Geschichte der neueren chinesischen Philosophie 9783110834321, 9783110000085


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Table of contents :
Vorwort
Buch I. Die Sung- und Yuan-Zeit.
I. Die Sung-Dynastie
A. Die Nördliche Sung-Dynastie:
I. Altkonfuzianer
1. Schi Tchieh
2. Ou-yang Hsiu
3. Sse-ma Kuang
4. Wang An-schi
II. Neukonfuzianer, die Metaphysiker der Hsing-li-Schule
1. Schao Yung
I. Sein Leben und seine Werke
II. Schao Yung’s Philosophie
A. Metaphysik
B. Kosmologie
a) Die Entstehung der Welt aus dem Urprinzip
b) Himmel und Erde
c) Yin und Yang
d) Zahlen
C. Praktische Philosophie
a) Der Mensch und sein Geist
b) Der Mensch in Beziehung zu Himmel, Erde und Geistern
c) Erkenntnis
d) Handeln
D. Schao Yung’s Stellung zu anderen Philosophen
III. Zur Beurteilung Schao Yung’s
2. Schao Po-wên
3. Tschou Tun-i
I. Sein Leben
II. Seine Werke
A. Das T‘ai-tchi t‘u schuo
B. Das T‘ung-schu
4. Tschang Tsai
I. Sein Leben und seine Schriften
II. Tschang-tse’s Philosophie
A. Naturlehre
a) Leere und Fluidum, Sein und Nichtsein
b) Die Wirklichkeit und die große Harmonie
c) Himmel und Erde, Pflanzen und Tiere
d) Geist und Geister
B. Praktische Philosophie
a) Tugend
b) Studium
C. Zur Beurteilung des Systems
5. Tsch‘êng Hao
I. Sein Leben und Werk
II. Seine Lehre
A. Metaphysik
1. Himmlische Vernunft
a) Vernunft
b) Vollkommenheit
c) Geist
2. Idealismus
B. Praktische Philosophie
a) Gut und Böse
b) Menschennatur
c) Lebensfragen
d) Leben und Tod
C. Kritik anderer Philosophen
6. Tsch‘êng I
I. Sein Leben
II. Seine Philosophie
1. Der Dualismus: Tao und Fluidum
2. Geist und Geister, Himmel und Gott
3. Fluidum, Yin und Yang
4. Schicksal
5. Seele, Leben und Tod
6. Die menschliche Natur
7. Pflanzen und Tiere
8. Ethisches
9. Erkenntnis und Wissen
10. Studium
11. Stellung zu anderen Systemen
III. Anhänger des Tschang Tsai und des Tseh‘êng Hao
1. Yang Schi
2. Hsieh Liang-tso
3. Lü Ta-lin
IV. Andere Richtungen
a) Der Hu-Kreis
1. Hu Yuan
2. Hu An-kuo
3. Hu Hung
I. Das Urprinzip
II. Tao
III. Schicksal
IV. Natur
V. Vernunftprinzip
VI. Geist
VII. Himmel
VIII. Leben und Tod
IX. Buddhismus
4. Hu Yin
b) Der Su-Kreis
1. Su Hsün
2. Su Schi
3. Su Tschê
c) Andere Systeme
1. Tse-hua tse
2. Wang P‘in
3. Lo T‘sung-yen
4. Li T‘ung
B. Die Südliche Sung-Dynastie
I. Tschu Hsi und seine Anhänger
1. Tschu Hsi
I. Sein Leben
II. Seine Schriften
III. Das Lehrsystem
A. Metaphysik
1. Vernunft und Fluidum
2. Das Urprinzip
3. Die Gottheit
B. Naturlehre
1. Schöpfung und Untergang
2. Himmel und Erde
3. Yin und Yang
4. Die fünf Elemente
C. Psychologie
1. Der Geist
2. Geister und Dämonen
3. Geist, Seele, Lebensgeist und Lebenskraft
4. Die menschliche Natur
5. Tiere und Pflanzen
D. Ethisches
1. Tao
2. Tugendlehre
IV. Tschu Hsi’s Verhältnis zu Lu Tchiu-yuan
V. Die Beurteilung Tschu Hsi’s
2. T‘sai Yuan-ting
3. Huang Kan
4. Tsch‘ên Schun
Das Lehrsystem:
1. Urprinzip, Vernunft und Fluidum
2. Tao
3. Menschennatur und Schicksal
4. Geist und Dämon, Seele und Lebensgeist
5. Yin und Yang
6. Geist und Körper
7. Gefühle, Gedanken, Wollen
8. Leben und Tod
9. Gegen Buddhisten und Taoisten
10. Meditation
5. Tschên Tê-hsiu
6. Tsch‘ên Schi
II. Lu Tchiu-yuan und seine Anhänger
1. Lu Tchiu-yuan
I. Leben
II. Lehre
1. Raum und Zeit
2. Vernunftprinzip und Geist
3. Der Menschengeist
4. Lebensregeln
5. Studium
III. Lu Tchiu-yuan’s Verhältnis zu andern Philosophen und zu Tschu Hsi
IV. Beurteilung
2. Yang Tchien
Metaphysik des Yang Tchien
1. Das Selbst, die Welt und Tao
2. Wahrnehmen, Denken und intuitives Wissen
3. Wei Liao-wêng
4. Yuan Hsieh
III. Andere Richtungen
1. Tschang Tsch‘i
2. Tsch‘en Liang
3. Lu Tsu-tchien
4. Yeh Schi
5. T‘sai Tsch‘ên
6. Liu Yin
II. Die Yuan-Dynastie
1. Hsü Hêng
2. Wu Tsch‘êng
3. Tsch‘ên Yuan
4. Tschêng Yü
5. Tschao Tchieh
Buch II. Die Ming-Dynastie.
I. Verschiedene Richtungen
1. Liu Tchi
2. Fang Hsiao-ju
3. Wu Yü-pi
4. Hsieh Hsüan
Seine Lehre:
1. Prinzip und Fluidum
a) Urprinzip, Vernunft, Schicksal, Natur
b) Das Urprinzip und die einzelnen Prinzipe
c) Die menschliche Natur
d) Das Prinzip und das Fluidum
2. Yin, Yang, die Elemente und die Dinge
3. Die Unendlichkeit und Ewigkeit der Welt
4. Geist, Seele, Lebensgeist
5. Studium
6. Meditation und Verehrung des Himmels
II. Monisten
a) realistische Monisten
1. Yeh Tse-tchi
2. Lo Tchin-schun
Das Kun-tschi tchi:
I. Vernunft und Fluidum
II. Geist und Natur
III. Kritik anderer Philosophen
3. Wu Ju-hsü
4. Wang Wên-lu
5. Yang Tung-ming
b) spiritualistische Monisten
1. T‘sao Tuan
2. Huang Tao-tschou
III. Extreme Idealisten
1. Tschên Hsien-tschang
2. Tschan Jo-schui
3. Hu Tschi
IV. Wang Yang-ming und seine Schule
1. Hu Tchü-jên
Das Tschü-yeh lu:
1. Urprinzip und Fluidum
2. Nichtsein und Wesenlosigkeit
3. Prinzip und Geist
4. Inneres und Äußeres, Geist und Erscheinung
5. Wissen, angeborenes und erworbenes, und Studium
6. Pflege des Geistes, Konzentration und Meditation
2. Wang Schou-jên
I. Sein Leben und seine Schriften
II. Das Lehrsystem
1. Geist und Vernunftprinzip, Körper und Geist
2. Erforschung der Dinge und Studium
3. Angeborenes, intuitives Wissen
4. Gut und Böse
5. Wang Yang-ming’s Verhältnis zu andern Philosophen, besonders zu Lu Hsiang-schan und zu Tschu Hsi
6. Beurteilung des Wang Yang-ming
3. Wang Kên
4. Hsü Ai
5. Tsou Schou-yi
6. Tchien Tê-hung
7. Wang Tchi
Die Lehre:
1. Idealismus
2. Der Geist
3. Intuitives Wissen
4. Gut und Böse
5. Glück und Unglück
6. Meditation
7. Atemtechnik
8. Lo Hung-Hsien
9. Ku Hsien-tschêng
V. Anhänger des Yang Schi
1. Kao P‘an-lung
2. Liu Tsung-tschou
VI. Taoistische Philosophie:
1. Tschi-yu tse
2. Lu K‘un
3. Tschuang Yuan-tschên
I. Metaphysisches
II. Naturphilosophisches
III. Anthropologisches
IV. Leben und Tod
V. Erkenntnis und Wissen
VI. Literarisches
VII. Politisches
VIII. Lebensregeln
4. T‘ai-hsi tching
Buch III. Die Tch‘ing-Dynastie und die Republik.
A. Die Tch‘ing-Dynastie
17. Jahrhundert.
I. Pantheisten
1. Sun Tch‘i-fêng
I. Leben und Werke
II. Das Hsia-fêng tchi
1. Geist und Welt
2. Der menschliche Geist
3. Der menschliche Körper
4. Meditation
2. Tschao Yü-tschung
II. Verschiedene Richtungen
1. Huang Tsung-hsi, pneumatischer Monist
2. Ku Yen-wu, Altkonfuzianer
III. Anhänger des Tschu Hsi
1. Wang Fu-tschi
2. Lu Lung-tch‘i
IV. Anhänger des Wang Yang-ming
1. T‘ang Tschên
V. Zwischen Tschu Hsi und Wang Yang-ming stehend
1. Wei I-tchieh
2. Keng Tchieh
3. Li Jung
1. Sein Leben
2. Seine Lehre
a) Der Lebensquell, das Urprinzip, das Prinzip des Nichtseins
b) Das angeborene Wissen
c) Geist und Natur
d) Glück und langes Leben
e) Richtiges Handeln, Studium und Meditation
VI. Pädagogen
1. Lu Schi-i
I. Leben und Schriften
II. Lehre
1. Tao, Geist und Vernunftprinzip
2. Die menschliche Natur
3. Der Kosmos
4. Erziehung und Studium
5. Pflege des Körpers und des Geistes
2. Tschang Li-hsiang
3. Tschang Erh-tch‘i
4. T‘ang Pin
5. Yen Yuan
I. Sein Leben
II. Sein System
1. Pädagogik
2. Theoretische Philosophie
3. Der Mensch und der Himmel
4. Ethisches
5. Praktische Vorschläge
6. Li Kung
18. Jahrhundert.
I. Gegner der Sung-Philosophen
1. Tai Tschên
I. Sein Leben und seine Werke
II. Seine Lehre
1. Bekämpfung der Sung-Philosophen
2. Tao
3. Prinzip und Fluidum
4. Seele und Lebensgeist
5. Natur und Lebensfluidum
6. Die Güte der Natur
7. Vernunft und Recht und himmlische Tugend
8. Naturphilosophisches
2. Kung Tse-tschên
II. Konfuzianische Buddhisten
1. Wang Tchin
2. Lo Yü-kao
3. P‘eng Schao-schêng
III. Skeptiker
1. Hung Liang-tchi
I. Sein Leben und seine Schriften
II. Seine Ansichten
1. Geburt und Tod
2. Geister und Dämonen
3. Schicksal
4. Mensch und Tier
5. Tugend und Menschennatur
6. Agrarfrage
19. Jahrhundert.
I. Verschiedene Richtungen
1. Tsêng Kuo-fan, Eklektiker
2. Yü Yüeh
II. Schule des K‘ang Yu-wei
1. K‘ang Yu-wei
I. Sein Leben
II. Seine Schriften
III. K‘ang Yu-wei‘s Lehrsystem
1. Religion
2. Konfuzianismus
3. Politik
4. Gesellschaftslehre
2. Liang Tch‘i-tsch‘ao
I. Leben und Schriften
II. Die Lehre
1. Religion und Philosophie
2. Konfuzianismus und Buddhismus
3. Metaphysisches
4. Unsterblichkeit
5. Praktische Philosophie
6. Politisches (Volkscharakter)
3. T‘an Sse-t‘ung
III. Religionsphilosophie
1. Hsia Tsêng-yu
IV. Kritizismus
1. Wang Kuo-wei
B. Die Republik
a) Das Eindringen der europäischen Philosophie
b) Wu Tschi-hui
I. Sein Leben
II. Seine Lehre
A. Destruktives
1. Stellung zur Philosophie und Religion
2. Stellung zur chinesischen und europäischen Kultur
B. Aufbauendes
1. Die Weltschöpfung
2. Der Mensch
c) Der gegenwärtige Stand der chinesischen Philosophie und Ausblick in die Zukunft
Sachregister
Namenregister
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Geschichte der neueren chinesischen Philosophie
 9783110834321, 9783110000085

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UNIVERSITÄT HAMBURG Abhandlungen aus dem

Gebiet der Auslandskunde (Fortsetzung der Abhandlungen des Hamburgischen Kolonialinstitute)

Band 46 Reihe B. Völkerkunde, Kulturgeschichte und Sprachen Band 2 5

Geschichte der neueren chinesischen Philosophie

Alfred Forke

CRAM, DE GRUYTER & CO · HAMBURG 1964

Geschichte der neueren chinesischen Philosophie Alfred Forke

2., unveränderte Auflage

GRAM, DE GRUYTER & CO · HAMBURG 1964

Verlagsarchiv

Die „Abhandlungen aus dem Gebiet der Auslandskunde" (Fortsetzung der Abbandlungen des Hamburgischen Kolonialinstitnts) erscheinen in folgenden Reihen: A. Rechts- nnd Staatswissenschaften (auch politische Geschichte umfassend), B. Völkerkunde, Kulturgeschichte nnd Sprachen, C. Naturwissenschaften, D. Medizin und Veterinärmedizin. Sämtliche Zeitschriften nnd Sendungen, die den Druck nnd die Herausgabe der Abhandlungen betreffen, insbesondere sämtliche druckreifen Mannskripte bittet man zu richten

An die Schriftleitung der Abhandlungen aus dem Gebiet der Auslandskunde

Hamburg 13 Universität

Copyright 1964 by Cram, de Gruyter & Co., Hamburg 18. Printed In Germany — Alle Rechte der Übersetzung, dee Nachdruckes, der Anfertigung von Fotokopien and Mikrofilmen - auch aonngsweke — vorbehalten. Druck: Botaprlntdrack W. HUdebrand, Berlin.

Vorwort. Das Altertum wird in den Werken über chinesische Philosophie ausführlich und gründlich behandelt, dagegen kommen das Mittelalter und die Neuzeit zu kurz. Für die ältere Zeit liegt genügendes Material der Sinologen vor, für die neuere ist es nur spärlich vorhanden. Für die Neuzeit haben wir nur Übersetzungen eines Teiles der Werke des Tschou-tse, Tschang-tse, TschuHsi und Wang Yang-ming und einige kürzere Artikel über einige andere Philosophen. Die Sinologen sind dem Beispiel der Chinesen gefolgt, welche früher wenigstens eine außerordentliche Bewunderung für ihre alte Philosophie hatten und darüber die späteren Philosophen vernachlässigten. Jedes Wort der alten Weisen wurde auf die Goldwage gelegt und von Hunderten von Kommentatoren interpretiert. Die späteren Denker mußten froh sein, wenn man sie als Kommentatoren der alten anerkannte. Das ist freilich heute nach dem großen Kulturumschwung, wodurch den Chinesen die Augen über den Wert ihrer Philosophen geöffnet wurden, anders geworden. Hackmann behandelt in seiner sonst recht guten Chinesischen Philosophie das Altertum auf etwa 220 Seiten, das Mittelalter auf 90 und die Neuzeit auf 65. Zenker widmet dem Altertum ungefähr 340 Seiten, dem Mittelalter 200 und der Neuzeit 130. Das heißt, Hackmann schreibt über die Neuzeit nicht ganz ein Drittel, Zenker etwas mehr als ein Drittel soviel wie über das Altertum. Der vorliegende Band meiner Geschichte der neueren chinesischen Philosophie umfaßt (ohne Register) 650 Seiten, also mehr als der Band über die alte Geschichte. Die neueste Zeit, Yuan und Ming-Dynastie, erledigt Hackmann, von WangYang-ming abgesehen, auf l Seite, die TcASw^-Dynastie auf 2 Seiten. Zenker hat für die Yuan- und Ming-Zeit 3 Seiten, für die Mandschu-Zeit allerdings etwas mehr, aber was er über das Heilige Edikt, Tschang Tschi-tung, Ku Hung-ming und Hu Schi schreibt, berührt die eigentliche Philosophie nur wenig. Über K'ang Yu-wei und Liang Tch'i-tsch'ao berichtet er einiges, die übrigen Philosophen dieser Epoche aber erwähnt er gar nicht. Hackmann macht wenigstens einige Philosophen namhaft und charakterisiert sie mit ein paar kurzen Worten. Wie wenig man auch in Gelehrtenkreisen über die neuere chinesische Philosophie weiß, ersehen wir aus der neuesten Ausgabe des Brockhaus, der doch über den augenblicklichen Stand der Forschung unterrichten will. In Band XIV (1933) bringt er auf S. 504—506 eine Weltgeschichte der Philosophie, nämlich eine vergleichende chronologische Tabelle der bekanntesten Philosophen aller Länder, darunter auch der chinesischen, was alle Anerkennung verdient, da

VI

Vorwort

bisher China bei derartigen Zusammenstellungen ignoriert zu werden pflegte. In dieser Tabelle werden nach der Han-Zeit mit Namen aufgeführt nur 525 n. Chr. der buddhistische Patriarch Bodhidharma, der kaum ein chinesischer Philosoph zu nennen ist, der taoistische Konfuzianer( ?) Wang Yang-ming und der Pädagoge Yen Yuan. Das sind zwei ganze Philosophen in ungefähr zweitausend Jahren. Mit der indischen Philosophie ist es in der Tabelle wesentlich besser bestellt. Den genannten Geschichtsschreibern der chinesischen Philosophie soll aus der Vernachlässigung der neueren Zeit kein Vorwurf gemacht werden. Sie wollten lediglich Freunden der Philosophie mitteilen, was über die chinesische Philosophie bekannt war und zwar auf Grund des vorliegenden sinologischen Materials. Hätten sie die in den verschiedenen Perioden vorhandenen großen Lücken ausfüllen wollen, so hätten sie, wie der Verfasser, jahrelange Quellenstudien treiben müssen, wozu ihnen die Verleger kaum Zeit gelassen haben würden. Es ergibt sich nun die Frage, verlohnt die neuere chinesische Philosophie die darauf verwandte Mühe, und haben Hackmann und Zenker nicht recht daran getan, sie nur ganz kurz zu berühren ? Die chinesischen und japanischen Historiker der Philosophie sind der Ansicht, daß die neuere Zeit der älteren ebenbürtig ist, und sie haben sie dementsprechend ebenso ausführlich behandelt. Meines Erachtens ist die neuere Philosophie der alten nicht nur gleichwertig, sondern noch wichtiger. Erst in neuerer Zeit hat sich die chinesische Philosophie voll entwickelt. Die alte Philosophie bildet die Grundlage, aber noch nicht den Abschluß der Philosophie, wie früher die konfuzianischen Gelehrten, ja sogar die neueren Philosophen annahmen. Die TecAow-Epoche ist die Zeit der Weisheit, die Sung- und Ming-Periode die Zeit der wirklichen Philosophie. Die alten Weisen erfaßten die Wahrheit meist mehr intuitiv und bewiesen sie selten. Sie beschäftigten sich nur mit einigen Grundbegriffen, aus denen sie noch nicht die weiteren Folgerungen zogen. Erst in neuerer Zeit wird wirklich philosophiert. Die höchsten Probleme werden in Angriff genommen und originelle Lösungen gefunden, welche die Alten in Erstaunen versetzt haben würden. Die $Mn m «, $ j* = it * it s £> M n & #, «c ti- -6 m n, m * ±. m & M®&m3i^^&.%nZ*^m^~Ym^2.% — -ÜL , £ & * * — g -n fä—A,m * * n fö, m jfc * n * j£, ^ «u m i«i w *. m * m n* m ±, M m * m ·&. **& .& ± * $ m, m Ä * 2. * Ä n &> * Ä * ± # fi «,» S *: &, ffi* 4fe S # it»3fc> »Ä * tt #,« K Äf % &*!&*&& m w, &to*&mftw&*&mfo&* &m%&m&· ) Die chinesischen Eremiten scheinen den Kynikern ähnlich gewesen zu sein, von denen 3

gesagt wurde, daß aus den Löchern ihrer Kleider die Eitelkeit hervorschaue. 4 ) Schi Tsu-lai tchi II, 49 b.

I. Altkonfuzianer : 2. Ou-yang Hsiu

11

2. Ou-yang Hsiu 1007—1072. Die Bedeutung des Ou-yang Hsiu1) liegt nicht so sehr in der Philosophie als in der Dichtkunst, denn er ist einer der ersten Dichter und Prosaschriftsteller der Sung -Dynastie und wird mit Han Yü fast auf eine Stufe gestellt. Da er aus Lu-ling = Yung-feng2) in Kiangsi stammte, so wurde er oft als der Meister aus Luling3) bezeichnet. Sein Beiname war Yung-schu11), literarische Namen waren Liu-i tchü-schi&) und Tsui-weng,6) der ,betrunkene Greis'.7) Diesen Namen hat er sich wohl selbst zugelegt, denn er liebte den Wein und die gute Gesellschaft. In einem berühmten Essay nannte er sich selbst den betrunkenen Gouverneur, und sein in malerischer Gegend in Anhui angelegtes Landhaus hieß das , Lusthaus des alten Zechers'. Nach seinem Tode wurde er kanonisiert als Wen-tschung.s) Früh verlor er seinen Vater, und seine Mutter lehrte ihn, mit einem Rohr statt mit dem teuren Pinsel zu schreiben. Unter alten Papieren fand er ein Bündel von Han Yü's Schriften, woran er seinen Stil bildete. Als Beamter brachte er es bis zum Kriegsminister. Mit Sung Tch'i9) zusammen wurde er mit der Abfassung der Neueren Geschichte der T'aw^-Dynastie betraut. Allein schrieb er die Geschichte der Fünf Dynastien. Von seinen sonstigen Werken verdient erwähnt zu werden das Tchi-ku lu,w) das älteste Werk über Inschriften. Persönlich war Ou-yang Hsiu sehr liebenswürdig; er half gern jungen Talenten und förderte Wang An-schi, die beiden Su und andere. Ou-yang Hsiu's gesammelte Werke Ou-yang wen-tschung kung tch'üan tchiu) enthalten nicht viel Philosophisches. Die Frage der menschlichen Natur scheint ihn besonders interessiert zu haben, denn er behandelt sie in einem Kapitel, welches ebenso großes Ansehen genießt vrieHan Yü's Aufsatz über dieses Thema.12) Er findet es merkwürdig, daß fast alle Gelehrten seiner Zeit von der Natur sprächen. Von Wichtigkeit für das Leben seien nur die sechs verschiedenen Naturen, worüber schon in den Klassikern Untersuchungen angestellt wurden, von der Natur an sich sei dagegen kaum gesprochen worden: „Die Natur wird zusammen mit dem Körper geboren, und alle Menschen besitzen sie. Der Edle entwickelt seine Persönlichkeit und regelt sein Leben. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Natur gut oder böse ist. Auch wenn die Natur gut ist, muß trotzdem die Persönlichkeit entwickelt und das Leben geregelt werden, und wenn die Natur wirklich schlecht ist, muß gleichfalls die Persönlichkeit veredelt werden."13) Also Gute und Böse müssen in gleicher Weise an sich arbeiten, und ') Die Betrunkenheit der chinesischen Dichter ist nicht immer ganz wörtlich zu nehmen. 8 12

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12

A. Die Nördliche Sung-Dynastie

ob die Natur ursprünglich gut oder böse ist, spielt keine Rolle. Das Überwuchern des Buddhismus und Taoismus, welches Ou-yang Hsiu für ein Unglück hält, führt er darauf zurück, daß die Menschen keinen festen Grund unter sich haben und nicht beständig an sich arbeiten.

3. Sse-ma Kuang 1019—1086. 1

Sse-ma Kuang, ) der große Historiker, hat sich auch als Philosoph betätigt. Sein Geburtsort ist Hsia-hsien in Schan-tschou?) (Honan), sein Beiname Tclmnschi,3) sein literarischer Name Su-schui.*) Schon als Knabe war er sehr verständig und zeigte bei einer Gelegenheit eine außerordentliche Geistesgegenwart. Einer seiner Spielgefährten war in einen irdenen Fischtubben gefallen und nahe am Ertrinken. Während nun die anderen Knaben aus Angst wegliefen, rettete er ihm das Leben, indem er den Tubben mit einem Stein zerschlug, so daß das Wasser ausfloß. Die Szene wurde später öfter gemalt und der Anlaß zu einem geflügelten Wort. Wenn Sse-ma Kuang in seiner Jugend ein Buch in der Hand hatte, so vergaß er darüber Essen und Trinken. Später besaß er eine große Bibliothek, und er behandelte seine Bücher so gut, daß sie noch nach Jahren wie neu aussahen. Seine Beamtenlaufbahn war glänzend. Durch fünfzehnjährigen Aufenthalt als Minister in Loyang war er auch den Frauen und Kindern als vorzüglicher Beamter bekannt geworden. Gerade beim Volke war er sehr beliebt, und man nannte ihn den lebenden Buddha für die zehntausend Familien.5) Als er nach seinem Abgang zum Begräbnis des Kaisers kam, begrüßten ihn die Wachen als alten Minister, und es entstand ein solches Gedränge, daß sein Pferdnicht vorwärts konnte. Da für den Herrscher die Reichsannalen zu umfangreich zum Lesen waren, so verfaßte Sse-ma Kuang für Kaiser Ying-tsung, 1064—1068, die erste Gesamtgeschichte Chinas, das T'ung-tschie) in 8 Büchern. Unter Schen-tsung setzte er seine Arbeit fort und las dem Kaiser täglich vor, was fertig war. Der Kaiser selbst gab dem Werke, welches 1084 nach neunzehnjähriger Arbeit vollendet wurde, den Namen Tse-tschi t'ung-tchien,1) Allgemeiner Spiegel für die Regierung', und schrieb ein Vorwort dazu. In späteren Jahren wurde Sse-ma Kuang der Rang eines Herzogs8) verliehen und nach seinem Tode der posthume Ehrenname Wen-tscheng,9) und zugleich wurden ihm vom Kaiser große Totenehren zuerkannt. Die Bevölkerung nahm weinend an seinem Begräbnis, das in seiner Heimat stattfand, teil, wie wenn ein naher Verwandter gestorben wäre. Die Leute ließen Bilder des Toten malen, vor denen sie opferten. Sse-ma Kuang war ein edler Charakter und ein in allen Wissenschaften erfahrener Gelehrter. Trotzdem erhob acht Jahre nach seinem

I. Altkonfuzianer: 3. Sse-ma Kuang

13

Tode ein Zensor Anklage gegen ihn wegen Majestätsbeleidigung. Er sollte einen früheren Kaiser wegen seiner Reformen verleumdet haben. Zwei Minister, Feinde des Verstorbenen, beantragten, daß sein Grab geöffnet und sein Sarg zerhackt würde. Dem stimmte allerdings der Kaiser nicht zu, aber er erkannte dem Toten den posthumen Ehrentitel ab, ließ ihn im Rang degradieren und die ihm gesetzte Grabtafel umwerfen. Ein Günstling verfaßte auf eigene Faust den Text für eine Gedächtnistafel, auf der Sse-ma Kuang als Verräter gebrandmarkt wurde, und diese Tafel ließ er überall im Lande aufstellen. Im Jahre 1126 versuchte Kaiser Tch'in-tsung diese Totenschändung wiedergutzumachen, indem er Sse-ma Kuang alle seine Ehren zurückgab. Außer seinem großen Geschichtswerk schrieb Sse-ma Kuang noch eine Geschichte des Altertums, das Tch'i-ku lu1) in 20 Büchern, welches die Zeit vom 25. Jahrhundert v. Chr. bis zum 10. Jahrhundert n. Chr. umfaßt, und ein bekanntes Wörterbuch, das Lei-pfien.2) Es basiert auf dem Schuo-wen, enthält 30000 Zeichen und ist nach 544 Radikalen geordnet. Zu den kleineren historischen Schriften kommen dann noch eine größere Anzahl philosophischer, fast ausschließlich Kommentare und keine eigenen Schöpfungen. Sse-ma Kuang veröffentlichte Erläuterungen zum Hsiao-king, Yiking, Schuking, Schiking, Ta-hsio, Tschungyung und zum Tao-te-king, ferner zum T'ai-hsüan tching und zum Fa-yen des Yang Hsiung und zu Wen-tschung tse.3) Eine Neuschöpfung ist die kleine philosophische Schrift Tch'ien-hsü,'1) welche von der .verborgenen Leere' handelt. So nannte Sse-ma Kuang das Urprinzip, welches Yang Hsiung als das „große Geheimnisvolle" bezeichnet. Als Konfuzianer liebte er den Buddhismus und den Taoismus nicht und sagte von ihren Vertretern: „Ihre geheimnisvollen Worte sind nicht besser als die unserer Bücher, und an ihre Prahlereien glaube ich nicht."5) Gegen Mencius hatte er eine starke Abneigung, die so weit ging, daß er in einer Abhandlung, / Meng luns) „Zweifel an den Reden des Meng-tse" nachzuweisen versuchte, daß der Mencius eine Fälschung aus der Zeit der späteren //em-Dynastie sei. Dagegen schätzte er den Yang Hsiung und Wen-tschung tse sehr. Seine Ansicht über die Menschennatur kommt der des Yang Hsiung sehr nahe. Die Theorien des Mengtse und des Hsün-tse lehnt er ab. Beide, nieint er, sind einseitig und lassen das Normale außeracht. Die Natur, welche vom Himmel stammt, hat gute und schlechte Eigenschaften wie Yin und Yang. Auch ein Weiser hat Fehler und ein Tor hat gute Seiten. Überwiegt das Gute sehr, dann ist man ein Heiliger, ist das Schlechte sehr ausgeprägt, so ist man ein Tor. ,, -tse", heißt es, „lehrt, die menschliche Natur sei weder dem Guten, noch dem Schlechten zugewandt, ebenso wie das Wasser sich weder nach Osten, noch

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3

2

) Genauere Angaben bei Takejiro III, 83.

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') Sse-ma Kuang's Biographie im Sung-schi Kap. 336 S. 13b: ^ ^ W ^P fS {B o"

14

A. Die Nördliche Sung-Dynastie

nach Westen wende. Diese Behauptung des Kao-tse ist verkehrt.1) Daß das Wasser sich weder dem Osten noch dem Westen zuwendet, gilt nur von ebenem Boden. Wenn das Land im Osten hoch und im Westen niedrig ist, oder im Westen hoch und im Osten niedrig ist, so kann man es nicht leiten, wohin man will. Wenn man sagt, daß die menschliche Natur weder dem Guten noch dem Schlechten zuneige, so gilt das nur von den Durchschnittsmenschen. Ku Sou erzeugte den Schun und dieser den Behang Tchün. Konnten diese durch irgendwelche Einwirkungen verändert werden ? 2 ) Wenn Meng-tse sagt, daß alle Menschen gut seien, so irrt er. Tan Tschu3) und Schang Tchün hatten von Jugend an, bis sie erwachsen waren, täglich Yao und Schun vor sich, trotzdem konnte ihre Bosheit nicht geändert werden, wie sollte also die menschliche Natur immer gut sein ?"4) Tschu Hsi hat später diesen und andere Einwände gegen Mencius zu widerlegen versucht. Sse-ma Kuang's Ontotogie kommt im folgenden zum Ausdruck: „Alle Dinge haben ihren Ursprung im Leeren (Immateriellen) und entstehen aus dem Fluidum. Aus diesem wird der Körper, und dieser nimmt die Natur5) auf. Nach der Natur erfolgt die Scheidung der Namen, und nach den Namen richten sich die Taten.6) Diese erwarten das Schicksal.7) Also ist die Leere das Schatzhaus der Dinge und das Fluidum das Tor zum Leben. Der Körper ist die Ansammlung der Substanz und die Natur die Zusammenfassung des Geistes. Der Name ist die Unterscheidung der Handlungsweise und diese die Angelegenheit der Menschen. Schicksal ist, was die Zeit bringt."8) Es folgen Tabellen, welche die Entstehung des Fluidums, des Körpers, der Natur, der Handlungen, des Schicksals usw. erläutern sollen. Die Darstellung erinnert an das Yiking und das T'ai-hsüan tching. Es ist alles sehr phantastisch und unklar, und man gewinnt daraus nichts Positives. Das Studieren soll nach der Ansicht Sse-ma Kuang's hauptsächlich zur Veredlung des Charakters, nicht zum Erwerb von Kenntnissen dienen: „Durch das ') 2 ) 3 ) *)

Vergl. Gesch. der alt. chin. Phil. S. 556. Der Vater und der Sohn des Schun waren unverbesserlich schlecht. Der mißratene Sohn des Yao. * 7C ^ ^ Sung-yuan hsüeh-an B. VII S. Ha: £ ^- ^ ^ ± fä fr ^ ^ ^

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) Die Natur der Dinge und die Menschennatur. ) Man sollte erwarten, daß die Namen sich nach den Taten richten, nicht umgekehrt, denn die Taten sind das Prius, wie auch im Folgenden gesagt wird. ') Das Schicksal richtet sich nach den Taten, ist aber oft auch unabhängig davon und von den Zeitverhältnissen bedingt. ·) Sung-yuan hsüeh-an VIII, la: $ tfa % ffi ^ fc, £ =f fc, £ J^ $flg>ßg J^ e

I. Altkonfuzianer: 4. Wang An-schi

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Studium sucht man den Geist zu veredeln. Wenn er trotz allen Studierens nicht veredelt wird, was nützt da alles Studieren?"1) Sse-ma Kuang verkehrte freundschaftlich mit den neukonfuzianischen Metaphysikern Schao Yung, Tschang Tsai und den beiden Tsch'eng2), ohne aber ihre Theorien anzunehmen.

4. Wang An-schi 1019-10863). Wang An-schi,*) der berühmte Staatsmann, war zugleich ein großer Gelehrter, Philologe, Dichter und hat sich auch philosophisch betätigt. Sein Beiname war Tchieh-fu,5) seine Schriftsteller-Namen Pan-schan6) und Tching-kung,7) letzterer geht zurück auf den Titel Tching-kuo kung7) „Herzog vom Tching-Staat", der ihm 1080 verliehen wurde. Nach seiner Heimat Lin-tsch'uan*) in Kiangsi nannte man ihn auch Meister jLin-tsch'uari. Schon als Knabe las er sehr viel, und was er einmal gelesen hatte, vergaß er nicht wieder. Er schrieb mit erstaunlicher Schnelligkeit. Seine Klugheit war allgemein bekannt. Später als Student las er alle Arten von Büchern, die nicht zum vorgeschriebenen Studiengang gehörten, auch botanische, medizinische und landwirtschaftliche Werke. Seine Lebensweise war sehr einfach. Er verschmähte jeden Luxus und ging in seiner Sorglosigkeit so weit, daß er sein Äußeres vernachlässigte, schmutzige Kleider trug und sich nicht ordentlich wusch, wodurch er Anstoß erregte. Su Hsün9) denunzierte ihn deswegen und erklärte, daß, wer sich so über alle Sitte hinwegsetzte, auch zu Schlimmerem fähig sei. Von der Richtigkeit seiner Ansichten war Wang An-schi so fest überzeugt, daß er sich gar nicht vorstellen konnte, daß er nicht recht habe. Daher machte er niemals Kompromisse, so daß man ihn Ao hsiang kung,10) den „halsstarrigen Minister" nannte. Auf die Frage des Kaisers Schen-tsung nach Wang An-schi's Wissen antwortete Tsch'eng Hao, er besäße umfassendes Wissen und große Erfahrung, aber er könne es nicht zügeln. Selbst seine Feinde erkannten seine Genialität und seine dichterische Begabung an. Das Volk hielt ihn für einen Weisen. In seinen Kommentaren verschmähte er alle früheren Erklärungen und gab immer nur seine eigenen Ansichten. Schon seine ersten Schriften erregten Aufsehen und fanden den Beifall des Ou-yang Hsiu, dem er von seinem Freunde Tseng Kung11) empfohlen war. Nach der Doktorprüfung wurde er zuerst Magistrat von Yin-hsien12) in Tschekiang, wo er sich als Verwaltungsbeamter auszeichnete. Zum Hanlin ernannt wurde i) Sung-yuan h*üeh-an VH, 6a: ^ % gf # # ffi fr jfa, g £ , ffi ,fc ^ jg, 2 Siehe S 69 M 3Jü Ä· ) - · ) Nach der Biographie im Sung-schi Kap. 327 S. lOb ist Wang An-schi im 1. Jahre 7 ; jffa = 1086, 68 (67) Jahre alt gestorben. Allgemein wird sein Geburtsjahr als 1021 4 angegeben. ) £^· ') fr t. «} ^ ÜJ ') ffl £·, flj H & · u ') m )\\ · >)m%)· Siehe S. 138. ") #*]£.. ) f * · M) ! ·

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

er zum Staatsrat befördert und vertrauter Ratgeber des Kaisers, welchen er zur Einführung der bekannten radikalen Reformen in der Verwaltung veranlaßte. Sie brachten nicht die gewünschten Erfolge, was zum Teil wenigstens auf die schlechte Ausführung durch die Unterbeamten zurückzuführen war. Die Opposition der bedeutendsten Männer der Zeit führte zuletzt den Sturz des Reformators herbei. Er zog sich ins Privatleben zurück und mußte noch erleben, daß alle seine Maßregeln wieder aufgehoben wurden. Zu den Neuerungen gehörte auch die Reform der Prüfungen. Eine Zeitlang mußten die Studenten Wang An-schi's neue Kommentare zu den Klassikern benutzen. Das Tsch'un-tch'iu wurde vom Unterricht ausgeschlossen. Es wurde mehr Gewicht auf praktische Kenntnisse als auf den Stil gelegt. Die Folge war, daß die Schüler anfingen, ihre alten Textbücher wegzuwerfen und Lehrbücher für Geschichte, Geographie und Volkswirtschaft zu studieren. Nach seinem Tode wurde Wang An-schi als Wen1) kanonisiert. 1104 wurde er in den Konfuzius-Tempel aufgenommen und 140 Jahre später wieder entfernt. Wang An-schi schrieb Kommentare zum Schi-king, Schu-king und Tschou-li, die man allgemein als die neuen Erklärungen der drei Klassiker2) bezeichnete. Das Tschou-li schätzte er besonders, weil er darin eine Rechtfertigung für seine Reformen zu finden glaubte. Ferner veröffentlichte er Erklärungen zum Yiking3) und Kommentare zum Lun-yü, zu Meng-tse und Lao-tse.*) Kürzere Arbeiten betreffen das Hung-fan, das Tso-tschuan, Li-ki und Hsiao-king.6) In seinen letzten Jahren schrieb er noch ein philologisches Werk, das Tse-schuo*) über die Zusammensetzung der Schriftzeichen. Seine Gesammelten Werke7) und seine Gedichte8) sind besonders herausgegeben. Wie seine Reformen, so sind auch seine Schriften, namentlich die Kommentare, welche von den früheren so sehr abweichen, sehr scharf von den Gelehrten angegriffen worden. Sie sollen viele verkehrte Prinzipien und Übertreibungen enthalten und eine gewisse Hinneigung zum Buddhismus und Taoismus zeigen. Man macht ihm zum Vorwurf, daß er nichts auf Yin und Yang, böse Omina und Katastrophen gäbe. Er fürchte den Zorn des Himmels nicht, verlasse sich nur auf die Regierung und glaube, daß die Ahnen nicht als Vorbild dienen könnten. Auf philosophischem Gebiet hat Wang An-schi einen nicht unwichtigen Beitrag zu der Theorie von der menschlichen Natur geliefert. Wie Liu Hsiang lehrt er, daß die Natur und die Gefühle eng verknüpft seien und sich entsprächen, und er teilt Yang Hsiung's Ansicht, daß die Natur sich dem Guten und dem Bösen zuwenden könne. Wir finden seine Gedanken zu dieser Frage entwickelt in den Kapiteln „Ergründung der Natur" und „Natur und Gefühle"9) in den Gesammelten Werken. Dort lesen wir: 6

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I. Altkonf uzianer : 4. Wang An-schi

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„Natur und Gefühl ist dasselbe. Wenn jemand behauptet, die Natur sei gut, aber die Gefühle schlecht, dann kennt er nur den Namen Natur und Gefühl, aber nicht ihr Wesen. . . . Die Natur ist die Wurzel des Gefühls und das Gefühl die Betätigung der Natur. Deshalb sage ich, Natur und Gefühl sind dasselbe."1) Wer die sieben Gefühle für schlecht erklärt, der sieht nur, daß sie oft zum Bösen führen, aber weiß nicht, daß sie aus der Natur hervorgehen, daß der Mensch sie von Geburt an hat, und daß sie durch die Dinge erregt werden. „Wenn sie so erregt sind und mit der Vernunft im Einklang stehen, dann hat man einen Heiligen oder Weisen vor sich, und wenn sie es nicht tun, einen Toren. Jene beachten nur das Hervorkommen der Gefühle, daß sie infolge der Verstrickungen in die Außenwelt zum Bösen führen, und nennen deswegen die Gefühle schlecht und gefährlich für die Natur. Sie bemerken nicht, daß oft die Gefühle bei ihrem Hervorkommen auch so von den äußeren Dingen beeinflußt werden, daß sie zum Guten führen."2) „Der Edle pflegt das Gute in seiner Natur, daher sind auch seine Gefühle gut, der Gemeine pflegt nur das Schlechte, daher sind auch seine Gefühle schlecht. Folglich sind es nur die Gefühle, wodurch der Edle zum Edlen wird und ebenfalls die Gefühle, die den Gemeinen zum Gemeinen machen. Jene irren in ihrer Beweisführung, weil sie die Natur nur beim Edlen und die Gefühle beim Gemeinen suchen."3) „Wenn man die Gefühle beseitigen will, wie soll sich dann die Natur deutlich zeigen, auch wenn sie gut ist ? Wäre wirklich die Behauptung richtig, daß Gefühllosigkeit das Beste ist, dann müßten Leute wie aus Holz oder Stein an erster Stelle stehen."4) Wang An-schi's Polemik gegen die übliche Diffamierung der Gefühle durch die Konfuzianer ist vollauf berechtigt. Natur und Gefühl gehören nach seiner Meinung so eng zusammen wie Pfeil und Bogen. Gut und Böse ist wie das Treffen und Nicht treffen. Yang Hsiung lehre, daß in der menschlichen Natur Gutes und Schlechtes gemischt seien. Daraus sehe man, daß die Natur auch schlecht sein könne.5) ,, Aus dem Urprinzip," heißt es weiter, „kommen die fünf Elemente hervor, aler die fünf Elemente sind nicht das Urprinzip. Die Natur ist das Urprinzip der fünf Tugenden, aber man darf die fünf Tugenden nicht die Natur nennen."6) ') Sung Y-uan hsüeh-an Kap. 98 S. 4a: ^ -|* — ^ tt Wi % EL 14 * 'In ^ Ji

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

„Die Natur schafft die Gefühle. Sobald die Gefühle vorhanden sind, kommt das Gute und Böse zur Erscheinung, aber man kann die Natur nicht als gut oder böse betrachten."1) Wenn die Gefühle gut sind, dann spricht man von Wohlwollen und Gerechtigkeit, und wenn sie schlecht sind, von Mangel an Wohlwollen und Gerechtigkeit, daher heißt es: „Wenn die Gefühle vorhanden sind, gewinnen Gut und Böse Gestalt, also sind Gut und Böse nichts weiter als feste Bezeichnungen für die Gefühle."2) — Wenn aber ihre Äußerungen gut oder böse sind, kann man doch wohl auch die Natur so nennen, die diesen Äußerungen zugrunde liegt.

II. Neukonfuzianer, die Metaphysiker der Hsing-li-Schule. 1. Schao Yung 1011-1077.

I. Sein Leben und sein Werk. Die Familie des Philosophen Schao Yung3) mit dem Beinamen Yao-fu*) stammte aus Fan-yangs) in der Provinz Tschili, aber sein Vater wanderte nach Hengtechang*) und später nach Kung-tsch'eng, dem heutigen Hui-hsien7) in Honan aus. Schon als Knabe war Schao Yung sehr wißbegierig und verschlang jedes Buch, dessen er habhaft werden konnte. Er war sehr energisch und ehrgeizig und nahm sich vor, ein Weiser zu werden. Daher ertrug er seine Armut mit stoischer Ruhe und härtete sich gegen alle Unbequemlichkeiten ab. Er hatte keine Kissen und keine Matte zum Schlafen, im Winter hatte er keinen Ofen und im Sommer keinen Fächer. Als er erwachsen war, fühlte er das Bedürfnis, andere Gegenden kennen zu lernen und dadurch seinen Gesichtskreis zu erweitern. Er wollte mit bedeutenden Leuten bekannt werden und Freundschaften schließen, daher unternahm er eine große Reise in Mittel- und Nordchina. Über den Gelben Fluß, den Han, den Fen und den Huai begab er sich in die alten Staaten Wu, Tsch'u, Tch'i, Lu, Liang und Tch'in und besuchte dort die historischen Stätten. Dann nahm er wieder in Po-yuan,s) den „Hundert Quellen", bei Kung-tsch'eng seinen Wohnsitz und sorgte für seine Eltern, für die er Holz sammelte und selbst kochte . Von Po-yuan erhielt später seine Schule ihren Namen. Dort erkannte der Magistrat Li Tschi-ts'ai9) zuerst sein Talent und weihte ihn in die Geheimnisse des Yiking ein. Nach dem Tode seines Vaters siedelte er nach Loyang über. Er hielt es für das Zentrum der Welt, wo seit Alters die Weisen und Heiligen lebten und die Gelehrten und hohen Beamten aus allen Gegenden zusammenströmten. Dort

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II. Neukonfuzianer, Hsing-li-Schule: 1. Schao Yung

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trat er in freundschaftlichen Verkehr mit Sse-ma Kuang, Tschang Tsai, Tsch'eng Hao und Tsch'eng I. Beamter wollte er nicht werden, obwohl er in sehr dürftigen Verhältnissen lebte. Mehrmals wurden ihm vom Kaiser Beamtenposten angeboten, die er unter einem Verwände ablehnte. So lebte er in einer elenden Hütte, die Wind und Regen durchließ, aber trotz aller Entbehrungen war er stets heiter. Um ihn aus dieser Not zu befreien schenkten ihm seine Freunde ein Haus mit Garten, wo er bis an sein Lebensende glücklich und zufrieden lebte, indem er sein eigenes Gemüse baute und das ganze Jahr seinen Acker bestellte. Das ihm geschenkte Haus nannte er An-lo wo,1) „das Nest der Freude" und sich selbst An-lo hsien-scheng,2) „den fröhlichen Meister". Des Morgens zündete er Weihrauch an und saß eine Zeitlang ruhig da, vermutlich in Betrachtungen versunken, am Nachmittag trank er drei bis vier Becher Wein. Wenn er etwas animiert wurde, hörte er auf und wurde niemals betrunken. In seiner Begeisterung pflegte er Lieder vor sich hin zu summen. Im Frühling und im Herbst fuhr er einmal auf einem kleinen, von einem Manne gezogenen Wagen in die Stadt. Die Beamten kannten das Knarren seiner Karre und eilten ihm zur Begrüßung entgegen. Kinder und Diener liefen herbei und riefen: „Unser Meister ist gekommen." Meistens blieb er zwei Nächte weg. Spaßvögel bauten ihm auch in der Stadt ein Haus, das genau so wie sein Wohnhaus aussah, damit er dort bei seinen Besuchen wohnen könne. Schao Yung nannte dies sein Hsing-wo,3) sein ,Reisenest'. Wenn Fremde nach Loyang kamen, versäumten sie niemals, dem berühmten Einsiedler, der als Original allgemein bekannt war, ihren Besuch zu machen. Seine Güte war so groß, daß sie sich in semen Zügen ausprägte und man auf den ersten Blick den Weisen erkannte. Er war stets heiter und gleichmütig und saß freundlich lächelnd inmitten seiner Gäste, wobei er keinen Unterschied zwischen Hoch und Niedrig, Näher- oder Fernerstehenden machte. Wenn er mit Leuten sprach, richtete er es so ein, daß ihre Vorzüge zum Vorschein kamen und ihre Schwächen verborgen blieben. Nur falls jemand eine wissenschaftliche Frage an ihn richtete, antwortete er und drängte den ändern nicht sein Wissen auf. Die Edlen schätzten ihn wegen seiner Tugend, und auch die gewöhnlichen Leute seiner Gegend unterlagen seinem veredelndem Einfluß. Mit 60 Jahren nahm er die Tracht eines Einsiedlers an und lebte von da ab mehr zurückgezogen. Die Unterhaltung mit Gästen wirkte immer sehr anregend auf ihn, so daß, wie er sagte, eine kleine Krankheit während der Unterhaltung verschwand. Die letzte Krankheit, welche Schao Yung im Sommer des Jahres 1077 befiel, schien Anfangs auch nur ein kleines Unwohlsein zu sein. Als sie ernster wurde, pflegten ihn seme Freunde Sse-ma Kuang, Tschang Tsai und die Brüder Tsch'eng Tag und Nacht. Er sagte lächelnd zu Sse-ma Kuang: „Leben und Tod sind gewöhnliche Dinge."4) Tschang Tsai fragte ihn, ob er das Schicksal für die Krankheit verantwortlich mache, sonst müsse er sie zurückdrängen. Schao Yung

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

antwortete: „Das himmlische Schicksal kenne ich wohl, was man im gewöhnlichen Leben Schicksal nennt, das kenne ich nicht." Tschang Tsai erwiderte: „Wenn der Meister das himmlische Schicksal kennt, dann bleibt mir nichts mehr zu sagen übrig." Tsch'eng I sprach: „Wenn der Meister in dieser Lage ist, können andere nichts tun, aber ich hoffe, daß Sie selbst entscheiden." Shao Yung sagte: „Da hilft kein Entscheiden."1) Weiter fragte Tsch'eng I, ob er ihnen nicht ein letztes Abschiedswort sagen wolle. Schao Yung hob die beiden Hände empor und, indem er damit vor sich hin zeigte, sagte er: „Der Weg vor uns ist eng und muß erweitert werden. Wenn er so eng bleibt, dann haben wir selbst kaum Platz darauf und wie könnten wir andere auffordern, darauf zu wandeln ?" Bei einem späteren Besuche fragte Tsch'eng I: „Ist, was du im Leben gelernt hast, jetzt ohne Bedeutung ?" Schao Yung erwiderte: „Wenn du meinst, ich sei auf einer grünen Ingwerpflanze gewachsen, dann würde es so sein, wie du sagst."2) Am Tage vor seinem Tode schrieb Schao Yung noch mit großen Buchstaben folgende Verse: ,Ich bin in einer Zeit großen Friedens geboren — und ich sterbe in sehr friedlicher Zeit. — Wenn ein Fremder mich nach meinem Alter fragen sollte — würde ich sagen: 67 Jahre. — In der Welt stehend blicke ich empor zum Himmel und auf die Erde — ruhig und gefaßt und brauche mich nicht zu schämen.'3) Als die Freunde des Philosophen sich in der äußeren Halle über seine Beisetzung berieten, hörte dieser es, rief seinen Sohn Schao Po-wen zu sich und sagte ihm, die Herren wollten ihn in der Nähe der Stadt begraben, er möchte aber auf dem Begräbnisplatz seiner Ahnen beerdigt werden. Tsch'eng Hao schrieb die folgende Grabschrift: „Yung's Lehre ist einheitlich und nicht zusammengewürfelt; seine Ergebnisse können als gesichert und abgeschlossen bezeichnet werden."4) Schao Yung erhielt den posthumen Ehrentitel K'ang-tchieh?) wonach er meistens Schao K'ang-tchieh genannt wird. Sein Tablett wurde in den KonfuziusTempel aufgenommen. Watanabe bemerkt sehr richtig, daß er mehr dem Lao-tse als dem K'ung-tse ähnlich war.6)

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) Das soll heißen, daß Schao Yung's Lehre seinen Tod überdauern wird, denn er ist nicht wie frischer Ingwer, der, wenn er vertrocknet, seinen Wert verliert.

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«) Biographie, Sung-schi Kap. 427 S. 20a: ^| ^ ^ jjäfc — ^p ^, Sfc ft ff M» "T Ü 5t jj_ gS; . -De mvrtuis nil nisi bene, sonst könnte man einige Fragezeichen hinter diesen Satz machen. Tsch'eng Hao stand den Anschauungen des Schao Yung sehr nahe. ") |fc ffi . ") Watanabe III, 13.

II. Neukonfuzianer, Hsing-li-Schule: 1. Schao Yung

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Durch seine iking- Studien angeregt, schrieb Schao Yung das Huang-tchi tching-schi schu,1) das ,Buch von dem erhabenen Prinzip, welches in der Welt waltet,' worin er seine philosophischen Ansichten niedergelegt hat. Im Original sind es 12 Bücher mit 64 Abschnitten. Es hat in etwas verkürzter Form Aufnahme in das Hauptwerk der H sing-U-Schule, das Hsing-li ta-tch'üan2) gefunden, wo es die Bücher VII bis XIII ausfüllt. Statt der ersten 50 Abschnitte, in welchen Schao Yung durch Diagramme, Skizzen und Zahlen seine kosmologischen Ideen verdeutlichen will, wird eine kürzere, zusammenfassende Darstellung seines Sohnes Schao Po-wen3) und des Philosophen T'sai Yuan-ting*) in 2 Bänden gegeben. Auch Chinesen gestehen zu, daß die Diagramme und Zahlen des Schao Yung kaum zu verstehen sind, so daß ihre Auslassung wohl kein Verlust ist. Darauf folgen die 14 Abschnitte mit dem Titel Kuan-wu, „Betrachtung der Dinge", worin der Philosoph seine Ansichten entwickelt. Die 12 Abschnitte Kuan-wu nei-pfien5) sind von ihm selbst verfaßt und von seinem Sohne kommentiert, die 2 Abschnitte Kuan-wu wai-p(ien6) sind Aussprüche von ihm, welche seine Schüler gesammelt haben, ohne Kommentar. Als Zusatz folgt dem Hauptwerke noch ein philosophisches Gespräch zwischen einem Fischer und einem Holzhauer, Yü-tch'iao win-tui."1) Schao Po-wen besorgte die Herausgabe des Hauptwerks. Außerdem schrieb Schao Yung 20 Bücher Gedichte, welche in der Sammlung I-tsch'uan tchi-iang tchi6) zusammengefaßt wurden.

II. Schao Yung's Philosophie. A. M e t a p h y s i k . Schao Yung nimmt ein höchstes Weltprinzip an, aus dem alles in der Welt hervorgegangen ist, und auf das es sich daher auch zurückführen läßt. Das ist das Urprinzip. Dieses Urprinzip ist Tao, aber zugleich auch das Herz,9) das heißt der menschliche Geist, denn beide sind identisch: „Der Geist," heißt es, „ist das Urprinzip, und man sagt auch, Tao ist das Urprinzip."10) Man beachte, daß der Geist sogar an erster Stelle genannt wird. Tao ist das Tao Lao-tse's, nicht ein bloßes abstraktes Prinzip, ein Gesetz oder eine Norm, sondern ein übersinnliches Wesen, das man nicht beschreiben kann: ..Wer konnte alle Dinge erschaffen ? — Himmel und Erde. — Und wer konnte Himmel und Erde erschaffen ? — Das Urprinzip. — Läßt sich das Urprinzip benennen und läßt es sich erkennen ? — Ihm gewaltsam einen Namen gebend nennt man es das Urprinzip.11) Das Urprinzip ist eine Bezeichnung für das Namen-

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5 ') £. 8) s ')»«&ffl*l· ) &mmmm· ) &· »») Hsing-li ta-tch'üan XI, 34a: £, fä ^^, %. H, )£ $ ± fä (Kuan-wu wai-pien I). ") Vergl. Tao-te king Kap. l: ,Das Namenloso ist der Anfang von Himmel und Erde' und Kap. 25: ,Ich kenne seinen Namen nicht und bezeichne es als . Ihm notgedrungen einen Namen gebend nenne ich es das Große'.

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

lose."1) Für das Urprinzip läßt sich ohne Weiteres Too einsetzen. Wir lesen an einer anderen Stelle: „Daher weiß man, daß Tao der Ursprung von Himmel und Erde ist. — Himmel und Erde sind der Ursprung für alle Dinge."2) Aber Tao ist nicht nur der Schöpfer der Welt, es ist auch das sittliche Prinzip, das Gute in der menschlichen Natur, welches man kennen lernt, wenn man ihm gemäß handelt: ,, ist Tao. Es hat keine Gestalt, aber wenn man es übt, dann erscheint es in den Handlungen. Wie das Tao im Worte Tao-lu (Weg) liegt es still und friedlich da. Die Menschen müssen viele tausend Jahre darauf wandern, dann wissen sie auch, wohin es führt."3) Das Urprinzip erklärt Schao Yung als den Urgrund von Tao, indem er zugleich sein von Lao-tse und Yang Hsiung hervorgehobenes geheimnisvolles Wesen betont: „Der Urprinzip," sagter, ,, ist das Letzte in Tao und das große Geheimnisvolle, das Geheimnisvolle von Tao."4) Mit der Schöpfung, der Entstehung der Welt aus Tao, hat sich der Philosoph sehr eingehend beschäftigt, wobei er sich den Naturphilosophen anschließt, aber doch in vielen Einzelheiten von ihnen abweicht. Außerdem gibt er eine eigene Darstellung, deren Grundzüge sich mit seinen genaueren Ausführungen zur Kosmologie kaum decken und wohl zeigen sollen, wie man sich die Entstehung der Welt aus dem Geist vorzustellen habe, während in der Kosmologie mehr die materielle Entwicklung zur Geltung kommt: „Das Urprinzip ist eins, es bewegt sich nicht. Es erzeugt ein zweites, das zweite ist der Geist. — Der Geist erzeugt die Zahl, die Zahl erzeugt die Form, die Form erzeugt den Gegenstand."5) Mit etwas anderen Worten wird derselbe Gedanke so ausgedrückt: „Das Urprinzip bewegt sich nicht und ist die Natur.6) Wenn es hervortritt, so wird es Geist, der Geist wird Zahl, die Zahl Form, die Form Gegenstand. Der Gegenstand wandelt sich wieder und kehrt zum Geist zurück."7) Hiernach ist das Urprinzip ursprünglich übergeistig und im Zustande der Ruhe. Aus dieser heraustretend erscheint es als Geist, aus dem Geist entstehen die Zahlen, aus diesen die Formen und aus diesen die Dinge salbst. Von den Zahlen hat Schao Yung wie die Pythagoräer eine mystische Vorstellung, er faßt sie nicht nur als Begriffe, sondern als eine Art feiner Substanz auf. Sie bildet Formen, und diese werden mit Materie angefüllt. i) Hsing-li ta-tch'üan XIII, 17 a: fg fjg jg ft fy ^, ^ Jfc ·&> fig & ^ )& ^ ± g

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3) Hsing-li ta-tck'üan IX, 1 5 b : j § ^ i a Ä X i f t ± * . 3 5 * e Ä ' » ± * · ») Hsing-li ta-tch'üan X, 13b: fr *£ jfa % Jf ^ Jt * Jg. ff 2.flU& * *, *J ü üft ± ü $. tE l· fi/fii¥fT±>A*D*it*4. (Kuan-^u nei-p'ien IX). i) Hsing-li ta-tch'üan XII, 25 a: ;fc iffi St ± fä -flL, i : ^ > t ± ^ & ·

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(Kuan-wu wai-p'ien II). e ) Das Wesen der Dinge.

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II. Neukonfuzianer, Hsing-li-Schule: 1. Schao Yung

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In der Welt, wie sie jetzt besteht, hängt nun alles von der rechten Mitte oder dem Gleichgewicht ab, das Weltprinzip, welches wir aus dem Tschung-yung kennen1): „Der Ursprung von Himmel undErde geht vom Gleichgewicht aus, deshalb weichen auch Himmel und Erde bei ihren wechselseitigen Veränderungen niemals vom Gleichgewicht ab. Der Mensch lebt mitten zwischen Himmel und Erde, und sein Herz ist in seiner Mitte. Wenn die Sonne in der Mitte steht, ist sie am stärksten, und wenn der Mond in der Mitte ist, dann ist er voll. Deshalb schätzt der Edle die Mitte."2) Da Mitte im Chinesischen auch Herz bedeuten kann, das wiederum für Geist steht, so führt dieser Begriff Schao Yung zum Geist als dem höchsten Weltprinzip zurück. Er sagt darüber: „Die Lehre vom früheren Himmel ist die Manifestation des Herzens (Geistes), daher gehen die Skizzen von der Mitte (dem Herzen) aus. Alle Wandlungen und alle Ereignisse entstehen im Herzen."3) Die Skizzen sind die Diagramme im ersten Teile des Werkes. Unter dem „früheren Himmel" oder der früheren Himmelsordnung wird für gewöhnlich die Fu Hsi zugeschriebene Lokalisierung der acht Trigramme (Kua) nach den Himmelsrichtungen verstanden im Gegensatz zu der später von Wen-wang vorgenommenen Umstellung, der späteren Himmelsordnung.4) Schao Yung stützt sich auf Fu Hsi, verbindet aber doch mit den Worten anscheinend einen anderen Begriff, er bezeichnet als frühere Himmels- oder Weltordnung die rein geistigen Naturvorgänge der Weltschöpfung in den ersten Stadien, und als spätere Weltordnung die mehr materiellen späteren Umgestaltungen, welche einer empirischen Wahrnehmung zugänglich sein könnten.5) Das scheint aus der folgenden Definition hervorzugehen: „Die Lehre vom früheren Himmel betrifft das Herz (Geist), die vom späteren Himmel die äußeren Erscheinungen. Das Ein- und Ausgehen, Sein und Nichtsein, Leben und Sterben sind Tao."6) Sein und Nichtsein, Entstehen und Vergehen sind Fundamentalgegebenheiten, welche zur Sphäre vom Tao, das heißt vom Geist gehören und also in der Lehre von der früheren Himmelsordnung erörtert werden müssen. Ebenso wie den Begriff der rechten Mitte hat Schao Yung aus dem Tschungyung auch den Begriff tsch'eng entlehnt, der als ,Vollkommenheit' aufgefaßt ') Vergl. Gesch. d. alt. Chin. Phil. S. 164.

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) Hsieh Wu-liang, Gesch. chin. Phil. V, 15. 7 ) Wilhelm, Chin. Phil. S. 100.

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A. Die Nördliche Sung-Dynastic

nicht dafür erklärt habe, sondern die Sphäre der Natur und des Geistes, des Ichs und des Nichtichs trenne und beide Sphären anerkenne.1) Watanabe ist der Ansicht, daß Schao Yung wohl durch seine Untersuchungen zum Idealismus geführt werde, aber daß seine subjektive Überzeugung doch der Realismus sei.2) Es ist richtig, daß sich bei Schao Yung Pantheismus und Idealismus eng berühren, aber der Idealismus behauptet doch den Primat. Schao Yung behandelt die Natur, als ob sie real und wirklich so wäre, wie sie uns erscheint, aber er weiß doch, daß sie im Grunde nur ein Ausfluß unseres Geistesund Tao's ist. Man könnte wie bei Fichte von einem Real-Idealismus sprechen. B. K o s m o l o g i e . a) Die Entstehung der Welt aus dem Urprinzip. Schao Yung's Kosmologie ist der Naturlehre der Naturphilosophen ähnlich, aber viel phantastischer, auch wo sie scheinbar auf empirischem Boden ruht. Ein Dialog zwischen Holzhauer und Fischer möge als Einführung dienen: Der Holzhauer fragte: „Ich wage zu fragen, im Yiking kommt das Urprinzip vor.3) Was für ein Ding ist das Urprinzip ?" Der Fischer sagte: „Die Grundlage des Wu-wei.*) Das Urprinzip bringt die beiden Potenzen hervor." — „Bedeuten die beiden Potenzen Himmel und Erde ?" — „Die beiden Potenzen sind die Ahnen von Himmel und Erde und nicht lediglich Himmel und Erde. Das Urprinzip teilt sich in zwei Teile. Zuerst kommt der eine und gilt als der erste, dann wieder einer und gilt als der zweite. Beide zusammen sind die beiden Potenzen. Diese erzeugen die vier Gestaltungen." — „Was sind die vier Gestaltungen?" — „Die Urgestaltungen sind Yin, Yang, Härte und Weichheit. Sobald Yin und Yang vorhanden sind, kann der Himmel, und sobald Weichheit und Härte vorhanden sind, die Erde geschaffen werden."5) Unter den beiden Potenzen versteht man gewöhnlich Yin und Yang, Schao Yung aber bezeichnet damit Bewegung und Ruhe.*) Als die vier Gestaltungen gelten starkes und schwaches Yang, starkes und schwaches Yin, Schao Yung nennt so Yin, Yang, Härte und Weichheit und unterscheidet die vier Gestaltungen des Himmels und die vier Gestaltungen der Erde. Er sagt: „Yang vereinigt sich mit Yin und Yin mit Yang, daraus gehen die vier Gestaltungen des Himmels hervor. Die Härte vereinigt sich mit der Weichheit und die Weichheit ') 2 ) 3 ) 4 ) ·)

Takejiro, Gesch. chin. Phil. III, 28. Watanabe, Abriß Gesch. chin. Phil. III, 18. Gesch. alt. chin. Phil. S. 171. Die Grundlage des Wu-wei ist Too. Hsing-li ta-tch Ä £ =f- m % -&> - m — #, £ m % ± m a

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II. Neukonfuzianer, Hsing-li-Schule: 1. Schao Yung

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Neu ist der Gebrauch der Begriffe Bewegung und Ruhe, Weichheit und Härte, woraus Schao Yung Himmel und Erde, das heißt die Welt, entstehen läßt. Er glaubt, aus Eigenschaften der Dinge, wie Bewegung und Härte die Dinge selbst ableiten zu können, während ihr Wesen gerade in der Substanz ruht. Bewegung und Härte an sich gibt es gar nicht, sondern nur bewegte oder harte Körper, und da sie für sich gar nicht existieren, so kann auch nichts daraus entstehen. Um das Verhältnis zwischen Himmel und Erde klarzustellen, hat Schao Yung folgenden Dialog geschrieben: „Der Holzhauer fragte den Fischer: ,Worauf ruht der Himmel? — Jener erwiderte: ,Auf der Erde.' — ,Und woran hält sich die Erde ?' — ,Am Himmel.' — Jener sagte: ,Wie stützen sich Himmel und Erde und wie halten sie sich?' — Die Antwort lautete: ,Sie stützen und halten sich gegenseitig. Der Himmel ruht auf der Form, und die Erde hält sich an der Luft. Die Form hat Grenzen, die Luft ist ohne Grenzen. Das Sein und das Nichtsein erzeugen sich wechselseitig, Form und Luft gehen gemeinsam zu Ende. Nach dem Ende kommt wieder ein Anfang. Zwischen Anfang und Ende schweben Himmel und Erde."1) Der Himmel, eine mit Luft angefüllte massive Sphäre, ruht auf der Erde, und die Erde hängt in der Luft. So drückt die Luft auf die Erde und diese wieder auf die Luft. Wahrscheinlich nimmt Schao Yung an, daß Druck und Gegendruck einen Gleichgewichtszustand erzeugen. Der Luftraum ist unbegrenzt, also ist der Weltraum unendlich, aber Himmel und Erde sind begrenzt. Sie schweben zwischen Anfang und Ende in der Mitte, das bedeutet, sie sind endlich, haben einen Anfang und ein Ende, auf ihr Sein folgt wieder ein Nichtsein, aber daraus entwickelt sich ein neues Sein. Schao Yung nimmt Weltperioden, Yuan,2) von 129600 Jahren an. Es gab schon solche vor unserer jetzigen, und es werden noch andere folgen ohne Ende.3) Auf die Frage, ob es außerhalb unserer Welt noch andere Welten gäbe, und ob dort die Dinge von den unsrigen verschieden seien, gab der Philosoph die Antwort, daß das niemand wissen könne, weshalb es keinen Sinn habe, darüber zu reden.4) Himmel und Erde sind für Schao Yung nicht nur materielle Gebilde, der Inbegriff aller Dinge, sondern sie sind auch von einem Geiste belebt: „Der Geist des Himmels und der Erde ist der Ursprung, aus welchem alle Dinge hervorwachsen. Das Gefühl von Himmel und Erde ist eine Gefühlsäußerung, den Gefühlsäußerungen der Geister und Dämonen gleich."5) Es ist der Weltgeist, durch den hin') Hsing-li ta-tch'üan XIII, 4a: #6 %

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durch Too sich in der Welt objektiviert. Als Geist muß er auch Gefühle wie die anderen Geister und Dämonen haben, und wir können wohl hinzufügen, wie die Menschen, deren Geist ja, wie wir sahen, mit dem himmlischen identisch ist. c) Yin und Yang. Mit den sehr vieldeutigen Begriffen Yin und Yang jongliert Schao Yung mit großer Gewandtheit: „Vor der Existenz des Urprinzips, sagt er, schloß Yin das Yang in sich, nach der Erschaffung der Gestaltungen trennte sich Yang von Yin. Yin ist die Mutter des Yang und Yang der Vater des Yin."1) Vor dem Urprinzip war das Nichts, das wir als transzendentes Sein auffassen müssen, denn darin existierte bereits das Yin, welches das Yang potentiell in sich trug. Yin gilt als der Körper von Tao, denn es heißt an einer anderen Stelle: ,, Yang ist die Betätigung des Tao und Yin sein Körper."2) Yin ist die Mutter von Yang, da es dies schon im Uranfang in sich schloß, und Yang ist der Vater von Yin, insofern es, nachdem Tao sich zu betätigen begann, als Bewegung dem Yin, der Ruhe, voranging. Yang kann für sich allein nicht existieren, sondern bedarf dazu des Yin, das ihm als Basis dient. Yin kann von selbst nicht sichtbar werden, sondern bedarf dafür des Yang. „Das Yang erkennt man, Yin nicht, Yang kann man sehen, Yin nicht. Erkennen und Sehen verlangen ein Sein. Die Natur des Yang ist das Sein, die des Yin das Nichtsein. Das Yang breitet sich nicht nach allen Richtungen hin aus, wohingegen es keinen Ort gibt, wohin das Yin nicht gelangte. Yang entfernt sich, Yin bleibt immer an derselben Stelle. Was sich überallhin ausdehnt und immer an derselben Stelle bleibt, ist wirklich. Deshalb ist der Körper des Yang leer, der des Yin dagegen wirklich."3) Yang hat empirisches Sein, Yin empirisches Nichtsein, aber übersinnliches Sein. Yang als Bewegung breitet sich aus, aber gelangt nicht überall hin. Yin als transzendentes Sein ist überall, ohne sich zu bewegen, denn es bleibt immer an derselben Stelle, während Yang sich von seinem Orte entfernt. Yin ist wirklich, Yang nur phänomenal, also leer und unwirklich, denn als Bewegung hat es keinen Körper. Die Trennung von Yin und Yang führt zu den merkwürdigsten Resultaten, wofür leider Schao Yung wie für alle seine kühnen Behauptungen die Beweise schuldig bleibt. Er macht es wie seine Nachfolger, die auch die Intuition an Stelle der Logik treten lassen. Seine Worte lauten: „Das eine Fluidum teilt sich und wird zu Yin und Yang. Indem die Teilung so erfolgt, daß mehr Yang vorhanden ist, wird der Himmel, und indem mehr Yin vorhanden ist, wird die Erde.

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Wenn Yin und Yang je zur Hälfte vorhanden sind, entstehen Form und Stoff, wenn beide in verschiedenen Mengen vorhanden sind, scheiden sich Natur und Gefühl. Trennen sich Form und Stoff abermals und hat Yang das Übergewicht, so entsteht die Härte, wenn dagegen Yin vorherrscht, die Weichheit. Scheiden sich Natur und Gefühl noch einmal und ist mehr Yang vorhanden, so hat man Yang in der höchsten Potenz, ist mehr Yin vorhanden, so ergibt das den höchsten Grad von Yin."1) Die Form ist sichtbar und daher Yang, der Stoff an sich ist nicht sichtbar, daher Yin. Wir sehen nur seine Form. Die Menschennatur ist gut, daher Yang und die bösen Gefühle sind Yin, denn sie gelten im Allgemeinen als schlecht: „Yang ist die Natur und Yin das Gefühl. Die Natur ist Geist und das Gefühl Dämon."2) Das entspricht nicht der gewöhnlichen Anschauung, wonach der Geist erst durch den Tod zum Dämon wird. Yang soll das Leben und Yin den Tod beherrschen. Demgegenüber behauptet Schao Yung: „Wenn Yang kommt, herrscht Leben, wenn es fortgeht, Tod. Leben und Tod von Himmel und Erde und allen Dingen werden von Yang beherrscht. Sie gehen stets auf dies eine zurück."3) Yang&rtig ist auch die expansive Freude, denn Yang dehnt aus, und yina,Ttig ist Kummer und Not, denn Yin zieht zusammen wie der Kummer.4) Wir sahen, wie sich aus dem Urprinzip die einzelnen Teile von Himmel und Erde entwickeln sollten. Schao Yung gibt davon aber noch eine andere, abweichende Darstellung: „Das Yang im Yang ist die Sonne, das Yin im Yang der Mond, das Yang im Yin die Sterne und das Yin im Yin der Äther, Die Weichheit in der Weichheit ist das Wasser, die Härte in der Weichheit das Feuer, die Weichheit in der Härte die Erde und die Härte in der Härte das Gestein."5) Diese Erklärung muß aus einer anderen Lebenszeit stammen als die obige Skizze.6) Schao Yung hat wahrscheinlich seine Ansichten öfter etwas geändert. Die meisten dieser Behauptungen sind so wenig begründet, daß ein Abweichen davon sehr erklärlich ist. Es ist mehr ein Phantasieren und Schematisieren als logisches Denken. Die Gedanken wechseln kaleidoskopartig und schillern bald so, bald so. Die Entstehung des Feuers und des Wassers wird noch auf eine dritte Weise erklärt: „Das Feuer entsteht aus dem Nichtsein, das Wasser aus dem Sein."7) Das Feuer hat fast gar keinen Körper, es ist brennende Luft, gleicht daher etwas dem körperlosen Nichtsein, das in der Luft schon ein wenig materialisiert ist. Das Wasser ist sehr viel substantieller, wird daher vom Stoff liehen, vomSein abgeleitet.

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d) Zahlen. Schao Yung sagt, daß sich die Zahlen für die Gestaltungen des Himmels berechnen ließen, daß dagegen das Walten der Geister darin unberechenbar sei. Dementsprechend hat er den wichtigsten Dingen Zahlen hinzugefügt. Was er darüber sagt, ist für Nichteingeweihte unverständlich. In seiner Beurteilung des Schao Yung erklärt Tschu Hsi, seine ganze Methode beruhe auf Rechnen. Sehr gescheite und im Rechnen erfahrene Personen könnten sein Werk verstehen.1) Die Zahl des Himmels, heißt es, ist 5, die der Erde auch 5, zusammen 10, die Vollendung der Zahlen. Der Himmel ist l und seine Wandlungen sind 4. Die l ist körperlos, die 4 haben Körper.Davon sind 3 Betätigungen, l Nicht-Betätigung. Die körperlose l führt auf die Spontaneität, die nicht tätige auf Tao, die 3 Betätigungen auf Himmel, Erde, Mensch.2) Himmel bedeutet hier den Inbegriff der Welt, den Kosmos. Er besteht aus 5 Teilen. Der erste ist das nichttätige Tao, welches einen Körper, aber nur einen transzendenten besitzt. Der zweite Teil ist die körperlose Tätigkeit Tao's, die Spontaneität. Sie erstreckt sich auf den materiellen Himmel, die Erde und den Menschen, 3, 4, und 5, welche sie erschafft; l ist Tao, dasUrprinzip, l bis 4 sind seine Wandlungen. Yang hat die Zahl 9, Yin 6, das schwache Yang ist 7, das schwache Yin 8. Weiter werden den Trigrammen und den Hexagrammen Zahlen zugefügt. Von diesen ausgehend gelangt Schao Yung durch Multiplikationen und andere Operationen zu hohen Zahlen. Was sie bedeuten und wie sie gefunden sind, würde sich vielleicht durch gründliche SpezialUntersuchungen ermitteln lassen. Ob das Ergebnis die darauf verwandte Mühe lohnen würde, erscheint mir allerdings sehr zweifelhaft.3) Von besonderer Bedeutung für die Berechnungen scheint Schao Yung's Zeiteinteilung zu sein.4) Er rechnet: l Tag = 12 Doppelstunden l Yün = 12 Lebensalter l Monat = 30 Tage l Hui = 30 Yün l Jahr = 12 Monate l Weltalter = 12 Hui l Lebensalter = 30 Jahre Das Weltalter beträgt danach 129600 Jahre5) = 3602. C. P r a k t i s c h e P h i l o s o p h i e , a) Der Mensch und sein Geist. Der Mensch ist das edelste Geschöpf, aber es gibt große Unterschiede zwischen den einzelnen, sodaß einer so viel wert sein kann wie viele Millionen. Schao Yung 2 !) Nachtrag zu Hsing-li ta-tch'üan XIII, 23 b. ) XI, l a. 3 ) De Harlez, L'ficole philosophique moderne de la Chine, 1890. S. 78 erklärt Schao Yung's System für ein pythagoräisches von niederem Range. Ich bezweifle, daß er es verstanden hat. 4 ) Tschu Hsi im Nachtrag XIII, 21 a: j£, H > fl > *P, 1fr, 5Ü> 1f« 7C · 6 ) Vergl. oben S. 27.

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sagt: „Der Mensch ist das höchste Wesen, der Heilige ist der höchste Mensch. Das höchste Wesen kann man das Wesen der Wesen nennen, den höchsten Menschen kann man den Menschen der Menschen nennen,"1) und weiter:,,Der Mensch, welcher so viel wert ist wie Millionen Menschen, ist das nicht der Heilige ?"2) Zwischen dem Edlen und Gemeinen macht der Philosoph einen so fundamentalen Unterschied, daß er behauptet, der Edle sei bei der Geburt von dem guten Fawgf-Fluidum, der Gemeine von dem verderblichen Fm-Fluidum erfüllt.3) Das geht doch wohl etwas zu weit. Ganz allgemein gesprochen hat der menschliche Geist nach Schao Yung's Ansicht seinen Sitz im Lebenshauch und dieser im Körper: „Der Odem ist das Haus des Geistes und der Körper das Haus des Odems."4) Aber die einzelnen Teile des Geistes, von denen er wie üblich vier annimmt, wohnen in verschiedenen Organen: „Das Herz birgt den Geist, die Genitalien die Lebenskraft, die Milz die Seele und die Galle den Lebensgeist."5) Über ihre Tätigkeit äußert sich in einem Dialog der Fischer. Auf die Frage des Holzhauers: „Was nennt man einen Menschen?" antwortete er: „Wenn das Fluidum der Augen, Ohren, der Nase, des Mundes, des Herzens, der Galle, der Milz und der Genitalien intakt ist, so spricht man von einem Menschen. Das Geistige im Herzen heißt Geist, in der Galle Lebensgeist, in der Milz Seele und in den Genitalien Lebenskraft. Wenn der Geist des Herzens in die Augen dringt, so nennt man das Sehen, wenn die Lebenskraft der Genitalien in die Ohren dringt, so nennt man das Hören, kommt die Seele der Milz in die Nase, so heißt das Riechen, und wenn der Lebensgeist der Galle in den Mund gelangt, so bezeichnet man das als Sprechen. Wenn alle diese acht Dinge vorhanden sind, so spricht man vom Menschen."6) Arme Seele, welche nur riechen darf! Der Geist, welcher für gewöhnlich seinen Sitz im Herzen hat, soll nun aber auch im Körper umherwandern und sich zu Zeiten auch in Galle, Milz und Genitalien aufhalten, denn wir erfahren: „Der Geist ist der Beherrscher des Menschen. Wenn er anfängt zu schlummern, hat er seinen Sitz in der Milz, fest eingeschlafen in den Genitalien, wenn er im Begriff ist zu erwachen, in der Galle,7) und wenn er voll erweckt ist, im Herzen."8) Als Beherrscher des Menschen scheint der Geist eine gewisse Vormachtstellung gegenüber den drei anderen geistigen Hsing-li ta-tch'üan IX, 12a:

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Mächten zu haben. Andererseits aber lesen wir: „Der Geist hat keinen bestimmten Ort, und es gibt keinen, wo er sich nicht befände. Wenn ein Mensch mit einem ändern in Herzensgemeinschaft steht, so kommt das daher, daß sie ursprünglich vereint waren."1) Hiermit kann nur der Weltgeist gemeint sein, der überall und nirgends ist. Der Geist des Himmels soll in der Sonne seinen Sitz haben.2) Die Unsterblichkeit des Geistes wird von Schao Yung mit gewissen Einschränkungen bejaht: „Der Holzhauer fragte den Fischer: ,Die Menschen behaupten, daß man nach dem Tode noch Bewußtsein habe. Ist das so?' — Der Fischer sagte: ,So ist es'. ... ,So lange der Mensch lebt, bewegt sich sein Fluidum, wie man sagt, nach dem Tode dagegen kehrt sein Leib zurück. Indem das Fluidum sich bewegt, sind der Geist und die Seele mit dem Körper verknüpft, wenn der Leib zurückkehrt, dann bleiben nur die Lebenskraft und der Lebensgeist zurück. Der Geist und die Seele gehen in den Himmel, die Lebenskraft und der Lebensgeist kehren zur Erde zurück. . .. Der Mensch ist der Körper des Dämons und der Dämon der Schatten des Menschen. Die Menschen sagen, daß der Dämon keinen Körper und kein Bewußtsein habe. Ich glaube das nicht.'"3) Beim Tode steigen Geist und Seele zum Himmel empor, wo sie sich im YangFluidum verlieren. Bei der Leiche bleiben nur die Lebenskraft und der Lebensgeist zurück. Wenn der Leib zerfällt, werden sie zum Dämon. Der Dämon hat keinen Körper, er ist nur der Schatten des menschlichen Körpers, aber er hat Bewußtsein wie der Mensch, dem er früher angehörte. b) Der Mensch in Beziehung zu Himmel, Erde und Geistern. Zwischen dem Menschen und Himmel und Erde nimmt Schao Yung eine weitgehende Übereinstimmung an. Man könnte sagen, daß der Kosmos ein Riesenmensch sei. Wir hören: „Die Sonne ist das Herz, der Mond die Galle, die Sterne die Milz, der Äther die Genitalien, das Gestein ist die Lunge, die Erde die Leber, das Feuer der Magen, das Wasser die Blase."4) An einer anderen Stelle werden andere Ähnlichkeiten zwischen Makro- und Mikrokosmos aufgezeigt: Sonne, Mond, Sterne und Äther sollen die Organe des Himmels sein ebenso wie Ohren, Augen, Mund und Nase die des Menschen. Wasser, Feuer, Erde, Gestein sind wie Blut, Atem, Fleisch und Knochen. Yin, Yang, Weichheit und Härte werden dem menschlichen Lebensgeist, welcher die Organe und Bestandteile des Körpers beherrscht, verglichen.5) Das Yin und Yang des Himmels werden andererseits 2

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auch der Verderbtheit und der Rechtschaffenheit der Menschen gleichgesetzt, denn Yin gilt als schlecht und Yang als gut.1) Unter Umständen kann der Mensch für den Himmel eintreten, denn man sagt von ihm: „Seinen Geist kann er an die Stelle des Willens des Himmels setzen, mit seinem Munde für den Himmel sprechen, mit seinen Händen für den Himmel schaffen und mit seinem Körper für den Himmel tätig sein."2) Durch das /Schicksal wirkt der Himmel auf die Menschen ein. Das Schicksal ist im Grunde nichts anderes als Tao. Es regelt die Prinzipien der Dinge und die vom Himmel stammende Natur der Menschen.3) Denen, welche gute Grundsätze haben, verleiht es Glück, und auf diejenigen, welche ohne Grundsätze sind, sendet es Unglück herab.4) Aber nicht alles hängt vom Himmel ab. Reichtum und Ehre können die Menschen nicht durch eigene Kraft erwerben, sondern sie müssen abwarten, ob der Himmel sie ihnen verleiht. Umgekehrt ist es mit Ansehen und Verdienst, diese muß der Mensch sich selbst durch tugendhafte Handlungen erwerben. Sie hängen nur von ihm ab und nicht vom Himmel.5) Auch Geister und Dämonen wirken als Vollstrecker des Schicksals mit, indem sie den Guten Glück und den Bösen Unglück verleihen. Sie sind weise und gerecht.6) „Wenn ein Gedanke auftaucht, so können Geister und Dämonen ihn schon erkennen. Daher muß der Edle sich inachtnehmen, auch wenn er allein ist."7) Es hat keinen Zweck, zu den Geistern um Glück zu beten, denn das Tao des Himmels sendet es, wie es die Menschen verdienen. Dagegen können auch die Geister nichts ausrichten. Daß öfter die Bösen Glück und die Guten Unglück haben, ist Zufall, glücklicher und unglücklicher: „Glücklicher und unglücklicher Zufall ist Schicksal. Was so sein muß, oder nicht so sein muß, ist das Angemessene."9) Hier wird der Begriff des Schicksals modifiziert. Schicksal in diesem speziellen Sinne sind alle solche Geschehnisse, welche nach den Forderungen der Gerechtigkeit nicht sein sollten und die deswegen als Zufall bezeichnet werden. Was den menschlichen Taten entspricht und als gerecht erscheint, wird das Angemessene genannt: „Wenn einem Gemeinen Glück zuteil wird, so ist das nicht angemessen, es ist Schicksal. Das Angemessene wäre, daß er Unglück hätte, und das wäre kein Schicksal. Wenn dagegen einen Edlen Unglück trifft, so ist das nicht angemessen, sondern Schicksal. Wenn er Glück hätte, wäre das angemessen und kein Schicksal."9) !) X, Ib.

