer Theorie der Phoneme in eine Theorie der phonologischen Oppositionen verwandelt hat, so verwandelt sich die Transformationsgrammatik in seinem Modell aus einer Theorie der Transformationen (die als primäre Operationen isoliert voneinander zusammengestellt und zu 291

292

293 294

Vgl. ebenda, S. 300ff. Auf bestimmte Mängel an Schaumjans Modell ist hingewiesen worden in Chomsky, N.: Aspects of the Theory of Syntax. Cambridge/Mass. 1965, S. 124fF.; Jüttner, F.: Zum Transformationskalkül bei S. Κ. Saumjan. In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung, 1966,6, S. 497 ff. Dort werden vor allem kritisch vermerkt die unscharfen Bedingungen des Transformationsbegriffes (der auch die Verletzung der semantischen Invarianz zuläßt) und die fehlenden Korrespondenzregeln zwischen den Einheiten des Kalküls und den natürlichen Sprachen (aus denen sich erat bestimmte Regularitäten für die konkreten Oberflächenstrukturen natürlicher Sprachen ergeben können). V g l . n i a y M X H , O p y j a r y p H a * ΠΗΗΓΒΗΟΤΗΙΟ, a . a . O . , S. 2 6 2 .

Vgl. ebenda, S. 364f. Vgl. IIIayMJiH: TpaHC(J>opMauHOHHaa M o a e j i b , a . a . O . , S. 5 3 f .

338

rpaMMaTHica H annjiHKarHBHaii n o p o p K A a i o u i a s

keinem System zusammengefügt wurden, das eine Berechnung hätte ermöglichen können) in eine Theorie der Transformationsreihen, die jetzt als primärer Begriff erscheinen, aus dem die Transformationen erst verstanden werden.295 Das applikative Modell - meint Schaumjan - überwindet die atomistische Betrachtung der Transformationen und führt nicht mehr zu einem Verzeichnis isolierter Transformationen, sondern zur Berechnung von Transformationen innerhalb von Transformationsreihen. Damit erweisen sich die Transformationen auch als effektives Mittel für die Erforschung semantischer Beziehungen.296 295

296

22»

Vgl. IIIayMXH: CrpyKTypHaa juiHrBHCTHxa, a.a.O., S. 373; IüayMaH, C. K./IL A. Co6ojieea: AmunocaTHBHafl nopoxAaioma* Μοααπ> h opMajiH3aTOw rpaMMaTHHecKoä CHHOHHMHH. In: Borrpocw «bnco3HaHHH, 1965, S. S. 31 f. Von der weiteren Verbreitung der generativen Grammatik in der Sowjetunion zeugen zahlreiche jüngere Veröffentlichungen, vor allem der Sammelband „IIpo6jieMjj CTpyKTypHoft πηηγβηοτηκη" (Mocnsa 1968) - der sich stärker als die Bände des gleichen Titels aus den vergangenen Jahren der generativen Grammatik zuwendet und die erste Ausarbeitung einer generativen Grammatik der russischen Sprache auf der Grundlage von Schaumjans Modell (IüayMUH, C. Κ./Π. A. Coöojieea : OcHoeaHM nopoacflaiomeft rpaMMaTHKH pyccKoro srauica. Mocicna 1968).

339

10.

Zusammenfassung und Ausblick

10.1.

Zusammenfassung der Haupttendenzen

Wenn wir die verschiedenen linguistischen Strömungen der Gegenwart noch einmal überblicken, so lassen sich zwei entgegengesetzte Tendenzen erkennen : Auf der einen Seite wird der Blick - unter dem Einfluß von Humboldt - vorwiegend auf die Inhalte der Spracherscheinungen und schließlich auch auf deren Leistungen und Wirkungen gerichtet, auf der anderen Seite umgekehrt - unter dem Einfluß von de Saussure, später auch von der Logistik und Mathematik - vorerst auf Formen und Strukturen sowie ihre Beziehungen zueinander. Im ersten Falle handelt es sich um inhaltbezogene Grammatiken (oder um Metalinguistik) im weitesten Sinne, im letzten Falle um strukturelle Grammatiken in der umfassendsten Bedeutung.1 In ähnlichem Sinne spricht auch Glinz von zwei Aspekten und Methodenkomplexen, die im Mittelpunkt der modernen Sprachwissenschaft stehen „der Gedanke, daß alle sprachlichen Einzelstücke ... in einem Strukturzusammenhang stehen und sich von hier aus wissenschaftlich am objektivsten erfassen lassen - und der Gedanke, daß die Inhalte den Hauptreichtum einer Sprache und damit das wichtigste Forschungsfeld der Sprachwissenschaft ausmachen" - und zu den beiden Forschungsrichtungen des „Strukturalismus" und der inhaltbezogenen Sprachforschung führen. 2 Eine andere Frage ist es, wie sich diese beiden Forschungsrichtungen zueinander verhalten. Sowohl Fourquet als auch Glinz sind der Auffassung, daß beide „nicht Feinde, sondern sich ergänzende, ja aufeinander angewiesene Forschungsrichtungen" sind,3 daß „syntaxe structurale und syntaxe sémantique ineinandergreifen". 4 Für Glinz waren - zumindest vor einigen Jahren - strukturelle und inhaltbezogene Grammatik „keine sich ausschließenden Gegensätze, sondern zwei Stufen": der Strukturalismus allein (als „Analyse von außen") - ohne inhaltbezogene Forschung - führt nur zu ungedeuteten Strukturen und Wortkörpern"; die inhaltbezogene Sprachwissenschaft allein (als „Analyse von innen") schwebt - „ohne solide struk1

2 3 4

Gerade darum lehnt Guchman die strukturelle Linguistik und die inhaltbezogene Grammatik (als „innere" und „äußere" Linguistik) als „fehlerhafte Varianten" ab, die erste wegen der Ausschaltung der Inhaltsseite, die zweite wegen der dahinterstehenden philosophisch-idealistischen Konzeptionen. Vgl. TyxMaH, M. M . : JIHHTBHCTHMecKaH TeopHH Jl. Beficrepöepa. In: Bonpocw TeopHH »buca Β coepeMeHHOfi 3apy6eacHOÖ JWHRBHCTHKE. MocKBa 1961, S. 123, 160. Glinz, H.: Sprache und Welt. Mannheim 1962, S. 12. Ebenda, S. 17. Vgl. Fourquet, J.: Strukturelle Syntax und inhaltbezogene Grammatik. In: Sprache Schlüssel zur Welt. Festschrift für Leo Weisgerber, hrsg. v. H. Gipper. Düsseldorf 1959, S. 141.

340

turalistische Grundlage" - „in der Luft und ist vielfacher Fehldeutung durch undurchschaute außersprachliche Voraussetzungen ausgeliefert."5 Tatsache ist aber, daß sich die beiden Richtungen beim gegenwärtigen Stand der Dinge - auf Grund der verschiedenen methodologischen Entwicklung - ausschließen. In Abwandlung des Wortes von Martinet - gemünzt auf den Unterschied zwischen deskriptiver und historischer Sprachwissenschaft - läßt sich heute sagen, daß die Vertreter der inhaltbezogenen und der strukturellen Grammatik voneinander kaum Notiz nehmen und der Arbeit der anderen Richtung wenig Wert beimessen. Davon zeugen - von wenigen Ausnahmen abgesehen - schon die Literaturverzeichnisse der Arbeiten aus beiden Richtungen; davon zeugt erst recht die ablehnende Haltung Weisgerbers zum Strukturalismus6, die nicht nur zur Kritik bestimmter Lehren „der Strukturalismus vernachlässige die Zwischenwelt"7 - führt, sondern sogar dazu, daß die inhaltbezogene Grammatik die strukturelle Linguistik nicht einmal als originäres Phänomen ansieht, sondern als „abgeleitete Epiphänomene aus philosophischen Richtungen, die weiter zurückliegen".8 Es ist nicht unsere Aufgabe zu klären, in welcher Richtung das „Epiphänomenale" stärker ausgeprägt ist ; Jost hat dazu - durch seinen Vergleich Weisgerberscher und Humboldtscher Äußerungen - einen wesentlichen Beitrag geliefert.9 Ausdruck dieses Nicht-Verstehens ist es auch, daß viele amerikanische Linguisten die europäische Tradition kaum zur Kenntnis nehmen - und umgekehrt.10 Wir fassen die Ergebnisse unseres Überblicks noch einmal tabellarisch zusammen 11 , geordnet nach Form und Inhalt, Diachronie und Synchro5 6 7 8 9 10 11

Glinz, H. : Worttheorie auf strukturalistischer und inhaltbezogener Grundlage. In: Proceedingsof the Ninth International Congress of Linguists. The Hague 1964, S. 1057,1059. Vgl. etwa Weisgerber, L. : Die vier Stufen in der Erforschung der Sprachen. Düsseldorf 1963, S. 89. Vgl. Gipper, H.: Bausteine zur Sprachinhaltsforschung. Düsseldorf 1963, S. 480ff. Ebenda, S. 52 f. Vgl. Jost, L.: Sprache als Werk und wirkende Kraft. Bern 1960. Vgl. dazu auch Haugen, E.: Directions in Modern Linguistics. In: Readings in Linguistics, ed. by M. Joos. New York 1963, S. 357. Wir grenzen uns damit ab von einer ähnlichen tabellarischen Ubersicht bei H. Glinz (Begriffsentwurf, Experiment und Interpretation und ihre Rolle in verschiedenen Richtungen der Sprachwissenschaft. In: Proceedings of the Eighth International Congress of Linguists. Oslo 1958, S. 842ff.), die Strömungen der verschiedensten Zeit einfach nebeneinandersetzt und vier Hauptströmungen unterscheidet (Junggrammatiker - Bloomfield-Schule - Phonologie - Weisgerber-Schule). An anderer Stelle (vgl. Glinz, H.: Ziele und Arbeitsweisen der modernen Sprachwissenschaft. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen, 1963, 3, S. 163) scheidet er fünf Richtungen der gegenwärtigen Sprachwissenschaft, aber auch ohne sie in ihrem historischen Nach- und Auseinander zu kennzeichnen. Eine andere Skizze, die allerdings nur Namen als Repräsentanten von Strömungen in ein Koordinatensystem stellt (also zumindest einer detaillierten Interpretation bedarf), dabei aber die Nachbarwissenschaften einbezieht, schlägt P. Hartmann (Modellbildungen in der Sprachwissenschaft. In: Studium Generale, 1965, 6, S. 366f.) vor, eine Skizze, die er selbst als „Aufriß" versteht, „wie man eine Geschichte der Sprachwissenschaft schreiben" könnte.