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c) Erkenntnis. Über das Studium hat Schao Yung folgenden schönen Ausspruch getan: „Wenn das Studium nicht zur Begeisterung führt, so verdient es seinen Namen nicht."1) Sonst äußert er sich zu dieser Frage weniger, um so mehr aber hat er sich mit dem Erkenntnisproblem beschäftigt. Dafür gibt er eine beherzigenswerte Warnung: ,, der Wissenschaft von den Prinzipien der Dinge kann man manches nicht verstehen. Man darf nicht versuchen, es mit Gewalt zu verstehen. Wenn man es gewaltsam verstehen will, dann tritt das Ich dazwischen, und in dem Falle verliert man die Prinzipien und gelangt zu Künsteleien."2) Leider hat er selbst diese Warnung sehr wenig beachtet und ist durch seinen überspannten Subjektivismus zu sehr viel verkehrten Ideen gekommen. Wie soll man nun die Dinge betrachten? „Wenn man sagt: die Wesen betrachten, so bedeutet das nicht, daß man sie mit den Augen betrachtet. Wenn man sie nicht mit den Augen betrachtet, so betrachtet man sie mit dem Geiste, und wenn man sie nicht mit dem Geiste betrachtet, dann betrachtet man sie mit der Vernunft." So erkennt man ihre Natur.3) Erklärend bemerkt dazu Schao Po-wen: „Wenn man die Wesen mit den Augen betrachtet, dann sieht man nur ihre Gestalt. Wenn man sie mit dem Geiste betrachtet, so erkennt man ihre Gefühle, und betrachtet man sie mit der Vernunft, so erkennt man ihre Natur."4) Um das Wesen der Dinge zu erkennen genügt es nicht, sie nur anzuschauen, man muß darüber nachdenken, aber es ist wohl kaum .nötig, dann noch einen Unterschied zwischen Geist und Vernunft zu machen, jedenfalls kann man mit dem Geiste nicht speziell die Gefühle der Wesen erkennen, wie Schao Po-wen meint. Bei der Betrachtung der Dinge ist nun noch ein anderer Gesichtspunkt zu beachten. Schao Yung spricht von umgekehrter Betrachtung, Fan-kuan,5) wenn man die Dinge nicht von sich aus, sondern von den Dingen aus betrachtet.6) „Das was die Dinge von den Dingen aus betrachtet, ist die Natur, was sie vom Ich aus betrachtet, das Gefühl. Die Natur ist gerecht und klar. Das Gefühl ist parteiisch und dunkel."7) Wie der Kommentar sagt, ist man zur umgekehrten Betrachtung fähig, wenn man sich der Vernunft bedient. Dann wird das Ich ausgeschaltet, wodurch unser Urteil so oft gefälscht wird. Schao Yung versteht unter Fan-kuan jedenfalls die objektive, im Gegensatz zur subjektiven Betrachtung. Man versetzt sich dabei in das Objekt hinein und Hsing-li ta-tch'üan XII, 9a:

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sucht sich von allen persönlichen Interessen, allen Vorurteilen und Abneigungen welche so leicht den Blick trüben, frei zu halten. Die Betrachtung darf nicht gefühlsbetont sein. Schao Yung hält die objektive Betrachtung für möglich, wenn man sie nur ausübt durch die gute Natur und alle Gefühle bei Seite läßt. Für die Natur setzt Schao Po-wen die Vernunft ein, das heißt, die reine Vernunft, das gänzlich ichfreie logische Denken. Der Mensch würde mit seiner eigenen Erkenntnis, sei sie nun subjektiv oder objektiv, nicht weit kommen, wenn ihm nicht auch das Wissen seiner Mitmenschen zur Verfügung stände: „Ich weiß", sagt Schao Yung, „daß ich ein Mensch bin, und daß die Menschen wie ich sind. Ich und die anderen Menschen sind alles Wesen."1) Aus dieser Gleichartigkeit aller Menschen zieht nun der Philosoph den Schluß, daß auch ihre Erkenntnisse gleichartig sein müssen, und daß jeder sie benutzen kann. An den zitierten Satz anschließend fährt er fort: „Das ist der Grund, weswegen ich die Augen der Welt als eigene gebrauchen kann, und es gibt nichts, was diese Augen nicht sähen. Ich kann die Ohren der Welt als eigene benutzen, und es gibt nichts, was diese Ohren nicht hörten. Ich kann die Münder der Welt wie meinen eigenen verwenden und kann alles damit reden, und ich kann den Geist der Welt als den meinigen gebrauchen, und es läßt sich damit jeder Plan fassen."2) Auf jeden Fall komme ich weiter damit, als wenn ich nur auf meine eigenen Wahrnehmungen und Willensäußerungen beschränkt wäre. Daß man die Ansichten anderer nicht ohne Prüfung übernehmen soll, ist selbstverständlich, aber sehr vieles ist bereits zum Allgemeingut der Menschheit geworden und bedarf keiner Nachprüfung mehr, in den meisten Fällen wäre man auch gar nicht dazu imstande. d) Handeln. Schao Yung glich mehr dem Lao-tse als dem Kfung-tse\ er war ein Grübler, kein Mann der Tat und hatte daher für das Handeln wenig Interesse. Nicht-Denken und Nicht-Handeln gilt ihm als das höchste Ziel von Too, dem der Mensch nachstreben sollte. „Was der Vernunft gemäß ist, sagt er, ist Nicht-Handeln, das Gewaltsame ist Handeln."3) Immerhin gibt er dem Handeln vor dem bloßen Reden den Vorrang, indem er sich, wie folgt, äußert: „Wenn das Reich wohl geordnet sein wird, dann legen die Menschen das Hauptgewicht auf das Handeln, wenn Wirrnisse bevorstehen, dann ist für sie das Reden die Hauptsache. Gilt es zu handeln, dann herrscht das Bestreben, der Wahrheit zum Siege zu verhelfen, gilt es zu reden, dann ist Lug und Trug an der Tagesordnung. Wenn das Reich gut geleitet sein wird, dann erscheint den Menschen Gerechtigkeit als das Wichtigste,

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wenn dagegen der Verfall des Reiches bevorsteht, dann denken alle nur an ihren eigenen Vorteil. Mit der Gerechtigkeit gehen Selbstlosigkeit und Opferwilligkeit Hand in Hand, das Streben nach Vorteil dagegen führt zu Raub und Gewalttätigkeiten."1) Wir sehen hieraus, daß Schao Yung trotz seiner Hinneigung zum Taoismus doch der konfuzianischen Ethik nicht fern steht. D. Schao Y u n g ' s S t e l l u n g zu ä n d e r n P h i l o s o p h e n . Obgleich Schao Yung sehr wenig in K'ung-tse's Fußstapfen wandelt, so erscheint ihm dieser doch als der größte Weise, denn nur so läßt sich der folgende Ausspruch verstehen: „Die Menschen sagen, es sei zu bedauern, daß K'ung-tse kein Land besaß. Ich hingegen bin anderer Meinung. Für einen Beamten gelten hundert Mou als Landbesitz, für einen Großbeamten hundert Li, für einen Lehnsfürsten sein Territorium und für den Sohn des Himmels die neun Provinzen. Bei K'ung-tse treten zehntausend Generationen an Stelle des Landbesitzes.2) Wenn dem so ist, dann darf man auch den Ausspruch des Meng-tse, daß, seitdem Menschen geschaffen sind, noch niemand dem Kfung-tse gleichgekommen ist, nicht für eine Übertreibung halten."3) Auch sonst wird Konfuzius öfter gerühmt, aber Lao-tse und Tschuang-tse ebenfalls, deren Denkweise der des Schao Yung mehr entspricht. Für Buddha scheint er wenig Interesse zu haben: „Buddha", sagt er, „verschmäht die Lehre von Fürst und Untertan, Vater und Sohn, Gatte und Gattin.4) Wäre das wohl das natürliche Prinzip?"5) Von den späteren Philosophen schätzt Schao Yung besonders Yang Hsiung und Wang T'ung.6) Von ersterem heißt es: „Als Yang Hsiung das T'ai-hsüan tching verfaßte, kann man sagen, daß er das Herz von Himmel und Erde sah."7) Yang Hsiung's Werk hat mit Schao Yung's Berechnungen eine gewisse Ähnlichkeit. Es gab niemand, behauptet unser Philosoph, der wie Wang T'ung das Tao der Könige zur Zeit des Tsch'un-tch'iu abwägen konnte.8)

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&> 5*c i» tu i'j A & tä m -&, fö ü> au m m ± ft n > $t m, m m m ± mir) K'ung-tse's mLehre beherrscht die zehntausend Generationen. Ganz so lange hat es 2

nicht gedauert, denn seit 191 1 ist die Vorherrschaft des Konfuzianismus gebrochen.

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) Die Familienbande und die Bindungen im Staatsleben sind durch den Buddhismus gelöst. «) Vergl. Gesch. d. mittelalterl. chin. Phil. S. 180, 274—282, 289, 301. ') Hsing-li ta-tch'üan XII, 8b: H, fäft ±·£ * ffl* JL %. & 2. 'ff

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II. Neukonfuzianer, Hsing-li-Schule: 1. Schao Yung

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III. Zur Beurteilung Schao Yung's. Seinen Zeitgenossen galt Schao Yung als ein Weiser, wozu wohl besonders seine starke, eigenartige Persönlichkeit beitrug. Tsch'eng Hao sagte, als er ihn kennen gelernt und sich einen Tag lang mit ihm unterhalten hatte, seine Lehre sei die eines Heiligen und eines Königs, und sein Wissen übertreffe das anderer Menschen. Er sehe schon voraus, was kommen würde. Tschfeng I erklärte, sein Geist sei hell und klar, deshalb verstehe er alles.1) Tschang Min,2) der ein jüngerer Zeitgenosse gewesen zu sein scheint, rühmt seinen großen Gedankenreichtum und spricht von seinem herrlichen und bedeutenden Werk, das alle Fragen erschöpfend behandle. Seine Schreibweise sei kurz und gedrängt und der Sinn oft dunkel.3) Der Philosoph Yang Schi*) weist darauf hin, daß Schao Yung von vielen Dingen gesprochen habe, welche Konfuzius noch nicht erwähnte. Seine historischen Ausführungen seien sehr treffend, und er bedauere, daß er nicht sein Schüler habe sein können.5) Nach Tschu Hsi besaß Schao Yung große natürliche Anlagen und war ein Denker besonderer Art. Andere erkannten den Willen des Himmels durch die Vernunft, Schao Yung hatte dafür eine besondere Technik, die auf Rechnen beruhte.6) In neuerer Zeit haben De Harlez und Zenker ziemlich abfällig über den Philosophen geurteilt. De Harlez sieht in seinem System nur einen Pythagoreismus niederen Ranges,7) für Zenker ist seine Philosophie nur ein wenig ansprechendes Gemenge nüchternster Ausleger-Gelehrsamkeit und abenteuerlichster Mystik, beide auf das geduldige Yiking gestützt.8) Ganz anders urteilt Watanabe, der Schao Yung für einen umfassenden Geist und großen Denker erklärt. Viele Fragen habe er intuitiv beantwortet, aber auch heute seien wir noch nicht viel weiter. Sein Weltsystem, das freilich nur auf Intuition nicht auf Erfahrung beruhe, findet er sehr ansprechend. Es soll eine gewisse Ähnlichkeit mit dem des Newton haben.9) Die beiden Tsch(eng und Tschu Hsi zitierten ihn häufig und hätten viel von ihm übernommen. Wenn wir Schao Yung in gerechter Weise würdigen wollen, dürfen wir nicht dieselben Forderungen an ihn stellen wie an einen europäischen Philosophen, sondern müssen ihn innerhalb seines eigenen Kulturkreises betrachten, dessen Produkt er ist. Legen wir diesen Maßstab an, so erscheint er uns als ein genialer Denker mit einer Fülle eigener Ideen, wie es unter den Chinesen kaum einen zweiten gibt. Sein großer Fehler ist sein Schematisieren. Von wenigen Prämissen 2 3 !) Sung-schi Kap. 427 S. 19b. ) ^g Jif. ) Hsing-li ta-tch'üan XIII, 20a, 4 6 ) (1053—1135), vergl. S. 104. ) XIII, 20b. «) XIII, 23b. ') De Harlez a. a. O. S. 78. 8 ) Zenker II, 237. Zenker kennt den Philosophen wohl nur aus der unzulänglichen Übersetzung eines Auszugs seiner Werke, welche De Harlez in seiner 6cole philosophique moderne de la Chine gibt. ») Watanabe III, 16fg.

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

ausgehend konstruiert er sich eine Welt, ohne zu prüfen, ob seine Resultate mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmen; er will alles errechnen, noch dazu mit einer gänzlich unzulänglichen Methode. Aus dem reichen Schacht seines Geistes hat er viel wertloses Gestein zu Tage gefördert, aber doch auch manche Goldklumpen, die ihm einen Anspruch darauf geben, unter den großen Philosophen seines Landes genannt zu werden. Wenn er auch nicht zu dem Hauptzweig der neukonfuzianischen Metaphysiker gehört, so hat er doch auf diesen einen großen Einfluß ausgeübt. Viele seiner Gedanken sind von diesem übernommen worden oder haben befruchtend gewirkt. Seine Bedeutung für die Hsing-li -Schule erhellt schon aus der Tatsache, daß sein Hauptwerk im Hsing-li ta-tch'üan, dem Lehrbuch der H sing-U-Schule, welches der dritte Kaiser der .d/iwgr-Dynastie zusammenstellen ließ. Aufnahme fand.

2. Schao Po-wen 1057—1137. Schao Po-wen1) mit dem Beinamen Tse-wen2) ist der Sohn des Schao Yung und wurde in Loyang geboren. Er hörte bei seinem Vater und wurde sein bedeutendster Schüler. So lernte er auch Sse-ma Kuang und die Brüder Tsch'eng kennen und vermittelte ihren Verkehr mit seinem Vater. Als Sse-ma Kuang Minister geworden war, wollte er ihn für den Staatsdienst empfehlen, aber er starb darüber hin. Es gelang Schao Po-wen eine Anstellung zu erhalten. Da er mit den Günstlingen des Kaisers, Tschang Tun3) und T'ung Kuan*) nicht in Berührung kommen wollte, so diente er meistens in denProvinzen. Als im Jahre 1125 gerade Aufruhr herrschte, ließ er sich auf eine Mission nach Schu5) schicken, wohin er sich mit seiner Familie begab. Dort war noch Frieden. Schao Po-wen schrieb das Ho-nan tchi, eine Sammlung aus Honan, das Wentchien lu, Aufzeichnungen, das Huang-tchi hsi-schu, Erklärungen zum erhabenen Prinzip, ein philosophisches Werk, das Pien-wu, Bekämpfung von verkehrten Behauptungen und das Pien-huo, Bekämpfung von Irrtümern.6) Außerdem gab er das Huang-tchi tching-schi schu seines Vaters mit einem Vorwort heraus und kommentierte den Teil Kuan-wu nei-pHen.7) Schao Po-wen vertritt die Philosophie seines Vaters, die er in einigen Punkten weitergebildet hat. Er zeigt eine noch größere Hinneigung zum Taoismus als Schao Yung. Wir wollen besonders die Abweichungen hervorheben. ')4 SB S.·

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Kuan-wu wai-p'ien, Schao Yung's Aussprüche, kommentiert haben. Das Hsing-li ta-tch'üan enthält aber nur einen Kommentar zum Nei-p'ien.

II. Neukonfuzianer, Hsing-li- Schule: 2. Schao Po-wen

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Die Welt entsteht nach Schao Po-wen in folgender Weise: ,, erzeugt das Eine, das ist das Urprinzip. Das Eine erzeugt zwei, das sind die zwei Potenzen. Die zwei erzeugen vier, das sind die vier Gestaltungen. Die vier erzeugen acht, das sind die acht Trigramme. Die acht erzeugen vierundsechzig ; sobald diese vollendet sind, ist der Lauf von Himmel und Erde und von den zehntausend Dingen vollbracht. Himmel und Erde und die zehntausend Dinge haben alle in eins ihren Grund. Durch die Entfaltung von eins entstehen zehntausend, und wenn die Zahlen der Welt erschöpft sind, so kehren sie wieder zur eins zurück." „Was ist dieses Eine ? Der Geist von Himmel und Erde,1) der Ursprung der Schöpfung. Nur der Mensch schafft Himmel und Erde, vereinigt sich mit den zehntausend Dingen und kommt dem Urprinzip an Tugend gleich. Das Volk macht täglich davon Gebrauch, ohne es zu wissen. Der Edle kehrt zu seinem Selbst zurück und vervollkommnet es. Der Heilige verläßt sich auf seine Natur und folgt ihr. Deshalb betrachtet der Heilige sich als eines Wesens mit Himmel und Erde und eines Körpers mit den zehntausend Dingen."2) Nach Schao Yung's Ansicht ist Tao und das Urprinzip dasselbe, Schao Po-wen läßt Tao erst das Urprinzip hervorbringen,3) das also die erste Manifestation Tao's ist. Dann stimmt eigentlich der Name Urprinzip nicht mehr. Im Kommentar sagt Schao Po-wen: „Das aus dem Chaos gebildete eine Wesen heißt das Urprinzip."4) Unter Chaos ist aber nicht etwas Materielles zu verstehen, sondern ein Zustand, welcher potentiell die Keime aller zukünftigen Dinge, Formen, Yin und Yang und Substanzen, aber nicht diese selbst enthält. Dieser eine, noch nicht differenzierte Zustand ist der Geist von Himmel und Erde, welcher aus sich heraus die Welt schafft. Ihrem Wesen nach ist also die Welt etwas Geistiges, nichts Materielles. Schao Po-wen ist Idealist wie sein Vater, denn auch er glaubt, daß der Mensch als Tao oder Geist die Welt hervorbringt. Alle Dinge sind Erzeugnisse seines Geistes, auch sein eigener Körper, und so kann er sich mit den zehntausenden Dingen vereinigen und Himmel und Erde als wesensgleich ansehen. Über das zeitliche Verhältnis des Urprinzips und seiner Schöpfung äußert sich Schao Po-wen wie folgt: „Das Urprinzip ist vor Himmel und Erde und gilt doch nicht als früher, es ist nach Himmel und Erde und gilt doch nicht als später. Es beendet Himmel und Erde und ist doch niemals zu Ende gewesen, es beginnt mit Himmel und Erde und hat doch niemals begonnen. Es ist mit Himmel *) Der Weltgeist. 2 ) *! n Li-teüek tsung-tsclman V, 56b : Jf| £ — , _ ^ -^ ^ % „ £ - > H $

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und daß erst Schao Po-wen das Urprinzip des Tschou-tse an seine Stelle gesetzt habe, ist unrichtig. De Harlez S. 79. ·) Hsing-li ta-tch'üan IX, 5a: ig jft —fift,(B ± * »·

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

und Erde und mit allen Dingen zusammengeflossen und in innigster Verbindung, so daß es niemals ein früher oder später, Anfang und Ende hatte."1) „Wenn das Urprinzip vorhanden ist, dann sind auch die beiden Potenzen, die vier Gestaltungen, und die acht Trigramme vorhanden, und Himmel, Erde und die zehntausend Dinge sind alle vollständig da. Man kann nicht etwa sagen, heute ist das Urprinzip vorhanden und morgen kommen die beiden Potenzen hervor, übermorgen dagegen auch die vier Gestaltungen und die acht Trigramme. Wenn man auch sagt, daß das Urprinzip die beiden Potenzen hervorbringe, diese die vier Gestaltungen und diese die acht Trigramme schaffe, so sind doch in Wirklichkeit alle diese Dinge gleichzeitig vollständig vorhanden, ebenso wie, wenn ein Körper vorhanden ist, auch sein Schatten da ist. Gibt es eins, so gibt es auch zwei, drei bis in die Unendlichkeit. Für alle gilt das Gleiche." „So wissen wir denn, daß schon, ehe es Dinge gab, das Urprinzip aus dem Chaos entstanden da war, und daß auch nach der Erschaffung der Dinge es nichts einbüßen wird. Von ältester Zeit bis jetzt ist es stets da gewesen und nichts fehlt in ihm."2) Diese Ausführungen bestätigen das bereits Gesagte. Das Urprinzip geht der Welt als Erscheinung zeitlich voran, aber als Anlage ist sie bereits vollständig im Urprinzip enthalten, denn das Prinzip ist mit Himmel, Erde und allen Dingen aufs Engste verwoben, die, wenn auch in anderer Form, immer vorhanden waren. Die Schöpfung ist daher nicht die Schaffung von etwas ganz Neuem, sondern nur die Weiterentwicklung oder Umgestaltung von etwas längst Vorhandenem. Die Sache wird noch einfacher, wenn man wie Schao Po-wen die Wirklichkeit der Zeit überhaupt leugnet. Schao Yung erklärt, daß es Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nur von meinem Standpunkt aus, das heißt von der Gegenwart ausgehend gibt. Für die Vergangenheit ist die Gegenwart Zukunft und für die Zukunft Vergangenheit. Daraus zieht Schao Po-wen in seinem Kommentar den nicht richtigen Schluß, daß es vom Standpunkte Tao's, also für Tao weder Gegenwart, noch Vergangenheit, überhaupt keine Zeit gäbe.3) Da die Dinge aus Tao hervorgehen, so glaubt Schao Po-wen, daß man auch Tao als ein Ding bezeichnen könne. Aus den Dingen erkenne man Tao und aus Tao die Dinge: „Das Erhabene, im Gleichgewicht Befindliche, ganz Richtige, dem Wechsel Entsprechende, Raumlose nennt man Tao. Wenn man Tao durch Tao erklären will, so läßt es sich nicht erklären, wenn man dagegen Tao durch *) Hsing-li ta-tch'üan IX, 6a und Li-hsüeh tsung-tschuan V, 57a:

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II. Neukonfuzianer, Hsing-li-Schule: 2. Schao Po-wen

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die Dinge erklärt, dann wird es sichtbar. Die Dinge sind der Körper Tao's. Sie entstehen durch Too und dieses formt sie. Too ändert sich und wird zu den Dingen, und diese gestalten sich und werden zu Tao. Daraus ersieht man, daß auch Tao ein Ding ist, und daß auch die Dinge Too sind. Wer könnte einen Unterschied erkennen ?1) „Daher muß, wer Tao gut zu schauen versteht, von den Dingen Gebrauch machen, und wer die Dinge zu schauen vermag, muß sich Tao's bedienen. Wenn man sagt, nach Erlangung von Tao könne man die Dinge vergessen, so ist das richtig, will man aber die Dinge fernhalten und Tao finden, so ist das ein eitles Unterfangen."2) Schao Po-wen hält Himmel und Schicksal, Natur (Charakter) und Geist für ein und dasselbe. Im Grunde genommen sind alles verschiedene Erscheinungsoder Betätigungsformen des Geistes. Seine Worte lauten: „Das was den zehntausend Dingen stets verliehen wird, nennt man Schicksal, das, worin sie immer ihren Grund haben, heißt Natur, das, was sie stets regiert, nennt man Himmel, und das, wodurch sie leben, bezeichnet man als Geist. In Wirklichkeit ist alles dasselbe. Die Heiligen des Altertums erforschten das Vernunftprinzip und ergründeten ihre Natur und gelangten dadurch zum Schicksal, und indem sie ihren Geist ergründeten, lernten sie ihre Natur kennen und dadurch auch den Himmel. Sie bewahrten ihren Geist und pflegten ihre Natur und dienten so dem Himmel.3) Alles führt schließlich darauf zurück."4) Unter Vernunftprinzip ist wohl Tao zu verstehen. Schao Po-wen's starke Hinneigung zum Taoismus zeigt sich dadurch, daß er viel mehr als sein Vater das Nichtsein oder die Transzendenz nicht nur Tao's, sondern auch des Geistes betont. „Himmel und Erde," sagt er, „haben den NichtGeist als Geist, denn womit könnte der Himmel Geist in sich fassen ? 5 ) Deshalb kann der Mensch nur, wenn auch er Nicht-Geist besitzt, diesen an Stelle des himmlischen Willens setzen. Wie könnte der Himmel sprechen ? Die vier Jahreszeiten rollen ab, und hunderterlei Wesen werden erschaffen. Wie könnte der Li-hsüeh tsung-tschuan V, 56a: ->;

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) Die Natur ist der Geist oder der Himmel. Durch ihre Pflege dient man also dem Himmel. «) Hsing-li ta-ich'üan IX, 6a: $ tfo M ft ^ & ,flljff ± . £ * 3& W * #,

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) Der Himmel hat keinen Körper und keine Organe wie der Mensch, in denen der Geist seinen Sitz haben könnte.

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

Himmel sprechen l1) Daher kann der Mensch nur, wenn er das Nicht-Sprechen versteht, für den Himmel sprechen. Die Wolken ziehen, der Regen strömt und mannigfache Arten von Wesen gleiten vorüber und nehmen Gestalt an. Wie sollte der Himmel handeln ? 2 ) Deshalb kann der Mensch nur, wenn er nicht handelt, für den Himmel schaffen und tätig sein."3) Der Mensch besitzt Nicht-Geist in Tao, das seinen Individualgeist erfüllt. Es ist nicht ein Geist im gewöhnlichen Sinne, nicht gebunden an einen Körper oder Raum und Zeit, sondern überweltlich. Auch seine Tätigkeit ist transzendent. In Wirklichkeit setzt der Mensch diesen Geist gar nicht an Stelle des himmlischen, denn beide sind identisch. Diesen Gedanken hat Schao Po-wen weiter ausgesponnen. Anknüpfend an die Feststellung seines Vaters, daß es keine Dinge, keine Menschen und kein Ich gibt,4) fährt er fort: „Daher kann man das Auge der Welt als eigenes Auge, das Ohr der Welt als eigenes Ohr,5) den Mund der Welt als eigenen Mund und den Geist der Welt als eigenen Geist gebrauchen. Wenn man Ohr, Auge, Mund, und Geist der Welt vereinigt, ist es dann nicht umfassender, größer, erhabener und weiter als das Hören, Sehen, Planen und Diskutieren ? Aber, wenn man das Hören, Sehen, Planen, Diskutieren der Welt an Stelle seines eigenen Hörens, Sehens, Planens, Diskutierens setzt, was tut man dann ? Das Nichtstun und weiter nichts. Daher wird gesagt: ,Man vermag die umfassendste, weiteste, erhabenste und größte Tat zu tun, aber dabei ist nicht das geringste Tun. Wird das nicht als der höchste Grad der Geistigkeit und Heiligkeit bezeichnet ? Damit ist alles, was in der Welt getan werden kann, zum Abschluß gebracht. Daher heißt es: ,Über das hinaus gibt es nichts in Zukunft." 6 ) Ein Weltauge und ein Weltohr gibt es natürlich nicht, damit soll nur das übersinnliche Wahrnehmungsvermögen des Weltgeistes bezeichnet werden. Er handelt durch Nichthandeln, sieht durch Nichtsehen und hört durch Nichthören auf eine für uns unfaßliche Weise. Wenn ein Mensch das Gleiche tut, hat er den höchsten Grad der Geistigkeit und Heiligkeit erreicht. Kann er das ? Nach taoistischer Auffassung, ja, durch mystische Vereinigung mit Tao, durch innere Schau oder intellektuelle Anschauung. *) Der Himmel läßt die Jahreszeiten abrollen und schafft darin unzählige Wesen, aber er spricht nicht dabei. 2 ) Das Wirken des Himmels in der Natur ist kein Handeln wie die menschliche Tätigkeit. ») Hsing-li ta-tcKüan IX, 13b: ^ Jft \& 4ffi ,& J§ -fr » ^ H §f ^ ·{? nfe. tä. Vfc fä

us & , m '& n ^ Ä» ^ M -s a, m BtD ff m , w 75 ü $ *· ) Tschu Hsi sagt in seinem Kommentar, daß Himmel und Erde hier Tch'ien und K'un und nicht T'ien und Ti genannt würden, weil sie als geistige Wesen, nicht materiell aufgefaßt würden : ^ j£ ^ Jg f$ ^, $£ t$ %. ft ft j&. 2

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) Die bekannte Etymologie: jpjä = /( , fa = j 5 ) II, 25a: jjj$ fa ^ J· ig R}, * J. — jjg B

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II. Neukonfuzianer, Hsing-li-Schule: 4. Tschang Tsai

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Deshalb nennt man das, was die Dinge wunderbar beeinflußt, Geist, was sie durchdringt, Tao, und was sie erfüllt, Natur."1) Der Geist ist die reinste Form des Fluidums und er ist auch stets in den aus dem Fluidum entstandenen Dingen: „Alles, was erscheinen kann, existiert. Alles, was existiert, hat Gestalt, und alle Gestalten bestehen aus einem Fluidum. Die ursprüngliche Natur des Fluidums ist die Leere und der Geist. Also ist Geist und Natur stets mit dem Fluidum verbunden. Deswegen erfüllen Geister und Dämonen alle Dinge und können nicht fortbleiben."2) Geister und Dämonen sind von dem einen Weltgeist nicht verschieden, nur besondere Äußerungen desselben. Es sind die in den beiden Fluida Yin und Yang wirksamen Kräfte, welche namentlich das Ausdehnen und Sichzusammenziehen dieser Substanzen hervorrufen:3) Geister und Dämonen sind außerordentliche Fähigkeiten der beiden Fluida... „Geist ist eine Bezeichnung für das geheimnisvolle Wirken der großen Leere. Die Formen und Gestaltungen des Himmels und der Erde sind die von den Wandlungen der Geister übrig gebliebene Hefe."4) Unter Formen und Gestaltungen sind die von Himmel und Erde geschaffenen Dinge zu verstehen. Sie sollen der Abfall, die Reste sein, welche von der Tätigkeit der Geister übrig bleiben. Das erinnert etwas an Schelling's Ausspruch, daß die Materie erloschener Geist sei. Obgleich Tschang-tse an die Existenz von Geistern glaubt, die er allerdings mehr oder weniger in Naturkräfte umgedeutet hat, so steht er doch den Berichten über Geistererscheinungen sehr skeptisch gegenüber und scheint das Fortleben der Seele nach dem Tode zu bezweifeln. Geister, sagt er, kann man nicht sehen, trotzdem behaupten manche, sie gesehen zu haben. Geister und Dämonen sollen ähnliche Wesen sein wie die Gottheiten von Himmel und Erde, da sie keinen Körper haben, andererseits aber doch dieselben Handlungen und Bewegungen wie Menschen ausführen. Wie ist es möglich, fragt er, daß die Geister der Verstorbenen die Fähigkeiten des Himmels und der Menschen vereinigen ? Wenn man annimmt, daß die Menschen nach dem Tode noch Bewußtsein behalten, warum spricht eine verstorbene Mutter, die ihren Sohn sehr geliebt hat, nicht durch andere Menschen als Medien zu ihm oder beauftragt diese im Traume, ihn zu trösten ? — Man sagt ferner, daß die Verstorbenen den Guten Glück brächten und den Schlechten Unglück. Wie kommt es, daß viele für ein kleines Vergehen die schwerste Strafe trifft und daß anderen, welche große Dummheiten begangen haben, außerordentliches Glück zuteil wird ? — Außerdem heißt es, daß der Geist eines Verstorbenen als Rächer erscheinen könne.

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

Warum hat dann der Kaiser Erh-schi huang-ti (209—206 v. Chr.) den Eunuchen Tschao Kao, der ihn ermorden ließ, nicht bestraft und T'ang Kao-tsung die furchtbare Kaiserin Wu-Hou (684—710 n. Chr.) nicht zur Verantwortung gezogen? — Man ist der Meinung, daß, was so viele berichtet hätten, nicht vollständig falsch sein könne, aber, entgegnet Tschang Tsai, warum haben K'ung-tse, Meng-tse und ihre Nachfolger Hsün-tse, Yang Hsiung, Wang Tschung-yen und Han Yü nichts über die Geister der Verstorbenen geschrieben ? Selbst diejenigen, welche zu seiner Zeit an Geister glaubten, sagten nicht, daß sie sie selbst gesehen hätten.1) Tschang-tse unterscheidet beim Menschen die Seele und den Lebensgeist. Der Lebensgeist bildet den Körper und verläßt ihn auch beim Tode nicht, während die Seele dann verschwindet und sich auflöst: „Das Fluidum, welches den Menschen bei Lebzeiten nicht verläßt und nach dem Tode sich entfernt und zerstreut, heißt die Seele. Was durch Konzentration die Körpersubstanz bildet und sich trotz des Todes nicht zerstreut, wird Lebensgeist genannt."2) Tschu Hsi ist der Ansicht, daß der Lebensgeist beim Tode zwar noch eine Zeitlang beim Körper bleibe, dann aber sich ebenfalls auflöse.

B. P r a k t i s c h e P h i l o s o p h i e . a) Tugend. Die Tugend wird als das vollkommen Angemessene definiert und in herkömmlicher Weise mit Glück in Verbindung gebracht, aber es scheint so, als ob das Glück im Besitz der Tugend gefunden wird: „Das, was vollkommen angemessen ist, nennt man Tugend, und was in jeder Beziehung günstig ist, Glück. Die Tugend ist die Grundlage des Glücks und das Glück die Wirkung der Tugend. Niemand wendet sich ihr zu, ohne ihrer Segnungen teilhaftig zu werden, daher freut sich der Edle daran, ihrem Wege zu folgen."3) Tugend kann man stets erlangen, äußere Glücksgüter nicht: „Ob man Reichtum und Ehre erlangt, hängt vom Himmel ab. Tao und Tugend hat man in sich. Wenn man danach sucht, so findet man sie gewiß."4) Auf die Frage nach dem Ursprung der Tugend antwortet unser Philosoph seinem System entsprechend, daß sie aus der Leere hervorgegangen sei: „Die Leere bringt das Wohlwollen hervor, und in der Vernunft entwickelt es sich."5) Das Wohlwollen ist die Kardinaltugend, welche alle anderen nach sich zieht. Sie schwebt natürlich nicht als reiner Begriff in der Leere, sondern ist ein Attribut ') XII, Ib.

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II. Neukonfuzianer, Hsing-li-Schule: 4. Tschang Tsai

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des die Leere erfüllenden Fluidums, des Geistes, zu dem auch das Denken gehört. Dem Denken kommt dabei große Bedeutung zu, .denn „die große Leere ist das Prinzip der Spontaneität. Bei deren Ausübung kommt es besonders auf das Denken an. Daher sagt man: das Denken muß wahrhaftig sein."1) Der Geist besitzt Vernunft, welche sich im Denken äußert, und dabei entwickeln sich das Wohlwollen und die übrigen Tugenden: „Die Leere ist der Ursprung des Wohlwollens. Treue und Güte entstehen zusammen mit dem Wohlwollen. Sittlichkeit und Gerechtigkeit sind Betätigungen des Wohlwollens."2) Aber zwischen die Leere und die Tugenden soll sich noch die Stille einschieben, denn: „Die Stille ist die Wurzel alles Guten und die Leere die Wurzel der Stille."3) Wir können das so verstehen, daß der Geist die Tugenden in sich entwickelt hat durch stilles Denken. Tschang Tsai wird nicht müde, das Lob seines Lieblingsprinzips der Leere zu singen: „Himmel und Erde haben die Leere als Tugend. Die Leere ist das Allerbeste. Die Leere ist die Ahnfrau von Himmel und Erde. Sie sind aus der Leere hervorgegangen."4) Die Leere kann natürlich nicht die absolute Leere bedeuten, sondern es ist das Geistfluidum, woraus die Welt entstanden, und das zugleich der Träger der Tugend ist, an dem auch Himmel und Erde als geistige Wesen teilhaben. Wir erinnern uns daran, daß Tschang-tse die Leere und das Fluidum für identisch erklärt hat. Bei der Übung der Tugend ist jeder nur auf sich selbst angewiesen und darf nicht auf Hilfe von außen rechnen: „Man muß sich selbst bilden und nichts von anderen erwarten und auch nicht die Vollkommenheiten von außen erstreben."5) Im Übrigen soll man aber die Menschen als seine Brüder betrachten und ihre Freuden und Leiden wie die eigenen empfinden: „Die anderen Menschen sind wie meine leiblichen Brüder, und alle Wesen sind wie ich."6) „Gute natürliche Anlagen kann man sich nicht als Verdienst anrechnen. Erst wenn man im Stande ist, böse Neigungen in gute und Trägheit in Eifer umzuwandeln, kann man von Verdienst sprechen."7) Es kommt namentlich darauf an, böse Neigungen und Begierden zu unterdrücken. Begierden, meint Tschang Tsai, entstehen meistens aus Mangel. Deshalb zum Beispiel stiehlt das Volk. Wenn man durch eine gute Regierung diesen Mangel beseitigen kann, sodaß das Volk genug zum Leben hat, hört das Stehlen auf.8) Zu den sittlichen Pflichten gehört auch die Verehrung der Götter durch Opfer : „WTenn man den Gottheiten des Erdbodens und der Feldfrüchte, den fünf und den hundert Göttern1) opfert, dann dankt man der Güte des Himmels wegen

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») III, 38b. 9 ) Die fünf Götter des Hauses und die vielen himmlischen und irdischen Gottheiten.

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

der Leistungen der hundert Geister. Die Verehrung der Götter durch die Verehrung des Himmels ist die höchste Verehrung, die man erweisen kann und vollkommen vernunftgemäß."1) Statt allen einzelnen Göttern zu opfern, kann man auch dem Himmel opfern, der alle in sich schließt. Der Himmel vertritt hier den Kosmos und die anderen Götter nur einzelne Teile desselben. Durch Verehrung des Himmels wird also allen einzelnen Göttern Genüge getan. Wenn auch die Einzelpersönlichkeit zugrunde geht, so bleibt doch ihr Geist erhalten, insofern er in die große Leere zurückkehrt und im Allgeist aufgeht. Dadurch erhalten sich auch die von der Persönlichkeit erworbenen geistigen Werte, ihr Tao, ihre Tugend, Charakter und Schicksal, ungefähr das, was die Buddhisten als Karman bezeichnen: „Tao, Tugend, Natur und Schicksal sind Dinge, welche ewig bleiben und nie sterben. Die Persönlichkeit stirbt, aber diese bleiben ewig bestehen."2) Eine weitere Konsequenz hat aber der Philosoph aus diesem Satze nicht gezogen, die Seelenwanderung lehnt er ausdrücklich ab.3) b) Studium. Dem Studium gegenüber nimmt Tschang-tse den konfuzianischen Standpunkt ein. Es kommt dabei besonders auf das Auffassungsvermögen des Geistes an. Nur am Alten festzuhalten ist noch kein Verdienst:4) „Wenn der Geist etwas versteht, dann wird der gesuchte Sinn von selbst klar. Man braucht dann nicht Wort für Wort zu prüfen und zu vergleichen. Wenn das Auge klar ist, so können die Dinge vor einem noch so sehr durcheinander geworfen sein, es schadet nicht."5) Wie die Tugend gewährt auch das Wissen innere Befriedigung, sowohl das höhere Wissen von den letzten Dingen als auch das gewöhnliche Studium : „Wenn man die höhere Erkenntnis besitzt, dann hat man Zufriedenheit, und wenn man die besitzt, dann beklagt man sich nicht. Das niedere Studium führt zur Selbsterziehung, und wenn man diese übt, ist man nicht mißgestimmt.6") Für die Studierenden empfiehlt der Philosoph folgenden Studienplan: Man möge die Klassiker studieren, aber nicht die Historiker. Indessen, ihr Studium ist immer noch dem Umherschweifen auf Bergen und in Wäldern vorzuziehen, was eine Annehmlichkeit ist, aber keinen Nutzen bringt. Viel besser ist es, den Geist in den Klassikern umherschweifen zu lassen und ihren Sinn zu ergründen.7) Diese Warnung war für chinesische Studenten nicht sehr notwendig, denn sie sind nie große Wanderer gewesen, und sie hatten von jeher den Hang, nur Bücher und nicht die Natur zu studieren. Die Klassiker soll man nicht nur lesen, sondern

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·) VII, 3a : Jf g 14 ft £ ft ffi, ?P ft ± % -fe, S $[ ff\ fa ft ftj ft 3 ) IV, 25b. 4 ) VII, 4 a.

') VII, 6b.

II. Neukonfuzianer, Hsing-li-Schule: 4. Tschang Tsai

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auch auswendig lernen und hersagen und dann danach handeln.1) Diesen Rat haben die Lernenden auch meistens befolgt. Von sich selbst sagt Tschang Tsai, er habe zwanzig Jahre lang das Tschung-yung gelesen und jedesmal einen tiefen Sinn darin gefunden. Dann habe er die 6 Klassiker*) studiert und im Laufe der Jahre immer wieder gelesen, um dadurch sein Herz zu beruhigen. Die Lernenden können sich auf das Schuking verlassen, aber auch auf das Lun-yü und Meng-tse. Im Schiking und Schuking finden sich keine widerstreitenden Ansichten. Auch wenn die Konfuzianer bisweilen verschiedener Meinung sind, so schadet das nicht. Das Tschung-yung und Ta-hsio sind aus der Schule des K'ung-tse hervorgegangen und verdienen volles Vertrauen. Das Li-ki ist von den Konfuzianern zusammengestellt und ebenfalls glaubwürdig. Wenn die älteren und jüngeren Texte nicht immer übereinstimmen, oder wenn einem der Sinn zweifelhaft ist, so läßt man diese Stellen am besten aus. Falls man die Historiker mehrmals gelesen hat und sie nicht annehmbar findet, so läßt man sie liegen. An einem Tage kann man 7 — 8 Kapitel lesen. Man studiert sie weniger, um seine Persönlichkeit daran zu bilden, als um ändern gegenüber nicht ungebildet zu erscheinen. Medizinische Werke sind zwar von den Heiligen überliefert worden, aber sie bilden keinen Hauptzweig des Wissens, und wenn man sie nicht versteht, so schadet das nicht sehr. Ihre Kenntnis ist schätzenswert. Man kann damit den Verwandten helfen, welche ihr Leben eine kurze Zeit erhalten möchten, denn Mittel, die Unsterblichkeit zu erlangen, gibt es nicht. Wenn man von Gesammelten Werken und Anthologien3) einige Abschnitte gelesen hat und sie einem nicht gefallen, so möge man sie aufgeben. Falls man den taoistischen Kanon und die buddhistischen Klassiker nicht liest, so schadet das nichts. Die 6 Klassiker hingegen muß man immer wieder studieren, Tag undNacht, und nie müde werden.4) „Alle Dinge haben ihre Prinzipien; wenn man sie nicht ergründen kann, dann wandelt man wie im Traum durch das Leben. Die Buddhisten verstehen es nicht, diese Prinzipien zu ergründen, und erklären alles für die Wirkung einer Täuschung. Tschuang-tse vermochte die Prinzipien zu deuten, aber am äußersten Punkte angekommen, erklärte auch er alles für einen Traum. Indem er eine Unterhaltung zwischen K'ung-tse und Yen Yuan berichtete, sagte er: ,Ich und du, wir sind beide ein Traum'.5) Besser ist die Erklärung der Prinzipien im Yiking."6) Als ') VII, 7b. 2

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Das Yiking, Schuking, Schiking, Li-ki, Yo-king und Tsch'un-tch'iu. Damit ist die schöne Literatur, Poesie und Prosa gemeint. VII, 8 a— b. Vergl. Gesch. d. alt. chin. Phil. S. 319 Anm. 4.

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A. Die Nördliche 1 Sung-Dynastie

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Realist muß Tschang Tsai natürlich den buddhistischen Idealismus bekämpfen. Er meint, daß die Buddhisten die Welt verleumdeten, indem sie sie für bloßen Schein erklärten.1) Ebenso polemisiert er gegen die Lehre von der Seelenwanderung und glaubt, daß die Buddhisten weder die Natur des Himmels noch die der Menschen verständen. 2 ) C. Zur B e u r t e i l u n g des Systems. Tsch'eng-tsc behauptet, das Wissen des Tsrhang Tsai sei zuerst nicht einheitlich gewesen und erst später aus vielen, verschiedenartigen Elementen entstanden. 3 ) So mag die Entstehung gewesen sein, aber in seiner definitiven Gestaltung ist es aus einem Guß. und einheitlicher als der Dualismus des T ach1 eng I. Yin Schiin.*) 1071 — 1142. ein Schüler des Tsch'eng / weiß zu berichten, daß Txchnng-tse seine Erkenntnisse mit großen Mühen und durch schwere Arbeit erlangt habe. Als er sein Tscheng-meng schrieb, habe er oft die ganze Nacht durch gearbeitet. Es erfordere große Anstrengungen, sich in sein System hineinzuarbeiten, denn seine Lehre sei schwer zu verstehen.5) \\ ilhclm hat Tschang Tsai richtig als absoluten Monisten beurteilt. Was er sonst über seine Lehre schreibt, gibt zu Bedenken Anlaß. Die Kraft, das Substrat alles Seins, sei an sich leer, das heißt sie sei die materielle, aber unkörperliche Möglichkeit der polaren Gegensätze von Bewegung und Ruhe. Was ist eine materielle, aber unkörperliche Möglichkeit i Dann hebt er den Gegensatz zwischen der übernatürlichen, ursprünglichen Natur und der empirischen Welt der Erscheinungen hervor.6) Einen solchen Gegensatz zweier Welten kennt der Monist gar nicht, für ihn gibt es nichts Übernatürliches. Zenker sieht in dem Philosophen einen Realisten, aber keinen Materialisten, da sein Khi keine tote Materie sei.7) Das stimmt durchaus. Tschang Tsai ist kein materialistischer Realist. Ein Materialist betrachtet die Materie als Urprinzip und den Geist mir als eine Funktion der Materie, Tschang Tsai dagegen macht den Geist zum Urprinzip und die Materie zur Funktion. Sehr gut hat Takejlro seinen Standpunkt als tch'i i-yuan*) definiert, was ich mit .pneumatischer Monismus' übersetzen möchte. Tch(i— Pneuma —: Spiritus = Geist istdasFluidum, welches nach der Ansicht unseres Philosophen die Welt bildet. Wie dem Albertus Magnus erscheint ihm das Urfluidum als Spiritus incorporeus und die Welt als Spiritus corpore us. Sie entsteht aus Verdichtungen des Fluidums und ist nichts anderes als komprimierter Geist, der nach einiger Zeit wieder zerfließt und in den ursprünglichen Zustand vollkommener Reinheit und Leere zurückkehrt. Auch \\'atanabe erkennt den Realismus der Philosophie des Tschang-tse an und III, Hb. Hsimj-li ta-lch'firm Kap. 39, S. 22a. tJsing-li ia-tcli'itan Kap. 39, S. 24b— 20b. Zenker II, S. 230.

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

sei, dann redet man nur vom Gefäß, aber nicht vom Tao."1) Also ist die Welt nur Geist und ohne Raum. Es gibt in der Welt nur einen Geist und nur eine Vernunft, denn „die Dinge sind verschieden an Körpergröße und Feinheit, aber der Geist ist nur einer."2) Also haben auch die Individualgeister der Menschen keine wirkliche Existenz. Ebenso wie von der Vernunft gesagt wird, daß sie alle Wandlungen, welche in der Welt vorgehen, hervorbringt, wird dies auch vom Geist behauptet, der ja nur ein anderer Name für die Vernunft ist. Während die Jahreszeiten Yin und Yang ihre Entstehung verdanken, ist es der Geist, durch den alle Bewegungen, alle Umgestaltungen und Wandlungen erfolgen:3) „Himmel und Erde stehen nur da, die Veränderungen in ihnen verursacht der Geist."4) Der Geist ist aber immer mit demFluidum vereint, und sie trennen sich nicht: „Außerhalb des Fluidums gibt es keinen Geist und außerhalb des Geistes kein Fluidum."5) „Der Meister sagte: ,Der Geist und das Fluidum trennen sich niemals. Sie bleiben nicht nur während des Lebens erhalten und gehen nicht durch den Tod zugrunde. Aber Buddha sagt, es gäbe ein Etwas, das nicht stürbe und immer erhalten bliebe, allein man könne ihm die Geburtsmöglichkeit rauben und jeden Halt nehmen. Etwas Derartiges gibt es nicht."6) Der Schlußsatz wendet sich gegen die buddhistische Lehre von der Seelenwanderung. Tsch'eng-tse meint, daß es nicht möglich sei, die Wiederverkörperung durch Aufhebung des Anlasses dazu zu verhindern, ohne aber deswegen für die Metempsychose einzutreten. Geist und Fluidum sind nicht zwei verschiedene Dinge, sondern ein und dasselbe, daher ist auch eine Trennung unmöglich: „Wenn man von der (menschlichen) Natur redet und nicht vom Fluidum, so ist das nicht vollständig, und wenn man vom Fluidum spricht und nicht von der Natur, so ist das nicht klar. Beides als zwei Dinge zu betrachten ist nicht richtig."7) Die Natur ist nichts anderes als die himmlische Vernunft oder der Geist. Tsch'eng Hao sieht also das Fluidum, das ja ein Produkt des Geistes ist, auch als etwas Geistiges an, aber als immateriell und nicht an den Raum gebunden oder die Leere ausfüllend wie das Geistfluidum des Tschang Tsai. Nur unter dieser Voraussetzung ist ein Satz wie der folgende verständlich: „Das wahre Fluidum von Himmel und Erde ist höflich in seinem Auftreten, ernst und harmonisch.' 8) Wie kann ein materielles Fluidum höflich sein ? Das Fluidum ist nur eine Transformation der himmlischen Vernunft, und dieser ist ja das Prädikat „ehrerbietig" beigelegt worden.

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II. Xeukonfuzianer, Hsing-li-Schulo: f>. Tsch'cng Hao

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2. Idealismus. Es besteht kein Unterschied zwischen Innerem und Äußerem, zwischen Geist und Welt, denn es gibt nur eine Wirklichkeit, die Innerlichkeit, den Geist, die Vernunft. Das geht aus folgender Ausführung über die Beruhigung des Herzens hervor, die unmöglich sein soll, wenn ein Gegensatz zwischen dem Inneren und äußeren Dingen besteht: „Sowohl die Bewegung als auch die Stille läßt sich zur Ruhe bringen. Man darf den Dingen nicht entgegentreten und nicht zwischen Innerem und Äußerem unterscheiden. Wenn man die äußeren Dinge als Äußeres betrachtet, dann läßt man sich von ihnen fortreißen und folgt ihnen. Dadurch wird die Natur in eine innere und äußere zerteilt. Wenn man nur mit seiner Xatur den Dingen außen nachgeht, wie kann man dann, wenn man sich draußen befindet, zugleich bei sich in seinem Inneren sein ? So haben diejenigen, welche die Verführung durch Äußeres abschneiden wollen, keine Kenntnis davon, daß ihre Natur kein Inneres und Äußeres hat. Wie kann jemand, der das Innere und das Äußere als zwei Wurzeln anerkennt, plötzlich von Beruhigung reden i" 1 ) Nach Tsch'eng-tse's Dafürhalten hat die Welt nicht zwei Wurzeln, sondern nur eine, die Vernunft, das Innere, welche allein real ist. Das Äußere, die Dinge, sind nicht wirklich, existieren nicht an sich, sondern nur als Ausfluß der Vernunft. Zwischen mir und der Welt ist keine räumliche Trennung, ich selbst bin die Welt, oder, wie der Philosoph sich ausdrückt: .,Zwischen dem Himmel und dem Menschen bestellt keine Trennung".2) ,,Der Mensch ist Himmel und Erde wesensgleich. Weshalb hält der Mensch sich selbst für gering ?" 3 ) Das braucht er nicht. er steht nicht hinter Himmel und Erde zurück. Es bedarf nicht erst einer Vereinigung mit der Welt, denn sie ist niemals etwas anderes als ich selbst gewesen: ..Der Himmel und Mensch", heißt es, „sind ursprünglich nicht zwei. -Man braucht deshalb nicht von Vereinigung zu sprechen."4) Mein Ich ist die Welt, ich schaffe sie selbst in mir. Wäre das nicht der Fall. so würde sie mir unendlich fern sein: „Der Wohlwollende sieht den Himmel und die Erde und alle Dinge als einen Körper und als identisch mit sich selbst an. Wenn ich weiß, daß alles mein Ich ist. dann kann ich alles vollbringen. Wenn es nicht in mir sein könnte, dann würde ich von Himmel und Knie und von allen Dingen nicht nur tausende und zehntausende von Meilen entfernt sein."·"') Die Dinge sind nicht, wie es den Anschein hat, und wie auch allgemein auf Grund der Erfahrung angenommen wird, außer mir und von mir getrennt, denn es gibt M Kw-,,™ II, 4 4 n : £ ft §J, .ff. £, fä .ff. £, fä }($ jty, 1,i£ ft ^ tfj ^ ^ fy ft; ^

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II. Keukonfuzianer, Hsing-li-Schule: 5. Tsch'eng Hao

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c) Lebensfragen. Von den wichtigeren Lebensfragen, welche die Menschheit berühren, erörtert der Philosoph unter anderen die des Schicksals und der menschlichen Tätigkeit, das Verhältnis von Menschen und Tieren und die Bedeutung des Studiums und der Erkenntnis. Tsch'eng Hao ist kein Fatalist und legt größeres Gewicht auf die menschliche Tätigkeit als auf das Schicksal, indem er erklärt: „Der Mensch ist tugendhaft oder mißraten, der Staat hat Ordnung oder Verwirrung, man kann nicht von Schicksal sprechen."1) Die Konfuzianer, sagt er, sollten nur von menschlicher Tätigkeit reden und nicht sagen, daß es eine Bestimmung gäbe. Nur wenn sie in eine Lage kommen, in welcher sie machtlos sind, mögen sie das dem Schicksal zuschreiben.2) Unter keinen Umständen dürfen sie also die Hände in den Schoß legen. In das Unvermeidliche muß man sich fügen. Dem Ausspruch des K'ungtse: ,Ich beklage mich nicht über den Himmel und grolle den Menschen nicht'3) fügt er hinzu: „wenn es der Vernunft gemäß ist, muß es so sein."4) Entsprechend den fünf Fluida des Himmels,8) welchen die fünf Elemente entsprechen, sollen alle Lebewesen fünf Naturen in sich haben. Wenn eine vorwiegt, so sind die anderen vier doch vorhanden. Zum Beispiel von den Pflanzen haben die gelben mehr von der Natur der Erde und die weißen mehr von der Natur des Metalls.6) Im Menschen stellen sich die fünf Naturen als die fünf Tugenden dar. Schon bei den Tieren kommen einzelne Tugenden zum Vorschein: „Beim Anblick einer Henne mit ihren Kücken bemerkt man Wohlwollen."7) Die Tiere sind den Menschen sehr ähnlich, nur machen sie keine Fortschritte. Die Natur der Tiere ist und bleibt wie sie ist, sie brauchen kein Studium und keine Belehrung.8) Für den Menschen ist das Studium von größter Wichtigkeit, denn es soll ihn zum Guten führen. Dazu ist keine lange Zeit erforderlich: „Wenn jemand drei Jahre studiert und dadurch nicht zum Guten geführt wird, so versteht er nicht zu studieren."9) Tsch'eng-tse stellt die Behauptung auf, daß man ohne Wohlwollen Himmel und Erde nicht erkennen könne.10) Der Grund ist wohl der, daß Wohlwollen eine Haupteigenschaft der Weltvernunft ist, wofür hier Himmel und Erde gesagt wird. Man soll diese Vernunft oder Tao nur in der Stille erkennen.11) Auf die ') 2 ) 3) 4 ) 5 ) ·) ') 8 ) ·) 10 ) n )

Yü-lu VIII, 3b: ^ ^ ft, g $ £ «,, ^ pf # -g ^. Li-hsüeh tsung-tschuan II, 19b. Lun-yü XIV, 37. Wai-schu II, 3 a. Regen, gutes Wetter, Hitze, Kälte, Wind. Hsing-li tching-i IX, 2b. Sung-yuan hsüeh-an XIII, 20a: §J $§ g| öj" J^l $g t· Hsing-li tching-i IX, 5 a. Wai-schu VI, 7b: Ä ^P ffi ^ M jfe *. Ä =f * * 4.· Sui-yen II, 50a. Li-hsüeh tsung-tschuan H, 9b.

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

Frage, wie Tao sei, antwortete der Meister, man möge bei den fünf Beziehungen danach forschen.1) Das bedeutet, daß Too das höchste sittliche Prinzip ist.

d) Leben und Tod. Tsch'eng Hao hat eine Äußerung über den Tod getan, welche sehr zuversichtlich klingt, als ob er gar keinen Zweifel mehr hege: „Wenn man weiß, woher Leben und Sterben, Sein und Nichtsein kommen", sagt er, „dann ist es hell in der Brust und man hat keine Zweifel mehr. Es gibt nur dieses Vernunftprinzip. Kfung-tse hat gesagt: ,Du kennst das Leben nicht, wie willst du den Tod verstehen ?' In kurzen Worten erklärt er, daß Sterben soviel wie Leben ist und daß es kein weiteres Prinzip gibt."2) Wenn es nur ein Weltprinzip, die himmlische Vernunft, gibt und unser Geist darin enthalten ist, dann brauchen wir den Tod nicht zu fürchten, und Leben und Sterben kann uns gleich sein. Das ist aber keineswegs die Ansicht des Konfuzius und seine Worte sind nicht so zu verstehen.3) An anderen Stellen drückt sich aber der Philosoph sehr viel zurückhaltender aus: „Herr Han saß mit dem Meister zusammen und bedauerte, daß die Sonne unterging, indem er seufzte. Der Meister sagte: ,Das ist ein ewiges Gesetz, früher wie jetzt, warum seufzt du also ?' — Jener antwortete: ,Man wird alt und muß fort.' — Der Meister entgegnete: ,Du kannst ja da bleiben.' — Jener sagte: ,Wie wäre es möglich, nicht zu gehen ?' — Der Meister sprach: ,Wenn es nicht anders sein kann, dann gehe!'"4) „Es fragte ferner jemand, was von (Buddhas) Ansicht über Leben und Tod zu halten sei. Antwort: ,Er verglich das Leben mit einer Wasserblase, was sehr viel Sinn hat.' — Weiter wurde gefragt, ob, was Buddha über Leben und Tod und die Seelenwanderung sage, richtig sei. Antwort: Es ist ebenso schwer, diese Frage zu bejahen wie zu verneinen. Man muß selbst sich seine Ansicht darüber bilden."5) „Man fragte, ob es Geister und Dämonen gäbe. Meister Tsch'eng Ming-tao erwiderte: ,Wie würdest du es glauben, wenn jemand dir sagte, daß es keine gäbe ? Wenn dir aber jemand sagt, es gäbe welche, dann gehe hin und suche sie zu sehen."6) >) Wai-schu XII, 14b. 2

) Li-hsüeh tsung-tschuanll, 19a — Sung-yuan hsüeh-an XIII, 25a:^g :zfe ?

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·) Wai-scfe« XII, 7b: JQ ^ ^ ^ g, pj Jf ^fe * B, fö |ii) fi? Jt Ü$ *.fi?Ä ^ ft if > S ^ IP] ffe 5t W fc fä i ^ ft m· Mftn beachte die Annäherung des Stils an die Umgangssprache.

II. Neukonfuzianer, Hsing-li-Schule: 5. Tsch'eng

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In diesen drei Fällen äußert sich Tsch'eng-tse kaum weniger vorsichtig als Konfuzius. An die Möglichkeit, durch besondere Methoden Unsterblichkeit zu erlangen, scheint er nicht geglaubt zu haben, denn als ihm jemand, der die Kunst kannte, durch Regelung der Lebenskraft das Leben zu fördern, fragte, ob er das auch verstünde, antwortete er, im Sommer trage er dünne Stoffe aus Hanf, im Winter einen Pelz. Wenn er durstig sei, trinke er, und wenn er hungere, esse er. Er zügele seine Leidenschaften und beruhige die Wallungen seines Herzens. Das sei alles.1) C. K r i t i k a n d e r e r P h i l o s o p h e n . Tsch'eng Hao vergleicht Hsun-tse und Yang Hsiung miteinander und sagt, daß Hsun-tse großes Talent, aber sehr viele Fehler gehabt habe, während Yang Hsiung's Talente nur gering waren, aber er hatte wenig Fehler. Hsun-tse soll sehr einseitig gewesen sein und sehr verkehrte Ansichten geäußert haben. Schon mit dem einen Satze, daß die menschliche Natur schlecht sei, habe er den festen Boden verloren. Wenn auch Yang Hsiung's Fehler geringer waren, so habe er doch von der menschlichen Natur nichts verstanden und von Tao ebensowenig. Unter den //«m-Philosophen hat angeblich nur Tung Tschung-schu die Gedanken der Heiligen und Weisen richtig erfaßt, aber auch seine Ansichten über Tao waren nicht klar, und Yang Hsiung's Gesichtskreis war noch viel enger.2) Ganz besonders schätzt Tsch'eng Hao den Wang T'ung, den er sogar dem Hsun-tse und dem Yang Hsiung vorzieht. Er sagt von ihm: „Wen Tschung-tse3) ist ein verborgener Edler. Die Menschen seiner Zeit haben oft seine Diskussionen weitergesponnen und ein Buch daraus gemacht. Darin sind viele ausgezeichnete Maximen, an welche die Lehren des Hsun-tse und Yang Hsiung nicht heranreichen."4) Den Buddhismus lehnt Tsch'eng-tse ab und findet vieles daran zu tadeln. Das Gesichtsfeld der Buddhisten sei zu eng und ihre Lehre deshalb unrichtig. Sie fürchteten den Tod und beschäftigten sich nur mit himmlischen, aber nicht mit irdischen Dingen. Nur das Mönchtum hielten sie für gut. Einige wären der Meinung, daß sie die Lehre von den Höllen nur erfunden hätten, um die schlechten Menschen einzuschüchtern und dadurch zum Guten zu bringen. Aber die Menschen ließen sich durch solche Lehren nicht bessern.5) Von Buddha wird behauptet, er verstehe nicht Yin und Yang, Tag und Nacht, Leben und Tod, Vergangenheit und Gegenwart, daher wisse er auch nicht, ob das Immaterielle wirklich dem Heiligen gleich sei.6) Aber Tsch'eng-tse hat doch vor der Lehre Buddhas eine geJ

) ) 3 ) « m ± *» m s:) ^Takejiro m ±, III, m 47. 3

6

4

) Zenker II, 235 scheint mir die Brüder Tsch'eng doch sehr zu unterschätzen. Ihre Philosophie soll ganz auf den Anschauungen des Tschou-tse und des Tschang-tse fußen und von Tschu Hsi wohl restlos rezipiert sein. Sie wären danach bloße „Mittler und Zwischenwirte" und verdankten ihren Ruhm wohl ausschließlich dem Tschu Hsi. Darum lohne sich eine Darstellung ihrer Systeme nicht. — Indes sind diese von denen des Tschou-tse und Tschang-tse ganz verschieden. Tschu Hsi kannte diese Werke ganz genau, da er sie zum Teil kommentiert hat, brauchte also keine Vermittler, aber er hat die Gedanken beider Brüder, besonders des jüngeren für seine eigene Philosophie verwertet. Nicht ohne Grund spricht man von der Philosophie des Tsch'eng und des Tschu. — Hier ist auch die Notiz in Wylie Notes S. 68 und Giles Biogr. Diet, zu berichtigen, wonach Tsch'eng Hao der tutor des Tschu Hsi gewesen wäre. Bei dessen Geburt war Tsch'eng Hao schon lange tot, und Tschu Hsi stützt sich hauptsächlich auf Tsch'eng I, nicht auch Tsch'eng Hao.

II. Neukonfuzianer, Hsing-li-Schule: 6. Tsch'eng I

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6. Tsch'eng I 1033-1177.

I. Sein Leben. 1

Tsch'eng I ) war der jüngere Bruder des Tsch'eng Hao, aber nur ein Jahr später geboren. Man unterschied sie wohl beide als den älteren und den jüngeren oder den zweiten Herrn Tsch'eng*) Tsch'eng /'s Beiname war Tscheng-schu.3) Seine Schüler nannten ihn zuerst Meister Kuang-p'ing,*) später da er in I-yang5) (Honan), am / wohnte, I-tsch'uan,*) den Meister vom /-Fluß, unter welchem Namen er am besten bekannt ist. Nach seinem Tode wurde er als Tscheng-kung7) kanonisiert und 1241 als Graf von I-yangs) in den Konfuzius-Tempel aufgenommen. Tsch'eng I ist berühmter als sein Bruder. Schon mit 18 Jahren begann er zu schreiben, hat fast sein ganzes Leben der Philosophie gewidmet, erst in späteren Jahren eine amtliche Stellung angenommen und 22 Jahre länger als Tsch'eng Hao gelebt. Es sind vier- bis fünfmal soviel Aussprüche von ihm überliefert wie von seinem Bruder. Dazu kommt, daß er als der Vorläufer des Tschu Hsi zu betrachten ist, der fast sein ganzes System übernommen hat. Während sein Bruder durch sein freundliches, liebenswürdiges Entgegenkommen aller Herzen gewann, umgab sich Tsch'eng I durch sein würdiges, gemessenes Auftreten mit einer Mauer. Er hatte die lautersten Absichten, war aufrichtig, offen und grade, aber seine Korrektheit wurde leicht zur Härte und Strenge und das Gefühl seines Wertes und seiner Leistungen machte ihn hochmütig. Das schuf ihm viel Feinde. Von der Richtigkeit seiner Ansichten war er so fest überzeugt, daß er von einem einmal eingenommenen Standpunkt nicht wieder abwich. In seinen Kritiken war er sehr scharf und furchtlos. Wenn Tsch'eng Hao in eine Tür eintrat, ging er auf der rechten Seite und seine Begleiter folgten ihm nach. Trat Tsch'eng I ein, so schritt er allein links, auf der Ehrenseite, durch die Tür und dann geraden Wegs zur Haupthalle, und niemand wagte es, sich ihm anzuschließen.9) Beim Empfang seiner Schüler saß er oft mit geschlossenen Augen stumm da. Eines Tages warteten Yu Ting-fu10) und Yang Kuei-schan11) auf ihn und wagten nicht wegzugehen, da er keine Notiz von ihnen nahm. Erst nach langer Zeit baten sie, sich entfernen zu dürfen, da es Abend geworden sei. Inzwischen war draußen über einen Fuß Schnee gefallen.12) Aber Tsch'eng I verlangte von seinen Schülern weniger als sein Bruder. Dieser

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*) · * § " - Vergl. Biographie im Sung-schi Kap. 427. e ) Li-hsüeh tsung-tschuan HI, 5b. u la

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) Hsieh Wu-liang V, 32.

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

stellte die höchsten Anforderungen an sie, welche sie nicht erfüllen konnten, Tsch'eng I dagegen forderte von ihnen nur, was solche von mittlerer Begabung auch leisten konnten.1) Tschu Hsi hat die beiden Brüder miteinander verglichen und gut charakterisiert. Tsch'eng Ming-tao, sagt er, ist ganz natürlich, und seine Gedanken kommen ohne die geringste Anstrengung hervor, während Tsch'eng I-tsch'uan seine Resultate nur mit großer Anstrengung erlangt. Ming-tao schweift in die Weite, I-tsch'uan konzentriert sich. Die Gedanken des ersteren sind schön und erhaben, sie gefallen sofort und, je länger man sich damit beschäftigt, um so mehr, die des letzteren sprechen zuerst weniger an, man muß sich erst hineindenken, dann findet man ihre Schönheit. Die Aussprüche des älteren der beiden Brüder sind an ihrer Frische und Lebendigkeit zu erkennen, aber seine Sprache ist nicht so präzise wie die des jüngeren, welcher sich ebenso kurz, scharf und logisch auszudrücken pflegt wie Tschou Tun-i. I-tsch'uan ist öfter mit Meng-tse verglichen worden. Tschu Hsi meint, daß er doch nicht das große Talent des Meng-tse besessen habe.2) Eine gewisse Ähnlichkeit liegt doch wohl vor: beide waren streng und ernst und besaßen einen stolzen, heroischen Charakter, aber I-tsch'uan verfügte nicht über die hervorragende Dialektik und die glänzende Rhetorik des Mencius. Die Gleichsetzung des Ming-tao mit Yen Hui findet dagegen Tschu Hsi's Beifall. Sehr gut hat Watanabe die Unterschiede des so verschieden gearteten Brüderpaares hervorgehoben: Ming-tao, sagt er, war mild wie die Frühlingssonne, I-tsch'uan herbe und kalt wie der Herbstreif. Ming-tao legte das Hauptgewicht auf die Sittlichkeit, I-tsch'uan auf das Wissen, Ming-tao auf Intuition und Psychologie, I-tsch(uan auf Analyse und Logik. In der Lebensphilosophie glich der erstere einem DAi/äwa-Priester, der letztere einem Fiwaya-Buddhisten.3) Mit seinem Bruder zusammen wurde Tsch'eng-I von Tschou Tun-i und von seinem Onkel Tschang Tsai in die Philosophie eingeführt. Schon mit 18 Jahren machte er an den Kaiser eine Eingabe über die Bedürfnisse des Staates. 24 Jahre alt, bestand er mit seinem Bruder zugleich die Doktorprüfung. Wiederholt von hohen Beamten empfohlen, lehnte er zunächst jedes Amt ab, da er sich ganz der Wissenschaft widmen wollte. Aber im Jahre 1085, als der Kaiser Tsche-tsung als zehnjähriger Knabe den Thron bestieg, wurde der Philosoph auf Empfehlung des Sse-ma Kuang und des Tschu Kuang-t'ing*) zu seinem Lehrer ernannt, auch wurde er zum offiziellen Erklärer der Klassiker bestellt. Die Kaiserin-Mutter führte für den Minderjährigen die Regentschaft. Tsch'eng I fühlte die Verantwortung für dieses wichtige Amt sehr schwer, als ob er selbst das Reich zu regieren gehabt hätte, und war sehr streng zu seinem J

) Hsing-li ta tch'üan Kap. 39 S. 18 a. *) Loc. cit. S. 18fg. 3 ) Watanabe III, 37 und 45.

II. Neukonfuzianer, Hsing-li-Schule: 6. Tsch'eng I

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kaiserlichen Schüler. Als der Kaiser einmal Mundspülwasser über einige Ameisen gegossen hatte und es dann bedauerte, sprach der Mentor zu ihm: „Möchte Euere Majestät diese Gesinnung dem ganzen Reiche entgegenbringen." Einmal hatte der Kaiser einen Weidenzweig abgebrochen. Der strenge Lehrer tadelte ihn und sagte: „Jetzt ist die schönste Zeit des Frühlings, und man muß keine Zweige abbrechen. Das widerspricht dem Grundsatz, daß man das Leben lieben soll."1) Durch seine Offenheit und seinen Hochmut machte er sich bei Hofe viele Feinde. Ein Zensor denunzierte ihn als streitsüchtig und intrigant. Der große Dichter Su Tung-p'o, welcher auch als Philosoph wirkte und ein berühmter und gesuchter Lehrer war, machte sich über seine Härte und Strenge lustig, da seine eigenen Schüler sehr viel mehr Freiheit genossen. Dadurch entstand ein scharfer Gegensatz zwischen den beiden Philosophen und ihren Schulen, von denen jede für ihren Lehrer eintrat. Man unterschied sie als die Ssetschuan- und die LoyangSchule.2) Diese Mißhelligkeiten führten schließlich 1095 zur Entfernung Tsch'eng /'s vom Hofe. Er begab sich zunächst nach Fou-tschou3) in Ssetschuan. Als er über den Äaw-Fluß setzte, kam ein Sturm auf, in dem das Boot beinahe untergegangen wäre. Da Tsch'eng I nicht die geringsten Zeichen von Besorgnis gab, wunderte sich ein alter Mann im Boot. I-tsch'uan erklärte ihm, es sei so, weil in seinem Herzen Aufrichtigkeit und Ernst wohnten. Der alte Mann meinte, diese Eigenschaften seien ja sehr gut, aber besser noch wäre es, überhaupt kein Herz zu haben. I-tsch'uan hätte gern noch weitere Aufklärung erhalten, aber der alte Mann, jedenfalls ein Anhänger der Meditationsschule, verschwand. Kaiser Tsche-tsung wurde ein schwacher Herrscher; er hat nicht viel geleistet, aber er starb schon ganz jung. Nach seinem Tode und der Thronbesteigung des Kaisers Hui-tsung wurde Tsch'eng I 1101 an den Hof zurückgerufen, aber seine Stellung war nicht von Dauer, und er zog sich sehr bald definitiv ins Privatleben zurück. 1107 starb er im Alter von 74 Jahren. Als seine letzte Krankheit den Höhepunkt erreicht hatte, trat ein Schüler ein und sagte, was der Meister immer für das Wichtigste seiner Lehre gehalten habe, müsse jetzt geübt werden. Der Philosoph atmete nur schwach, öffnete die Augen und sprach: ,Der wichtigste Gebrauch, den man von der Lehre machen kann, ist nicht das Reden.' Darauf verschied er.4) Tsch'eng I schrieb Noten zu den Klassikern, die eine neue Auffassung begründen, einen Kommentar zum Tsch'un-tch'iu und zum Yiking. Letzterer, das T schon I-tschuan5), wird oft zitiert und hat einen großen Einfluß auf die Entwicklung der Schule gehabt. Seine Philosophie ist in den .Gesammelten Werken der beiden Tsch'eng'6) enthalten. J

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Über die Einteilung vergl. oben S. 72.

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

II. Seine Philosophie. 1. Der Dualismus: Tao und Fluidum. Tsch'eng I lehrt, daß die Dinge paarweise aufzutreten pflegerf, dergestalt, daß zwischen den beiden Gliedern ein polarer Gegensatz besteht: „Die Prinzipien sind immer paarweise: wenn ein Yin da ist, so ist auch ein Yang vorhanden, wenn etwas Gutes, dann gibt es auch ein Böses, wenn Richtiges, dann gibt es auch Falsches, wenn kein Eins, auch keine Zwei."1) Solche Paare sind auch Himmel und Erde, Mann und Frau. Nach diesem Grundsatz nimmt Tsch'eng-tse auch zwei Weltprinzipe an, Too und Fluidum. „Tsch'eng-tse sagte : ,Was einen Körper hat, ist immer das Fluidum; was keinen Körper hat, ist nur Too."2) Und weiter heißt es: „Getrennt von Yin und Yang gibt es kein Too. Yin und Yang sind ein Fluidum und etwas Materielles, Tao ist absolut leer und etwas Immaterielles."3) Nach dem ersten Satze ist im /schu noch eingefügt: „Daher sind Yin und Yang Tao,"*) was im Sui-yen und im Hsing-li tching-yi, die wörtlich übereinstimmen, fehlt. Ich halte dieses Einschiebsel für interpoliert, denn es paßt nicht in den Kontext, der gerade den fundamentalen Unterschied zwischen Tao und dem Fluidum klarstellen soll. Auch nach Tschu Hsi, der sich ganz auf Tsch'eng I stützt, sind Yin und Yang nicht Tao. — Wir haben also zwei einander entgegengesetzte Prinzipien, das immaterielle Tao und das materielle Fluidum, welches in Yin und Yang zerteilt ist. Beide Prinzipien sind, wenigstens nach der Schöpfung, stets miteinander verbunden. Das Immaterielle ist im Materiellen enthalten, es sind die darin wirkenden Kräfte. Was ist nun unter Tao zu verstehen ? Die Weltvernunft, denn „der Geist des Tao ist die himmlische Vernunft, daher ganz fein und verborgen,"8) wodurch die Körperlosigkeit zum Ausdruck kommt. Auch von der Vernunft wird gesagt, daß sie immer mit dem Fluidum verknüpft ist: „Der Meister sagte: ,Wenn die Vernunft vorhanden ist, so ist auch das Fluidum da, wenn dieses vorhanden, dann auch das Schicksal. Die Geister und Dämonen sind das Schicksal. Dieses ist die Betätigung des Fluidums."6) Die göttliche Vernunft oder Tao wirkt als Schicksal im Fluidum durch die Geister und Dämonen, welche gleichsam seine Kräfte darstellen. Tao wird als etwas sehr Erhabenes und seine Geistigkeit als etwas außerordentlich Wunderbares hingestellt, das über unser Verstehen weit hinausgeht: „Es i) Wataiwhe HI, 39 ( £ ^ + ^): &%£& ff,

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II. Neukonfuzianer, Hsing-li-Schule: 6. Tsch'eng I

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gibt nichts Größeres als Too und nichts Wunderbareres als den Geist."1) Hierzu scheint der folgende Ausspruch nicht recht zu passen: „Bei Too gibt es nichts Feines und Grobes und im Reden nichts Erhabenes und Gewöhnliches."2) Das kann nur bedeuten, daß unsere gewöhnlichen Begriffe sich nicht auf Tao anwenden lassen. Da es nicht stofflich ist, läßt es sich auch nicht mit einem feinen oder einem groben Stoff vergleichen, ebenso wie es beim Reden nicht darauf ankommt, daß die Worte gut klingen, sondern auf die Wahrheit. Too wird nun aber auch noch ein wichtiges Prädikat beigelegt, das der Wirklichkeit: „Jemand sagte: ,Was nennt man Wirklichkeit und was Too?' — Der Meister antwortete: ,Von der Natur ausgehend spricht man von Wirklichkeit, und vom Prinzip ausgehend von Tao. Im Wesen ist es dasselbe."3) Das soll aber nicht etwa heißen, daß nur die menschliche Natur, der Geist und Tao, das Vernunftprinzip, wirklich seien, wie aus einem Gespräch mit Lü Ta-lin*) hervorgeht: „Jemand fragte: .Bedeutet tsch'eng aufrichtig?' — Der Meister sagte: ,Tsch(eng ist das Prinzip der Wirklichkeit. Wie könnte der Begriff der Aufrichtigkeit ausreichen?' — Lü Ta-lin sagte: „Wahrhaftig, wenn wirklich das Prinzip vorhanden ist, dann ist auch wirklich das Ding da, und ist wirklich das Ding vorhanden, dann haben wir auch wirklich seine Funktion. Ist aber diese wirklich vorhanden, dann ist auch die Gesinnung wirklich vorhanden, und wenn diese wirklich vorliegt, dann ist auch wirklich die Tätigkeit da. Deshalb bedeutet tsch'eng das Prinzip der Wirklichkeit."6) Also gilt dem Philosophen nach den Ausführungen seines Schülers, denen er nicht widerspricht, nicht nur Tao, die Vernunft, sondern auch das materielle Fluidum und alles, was damit zusammenhängt, als real. Der Körper ist keineswegs nur eine Erscheinung, eine Vorstellung oder eine Illusion des Geistes, sondern ebenso wirklich wie dieser. Es ergibt sich also ein echter Dualismus: die Welt zerfällt in zwei Realitäten, in Körper und Geist, da aber dem Geist der Vorrang gebührt, so sagen wir besser, in Geist und Körper. Weshalb hat Tao den Vorrang vor dem Fluidum ? Weil es ursprünglich das Fluidum hervorgebracht hat, denn wir lesen: „Nur der wahre Urgrund kann das Fluidum hervorbringen."6) Der „wahre Urgrund" ist ein von Tsch'eng I geprägter Ausdruck für das Urprinzip, T'ai-tchi, womit natürlich Tao gemeint ist.7) ') Sui-yen I, Ua: £

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des Philosophen. Siehe S. 116. g ££ £

«) I-schu XV, 26b: {H A 7C g flg & *· ') Vergl. Hsieh Wu-liang V, 34.

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

2. Geist und Geister, H i m m e l und Gott. Insofern Tao alle Veränderungen in der Welt bewirkt und alle Bewegungen hervorruft, wird es als Geist bezeichnet: „Der Anfang aller Bewegung," lehrt I-tsch'uan, „ist der Geist von Himmel und Erde."1) Die bewegenden Kräfte werden als Geister und Dämonen aufgefaßt. Das Werden und Vergehen der Dinge wird durch Kontraktion und Diffusion erklärt, welche die Geister herbeiführen sollen, die also als schöpferische und als zerstörende Kräfte wirken. Das Fluidum ist demnach die träge Masse, der Geist oder die Geister die bewegende Kraft. Die Geister üben also die Funktion unserer Naturkräfte aus, welche den Chinesen noch nicht bekannt waren: „Wenn man das Sichzusammenziehen und Sichwiederzerstreuen der Dinge sieht, so ist dies das Wirken der Geister und Dämonen. Der Anfang und das Ende aller Dinge ist nichts weiter als dieses Sichzusammenziehen und Sichtrennen. Geister und Dämonen sind diese schöpferische Tätigkeit."2) Etwas anders wird dies so formuliert: „Die schaffende Tätigkeit sind Yin und Yang im Zustande der Erregung."3) Diese Erregung ist die Einwirkung des Geistigen oder Dämonischen. Das Wesen des Weltgeistes und der Geister sind die Tugenden, vor allem Pietät und brüderliche Liebe, daher kann man sie durch Entfaltung dieser Eigenschaften herbeirufen, indem gleichsam eine sympathetische Wechselwirkung eintritt : Die Geister lassen sich durch Opfer beeinflussen und erscheinen. „Wenn Pietät und brüderliche Liebe geübt werden, so wirken sie auf die Geister ein, denn Geister, Pietät und brüderliche Liebe sind nicht zwei verschiedene Dinge. Pietät und brüderliche Liebe sind das rationale Prinzip der Geister."4) Wenn auch unser Philosoph an der Existenz von Geistern nicht zweifelt und ihnen sogar eine sehr wichtige Rolle zuerteilt, so steht er doch Geistererscheinungen sehr skeptisch gegenüber: „Jemand sprach zu Tsch'eng I-tsch'uan von Geistererscheinungen. Der Meister fragte ihn, ob er sie selbst gesehen habe. I-tsch'uan war der Meinung, daß, wenn nur Berichte darüber vorlägen, man nicht daran glauben könne, und daß, wenn jemand sie mit eigenen Augen gesehen habe, vielleicht eine Gesichtstäuschung stattgefunden habe."5) Als Hauptträger der Weltvernunft gilt der Himmel oder Gott. Über diese Gestaltung des Weltprinzips hat Tsch'eng I einige interessante Äußerungen getan. Mit Bezug auf die Bedeutung der beiden Begriffe im Altertum sagte er : „Wenn im Schiking und Schuking von Gott die Rede ist, so ist immer der Herrscher gemeint, wenn vom Himmel gesprochen wird, so bedeutet das der Umfassende, !) Tschu-tse tch'üan-schu Kap. 44 S. V a ^ J I J J j J f f t ^ ^ ^ ^ ^ ^ , ^ .