341

nie, dabei auch die wesentlichsten Einflüsse von außerhalb berücksichtigend:

342

10.2.

Bemerkungen zu weiteren Richtungen und zu den Proportionen

Der Überblick über die Entwicklung der modernen Linguistik konnte Vollständigkeit von vornherein nicht anstreben, weder Vollständigkeit der Namen noch Vollständigkeit der Richtungen. Die Gliederung ergab sich weder von Begriffen noch von Teilgebieten (Phonetik, Syntax usw.), noch von einzelnen Linguisten her, sondern von Schulen, Richtungen, Methoden und Modellen her. Es wurde dabei versucht, einzelne Linguisten jeweils als Repräsentanten für eine bestimmte Richtung zu nennen. Bei dieser generalisierenden Verfahrensweise mußten einzelne Strömungen fast vollständig ausgeklammert werden. Das trifft zunächst auf das gesamte Gebiet der quantitativen Linguistik zu, in der sich freilich ähnliche Strömungen wiederfinden, wie wir sie bei den generellen Modellen der Linguistik beschrieben haben (etwa das Nach- und Gegeneinander von statistischer und mathematischer Linguistik 17 ). Überhaupt muß die quantitative Erforschung der sprachlichen Einheiten als sekundär gegenüber der qualitativen Analyse angesehen werden 13 : Einmal setzt die quantitative Analyse bereits qualitativ differenzierte Einheiten voraus; zum zweiten sind die quantitativen Methoden auf den Bereich der „parole" beschränkt und berühren die Beschreibung des Sprachsystems nicht; drittens schließlich haben die quantitativen Methoden - abgesehen von einfachen Zählungen - erst relativ spät Eingang in die Sprachwissenschaft gefunden. Diese Einschränkung soll jedoch keine Unterschätzung der statistischen und mathematischen Methoden in der Sprachwissenschaft bedeuten, ganz im Gegenteil: Gerade in dem genannten Rahmen läßt sich ihr Wert am besten erkennen. Er besteht vor allem darin, daß statistische Methoden dann nötig werden, wenn bestimmte Eigenschaften einer Sprache keine andere Beschreibung zulassen bzw. die Aufstellung absoluter Gesetze unmöglich ist, wenn die Regeln nicht voll determiniert sind, sondern zufallige Ereignisse einschließen. Solche Regeln für das Eintreten nicht voll determinierter Ereignisse stellen die Wahrscheinlichkeitsrechnung und die Statistik auf. Die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Ereignisses wird bestimmt als das Verhältnis zwischen der Häufigkeit, mit der das Ereignis eintritt, und der Häufigkeit der Ereignisse insgesamt. Auf diese Weise kann die 12

13

Vgl. etwa Herdan, G.: ,Götzendämmerung· at M. I. T. In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung, 1968, 3-4, S. 227f. In seinem Buch „Language as Choice and Chance" (Groningen 1956) gibt G. Herdan einen Überblick über System und Methoden der statistischen Linguistik. Vgl. auch Herdan, G.: Type Token Mathematics. 's-Gravenhage 1960; Herdan, G.: The Calculus of Linguistic Observations. 's-Gravenhage 1962. Vgl. dazu und zum folgenden Hoffmann, L.: Zur quantitativen Charakteristik der Sprache wissenschaftlicher Texte. In: Wiss. Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig. Gesellschafts- und Sprachwiss. Reihe, 1967. 1/2, S. 77 (dort auch weitere Literatur). Auch enthalten in: Linguistische und methodologische Probleme einer spezialsprachlichen Ausbildung, hrsg. v. I. Schilling. Halle (Saale) 1967, S. 128 ff. 343

Wahrscheinlichkeit sprachlicher Elemente statistisch als Häufigkeit bestimmt werden. Es versteht sich von selbst, daß die Mehrzahl der statistischen Analysen auf dem Gebiet der Lexik vorliegt; denn wahrend die Phonologie und Grammatik leichter als System darzustellen waren, widersetzte sich die Lexik einer ähnlichen qualitativen oder logisch-mathematischen Analyse, so daß die statistischen Methoden sich für diesen Teilbereich geradezu anboten.14 Es besteht kein Zweifel an der Tatsache, daß die Einführung quantitativmathematischer Methoden zur Beschreibung sprachlicher Sachverhalte die Fortschritte der Linguistik im 20. Jahrhundert entscheidend mitbestimmt hat. Die Erfolge dieser Methoden ergaben sich vor allem auf der Basis der synchronischen Betrachtungsweise; dadurch wurde es ζ. B. möglich, Texte zu identifizieren, zu datieren und zu lokalisieren und auf diese Weise bestimmte Probleme (auch etwa dialektologischer Art) zu lösen, die mit den herkömmlichen Methoden nicht lösbar waren.14* Auf Grund dieser Erfolge entstand der Versuch, den statistischen Wahrscheinlichkeitskalkül auch der diachronischen Forschung dienstbar zu machen: Ein solches für die mathematisch-statistische Sprachgeschichtsforschung konstruiertes Modell ist die „Lexikostatistik" oder „Glottochronologie" (Swadesh u. a.), die das Ziel verfolgt, mit Hilfe des Wortschatzes Aussagen über die genetische Zusammengehörigkeit von Sprachen und Dialekten in Zeiten schriftloser Entwicklung zu gewinnen, die sprachgenetischen Beziehungen somit exakt meßbar und mathematisch formulierbar zu machen.14 b Dabei wird freilich die Komplexität linguistischer Phänomene stark reduziert, werden vor allem die sozialen, gesellschaftlichen und historischen Beziehungen der Sprachträger zueinander völlig ausgeklammert. Sowohl die Glottochronologie (die nach absoluten Datierungen strebt) als auch die Lexikostatistik (die relative sprachverwandtschaftliche Beziehungen erfassen will) nähern sich deshalb und darin liegt ihre deutliche Grenze - wieder junggrammatischen, „neodarwinistischen" Tendenzen an. Schließlich haben wir die Ansätze zu einem kybernetischen Strukturalismus anzudeuten, wie sie sich vor allem an die Arbeiten von L. Zabrocki (Poznan) knüpfen. 15 Im Unterschied zum klassischen Strukturalismus, der noch 14

Zu Einzelheiten vgl. auch Malmberg, ,B.: New Trends in Linguistics. Stockholm 1964, S.186 ff. Vgl. 4 > p y M K H H a , P. M.: O r a T H c r i p i e c K H e M e T O f l t i m y q e H i M n e x c H K R . Mocraa 1964. Vgl. auch Spitzbardt, H. : Zur Entwicklung der Sprachstatistik in der Sowjetunion. In : Wiss. Zeitschrift der Friedr.-Schiller-Universität Jena. Gesellschafts- und Sprachwiss. Reihe, 1967, 4, S. 471 ff. 146 Zur Darstellung und Kritik vor allem Lerchner, G.: Lexikostatistik und Glottochronologie: Zur Angemessenheit eines statistischen Wahrscheinlichkeitskalküls in der Sprachgeschichtsforschung. In: Probleme der strukturellen Grammatik und Semantik. Hrsg. v. R. Ruzicka. Leipzig 1968, S. 253ff.; vgl. dazu auch Spitzbardt, H.: NeoDarwinian Tendencies in Modern Linguistics (Vortrag auf dem X. Internationalen Linguistenkongreß 1967 in Bukarest). 15 Vgl. etwa Zabrocki, L.: Kodematische Grundlagen der Theorie des Fremdsprachenunterrichts. In: Glottodidactica, 1/1966, S. 3ff.

14a

344

statisch war, und auch zur generativen Grammatik, die zwar den Isolationismus des klassischen Strukturalismus überwunden hat und dynamische Strukturen beschreibt, aber nur lineare Modelle als ,,Ergon", möchte der kybernetische Strukturalismus diese beiden Richtungen in sich einschließen und die Strukturen der generativen Grammatik „in die kybernetischen Gefüge der kommunikativen Prozesse" einfügen. Erst auf diese Weise könne man der Sprache als „Energeia", der Sprache als „Language" völlig gerecht werden. Wenn man beachten will, wie die Sprache als Ganzes im Kommunikationsakt funktioniert, darf man nicht die phonologischen, morphologischen und syntaktischen Systeme der Einzelsprachen isoliert voneinander erforschen (wie das der klassische Strukturalismus getan hat), sondern muß den Zusammenhang all dieser Strukturen zeigen, wie er sich aktuell beim praktischen Sprechvorgang zeigt, wie er aber auch in exakten Gesetzen außerhalb des konkreten Sprechvorgangs - als dynamisches Modell sowohl auf der Langue- als auch auf der Parole-Ebene - faßbar ist. Verwiesen sei auch auf das mengentheoretische Modell von Kulagina, das als mathematisches Modell angesehen werden kann und auf dem Prinzip beruht, Elemente von Sätzen auf Elemente des Wortschatzes abzubilden. Es steht im ausdrücklichen Dienste der Maschinenübersetzung und wird damit begründet, daß die bisherigen grammatischen Begriffe zu wenig präzis und formal seien (daß sie inhaltliche Implikationen enthielten), so daß sie für die technischen Zwecke einer Maschinenübersetzung nicht verwendet werden könnten.16 Im mengentheoretischen Modell von Kulagina wird ein Wort unter doppeltem Aspekt klassifiziert: Elemente einer Wortmenge gehören zu der gleichen „Familie", wenn sie grammatisch äquivalent sind, d. h. syntagmatisch an der gleichen Stelle substituiert werden können (etwa: 6paTy, flpyry, Bojrey usw.); Elemente einer Wortmenge gehören zu der gleichen „Umgebung", wenn sie einem Paradigma angehören und vom gleichen Wortstamm gebildet werden (etwa: cryji, cryjia, cryjiy usw.)17 Jedes Wort gehört einer „Umgebung" an auf Grund seines Wortstammes, einer „Familie" auf Grund seiner grammatischen Eigenschaften. Es ist dabei zu beachten, daß der Begriff „Umgebung" in diesem Modell völlig anders verstanden wird als in der strukturellen Linguistik vor allem der deskriptivistischen Schule: Was bei Kulagina „Familie" ist, deckt sich 16

Vgl. dazu KyjiarHHa, O. C.: 0 6 OÄHOM cnocoße onpeflejiemw rpaMMaTiraecKHX

ΠΟΗΗΤΗ& Ha 6a3e T e o p m MHOBCCCTB. In: IlpoÔJieMM KHÔCPHCTHKH. ΒΜΠ. I. Mocxea 1958, S. 203 ff. 17 Zum mengentheoretischen Modell vgl. auch PeB3HH, Η. Η.: Ο ΠΟΗΛΤΗΗΧ ΟΛΗΟΡΟΛΗΟΓΟ juhnca Η «brea c noJiHoft TpaHafcopMaiwefi ( Λ Π Τ ) h BO3MOXHOCTH HX npHMeHemui AIM crpyrrypHoft ΤΗΠΟΠΟΓΗΗ. In: OrpyKTypHo-THnojionnccKHe HCcjieÄOBaHHa. MocKBa 1962, S. 19FF.; PCB3HH, H . H . : OopMaJibHtrft H ceMaHTHraecKHft AHANRA CHH-

TAKCHHecKHx CBH3efl Β »3MKC. In: IIpHMCHCHHe jiomKH Β Hayxe H TexHHxe. Mocraa 1960, S. 123F.; PeB3HH, Η . Η . : O Jioraiecroft φορΜβ JIHHTBHCTHHCCICHXonpeaeneHHÖ. In: iipHMeHeHne ΠΟΓΗΚΗ Β Hayxe Η τβχΗΗΚβ, a. a. O., S. 146F. ; Pesara, H . H . : MODERAI jDbiKa. MocKBa 1962, S. 66ff.; Bierwisch, M.: Über den theoretischen Status des Morphems. In: Studia Grammatica I. Berlin 1965, S. 68ff. 345

etwa mit der Umgebung von Harris; was aber bei Kulagina „Umgebung" ist, entspricht eher der „Familie" im etymologisch-traditionellen Sinne. Unser Überblick über die verschiedenen sprachwissenschaftlichen Schulen versuchte, sowohl den chronologischen Ablauf als auch den inneren Zusammenhang zwischen den einzelnén Richtungen zu verfolgen. Das recht umfangreiche Kapitel zur generativen Grammatik scheint uns aus mehreren Gründen gerechtfertigt: einmal durch die Schwierigkeit und Kompliziertheit des Gegenstandes, zum anderen durch die weitgehende Unbekanntheit und nicht zuletzt auch durch die Tatsache, daß die Grammatik-Theorie dieser Richtung nicht nur „bislang am besten ausgearbeitet ist und den größten Bereich der sprachlichen Fakten erfaßt", 18 sondern auch mehrere Veränderungen durchgemacht hat und auf diese Weise immer wieder zu Mißverständnissen - sogar unter Linguisten - geführt hat. Mißverständnisse können aber nur vermieden werden, wenn eine genaue Kenntnis der Sachlage vorliegt. Dazu wollten wir einen Beitrag leisten; um dieses Zieles willen schien uns der unterschiedliche Umfang der einzelnen Kapitel nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar notwendig.

10.3.

Ausblick auf künftige Möglichkeiten und Notwendigkeiten

Wenn wir auf Grund des Überblicks über die gegebenen Forschungsrichtungen einen Ausblick auf die Zukunft wagen, so können wir von den schon genannten zwei prinzipiellen und sich widersprechenden Tendenzen in der gegenwärtigen Linguistik ausgehen : Auf der einen Seite stehen die strukturellen Grammatiken mit präzisen Methoden, die jedoch zunächst der Formseite der Sprache zugewandt waren, auf der anderen Seite die inhaltbezogenen bzw. sachbezogenen Grammatiken mit zahlreichen Einsichten in die semantische Seite der Sprache, die jedoch vielfach auf intuitiven Deutungen beruhen, weder nachprüfbar sind noch einen präzisen Begriffsapparat implizieren. Gewiß gibt es innerhalb beider Seiten wieder verschiedene Stufen: Innerhalb der strukturellen Grammatiken beschränkte sich der klassische Strukturalismus auf die Oberflächenstruktur, aber die Abhängigkeitsgrammatik suchte nach tieferen Konnexionen hinter der linearen Kette und die generative Grammatik nach semantisch interpretierbaren Tiefenstrukturen sowie darüber hinaus nach Einsichten in die semantische Struktur. Damit ist zwar das Grundproblem des Verhältnisses zwischen Syntax und Semantik aufgeworfen und neu ausgelotet, aber noch nicht endgültig gelöst. Innerhalb der inhaltbezogenen (und funktionalen) Grammatiken gibt es in ähnlicher Weise Gradunterschiede in der Präzisierung des Begriffsapparates, in der Strenge der angewandten Methoden und in der Einschließung der Formseite. 18

Mötsch, W.: Zur „Autonomie" der Sprachwissenschaft. In: Beiträge zur romanischen Philologie, 1967, 1, S. 129 (vgl. auch S. 153).

346

Da diese Gradunterschiede jedoch nicht den prinzipiellen Unterschied der beiden Tendenzen tangieren, wird es für die Zukunft darauf ankommen, daß beide Richtungen gerade ihre bisherigen Mängel erkennen und zu überwinden suchen: daß die strukturellen Grammatiken ihre Einsicht in die Differenzierung der Sprache in verschiedene Ebenen ausbauen und das von ihnen gestellte Problem von Syntax und Semantik einer Klärung zuführen, daß sich die inhaltbezogenen Grammatiken um schärfere Methoden bemühen und sich von ihrem ζ. T. mythologischen Begriffsapparat, erst recht aber von ihren idealistischen sprachphilosophischen Implikationen trennen, die die Erkenntnis von sprachlichen Gesetzen eher gehemmt als gefördert haben. Der Linguistik wird es heute aber gerade auf eine Kenntnis von Gesetzen, nicht auf die bloße Beobachtung von Einzeltatsachen ankommen. Dieses Vordringen von den äußeren Erscheinungen zu den hinter ihnen verborgenen Gesetzen ist ein Wesenszug der marxistischen Erkenntnistheorie: „Die wissenschaftliche Begriffsbildung führt zur Konstruktion idealistischer Objekte, mit denen das erkennende Denken operiert, um die Gesetze der objektiven Welt zu erschließen. Jede Wissenschaft benötigt derartige Idealisierungen, um das Wesen der Objekte und Prozesse in möglichst reiner Form zu erfassen und darzustellen. Die Erkenntnis entfernt sich damit in einer Hinsicht von der objektiven Realität, da sie den unmittelbaren Zusammenhang mit der sinnlichen Erscheinung verliert, aber sie nähert sich ihr zugleich auch in anderer Hinsicht, da sie ihr Wesen tiefer erfaßt. Lenin bemerkte hierzu : ,Das Denken, das vom Konkreten zum Abstrakten aufsteigt, entfernt sich nicht - wenn es richtig ist ... von der Wahrheit, sondern nähert sich ihr. Die Abstraktion der Materie, des Naturgere/res, die Abstraktion des Wertes usw., mit einem Wort alle wissenschaftlichen (richtigen, çrnst zu nehmenden, nicht unsinnigen) Abstraktionen spiegeln die Natur tiefer, richtiger, vollständiger wider.'" 1 8 a Dazu gehört die Einsicht, daß die Mathematisierung keine „Mode", kein „Formalismus" im ideologischen Sinne ist, sondern ein notwendiges Mittel im Erkenntnisprozeß darstellt: „Im Zusammenhang mit der kognitiven Funktion der Zeichen und Zeichensysteme sind für die marxistische Erkenntnistheorie noch zwei Gesichtspunkte sehr wichtig. Erstens handelt es sich nicht nur um die fundamentale Tatsache, daß sprachliche Zeichen ein notwendiges Moment jedes Erkenntnisprozesses sind, sondern vor allem darum, daß in der modernen wissenschaftlichen Erkenntnis die Rolle künstlicher Zeichensysteme (Symbolsysteme) immer mehr anwächst. Das ist eine gesetzmäßige Tendenz, die mit der Vertiefung unserer Erkenntnis, dem Vordringen zum Wesen immer höherer Ordnung und damit zu immer größerer Abstraktionshöhe verbunden ist. Die moderne Logik, Mathematik, Physik, Kybernetik usw. wären ohne Symbolisierung und Formalisierung gar nicht mehr möglich. Mit dem Eindringen der Mathematik, mathematischer und auch kybernetischer Methoden und Begriffsbildungen in immer weitere

18a

Marxistische Philosophie. Lehrbuch. Berlin 1967, S. 585.

347

Bereiche des Wissens, einschließlich der Gesellschaftswissenschaften, und auch mit dem Fortschritt der technischen Revolution wird sich diese Tendenz weiter verstärken. Vom Standpunkt der marxistischen Erkenntnistheorie ist das keine .Entleerung4 der Wissenschaft, wie manchmal behauptet wird, sondern der Übergang zu einer höheren Entwicklungsstufe der wissenschaftlichen Erkenntnis. Zweitens ist es wichtig, auf folgenden Umstand hinzuweisen: So wie die menschliche Erkenntnis insgesamt eine relative Unabhängigkeit gegenüber der objektiven Realität gewinnt und innerhalb der Erkenntnis das theoretische Denken wiederum gegenüber der Sinneserfahrung, so gewinnen die im Erkenntnisprozeß geschaffenen, konstruierten Zeichensysteme auch eine relative Unabhängigkeit gegenüber den semantischen Abbildern, die sie ausdrücken, denen sie materielle Existenz verleihen. Es ist daher möglich, nur den Gesetzen der Logik und den syntaktischen Regeln solcher Zeichensysteme folgend, neue Zeichensysteme gewissermaßen auf Vorrat zu konstruieren. Eine Besonderheit der modernen wissenschaftlichen Erkenntnis besteht darin, daß in den axiomatisierten Bereichen unseres Wissens, vor allem in der Logik und Mathematik, abstrakte Kalküle aufgebaut werden, die erst später interpretiert werden, d. h. eine semantische Bedeutung erhalten und danach auf Bereiche oder Vorgänge der objektiven Realität Anwendung finden. Das widerspricht den Auffassungen der marxistischen Erkenntnistheorie über den Abbildungscharakter unserer Erkenntnis durchaus nicht, denn auch die Gesetze der Logik und Mathematik haben letzten Endes - vermittelt über viele Zwischenglieder - ihr Fundament in objektiven Relationen der objektiven Realität." 18 b Innerhalb dieses Rahmens wird es für die Zukunft grundsätzlich nötig sein, von der Erkenntnis verschiedener Ebenen im Sprachsysiem her falsche Verabsolutierungen der bisherigen Grammatik (einseitig formal-strukturelle, inhaltbezogene, sachbezogene oder logische Verfahren) in ihrer Einseitigkeit kenntlich zu machen, schließlich zu vermeiden und inner- und außersprachliche Faktoren in gleicher Weise, aber am richtigen Ort in die Beschreibung einzubeziehen und in adäquate Beziehungen zueinander zu bringen. 19 Dabei wird sich vermutlich die strukturelle Linguistik als „Kern", als „Mikrolinguistik" erweisen, die sich aber - um zur „Makrolinguistik" zu werden - um die Erkenntnisse auch der anderen Ebenen zu erweitern 18b 19