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II. Neukonfuzianer, using-li-Schule: 6. Tsch'eng I

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Bedeckende."1) Danach würde Himmel immer die Himmelskuppel, also etwas Materielles bedeuten. Das trifft nicht zu, denn sehr oft ist unter Himmel die im Himmel thronende geistige Macht, also Gott zu verstehen.2) Tsch'eng-tse selbst gibt folgende Definition: „Jemand fragte nach dem Unterschied zwischen Himmel und Gott. Der Meister sprach: ,Die Substanz nennt man den Himmel, den Herrscher Gott, das wunderbare Wirken Geist, die Leistungen und die Betätigungen Geist und Dämon, die Gefühle und die Natur Tch'ien (Himmel). In Wirklichkeit ist es nur ein Wesen, aber die verschiedenen Namen sind von den verschiedenen Eigenschaften genommen. Wenn man speziell vom Himmel in seiner eigentlichen Bedeutung spricht, so meint man Tao damit."3) Im umfassendsten Sinne ist Himmel ein Synonym für Tao, die Weltvernunft. Auch wir gebrauchen das Wort in diesem Sinne. Gott ist das im Himmel wohnende göttliche Wesen, der Herrscher der Welt. Er wirkt in der Welt als Geist. Geister und Dämonen werden nicht als selbständige Wesen, sondern als Teile des göttlichen Geistes betrachtet. Der göttliche Geist ist dem menschlichen ähnlich, er ist den Affekten unterworfen und besitzt Intelligenz: „Liu An-tchien fragte: ,Wenn jemand vom Blitz erschlagen wird, ist es nicht so, daß er viel Sünden aufgehäuft hat, stets unruhig im Herzen ist und, wenn er plötzlich den Donner hört, vor Schrecken stirbt ?' — Der Meister erwiderte: .Nein, er ist vom Blitze erschlagen.' — ,Aber wer hat sich des Blitzes bedient ?' — Der Meister antwortete: ,Die bösen Taten sind ein böses Fluidum, und der flammende Blitz ist der zornige Hauch von Himmel und Erde.*) Beide Vorgänge wirken aufeinander ein und treffen zusammen.'"5) Das klingt gerade so, als ob der Himmel ein persönlicher Gott wäre, der den armen Sünder mit dem Zorneshauch seines Mundes tötet, aber das ist nicht die Ansicht des Philosophen, denn er erklärt die Phraseologie der alten Texte wie folgt: „Wenn es heißt, daß der erhabene Himmel gewaltig zürnte, so bedeutet das nicht, daß eine Person droben im Himmel sei, die so gewaltig grollt, sondern das rationale Prinzip verfährt so."6) Der Himmel ist nicht ein persönlicher Gott, aber auch keine bloße Abstraktion, kein bloßer Begriff, wie ein Gesetz, eine Norm, sondern das Weltprinzip, die Weltvernunft, der Weltgeist und als solcher aller Regungen fähig, die ein geistiges Wesen haben kann. >) Sui-yen l***: ? ^ + * faGG l£& *.&% fa^S KtiG &9. *· · 2 ) Siehe: Gesch. alt. chin. Phil. S. 40fg. ») Sui-yen U, 2a: £ RSJ ^ ft £ J|^ 0, &. M St ffl ± ^V. 3. $ li 2. ,

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) Vergl. hierzu die Ausführungen des Wang Tsch'ung, Gesch. mittelalt, chin. Phil. S. 119. ·) Sui-yen , 1 :«$^, ^ »* *«#*«*«.«*;«**

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II. Neukonfuzianer, Hsing-li-Schule: 6. Tsch'eng I

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rechtigkeit. Ist das nicht möglich, so verzichtet er darauf. Er handelt nicht aufs Geratewohl und nicht unter allen Umständen."1) — „Es gibt kein wichtigeres Prinzip als die Ehrfurcht, wodurch das Herz gerade gerichtet wird."2) Aus der heroischen Gesinnung des Philosophen erklärt sich der Ausspruch, daß man durch lange Übung es dahin bringen könne, daß die Dinge einen nicht mehr behelligen, und daß der Körper der Krankheit Widerstand leistet. Man erbleicht dann nicht mehr in Todesgefahr, und durch Schmerzen während einer Krankheit wird das Herz nicht erschüttert. Dazu ist allerdings ein hoher Grad von Tugend erforderlich.3) Moralischer Mut ist noch höher zu schätzen als physischer. Dadurch gelingt es dem Edlen, sich selbst zu besiegen.4) Die Meditation, wie sie später auch von Konfuzianern geübt wurde, hält Tsch'eng-tse nicht für ein gutes Mittel, um den Geist zu pflegen: „Jemand sagte: Man nimmt an, daß man nur, wenn man die Augen schließt und still dasitzt, den Geist pflegen kann. Der Meister erwiderte: ,Wie ist das möglich? Wenn der Geist ruht, dann regen sich die Gedanken. Diese lassen sich nicht zur Ruhe bringen'."5) Es ist überliefert worden, daß sowohl Tsch'eng Hao wie auch Tsch'eng I tief in Gedanken versunken waren,6) aber das geschah offenbar nur, wenn sie über irgend welche Probleme nachdachten, und nicht, um dadurch den Geist zu läutern und zu veredeln oder gar übernatürliche Erleuchtung zu erhalten. Die höchste Erleuchtung hat der Heilige, der als eine besondere Manifestation von Himmel und Erde betrachtet wird.7) Geistermenschen, die noch über den Heiligen stehen, wie sie Tschuang-tse und die Taoisten annehmen, gibt es nicht.8) Für den Herrscher hat I-tsch'uan einen Ausgleich zwischen dem konfuzianischen Aktivismus und der taoistischen Passivität gefunden, indem er erklärt: „Man regiert mit Tugend, dann braucht man später nicht zu handeln."9) Die Regierung wird mit Tugend angekurbelt, dann geht später alles von selbst. Ein Freund des Weines wie Schao Yung und andere Philosophen war Tsch'eng I nicht. Sein strenger Charakter hatte nichts Dionysisches. Er glaubt, daß das Weintrinken verderblich für das Volk sei, der Gesundheit schade, es träge mache und zu Verbrechen führe. Früher hätten nur alte Leute zur Kräftigung Wein getrunken, und man habe ihn für Opfer verwandt. Daher empfiehlt er die Unterdrückung des Weintrinkens oder wenigstens eine starke Einschränkung10). ') Sui-yen H, 23b: ? 0, ^ ^ ^ & ft ^ f, M jw s, Ä * »r& £· ) Siehe oben S. 84 und S. 85. e

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Sui-yen II, 54b: ^-0, M A ^ * ± -ÖLSui-yen II, 56a. Wai-schu VI, 3a: $ jgr # g, & ft £ £· I-schu XVII, 2a.

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A. Die Nördliche Simg-Dynastie

9. E r k e n n t n i s und Wissen. Tsch eng-tse vergleicht das Denken mit einer Quelle: „Das menschliche Denken, sagt er, ist wie eine sprudelnde Quelle, je tiefer man gräbt, desto frischer fließt sie."1) Schon in jener Zeit muß die Idee von der Relativität alles Wissens aufgekommen sein, denn der Staatssekretär Han sagte zu Tsch'eng-tse, es gäbe keine wahre und keine falsche Lehre. Dieser bekämpfte seinen Standpunkt und erklärte, die Lehre sei entweder \vahr, das heißt richtig, oder falsch.2) Tsch'eng I nimmt ein angeborenes Wissen an, versteht darunter aber keineswegs eine wunderbare Fähigkeit, die es ermöglicht, alles ohne Studium zu wissen, wie sie Konfuzius öfter zugeschrieben wurde, sondern setzt sie der Vernunft gleich. Es ist das Denkvermögen, das logische Denken, womit man neue Wahrheiten findet, aber man kann nicht ohne Studium wissen, was in alter oder neuer Zeit geschah. Deshalb fragte auch Konfuzius auf seinen Reisen nach den Sitten und der Musik der Länder, welche er besuchte, und nach den Namen der dortigen Beamten. Das schadete seinem angeborenen Wissen nicht.3) Im allgemeinen erkennt man die Dinge durch das Auffinden ihrer Prinzipien, denn jedes Ding hat sein besonderes Prinzip und seine besondere Norm. Von den Prinzipien der Dinge ausgehend gelangt man auch zur Selbsterkenntnis.4) „Der Meister sagte: Wenn man das Prinzip der Dinge ergründet, dann findet man, weshalb sie so sind. Die Höhe des Himmels, die Dicke der Erde, das Hervorkommen und Verschwinden der Geister und Dämonen muß einen Grund haben. Wenn man nun sagt, daß der Himmel hoch, die Erde dick sei und daß Geister und Dämonen bald erscheinen, bald verschwinden, so sind das nur Behauptungen, aber wie kommt man dazu ?"5) Um alle diese Fragen beantworten zu können, muß man das höchste Weltprinzip Tao, die himmlische Vernunft kennen, denn daraus ergeben sich alle ändern: „Wer Too nicht kennt, ist wie ein Trunkener."6) Alle körperlichen Dinge besitzen vier solche Prinzipien, die vier Sinneswahrnehmungen, wozu dann noch vier weitere Attribute oder Kategorien treten: „Die vier Begriffe: Ton, Farbe, Geruch, Geschmack sind leer und voll zu gleicher Zeit. Alle körperlichen Dinge besitzen diese vier Eigenschaften. Mit der Bedeutung, der Bezeichnung, der Gestalt und der Zahl ist es ebenso."7) Ton, Farbe usw. sind leer, da sie immateriell sind, aber voll geistigen Gehalts. Tsch'eng-tse scheint sich nicht nur für Ethik, sondern auch für die exakten Wissenschaften interessiert zu haben, was man bei einem Manne seiner Art nicht ohne weiteres erwarten sollte. Er behaupl

') I-schu XXIV, 5a: A & *l W, £, & ± * ff2 ) Sui-yen I, 3b. Sui-yen II, 19a: A * if JB, ifc *T ft H * S

II. Neukonfuzianer, Hsing-li-Schule: 6. Tsch'eng I

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tet, daß die Alten die Natur der Dinge vollkommen zu erforschen pflegten: sie schmeckten sie, rochen sie, unterschieden ihre Farben und wußten, was für eine Natur die Mischung eines Dings mit einem ändern ergab.1) Danach müßten die alten chinesischen Chemiker schon weiter vorgeschritten gewesen sein, als man gewöhnlich annimmt. Unser Philosoph wirft den Ärzten seiner Zeit vor, daß sie bei der Aufstellung ihrer Rezepte sich nur mit den Medizinen beschäftigten, indem sie wüßten, welche Heilwirkung jeder Stoff ausübe, ohne ihre Natur genauer zu kennen und zu wissen, wie die Mischungen sich gestalteten: „So ist zum Beispiel Myrobalan (Terminalia chebula) gelb und Alaun weiß. Mischt man sie zusammen, so ist das Gemisch schwarz. Sobald Schwarz erscheint, sind Gelb und Weiß verschwunden. Fügt man eins und zwei zusammen, so erhält man drei. Sobald drei da ist, sind eins und zwei verschwunden. Trennt man es wieder in eins und zwei, dann ist drei verschwunden. Hat man das Produkt drei und sucht dann noch eins und zwei, oder hat man das Schwarze und sucht noch Gelb und Weiß, so kennt man die Natur der Dinge nicht".2)

10. Studium. „Das Verhältnis des Gelehrten zum Studium ist wie das des Landmannes zum Feldbestellen. Wenn der Landmann das Feld nicht bestellt, dann hat er nichts zu essen, und wenn er nichts zu essen hat, dann kann er nicht leben. Kann der Gelehrte das Studium auch nur einen Tag aufgeben?"3) Beim Studium kommt es nicht so sehr auf den Umfang des Wissens als auf die Richtigkeit des Gelernten an, ebenso wie es beim Reden wichtiger ist, daß das Gesagte stimmt, als daß es elegant zum Ausdruck gebracht ist.4) Ohne ernstes Nachdenken kann man kein Wissen erlangen, das bloße Lernen nützt nichts. Ein Wissen, welches man nicht in die Tat umsetzen kann, ist kein rechtes Wissen. „Der Meister sagte: Wenn ein Lernender etwas hört, aber es sich nicht zu Herzen nimmt, sodaß es nicht in seinem Tun erscheint, dann ist das, was er gehört hat, nur die Rede eines ändern und für ihn nicht von Belang."5) Als ein allgemeines Leiden der Studierenden erscheint unserm Philosophen, daß sie zu verwirrt in ihrem Denken sind,6) und er entwirft davon ein geradezu komisches Bild: „Wenn man mit einem Lernenden spricht, so ist es, wie wenn ') Hsing-li tching-i IX, 3a. ·) Eod. K, 2b: fi fc {S?

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

man einen Betrunkenen aufrichtet. Stützt man ihn rechts, so fällt er nach links, und stützt man ihn links, so fällt er nach rechts. Es ist ganz unmöglich, es dahin zu bringen, daß er aufrecht mitten auf dem Wege steht."1) Im Altertum sollen die Kinder vom achten bis zum fünfzehnten Jahre die niedere und vom fünfzehnten J&hre an die höhere Schule besucht haben. Dazu wurden nur die besonders Befähigten zugelassen, die übrigen wurden Ackerbauer. Das Studium wurde bis zum vierzigsten Jahre fortgesetzt( ?), erst dann galt der Charakter der Studierenden als gefestigt und sie wurden zu Beamten ernannt. Inzwischen mußten sie von den anderen erhalten werden. Später begann die Erwerbstätigkeit schon in der Jugend.2) Von sich selbst berichtet der Philosoph, daß er bis zu 40 Jahren Bücher gelesen und rezitiert habe, bis zu 50 Jahren habe er ihren Sinn geprüft, bis zu 60 Jahren allerlei Untersuchungen angestellt und erst dann Bücher geschrieben.3) Diese Bücher sind die Kommentare und literarischen Schriften. Zu philosophieren hat Tschfeng-tse jedenfalls schon in seiner Jugend begonnen, als er mit seinem Bruder zusammen eine Schule gegründet hatte, und seine Aussprüche, die in den philosophischen Werken zusammengefaßt sind, sind Aufzeichnungen seiner Schüler. Zum Studium gehören nach dem Tschung-yung fünf Dinge: umfassendes Lernen, gründliches Fragen, sorgfältiges Nachdenken, klares Unterscheiden und ernstes Handeln.4) Keines dieser fünf Erfordernisse darf fehlen. Man muß sich besonders vor drei Fehlern hüten, vor einer Überschätzung des Stils und der Exegese und vor Verwirrung durch Irrlehren.6) Für den Studiengang empfiehlt Tsch'eng I zuerst die Analekten und Meng-tse zu lesen und erst, nachdem man sie vollständig beherrscht, mit dem Studium der fünf Klassiker zu beginnen. Die Worte des K'ung-tse und Meng-tse werden als in jeder Hinsicht zutreffend und beherzigenswert hingestellt.6) Vom Lun-yti wird gesagt, daß es nicht leicht zu verstehen sei. Es gibt Personen, auf welche es gar keinen Eindruck macht, einigen gefällt darin das eine oder andere, wieder andere lieben das Werk in seiner Gesamtheit, und schließlich sind manche so begeistert davon, daß sie in Verzückung geraten.7) Außerordentlich hoch schätzt der Philosoph das Tschung-yung; wer es zu lesen versteht, soll an diesem einen Kapitel für sein ganzes Leben genug haben.8) Außer den ri&iwgr-Kommentaren ist es ja gerade das Tschung-yung, an welches die $«w

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*) S. lOb. 3 ) Die Sinnesempfindungen führen notwendigerweise zur Außenwelt, denn diese besteht daraus. 4 ) Der Grund ist das Weltprinzip, die Vernunft, welche die Dinge in mir hervorbringt. 5 ) Die Erschaffung und die Umgestaltung der Dinge ist kein mir ferner, äußerer Vorgang, sondern in mir, denn mein Geist nimmt daran teil. e ) Die Spuren des Geistes sind die Dinge. ') Loc. cit. S. lla: S Ä i f f f M , M Ü ^ ^ T ± l i f f i ^ ^ ?£ & ± A

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III. Tschang Tsai- und Tsch'eng Hao-Schüler: 1. Yang Schi

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Mein Geist, mein Selbst bildet aus seinen Empfindungen, aus Formen, Farben, Tönen, Gerüchen, Geschmäcken die Außenwelt, welche nicht noch getrennt davon für sich existiert, denn es gibt keine Innen- und Außenwelt, sondern alles ist Innenwelt. Das Weltprinzip, der Weltgeist, an dem ich teilhabe, ruft die Erscheinungen der Dinge in meinem Innern hervor. In ganz ähnlicher Weise erklärt auch Berkeley alle körperlichen Dinge für bloße Phänomene und Vorstellungen unseres Geistes, entstanden aus Sinnesempfindungen. In neuerer Zeit vertritt Ernst Mach einen ähnlichen Standpunkt, den man als Empfindungsmonismus bezeichnet hat. Die Welt bildet mit meinem Ich eine zusammenhängende, nicht trennbare Masse von Empfindungen, sie besteht nur aus meinen Empfindungen, ein Gegensatz zwischen Innen- und Außenwelt, zwischen Geist und Natur ist nicht vorhanden.1) Yang Kuei-schan glaubt, daß der Geist erkennbar sei, wenn auch das Erkennen große Schwierigkeiten macht. Wie üblich hält er den Geist, die menschliche Natur, das Wohlwollen und Too für dasselbe, und auch das Schicksal des Himmels soll in der menschlichen Natur in die Erscheinung treten.2) Ein Ausspruch lautet: „Der Geist ist seinem Wesen nach klar und erleuchtet, durchdringend, groß und gewaltig, still und nur einer.3) Wenn man seine Substanz vollständig kennt, dann kann man von seiner Ergründung sprechen. Ehe man aber den Geist vollkommen begreift, kann man ihn auch nicht ausschöpfen. Natürlich braucht man, wenn man die Natur kennt, niemanden danach zu fragen.4) Man muß im allgemeinen vorher begriffen haben, daß Wohlwollen Tao ist. Kennt man das Wohlwollen, so kennt man auch den Geist, und kennt man den Geist, so kennt man auch die Natur. Diese drei Dinge unterscheiden sich durchaus nicht voneinander."5) Ganz besonders schwierig soll die Erkenntnis des Weltgeistes oder Tao sein, obgleich er sich ja auch im Menschengeiste offenbart, aber dieser ist durch die Fesselung an den Körper verfinstert und muß erst in den für eine solche Erkenntnis geeigneten Zustand versetzt werden. Das erfordert namentlich ein Zurückdrängen aller Sinnlichkeit und aller Leidenschaften und das Aufgeben des gewöhnlichen Wissens. Die Erfordernisse sind ähnlich, aber nicht so strikt, wie sie von den Taoisten für die mystische Erfassung ihres höchsten Wesens verlangt werden. „Wie kann man den verborgenen Geist Tao's erfassen außer durch den größten Scharfsinn und Konzentration ?" fragt Yang und antwortet darauf: „Nur wenn ') ) 3 ) *) ·) 2

Näheres bei Falckenberg, Geschichte der neueren Philosophie. Hsing-li ta-tch'üan Kap. 29 S. Ib. Der Weltgeist, zu dem auch der menschliche Geist gehört. Weil Natur und Geist identisch sind. Li-hsüeh tsung-tschuan XV, 15b: ,fr £ $ Ifä PJJ & \® Ü, Ä ± fö

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4B£ j% JJl. Man beachte hier den der Umgangssprache sich stark annähernden Stil.

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

man diesen unsichtbaren Geist betrachtet zu der Zeit, wo Freude, Zorn, Kummer und Lust noch nicht hervorgekommen sind, wird seine Bedeutung klar. Mit Worten läßt es sich nicht beschreiben."1) Die chinesischen Philosophen glauben, daß sie den Geist in seinem An-undfür-sich-sein belauschen können, so lange er noch nicht in Tätigkeit getreten ist und sich noch im Zustande vollkommener Ruhe befindet. — Die Selbstbetrachtung indes ist eine schwere Sache und gelingt trotz aller Vorsichtsmaßregeln nicht recht. Weiter heißt es: „Die Bedeutung des höchsten Tao läßt sich mit Pinsel und Zunge nicht erschöpfen. Will man es mit dem Geiste des fleischlichen Leibes betrachten, so muß man in vollkommen harmonischer Stimmung sein, sich in Ruhe und Stille nur darauf konzentrieren und es schweigend erkennen. Wenn man zugleich alle Äußerlichkeiten wie Bücher, Worte, Meinungen, Bilder vergißt, dann kann man hoffen, ans Ziel zu gelangen. Im Gegensatz dazu steht das Lernen mit Mund und Ohr, Lesen und Berechnen."2) Yang Schi kennt den Begriff des Urprinzips und definiert ihn als den Mittelpunkt von Tao. Von diesem nahm die Schöpfung ihren Anfang.3) Etwas atavistisch und nicht ganz im Einklang mit seiner Metaphysik ist der Ausspruch, daß Himmel und Erde Vater und Mutter aller Wesen seien, welche sie erzeugten und ernährten und mit großer Güte wie ihre Kinder behandelten.4) Das sind Gedanken aus der Zeit des Schiking und Schuking, von denen auch ein Philosoph nicht loskommt. Von der menschlichen Natur nimmt Yang wie Mencius an, daß sie ursprünglich gut sei, wenn sie auch nicht bei allen Menschen gleich ist. Sie entsteht aus den beiden Ursubstanzen, die, als von Tao ausgehend, gut sein müssen. Aber wenn Yin und Yang auch von Haus aus gut sind, so können sie doch auch schlecht werden. Wenn im Leben das Fluidum die rechte Mischung hat, dann ist der Mensch wohlauf, wenn er krank wird, so kommt das daher, daß das Fluidum nicht richtig gemischt ist und nicht im normalen Zustand. Der Normalzustand ist die Natur, und dieser ist gut.5) In der praktischen Philosophie scheint Yang Kuei-schan besonders über die Frage des Studiums nachgedacht zu haben. Es genügt nicht, nur Tugend zu erwerben und die Klugheit und das Wissen gering zu achten, meint er, denn wer ohne Klugheit ist, wird leicht betrogen und ist für praktische Geschäfte ungeeignet.6) Als sehr richtig für das Studium erscheint unserem Philosophen ') Sung-yuan hsüth-an Kap. 25 S. 8a: % fo ± fä # M — > Ä ffc ffi fH ±>

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) Yang Kuei-schan tchi II, 5a.

III. Tschang Tsai- und Tsch'eng Hao-Schüler: 1. Yang Schi

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der Zweifel: „Die Lernenden," heißt es, „müssen Z\veifel haben, dann können sie in der Moral Fortschritte machen. Wenn sie sich eifrig darin bemühen, dann werden ihnen auch Zweifel auftauchen. Die jetzigen Gelehrten betrachten das Bücherlesen als Studium. Sie selbst glauben, daß sie keine Zweifel haben können, deshalb ist ein Wetteifer im Studium nicht möglich."1) Vom Gelehrten erwartet Yang, daß er danach strebt, die Grundsätze kennen zu lernen, welche in der Welt zur Anwendung kommen, und die Prinzipien, welche deutlich zu Tage treten. Er muß gründlich darüber nachdenken und darf seinen Geist nicht zersplittern oder verdunkeln lassen, „dann wird der Geist von Himmel und Erde ihm immer deutlicher vor Augen treten, und die Alten in ihrer Größe werden in ihm lebendig werden."2) Der Geist von Himmel und Erde ist natürlich der Weltgeist, die Weltvernunft, Tao. Ein wichtiger Teil des Studiums ist das Studium der eigenen Persönlichkeit: „Das Studium der eigenen Persönlichkeit verhält sich wie Hunger und Durst zu Essen und Trinken und findet nicht Freu de an äußeren Dingen. Wenn man glaubt, daß man nicht zu essen und zu trinken braucht, so wird das Hungern und Dursten zu einer Krankheit ausarten und den Tod herbeiführen. Wenn jemand nicht lernt, dann verliert er seinen ursprünglichen Geist und kann nicht mehr als Mensch gelten. Seine Krankheit ist von der der Hungrigen und Durstenden nicht verschieden. Daher ist das Studium nie entbehrlich. Aber diejenigen, welche in alter Zeit zu lernen verstanden, kannten den Zielpunkt ihres Strebens.3) Sie wußten, wohin sie gelangen würden, und schritten so allmählich vorwärts. Wenn man statt dessen blindlings drauflos geht, ohne zu wissen, wohin man gelangt, und das Gebiet der Heiligen und Weisen betreten möchte, dann wird man bald der Schwierigkeiten gewahr werden. Diese Lehre muß man sorgfältig beherzigen, und man darf nicht planlos vorgehen."4) Gelegentlich polemisiert Yang Schi gegen den Buddhismus. Er macht Buddha zum Vorwurf, daß er die Existenz der Seele leugne. Das könne nicht richtig sein, weil die sechs Klassiker nichts davon wüßten.5) Andererseits findet er auch Übereinstimmungen zwischen den beiden Lehren. So vergleicht er die achte Art des Wissens. Amala-vijnäna6) mit der guten Natur des Ming-tse und die ') Li-hsüeh tsung-tschuan XV, lOa: ^ -% % fi ffi lg, 75 flg gfg g, $c g| ffl

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

neunte Art, Älaya-vijnana1) mit dem Zustand, wo sich Gutes und Böses schon in den Anfängen zeigt. Tschu Hsi konnte natürlich die spiritualistische Richtung unseres Philosophen nicht recht zusagen. Er findet manches bei ihm zu gekünstelt, vieles oberflächlich. Yang Schi soll großes Wissen besessen und viel gelesen haben, in seiner Jugend namentlich Tschuang-tse und Lieh-tse, an deren Gedankengänge er sich gewöhnt habe. Obgleich er später Schüler des Tsch'eng I war, seien jene Ideen doch immer wieder zum Vorschein gekommen.2) Ich möchte dafür noch mehr Tschang Tsai und seinen Lehrer Tsch'eng Hao verantwortlich machen.

2. Hsieh Liang-tso 1060-1125. 3

Hsieh Liang-tso } (T. Hsien-tao, H. Sckang-t'sai)*) ist einer der vier Schüler des Tsch'eng I. Er stammt aus Schang-t'sai in Honan und führt daher seinen Schriftstellernamen. Seine Lebenszeit ist nicht genau bekannt und läßt sich nur annähernd bestimmen. Im Jahre 1085 wurde er Doktor, 1101 erhielt er ein kleines Amt in der Hauptstadt, dann war er als Verwaltungsbeamter in den Provinzen tätig. Gegen Ende seines Lebens wurde er durch eine anonyme Schrift wegen Verleumdung angeklagt, ins Gefängnis geworfen und seines Beamtenranges entkleidet.5) Nähere Einzelheiten scheinen nicht bekannt zu sein, so daß man nicht wissen kann, ob ihn wirklich ein Verschulden trifft. Neid, Mißgunst und Denunziantentum haben stets unter der chinesischen Beamtenschaft geherrscht. Kanonisiert wurde er als Wen-su.B) Auf seine Aufnahme in den KonfuziusTempel hat er ziemlich lange warten müssen, denn sie erfolgte erst im Jahre 1850.7) Hsieh Liang-tso wurde Schüler des älteren Tsch'eng und erst später des jüngeren, aber er übernahm viel mehr von Tsch'eng Hao als von seinem Bruder. Als Tsch'eng Hao ihn zum ersten Male sah, sagte er zu ändern: „Man kann für die Zukunft grolJe Hoffnungen haben, wenn sich dies blühende Talent entfaltet."8) Zunächst machte das noch einige Schwierigkeiten, denn Hsieh war etwas schwer von Begriffen. Wenn er etwas nicht ordentlich verstanden hatte, stand ihm der Schweiß auf der Stirn. Sein Studiengenosse Yang Schi verstand alles sofort, Hsieh war nach des Meisters Worten wie ein Stein, auf welchen man Wasser schüttet, es waren viele Tropfen nötig, um auf ihn einzuwirken. Er hatte sehr viel auswendig gelernt und ein sehr gutes Gedächtnis, so daß er mit Zitaten um sich warf. Tsch'eng Hao sagte, er sei ein Weiser mit ausgezeichnetem Gedächtnis, aber er denke J ) 2

M $ff iß !§ = H ^ fit ·? · §uteund schlechte Anlagen. Vergl. Hsieh Wu-liang V, 44. ) Hsing-li ta-tch'üan Kap. 40, S. 414b. fg. 3

)) Biographie M? a &· nur einige Sätze im Sung-schi ) m m> Kap. -b g428, S. 1.

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') Giles Nr. 738.

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III. Tschang Tsai- und Tsch'eng Hao-Schüler: 2. Hsieh Liang-tso

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über die Dinge, welche er sähe, zu wenig nach. Hsieh ging beschämt von dannen. Der Meister riet ihm, öfter still dazusitzen und zu meditieren, was er auch tat. Bei Tsch'eng I vollendete er seine Studien. Dieser erklärte, daß viele seiner Schüler sich dem Buddhismus zugewandt hätten, nur Yang Schi und Hsieh Liang-tso seien ihm treu geblieben,1) aber auch bei diesen stellte er öfter buddhistische Tendenzen fest. Hsieh Schang-t'sai verfaßte eine Schrift über die Analekten, das Lun-yü schuo.2) Seine Aussprüche Schang-t'sai yü-lu3) wurden zuerst herausgegeben von Lu T'ien*) und Hu An-kuo5), also jedenfalls vor 1138. Sie sind im Tscheng i-t'ang mit den kritischen Bemerkungen des Tschu Hsi, der Hsieh in vielen Punkten bekämpft hat, abgedruckt. Hsieh Schang-t'sai wurde das Haupt der Schangi'scM-Schule.6) Als Philosoph behandelt er vor allem metaphysische Probleme. Indem er vom rationalen Prinzip7) ausgeht, sucht er nachzuweisen, daß das Ich und der Himmel identisch sind, mit ändern Worten, der menschliche Geist und der Weltgeist sind dasselbe. Die Beweisführung lautet: „Der Himmel ist das rationale Prinzip, der Mensch ist auch das rationale Prinzip. Nach diesem Prinzip muß er mit dem Himmel eins sein. Wenn ich mit dem Himmel eins bin, dann bin ich nicht ich, sondern das rationale Prinzip. Das Prinzip aber ist nicht das Prinzip, sondern der Himmel."8) Voraussetzung für die Richtigkeit dieses Beweises ist natürlich, daß es nur ein rationales Prinzip gibt, und das wird behauptet, denn wir lesen: „Beim Studium muß man das rationale Prinzip ergründen. Jedes einzelne Ding hat sein Prinzip. Wenn man das Prinzip ergründet, dann weiß man, was der Himmel ist, und wenn man das weiß, dann ist man mit dem Himmel eins. Wenn man mit dem Himmel eins ist, dann findet man das Prinzip überall, wohin man auch geht.... Auf die Frage, ob man bei jedem einzelnen Ding das Prinzip erforschen müsse, lautete die Antwort: „Man braucht nur das große, allgemeine Prinzip zu ergründen. Das Prinzip ist nur eins. Wenn man das Prinzip an einem Orte erfaßt hat, so wird man es überall entdecken."9) Jemand versuchte die Identität von Mensch und Himmel durch den Hinweis zu widerlegen, daß der Mensch denken kann, aber nicht der Himmel, was allerdings nicht besonders gesagt wird. Der Einwand ist hinfällig, denn Hsieh Liang-tso versteht unter Himmel nicht den materiellen Himmel, sondern das himmlische Vernunftprinzip, aber er weist den Einwand nicht damit zurück, sondern durch

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Li-hsüeh tsung-tschuan XV, 21 a.

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

Berufung auf das Yiking. Es heißt: „Jemand sagte: das Denken ist sicher. Ich besitze ein solches, folglich bin ich dem Himmel und der Erde nicht ähnlich. — Antwort: ,Aber wie kann man dem Prinzip noch ein Wort hinzufügen ? Das Yiking sagt: „Dem Himmel und der Erde ähnlich,"1) also kommt man um die Ähnlichkeit nicht herum, und es gilt selbstverständlich dieser Ausspruch."2) Unser Philosoph begnügt sich aber nicht damit, die Ähnlichkeit des Menschen mit dem Himmel zu behaupten, sondern nimmt vollkommene Identität an: „Ich weiß", sagt er, „daß mein Ich der Himmel ist. Der menschliche Geist ist von gleicher Art wie Himmel und Erde, aber aus Selbstsucht verläßt man sich von Jugend an nur auf die Vernunft und gibt sich mit den Dingen ab und hat mit dem Himmel nichts zu schaffen. Allein das Selbst ist nicht nur von gleicher Art wie Himmel und Erde, sondern es ist Himmel und Erde selbst."3) H sieh Liang-tso beruft sich für seine Theorie sogar auf Konfuzius: „Man fragte nach dem Unterschied zwischen Konfuzianismus und Buddhismus. Antwort: Wir Konfuzianer gehen vom niederen Studium aus und gelangen zum Höchsten.4) Indem wir in die letzten Prinzipien eindringen, erkennen wir von selbst Tao und finden, daß es mit dem Himmel identisch ist. Deshalb sagt K'ung-tse: .Ich weiß, daß mein Ich der Himmel ist,'5) er erklärt also den Himmel für mein Ich. Der Buddhist folgt nicht dem Vernunftprinzip, deshalb glaubt er nicht an sich selbst, sondern, um zu glauben, erwartet er erst das Zeugnis anderer Menschen."6) K'ung-tse's Worte sind ganz anders aufzufassen und bieten für Hsieh's Idealismus keinerlei Stütze. Noch einem anderen Einwand sucht H sieh zu begegnen: „Jemand fragte: Die große Leere ist ohne Aufhören, aber der Geist hat ein Ende. Wie können beide in eins vereint werden? — Antwort: Der Geist hat ein Ende, aber nur sofern er gebraucht wird. Wie könnte er ein Ende haben, wenn er nicht gebraucht wird?" 7 ) Der Gegner bestreitet, daß der Geist und die große Leere identisch seien, was also der Philosoph wohl behauptet haben muß. In den zitierten Stellen hat er den Menschengeist nur dem Himmel als dem rationalen Prinzip, also der Weltvernunft oder dem Weltgeist gleichgesetzt. Wenn dafür hier die große !) Yiking (Legge S. 354 Nr. 22).

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) Nach dem Zusammenhang ist es unmöglich, die Worte K'ung-tse's so zu verstehen. Sie bedeuten: „Der, wer mich kennt, ist ler Himmel". Vergl. Legge und Couvreur. ·) Yü-lu II, 4b: ffl « » £ #, EK 5 T * ffi -h $, *S S ± £, E *& Ä

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III. Tschang Tsai- und Tsch'eng Hao-Schüler: 2. Hsieh Liang-tso

113

Leere, der unendliche Raum eintritt, so muß dieser mit dem Weltgeiste identisch sein. Das ist die Theorie des Tschang Tsai,1) welche Hsieh Liang-tso offenbar angenommen hat. Seine Antwort scheint zu besagen, daß auch der Menschengeist wie der himmlische ewig ist, und daß nur seine Äußerungen, Gefühle, Gedanken usw. an die Zeit gebunden sind. Sein Kern ist derselbe wie derjenige der himmlischen Vernunft, er bleibt erhalten, nur das Menschliche daran vergeht. Das scheint auch der Sinn des folgenden Ausspruchs zu sein: „Was dem Prinzip des Himmels folgt, ist die Natur. Sie darf keine egoistischen Gedanken hegen. Wenn sie ihre eigenen Gedanken hat, dann kann sie nicht mehr mit dem Himmel eins sein."2) Die menschliche Natur ist in ihrem Wesen mit dem Himmel eins, aber die menschlichen Gedanken scheiden aus dieser Gemeinschaft aus. Cum grano salis ist auch der Satz zu verstehen: „Der Geist hat ein Ende, aber von der großen Leere weiß man sicher, daß sie nicht zu Ende geht, sondern sich im Kreise dreht."3) Der die Welt erfüllende Geist geht durch immer neue Phasen und Wandlungen, ohne Anfang und Ende, und erscheint als Menschengeist nur eine kurze Zeit. Das Wesen des Geistes findet Hsieh im Empfinden, wofür er den Ausdruck je«4) gebraucht, der ursprünglich diesen Sinn hat, jetzt aber fast ausschließlich in der Bedeutung Wohlwollen gebraucht wird: „Was ist der Geist?" fragt er und antwortet: „Empfinden. Und was ist Empfinden? Das Lebendige ist empfindsam und das Tote unempfindsam. Wenn der menschliche Körper gelähmt ist, dann empfindet er keinen Schmerz und Reiz mehr, deshalb nennt man ihn unempfindsam. Der Kern von Pfirsichen und Aprikosen kann eingepflanzt wachsen, man nennt ihn deswegen Aprikosen- und Pfirsichkern (Jen) , das bedeutet, daß er Leben hat. Davon ausgehend sieht man, was Empfinden bedeutet."5) „Jen," heißt es weiter, „bedeutet die Empfindsamkeit in demAusdruck: die Unempfindsamkeit der vier Glieder. Unempfindlichkeit ist das Nichtkennen von Schmerz und Reiz und Empfindlichkeit das Kennen von Schmerz und Reiz."6) Die Alten sagten, daß, wenn der Geist abwesend sei, man nichts höre, sehe oder schmecke. „Wenn jemand nicht sieht, nicht hört und nicht schmeckt, dann ist er unempfindsam."7) Empfinden, Wahrnehmen und Fühlen drücken das Wesen des Geistes viel besser aus als Wohlwollen, ein sehr kompliziertes Gebilde, welches so viele konfuzianische Philosophen dafür halten, obgleich es bei vielen Menschen gar nicht >) Vergl. S. 58. ·) Yü-lu

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126

A. Die Nördliche Sung-Dynastie

III. Schicksal. „Das was man nicht erstrebt und erlangt, und was man erstrebt und nicht erlangt, ist vom Schicksal bestimmt."1) Das Schicksal wird dem Menschen vom Himmel bestimmt und kann nicht geändert werden.2) Es ruht in der Natur, dem Wesen, das der Mensch vom Himmel erhält, kommt also in seinem Geiste zum Ausdruck und wirkt vqn da aus.3) In der Welt herrscht ein beständiger Wechsel, auf Glück folgt Unglück, auf eine Zeit der Blüte kommt ein Niedergang. Dabei ist keine besondere Absicht des Himmels anzunehmen, die er durch Katastrophen zu erkennen gäbe. Wenn der Herrscher sich selbst prüft und findet, daß er \ Tugend beseelt ist, hat er nichts zu fürchten, aber er geht zugrunde, wenn er im Vertrauen auf das Schicksal sich seinen bösen Neigungen hingibt und eine schlechte Regierung führt. 4 ) Die Überzeugung, daß es ein Schicksal gibt, welches sich nicht ändern läßt, sollte den Menschen Ruhe und Zufriedenheit geben. Hu-tse behauptet, diese Eigenschaften zu besitzen, aber er muß zugeben, daß er doch auch den menschlichen Gefühlen, Kummer und Zweifel unterworfen ist: „Jemand fragt nach Wang T'ung5) und sagte: ,Hat der Meister Kummer und Zweifel?' — Antwort: ,Weshalb sollte ich Kummer haben, da ich mich am Himmel erfreue6) und das Schicksal kenne ? Und weshalb sollte ich Zweifel hegen, da ich das Vernunftprinzip vollständig erkannt und die Natur ausgeschöpft habe? Indes, alle Menschen auf Erden haben Kummer, sollte ich allein keinen haben ? Alle Menschen in der Welt haben Zweifel, sollte ich allein davon frei sein?"7)

IV. Natur. „Was ist und nicht nicht sein kann, nennt man Natur."8) Die Dinge können sein, aber sie können auch zugrunde gehen, unzerstörbar und ewig ist aber ihre innere Natur, ihr Wesen, welches nichts anderes als Tao, der Weltgeist ist: ,,Alle Wesen sind von der Natur erfüllt. Der Heilige versteht die Natur vollkommen, daher verachtet er kein Wesen."9) Die Natur ist es, die alle Dinge geschaffen hat. Diese bestehen aus Materie oder Fluidum, welches von der Natur beherrscht wird. Die Natur ihrerseits unterliegt der Herrschaft des Geistes, denn sie ist ja nur eine besondere Form des Geistes. Daher heißt es: „Das Fluidum wird beherrscht von der Natur und ') 2 ) 3 ) 4 ) 5 ) )

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IV. Andere Richtungen, Hu-Kreis: 3. Hu Hung

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diese vom Geist. Wenn der Geist ohne Fehl ist, dann ist die Natur gefestigt und das Fluidum wie es sein muß. Wird es dann bewegt, so weicht es nicht von der richtigen Bahn ab. Falls es das tut, ist der Geist nicht makellos."1) „Ohne die Natur gibt es kein Wesen und ohne Fluidum keinen Körper. Die Natur ist die Wurzel des Fluidums."2) Mit etwas anderen Worten wird dieser Gedanke so ausgedrückt:,, Außerhalb der Natur gibt es keine Dinge, und außerhalb der Dinge keine Natur. Daher werde ich erschaffen und ebenso die Dinge, und es kann v on Möglichkeit und Unmöglichkeit keine Rede sein."3) Dasselbe ist schon von Tao behauptet worden, aber die Natur ist ja auch nur eine besondere Form von Tao. Daher war Hu Hung wohl berechtigt zu sagen: „Wahrlich etwas Großes ist die Natur! Tausende von Prinzipien sind darin enthalten, Himmel und Erde sind daraus hervorgegangen. Wenn die gewöhnlichen Konfuzianer von der Natur sprechen, so weisen sie zur Erläuterung nur auf ein einziges Prinzip hin, aber sie haben die vollständige Substanz des himmlischen Schicksals noch nicht erfaßt."4) Das himmlische Schicksal ist dasselbe wie die allen Dingen innewohnende Natur. Was nun speziell die menschliche Natur anbetrifft, so hat Hu-tse darüber zwei Aussprüche getan, welche von Tschu Hsi heftig bekämpft worden sind. Der erste lautet: „Zuneigung und Abneigung sind Natur. Beim gewöhnlichen Menschen bestimmen sie sich nach ihm selbst, beim Edlen nach Tao. Hiernach wird man verstehen, was himmlisches Prinzip, was menschliche Leidenschaften sind."5) Danach würde, meint Tschu Hsi, die Natur für Gut und Böse indifferent sein, sie würde nur Neigungen und Abneigungen haben, aber den Unterschied von Gut und Böse nicht kennen. Tao, wonach der Edle seine Neigungen regelt, würde außerhalb der Natur sein, und die menschlichen Leidenschaften beständen neben dem himmlischen Prinzip. Diese Ansicht widerspricht dem Satze des Schiking III B. III, 6 (Legge II, S. 541): „Der Himmel erschuf das zahlreiche Volk, und für alle Fähigkeiten waren feste Normen. Das Volk hält fest an seinen natürlichen Anlagen, und es liebt die herrlichen Tugenden." Gegen den Ausspruch des Hu Hung ist nicht viel einzuwenden, und es ist auch nicht die Folgerung zu ziehen, daß die Natur zwischen Gut und Böse nicht unterscheiden könne. Tschu Hsi's Theorie von der Güte der menschlichen Natur und die klassischen Texte lassen sich allerdings mit Hu-ise'e, Ansicht schlecht vereinigen. Tschu Hsi gibt zu, daß die Natur gewisse Neigungen hat, aber will sie nicht als Natur betrachtet wissen. ') Tschi-yen II, 5b: ^ ± ¥ 14. 14 ± ¥ 'fc> & ffi fl'J 14 £, M M JE, M JE fl'J

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128

A. Die Nördliche Sung-Dynastie

Ebenso wenig hat die folgende Auseinandersetzung über das Wesen der menschlichen Natur vor Tschu H si's Augen Gnade gefunden: „Jemand fragte nach der menschlichen Natur. Antwort: ,Natur ist dasjenige, wodurch Himmel und Erde bestehen.' — Frage: ,Nun haben aber Meng-tse, Hsün-tse und Yang Hsiung Gut und Böse für die Natur erklärt. Ist das falsch?' — Antwort: ,Die Natur ist etwas Geheimnisvolles des Himmels und der Erde, der Geister und Dämonen. Gut ist kein genügender Ausdruck dafür und Böse noch viel weniger.' — Man fragte weiter, wie das zu verstehen sei. Antwort: ,Ich habe einen verstorbenen Edlen sagen hören, dasjenige, wodurch Meng-tse aus dem Kreise aller Konfuzianer heraustrete, sei, daß er die menschliche Natur verstand. Ich bat um weitere Aufklärung. Der Edle sagte: ,Wenn Meng-tse sagt, daß die Natur gut sei, so ist der Ausspruch nur ein Ausdruck der Bewunderung und Gut nicht im Gegensatz zu Schlecht zu verstehen'."1) Es wird meistens angenommen, daß Hu-tse die Natur für absolut gut erklärt habe, während die Früheren nur relative Güte im Gegensatz zum Bösen dafür gefordert hätten.2) Hsieh Wu-liang meint, daß, wenn Hu-tse die Natur für weder gut noch schlecht erkläre, er damit ausdrücken wolle, daß sie ohnegleichen, das heißt über alles erhaben sei.3) Gegen den Begriff der absoluten Güte richtet Tschu Hsi seine Hauptangriffe.4) Da Hu-tse die menschliche Natur dem Urprinzip, Tao oder der Weltvernunft gleichsetzt, so ist sie etwas Übersinnliches, das weit über unser Verständnis hinausgeht. Man kann also über ihre Eigenschaften eigentlich nichts aussagen. Alle unsere Versuche, sie zu definieren, müssen unzulänglich bleiben. Tao ist weder seiend, noch nichtseiend, sondern transzendent, sein Wirken ist weder Tun noch Nichttun, sondern Wu-wei, und sein Wesen ist weder gut noch böse, sondern besitzt einen solchen Grad von Verzüglichkeit und Vollkommenheit, daß unsere Begriffe gut und böse daneben verblassen und jeden Sinn verlieren. Allerdings läßt sich mit einem solchen übersinnlichen Begriff einer transzendenten, absoluten Güte für die menschliche Natur nichts anfangen, denn in dieser kommt er nicht zum Audruck. Das Verhältnis der Natur zu den Gefühlen und Begierden veranschaulicht unser Philosoph durch einen Vergleich: „Wenn man die Natur mit Wasser vergleicht, dann ist der Geist das Grundwasser, die Gefühle sind wie das Gekräusel und die Begierden wie die Wellen."5) Die gewöhnlichen Menschen werden von ihren Gefühlen, Leidenschaften, Anlagen, Geschicklichkeiten fort1) Sung-yuan hsüeh-an Kap. 42, 8b: j£ f% fe, 0 % ft fa % ^ j& ± ffi # £ .&, H,

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IV. Andere Richtungen, Hu-Kreis: 3. Hu Hung

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gerissen und zum Bösen verleitet. Auch der Heilige ist allen diesen Einflüssen unterworfen, aber er versteht sie nach den Vorschriften des Tschung-yung in den rechten Grenzen zu halten. Infolgedessen sind seine Taten gut. Nach Hu Hung's Dafürhalten ist es ganz verkehrt, daß die Gelehrten das Gute und Böse auf die Natur zurückführen.1) „Wenn die Wünsche der Menschen überwuchern," sagt er, „dann sind sie blind für das himmlische Prinzip, so lange dieses klar und rein ist, haben sie keine Wünsche."2) „Bei der Pflege der eigenen Persönlichkeit kommt es besonders darauf an, wenig Wünsche zu haben, und wenn man sich betätigt, muß man höflich und mäßig sein. Das gilt vom Himmelssohn ab bis zum gewöhnlichen Mann."3)

V. Vernunftprinzip. Leben und Sterben aller Wesen hängt von der himmlischen Vernunft oder dem Weltgeist ab: „Das was in den Geschöpfen Leben und Tod bewirkt, ist das rationale Prinzip. Dieses ist das Reine in den Wesen. So lange sie leben, halten sie zusammen und sind sichtbar, daher gelten sie als seiend. Wenn sie sterben, zerfallen sie und sind nicht mehr sichtbar, weshalb sie als nicht vorhanden gelten. Was man sieht, ist nur der Körper dieser Geschöpfe, ihr rationales Prinzip kennt weder Sein noch Nichtsein."4) Diesem Vernunftprinzip muß man sich anpassen, um sich zu vervollkommnen, und nicht seinen eigenen Wünschen folgen: „Das himmlische Schicksal ist die Natur. Die menschliche Natur ist der Geist. Wenn man seine eigenen Wünsche nicht ausführt und sein eigenes Wissen nicht verwendet, vielmehr dem himmlischen Vernunftprinzip folgt, dann ist man bestrebt, seinen Geist vollkommen auszufüllen."5) Dabei hilft einem die gute Gesinnung, auf welche der Philosoph namentlich in einer Eingabe an den Kaiser -tsung verweist: „Die gute Gesinnung", heißt es, „erfüllt den Körper und steht mit Himmel und Erde in Verbindung. Sie beherrscht alle Dinge und lenkt die Millionen. Um das himmlische Prinzip kennen zu lernen, muß man seine Begierden zurückdämmen, und um seine gute Gesinnung zu bewahren, seinen Willen festigen."6)

VI. Geist. Das Problem Körper und Geist scheint Hu-tse sehr beschäftigt zu haben. Nach der realistischen Auffassung sind beides getrennte Wesenheiten und beide *) Li-hsüeh tsung-tschuan XVI, 18a. Tschi-yen III, 6b: « ,flO*£ 55 S §, 3 # WKfl'JHfi flt &·

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

wirklich, nach der idealistischen sind beide dasselbe, nämlich beide Geist, und die Körper haben keine reale Existenz. Zwischen diesen entgegengesetzten Ansichten scheint unser Philosoph hin und her zu schwanken, aber ich glaube, daß er sie schließlich vereinigt hat. Hören wir, was er selbst dazu sagt: Das bereits mitgeteilte Gespräch mit Tchü-tscheng über das Wohlwollen1) hatte folgenden Fortgang: ,,Frage: ,Alle Dinge sind mit mir eins. Kann man sie für die Substanz des Wohlwollens halten?' — Antwort: ,Wie kannst du mit einem Körper von sechs Fuß allen Dingen gleich sein?' —Frage: ,Wenn ich mit meinem Körper den Dingen nicht gleich sein kann, dann kann ich es doch mit dem Geiste?" — Antwort: ,Der menschliche Geist macht hundert Krankheiten durch, und an einer stirbt er. Durch eine Verwandlung der Dinge entsteht tausendfaches neues Leben. Wie kannst du also mit den Dingen eins sein?' — Tchütscheng ging erregt von dannen."2) Die Behauptung des Tchii-tscheng, daß alle Dinge mit mir eins seien, involviert den idealistischen Standpunkt, denn das bedeutet, daß alle Dinge mein Geist, Erzeugnisse meines Geistes, meine Vorstellung sind. So pflegten die chinesischen Idealisten, denen unsere philosophischen technischen Ausdrücke noch nicht zur Verfügung standen, sich auszudrücken. Wohlwollen ist nun nach Hu-tse die Substanz des Weltgeistes, und dafür möchte der Fragesteller auch die Dinge halten. Aber der Philosoph stellt sich hier ganz auf den realistischen Standpunkt und hält dem Fragenden entgegen, daß doch unmöglich der kleine menschliche Körper der ganzen Welt gleich sein könne, und als dieser glaubt, mit dem Geiste diese Übereinstimmung erreichen zu können, weist er ihn auf die Verschiedenheit von Körper und Geist hin. Der menschliche Geist stirbt, und damit ist alles Leben zu Ende, während, wenn die Dinge zugrunde gehen, nur eine Verwandlung eintritt und tausendfaches neues Leben entsteht. In diesem Sinne ist wohl auch die Kritik der Buddhisten zu verstehen, denen Hu-tse vorwirft, daß sie eine zu hohe Meinung von sich selbst hätten und sich einbildeten, daß alle Dinge ihr Geist seien.3) Ganz anders klingen dagegen die folgenden Ausführungen: „Der Geist und seine Spuren sind schon lange voneinander geschieden, sollte ich allein sagen, daß diese Zweiheit nicht bestände ? — Jemand fragte, wie es komme, daß Wang T'ung von einer Zweiheit rede.4) Antwort: ,Wer für Wohlwollen ist, der weiß, daß Wang T'ung nur von einer Einheit spricht, wer nicht für Wohlwollen ist, wird sagen, daß er von zwei Dingen spreche. Wenn der Geist von seinen Erscheinungen getrennt wird, so würden Himmel und Erde und alle Dinge nicht !) Siehe oben S. 125. ») Li-hsüeh teung-tschuan XVI, 17a:

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IV. Andere Richtungen, Hu -Kreis: 3. Hu Hung

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gegenseitig zusammenwirken können, aber wie sollte eine einheitliche Bewegung der Welt zustande kommen?'" 1 ) Die Spuren des Geistes sind die von ihm geschaffenen Dinge. Sie sind schon lange selbständig, daher besteht eine Zweiheit, wie allgemein angenommen wird, Geist und Dinge. Nun gilt Wohlwollen als die Substanz des Weltgeistes, und seine Erzeugnisse, die Dinge, müssen aus derselben Substanz sein. Für denjenigen, der an diese Theorie glaubt wie Hu Hung, gibt es also nur eine Einheit, die ganze Welt besteht nur aus Wohlwollen. Wären Geist und Körper getrennt so könnte keine Wechselwirkung zwischen ihnen stattfinden, und es könnte zu keiner einheitlichen Bewegung kommen. Eine Wechselwirkung zwischen materiellen und immateriellen Dingen, ein influxus physicus, wie unsere Philosophen sagen, erscheint Hu Hung unmöglich, daher ist er für die idealistische Ansicht, daß alles, auch die materielle Welt, Geist ist, wenn es ihm auch schwer wird, sich gegen den von den meisten angenommenen Dualismus von Körper und Geist zu erklären. In einem dritten Stadium nun werden der frühere und der spätere Standpunkt vereinigt. Hu-tse erklärt jetzt: „Die Dinge sind ohne Zweifel Ich, und was geschieht, ist sicherlich wirklich, daher kann nichts abgeschmackter sein als das Treiben jener (der Buddhisten), welche alle menschlichen Dinge verschmähen und nur die Beschäftigung mit dem Leben und dem Tode für wichtig halten."2) Die Dinge sind mein Geist, aber zugleich auch wirklich existierend, materiell und nicht bloßer Schein, wie die Buddhisten annehmen, welche sich deshalb für die Dinge der Welt gar nicht interessieren und nur mit metaphysischen Fragen abgeben. Das wird noch weiter ausgeführt. „Das harmonische Zusammenwirken der vier Elemente3), heißt es an anderer Stelle, ist das höchste Prinzip und die entsprechenden Bilder, welche die sechs Sinne4) hervorrufen, sind etwas Wunderbares.5) Welche Geschehnisse wären nicht echt, und welche Dinge wären nicht Ich? So entstehen die Wesen ohne Ende, es gibt kein Aufhören und keine Vernichtung. Das ist der unabänderliche Gang Tao's, und der Mensch vermag nichts dabei. Wenn der Mensch sich einmischen will, so weiß ich, daß es nur zu Verkehrtheiten führt."6) Die Dinge werden durch das Zusammenwirken der Elemente geschaffen, und insofern sind sie unabhängig von den Menschen, die sich in die Schöpfung durch Tao nicht einmischen können. Sie sind echt, das i) Tschi-yen HI, 7a: ^ H, ,£, ® £ # ^ & §1 ft ft ^ - fl- ^ £fflB, M G - W H -«L, , t, iij £p ü ± W — .

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Die buddhistischen. Ebenfalls die buddhistischen. Die geistigen Vorgänge, Wahrnehmungen und Vorstellungen. Tschi-yen I, 3b: 0 ^ Jfo & £ # £ ^ ^ ffi ft & £ * »ffl>M *

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heißt, sie haben Wirklichkeit. Andererseits sind die Dinge aber auch mein Ich, nämlich Produkte meines Geistes, meine Vorstellungen. Wir haben hier Realismus und Idealismus vereint, was man Ideal-Realismus nennt. Wir können uns die Wandlung, welche der Philosoph durchgemacht hat, so vorstellen. Zuerst war er Realist und lehnte die Annahme, daß mein Geist mit den Dingen gleich sei, ab. Dann bekam er Zweifel an der Richtigkeit dieses Standpunkts und wurde Idealist, für den die ganze Welt nur aus einer Substanz, dem Geist des Wohlwollens und der Liebe bestand. Schließlich verknüpfte er Realismus und Idealismus und wurde Real-Idealist oder Ideal-Realist. Eine solche Entwicklung scheint mir auch im Einklang mit den Lebensumständen des Philosophen. Zuerst verbreitete er die Lehre seines Vaters, welcher Anhänger des Realisten Tsch'eng I war. Dann studierte er unter dem Idealisten Yang Schi, einem Schüler des Tsch'eng Hao, und am Ende machte er aus den Lehren der beiden eine Synthese, seine eigene Schöpfung, den Real-Idealismus. Allerdings hat er seine Ansichten nicht sehr klar entwickelt, und man muß das meiste zwischen den Zeilen lesen. Der Geist von Himmel und Erde ist vollkommen, wie wir sahen, man kann dabei nicht von gut oder schlecht, richtig oder falsch reden. Er ist im Gleichgewicht, geht nie über das richtige Maß hinaus und bleibt nicht dahinter zurück.1) Ihm ist die wunderbare Schöpferkraft eigen, womit er alle Wesen hervorbringt, die er dann erhält und regiert.2) Für den menschlichen Geist ist das Erkenntnisvermögen charakteristisch. Er reproduziert die Dinge, wie das Wasser die Formen durchscheinen läßt. Seine Wahrnehmungen sind wahr oder falsch: ,.Die Gestalten aller Dinge haben einen Körper und einen Schatten. Das Solide, das man benutzen kann, heißt Körper, das Leere, welches sich nicht benutzen läßt, ist der Schatten. Die Lehre der Konfuzianer fußt auf dem Körper, die der Buddhisten läuft dem Schatten nach."3)

VII. Himmel. Unter Himmel wird der physische Himmel verstanden, aber es ist Ties auch ein Name fürTao. also die höchste geistige Macht. Über das Verhältnis desMenschen zum Himmel sagt Hu-tse: „Der Mensch ist die Essenz von Himmel und Erde. Deshalb bewegt er sich zwischen beiden und tritt dem feinen Fluidum der fünf Elemente und der zehntausend Dinge nicht entgegen. Daher werden die Dinge von ihm benutzt und widersetzen sich dem nicht."4) Der Mensch, der durch das Zusammenwirken von Himmel und Erde entsteht, paßt sich den *) Hu-tse tscki-yen yi-yi 4b. 2 ) Tschi-i/en VI, l a.

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IV. Andere Richtungen, Hu-Kreis : 3. Hu Hung

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Kräften der Natur an. Daher fügen sich ihm die Dinge und lassen sich von ihm benutzen. Die Konfuzianer haben von jeher den Himmel verehrt, den sie als das höchste Wesen betrachten. Deswegen, meint Hu-tse, haben sie auch den Heiligen als Himmel oder als himmlischen Herrscher bezeichnet und dadurch dem Himmel gleichgesetzt. So ist Konfuzius geehrt worden, denn es heißt von ihm : ,,K'ung-tse folgte den Wünschen seines Herzens, aber er ging niemals über das Erlaubte hinaus. Man kann wohl sagen, daß er alle Möglichkeiten seines Geistes ausschöpfte. Der Himmel ist K'ung-tse und K'ung-tse der Himmel."1)

VIII. Leben und Tod. Hu Hung teilt nicht die gewöhnliche Ansicht über den Tod, seine Anschauungen kommen denen derTaoisten nahe: „Das Leben", sagt er, „ist eigentlich nicht so begehrenswert. Der Grund, weswegen die Menschen das Leben so lieben, liegt in ihren Leidenschaften. Der Tod ist eigentlich nicht so hassenswert. Der Grund, weswegen die Menschen den Tod so verabscheuen, sind auch ihre Leidenschaften. Im Leben sucht man Erfüllung seiner Wünsche, und durch den Tod fürchtet man seine Hoffnungen zu verlieren. So sind die Menschen in der Welt von steter Unruhe geplagt, alles dreht sich um Wünsche, und die Lehre vom Geiste findet keine Verbreitung."2) Die Menschen würden den Tod nicht fürchten, wenn sie mehr vom Geiste wüßten. Wir erfahren den Grund aus einem berühmten Gespräche des Philosophen über diesen Gegenstand : ,, Jemand fragte ihn, ob der Geist sterbe oder am Leben bleibe. Er antwortete : ,Er hat kein Leben und kein Sterben.' — Jener sagte: ,Aber, wenn der Mensch gestorben ist, wo befindet sich sein Geist?' — Hu erwiderte: ,Wenn du weißt, daß er stirbt, wozu fragst du dann noch, wo er sich befinde?' Der Fragesteller sagte: ,Wie ist das zu verstehen?' — Hu antwortete: ,Nur wenn du annimmst, daß der Geist nicht stirbt, dann weißt du es, und du brauchst nicht mehr zu fragen'.3) — Jener verstand es nicht. ·— Hu sprach lächelnd: .Deine Beschränktheit ist schlimm. Du darfst den Geist nicht mit dem Körper betrachten, sondern nur mit dem Geist, dann wirst du es begreifen.'"4) Dem hält Tschu Hsi entgegen, daß diese Ansicht derjenigen der Buddhisten von der Seelen Wanderung ähnlich sei. Der Mensch habe zwar dasselbe rationale

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richtig. 4 ) Li-hsüeh tsung-tachuan XVI,

17a. — Sung hsüeh-an XLII, 8b:

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

Prinzip wie der Kosmos, aber äußerlich seien sie verschieden gestaltet. Der Weltgeist geht nicht zugrunde und ist heute noch so wie im Altertum. Der Menschengeist dagegen folgt dem Schicksal des Körpers und hat wie dieser Anfang und Ende.

IX. Buddhismus. Als Konfuzianer steht Hu Hung dem Buddhismus sehr kritisch gegenüber und greift ihn beständig an. So sagt er von ihm: „Die Buddhisten lösen sich los von den Dingen, entfliehen der Welt und nehmen ihre Zuflucht in die Leere und Stille. Sie sehen die Weltmaschinerie so an, als ob sie von den Dingen keinen Gebrauch machte,1) haben deswegen eine sehr hohe Meinung von sich selbst und sagen, daß alle Dinge ihr Geist sei. Die Dinge meinen sie, haben kein Gefühl und keine Wahrnehmung, wir dagegen fühlen und empfinden, deshalb stehen wir hoch über allen Dingen. Infolgedessen werfen sie in ihrem Tun alles durcheinander und sind zu allem möglichen fähig. Das Sein halten sie gerade für Nichtsein, und ihr ganz mangelhaftes Verständnis der Bedeutung von Tao, das bezeichnen sie als Kenntnis des Geistes und der menschlichen Natur."2) Hu-tse macht sich die Sache sehr leicht, indem er annimmt, daß alles, was mit der konfuzianischen Doktrin nicht übereinstimmt, falsch ist. Daher heißt es: „Wenn man den Wandel und die Umgestaltungen von Himmel und Erde versteht und die Regel, wonach allen Geschöpfen ihr Geschick zuteil wird, dann muß man annehmen, daß die Auseinandersetzungen über die sechs Pfade der Seelenwanderung3) verkehrte und unrichtige Ansichten sind."4) So kommt er zu dem Schluß: „daß die Verkehrtheit der Buddhisten für den menschlichen Geist äußerst schädigend ist. Sollte noch einmal ein heiliger König auftreten, so würde er sicherlich nicht die chinesischen Kulturträger verachten und nicht zulassen, daß man sich mit den Barbaren auf gleiche Stufe stellt",5) also wieder der nationale Kulturdünkel. Tschu Hsi erklärt Hu Hung für einen tüchtigen Philosophen und guten Denker, aber er irre auch öfter. Zu seinen verkehrten Vorstellungen rechnet er namentlich die folgenden: 1. der Geist und die Natur seien wie Substanz und Funktion, 2. die Natur kenne nicht Gut und Böse, 3. der Geist nicht Leben und Sterben, 4. das himmlische Prinzip und die menschlichen Begierden hätten dieselbe Substanz, x ) Das Werden und Vergehen der Dinge ist für sie nichts Wirkliches, sondern nur Sinnes täusehung. ·) TscM-yenl, 5a: ff R £ ft £ fc II £ W & ft £ ^ ft ft * lg ft ft #,

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IV. Andere Richtungen, Hu-Kreis: 4. Hu Yin

135

aber verschiedene Funktionen, 5. um zu wissen, was Wohlwollen sei, müsse man zunächst seine Substanz kennen. TschuHsi'a Kritiken sind nicht sehr tiefgehend, sie betreffen meist mehr den Ausdruck als den Inhalt und betrachten die konfuzianischen Dogmen als unumstößliche Wahrheiten, durch welche die Behauptungen Hu Hung's widerlegt werden sollen. Mir scheint, daß der Interpret und Bewunderer Tschu Hsi's, Bruce, den Hu Hung doch unterschätzt, wenn er seine Gedanken unlogisch und widerspruchsvoll nennt und als ein Gemisch quasi-philosophischer Äußerungen betrachtet.1) Man kann zugeben, daß seine Ausdrucksweise oft schwankend und unbestimmt ist, daß er es liebt, die Unterschiede der Begriffe zu verwischen, aber er hat doch manche originelle und gute Gedanken, so daß er als einer der bedeutenden Philosophen der späteren Sung-Zeit gelten muß.

4. Hu Yin 1093 — 1151.

Hu Yin ( . Ming-tschung, H. Tschi-t'ang2)) war der Sohn eines jüngeren Bruders des Hu An-kuo. Da dieser schon sehr viele Söhne hatte und seine Geburt seiner Mutter unerwünscht war, während Hu An-kuo's Frau sich einen Sohn wünschte, so wurde er von seinem Onkel adoptiert, und er wird daher als dessen ältester Sohn aufgeführt.3) In seiner Jugend war er sehr unbändig und schwer zu leiten. Sein Adoptiwater schloß ihn in einem leeren Zimmer ein, worin sehr viel Holz lag. Der Knabe schnitzte daraus lauter Menschen. Um seinem Geiste eine andere Richtung zu geben, ließ sein Vater eine Menge Bücher, die mehrere tausend Kapitel enthielten, in das Zimmer legen. In etwas über einem Jahre hatte der Knabe sie alle gelesen. Nach bestandenem Doktorexamen wurde Hu Yin am Staatsarchiv angestellt. Als Archivbeamter studierte er Philosophie bei Yang Schi, ohne indes die idealistische Richtung seines Lehrers anzunehmen. Lange Jahre war er Ratgeber des Kaisers Kao-tsung und bekleidete das Amt eines Vizepräsidenten des Kultusministeriums. Seine Werke sind ein historisches Werk, das Tu-schi kuan-tchien*), eine Exegese des Lun-yü, Lun-yü hsiang-schuo,5) die seiner Zeit viel gelesen wurden, und das P'ei-jan tchi6) in 30 Kapiteln. Sein Vetter Hu Hung hielt seine Werke für so *) 2 Bruce I, 204.

)) Biographie & Jt, 3= mim1t,Sung-schi M a s-Kap.

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435 S. 12b—18b.

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

schlecht, daß er sie verbrennen wollte. Zwischen beiden scheint keine große Harmonie geherrscht zu haben, wohl wegen ihrer verschiedenen philosophischen Richtung. Sie disputierten bisweilen zusammen, aber Hu Hung war Hu Yin im Reden weit überlegen und überwand alle Gegner.1) Hu Yin war ein klarer Geist, der ganz auf realem Boden stand und deswegen den Buddhismus stark bekämpfte. Sein Denken bewegte sich besonders um die Grundbegriffe, das rationale Prinzip und das Recht.2) Vom Himmel hatte er die Vorstellung, daß er keinen Körper habe wie die Erde, also nicht eine feste Sphäre sei. Die Alten gaben ihm die Form eines geneigten Schirmes,3) das sei verkehrt. Tschuang-tse leugnete, daß seine Farbe blau sei.4) Er hat überhaupt weder Farbe, noch Laut, noch Geruch. Sonne, Mond und Sterne sind nicht so an ihm befestigt wie Berge, Flüsse, Bäume an der Erde. Ihre Bewegungen werden von dem Mechanismus der Luft spontan hervorgebracht. Es findet keine Verbindung vermittels eines Körpers statt, denn eine solche müßte zur Zertrümmerung führen.5) „Der menschliche Geist hat nach Hu Yin wahre und falsche Vorstellungen: „Der menschliche Geist", sagt er, „hat oft Vorstellungen, die er nicht loswerden kann. Wenn die Gedanken im Herzen sehr intensiv werden, dann kommt es ihm in diesem Dämmerzustand so vor, als ob er wirklich etwas sähe. Der Kaiser Han Wu-ti erblickte die Li fu-jen6) und der T'ang-Kaiser Ming Huang den Lao-tse. Beide Fälle sind von dieser Art. Wenn man sehr leidenschaftlich erregt ist und den Willen nicht ablenken kann, dann folgt man dem Verlangen und hat eine Vision. In Wirklichkeit herrscht Stille, es ist nichts da, und was man sieht, ist nur eingebildet. Deshalb legt der Edle bei der Pflege seines Geistes Gewicht auf Wirklichkeit. Wenn die vorhanden ist, so kommt derartiges nicht vor. Hat man Wirklichkeit, so ist auch das, was man sieht, wirklich."7) Es hat stets Personen gegeben, welche eine Vereinigung von Konfuzianismw und Buddhismus für möglich hielten. Diesen antwortet Hu Yin: „Einige haben behauptet, Konfuzianismus und Buddhismus führten zu demselben Ziele. Kann man Eis und glühende Kohlen in dasselbe Gefäß legen?" Schon vor dem Eindringen des Buddhismus habe es Menschen gegeben, die sich in die Einsamkeit zurückzogen und dort als Eremiten lebten, indem sie sich einbildeten, daß ihre *) Hsing-li ta-tch)) aSiehe$.World

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) 6 ) ·) ließ. ')

Conception S. 13. Vergl. World Conception S. 51. Hsing-li ta-tch'üan XXVI, 12b. Die verstorbene Lieblingsfrau des Kaisers Han Wu-ti, welche ihm ein Magier erscheinen Lun-heng I, 97. Sung-yuan hsüeh-an Kap. 41, 17a: & ffi ig % ^ IE £ ±, T · ft S IE

IV. Andere Richtungen, Hu-Kreis: 4. Hu Yin

137

Ansichten besser seien als der Konfuzianismus. Der Buddhismus hat dann viele Menschen betört, die die wahre Lehre aufgegeben haben. Auf die Frage, wie es komme, daß so viele Konfuzianer in späteren Jahren noch sich dem Buddhismus zugewandt hätten, erwidert Hu Yin, daß es enttäuschte Gelehrte seien, welche durch ihr Studium nicht das erreichten, was sie hofften, und nun, als ihre Geisteskräfte schon nachließen und sie von den großsprecherischen Reden der Buddhisten hörten, sich ihnen freudig anschlössen. Sie seien wie Wanderer, welche auf bequemer Straße marschierten und plötzlich hohe Berge vor sich und hinter sich einen tiefen Fluß sähen. Erfreut schlagen sie einen Seitenweg ein. Sie gleichen auch Reisenden, welche glauben in Gasthäusern die Behaglichkeit des eigenen Heims zu finden.1) „Der Buddhismus betrachtet die Leere als Höchstes und das Sein als Blendwerk. Das müssen diejenigen, welche die wahre Lehre studieren, wohl beachten. Heute drehen sich Sonne und Mond am Himmel, Berge und Flüsse sind verbunden mit der Erde, und Menschen und Tiere breiten sich in der Welt aus. Auch wenn zehntausend Buddhas zugleich entstünden, würden sie die Welt nicht aufheben, vernichten oder zum Stillstand bringen können. Die Sonne macht den Tag, der Mond die Nacht, die Berge stehen fest, und die Flüsse fließen, Menschen werden geboren, und Tiere pflanzen sich fort, seitdem die Welt besteht; bis heute konnte das nicht geändert werden, und man muß sich darüber freuen. Wenn auch hier ein Geschöpf zugrunde geht, so entsteht dort ein neues. Wenn auch mein Körper stirbt, so bleibt doch der Körper der Menschen erhalten. Es ist nicht alles Leere!"2) Und weiter heißt es: „Die heilige Lehre erklärt den Geist für das Wichtigste, der Buddhismus ebenfalls, aber nicht in gleicher Weise. Der Heilige lehrt die Menschen den Geist zu richten. Was jeder Geist in gleicher Weise besitzt, nennt man das rationale Prinzip und das Recht. Wenn man dieses Prinzip ergründet und das Recht erkennt, dann ist der Geist in seinem Wesen und in seiner Betätigung3) vollkommen in Ordnung. Der Buddhismus lehrt die Menschen durch den Geist zum Dharma zu gelangen, die Welt zu vernichten und das menschliche Dasein für Traum und Schein zu erklären."4) l ) Loc. cit. S. 4b. ·) Kap. 41 S. 6a: ft £ g # g £ ^, # % £ jfcj, jjfc ^ & % ffi % $ ^, ^

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) Das Vernunftprinzip und das Recht sind Wesen und Betätigung des Geistes. «) Kap. 41 8. 7b: S * ö ,& « #, ft R «v ffi * 13 4, S »

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

b) Der Su-Kreis. 1. Su Hsün 1009—1066. Su Hsün (T. Ming-yun H. Lao-tch'üan)1) war aus Mei-schan2) in der Provinz Ssetschuan gebürtig. Viel bekannter als er selbst sind seine beiden berühmten Söhne Su Schi und Su Tsch'e. Erst als er 27 Jahre alt war, erwachte in ihm die Liebe zum Studium, aber er fiel durch alle Examina.3) Darauf verbrannte er alle seine Aufsätze, schloß sich ein und studierte die Klassiker und die Philosophen. Durch seine Privatstudien wurde er ein sehr gewandter Schriftsteller. Im Jahre 1055 begab er sich mit seinen beiden Söhnen in die Hauptstadt, wo Ou-yang Hsiu ihn dem Kaiser empfahl, indem er ihm 22 seiner Aufsätze einreichte. Sie waren so vorzüglich, daß sich die Gelehrten und hohen Beamten darum rissen und die Studenten sie als Muster nahmen. Auf Antrag des Han Tch'i*) wurde Su Hsün an der kaiserlichen Bibliothek angestellt. Bei seinem Tode spendete der Hof 200 Taels für sein Begräbnis. Su Schi wies das Geld zurück und bat um Verleihung eines posthumen Titels. Es wurde ihm der Rang eines Vizepräsidenten des Banketthofs5) verliehen und seine Leiche wurde auf Staatskosten im Boot nach Ssetschuan geschafft. SuHsün'sWerke erschienen zuerst unter dem Titel Tchia-yu tchi*) in 15 Büchern, später werden sie Lao-tch'üan wen-tchi"1) genannt, in 20 Büchern, wozu noch eine Abhandlung über posthume Ehrennamen Schi-fas) in 3 Büchern kam. Ein Auszug daraus ist in den „Ausgewählten Werken der drei Su", San Su wenhsüan*) in dem Sammelwerk Tschu ming-tchia ho-p'ingw) enthalten. Die Schriften Su Hsün's sind inhaltlich, abgesehen von den rein literarischen Teilen, hauptsächlich historisch und staatsphilosophisch, es werden viel praktische Vorschläge für die Verwaltung des Staates gegeben. Auch über die Kriegskunst findet sich manches. Von philosophischen Problemen scheint sich der Verfasser besonders für die Entstehung der Kultur interessiert zu haben. In den Urzeiten, so schreibt Su Hsün, kannten die Menschen den Unterschied von Rang und Alter nicht. Sie pflügten nicht, sie trieben keine Seidenzucht und führten ein freies Leben. Der Heilige führte die Unterschiede von Fürst und Untertan, Hoch und Niedrig, Alt und Jung bei ihnen ein, so daß immer die Höhergestellten über die Niedrigen herrschten, und lehrte sie die Landwirtschaft, um zu essen zu haben, und die Seidenzucht, um sich zu kleiden. Das

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) Das beweist für seine Fähigkeiten gar nichts. Nur ganz wenige konnten die Prüfungen bestehen, es war fast ganz Glückssache, und es kam viel mehr auf Formalien als auf Wissen an. 4 ) $$[ J^» bedeutender Staatsmann. Giles Nr. 610. 6 ) ·}£ ^ -l^, ein kleines Ministerium. Su Hsün war spät Beamter geworden und nicht sehr befördert worden, daher die Bitte seines ehrgeizigen Sohnes. «) f. jffi ^ Tchia-yu Regierungsdevise = 1056—1065 n. Chr. 10

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IV. Andere Richtungen, Su-Kreis: 2. Su Schi

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konnte er durch Einführung der Sitte, indem er die Massen auf die Nachteile ihrer ursprünglichen Lebensweise hinwies. Sie verzichteten freiwillig auf ihre Freiheit und nahmen die Mühen des neuen Systems auf sich, um ihre Lebensstellung zu verbessern. Damit sie nicht wieder in den alten Zustand zurückfielen, gab der Heilige ihnen das Yiking und hielt dadurch das Volk in Respekt.1) Wenn es keine Rangunterschiede der Menschen gäbe, so würden sie sich gegenseitig totschlagen, und wenn die Menschen nicht Ackerbau und Seidenzucht trieben und nur das Fleisch von Vögeln und wilden Tieren äßen und sich mit ihren Fellen kleideten, so würden sie im beständigen Kampfe mit den Tieren liegen. Die Rangunterschiede und der Ackerbau beruhen auf der Sitte, welche von den Heiligen eingeführt ist.2) Der Heilige veranlaßte das Volk, durch Verneigung Respekt vor Fürst, Vater und älterem Bruder zu zeigen, indem er selbst das Beispiel gab und drohte, diejenigen, welche es nicht täten, nicht mehr für Seinesgleichen zu halten.3) Zur Unterstützung der Sitte bediente sich der Heilige der Musik. Wenn die Menschen Musik hören, so sind sie bereit, ihrem Fürsten, dem Vater und dem älteren Bruder zu dienen. Was die Sitte allein nicht vermag, das bringt die Musik zustande.4) Die Regierung eines Staates erscheint Su Hsün sehr schwierig, und er hält eigentlich nur die Heiligen, nicht einmal die Weisen für fähig dazu, denn er sagt: Es gibt Menschen mit großem Wissen, solche mit kleinem und solche ohne Wissen. Die Heiligen haben großes Wissen, mit dem sie dauernd einen Staat regieren können. Die Weisen können sich mit ihrem Wissen helfen, auch wo es nicht ausreicht, die Toren, denen es an Wissen fehlt, verlieren selbst noch das, wozu ihre Fähigkeiten ausreichen. Einen Staat regieren können sie nicht. Die Weisen vermögen wenigstens zeitweise den Staat zu regieren.5) Von den sonstigen Äußerungen Su Hsüris ist noch eine Bemerkung zu dem Volksglauben, daß Tötung durch Blitzschlag ein himmlisches Strafgericht sei, erwähnenswert: Man sagt, daß diejenigen, welche Vater und Mutter nicht ehren und die Geister verachten, vom Blitze getroffen werden. Das kommt wohl vor, aber der Blitz kann nicht alle Bösen treffen, deren sind zu viele. Indes die Furcht vor dem Blitze wirkt doch abschreckend.6)

2. Su Schi 1036—1101. S u Schi7) hat den Beinamen Tse-tschans), ist aber am bekanntesten unter seinem Schriftstellernamen Tung-p'o,9) als Su Tung-p'o. Der Name „Östlicher 1

) ) 3 ) 4 ) 5 ) «) 2

San Su wen-hsüan I, 1. Sung-yuan haüeh-an Kap. 99 S. 2b. San Su wen-hsüan /, 5. Sung-yuan hsüeh-an Kap. 99 S. 6 a. Tchia-yu tchi VIII, 7. A.a.O. »

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

Hügel" stammt von einem Häuschen, welches er sich, als er zum ersten Male aus dem Staatsdienst entlassen war, auf einem Hügel baute. Su Tung-plo ist der bedeutendste Dichter der #imgr-Dynastie, der den Li T'ai-po fast erreicht, und ein viel bewunderter Schriftsteller. Aber er hat auch als Philosoph Tüchtiges geleistet, so daß Tschu Hsi es für nötig hielt, ihn zu widerlegen, da er mit den Ansichten der Hsing-li-Sclmle nicht übereinstimmte. Von seinem Gegensatz zu Tsch'eng I, dem Vorläufer Tschu Hsi's, ist bereits gesprochen worden. Su Schi entstammte einer berühmten Literatenfamilie. Sein Vater war Su Hsün, der sogenannte ältere Su. Sein jüngerer Bruder Su Tsch'e genoß großes Ansehen und auch seine Schwester Su Hsiao-mei war berühmt. Lesen und Schreiben brachte ihm seine tüchtige Mutter bei, von seinem Vater lernte er mit seinem Bruder zusammen den feineren Stil. Er selbst sagt, daß ihm das Schreiben so leicht war wie den Wolken die Bewegung und dem Wasser das Fließen. Die erste Erziehung erhielt er von einem taoistischen Priester und war der beste unter seinen hundert Schülern. Aus dieser Zeit stammt wohl eine gewisse Hinneigung zum Taoismus. Als er später das WTerk des Tschuang-fse zu Gesicht bekam, sagte er: ..Was ich früher dachte, konnte ich nicht in Worte fassen. Jetzt, wo ich dies Buch erblicke, habe ich mein Herz entdeckt."1) Da sein Vater längere Zeit beruflich abwesend war, so las seine Mutter mit dem Knaben alte und neuere Geschichte, und er lernte die berühmten Männer seines Volkes kennen, denen er nacheifern \vollte. Mit 19 Jahren wurde Su Schi verheiratet, mit 20 Jahren bestand er als Bester die Doktorprüfung. Von Ou-yang Hsiu, einem Freunde seines Vaters, wurde er geprüft. Dieser, Han Tch'i und andere betrachteten ihn von da ab als den kommenden Mann. Er war eine strahlende Erscheinung mit kühnem Blick lind ein „Schriftsteller, wie es in hundert Generationen nur wenige gibt."2) Auch ironisch und sarkastisch konnte er schreiben, was ihm in seinem Leben viel Leid gebracht hat. Als der Kaiser Jen-tsung (1023—1064) seine und seines Bruders Antworten auf die von der Regierung gestellten Fragen las, sagte er, jetzt habe er zwei Minister für seine Söhne und Enkel. Von Ou-yang Hsiu dem Kaiser Ying-t-sung empfohlen, der ebenfalls großes Interesse an seinen Schriften nahm, wurde er 1069 als Magistrat angestellt. Mit Sse-ma Kuang zusammen griff er die Reformen des Wang An-schi im Prüfungswesen an und beleidigte dadurch die Freunde des mächtigen Ministers. Einige Zensoren, welche er in seinen Versen verspottet hatte, erhoben Anklage gegen ihn, und er wurde wegen einiger Bemerkungen über die Regierung ins Gefängnis geworfen und dann verbannt. Der Kaiser Schen-tsung wollte ihn zurückrufen, aber seine vielen Feinde verhinderten es. Erst Tsche-tsung rief ihn bei seinem Regierungsantritt 1086 zurück, setzte ihn wieder in alle seine Ehren ein und verlieh ihm nacheinander verschiedene hohe Ämter. So wurde J

) Vergl. Gesch. alt, chin. Phil. S. 310 Anm. 3. ) Biographie im Sung-schi Kap. 338 S. 17b.