Ebenda, S. 588 f. Vor allem in der sowjetischen Linguistik ist man heute - nachdem man früher einseitig die außersprachlichen Faktoren zur Geltung gebracht und die strukturelle Methodik umgekehrt zunächst zu einer Verabsolutierung der innersprachlichen Faktoren geführt hatte - um eine solche Synthese von inner- und außersprachlichen Faktoren bemüht, die offensichtlich an eine Scheidung verschiedener Ebenen in der Sprache anzuknüpfen hat. Vgl. dazu AxMaHOBa, O. C. : 3iccTpa.nHHrBHCTKHecKne H BHyTpHJimrBHCTHHecKne φβκτορΗ Β yHKiiH0HHp0BaHHH Η pa3BHTHH »3biKa. In: TeopeTHiecKH'e npoÖJieMW coBpeMeHHoro coBeTCKoro s3tiK03HaHH5i. MocKBa 1964, S. 72ff.; ITaHHJiOB, B. 3.: O COOTHOmeHHH BHyTpHJIHHrBHCTHHeCKHX H SKCTpajlHHrBHCTHHeCKHX yHKU(H0HHp0BaHMH h paîBHTHH «bisa. In: TeopeTHHecKHe npoÖJieMH coepeMëmioro CoBeTCKoro »3i>iK03HaHHÄ. MocKBa 1964, S. 79, 88.

348

hat. 2 0 In diesem Bereich liegen auch die Aufgaben für den Ausbau der Soziolinguistik und der Sprachpragmatik. Gewiß gibt es bereits in der gegenwärtigen Linguistik deutliche Anhaltspunkte für eine Annäherung der beiden prinzipiellen Tendenzen : Auf der einen Seite hat sich die strukturelle Linguistik durch ihre Weiterentwicklung zur generativen Grammatik des bisher vernachlässigten Bedeutungsproblems angenommen, auf der anderen Seite übernimmt die funktionale Grammatik in zunehmendem Maße Testverfahren der strukturellen Grammatik (Substitutionen, Transformationen u. a.). Diese Tendenz zur Annäherung der verschiedenen Sprachtheorien zeigt sich nicht zuletzt in der Weiterentwicklung und Modifikation innerhalb der einzelnen Richtungen, wie wir sie in den verschiedenen Phasen etwa der generativen Grammatik (von der asemantischen Syntax-Theorie bis zur semantischen Theorie als generative Quelle) oder der funktionalen Grammatik beobachten konnten. Dabei handelt es sich jedoch keinesfalls um eine eklektische Annäherung im Sinne einer Konvergenz, weil einerseits jede sprachwissenschaftliche Richtung auf der vorhergehenden aufbaut und dabei ihre positiven Elemente meist in sich aufzunehmen versucht, andererseits die verschiedenen sprachwissenschaftlichen Theorien nicht einfach ein quantitatives Neben- oder Nacheinander darstellen 21 , sondern verschiedene Grade von Reife und Explizität repräsentieren. In diesem Sinne muß man die Entwicklung der Sprachwissenschaft eher als einen dialektischen Prozeß auffassen, der in Form einer Spirale immer höhere Formen erreicht und dabei die Einsichten der voraufgegangenen Generationen nicht einfach negiert, sondern verarbeitet und in sich „aufhebt". Im internationalen Rahmen sind mehrere Stufen dieses Prozesses erkennbar: Während die traditionelle Sprachwissenschaft mehr oder weniger intuitive Einsichten in die Form- und Bedeutungsseite der Sprache gewonnen hatte, orientierten sich einige Schulen des klassischen Strukturalismus (vor allem die deskriptivistische Richtung) vor allem oder gar ausschließlich auf die Formseite und entwickelten dabei präzise und exakte Methoden, die man nun - gleichsam auf einer dritten Stufe - auf die Bedeutungsseite zu übertragen sucht. Auch die ersten Ansätze zu einer marxistischen Sprachpragmatik sind dadurch charakterisiert, daß die in der mikrolinguistischen Forschung - die eben deshalb eine notwendige Durchgangsstufe darstellt - gewonnene Strenge und Explizitheit des Begriffsapparates und der Verfahren auf den makrolinguistischen Bereich angewandt und die interne Sprachstruktur damit in den komplexeren Bereich der menschlichen Kommunikation eingeordnet wird. Unter diesem Aspekt bedeutet auch die Tatsache, daß die generative Grammatik am Ende unseres Überblicks steht (weil sie chronologisch am 20 21

Zu diesen Begriffen vgl. auch AxMaHoea, a. a . O.. S. 69f. Vgl. dazu Bierwisch, M . : Stand und Probleme der generativen Grammatik. I n : Deutsche Sprache der Gegenwart. Grammatik - Stilistik - Sprachunterricht. Wiss. Zeitschrift der Humboldt-Universität Berlin. Gesellschafts- u. Sprachwiss. Reihe 1969, 2. S. 255 ff.

349

jüngsten ist, den explizitesten Regelapparat besitzt, noch am wenigsten bekannt ist und deshalb bisweilen noch zu Mißverständnissen führt), keineswegs, daß sie selbst absolut vollendet wäre, daß alle Probleme in ihr gelöst wären oder sie gar einen Endpunkt darstellt. Diese Einschränkung ist in doppelter Weise zu verstehen : 1) Die interne Entwicklung der generativen Grammatik kann heute noch keineswegs als abgeschlossen gelten. Es ist nicht nur möglich, sondern auch absehbar, daß sich in der generativen Grammatik selbst noch entscheidende Modifikationen vollziehen, Modifikationen, die sich auch auf Grundbegriffe beziehen, etwa auf das Verhältnis von Syntax und Semantik oder auf das Verhältnis von Tiefenstruktur und Logik. 2) Aber auch das Verhältnis der generativen Grammatik zum System der marxistischen Sprach- und Erkenntnistheorie bedarf weiterer grundsätzlicher Überlegungen. Gewiß ist von seiten der marxistischen Philosophie festgestellt worden, daß die wesentlichsten Aufbauprinzipien der generativen Grammatik der dialektisch-materialistischen Auffassung des Verhältnisses von Sprache, Denken und Wirklichkeit entsprechen. 22 Aber es bedarf nicht nur der Eliminierung des aprioristisch-cartesianischen Gewandes - in der die generative Grammatik in der Fassung Chomskys erscheint - , es fehlt vor allem gegenwärtig noch eine kritische Auswertung der generativen Grammatik im Sinne einer voll aufzubauenden marxistischen Sprach- und Kommunikationswissenschaft. Dabei ist es möglich, daß einige bisherige Einsichten sich als nicht tragfahig genug herausstellen und sich als verbesserungsbedürftig erweisen. Das entspricht nur der Dialektik der Wissenschaftsentwicklung, die von einer - dem gegenwärtigen Entwicklungsstand entsprechenden - relativen Teilwahrheit zu einer neuen, höheren relativen Teilwahrheit fortschreitet und sich auf diese Weise stufenweise und approximativ der absoluten Wahrheit nähert. Damit eine Einordnung bisher gewonnener Erkenntnisse in das umfassende System einer marxistischen Semiotik möglich wird - wie es etwa Klaus skizziert hat 23 -, bedar es vor allem einer pragmatischen Komponente, die die Fragen der Beziehungen der Sprache zum Menschen, die Fragen der gesellschaftlichen Wirksamkeit der Sprache - einschließlich solcher Gebiete wie Soziolinguistik und Sprachsoziologie - untersucht. 24 Die Untersuchung solcher Fragen steht gegenwärtig noch am Anfang; erste Ansätze lassen 22

23 24

Vgl. Albrecht, E.: Sprache und Erkenntnis. Berlin 1967. S. 228f., 233f., 282; Neumann, W.: Über die Dialektik sprachlicher Strukturen. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 1969, 2. S. 165 ff. Vgl. Klaus, G . : Semiotik und Erkenntnistheorie. Berlin 1963. Vgl. Härtung, W.: Der Muttersprachunterricht und die gesellschaftliche Funktion der Sprache. In: Deutschunterricht 1970, 3. Vgl. auch R. Große u. A. Neubert „Gegenstand und Grundbegriffe einer matxistischen Soziolinguistik", Referat auf einer Tagung des Leipziger Linguistenkreises am 7. 11. 1969. Soll erscheinen in : Linguistische Arbeitsberichte des Leipziger Linguistenkreises und der Sektion Theoretische und Angewandte Sprachwissenschaft der Karl-Marx-Universität Leipzig, 1970,1.

350

jedoch vermuten, daß dabei die in mikrolinguistischer Untersuchung gewonnenen und erprobten Verfahren und Methoden sich weitgehend auch für den makrolinguistischen Bereich als tragfahig erweisen können. Zu diesem Weg - den die Sprachwissenschaft von ihren bisherigen Ergebnissen in den verschiedenen Richtungen zu einer voll ausgebauten marxistischen Sprachtheorie gehen muß - sind freilich das sachkundige Gespräch und die schöpferische Diskussion nötig. Diese Diskussion setzt eine solide Kenntnis der Probleme voraus, die in den einzelnen Modellen der Sprachwissenschaft bisher diskutiert und teilweise auch geklärt worden sind. Zum Kennenlernen dieser Probleme möchte gerade dieses Buch in bescheidenem Maße beitragen.

351

Zeittafel

1808 1819 1836-1840 1848 1855 1876 1876-1881 1878 1890 1891 1893-1900 1900 1904 1906-1911 1909 1914 1916 1923 1924 1925 1926 1926 1928 1929 1929 1931 1931 1933 1933 1934 1934 1934 1934 1939 352

F. Schlegel: Über die Sprache und Weisheit der Inder J. Grimm: Deutsche Grammatik (Beginn des Erscheinens) W. v. Humboldt: Uber die Kawisprachen auf der Insel Java (Einleitung: Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus und ihren EinfluB auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts. 1836) J. Grimm: Geschichte der deutschen Sprache H. Steinthal: Grammatik, Logik und Psychologie A. Leskien: Die Deklination im Slawischen, Litauischen und Germanischen G. Wenker: Sprachatlas des Deutschen Reiches F.Engels: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft („AntiDiihring") H. Paul: Prinzipien der Sprachgeschichte O. Behaghel: Geschichte der deutschen Sprache B. Delbrück: Vergleichende Syntax der indogermanischen Sprachen W. Wundt: Völkerpsychologie (Beginn des Erscheinens) K. Voßler: Positivismus und Idealismus in der Sprachwissenschaft Vorlesungen von F. de Saussure zur allgemeinen Sprachwissenschaft in Genf W. I. Lenin: Materialismus und Empiriokritizismus L. Bloomfield. An Introduction to the Study of Language F. de Saussure: Cours de linguistique générale (Herausgabe der Vorlesungen durch die Nachfolger Bally und Séchehaye) O. Behaghel: Deutsche Syntax (Beginn des Erscheinens) Th. Frings: Rheinische Sprachgeschichte Herausgabe der Zeitschrift „Language" Κ. Burdach: Vom Mittelalter zur Reformation. Forschungen zur Geschichte der deutschen Bildung. Bildung des Cercle Linguistique de Prague I. Internationaler Linguistenkongreß in den Haag Herausgabe der „Travaux du Cercle Linguistique de Prague" Veröffentlichung der Thesen des Prager Linguistenkreises F. de Saussure: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft (Übersetzung des „Cours de linguistique générale" durch H. Lommel) J. Trier: Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes (Wortfeldtheorie) Begründung des Kopenhagener Linguistenkreises mit Hjelmslev und Brandal L. Bloomfield: Language Herausgabe des „Bulletin du Cercle Linguistique de Copenhague" Κ. Biihler: Sprachtheorie R. Carnap: Die logische Syntax der Sprache Beginn der Arbeiten der Londoner Schule um Firth Herausgabe der „Acta Linguistica. Revue internationale de linguistique structurale"

1939 1940 1941 1943 1945 1945 1949-1950 1949 1951 1952 1952 1952 1952 1953 1953 1956 1957 1957 1960 1960 1962 1962 1962 1962 1963 1963 1964 1964 1964 1964 1965 1965 1965 1966 1967 23

Ν. S. Trübetzkoy: Grundzüge der Phonologie Berufung Bloomfields an die Yale-Universität Beginn des „Intensive Language Program" des „American Council of Learned Societies" L. Hjelmslev: Omkring sprogteoriens grundlaeggelse C.C.Fries: Teaching and Learning English as a Foreign Language Erscheinen der Zeitschrift „Word", herausgegeben vom Linguistic Circle of New York L. Weisgerber: Von den Kräften der deutschen Sprache (darin 2. Band: Vom Weltbild der deutschen Sprache) A. H. Korzybski : General Semantics Ζ. S. Harris: Methods in Structural Linguistics C. C. Fries: The Structure of English VII. Internationaler Linguistenkongreß in London H. Glinz: Die innere Form des Deutschen Β. L. Whorf: Collected Papers on Metalinguistics Abhängigkeitsgrammatik Tesnières (Beginn der Herausgabe aus dem Nachlaß durch J. Fourquet) L. Hjelmslev: Prolegomena to a Theory of Language (Englische Übersetzung von „Omkring sprogteoriens grundlaeggelse") Beginn der Diskussionen um die strukturelle Linguistik in der Sowjetunion (Schaumjan, Reformatskij u. a.) VIII. Internationaler Linguistenkongreß in Oslo N. Chomsky: Syntactic Structures Beginn der Arbeiten an der Arbeitsstelle Strukturelle Grammatik an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (Publikationsreihe: Studia Grammatica) Beginn des Erscheinens der Sammelbände „Hosoe β juuirBHCTBKe" Beginn des Erscheinens der Sammelbände „ripo6jieMi>i crpyKTypHoft jihhtbhcthkh" Η. H. Pes3HH: MoaejiH usura H. Brinkmann: Die deutsche Sprache - Gestalt und Leistung IX. Internationaler Linguistenkongreß in Cambridge/Mass, (mit dem Referat von N. Chomsky über „The Logical Basis of Linguistic Theory") Beginn des Erscheinens der Arbeiten zur semantischen Theorie der generativen Transformationsgrammatik (Fodor, Katz, Postal u. a.) G. Klaus: Semiotik und Erkenntnistheorie M. A. MewiyK: ABTOMaTmecraft cnHTaKCHieKH0 anajin3 „OcHOBHwe HanpaBJieHHJi CTpyKTypajiMMa" (Monographie über die strukturelle Linguistik, hrsg. von der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften) Erscheinen der „Travaux linguistiques de Prague" G. Klaus: Die Macht des Wortes W. Schmidt: Grundfragen der deutschen Grammatik. Einführung in die funktionale Sprachlehre C. K. lllayMJm: CrpyKTypHaa jiHHTBHCTHKa N. Chomsky: Aspects of the Theory of Syntax A. J. Greimas: Sémantique structurale X. Internationaler Linguistenkongreß in Bukarest

Helblg, Sprachwissenschaft

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Abkiirzungsverzeichnis

Folgende Abkürzungen werden im Literaturverzeichnis verwendet: AL DaF DDU DU DZP FU GRM IF JEGP PBB STZ TCLP TLP WW ZfAA ZD ZfdMaa ZdPh ZPSK BA HJIIII ΡΛΡ

354

Acta Linguistica Deutsch als Fremdsprache Der Deutschunterricht (Stuttgart) Deutschunterricht (Berlin) Deutsche Zeitschrift für Philosophie Fremdsprachenunterricht Germanisch-Romanische Monatsschrift Indogermanische Forschungen Journal of English and Germanic Philology (Paul und Braunes) Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur Sprache im technischen Zeitalter Travaux du Cercle linguistique de Prague Travaux linguistiques de Prague Wirkendes Wort Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik Zeitschrift für Deutschkunde Zeitschrift für deutsche Mundarten Zeitschrift für deutsche Philologie Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung, früher: Zeitschrift für Phonetik und allgemeine Sprachwissenschaft. Bonpocbi muK03HaHH>! HHOcrpaHHbie JOHKH Β IUKOJW PyccKüft H3UX 3a pyöexoM

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Η

φορΜβ-

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Jlpyeea,

npo6jieMbi

coBpeMeHHoro

381

Personenregister

Abayew 101 f. Abramow 212 Achmanowa 71, 88, 100 Admoni 100, 161 ff., 164f., 173, 175, 188, 210ff., 213, 264 Apresjan 43, 100, 108f„ 156, 165, 235 Bach 276 Baldinger 117f. Bally 33, 44, 62, 350 Baudouin de Courtenay 52 Baumgärtner 147, 327f. Becker, H. 48, 196f. Becker, K. F. 21, 217ff: Behagheí 15,19f., 208, 342, 350 Beneä 59 f. Betz 120, 154,158 Bierwisch 206f., 283,300,317ff., 320,325f., 342 Blatz 178 Bloch 73, 82, 85, 237 Bloomfield 56, 72ff„ 75ff., 78ff., 84f., 89, 91 f., 99, 108, 151, 167, 235ff., 238f., 241, 260, 279, 281 f., 288, 299, 302, 327, 342, 350f. Boehlich 120 Bondzio 214 Boost 60, 219 Bopp 11 f., 121, 123, 342 Braune 15 Brinkmann 94, 120, 130, 134, 159ff., 179, 186ff., 189, 209f„ 212f., 264, 279, 351 Brandal 60, 62f., 69, 350 Brugmann 18 Bühler 44, 59,194, 208, 211, 350 Burdach 19, 26, 342, 350 Burger 49 Carnap 68, 108, 350 Carroll 85 Cassirer 44, 145

382

Chomsky 43, 51, 78, 82f., 91ff., 98, 103f., 106f., 232ff., 235ÌT., 238, 241, 249, 261, 263ff.,266ff, 269fr., 272ff., 275ff„ 278ff., 281ff.,284ff., 287ff., 291 ff., 294ff., 297ff. 300ff., 303ff., 306ff., 309ff., 314ff., 318, 320ff., 323ff., 326f., 329ff, 334, 338, 342, 351 Croce 22, 25, 72 Crowder 260 Curtius 19 Delbrück 15f., 350 Descartes 307 Dilthey 23 Dittrich 36 Dixon 301, 305 Dornseiff 139, 154 Drach 60, 219 Duden 218 Durkheiif) 33 Engels 43, 350 Erben 209ff., 212f., 225, 264 Filin 101 Fillmore 321 f., 324 Finck 13 Firbas 59f. Firth 109ff., 235, 350 Fodor 89, 311 f., 314ff., 323 Fourquet 199, 207, 340, 351 Frege 108, 165 Frei 44 Fries 73, 75, 78ff., 86f„ 92, 96, 98, 106, 201, 204; 221, 223, 233, 235ff., 238ff., 241 ff., 244ff., 248ff., 251 ff., 254ff., 257ff., 260, 278f., 282, 288, 342, 351 Frings 20, 30f., 342, 350 v. d. Gabelentz 59 Galkina-Fedoruk 172 Gladkij 102

Gleason 96 Glinz 25, 92, 98,120,130,146f., 173, 177, 183ff„ 189, 213, 216fF., 219ff., 222ff., 225ff., 228ff., 231 if., 234f., 241, 249f., 278f., 283, 288. 340ff., 351 Grebe 210, 224, 264 Greimas 115ff., 118, 235, 351 Grimm llf., 14,17f., 22, 119, 123, 217f., 342, 350 Guchman 106,139f., 143 Güntert 29 Hamann 189ff. Hammerich 63 f. Harris 73, 78, 80ff., 83, 91,95,98, 106f., 115, 204, 212, 235ff., 261ff., 264, 271, 274,283if., 286, 288, 314, 321, 326, 338, 342, 346, 351 Hartmann 120ff., 140,147, 341 Haugen 90 f. Havranek 48 f. Hays 205f. Heger 117f., 214f. Heidolph 324 Helbig 214 Heringer 215 Herdan 281, 343 Herder 11 Heyse 178, 208, 218 Hill 73, 266 Hjelmslev 50, 60ff., 63ff., 66ff., 69ff., 73, 91 f., 99, 106, 114f„ 118, 168f., 274, 328, 342, 350f. Hockett 75, 85, 96, 213, 251, 287 Hoijer 152 Höllerer 158 Holz 170 Humboldt 12ff., 15, 17, 21 f., 25f., 43f„ 119,122ff., 125, 137ff„ 144ff., 149,191, 218, 226, 234, 298f., 303, 306ff., 340ff., 350 Husserl 21, 33 Ipsen 17, 125, 137, 152ff. IsaCenko 56 Jakobson 48f., 51, 56ff„ 72f., 78, 99, 115, 197,279, 306, 316, 319, 338 Jarzewa 106 Jespersen 240, 297 Jolies 153