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IV. Andere Richtungen, Su-Kreis: 2. Su Schi

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er Präsident des Ritenamts und Gouverneur von Hang-tschou, für dessen Verschönerung er viel getan hat. Auch die Kaiserin-Mutter bewunderte seine Schriften und gab ihm Zeichen ihrer besonderen Huld. 1094 gelang es seinen Feinden abermals, ihn zu stürzen. Angeklagt, respektlos vom letzten Kaiser gesprochen zu haben, wurde er zuerst nach Hui-ischou in Kuang-tung und dann auf die Insel Hainan verbannt, welche damals noch wenig bekannt und nur von wenigen Chinesen bewohnt war. Dort lebte er von 1097 bis 1100 als Subpräfekt. Für seine Dichtungen erhielt er in der tropischen Gegend manche Anregungen, aber das Klima war sehr ungesund. Unter der chinesischen Jugend der Insel, welche bisher von der chinesischen Kultur ganz abgeschnitten war, verbreitete er die Liebe zur Literatur. 1101 wurde er vom Kaiser Hui-tsung begnadigt und auf einen hohen Posten in Tsch'eng-tu (Ssetschuan) ernannt, aber er erreichte ihn nicht mehr, denn unterwegs erkrankte er an einem Leiden, dessen Keime er in Haitian aufgenommen hatte, und er starb in Tsch'ang-tschou (Kiangsu)1). Kaiser Kao-tsung verlieh 1127 Su Schi den posthumen Ehrennamen Wentschung*) und machte seinen Enkel zum Präsidenten des Ritenamts. Er las beständig seine Werke, ließ sie auch herausgeben und hielt ihn für den besten Literaten. Im Jahre 1235 wurde sein Tablett in den Konfuziustempel aufgenommen, obwohl er nie viel für den Konfuzianismus getan hatte, 1845 aber wieder entfernt. Su Tung-pfo's Vater hatte einen yifcin *

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A. Dip Nördliche Sung-Dynastie

der Natur zu erkennen, aber schließlich kann man sich doch nicht darüber äußern."1) Tschu Hsi meint, daß AM Schi mit dieser Äußerung der Wahrheit, das heißt seiner eigenen Ansicht von der ursprünglichen Güte der menschlichen Natur, nahe käme. Es scheine, als ob er beim Edlen ursprüngliche Güte im höchsten Grade annehme und auch beim Bösen die Regungen eines guten Herzens, die sich nicht gänzlich ausrotten lassen. Aber er wisse nicht, woher die Natur und das Gute stamme. Den Höhepunkt erreicht aber Su's Zweifelsucht in folgendem Ausspruch: ..Da die Heiligen meinen, es sei so, als ob die Natur in unserem Geiste ihren Sitz habe, so ist das so, als ob dieser Geist vorhanden wäre. Die Annahme dieses Geistes ist der Anfang des Irrtums. Von da geht man noch weiter auf das Erscheinen des Geistes ein und bezeichnet es in verkehrter Weise als Bestimmung (Schicksal)."2) Sn leugnet also die Existenz des Geistes oder der Seele. Tschu Hsi sagt, diese Anschauung sei ganz buddhistisch und im Widerspruch zu allen chinesischen Autoritäten, dem großen Fiiingr-Kommentar, Schiking, Schuking, Tschiingyuny und Meng-tse. Gäbe es keine Natur, so würde der Mensch ohne Grund geboren sein. Die Natur nun unterscheidet Su Schi von den Anlagen. Die Weisen und die Toren haben alle dieselbe Natur, aber sehr verschiedene Anlagen. Wenn man eine Pflanze einpflanzt, dann wächst sie, und von Regen, Tau und Wind genährt, entfaltet sie sich. Das ist die allen Pflanzen gemeinsame Natur. Ob sie nun sehr hartes Holz bekommt, so daß man sie als Nabe eines Wagens verwenden kann, oder weiches, so daß sie für den Radreifen verwendbar ist, ob sie sehr lang wächst, so daß man eine Säule daraus machen kann, oder kurz, so daß sie höchstens für einen Querbalken taugt, das hängt nicht von ihrer Natur ab, sondern von ihren besonderen Anlagen. Man pflegt im Leben Natur und Anlagen nicht auseinanderzuhalten, wodurch Verwirrung entsteht. Wo Konfuzius von den verschiedenen Klassen von Menschen spricht, hat er nur die Anlagen, nicht die eigentliche Natur im Auge. Anlagen werden demnach als besondere Eigentümlichkeit im Gegensatz zu den allgemeinen Eigenschaften der Natur betrachtet. Gut und Böse sind nicht Eigenschaften der Natur, sondern Bezeichnungen für die Art, wie man die sieben Leidenschaften lenkt, ob zum Guten oder zum Schlechten : , ,Von diesem Standpunkt aus sind Gut und Böse das, was die Natur vermag, aber nicht etwas, was die Natur besitzt." Wie kann man also, wenn man

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IV. Andere Richtungen, Su-Kreis: 2. Su Schi

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von der Natur spricht, sie für gut oder böse erklären l1) Es wären also nicht der Natur inhalierende Eigenschaften, sondern Bezeichnungen für ihre Handlungsweisen. Allein das kommt doch ziemlich auf dasselbe hinaus, denn einen Menschen, der gut handelt, nennt man gut, und wer schlechte Taten vollbringt, ist schlecht. Ursprünglich soll die Menschennatur nach Su's Dafürhalten indifferent und weder gut noch böse sein, eine Ansicht, welche schon Kao-tse und Yang Hsiung geäußert haben. Gut und Böse sind Ausdrücke für tugendhafte und nicht tugendhafte Handlungen, und die Tugenden sind den Menschen vom Himmel ins Herz gepflanzt. So lehren die Konfuzianer. Su Tung-pco läßt die Heiligen bestimmen, was gut und böse ist, und zwar ist gut, was den Beifall der Mehrheit findet. Es ist also ein relativer, kein absoluter Begriff. Seine Worte lauten: , ,Zu Beginn des hohen Altertums sprach man noch nicht von Gut und Böse, nur dasjenige, was der ganzen Welt gefiel, bezeichneten die Heiligen als Gut, und das, woran sich nur ein Einzelner erfreute, nannten sie böse. Die Menschen der Welt taten also das, was ihnen Freude machte, aber man wußte nicht, daß dasjenige, woran nur ein einzelner Heiliger allein Freude hatte, das, was der ganzen Welt gefiel, nicht überwinden konnte. Daher stammen die Unterscheidungen von Gut und Böse. Die Philosophen dagegen waren der Meinung, daß Gut und Böse von den Heiligen auf eigene Faust dafür erklärt seien. Ist das nicht eine große Verirrung?"2) In ähnlichem Sinne hatte sich schon Yin Wen-tse geäußert,8) aber es ist sehr zweifelhaft, ob Su von diesem wenig bekannten Philosophen gewußt und die neue Wahrheit nicht selbst entdeckt hat. Für die menschliche Natur ist die Entwicklung des Intellekts und des Willens von großer Bedeutung. Dazu hat Su Schi Bemerkungen gemacht, die von großer Menschenkenntnis zeugen und noch heute beherzigenswert sind. Es fehlt nicht an talentvollen Menschen in der Welt, sagt er, aber sie bringen nichts zustande. Woran es mangelt, sind energische Menschen. Bei wichtigen politischen Aktionen verstehen die Talentvollen die Situation vollkommen, aber sie versagen im Handeln und bringen höchstens Kleinigkeiten zustande. Es fehlt ihnen die Energie zu großen Taten. Die Energischen schrecken vor den größten Hindernissen nicht zurück, verlieren auch in den größten Wirrnissen nicht den Kopf und werden von den größten Erfolgen nicht berauscht. Sie besitzen eine geheime Macht, wodurch sie hoch über die Menge emporragen. Es ist nicht nötig, daß sie eine hohe Stellung einnehmen oder großen Einfluß haben, die ganze Welt strömt ihnen zu. Menschen mit gewaltiger Energie, Tung-p'o win-tchi schi-lüeh VIII, 5: & jfc M ±, fllj ^ f| B

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ffifT±*ffcfc*SAPS* — A±»Hi*ffiW^T;3: if » ± *,flSIS ± £ i» JH 31 » ± Ä 8fc * iff 3 ) Vergl. Gesch. alt. chin. Phil. S. 426 Anm. 2.

146

A. Die Nördliche Sung-Dynastie

welche das Gebiet des TcA'm-Staates nach allen Richtungen ausdehnten, waren Schang Yang und Po Tch'i.1) Niemand widerstand ihnen, und das Volk unterwarf sich ihnen willig.2) Su Tung-p'o lehnt nicht nur den üblichen Begriff Natur ab, sondern will auch von ihrer Verknüpfung mit dem Schicksal nichts wissen, das er wie folgt definiert: „Bestimmung (Schicksal) ist eine Verordnung. Den Befehl des Fürsten nennt man Verordnung und die Verordnung des Himmels Bestimmung. Das Kommen der Natur ist kein Schicksal. Man kann sie nicht mit diesem Namen benennen und den Begriff des Schicksals damit verknüpfen."3) Weiter heißt es: „Die Lebensdauer ist himmlische Bestimmung. Sie verläßt mich nicht, aber ich merke es nicht. So ist das Verhältnis des Heiligen zur Natur. Wenn sie kommt, so bemerkt er es auch nicht. Das gilt dann als Bestimmung. Ferner behauptet man, daß in dem Verhältnis von Bestimmung und Natur man nicht zwischen dem Himmel und den Menschen unterscheiden könne.4) Dem, was man selbst nicht wahrnimmt, gibt mau den Namen Schicksal."5) Tschu Hsi entgegnet: Das Schicksal Su's läßt sich nirgends unterbringen und ist ein unmöglicher Begriff. Su Schi hat sich verrannt und betört auch die ändern, welche sich nicht in Acht nehmen. Wie kann das Schicksal in mir sein, ohne daß ich es merke, und wie kann ich trotzdem ein Weiser sein? — Hier irrt doch wohl Tschu Hsi, denn kein Mensch kann seine eigene Natur in sich wahrnehmen und noch viel weniger das Schicksal, falls es wirklich in den Körper eindringen sollte, auch eine unmögliche Annahme. Su Schi's Auseinandersetzung über Yin und Yang scheint durchaus vernünftig: ,, Was sind eigentlich Yin und Yang für Dinge?", fragt er. „Selbst Personen mit so feinem Gesicht und Gehör wie Li Lou und Schi K'uang6) können nichts wahrnehmen, das ihnen ähnlich wäre. Wenn Yin und Yang sich vereinigen, entstehen die Dinge, und nachdem sie geboren sind, gibt es Formen. Sobald sie geschaffen sind, verbergen sich Yin und Yang.7) Was man sehen kann, sind nur Dinge, nicht Yin und Yang, aber kann man sagen, daß Yin und Yang nicht existieren? Selbst die dümmsten Menschen wissen, daß das nicht der Fall *) Berühmter Feldherr von Tch'in und Zeitgenosse des Schang Yang. £3 jJjE, GiZesNr. 1653, Tung-p'o wen-tchi schi-lüeh Kap. 44 S. l—2, Brief an :§f|j fä |g 2 ) Vergl. Gesch. alt. chin. Phil. S. 450—461. Merkwürdig ist die schroffe Verurteilung des Schang Yang durch Su Tung-p'o an anderer Stelle (S. 461), den er hier anzuerkennen scheint. a) Sung-yuan hsüeh-an Kap. 99 S. 16b: fa fr fa, ^ -%_ fr Q -fr, 5 ± -fr 1%,

tt±M**«mt»*fJBi«±ffii*±^s· ) Das himmlische Schicksal und die menschliche Natur sollen identisch sein. 4

·) Loc. cit. S. 17a: fc £ % ^ % ftfr %,% ff £ ft ^fljjft* ff 9t * 3g» Ü

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') Das bedeutet, daß man Yin und Yang nicht sehen kann.

IV. Andere Richtungen, Su-Kreis: 2. Su Schi

147

ist, denn wie könnten die Dinge von selbst entstehen? Daher ist man im Irrtum, mag man nun lebende Wesen als Yin und Yang bezeichnen oder Yin und Yang für nicht existierend erklären, weil man nichts ihnen ähnliches wahrnimmt."1) Die beiden Fluida zeigen sich niemals in ihrer reinen Gestalt, denn alles, was wir in der Welt wahrnehmen, sind Dinge, die aus Yin und Yany entstanden, also Metamorphosen der Urfluida sind. Nur vor Erschaffung der Welt wären die im Chaos vielleicht wahrnehmbar gewesen. Nimmt man solche Substanzen überhaupt an, was wohl alle chinesischen Philosophen tun, so läßt sich gegen die obigen Ausführungen kaum etwas einwenden, und Tschu Hsi's Polemik dagegen erscheint nicht berechtigt. Die einzelnen Seelenkräfte, für welche die chinesische Sprache besondere Namen hat, unterscheidet Su Schi in folgender Weise: „Der Samen und das Fluidum bilden den Lebensgeist. Dieser ist der Dämon. Der Wille und das .Fluidum bilden die Seele. Diese ist der Geist."2·) Ferner sagt er: „Der Wille der Menge geht nicht über Essen und Trinken und das Geschlechtsleben hinaus und über die Mittel, welche allgemein zur Erhaltung des Lebens dienen. Wenn diese Mittel reichlich vorhanden sind, wird das Fluidum stark, und wenn sie beschränkt sind, schwach. Daher besiegt das Fluidum (Materie) den Willen und wird zum Lebensgeist. Heilige und Weise handeln anders: Durch ihren Willen machen sie das Fluidum gleichmäßig; rein und klar ist es in ihrem Körper. Wille und Fluidum sind wie Geist... Daher überwindet der Wille das Fluidum und wird zur Seele. Wenn gewöhnliche Menschen sterben, werden sie Dämonen, die Heiligen dagegen werden Geister."3) Tschu Hsi bekämpft auch diese Ansicht und wendet ein, daß beim Sterben zwischen Weisen und Toren kein Unterschied bestehe. Darin müssen wir ihm zustimmen. Im übrigen sind seine Darlegungen ebensowenig der Wirklichkeit entsprechend wie diejenigen Su Tung-pfo's. Unser Philosoph ist ein Verehrer des K'ung-tse, aber kein blinder. K'ung-tse, sagt er, hatte auch seine Mängel. Es genügt nicht, ihn nur zu preisen. Ernstes Studium verlangt, daß man auch die Mängel dessen erkennt, den man bewundert. K'ung-tse verstand das Wesen der Geister nicht. Sie sind unbedingt beim Opfer gegenwärtig, aber K'ung-tse lehrte, man müsse opfern, als ob sie zugegen wären.4) ') Sung-yuan hsüeh-an Kap. 99, S. 17b: |§ Rg u füj % 3t Ü W Ä IÜ ±

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) Vergl. Gesch. alt. chin. Phil. S. 124. Diese Kritiken hatte-man wohl übersehen, als man Su Schi Aufnahme in den Konfuzius-Tempel gewährte.

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

Ein Irrtum der Konfuzianer ist die Annahme, daß die Leidenschaften nur aus dem Gefühl, nicht aus der Natur hervorgingen. Wenn man behauptet, daß Wohlwollen und Gerechtigkeit, Sitte und Musik ein Ausfluß des Gefühls und nicht Natur seien, so weicht man von der Lehre des Heiligen ab. Ein weiterer Irrtum der Konfuzianer ist, daß manche glauben, die Lehre des Lao-tse sei die des Yiking.1) Su's eigene Erklärungen zum Yiking und die seines Vaters sucht Tschu-tse Punkt für Punkt zu widerlegen. Ganz allgemein wirft er ihm vor, daß seine Lehre Dhyäna -Elemente enthalte und daß er später immer mehr in den Buddhismus hineingeraten sei.2) Noch charakteristischer ist SuTung-p'o's Agnostizismus. Durch verklausulierte Formulierungen mit ,,als ob" übertrifft er noch den Konfuzius.

3. Su Tsch'e 1039—1112. Su Tsch'e (T. Tse-yu H. Ying-pin3) war nur wenige Jahre jünger als sein berühmterer Bruder Su Schi, mit dem er zusammen die Doktorprüfung bestand. Im Wesen waren beide Brüder sehr verschieden. Su Tsch'e war sehr still, einfach und rein und so bescheiden, daß er nicht wünschte, daß die Leute von ihm Notiz nahmen, aber er konnte seine Genialität nicht verbergen. Er machte nicht viele Worte und hatte wenig Wünsche. Die Leidenschaft seines Bruders und sein ganz persönlicher Stil gefielen ihm nicht. Sein eigener Stil war leidenschaftslos, klar, kurz und ernst. Als Beamter geriet Su Tsch'e in Schwierigkeiten mit Wang An-schi, dessen Neuerungen er sich widersetzte. Zur Strafe erhielt er einen geringeren Posten und wurde 1072 mit seinem Bruder nach Kiangsi verbannt. Zurückgerufen von Tsche-tsung wurde er zum Präsidenten des Ministeriums des Innern ernannt. Zehn Jahre später wurde er zum zweiten Male entlassen. Darauf baute er sich ein Haus in Hsü-tschou*) (Honan) am Ufer des Ying, woher sein Schriftstellername Ying-pin stammt. Er wandte sich ganz dem Taoismus zu, lebte sehr zurückgezogen und verkehrte kaum noch mit ändern. Oft saß er den ganzen Tag stumm, in Betrachtung versunken da. Nach dem Tode wurde er als Wen-ting5) kanonisiert. Seine Werke sind eine Autobiographie, Gedichte — er hat als Dichter einen guten Namen — ein Kommentar zum Tsch'un-tch'iu, einer zum Schiking, eine alte Geschichte Ku-schi,6) zwei kleinere historische Werke: Lung-tsch'uan lüeh tschi und Lung-tsch'uan pieh tschi"1) und ein Kommentar des Tao-te-tching.s) *) Tung-p'o wen-tchi schi-lüeh VIII, 7b. fg. 4 *) Sung-yuan hsüeh-an, Kap. 99 S. 21. ·) f| ft, ^ tÖ, M it) & W· 5 ) ^t jf·,· Siehe Biographie im Sung-schi Kap. 339. 6 ) 3i> Wylie Notes S. 23. Das Werk ist nicht umfangreicher als das Schi-tchi, wie Wylie sagt, sondern sehr viel kürzer, nur 60 Abschnitte in 4 Heften. ') II Jl| ü ^ m m Jg'l ig· Wylie S. 156.

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IV. Andere Richtungen, Su-Kreis: 3. Su Tsch'e

149

Dieser enthält seine philosophischen Ansichten, und dagegen richtet Tschu Hsi seine Angriffe. Der Streit dreht sich besonders um den Grundbegriff Tao, den Tschu Hsi natürlich ganz konfuzianisch auffaßt. Im Sung-yuan hsüeh-an ist jedem Satz des Su Tsch'e gleich die Entgegnung Tschu Hsi's angefügt. Wir entnehmen daraus den folgenden Auszug, wobei nur Su Tsch'e'e Behauptungen immer wörtlich wiedergegeben sind: Su Tsch'e: ,,K'ung-tse regiert die Welt mit Wohlwollen und Gerechtigkeit, Sitte und Musik. Lao-tse verschmäht diese Dinge. Er hat darüber wohl eine andere Ansicht. Das Yiking sagt: Das Immaterielle nennt man Tao, das Materielle Gefäß1)."2) Tschu Hsi: Su versteht den Ausspruch nicht. Tao und Gefäß sind verschiedene Namen, aber beide Dinge sind immer vereint. In der Lehre JK'ung-tse's ist das höchste Tao enthalten und kein Fehler. Su Tsch'e: ,, ' /ng-tse, sorgt sehr für die späteren Geschlechter und bietet den Menschen das Gefäß, aber verbirgt Tao."3) Tschu Hsi: K'ung-tse hat seinen Schülern nichts verborgen, wie sollte er es mit Tao getan haben ? Es ist auch in allem Materiellen enthalten, aber das Tao, von welchem Su Tsch'e spricht, ist von allem Materiellen losgelöst, und man weiß nicht, was er damit meint. Su Tsch'e: „Wenn jemand, der unter dem Durchschnitt der Menschen steht, am Gefäß festhält, dann wird er nicht von Tao geblendet und verliert nicht seine Stellung als Edler."4) Tschu Hsi: Tao muß hiernach ein großes Unglück sein, da die Menschen dadurch geblendet werden und ihrer moralischen Stellung verlustig gehen können. Su Tsch'e: „Dagegen können diejenigen, welche sich über den Durchschnitt erheben, dadurch das höhere Wissen erlangen."5) Tschu Hsi: Su versteht unter höherem Wesen das Aufgeben des Materiellen und Eindringen in Tao. Su Tsch'e: ,,Lao-tse handelt nicht so. Sein Sinn ist auf die Klarstellung von Tao gerichtet, und er bemüht sich eifrig darum, den Geist der Menschen zu erleuchten."6) Tschu Hsi: Das widerspricht Lao-tse's Lehre vom Nichtstun. Su Tsch'e: „Deshalb zeigt er den Menschen Tao und achtet das Gefäß gering. Er meint, daß das Studium nur ein Wissen um das Gefäß sei, infolgedessen sich !) Yiking App. HI (Legge S. 377). ·) Sung-y-uan hsüeh-an Kap. 99 S. 24b: ft ^ J£J £ £ jg & fä ^ ~ >% * & DU «) S. 25a: ·) Loo. oit.:

150

A. Die Nördliche Sung-Dynastie

Tao verberge. Deswegen gibt er Wohlwollen und Gerechtigkeit auf und verschmäht Sitte und Musik, um Tao klar machen zu können."1) Tschu Hsi: „Tao ist ein Gesamtname für Wohlwollen, Gerechtigkeit, Sitte und Musik. Wohlwollen, Gerechtigkeit, Sitte und Musik sind die Substanz und Funktionen von Tao. Wenn also der Heilige Wohlwollen und Gerechtigkeit pflegt und Sitte und Musik ordnet so tut er das gerade, um Tao zu voller Klarheit zu bringen. Wird also gesagt, daß er Wohlwollen und Gerechtigkeit aufgebe und Sitte und Musik verschmähe, um Tao klar zu machen, so bedeutet das, zweimal fünf preiszugeben, um zehn zu finden. Ist das nicht verkehrt?"2) Für den Konfuzianer ist Tao lediglich das höchste Moralprinzip und von geringer Bedeutung, da man sich mehr mit der Kasuistik der einzelnen Tugenden beschäftigt, für Lao-tse dagegen außerdem und an erster Stelle ein transzendentes Wesen, das er seinen Anhängern näherzubringen sucht. K'ung-tse gibt sich mit übersinnlichen Dingen nicht ab und weiß von einem transzendenten Weltprinzip nichts. Su Tseh1 i: „Das Tao des Himmels läßt sich nicht aussprechen, was man da1 on sagt, ist nur ein Gleichnis. Die Verständigen benutzen das Gleichnis und " erstehen dadurch das wahre Wesen Tao's. Die Einfältigen haften an dem Gleichnis und kommen dadurch zu allerlei Verkehrtheiten."3) Tschu Hsi: Nach konfuzianischer Auffassung ist Tao der Inbegriff aller menschlichen Beziehungen. Die Menschen wissen nicht, daß Tao sich niemals vom Materiellen trennt und suchen es statt dessen im Mystischen und Wesenlosen. Su Tsch'e: „Die Zahl derer, welche den Worten Lao-tse's gefolgt und zu Tao gelangt sind, ist nicht gering. Diejenigen dagegen, welche bei K'ung-tse Belehrung gesucht haben, fanden zu ihrem Leidwesen, daß sie nicht vorwärts kamen."4) Tschu Hsi: Diese Behauptung ist falsch. Su scheint sich nie gründlich mit der konfuzianischen Lehre beschäftigt zu haben. Durch seine falsche Theorie von Tao und dem Gefäß hat er sich selbst den Zugang verbaut. Su Tsch'e: „Beide Heilige können nicht allein fertig werden. Was auf der einen Seite vollkommen ist, fehlt sicherlich auf der ändern."5) Tschu Hsi: „Ist es angängig, K'ung-tse \maLao-tee beide Heilige zu nennen ? Die Leute haben Sse-ma Tch'ien kritisiert, weil er Huang-ti und Lao-tse höher als die sechs Klassiker gestellt hat, aber er hat K'ung-tse bei den Fürstenhäusern

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IV. Andere Richtungen, Andere Systeme: 1. Tse-hua tse

151

und Lao-tse zusammen mit Han Fei-tse in den Biographien behandelt. Hat er dadurch nicht in sehr feiner Weise seine Ansicht zum Ausdruck gebracht ? Er handelt dabei sehr viel weiser als Su Tsch'e."1) Su Tsch'e scheint eine Verschmelzung von Taoismus und Konfuzianismus angestrebt zu haben. Als Konfuzianer kann Tschu Hsi natürlich nicht anerkennen. daß Lao-tse auch ein Heiliger war. Die Kritik des Sse-ma Tch'ien trifft nicht diesen, sondern seinen Vater Sse-ma T'an, der einen Teil des Geschichtswerks verfaßt hat und die Taoisten, wie man es zu seiner Zeit allgemein tat, höher als die Konfuzianer stellte. Sse-ma Tch'ien hatte die größte Verehrung für Konfuzius und stellte ihn, aber nicht Lao-tse, den regierenden Fürsten gleich.2)

c) A n d e r e Systeme: 1. Tse-hua tse3) 11. Jahrhundert. Tse-hua ist der Beiname des Tsch'eng Pen,*) welcher zur Zeit des Yen Ying nnd des K'ung-tse im Fürstentum Tchin5) lebte. Beide kannten ihn. Konfuzius soll in T'an6) mit ihm zusammengetroffen sein und ihn einen weisen Gelehrten genannt haben. Der Fürst Tschao Tchien-tschi7) wollte ihn in seine Dienste nehmen, aber er lehnte ab.8) Da der Fürst durch seine Soldaten auf ihn fahnden ließ, so entwich er nach Tch'i,a) wo er längere Zeit bei Yen Ying lebte. Beim Tode des Tschao Tchien-tee im Jahre 458 v. Chr.10) kehrte er nach Tchin zurück und starb bald darauf. Tsch'eng Pen soll ein Werk verfaßt haben, das den Titel Tsch(eng-tse führte und später Tse-hua tse genannt wurde. Nach alten Zitaten existierte ein solches Werk vor der Han-Zeit, wird aber schon in der Bibliographie des Han-schu nicht mehr erwähnt und scheint schon damals verloren gegangen zu sein. Das heute noch erhaltene Werk dieses Namens wird allgemein für eine Fälschung aus der Sung-Zeit gehalten.11) Es scheint von einem Mitglied des Kaiserhauses der Äwngi-Dynastie geschrieben zu sein12) und hat für die Kenntnis des Taoismus jener Epoche einen gewissen Wert. Das dem Text zugefügte Vorwort des Liu Hsiang ist wahrscheinlich auch gefälscht, denn man kann nicht annehmen, daß Liu Hsin, auf den die Bibliographie des Han-schu zurückgeht, ein Buch nicht gekannt habe, zu dem sein Vater das Vorwort verfaßte. Gegen die Echtheit spricht ferner, daß Konfuzius in dem Buche als Himmel bezeichnet und als ') A. a. O.: £ ^ EK Jö ?L 2

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) Vergl. Chavannea, Mem. Hist. Vol. I, Introduction S. XLIXfg. 4 ) ^- -^ -J-. ) ^| . Pen ist der persönliche Name.

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) w· ") n) Tse-hua tse I, 6. ') ^.

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) Nach dem Tso-techuan im Jahre 475. ) Wylie, Notes S. 125.

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152

A. Die Nördliche Sung-Dynastie

Eichtschnur für die Menschheit hingestellt wird.1) Ein solches Ansehen besaß er zu Lebzeiten noch nicht. Die taoistische Metaphysik und Naturphilosophie erscheinen bereits auf einer Stufe der Entwicklung, welche sie vor Lao-tse und den alten taoistischen Philosophen noch nicht erreicht hatten. Tse-huatse ist ein kleines Werk in- 2 Büchern mit 10 Abschnitten oder Kapiteln. Die meisten enthalten Gespräche mit Zeitgenossen des Tsch'eng-tse, die Fragen an ihn richten. In vielen tritt der Staatsmann Yen Ying auf, und die Fragen behandeln zumeist die praktische Staatskunst, in einigen werden auch Probleme der reinen Philosophie erörtert. Rein philosophisch sind nur die Kapitel VII Tschi-tschung, VIII Ta-tao, X Schen-tch'i.*) In der Metaphysik operiert Tse-hua tse mit drei Grundbegriffen, der Leere, dem Gleichgewicht und Too. Er sagt davon: „Sobald die Leere und das Gleichgewicht vorhanden sind, entsteht Tao von selbst, und sobald das Gleichgewicht und die Leere da sind, nimmt Tao darin seinen Wohnsitz."3) Das klingt so, als ob die Leere und das Gleichgewicht Tao vorangingen, aber wie kann man von Gleichgewicht sprechen, wenn nichts vorhanden ist? Die beiden Begriffe werden, wie folgt, erklärt: „Nur die Leere kann Tao aufnehmen, und nur das Gleichgewicht kann es tragen. Was nirgends eine Hemmung und nirgends einen Widerstand findet, ist die vollkommene Leere, was links nicht nach links und rechts nicht nach rechts neigt, nichts Gutes tut und nichts Böses, gleich einem schwebenden Wagebalken, ist das vollkommene Gleichgewicht."4) „Das große Tao hat keine Gestalt, kein Quantum, keinen Namen, keinen Körper. Da es keinen Körper hat, so kann es nicht leben und sterben, da es keinen Namen hat, so hat es weder Sein noch Nichtsein, da es kein Quantum hat, so kann es nicht gedeihen und vergehen, und da es keine Gestalt hat, so kann es nicht zu- und nicht abnehmen."5) Nur die Einzeldinge werden und vergehen. Tao ist von unendlicher Ausdehnung nach außen und innen, nach innen so fein, daß keine Zwischenräume mehr bestehen. Alle Dinge haben Teil an Tao. Überall, wohin man blickt, zeigt sich dasselbe Geheimnisvolle.e) Über die Schöpfung äußert der Philosoph die verschiedensten Gedanken, die sich nicht leicht miteinander in Einklang bringen lassen: ,, Tse-hua t-se sprach: Nur Tao hat keine feste Gestalt. In der Leere zieht sich etwas zusammen und wird zu einem Hauch (Fluidum). Es zerteilt sich und breitet sich aus, und daraus entstehen alle Dinge. Der Kosmos ist es, der Tao trägt und fortpflanzt."7) ') Tse-hw-tse I, 13a. ") $1 *K * St, & 3) Tse-hua tse II, 5a : — ^ — fljj ^ g £, — ¥ — flB Jt

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IV. Andere Richtungen, Andere Systeme: 1. Tse-hua tse

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Und weiter heißt es: ,, Tse-hua tse sagte: Das große Too hat eine Quelle. Diese Quelle ist wirklich, sie heißt der leere Raum. Dieser leere Raum hat kein Sein. Darin entstehen die drei Urkräfte. Sie wirken zusammen im Geheimnisvollen."1) Was ist unter den drei Urkräften zu verstehen? Inmitten des Chaos vollzieht sich der große Anfang. Darin entstehen drei Kräfte: die Kraft des Beginnens, des Ursprungs und die geheimnisvolle Kraft.2) Diese drei Kräfte zerteilen sich noch in Yin und Yang. Diese Unterscheidung ist nicht sehr glücklich. Das Beginnen, der Ursprung und der Anfang sind doch ein und dasselbe, und weshalb sollen die späteren Kräfte geheimnisvoller sein als die früheren? Der Dreizahl bedient sich Tse-hua tse mit Vorliebe. Wir erfahren, daß auch das feine Fluidum des Himmels in drei Rhythmen oder Impulsen ausströmt. Beim ersten kommt es hervor, beim zweiten entwickelt es sich und beim dritten vollendet es sich. So erscheint auch bei einer Pflanze zuerst das Pflänzchen, dann entwickelt sich der Stamm oder Stengel, und die volle Entfaltung wird durch den Geist, der das Wachstum bewirkt, herbeigeführt.3) Es ist schwer zu sagen, was der rätselhafte Ausspruch: ,, ist eine Einheit. Ich mit Tao 4 5 zusammen sind drei" ) bedeuten soll. ) Das Gleichgewicht wird von Tse-hua tse als kosmisches, aber auch als ethisches Prinzip aufgefaßt und auch direkt Tao gleichgesetzt. Die Edlen des Altertums haben angeblich danach gehandelt, indem sie sich vor allem Schlechten hüteten und ihr Herz rein hielten. Es gilt von Himmel und Erde, indem ersterer auf letzterer ruht ohne Reibung, von Yin und Yang, welche sich vereinigen, ohne je aus dem Gleichgewicht zu kommen, und von den fünf Farben, welche vor der Trennung von Himmel und Erde noch durcheinander fließen, jetzt aber richtig abgegrenzt sind. Die gewöhnlichen Menschen lassen sich von ihren Begierden fortreißen und geraten dadurch aus dem Gleichgewicht. Sie bringen sich selbst und auch den Staat in Gefahr, und die Reue kommt meistens zu spät.6) In der weiteren Entwicklung der Kosmologie finden sich viele Anthropomorphismen. „Wo wohnt das Herz?" fragt unser Philosoph und antwortet darauf: „Das Herz Tao's ist der Himmel. Das Herz des Himmels ist Gott. Das Herz Gottes ist der Mensch."7) Himmel, Erde und Gott werden bald als rein materielle, bald als geistige Wesen dargestellt: ,,Tse-hua tse sagte: Die Kraft des Ursprungs ist die mittlere des großen Anfangs. Der Herr des Himmels bewegt sich dadurch unaufhörlich, der Fürst Erde ist dadurch unendlich weit ausgebreitet, und insofern der Mensch diese Kraft hat, "werden alle seine Knochen zusammengehal')_

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie.

ten."1) Der Himmel wird als Herr, die Erde als Fürst bezeichnet, aber es ist nur von ihren physischen Verhältnissen die Rede. An einer anderen Stelle lesen wir, daß Himmel und Erde die Wesen, welche sie hervorbringen, lieben, und daß ihre Gefühle von denen der Menschen nicht verschieden sind.2) Ebenso besitzt auch Gott geistige Eigenschaften:,, Das Chaos", heißt es, „und dieUrnebel sind der Ursprung von Tao, durch das Überdecken an den Seiten und das Umschließen3) ist der Himmel Himmel, und wegen seiner Erleuchtung und Einsicht wird Gott geehrt."4) Man beachte, daß hier Tao nicht ewig ist sondern aus dem Chaos hervorgeht. Zur Naturlehre, der Theorie von Yin und Yang, der fünf Elemente und ihrer Beziehungen hat Tse-hua tse einige Beiträge geliefert. Den Elementen schreibt er gewisse Formen zu. Wasser soll eben, Feuer spitz, Erde rund, Holz krumm und gerade und Metall viereckig sein.5) Die fünf Elemente begleiten nach seiner Ansicht Yin und Yang und bilden den Körper. Es gibt starkes und schwaches Yang, T'ai-yang und Schao-yang, starkes und schwaches Yin, T'ai-yin und Schao-yin.6) Yang in Yang ist Feuer. Yin in Yin ist Wasser, Yin in Yang ist Holz und Yang in Yin Metall. Erde steht in der Mitte zwischen den beiden Fluida, in Yin ist es Yin, in Yang Yang. Ohne Erde kann kein Wesen geboren werden.7) Am Nordpol (Yin) entsteht Kälte und daraus Wasser, am Südpol (Yang) Hitze und daraus Feuer. Im Osten zerstreut sich Yang und ruft Wind hervor, welcher Holz erzeugt. Im Westen sammelt sich Yin und erzeugt Trockenheit, woraus Metall wird. In der Mitte vereinigen sich Yin und Yang und erzeugen Feuchtigkeit, woraus Erde wird.8) Für die inneren Organe des menschlichen Körpers werden verschiedene Gliederungen aufgestellt. Die Essenz des Herzens ist danach das Feuer, sein Fluidum das Trigramm Li*) (Feuer, Süden), seine Farbe rot, seine Gestalt wie eine umgekehrte Lotosblume, sein Geist der ,Rote Vogel' (Quadrant des Südens), seine Öffnungen stehen mit der Zunge in Verbindung. Ähnlich sind die Ausführungen über die Leber, die Lunge usw. Die Milz birgt das Denken, die Genitalien den Samen, das Herz den Geist, die Leber die Seele und die Lunge den Lebenshauch.10)

2. Wang P'in 1080—1150. Wang P'in11) (T.Hsin-po, H. Tschen-tselz) aus Fu-tch'ing13) in Fu-tschou (Fukien) war noch ein Schüler des Tsch'eng I, jünger als Yang Schi (1053— 1135),

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IV. Andere Richtungen, Andere Systeme: 2. Wang P'in

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der ihn von allen Schülern des Tsch'eng I aus späterer Zeit am meisten schätzte. In seinen Ansichten stimmte er aber mehr mit dem älteren Tsch'eng überein, was auch die Vorliebe des Yang Schi erklären mag. Er bildete das Mittelglied zwischen Tsch'eng Hao und Lu Tchiu-yuan, zu dem die Lehre des ersteren durch Wang P'in's Nachfolger gelangte.1) Wang P'in war ein gediegener Charakter, der stets seinen Gleichmut bewahrte. Er besaß viel Welterfahrung, aber strebte nicht nach Ansehn, so daß er wenig bekannt war. Durch Hu An-kuo und andere wurde er dem Kaiser empfohlen und von diesem in der kaiserlichen Bibliothek angestellt und in Audienz empfangen. Dabei sprach er über den menschlichen Geist und sagte: „Der menschliche Geist ist etwas außerordentlich Großes ohne Grenzen. Alles Gute ist darin enthalten. Die vollkommenste Tugend und die größten Leistungen kommen daraus hervor. Will man die Wege von Yao, Schun. Yü, T'ang, Wen und Wuwang wandeln, so muß man diesen Geist erweitern."2) Er riet dem Kaiser, auf die Stimme des Volkes zu hören, denn ein altes Sprichwort sage, wenn man bei seinen Plänen der Mehrheit folge, dann stimme man mit dem Geiste des Himmels überein, denn das, worin alle einig seien, sei das Prinzip der höchsten Gerechtigkeit.3) Wang P'in wurde 71 Jahre alt.4) Seine Lebenszeit läßt sich nur schätzungsweise auf die Jahre 1080—1150 ansetzen. Er lehrte nur und schrieb in seinem späteren Alter keine Bücher bis auf eins, Erläuterungen zum Lun-yü5), die er nicht mehr vollendete. Dem Idealismus des Tsch'eng Hao folgte Wang P'in nicht blindlings, denn als an ihn die Frage gerichtet wurde: ,Wieso sind alle Dinge vollständig in mir vorhanden?' antwortete er mit ernster Miene: ,Die Dinge sind alle in mir vorhanden. Ich prüfe mich, während ich davon spreche.'6) Nach Tsch'eng Hao sind alle Dinge, das heißt die ganze Welt in meinem Geiste enthalten. Wang P'in stimmt dem zu, aber er erkennt den Ernst der Frage und scheint sich doch nicht ganz im Klaren darüber zu sein. Beim Studium ist Wang P'in gegen alle Pedanterie und Engherzigkeit. „Jemand fragte: ,Wohlwollen ist der menschliche Geist, aber man sagt auch, daß man sein Herz durch Wohlwollen bewahren soll.7) Wie ist das zu verstehen ?' — Antwort: Beim Lesen von Büchern darf man sich nicht an den Wortlaut binden. !) Takejiro III, 78. *) Li-hsüeh twng-tschuan Kap. 15 S. 46a:

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') Wenn der Geist schon Wohlwollen ist, wie soll man ihn dann durch Wohlwollen bebewahren ? Wohlwollen wird als Einzeltugend, aber auch als Substanz des Geistes aufgefaßt.

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

Durch Wohlwollen sein Herz bewahren, besagt nur, daß man sich vollständig das Wohlwollen zu eigen macht."1) ,,Wenn man etwas nicht verstehen kann", lautet ein anderer Ausspruch, „so mag man es vorläufig liegen lassen. Man darf sich nicht damit abquälen, denn dann weicht die Erkenntnis immer weiter zurück."2)

3. Lo T'sung-yen 1072—1135. Lo T'sung-yen ) mit dem Beinamen Tschung-su*) stammte ebenso wie sein Lehrer Yang Schi5) und sein Schüler Li T'ung6) aus Nan-tchien7) = Yen-p'ing fu (Fukien). Man nannte sie daher die drei Herren aus Nan-tchien. Nach einer Quelle soll Nan-tsch'ang,s) die Hauptstadt · Kiangsi, seine Heimat gewesen sein.9) Vielleicht hat er dort längere Zeit gewohnt, denn seine Schüler gaben ihm den Namen Yü-tschang,™) eine alte Bezeichnung für die Provinz Kiangsi und ihre Hauptstadt. Kanonisiert wurde er als Wen-tschi.11) In seiner Jugend interessierte sich Lo T'sung-yen sehr wenig für die Wissenschaft, erst mit 40 Jahren, als er hörte, daß sein Landsmann Yang Schi die Lehre des Tsch'eng I verstünde, suchte er ihn auf und wurde sein Schüler. An den ersten drei Tagen lief ihm bei der Zusammenkunft mit dem Meister vor Aufregung der Schweiß den Eücken entlang und er sagte: „Wenn ich nicht hierher gekommen wäre, hätte ich mein Leben vergebens gelebt." Unter den Schülern des Yang Schi, deren Zahl tausend überstieg, galt Lo als der bedeutendste. Der Meister sagte, daß nur Lo über Too reden könne. Als er erfuhr, daß Tsch'eng I der beste Kenner des Yiking sei, verkaufte er einen Acker und reiste mit dem Erlös nach Loyang, wo er Tsch'eng I's Vorlesungen hörte.12) Dann kehrte er zu Yang Schi zurück und studierte noch 20 Jahre bei ihm. Drei Jahre lang zog sich Lo-T'sung-yen auf den jf/o-/ow-Berg13) in Hui-tschou (Kuangtung) zurück, wo er sich ein Häuschen baute. Darin übte er drei Jahre Meditation, um seine Sinne zu zügeln und das Weltprinzip zu ergründen. Er beobachtete, seinen Geisteszustand, bevor die Leidenschaften hervorgekommen und Tao durch Gedanken verdunkelt war. Diesen Zustand nannte er das Gleichgewicht. Auch seine Schüler unterwies er darin, und Li T'ung war ebenfalls der Ansicht, daß die Meditation für das Studium und zur Selbstausbildung gut sei. Auf die Frage, ob das Stilldasitzen nicht Dhyäna sei, antwortete Lo, diese Methode stamme aus der Tsch'eng-Schule. Yang Schi habe diese Geheim3

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IV. Andere Richtungen, Andere Systeme: 3. Lo T'ung-yen

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lehre der beiden Tsch'eng erlangt und ihm mitgeteilt. Man müsse sich während der Meditation hüten, irgend etwas zu hören oder zu sehen.1) Tschu Hsi meint, daß die von Lo T'sung-yen und Hsieh Liang-tso angepriesene Meditation etwas Krankhaftes sei. Das Vernunftprinzip bewege sich bald, bald ruhe es. Der Lernende müsse nur durch Ernst und Konzentration sein Inneres gerade richten und nach außen Gerechtigkeit üben. Man brauche, um Tao zu üben, keinen stillen Ort zu wählen und zu meditieren. Deshalb habe Tsch'eng I-tsch'uan gesagt, man müsse nur von der Konzentration, aber nicht von der Stille Gebrauch machen, und das sei richtig.2) Erst im Jahre 1132 erhielt Lo einen kleinen Beamtenposten. Er ist bekannt als Lehrer des Li T'ung und des Vaters des Tschu Hsi. Lo T(sung-yen hat Erklärungen zum Tsch'un-tch'iu, Schiking, Lun-yü, Mengtse und Tschung-yung geschrieben. Seine literarischen Werke3) umfassen 16 Bücher. Bekannt ist seine Schrift Scheng-Sung tsun Yao lu,*) worin er nachweist, daß das Unglück der Sung-Kaiser eine Folge davon sei, daß sie die Prinzipien ihrer Ahnen aufgegeben hätten. Philosophisches hat er nicht viel veröffentlicht, denn er legte das Hauptgewicht auf die Ausbildung der Persönlichkeit und wirkte mehr durch sein Beispiel als durch seine Schriften. Man schildert, ihn als ernst, entschlossen, einfach und stets zufrieden und einen Mann, dem Unglück nichts anhaben konnte. Über das Glück und den Charakter hat er einige gute Aussprüche getan: „Erleuchtung ist das Glück eines Pursten, Loyalität das Glück eines Ministers. Wenn der Fürst erleuchtet und sein Minister loyal ist, so ist die Regierung gut geführt. Muß man das nicht als Glück bezeichnen? Güte ist das Glück eines Vaters und Pietät das Glück eines Sohnes. Wenn der Vater gütig und der Sohn pietätvoll ist, dann gedeiht und blüht die Familie. Muß man das nicht Glück nennen ? Es ist ein sehr niedriger Standpunkt, wenn gewöhnliche Menschen Reichtum und Ehre als Glück bezeichnen."5) Also besteht Glück nicht in Reichtümern, sondern in der Pflichterfüllung. Mit dem Reichtum verhält es sich so: „Ein König macht das Volk reich, ein Gewaltherrscher nur den Staat. Der Reichtum des Volkes dauerte während der drei Dynastien, der Reichtum des Staates bestand während der Tch'i und Tchin-Zeit. Als Han Wen-ti den Weg der Könige beschritt, wollte er das Volk reich machen, aber seine Ermahnungen und Warnungen waren nicht streng genug, so daß das Volk verschwenderisch wurde. Han Wu-ti trat als Gewaltherrscher auf und wollte den Staat reich machen, aber er machte zu große *) Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 16 S. 5 a. 2 ) Hsing-li ta-tch'üan Kap. 40 S. 21b. 4

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

Aufwendungen und kannte keine Sparsamkeit, so daß die Mittel des Reiches erschöpft wurden."1) Vom Charakter, der Natur der Menschen, sagt Lo T'sung-yen, daß er sich nach dem bilde, was sie üben. Wenn sie Gutes sehen, so wenden sie sich dem zu, und wenn sie Schlechtes um sich sehen, so werden sie schlecht. Ein Spiegelbild seines eigenen Charakters ist wohl der Satz: „Ein Weiser hat keine Wünsche, ein Edler nur wenige und die Masse sehr viele."2)

4. Li T'ung 1093—1163. Li T'ung ) wurde geboren in Tchien-p'u hsien*) (Fukien), seine Familie stammte aus Yen-p'ing5) (Fukien) und er lebte in Yuan-tschung.6) Danach führte er den Beinamen Yuan-tschung und den Schriftstellernamen Yen-p'ing. Nach der in seinem Werk enthaltenen Chronologie, Arien-p'u,7) wurde er 70 Jahre alt und lebte von 1093 bis 1163.8) In seiner Jugend war Li T'ung sehr lebhaft und leidenschaftlich; er liebte den Wein und schnelle Pferde. Später wurde er ruhiger, er war nicht mehr aufgeregt und in Hast, denn es gelang ihm durch seine praktischen philosophischen Übungen seine Gefühle zu beherrschen, so daß er nicht von den Dingen abhing. Nur langsam und in gemessenem Schritt bewegte er sich vorwärts. Wenn er einen Besuch machte, blickte er nicht neugierig umher, sondern nach dem Teetrinken erhob er sich und besichtigte die Inschriften an den Wänden, eine nach der ändern. Dann setzte er sich wieder und brachte sein Anliegen vor, wenn er eins hatte. Sein Leben verlief sehr regelmäßig; Arbeiten, die viel Kraft erforderten, tat er nicht. Sein Haus war nur klein und die Zimmer eng. Jedes Ding hatte seinen festen Platz, und alles war mit der peinlichsten Sorgfalt geordnet. Er besaß auch ein kleines Studierzimmer. Als seine Schülerzahl zunahm, baute er ein Zimmer an.9) Li T'ung wollte kein Amt annehmen und machte kein Examen. Schon mit 40 Jahren zog er sich von der Welt zurück und lebte im Gebirge auf einem Stück Land, einfach wie ein Landmann. Seine Mittel waren sehr beschränkt, aber er war stets heiter und zufrieden, auch wenn es ihm an Nahrungsmitteln fehlte. Seinen armen Verwandten half er, so gut er konnte. Mit den Bauern verkehrte er freundschaftlich, aß, trank und scherzte mit ihnen.10) Die Beamten beriefen 3

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") Li Yen-p'ing tchi III, 14 und Hsing-li ta-tch'üan Kap. 40 S. 26a (Tschu Hsi). ) Biographie im Sung-schi Kap. 428, S. 16 a.

10

IV. Andere Richtungen, Andere Systeme: 4. Li T'ung

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ihn aus seiner Einsamkeit an eine Schule und schickten ihm Schüler zur Unterweisung. Sein eigener Lehrer war Lo T'sung-yen, sein Landsmann, an welchen er sich zuerst schriftlich wandte, als er erfuhr, daß dieser, ein Schüler des Yang Schi, die Lehre des Ho und Lo,1) das heißt der beiden Tsch'eng besäße. Lo lehrte viele Jahre besonders das Tsch'un-tch'iu, das Tschung-yung. das Lun-yü und Mengtse. Diese Werke nebst dem Tso-tschuan las auch Li T'ung mit besonderem Eifer und empfahl sie seinen Schülern. Wenn er im Gebirge wohnte, war er oft ganz ohne Bücher. Er selbst schrieb keine Bücher, auch keine Essays und lehrte nur seine Schüler, in ihrem Innern Einkehr zu halten und ihre Persönlichkeit zu pflegen. Ihre Fragen beantwortete er unermüdlich und behandelte sie nach ihren besonderen Fähigkeiten verschieden. Was wir von Li T'ung wissen, stammt fast alles von seinem großen Schüler Tschu Hsi, der im Alter von 24 Jahren zu ihm kam. Li T'ung war ein Freund seines Vaters. Tschu Hsi hat die Briefe, welche er mit seinem Lehrer gewechselt hat, und seine Gespräche herausgegeben. Dem haben seine Schüler noch Tschu Hsi's Äußerungen über Li T'ung, seinen Nachruf und biographische Notizen als Anhang hinzugefügt.2) Spater hat ein Nachkomme des Li T'ung noch einige Schriftstücke seines Ahnen hinzugetan und das Ganze als Yen-p'ing wentchi3) veröffentlicht. Mit metaphysischen Problemen hat sich Li T'ung nur wenig abgegeben, seine Philosophie ist eine durchaus praktische. Durch Zurückgehen auf das Yiking und das Tschung-yung gelangt er zu dem Ergebnis, daß das Urprinzip, dessen Bewegung Yang hervorbringt, die Weltvernunft ist, welche dem menschlichen Geiste in seiner Reinheit, bevor er durch Leidenschaften getrübt ist, gleichgesetzt werden kann. Seine Darlegungen sind allerdings nicht ganz verständlich : „Jemand fragte: ,Das Urprinzip bewegt sich und bringt Yang hervor.'4) Der Meister hat gesagt, das sei nur die Wirkung der Vernunft. Sobald sie hervorgekommen sei, sähe man sie nicht mehr. Tschu Hsi hat einen Zweifel geäußert, weshalb, wenn man sage: ,Es bewegt sich und bringt Yang hervor', dieses von der Tatsache, daß nach dem Hexagramm Fu ein Yang hervorgebracht werde und man darin den Geist von Himmel und Erde erkenne,5) verschieden sei. Nach meiner unmaßgeblichen Meinung ist die Bewegung und das Hervorkommen von Yang die Freude, der Zorn, der Kummer und die Lust von Himmel und Erde. Wenn diese hier hervorkommen, so erkennt man den Geist von Himmel und Erde. Durch die Vereinigung und die Erregung der beiden Fluida6) werden

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Tun-i. Vergl. S. 48. s) Yiking App. I, Hex. XXIV Nr. 5 (Legge S. 233). e ) Yin und Yang, die Fluida von Himmel und Erde.

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A. Die Nördliche Sung-Dynastie

alle Dinge erschaffen. Wenn Freude, Zorn, Kummer und Lust der Menschen und anderer Wesen zum Vorschein kommen, so erkennt man daran ihren Geist. Ist es wohl richtig, daß man hier zwei Vorgänge annimmt '1) Nach Li T"-ung erkennt man die himmlische Vernunft nur, während sie in Tätigkeit ist und durch ihre Bewegung das r & m j* n.m & ·

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B. Die Südliche Sung-Dynastie

Weltprinzipe, die Urgründe des Seins, und nicht nur um leere Abstraktionen handelt. Die Frage nach der Priorität der beiden Wesenheiten wird dahin beantwortet, daß die Vernunft als immateriell dem materiellen I luidum, das erst aus ihr entsteht, vorangehen muß: „Jemand sagte: ,Ist die Vernunft eher da oder das Fluidum?' — Antwort: Die Vernunft hat sich noch nie vom Fluidum getrennt, aber die Vernunft ist etwas Immaterielles und das Fluidum etwas Materielles. Wenn man von dieser Immaterialität und Materialität spricht, so muß es wohl ein Vorher und ein Nachher geben. Die Vernunft ist körperlos, das Fluidum grob und mit Unreinheit behaftet."1) Alles, was nicht Körper ist, heißt es, ist rationales Prinzip oder Vernunft.2) Li bedeutet aber nicht überall, wo es vorkommt, Vernunft, hin und wieder hat es auch andere Bedeutungen. So lesen wir: „Frage: .Haben vertrocknete Dinge ein Prinzip?' — Antwort: Sobald es einen Gegenstand gibt, hat er ein Prinzip. Der Himmel erschafft keinen Pinsel, sondern die Menschen stellen ihn aus Hasenhaar her. Sobald es einen Pinsel gibt, hat er auch sein Prinzip."3) Der Pinsel ist nicht ein Naturprodukt und nicht vom Himmel, sondern vom Menschen erschaffen. Daher ist er auch nicht vom himmlischen Vernunftprinzip erfüllt, sondern der Mensch legt als Prototyp seine Idee, seinen Zweckbegriff hinein und verwirklicht diesen darin. Das Prinzip bedeutet daher hier nicht Vernunft, sondern die menschliche Idee, den Zweckbegriff. Um zu größerer Klarheit zu gelangen, wollen wir die beiden Prinzipien, welche Tschu Hsi fast immer verknüpft, zunächst getrennt behandeln und die verschiedenen Eigenschaften, welche ihnen beigelegt werden, hervorheben. Darauf lassen wir die Quellenstellen folgen. Die Vernunft ist nur eine, die Weltvernunft, aber sie hat verschiedene Funktionen, so daß jeder Mensch seine eigene Vernunft besitzt. Sie existierte schon, bevor es Menschen gab, und besteht fort, wenn die Menschen zugrunde gegangen sein werden. Sie bildet eine reine, leere, unendliche, nicht wahrnehmbare Welt. Diese Ausdrücke, welche dem Taoismus entlehnt sind, besagen, daß der Vernunft ein übersinnliches, transzendentes Sein zukommt. Die Vernunft ist die Natur von Himmel und Erde, das heißt, sie bildet den inneren Kern der Welt, stellt ihr inneres Wesen dar, sie ist die Substanz des Himmels oder der Gottheit. Da sie Bewegung und Ruhe besitzt, so ruft sie alle Bewegungen in der Welt hervor. Die regelmäßigen Bewegungen des Himmels, der Sonne, des Mondes und der Gestirne, wodurch der Wechsel von Tag und Nacht, das Jahr und die Jahreszeiten entstehen, sind ihr Werk. Die fünf Tugenden sind von ihr geschaffen und in ihr enthalten, so daß sie der Inbegriff der Sittlichkeit ist. Nicht immer erscheint ') Tschu-tse tch'üan-schfu Kap. 49 S. la: f„^ ^ ^ g, fl] ft ^ ^ 0, jg ^ · $&5£

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I. Tschu Hsi und seine Schule: 1. Tschu Hsi

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die Vernunft in ihrer ganzen Vollkommenheit, sie kann auch beschränkt und einseitig sein, zum Beispiel im Menschen ödes in ändern Geschöpfen. Das Fluidum kann sich zusammenballen und zerstreuen. Wenn es einmal zerstreut ist, vereinigt es sich nicht wieder zu demselben Gebilde. Es bildet die Elemente und durch seine Zusammenziehung die Körper, ist daher der Samen für alle Dinge, die daraus hervorgehen. Das Fluidum kommt in größerer und geringerer Reinheit, in größeren und kleineren Mengen vor, was eiuen Einfluß auf das Schicksal der Dinge ausübt. Es kann vom Körper oder vom Geiste beherrscht werden und erscheint dann als rein körperliches oder als geistiges Fluidum. Wie die Vernunft ist es nur eins, nimmt aber die mannigfachsten Formen an. Tschu Hsi's eigene Worte sind: „Zuerst ist die himmlische Vernunft da, dann das Fluidum. Dieses verdichtet sich zur Substanz. Dann ist die Natur vollkommen vorhanden."1) Das Fluidum ist ein ganz feiner luft- oder hauchartiger Stoff, der dem Geist sehr ähnlich. Erst durch Verdichtung entstehen daraus die Elemente und schließlich die grobe Materie und die festen Körper. „Das Fluidum bildet Metall, Holz, Wasser, Feuer, und die Vernunft bildet Wohlwollen, Gerechtigkeit, Sitte und Wissen."2) „Tsch'eng I hat sehr gut gesagt: ,Die Vernunft ist nur eine, aber ihre Funktionen sind verschieden.' — Wenn man von Himmel, Erde und von allen Dingen spricht, so gibt es nur eine einzige Vernunft. Von den Menschen aber hat jeder seine besondere Vernunft."3) „Man fragte: ,Das Fluidum entstand erst, nachdem es die Vernunft gab. Wo befand sich aber die Vernunft, ehe es Menschen gab?' — Antwort: Sie befand sich auch hier. Man kann sie mit dem Wasser des Meeres vergleichen. Man kann einen Löffel davon nehmen oder eine Traglast oder eine Tasse voll, alles ist dasselbe Meereswasser. Aber die Vernunft ist wie der Wirt eines Hauses, und ich bin nur wie ein Gast. Sie bleibt ewig, während ich ihrer nur für kurze Zeit teilhaftig werde."4) Die Bewegung des Fluidums hängt von der Vernunft ab, und wenn das Fluidum sich zusammenzieht, ist auch die Vernunft darin: „Das Fluidum kann sich zusammenballen und Dinge hervorbringen. Die Vernunft dagegen hat keine Gefühle und keine Absichten und erschafft nichts, nur überall, wo das Fluidum sich zusammenballt, befindet sich die Vernunft in der Mitte."5) Hier wird der

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B. Die Südliche Sung-Dynastie

Vernunft das taoistische Wu-wei zugeschrieben. Der Philosoph muß seine Ansicht später geändert haben, denn wir werden sehen, daß die Vernunft als Urprinzip auch Gefühle hat, und daß sie, wenn sie als Schicksal wirkt und als Gottheit, auch ihren Willen äußert. Sie erschafft Organismen und Lebewesen nicht direkt, sondern nur, indem sie sich des Fluidums, in welchem sie ihren Sitz hat, als Werkzeug bedient. Das Fludium bringt die Dinge hervor, aber unter der geistigen Leitung der Vernunft: „Die Vernunft ist eine reine, leere und unendliche Welt, ohne einen wahrnehmbaren Körper und daher auch außer Stande, etwas zu erzeugen."1) „Die Vernunft hat Bewegung und Ruhe, und daher hat auch das Fluidum Bewegung und Ruhe. Wenn die Vernunft keine Bewegung und Ruhe hätte, woher sollte das Fluidum .sie nehmen?" 2 ) „Zu Anfang gab es noch kein Ding, sondern nur die Vernunft. Da sie da war, so vermochte sie sich zu bewegen und Yang hervorzubringen, und durch ihre Ruhe schuf sie Yin... . Nachdem dann Himmel und Erde erschaffen waren, da befand sich dieses Wesen in fließender und drehender Bewegung. Jeder Tag hat seine tägliche Bewegung, jeder Monat seine monatliche und jedes Jahr seine jährliche. Immer ist es dieses Wesen, das die Drehbewegung verursacht."3) „Himmel ist gleichbedeutend mit Vernunft."4) „Die Vernunft ist die Substanz des Himmels."5) „Wenn man also von der Natur von Himmel und Erde spricht, so ist speziell die Vernunft gemeint."6) Unter Himmel ist hier natürlich nicht der materielle Himmel und unter Himmel und Erde nicht die Welt zu verstehen, sondern die Gottheit und der Weltgeist. „Die Verschiedenheit des Fluidums besteht in der größeren oder geringeren Reinheit, und die Verschiedenheit der Vernunft in der größeren Vollständigkeit oder Einseitigkeit."7) „Wenn das Fluidum sich zusammenzieht, entsteht ein Körper."8) ,JK.'o Tch'i fragte: ,Wenn die Natur die Wesen hervorgebracht hat und dann eines verschwindet, hört es dann auf zu existieren oder verschwindet es und kommt dann wieder zurück ?" — Antwort: Nachdem es verschwunden ist, hört es auf zu sein, denn wie gäbe es ein Fluidum, das sich wieder zusammenzöge, nachdem es sich

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I. Tschu Hsi \ind seine Schule: 1. Tschu Hsi

175

einmal zerstreut hat 7"1) Wenn Wasser in einem Kochtopf verdampft ist, kann man wohl frisches hinzugießen, aber das verdampfte kommt nicht wieder. „Das Fluidum ist eins. Beherrscht vom Geist wird es Willensfluidum2) und beherrscht vom Körper Blutfluidum3)."4) Seit der Erschaffung der Welt sind das Vernunftprinzip und das Fluidum so eng miteinander verknüpft, daß man sie fast als ein und dasselbe betrachten könnte: „In der Welt gibt es kein Fluidum ohne Vernunft und auch keine Vernunft ohne Fluidum."5) Sie können nicht getrennt voneinander existieren, wo das eine ist, ist auch das andere. Zeitlich und an Bedeutung geht aber doch die Vernunft dem Fluidum voran. Sie war schon vorhanden vor Erschaffung der Welt, als es noch kein Fluidum gab, und hat erst das Fluidum hervorgebracht. Daher heißt es: „Bei der Vernunft und dem Fluidum kann man eigentlich nicht von Priorität sprechen, aber wenn man auf den Ursprung zurückgehen will, so muß man zugestehen, daß die Vernunft zuerst da ist. Sie ist aber nicht etwa irgend ein anderes Ding, sondern im Fluidum enthaltei... Wenn das Fluidum nicht vorhanden ist, so hat die Vernunft keinen Stützpunkt."6) „Wenn die Vernunft existiert, so entsteht darauf das Fluidum."7) „Ist die Vernunft vorhanden, so ist auch das Fluidum da, aber die Vernunft ist der Ursprung."8) In der Vereinigung von Vernunft und Fluidum, die als etwas Wunderbares gelten muß, hat die Vernunft immer die Herrschaft.9) Durch das Zusammenwirken von Vernunft und Fluidum kommen auch die drei Vermögen des menschlichen Geistes zustande. Wir sprachen schon vom Willensfluidum. In ähnlicher Weise entstehen Wissen und Fühlen. Es sind Äußerungen des Fluidums, veranlaßt durch die Vernunft. Wir würden sagen, unser Denken und Fühlen sind die Funktionen unseres Gehirns unter Einwirkung unserer Vernunft, die ein Teil der Weltvernunft ist. Nach dieser Auffassung ist das Geistige nicht rein psychisch, sondern psycho-physisch, und das Fluidum vermag nicht nur materielle, sondern auch geistige Gebilde zu schaffen. Tschu Hsi lehrt: „Wenn das Fluidum sich zusammenzieht, entsteht ein Körper, und wenn die Vernunft mit dem Fluidum vereinigt ist, kommen Wissen und Empfinden zustande. Es ist wie das Feuer, welches, wenn es Fett erhält, eine helle Flamme hervorbringt. Das Empfundene ist die Vernunft des Herzens, das i) Kap. 49 S.3b: 2

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Bruce II, 262 übersetzt: resoluteness. Bruce: passion, was hier kaum stimmt. Kap. 45 S . 1 8 a : f t — A ^ j f e ^ ^ f l l J e S A , * ^ « « * Kap. 49 S. la: ^ T * tf fc _± » * W *f * ± Sl·

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176

B. Die Südliche Sung-Dynastie

Empfindende die Fähigkeit des Fluidums."1) Das Feuer wird mit der Erleuchtung, dem Wissen verglichen, das Fett mit der Vernunft. Das Fluidum besitzt die Fähigkeit, die Einwirkungen der Vernunft zu empfinden. So entstehen das Wissen und die Empfindungen. Weiter wird gesagt: „Die sogenannte Lebenskraft, der Geist, die Seele und der Lebensgeist besitzen Wissen und Empfinden. Das sind alles Akte des Fluidums. Wenn es sich zusammenballt, sind sie da, und wenn es sich zerstreut, sind sie nicht mehr vorhanden. Das Vorhandensein der Vernunft hängt nicht vom Zusammenballen und Sichzerstreuen ab."2) Nur so lange das Fluidum zusammenhält, kann der Geist sich betätigen, denken und fühlen. Mit der Zerstreuung des Fluidums durch den Tod hört das auf. Die Vernunft wird durch diese Veränderungen des Fluidums nicht berührt.

2. Das Urprinzip. Als höchstes Weltprinzip, aus welchem sich alles andere entwickelt hat, wird die Vernunft auch das Urprinzip3) genannt: , ,Das Urprinzip bedeutet nichts anderes als die Vernunft."4) Der Name wird auf verschiedene Weise erklärt, als das Äußerste, bis wohin man bei der Frage nach dem Urgrund des Seins gelangt und worüber es nicht hinausgeht: „Das Urprinzip ist nichts anderes als die Vernunft, aber weil man dabei bis zum Ende gelangt, deshalb nennt man es das Urprinzip."5) Das Urprinzip ist wie der First eines Hauses. Höher hinaus kann man bei einem Hause nicht gelangen.6) Der Ausdruck T'ai-tchi ist auch gewählt, um die Angel zu bezeichnen, den Angelpunkt, um den sich alles dreht, denn es ist die Wurzel von Himmel und Erde, die daraus hervorgegangen sind.7) „Das Urprinzip ist nichts anderes als die Vernunft von Himmel und Erde und von allen Dingen. Spricht man von Himmel und Erde, so ist das Urprinzip in ihnen, und spricht man von den Dingen, so hat jedes der vielen Dinge ein Urprinzip in sich. Ehe es Himmel und Erde gab, war diese Vernunft schon vorhanden."8) Es gibt nur eine Weltvernunft und nur ein Urprinzip, aber jedes Ding hat sein besonderes Urprinzip. Auf die Frage, ob denn das Urprinzip in Stücke zerbreche, wenn jedes Ding sein eigenes Urprinzip erhielte, antwortete i) Kap. 49 S.6a:&&,£;g,3 J| ££>,«!£ £ p & * D 'X it Jg *,

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I. Tschu Hsi und seine Schule: 1. Tschu Hsi

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Tschu Hsi, das eine Urprinzip bleibe trotzdem ganz, ebenso wie der Mond, obgleich er sich in allen Wassern spiegele.1) „Das Urprinzip hat keinen festen Ort und keinen Körper oder Punkt, an dem es haftete. Wenn man die Zeit ins Auge faßt, bevor es hervorkommt, dann ist es in diesem Zustand in Ruhe. Bewegung und Ruhe, Yin und Yang sind der Form unterworfen, aber die Bewegung ist auch die Bewegung des Urprinzips, und ebenso ist diese Ruhe seine Ruhe. Allein Bewegung und Ruhe sind nicht das Urprinzip selbst."2) „Die Bewegung ist nicht das Urprinzip, es ist nur die Betätigung des Urprinzips. Die Ruhe ist nicht das Urprinzip, es ist nur der Körper des Urprinzips."3) Auch von Tao wird behauptet, daß Leere und Stille sein Körper sei, was wohl nur die Immaterialität und Transzendenz zum Ausdruck bringen soll. Tschu Hsi meint, daß man das Urprinzip mit einem Fächer vergleichen könne: , ,Es ist nur ein Fächer; wenn man ihn bewegt, so ist das die Betätigung, und wenn man ihn niederlegt, so hat man nur noch den Körper. Wenn man ihn niederlegt, so hat man nur dieses Prinzip, und sobald man ihn bewegt, so bleibt auch das Prinzip dasselbe."4) Die Vernunft oder das Urprinzip bewirkt die regelmäßige Drehung der Weltkugel, wie wir sahen.8) Wenn es kein Urprinzip gäbe, welches diese Drehung dauernd fortsetzte, so würden Himmel und Erde einstürzen.6) Würde die Rotation des Himmels nur einen Augenblick aufhören, so müßte die Erde nach Tschu H si's Ansicht herabfallen und in den Weltraum stürzen, da sie nur durch die Drehung in der Schwebe gehalten wird.7) Es liegt nahe, das Urprinzip als Geist au zufassen, wofür es von manchen gehalten worden ist. Tschu Hsi ist nicht dieser Meinung: „Wenn man vom Urprinzip spricht", sagt er, „und sein Wesen als Geist bezeichnet, so glaube ich, daß auch das nicht stimmt, sobald man die Zeit vor der Scheidung von Himmel und Erde, als das Urfluidum noch vereint war und eine Einheit bildete, ins Auge faßt."8) Im Urfluidum waren Geist und Fluidum noch ungeschieden, das Urprinzip war also damals Geist und Fluidum zugleich, allein da die Vernunft doch erst das Fluidum erschuf, konnte sie doch vorher reiner Geist sein. Jedenfalls ist die Weltvernunft dem menschlichen Geist weit überlegen, insofern sie Schöpferkraft besitzt und das Fluidum hervorbringt und regiert, wozu der Men!) S. lOb.

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B. Die Südliche Sung-Dynastie

schengeist nicht imstande ist. Die Vernunft ist eine höhere Form der Geistigkeit, die auch erhalten bleibt, wenn der Menschengeist zugrunde geht. Über das Verhältnis des Urprinzips zu Yin und Yang wird gesagt, daß das Urprinzip im Yin und Yang und daß diese im Urprinzip seien. Es sei falsch anzunehmen, daß über dem Yin und Yang noch ein besonderes Immaterielles und darin das Urprinzip existiere:1) „Wenn man sagt, bei den Wandlungen gäbe es ein Urprinzip, so besagt das nur, daß das Urprinzip sich inmitten von Yin und Yang und nicht außerhalb derselben befindet."2) Es ist dieselbe enge Verbindung wie zwischen Vernunft und Fluidum. Wie die Vernunft als Inbegriff der Tugenden gilt, von denen nur Wohlwollen, Gerechtigkeit, Sitte und Wissen genannt werden, so soll das Urprinzip die vier Empfindungen Freude und Zorn, Kummer und Lust in sich schließen, also potentiell enthalten: „Bevor Freude, Zorn, Kummer und Lust zum Ausdruck gekommen sind, ist schon ein Urprinzip vorhanden, und nachdem sie Ausdruck gefunden haben, ist auch das Urprinzip noch da. Es ist immer ein- und dasselbe ; es strömt aus im Augenblick der Äußerung, und es verbirgt sich vor der Äußerung."3) Da demnach die Vernunft — Urprinzip sowohl Trägerin derEmpfindungen und Leidenschaften als auch der moralischen Gefühle ist, so kann man sie nicht gut für ein bloßes formales Prinzip erklären, wofür man sie gehalten hat. Das Urprinzip ist nicht ein leeres Ding, eine bloße Abstraktion wie die „Natur" der Buddhisten,4) aber der gewöhnliche Seinsbegriff paßt nicht darauf: „Wenn man es als Prinzip betrachtet, dann kann man nicht sagen, daß es Sein besitzt, und wenn man es als Wesen betrachtet, dann kann man nicht sagen, daß es kein Sein besitzt."5) Das Urprinzip besitzt nicht dasselbe Sein wie andere Dinge, aber da es ein Wesen und nicht nur ein Begriff oder formales Prinzip ist, so existiert es und kann nicht ohne Sein sein. Es besitzt ein Sein, aber ein transzendentes, das über das phänomenale Sein und Nichtsein weit hinaus geht. Daß dies Tschu Hsi's Meinung ist, geht aus folgenden Worten hervor: „Das Urprinzip ist das Äußerste, zu dem man gelangt. Darüber hinaus gibt es nichts. Es ist das Höchste, das Wunderbarste, das Feinste und Geistigste. Darüber hinaus kommt man nicht. Tschou Lien-tch'i fürchtete, daß die Menschen annehmen könnten, das Urprinzip habe einen Körper, daher sagte er: „Das Prinzip des Nichtseins ist zugleich das Urprinzip," das heißt, inmitten des Nichtseins gibt es ein äußerstes Prinzip."6) Das letzte Prinzip im Nichtsein ist die Transzendenz, welche unfaßbar und unvorstellbar ist, daher die Ausdrücke das Höchste, i) Kap. 49 S. 16b.

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I. Tschu Hsi und seine Schule: 1. Tschu Hsi

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das Wunderbarste usw. Ähnliche rühmende Beiworte werden noch in einem anderen Ausspruch gebraucht: „Das Urprinzip ist ein außerordentlich gutes, ausgezeichnetes Prinzip. Jeder Mensch besitzt ein solches Urprinzip und jedes Ding gleichfalls. Das Urprinzip, von welchem Tschou-tse redet, ist die ganz vorzügliche und ganz hervorragende Kraft, welche sich in der Welt, im Menschen und in den einzelnen Dingen offenbart."1)

3. Die Gottheit. In den alten Klassikern werden der Himmel und Schang-ti fast wie eine Person aufgefaßt und der Geist von Himmel und Erde wird ähnlich behandelt. Für einen persönlichen Gott ist in Tschu Hsi's System kein Raum. Als guter Konfuzianer muß er sich mit den alten Quellen auseinandersetzen. Er tut dies in der Weise, daß er Gott oder den Himmelsgeist der Vernunft gleichstellt. Auf die Frage, ob, wo in den Klassikern von der Tätigkeit des Himmels und Schang-ti's die Rede sei, welche die Guten belohnen und die Bösen bestrafen, damit gemeint sei, daß im blauen Äther droben ein Herrscher wohne, oder ob der Himmel ohne Gefühl und Willen sei, und daß man annehmen müsse, daß die Vernunft so verfahre, antwortet der Philosoph, daß in allen diesen Fällen die Vernunft so handle.2) „Gott", heißt es, „ist die Vernunft als Herrscher."3) — „Die blaue Kuppel nennt man Himmel. Es ist das, was sich beständig im Kreise dreht und nach allen Seiten hin fließt. Wenn man nun aber behauptet, im Himmel gäbe es jemand, der dort über Sünden und Bosheit urteilt, so geht das nicht. Aber ebensowenig ist es angängig zu sagen, daß es überhaupt keinen Herrn gäbe. Man muß sich dies wohl überlegen."4) Es muß einen Leiter geben, welcher den Himmel veranlaßt, sich zu drehen.6) „Es fragte jemand: ,Wenn wir die Ungleichheiten des Schicksals betrachten, so scheint es, als ob nicht wirklich jemand da wäre, der uns dies Schicksal verleiht, sondern als ob es nur die beiden Fluida wären, welche in ihrer Komplexität und Ungleichheit den Lauf einschlagen, welcher sich ihnen gerade bietet, und daß daher die Ungleichheiten kommen. Da Menschenkraft nichts dagegen vermag, so spricht man wohl von der Bestimmung des Himmels?' — Antwort: Alles fließt aus derselben großen Quelle. Die Erscheinungen sind derart, als ob nicht wirklich jemand das Schicksal verliehe. Wie könnte es auch im Himmel eine Per') Kap. 49 S. lib: *8

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Zenker II, 259 behauptet, daß Tschu Hsi ein transzendentes Tao nicht anerkenne. Um im Realen zu bleiben, streiche er mit einem stummen Pinselstrich den Urgrund, das natürliche Sein, aus dem System des Tschou-tse weg und bleibe so bei einer Halbheit. Das ist keineswegs der Fall. ') Kap. 49 S. 4a. ») S. 25a: £ g £ ±-

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B. DU; Südliche Sung-Dynastie

son geben, welche dies befiehlt ? Allein die Aussprüche des Schiking und Schuking scheinen ein solches persönliches Wesen über uns vorauszusetzen, zum Beispiel an der Stelle, wo von dem grimmen Zorne Gottes die Rede ist.1) Aber auch das ist nur die Vernunft. In der Welt gibt es nichts Erhabeneres als diese Vernunft, daher ist sie als Gott bezeichnet. In der Stelle: ,Der erhabene Gott hat dem Volke unter ihm einen moralischen Sinn gesandt'2) weist das Wort .gesandt' auf einen Herrscher."3) Ganz ähnlich wie über Gott, den Herrscher des Himmels, spricht Tschu PIsi über den Geist von Himmel und Erde: „Jemand fragte: ,Ist der Geist des Himmels und der Erde lebendig oder gleichgültig und untätig ?' — Tschu-tse antwortete: ,Man kann nicht sagen, daß der Geist von Himmel und Erde nicht lebendig sei, aber er denkt nicht in derselben Weise wie der Mensch. Tsch'eng I-tsch'iwin sagt: ,Himmel und Erde bringen ihre Wandlungen hervor, ohne bestimmte Absichten zu haben, während der Heilige bestimmte Absichten verfolgt, aber nicht handelt.'4) Tsch'eng-tse'fi Ausspruch klingt ganz taoistisch. Tschu Hsi nimmt an, daß der Himmelsgeist denkt, aber sein Denken soll anders sein als das menschliche. Man könne nicht sagen, daß der Himmel keinen Geist habe, denn ohne einen solchen würde er die verschiedenen Arten von Geschöpfen nicht hervorbringen können, ohne sie zu vermischen. „Daher sagt man, der Sinn von Himmel und Erde sei auf die Hervorbringung der Geschöpfe gerichtet."5) Auch der Geist von Himmel und Erde, der Weltgeist ist nichts anderes als die Vernunft, zwischen Geist und Vernunft besteht kein Unterschied: „Jemand fragte nach dem Geist von Himmel und Erde und nach der Vernunft von Himmel und Erde, ob die Vernunft das Prinzip und dei Geist der Herrscher sei. Antwort: Der Geist bedeutet selbstverständlich den Herrscher, aber was man Herrscher nennt, ist doch die Vernunft. Außerhalb des G«istes gibt es nicht noch eine andere Vernunft und außerhalb der Vernunft nicht noch einen Geist."6) „Es wurde weiter gefragt, ob der Begriff Geist dem Begriff Gott ähnlich sei. Antwort: Der Begriff Mensch ist dem Begriff Himmel ähnlich und Geist dem !) Siehe Gesch. alt. chin. Phil. S. 41. 2 ) Schuking (Legge) S. 185. 3 ) Tschu-tse tch'üan-schu Kap. 43 S. 34 b: flfj fa £ ^ ^ & ^ J| y. Tfc fä -%_ g^

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B. .Die Südliche Sung-Dynastie

sich gegenüber stehen. Diese Lehre ist sehr klar. Meister Tschou hat sie in der „Tafel des Urprinzips" auseinandergesetzt."1) Danach wäre Tang das eine Fluidum, sofern es ausströmt und sich ausdehnt, und Yin dieses Fluidum, sofern es sich zusammenballt und zusammenzieht. Das Anwachsen und Schwinden von Yin und Yang vollzieht sich ganz allmählich. Wenn das eine zunimmt, nimmt das andere ab. Der Zunahme an einer Stelle steht immer eine Abnahme an einer ändern gegenüber.2) Das Gesamtquantum bleibt dabei unverändert. Yin und Yang sind immer Gegensätze,3) sie bekämpfen und überwinden sich gegenseitig.4) Durch ihre Veränderungen entstehen die Jahreszeiten. Frühling und Sommer sind bewegt und gehören zum Yang, Herbst und Winter ruhen und gehören zum Yin. Der Tag ist bewegt und Yang, die Nacht ruhig und Yin.5) Das Wachsen und Abnehmen der beiden Fluida wird zu den Himmelsrichtungen, in denen sie sich gleichsam befinden, in Beziehung gesetzt. Yang wird im Norden geboren, wächst im Osten, ist voll entwickelt im Süden und nimmt ab im Westen, bis es fast verschwindet, bevor es im Norden wieder zu wachsen beginnt. Yin wird im Süden geboren, wächst im Westen, ist voll entwickelt im Norden und nimmt wieder ab im Osten.6) So wandern beide Fluida bald stärker, bald schwächer werdend um den Horizont herum und bedingen dadurch die Jahreszeiten. In übertragenem Sinne werden aber auch die beiden Begriffe Yin und Yang gebraucht, um polare Gegensätze zu bezeichnen, wobei nicht mehr an eine Substanz gedacht wird: Links und oben sind yang, rechts und unten yin. Die hochgehobene Hand ist yang, die gesenkte yin.7) Yin und Yang sind Gegensätze. aber im Yin ist sowohl Yin wie Yang enthalten und im Yang ebenfalls. Männlich ist yang, und weiblich yin, aber der Mann besitzt Yin und die Frau Yang. Das Körperfluidum des Menschen gehört zum Yang, aber es enthält Yin und Yang. Das Blut gehört zum Yin, aber es enthält gleichfalls Yin und Yang.8) Tschu Hsi hebt die einzelnen, stets diametral entgegengesetzten Eigenschaften der beiden Fluida hervor und stellt dafür zwei Reihen auf: Yang erzeugt, zieht auf, ist hart, hell. Yin verwundet, tötet, ist weich, dunkel. Yang hat Gemeinsinn und Gerechtigkeit, ist das Prinzip des Edlen. Yin ist selbsiichtig und auf Vorteil bedacht, das Prinzip des Gemeinen.9) Auch in Tschu Hsi's Yin Yang -Theorie geht Physisches und Ethisches, Ontisches und Logisches wirr durcheinander. Bis zu einer scharfen Scheidung dieser verschiedenen Gebiete ist die chinesische Philosophie noch nicht vorgedrungen. ') Kap. 49 S. 34a: & | & R & — « , & £ £ 4

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I. Tschu Hsi und seine Schule: 1. Tschu Hsi

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4. Die fünf Elemente. Vom Fluidum sondert sich zunächst der feinste Stoff, der Geist ab. Dieser schafft die fünf Elemente, Metall, Holz, Wasser, Feuer, Erde: „Die feinste Essenz des Fluidums ist Geist. Metall, Holz, Wasser, Feuer, Erde sind nicht Geist. Daher ist das Geist, was die fünf Elemente hervorbringt. Im Menschen ist es die Vernunft. Das ist dasjenige, welches Wohlwollen, Gerechtigkeit, Sitte, Wissen und Wahrhaftigkeit schafft."1) Hier wird also doch wieder der Geist der Vernunft gleichgestellt, wenigstens der menschlichen, während an einer ändern Stelle diese Gleichsetzung verworfen war.2) Durch Vereinigung von Fmund Yang sollen zuerst Wasser und Feuer entstehen. Beides sind Fluida, keine festen Stoffe, ihr Körper ist noch leer und ihre Gestalt ist noch nicht fest begrenzt. Darauf entstehen Holz und Metall, die feste Gestalt haben. Massiv ist auch die Erde, welche vorhanden ist, nachsdem sie sich bei der Erschaffung von Himmel und Erde, aus dem Wasser abgesondert hat. Wasser und Feuer entstehen ohne weiteres aus Yin und Yang, Holz und Metall bedürfen dazu noch der Erde, in welcher sie sich entwickeln.3) Zuerst werden die leichteren und reineren Elemente geschaffen, dann die schwereren und trüberen. Der Himmel bringt zuerst das Wasser hervor, dann die Erde das Feuer. Erde ist angeblich noch schwerer als Metall und Holz. So ergibt sich die Reihenfolge: Wasser, Feuer, Holz, Metall, Erde: 1. Der Himmel schafft Wasser. 2. Die Erde schafft Feuer. 3. Der Himmel Holz. 4. Die Erde Metall.4) Wasser und Holz sind yang, da vom Himmel erschaffen, Feuer und Metall yin, da von der Erde stammend.5) Auch die einzelnen Elemente wachsen an während des Jahres und vergehen ähnlich wie Yin und Yang. Während jeder Jahreszeit herrscht ein Element vor. Danach haben wir den Turnus : Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser.6) Die Erschaffung des ersten Menschen und der Tiere erfolgte durch die Vereinigung der feinsten Teile von Yin und Yang und der fünf Elemente. Es war eine Urzeugung, Hua-scheng , ) wie die Buddhisten sie nennen, die nach Tschu Hsi's Ansicht auch heute noch vorkommt, zum Beispiel bei Läusen.8) Die Urzeugung findet nur beim ersten Geschöpf statt, später tritt dafür sexuelle Zeugung durch Samen ein.9) C. Psychologie. 1. Der Geist. Tschu Hsi definiert den Geist als den feinsten und spirituellen Teil des Fluidums.10) „Um das Wort , Geist' zu erklären, sagte er: „Ein Wort schließt es ein, nämlich 2

) Siehe oben S. 177. «) Loc. cit. 10

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) S. 42b. ) KaP- 49 s· 20-a

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B. Die Südliche Sung-Dynastie

Leben."1) Also wird der Geist nicht der Vernunft gleichgesetzt, sondern dem Fluidum und ein Hauptzug seines Wesens in der Lebendigkeit gesehen. Zu seiner weiteren Charakterisierung sagt Tschu-tse: „Der Geist ist im höchsten Grade spirituell, so fein, daß er die Spitze eines Härchens oder einen Grashalm durchdringt, wodurch wir seiner bewußt werden, und so groß, daß alle sechs Himmelsrichtungen darin Platz finden. Wieviele tausend und zehntausend Jahre sind nicht seit dem Anfang der Zeit verflossen, aber unsere Gedanken gelangen bis dorthin, sobald sie hervorkommen. Ebenso wissen wir nicht, wieviel tausend und zehntausend Jahre in der Zukunft noch kommen werden, aber unsere Gedanken gelangen sofort bis in die fernste Zukunft, sobald wir sie aussenden. Diese Geisteskraft ist unfaßbar, ganz leer, ganz spirituell und ganz folgerichtig."2) Tschu Hsi scheint hier Denken und Sein zu vermischen. Unser Geist gelangt doch nicht wirklich in die kleinsten Räume und ebenso wenig in die Vergangenheit oder gar in die fernste Zukunft, welche noch gar nicht existiert, sondern alles das sind nur seine Vorstellungen, und er bleibt, wo er ist. Der letzte Satz klingt doch wieder, als ob der Philosoph den Geist für etwas rein Immaterielles hielte. Der Geist wird geleitet vom Urprinzip, aber seine Äußerungen stellen sich als Yin und Yang dar: „Das Prinzip des Geistes ist das Urprinzip, seine Bewegung und Ruhe sind Yin und Yang."3) Daraus müssen wir wohl schließen, daß der Geist nicht ganz immateriell, aber auch nicht ganz materiell ist, denn die Vernunft, das Urprinzip, geht darin eine Verbindung mit dem Fluidum ein, das als Yin und Yang erscheint. Wir fassen Geist und Körper als einen absoluten Gegensatz auf, Tschu Hsi nicht, denn er sagt: „Nur der Geist hat kein Gegenpart."4) Er steht dem Körper nicht etwa wie Yin dem Yang gegenüber, denn er ist ja zum Teil selbst Körper. Tschu Hsi betrachtet den Geist als einen Ort geistiger Vorgänge,5) wie einen leeren Raum, welcher beim Handeln oder Erkennen viele Dinge in sich aufnimmt oder umschlossen hält: „Der Geist ist ursprünglich leere Geisteskraft. Alle Prinzipien sind darin enthalten — (also die Vernunft) — und alle Handlungen und Dinge muß er verstehen."6) Seiner Auffassung vom Wesen des Geistes entspricht es, wenn Tschu Hsi auch das Bewußtsein nicht für eine rein geistige Fähigkeit erklärt, sondern durch eine Zusammenwirkung von Geist und Fluidum entstehen läßt: ,,Frage: Ist das ') Eod. £

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I. Tschu Hsi und seine Schule: 1. Tschu Hsi

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Bewußtsein eine Regung des Geistes, nder die Wirkung des Fluidums? — Antwort: Es ist nicht ausschließlich das Fluidum, sondern vorher existiert schon das Prinzip des Bewußtseins. Das Prinzip hat kein Bewußtsein, aber sobald das Prinzip mit dem Fluidum vereinigt ist, entsteht Bewußtsein."1) Die Vernunft, das Prinzip ist danach unbewußt. Bewußtsein entsteht erst, wenn sie sich mit dem Fluidum, das heißt mit lebender Substanz verbindet. Das Denken bezeichnet Tschu-tse einfach als eine Funktion des Geistes, ohne von einer Mitwirkung des Fluidums zu sprechen, aber er wird sie jedenfalls auch hier annehmen. Seine Worte lauten:, ,Ich glaube, daß der Geist sich zum Denken verhält wie die Substanz zu ihrer Funktion. Daher weiß er das Zukünftige und bewahrt das Vergangene, er durchdringt alles nach allen Seiten, und es gibt nichts, das er nicht einschlösse."2) Außer dem Denken hat der Geist aber auch nach andere Funktionen. Tschu, Hsi unterscheidet die Gefühle, welche zu Motiven werden und den Willen: „Der Geist ist der Beherrscher des ganzen Körpers. Motive sind Emanationen des Geistes, Gefühle sind Regungen des Geistes, der Wille ist die Richtung des Geistes, und er ist stärker als Gefühle und Motive. Das Fluidum bildet mein Blut und füllt den Körper aus, es ist viel körperlicher und gröber als die übrigen Teile."3) Der Geist ist leichter wahrnehmbar als die Natur (Charakter), die der Vernunft gleichgesetzt wird, und lebhafter als das Fluidum.4) Seine Haupttugend ist das Wohlwollen. Mit Wohlwollen bringt der Weltgeist alle Dinge hervor, die dadurch Leben erhalten, so auch die Menschen, deren Lebensprinzip dieses Wohlwollen ist: „Der Geist, womit Himmel und Erde alle Dinge hervorbringen, ist Wohlwollen. Wenn der Mensch vom Fluidum erfüllt wird, erhält er diesen Geist von Himmel und Erde und dadurch Leben. Daher ist der Geist des Erbarmens im Mensehen auch das Lebensprinzip."5) Der Geist bewegt nicht nur sich selbst, sondern auch den Körper. Die Körperbewegungen werden von ihm veranlaßt. Tschu Hsi hat also wegen des influxus physicus keine Bedenken. Der Geist ist nicht ewig, sondern er geht nach einer gewissen Zeit, die verschieden lang sein kann, zugrunde. Wenn Menschen eines gewaltsamen Todes sterben und nicht sterben wollen, dann kann ihr Geist ein Gespenst oder ein böser Geist werden. Der Geist von Buddhisten und Taoisten, welche ihr Leben verlängern, vergeht auch nicht sofort. Wenn die Weisen und Heiligen sich ruhig

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B. Die Südliche Sung-Dynastie

in den Tod fügen, dann leben sie nicht als Dämon fort.1) Diese Verwandlung ist nur eine Ausnahme. Die Ansicht der Buddhisten, daß die Toten zu Dämonen werden und diese wieder zu Menschen, ist irrig.2) Die Lehre von der Seelenwanderung wird also zurückgewiesen. Das Sichzerstreuen des Geistes ist nicht gleichbedeutend mit völligem Nichtsein.3) Er ist nur zerstreut und hat sich in seine Bestandteile aufgelöst. „Jemand fragte, ob, wenn ein Mensch stürbe, sein Bewußtsein sich zerstreue. Antwort: Es zerstreut sich nicht nur, sondern verschwindet vollständig. Das Fluidum verschwindet und das Bewußtsein gleichfalls."4) .,Was stirbt, geht fort und kommt nicht wieder. Nur die Vernunft wandelt sich nicht. Es gibt kein Ding, das ewig bliebe ohne Wandlung."5) Alle Dinge sind dem Wandel unterworfen und nicht von Dauer. Auch der menschliche Geist vergeht, nur der Teil der göttlichen Vernunft, welcher in ihm gelebt hat, bleibt erhalten. Tschu Hsi setzt sich auch mit den Ansichten ariderer Philosophen über den Geist auseinander. Von den Buddhisten behauptet er, daß. was sie über den Geist zu sagen wüßten, sehr gut sei und viel besser als dieAnsichten von Yang-tse und Me-tse.6) Sehr heftig bekämpft er die Theorie des Hu -Kreises: ,,Hu An-kuo7) sagt: ,Was sich weder erhebt noch erlischt ist die Substanz des Geistes. Was sich bald erhebt, bald erlischt, ist die Tätigkeit des Geistes. Wenn man immer daran festhalten und ihn bewahren kann, so wird der Geist, auch wenn an einem Tage hundert Erhebungen und hundert Erlöschen stattfinden, immer sich gleichbleiben.' Das ist gut gesagt, aber der Leser muß wissen, daß, was als nicht sich erhebend und nicht erlöschend bezeichnet wird, nicht ein massiges, unbewegtes Ding ohne Bewußtsein ist, und daß zwischen den hundert Erhebungen und Erlöschen nicht noch ein Ding vorhanden ist, welches sich nicht erhebt und nicht erlischt."8) „Mir scheint," sagt Tschu Hsi weiter, „die Theorie, daß der Geist weder lebt noch stirbt,9) der Lehre der Buddhisten von der Seelenwanderung sehr nahe zu kommen. Indem Himmel und Erde die Dinge erschaffen, erhält der Mensch den feinsten Stoff und wird zum klügsten Geschöpf. Was wir den Geist nennen, ist die Natur der Leere, der Spiritualität und des Bewußtseins, ähnlich dem Sehen ') Kap. 51 S. 21 a.

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·) Kap. 44 S. 4b: 7 ) Siehe oben S. 121. ·) Kap. 44 S. 23a: $ £ ^ & W ffi ^ & ^ M '& ± f$> # jg # J* '& ±

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·) Vergl. S. 172. Was Hu An-kuo hier vom Geiste behauptet, sagt Tschu-tse auch, aber nur von der Vernunft.

I. Tschu Hsi und seine Schule: 1. Tschu Hsi

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und Hören von Augen und Ohren. Bei Himmel und Erde durchdringt er das Altertum und die Jetztzeit, und es gibt keine Erschaffung und keine Zerstörung. Bei den Menschen und den Geschöpfen dagegen folgt er der Körpersubstanz und hat Anfang und Ende."1) — „Da wir wissen, daß in beiden Fällen das Prinzip zwar dasselbe, aber seine Funktionen verschieden sind, wie können wir da die Behauptung aufstellen, daß der Geist weder lebe noch sterbe, und dadurch die Studierenden aufregen?"2)

2. Geister und Dämonen. Tschu Hsi glaubt an Geister und Dämonen, aber sie werden in seiner Darstellung fast zu Naturkräften, und nur die alten Namen sind geblieben. Sie sind nichts anderes als das Anwachsen und Zurückgehen von Yin und Yang, das sich ausdehnende und zusammenziehende Fluidum. Alle Wandlungen in der Natur sind das Werk dieser Kräfte, welche man deswegen als Wind-, Regen- und Donnergott verehrt.3) „Geist bedeutet ,sich ausdehnen' und Dämon ,sich zusammenziehen.'4) Wenn Wind, Regen. Blitz und Donner hervorkommen, so sind das Geister. Wenn der Wind aufhört, der Regen vorüber ist, der Donner anhält und der Blitz ruht, dann sind das Dämonen."5) Wind, Regen, Blitz und Donner sind Expansivkräfte, also yemgr-Fluidum oder Geister. Ihr Aufhören, Verschwinden und Ruhen sind Fm-Fluidum, in welches Yang übergeht, und gelten deswegen als Dämonen, die Vertreter des Fm-Prinzips. Geister und Dämonen bestehen aber nicht nur aus Fluidum (Substanz), sondern auch aus der im Fluidum enthaltenen geistigen Kraft und dem darin wirkenden Prinzip: „Jemand fragte, ob Geister und Dämonen nur dies Fluidum wären. Antwort: „Sie sind auch der geistigen Kraft in diesem Fluidum ähnlich."6) Da das Licht und das Leben zum Fem R m m % & m, - M. en fit B m z. M ..... *n .*· ·) Kap. 51 S. 22b: $fc « ^ * £ « » Ä St S B ± W W Ä *· 3) S. 23a: « fc, « £ S|, # fc, « £ ft, ig,fig& « ± j», *, ffi Ä tt

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B. Die Südliche Sung-Dynastie

Das Vergehen der Seele und des Lebensgeistes wird ausführlicher behandelt: „Der Mensch hat viel Atem, aber es muß die Zeit kommen, wo er aufgebraucht ist. Dann kehrt der Seelenhauch zum Himmel zurück, und der Körper nebst dem Lebensgeist kehren zur Erde zurück und sterben. Wenn der Tod naht, so entweicht der warme Hauch nach oben, was man als das Emporsteigen der Seele bezeichnet. Der untere Teil des Körpers erkaltet allmählich, was man das Herabsinken des Lebensgeistes nennt."1) Tschu Hsi zitiert das Kapitel Tchi-i des Li-ki, wonach die Seele beim Tode leuchtend, duftend und kalt nach oben steigt2) und vergleicht selbst dieses Emporsteigen mit dem Rauch von ausgebranntem Brennholz.3) „Nachdem der Seelenhauch sich zerstreut hat, kann er nicht wieder vereinigt werden."4) Das Sichzerstreuen der Seele ist aber nicht'gleichbedeutend mit völligem Nichtsein, es ist nicht so vollständig, daß die Seele nicht noch auf die Nachkommen einwirken könnte.5) Das ist eine Konzession, die Tschu Hsi dem Ahnenkultus macht, welcher das Vorhandensein der verstorbenen Ahnen voraussetzt. Er äußert sich allerdings sehr skeptisch: „Ob das Fluidum der entfernteren Ahnen noch vorhanden ist oder nicht, weiß man nicht."6) Die rein physische Lebenskraft entsteht nach Tschu-tse, wenn der weibliche Samen sich mit dem männlichen Fluidum vereinigt und ein Wesen hervorl»ringt.

4. Die menschliche Natur. Die Natur, das Wesen der Dinge und besonders die menschliche Natur ist für unseren Philosophen nicht eine bloße Abstraktion, sondern ein ontischer Begriff, der zum Geiste in engster Beziehung steht. Wir erfahren darüber Folgendes: „Obgleich die Natur leer ist, so enthält sie doch reale Prinzipien, und obwohl der Geist ein Wesen ist, so ist er doch leer und vermag deswegen unzählige Prinzipien in sich aufzunehmen."7) ,.Die Natur ist ursprünglich nichtseiend, aber besteht aus realen Prinzipien, der Geist scheint eine Form zu haben, aber seine Substanz ist leer."8) ,.Die Natur sind die Prinzipien, welche der Geist hat, und der Geist ist der Ort, wo diese Prinzipien zusammenkommen."9) ') Kap. 51 S. 19»:

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I. Tsohu Hsi und seine Schule: 1. Tschu Hsi

193

Die Natur sind die den Geist leitenden Prinzipien, sie ist leer und nichtseiend, das heißt transzendent: „Die Natur ist die Vernunft des Geistes. Die Gefühle sind die Erregungen des Geistes."1) Und weiter wird gesagt: „Die Natur ist die Vernunft. Im Geist nennt man es Natur, beim Handeln Vernunft."2) Nicht nur der Mensch, sondern auch alle Dinge haben ihre besondere Natur, die ihr Werden, ihr Sein und ihr Vergehen bestimmt: „Frage: Haben auch verdorrte und vertrocknete Dinge eine Natur ? — Tschu-tse antwortete: Jawohl, vom Zeitpunkt ihrer Entstehung an haben sie dieses Prinzip. Daher sagt man: „In der Welt gibt es nichts, das der Natur nich^ teilhaftig wäre." Darauf schritt er die Stufen hinauf und sagte: ,Die Ziegelsteine dieser Stufen haben das Prinzip der Ziegelsteine.' Dann setzte er sich auf einen Stuhl und sprach: ,Dieser Bambusstuhl hat das Prinzip der Bambusstühle. Man mag behaupten, daß verdorrte und vertrocknete Dinge keinen Lebenswillen besitzen, aber man darf nicht sagen, daß sie kein Lebensprinzip besäßen. Verfaultes Holz ist nutzlos, man kann es höchstens in einen Ofen werfen und verbrennen, denn es hat keinen Lebenswillen. Aber wenn man irgend eine Art Holz verbrennt, so hat es einen besonderen Geruch. Sein Prinzip hat es ursprünglich so gebildet."3) Für alle Dinge ist die Natur das Lebensprinzip,*) von dem ihr Dasein abhängt, für den Menschen außerdem noch das Geistes- und Moralprinzip. „Die Natur ist die wahre Vernunft: Wohlwollen, Gerechtigkeit, Sitte, Wissen sind alle darin enthalten."5) Die menschliche Natur ist immer gut, wie Meng-tse gelehrt hat, denn sie ist ja nichts anderes als die höchste Vernunft, über die nichts hinausgeht. Das Böse im menschlichen Wesen stammt von der Substanz. Bei der Geburt wirken die beiden Fluida Yin und Yang zusammen, und diese enthalten Gutes und Böses. Das ist die Lehre von der physischen Natur, Tch'i-tschi,6) welche von Tschang-tse und den beiden Tsch'eng entwickelt und von Tschu Hsi übernommen ist.7) Dagegen polemisiert er gegen die Ansicht des /w-Kreises, wonach man bei der Natur nicht zwischen gut und schlecht, wahr und falsch unterscheiden könne.8)

5. Tiere und Pflanzen. Was die Beseelung der Lebewesen außer dem Menschen anbetrifft, so läßt sich die Ansicht des Philosophen nicht mit voller Sicherheit bestimmen. Tiere und i) Kap. 43 S. 37b: & % & £ ^ ft ^ & £ ft. ») Kap. 42 S. Sa: £ 3 -A» & £-fln H ±>

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I. Tschu Hsi und seine Schule: 3. Huang Kan

207

von der Natur1) aus die Sache betrachtet, so sind alle Dinge dasselbe, wenn man dagegen vom Tao ausgeht, so ist jedes Ding von besonderer Art. Insofern alles nur eins ist, so braucht man nur seinen Geist zu bewahren, und das rationale Prinzip aller Dinge und aller Wesen ist vollständig darin enthalten, sofern aber jedes Ding seine Besonderheit hat, so muß man durch Erforschung des Vernunftprinzips zum Wissen gelangen, und das Prinzip aller Dinge und Verhältnisse wird dadurch vollkommen klar werden."2) Die Substanz, das Wesen des Weltprinzips oder Tao, wird als die eine Wurzel bezeichnet, denn es ist etwas Einheitliches, das sich stets gleich bleibt. Es wirkt als eine große Kraft und ist die allen Dingen gemeinsame Substanz, das Urprinzip. Davon gehen unendlich viele kleinere Kräfte aus, die sich als seine Funktionen darstellen und die Verschiedenheiten der Dinge bewirken. Jedes Ding hat sein eigenes Urprinzip, das ein Teil der einen großen Urkraft ist und insofern sind alle Dinge ein und dasselbe. Das rationale Weltprinzip ist vollständig in der vom Himmel stammenden menschlichen Natur enthalten. Auch hier wieder haben wir die Tendenz zum Monismus, denn vom Fluidum ist gar nicht die Rede. Sehr eingehend wird die Entstehung des Menschen durch Yin und Yang und die fünf Elemente und die Einwirkung des rationalen Prinzips und des Geistes beschrieben: Holz, heißt es, ist Yang und Metall Yin, ebenso ist Sehen Yang und Hören Yin. Augen, Ohren, Mund, Nase und Körper entsprechen den fünf Elementen und den vier Gestaltungen von Yin und Yang.3) Der Geist des Holzes ist Wohlwollen, der des Metalls Gerechtigkeit, der des Feuers Sitte und der des Wassers Wissen. Der Mensch wird bei der Geburt von Yin und Yang und den Elementen erfüllt, und seine Natur gelangt so in den Besitz der fünf Tugenden.4) Sie sind also nicht ein Ausfluß des Vernunftprinzips, wie Tschu Hsi lehrt, sondern der fünf Elemente, aber vielleicht sind sie doch das Prinzip, das ja in den Elementen steckt. Die Erschaffung des Menschen denkt sich Huang Kan so: „Bei der Erzeugung des Menschen ist nur der Samen und das Fluidum vorhanden. Der Samen bildet die Haare, Knochen, Fleisch und Blut, das Fluidum bringt das Ein- und Ausatmen, die Wärme und Kälte hervor. Aber der Mensch ist das geistigste aller Geschöpfe und nicht wie Holz und Stein, daher enthalten sowohl der Samen wie 1 ) Nicht die äußere, sondern die Menschennatur, in welchem Sinne das Wort meistens gebraucht wird. ") Sung-yuan hsüeh-an Kap. 63 S. lOa: Jf ± ffi ^ T —flft— ffl flff B. K fl'J —

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) Sung-schi Kap. 430 S. 14a. So richtig Takejiro III, 104, ungenau Giles, Biogr. Diet, und Zenker a. a. O. 1151—1216. Watanabe III, 84 läßt ihn von 1149—1217 leben und 65 Jahre alt werden.

212

B. Die Südliche Sung-Dynastie

setzte große Hoffnungen auf ihn und sagte öfter, er freue sich, daß seine Lehre im Süden den Tsch'en Schun als Vertreter haben würde. Noch während der letzten drei Monate vor seinem Tode machte er ihm wichtige Mitteilungen über die niedere Lehre, da er die höhere bereits erfaßt hatte. Tsch'en Schun betrachtete es als seine Mission, die Lehre des Tschu Hsi zu verbreiten und diejenige des Lu Hsiang-schan zu bekämpfen. Im Jahre 1216 lud ihn der Präfekt von Yen-ling1) ein, in der Schule der Präfektur Vorträge zu halten. Tsch'en bedauerte, daß die iw-Schule ganz im Geiste der Dhyäna-Tuehre über die Hauptfragen philosophierte, sich nur mit den höchsten Problemen beschäftigte und die exakte Forschung verschmähte. Daher gab er eine Darstellung des ganzen konfuzianischen Lehrgebäudes in Tschu Hsi's Sinne. Er war der erste, der den technischen Ausdruck Hsing-li^) womit man später die Philosophie der Sung-Zeit bezeichnete, in seinem philosophischen Wörterbuch, Hsing-li tse-i hsiang-tchiang,3) .Genaue Erklärung der Bedeutung der Begriffe im Hsing-li' gebrauchte. Was bedeutet nun dieser Ausdruck ? Wörtlich übersetzt bedeutet er ,Prinzipien der menschlichen Natur' oder ,Philosophie der menschlichen Natur' und im weiteren Sinne dann überhaupt: ,Philosophie',4) wie sie von den Konfuzianern der Sung-ftpoche gelehrt wurde. In dem Hauptwerke dieser Schule, dem Hsing-li ta-tch'üan und in Tschu Hsi's gesammelten Werken wird mit Hsing-li die Lehre von der menschlichen Natur und vom menschlichen Geiste und mit Li-tch'P) die Lehre vom Vernunftprinzip und von der Substanz, also die Metaphysik und was wir ,Naturphilosophie' nennen, die Lehre von der Welt, vom Kosmos, bezeichnet. Man hat nun Hsing-li vielfach als ,Naturphilosophie' übersetzt und unter Using nicht die menschliche Natur, sondern die Natur als Welt verstanden.6) Jetzt bedeutet Hsing-li ganz allgemein die Philosophie der konfuzianischen jSwwgr-Philosophen. Das philosophische Wörterbuch wurde erst nach Tsch'en Schun's Tode von seinem Schüler Wang Tchün7) herausgegeben. Darin werden die philosophischen Begriffe der „Vier Bücher" in 26 Abschnitten behandelt. Jedes einzelne Wort wird nach seiner ursprünglichen und abgeleiteten Bedeutung an der Hand von Beispielen und Zitaten erklärt.8)

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Sse-k'u tch'üan-schu Kap. 92: ^ M ^ — & schreibt, 4 ) So Bruce, Chu Hsi and his Masters, 1923 S. 3. 5 ) 3 M.· 6 ) Wenn De Harlez schreibt: L'ecole philosophique moderne de la Chine ou Systeme de ia nature, so muß man natürlich an das gleichnamige Buch von Holbach denken, worin er die Welt auf materialistischer Grundlage darstellt. Grübe's Übersetzung: „Vernunftordnung der Natur" (Chin. Philosophie in .Kultur der Gegenwart' S. 96) wird man auch als die Vernunftordnung der Welt verstehen. Ganz klar sagt Zenker II, S. 213, daß Hsing-li das Forschen nach dem letzten Prinzip der Nattir, des Universums bedeute und daß man es mit ,, Wellvernunft" übersetzen könne. Diesen Sinn haben die chinesischen Worte nicht.

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) Sse-k'u tch'üan-schu Kap. 92.

I. Tschu Hsi und seine Schule: 4. Tsch'en Schun

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Außer diesem Werke schrieb Tsch'en Schun noch Kommentare zum Lunyü, Meng-tse, Ta-hsio, Tschung-yung, und er erklärte das Schiking, Li-ki, Nü-hsio und andere Werke. Seine Aussprüche wurden von seinen Schülern gesammelt und unter dem Titel: Tchün-yung lai-kfou tchin-schan so wen veröffentlicht.1) Sein Sohn gab seine gesammelten Werke in 50 Büchern heraus.2)

Das Lehrsystem. 1. Urprinzip, V e r n u n f t und Fluidum. Tsch'en Schun sprach: „Das Urprinzip ist nur das Vernunftprinzip und dies ist seinem Wesen nach wie ein Kreislauf. Die Substanz des Urprinzips ist das Chaos. Wenn man es als Prinzip betrachtet, so ergibt sich, daß sein Ende wieder zum Anfang wird und der Anfang zum Ende. Bald dehnt es sich aus, bald zieht es sich zusammen, und das Urprinzip erschöpft alle Möglichkeiten. Von der Zeit vor der Urzeit bis zur Zeit nach der Urzeit gibt es keinen Anfang und kein Ende. Das ist die vollständige Substanz des Urprinzips des Chaos. Von dem Zeitpunkt der vollkommenen Stille und Formlosigkeit, woraus dann die Welt und alle Dinge hervorgehen, bis zu demjenigen, wo die so hervorgegangene Welt und ihre Dinge wieder zur Stille und zur Formlosigkeit zurückkehren, ist alles nur die wunderbare Betätigung des Urprinzips des Chaos. Auch der Geist des Heiligen ist die vollständige Substanz des Urprinzips des Chaos, und was den tausendfachen Wandlungen entspricht, ist nichts anderes als das Ausströmen des Urprinzips. Bei dem Vorgang des Studiums muß man tausende von Dingen und Verhältnissen durchdringen und daraus die große Grundlage des Chaos zusammenfügen. Dadurch, daß diese Grundlage sich zerteilt, entstehen die tausend Dinge und Verhältnisse. Wenn dabei nicht die geringsten Hemmungen eintreten, dann ist die wahre Substanz, nämlich das Urprinzip des Chaos in mir, und ihre große Entfaltung ist nichts anderes."3) Das Vernunftprinzip wird mit einem Kreise verglichen, da es bei seinen Wandlungen gleichsam in sich zurückkehrt. Es hat weder Anfang noch Ende, läßt die Welt aus dem Chaos hervorgehen und wieder in dasselbe zurückkehren. Das Urprinzip ist nicht materiell und hat daher keine Substanz, seine Substanz ist das Chaos und der Kosmos. Es dehnt sich nicht selbst aus und zieht sich nicht zusammen, wächst nicht und vergeht nicht, aber bei allen Wandlungen der 'JÄ&iln&ÜlWHI· ·) Takejiro III, 104. ·) Sury-schi Kap. 430 S. 12b: ft ^ ^ * S B, ± & R fi ä> 3 # H, & * S

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214

B. Die Südliche Sung-Dynastie

Dinge ist es die treibende Kraft. Im Geist des Heiligen soll das Vernunftprinzip vollständig enthalten sein. Auch darin ruft es, besonders wenn der Geist die Welt durchforscht, unzählige Veränderungen hervor, die in den Vorstellungen der tausend Dinge und Verhältnisse bestehen. Die Summe dieser Vorstellungen ist die Welt, und die einzelnen Gedanken sind die einzelnen Dinge. Durch diese Gleichsetzung des Urprinzips mit dem Geiste des Heiligen nähert sich Tsch'en Schun der Grundidee des von ihm bekämpften Lu Tchiu-yuan, aber er hat die weiteren Konsequenzen nicht daraus gezogen. Bevor die tausend Dinge erschaffen wurden, muß es ein leeres Fluidum gegeben haben: ,,Dies hatte sicher einen Beherrscher, das war das Vernunftprinzip. Es befand sich als Angelpunkt im Fluidum. Daher erfolgten die großen, sich immer weiter fortpflanzenden Wandlungen, und 'die Erzeugung des Lebens hörte nie auf/' 1 ) „Das Prinzip ist nicht außerhalb des Fluidums. Wenn man als zwei verschiedene Dinge davon spricht, dann entstand das Prinzip schon vor Yin und Yang und den fünf Elementen, und es befindet sich in diesen, es bildet also mit dem Fluidum zusammen zwei verschiedene Dinge."2) Der Dualismus des Tscliu Hsi tritt hier besonders scharf hervor. Weiter hören wir: „Man nimmt deswegen an, daß das Urprinzip das höchste Prinzip ist. weil es die höchste Vernunft, das höchste Gleichmaß, die höchste Korrektheit, die höchste Feinheit, die höchste Vorzüglichkeit, die höchste Geistigkeit und das höchste Mysterium darstellt. Es ist die Vollendung, dem sich nichts mehr hinzufügen läßt. Deshalb hat man gewaltsam den Namen des Urprinzips dafür eingeführt."3) Es ist transzendent, daher unerkennbar und unaussprechlich wie Tao, und der Name ist nur ein Notbehelf. Das Urprinzip, heißt es weiter, ist ein Pol wie die Spitze einer Pagode oder wie der Nordpol, um den sich der ganze Himmel mit den Sternen dreht. Durch dieses rationale Prinzip dreht sich der Himmel seit Urzeiten, die Erde liegt still und Menschen und Tiere sind dadurch in ununterbrochener Folge erzeugt worden. Es ist der Beherrscher der Welt mit allen seinen Geschöpfen. Alle Einzelprinzipe laufen wie die Speichen eines Rades in diesem allgemeinsten Prinzip zusammen. Erst wenn es sich zerstreut, entstehen Himmel und Erde, die Menschen und alle Dinge. Sie alle sind in vollkommenem Gleichgewicht und haben an keiner Stelle ein Zuviel oder Zuwenig.4) „Schon ehe es Himmel und Erde und alle Dinge gab, war dieses rationale Prinzip vorhanden, aber es schwebte nicht im leeren Raum irgendwo. Sobald ') Hsing-li ta-tch'üan Kap. 26 S. 41>:,#;£±!£;£;£

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I. Tschu Hsi und seine Schule: 4. Tsch'en Schun

215

das Prinzip der Welt und der Dinge da war, gab es auch das dazugehörige Fluidum, und sobald dieses Fluidum vorhanden war, befand sich das Vernunftprinzip vollständig inmitten von Himmel und Erde und den Dingen."1) Obgleich Tsch'en Schun das Vernunftprinzip als unerforschbar ansieht, setzt er es doch in echt konfuzianischer Weise dem Wohlwollen gleich: „Wohlwollen", sagt er, „ist nichts anderes als-das himmlische Prinzip und die vollständige lebenschaffende Substanz.... Nur wenn der Geist die Allgemeinheit des himmlischen Prinzips zum Ausdruck bringt und nicht die geringste menschliche Begierde aufweist, hat er Anspruch auf diesen Namen. Wenn er aber auch nur einen Fehler hat oder einen Mangel, oder wenn ein Gedanke zu kurz kommt, dann herrscht die Selbstsucht, und das Lebensprinzip hört auf. Dann ist es verderbt und kein Wohlwollen mehr."2) Danach dürfte der menschliche Geist kaum je der himmlischen Vernunft adäquat sein, denn Menschen ohne jeden selbstsüchtigen Gedanken gibt es nicht, selbst nicht unter den Heiligen. 2. Tao.

Den Begriff Tao gebraucht der Philosoph als ziemlich gleichbedeutend mit Li. Vernunftprinzip, in der Regel versteht er allerdings darunter das Moralprinzip. Als kosmisches Prinzip, gleich dem Urprinzip oder der Weltvernunft erscheint es in dem Ausspruch: „Tao fließt zwischen Himmel und Erde und ist überall gegenwärtig, kein Ding ist ohne Tao, und an keinem Ort fehlt es."3) Auch lesen wir: „Tao ist nicht außerhalb der Dinge und nicht etwas Leeres. In Wirklichkeit trennt sich Tao von den Dingen nicht. Wenn es das tut, so ist es nicht, was man Tao nennt."1) Das ist das Tao der Taoisten. Aber meistens bedeutet doch Tao das Ideal der Sittlichkeit, wie es die Konfuzianer auffassen, so in den Worten: ,, ist das vernünftige Prinzip in den menschlichen Handlungen",5) oder: „Zwischen Fürst und Untertan zum Beispiel besteht Gerechtigkeit. Diese Gerechtigkeit ist Tao, Fürst und Untertan sind das Gefäß. Will man das Prinzip der Gerechtigkeit erkennen, so muß man es an Fürst und Untertan beobachten, keineswegs kann es von Fürst und Untertan losgelöst und als Gerechtigkeit getrennt von ihnen existieren."6) Also soll auch Tao als Moralprinzip

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216

B. Die Südliche Sung-Dynastie

kein abstrakter Begriff sein, sondern es wird als die geistige Wechselwirkung oder der geistige Strom aufgefaßt, welcher zwischen zwei Menschen hinundher fließt. Tsch'en Schun polemisiert gegen die Annahme, daß Tao mit Yin und Yang identisch sei: Im Yiking heißt es, was bald Yin, bald Yang sei, nenne man Tao. Dazu wird bemerkt, Yin und Yang sind ein Fluidum und materiell, Tao dagegen ist das Prinzip von Yin und Yang und immateriell". Auf diese erste Ursache aller Wandlungen will K'ung-tse hinweisen.1) Meist sprechen die Weisen nur von Tao als dem moralischen Prinzip. Die Konfuzianer, welche heimlich zur DhyänaLehre neigen, behaupten, daß Yin und Yang Tao sei. Das würde bedeuten, daß ein Fluidum ein Prinzip sei, was natürlich nicht möglich ist, da etwas Immaterielles nicht materiell sein kann.2) Die Tugend = Te gilt als ein Ausfluß von Tao. Tao ist nach Tsch'en das natürliche Prinzip zwischen Himmel und Erde, Tugend die Ausübung desselben durch die Menschen und seine Aufnahme in das Herz. Tao und Te sind nicht als zwei Dinge voneinander zu trennen, Tao ist universell, Tugend, was ich speziell in meinem Herzen fühle. Die leuchtende Tugend, von der die ,Große Lehre' spricht, ist die Tugend, welche der Mensch bei der Geburt aus dem hellstrahlenden Vernunftprinzip des Himmels erlangt. Dazu gehört die Liebe zu den Eltern, der Respekt vor dem älteren Bruder und die ändern Einzeltugenden. Da man diese Tugend vom Himmel erhält, so nennt man sie auch die himmlische Tugend. Es ist das himmlische Tao, das himmlische Prinzip, welches ausströmt und den Wesen verliehen wird. Ursprünglich ist es rein und echt und durch nichts Menschliches verdorben.3) Tsch'en Schun weist darauf hin, daß der Himmel von vielen alten Weisen als das rationale Prinzip aufgefaßt sei. Auch der materielle Himmel besitze ja eigentlich keinen Körper, sondern sei nur aufgehäufte Luft.4) 3. Menschennatur und Schicksal. Menschen und Lebewesen sind erfüllt von Yin und Yang und den fünf Elementen, aber diese sind nicht gleichmäßig verteilt, die Klarheit ist verschieden und auch das Quantum, daher stammen die Unterschiede. Die Menschen haben das Fluidum in vollkommener Weise erhalten, die ändern Geschöpfe nur unvollkommen, bei den Menschen strömt es frei, bei den Geschöpfen hat es viele Hemmungen.8) Aber die Menschen bestehen nicht nur aus dem Fluidum oder der Materie, sondern sie haben von Geburt auch das himmlische Vernunftprinzip in sich, und dieses bildet ihren besonderen Charakter oder ihre Natur: „Die Natur ist das Vernunftprinzip, weswegen nennt man es dann nicht Prinzip, sondern Natur ? l

) Dem K'ung-tse wird der betreffende yiKr^r-Kommentar zu Unrecht zugeschrieben. ") Hsing-li ta-tch'üan Kap. 34 S. 16a. 3) Loc. cit. S. 33 b. fg. «) S. 15a. 6

) Hsing-li ta-tch'üan Kap. 29 S. 28 a.

I. Tschu Hsi und seine Schule: 4. Tsch'en Schun

217

Vernunftprinzip ist der allgemeine Name für das allen Menschen und Geschöpfen zwischen Himmel und Erde gemeinsame Prinzip, dagegen ist die Natur das Prinzip in mir. Nur dieses Prinzip habe ich vom Himmel erhalten und betrachte es als mir zugehörig, deshalb nennt man es Natur. Das Zeichen „Natur"1) ist aus „Leben" und „Herz" zusammengesetzt, das bedeutet, daß der Mensch von Geburt an dieses Prinzip im Herzen hegt, daher der Name Natur. Sie besteht aus den vier Unterabteilungen: Wohlwollen, Gerechtigkeit, Sitte und Wissen."2) Das Vernunftprinzip, die Weltvernunft, sofern sie meine eigene Vernunft bildet, Natur genannt, ist gleichbedeutend mit der himmlischen Tugend, welche alle konfuzianischen Tugenden als Teile enthält. An das Fluidum und das Vernunftprinzip, woraus der Mensch besteht, ist auch sein Schicksal geknüpft. Das Schicksal des Himmels ist das ausströmende Tao des Himmels, welches den Geschöpfen verliehen wird. Sein Träger ist das Fluidum, welches von dem rationalen Prinzip (Tao) beherrscht und gelenkt wird, denn beide sind immer vereint. Glück und Unglück, Reichtum und Armut, Vornehmheit und Geringheit, kurzes und langes Leben werden von dem größeren oder geringeren Quantum des Fluidums bestimmt. Moralische Eigenschaften, WTeisheit und Torheit hängen von der größeren und geringeren Reinheit des Fluidums ab. „Das Schicksal ist wie ein Befehl. Der Himmel spricht nicht, wie bringt er da seinen Willen zum Ausdruck ? Nur durch die großen Wandlungen und das Ausströmen des Fluidums. Wenn das Fluidum zu diesem Wesen gelangt, dann erzeugt es dieses Wesen, und wenn es zu jenem gelangt, jenes. Das ist gerade so, als ob ihm ein Befehl übermittelt würde."3) Die etwas seltsam klingenden Schlußworte sollen wohl nun besagen, daß das Fluidum je nach den Umständen, bald das eine, bald das andere Wesen hervorbringt, entsprechend dem ihm vom Himmel, das heißt Tao oder das Vernunftprinzip, übermittelten Befehle, dessen Auswirkung das Schicksal ist. 4. Geist und Dämon, Seele und Lebensgeist. Das die Welt bildende und sie ganz erfüllende Fluidum ist in beständiger Bewegung, bald dehnt es sich aus, bald zieht es sich zusammen. Diese Bewegungen werden von geistigen Kräften hervorgerufen, die ausdehnenden Kräfte nennt man Geist, die zusammenziehenden Dämon.

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I. Tschu Hsi und seine Schule: 4. Tsch'en Schiin

219

Die Natur des Yang ist hart, sagt er, die des Yin weich, die Natur des Feuers ist heiß, des Wassers feucht, des Metalls kalt, des Holzes warm, der Erde langsam nnd schwer. Aus der Mischung dieser sieben Substanzen entstehen die verschiedensten Naturen. Wenn Menschen sehr hart und grob sind, so kommt das vom Yang-Fluidma, Weichheit und Sanftmut kommen vom Yin. Gewalttätigkeit. Zorn, Grausamkeit deuten auf Verdorbenheit des Fang-Fluidum s, Hinterlist Verschlagenheit, Tücke auf einen Mangel im Fm-Fluidum. Im Yang sowohl als auch im Yin können gute und schlechte Eigenschaften enthalten sein.1) ,,Yang, heißt es, ist die Seele und Yin der Lebensgeist. Die Seele ist der Geist des Yang und das feinste Fluidum, der Lebensgeist ist der Geist des Yin und der edelste Teil des Körpers."2) Der menschliche Geist ist also nicht ganz immateriell, aber auch nicht ganz materiell, sondern ein Gemisch von Geistigem und Körperlichem. T seh1 in Schun beruft sich auf das Li-ki: „Im Li-yün wird gesagt: der Mensch besteht aus der Vermischung von Yin und Yang und der Vereinigung von Geist und Dämon.3) Das ist eine außerordentlich scharfe Formulierung und sicherlich ein von den Heiligen und Weisen hinterlassener Ausspruch, den die Gelehrten der Han-Zeit nicht hätten tun können. Der Mensch kommt zum Leben, nachdem er die beiden Fluida Yin und Yang erlangt hat, und sein Körper ist nichts anderes als Yin und Yang. Das Fluidum ist Yang und das Blut Yin, die Pulse sind Yang und der Körper ist Yin. Der Kopf ist Yang und die Füße sind Yin, der Oberkörper ist Yang und der Unterkörper Yin. Das Reden und Schweigen des Mundes, das Wachen und Schlafen des Auges, das Ein- und Ausatmen der Nase, das Zusammenziehen und Ausstrecken von Händen und Füßen ist nichts anderes als Yin und Yang. Diese Unterscheidung gilt aber nicht nur für die Menschen, sondern für alle lebenden Wesen."4) Die Bestimmung von Yin und Yang im Körper ist rein formalistisch nach dem Prinzip, daß alles Bewegte, Ausgedehnte, Obere Yang, alles Unbewegte, Zusammengezogene, Untere Yin sei. Die Wirklichkeit wird dabei gar nicht berücksichtigt. Wenn der Körper Yin ist, kann nicht der Kopf und der Oberkörper Yang sein. Nach der Theorie werden als Yin und Yang nicht nur die beiden Ursubstanzen, sondern auch alle Arten entgegengesetzter Begriffe und polarer Gegensätze bezeichnet, denen nichts Reales zu entsprechen braucht. *) Hsing-li ta-tch'üan Kap. 31 S. 5a. ·} Kap.28S.22a: » Ä * ß Ä «. ä* * ± M * ± *, * * K ± K M ft± f n · 3 ) Legge, Li-ki I, 380. '} Kap. 28 S. 21b: ft j£ t» A * ft » £ £, A » ± *, K «· '# Ifl ^ ft A

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B. Die Südliche Sung-Dynastie

6. Geist und Körper. Über das Verhältnis von Geist und Körper hat Tsch'en Schun sehr gründlich nachgedacht und stellt darüber sehr beachtenswerte Betrachtungen an. Er sagt: „Der Geist ist der Herrscher des Leibes. Wenn der Mensch seine Glieder bewegt, die Hände greifen, die Füße gehen, wenn ihn hungert und er an Essen denkt, wenn ihn dürstet und er an Trinken denkt, wenn er im Sommer an Grasleinen und im Winter an Pelze denkt, dann hat hierbei immer der Geist die Führung. Ist nun aber der Geist eines Menschen krank, dann wird er von schlechten Strömungen erfüllt, und es ist kein Herrscher mehr im Innern. Daher mißachtet er beim täglichen Essen, Trinken und bei den Bewegungen die festen Regeln und unterscheidet sich dadurch von den Normalmenschen. Vernunft und Recht sind verloren, und nur noch das leere Fluidum bewegt sich hin und her in den Pulsen und beim Atmen ohne Aufhören. Man kann wohl annehmen, daß die Menschen das rationale Prinzip von Himmel und Erde erhalten, woraus ihre Natur wird, und das Fluidum von Himmel und Erde, das ihren Körper bildet. Wenn das Prinzip und das Fluidum zusammenwirken, entsteht der Geist, welcher etwas Immaterielles, Lebendiges und Bewußtes und der Ort ist, von wo aus der Körper gelenkt wird. Dieses Immaterielle, Lebendige und Bewußte kann nun vom. Vernunftprinzip ausgehen, oder vom Fluidum, beides ist verschieden."1) Der Geist entsteht also aus dem Vernunftprinzip und dem Fluidum. T schien Schun nennt ihn leer = immateriell, obwohl sein einer Erzeuger, das Fluidum materiell ist. Von beiden, dem Prinzip sowohl als auch dem Fluidum wird er bewegt und empfängt seine Impulse. Solange er normal ist, hält er sich an die sittlichen Gebote und die Regeln des Lebens. Im kranken Zustand dagegen ist er für die Einwirkungen der Vernunft nicht mehr empfänglich und folgt nur noch den Impulsen des Fluidums, der Materie. Der Geist verliert also gleichsam die Führung des Körpers und wird von diesem beherrscht. Der Philosoph sieht den Geist als ein Etwas an, das die Vernunftprinzipien umschließt, also von ihnen erfüllt ist. Seine Worte lauten: „Der Geist ist wie ein Gefäß, die darin aufbewahrten Dinge sind die Natur. Wenn Schao K'angtchieh sagt, daß der Geist das Weichbild der Natur sei, so ist das vielleicht etwas plump ausgedrückt, aber der Sinn ist vollkommen richtig. Die Vor- und Außenstadt ist der Geist, das große Menschengewimmel darin gleicht den im Geist vorhandenen Prinzipien, und diese Prinzipien sind die Natur. Die Prinzipien ') Kap. 32 S. 20b: fc % - £ ^ ± $ fa A 2. E9 JÜL M », ¥ ft &

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I. Tsehu Hsi und seine Schule: 4. Tseh'en Schun

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bilden die eigentliche Substanz des Geistes. Das im Geist enthaltene Vernunftprinzip tut zahlreiche wunderbare Äußerungen. Sofern das Bewußtsein vom Vernunftprinzip ausgeht, ist es der Geist des Wohlwollens, der Gerechtigkeit, der Sitte und des Wissens, der moralische Geist. Wenn es dagegen von dem Fluidum im Körper ausgeht, so ist es der menschliche Geist, welcher leicht mit dem Vernunftprinzip in Konflikt gerät. Der Mensch besitzt aber nur einen Geist, nicht zwei Bewußtseine. Aber die Art des Bewußtseins ist verschieden."1) Der moralische Geist, eine Äußerung des himmlischen Vernunftprinzips im menschlichen Herzen steht oft im Gegensatz zu dem rein menschlichen Geist, den Empfindungen, Gefühlen und Leidenschaften, welche auf das Fluiduin zurückgehen.2) Tsch'en Schun überträgt nun auch auf den Geist die bekannten Kategorien, Substanz und Funktion oder Betätigung und kommt zu folgendem Ergebnis: „Der Geist besitzt Substanz und Betätigung. Alle in ihm vorhandenen Prinzipien sind die Substanz, die Reaktion auf den Einfluß der Geschehnisse ist die Betätigung. Die Ruhe und Nichtbewegtheit ist die Substanz, die Erregtheit und das darauf folgende Vordringen ist die Betätigung. Die Substanz, nämlich die sogenannte Natur, bedeutet den Geist im Zustande der Ruhe, die Betätigung, nämlich die sogenannten Empfindungen, sind der Geist in Bewegung.''3) Der Geist, heißt es weiter, ist etwas Lebendiges, nichts Totes, und er haftet nicht an der Ruhe. Seine Bewegungen vollführt er mit Hilfe des Fluidums. Sein Leben hängt ganz vom Fluidum ab, seine geistige Regsamkeit vom Vernunftprinzip und vom Fluidum zusammen. Bald ist er hier, bald dort. Das bedeutet aber nicht, daß seine Substanz den Körper verläßt, sondern nur die Gedanken wandern.4) Etwas mystisch klingt, was der Philosoph über den Sitz des Geistes, das Herz, sagt: „Obgleich das Herz nur einen Kubikzoll mißt, so gehen doch die tausend Wandlungen daraus hervor und es ist ihr Ursprungsort. Daher erklärt Tse Sse das Gleichgewicht vor dem Hervortreten für die große Wurzel der Welt und die Harmonie nach dem Hervortreten für das die ganze Welt durchdringende Prinzip."5) Soll das heißen, daß die ganze Welt aus unserem Herzen hervorwächst ? Dann hätten wir ja den reinen Idealismus des Lu Tchiu-yuan. 1) Kap. 32 S. 27a: & R {

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B. Die Südliche Sung-Dynastie

seiner Beziehung zu den Dingen darf der Geist nicht gemäß der Dhyäna-Doktrin verfahren. Außer der Wachsamkeit ist umfassendes Studium, Forschung, gründliches Nachdenken und scharfes Unterscheiden nötig.1) Der Geist ist von Natur rein, erleuchtet, leer und still.2) Wie die Weltvernunft alle Lebewesen und auch den Menschen erschafft und ihm den moralischen Sinn übermittelt, beschreibt unser Philosoph in anschaulicher Weise: „Jedes noch so kleine Lebewesen in der Welt hat einHerz," sagt er. „Alles Leben geht von diesem aus. In dem Augenblick der Erschaffung erhält es den lebenspendenden Geist von Himmel und Erde, woraus sein Herz entsteht. Daher kann sein Herz Leben hervorbringen. Wenn das Herz vorhanden ist, so kommt der „Lebenswille" aus ihm hervor und es entsteht in ununterbrochener Entwicklung ein Lebewesen. Es ist wie die sogenannte „winzige Wasserrose" im Kern der Lotosblume, die genau so aussieht wie eine Wasserrose mit einer Wurzel. Mit anderen Pflanzen ist es ebenso. Deshalb vergleicht es H sieh Liang-tso in seinen Ausführungen über das Wohlwollen mit dem Kern eines Pfirsichs oder einer Aprikose und sagt, in diesen stecke der Lebenswille, sobald man ihn einpflanze, beginne er zu wachsen.3) Der Mensch kommt zum Leben, indem er das Gleichgewicht (von Himmel und Erde) erhält. Das himmlische Prinzip ist vollständig darin enthalten, daher wird sein Herz daraus. Dadurch ist er das vorzüglichste aller Wesen. Wenn nun der Lebenswille, den es hegt, in die Erscheinung getreten ist, dann zeigt der Mensch innige Zuneigung zu seinen Eltern, die ihm nahe, Wohlwollen zu ändern Menschen, die etwas ferner, und Liebe zu allen Geschöpfen, die ihm noch ferner stehen. Auf alle erstreckt sich seine Zuneigung, bis daß sie sich über die vier Meere ausbreitet. Auch die Dienste, welche der Mensch hundert Generationen leistet, können davon abgeleitet werden. Das ist die Größe der wohlwollenden Gesinnung, die in ihrem Maß hinter der gleichen Gesinnung von Himmel und Erde nicht zurücksteht."4) Der lebenspendende Weltgeist geht bei der Erschaffung vollständig in das Geschöpf ein und bildet zuerst das Herz. Dieses ist vom Lebenswillen erfüllt, der den lebenden Körper schafft. Im Keim ist schon das zukünftige Wesen vorgebildet gerade so, wie man im Kern der Lotosblume schon ein kleines Abbild ') 2 ) 8) «)

Man vergleiche dazu Tsch'eng I, S. 101. Sung-yuan hsüeh-an Kap. 81 S. 3 a. Cfr. S. 113 Sung-yuan hsüeh-an Kap. 81 S. 6a: /L ;

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I. Tschu Hsi und seine Schule: 6. Tsch'en Schi

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der späteren Blume sehen soll. Da Wohlwollen (Liebe) das Wesen des Weltgeistes ausmacht, so erhält es auch der Mensch bei seiner Geburt. Das erklärt die Zuneigung, welche der Mensch von Natur nicht nur zu seinen Eltern und Verwandten, sondern auch zu seinen Artgenossen und zu ändern Geschöpfen empfindet.

6. Tsch'en Schi 12. bis 13. Jahrhundert. 1 Tsch'en Schi ) (T. Tch'i-tschi H. Tch'ien-schiz) stammt aus Yung-tchia?) in Tschekiang. Seine Lebenszeit ist nicht genau bekannt. In seiner Jugend war er ein Schüler des Yeh Schi*) (115O—1223) und später des Tschu Hsi, dessen Lehre und die der beiden Tsch'eng er vertrat. Da er in der Tchia-ting5)-Periode, 1208 bis 1225, die Doktorprüfung bestand, so scheint der größte Teil seines Lebens in das dreizehnte Jahrhundert zu fallen. Seine Geburt läßt sich kaum später als 1180 ansetzen, da er noch bei Tschu Hsi hörte, der 1200 starb. Tsch'en machte das Doktorexamen (tchin-schi) mit seinem älteren und seinem jüngeren Bruder zusammen. Daher nannte man im Volk seinen Wohnort den Ort mit den vielen Zimmtbäumen, Sen-kuei fang,6) denn der Ausdruck, einen Zimmtzweig abpflücken, tche-kuei,7) bedeutet soviel wie das Staatsexamen bestehen. Mit seinen Schülern, deren Zahl auf mehrere hundert angegeben wird, hatte Tsch'en Schi oft ein Kolloquium. Er sagte: ,Wer gut zu fragen versteht, ist wie jemand, der hartes Holz bearbeitet, und wer sich gut fragen läßt, wie eine angeschlagene Glocke.'8) Daher nannte er die Sammlung der Gespräche mit seinen Schülern die Sammlung von Holz und Glocke, Mu-tschung tchi.9) Außer diesem Werke schrieb er noch das Yü-kung pien,10) eine Untersuchung über das Yü-kung, und das Hung-fan tchieh11) über das Hung-fan und anderes.12) T seh? in Schi liebte es, Streitfragen aus den klassischen Schriften und aus den Werken der /Swwjr-Philosophen zu erörtern. Die menschliche Natur ist nach seiner Ansicht die vollständige Substanz des Urprinzips. Diese Substanz lasse sich eigentlich nicht benennen oder beschreiben, aber sie fasse tausende von Prinzipien in sich. Die wichtigsten davon seien vier: Wohlwollen, Gerechtigkeit, Sitte, Wissen. Die Substanz des Urprinzips, welche mit der Natur identisch, habe weder Ton noch Geruch, von denen man sprechen, noch Körper oder Gestalt, die man sehen könnte, wie wisse man denn, daß so viele Eigenschaften darin enthalten seien ? Durch ihre Äußerungen, ebenso wie man aus den Blättern und Zweigen auf Stamm und Wurzel schließen könne. Aus dem Mitleiden und

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^er Schriftsteller-Name stammt von einein Hügel am Yiin-t'ai g Berge, auf dem er eich ein Häuschen gebaut hatte. 4 ) &»· 5 ) Nicht Fukien, wie Qiles im Biogr. Diet, schreibt. ·) Biographie im Sung-schi Kap. 438 S. 9b und im Li-hsüeh tsung-techuan Kap. 7 S. 1. ') Sung-achi loc. cit. e ) Li-haüeh tsung-techuanloc. cit. S. Ib—2a.

II. Lu Tchiu-yuan und seine Schule: 1. Lu Tchiu-yuan

233

Im Jahre 1190 wurde Lu zum Richter in Tching-men1) (Hupei) ernannt. Seine Erfolge als Beamter werden ähnlich wie die des Konfuzius gerühmt. Er gab viele weise Entscheidungen, da er den Charakter der Ortseingesessenen und Beamten genau kannte und in vielen Fällen intuitiv die Wahrheit fand. Raub und Diebstahl hörten fast ganz auf. Wenn die Leute unrecht hatten, versuchte er sie zur Zurücknahme ihrer Klage zu veranlassen, was sie häufig taten, indem sie die Klageschrift zerrissen. Auch die Unterbeamten scheuten sich, gegen die Gesetze zu verstoßen. Lu Tchiu-yuan ließ auch die Stadtmauer neu bauen, was viel weniger kostete, als veranschlagt war. Bei einer Dürre betete er um Regen, der sofort fiel. Nach einjähriger Verwaltung war das Volk so gebessert, daß Prozesse fast ganz aufhörten.2) Aber sehr bald darauf starb Lu3) im Winter an einer Lungenentzündung.4) Kurz vorher hatte er mit seinen Beamten noch um Schnee gebetet, natürlich mit Erfolg. Er sah seinen Tod voraus, nahm ein Bad, zog ein frisches Gewand an und starb im Sitzen, nachdem er sich noch mit den Beamten über Amtsgeschäfte unterhalten hatte. Die Schüler strömten zu seinen Vorlesungen, so daß der ganze Raum vor der Tür mit Schuhen ausgefüllt war. Beim Unterricht hielt er sich nicht an feste Lehrmethoden und behandelte seine Schüler nach ihrer Eigenart. Geringe Fehler beseitigte er durch Einwirkung auf das Gemüt. Was die Schüler im Herzen fühlten, aber sich nicht klar machen konnten, erklärte er ihnen. Ihre geheimsten Gedanken und verborgensten Fehler erriet er und machte durch die Mitteilung tiefen Eindruck. Wenn seine Anhänger auch weniger zahlreich waren als die des Tschu Hsi, so fand er doch viel Bewunderer. Über tausend Personen nahmen an seinem Begräbnis teil. Es wurde ihm der posthume Ehrentitel Wenanb) verliehen. Da Lu Tchiu-yuan vor Tschu Hsi starb, so griffen die Schüler des letzteren die Schwächen des Lu Tschiu-yuan an, verkannten seine Vorzüge und betrachteten seine Lehre als Ketzerei.6) Die hinterlassenen Schriften des Philosophen sind als Hsiang-schan tch'tian tchi') in 36 Büchern herausgegeben.

II. Lehre. Der Hauptinhalt der Briefe und Gespräche des Philosophen ist der Exegese der klassischen Schriften und der praktischen konfuzianischen Moral gewidmet und hat für uns wenig Interesse. Für die konfuzianischen Gelehrten ist es natür-

')) Sung-schi »m. loc. cit., Li-hsüeh tsung-techuan Kap. 7 S. 2a und 3b.

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3 ) Der Tod erfolgte im Jahre 1191, und da er nach dem Li-hsüeh tsung-tschuan S. 4a 53 Jahre alt wurde, muß er 1138 geboren sein. Mayers und Giles datieren sein Leben 1140 bis 1192, Hsieh Wu -Hang und Takejiro 1139—1191, obwohl sie ihm 54 Jahre geben, Watanabe 1139—1192. 4 ) Watanabe III, 91. *) ^r ig. ·) Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 7 S. 6a. ') jjj \^ £· ig.

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B. Die Südliche Sung-Dynastie

lieh die Hauptsache. Lu Hsiang-scharis eigene Philosophie tritt dahinter sehr zurück. Sie ist bei weitem nicht so entwickelt und durchdacht wie die seines Rivalen Tschu Hsi, was durchaus ihrem Wesen entspricht, denn ihr Schöpfer war allem Intellektualismus abhold. 1. R a u m und Zeit. Das Kernstück von Lu's Metaphysik ist seine von Tschu Hsi gänzlich abweichende Auffassung der Welt oder Raum und Zeit. Wir erfahren darüber: „Die vier Himmelsrichtungen, oben und unten heißen der Raum, die Ausdehnung vom Altertum bis zur Neuzeit heißt die Zeit. Raum und Zeit1) sind mein Geist und mein Geist ist Raum und Zeit. Wenn vor tausend und zehntausend Generationen ein Heiliger auftrat, so hatte er denselben Geist und dasselbe Vernunftprinzip wie ich, und wenn einer nach tausend und zehntausend Generationen erscheinen wird, so wird er auch denselben Geist und dasselbe Vernunftprinzip haben. Sollte im nördlichen, südlichen, östlichen oder westlichen Meere ein Heiliger entstehen, so wäre es derselbe Geist und dasselbe Vernunftprinzip."2) Raum und Zeit sind mein Geist, das bedeutet, Raum und Zeit existieren nicht an und für sich, sondern sind Erzeugnisse meines Geistes, meine Vorstellungen oder Anschauungen, wie Kant sagt. Dieser Satz wird aber nicht bewiesen, wie es von Kant geschieht, sondern auf eine weitere Hypothese vom Wesen des Geistes gestützt. Es gibt in der Welt nur einen Geist und ein Vernunftprinzip. Mein Geist ist derselbe Geist, welchen schon vor mir die Weisen des Altertums besessen haben und welchen die Weisen der Zukunft haben werden. Von diesem Geist hängt die Welt ab, sie ist nichts Materielles, sondern seine geistige Schöpfung. Lu Tchiu-yuan soll diesen Gedanken schon im Alter von 13 Jahren geäußert haben,3) als er in einem alten Buche die übliche Definition von Raum und Zeit las, welche ihm nicht gefiel. Alles was in der Welt geschieht, geschieht nach Lu Tchiu-yuan in Wirklichkeit nicht in dieser, sondern in meinem Geiste, der ja nichts anderes als der Weltgeist oder die Weltvernunft ist: „Die inneren Vorgänge in Raum und Zeit sind die inneren Vorgänge des Selbst, und die inneren Vorgänge des Selbst sind die inneren Vorgänge in Raum und Zeit."4) Die Umkehrung des Satzes ist nur eine rhetorische Form, um dem Gedanken mehr Nachdruck zu verleihen. Daß die inneren geistigen Vorgänge solche in Raum und Zeit seien, bedeutet keineswegs, daß sie materiell wären, da das Ansichsein der Welt ja geleugnet wird. ') ^ bedeutet den unendlichen Raum und die unendliche Zeit und dann auch das Universum, die Welt. 2) Hsiang-schan tch'üan-tchi Kap. 22 S. 8b: 0 ^ h T S ^ t f e ^ j ^ ^ S t f j » ^

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) Watanabe III, 90. Die chinesische Quellenstelle habe ich nicht gefunden. ·) A. a. O. Kap. 22 S. dz: ft ft 3$. £ £ » ft ^, Z fr ft 3*· £ ¥

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II. Lu Tchiu-yuan und seine Schule: 1. Lu Tchiu-yuan

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Unser Philosoph versucht nun, seine Theorie durch klassische Zitate zu stützen, indem er sagt: „Wenn Meng-tse von der Erkenntnis des Himmels spricht, so meint er sicherlich, daß, wenn man seine eigene Natur kennt, man auch den Himmel kennt, und wo er von der Verehrung des Himmels spricht, will er damit sagen, dadurch, daß man seine Natur pflegt, dient man dem Himmel.1) Das Tschung-yung lehrt, daß man die Wandlungen und Schöpfungen des Himmels und der Erde unterstützen kann. Das soll sicher heißen, daß man seine Natur vollkommen ausschöpfen2) kann."3) „Der menschliche Körper ist verglichen mit Himmel und Erde sehr winzig, aber die Behauptungen des Meng-tse und des Tschung-yung sind sicherlich nicht nur großsprecherische Reden, um die Menschheit zu betören. In Wirklichkeit nehmen sie an, daß es außerhalb unserer Natur nicht noch irgend ein anderes Prinzip gäbe, und daß, wer imstande ist, seine Natur zu erschöpfen, auch wenn er von Himmel und Erde verschieden sein wollte, es gar nicht könnte."4) Lu Tchiu-yuan versteht die beiden Stellen so, als wenn sie besagten, daß die menschliche Natur oder der menschliche Geist mit Himmel und Erde identisch sei. Die Worte des Meng-tse faßt er so auf, als ob er sagte, aus der eigenen Natur erkenne man den Himmel, weil beides dasselbe sei, und aus demselben Grunde verehre man den Himmel durch die Pflege der eigenen Persönlichkeit. Das meint Meng-tse jedenfalls nicht, er will nur sagen, daß man durch Erkennen des eigenen Geistes auch den Geist des Himmels erkenne, da beide sich ähnlich sind. Man dient dem Himmel durch Pflege der eigenen Persönlichkeit, da das dem Wunsche des Himmels entspricht. Aus dem Mitwirken am Werke von Himmel und Erde nach dem Tschung-yung läßt sich ebensowenig die Identität des Menschen mit dem Himmel ableiten. Lu Hsiancj-schan ist der Ansicht, daß die Menschen, selbst wenn sie es wünschten, sich der Vereinigung mit Baum und Zeit nicht entziehen könnten: „Raum und Zeit haben sich noch nie von den Menschen getrennt. Diese trennen sich selbst von Raum und Zeit."5) In Wirklichkeit gelingt ihnen eine Trennung nicht, auch wenn sie erklären, daß die Außenwelt von ihnen verschieden sei. Die Außenwelt hat noch niemals selbständige Existenz und Unabhängigkeit von den Menschen, deren Geist sie erst erschafft, beansprucht. Das ganze Universum mit seiner unendlichen Zahl von Einzeldingen findet Platz in dem kleinen Menschenherzen, dem Sitz des Geistes, aus dem sie als geistige, nicht als körperliche Dinge hervorgehen: „Der Meister sagte: ,Die 2 ') Mencius VII A, l (Legge S. 448—449). ) Voll entfalten. ) Tschung-yung Kap. 22 (Leggi1 S. 415). «) Hsiang-schan tcVüan-tchi Kap. 30 S. 3b: ^ ^- ^ £p ^ £, 0, £g 3£ 3

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B. Die Südliche Sung-Dynastie

tausend Dinge sind dicht zusammengedrängt in einem Kubikzoll und füllen das Herz aus, aber wenn sie hervorkommen, dann erfüllen sie den ganzen Raum und die Zeit. Das ist immer das Vernunftprinzip'."1) In Wirklichkeit kommen sie gar nicht hervor, sondern es erscheint uns nur so, als wenn sie leibhaftig da wären und den ganzen Weltraum ausfüllten und in der Zeit ihre Weiterentwicklung durchmachten. 2. Vernunftprinzip und Geist. „Dasjenige, wodurch der Himmel mit mir Gemeinschaft hat, ist der Geist. Alle Wesen besitzen diesen Geist und in jedem Geist ist das Vernunftprinzip enthalten. Der Geist ist das Vernunftprinzip."2) Mein Geist ist das die Welt beherrschende Vernunftprinzip. Nicht durch den Körper, sondern nur durch diesen Geist stehe ich mit dem Himmel und mit allen Wesen in Verbindung, denn alle sind von demselben Geist erfüllt. Sie sind Gebilde dieses Geistes, ebenso wie ich selbst als Individuum. „Das Universum ist erfüllt von dem Vernunftprinzip. Um dieses zu erkennen, studieren die Studierenden. Die Größe diese Prinzips kennt keine Grenzen."3) Das ist nicht so zu verstehen, als ob das Universum eine körperliche Existenz habe und zum Vernunftprinzip durchströmt würde, sondern dieses ist von so gewaltiger geistiger, nicht räumlicher Größe, daß es die ganze Welt in sich schließt und insofern durchpulst. Der Kosmos hat im kleinen Herzen, ja im raumlosen Geiste Platz. „Das Prinzip ist das allgemeine Prinzip, und der Geist ist für die ganze Welt der gleiche."4) Die verschiedenen Geister sind nur scheinbar, ihr Kern ist immer der eine Weltgeist, dessen Ausstrahlungen sie darstellen. „Der Geist", heißt es, „ist nur einer, es ist mein Geist und dein Geist, mein Freund, und der Geist der Heiligen und Weisen vor hunderten und tausenden von Jahren. Sollte nach hunderten und tausenden von Jahren wieder ein Heiliger oder Weiser auftreten, so würde er auch denselben Geist haben. Der Körper des Geistes ist sehr groß. Wenn ich meinen Geist ergründen kann, so finde ich, daß er mit dem Himmel gleich ist."5) Das Vernunftprinzip ebenso wie Himmel und Erde sollen ohne Selbstsucht sein. Da der Mensch ihnen gleich steht, so ist es seine Pflicht, ebenfalls dem Egoismus zu entsagen. „Das Vernunftprinzip im Weltraum hat nichts ') Kap. 34 S.38b: ft £ ^, & g, & ££ Jfr Jj - - £ |'rS] $j ,&,fljj» £ * ¥ % 4*

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es, allerdings ohne Erfolg, herabzuziehen: ,, ist groß, aber der Mensch verkleinert es, Tao ist altruistisch, aber der Mensch macht es selbstsüchtig, es ist groß und gewaltig, aber der Mensch engt es ein."1) 3. Der Menschengeist. Über den Menschengeist im Besonderen weiß Lu Tchiu-yuan manches zu sagen: „Alle anderen Körper haben eine Gestalt, nur der Geist hat keine. Wie ist es möglich, daß er den Menschen in so hervorragender Weise aufrecht halten und regieren kann ?"2) Es ist eine schwierige Frage, wie das Immaterielle lenkt, die zu lösen der Philosoph weiter nicht versucht hat. „Der menschliche Geist ist außerordentlich rege, und sein Vernunftprinzip ist klar. Alle Menschen haben diesen Geist, und alle Geister enthalten dieses Prinzip."3) Man kann direkt sagen, der menschliche Geist ist das rationale Prinzip. Dieses Prinzip, auch der Geist des Tao oder das himmlische Prinzip genannt, darf nicht als etwas vom Menschengeist verschiedenes betrachtet werden. Dem Blutfluidum, der Körpermaterie entsprechen im Geiste die Gedanken. „Verderbt oder gerade, echt oder vermischt sind die Gedanken, klar oder trübe, stark oder schwach ist das Blutfluidum."4) Wie der Körper sich aus Blut,, Fleisch und Knochen aufbaut, so sind die Elemente des Geistes die Gedanken, worunter auch Gefühle und Empfindungen zu verstehen sind. Recht und Vernunft im menschlichen Herzen sind ihm vom Himmel verliehen, das heißt, es ist die im Menschengeist vorhandene himmlische Vernunft, das Göttliche im Menschen. Sie lassen sich wohl eine Zeitlang durch äußere Dinge verdunkeln, aber nie ganz auslöschen.5) Man würde die Vernunft nicht erkennen, wenn man ihren Keim nicht in sich trüge. Sie findet sich überall in der Welt, in allen Verordnungen und im Sittengesetz.6) „Die vom Himmel stammenden Anlagen sind rein und still. Wenn man nicht auf Abwege gelangt oder sich durch bloßes Gerede betören läßt, so kann niemand den Fortschritt der Anlagen hindern. Das ist das Leben des Geistes und die Klarheit des Vernunftprinzips. Ein Läuterungsprozeß findet nicht von außen statt. Wenn man auch durch Studium zur Klarheit vordringen muß, indem man Anfang und Ende verstehen und die zeitliche Aufeinanderfolge kennen lernt, so ist doch immer das Prinzip vorhanden, dem nichts hinzugefügt und von dem nichts weggenommen werden kann."7) Das Vernunftprinzip im menschlichen ~~ S. 23b: g > S /l· ±, £ &, g Ä ±, & JA, S «) Hsiang-schan tch'üan-tchi Kap. 35 S. 24 : ^ jfe |g ^ ^ J&, fl£ & fä fö, fä

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B. Die Südliche Sung-Dynastie

Fehler. Dieses sind Abirrungen, vorübergehende Trübungen der ursprünglich reinen himmlischen Natur, welche dadurch aber keinerlei Einbuße erleidet. Die menschlichen Fehler vermögen gegen den himmlischen oder göttlichen Kern des Geistes nichts auszurichten. 4. Lebensregeln. In der Ethik steht Lu Htsiang-schan ganz auf konfuzianischem Standpunkt. Ähnlich wie Mencius lehrt er: „Der Mensch wird geboren, indem er das Gleichgewicht von Himmel und Erde erlangt. Sein Geist ist ursprünglich vollkommen gut."1) Aber die Güte der menschlichen Natur ist nur zu Anfang vorhanden denn, wie schon Lao-tse hervorgehoben hat, erzeugen sich die Gegensätze wechselseitig,2) und so sagt auch Lu Hsiang-schan: „Wo Gutes ist, ist auch Schlechtes gerade so wie, wenn man die Hand umdreht. Aber das Gute ist die Grundlage, das Böse entsteht erst durch das Umdrehen."3) Also das Gute ist das Ursprüngliche und das Schlechte nur seine Umkehrung. Das Schlechte ist durch die Abirrung vom Guten entstanden, so daß in der Welt Gutes und Schlechtes nebeneinander bestehen. Die Menschen, heißt es, werden zwischen Himmel und Erde geboren. Ihr Fluidum ist klar oder trübe, der Geist weise oder töricht, die Handlungsweise tugendhaft oder böse.4) Um dem Bösen zu widerstehen, ist ein starker Willen erforderlich, welchen man erlangen kann, nachdem man durch Wissen Einsicht gewonnen hat: „Für den Menschen ist es sehr wichtig, starken Willen zu haben. Die gewöhnlichen Menschen gehen ganz in äußeren Genüssen, in Glanz und Reichtum auf, und ihr Gewissen und ihre gute Natur wird dadurch verdunkelt. Wie können sie sich davon loslösen und einen Willen erhalten ? Nur dadurch, daß sie zunächst Wissen und Einsicht erwerben."5) Lu Tchiu-yuan zeigt sich als echter Konfuzianer durch seine Überschätzung der Pietät und brüderlichen Liebe, wodurch allen moralischen Pflichten Genüge geleistet sein soll: „Als der Meister sich in Hsiang-schan aufhielt, meldeten sich viele Schüler. Er sagte zu ihnen: .Eure Augen sehen klar, eure Ohren hören gut. Indem ihr dem Vater dient, könnt ihr kindliche Liebe üben, und indem ihr dem älteren Bruder dient, brüderliche. Es fehlt euch eigentlich nichts, und ihr braucht nicht nach anderem zu streben. Laßt es damit gut sein, daß ihr euch selbst eine feste Grundlage schafft6).' "') ') Kap. 11 S. 15b: £ $ 5*C tt ± & &Ä ft £ * *· 2 ) Tao-te-king Kap. 2. 3 ) Hsiang-schan tch'üan-tchi Kap. 34 S. 7b: ^f 3£ gft ^ ||, y. -fa j£ ^g ^ $jc, | | ±0

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II. Lu Tchiu-yuan und seine Schule: J. Lu Tchiu-yuan

241

Erklärend bemerkt hierzu anscheinend ein Schüler: „Der Meister lebte in einem späteren Zeitalter, deshalb hatte er viel Kraft aufzuwenden in seinen Gesprächen mit seinen Schülern. Um ihretwillen hatte er viele Mühen zu erdulden. Hätte er in alter Zeit gelebt, so würde er nur zu ihnen gesagt haben, im Hause sollten sie Pietät und außerhalb brüderliche Liebe pflegen,1) und er hätte weiter nicht viel zu tun gehabt."2) Die fünf Pflichten, die fünf Arten der Zeremonien, die fünf Grade der Trauer und die fünf Strafen3) gehen alle auf den Himmel zurück, das heißt, daß das Sittengesetz und auch das Strafgesetz himmlischen Ursprungs und nicht von den Menschen erfunden ist. Unter Himmel ist das Vernunftprinzip zu verstehen, aber die Worte des Philosophen klingen oft so, als ob er von einem Weltgeist oder von einem persönlichen Gott spräche. Himmel und Erde, sagt er, erwarten den Heiligen, welcher ihnen gleich steht und das Reich regiert, indem er für das Volk und die Geister sorgt. Wenn er dem Wunsche von Himmel und Erde entspricht, wird er mit reichlichem Glück gesegnet, wenn er dagegen handelt, treffen ihn Unglücksfälle, um ihn zu warnen.4) Daher gibt er den Rat: „In Mußestunden darf man nicht vergessen, ,mit größter Sorgfalt, tiefster Ehrerbietung und mit Einsicht Gott zu dienen'."5) Der letzte Satz stammt aus dem Schiking.6) Wenn Lu hier von Gott spricht, so ist das nicht anders, als wenn wir von der untergehenden Sonne sprechen, obgleich wir wissen, daß sie nicht untergeht. Lu Tchiu-yuan will nur sagen, daß man das Vernunftprinzip verehren und seinen Geboten folgen muß.

5. Studium. Dem Studium, dem Forschen und Wissen steht unser Philosoph anders gegenüber als Tschu Hsi und seine Schule. Von den Studierenden verlangt er Ordnung und System in dem, was sie betreiben: „Tüchtige Studierende sind wie die Wachen an den Toren und Furten. Sie dürfen nicht die Reisenden in wildem Durcheinander vorbeilassen."7) Viele Studenten beschäftigen sich zu sehr mit Nebensächlichkeiten:8) „Tausend Leerheiten geben noch nicht eine Fülle. Was ich für gewöhnlich studiere und womit ich mich beschäftige, ist nur eine Fülle."9) *) Zitat aus Lun-yü I, 6. ») H. s.t.t. eod.: £ jfe *flfc,» Ä * * W . «

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242

B. Die Südliche Sung-Dynastie

Es gibt vier Gründe, weshalb das Studium nicht zum Ziele führt: 1. Manche kennen den richtigen Weg, gehen ihn aber nicht, da sie von ihren Begierden abgehalten werden. 2. Die Sache erscheint ihnen zu schwierig, daher wagen sie sich nicht heran. 3. Sie suchen den Weg, können ihn aber nicht finden. 4. Sie kennen den Weg nicht, bilden sich aber ein, ihn gefunden zu haben.1) Über sein eigenes Wissen äußert sich Lu Hsiang-schan folgendermaßen: „Mein Wissen unterscheidet sich von dem anderer nur dadurch, daß es bei mir keine Fiktionen gibt. Wenn ich tausend oder zehntausend Worte spreche, so habe ich sie alle vernommen und selbst nicht das Geringste hinzugefügt. Neulich sagte jemand über mich, abgesehen von dem zuerst festgesetzten Grundprinzip gäbe es keinen Satz, der gekünstelt sei. Als ich das hörte, sagte ich: So ist es in der Tat."2) Diese Selbstkritik dürfte kaum ganz zutreffend sein. Lu Hsiang-schan ist durchaus nicht ein bloßer Nachbeter, der den Ansichten seiner Vorgänger nichts hinzugefügt hätte, was allerdings bei den Chinesen nicht als tadelswert gilt, sondern ein schöpferischer Geist, der den Idealismus ganz klar zum Ausdruck gebracht hat. Es stimmt auch nicht, daß er nur die Gedanken des K'ung-tse und Meng-tse wiedergebe. Wo er sich auf ihre Aussprüche stützt, deutet er sie vielfach um, und seine Erklärungen sind sehr gekünstelt und nicht dem Sinne entsprechend. Außerdem übernimmt er von ihren Gedanken nur solche, welche zu seiner Theorie passen, und die übrigen läßt er bei Seite.3) Lu wollte auch gar nicht ein bloßer Nachfolger sein und ist sich seines Eigenwertes voll bewußt, wie aus anderen Äußerungen hervorgeht. „Wenn man sich selbst aufrichtet und sich selbst achtet", sagt er, „dann wird man nicht ändern auf den Fersen folgen und ihre Worte lernen."4) Als ihn jemand aufforderte, doch etwas zu veröffentlichen, erwiderte er: „Die sechs Klassiker kommentieren mich und ich kommentiere die sechs Klassiker."5) Ferner sagte er: „Wenn ich durch Studium die Wahrheit erkenne, dann sind die sechs Klassiker zu mir die Fußnoten."6) Der Philosoph erklärt die heiligen Schriften, aber die Richtigkeit seiner eigenen durch Studium gewonnenen Lehre wird auch durch die Aussprüche der Klassiker bestätigt. Lu Tchiu-yuan ist der Meinung, daß das Wissen sehr kurz und einfach sei,7) denn er versteht darunter eigentlich nur die konfuzianische Moral. „Jemand fragte, von wo aus man in die Lehre des Meisters eindringen könne. Er antwortete : Man muß nur ernstlich bei sich einkehren, seine Fehler verbessern und l

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II. Lu Tchiu-yuan und seine Schule: 1. Lu Tchiu-yuan

243

sich dem Guten zuwenden."1) Auf die eigentlichen Wissenschaften und die Forschung legt Lu nur sehr wenig Gewicht, im Gegensatz zu Tschu Hsi, der wohl der erste Wissenschaftler seiner Zeit war. Dieser schrieb an einen Schüler, Lu Tchiu-yuan zöge durch seinen Moralunterricht viele Studenten heran, aber in seinen wissenschaftlichen Vorlesungen sei es ziemlich leer. Bei ihm sei es gerade umgekehrt. Lu war der Ansicht, daß es keinen Zweck habe, sich mit den Wissenschaften abzugeben, ehe man die moralische Natur des Menschen zu schätzen gelernt habe.2) Über seinen Gegensatz zu seinen Zeitgenossen haben wir eine interessante Äußerung: „Die Herren", heißt es, „welche zu Hofe gehen, lieben es, von der Erforschung der Dinge zu sprechen. Wenn ein Herrscher über ihnen steht, so mögen sie auf seine Person Acht geben,3) weshalb noch außerdem von der Erforschung der Dinge sprechen?"4) „Das Gesprächsthema der heutigen Menschen sind, wenn es ganz vulgär ist, Töne, Farben, Gerüche und Geschmäcke. Etwas feiner ist es schon, von Reichtum, Ansehen, Erfolg und Vorteil zu reden, noch feiner eine Unterhaltung über Literatur und Künste. Aber es gibt eine Klasse Menschen, die kümmert sich um alles das nicht und spricht nur von Bildung. Ich will es mit einem Worte zusammenfassen, das heißt „Erhebung des Geistes".5) Zweck des Studiums ist also nicht, den Geist mit Kenntnissen anzufüllen, sondern ihn zu veredeln.

III. Lu Tchiu-yuan's Verhältnis zu anderen Philosophen und zu Tschu Hsi. Von den alten Philosophen liebt Lu Tchiu-yuan besonders den Meng-tse, den er häufig zitiert. Die bedeutendsten Konfuzianer nach Meng-tse sind nach seiner Ansicht Hsün-tse, Yang Hsiung, Wang T'ung und Han Yü,6) er findet aber doch manches an ihnen auszusetzen. Yang Hsiung soll gern vom Gleichgewicht gesprochen, aber es nicht richtig erkannt haben. Wang T'ung's Werk stimme ziemlich mit Yang Hsiung's Gedanken überein.7) Yang Hsiung und Han Yü wird vorgeworfen, daß sie Tao nicht gekannt hätten, immerhin sei ihre Einsicht für gewöhnliche Menschen unerreichbar.8) In der Sung-Zeit steht Lu Tchiu-yuan Tsch'-eng Hao besonders nahe. Zu seinen idealistischen Ideen ist er wahrschein1

) Hsiang-schan tch'üan-tchi Kap. 34 S.7b: & ftfj, ft £ %.

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) Kap. 34 S. 8 a. ) Für die Moral genügt es, sich den Herrscher als Muster zu nehmen. «) Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 7 S. Ha:ftß._hjg ) ££f|8;;f£.(|^

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·) Haiang-schan tch'üan-tchi Kap. 24 S. 3b. ') Kap. 35 S. 4b. ·) Kap. 4 S. 17a.

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A. Die Südliche Sung-Dynastie

lieh von diesem angeregt. Dagegen lehnt er den Realismus seines Bruders Tsch'eng I schroff ab und behauptet von ihm, daß er die Lehren der Heiligen verschmäht und seine eigenen verkehrten Theorien gelehrt habe.1) Den Buddhisten und Taoisten ist der Philosoph nicht besonders gewogen. Die Buddhisten sollen eine Lehre gegründet haben, mit deren Hilfe sie dem Leben und dem Tode entgehen wollten. Das sei nichts weiter als Egoismus. Plötzlich sei dann die Z>Ai/äwa-Lehre aufgetaucht wie Wellen ohne Wind oder Staubwolken auf glattem Boden.2) Taoistische Eremiten, Buddhisten und andere verschrobene Gelehrte, heißt es weiter, lösen sich ganz von der Welt los und verschmähen das Gute, welches sich ihnen bietet. Das ist nicht recht. Man muß sich mit seinem Glück abfinden und entsprechend leben, das Glück genießen und das Unglück ertragen.3) Unbeschadet ihrer freundschaftlichen Beziehungen stand Lu Tchiu-yuan dem Tschu Hsi ähnlich wie dem Tsch'eng I gegenüber. Beide Philosophen hatten einen harten Sinn, gingen verschiedene Wege und hielten ihre gegenseitigen Ansichten für grundverkehrt.4) Tschu Hsi äußert in einem Briefe, daß Lu zu großes Selbstvertrauen ha.be und dadurch auf falsche Bahnen gekommen sei.5) Auch hält er ihn für sehr rechthaberisch. Wenn jemand eine Behauptung aufstelle, dann behaupte er gern das Gegenteil, und es komme vor, daß er heute dies, morgen das Gegenteil sage.6) Lu Tchiu-yuan führte den Kampf mit besonderer Leidenschaft und empfand Tschu Hsi's Unbelehrbarkeit sehr schmerzlich. Eines abends ging er im Mondschein spazieren und seufzte schwer. Pao Min-tao, der ihn begleitete, fragte nach der Ursache, und Lu sagte: ,Tschu Hsi ragt wie der Tfaischan empor, aber leider hat er mit seinem Wissen den rechten Weg nicht gefunden. Er müht seinen Geist ab und hat schließlich doch keinen Erfolg.' Sein Begleiter sagte: ,Wäre es unter diesen Umständen nicht das Beste, wenn ihr beide Bücher schriebet und der Nachwelt die Entscheidung überließet?' Lu nahm plötzlich eine ernste Miene an und sprach mit harter Stimme: ,Min-tao, Min-tao, auf diese Weise kommen wir nicht weiter'."7) Beide Philosophen haben durch Briefe einander zu überzeugen versucht. Lu Hsiang-schan sagt: Tschu Hsi's Briefe sind unvernünftig, er versteht mich nicht. Meine dagegen sind klar und deutlich. Das Weltprinzip, welches ich klargestellt habe, ist richtig, wahr, unwandelbar, allgemein. Ich habe den Eindruck in mir selbst gefunden, es bewiesen durch Zeugnisse anderer und durch Hinweis auf die drei Herrscher. Es ist nicht unrichtigerweise auf Himmel und Erde aufgebaut, *) 2 ) 3 ) 6 ) ')

Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 7 S. 5b. Hsiang-schan tch'üan-tchi Kap. 34 S. 7b. 4 Kap. 12 S. 2b. ) Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 7 S. 5a. Watanabe III, 91. «) Hsing-li ta-tch'üan Kap. 42 S. 8a. Hsiang-schan tch'üan-tchi Kap. 34 S. 25b: — ty -^ fl , Pf $c fljj q|( £j gf £g ff- |}fj

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II. Lu Tchiu-yuan und seine Schule: 1. Lu Tchiu-yuan

245

Geister und Dämonen sind nicht als Zeugen angerufen, es wird dabei das Wissen von hundert Generationen nicht in Zweifel gezogen und auf einen neuen Heiligen gehofft.1) „In der Welt kann es nicht zwei richtige Weltprinzipe geben. Wenn man dieses Prinzip2) versteht, so können Himmel und Erde nicht davon abweichen, auch Geister und Dämonen nicht und die Heiligen und Weisen des Altertums nicht. Wenn man es aber nicht begreift und sich auf eigene Faust ein System ausdenkt, dann ist das eine Irrlehre, und das gilt nicht nur von Buddha und Lao-tse."3) Es gilt nicht nur vom Buddhismus und Taoismus, sondern auch von dem System des Tschu Hsi, das sich auf Naturphilosophie aufbaut. Die einzig wahre Weltanschauung des Lu Tchiu-yuan begreift er nicht. Der Unterschied zwischen den beiden Weltansichten, Idealismus auf der einen und Realismus auf der ändern Seite wird sehr gut in einem Gespräch hervorgehoben: „Jemand sagte: ,Die Lehre des Meisters behandelt Tao und Tugend, Natur und Schicksal und das Immaterielle. Die Lehre des Tschu Hsi betrifft die Bezeichnung der Dinge, die Berechnung von Zahlen und das Materielle. Ein Schüler muß die Systeme beider Lehrer vereinigen'.4) — Der Meister entgegnete: ,Sie reden von Tschu Hsi in dieser Weise, aber er unterwirft sich diesem Urteile nicht, denn er behauptet, daß seine Lehre ein zusammenhängendes System sei. Allein seine Ansicht von Tao ist nicht klar, und es kommt schließlich kein richtiger Zusammenhang zustande. Ich selbst habe über Tschu Hsi geschrieben: Wenn man eine nach Vorlage kopierte Schrift betrachtet, so findet man, daß sie sich an die Vorlage hält, und es scheint, als ob man sich auf alle Einzelheiten verlassen könne. Das trifft genau Tschu Hsi's Schwäche."5) Tschu Hsi stellt die Welt so dar, als wenn er sie nach einer Vorlage durchpauste. Alle Einzelheiten scheinen zu stimmen, aber wenn man genau hinsieht, so entdeckt man doch, daß zwischen dem Original und der Pause ein großer Unterschied besteht. Die ganze Darstellung ist handwerksmäßig. Bei einer ändern Gelegenheit sagte Lu-tse von Tschu Hsi, seine Krankheit, daß er nichts vom Geiste lehrte, sei besonders schwer zu heilen.6) Ein Hauptstreitpunkt zwischen beiden ist, wie wir schon sahen7), das Prinzip des Nichtseins, Wu-tchi.K) Lu-tse will von dem Urprinzip nichts wissen und ') Kap. 15 S. 3b. ») Kap. 15 S. 4a: 4 5

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) Das Weltprinzip des Lu Tchiu-yan, der Geist = Vernunftprinzip.