Joos 44, 73, 79, 82, 237 Jost 120, 122,140, 341 Junker 145 Kalepky 251 Kandier 120,155 Kant 141 Karcevski 44 Katz 89, 282, 287, 311 ff., 3141T., 317, 323, 327 Katznelson 211 Kayser 49 Klaus 74, 108, 176, 351 Kolb 158 Kora 158 Korzybski 148, 342, 351 Koschmieder 192ff. Kufner 73 Kulagina 106, 345f. Kurytowicz 213 Lachmann 14 Lado 86, 255, 259 Lakoff 322 Lamb 89 Lees 78, 237, 281, 283, 305, 327 Lejkina 21 Iff. Lenin 71, 100f„ 347, 350 Leskien 15, 350 Locke 307 Lommel 35, 350 Lomtew 211, 213 Ludwig 187 Lund 190f. Lyon 218 Martinet 46f., 72f., 90, 106, 112ff., 115, 235, 341 Marty 201 Mathesius 48, 59f. Maurer 20, 28, 30f., 33, 342 Meier 140,162, 165ff., 168ff., 171, 175f., 179,191 ff., 194ff., 283 Meltschuk 205, 21 Iff., 351 Meringer 29 Morris 165 Moser 140 Mötsch 179f„ 325, 342 Moulton 73, 85 Münch 191 383

Naumann 26 Neubert 151 Neumann 140 Nida 82, 297 Ogden-Richards 111,118 Ohmann 318 f. Osthoff 18 Otto 43, 173 Paduieva 205 Panfilow 105 Paul 15ff., 18f., 21, 23, 37, 59, 191, 219, 342, 350 Peschkowski 109, 163f. Pfleiderer 219, 226 Pike 73, 87 Porzig 125, 137, 140, 146, 153 Postal 82f., 287, 311, 313, 316, 323, 327 Pott 12, 18 Pettier 115, 116, 118 Putnam 277 Quine 108 Rahn 189 Rask 11 Regula 251 Reichenbach 323 Rewsin 100, 102f., 106, 165, 206, 235, 329, 351 Rickert 23 Roberts 255 Ross 322ff. Russell 68 Sapir 72, 151 f., 342 Sassorina/Berkow 212f. de Saussure 11, 20, 32, 33ff., 36ff., 39ff., 42ff., 45ff., 48ff., 51 ff., 55f., 67ff., 70f„ 89, 91, 93, 108, 111, 116, 122, 125, 127, 132, 137f., 153f., 166, 169, 185, 192f„ 219,231 f., 234,240,297ff„ 328,340, 342, 350 Schaumjan 71 f., 92, lOOf., 103f., 107, 235, 283, 328ff., 331 ff., 334ff„ 338f., 342, 351 Schendels 165 Schlegel, F. 11, 350 Schmidt, W. 140, 162, 170ff„ 173ff., 176ff„ 181 ff., 184f., 188, 192, 213, 351 384

Schmidt-Rohr 137 Schulz-Griesbach 188, 210 Sechehaye 33,44, 350 Seidel 143 Sinder 102 Skalüka 48 Skinner 260, 308 Sledd 255 Smjth 73, 82, 85f. Sperber 29,155 Staiger 49, 319 Steinthal 20f„ 145, 342, 350 Stepanowa 212 Sternberger 157 Stötzel 21S Strehle 171 Streitberg 15 Stroh 17, 137 Sütterlin 178 Swadesh 344 Sweginzew 100 Telegdi 90,102 Tesnière 112, 198ff., 201 ff., 204ff., 209f., 212ff., 215, 327, 342, 351 Trager 73, 82, 85, 237 Trier 137, 152ff., 155, 350 Trnka 48ff., 51 Trubetzkoy 44, 48, 52f., 55ff., 58, 72f„ 338, 342, 350 Tschirch 146 Uhlenbeck 301 f., 305 Ulimann 117f. Vachek 49 Voßler 13, 20, 22ff., 25f., 28, 33f., 72, 137, 153, 342, 350 Wartburg 36 Weber 189 Wells 73, 82, 96, 237 Weinreich 89, 315ff., 327 Weisgerber 13ff„ 44, 118ff„ 121 ff., 124ff„ 127ff., 130ff„ 133ff„ 136ff., 139ÍT., 142ff, 145f„ 149, 151, 153ff., 156f., 164,170,172f., 179, 184f., 193, 219, 227ff., 230ff., 249, 251, 286, 299, 303, 341 f., 351

Wenker 20, 27, 342, 350 Whitehead 68 Whorf 79, 118, 149ff„ 342, 351 Winogradow 100 Wittgenstein 150 Wrede 20, 27, 33, 342

Wundt 20if., 23if., 28, 33, 342, 350 Wygotski 260 Zabrocki 255, 344f. Zarncke 14

Sachregister

Abhängigkeit 62, 65f., 69, 176, 186, 192, 205ff., 211,213, 328, 335 Abhängigkeitsgrammatik 112,198ff., 204ff., 207f., 235, 286, 327, 335, 346 Abhängigkeitsstammbaum (D-Tree) 198, 205 Actant (Aktant) 200, 203f„ 209f., 212, 214f. Adäquatheit 104, 266, 276, 281, 296f., 300, 320, 324 Adjektivtransformation 262 Agens 163f„ 244, 247f., 250, 321f. Agnostizismus 71, lOOf., 139, 149 Akkusativierung des Menschen 156 ff. Akzeptabilität 266f., 297, 300 Algebra der Transformationen 263, 271 Allophon 55, 95 Alternation 95 Ambiguität 303f., 315 Analogie 16 Analyse 23, 212, 340 Antihistorismus 89 f. Antihumanismus 71,101 Antiintellektualismus 90 Applikatives Modell 328ff., 331 f., 334, 338f. Apriori 15 f. Apriorismus 13, 19, 42, 142, 307 Argument 251, 286, 317, 323 Ästhetisch 23, 25 Atomismus 17, 19, 29, 42, 47, 51, 144 Attribut 222, 250ff. Ausdruck 60fT., 66ff., 69f., 91, 112, 114, 118, 167, 169, 192, 204, 214f. Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze 15(f., 20, 27, 93 Auxiliartransformation 270f. Basis-P-Marker 287ff., 291, 303f., 309, 311,313 Bedeutung 21, 32, 38ff., 41, 50f., 53f., 57, 62, 65, 68, 70, 75f., 78ÍT., 81, 83, 87ff., 95f., lOOf., 108f., 113,115, 117f„

386

126 ff., 129 ff., 132, 135f., 144, 151 f., 164 f., 171 ff., 174, 176f., 179, 182, 185, 194f., 212, 218, 220, 224f., 228, 237ff., 240, 242, 244ff., 248ff., 254f., 277f., 285f., 311flf.,315f., 323, 326f., 349 Bedeutungsfeld 152f. Begriff 40,108, 118, 128f., 163, 171 ff., 185, 214, 221, 323 Begriffsentwurf 221 Behaviorismus 73fT., 76ff., 91, 260, 297ff. Beobachtungsadäquatheit 296, 304 Beschreibungsadäquatheit 296f., 304 Bezeichnendes 38ff., 41, 47, 169, 192f., 220, 231 Bezeichnetes 38fr., 41, 45, 47, 192ff., 220 Beziehungsbedeutung 173 Bildungsgeschichte 19f., 26, 31 Binarität 99, 286 Cartesianische Linguistik 299, 307f. Circonstant 200f., 209f., 212, 215 Competence (Kompetenz) 110, 297ff., 300ff., 306, 319, 327 Deduktion 281 Denotat 108 Dependenzgrammatik 198ff., 205f., 327 Designat 62, 193 Deskriptivismus 46, 50, 72ff., 76, 79,112, 216, 235ff., 241, 280, 297, 302, 329 Diachronie 35ff., 42, 49fT., 56, 89, 219, 341 f. Dialektgeographie 27ff., 31, 56 Dialektik 166, 303, 349 Direkte Methode (in der Mundartforschung) 27 Direkte Methode (im Fremdsprachenunterricht 256f. Diskontinuierliche Konstituenten 207f., 270 Distinguisher 312ff., 315, 317 Distinktive Merkmale 53, 56, 58, 112,115, 306f., 316

Distribution 80ff., 83, 91, 9Sf., 98, 103, 106f., llOf., 175ff., 204, 211, 212, 214, 261, 286, 292, 295 Distributionalismus 80ÍT., 83, 103, 280, 296 Domination 211, 335f. Ebene 60f., 81, 83, 93f., 105, 111, 121, 160, 188f., 196f., 208, 213f., 248f., 251 f., 271, 280, 282, 323, 347f. Einfachheit 70,104f„ 270f., 275, 282 Einordnungssatz 186 f. Eliminierungstransformation 263f., 291, 309f. Energeia 13, 44, 122f., 125, 133, 135, 137, 142, 226, 308, 345 Enthumanisierung 71, 102 Entzweiung der Sprachwissenschaft 37f., 90, 102f. Episemion 332 Ergon 13, 44,122f„ 132,134f„ 226, 308, 345 Erkenntnistheorie 24, 141, 145, 303, 347f. Erklärende Kraft 104f., 275, 289, 330, 335 Erklärungsadäquatheit 296f., 306 Ersatzprobe 98, 177, 221 f., 241 Ersetzungsregeln 294f., 310 Ethnolinguistik 151 Experiment 147, 183, 220ff., 223(f., 226, 229f., 249, 302 Extensional 108 Feld 137, 152fT., 155f., 159, 333 Figur 67 Form 15f„ 19f., 27, 29, 32f., 40f„ 43, 46, 50f., 60ÍT., 63, 66ff., 70, 75ff., 79, 82, 88, 91, 93,100, 110, 114ff„ 125ff., 128fr., 132,134,158, 162, 165ff., 168, 170ff., 174ff., 176ff„ 179ff., 182f., 187, 190, 192f., 197, 218, 220ff., 223,230, 232f., 239f., 244,248ff„ 255f., 278f., 293, 306, 308, 325f., 340ff„ 346, 349 Formalisierung 21, 88, 102, 183, 305, 347 Formalismus 49, 71, 88, 101 f., 181, 248, 347 Formklasse 77, 98, 201, 240ff., 243, 249f., 252f. Fremdsprachenunterricht 80, 84ff., 87, 91, 181, 183,191, 235, 237, 255ff„ 258, 260, 283 Fügungspotenz 210ff.

Funktion 32, 43, 48, 50ff., 53ff., 59, 62f., 65ff., 76f., 82, 98, l l l f f . , 126ff„ 129ff., 135 f., 157, 162ff., 165 ff., 168ff., 171 ff., 174ff., 177ff., 180 ff., 183, 187, 190ff., 193f., 196ff., 204, 212, 218, 222f., 231, 240ff„ 244, 250, 279, 286, 288, 304, 315, 321 f. funktional 46, 49ff., 59, 65, 112ff., 170f., 174f„ 177f„ 185, 189ff., 192, 204 funktionale Grammatik 161 ff., 164f., 169ff, 172ff., 175 ff., 178ff., 180, 182ff., 185ff., 188ff., 191 f., 196, 251, 346, 349 funktionale Satzperspektive 59f. Funktionswort 201, 241 ff., 246f., 249, 253 Funktiv 65f., 168 Funktor 251, 286 Gegengrammatik 229 Geistesgeschichte 13, 19f., 22f., 26, 29, 31, 49, 79, 137f„ 145, 147, 153, 342 Geisteswissenschaft 19, 23, 29, 140, 302 Geltung 135f., 228 Gemeintes 93, 154, 193f., 230ff., 233 General Semantics 79, 89,148ff„ 342 Generative Grammatik 43, 67, 83f., 88, 103 f., 106f„ 110, 179f., 182Í., 199f., 206f., 214, 216, 233, 261 ff., 265ff., 271, 275, 280ff., 283ff„ 286ff„ 289, 294ff., 297ff., 300ff., 303, 305ÍT., 308f., 311, 314ff., 318ff., 321 ff., 324ff„ 327ff„ 330, 334, 339, 342, 344ff., 349 Generator 331 f., 337 Genotyp 330f. Geographie 27 f., 342 Geschichte 11, 17f., 20, 27f„ 30f., 56, 89f., 138, 342 Gesetz 52, 101, 271, 347 Gesetz der Sprache 126, 137, 142, 144 Gestaltbezogene Sprachwissenschaft 130, 134ff., 179 Glossematik 46, 50, 61 ff., 64ff., 67ff., 70f., 91, 106, 112f., 116, 167, 192, 216, 235 f., 275 Glossem 67 Glottochronologie 344 Grade derGrammatikalitât266f., 274,293 f. Grammatik 21 f., 24, 40, 47, 57, 61 f., 78, 84ff., 89, 120, 132ff., 135, 156, 170, 257f., 265f., 271, 277ff., 287, 292, 294ff., 298, 300, 306, 311, 314, 319, 321, 323, 325, 344 387

Grammatikalität 222, 266f., 273f., 280f., 293, 297, 300f„ 319f. Handlungssatz 159 ff., 186, 188 Head 250 Historismus 17 Historisch-vergleichende Methode 11, 121, 342 Homonymie 97, 107, 268, 275f., 282, 303 Hypothese 64, 69f., 271, 302f., 307, 329 Hypothetisch-deduktive Methode 329 IC-Grammatik, IC-Analyse 96f., 106f., 205, 211, 252f., 264, 267, 270, 282, 287, 303, 330f., 334, 338 Idealisierung 90, 329, 337, 347 Idealismus 19, 22, 88, 142, 144, 146, 299, 307, 347 Idealistische Neuphilologie 19, 23 Identifikationsgrammatik 325 Immanenz 47f., 62, 69 Immediate Constituent ( = IC) 96f., 252f., 335, 338 Individualpsychologie 21 Induktion 281 Informant 83, 94f„ 266, 299 Information 51, 78, 224, 234, 262, 280, 287f., 297, 300, 304f., 321 f. Inhalt 12f., 15, 20f., 29, 32, 38. 40, 43, 50f., 60fT., 66fT., 69f., 79, 88, 91 ff., 98, 100, 102, 108,112,114f., 118, 123ff., 126 ff., 129ff., 132ff., 135ff., 141, 151, 157, 159f., 162, 164, 166ff., 1691T., 172f., 176,180, 182ff., 185f., 190, 192ff., 204, 214f„ 220f., 223ff., 228ff., 231 ff., 234, 248f., 286, 305f., 340ff. Inhaltbezogene Grammatik 15, 28, 39, 43, 45f.,119ff., 128ff., 131, 134ff., 137f„ 145ff., 148f., 152ff., 155ff., 160f., 171 f., 179ff., 183ff„ 186f., 190, 194, 216f., 224, 227ff., 231, 234f., 249, 299, 327, 340ff., 346ff., 349 Innere Sprachform 13ff., 16, 21, 24, 29, 122f„ 125,137, 139, 144ff., 154,166, 185, 199, 299, 303 Input-Output(-Methode) 74, 312 Intensional 108 Intentum 169, 193 Interpretation 138f., 183, 220f., 223f., 229f., 249, 287, 293f., 305, 312, 319, 322, 329, 333, 338

388

Intuition 114, 277f., 280, 296, 300ff., 306 Isolierung 17, 22, 327 Junggrammatiker 12f., 14ff., 17ff„ 20ff., 26, 29, 32ff., 42, 51, 72, 79, 102f., 119, 125, 137, 144, 146, 148, 342 Kategorie 97, 163f., 173,193, 288,293, 321 ff-, 332 Kenem 67 Kern (sate) 263f., 271f., 274, 276f„ 282, 284, 287, 293, 304, 309, 313, 331 Kollokation 110 Kommunikationsabsicht 167,169 Kommunikationseffekt 166ff., 169, 175f., 179, 189,192,194 Kommunikationsmittel 121,166,169 Kommunikativ-grammatische Kategorie 164,173 Kommutation 61, 113, 215 Kompetenz 110, 297ff., 300ff., 306, 319, 327 Komponente 67, 294ff., 311 f., 314, 316fr., 319, 321, 323f., 326 Konjunktionstransformation 268f., 285 Konkurrenzform 180 Konnexion 198f., 201, 203f., 346 Konstituente 96f., 207, 252f., 265, 268f., 313, 338 Konstituentensatz 285, 300, 305, 310 Konstrukt 107, 328f. Konstruktion 96f., 26Iff. Kontext 95, llOff., 117, 295, 298, 315, 327 Kontextualismus 109ff. Kookkurrenz 82, 261, 264f., 284, 292, 321 f. Korrespondenzregel 328, 332, 338 Kreativer Aspekt (Kreativität) 308 Kulturanthropologie 342 Kulturdynamik 30 Kulturgeographie 30 Kulturgeschichte 23ff., 26, 28, 30f. Kulturmorphologie 29ff., 31, 34 Kultursoziologie 20, 151, 342 Kunstgeschichte 23, 25, 29f. Kybernetik 48, 74, 347 Kybernetischer Strukturalismus 344f. Langage 35, 37, 43f., 112 Langue 34f., 37, 41, 43f., 50ff., 55, 69, 92, 107, 110,112, 125, 219, 232, 297f., 331, 345

Laut 15f., 20, 27, 32, 38ff., 41, 52ff., 57ff„ 62, 68, 89, 91, 95, lOOf., 113, 124, 127f., 129ff., 132, 172, 175f„ 185, 190, 193, 256 Lautbezogenheit 29, 123, 128ff., 131 f., 134f., 144, 228f. Lautgesetz 15, 19f., 27f. Leerstelle 161, 208, 215 Leistung 126,131, 133 f., 136, 139, 157, 340 Leistungbezogene Sprachwissenschaft 131, 133 ff., 136, 138, 157 Leitglied 222f. Lerntheorie 87, 260, 308 f. Lexem 54, U6f., 195f. Lexikon 195f., 289, 291, 294ff., 312ff„ 316 Lexikostatistik 344 Linguistik 50, 61 f., 64 Literaturgeschichte, Literaturwissenschaft 19, 25f., 31, 64, 145ff„ 319, 342 Logik 11, 21, 51, 163, 193, 220, 251, 303, 317, 323, 342, 347f. Logisch-grammatische Kategorie 164, 173 Logistik 68f., 71, 92, 340 Makrolinguistik 100, 348 Marker 67, 242, 312ff., 315ff., 318 Marxistische Sprachtheorie 100,129, 134, 151, 170, 303 Materialismus 71, 73, 100 Materie 71, lOOff., 347 Maschinenübersetzung 91, 100, 208, 212, 345 Mathematik 43, 79, 92, 252, 340, 342, 347 f. Matrixsatz 285, 300, 305, 310 Meaning 51, 68, 75ff., 78f„ 81ff., 88, 91, 93, 111, 118, 166f.,235, 237ff„ 240, 244, 248, 251, 254, 266, 277ff„ 285f., 311, 315 Mengentheoretisches Modell 106, 345f. Mentalismus 56, 75, 77, 80, 282, 297, 299 Merkmalssatz 186 f. Metalinguistik 79, 89, 100, 148ff., 151 f., 340, 342 Mikrolinguistik 100, 348 Mitspieler 161, 209, 286 Modell 70, 72, 81, 88, 91, 94, 103f., 106, 127, 132, 147, 151, 176, 185, 194, 216, 259, 267f., 301, 329f., 337, 345 Modifikator 249ff., 252, 254

Monem 54, 114f., 118, 194 Morphophonemik 268, 271, 279 Morphosphäre 232 Mundartenkunde, Mundartforschung 20, 26if., 28ff., 218, 342 Muttersprache 121, 124ff., 135, 137, 140f., 143, 148ff., 256f. Negation der Negation 104, 306 Negationstransformation 263, 272, 285 Netzmodell 197 Neuromantiker 13f., 119ff., 122, 139, 145 Noem 193 ff., 196 Noematik 192, 194ff. Nominalisierungstransformation 97 f., 262, 272, 285 Nomosphäre 232 Nucleus 198, 202 Numerustransformation 270f., 284f. Oberflächenstruktur 179f., 200, 204, 207f., 214, 232, 241, 287ff„ 291 ff., 294f., 297, 299, 303ff., 307, 311, 322f„ 324, 326ff„ 329, 331, 346 Objekt 64, 82, 160, 180, 197, 209f., 212, 244f., 247f., 251, 278, 287f„ 304, 321 f. Objektivität 302 Onomasiologie 118,129, 132, 154 Operand 332ff„ 335ff. Operator 332ff., 335f. Opposition 53, 55, 57ff„ 99, 113, 116, 215, 338 Oral Approach 256 f. Organon(-Modell) 59, 141 Panlinguismus 158 Parole 34f., 37, 43f., 51 f., 55, 69, 72, 92, 107, 110, 219, 232, 297f., 343, 345 Passivtransformation 97f., 262f., 270f., 273ff., 285, 291, 309 Patiens 244f„ 248, 250, 322 Pattern 111, 240, 244, 255ff., 258f. Pattern-Drill 255 f. Pattern-Practice 181, 255ff., 258f. Performance^ Performanz) 110, 297ff., 300,327 Phänomenologie 21, 26, 122, 138, 219 Phänotyp 330f. Philologie 64, 280 Phonem 51 ff., 54ff., 57ff„ 60, 67, 80f., 95, 100, 112flF., 155, 338