) Das ist später oft geschehen. ) Hsiang-schan tch'üan-tchi Kap. 34 S. 33b: ^, fff , ^ £ ;£ J^ H Jt iÜ 14 fa T& ÜB

·) Kap. 35 S. 47a: »»£». ') Vergl. S. 197. ") $£

246

B. Die Südliche Sung-Dynastie

von einem Prinzip des Nichts noch viel weniger. Er faßt den Begriff so auf, als bedeute er, daß kein Prinzip vorhanden sei, und bekämpft ihn, weil er im großen Yiking-Koiument&i, wo vom Urprinzip die Rede ist, nicht vorkommt. Tschu Hsi habe in seinem Briefe auch gesagt, daß Wu-tchi das immaterielle Urprinzip,1) nämlich die ratio sei. So lasse sich aber der Ausdruck nicht erklären. Der Begriff stamme vom Namenlosen im ersten Kapitel des Tao-te-king, und Tschou-tse habe ihn von dem Taoisten Tsch'en T'uan2) übernommen.3) Tschu, Hsi soll das Urprinzip nicht richtig verstehen, sonst könnte er nicht noch Wu-tchi hinzufügen. Die Lehre vom Nichtsein gehe auch auf Lao-tse zurück. Die rechte Mitte als Weltprinzip genüge, und das Urprinzip sei ganz überflüssig. Ebenso verkehrt sei es, Yin und Yang nur für das Gefäß und nicht für Tao zu halten. Beide sind immateriell, und es gibt nicht noch ein Urprinzip obendrein. Wenn Tschu Hsi das Urprinzip für ein Geheimnis erkläre, das nicht verbreitet wird, das vor allen Dingen, außerhalb von Yin und Yang, dem Sein und Nichtsein nicht unterworfen, ohne Körper, ohne Raum, verschieden von allen Wahrnehmungen und außerhalb der Welt existiere, so seien diese Äußerungen fast Z>A?/ £ Ü ffl £, {g ^ & T& >

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') Sung-yuan hsüeh-an Kap. 74 S. 15a: j^ iÄB p^, ^ ± ±. W ± »I 1^ ± 5 W«) Ibid. ') Biographie im Sung-schi Kap. 407 S. 14b. fg.: jSfr ^ Jjjif^ £ jjg, g, £,.

250

B. Die Südliche Sung-Dynastie

von Himmel und Erde betrachtet, so kann man nicht umhin, den Wechsel als Wandlung und Umgestaltung des Selbst anzusehen. Himmel und Erde sind mein Himmel und Erde, und ihre Wandlungen und Umgestaltungen sind die meinigen und nicht andere Dinge."1) Die Welt bin ich selbst, und alle Veränderungen, welche darin vorgehen, sind Wandlungen in meinem Selbst. Himmel und Erde existieren nicht von mir unabhängig, sondern gehören mir nicht weniger als mein Körper, denn ich habe sie hervorgebracht und gestalte sie um. Das ist eine außerordentliche Entdeckung, und Yang Tchien hat recht, wenn er sagt: „Seit der Erschaffung der Welt hat es noch niemand gegeben, der mich in meiner ganzen Vollkommenheit erkannt hätte." Und weiter heißt es: „Die Leute sehen das dunkle Blau, die Reinheit und Klarheit droben und, seitdem sie sprechen können, nennen sie es den Himmel. Oder sie sehen das Abfallende, weit Ausgedehnte, Massige und nennen es Erde. Die Reinheit und Klarheit ist meine Reinheit und Klarheit, die Ausdehnung und Masse ist meine Ausdehnung und Masse. Aber die Menschen kennen sich selbst nicht, deshalb zeigen sie es sich und nennen es: „Jener Himmel" und „jene Erde". Wenn ich selbst nicht weiß, daß es meine Hände und Füße sind und von jenen Händen undFüßen spreche, oder wenn ich nicht weiß, daß es meine eigenen Ohren, Augen, Nase und Mund sind und sie jene Ohren und Augen, jene Nase und jenen Mund nenne, ist das nicht ein großer Irrtum ? . . .. "2) Die Eigenschaften des Himmels, Licht und Glanz, und die der Erde, Weite und Masse sind meine Eigenschaften, denn es gibt keine Objekte wie etwa jenen Himmel oder jene Erde, sondern alles ist Subjekt, mein Ich, zu dem der Himmel und die Erde, das heißt der ganze Kosmos in ebenso naher Beziehung steht, wie meine Gliedmaßen, Hände und Füße, Augen und Ohren. „Von dem, was als Ich gilt, darf man nicht sagen, daß es nur Fleisch und Blut und eine Körpergestalt sei. Meine Natur ist hell, rein und klar und kein Ding. Meine Natur durchdringt alles, ist ohne Grenzen und an kein Maß gebunden. Der Himmel ist eine Form in meiner Natur und die Erde ist ein Körper darin. Daher sage ich, wenn der Himmel eine Form hat und die Erde einen Körper bildet, so habe ich das hervorgebracht."3) Mein Selbst ist kein bloßes Körperwesen, nicht nur ein Ding, sondern meine Natur ist ein Geist, der die ganze Welt in sich schließt und aus sich heraus hervorbringt. ') Nung-yuan hsüeh-an Kap. 74 S. 2b: ),}, % g, &. # > te & . ..... Jöl Ä $ ^

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II. Lu Tchiu-yuan und seine Schule: 2. Yang Tchion

251

„Der Himmel ist das Selbst, der Himmel ist der Wechsel. Die Erde ist das Körperliche im Himmel. Mein Fleisch und Blut und mein Körper sind durch Vereinigung des Reinen und Trüben, des Yin und Fangr-Fluidums entstanden. Ich habe nicht wahrgenommen, daß Himmel und Erde mit dem Menschen drei wären. Drei sind nur körperlich, Jas Eine ist die Natur, wofür man auch Tao oder der Wechsel sagen kann. Die Namen sind nicht gleich, aber in Wirklichkeit ist es ein und dasselbe."1) Aber wie kann ich meinen eigenen Körper schaffen, der aus leichten und schweren Stoffen gebildet ist ? Nur insofern, als mein Ich mit dem ewigen Weltgeist oder Tao identisch ist, das sich in beständigem Wandel befindet. Die allgemein angenommene Trinität, Himmel, Erde, Mensch ist nur scheinbar, denn in Wirklichkeit existiert nur das eine, Tao, oder mein Ich. „Wenn ich nicht Himmel und Erde, die zehntausend Dinge, zehntausend Wandlungen und zehntausend Prinzipien für mein Selbst halte und nur meine Ohren, Augen, Nase, Mund, Arme und Beine nehme und als Selbst betrachte, dann reiße ich meine ganze Persönlichkeit auseinander und zerstückele mich in winzige Fetzen. Ich bin dann an Fleisch und Blut gefesselt, bin egoistisch und verkleinere mich selbst. Mein Körper mißt nicht nur sechs bis sieben Fuß. 2 ) Wer im Brunnen sitzt und den Himmel betrachtet,3) lernt seine Größe nicht kennen, und wer in seinem eigenen Fleisch und Blut sitzt und sein Selbst betrachtet, weiß nicht, wie riesig er ist."4) Wie die Welt aus mir hervorgeht, versucht der Philosoph zu veranschaulichen: „Aus dem Nahen meines Glanzes werden Sonne und Mond, aus meinen Veränderungen die Jahreszeiten, aus meinem Mich-Zerstreuen und Zerteilen, bald in hellere, bald in trübere Substanz die zahllosen Geschöpfe, aus meinem Sehen entstehen die Augen, aus meinem Hören die Ohren, aus meinem Essen der Mund, aus meinem Fassen die Hände, aus meinem Gehen die Füße, aus meinem Denken der Geist."5) Die Dinge sind nicht, wie sie uns erscheinen, sie haben nicht die Eigenschaften, welche wir an ihnen wahrnehmen, es bestehen nicht die großen Gegensätze, welche sich uns aufdringen. Die Dinge sind an sich gar nicht vorhanden, es sind nur Vorgänge in unserem Geiste, Phänomene unseres Ichs: „Nah und fern ist

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) 1,20—1,40 m, denn in alter Zeit war ein Fuß ungefähr 20 cm. ) Bekanntes Bild für einen engen Gesichtskreis. ') Sung-yuan hsüeh-an Kap. 74 S. 5a: ^ J[^ ^ j& & tfa $ ft $ S fä g,, ffp 3

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252

B. Die Südliche Sung-Dynastie

dasselbe, groß und klein sind nicht zwei verschiedene Dinge. Was sich innerhalb unseres Hauses befindet, scheint nahe, aber ist in Wirklichkeit fern, scheint klein und ist in Wirklichkeit groß . . . . *) Ich kann etwas nach der Ostseite des Ostmeers verlegen und es stimmt, oder nach der Westseite des Westmeeres, und es stimmt ebenfalls."2) „Himmel und Erde sind nicht groß, das feinste Härchen ist nicht klein, der Tag ist nicht hell, die Nacht nicht dunkel, das Vergangene nicht alt, das Augenblickliche nicht jetzt, das Zukünftige nicht später.3) Die Weihe, welche zum Himmel emporsteigt, ist keine Weihe, der Fisch, welcher in die Tiefe taucht, kein Fisch. Wenn die Welt vom Lichte der Sonne und des Mondes beschienen wird, so weiß man nicht, daß es von mir kommt . . . . Tag und Nacht bewegen sich in meinem eigenen Innern, aber gelten als äußere Dinge. Der Ausspruch, daß man Himmel und Erde formt und alle Dinge erschafft, ist keine Übertreibung."4) Das Selbst, das Ich ist unser Geist. Sein inneres Wesen ist uns verborgen. Wir kennen seine Äußerungen zum Beispiele die Gefühle, empfinden sie auch und wissen genau, was darunter zu verstehen ist, können aber ihr Wesen uns nicht erklären.5) Trotz dieser Erkenntnis versucht Yang Tchien doch eine Darstellung seines Wesens und seines Wirkens, indem er sagt: ,,Mein ursprünglicher Geist ist nichts Wunderbares, sondern sehr einfach und nicht kompliziert. Er nimmt weder ab, noch zu, er handelt und tut nicht. Nur wenn er erregt wird, dann bewegt er sich in gerader Linie vorwärts. Die Bewegung entsteht aus der Spontaneität."6) Ähnlich stellen die Taoisten das angeblich unerkennbare und unnennbare Tao dar. Weiter heißt es: „Eines Tages wird man gewahr werden, daß mein Geist immateriell ist, rein, hell und von unendlicher Ausdehnung. Im Grunde ist er mit Himmel und Erde eins. Beim Formen der Dinge gibt es kein Inneres und Äußeres7) und bei der Hervorbringung keine abgegrenzten Gebiete."8) Dieser Geist ist allen Menschen gemeinsam. Seine Hauptcharakteristika sind : Leere oder Immaterialität, Reinheit, Erleuchtung, unendliche Ausdehnung, Durchdringung und Schöpferkraft,9) alles Eigenschaften, wie sie auch der Weltgeist besitzt, der ja nichts anderes ist. ') Nach Lu Hsiang-schan gibt es weder Raum noch Zeit, also auch keine Entfernungen.

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) So haben schon die alten Taoisten argumentiert.

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) Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 26 S. 15b. fg.

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II. Lu Tchiu-yuan und seine Schule: 2. Yang Tchien

253

Das Selbst und das Ich erscheint als eine Hauptsäule seines Lehrgebäudes, und trotzdem scheint Yang Tchien seine Existenz zu leugnen. Seine Worte lauten: „Was bedeutet Ich? Ich bin auch das Ich meiner Gedanken. Wenn Gedanken entstehen, wird damit auch mein Ich gesetzt.1) Kommt es nicht zu Gedanken, so werde ich auch nicht gesetzt. Wenn ich als Säugling gesäugt werde, so sage ich: ich sauge, und wenn ich später groß geworden esse, so sage ich: ich esse.... Wenn jemand studiert, dann bin ich es, und wenn jemand Beamter ist, so bin ich es ebenfalls Weil man etwas nicht versteht, sinnt man nach, aber bevor die Gedanken kommen, herrscht tiefste Einsicht und Stille. Ohne Voreingenommenheit und ohne das Setzen, wo bleibt da das Ich ? . . . . Wenn die Schüler nicht auf das Denken verfallen, dann verfallen sie auf die Notwendigkeit,2) und wenn sie nicht dem Muß verfallen, dann verfallen sie dem Ich."3) Nach diesen Ausführungen ist das Ich nur ein Produkt unseres Denkens, im Denken setzt es sich selbst, aber in Wirklichkeit gibt es gar kein Ich. Warum ? Weil es nur eine Erscheinungsform Taos oder des Weltgeistes ist. In jedem Individualgeist offenbart sich Tao, denn es gibt nur einen Geist, und alle Äußerungen des Ichs, auch seine Erschaffung der Welt, gehen letzten Endes von Too aus. Wir erfahren, daß Tao die drei Potenzen, Himmel, Erde, Mensch durchdringt, und daß es nichts anderes außerdem gibt. Alle anderen Dinge und Ereignisse sind auch Tao.1) Alle Menschen sind von demselben Geiste des Tao erfüllt wie die Weisen und Heiligen, denn sie haben dieselben Gefühle und Empfindungen. Sie sind Himmel und Erde gleich.5) 2. Wahrnehmen, Denken und intuitives Denken. Es ist durchaus verständlich, weshalb Yang Tchien gegen alles Denken und Forschen eine instinktive Abneigung empfindet. Die Erfahrungstatsachen mußten auf Schritt und Tritt zu seiner Theorie im Widerspruch stehen. Deshalb hält er sich alle negativen Instanzen fern. Er kümmert sich nicht darum und begnügt sich mit dem festen Glauben an die Wahrheit seiner Lehre. Es genügte ihm, die großen Unterschiede zwischen dem Wesen des Geistes und seinen Gedanken und Wahrnehmungen hervorzuheben. Die Organe des Körpers, sagt er, nehmen wahr und bewegen sich, aber man bemerkt die Ursache aller dieser Be*) Man beachte den fichteschen Ausdruck des Setzens jjr des Ich. 2 ) Damit ist wohl das Schicksal oder Karman gemeint. & E «, «) S. 19a.

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B. Die Südliche Sung-Dynastie

dieses Herzens gibt es nicht noch einen sogenannten Himmel und Erde und Geist."1) Diese Worte charakterisieren Wei's philosophische Stellung. 1231 wurde er zum Präsidenten des Kultusministeriums befördert und nach seinem Tode als W en-tching2) kanonisiert. Seine Anregungen empfing Wei Liao-weng von verschiedenen Seiten. Mit den Schülern des Tschu Hsi war er befreundet, besonders mit Tsch'en Te-hsiu3), mit dem er immer zusammen genannt wird. Beide scheinen unzertrennlich gewesen zu sein. Wei greift die Tschu .ite'-Schule nicht an, trat sogar für Tschou-tse, Tsch'eng-tse, Tschang-tse und Tschu Hsi ein.4) Deshalb wird er oft unter den Anhängern des Tschu Hsi angeführt.5) Das war er nicht, vielmehr kommt er in seinen philosophischen Ansichten dem Lu Tchiu-yuan und dem Yang Tchien sehr nahe, denn er vertritt einen entschiedenen Idealismus, und seine Äußerungen klingen sehr überspannt.6) Wei Liao-weng schrieb Erklärungen zu den neun Klassikern7) in 100 Kapiteln, zwei Werke über das Yiking, ein Werk mit Skizzen über das Neunfeldersystem des Tschou-li, zwei historische Werke8) und das Schi-yu ya-yen.9) Seine gesammelten literarischen Werke sind als Hao-schan tchi10) veröffentlicht. Wei's Idealismus geht aus folgenden Worten sehr deutlich hervor: „Die Alten richteten Himmel und Erde auf und brachten alle Wesen hervor. Das betrachteten sie als ihr Amt. Himmel und Erde sind von mir geschaffen. Die fünf Elemente und die fünf Fluida11) sind alle in einem einzigen Gedanken von mir begrenzt und ausgebreitet. Die Menschen der späteren Zeit hielten sich selbst für Menschen, und der Himmel war von selbst Himmel. Sie verloren ihr Amt als Menschen."12) Die Alten haben natürlich nicht daran gedacht, als Weltschöpfer aufzutreten und das als ihr Amt zu betrachten, aber da die extremen Idealisten sich selbst für fähig hielten, solche Zauberkunststücke größten Stiles hervorzubringen, so trauten sie das natürlich auch den alten Weisen zu. Danach ist die Materie der ganzen Welt in einem menschlichen Gedanken nicht nur ideell, sondern reell enthalten. In dem berühmten Thronbericht schreibt Wei Liao-weng: „Ich habe sagen hören: Das Herz ist der Menschen Urprinzip, und das Menschenherz ist auch das ') Biographie im Sung-schi Kap. 437 S. 20a: & %_ |f ^ # jfc

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II. Lu Tchiu-yuan und seine Schule: 3. Wei Liao-weng

257

Urprinzip von Himmel und Erde. Davon werden auch die beiden Modi1) beherrscht, und alle Dinge erhalten daher ihr Schicksal. Es geht nicht darüber hinaus.2) Daher bringt der Geist des Himmels die Jahreszeiten, Wind, Hegen, Reif und Tau hervor. Die Erde enthält ein geistiges Fluidum, welches in Form von Wind und Blitzschlag ausströmt und alle Geschöpfe hervorwachsen läßt. Was den Menschen anbetrifft, so besitzt er in seinem Körper Reinheit und Einsicht und wunderbare Willenskraft. . . .3) Wegen der hervorragenden geistigen Fähigkeiten seines Herzens ist der Mensch als Eckpfeiler (Urprinzip) hingestellt, und wenn dieser Eckpfeiler dasteht, haben auch Himmel und Erde ihren Platz."4)5) An den Kaiser richtet der Philosoph die Frage: , Glaubt Eure Majestät, daß es außerhalb des Herzens noch besonders Himmel und Erde und einen Geist gibt, oder daß Himmel und Erde und der Geist nicht über das Herz hinausgehen ?"6) Wei Hao-scharis Antwort auf diese Frage kennen wir bereits. Unter Herz ist natürlich der menschliche Geist zu verstehen; er ist das Urprinzip, aus dem die ganze Welt hervorgeht, daher auch das Urprinzip von Himmel und Erde. Man kann es also auch als Geist des Himmels und der Erde, oder als Weltgeist bezeichnen, denn dieser ist dasselbe wie der Menschengeist. Unser Geist dringt auch in die fernste Vergangenheit und Zukunft. Wei scheint das buchstäblich zu nehmen, als ob der Geist wirklich in die längst vergangenen Zeiten zurückginge und daher sein Wissen nähme, während er sich doch nur durch das, was er darüber erfährt, eine Vorstellung vom Altertum machen kann. Wei Liao-weng's Worte lauten: „Himmel und Erde lassen sich nicht messen, Vergangenheit und Gegenwart nicht berechnen.7) Der Mensch mit einem Körper, der nur sieben Fuß mißt, und einem Herzen von einem Kubikzoll steht mitten zwischen Himmel und Erde. Sein vergänglicher Leib dauert höchstens hundert Jahre, aber, wenn man von der Zeit vor hundert Generationen ab das höchste Altertum und die weit zurückliegende Geschichte der zwei Kaiser8) und der drei Dynastien kennen lernen will, so folgt man seinem Geist, wohin er gelangt, als ob er in jener Zeit gelebt und damals auf dem Throne gesessen hätte und bei allem dabeigewesen wäre. Schafgarbe und Schildkröte vermögen das nicht zu erkennen.9) Die Regungen des menschlichen Geistes sehen klar, was die Wahr1

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Yin und Yang. Über das menschliche Herz als Urprinzip geht es nicht hinaus, weiter gibt es nichts. Mit dieser wunderbaren Kraft schafft er die Welt. Ohne den Menschen gibt es keinen Himmel und Erde, keine Welt. Sung-yuan hsüeh-an Kap. 80 S. 19a: g g|, & % £ ± @> ffi] '&, X % ^

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) Yao und Schun. ) Schafgarbe und Schildkröte galten als sehr weise und wurden deshalb zum Wahrsagen benutzt. 8

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B. Die Südliche Sung-Dynastie

sager, Geister und Dämonen nicht fassen können.... *) Das Herz ist die Behausung des Geistes, wodurch Himmel und Erde geformt, Vergangenheit und Gegenwart besucht, Menschen und Dinge zusammengefaßt und geordnet werden und womit man durch Helligkeit und Dunkel dringt."2) Aus der Tatsache, daß der menschliche und der Weltgeist identisch sind, zieht unser Philosoph den Schluß, daß beide in der Beurteilung von recht und unrecht stets übereinstimmen, so daß der Himmel sich deswegen nicht mit dem Menschen zu verständigen braucht: ,,Der Geist des Herzens ist der Himmel. Wenn das Herz mit irgend etwas nicht zufrieden ist, dann ist auch das himmlische Prinzip nicht dafür. Wie sollte der Himmel sich erst abmühen, um sich mit den Menschen über recht und unrecht auseinanderzusetzen?"3)4) Xun behauptet Wei Liao-weny ferner, daß mein Ein- und Ausatmen, das Ausdehnen und Zusammenziehen der Brust und alle Wahrnehmungen wie Sehen, Hören das Werk von Geist und Dämon sei. Wie ist das zu verstehen ? Wei sieht Geist und Dämon nur als verschiedene Funktionen meines Geistes an, denn es heißt: „Im Menschen ist die Yang-Seele der Geist und der Yin-Lebensgeist der Dämon. Solange beide Hauche vereinigt sind, hält die Seele zusammen, und der Lebensgeist ist zusammengeballt, dadurch lebt man. Wenn sie sich trennen, steigt die Seele nach oben und ist Geist, der Lebensgeist dagegen sinkt herab und ist Dämon."5) Da sich die menschlichen Fehler vielfach auf Begierden und Leidenschaften zurückführen lassen, so ist ihre Bekämpfung von den meisten Ethikern empfohlen worden, und viele haben sogar ihre gänzliche Unterdrückung verlangt. Gegen diese Übertreibung wendet sich Wei Hao-schan, indem er sagt: ,,Die Heiligen und Weisen behaupten, daß man wenig Wünsche haben müsse, aber sie haben nicht gesagt, daß man gar keine Wünsche haben dürfe. Wenn man vom Wünschen des Wohlwollens, des Einnehmens eines festen Standpunkts, des Verstehens und des Guten spricht, so heißt das nichts anderes als die Menschen auffordern, ihre Wünsche auf die richtige Weise zu erlangen zu suchen."6) *) Wozu dann noch das Wahrsagen, wenn der Mensch mehr weiß als die Wahrsagor, sogar tlic Geister ? 2) Sung-yuan hsüeh-an Kap. 80, S. 17b: ^ iß ^ pj" jj ^% ^ ^ ^ pf J|? ^ X )£

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II. Lu Tchiu-yuan und sc-ino Schule: 4. Yuan Hsieh

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4. Yuan Hsieh 1150—1220. Yuan Hsieh1) (T. Ho-schu, H. Tchieh-tschai)2) stammt aus Yin-hsien3) (Tschekiang). Er schloß sich der Lehre des Lu Tchiu-yuan vom menschlichen Geist an und äußerte sich ähnlich, aber er legte mehr Gewicht auf die Pflege des Geistes durch Meditation als auf metaphysische Spitzfindigkeiten. Darauf deutet wohl auch der ihm von seinen Schülern verliehene Name Tchieh-tschai, der Meister der ,Reinheit und des Fastens'. Es wird berichtet, daß, als er noch ein Säugling war, seine Amme ein Gefäß mit Wasser vor ihm aufgestellt habe. Das soll er den ganzen Tag angeblickt haben und auch in der Nacht hätte er wie wachend dagelegen.4) Es scheint, als ob er durch das Blinken des Wassers hypnotisiert wurde. Erst im Jahre 1195 bestand er das Doktorexamen. Er wurde in die Akademie berufen, zum Magistrat von Tchiang-yin5) (Kiangü-i) ernannt, dann aber wegen falscher Lehre ebenso wie Tschu Hsi und seine Anhänger abgesetzt. Später wurde er als Bibliothekar und Lehrer im Kuo-tse tchien wieder angestellt. Zuletzt hatte er den Posten eines Vizepräsidenten des Kultusministeriums inne. Sein Charakter wird als ernst, wahr und treu geschildert. Wenn er sich auch dem Lu Tchiu-yuan anschloß, so hielt er sich doch mehr an die Wirklichkeit, und seine Aussprüche sind klar, besonnen und weniger phantastisch. Yang Tchien verfaßte seine Grabschrift. Sein posthumer Ehrenname ist Tscheng-hsien.6) Er schrieb ein Werk über das Schiking'') und Schriften verschiedenen Inhalts. Wenn Yuan Hsieh sagt: ,, ist nicht fern, der Menschen eigenes Herz ist Tao"6) oder „Nach den Dingen außerhalb meines Körpers brauche ich nur wenig Verlangen zu tragen und werde leicht befriedigt. Nur dieser mein Körper ist ebenso groß und gewaltig, erhaben und erleuchtet wie Himmel und Erde. Deshalb halte ich an ihm fest, früh und spät arbeite ich an seiner Vervollkommnung und wünsche den Alten gleichzukommen und mit ihnen auf einer Stufe zu stehen. Wenn ich nur zu den gewöhnlichen Menschen gezählt würde, so würde ich nicht wagen zu sagen: ,Es sind auch Menschen,'9)" so glaubt man Lu Hsiang-schan oder Yang Tchien zu hören, aber die Hauptsache für ihn ist nicht die angebliche Fähigkeit des Geistes, die Welt zu erschaffen, sondern die Pflege und Vervollkommnung dieses Geistes. „DerMensch", heißt es, „wird in der Welt geboren. Dasjenige, wodurch er hervorragt und zum vornehmsten Geschöpf wird, ist sein Geist. Dieser ist das

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B. Die Südliche Sung-Dynastie

Fundament seiner Existenz. So lange er ihn bewahrt, muß er als edel gelten, selbst in elender Lage; wenn er ihn nicht bewahrt, so ist er gering zu achten trotz vornehmer Stellung."1) „Groß ist der Geist; er hat die gleiche Wurzel wie Himmel und Erde. Wenn man ihn durch klares Denken erlangt und durch Mühe und Arbeit erhält, so gleicht er Himmel und Erde."2) Also man muß beständig an sich arbeiten, damit der Geist auf seiner Höhe bleibt. Tut man das nicht, so verliert er seine Fähigkeiten. Das geschieht besonders, wenn er sich von seinen Begierden fortreißen läßt: ,,Der menschliche Geist ist etwas Wunderbares, aber sobald er von Begierden verdunkelt wird, ist er nichts Wunderbares mehr."3) Seine Natur ist ursprünglich gut, alles Schlechte ist erst später hinzugekommen: „Gerade ist die Tugend des Himmels. Der Mensch wird dadurch geboren. Die gute Natur seines Geistes ist ursprünglich nur gerade. Seine Windungen und Krümmungen und unzähligen Eigenheiten sind nicht Ursprüngliches."4) Diese Windungen und Krümmungen muß man durch Selbstkultur zu beseitigen suchen, wobei die Meditation von Nutzen ist.

III. Andere Richtungen. 1. Tschang Tsch'i 1133—1180. Tschang Tsch'i ) (T. Tching-fu, und Lo-tschai, H. Nan-hsien)e) war ein intimer Freund des Tschu Hsi, der aber seine Ansichten nicht teilte und sie bekämpfte. Seine Heimat war Mien-tschu7) in Ssetschuan, sein Vater ein berühmter Staatsmann und Feldherr Tschang Tchün,6) der für seine Verdienste zum Herzog von P) erhoben wurde. Er studierte unter Hu Hung.10) Im Jahre 1164 begrub er seinen Vater am Fuße des Heng-Berges11) in Hunan, wo er mehrere Jahre beim Grabe wohnte. Dort wurde er 1167 von Tschu Hsi besucht, mit dem er drei Tage und drei Nächte über das Tschung-yung disputierte, ohne daß sie sich geeinigt hätten. Als Beamter hatte er öfter Gelegenheit, den Kaiser zu sehen. In seinen Denkschriften sprach er sich namentlich gegen die zu große Nachgiebigkeit gegenüber den tartarischen Eroberern aus. Sein letzter Beamtenposten war der eines Präfekten von Tchiang-ting / 12) in Hupei. 6

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III. Andere Richtungen: 1. Tschang Tsch'i

261

Er starb sehr jung im Alter von 47 Jahren, im Jahre 1180, ein Jahr vor dem ändern Freunde Tschu Hsi's, Lü Tsu-tch'ien,1) muß also 1133 geboren sein.2) Kanonisiert wurde er als Hsüan.3) Tschang Tsch'i schrieb Kommentare zum Lun-yü, Meng-tse und Yiking11) und das Hsi-yen Zw.5) Sein jüngerer Bruder veröffentlichte seine gesamter; literarischen Werke6) in 44 Kapiteln. Tschang Tsch'i's Weltanschauung ist aus folgendem Ausspruch erkennbar: „Das Weltprinzip ist ein allgemeines, ich erlange es nicht für mich besonders.7) Daher ist das Tao des Wohlwollens so groß und das Prinzip des Schicksals so verborgen.8) Nach der Ansicht der Buddhisten sollen die unzähligen Wandlungen alle das Werk meines Geistes sein und alles aus meinem Geiste hervorkommen.9) Das ist eine Verkennung des Urprinzips, welches mit der ganzen Fülle seines Seins sich in dieser Weise betätigt. Durch diesen Eigennutz und diese Selbstsucht wird der freie Ablauf des himmlischen Schicksals gehemmt.10) Was jene Geist nennen, ist nur der menschliche Geist, den Geist Tao's kennen sie nicht."11) Das Weltprinzip ist allen Dingen gemeinsam, es erhält nicht jedes Einzelwesen seinen besonderen Anteil. Das erscheint unserem Philosophen als Selbstsucht und als eine unzulässige Beschränkung des Weltprinzips in seiner Wirksamkeit. Die Ansicht der Buddhisten, wonach die Welt vom Menschengeist geschaffen wird, weist er zurück. Der menschliche Geist soll nun aus dem Gleichgewicht von Himmel und Erde geschaffen werden. Wie das möglich ist, ist schwer zu verstehen. Vielleicht soll es nur bedeuten, daß die den Geist schaffenden Kräfte im Gleichgewicht seien und in richtiger Weise verbunden sein müssen. Das Gleichgewicht ist bekanntlich das Weltprinzip des Tschung-yung.12) Wir lesen: „Wenn der Mensch das Gleichgewicht vom Himmel und Erde erhält, wird er dadurch geschaffen und empfängt seinen Geist. Das Schicksal des Himmels nennt man Natur. ') Vergl. S. 167 und Bruce I, S. 81. 2

) Giles Biogr. Diet, schreibt 1181 und Watanabe III, 86: 1132.

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') Mein Geist ist nicht das Weltprinzip. ) Das Wohlwollen, die Substanz des Weltprinzips, kann so unendlich sein, weil es keine Minderung erleidet. ') Das ist nicht nur die Ansicht der Buddhisten, sondern auch der chinesischen Idealisten. I0 ) Wenn jeder seinen Teil am Weltprinzip beanspruchte, könnte das Schicksal sich nicht frei entfalten. ») Sung-yuan hsüeh-an Kap. 50 S. 12b: ^ ^ T ± S ^ ^ Ä ± ii= fi- ft t ± 6

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262

R. Die Südliche Sung-Dynastie

Das Feinste, nicht Wahrnehmbare, Tiefe, Geheimnisvolle, das mit Worten nicht Faßbare, dessen Walten ganz wunderbar, ist der Geist."1) Das Prinzip der ursprünglichen Natur des Menschen ist immer gut und bei allen Menschen und Tieren gleich. Dagegen ist die Qualität des den Charakter bildenden Fluidums bei Menschen und Tieren verschieden, heller oder dunkler, reicher oder kärglicher. Der Mensch erhält die feinste Essenz von Himmel und Erde und das Beste von den fünf Elementen. Dieses Fluidum läßt sich durch Studium verändern, so daß es mehr der Härte oder der Weichheit zuneigt. Man kann zur ursprünglichen guten Natur zurückkehren. Die Tiere können das nicht, denn ihr Charakter ist immer etwas schief. Dagegen ist die ursprüngliche Natur, das rationale Prinzip, unveränderlich, ihm laßt sich nichts hinzufügen.2) Gut und Böse kommen erst zum Vorschein, sobald die Begierden erwachen: ..Das Urprinzip ist stets gut, daher ist auch die menschliche Natur stets gut.3) Die Begierden haben zuerst kein Objekt. Dazu ist zu erklären: wenn der Mensch geboren wird, ist er still. Das ist die Natur des Himmels. Sobald er durch die Dinge affiziert wird, wird er bewegt. Das sind die Begierden der Natur. Geradenwegs gelangt er zu den Dingen und zunTWissen, und sobald er Wissen hat, zeigen sich Gutes und Böses. Wenn er darauf ins Böse hineintreibt, so liegt das nicht ursprünglich in seiner Natur."4) Die angebliche Stille nach der Geburt soll der Natur des Himmels, dem Urprinzip entsprechen, das auch als im Zustand der Ruhe befindlich vorgestellt wird. In diesem Zustand gibt es noch kein Gut und Böse, die erst zum Vorschein kommen, wenn durch die Einwirkungen der Außenwelt die Begierden erwachen. Die auf erlaubte Dinge gerichteten sind gut, die ändern böse. Durch die Berührung mit den Dingen entsteht auch das Wissen, welches erst zu der Unterscheidung von Gut und Böse führt. Um sie zu kennen, muß man erst vom Baum der Erkenntnis gegessen haben.5) Das Leben des menschlichen Geistes weiß Tschang Tsch'i recht anschaulich darzustellen. Seine Worte lauten: „Der Inhalt meines Geistes läßt sich als nicht sichtbar und nicht hörbar bezeichnen, denn man kann ihn nicht mit Augen und Ohren sehen oder hören. Was das Auge nicht sieht, kann man verborgen nennen, und was das Ohr nicht hört, lautlos. Aber wenn in diesem Unsichtbaren ') Hsing-li-ta-tch'üan Kap. 32 S. 25b:

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) Hsing-li ta-tch üan Kap. 31 S. l a. ) Die menschliche Natur ist aus dem Urprinzip hervorgegangen.

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5 ) So lange man im Zustand paradiesischer Unschuld und Unwissenheit ist, kann man für das Böse nicht zur Verantwortung gezogen werden. Man muß es kennen, wenn es einem angerechnet werden soll. Daher lautet die bekannte Bibelstelle 1. Mos. 2.17: „Aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen, denn welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben".

III. Andere Richtungen: 1. Tschang Tsch'i

263

und Nichterseheinenden auch nur das geringste Gute oder Schlechte hervorkommt, dann wird mein Geist lebendig; er kann sich nicht selbst betrügen und nichts verbergen. Darin besteht seine große Fähigkeit, alles zu sehen und in voller Deutlichkeit erscheinen zu lassen. Durch diese Regsamkeit meines Geistes kann ich allein es erkennen, aber andere Menschen erfahren nichts davon. Deshalb spricht man von Einsamkeit. Gerade deswegen übt der Edle große Strenge. Das ist ein wichtiger Grundsatz für sein Benehmen. Das nicht Sichtbare und nicht Hörbare nimmt nur den Raum eines Kubikzolles ein. In diesem Verborgenen und Lautlosen ist der Keim von allem Guten und Bösen, und zu diesen beiden Dingen tritt dann noch die Einsamkeit. Nach meiner Ansicht dürfte diese Erklärung wohl nicht falsch sein."1) Hier tritt uns der Gedanke der Einsamkeit des menschlichen Geistes zum ersten Male entgegen. Man kann davon wohl anc ?ren Mitteilung machen und solche von anderen empfangen, aber niemand kann in einen anderen Geist eindringen oder ihn wahrnehmen, wie er etwa seinen Körper wahrnimmt. Jeder kennt nur seinen eigenen Geist und keinen ändern, sondern nur das, was der andere einem von seinem Geist zeigen will, also nur Äußerungen, von denen er nicht einmal wissen kann, ob sie echt sind und dem Geist des ändern entsprechen. Diese Einsamkeit ist oft als eine Qual, oft aber auch als ein Glück empfunden worden. Tschang Nan-hsien wendet sich gegen diejenigen, welche annehmen, daß der Geist beim Denken den Körper verlassen könne, und daß das nicht nur bildlich gemeint sei. Er sagt: „Der Geist geht in Wirklichkeit nicht ein und aus. Diejenigen, welche behaupten, daß der Geist ein- und ausgehe, kennen ihn nicht. . . . Die Substanz des Geistes geht in Wahrheit nicht ein und aus."2) Sehr bemerkenswert ist Tschang's Ansicht vom Himmel: „Eines Tages erstattete er dem Kaiser Bericht. Dieser fragte ihn nach dem Himmel. Der Meister sagte: ,Man darf nicht den blauen Äther für den Himmel halten, sondern muß ihn im Sehen, Hören, Reden und Handeln suchen.3) Wenn ein Gedanke richtig ist, dann bemerkt es der Herr des Himmels. Er kommt dir nahe und prüft ihn in seinem Herzen.4) Wenn ein Gedanke verkehrt ist, dann zürnt der Herr des Himmels sehr."5) 1) Sung-yuan hsüeh-an Kap. 50 S. 15a: ^ (}g ^ ßfj % 3fä jfc & ± Jjfr #, # 5

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) Zitat nach dem Schuking (Couvreur's Übers. S. 97) und Lun-yü XX, l, 3 (Legge S. 350). s) Sung yuan hsüeh-an Kap. 50 S. 26a: — Q % ^ ft fjj ^, ^ £ 0, ^ Pf J£J #

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264

B. Die Südliche Sung-Dynastie

Hier haben wir den Theismus der alten Klassiker, welcher sich bei Konfuzianern so selten findet. Tschu Hsi hat versucht, die Quellenstellen im Schuking und Schiking, welche von einem persönlichen Gott sprechen, umzudeuten. Man soll Himmel und Erde wie Vater und Mutter verehren, denn wir lesen: „Sind Himmel und Erde nicht Vater und Mutter, und sind Vater und Mutter nicht Himmel und Erde ? Wenn man die Vorschrift, den Himmel zu verehren, nicht befolgt, so kann man bei der Verehrung der Eltern sich nicht als pietätvoller Sohn zeigen, und wenn man das Gebot, die Eltern zu verehren, nicht befolgt, dann kann man bei der Verehrung des Himmels nicht als wohlwollend gelten. Der Mensch wird vollkommen von seinen Eltern geboren und vollkommen soll er seinen Körper zurückgeben.1) Daher \rerehrt er den Himmel in derselben Weise wie seine Eltern."2) Was das Studium anbetrifft, so glaubt Tschang Tsch'i vor zwei Fehlern besonders warnen zu müssen. Manche Studierende seiner Zeit interessierten sich nur für höhere Philosophie, also namentlich Metaphysik, und vernachlässigten das elementare Wissen. Andere glaubten ganz ohne Philosophie fertig werden zu können. Von den ersteren sagte er: ,,Die Menschen geben das wahre Prinzip preis und gefallen sich in leeren Redensarten, vernachlässigen das niedere Wissen, sprechen nur immer von der höheren Erkenntnis, fegen alles der Leiblichkeit Unterworfene weg und bilden sich ein, außerhalb des Körpers zu stehen. Mir scheint das eine ziemlich große Schwäche zu sein. Es geht diesen Leuten gerade so wie denen, von denen man sagt, daß sie die Buddhisten widerlegen wollen und dabei, ehe sie sich versehen, selbst in den Buddhismus hinein geraten."3) Diejenigen Lernenden, welche glauben, sich mit der Philosophie überhaupt nicht abgeben zu brauchen, sollen Menschen gleichen, welche, um sich nicht zu verschlucken, auf das Essen verzichten wollen: „Darf man sagen, daß der Konfuzianismus keine Beachtung verdiene, weil man vielleicht von einem diebischen Konfuzianer geschädigt ist?" 4 ) Tschang gibt zu, daß es für die Studierenden nicht immer leicht ist, den Sinn der Philosophen zu verstehen. Die beiden Tsch'eng zum Beispiel hätten in ihren hinterlassenen Schriften soviel über Natur und Schicksal geschrieben, daß, je mehr sich die Studierenden darin vertieften, um so weniger sie den Sinn erfaßten. Sie dürfen sich nicht zu sehr an den Wortlaut halten, sondern müssen lange Zeit darüber nachdenken, dann werden sie es begreifen.5)

') Ibid. S. I7b= ^ H& :£ £ -^ ^ '£ -ft $: ^ $ ¥, ^ jy jg. ^ £ >t m- Ü i f ^ ^ ^ ^ J a * Ü ± i t * ^ * ^ ^ Ä t . 3r M £ ±> £ffiigff

m. z. ü m a ¥ ^· ) Vergl. dazu Tseng-tse in Gösch, alt. chin. Phil. S. 155. 2

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iff * m * rfß ja n & ^ M. ± *. ft m & * m. JE m m m H ^& _ *^. 4) A. a. O. S. 18b: £ g g £ £ ^ ^fljj$ ff fi| £ ^ pf ft, pT ^. s) Ibid. S. 22b.

III. Andere Richtungen: 2. Tsch'en Liang

265

2. Tsch'en Liang 1135—1190. Tsch'en Liang1) führte den Beinamen T'ung-fu2) und den Schriftstellernamen Lung-tsch'uan.3) Seine Heimat war Yung-k ang*) in Tschekiang. Er hatte strahlende Augen, zeigte großen Mut und war von starkem Patriotismus beseelt. Mit Tschu Hsi war er befreundet und stand mit ihm in Briefwechsel, obwohl ihre philosophischen Ansichten weit auseinandergingen. Besonders gern sprach er über das Heer, die Sitten und das Volkswohl. Als im Jahre 1163 mit den Kin ein schmählicher Frieden geschlossen wurde, waren die meisten froh darüber. Tsch'en Liang machte eine Eingabe an den Kaiser, worin er sich gegen den Frieden aussprach, und da er damit keinen Eindruck machte, zog er sich zurück, studierte, schrieb Bücher und hatte viele Schüler. 1179 machte er eine neue Eingabe, die dem Kaiser gefiel. Er wollte ihn anstellen, aber die führenden Beamten, welche keine energische Politik wagten, verhinderten es. Wegen seiner freimütigen Äußerungen erregte er bei vielen Anstoß und wurde deswegen mehrmals ins Gefängnis geworfen, aber durch die kaiserliche Gnade vor Bestrafung bewahrt. Unter Kaiser Kuang-tsung, 1190—1195, bestand er die Doktorprüfung, und wegen der treffenden Antworten, welche er bei der Palastprüfung dem Kaiser erteilte, sollte er zum Richter ernannt werden, aber er starb, 54 Jahre alt, ehe er diesen Posten antreten konnte.5) Sein Leben muß ungefähr in die Zeit von 1135 bis 1190 fallen. Tsch'en Liang schrieb ein chronologisches Werk, das San-kuo tchi-nien6), das Tsch'en Lung-tsch'uan wen-tsch'ao7) und die gesammelten Werke: Lung-tsch'uan iven-tchis) in 30 Büchern, die viel gelesen wurden. Tsch'en Liang und seine Schule beschäftigten sich nur mit Staatswissenschaft und Realpolitik. Durch Geschichtsstudien suchten sie die Gründe für den Aufstieg und den Untergang der Völker zu erkennen. Metaphysik hielten sie für leeres Gerede, ohne jeden Nutzen. Sie verstanden sie nicht und wollten sie auch nicht verstehen. Jedesmal, wenn Tsch'en jemand traf, der sich über die menschliche Natur und das Schicksal unterhielt, machte er sich darüber lustig und nannte es „Müll".9) Die Philosophie von Tsch'eng und Tschu bekämpfte er heftig. Von den Philosophen schätzte er besonders den Wang T'ung,l) von dem er meinte, daß er nach Meng-tse die Lehre des K'ung-tse am treusten bewahrt habe. Diese Richtung wurde als die Tschekiang- oder die ung-tchia11)-Schule bezeichnet. Yung-tchia war die Heimat des Yeh Schi,12) des zweiten Hauptvertreters dieser Richtung. Tschu Hsi sagt, die Yung-tchia-Schule begeistere sich besonders für Wang T'ung. K'ung-tse sei ihnen zu hoch, deshalb begnügten sie sich mit einem Kleinen.

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B. Die Südliche Sung-Dynastie

Sie wagten nicht, den T^ai-schan zu besteigen, darum kletterten sie auf einen kleinen Erdhügel. Weiter erklärt er, die Yung-tchia-Schale habe weder Kopf noch Schwanz ; er wirft ihnen vor, sie hätten keine Ontologie, keine Metaphysik, überhaupt keine wissenschaftliche Grundlage. T schien Liang seinerseits schilt auf die verkommenen Konfuzianer. Sie kennten nur die himmlische Vernunft und menschlichen Begierden und nähmen bei Beurteilung der politischen Verhältnisse auf Zeit und Umstände, auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Umgestaltungen keine Rücksicht. Die himmlische Vernunft und menschliche Begierden könnten nebeneinander existieren und sowohl die Prinzipien der weisen Herrscher als auch die der Gewaltherrscher sich je nach den Umständen zur Anwendung bringen lassen.1) Tsch'en meint, die drei Dynastien hätten nicht immer der himmlischen Vernunft gemäß nur nach den Geboten der Gerechtigkeit gehandelt und die Han- und T'angr-Dynastien sich nicht nur durch ihre Begierden und die Rücksicht auf ihren Vorteil leiten lassen. Zu allen Zeiten seien bald gute, bald schlechte Motive die Triebfedern des Handelns der Regierenden gewesen. Über die Philosophen seiner Zeit äußert sich Tsch'en Liang sehr deutlich in einem Briefe an Tschu Hsi: „Die Gelehrten der Zeit betrachten ihren Geist in seiner immateriellen Gestalt und meinen, das sei etwas Hervorragendes und eine wirkliche Erkenntnis. Wenn sie nur an der Oberfläche haften bleiben, so ist das Resultat nicht viel mehr als ein dürres Stück Holz oder ausgebrannte Asche, und wenn sie tiefer gehen, was wissen sie da von Tao, das sie nach allen Regeln der Kunst ganz erforscht haben wollen ? Sie schwimmen mitten in einem Strom, ohne festen Grund zu finden, und dabei behaupten sie, etwas Rechtes entdeckt zu haben. Ist das nicht beklagenswert?"2) Seinen Zeitgenossen macht Tsch'en ihren Mangel an Patriotismus und ihre politische Gleichgültigkeit zum Vorwurf, denn, als die Barbaren in China einfielen und den ganzen Norden erobert hatten, philosophierten sie über Tao und Te und die Menschennatur und dachten nicht daran, Haus und Hof zu verteidigen.

3. Lü Tsu-tch'ien 1137—1181. Lü Tsu-tch'ien3) (T. Po-kung, H. Tung-lai)*), war mit Tschu Hsi und auch mit Tschang Tsch'i eng befreundet. Er stammte aus Wu-tschou = Tchin-hua5) in !) Watanabe III, 101.

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^ Tung-lai lebte Lü eine Zeitlang.

III. Andere Richtungen: 3. Lü Tsu-tch'ieii

267

Tschekiang1). In seiner Jugend war er sehr engherzig, er machte aber durch die Lektüre des Lun-yü eine Wandlung durch. Sein Interesse galt mehr der Geschichte als der Philosophie. Sein Charakter war sehr friedfertig und gleichmütig. Zuerst zum Professor der Akademie2) ernannt, wurde er später Historiograph. Als solcher veröffentlichte er sein Hauptwerk, das Huang-tschau wen-tchien,s) historische Dokumente der Sung-Zeit, 150 Kapitel und das Ta-schi tchi,*) historische Kritiken in 12 Kapiteln. Außerdem schrieb er noch andere historische Abhandlungen und Erklärungen zu den Klassikern. Seine gesammelten literarischen Werke5) umfassen 40 Kapitel. Im Jahre 1175 besuchte Lü den Tschu Hsi und blieb zehn Tage bei ihm. Beide lasen die Werke der älteren iSwwgr-Philosophen. Um den Studenten das Studium zu erleichtern, kompilierten sie daraus gemeinsam das Tchin-sse lu in 14 Kapiteln und 632 Abschnitten mit Erläuterungen.6) Lü Tsu-tchfien vermittelte auch die Zusammenkunft des Tschu Hsi mit seinem Gegner Lu Tchiu-yuan in O-huJ) In seinen Ansichten stimmte er mit Tschu Hsi nur teilweise überein, die Schriften des Lu Tchiu-yuan gefielen ihm sehr, und er versuchte zwischen beiden einen Ausgleich zu schaffen. Dem Tsch'eng Hao und Lu Tchiu-yuan stand er näher als dem Tschu Hsi. Dieser urteilt über die Leistungen seines Freundes gar nicht sehr günstig. Er schätzt ihn als Historiker, aber er sagt doch von seinem großen historischen Werk, daß es etwas sorglos gearbeitet sei, und daß die darin enthaltenen Ansichten nicht sehr tief wären. Von den Klassikern verstände er nicht viel, sei auch kein besonders guter Philologe und nicht sehr sorgfältig in der Wahl seiner Ausdrücke.8) Beide haben über die Bedeutung des Sse-ma Tch'ien lebhaft gestritten. Lü hielt ihn für den bedeutendsten Schriftsteller der HanZeit, Tschu-tse teilte die Ansicht des Su Tsche, des Verfassers des Ku-schi,3) daß Sse-ma Tch'ien seicht, ohne Wissen, oberflächlich und leichtgläubig sei, eine Meinung, welche Lü Tung-l-ai mit Entrüstung bekämpfte.10) Man rechnet die Schule des Lü Tung-lai, welche im 13. Jahrhundert neben denen des Tschu Hsi und Lu Hsiang-schan bestand, zu dem Yung-tchia-Zweig von Ost-Tschekiang.11) Nach seinem Tode erhielt Lü Tsu-tchfien zuerst den posthumen Ehrennamen Tsch'eng-li, der später in Tschung-liang geändert wurde.12) Tschu Hsi schrieb für seinen Freund, dessen frühen Tod er sehr beklagte, die Leichenrede. Mit Metaphysik hat sich Lü nicht viel abgegeben, als Historiker interessierte ihn mehr die praktische Philosophie. Von der Allmacht des menschlichen Geistes ') So die Biographie im Sung-schi Kap. 434 S. 2a, Li-hsüeh tsung tschuan Kap. 16 S. 24a, Hsieh Diet, nennt Kuei-lin 2 Wu-liang V, 74. Giles Biogr. 3 4 fu in Kuangsi als Heimat. 5

) Siehe ± ^oben t? ±.S. 167.

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') Siehe S. 197 Anm. 2. Vergl. Bruce I, 74. Hsing-li ta-tctiüan Kap. 42 S. 1. ·) Vergl. S. 148. Hsing-li ta-tch'üan loc. cit. S. 2a. Hsieh Wu-liang V, 74:ffijfc fr £ £ flg. U) ft m, & £·

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B. Die Südliche Sung-Dynastie

scheint er überzeugt zu sein, denn ein Ausspruch lautet: „Meine Natur ist eigentlich mit der von Himmel und Erde gleich, und mein Körper ist ebenfalls mit dem von Himmel und Erde gleich, aber ich weiß mich selbst nicht zu schätzen und strebe nach Ehren und Reichtümern."1) Das klingt ganz nach der Lu Hsiangsc^cm-Schule. Von der Erforschung der Dinge, auf welche Tschu Hsi so großes Gewicht legt, sagt er: „Das verborgene Wesen von Bäumen und Pflanzen und ihre verschiedene Verwendbarkeit als Gebrauchsgegenstände, das ist das Prinzip der Dinge. Man erforscht das Prinzip, wodurch sie Bäume und Pflanzen sind und benutzt werden können und bewahrt es im Geiste. Wenn man es dann plötzlich versteht, so nennt man das Erforschung der Dinge."2) Man wird kaum zugeben, daß der Gebrauchswert der Dinge etwas mit ihrem Wesen zu tun hat. Lü Tsu-tch(ien bemängelt, daß von manchen gute Handlungen als Tugend bezeichnet würden. Das sei falsch, denn Tugend ist nur eine Gesinnung, die man in sich hat, und die sich nur in Handlungen äußert: „Die höchste Tugend hat in Tao ihren Grund und ist etwas ganz Vorzügliches."3) Über das Studium äußert Lü einige gute Gedanken. „Die Schüler", sagt er, „welche in kluger Weise nach dem Wissen fragen und ein ausgezeichnetes Gedächtnis haben, verdienen keine besondere Achtung, wohl aber diejenigen, welche selbst denken und forschen."4) „Manche Menschen haben zwanzig bis dreißig Jahre die Worte der Heiligen studiert, und wenn dann eines Tages irgend ein Ereignis eintritt, so handeln sie nicht anders als die Menschen auf der Straße. Oder, nachdem sie einen ehrenwerten Mann haben reden hören, sind sie imstande, ihr ganzes Leben danach zu handeln. Sind die Ermahnungen des ehrenwerten Mannes mehr wert als die sechs Klassiker ? Es kommt nur daher, daß jene niemals bemerkt haben, daß das Gelesene sich auch anwenden läßt."5) Es genügt nicht, daß man sich an den schönen Worten der Weisen erfreut, sie billigt und bewundert, man soll auch danach handeln: „Wen man Wissen besitzt, so muß man auch den Weg kennen, und wenn man ihn wandelt, auch Fortschritte machen. Wenn man glaubt, daß das bloße Wissen genüge, dann handelt man wie die Buddhisten, von denen es heißt, daß sie mit einem Sprung den Zustand des Taihägata erreichen können."6) ') Sung-yuanhsüeh-an Kap. 51 S. 4a: g £

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III. Andere Richtungen: 4. Yeh Schi

269

„Falls man beim Handeln sein Ziel nicht erreicht, so muß man den Grund bei sich selbst suchen und nicht andere dafür verantwortlich machen."1) Lü Tsu-tchfien hat eine hohe Meinung von der Bedeutung der Historiker, denn er sagt, daß die Historiographien die Wage für Recht und Unrecht während vieler tausend Generationen seien,2) aber er ordnet sie doch den alten Weisen unter, indem er schreibt: „Wenn man mehr in Ruhe als in Bewegung ist, mehr nachfolgt als vorwärts drängt, mehr hegt und pflegt als erklärt und redet, mehr die Klassiker liest als die Historiker, wenn man sich in dieser Weise ausbildet, so kann man das lange und mit großem Erfolg durchführen."3)

4. Yeh Schi 1150—1223. Yeh Schi*) (T. Tscheng-tse und Tch(ing-i, H. Schui-hsin)5) war das Haupt der Yung-tchia-Schule. Er war aus Yung-tchia6) in Tschekiang und führte auch den Namen seiner Heimat als Schriftstellernamen neben Schui-hsin. Im Jahre 1178 promovierte er zum Doktor und bekleidete darauf viele hohe Ämter in der Hauptstadt und in den Provinzen. Er war ein gerader Charakter, sehr tatkräftig und mit viel praktischer Erfahrung und auch technischen Kenntnissen. Als er zum Richter in Tschekiang ernannt war, folgten ihm viele Gelehrte, um Verwaltung von ihm zu lernen.7) Er verteidigte Tschu Hai gegen die Anklage des Lin Lis) und reichte dem Kaiser seine Verteidigungsschrift ein. Wegen angeblicher Verleumdung des Tsch'eng-tse und des Tschu Hsi wurde er selbst angeklagt, aber freigesprochen. 1194 war er an dem Komplott zur Absetzung des Kaisers Kuang-tsung und bei der Thronbesteigung Ning-tsung's an der Regierung beteiligt. Im Jahre 1206 und in den folgenden Jahren hatte er militärische Funktionen auszuüben, er schlug die Einfalle der -Tartaren zurück. In den Tälern des Yang-tse und des Huai ließ er Militärstationen mit Wachttürmen anlegen und veranlaßte die Bewohner, welche geflohen waren, zu ihren Wohnsitzen zurückzukehren. Er starb 1223, 73 Jahre alt,9) und wurde als Tschung-ting10) kanonisiert. Yeh Schi's Hauptwerke sind dasHsi-hsüehtchi-yen,11) 50 Kapitel, welches seine Philosophie enthält, die literarischen Werke: Schui-hsin wen-tchi,iz) 28 Kapitel und eine weitere Sammlung Pieh-tchi,13) 16 Kapitel. Yeh Schui-hsin verwirft alle Metaphysik und betrachtet sie als leere Theorie und eitles Gerede ohne jeden praktischen Wert. Er hält es für ein großes Un-

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B. Die Südliche Sung-Dynastie

glück, wenn die Gelehrten sich nicht auf die alten Quellen verlassen und mit ihren eigenen mangelhaften Gedanken neue Normen aufstellen wollen. Daher greift er TscJiu Ilsi und seine Anhänger leidenschaftlich an, obgleich er mit Tschu Hsi selbst sehr gut stand. In der Bewertung der alten Quellen ist er äußerst kritisch und bezweifelt die Echtheit von sehr vielen. Seine Einwendungen sind sehr oft begründet, besonders wenn er sich gegen die Interpretation alter Textstellen in den Klassikern wendet, worauf die (Swwgr-Philosophen ihre Theorien stützen. Für uns ist es ziemlich gleichgültig, ob diese Theorien sich auf alte Quellen stützen lassen, wenn sie an sich gut sind, aber für einen orthodoxen Konfuzianer bricht eine Theorie zusammen, wenn sie im Gegensatz zu den Aussprüohen der alten Weisen steht. eh Schi bezweifelt, daß Kuan-tse von Kuan Tschung, das Tschung-yung von Tse Sse und das Kuo-yu von Tso Tch'iu-ming stammen. Die wahre Lehre des Konfuzius soll weder von Tseng-tse, Tse Sse, Meng-tse oder Hsün-tse überliefert sein. Ganz besonders nimmt Yeh Anstoß an dem Begriff des Urprinzips, den K'ung-tse noch gar nicht gekannt haben soll, aber auch Lao-tse, der Vater der Leere und des Nichtseins und Tschuang-tse und Lieh-tse, welche so viele neue Ausdrücke erfanden, kannten ihn noch nicht. Er taucht zum ersten Male in dem großen iking-Kommentar, Hsi-ts'e,1) auf, welchen man unberechtigterweise dem K'ung-tse zugeschrieben habe, obwohl er gar nicht von ihm verfaßt sei :2) „Der Yiking-Kommentator wollte das Wesen des Heiligen ergründen und eine Lehre für alle Generationen aufstellen und schuf deshalb den Ausdruck Urprinzip, wodurch er auf die später Studierenden einen großen Eindruck machte. Sie wurden so dadurch begeistert, daß sie ihn annahmen, aber sie verloren die Bedeutung, so daß sie immer mehr sich von Tao entfernten."3) K'ung-tse, behauptet Yeh, hat beim Wissen nicht zwischen äußerem und innerem geschieden. Mit Hsün-tse fängt schon das unglückselige Spezialistentum an, er legt zuviel Gewicht auf die Sitte und verachtet Schiking und Schuking. Falsch ist es auch, mit Yang Hsiung verschiedene Stufen des Wissens zu unterscheiden: „Die Verkehrtheiten der modernen Gelehrten sind noch größer. Sie behaupten, das Wissen käme nur von innen, nicht von außen4), und bilden sich ein, daß man durch einen Gedanken ein Heiliger und Weiser werden könne. Sie wissen nicht, daß man das Unkraut im Geiste nicht einfach für gutes Korn ausgeben kann."5) Die Gelehrten sollten sich mit den Aussprüchen der klassischen Schriften begnügen. Wozu reden sie vom Urprinzip des Nichtseins, von Ruhe und Bewegung, 2

) Vergl. Gesch. alt. chin. Phil. S. 10 und 170. ') Sung-yuan hsüeh-an Kap. 54 S. 18b: -ff %, % $f # ^ Jg ^ Das ist das angeborene Wissen des Lu Hsiang-schan. Sung-yuan hsüeh-an Kap. 54 S. 49b: j£ flt >

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III. Andere Richtungen: 4. Yeh Schi

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vom männlichen und weiblichen Prinzip, Reinheit und Leere usw., wodurch nur die Köpfe verwirrt werden ? Das Unglück kommt von dem großen Kommentar des Yiking, wodurch der Sinn dieses Klassikers verdunkelt ist:1) „Das geheime Prinzip von Himmel und Erde, Yin und Yang hat besonders darunter zu leiden, daß die Menschen mit leeren Worten darüber philosophieren."2) Wie gegen alle konfuzianischen Philosophen wendet sich Yeh Schui-hsin auch gegen Taoisten und Buddhisten. Den Besuch K'ung-tse's bei Lao-tse, der im Li-ki und im Schi-tchi überliefert ist, hält er für eine Erfindung der Taoisten, welche dadurch den Aussprüchen ihres Meisters mehr Gewicht geben wollten, womit er recht hat.3) Von Lao-tse sagt er, daß abgesehen von seiner Mystik sein Werk ganz vernünftig sei und einfache und feste Grundsätze habe. Seine Nachfolger Lieh-tse und Tschuang-tse sind viel phantastischer und haben die haltlosesten Prinzipien aufgestellt, welche „den Himmel ärgern und die Menschen betören" müssen.4) Die metaphysischen Spekulationen des Lao-tse sind nach Yeh's Dafürhalten zum größten Teil falsch und in sich widerspruchsvoll. Das wird an einzelnen Sätzen nachgewiesen. Lao-tse hat in seinen Erörterungen über Tao aus Fülle Leere, aus Sein Nichtsein, aus Weichheit Härte, aus Schwäche Stärke gemacht. Da Yao, Schun und die Heiligen der drei Dynastien nichts derartiges gelehrt' haben, so schob er sie beiseite und wollte dafür seine Gedanken der Welt mitteilen: „Wenn dieser Mann Lao Tan, der Archivar, war, dann hat er durch ketzerische Lehren die Satzungen der königlichen Regierung zu verwirren gesucht, wofür die Todesstrafe kaum die genügende Sühne wäre. Wenn es aber nicht Lao Tan, sondern irgendein in der Einsamkeit lebender Gelehrter war,5) der die Zeit des Verfalls der königlichen Regierung benutzte, um seine haltlosen, durch keine Autoritäten gestützten Ideen vorzubringen und seine seltsamen, durch nichts begründeten Ansichten auszusprechen, so genügt, wenn die Gelehrten ihm weiter keine Beachtung schenken. Statt dessen neigen sie das Haupt und lauschen seinen Worten."6) Weiter heißt es: „Die Taoisten suchen die Menschen mit Bedürfnislosigkeit zu regieren. Ihre Ansicht, daß man vor allem durch Sparsamkeit siege, ist verkehrt. Obgleich man bei Beginn der Hirn-Dynastie durch Anwendung dieses Grundsatzes China in den Zustand der Barbarei versetzt hat, gelang es doch noch nicht, es ganz zu vernichten.7) Buddha stellt die Vernichtung als seinen Hauptzweck hin. Seine Lehre führt notwendig zum Untergang, was ihm keineswegs ') ) 4 ) 5 ) «) 3

Eod. S. 24b. ") Eod. S. 46a: ? ifc |£ |ü £ & , fi £ Ja £ ff & Vorgl. Gösch, alt. chin. Phil. S. 251. Sung-yuan hsüeh-an Kap. 54 S. 32. Yeh Schi ist über die Persönlichkeit des Lao-tse in Zweifel. Sung-yuan hsüeh-an a. a. O. S. 34a: !,| Pf, {£ Ä $ Ü £ ± ig m,fl'J$t

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B. Die Südliche Sung-Dynastie

leid tut, denn er lehrt, daß es so sein müsse. Kaiser Liang Wu-ti in seiner Verblendung machte davon Gebrauch, setzte seine eigene Person ein1) und hatte keinen Erfolg. Unter den T'ang wurden später Verordnungen erlassen, welche noch tiefer standen und direkt erklärten, daß durch Befolgung der Vorschriften (der Buddhisten) man Glück und Vorteil erlangen würde, ein beklagenswerter Irrtum!"2) Der ganze Rassenhochmut des Chinesen kommt in folgenden Worten zum Ausdruck: „Die Wissenschaft Chinas braucht nicht von den Barbaren geändert zu werden. Wenn sie dadurch geändert wird und durch Anlehnung an die fremden Lehren immer mehr herabkommt, dann wird ein Zusammenbruch eintreten und das Unterste zu oberst gekehrt werden, so daß keiner mehr ein und aus weiß."3) Das ist keine Kritik mehr, sondern nur Stimmung. Wie Yeh Schi über die Philosophie seiner eigenen Zeit urteilt, geht aus folgenden Ausführungen hervor: „Später kam der Buddhismus zum Vorschein, aus dessen Umgestaltung die Dhyäna-I^ehTe entstand. Diejenigen, welche ihre Aüssprüche liebten, fanden, daß sie mit K'ung-tse übereinstimmten. Sie nahmen auch die „zehn Flügel"4) und entdeckten darin Ähnlichkeiten, weshalb man ihnen den Beinamen konfuzianische Buddhisten gab. Während der Friedensjahre unserer Dynastie entfaltete sich die Dhyäna-Lehie ganz besonders. Die erhabensten Geister wollten demgegenüber unsere eigenen Anschauungen entwickeln und jene damit überwinden. So treten Tschou-tse, Tschang-tse und die beiden Tsch'eng auf, welche selbst erklärten, daß sie sich lange mit Buddhismus und Taoismus abgegeben hätten. Weiter behaupteten sie, daß in unserer Lehre schon alles enthalten sei. So kamen sie zu dem Prinzip des Nichtseins und dem Urprinzip, Bewegung und Ruhe, Männlichem und Weiblichem, der großen Harmonie, der Vermischung der beiden Modi, Körper und Fluidum, Konzentration und Zerstreuung, den schaffenden Kräften, Erregung und Durchdringung. Es gab alles im Inland und nichts kam von außen. Man brauchte nicht in die Lehren von Yao und Schun einzudringen, für alles fand man die Anfänge in den „zehn Flügeln". Das hielt man für die nationale Lehre und nicht für eine fremde.5) *) Der Kaiser wurde selbst Buddhist. ·) Sun-yuan hsüeh-an a. a. O. S. 49a: Jf SE » » ±

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III. Andere Richtungen: 4. Yeh Schi

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Um die Jugend zu unterweisen, stellte man die neuen Aussprüche und selt.samen Ansichten des Tse Sse und Meng-tse in das rechte Licht und suchte auf jede Weise dem Buddhismus die Spitze abzubrechen und zu zeigen, daß unsere eigeneLehre so sei. Dabei beachtete man nicht, daß die „zehnFlügel" gar nicht von K'ung-tse verfaßt sind, so daß der Ursprung dieser Lehre noch im Dunkel ist. Man sah nicht ein, daß die Lehre der Barbaren im Grunde von der chinesischen verschieden ist, und hat sie nur durch die neuen Aussprüche und seltsamen Ansichten zu entkräften gesucht. Die Irrtümer des Tse Sse und des Meng-tse haben dabei vorangeleuchtet. Fan Yü sagt in seinem Vorwort zum Tscheng-meng,1) daß dies Werk in den sechs Klassikern nicht enthalten sei. Wenn man mit dem, was der Heilige nicht gesagt hat, Buddha und Lao-tse bekämpfen will, so ist das nicht anders, als wenn man eine Krankheit als Heilmittel betrachtet und Räubern und Banditen einen Schutzw^ll baut. Kann man sie dadurch abwehren ? Ach ! ist die Lehre wirklich mit Meng-tse abgeschnitten, oder ist sie von da noch weiter fortgepflanzt ? 2 ) K'ung-tse spricht vom Lernen und von beständiger Übung,3) aber man hat aufgehört und übt sich nicht mehr."4) Es ist zweifellos richtig, daß der Buddhismus als Sauerteig in der chinesischen Philosophie gewirkt hat, aber der Neukonfuzianismus ist nicht nur als eine Abwehr gegen die fremde Lehre aufzufassen. Man empfand die Notwendigkeit, eine Metaphysik und Naturlehre, wozu im alten Konfuzianismus nur schwache Ansätze vorhanden sind, zu schaffen. Damit ging man weit über K'ung-tse hinaus, von den neuen Ideen wußte dieser noch nichts. Diese Feststellung des Yeh Schi entspricht den Tatsachen, aber die iSWgr-Philosophen konnten es nicht zugestehen, daß der Heilige nicht schon im Besitz der vollen Wahrheit gewesen sei, daher ihre Versuche, ihre eigenen Gedanken durch die Yiking -Kommentare, das Tschung-yung und Meng-tse auf K(ung-tse zurückzuführen. Für uns verlieren sie nichts von ihrem Wert, wenn der Meister sie noch nicht gekannt hat, im Gegenteil, sie gewinnen dadurch, und ihre Urheber sind echte Philosophen und nicht bloße Nachbeter, aber der orthodoxe konfuzianische Standpunkt ist anders. Es gibt keine Wahrheit, die nicht das Placet des Konfuzius oder eines ihm gleichstehenden Heiligen des Altertums hat. Yeh Schi ist ein außerordentlich kritischer Geist, aber seine Kritik ist eigentlich nur destruktiv, nicht aufbauend, fast die ganze chinesische Philosophie fällt ihr zum Opfer. Nur vor Konfuzius und den Weisen der ältesten Zeit macht er ') Siehe S. 58. ) Yeh ist für die erste Alternative und erkennt schon Meng-tse nicht mehr an. 3 ) Lun-yü l, 1. 2

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274

B. Die Südliche Sung-Dynastie

Halt. Zu ihnen will er zurückkehren. Außer den Werken des Konfuzius schätzt er besonders das Schuking und Tschou-li. Die Philosophie der Sung-Zeit hält er für eitel Trug. Die Alten sollen nur das Wohl und das Glück des Volkes im Auge gehabt und durch Sitte und Musik an seiner Bildung gearbeitet haben. Die Läuterung des Herzens durch Maßhalten und Eintracht genügt ihm. Die Lehre vom Geist, wie sie Tse Sse und Meng-tse aufgebracht haben, erscheint ihm schon als abwegig.1) Yeh Schi macht es wie andere radikale Denker. Nachdem er durch seine Kritik die ganze Wissenschaft vernichtet hat, nimmt er zum Glauben seine Zuflucht. Was K'ung-tse und die Heiligen vor ihm gesagt haben, ist für ihn sakrosankt, und er denkt nicht daran, auch darauf seine Kritik anzuwenden. So steht er vor uns als ein hervorragender Kritiker und als ein Ultrareaktionär. Seine Kritik der $wn Λ ^ ±

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III. Andere Richtungen: 5. T'sai Tsch'en

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Wesenheiten erklärt: „Wenn man den Zahlen folgt",sagt er, „soweiß man, woraus die Dinge entstehen, wenn man sich dagegen wendet, dann weiß man, wodurch die Dinge enden.1) Die Zahlen und die Dinge sind nicht zwei verschiedene Wesenheiten und Anfang und Ende nicht zwei verschiedene Ziele.... Wenn man die Zahlen kennt, dann kennt man die Dinge, und wenn man den Anfang kennt, dann kennt man das Ende. Die Zahlen und die Dinge gehen fort ohne Aufhören,2) was ist der Anfang und was ist das Ende ?"3) Ta'ai Tsch'en versteht unter den Zahlen die zählbaren Dinge und die mit Zahlen bezeichneten Gruppen und Reihenfolgen von Dingen. Alle Zahlen sind aus der Eins entstanden: „In der düsteren Unendlichkeit, ehe es Formen und Gestalten gab, ist der Ursprung der Zahl. Als die Potenzen und Gestaltungen entstanden, teilte sich die Eins und es entstand die Zwei. Das ist die Teilung der Zahlen. Sonne, Mond, Sterne, Ätherräume hingen von oben herab. Höhen, Berge, Flüsse, Seen breiteten sich unten aus. Dadurch traten die Zahlen in die Erscheinung. Die vier Jahreszeiten bewegten sich abwechselnd, und die fünf Fluida4) ergossen sich nacheinander."5) Es wurden dann die fünf menschlichen Beziehungen aufgestellt, der Himmel wurde in neun Regionen, die Erde in neun Provinzen eingeteilt und noch andere Einteilungen mit der Zahl 9 wurden durchgeführt. Zur Zeit des Chaos gab es nur eine Einheit, das Urprinzip. Aus dieser Eins entstand die Zweiheit, Yin und Yang, die beiden Potenzen. Diese zerteilten sich in die vier Gestaltungen, weiter entstanden die vier Jahreszeiten, die fünf Fluida, die fünf Elemente und so weiter andere Gruppen von 6, 7, 8, 9 Dingen und die übrigen Zahlen. „Ohne eins können zwei nicht entstehen, und ohne zwei kann eins nicht verwirklicht werden. Zwei lassen sich verstehen, aber eins ist schwer faßlich; zwei lassen sich sehen, aber eins ist schwer wahrzunehmen. Das Faßliche und Wahrnehmbare ist die Substanz, das schwer Faßbare und schwer Wahrnehmbare ist das Unsichtbare."6) Dieser Ausspruch sagt nichts über den Begriff der Eins und der Zwei aus, sondern ist rein ontologisch. Die Eins ist das rationale Prinzip, 1

) Die Zahlen haften an den Dingen und sind für ihre Existenz notwendig. Derselben beraubt würden sie zugrunde gehen. Die Zahlen sind nur der Ausdruck für die Absonderung der Dinge aus der ursprünglichen Einheit, dem Chaos oder dem Urprinzip. Ohne solche Absonderung gäbe es keine Einzeldinge. 2 ) Die Dinge und mit ihnen dio Zahlen sind in einer beständigen Wandlung begriffen. Das Ende kehrt wieder zum Anfang zurück, so daß sich zwischen beiden schwer scheiden läßt. 3) Sung-yuan hsüeh-an Kap. 67 S. 15a: fl|ff & glj £D % £ gf #, $ ffc fllj fr tfo £

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B. Die Südliche SungJDynastie

etwas Geistiges, Immaterielles, daher nicht mit den Sinnen wahrnehmbar. Sie kann nur erkannt werden durch einen Rückschluß von den beiden Potenzen oder Ursubstanzen aus, welche wir wahrnehmen, wenigstens in ihren Äußerungen wie z. B. in Himmel und Erde, Sonne und Mond, Hitze und Kälte. Die Zahlen entstehen unabhängig vom Menschen mit den Dingen, denn soviele es deren gibt, soviel Zahlen gibt es, aber der Mensch schafft sie im Geiste nach. Daher heißt es: , ,Die Zahlen sind von den Menschen geschaffen, und sie werden von den Menschen vollendet. Wenn die Dinge alle in mir vorhanden sind, dann nehme ich mir selbst alle Zahlen."1) Nur Menschen über dem Durchschnitt sollen mit Zahlen umgehen können. Der Weise bringt die Zahlen nach den Prinzipien hervor und lehrt die Menschheit, welche mit ihrer Hilfe die Prinzipien zu verstehen lernt.2) „Die Dinge haben ihre Normen; die Zahlen umfassen alle Normen der Dinge der Welt. Die Handlungen haben ihre Prinzipien, und die Zahlen umfassen alle Prinzipien der Handlungen in der Welt."3) Wer die Zahlen nicht kennt, kennt daher auch das Gute nicht. „Deshalb prüft man, wenn Ruhe herrscht, die unverändert bleibenden Zahlen, und so durchschaut man die Gründe der Welt. Bei der Bewegung beachtet man die Verwandlung der Zahlen und erfaßt so die feinsten Impulse."4) Man muß zugestehen, daß die Zahlen ein außerordentlich wichtiges Hilfsmittel zur Erlangung von Erkenntnis sind. Die Mathematiker, Astronomen, Physiker, Chemiker errechnen ihre Entdeckungen, aber die Zahlen allein reichen doch nicht aus, wie Tsfai Tchiu-feng anzunehmen scheint, es muß noch das Denken, die Theorie hinzukommen und das ist das Wichtigste. Weiter heißt es: „Wenn Menschen die Zahlen der Körper kennen, so kennen sie nicht die Zahlen desFluidums. Wenn sie dieZahlen desFluidums kennen, so wissen sie nicht dieZahlen des rationalen Prinzips. Diejenigen, welche auch diese Zahlen kennen, sind sehr wenige."5) Wir kennen heute auch die Zahlen des Fluidums, nämlich der Moleküle, Atome und Elektrone, welche die Chinesen noch nicht kannten, aber auch heute gibt es niemand, der die Zahlen des rationalen Prinzips angeben könnte. Wenn man auch die Existenz eines Weltgeistes als eine Einheit annimmt, so hat man doch keine Vorstellung von den Einzelheiten seines Wesens, weiß man nicht einmal, ob solche Einzelheiten überhaupt vorhanden sind, daher versagen die Zahlen auch diesem Problem gegenüber, es läßt sich nicht errechnen. ') Sur^-yuan hsüeh-an Kap. 67 S. 17a: tfc & &2S & ± & .

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III. Andere Richtungen: 5. T'sai Tsch'en

279

Die Zahlen sollen die Reihenfolge der menschlichen Tugenden und Beziehungen ordnen, und ohne diese Reihenfolge w rden diese Tugenden, meint Ts'ai, zugrunde gehen.1) Die Chinesen haben allerdings eine bestimmte Anzahl von Tugenden angenommen und sie in einer bestimmten Reihenfolge geordnet, aber die wirklich vorhandenen Tugenden werden von dieser ganz willk rlichen Festsetzung gar nicht ber hrt. ber das Wesen und die Eigent mlichkeiten der Zahlen hat Ts'ai Tsch'en manche Gedanken ge u ert, die nicht immer ohne weiteres verst ndlich sind. Wir erfahren: „l ist der Anfang der Zahlen, 9 das Ende der Zahlen.2) l wandelt sich nicht, 9 ist der Abschlu der Wandlungen.3) 3, 5, 7 wandern sich und sind ungerade, 2, 4, 6, 8 wandeln sich und sind gerade.4) Wenn man gerade Zahlen verwandelt,5) so gelangt man nie zu einer ungeraden Zahl und wenn man ungerade verwandelt, so kann man dadurch nicht alle Dinge anschlie en.6) Nur bei der Zahl 9 vereinigen sich gerade und ungerade und schlie en sich mehr oder weniger zusammen.(?)" 7 ) Die Zahl 9 spielt eine wichtige Rolle. Die Zahlen schlie en damit ab, 10 ist eine Verwandlung von l, 100 eine Verwandlung von 10, 1000 eine Verwandlung von 100 usw.8) „9 ist die Zahl der Erschaffung, 10 die Zahl der Vollendung."9) ,,1 ist der Ahn der 9 und 9 der Vorfahr der 8l."10) Die Entwicklung der Zahlen beginnt mit l und geht fort zu 9, 81 bis 6561 = 8l 2 = 94. 81 ist die kleine, 6661 die gro e Vollendung. Alle Wandlungen der Welt von der ltesten Zeit bis jetzt sollen in der gro en Zahl enthalten sein.11) Zwischen den einfachen Zahlen und den beiden Fluida findet unser Philosoph folgende Beziehungen: ,,1 ist der (in sich zur ckkehrende) Kreislauf der Zahlen, ist die Umdrehung eines Jahres. 9 ist die Multiplikation der Zahl, 8 die Zerteilung in Abschnitte.12) 1x1 ist der Anfang des Yang, 5x5 das Hervorkommen des Yin, 3x3 die Mitte des Yang, 7 x 7 die Mitte des Yin, 2 x 2 das Anwachsen des Yang, 4 x 4 die Erstarkung des Yang und 5 das Ende des Yang. 6 χ 6 ist das Anwachsen des Yin, 8x8 das Erstarken des Yin und 9 das Ende des Yin."13) Das Anwachsen der beiden Fluida wird also symbolisiert durch die Zahlen: *) 4 ) 5 ) *) ')

3 Ibid. S. 12a. ") Das Ende der Einer. ) Die Wandlungen der Einer. Die fortschreitenden Reihen der geraden und ungeraden Zahlen. In den fortschreitenden Reihen. Die Dinge mit graden Zahlen werden nicht erfa t. Sung-yuan hs eh-an loc. cit. S. 15a: — ^ ffc £ ]fe ^ ^ -g $r £ ^ ^ _ % ^

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280

B. Die Südliche Sung-Dynastie

Yang:

Yin:

1 x 1 = l Hervorkommen 5 x 5 = 25 Hervorkommen 2 x 2 = 4 Anwachsen 6 x 6 = 36 Anwachsen 3 x 3 = 9 Mitte 7 x 7 = 49 Mitte 4 x 4 = 16 Erstarken 8 x 8 = 64 Erstarken 5 Ende 9 Ende Mit den fünf Elementen werden einfach die fünf ersten Zahlen verbunden und zwar in folgender Reihenfolge: „l ist das Wasser und die Nieren. Seine Tugend ist das Wissen. 2 ist das Feuer und das Herz. Seine Tugend ist die Sitte. 3 ist das Holz und die Leber. Seine Tugend ist das Wohlwollen. 4 ist das Metall und die Lunge. Seine Tugend ist die Gerechtigkeit. 5 ist die Erde und die Milz. Seine Tugend ist die Treue."1) Schließlich wußte Ts'ai Tsch'en mit den Zahlen doch nichts Besseres anzufangen, als sie zum Wahrsagen zu benutzen. Den Schluß seines Werkes bilden 81 Tabellen, jede mit einem Schlagwort und einer Zahl von 11 bis 99, wobei aber alle Zehner: 20, 30, 40 usw. wegfallen. Diese Tabellen scheinen zum Wahrsagen bestimmt zu sein. Jedes Schlagwort wird von einem Spruch begleitet, in welchem Glück und Unglück angegeben ist. An jedes Schlagwort schließt sich eine Tabelle mit 9 stereotypen Worten, welche Glück oder Unglück anzeigen, mit Zahlen von l bis 9 in 9 Doppelreihen. Diese Zahlenreihen scheinen die Hexagramme zu ersetzen. Ts'ai's Spekulationen erinnern etwas an die der Pythagoräer. Er ahnt die Bedeutung der Zahlen für die Wissenschaft, aber überschätzt sie und vermag selbst noch keinen vernünftigen Gebrauch davon zu machen.