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Phonetik 52ff., 61 f., 69, 77, 89, 112f. Phonologie 47, 50ff„ 53ff., 56ff., 61 f., 77, 89, 95, 112f., 294, 326, 338, 344 Phrasengenerator 331, 333 Phrasenstrukturgrammatik 82f., 96, 206f., 267ff., 270ff., 273ff., 276f., 279, 283, 286f., 291, 295, 300 Physikalismus 75, 77, 80, 282, 297, 299 Platzmodell 197 Plerem 67 P-Marker (Phrasen-Marker) 180, 267, 276, 284, 289ff., 292f., 296, 310, 312f. Port-Royal-Grammatik 305 Position 77, 82, 95,115, 176, 204, 241, 243 Positivismus 14, 16, 18, 20ff., 68, 72, 91, 137, 146 Prädikat 59, 97, 105, 195, 197, 206, 213, 218, 222, 224, 251, 286, 317, 323, 326 Prädikatenlogik 323 Prager Schule 46, 48ff., 51 f., 55ff., 59, 63f., 66, 72, 91 f., 106, 112f„ 196, 235f., 311 Prälinguistik 100 Produktionsgrammatik 325 Programmierter Unterricht 260 Projektionsregel 312ff., 315 Pronominalisierungstransformation 263 Proposition 323 Psychologie 18, 20f., 24, 50f., 73, 78f., 122, 220, 260, 342 Quantitative Linguistik 343 f. Quasi-Transformation 263 Rationalismus 307 Reaktion 73ff„ 78, 108, 167ff., 238, 260 Regelsystem 180, 233, 280, 283, 298, 306, 308, 325 Relation 38, 41f., 64ff., 67f., 71, 94, lOOf., 118, 167f„ 175, 207, 288, 305, 322, 348 Relationslogik 251, 286, 321 Relationssystem 41 f., 58, 62, 64, 94, lOOf., 118 Relevanzprinzip 112ff. Rhema 59 f. Sachbezogenheit 123, 129f., 132, 144, 161, 164, 172, 174, 184f„ 251, 348 Sachgruppe 131, 154

390

Sachverhalt 129f., 160f., 163 f., 173, 187f., 244, 284f. Sapir-Whorf-Hypothese 151 Satzdefinition 75, 238f. Satzglied 93,103, 175f., 202, 216ff., 222, 227, 250ff. Satzmodell, Satztyp 159ff., 186ff., 189, 210f., 246, 255, 259, 264 Satzverhältnis 218 Segmentierung 80f., 96, 205, 222, 308 Sehweise 125, 158, 160f., 187f„ 224 Selektionsbeschränkung 292, 312, 321 Selektionsregel 292ff„ 295, 315 Sem 115ff.,118 Semantik 57, 61f., 68f., 88, 108, 115ff., 148, 156, 244, 294, 311ff., 314ff., 320f., 323f., 326f., 346f. Semasiologie 118, 129, 131, 139, 154 Semem 54,117f„ 194ff. Semematik 89 Semion 332 Semiotik 148 Signifiant (Signifikant) 38ff„ 41, 60, 67, 112, 115f., 166, 169, 185, 192f., 231 Signifié (Signifikat) 38ff„ 41, 60,67,108, 112, llSf., 118, 169, 185, 192, 231 Soziolinguistik 151, 302, 349 Speech-habit 181, 255 f. Sprachaneignung 305, 307ff. Sprachatlas 27 Sprachenkonflikte 142f. Sprachgemeinschaft 26, 124ff., 127, 136f., 141, 143f„ 171, 249, 302 Sprachgeschichte 11 f., 14,17, 19f., 24ff„ 27, 29ff., 138, 153, 182, 326 Sprachidealismus 121, 139f., 142f„ 148 Sprachmanipulation 149 Sprachphilosophie l l f . , 14, 18, 25, 138f., 143, 151, 327 Sprachpolitik 138f., 143,151 Sprachpragmatik 148, 349 Sprachsoziologie 139 Sprachstrukturlehre 226, 229 Sprachvergleichung l l f . Sprechakt 19, 44, 52, 74f. Stammbaum 18, 96, 198ff., 202, 204ff„ 207, 209, 267f., 288, 320 Stellungsglied 222 Stilistik 22,156, 318ff., 326 Stimulus 73ff., 78, 108, 167, 238, 260 Strata 60f.

Struktur 38, 40, 43, 45ff., 48, 51, 55, 57, 62f., 65, 69f., 86, 88, 90, 98, 113, 175, 187, 196, 214, 219, 239f., 244ff., 248, 250, 255ff., 261, 264, 284ff„ 301, 304, 308, 316, 319f., 323, 325, 340 Strukturalismus, strukturelle Linguistik 45, 46ff., 49ff., 52, 55ff., 58f., 62ff., 65, 69, 72ff., 78f., 84, 90ff„ 93ff„ 99ff., 102ff., 106,108f., 112 f., 146f., 156, 177, 179, 181ff.,184, 190, W2, 216, 228f., 231 IT., 234ff., 237, 254, 257, 261, 281 f., 296f., 299, 302ff., 305f., 327ff„ 340ff., 344ff„ 347ff. Structural meaning 78, 223ff., 231, 240, 243ff., 246, 248f., 278f„ Structural pattern 243, 249 173 Strukturell-grammatische Kategorie 164, Subjekt 59, 66, 82, 97, 160, 163f., 180, 197, 200, 206, 209f„ 212f., 218, 224, 244f., 247f., 251, 278, 286ff., 304, 321 f., 326 Subkategorisierung 214, 295, 320f. Subkategorisierungsregel 289, 291 ff., 295, 314f., 320 Substanz 41, 46, 51, 60ff., 63 f., 66ff., 70, 72, 91,113ff., 116, 118, 192 Substitution 61, 81, 91, 98,177, 241 f., 263, 291, 308, 310, 349 Synchronie 35ff., 41 f., 49ff., 56, 69, 89, 219, 328, 341 f. Syntax 58, 95, 107ff., 130, 204, 292, 294f., 298, 31 Iff., 314ff., 320f., 323f., 326f., 346f. Synthese 11, 19, 22f„ 29, 103ff., 302, 306 System 16ff., 20, 33ff„ 37ff„ 41f., 47ff„ 50ff., 52ff., 55ff., 58, 60f., 63, 65, 68, 89, 93 f., 104, 110f„ 138, 156, 174f., 181, 219ff., 222, 225, 229, 280f., 297f„ 343f., 348 Taxonomische Grammatik 82f., 103, 237, 266, 280, 282, 287, 289, 291, 302, 305ff., 328, 342 Terminologie 90ff., 170, 224f„ 227f„ 323 Thema 59f. Theorie 63f., 70f., 92, 94,170, 183, 216, 275, 278, 280ff., 296, 298f., 301, 307ff„ 315, 329f., 349 Tiefenstruktur 179f„ 200, 207f., 214, 232, 287ff., 291 ff., 294ff„ 303ff., 307, 309, 31 Iff., 321 ff., 324, 326f„ 331, 346

T-Marker (Transformation-Marker) 289ff., 292, 309, 311,313 Traditionelle Grammatik 93f., 101 ff., 110, 156,178ff., 203, 220, 224, 226f., 239f., 248, 254, 259, 277, 283, 287, 296f., 301, 305f., 349 Transferierungsregel 315 Transformation 82, 90, 97f., 103, 106f„ 109, 156, 177, 180, 207f„ 212, 261 ff., 264f., 268ff., 270ff„ 273ff., 276f„ 279, 282ff., 285, 287, 289ff., 292ff., 295, 303f., 307, 309ff., 313f„ 318f„ 323, 325ff., 329, 331, 334, 336ff„ 339, 349 Transformaiionsfeld 331, 337f. Transformationsgenerator 334, 336f. Transformationsgrammatik 43, 98, 106, 199f„ 261 ff., 267, 268ff„ 270f., 273, 280ff., 283, 286ff., 291, 295ff., 305ff., 308, 313f., 318, 330, 334, 338 Transformationsreihe 338 f. Übersetzungsmethode 84ff., 256, 259 Universalien 305ff., 308, 316 Valeur 40f„ 70 Valenz 108, 161, 188,195, 203f„ 208ff. 21 Iff., 214f. Verschiebeprobe 177, 221 f., 283 Verwendung 110, 121, 129, 151, 233, 297ff., 300 Verzweigungsregel 289, 291, 295 Völkerpsychologie 21 Volkskunde 28 Vollständigkeit 70 Vorgangssatz 159ff., 186ff. Weglaßprobe 177, 189, 221 f., 283 Weltansicht 12, 16, 122f., 299 Weltbild 12f., 28f„ 123, 130, 137ff„ 141, 144, 149, 151, 153 Wert 39ff„ 108, 112, 228 Wertigkeit 209f„ 213, 215 Widerspiegelung 125, 141, 144, 163f„ 171 ff., 176, 185 Widerspruchsfreiheit 70 Willkürlichkeit des Zeichens 39 Wirkende Kraft 122f„ 125, 131, 137ff., 140, 157 Wirkung 123, 131ff., 134, 136, 139, 157, 319f., 340

391

Wirkungbezogene Sprachwissenschaft 131, 133íf., 136, 138,157,230 Worten der Welt 134ff. Wörter und Sachen 29, 118, 342 Wortgenerator 331 ff. Wortgrenzentransformation 270 Wortstellungstransformation 262, 273 Yale-Schule 72

392

Zeichen 33, 38ff., 41,44f., 50, 52, 66f., 69,108, 115. 141, 144,169,176,194, 220, 347f. Zugriff 120,134ff., 159 Zwischenwelt 123ff., 126ff., 130ff., 136, 139ff., 142ff., 146, 153,155, 184f. 249, 303, 341