6. Liu Yin 1249—1293. 2

Liu Yin ) (T. Meng-tchi, H. Tching-hsiu)3) stammt aus Jung-tsch'eng*) in Tschili. Seine fünf Vorfahren waren alle Konfuzianer und Beamte gewesen. Kurz bevor er geboren wurde, träumte sein Vater, daß ein Geist ihm zu Pferde einen Knaben brächte und ihn aufforderte, ihn gut zu erziehen. Daher gab er ihm den persönlichen Namen Yinb) = Grauschimmel und den Beinamen Mengtchi6) = Traumroß. Später änderte er beide Namen ab in Yin7) = Grund und Meng-tchi8) = Traumglück. Hu Yin wird als ein Wunderknabe geschildert, der schon in der frühesten Jugend schreiben und dichten konnte. Als er mit seinem Lehrer die Kommentare zu den Klassikern durchstudiert hatte, meinte er, daß die Lehre der Weisen

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III. Andere Richtungen: 6. Liu Yin

281

damit wohl nicht zu Ende sein könne, und als ihm die Werke des Tschou-tse, Tsch'eng-tse, Tschang-tse, Schao-tse, Tschu-tse und Lü Ta-lin vorgelegt wurden, verstand er sofort ihren Sinn und sagte: „Ich wußte, daß es so etwas geben mußte.... Schao Yung ist der Größte, Tschou-tse der Tiefsinnigste, Tsch'eng-tse der Korrekteste, und Tschu-tse besitzt Größe, Tiefsinn und Genauigkeit in allerhöchstem Grade."1) Danach scheint er den Tschu Hsi am höchsten geschätzt zu haben, aber nach seinen Schriften steht er doch dem Idealismus des Schao Yung und des IM Tchiu-yuan sehr nahe. Nach dem Tode seines Vaters diente Hu auch seiner Stiefmutter mit kindlicher Liebe, was ihn berühmt gemacht hat. Er war als Lehrer tätig, und viele seiner Schüler wurden hohe Beamte. Sein Häuschen, in welchem er sehr zurückgezogen lebte, nannte er Tching-hsiu,2) .Selbstkultur in der Stille'. Daher stammt sein Beiname. Im Jahre 1282 erhielt er eine Anstellung, gab sie aber bald wieder auf. um seine kranke Mutter zu pflegen. 1291 erging an ihn eine neue Berufung, aber er lehnte wegen Krankheit ab und wollte auch nicht unter den Mongolen als Beamter dienen.3) Er starb im Jahre 1293, im Alter von 44 Jahren.4) Sein posthumer Ehrenname ist Wen-tching.5) Liu Yin schrieb Erklärungen zu den Vier Büchern6) und ändern klassischen Werken. Seine Gedichte und literarischen Werke sind gesammelt und seine Gespräche7) von Schülern und Freunden herausgegeben. Unter seinen Schriften finden sich einige kürzere, philosophische Essays. Einer derselben ist eine allegorische Erzählung mit dem Titel: Hsi-scheng tchieh*) ,Erklärung der Hoffnung, ein Heiliger zu werden'. Darin treten drei Genien auf, mit welchen er sich über die höchsten Fragen unterhält. Der eine sagt zu ihm: „Zwischen Himmel und Erde herrscht nur ein Prinzip. Wenn es sich von innen heraus zerstreut, so werden alle Dinge vollendet.9) Aber es vereinigt sich schließlich wieder zu einem Prinzip. Himmel und Erde sind der Mensch.10) Der Mensch ist Himmel und Erde. Heilige und Weise sind ich. Ich bin Heilige und Weise. Der Mensch steht deshalb so hoch, weil er vollkommen ist und frei beweglich. Die Substanz, welche die ändern Geschöpfe erfüllt, ist unvollkommen und ein Hemmschuh, weswegen eine Wandlung unmöglich ist. Wenn diejenigen, welche ') Biographie im Yuan-schi Kap. 171 S. Ib: fj, [£] ff ^ ^f ^ ^ ..... g|J 3g ^ ^,

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) Sung-yuan hsüeh-an Kap. 91 S. 3b. ) Yuan-schi Kap. 171 S. 4a. Das Todesjahr 1293 wird allgemein angenommen. Unrichtig ist das Geburtsjahr 1241 in Giles, Biogr. Diet., und das Jahr 1244, welches Hsieh Wuliang V, 13 und Takejiro III, 133 annehmen, obwohl sie Liu 45 Jahre alt werden lassen. 4

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) mm. ·)) Die # sDinge ». entstehen dadurch, daß das Prinzip sich zerstreut.

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) Die Welt ist der Mensch, das heißt, sie ist in ihm als seine Vorstellung.

282

B. Die S dliche Sung-Dynastie

vollkommen und frei beweglich sind, sich frei bewegen, so ist ihnen nichts unerreichbar."1) Es gibt nur ein Prinzip, die Weltvernunft. Der Mensch ist mit ihr identisch und daher auch der Welt gleich, die aus dem Prinzip hervorgegangen ist, und allen Weisen vergangener und zuk nftigen Zeiten, die auch alle in der Weltvernunft enthalten sind. Von den Tieren gilt das nicht, denn ihr Geist ist zu unvollkommen und nicht der vollkommene Ausdruck der Weltvernunft. Diese Offenbarung schr nkt aber der Genius in den folgenden Worten wieder ganz bedeutend ein, indem er nur noch den gr ten Heiligen Gleichheit mit dem Himmel zugesteht. Er f hrt fort: ,,Είη Heiliger hofft auf den Himmel; wenn er ihn erreicht, so ist er der Himmel, wenn nicht, doch wenigstens ein gro er Heiliger. Ein Weiser erhofft Heiligkeit; gelangt er dar ber hinaus, so ist er der Himmel und erlangt er seinen Wunsch nicht, so ist er ein gro er Weiser. Ein Gelehrter erhofft Weisheit; gelangt er dar ber hinaus, so wird er ein Heiliger, kommt er genau zum Ziel, so wird er ein Weiser, und bleibt er zur ck, so verliert er doch seinen guten Namen nicht. Das ist der Grund, weswegen ein Heiliger heilig und ein Weiser weise ist."2) ') Li-hs eh tsung-tschuan Kap. 19 S. 6a: ^ jfc ± O 91 — (f

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II. Die Yuan-Dynastie. 1280—1368. Die Mongolendynastie hat nur 88 Jahre über China geherrscht, da aber die mandschurische .Kw-Dynastie schon seit 1115 Nordchina in Besitz hatte, so ist dieses 253 Jahre von 1115 bis 1368 unter fremder Herrschaft gewesen. Die Yuan haben nur einen großen Herrscher aufzuweise'i, den Begründer ihrer Herrschaft, Kublai-Khan, 1259 bis 1295, welcher nicht nur ein bedeutender Feldherr, sondern auch ein weiser Regent war. Nachdem er die Sung gestürzt hatte, ging sein Bestreben dahin, auch alle anderen Völker Asiens seiner Macht zu unterwerfen. Korea hatte schon unter Ouyuk-Khan die mongolische Oberhoheit anerkannt. Nachdem Japan den mongolischen Gesandten ermordet hatte, rüstete Kublai 1274 eine Expedition von 300 Schiffen mit 15 000 Mann aus, um Rache zu nehmen, aber diese Flotte wurde von den Japanern zurückgeschlagen. Im Jahre 1281 wurde eine zweite Flotte, 900 Schiffe mit 100000 Soldaten abgeschickt, aber sie scheiterte in einem Taifun, und die Überlebenden wurden von den Japanern niedergemacht. Im Süden wurden Tongking und Annam nach schwierigen Kämpfen mit Heer und Flotte unterworfen, und auch Birma und Siam wurden tributpflichtig. Malabar, Sumatra und Java erkannten KublaiKhans Oberherrschaft an, Java erst, nachdem es von der mongolischen Flotte besiegt war. Von Schang-tu bei Dolon-nor, das nur Sommerresidenz blieb, verlegte KublaiKhan 1280 seine Residenz nach Khan-balig (Peking), wo er den Kaiserthron bestieg. Zuerst war es nur ein großes Militärlager. Im ganzen Lande wurden neue Reichsstraßen mit Kurierstationen angelegt. Von jetzt ab wurde ein Verkehr zwischen Orient und Okzident erst möglich. Kaufleute aus dem Westen kamen über Land oder zur See. Der Seeverkehr mit Persien und Indien wurde neu belebt. Der Kaiser ließ Djunken mit 12 Segeln und 200 Mann Besatzung ausrüsten, welche bis nach Ceylon fuhren. In Tch'uan-tschou1) und Fu-tschou der Provinz Fukien entstanden Handelsniederlassungen arabischer, persischer und indischer Kaufleute. Ibn Batuta und Marco Polo waren die ersten, welche China aus eigener Anschauung kennen lernten und die erste sichere Kunde vom fernen Osten nach Europa brachten. Kublai-Khan nahm Ausländer in seine Dienste und verwandte sie nach ihren Fähigkeiten. Er hatte an seinem Hofe Gelehrte und Krieger aus Persien und Arabien, Maler und Kunsthandwerker aus Italien

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II. Die Yuan-Dynastie

und Frankreich. Die Mathematik, die Astronomie und die Feuerwaffen des Westens fanden damals in China Einzug. Arabische Astronomen wurden angestellt, um die Zeitrechnung zu regulieren. In Peking errichtete der Kaiser das noch heute bestehende Observatorium auf der Stadtmauer mit prächtigen drachenverzierten Instrumenten. Da die Mongolen keine eigene Kultur besaßen, so ließ Kublai die chinesische Verwaltung bestehen, nur wurden die wichtigsten Posten mit Mongolen besetzt und einige Reformen durchgeführt. Finanzwesen und Unterricht blieben ganz chinesisch. Um den Norden des Reiches enger mit dem Süden zu verbinden, ließ der Kaiser den sogenannten Kaiserkanal, welcher von Peking nach Hangtschou führt, erbauen, wobei die schon vorhandenen Strecken benutzt wurden. Er diente besonders dem Getreidetransport, denn in Reis wurden die Soldaten entlohnt und die Beamten besoldet. Der Kaiser war ein eifriger Förderer des Buddhismus. Dem Taoismus stand er weniger freundlich gegenüber und ließ 1282 alle taoistischen Bücher verbrennen. Sonst war er sehr tolerant gegen Andersgläubige wie Muhammedaner und Christen. Von der chinesischen Gelehrsamkeit hielt er nicht viel und degradierte den Konfuzius vom Heiligen1) zum Weisen,2) was ihm die Literaten sehr verargten. Den ersten katholischen Missionaren gestattete er in Peking zu predigen. Kublai-Khans Nachfolger, Timur = Tsch'eng-tsung, 1295—1307, besaß eine gründliche Kenntnis der chinesischen Literatur, er setzte den Kfung-tse wieder in alle seine Ehren ein und führte eine gute Regierung, indem er stets auf das Wohlergehen des Volkes bedacht war. Wu-tsung, 1308—1312, verehrte die chinesischen Weisen und verlieh Kfung-tse den Titel Ta-tsch'eng tschi-scheng wenhsüan wang3), der ganz vollkommene, vollendete Heilige, der die Bildung verbreitende Fürst'. Mit der Absicht, die Bildung seiner Landsleute dadurch zu fördern, ließ er viele chinesische Werke ins Mongolische übersetzen. Verschiedene Umstände trafen zusammen und führten das frühzeitige Ende der Dynastie herbei. Die Chinesen haßten die fremden Eroberer stets und waren wenigstens in versteckter Rebellion. Die vielen Kriege kosteten Geld, das durch eine unbeschränkte Ausgabe von Papiergeld und eine Erhöhung der Steuern aufgebracht wurde. Die Inflation verursachte eine Teuerung der Lebensmittel und untergrub den Wohlstand des Volkes. Unter dem letzten Kaiser Schun-ti, 1333 bis 1367, waren die Lama-Priester, welche er sehr begünstigte, von allen Abgaben frei und beuteten ungestraft das Volk aus. So wuchs die Unzufriedenheit. Dazu kamen Naturkatastrophen, welche natürlich die Dynastie zu verantworten hatte, nämlich Überschwemmungen und Mißernten. Der Gelbe Fluß veränderte seinen Lauf, wodurch weiten Länderstrecken schwerer Schaden zugefügt wurde. Thronstreitigkeiten in der Kaiserfamilie, zerrüttete Finanzen und Korruption der Beamten schürten die Erbitterung des Volkes. Überall brachen Empörungen aus und wurden Gegenkaiser aufgestellt. Die Mongolen konnten sich auf die chine') ISA-

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II. Die Yuan-Dynastie

285

sischen Truppen nicht verlassen, und die mongolischen waren nicht in genügender Stärke zur Stelle. Schun-ti von dem Heere eines der Empörer geschlagen, floh in die Mongolei, und der Sieger wurde der erste Kaiser der -ä/irw/-Dynastie. Träger der Wissenschaft und der Literatur waren auch unter der Mongolenherrschaft die Chinesen. Die Kultur der Sung ging einfach weiter, ja sie trieb sogar zwei neue Blüten, den Roman und das Drama, welche erst unter den Yuan voll in die Erscheinung treten. Vorher waren nur Ansätze dazu vorhanden gewesen. Aus der Mongolenzeit stammen zwei der berühmtesten Romane, das San-kuo tschi yen-i1), die Geschichte der Drei Reiche und das Schui-hu tschuan,2) ein Schelmenroman. Das Drama erlangte wahrscheinlich schon unter den Mongolen seine höchste Entwicklung. Wir besitzen eine Sammlung von hundert Dramen dieser Zeit, die , Hundert Stücke aus der Yuan-Zeit'. Yuan-jen po-tschung3) tch'ü. Die Lehre der $ww ft & * * *> Ä * it # Vergl. Takejiro III, S. 132.

1. Hsü H&ig

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wenn es da ist, gibt es kein Vorher und Nachher."1) Das Vernunftprinzip liegt als Urgrund allem zugrunde, der Welt, dem menschlichen Geiste und seiner Natur. Von metaphysischen Fragen scheint sich unser Philosoph namentlich mit der des Schicksals beschäftigt zu haben, dem er das Sittengesetz oder, wie er es nennt, das Recht oder die Gerechtigkeit gegenüberstellt: „Das, wodurch etwas so ist, ist die Urquelle, und das, was so sein muß, ist das noch nicht Fließende. Wodurch etwas ist, ist das Schicksal, und daß etwas so geschehen muß, verlangt die Gerechtigkeit. Bei jeder Handlung und bei jedem Dinge gibt es einen Grund, warum es so ist, und etwas, das so geschehen muß."2) Bei allem Geschehen liegt also das Schicksal, das es bestimmt, schon in der Vergangenheit und. der kategorische Imperativ erst in der Zukunft. Der Strom des Geschehens hängt vom Schicksal als Quelle ab, aber das Recht sucht seinen Lauf zu lenken. Das Schicksal kann der Mensch nicht selbst bestimmen, wohl aber seine Taten, er kann Recht und Unrecht tun. „Bei allen Ereignissen," heißt es, „lassen sich zwei Dinge unterscheiden, es gibt solche, welche von einem selbst abhängen, und solche, welche nicht von einem selbst abhängen. Wenn sie von einem selbst abhängen, dann kommt es auf die Gerechtigkeit an, wenn sie nicht von einem abhängen, dann liegt Schicksal vor. Alles läßt sich auf Gerechtigkeit und Schicksal zurückführen."3) Hsü Heng betrachtet nur das Schicksal, welches ungerufen von selbst kommt, als das richtige und bezeichnet dasjenige, welches der Mensch selbst durch seine Taten herbeiführt, als das unrichtige. Er sagt: „Armut und Niedrigkeit, Reichtum und Ehre, Leben und Tod, kurzes und langes Leben, Glück und Unglück werden in dem Fluidum erlangt und hängen vom Himmel ab. Es ist ein fest bestimmtes Los, das nicht durch Bitten erlangt werden kann. Dabei unterscheidet man das richtige Schicksal und das nicht richtige. Wenn jemand seinen Weg vollendet und sich nicht neben gefährliche Mauern stellt, dann veredelt er seine Natur und erwartet das Schicksal. Auch dann kommt Glück und Unglück, Segen und Unheil, Leben und Tod, kurzes oder langes Leben, man muß es fügsam entgegennehmen. Alles, von dem man sagt, daß es kommt, ohne daß man es herbeigerufen hat, ist das richtige Schicksal, das, was der Himmel bewirkt. Wenn man sich in Gefahr begibt, auf günstigen Zufall hoffend, Dinge tut, welche gegen Recht und Sitte sind, und dadurch Verderben herbeiführt, so daß man in Fesseln und Ketten !) Hsing-li ta-tch'üan Kap. 34 S. 29a: ^ fjfj, ,£, jfa -|£ J& ^ fa — §! .&, fpj £n> ig.

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II. Die Yuan-Dynastie

stirbt, dann folgt auch das Schicksal, aber der Mensch selbst hat es gerufen. Das ist das nicht richtige Schicksal."1) Aus diesen Voraussetzungen zieht nun Hs f r das menschliche Verhalten dem Schicksal gegen ber folgende Konsequenzen: „Das, was in der Welt besonders entfaltet werden mu , ist der Geist, man darf nicht zu sehr an das Physische gekettet bleiben und sich nicht zu sehr vor dem einzelnen Ich beugen. Arme und Bek mmerte d rfen sich nicht zu sehr niederschlagen lassen, und wer es im Rang bis zum Minister gebracht hat, hat keinen Grund, hochm tig zu sein, denn er wei doch, wie wenige Heilige und Weise, seit es Regierungen in der Welt gibt, diesen Posten innegehabt haben. Niedrigstehende, die nur einfache Leute sind, brauchen sich nicht zu sch men, denn sie wissen, wieviel M nner von Charakter und edler Gesinnung im Altertum in gr ter Bedr ngnis gelebt haben. Wenn man sich m it Armut und Elend abfindet, dann kann jeder Zufriedenheit erlangen, und es liegt kein Grund f r Freude und Kummer vor."2) Hs H eng verlangt die Pflege und Veredelung der Pers nlichkeit, aber er scheint der mystischen Versenkung, wobei das Denken ausgel scht werden mu , abhold gewesen zu sein. Jemand fragte ihn, was er tun k nne, wenn er sich zuviel Gedanken mache. Hs erwiderte: Um das zu erforschen, was man wissen mu , kann man unz hlige Gedanken haben, das schadet nicht. Nur wenn es sich um aufsteigende Begierden handelt, mu man die Gedanken abschneiden. „Der Menschengeist ist leer und lebendig, nicht ein verdorrtes St ck Holz oder ausgebrannte Asche, die keine Gedanken zu haben braucht. Aber man mu Acht geben, ob es angemessen ist, ber etwas nachzudenken."3) Also schlechte Gedanken soll man sich fernhalten. Hs Lu-tschai hat mehr als Lehrer des Konfuzianismus und durch seine bedeutende Pers nlichkeit als durch seine Philosophie gewirkt, welche von den durch seine Vorg nger vorgezeichneten Bahnen wenig abwich.

2. Wu Tsch'eng 1249—1333. Der bedeutendste Denker zur Zeit der Fwaw-Dynastie ist Wu Tsch'eng*) (T. Yu-tch'ing und Po-tch'ing,5) H. Lin-tsch'uan und Ts'ao-lu)6). Der Schriftsteller') Hsing-li ta-tch' an Kap. 31 S. 21 a und Hsing-li tching-i Kap. 9 S. 14a: ^ $| ^ -Jj;

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2. Wu Tsch'eng

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name Lin-tsch'uan weist auf den Distrikt in der Präfektur Fu-tschou1) (Kiangsi) hin, wo er wohnte, und der Name Tsao-lu „Strohhütte" auf seine dortige Wohnung. Seine Heimat war Tsch'ung-jen2) in derselben Präfektur. Um seinen Wissensdurst zu stillen, las er als Knabe oft die ganze Nacht durch bis zum Morgen. Seine Mutter wollte nicht, daß er sich überanstrengte, und löschte die Lampe aus. Wu wartete ab, bis die Mutter schlief, und zündete dann die Lampe wieder an. Bei Prüfungen war er allen seinen Altersgenossen überlegen. Mit 20 Jahren wurde er Magister,3) aber er fiel beim Doktorexamen durch, und es gelang ihm nicht, es zu machen. Der Mangel der staatlichen Anerkennung hinderte ihn aber nicht, sich schriftstellerisch zu betätigen und eine neue Ausgabe der Fünf Klassiker herauszugeben. Sie wurde sogar im Kuo-tse tchien zum Studium aufgestellt. Dadurch wurde auch die Aufmerksamkeit des Kublai-Khan auf ihn gelenkt. Als die Provinzen aufgefordert wurden, tüchtige Männer nach der Hauptstadt zu schicken, wurde auch Wu Tsch'eng empfohlen, aber mit Rücksicht auf das Alter seiner Mutter lehnte er eine Anstellung ab. Im Jahre 1295 wurde er zum Hanlin ernannt, kehrte aber bald wieder in seine Heimat zurück. Darauf erhielt er einen Lehrauftrag für die Provinz Kiangsi, den er indes nur drei Monate lang ausübte, worauf er wegen Krankheit seinen Abschied nahm. 1308 wurde Wu Tsch'eng zum Präsidenten des Kuo-tse tchien befördert. Als solcher übte er in der Hauptstadt eine rege Lehrtätigkeit aus. Am Tage unterrichtete er die Studenten der Reihe nach, des abends erklärte er den einzelnen, welche einer nach dem ändern zu ihm kamen, schwierige Stellen bis spät in die Nacht. Im Jahre 1312 setzte er vier Fächer für den Unterricht fest: 1. Studium der Klassiker, 2. Moral, 3. Literatur. 4. Verwaltungslehre.4) Seine Schüler wies er auf die großen Verdienste des Tschu Hsi um die Wissenschaft hin, aber diese müsse ruhen auf der tugendhaften Natur, worauf Lu Tchiu-yuan das größte Gewicht legte. Einige meinten, Wu Tsch'eng sei ein Anhänger des letzteren, und er verurteile Hsü H eng, welcher für Tschu Hsi eintrat. Wenn das auch nicht der Fall ist, so neigt er doch mehr zu Lu Tchiu-yuan als zu Tschu Hsi. Ausgehend von den vier Eigenschaften des Hexagramms tch'ienf) yuan, heng, U, tschen6) behauptete Wu, im mittleren Altertum habe K'ung-tse das Ursprüngliche = yuan, Yen Hui und Tseng-tse das Durchdringende = heng, Tse Sse das Segensreiche = U und Meng-tse das Lautere = tschen vertreten.7) In der neueren Zeit sind Tschou-tse für das Ursprüngliche, Tsch'eng-tse und Tschang-tse für das Durchdringende, Tschu Hsi für das Segensreiche und niemand ist für das Lautere. Gibt es niemand, zu dem man deswegen seine Zuflucht nehmen kann, fragt Wu Tsch'eng. Erdachte wohl an sich selbst, aber die Bescheidenheit verbot ihm, sich selbst als vierten Philosophen der Neuzeit zu nennen.

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292

II. Die Yuan-Dynastie

Wu Tsao-lu muß ein berühmter Professor gewesen sein, denn aus allen Ortschaften und weither kamen Gelehrte und Beamte, um ihn zu hören. Wenn er in seinen heimatlichen Bergen weilte, waren dort oft über tausend Hörer versammelt. Im Jahre 1321 wurde er zum Kanzler der Hanlin-Akademie ernannt. Er sollte ein Vorwort zu einer Prachtausgabe des Tripitaka schreiben, aber er weigerte sich, da er es nicht über sich gewinnen konnte, für den Buddhismus einzutreten. Gerade, als er seinen Bericht abgeschickt hatte, starb der Kaiser Ying-tsung, 1324.1) Wu nahm seinen Abschied und kehrte zu Schiff in seine Heimat zurück. Als er im Jahre 1333, 84 Jahre alt, starb,2) fiel ein Meteor nordöstlich von seinem Hause nieder. Nach seinem Tode wurde er als Wen tscheng3) kanonisiert, und es wurde ihm der posthume Rang eines Herzogs von Lin-lsch'uan*) verliehen. 1443 wurde er in den Konfuzius-Tempel aufgenommen. Außer den fünf Klassikern gab Wu Tsch'eng auch das I-li, das Ta Tai U und das Hsiao Tai U heraus und schrieb Studien zu den Klassikern6) und zum Hsiaoking.6) Auch veröffentlichte er kommentierte Ausgaben des Tao-te-kingJ) des Tschuang-tse und das T'ai-hsüan tching. Das Hsio-tchi und Hsio-t'ung,*) je ein p'ien. sollten zur Einführung in das Studium dienen. Wu schließt sich darin dem Schao-tse an. Seine Philosophie ist besonders in der Sammlung seiner Aussprüche, Ts'ao-lu tching-yü,9) enthalten. Seine gesammelten literarischen Werke in 53 Büchern haben den Titel: Wu Wen-tscheng kung tchi.19) Wu Tsch'eng sucht über den Dualismus des Tschu Hsi hinauszukommen und zu einem Monismus zu gelangen, indem er das Urprinzip und das Fluidum zu einer Einheit zusammenschließt. „Das Urprinzip", sagt er, „und das Fluidum sind nicht zwei Dinge, sondern das Urprinzip beherrscht das Fluidum, aber es ist nicht ein besonderes Ding, das im Fluidum herrschte".11) Auch Tschu Hsi betrachtet das Urprinzip nicht als etwas Materielles, sondern als etwas Transzendentes, das aber in seinem Wesen vom Fluidum verschieden ist. Nach Wu Tsch'eng ist die Verschiedenheit nur begrifflich, nicht faktisch. Zur Begründung heißt es: „Die früheren Konfuzianer sagten, Too sei auch ein Gefäß und ein Gefäß sei Too, das heißt, obwohl man bei Too und dem Gefäß zwischen Materiellem und Immateriellem unterscheiden muß, so gehören doch beide als eine Einheit ohne Scheidung zusammen und sind eigentlich nicht voneinander zu trennen."12) Tao steht hier für das Urprinzip oder das Vernunftprinzip, an welches noch die folgende Betrachtung geknüpft wird: „Das Vernunftprinzip ist im Fluidum ent!) Biographie des Wu Tsch'eng im Yuan-schi Kap. 171 S. 7 a. 84 hat die Jahreszahlen 1248—1333, Giles: 1247—1331 3*) Ibid. S. 8b. Hsieh Wu-liangV, 4 s

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2. Wu Tsch'eng

293

halten und kann eigentlich nicht von ihm getrennt werden. Lao-tse war der Meinung, daß zuerst das Prinzip existierte und erst später das Fluidum. Tschangtse kritisierte, daß er sein Sein aus dem Nichtsein entstehen ließe, und Tschu Hsi, daß er Sein und Nichtsein als zwei verschiedene Dinge ansehe. Unter Nichtsein versteht er das Prinzip und unter Sein das Fluidum."1) Weiter polemisiert der Philosoph dagegen, das Tschu Hsi beim Urprinzip zwischen Substanz und Funktion unterscheidet,2) indem er behauptet: „Beim Urprinzip kann man eigentlich nicht die Substanz von der Betätigung unterscheiden. Wenn es sich ergießt und die Wandlungen hervorbringt, so ist das nichts weiter als das Öffnen und Schließen der Maschinerie des Fluidums, welches bald ruht, bald sich bewegt. Wenn es ruht, so ist das Urprinzip darin enthalten, und dadurch ruht es. Daher hält man die Ruhe für die Substanz des Urprinzips. Sobald es sieh bewegt, befindet sich das Urprinzip ebenfalls darin, und dadurch bewegt es sich. Daher hält man die Bewegung für die Betätigung des Urprinzips. Das Urprinzip ist leer, still, ohne Gestalt, ohne Laut oder Geschmack und nicht wahrnehmbar. Zu keiner Zeit ist es anders, man kann bei ihm nicht einen bewegten und einen unbewegten Zustand unterscheiden, wie sollte man daher von Substanz und Betätigung sprechen können?" 3 ) „Das Urprinzip hat eigentlich keine Bewegung und Ruhe, keine Substanz und Funktion, aber wenn man vom Urprinzip spricht, so schließt man Bewegung und Funktion, Ruhe und Substanz in den Begriff mit ein. Bei der Bewegung des Yang bezeichnet man das Prinzip in der Bewegung als die Funktion des Urprinzips, und bei dem Ruhen des Yin bezeichnet man das Prinzip in der Ruhe als die Substanz des Urprinzips. In Wirklichkeit kann man beim Urprinzip nicht zwischen Substanz und Funktion unterscheiden."4) Wohl aus Hochachtung vor der Weisheit des Yiking schreibt Wu Ts'ao-lu dem Urprinzip die vier Eigenschaften: ursprünglich, durchdringend, segensreich und lauter zu.5) Sie bringen uns in der Erkenntnis keinen Schritt weiter. Der Monismus des Wu Ts'ao-lu läuft daraus hinaus, daß er die Materie mit allen darin enthaltenen Kräften als eine Einheit auffaßt. Während Tschu Hsi das Urprinzip der Materie zeitlich vorausgehen und sie erschaffen läßt, scheint

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294

II. Die Yuan-Dynastie

Wu das Urprinzip und das Fluidum als ewig anzusehen. Schon im Zustande des Chaos war das Fluidum und darin das Urprinzip vorhanden, aber es war noch nicht in Tätigkeit getreten und hatte noch nicht begonnen, die Welt zu formen: „Bevor die Dinge hervorkommen, herrseht das Chaos. Daß beim ersten Anfang im Chaos das Werden begann, war das Werk des Urprinzips. Als die Dinge sich entfaltet hatten, gab es Himmel und Erde, Menschen und andere Geschöpfe. Auch das ist das Werk des Urprinzips. Nachdem die Entwicklung zum Stillstand gekommen, werden die Menschen untergehen und die Dinge vernichtet werden. Himmel und Erde stürzen zusammen, und es kommt wieder das Chaos. Auch das ist das Werk des Urprinzips. Dieses ist immer so und bleibt sich stets gleich. Es kommt nichts hinzu und kann nichts davon weggenommen werden; es kann nicht geteilt und nicht vereinigt werden, daher zeigt es ein Verkennen Tao's, wenn man vom Urprinzip vor und nach der Trennung spricht."1) Auf das Chaos folgt der Kosmos, dieser versinkt wieder im Chaos, aus welchem dann wieder eine neue Welt hervorgeht und so fort ohne Ende. Das Urprinzip ist ewig und unveränderlich, es bleibt sich immer gleich. Das Fluidum ist gleichfalls ewig, aber es verändert sich beständig und nimmt unter der Einwirkung des ihm innewohnenden Urprinzips immer neue Formen an. Aus dem chaotischen Zustand entwickelt es sich zum Kosmos und durch Rückbildung kehrt es zum Chaos zurück. Über Yin und Yang äußert sich Wu Tsch'eng sehr ähnlich wie Tschu Hsi: „Von der Zeit bevor es Himmel und Erde gab, bis nach ihrer Erschaffung existierten nur die beiden Fluida Yin und Yang. Ursprünglich aber sind sie nur ein Fluidum. Wenn man unterscheidet, dann spricht man von Yin und Yang, und wenn man bei Yin und Yang noch feinere Unterschiede macht, so werden daraus die fünf Elemente. Die fünf Elemente sind die beiden Fluida, und diese sind ein einziges. Wodurch ist es möglich, daß sich das Fluidum so verhält ? Dadurch, daß das rationale Prinzip darin herrscht. Das Prinzip ist nun aber keineswegs ein besonderes Ding im Fluidum, sondern es ist nur das Lenkende darin. Es gibt kein Fluidum außerhalb des Prinzips und kein Prinzip außerhalb des Fluidums."2) Wu Tsch'eng kann nicht umhin, die oben erwähnten vier Prädikate des Yiking auch auf das Walten des Urprinzips und des Fluidums während der Jahreszeiten ') Hsing-li ta-tch'üan Kap. 26 S. 9b: ffl Ufa £. fj ft ffc, ± ft jg £ £ fr jft % ± f|

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2. Wu Tsch'eng

295

in Anwendung zu bringen. Wir erfahren: „Das Vordringen der ursprünglichen und durchdringenden Vollkommenheit ist die Zeit des Erzeugens im Frühling und des Wachsens im Sommer. Das ist die Bewegung des Yang. Darin erblickt man die Betätigung des Urprinzips. Das Zurückweichen der segensreichen und lauteren Vollkommenheit ist die Zeit des Erntens im Herbst und des Aufspeicherns im Winter. Das ist die Ruhe des Yin. Darin erkennt man die Substanz des Urprinzips. Das ist bei der Schöpfung Substanz und Betätigung, Bewegung und Ruhe."1) Yang soll ursprünglich voll und Yin leer sein. Yang gibt den Odem, Yin die Essenz, Yang bildet die Gestalt, Yin den Körper, Yang beherrscht die Tätigkeit, Yin den Körper, so daß es scheinen könnte, als ob eigentlich Yang leer und Yin voll wäre, aber das ist nicht der Fall. Auch die aufgehäufte Luft des Himmels scheint leer und besitzt doch große Kraft.2) Bei der Geburt erhält der Mensch das Fluidum von seinem Vater, es ist rein oder trübe, die Substanz3) von seiner Mutter, sie ist gut oder schlecht. Wenn das Fluidum den höchsten Grad der Reinheit hat und die Substanz ganz vorzüglich ist, entsteht ein großer Heiliger. Aber beim menschlichen Körper ist nicht die Materie die Hauptsache: „Wie wäre wohl das, wodurch ich einen Körper habe, nur die sogenannten 5 inneren Organe, die 6 Eingeweide, 4 Glieder und 100 Knochen ? Mein Körper ist kein Körper, denn, was darin herrscht, ist das Herz. Das Herz ist kein Herz, denn, was darin ruht, ist die Natur. Meine Natur ist keine Natur, denn sie geht auf den Himmel zurück. Das wodurch der Himmel Himmel ist, ist das, wodurch ich einen Körper habe. Also ist mein Körper kein Mensch, sondern der Himmel."4) Das klingt ganz nach IM Hsiang-schan5), aber Wu hat nicht dieselben weitgehenden Folgerungen daraus gezogen wie dieser, sondern will wohl nur sagen, daß durch das Urprinzip oder die Weltvernunft, welche in beiden lebt, der Mensch Mensch und der Himmel Himmel ist, das heißt, beide sind Manifestationen derselben Urkraft. Die menschliche Natur hält Wu ihrem Wesen nach für gut. Meng-tse, meint er, spricht nur von der Natur, Hsün-tse und Yang Hsiung nur von der Materie, wenn sie von Güte und Schlechtigkeit reden. Die Natur ist dem Gelben Fluß vergleichbar, dessen Quelle rein und klar und dessen Wasser erst später gelb 1) Sung-yuan hsüeh-an Kap. 92 S. 5b:

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296

II. Die Yuan-Dynastie

wird. Das Wasser behält stets seine Reinheit, das Gelbe ist die beigemischte Erde.1) Tugend und Wissen müssen immer vereint sein, Wissen allein ist zwecklos. Beim Studium der Worte der Weisen und Heiligen kommt es darauf an, das Vernunftprinzip zu erkennen und sein Herz zu bewahren. Wenn das nicht geschieht, ist das Hersagen der Klassiker nutzloses Geplärre.2) Die Schüler müssen zuerst den festen Entschluß fassen, stets die Tugend hochzuhalten, erst dann hat es Zweck, mit ihnen die heiligen Schriften zu lesen: „Wenn jemand sagt, ihm käme es nur auf die fünf Klassiker an, aber er brauche nicht bei seinem eigenen Herzen Einkehr zu halten, so ist das so, als ob er ein Kästchen kauft und die Perle dafür wegwirft."3) Was die Menschen besonders dazu verleitet Unrecht zu tun, sind ihre Begierden und Leidenschaften. Um sie zu bekämpfen, muß man zu dem himmlischen Vernunftprinzip seine Zuflucht nehmen: „Wenn man auf das himmlische Prinzip baut, dann ist man stark, wenn man den menschlichen Begierden folgt, schwach. Vorteil und Nachteil, Glück und Unglück, Reichtum und Ansehen, Armut und Elend im Leben sind nicht imstande das Herz des Starken zu bewegen. Beim Schwachen genügt schon der kleinste Anreiz äußerer Dinge, um sein Herz aus dem Gleichgewicht zu bringen."4) „Wenn man die zehn Leidenschaften: Liebe, Haß, Kummer, Lust,Freude, Zorn, Trauer, Furcht, Jammer und Begierde zügelt und der Natur: Sitte, Gerechtigkeit, Wohlwollen, Wissen unterordnet, dann werden dadurch die Leidenschaften zur Natur, und man läßt nicht zu, daß die Natur zu Leidenschaft wird."5) Die Selbstzucht besteht darin, daß der Mensch sich täglich prüft, und wenn er Unrecht getan hat. sich bessert. Als Vorbilder für diese tägliche Erneuerung werden Tschao Pien6) und Sse-ma Kuang7) hingestellt: „Tschao Pien pflegte, was er am Tage getan hatte, stets des Nachts dem Himmel zu melden. Sse-ma Kuang konnte alles, was er im täglichen Leben vollbracht hatte, den Menschen mitteilen. Wenn er sich täglich erneuern wollte, so prüfte er sich jeden Tag. Diejenigen Dinge, welche er dem Himmel melden und den Menschen mitteilen konnte, betrachtete er als recht, diejenigen, bei denen er es nicht konnte, als unrecht. Wenn sie unrecht waren, so besserte er sich sofort. Das Unrecht des gestrigen Tages beging er heute nicht zum zweiten Male. Tag für Tag prüft er sich, und J 2

) Hsing-li ta-tch'üan Kap. 31 S. lOb und 13b. ) Sung-yuan hsüeh-an Kap. 92 S. 12a.

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298

. Die Yuan-Dynastie

war, stimmte er durchaus nicht zu und wurde so ein Hauptvertreter der KiangsiSchule,1) welche durch seine Schüler wieder mehr bekannt wurde.2) Tsch'en Yuan war ein aufrechter und starker Charakter und eine Kampfnatur, welche vor keinen Schwierigkeiten zurückschreckte. Seine Schriften sind alle verloren gegangen, so daß wir uns von seiner Philosophie keine Vorstellung machen können. Er schrieb Erklärungen zum Yiking, Schuking, Schiking, Tsch'un-tch'iu, Lun-yü und Hsiao-king.3)

4. Tscheng Yü f 1357.

Tscheng Yü*) (T. Tse-mei, H. Schi-schan)5) stammte aus Sche-hsien in Huitschou6) (Anhui). Das Datum seines Todes ist bekannt, aber nicht das seiner Geburt. Jedenfalls lebte er in der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts. Im Jahre 1354 wurde er in die Hanlin-Akademie ernannt, lehnte aber die Berufung ab. Als 1357 Truppen der Ming, die noch nicht den Thron bestiegen hatten, in Jui-tschou eindrangen, weigerte er sich, den Ming als Beamter zu dienen, und wurde deswegen ins Gefängnis geworfen. Man behandelte ihn nicht schlecht. Freunde und Verwandte brachten ihm Lebensmittel ins Gefängnis, so daß er nicht gerade zu leiden hatte. Trotzdem faßte er den Entschluß, aus dem Leben zu scheiden. Als seine Frau von dieser Absicht gehört hatte, ließ sie ihm sagen, daß, wenn er stürbe, sie ihm folgen würde. Tscheng Yü ließ antworten, daß er dann ohne Kummer sterben könne. Am nächsten Tage legte er Amtstracht an, machte zweimal nach Norden in der Richtung der Residenz des Kaisers in Peking Kotou und erhängte sich dann.7) Seine stoische Gesinnung erkennen wir aus einem seiner Aussprüche: „Für den Gelehrten und Edlen, der in dieser Welt lebt, ist gerade der Ausgang eine wichtige Sache. Daher erkennt man, ob er weise gewesen ist, wenn man die Umstände seines Ausgangs prüft. Der Zeit des Endes und dem herankommenden Unglück kann man niemals entfliehn, man muß sich mit dem zufrieden geben, was der Himmel bestimmt."8) Tscheng Yü schrieb einen Kommentar zum Yiking,9) sein Hauptwerk aber sind kritische Bemerkungen zum Tsch'un-tch'iu, wofür er sich ganz besonders interessierte, in 45 Kapiteln.10) Seine eigenen Schriften sind zusammengefaßt 1 2

) Die Schule des Lu Tchiu-yuan im Gegensatz zur Kiangtung-Schule des Tschu Hsi. 3 4 Hsieh Wu-liang V, 87. ) Takejiro III, 140. ) ff 3£.

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4. Tscheng Yü

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ale Schi-schan tchi,1) 8 Kapitel, wozu noch als Ergänzungen I-wen, 5 Kapitel, und Fu- ?), l Kapitel, treten. Als Philosoph suchte Tscheng Yu zwischen den Schulen des Tschu Hsi und des IM Tchiu-yuan zu vermitteln, denn er schätzte beide. Seine eigenen Schüler waren so zahlreich, daß sie in seinem Hause nicht Platz fanden, weswegen er ein besonderes Haus für sie baute, welches man die Schi-schan-Schule nannte. Er selbst neigte etwas mehr zu TschuHsi, und er fand es sehr verkehrt, daß die Studierenden, wenn sie sich einem der beiden Philosophen zuwandten, den ändern verleumdeten. Lu Hsiang-schan sei ein großer Gelehrter, auch wenn er Tsch'engtse und Tschu-tse nicht gleichkomme. Beide Philosophen hätten verschiedene Naturen und verschiedene Methoden, aber ihre Resultate seien dieselben. IM war genial und schnell, Tschu ernst, solide und tief bohrend. Beide schätzten dieselben Tugenden, beide ehrten Tschou-kung und K'ung-tse und wiesen Lao-tse und Buddha ab. Aber ihre Nachfolger suchten nicht ihre Übereinstimmungen, sondern ihre Verschiedenheiten. Tschu Hsi lehrte ernstes Studium. Lu's Worte zeugen von großer Genialität und sind sehr eigenartig. Natürlich haben beide auch ihre Fehler. Manches, was Lu Tchiu-yuan sagt, ist überspannt und leeres Gerede wie das der Buddhisten. Tschu-tse hat die Fehler der gewöhnlichen Konfuzianer, Pedanterie und Federfuchserei.3) Die Grundprinzipien der wahren Lehre, Vernunft und Fluidum, sind nach Tscheng Yü's, Dafürhalten im T'ai-tchi t'u-schuo und im Hsi ming1) enthalten. Wenn er dann fortfährt: „Was Himmel und Erde ausfüllt, ist mein Körper, und was Himmel und Erde lehren, ist meine Natur,"5) so klingt das stark nach Lu Tchiu-yuan. Die Welt und den Menschen faßt Tscheng als in beständiger Wandlung begriffen, auf: „Himmel und Erde sind eine Wandlung, Vergangenheit und Gegenwart sind eine Wandlung, und mein Körper ist auch eine Wandlung. Wenn man vom Himmel und vom Körper spricht, denn ist der Geist das Urprinzip der Wandlung, Fleisch und Blut sind Yin und Yang der Wandlung, und die vier Glieder sind die vier Gestaltungen6) der Wandlung."7) Unter Tao versteht unser Philosoph auch das höchste ethische Prinzip: „Der Meister sprach zu seinen Schülern: Die Vorzüglichkeit Tao's ist nicht in Worten und nicht in Schriftzeichen zu finden, sondern vollkommen nur in der menschlichen Natur. Es wird geübt nicht in der Höhe und im Leeren, nicht in weiter Ferne, sondern in den gewöhnlichsten, alltäglichen Handlungen. Wenn man so

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Sung-yuan hsüeh-an Kap. 94 S. 3a und 4a. Vergl. S. 46 und S. 57 Anm. 7. Sung-yuan hsüeh-an Kap. 94 S. 5a: ^ flj ;£ $ g £ , 35 * ±_» 5 * · Kopf, Rumpf, Arme und Beine und die vier Gestaltungen von Yin und Yang.

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300

II. Die Yuan-Dynastie

das Prinzip zu erfassen sucht, den Körper läutert,damit das Volk regiert und die Nachwelt aufklärt, dann braucht man sich nicht vor den Alten zu schämen.'1)

. Tschao Tchieh. 2

Tschao Tchieh ) (T. Tse-yung und Tschung-hui3), H. Pao-feng)*) stammt aus Ts e-tchfi in Ningpo*) (Tschekiang). Die Daten seines Lebens sind nicht bekannt, man weiß nur, daß er in der Yuan-Zeit lebte. Er zog sich an den Abhang des Ta-pao-Eeigee zurück, weshalb ihn seine Schüler den ,Meister vom PaoGipfel', Pao-feng hsien-scheng, nannten. Seine wenigen Schriften wurden von seinen Nachfolgern als Pao-yün tlang tchie) in 2 Büchern zusammengestellt. Ein anderer Name dafür ist das Wen-hua tchi.7) Tschao Tchieh las die Werke seines Landsmannes Yang Tchien8) (Tfse-hu) und wurde dadurch zur Meditation angeregt, welche für seine Weltanschauung das Wichtigste wurde. Sein Glaubenssatz \var: „Alle Dinge bestehen und vergehen, nur für den Geist Tao's gibt es weder Leben noch Tod."9) Er war der Überzeugung, daß die Regierungsmethode der drei Dynastien auch zu seiner Zeit noch möglich sei und dann die Ansichten der hundert Schulen vereinigt werden könnten. Die Menschen müßten nur das Tao von Yao und Schun verstehen und die Gesinnung des Volkes zur Yuan-Zeit, um zu begreifen, daß die Regierung des Yü und der drei Dynastien noch immer möglich sei.10) Für die Meditation betrachtete er das Freisein von Bedürfnissen als ein Haupterfordernis. Man soll nicht nach allen möglichen Dingen verlangen, denn: „Wenn jemand nicht unbedingt etwas erreichen will, dann hat er von selbst Frieden, wenn aber sein Verlangen auf diesen Frieden gerichtet ist, dann hat er keinen Frieden. Wenn jemand nicht abwechselnd schafft und ruht, dann hat er Muße, wenn er aber die Muße erstrebt, dann hat er keine Muße."11) Vom Streben nach Reichtum sagt Tschao Tchieh: „Die Treppe zu Reichtum und Ansehen ist für das eigene Herz nicht von Vorteil."12) Als ein Hauptziel der Meditation werden Reinheit und Leere des Herzens hingestellt. Ernste Haltung und Läuterung des Herzens gehören unbedingt dazu. Tschao's Meditation gleicht mehr dem Dhyäna als der Form, in welcher diese f

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5. Tachao Tchieh

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Methode von den Konfuzianern, etwa Li Yen-p(ing, geübt wird.1) Günstige Zeitpunkte für die Meditation sind das Zubettgehen und das Aufstehen. Fürchtet man vom richtigen Wege abzuirren, so muß man beim Zubettgehen und Aufstehen still dasitzen, um den Geist zu zügeln. Wenn der ersehnte Zustand der Versenkung nicht eintritt, so darf man nicht gleich einschlafen, sonst erlangt man die Wohltat des Schlafes nicht. Nachdem man durch die Versenkung umgestaltet ist. soll man sich nicht gleich gehen lassen, sondern man muß, um sich zu beruhigen, die Meditation fortsetzen, andernfalls geht der glückliche Erfolg, die wunderbare Reinheit und Erhabenheit, welche man erlangt hat, wieder verloren.1) ») Takejiro III, 138. *) Sung-yuan hsüeh-an Kap. 93 S. 3b.

Buch II. Die Ming-Dynastie. 1368—1644. Die Ming-Dynastie hat ein sehr wechselvolles politisches Schicksal gehabt. Auf große politische Erfolge zu Anfang folgte bald eine Periode der Schwäche und des Verfalls. Kulturell steht die Ming-T)yna,stie sehr hoch und hat, namentlich auf dem Gebiete der Kunst, Hervorragendes geleistet; auch wissenschaftlich ist manches geschaffen worden. Die Dynastie wurde gegründet von einem buddhistischen Novizen und Räuberhauptmann, welchem es gelang, das mongolische Joch abzuschütteln und die nationale Herrschaft wiederherzustellen. Als Kaiser Hung-wu,1) 1368—1399, bestieg er den Thron und wurde ein tüchtiger Regent. Er führte ein einfaches, bescheidenes Leben und blieb stets ein Freund des Buddhismus ebenso wie sein Sohn Yung-lo,2) 1403—1425. Die grausame Strafe der Verstümmelung kam unter seiner Regierung in Wegfall. Hunderttausende von Arbeitern wurden bei Damm- und Kanalbauten beschäftigt. Der Wohlstand und die Zahl der Bevölkerung stieg schnell. Gegen japanische Seeräuber, welche die chinesischen Küsten brandschatzten, ließ der Kaiser besondere Küstenwachen errichten. 1374 nahm der chinesische Admiral die japanische Flotte bei den Liukiu-Inseln gefangen und führte sie nach China. Annam sandte Tribut, Korea erkannte die Oberhoheit Chinas an, doch wurde dort später eine neue Dynastie gegründet, welche sich von China unabhängig machte. Yung- kam durch Beseitigung des rechtmäßigen Herrschers, seines Neffen, zur Regierung. Die Beamten, welche ihn als Ursurpator nicht anerkennen wollten, ließ er mit ihren Familien aufs Grausamste hinrichten. Im übrigen war er ein energischer Regent, der bedeutendste der -Mwsr-Dynastie, welcher durch seine Kriegszüge und Friedenstaten das Ansehen des Reiches vermehrte. Annam und Tongking wurden China einverleibt. Der Dalai Lama wurde nach Peking eingeladen und dort feierlich empfangen. 1403 wurde unter dem Eunuchen TschengHo3) eine Flotte von 60 Schiffen nach dem Süden geschickt. DieLiukiu') Ä Ä -

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Die Ming-Dynastie

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Inseln, Malakka und Kambodscha, Borneo, Java, Sumatra und Siam wurden tributpflichtig. 1408 gelangten chinesische Schiffe bis nach Ceylon, das 50 Jahre unter chinesischer Herrschaft stand. 1419 wurden die Japaner bei einem KüstenÜberfall von dem Eunuchen mit großen Verlusten zurückgeschlagen. 1430 fuhren chinesische Schiffe bis ins Rote Meer. 1441 erschien eine Gesandtschaft des Sultans von Ägypten in China. Sein Interesse für die Wissenschaft bewies Yung- besonders durch Herausgabe der Riesenenzyklopädie Yung- ta-tienl) in 22877 Büchern, die von 2160 Gelehrten zusammengestellt waren. Da der Druck zu teuer war, begnügte man sich mit drei Abschriften. Zwei davon gingen bei Palastbränden zugrunde, das letzte Exemplar wurde von der europäischen Soldateska während des Boxeraufstands bis auf einige Bände, die jetzt in der ganzen Welt zerstreut sind, zerstört. Im Jahre 1415 ließ Yung- das Handbuch der Sung -Philosophie, das Hsing-li ta tch'üan,2) drucken, was sehr zur Förderung der philosophischen Studien beitrug. Von seinen großen Bauten künden noch heute seinen Ruhm die Große Mauer, die Kaiserstadt in Peking, die zum größten Teil von ihm erbaut wurde, und viele Tempel, vor allem der Himmelstempel. Auch die Anfänge der .Jfwgr-Gräber in Nanking und Peking gehen auf ihn zurück. Die Große Mauer war ursprünglich nur ein Lehm- oder Steinwall. Um sie gegen die Einfalle der Mongolen widerstandsfähiger zu machen, wurde sie mit Backsteinplatten belegt, mit Zinnen und Türmen versehen und so zu einer wirklichen Mauer umgestaltet. Die von Yung- errichtete berühmte Porzellanpagode in Nanking wurde von den T'ai-p'ings zerstört. Im 15. Jahrhundert erfreute sich China unter Hsüan-te, 1426—1436, noch einer guten Regierung. Hung-tschi, 1488—1506, war einer der besten Monarchen, unter welchem das Reich aufblühte. Sein Nachfolger Tscheng-te,3) 1506—1521, war etwas abenteuerlich veranlagt. Als eine Besonderheit wird berichtet, daß er sich für fremde Sprachen interessierte und Mandschurisch, Sanskrit und Arabisch verstand. Die Regierung überließ er ganz den Eunuchen, welche hohe Bestechungsgelder von den Beamten erpreßten, die sich ihrerseits an der Bevölkerung schadlos hielten und von dieser noch größere Summen erpreßten. Unter den Soldaten herrschte Disziplinlosigkeit. Auf einer Fahrt nach dem Süden fiel der Kaiser in den Yangtse. Zwar wurde er aus dem Wasser gezogen, aber er starb bald darauf. Mit Tchia-tching,*) 1522—1566, beginnt der Verfall der Dynastie. Die Tartaren eroberten Peking und plünderten es drei Tage lang. Darauf wurde auch die Chinesenstadt mit einer Mauer umgeben. Die Japaner machten wieder ihre Raubfahrten an der Küste und besetzten einige Küstenstädte. Es kam zu häufigen Militärrevolten. Der Kaiser verschwendete ungeheure Summen für Kultus und Tempelfeste. Ein taoistischer Mönch wurde zum Minister für Riten ernannt. Der Kaiser starb durch den Genuß eines taoistischen Lebenselixiers.

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Auch Kaiser Lung-tch'ing1), 1567—1573, ist durch seine Prachtliebe und Verschwendungssucht bekannt. Unter Wan-li2), 1573—1620, herrschten einigermaßen geordnete Zustände. Während seiner Regierung fiel der japanische Feldherr Hideyoschi in Korea ein, das China um Hilfe anrief. Man kämpfte lange mit wechselndem Kriegsglück, bis die Japaner nach dem Tode ihres Feldherrn wieder abzogen. Verschiedene Kaiser waren beim Begierungsantritt unmündige Kinder und wurden ganz von Eunuchen und Priestern beherrscht. Für den unmündigen T'ien-tch'i3), 1621—1628, zum Beispiel regierte seine Amme und ihr Freund, ein Eunuch. Da die Mongolen die großen Handelsstraßen versperrten, war China zu Lande vom Westen abgeschnitten. 1516 erschienen die ersten Schiffe der Portugiesen und bald darauf folgten die Spanier, Holländer und Engländer. Damit begann der direkte europäische Seehandel. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts kamen die ersten jesuitischen Missionare nach China und gelangten bald als Astronomen und Mathematiker bei Hofe zu hohem Ansehen. Von ihnen lernten die Chinesen europäische Astronomie und Mathematik. Es fanden viele Bekehrungen auch in den höchsten Kreisen statt, und es schien fast, als ob China das Christentum annehmen würde. Der letzte Kaiser, 1628—1644, hatte die besten Absichten, aber es war zu spät. Die Revolution ließ sich nicht mehr abwenden, und zu gleicher Zeit fielen die Mandschu in China ein. Durch die zahlreichen Kriege waren die Finanzquellen erschöpft. Das Volk war durch drückende Steuern und Erpressungen ausgesogen. Als dann 1628 noch eine Mißernte dazu kam, brachen überall Aufstände aus. Drei Rebellen traten auf, von denen jeder die Macht erringen wollte. Einer derselben rief die Mandschu zur Hilfe. Als sein Palast von dem Rebellen Li Tse-tsch'eng*) erstürmt war, machte der letzte Ming-Kstiser, von allen verlassen, auf dem Kohlenhügel in Peking durch Erdrosseln seinem Leben ein Ende. Aber die Herrschaft fiel nicht seinem Überwinder zu, wie dieser gehofft hatte, sondern die Mandschu nahmen das Reich für sich selbst in Besitz. Unter den Ming erhielt das chinesische Leben die festen Formen, welche es noch heute hat. Es wurden besondere Kleiderordnungen erlassen und nach den Berufen festgesetzt. Die Verwaltung der Zentral- und Provinzialbehörden wurde neu geregelt und ist später von den Mandschu übernommen worden. In der Kunst leisteten die Ming Hervorragendes als Architekten und Bildhauer. Der Kaiserpalast in Peking, der Himmelstempel und andere Bauten, die Gräber der -ftfwg-Kaiser gehören zu den größten Leistungen moderner Baukunst und sind die größten Sehenswürdigkeiten für alle Fremden. Paläste und Tempel sind zum größten Teil bemalte Holzbauten. Sie imponieren nicht so sehr durch ihre Höhe, als durch ihre sich in die Breite erstreckende monumentale Größe, die sehr geschickte Anordnung der einzelnen Gebäude in ihren Höfen und Parks, die vollkommene Anpassung an die Landschaft, so daß es

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scheint, als seien sie natürlich daraus hervorgewachsen. Die pittoresken Mauern der chinesischen Städte mit ihren Bastionen, Zinnen und Türmen stammen fast alle aus der Ming-Zeit und geben den Städten ihr mittelalterliches Gepräge. Man hat sie besonders zum Schutz gegen Japaner, Mongolen und Mandschu gebaut an Stelle der früheren Lehmmauern. Auch die meisten Ehrenportikos aus bemaltem Holz oder aus Stein gemeißelt, welche das Straßenbild verschönen, gehen auf die Miwgf-Dynastie zurück. Zu den Ming-Gräbem führen die bekannten Steinalleen aus Menschen- und Tierfiguren in übermenschlicher Größe. Die Malerei der Ming-TZpoche ist realistischer und dekorativer als die der Sung-Zeit. Man bewundert daran den feinen Geschmack und die grandiose Technik. In gewisser Weise kommt darin die Prunkliebe der Ming -Kaiser zum Ausdruck. Sie ist farbenfreudiger als die Sung-Zeit, in welcher die Tuschmalerei vorherrscht. In der Ming^poche hat man zu dekorativen Zwecken viele Meter große Fresken geschaffen. Dem Hang zur minutiösen Ausführung des Details kommt die Kleinkunst entgegen. Unübertroffene Meisterwerke in der Porzellan- und Bronzetechnik sind in der Ming-Zeit entstanden. Das bekannte ,Blau und Weiß'-Porzellan stammt aus der Ming-TZpoche, und noch heute pflegen Händler in Peking ihre Porzellane als Ta Ming anzupreisen. In der schönen Literatur wurden unter den Ming vor allem das Drama und der Roman gepflegt, die beiden Zweige der Volksliteratur, deren Wurzeln bis in die Yuan- und Sung -Dynastie reichen. Der Ming-Zeit gehören vier berühmte Romane an, welche verschiedene Richtungen des Romans darstellen, der historische Heldenroman, das San-kuo tschi, welcher den Chinesen fast das fehlende Epos ersetzt, der Abenteurer- und Schelmenroman Schui-hu tschuan, der mythologische Roman Hsi-yu tchi und der bürgerliche Sittenroman Tchin P'ing Mei1). Die Ming-Zeit ist die Periode des älteren chinesischen Romans. Damals entstanden auch die besten Sammlungen von Novellen, von denen manche sich mit den besten Erzählungen des Westens messen können, wie das Tchin-ku tch'i kuan?) Philosophisch herrschte während der J/wigr-Dynastie ein reges Leben. DieSungPhilosophie wirkte nach. Wenn sie der Sung -Dynastie an Originalität auch nicht gleichkam, so war sie ihr doch in der Feinheit der Begriffsbildung überlegen. Die einzelnen Teile wurden weiter ausgebaut und die neu gewonnenen Begriffe weiter geklärt. Die Ming-Zeit steht zur Sung-Zeit ähnlich wie die Philosophie der flow-Epoche zu derjenigen der TscAow-Zeit. Die verschiedensten Richtungen der Philosophen waren vertreten. Tschu Hsi hatte namentlich in der älteren Ming-Zeit, viele Anhänger und galt als Hauptphilosoph. Aber gegen seinen Dualismus traten die Monisten auf, welche nur ein einziges Weltprinzip annahmen, und zwar gab es realistische, welche dieses Prinzip in der Substanz fanden, und spirituah'stische, nach deren Ansicht die ganze Welt nur aus Geist

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bestand. Realisten waren Lo Tch'in-schun1) und Yang Tung-ming2), Spiritualisten Ts'ao Tuan3) und Huang Tao-tschou.*) Es gab aber auch Anhänger des Yang Schi&), wie zuraBeispiel KaoP'an-lung,6) welche an einWeltfluidum glaubten, das Geist und Materie zugleich ist. Sie füllten wie Tschang Tsai7) die große Leere mit Geistfluidum aus. Als Vorläufer Wang Yang-ming's sind Hu Tchüjen,8) ein Monist und Identitätsphilosoph, zu betrachten, welcher Geist und Erscheinung gleichsetzt, und Tsch'en Hsien-tschang.9) ein extremer Idealist, der besonderes Gewicht auf die Meditation legt. Mit Wang Yang-ming beginnt die spätere Ming-Dynastie. Er ist nach TschuHsi der bedeutendste Denker der Neuzeit, Identitätsphilosoph, aber im Grund doch Idealist. Mit der intuitiven Erkenntnis, dem angeborenen Wissen glaubt er die Welt aus den Angeln heben zu können. Seine Anhänger waren in der späteren Ming-Zeit zahlreicher als die des Tschu Hsi. Von da ab hieß es: hier Tsch'eng und Tschu, hier Lu und Wang,10) das heißt, es standen sich gegenüber der Realismus des Tschu Hsi und der Idealismus des Wang Yang-ming. Manche Philosophen fanden in der altkonfuzianischen Lebensweisheit Genüge und wollten von den neuen Spekulationen nichts wissen, bei anderen machte sich eine gewisse Skepsis, vermisch t mit etwas Pessimismus bemerkbar, wie bei Wu Yü-pi.11) wieder andere gingen fast ganz in Meditation auf und interessierten sich fast für nichts anderes. Schließlich fanden sich auch einige Taoisten und Naturphilosophen.

I. Verschiedene Richtungen. 1. Liu Tchi 1311—1375. 12

Liu Tchi ) führt den Beinamen Po-wen13), seine Heimat ist Tch'ing-t'ien1*) in Tschekiang. Sein Lehrer sagte zu seinem Vater, daß seine Ahnen sich große Verdienste erworben haben müßten, denn sein Sohn würde das Tor für einen großen Fürsten werden. Ungefähr um 1331 bestand er die Doktorprüfung und beschäftigte sich dann besonders mit Sternkunde. Der Fürst, welchem er durch seine Ratschläge und seine tatkräftige Hilfe zum Throne verhalf, war Hung-wu, der erste Kaiser der Ming -Dynastie. Von diesem aufgefordert schrieb er einen Bericht, in dem er ihm Vorschläge machte, wie er die Herrschaft erlangen könne. Da man ihm die Fähigkeit des Tschu-ko Liang zutraute, so ernannte man ihn 4

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I. Verschiedene Richtungen: 1. Liu Tchi

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hat, die Geister seien da, wenn man es wolle, und nicht da, wenn man es nicht wolle.1) Die Auffassung von der Wirkung der kindlichen Liebe ist durchaus konfuzianisch. Liu Tchi'a Zweifelsucht kommt besonders in zwei fingierten Gesprächen zum Ausdruck, welche zwei bekannte Antinomien behandeln: „Tsch'u -kung fragte den Hsiao Tse-yün:2) ,Wenn der Himmel ein Ende hat, was ist dann außerhalb dieses Endes ? Und wenn der Himmel kein Ende hat, so besteht doch das Prinzip und das Gesetz, daß alles was eine Gestalt hat, ein Ende haben muß.' Hsiao Liao Tse-yün gab zur Antwort: ,Von den Dingen außerhalb der sechs Himmelsrichtungen spricht der Heilige nicht.' Tsch'u -kung lachte und sagte: ,Der Heilige kann es nicht wissen, denn weswegen spricht er nicht davon ? Die Bewegungen des Himmels verzeichnet der Heilige mit Hilfe der Astronomie. Die Gestalt des Himmels prüft er mit Instrumenten. Die Zahlen des Himmels berechnet er mit Mathematik. Das Prinzip des Himmels erforscht der Heilige mit Hilfe des Yiking. Alles, was das Auge sehen, das Ohr hören und der Geist denken kann, sucht der Heilige zu erfassen und läßt nicht die geringste Kleinigkeit in der Verborgenheit, aber den Menschen fehlt ein Mittel, um das zu erkennen, was der Himmel verbirgt. Das ist es. Wenn du jetzt nicht sagst, er weiß es nicht, sondern nur, er spreche nicht darüber, so möchtest du nur recht behalten'."3) Bei einer ändern Gelegenheit „fragte Tao-tse*) den Yü-li tse, ob es das Prinzip des Himmels sei, das Gute zu lieben und das Böse zu hassen. Yü bejahte es. Jener fuhr fort: ,Wenn dem so ist, dann müßten von den Lebewesen der Welt die guten zahlreicher sein als die bösen. Nun gibt es aber in der Welt unter den Vögeln viel mehr Raben und Weihen als Phönixe, sind aber die Phönixe schlecht und Raben und Weihen gut ? Unter den Vierfüßlern sind die Wölfe viel häufiger als die Einhorne, sind etwa diese schlecht und jene gut ? Von den Gewächsen in der Welt sind die Dornbüsche viel zahlreicher als Reis und Hirse, ist etwa Reis und Hirse weniger wertvoll als Dornen ? Was diejenigen anbetrifft, welche in der Welt gekochte Speise essen und aufrechten Gang haben, so sind unter ') Vergl. S. 110.

2 ) Auch die Namen scheinen fingiert. Giles Biogr. Diet. No. 719 kennt einen Hsiao Tse-yün, einen Mystiker aus dem 6. Jahrhundert, der in Frage kommen könnte. 3) Yü-li tse S. 4a: *£ ^ & ft =f |f £ ^ ^ fä ¥ » S £ * X M %

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ihnen die Schelme und Schurken sehr zahlreich vertreten, dagegen die Humanen und Rechtschaffenen viel weniger, sind demnach die letzteren weniger wert als Schelme und Schurken? Hält etwa der Himmel das, was der Mensch für schlecht erklärt, für gut, und was er gut nennt, für schlecht? Oder kann der Himmel das Schicksal der Wesen nicht gestalten, und läßt er den Dingen ihren natürlichen Lauf, so daß sie dementsprechend gut oder schlecht werden ? Ist es angängig, daß die Guten mißhandelt und die Schlechten mit Ehrfurcht behandelt werden ? Muß auch der Himmel manches herunterschlucken ? Seit alters haben viel längere Zeit Wirren als Ordnung geherrscht. Wenn die Edlen mit den Gemeinen streiten, so pflegen die Gemeinen viel öfter den Sieg davonzutragen als die Edlen. Wie ist es möglich, daß das himmlische Tao das Gute liebt und das Böse haßt, und daß trotzdem solche Mißstände herrschen'.?'1) ,,Yü-li tse antwortete nicht. Tao-tse zog sich zurück und sprach zu einem Schüler des Meisters : ,Der Edle ist viel selbstsüchtiger als der Himmel, und diesmal ist er in der Debatte mir nicht gewachsen gewesen'."2) Wie fast alle Philosophen hat auch Hu Po-wen manches über die Verwaltung und Regierung des Staates geschrieben, wozu ihn seine praktische Erfahrung besonders befähigte. Einer seiner Ausprüche zeugt von großer Einsicht und kann uns heute noch als Leitspruch dienen. Er lautet: ,,Yü-li tse sagte: Wer zu kämpfen versteht, verringert die Zahl seiner Feinde, wer nicht zu kämpfen versteht, vermehrt sie."3) Wir wissen von Liu Tchi bis jetzt nicht viel. Von den Geschichtsschreibern der Philosophie kennt ihn nur Tschung T'ai. Als Philosoph ist er jedenfalls ein den großen Skeptikern Wang Tsch'ung und Fan Tschen ähnlicher Typus.

2. Fang Hsiao-ju 1357—1402. Fang Hsiao-ju*) (T. Hsi-tschi und Hsi-kus), H. Tscheng-hsüeh und Hsün-tschi6)) ist aus Ning-hai7) in Tschekiang gebürtig. Schon als Knabe war er sehr schrift') Yü-litseS. 3b: g =f. ffi =f fiß f£ ^S> ^ g £f ^fljj &£, $ ¥, 0 $, B »

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I. Verschiedene Richtungen: 2. Fang Hsiao-ju

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gewandt und wurde deshalb der kleine Han Yü1) genannt. Im Jahre 1373 begleitete er seinen Vater auf seinen Posten in Schantung. Dieser wurde dort hingerichtet, und sein Sohn brachte die Leiche des Vaters in die Heimat zurück. Im Alter von 20 Jahren kam er nach der Hauptstadt und wurde ein Schüler des Sung Lien, welcher von ihm sagte: „Viele kommen in meine Schule, aber keiner ist dem Fang gleich." Er wurde dem Kaiser Hung-wu empfohlen, dem er sehr gefiel, und 1390 zum Erzieher eines der Söhne des Kaisers ernannt, welchen er in sein Fürstentum in Sse-tschuan begleitete. Als der jugendliche Kaiser Hui-ti 1399 den Thron bestieg, ernannte er Fang Hsiao-ju zum Hanlin und fragte ihn oft beim Studium nach dem Sinn schwieriger Stellen. Bei der Regierung benutzte er ihn als Ratgeber und ließ ihn die Eingaben hoher Beamter beantworten. Von verschiedenen offiziellen Werken war Fang der Hauptherausgeber. Die Edikte gegen den Onkel des Kaisers, den Prinzen von Yen und späteren Kaiser Yung- , welcher sich empörte, um seinem Neffen die Herrschaft zu entreißen, waren von seiner Hand, und er leitete den Widerstand des Kaisers gegen den Empörer. Durch Verrat drangen die Truppen des Prinzen in den Palast ein, es brach ein Feuer aus, und Hui-ti fand den Tod in den Flammen. An demselben Tage wurde Fang Hsiao-ju verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Man riet dem Yung- , den Fang Hsiao-ju nicht zu töten, da damit die chinesische Wissenschaft zugrunde gehen würde. Yung- wollte ihn zur Abfassung seiner Proklamationen verwenden und ließ ihn in den Palast kommen. Fang Hsiao-ju erschien wehklagend. Der Kaiser versuchte ihn zu trösten, indem er sagte, er wünsche dem Beispiel des Tschou-kung, der dem König Tsch'eng diente, zu folgen2). Fang fragte, wo König Tsch'eng sich befände. Der Kaiser antwortete, er habe den Tod in den Flammen gesucht3). Darauf antwortet Fang, warum man nicht seinen Sohn auf den Thron hebe4). Yung- erwiderte, das Reich habe einen älteren Fürsten nötig. Fang fragte, warum man dann nicht den jüngeren Bruder des Verstorbenen zum Kaiser mache. Yung- antwortete, das

')) Das * nklassische =l·· Beispiel des Onkels, welcher seinem Neffen, König Tsch'eng, 1115—1078

2

v. Chr., selbstlos als Berater gedient hat. 3 ) Das Ming-schi Kap. 4 S. 8a schreibt: als die Soldaten des Prinzen von Yen in den Palast eindrangen, brach darin Feuer aus. Man weiß nicht, wo der Kaiser gestorben ist. Die Leiche der Kaiserin wurde aus dem Feuer geborgen. Einige behaupten, der Kaiser sei über Land entwichen. 1440 gab sich ein buddhistischer Priester, welcher aus Yünnan nach Kuangsi kam, für den Kaiser Hui-ti aus. Es stellte sich heraus, daß er Yang Hsinghsiang jf^j fö jjpfc hieß, schon über 90 Jahre alt war und aus Tchün-tschou §£] ffl stammte. Er starb vier Monate später im Gefängnis. Seine zwölf Komplizen wurden nach Liaotung verbannt. Später verbreitete sich in Yünnan und Ssetschuan das Gerücht,.daß der Kaiser buddhistischer Priester geworden sei und sich öfter gezeigt habe. Auch Cordier III, 23 läßt den Kaiser als buddhistischen Priester verkleidet aus dem Palaste entfliehen. Seine Quelle ist De Mailla X, 143—144, welcher sich auf drei Privatwerke über die Mmjr-Dynastie stützt, da zu seiner Zeit die Reichsannalen, Ming-schi, noch nicht erschienen waren. 4 ) Dieser Sohn war erst zwei Jahre alt.

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sei seine Familienangelegenheit. Darauf ließ er durch sein Gefolge dem Fang Hsiao-ju Pinsel und Schreibmaterial-überreichen und sprach: ,Für eine Proklamation an das Volk kann nur der Meister das Konzept entwerfen.' Aber Fang Hsiao-ju warf den Pinsel auf die Erde und sprach unter Tränen, und indem e,r den Kaiser verfluchte: „Wenn ich sterben muß, so sterbe ich, aber den Entwurf zur Proklamation schreibe ich nicht"1). Der Kaiser geriet in großen Zorn und befahl, Fang auf dem Markte in Stücke zu hauen. Dieser ging mutig in den Tod, und kurz vor seinem Ende schrieb er noch folgende Verse: „Der Himmel hat Verderben geschickt; wer kennt den Grund? Verräter sind zur Macht gelangt und haben im Reich ihre Ränke gesponnen. Die treuen Beamten sind in größter Erregung und vergießen blutige Tränen. Wenn ich deswegen für meinen Fürsten sterbe, was will ich noch weiter ? Oh, dieses Unglück! Ich habe keine Schuld daran"2). 847 Beamte, welche Hui-ti im Kampf gegen ihn unterstützt hatten oder sich weigerten, unter ihm zu dienen, ließ Yung- hinrichten und zum Teil ihre ganzen Familien ausrotten. Ein jüngerer Bruder des Fang Hsiao-ju und zwei seiner Schüler wurden mit ihm zusammen hingerichtet, sein älterer Bruder starb schon vorher. Seine Frau und seine beiden Söhne begingen Selbstmord, zwei Töchter stürzten sich in einen Fluß3). Fang's Gesamtwerke wurden als Hsün-tschi tschai-tchi*) in 24 Büchern veröffentlicht. Sie wurden auf Befehl des Kaisers verbrannt, und auf ihre Verbergung stand Todesstrafe. Trotzdem schrieb ein Schüler einen Teil davon ab, das Fang Tscheng-hsüeh tchif) welches erhalten ist. Fang erhielt den posthumen Ehrennamen Wen-tscheng6) und wurde im Jahre 1863 in den Konfuzius -Tempel aufgenommen. Er hat mehr durch seinen Heroismus als ein leuchtendes Beispiel der Treue zum angestammten Fürsten als durch seine Philosophie gewirkt. Ts'ai Tch'ing7) (1453—1508) sagt, daß ein Mann wie Fang Tscheng in tausend Jahren nur einmal vorkomme. Fang's philosophisches Interesse beschränkt sich auf praktische Lebensphilosophie und Staatslehre, mit metaphysischen Fragen hat er sich kaum abgegeben. Er bekennt sich zu Tschu Hsi, dessen Lehre er als die eines Weisen und Heiligen bezeichnet. 200 Jahre nach seinem Tode halte noch jeder Gelehrte daran fest, und niemand komme ihm an Weisheit gleich8). Das Irdische, meint Fang Hsiao-ju, sei leichter zu verstehen als das Himmlische, daher müsse man mit dem ersteren beginnen, ehe man sich an das Himmlische heranwage. J ) Biographie im Ming-schi Kap. 141, S. 7a: ^g |[J Jg Jf^ jg ijp "öf j^. Die Biographie im Fang Tscheng-hsüeh tchi stimmt wörtlich damit überein. ·) Ming-schi a . a . O . ^ * «^,ftfclÄ * .ffE » Ü" ^ !E ·tö»» Ä 3

) Diese blutrünstige Grausamkeit wirft einen düsteren Schatten auf den Charakter des Kaisers Yung- , der als einer der bedeutendsten Herrscher der Ming -Dynastie gilt. 4 ) Ü & & £· *) Jj JE & im Tscheng-i fang tch'üan-schu. «) ;£ JE. ') U ffi. ') Fang TscMng-hsüeh tchi II, 19 a.

. Verschiedene Richtungen: 2. Fang Hsiao-ju

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In der Staatsverwaltung hat man nach Fang's Ansicht im Altertum besonders fünf Dinge gepflegt: Regierung, Unterricht, Sitte, Musik und Strafwesen. Davon soll nur noch das Strafwesen übrig geblieben sein1). Fang wollte sich besonders auf das Tschou-li stützen, aber doch seine Mängel ergänzen und auch moderne Verhältnisse berücksichtigen, denn er war keineswegs ein unbedingter Bewunderer des Altertums. Er hielt den Zweifel und die Kritik für nötig, nur dürften sie nicht alles zerstören. Sein Lehrer neigte etwas zum Taoismus und Buddhismus, er lehnte diese Lehre ab. Dagegen teilt er die Anschauung, daß alle Wesen durch Yin und Yang und die fünf Elemente hervorgebracht werden, deren Substanz feiner oder gröber sein kann. Dabei waltet keine besondere Absicht vor, auch Abnormitäten der Körperbildung sind Zufall und lassen sich nicht durch die Seelenwanderung erklären, denn es würde eine Beschränkung der Macht der Natur sein, wenn sie die Keime zukünftiger Gestaltungen vom Verstorbenen nehmen müßte2). „Der Edle im Altertum war besorgt, daß er sein Ziel nicht erreiche, und beschäftigte sich nicht viel mit Leben und Tod. Er übte sich in seinen Pflichten, so daß er sich nicht zu schämen brauchte. Was der Himmel mir vollständig geschenkt hat, muß ich vollständig erhalten und darf nichts davon verlieren. Ich muß es zu voller Klarheit entwickeln, durch Pflege zu voller Entfaltung bringen und nach allen Richtungen hin ausüben, so daß noch die Nachwelt Nutzen daraus ziehen kann. Wenn ich mich dem menschlichen Sittengesetz gegenüber nicht zu schämen brauche, dann kann ich Unglück haben, indem der Himmel mir entgegen ist, oder indem ich in Konflikt mit den Menschen gerate, ich mag in Krankheit oder in Not und Gefahr sterben, was schadet das dem Edelmenschentum ?"3) Ein Held, wie Fang Tscheng-hsüeh es war, wird durch das Schicksal nicht gebeugt, denn „der Edle baut auf die Wahrheit und ergibt sich in sein Schicksal"4). „Die Gelehrten müssen wissen, was das Schicksal bedeutet. Die Pläne der Menschen sind ohne Grenzen, aber der Erfolg ist begrenzt. Das ist das Schicksal." Wenn man durch Weisheit Reichtum und Ehre erlangen könnte, dann müßten K'ung-tse und Meng-tse Könige geworden sein, und wenn alle Edlen geehrt würden, dann müßten alle Weisen Erfolg haben. „Das Schicksal stimmt von jeher mit den menschlichen Plänen nicht überein. Wenn man sich hinein findet, wird man stets Überfluß haben, und wenn man ihm widerstrebt, stets Mangel"5). Ming-ju hsüeh-an Kap. 43, S. 3b.

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Die Ming-Dynastie

In Fang's Philosophie ist das Studium ein Kernstück, auf welches er das größte Gewicht legt. Unwissende Menschen sollen sich von den Tieren nicht unterscheiden, und ein Leben ohne Studium erscheint ihm nicht lebenswert. Seine Worte lauten: „Die Menschen brauchen vielleicht nicht zu essen, aber sie können nicht ohne Studium auskommen. Wenn sie nicht essen, sterben sie, und damit ist alles aus. Wenn sie nicht lernen, dann bleiben sie am Leben, aber sie sind den Tieren gleich und ohne Wissen. Besser als zu den Tieren zu gehören, ist es zu sterben"1). Und weiter sagt er: „Wenn jemand seinen Sohn liebt und ihn nicht unterweist, so ist es, wie wenn er ihn nicht liebte. Wenn er ihn unterrichtet, aber nicht im Guten, so ist es, als ob er ihn nicht unterwiese, und wenn er ihm gute Lehren gibt, diese aber nicht befolgt werden, dann nützt auch das Gute nicht"2). — „Durch das Studium unterstützt der Heilige den Himmel. Dieser setzt die Pflichten fest, welche man ohne Studium nicht erfüllen kann. Für den Menschen gelten feste Normen, denen man ohne Studium nicht zu folgen vermag"3). Über den Studiengang für den Gebildeten äußert sich unser Philosoph wie folgt: Die Menschen studieren, aber wissen oft nicht warum. Die menschliche Natur ist von der Geburt an mit den fünf Tugenden begabt, aber nur die Heiligen können sie ohne weiteres richtig anwenden, die gewöhnlichen Menschen bedürfen dazu des Studiums. Das Wichtigste beim Studium sind die fünf Klassiker und die vier Bücher. Man muß dabei eine gewisse Reihenfolge beobachten und darf sich nicht gleich mitten hinein stürzen. Zuerst kommt das Ta-hsio, um eine ordentliche Grundlage zu schaffen, dann folgt Meng-tse, um die Tatkraft anzufeuern, darauf das Lun-yü, das sie zügelt und gleichmäßig macht, und zum Schluß das Tschung-yung, das die Anfänge aufzeigt. Dann folgen die Klassiker. Durch die Werke der Philosophen wird der Gesichtskreis erweitert und das kritische Denken gefördert. In den Geschiehtswerken findet man Beweise für die Richtigkeit der moralischen Grundsätze. Am Tage liest man, des Nachts denkt man über das Gelesene nach. Darauf bildet man durch Selbstzucht seine Persönlichkeit aus und erwirbt die Tugenden und Fähigkeiten, die erforderlich sind, um ein Amt im Staatsdienst zu bekleiden. Als Beamter kann man nach allen Seiten hin segensreich wirken und sich einen Namen machen, der noch auf die Nachwelt übergeht. Auch kann man die Lehren der Weisen und die Regierungsmethoden in alter und neuer Zeit studieren und sie mündlich oder durch Schriften seinen Mitmenschen mitteilen. Das ist das Höchste, was sich durch das Studium erreichen läßt 4 ).

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I. Verschiedene Richtungen: 3. Wu Yü-pi

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Von den Tugenden werden Sitte, Musik und Gerechtigkeit besonders hervorgehoben. Fang Hsiao-ju sagt: „Zur Erhaltung des Körpers ist nichts wichtiger als Essen und Trinken und zur Pflege des Herzens nichts von größerer Bedeutung als Sitte und Musik. Die Menschen versäumen auch nicht einen Tag lang zu essen und zu trinken, weshalb vernachlässigen sie nur Sitte und Musik ? Sie schätzen das Wertlose und achten das Wertvolle gering. Es kann keinen größeren Irrtum geben"1). — „Wenn jemand die Gerechtigkeit liebt wie Speise und Trank, den Vorteil fürchtet wie giftige Schlangen, im Amt wie ein Familienvorsteher handelt und das Volk wie sich selbst liebt, dann ist er ein edler und weiser Mann"2). Man soll nicht nach einem Vorteil streben, wohl aber ihn ändern verschaffen. Die Anstrengungen, welche man dafür auf sich nimmt, bringen, wenn in richtiger Weise angewandt, vielfachen Lohn, denn es heißt: „Die Anstrengung eines Jahres kann für mehrere zehn Jahre und die Anstrengung von zehn Jahren für mehrere hundert Jahre Vorteil bringen. Der Edle handelt so. Wenn der Edle nach Vorteil strebt, so nützt er den Menschen, wenn der Gemeine es tut, so nützt er nur sich selbst"3).

3. Wu Yü-pi 1391—1469. Wu Yü-pi4) (T. Tse-fuf) H. K'ang-techai6)) stammte aus Tsch'ung-jen in Fu-tschou7) (Kiangsi). Mit 19 Jahren studierte er Tag und Nacht das I-lo yuanyuan lus) des Tschu Hsi und die Werke des Tsch'engHao, welche ihm viel Freude machten. Er meinte, daß, wenn alles stimme, was sie sagten, er selbst ein Weiser und Heiliger werden könne. Nach bestandenem Examen lebte er in großer Armut in einer kleinen Hütte, las die Klassiker und bildete seine Persönlichkeit aus. Mit seinen Schülern zusammen bestellte er selbst das Feld, ganz wie ein Bauer gekleidet, im Regen mit Bambushut und Regenmantel aus Schilf, Hände und Füße mit Schwielen bedeckt. Sie aßen gemeinsam groben Reis, Gemüse und Bohnen. Etwas Geld verdiente er durch seinen Unterricht. Beim Ackerbau unterhielt er sich mit den Schülern. Einmal hatte er sich beim Getreidemähen mit der Sichel einen Finger verletzt, aber er verbiß den Schmerz und sagte: .Wie kann man sich vom Objekt besiegen lassen?', und er mähte weiter9). ') Ming-ju hsüeh-an Kap. «, S. 3b : £ £ £ -fe jfc ffc fc, ·$ fc £ £i Jfr

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Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 20, S. 19a, Hsieh Wu-Uang VI, 2b.

316

Die Ming-Dynastie

Zu seinen Schülern gehörte auch der spätere Philosoph Tsch'enHsien-tschang,1) der es aber nur ein halbes Jahr bei ihm aushielt, da er ihn sehr scharf anfaßte und ihm zuerst nichts mitteilte, wohl um seine Ausdauer zu prüfen. Statt dessen ließ er ihn den Boden hacken, Gemüse pflanzen und die Zäune instandsetzen. Wenn Wu schrieb, mußte er die Tusche reiben, und wenn Gäste kamen, den Tee bringen2). Als Tsch'en eines Morgens früh, während Wu schon Korn siebte, noch nicht aufgestanden war, rief ihm dieser zu, wie er, wenn er so träge sei, später in die Lehre des Meng-tse oder des Tsch'eng I eindringen wolle ?3) Als Wu Yü-pi bereits 68 Jahre alt war, wurde er dem Kaiser empfohlen. Dieser lud ihn vor und wollte ihm ein hohes Amt verleihen, aber Wu lehnte wegen seines Alters ab. Der Kaiser beschenkte ihn und ließ ihm, obwohl er keinen Dienst tat, jeden Monat zwei Picul Reis liefern4). Wu K'ang-tschai erlebte seine Philosophie und hatte ein sehr ernstes sittliches Streben. Sein Grundsatz war, festzuhalten an der Konzentration, um das himmlische Prinzip in seinem Geiste zu bewahren und die Begierden zu unterdrücken. Sein Vorbild für praktische Lebensführung, worauf es ihm allein ankam, war Li T'ung. So war er den einfachen Weisen des hohen Altertums, welche sich noch nicht mit tiefgründigen philosophischen Spekulationen abgaben, sehr ähnlich. Wenn er auch eifrig studierte und Astronomie, Kriegskunst, Naturlehre und Wahrsagekunst verstand, so hielt er sich doch alle abstrusen Theorien fern und sprach auch nicht darüber. Da er der Überzeugung war, daß viel zu viel geschrieben würde und daß die vielen Kommentare nur schädlich seien, so schrieb er selbst nichts, sondern lehrte nur und lebte seine Lehre5). Wu's eigene Note, welche viele seiner Aussprüche durchklingt, ist eine große Melancholie und starker Pessimismus, wie sie sich bei chinesischen Denkern selten finden. Er läßt sich aber nicht dadurch niederdrücken, sondern sucht seinen Trübsinn zu überwinden. Von den näheren Umständen gibt er folgenden Bericht: „In der Hauptstadt studierte ich Tag und Nacht und fühlte mich frisch. Dann folgten mehr als zehn Krankheitsjahre, in denen ich trotz aller Anstrengung meines Trübsinns nicht Meister werden konnte. Außerdem war ich arm und konnte mir die nötigen Medizinen zur Bekämpfung meiner Leiden nicht verschaffen. Ich mußte mich in Geduld fassen und suchte meine sich aufbäumenden Gefühle niederzuhalten. „Ach, wie kurz sind im Leben die Jahre der Jugend und der Kraft! Dannschleppt mannurmühsam seine Tage dahin. Es ist ein Jammer"8). ') Siehe S. 355. ) Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 20, S. 21a. 3 ) Ming-ju hsüeh-an Kap. l S. Ib. 2

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) Biographie im Ming-schi Kap. 282, S. 20a.

) Da Wu Yü-pi der Lehrer der beiden Philosophen Tsch'en Hsien-tschang und Hu Tchüj&n war, so nennt ihn Watanabe III, 113 die Mutter der JVfittjj-Philosophie. Als Philosoph ist er selbst nicht bahnbrechend, da ihm das eigentliche Philosophieren fern lag und er sich wie K'ung-tse und andere alte Denker nur auf Lebensweisheit beschränkte. ·) Ming-ju hsüeh-an Kap. l, S. 8a: If,, ^ £ 4p ^ ^ $ ;g g 4?, ?£ ® & & £

I. Verschiedene Richtungen: 3. Wu Yü-pi

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Es muß Wu Yü-pi oft sehr schlecht gegangen sein, denn er berichtet weiter : „In der Nacht des 12 ten Tages des 7 ten Monats dachte ich auf meinem Lager nach über meine verzweifelte Lage, die sich nicht ertragen ließ. Hin- und hersinnend fand ich keinen Ausweg. Als es Tag wurde und ich noch nicht aufgestanden war, da fand ich ihn endlich. Es ist kein besonders raffiniertes Mittel, man muß nur von dem, was einem zu Gebote steht, den sparsamsten Gebrauch machen und die Armut ruhig hinnehmen. Ich schwor, daß, auch wenn ich vor Kälte Oder Hunger sterben sollte, ich doch meine einmal gewonnenen Überzeugungen nicht ändern würde. Daraufstand ich vergnügt auf, denn ich wußte, daß, wenn ich in meinem Vorhaben Erfolg haben wollte, ich nur diesen Weg gehen konnte"1). Wu rät also, daß, wenn man in größter Not, besonders in Armut ist, es keinen Zweck hat, sich leidenschaftlich zu erregen und darüber zu klagen. Man muß von den geringen Mitteln, die einem noch zur Verfügung stehen, in kluger Weise den sparsamsten Gebrauch machen. Nur so läßt sich die Krisis vielleicht überwinden. Man muß ein Mann sein und darf sich nicht vom Schicksal unterkriegen lassen : ,, Ein Mann muß imLeben aufrecht dastehen. "2) Das wird in einem Ausspruch noch weiter erklärt: „Der Mensch muß in Armut, Not und Elend eine feste Stellung einnehmen, dann kann er das Gemeine und Böse meistern und seinen Charakter zu einem gleichförmig guten gestalten. Er wird nicht gegen den Himmel murren und nicht die Mensehen tadeln. Die Dinge und sein Ich wird er vergessen und nur daran festhalten, daß es ein Vernunftsprinzip gibt"3). Wenn jemand in Not und Elend gerät, dann muß er versuchen, seine Niedergeschlagenheit zu überwinden. Lebensüberdruß läßt sich nur durch vermehrtes Studium bekämpfen4). „Das Herz ist ein lebhaftes Ding. Wenn man es nicht zu pflegen versteht, so wird es vor großen Erschütterungen nicht bewahrt bleiben. Man muß ihm stets einen Ruheplatz in Büchern schaffen, dann wird es von äußeren Dingen nicht besiegt werden"5). Im Studium hat Wu K*ang-tschai stets Trost und Stärkung gefunden. Er sagt davon: „Als ich das Tchin-sse lu6) gelesen hatte, da merkte ich, wie mein Geist sich zusammenraffte und mein Körper und mein Herz neuen Halt gewannen. Wenn ich erschlaffen wollte, wagte ich nicht, mich meiner Schwäche hinzugeben, und wenn ich ängstlich wurde, nahm ich mich zusammen und machte eine neue Anstrengung, um vorwärts zu kommen"7).

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Die Ming-Dynastie

,,Des nachts las ich Tschu Hsi'a gesammelte Werke, und da es schon sehr spät war, fehlte das Lampenöl. Meine arme Frau wußte sich nicht anders zu helfen, als daß sie Brennholz anzündete, bei dessen Schein ich mit Vergnügen weiter las"1). ,,Ich hatte den Schülern den Meng-tse erklärt, und als das Kapitel zu Ende war, war ich voller Begeisterung. Vor dem Schlafengehen rezitierte ich noch aus der Lebensbeschreibung des Tsch^eng Ming-tao, und nach längerer Zeit regten sich meine trägen Lebensgeister wieder an"2). Zweck des Studiums ist für Wu nicht das Wissen, sondern die Erlangung der Tugend. Er sagt: ,,Was man durch ruhiges Nachdenken und ernstes Bemühen erreichen kann, ist die Tugend. Außerdem gibt es nichts, was man wissen muß. weshalb sollte ich also danach streben ? Mein einziges Bemühen ist auf die Festigung meiner Tugend gerichtet. Mein Herz wird dadurch beruhigt, und meine Leidenschaften werden dadurch geläutert"3). Selbstprüfung und Selbstzucht führen zur Tugend. Wenn man langsam seines Weges geht, hat man gute Gelegenheit, sich selbst zu prüfen und über die vier Grundprinzipien4) nachzudenken. Dann wird man sein Herz in Zucht halten. Wenn man über etwas in Zorn gerät, so ist man leicht geneigt, ändern deswegen Vorwürfe zu machen, aber das ist ungerecht, und man sollte folgende Überlegung anstellen. Man muß sich fragen, ob man selbst imstande gewesen wäre, das zu leisten, was man von ändern erwartet. Wäre man dazu fähig gewesen, so muß man sich sagen, daß man selbst die Lehren der Weisen studiert hat, und daß man nicht dasselbe von ändern erwarten könne, welche entweder gar nichts oder nur wenig gelernt haben. Noch viel schlimmer aber ist der Vorwurf, wenn man selbst nicht einmal das hätte leisten können, was man von jenen erwartet. An sich selbst mag man die höchsten Forderungen stellen, von ändern darf man nur wenig erwarten, dann wird man allem Streit und Zank aus dem Wege gehen und seine Pflicht erfüllt haben5). Man hat Tag und Nacht genug zu tun, um sich selbst zu prüfen, und keine Zeit mehr, auch die ändern zu prüfen. Will man die ändern bessern, so wird es oft nichts mit der eigenen Ausbildung. Man muß erst selbst seinen Charakter gefestigt haben, ehe man sich daran wagen kann, dasVolk neue Wege zu führen 6 ). ) Eod. S. 12b: fc HU m 3g 3t Ä, % fö £ Vft, f ü m; ff & *> Ü «R & Hl··

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) Die Grundprinzipien, aus denen sich nach Meng-tse die vier Tugenden : Wohlwollen, Gerechtigkeit, Sitte und Wissen entwickeln. 5 ) Ming-ju hsüeh-an Kap. l, S. Ib. ·) A. a. O. S. 5a.

I. Verschiedene Richtungen: 4. Hsieh Hsüan

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4. Hsieh Hsüan 1393—1464. 1

Hsieh Hsüan ) (T. Te-wen, ) H. Tching-hsüan, Ho-fen und Tung-ho3)) wurde in Ho-tching der Provinz Schansi geboren4). Sein Vater war Studiendirektor und wünschte, daß auch sein Sohn die Beamtenlaufbahn mache. Er erhielt zwei Lehrer der Philosophie, bei denen er so eifrig lernte, daß er über dem Studium oft das Essen und Schlafen vergaß. Alle Bücher der Hsing-li-Phüosophie suchte er sich zu verschaffen und schrieb das ganze H sing-U ta-tch'üan ab, welches 1415 auf Befehl des Kaisers Yung- veröffentlicht worden war, indem er auch die Nächte daran arbeitete. Nach bestandenem Examen wurde er zuerst Studiendirektor in Schantung, wie sein Vater, und verbreitete dort die Lehre des Tschu Hsi. Später wurde er zum Vizepräsidenten des Riteiiamts und Kanzler im Hanlin ernannt. Als er einmal zu Hofe befohlen war, trat er nicht ein, weil der Kaiser nicht den vorschriftsmäßigen Anzug trug. Der Kaiser merkte es, wechselte seine Tracht, und Hsieh Hsüan erschien vor ihm. Acht Jahre lang war er ohne Amt, aber auch während dieser Zeit hatte er viele Schüler. Da er in einem Prozeß gegen einen allmächtigen Eunuchen, der den Staat beherrschte, entschieden hatte und jenem nicht gebührende Achtung zollte, so zog er sich seinen unauslöschlichen Haß zu. Die Folge war, daß der Eunuch ihn der Bestechung anklagen ließ und seine Verurteilung zum Tode durchsetzte. Von seinen drei Söhnen erbot sich der eine, den Tod für den Vater zu erdulden, der andere wollte für ihn in die Verbannung gehen. Diese Anträge wurden abgelehnt, aber durch die Intervention hoher Beamter wurde er begnadigt. Noch im Gefängnis hatte Hsieh ohne Furcht vor dem Tode das Yiking studiert. Nach seiner Begnadigung wurde er wieder angestellt. Im Jahre 1464 starb er im Alter von 71 Jahren5). Er wurde kanonisiert als Wen-tch'ing6) und in den Konfuzius-Tempel aufgenommen. Gegen 1500 wurde sein Hauptwerk in den Staatsschulen zum Studium eingeführt. Dieses ist das Tu-schu lu in 11 Kapiteln mit einer Fortsetzung Hsü-lu in 12 Kapiteln7). Es sind Anmerkungen, welche Hsieh beim Lesen der klassischen Schriften und

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? · Hackmann S. 357 nennt Hsieh mit seinem literarischen Namen

Yeh Tching-hsien. 4 ) inj ffi· So die Biographie im Ming-schi Kap. 282. S. 7b, das Miny-ju hsüeh-an Kap. 7, S. l a und alle Geschichten der Philosophie. Giles Biogr. Diet, nennt dagegen als Heimatsort ^i |Jj Yü-t'ien in Tschili. 5 ) So das Ming-schi Kap. 282, S. 9a, wonach Hsieh 1464, 72 Jahre alt (chin. Rechnung) starb. Nach dem Ming-ju hsüeh-an Kap. 7, S. 2b, wurde Hsieh 76 Jahre alt. Danach setzt Giles das Geburtsjahr 1389 fest. Hsieh Wu-liang und Takejiro lassen ihn 73 Jahre alt und im Jahre 1392 geboren werden. Watanabe und Tschung T'ai geben ihm 76 Jahre, trotzdem rechnet Watanabe seine Lebenszeit von 1392—1464. ) *»·

') Ä * SSL iS 50c· ^-)as Tscheng-i fang tch'ünn schu hat beide Teile \'ereinigt und Wiederholungen weggelassen. In dieser Ausgabe hat das Tu-schu lu nur 8 Kapitel.

320

Die Ming-Dynastie

der philosophischen Werke der Sung-Zeit niedergeschrieben hat. Im Ts'ungtscheng ming-yen,1) 2 Kapitel, behandelt er seine Amtstätigkeit als Zensor (1426). Seine Aussprüche sind von seinen Schülern im Tao-lun,2) 3 Kapitel, gesammelt worden, seine rein literarischen Werke enthält die Sammlung H sieh Tsching-hsüan tchi3) in 10 Kapiteln.

Seine Lehre. 1. Prinzip und Fluidum. a) Urprinzip, V e r n u n f t , Schicksal, Natur. „Den Himmel, die Erde und die zahllosen Dinge, die kennen die Menschen," sagt Hsieh Hsüan, „aber wodurch sie Himmel, Erde und Dinge sind, das können sie nicht verstehen. Wenn sie es begreifen wollen, dann nennen sie es Vollkommenheit, Too, Vernunft, Schicksal, Natur, Gott, Geist, Dämon, Urprinzip. Das Prinzip ist dasselbe"4). Das Weltprinzip übt viele Funktionen aus, diesen entsprechen die verschiedenen Namen. Der allgemeinste Name, welcher es ontologisch zu definieren sucht, ist Urprinzip. Von diesem heißt es: „Das Urprinzip ist die Leere und das Fehlen jeden Gegenstandes innerhalb einer Umgrenzung. Das Prinzip ist vorhanden, aber es fehlt durchaus der Körper"5). Wie das zu verstehen ist, wird noch weiter ausgeführt: „Das Gestaltlose, welches das rationale Prinzip besitzt, ist, was man als Prinzip des Nichtseins und zugleich als Urprinzip bezeichnet, und der Träger des Prinzips, welcher keine Gestalt hat, wird das Urprinzip genannt, welches ursprünglich das Prinzip des Nichtseins ist. Auch wenn der Körper fehlt, so ist doch das Prinzip vorhanden, und auch wenn das Prinzip vorhanden ist, so fehlt doch der Körper. Das gilt alles vom Vernunftprinzip, deshalb wird das Sein und das Nichtsein für eine Einheit erklärt. Lao-tse sagt, das Nichtsein könne das Sein hervorbringen6). Demnach gilt das Nichtsein als das Prinzip und das Sein als das Fluidum. Aus dem gestaltlosen Prinzip geht das gestaltete Fluidum hervor. Getrennt sind Sein und Nichtsein als zwei Pole zu betrachten, weshalb man auch sagt, daß Sein und Nichtsein zwei Dinge sind"7). 2 3

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I. Verschiedene Richtungen: 4. Hsieh Hsüan

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Der Dualismus des Tschu Hei kommt hier scharf zum Ausdruck. Wie dieser, setzt auch Hsieh Hsüan das Urprinzip der Vernunft gleich. Was Lao-tse von Tao sagt, überträgt Hsieh auf das Vernunftprinzip, das ja im Grunde dasselbe ist: „Wenn man den Namen des Vernunftprinzips nicht kennt, so ist es schwer, es zu erkennen, aber man muß wissen, daß es ursprünglich keinen Namen hat"1). Man muß den Namen kennen, um zu wissen, wovon die Rede ist, aber er reicht nicht aus, um sein Nichtsein, seine Transzendenz zu erkennen, und ist ein Notbehelf wie Tao, das uns auch nichts über sein inneres Wesen lehrt: „Die Natur und das Schicksal sind dasselbe Vernunftprinzip. Daraus erhellt, daß sie nur gut, nicht böse sein können"2), denn die Vernunft als höchstes Weltprinzip ist vollkommen, wie schon im Tschung-yung ausgeführt wird3). b) Das Urprinzip und die einzelnen Prinzipe. Das Urprinzip ist die eine große Kraft, welche in der Gesamtsubstanz des Kosmos wirkt. Sie setzt sich zusammen aus den unzähligen Einzelkräften, denen die einzelnen Dinge ihre Existenz verdanken: „Das eine Urprinzip der allgemeinen Substanz ist der eine Ursprung der tausendfachen verschiedenen Dinge. Jedes hat ein Urprinzip, es sind die tausendfachen Verschiedenheiten des einen Ursprungs. Die allgemeine Substanz ist die vollständige Wandlung der großen Kraft,4) und alle Einzeldinge sind die Flüsse und Ströme der kleinen Kräfte"5). Die Welt hat nur ein Prinzip, aber der Himmel, die Erde und alle Dinge haben außerdem jedes sein besonderes Prinzip. Der Himmel hat ein Prinzip, aber seine Phänomene wie Wind, Wolken, Blitz, Regen haben jedes ein besonderes. Ebenso ist es mit der Erde und ihren Teilen: Bergen, Flüssen, Bäumen, Pflanzen. Auch der Mensch hat ein Prinzip, aber für Vater und Sohn, Mann und Frau usw. gibt es besondere Prinzipien. Ein Prinzip gilt für den menschlichen Körper, aber viele besondere für die einzelnen Glieder. So ist es auch bei den einzelnen Pflanzen. Besondere Prinzipe gelten für den Stamm, die Zweige und Blüten6). —· Alle diese Prinzipe sind ontisch und nicht bloße Begriffe. Auch die Tugenden der kindlichen und ehelichen Liebe sind nicht nur als Beziehungen, sondern als besondere im Geiste der Betreffenden wirkende Kräfte aufzufassen. „Die Erforschung der Prinzipien bedeutet die Erforschung der Prinzipien der Menschen und Dinge. Das Prinzip für die Menschen ist ihre Natur, welche ihnen als moralischer Sinn und als natürliche Anlagen verliehen ist. Die Prinzipe der

') ibid. s. ioa: ^ jft 9 £, fg g a, £ & m m * JK *· ·) Ibid. S. 16a: & fr - S &, W «ffS3& & -ÖL W £· 3 ) Tu-schu lu III, l a. 4 ) Die Weltsubstanz ist ein Produkt der mannigfachen Wandlungen der Urkraft des Urprinzips. ·) Ming-ju hsüeh-an Kap. 7 S. 4a: ft H — * 9 W K * ± — *·. & K ~ ±

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322

Die Ming-Dynastie

Dinge sind die Natur von Wasser, Feuer, Holz, Metall, Erde, und so haben auch alle Dinge und Handlungen ihre Prinzipien, denen sie entsprechen müssen. Bei allen Prinzipien muß man die Erforschung und Untersuchung bis zum letzten Grunde fortführen, damit nicht der geringste Zweifel übrig bleibt. Das heißt die Erforschung der Prinzipien"1). „Bei der Erforschung des für die Menschen geltenden Prinzips muß man die Natur des Wohlwollens, der Gerechtigkeit, der Sitte und des Wissens ergründen2), und bei der Erforschung des Prinzips der Dinge und Handlungen muß man darauf sehen, daß alle Handlungen und Dinge das erhalten, was ihnen zukommt. Das heißt die Natur ergründen. Die Prinzipien und die Natur sind die Phasen des himmlischen Schicksals: yuan, hing, U, tschen3). Die Erforschung der Prinzipien und die Ergründung der Natur unterscheiden sich nicht im Geringsten vom himmlischen Schicksal. Das heißt zum Schicksal vordringen. Man spricht vom Prinzip, von der Natur und vom Schicksal, obwohl sie sich nicht voneinander unterscheiden. Man sagt: erforschen, ergründen und vordringen, wobei eine gewisse Reihenfolge beachtet wird. Dies sind Äußerungen früherer Konfuzianern, die ich nur berichtet habe"4). Sehr aufschlußreich für den Begriff des Prinzips sind die Ausführungen, welche Hsieh Hsüan über die Wurzel eines Baumes macht: „Wenn man die Wurzel einesBaumes betrachtet, so muß man denken, daß, bevor diese Wurzel da ist, schon in der Leere, in welcher nicht das geringste Anzeichen vorhanden ist, das Prinzip der Wurzel existiert. Sobald die Kraft des Fluidums sich in Bewegung setzt, sodaß das Leben beginnt, folgt auch das Prinzip, und die Wurzel des Baumes wächst so hervor"5). Das Prinzip entspricht hier der aristotelischen Form, und das Fluidum ist natürlich die Substanz. c) Die menschliche Natur. Die menschliche Natur, das innere Wesen des Menschen, ist nichts anderes als das Urprinzip. Diese Natur hat nicht nur im menschlichen Geiste ihren Sitz, sondern auch in den Organen, im Auge, in den Ohren usw. und in den Bewegungen der Arme und Beine. Auch die Prinzipien von Himmel, Erde und

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%* m* M m - & ± & m m m m -t. ) Das Prinzip für den Menschen ist sein ihm vom Himmel verliehener moralischer

2 Sinn, das heißt die seinem Herzen eingepflanzten Tugenden oder die tugendhaften Regungen des Herzens. 3 ) Die vier Zeichen dienen zur Bezeichnung der Phasen eines Turnus.

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I. Verschiedene Richtungen: 4. Hsieh Hsüun

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allen Dingen sind mit dieser Natur identisch. Daher sagt man: „In der Welt gibt es kein Ding außerhalb der Natur, und die Natur ist überall"1). Die Natur ist das Weltprinzip, welches alles durchdringt und alles erfüllt. Daher heißt es: „Im Herzen ist nichts enthalten, aber dieses Nichts ist von gewaltiger Größe und ohne Grenzen"2), es ist die Natur, das nichtseiende, transzendente Weltprinzip, welches nicht an Raum und Zeit gebunden ist. Die Selbsterkenntnis besteht darin, daß man seine eigene Natur und den Himmel droben erkennt. Die Natur ist das Vernunftprinzip und der Himmel der Ort, von dem dieses Prinzip kommt3). Nach alter Auffassung wird ja dem Menschen seine Natur, sein Charakter, sein Wesen vom Himmel verliehen, aber nicht ihm allein, denn das Vernunftprinzip ist in allen Dingen enthalten. Sie leben dadurch und gehen zugrunde, wenn das sie beherrschende Prinzip zu wirken aufhört. d) Das Prinzip und das Fluidum. In unserer realen Welt ist das Prinzip stets mit dem Fluidum, der Materie, verbunden, denn die Welt besteht aus Körper und Geist. Wir lesen: „Himmel, Erde und alle Dinge bilden zusammen ein abgeschlossenes Prinzip und Fluidum"4). „Die Körper von Himmel und Erde und von den Dingen sind leer, aber das Prinzip ist voll"5). Der letzte Satz scheint uns nicht ganz zu stimmen, denn das Prinzip ist doch immateriell, also leer, und der Körper voll und reell. Aber hier wird die ewige, unvergängliche Realität des Weltprinzips als voll und die nur ephemere Wirklichkeit der Dinge als leer bezeichnet. Die Dinge bestehen nur eine beschränkte Zeit, dann gehen sie wieder zugrunde und lösen sich auf, das Prinzip dagegen bleibt ewig unveränderlich. Das entnehmen wir aus den folgenden Aussprüchen : „Alle großen und kleinen körperlichen Dinge gehen aus dem ganz feinen und wunderbaren Prinzip und dem Fluidum hervor, bis ihr Körper vollendet ist und sie sichtbar werden"6). „Das Fluidum macht tausenderlei verschiedene Wandlungen durch, das Prinzip dagegen ist fest bestimmt und ändert sich nicht"7). Da Tao nur ein anderer Name für das Prinzip ist, so muß, was vom Prinzip gesagt wird, auch von Tao gelten. Daher lesen wir: , *) Ming-ju hsüeh-an Kap. 7 S. 4b: £ % 3 ) Ibid S. 6 a. ') T.s.l. IV, 15a: ^ « & «9&-· 9

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324

Die Ming-Dynastie

,, hat sich seit Urzeiten nicht geändert, die Wandlungen des Fluidums sind täglich neu"1). „Die tausend Dinge haben Anfang und Ende, nur Tao hat weder Anfang noch Ende"2). Die Art, wie das Weltprinzip mit der Materie verbunden ist, will Hsieh Hsüan durch einen berühmten Vergleich klarmachen. Er sagt: „Das Vernunftprinzip ist wie ein Sonnenstrahl und das Fluidum wie ein fliegender Vogel. Das Prinzip reitet auf dem lebendigen Fluidum und wird bewegt, wie der Sonnenstrahl vom Rücken des Vogels getragen wird und fliegt. Der Vogel fliegt, und wenn auch der Sonnenstrahl sich nicht von seinem Rücken trennt, so geht er doch nicht mit ihm überall hin, sondern es kommt auch zur Trennung. Ebenso ist es mit der Bewegung des Fluidums. Das Prinzip trennt sich auch keinen Augenblick von ihm, aber es geht nicht mit ihm zugrunde, und es kommt nicht der Augenblick des Erlöschens. Das Fluidum zieht sich zusammen und zergeht,3) aber das Prinzip nicht, wie man hieraus ersehen kann"4). „Das Vernunftprinzip ist wie Sonnen- und Mondlicht. Alle Dinge, groß und klein, erhalten einen kleinen Teil ihres Glanzes. So lange die Dinge da sind, ist das Licht auf den Dingen, sobald sie vergangen sind, ist das Licht im Licht5)"6). Hier tritt wieder der Dualismus klar zutage. Das ewige und unzerstörbare Vernunftprinzip steht höher als das vergängliche Fluidum, aber obgleich das Fluidum vom Prinzip beherrscht wird, so ist doch bisweilen das Fluidum stärker als das Vernunftsprinzip. Torheit und Wissen, Gutes und Böses kommen durch das Fluidum, und die Vernunft kann sie nicht immer lenken, oft wird sie ganz davon überschattet. Durch Studium und Selbstbildung sucht man diese Mängel des Fluidums zu beseitigen, aber es erfordert lange und große Anstrengung7).

2. Yin, Yang, die Elemente und die Dinge. Ursprünglich gibt es nur ein Fluidum, das sich dann in zwei, Yinund Tang, teilt. Im Laufe des Jahres erzeugen sie sich gegenseitig: „Wasser ist Yin, es entsteht im Yang. Feuer ist Yang, es entsteht im Yin"6). ') Tu-schu lu III, 5a: ^ JMJ & # %,, %. it JW H ff. «) Ibid.: ftfegftttjfetitJgfettjKt.

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) Das Fluidum besteht, so lange es zusammenhält. «) Ming-ju hsüeh-an Kap. 7 S. l i b : g ft 0 jfc, & im ft &, ä * M £ffijW] *D

B& * * m flt a m & et ** ft *r Ä. ) Das Licht besteht als Licht weiter, auch wenn es nicht auf Dinge scheint.

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I. Verschiedene Richtungen: 4. Hsieh Hsüan

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„Das Fawjf-Fluidum geht von oben nach unten. Indem es allmählich durchdringt, erwärmt es sich, und nachdem es vollständig durchgedrungen ist, ist es heiß. Das Fin-Fluidum kommt auch von oben nach unten. Indem es allmählich durchdringt, kühlt es ab, und wenn es vollständig durchgedrungen, ist es kalt"1). Diesem Ausspruch liegt natürlich keinerlei Beobachtung zugrunde. Weshalb soll das eine Fluidum beim Durchdringen von Hindernissen erhitzt, das andere dagegen abgekühlt werden ? Aus keinem ändern Grunde als, weil von den beiden fiktiven Fluida das eine als heiß (Feuer), das andere als kalt (Wasser) betrachtet wird. Symbolismus an Stelle von wirklicher Forschung haben wir in folgenden Worten: ,,Im Wasser können sich Dinge spiegeln, daher gehört das Wissen zum Wasser. Mit Metall kann man Dinge schneiden, daher gehört die Gerechtigkeit zum Metall. Holz besitzt den Lebenswillen, daher gehört zu ihm das Wohlwollen. Feuer besitzt Schönheit und Glanz, daher ist ihm die Schicklichkeit (Zeremoniell) zugesellt. Die Erde besteht aus solider Masse, daher gehört Wahrhaftigkeit zur Erde"2). DieDinge entstehen aus der Verdichtung des Fluidums und sie vergehen wieder, wenn das Fluidum sich auflöst: „Wenn die Wolken sich verdichten, so entsteht [Regen. Wenn das Fluidum sich verdichtet, so entstehen Dinge"3). „Ursprünglich strömt nur ein Fluidum, sobald es aber Dinge bildet, hat jedes Ding seine besondere Gestalt und seine besondere Farbe, und es zeigen sich die größten Unterschiede"4).

3. Die Unendlichkeit und Ewigkeit der Welt. Die Einzeldinge sind räumlich und zeitlich begrenzt, sie haben feste Formen und bestehen nur eine bestimmte Zeit, dann lösen sie sich auf, und es entstehen andere Dinge. Anders ist es mit der Gesamtheit aller Dinge, dem Kosmos, er ist nach Raum und Zeit unendlich. Der Luftraum, welcher die Körper umschließt, ') IV, 16a: ^ % g ±flfiT $T Üfl'HS.* Ü Ä'J &,!£ M

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326

Die Ming-Dynastie

ist unbegrenzt, aber die Körper sind begrenzt, daher ist der Himmel so groß und die Erde so klein wie ein Härchen inmitten des Himmels1). Die Welten folgen aufeinander in ununterbrochener Reihenfolge ohne Anfang und Ende. Jede Welt ist eine bestimmte Gestaltung des Fluidums, die eine l estimmte Zeitdauer hat. Das Ende jeder Welt ist der Anfang einer neuen Welt: „Wenn dasUrprinzip schon vor dem Fluidum dagewesen sein sollte, dann würde das Fluidum abgeschnitten gewesen sein, und das Urprinzip wäre ein Ding, welches im Leeren schwebte und das Fluidum hervorbrachte. Könnte man dann noch von Bewegung und Ruhe ohne Ende und Yin und Yang ohne Anfang sprechen ? 2 ) Daraus ersehen wir, daß das Ende der früheren Welt der Anfang unserer jetzigen Welt ist, und daß das Fluidum, wenn es auch abwechselnd in Bewegung und Ruhe war, doch niemals ganz aufgehört hat und abgeschnitten war. Das Urprinzip aber hat es stets geleitet und durchflutet"3). Hsieh Hsüan ist hier im Gegensatz zu seinem Meister, Tschu-tse, denn dieser lehrt, daß das Prinzip dem Fluidum zeitlich vorangeht und es zu einem bestimmten Zeitpunkt erschaffen hat 4 ). Vorher muß das Urprinzip in der Leere geschwebt haben. Danach ist in der Vergangenheit nur das Prinzip, aber nicht das Fluidum unendlich. In der Zukunft sind sie beide unbegrenzt nur mit dem Unterschied, daß das Prinzip ewig unveränderlich bleibt, während das Fluidum sich in ewiger Wandlung befindet, wobei die Zeit von einer Weltschöpfung zu einem Weltuntergang eine Weltperiode bildet. Im Rhythmus dieser Weltperioden wandelt sich das Sein.

4. Geist, Seele, Lebensgeist. Die Äußerungen unseres Philosophen über den Geist sind nicht ganz eindeutig. Soviel scheint daraus hervorzugehen, daß, wenn er nicht mit dem Urprinzip identisch, er doch aufs Engste damit verknüpft ist. „Der Geist", heißt es, „ist die Intelligenz des Fluidums und der Angelpunkt des Vernunftprinzips"5). Danach hat der Geist gerade so seinen Sitz im Fluidum wie das Vernunftprinzip und ist der Kernpunkt des letzteren, also sein wichtigster Teil. Damit scheint ein anderer Satz nicht ganz übereinzustimmen: „Das im Geist enthaltene Prinzip ist das Urprinzip"6). Hier dreht sich die Sache um; das Urprinzip oder die Vernunft ist im Geist enthalten, als wäre es ein Teil desselben. !) IV, I7b. 2

) Tschu Hsi spricht davon. ») IV, 18a: ;& & ± 1fa & % ft , W & M.

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) Siehe S. 173. ·) Tu-schu lu V, «) Ibid.: ,& ffi

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I. Verschiedene Richtungen: 4. Hsieh Hsüan

327

Erst beim Menschen soll der Name Geist zuerst vorkommen, beim Himmel sei alles noch Prinzip1). Aber trotzdem ist öfter vom Geiste des Himmels oder vom Geiste von Himmel und Erde die Rede, so lesen wir zum Beispiel, daß der Menschengeist mit dem Geist von Himmel und Erde in Verbindung stehe2). Über den Menschengeist im besonderen erfahren wir noch folgendes: „Geister und Dämonen sind das Geistige von Yin und Yang im Weltall, Seele und Lebens geist sind das Geistige von Yin und Yang im menschlichen Körper"3). Die Seele ist der Geist des Fluidums (Luft) und der Lebensgeist der eigentliche Geist des Körpers. Das Ein- und Ausatmen durch Mund und Nase geschieht durch die Seele, die wir deswegen der anima und dem ätman gleichsetzen können. Außerdem werden alle sonstigen Bewegungen des Körpers von der Seele bewirkt. Das Wahrnehmungsvermögen und das Wissen hängen vom Lebensgeist ab, er sieht, hört, schmeckt, fühlt 4 ). „Durch Vereinigung von Yin und Yang ballt sich der Lebensgeist zusammen, und nachdem die Seele sich zusammengeschlossen hat, haben wir Leben. Wenn Yin und Yang sich wieder trennen, dann steigt die Seele nach oben und wird Geist, und der Lebensgeist sinkt herab und wird Dämon"5). Daraus müßte eigentlich auf eine doppelte Unsterblichkeit als Geist und als Dämon geschlossen werden können. Interessante Bemerkungen hat Hsieh Hsüan über die Beseelung von Tieren und Pflanzen gemacht. Säugetiere, Vögel und Fische, sagt er, haben Bewußtsein, die Pflanzen nicht. Auch Insekten sind beseelt. Die Ameisen zum Beispiel schleppen mit vereinten Kräften einen Gegenstand in ihre Löcher, man kann ihnen daher das Wissen nicht absprechen6). Die Behauptung, daß die Pflanzen nicht beseelt seien, kann Hsieh auch nicht aufrechterhalten. Er stellt folgende Überlegung an: „Wenn man Pflanzen genau betrachtet, so scheint es, als ob sie Geist hätten. Es ist eine Macht in ihnen, welche bewirkt, daß sie ihre Blätter entfalten, ihre Blüten öffnen und Früchte ansetzen. Das ist ihr Geist"7). Also muß man den Pflanzen wenigstens einen unbewußten Geist zuerkennen, aber auch das scheint noch nicht auszureichen. Gurken und Melonen ranken an Bambusstöcken empor. Dem scheint eine Absicht zugrunde zu liegen. Diese geht vom Geiste aus8). Sollten diese Kletterpflanzen wirklich bestimmte Ziele und Absichten bei ihren Bewegungen verfolgen, so müßte man ihnen sogar einen bewußten Geist zuschreiben. !) A. a. O.

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328

Die Ming-Dynastie

5. Studium. Der Zweck des Studiums ist ein doppelter, ein ethischer und ein wissenschaftlicher. Man will dadurch sein Herz läutern, es mit den himmlischen Prinzipien der Moral in Einklang bringen und das Vernunftprinzip kennen lernen1). Die Weisen wollen durch ihre Lehren die Menschen dazu bringen, die moralischen Verpflichtungen zu übernehmen und ihre Begierden zurückzudrängen2). Man studiert Bücher, um seinen Geist zu zügeln, wie man Medizin nimmt, um eine Krankheit zu vertreiben. „Wenn das Herz verkehrte Gedanken hervorbringt, so kann man sie mit den klassischen Schriften und den Worten der Heiligen und Weisen bändigen"3). Nach diesen verschiedenen Zwecken unterscheidet man ein niederes und ein höheres Studium. Das erstere beschäftigt sich mit der Ethik, der Lehre von den fünf Beziehungen u. dgl., das letztere mit metaphysischen Fragen nach dem himmlischen Prinzip, dem Schicksal, der menschlichen Natur, den Wandlungen der Fluida und Elemente4). Die Werke der Weisen und Heiligen haben alle einen Grundgedanken: im Ta-hsio ist es die leuchtende Tugend, im Tschung-yung die Vollkommenheit, im Lun-yu das Wohlwollen, im Meng-tse die Güte der menschlichen Natur. Das gilt auch für die Klassiker und die Philosophen. Dieser Grundgedanke ist das eine Prinzip, welches die zahllosen einzelnen Prinzipien umfaßt. Bücher, in denen das nicht der Fall ist, sind einseitig und verkehrt5). Die Weisen hassen die Irrlehren, weil sie den Sinn der Menschen betören, sie zur Vergeudung ihres Vermögens veranlassen und außerdem viel Unheil stiften. Dazu werden auch der Taoismus und Buddhismus gerechnet und in ihren Prinzipien bekämpft. Wenn die drei Religionen gleich gewertet werden, wie das häufig geschieht, dann müßte es für die Entstehung der Dinge drei verschiedene Ursprünge geben, denn jede der drei Religionen beantwortet diese Frage anders6). Eine Irrlehre, deren Widerlegung Hsieh sich besonders angelegen sein läßt, ist die, daß es möglich sei, durch künstliche Mittel ein Unsterblicher zu werden: ,,Tschfeng-tse sagt, daß ein Unsterblicher ein Dieb im Weltgetriebe sei, denn wie könnte er sein Leben verlängern, wenn er nicht die Kunst der Schöpfung gestohlen hätte. Ich meine, daß, wenn ein Unsterblicher auch diese Kunst sich angeeignet hätte, um sein Leben zu verlängern, es doch bis zu seiner Auflösung nicht lange dauern würde. Seit alter Zeit hat es nämlich sehr viele berühmte Unsterbliche gegeben. Wie kommt es, daß man nach hundert oder tausend Jahren keinen einzigen mehr in der Welt sieht?"7) ') ») 4 ) ')

V, lOa. ·) Eod. Ming-ju hmeh-an Kap. 7, S. 16a: ,fr § ^ ^ f^ J^ @ ^ f| g £ ^ ftj £. s Eod. S. lOb. ) Tu-schu lu III, 7b. «) Ibid. IV, 12a A. a. O. IV, 12b: ;g ^ 01 fl| % ^ ft ffi - JJfc =g # $ £fl>£ &> £ffiü

I. Verschiedene Kichtungen: 4. Hsieh Hsüan

329

„Daß die Dinge Anfang und Ende haben, ist das natürliche Prinzip des Schöpfungsprozesses durch Yin und Yang. Die Genien und Unsterblichen wollen über dieses Gesetz der Schöpfung durch Yin und Yang hinaus und ewig am Leben bleiben, aber eine solche Möglichkeit besteht nicht"1).

6. Meditation und Verehrung des Himmels. Ebenso wichtig wie das Studium ist für denjenigen, welcher nach Vervollkommnung strebt, die Meditation und die Verehrung des Himmels. Über die Meditation haben wir eine Reihe von Aphorismen, aus denen hervorgeht, wie sich Hsieh Hsüan diese Tätigkeit denkt. Er legt besonders Gewicht auf die Konzentration der Gedanken auf das rationale, höchste Weltprinzip, auf Reinheit und Leere des Herzens und Beseitigung aller überflüssigen Gedanken. Von mystischer Versenkung, Ekstase und derartigen parapsychischen Zuständen spricht er nicht. Seine Aussprüche lauten: „Wenig Sprechen und im Schweigen Versunkensein hat eine wunderbare Wirkung"2). „Bei der Konzentration ist das Herz leer und ohne Inhalt"3). „Wenn nichts in der Brust enthalten ist, dann fühlt man sich frei und voll Freude"4). „Wenn das Herz leer ist, dann scheint es, als ob das Fluidum des Innern und des Äußern zusammenflössen"5). „Im reinen Wasser sieht man ein feines Haar, im reinen Herzen erkennt man das himmlische Prinzip6)". Die Konzentration des Geistes und das Nachdenken über das rationale Prinzip gehören so eng zusammen, daß sie gleichsam eine Einheit bilden7). Wenn man still dasitzt, aber viele Gedanken hat, so ist es nicht möglich, auf dieser Grundlage die Wahrheit zu finden. „Nur der Geist des Heiligen ist von selbst eine wirkliche Leere und Stille, ohne im geringsten von vielen Gedanken erfüllt zu werden"8). Der Mensch muß beständig seinen Geist überwachen, wo er auch sei, selbst beim Schlafengehen darf er nicht unnütze Bewegungen mit Armen und Beinen machen oder verwirrende Gedanken haben9). Das Gute in der menschlichen Natur ist der immaterielle Inhalt des Urprinzips. Das Schlechte ist der Bodensatz, welcher von der Vermischung und Reibung

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hsüeh-an loc. cit. S. 2 a. ) Der Menschengeist. ') Im Zustand der Ruhe und im Zustand der Bewegtheit. ·) K'un-tschi * A i I V , l b : A i & a t i & ± » R i E S « ± M» &

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) Der TOo-Geist.

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') Der natürliche Lauf der Welt.

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336

Die Ming-Dynastie

hat. Deshalb sagt man, daß der Himmel und der Mensch dasselbe Prinzip haben."1-) Auch das intuitive Wissen hält unser Philosoph für das himmlische Prinzip.2) Wer Tao oder die Wahrheit kennt, der erschaut sie in allen Dingen. Leuchtend steht dieses Prinzip vor seinem geistigen Auge, es kommt nicht von außen und nicht von innen und steht von selbst unverrückbar für ihn fest. Es ist ganz etwas anderes als die Gedankengebilde der Buddhisten, welche Ruhe und Vernichtung als das höchste Prinzip betrachten.3) „Wer einen Geist hat, hat auch Gedanken, denn das Denken ist das Amt der Geister. Die Gedanken kommen alle aus der Natur des himmlischen Schicksals4) und werden nicht vom Menschen gemacht."5) Das kann nichts anderes bedeuten, als daß der Mensch nicht selbst denkt, sondern daß der Weltgeist durch ihn denkt. Während nun der menschliche Geist mit dem Weltgeist fast identisch ist, so ist der menschliche Körper doch nur ein Ding wie alle andere Dinge in der Welt. Lo Tscheng-an sagt: „Indem ich diesen meinen Körper habe, bin ich ein Ding wie alle anderen Dinge, denn welches wäre nicht aus Himmel und Erde hervorgegangen, weshalb für alle das Prinzip von Himmel und Erde gelten muß. Von meinem Standpunkt aus sind die Dinge in der Tat Dinge, aber vom Standpunkt des himmlischen Prinzips aus bin ich auch ein Ding."6) 3. Kritik anderer Philosophen. Lo Tch'in-schun bekämpft die Ansichten seiner Vorgänger, besonders soweit sie auf Dualismus oder reinen Idealismus hinauslaufen. So sagt er von Tsch'eng I, er beschreibe den Himmel als etwas Immaterielles, dessen Substanz der Wechsel, dessen Prinzip Tao, dessen Betätigung Geist, dessen Schicksal im Menschen seine Natur sei. Er reiße einen Begriff in zahlreiche verschiedene auseinander, ohne ihn dadurch deutlicher zu machen. Wenn die Studierenden ihn nicht verständen, so komme das daher, daß er sie durch zu viele Worte verwirre und nicht alles auf ein Grundprinzip zurückführe.7) Bei Tschang Tsai, der ihm sonst nahe steht, nimmt er Anstoß daran, daß er ') K'un-tschi tchi I, 8a: ^ £ & H *

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) K'un-tschi tchi III, 4a. ) Das himmlische Schicksal, welches der Mensch bei der Geburt vom Vernunftprinzip erhält. ·) K'un-tschi tchi IV, 4a: ^ ,fr # % £, fr £ ^ Jjlj Jß, £ % ft fä ^ £g 4

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II. Realistische Monisten: 2. Lo Tch'in-schun

337

behauptet, der Mensch gehe nicht zugrunde. Seine Worte sind: „Im Tscheng-meng heißt es: ,Das Zusammengeballte ist mein Körper, und das Zerstreute ist auch mein Körper. Wenn jemand weiß, daß, was lebt und stirbt, nicht zugrunde geht, so kann man mit ihm über die menschliche Natur sprechen.' Und weiter wird gesagt: ,Das fließende Fluidum strömt wirr durcheinander. Wenn es sich vereinigt und zur Materie wird, dann bringt es die zahllosen Menschen und Geschöpfe hervor. Indem die Potenzen Yin und Yang sich unaufhörlich im Kreise drehen, bilden sie die beiden großen Wesenheiten, Himmel und Erde."'1) Hiergegen macht Lo folgende Einwände geltend: „Menschen und Geschöpfe haben Leben und Tod, Himmel und Erde bleiben sich seit ältester Zeit ziemlich gleich. Das Fluidum ballt sich zusammen und wird belebt, nimmt Gestalt an und wird zum Sein. So lange das Ding existiert, existiert auch sein Prinzip. Sobald sich das Fluidum zerstreut, stirbt es und kehrt schließlich in das Nichts zurück. Wenn das Ding nicht mehr existiert, dann existiert auch sein Prinzip nicht mehr, wie kann man dann noch sagen, daß es sterbe, aber nicht zugrunde gehe ? Wenn dagegen die Bewegung von Himmel und Erde sich seit Urzeiten gleich bleibt, wie kann es dann noch Leben und Sterben, Bleiben und Vergehen geben ? 2 ) Man kann einen Baum zum Vergleich heranziehen. Menschen und Geschöpfe sind die Blüten und Blätter, Himmel und Erde sind Wurzel und Stamm. Wenn die Blüten verwelken und die Blätter vertrocknen, dann fallen sie ab und fliegen umher, aber der Lebenstrieb der Wurzel und des Stammes bleibt erhalten. Damit haben Blätter und Blüten nichts zu schaffen, und kann man sagen, daß sie nicht zugrunde gehen?"3) Tschang Tsai hat von seinem Standpunkt aus durchaus recht. Wenn der Mensch nur eine besondere Gestaltung des Geistfluidums ist, dann mag diese Gestaltung zugrunde gehen, der Geist bleibt erhalten und kann andere Formen annehmen. Das ist natürlich keine persönliche Unsterblichkeit. Dem Tschu Hsi wirft Lo Tch'in-schun nicht nur seinen Dualismus vor, sondern auch, daß er das Fluidum für stärker als das Vernunftprinzip halte. Die Erklärung des Prinzips des Nichtseins im T'ai-tchi t'u durch Tschu Hsi sei richtig, aber wie könne sich das Urprinzip mit Yin und Yang vereinigen, wie Tschu Hsi behaupte, der das Prinzip und das Fluidum immer für zwei Dinge erklärt habe ? Außerdem behaupte er, daß dasFluidum oft stärker als das Prinzip sei, und daß dieses das

ibid.: jE^Ä^^g-Ü.St^S-IS, & *E £ ± * t: ± a5*; «J £ * *·

) Für Himmel und Erde gibt es kein Leben und Sterben, wohl aber für ihre Geschöpfe. 3) A. a. O. S. 21a: ^ W fl'J £ ft . ^ «5fl'JK *tl -> M &ffi)£> ^

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338

Die Ming-Dynastie

Fluidum nicht beherrschen könne. Wie könne dann aber das Urprinzip die Schöpfungskraft und die Wurzel aller Dinge sein l1) Ganz besonders wird der überspannte Idealismus des Yang Tchien bekämpft und als Dhyäna-liehre scharf abgelehnt. Yang Tchien sei noch schlimmer als IM Tchiu-yuan und erkläre sogar die Lehre des K'ung-tse, soweit sie nicht mit seiner eigenen übereinstimme, für falsch.2) Ihm gelten Lu Tchiu-yuan, Yang Tchien, Tsch'en Hsien-tschang3) und Wang Yang-ming als Buddhisten. Lo kannte den Buddhismus ganz genau, noch besser als die Gelehrten der Sung-Zeit. Nach Yang Tchien sei der Himmel nur eine Gestalt in meinem Geist und die Erde ein Körper in meinem Geist. Was am Himmel Gestalt und an der Erde Körper ist, sei von mir hervorgebracht. Außerdem leugne Yang Tchien die Realität aller Eigenschaften, der Himmel sei nicht groß, ein Härchen nicht klein, der Tag nicht hell und die Nacht nicht dunkel. Das sei auch der Standpunkt des Sürängamasütra, welches behaupte, daß die Erde, Berge, Flüsse alles Produkte meines wunderbaren Geistes wären, und nach der Vajracchedikä habe Buddha gesagt, die Welt sei nicht die Welt, sondern werde nur so genannt.4) Zu welchen Schwierigkeiten der Dualismus führt, zeigt der Philosoph auch bei Hsieh Hsüan, dem Anhänger Tschu Hsi's in der Ming-Zeit. Von diesem sagt er, in seinem Tu-schu lu werde behauptet, daß zwischen dem Prinzip und dem Fluidum keine Abgrenzung bestände, daher sei das Gefäß auch Tao und Tao auch das Gefäß. Das ist richtig, meint Lo Tch'in-schun, wenn Hsieh Hsüan aber erkläre, nur das Fluidum balle sich zusammen und zerstreue sich, so erscheine ihm das sehr zweifelhaft. Wenn das eine solche Eigenschaften besitzt, das andere aber nicht, so besteht zwischen beiden eine scharfe Trennung, und man kann sie nicht mehr als Gefäß und Prinzip gleichsetzen. Die Schwierigkeit kommt daher, daß Hsieh Fluidum und Prinzip als zwei verschiedene Dinge ansieht: „Ich bin der Ansicht", sagt Lo, „daß die Ansammlung desFluidums das Prinzip des Ansammeins und die Zerstreuung des Fluidums das Prinzip des Zerstreuens ist. Dasjenige, was Zusammenziehung und Zerstreuung besitzt, ist das sogenannte Prinzip. Wenn man das auf das Wachsen und Abnehmen bei der Schöpfung der Dinge und auf ihren Anfang und ihr Ende ausdehnt, so ist es in jedem Falle so. Das ist jedenfalls klar ausgedrückt, und es ergibt sich dabei keine Schwierigkeit. Auch wenn man die Grenze zwischen den beiden Wesenheiten suchte, würde man sie nicht finden. Ich weiß nicht, was ein Gelehrter, welcher sich auf Terminologie versteht, dazu meinen würde."5) Lo Tch'in-schun entwickelt seinen von den Ansichten der Dualisten und Idealisten abweichenden Standpunkt sehr gut in den nachfolgenden AusfühJ

2 ) Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 22, S. 20a. ) K'un-tschi tchi IV, Ib. 4 ) Vergl. S. 355. ) Ming-ju hsüeh-an Kap. 47, S. 22b. ·) Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 22, S. 24b: ff $ % M £ % ffi & £ ± 3, M Z 3

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II. Realistische Monisten: 2. Lo Tch'in-schun

339

rangen: „Ich habe bereits gesagt, daß die Substanz des menschlichen Geistes die Substanz des Himmels1) ist. Im Grunde ist es dasselbe Wesen, aber sofern es von mir beherrscht wird, nennt man es Geist, was keine vorgefaßte Meinung sondern die richtige Ansicht ist. Wenn man behauptet, daß dieser Geist überallhin gelangt, so folgt daraus, daß der Himmel, die Erde, der Mensch und die Dinge alle im Bereich meiner Natur enthalten sind. Wenn aber dieser Geist Himmel und Erde umschließt, so muß er größer sein als Himmel und Erde, wodurch Himmel und Erde räumlich begrenzt werden. Ursprünglich wollten wir eine Einheit schaffen, aber es entstehen so zwei Dinge. Kann man das wohl als Kenntnis der Wahrheit bezeichnen?"2) Wenn der menschliche Geist als Geist des Himmels überallhin gelangt, dann muß er den ganzen Kosmos in sich enthalten und ihn umschließen. Dadurch würde der Kosmos begrenzt, und es ständen sich zwei Dinge, Geist und Welt gegenüber. Das erscheint unserem Philosophen unmöglich. Weiter sagt er: „Im Yiking ist das Urprinzip enthalten, welches die beiden Modi hervorbringt. Das heißt das Urprinzip der reinen Substanz. Durch die Wandlungen des Tao des Himmels wird in jedem einzelnen Fall eine besondere Natur und ein besonderes Schicksal begründet, so daß jedes Ding sein besonderes Urprinzip hat. Was man Urprinzip nennt, ist eins, aber es zerfällt in sehr viele einzelne Prinzipe. Bei ihrer Vielheit ist auch ihre Betätigung verschieden. Wenn man glaubt, daß die Wandlungen von Himmel und Erde, von den Menschen und Dingen alles die Wandlungen meines Geistes seien, und daß das Hervorbringen und Entwickeln aller Dinge von meinem Geiste ausginge, dann übersieht man die Zerteilung und Vielheit, und wenn man die übersieht, so kann man auch nicht von der Einheit des Prinzips sprechen."3) Hier wendet sich Lo Tch'in-schun gegen die Behauptung der Idealisten, daß die Welt und alle ihre Wandlungen das Werk meines Geistes wären. Das eine Urprinzip zerfällt nach seiner Ansicht, welche sich auf die des Tschu Hsi stützt, in unzählige Einzelprinzipe. Jedes Ding enthält ein besonderes Prinzip, welches alle seine Wandlungen hervorruft und beherrscht. Das Werden des Kosmos und seine Veränderungen sind also auf die Prinzipien in den Einzeldingen und nicht auf den Menschengeist zurückzuführen, welcher nur im menschlichen Körper wirkt. Die Summe aller dieser Einzelprinzipe ist erst das Urprinzip. Sie können nicht durch den Menschengeist, der nur eins dieser Teilprinzipe ist, verdrängt werden. Hier ist der Geist des Himmels, der Weltgeist gemeint. K'un-tschi tchi IV, 3a: £ £ ffl, & ± It BP ^ 2.

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Die Ming-Dynastie

Zum Schluß heißt es: „Die Hervorbringung der Dinge ist die schöpferische Tätigkeit (der Natur), was hat der Mensch damit zu tun ? Aber obgleich der Mensch dabei nicht mitwirken kann, so ist das Prinzip doch das Prinzip meines Geistes. Daher ist nach dem Tschung-yung die Mitwirkung an dem großen Werk die Tätigkeit des Heiligen, und damit wird zum ersten Male klargestellt, daß der Himmel und der Mensch keine Zweiheit bilden. Das läßt sich nicht begreifen, wenn das Verhältnis durch andere Darstellungen verdunkelt wird. Nun sind die Wandlungen und Umgestaltungen in der Welt seit Urzeiten gerade so wie die Wandlungen und Umgestaltungen im menschlichen Geiste. Da sie mit dem Leben zusammen leben, so müssen sie auch mit ihm zugrunde gehen. Zu behaupten, daß sie dauernd bestehen blieben und nicht aufhörten, ist gegen die Vernunft. Yang Tchien ist doch wohl im Irrtum. Ein winziger Körper von einigen Fuß will selbst als Schöpfer auftreten und betrachtet die Dinge als sein Werk ? Verliert er dabei nicht alle Größenverhältnisse aus dem Auge?"1) Lo Tch'in-schun ist ein scharfer Denkerund er handhabt die philosophische Kritik mit viel Geschick. Sein Standpunkt ist der Monismus?) aber er ist kein idealistischer Monist wie Lu Hsiang-schan und Yang Tchien, auch kein pneumatischer wie Tschang Tsai, der alle Dinge für Zusammenballungen des geistigen Fluidums hält, sondern realistischer Monist. Von Tschu Hsi unterscheidet er sich nur dadurch, daß er seine beidenPrinzipe,Vernunft und Fluidum als ein einziges ansieht. Alle Dinge sind materiell und real, aber die Materie bildet mit dem immateriellen Prinzip nur ein Wesen. Zwischen beiden besteht eine unlösbare Verbindung, sie leben zusammen, verändern sich zusammen und gehen zusammen zugrunde.

3. Wu Ju-hsü. Über diesen Philosophen ist wenig bekannt. Man weiß, daß er im Jahre 1521 sein Doktorexamen bestanden hat;3) er muß also in der ersten Hälfte des 16ten Jahrhunderts gelebt haben. Sein Beinamen ist Yen Han,*) sein literarischer Name Su-yuan.5) Das Haus, welches er sich erbaute, nannte er Tchi-tschai,*) ,Glücksheim', und sein Hauptwerk bezeichnete er danach als Tchi-tschai man-lu1) ,Anspruchslose Aufzeichnungen aus Glücksheim'. Darin kritisiert er die alte und neuere Philosophie und gibt seine eigenen Ansichten, die aber nicht viel Neues

') ibid.: s » W Ä 1 f c , B S ä a f l : ; 2 : i ^ J B A 1 5 r J I Ä , * # A 0 r l ß aepS*£a»Ä+J**:fcäk,SA;fcäft.lEiröfi«»W^A n -fc, J f c « j » Ä t t * ; 2 : « t B a ] W . Ä 3 e * ; 2 : * i f c Ä - i i i B f t i A ' ft.ģģ.JW#Ä£«*>WÄ*ffi*«.fcÄa-llL,8W«* ft R. ± «, 75 «t £ ig tt> Jö £ B «r, M Ä * to ft. 2) — 7C Ül· Watanabe III, 3) Takejiro , 174.

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137, Haieh Wu-liang VI, 16b., Tschung T'ai II, 97. «) £ g ffl, g *. i) £ £. ')**»«·

II. Realistische Monisten: 3. Wu Ju-hsü

341

bringen sollen.1) Sein Gebiet ist sehr groß und umfaßt namentlich Naturphilosophie und Ethik. Er stützt seine Lehre auf Tsch'eng Hao, verbindet damit aber auch die Lehre des Wang Yang-ming. Er bekämpft den Dualismus des Tschu Hsi, kritisiert aber auch Lu Hsiang-schan und Wang Yang-ming. Jedenfalls ist er Monist.2) In seinen ,Aufzeichnungen' sagt er: „Ein Yin und ein Yang, das ist Tao', aber warum wird es Tao genannt ? Das Fluidum ist Tao, und Tao ist das Fluidum. Bei Beginn der Welt war nur ein Urfluidum vorhanden, was man Tao nannte, und es gab nichts anderes noch, das dabei zum Vorschein gekommen wäre. Das Chaos dieses Fluidums war der Ursprung von Himmel und Erde und von allen Dingen. Es war das Erhabenste, über das nichts anderes hinausging, und das Letzte und Äußerste, zu dem nichts hinzugefügt werden konnte. Deshalb nannte man es das Urprinzip. Sobald es sich zerteilte, breiteten sich die leichten und reinen Teilchen nach allen Richtungen hin aus und verflüchtigten sich, während die schweren und trüben sich zusammenzogen und zusammenballten. Daher nannte man sie Yin und Yang. Nachdem sie sich getrennt hatten, gingen die beiden Modi und die vier Erscheinungsformen, die fünf Elemente und die vier Jahreszeiten, die tausend Wandlungen und Dinge daraus hervor. Daher nannte man sie Tao. Das Urprinzip führt seinen Namen daher, daß dabei das Fluidum den letzten Grund erreicht. Yin und Yang sind im Hinblick, auf die Bewegung undRuhe des Fluidums so genannt, aber es sind nicht zwei verschiedene Dinge.3) Wegen der Umgestaltung und der Wandlung spricht man von Wandlung. Das, was Leben hervorbringt, heißt die Wandlung Woher kommt nun der Unterschied zwischen Vernunftprinzip und Fluidum? Das Fluidum erhält den Namen Prinzip gerade so wie die Umgestaltung und Wandlung als Wandlung bezeichnet wird . . . . Außerhalb des Fluidums gibt es nicht noch ein besonderes Prinzip. Die früheren Konfuzianer haben Yin und Yang als Fluidum angesehen nnd Tao als Prinzip. Dadurch wird der Satz ,Ein Yin und ein Yang nennt man Tao' aufgehoben, und man begeht den Fehler, anderswo nach Tao zu suchen."4) Wu Ju-hsü argumentiert sehr ähnlich wie Tai Tschen und kann als ein Vorläufer desselben betrachtet werden. ') Ich muß mich in meiner Darstellung ganz auf Takejiro verlassen, da mir die Werke des Philosophen und andere Quellen nicht zur Verfügung stehen. a ) Wu Ju-hsü schrieb außerdem noch das Weng-tchi ^B jg, und das Tu-tchi ^ fg. 3) Takejiro III, 175: - |g - fii ± Ü g > #UU ffi Ja fi St >

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Die Ming-Dynastie

4. Wang Wen-lu (Hai-i tse). 1

Wang Wen-lu ) mit dem Beinamen Schi-lien,2) aus Hai-yen3) (Tschekiang) führt den literarischen Namen Hai-i tse*), wonach auch sein Hauptwerk genannt ist. Er lebte in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Daten seines Lebens sind nicht genau bekannt. Er muß im Jahre 1503 geboren sein, denn er sagt selbst, daß er 1516 dreizehn Jahre alt war.5) 1531 wurde er tchü-jen,6) 1534 begab er sich zum Doktorexamen nach Peking.1) Da das Jahr 1549 erwähnt wird, muß er noch nach dieser Zeit gelebt haben. Wang Wen-lu schrieb einen Kommentar zum T'ai-hsi tching6) und das Lientchü,9) die ,Regeln der Bescheidenheit'. Das kleine Werk ist in der Form dem ,Klassiker der kindlichen Liebe'10) nachgebildet und enthält wie dieser 18 Abschnitte. Sein Hauptwerk mit dem Titel Hai-i tse in fünf Kapiteln ist im Tseschu po-tchia Bd. 85 abgedruckt. Darin beschäftigt er sich besonders mitOntologie und Naturphilosophie, kennt die Natur aber sehr wenig und hat darüber manche phantastische Vorstellungen. Nur die alten Philosophen, nicht also die der Sungund Ming-Zeit werden als Autoritäten erwähnt. Über die Schöpfung spricht er sich wie folgt, aus: „Das Urfluidum ist ganz hell und reines Yang. Seine feinste Substanz wird zur Sonne und das vom Geiste Bewegte zum Himmel. Durch Kommen und Gehen, sich Ausdehnen und Zusammenziehen, Bewegung und Buhe entstehen Hitze und Kälte und durch deren Verbindungen die vier Jahreszeiten."11) In dem Übergang vom Chaos zur Weltschöpfung und von dieser zurück zum Chaos kann man auch vier Jahreszeiten unterscheiden. Das Urfluidum ändert sich nicht, und Chaos und Weltschöpfung hören niemals auf. Das Chaos ist dünne, verschwindende Luft, die Schöpfung sich zusammenziehende, vermehrende, alles erfüllende Luft. Beide wechseln miteinander ab wie das Wachen und Schlafen. Das Leben ist ein Wachsen und Vergehen und eine Rückkehr zum wahren Ursprung.12) Der Himmel besteht aus fließender, reiner Luft13), die Erde ist eine Anhäufung von trübem Schlamm. Die große Luft trägt die Welt. ,,Himmel und Erde sind zwei, aber ihr Prinzip ist eins, Sonne und Mond sind zwei, aber ihr Glanz ist eins, Yin

5 ) Hai-i tse Kap. V, 2b. «) Sse-k'u tch'üan-schu Kap. 96, S. 15a: $JL \.

') Hai-i tse Kap. IV, Ib.

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) Äp ·& 4§? 5fi- ^*er Kommentar ist mit dem Haupttext von Baljour übersetzt und im Tse-schu po-tchia Bd. 101 enthalten. 9 ) Sse-k'u tch'üan-schu loc. cit.: ^ JJj —· >§£. 10 ) Vergl. Gesch. d. alt. chin. Phil. S. 153. i') Hai-i tse Kap. IV, I b : fc M Wffi« » 4. tt # H, l» S 35, tt #

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13

) Die Sphärentheorie des Himmels ist aufgegeben. Der Himmel ist nur Luft.

II. Realistische Monisten: 4. Wang Wen-lu

343

und Yang sind zwei, aber ihr Fluidum ist eins. Der Himmel beherrscht die Erde, die Sonne den Mond und Yang Yin."1) Wang neigt zum Monismus und es scheint, als ob er die Luft als Urfluidum und als einziges Weltprinzip betrachtet. Dem widerspricht aber wohl ein anderer Ausspruch: „Wenn man seine Natur nicht klar erkennt", heißt es, „dann kann man auch Himmel und Erde nicht gleichen. Die Natur ist der Ursprung von Himmel und Erde, und wenn man sie sieht, dann stellt man sich mit Himmel und Erde auf eine Stufe."2) Was bedeutet das ? Gibt es neben dem Urfluidum noch ein zweites Weltprinzip, die Natur, oder wollen die Worte nur besagen, daß unsere Natur der Ursprung unserer subjektiven Vorstellung der Welt sei ? Da Wang Wen-lu den Himmel nicht als eine Kuppel, sondern als Luft ansah und diese farblos ist, so drängt sich ihm die Frage auf, woher das Himmelsblau stamme: „Wie kommt es, daß die Farbe des Himmels blau ist ?" fragt er und gibt darauf folgende Antwort: „In nicht kanonischen Schriften heißt es, daß es der Glanz von dem Gefunkel der Edelsteine auf dem Gipfel des K'un-lun sei. Andere meinten, der hohe leere Baum sei ohne Substanz und sehr fern und verdecke das Sonnenlicht, deshalb sei er blau. Wieder andere sagten, das Sonnenlicht zwischen Himmel und Erde strahle und leuchte. Alle Farben sind darin enthalten3). So entsteht das Blau von selbst. Es wird berichtet, daß um Mitternacht die schwarze Farbe vorherrsche. Das sei die wahre Farbe. Hai-i tse sagte: ,So ist die Farbe der Luft, und die Farbe des Himmels ist auch so. Die Bläue ist die Wirkung des Sonnenlichts. Was bleibt von dem Blau noch, nachdem die Sonne untergegangen ist?'" 4 ) Dem K'un-lun hat Wang die Rolle des 8ume.ru zuerteilt. Er ist der Mittelpunkt der Welt und unterhalb vom Meere umflossen. Auf ihm liegt der AnavataptaSee5), welcher nach den vier Richtungen durch ein Löwen-, Elefanten-, Ochsenund Pferdemaul ausfließt.6) Es gibt vier Erdteile: im Süden Jambüdmpa = China,7) im Osten Videha, im Norden Uttarakuru und im Westen Godämya. Der K'unlun ist wie der menschliche Nabel, die Erdteile wie die vier Glieder.8) Vom Himmel berichtet Wang eine wunderbare Geschichte. Im Jahre 1488 öffnete sich in Schensi ein Himmelstor. Unzählige Menschen und Pferde kamen ') Kap. IV, la: ^ jfc -, g - .fc, H ^ -, Bf _ .&, g (g -, £ — £,,

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) Denselben Gedanken finden wir schon bei Schi-tse (Gesch. d. alt. chin. Phil. S. 528). «) Hai-i tse Kap. IV, I b : ^ ß ft fSf.^ fl. Jft B, Ji # IÜ Ä W # ± Ä, ifc B.

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·) Kap. IV, 2b: R | | ig }&. ) Daraus sollen die vier Flüsse Süä, Gangä, Sindhu und Vakshu entstehen. Vergl. Eitel, Handbook of Chinese Buddhism. 7 ) Gewöhnlich wird darunter die ganze bewohnte Welt, hauptsächlich Indien verstanden. ·) Kap. IV, 2b. (g ft ff, % =f &, $ u & H KP Jg. e

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Die Ming-Dynastie

heraus und verwandelten sich. Der Großvater des Wang beobachtete einen solchen Aufbruch um Mitternacht von einem Schiff aus. Er war von einem donnerähnlichen Krach begleitet. Blitze in allen Farben schössen umher, so daß man geblendet war. Man konnte auf über zehn Li in den Himmel hineinsehen, dann schloß sich das Loch wieder. Hai-i tse erklärt den Krach und das Auseinanderbrechen des Himmels durch das F « s * s. an ä HU * * 3$ ± i4>

«) Ibid. S.60a: Jfc S M U T # = % · & ·

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Die Ming-Dynastic

meinen so (wie mit dem Fluidum und dem Prinzip). Wenn man speziell von der vernünftigen, moralischen Natur spricht, dann ist sie gut und hat nichts Schlechtes an sich, spricht man dagegen von der physischen Natur, dann ist sie bald gut, bald schlecht, also würde der Mensch zwei Naturen haben. Das ist keine richtige Darstellung."1) Hieran schließen sich noch folgende Ausführungen: „Mit den Worten, die Natur des Fluidums und der Substanz'2) haben die Gelehrten der Sung-Zeit das wahre Wesen meiner Natur getroffen und nicht nur etwas, was den Alten noch fehlte, ergänzt. Was das ganze Universum erfüllt, ist nämlich Fluidum und Substanz, und auch Himmel und Erde bestehen daraus. Auch die fünf Elemente sind Yin und Yang, Yin und Yang sind auch das Urprinzip, und auch das Urprinzip ist entschieden ein Fluidum, aber es ist noch nicht in den Zustand der Substanz übergegangen."3)4) „Aber was ist unter der vernünftigen, moralischen Natur zu verstehen? Fluidum und Substanz sind das körperliche Substrat von Recht und Vernunft, und Recht und Vernunft sind die Natur und die Gefühle des Fluidums und der Substanz. Wenn man das eine erwähnt, so ist das andere mit einbegriffen, und es bedarf keiner gleichzeitigen Erwähnung."5) Nach der Ansicht unseres Philosophen ist das Fluidum oder die Substanz das Ursprüngliche und nicht das Vernunftprinzip oder der Geist. Der Geist entsteht aus dem Körper und ist eine Eigenschaft oder Funktion desselben, er vermag nicht den Körper zu schaffen. Tschu Hsi lehrt das Gegenteil, daß nämlich ursprünglich das Fluidum vom Vernunftprinzip geschaffen sei. Yang's eigene Worte sind: „Wenn nun auch beide Dinge zusammen benannt werden, so hat doch jedes einzelne seine besondere Bestimmung. Man kann sagen, daß die Natur von Recht und Vernunft aus dem Fluidum und der Substanz entsteht, aber nicht, daß die Natur des Fluidums und der Substanz aus Recht und Vernunft entsteht. Es wäre ungereimt, wenn man behaupten wollte, daß die Natur von Fluidum und Substanz mit der Natur von Recht und Vernunft gleichzeitig erschiene. Es ist wie mit dem Essig. Man kann sagen, daß die Säure aus dem Essig kommt, aber nicht, daß der Essig aus der Säure kommt.· Wollte man behaupten, daß der Essig zugleich mit der Säure erschiene, so wäre das verkehrt. Ferner kann man Fluidum und Substanz als Natur bezeichnen, womit man sagt, daß sie Recht und Vernunft hervorbringen. Wenn das Fluidum und die Substanz Recht und Vernunft nicht

') LOC. cit.: £ A ft, in B w w 9 m ± , jw ir * is B. * -i .Ä ± , HU *r m * p. fi A $ - £> # m n ± ». ) Diesen Ausdruck ^ ^ ^ '[^ übersetze ich kurz mit .physische Natur'. 2

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) Das Urprinzip ist keine feste Substanz, sondern ein Fluidum aus Luft oder Gas.

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II. Spiritualistische Monisten: 1. Ts'ao Tuan

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hervorbringen können, dann sind sie nur zusammengeballte Materie, die man nicht Natur nennen kann1)."2)

b) Spiritualistische Monisten. 1. Ts'ao Tuan 1376—1434. 3

Ts'ao Tuan ) stammt aus Mie-tschi hsien") in Honan-fu, sein Beiname ist Tscheng-fus), sein Schriftstellername Yüeh-tsch'uan6), wonach ihn seine Schüler nannten. Schon mit fünf Jahren soll er, als er zuerst die Tafel des Gelben Flusses und das Buch des Lo sah, die Skizzen auf der Erde nachgezeichnet und seinen Vater nach der Bedeutung gefragt haben. Als er das T'ai-tchi tlu, das T'ung-schu und das Hsi-ming zu Gesicht bekam, sagte er: ,Darin steckt die Wahrheit', und er studierte diese Werke mit großem Eifer. Die beiden Ziegelsteine, auf welche er dabei die Füße zu setzen pflegte, waren später ganz durchgetreten. Sehr begeistert war er auch für das Pien-huo p'ien1) ,die Bekämpfung von Irrtümern' von Hsieh Ying-fang*) aus der Fttaw-Dynastie, ein Werk über die verschiedenen Arten des Volksaberglaubens, der in fünfzehn Abteilungen behandelt wird.9) Ts'ao Tuan selbst glaubte nicht an die Seelenwanderung, das Schicksal, Zauberei, Feng-schui, Glücks- und Unglückstage u. dergl. Als Aberglauben betrachtete Ts'ao auch die Lehre der Taoisten und Buddhisten. Da sein eigener Vater Buddha und Lao-tse verehrte, so verfaßte er eine Streitschrift, Yeh-hsing tschu10), dagegen, welche er seinen Angehörigen und seinem Vater vorlas, die sich davon überzeugen ließen. Auch sonst eiferte er gegen falsche Lehren. Er suchte das Fasten der Buddhisten zu verhindern, und auf seinen Antrag wurden von den Ortsbehörden über hundert Tempel für nicht anerkannte Götter geschlossen. Nur die Tempel für Kaiser Yü und den Donnergott ließ man bestehen, dagegen wurden in den Dörfern Altäre für den Gott des Erdbodens und der Feldfrüchte errichtet, wo das Volk um eine gute Ernte betete. Später wandte sich Ts'ao Tuan auch gegen Amtsgenossen und Schüler, welche Tempel aufsuchten, die er nicht anerkannte. Einige waren für den Buddhismus. Ts'ao Es gibt keine tote Materie ohne materielle und geistige Kräfte.

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') Vergl. Wylie, Notes S. 70 und Giles, Biogr. Diet. No. 746. ) $F ff ffi, ,Die Leuchte in der Nacht'.

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Die Ming-Dynastie

sagte, Buddha verlange, daß man Vater und Mutter aus der Hölle erlöse, er behandele also die Eltern nicht als Respektspersonen, sondern wie mit schweren Sünden beladene Verbrecher. Als man ihm erwiderte, daß alle Welt so handele, und daß man sich durch Abweichen von diesem Brauche nur lächerlich machen würde, antwortete er, die Dorfbewohner, welche diese Sitten mitmachten, seien ungebildete Menschen, sie aber läsen die konfuzianischen Schriften und kennten die konfuzianische Moral. Wenn sie die Abweichung von den Vorschriften der Moral nicht für verwerflich hielten und nicht wagten, von den Volkssitten abzuweichen, so stellten sie sich mit den des Lesens Unkundigen auf eine Stufe.1) Gegen Vater und Mutter war Ts'ao Tuan sehr pietätvoll und erfüllte nach ihrem Ableben die strengen Trauerriten. Nach dem Begräbnis wohnte er sechs Jahre neben dem Grabe in einer Strohhütte und schlief nur auf einer Strohmatte mit einer Erdscholle als Kopfkissen.2) Im Jahre 1409 bestand er die Doktorprüfung und wurde bald darauf zum Studienrat in Ho-tschou3) (Schansi) ernannt, wo er zehn Jahre blieb. Als er nach P'u-tschou*) versetzt wurde, machten seine alten Schüler in Ho-tschou eine Eingabe, um ihn zu behalten, und setzten durch, daß er blieb, obwohl auch die Studenten in P'u-tschou um ihn gebeten hatten. So blieb er abermals über zehn Jahre in Ho-tschou und starb dort 1434, 58 Jahre alt.5) Die Bürger ließen ihm zu Ehren den Markt ausfallen und weinten um ihn. Der Einfluß seines Beispiels war sehr groß gewesen. Die Bewohner der Präfektur waren durch seine Lehre so gebessert, daß die vielen Prozesse unter ihnen aufhörten. Da Ts'ao zu arm war, um in die Heimat transportiert zu werden, so wurde er zunächst in Ho-tschou begraben, und erst später wurde der Sarg von seinen Söhnen in die Heinat überführt. Von seinen Schülern erhielt er den posthumen Ehrennamen Tsching-hsiu.e) In der Tscheng-te7) Zeit, 1506—1522, beantragte der Kriegsminister Pleng Tses) die Aufnahme des Ts'ao Tuan in den Konfuzius-Tempel, indem er ihn für den bedeutendsten Philosophen der Ming-Dynastie erklärte, aber sein Antrag wurde von der Regierung abgelehnt. Ts'ao Tuan schrieb Erklärungen zum Hsiao-king, zu den Sse-schu und zum Yiking und außerdem besonders über die H sing-U-Philosophie, nämlich Kommentare zum T'ai-tchit'uschuo9), zum T'ung-schuundHsi-ming10), fernereine Übersicht über die Vernunftlehre11) und über die H sing-U-Theorie,12) die Hsing-li-Schitften13) und kritische Bemerkungen zu den Biographien der führenden Konfuzianer.14) Seine Aussprüche sind von seinen Schülern im Yüeh-tsch'uan yü-lu15) zusammen3

Ming-ju hsüeh-an Kap. 44, S. 1.

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) Biographie im Ming-schi Kap. 282, S. 18a.

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) Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 20, S. l a.

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II. Spiritualistische Monisten: 1. Ts'ao Tuan

349

gestellt und nicht vollständig.1) Er ist ein Anhänger des Tschu Hsi und gilt als der Hauptvertreter der Sung-Philosophie2) zu Beginn der Jimgr-Dynastie. Ts'ao Tuan geht in seiner Philosophie vom Urprinzip aus, mit dem er sich sehr viel beschäftigt hat. Er sagt: „Wenn einer es durch das Studium bis zum Tao des Heiligen bringen will, dann muß man das Urprinzip als Grundlage nehmen, von der man ausgeht."3) In seinen Erklärungen zur Tafel des Urprinzips zeigt er, wie sich dieser Begriff im Laufe der Zeit gewandelt hat: Diejenigen, welche sich nach 'K'ung-tse mit dem Urprinzip beschäftigen, sollen es alle als ein Fluidum betrachtet haben. Tschuang-tse lehrte, daß Tao dem Urprinzip vorangehe. Letzteres soll der Name für den chaotischen Zustand sein, in welchem die Fluida und Formen für Himmel, Erde und Menschen schon vorhanden, aber noch nicht geschieden waren. Tao sei die Mutter des Einen und vor dem Ursprung. Man wußte noch nicht, daß Tao und das Urprinzip identisch sind. Als überall wirksam nennt man es Tao, als bis zum Urgrund reichend Urprinzip und wegen seiner Reinheit und Unvermischtheit das Eine. Es gab nicht zwei Prinzipe. Es ist das Chaos des Lieh-fee und die aus den drei4) bestehende Einheit im Han-tschi. Erst Tschou-tse gab das seit tausend Jahren nicht verbreitete Geheimnis preis, von dem niemand wußte, nämlich, daß das Urprinzip die Vernunft und nicht das Fluidum ist. Es ließ sich nicht mit Worten erklären noch durch Skizzen darstellen, sondern nur im Geiste erfassen. Die beiden Tsch'eng teilten die Tafel des Urprinzips niemandem mit. Später wurde dem ersten Satze des Tschou-tse hinzugefügt:5) ,Aus dem Unendlichen entstand das Urprinzip'.6) Auch die Anhänger des Lao-tse und Tschuang-tse erklärten, daß man dem Urprinzip nicht noch das Wort ,unendlich' hinzufügen dürfe. Man verstand auch nicht, was Tschou-tse's Äußerung, daß Li weder von Yin und Yang getrennt, noch mit ihnen vereint sei, bedeutet. Erst Tschu Hsi verstand es und erhob den Text zu einem Klassiker und erklärte ihn. In Tschu H si's Gesprächen ist die Erklärung noch nicht abgeschlossen und nicht mit seinem Kommentar zur Tafel übereinstimmend, vielleicht ein Irrtum, der bei der Fixierung der Gespräche mit untergelaufen ist. Leider halten sich die neueren Konfuzianer an die Gespräche und verwerfen den Kommentar, oder nehmen ganz andere Erklärungen an. Ts'ao sagt nicht, was nun Tschu Hsi's Ansicht eigentlich sei, aber er polemisiert gegen Tschu Hsi's Vergleich von Li und Tch'i mit einem Reiter zu Pferde. Wenn nämlich der Reiter alle Bewegungen des Pferdes mitmache, ebenso wie die Vernunft sich nicht selbst bewegt, sondern nur den Bewegungen des Fluidums folgt, Sse-k'u tch'üan-schu Kap. 95, S. 34b. ') Ming-ju hsüeh-an Kap. 44, S. 3a: & fä M ± & & f£ * @ _h 4 ) Himmel, Erde, Mensch vereint bilden den Kosmos. 5 ) Das ist nicht Tschu Hsi's, aber Lu Tchiu-yuan's Ansicht, der den Zusatz für interpoliert hält. Siehe S. 51. «) Ming-ju hsüeh-an Kap. 44, S. 7a: g 3fl| Ü flj} ;& ;fc ig· Nach S· 3a seheint ^g| jg( als , unendlich' aufzufassen, was nicht stimmt.

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Die Ming-Dynastie

so sei der Reiter eigentlich ein toter Mann, und die Vernunft könne nicht als der Urgrund und die Lenkerin der Schöpfung gelten. Wenn aber die Bewegung des Pferdes nur vom Reiter hervorgerufen wäre, so wäre das Pferd tot und ebenso das Fluidum. Welche Folgerung zieht nun Ts'ao aus diesem Dilemma, daß entweder Li oder Tch'i überflüssig sei ? Er will damit den Dualismus des Tschu Hsi widerlegen und ihn zu einem Monismus umbilden, wonach die Vernunft und das Fluidum ein und dasselbe sind. Es ist, wie Huang Tsung-hsi1) der Verfasser des Ming-ju hsüeh-an Kap. 44 S. 2b sehr richtig sagt: „nur ein Ding, aber zwei Namen, nicht zwei Dinge und ein Körper."2) Diese Annahme deckt sich auch mit ändern Aussprüchen des Ts'ao Tuan. Vom Urprinzip spricht er häufig, vom Fluidum fast nie.3) Das Urprinzip wird wie folgt definiert: „Alles, was in der Welt einen Körper, Gestalt, einen Ton hat und Raum einnimmt, ist nicht sehr groß. Nur das Vernunftprinzip hat keinen Körper und keine Gestalt, die man sehen, keinen Laut, den man hören, und keinen Raum, den man zeigen könnte. In Wahrheit erfüllt es Himmel und Erde, durchdringt Vergangenheit und Gegenwart. Was könnte wohl größer sein ? Daher sagt Tschou-tse: es ist ohne Grenzen und das Urprinzip."4) Das Urprinzip ist das wahre Sein, die Weltvernunft, und als solche auch die Trägerin der Sittlichkeit. Im Menschen ist es seine geistige Natur, denn es heißt: „In der Welt gibt es nichts, das außerhalb der Natur wäre. Die Natur ist überall. Die Natur ist das Vernunftprinzip. Ein anderer Name für dieses Prinzip ist Urprinzip, höchste Wirklichkeit, höchste Güte, große Tugend, großes Gleichgewicht. Die Namen sind verschieden, aber der Sinn ist der gleiche."5) Tao ist auch nur ein anderer Name für das Urprinzip; es ist immateriell, aber wird vom Heiligen verkörpert: ,, hat keinen Körper, den man sehen könnte, aber der Körper des Heiligen ist vollständig Tao, daher scheint das körperlose Tao doch aus dem Körper des Heiligen hervor."6) Den Taoismus ebenso wie den Buddhismus lehnt Ts'ao Tuan als Irrlehren ab. weil nur der Konfuzianismus mit der Vernunft übereinstimme. Er beruft sich deswegen auf einen Ausspruch des Tschu Hsi und gibt selbst folgende Begründung: „Wenn die ganze Welt die durch himmlisches Schicksal verliehene menschliche Natur kennt, so weiß sie, daß die Leere des Buddhismus nicht diese Natur ist. ') | *£ 4|, 1609—1695. 3

) Tschung T'ai II, 84 mejnt dagegen, daß Ts'ao Dualint sei und Li und Tch'i voneinander trenne. 4 ) Ming-ju hsüeh-an Kap. 44, S. 3a: ^ ^ t S ^ l i - W ^ ^ ^ Ä ^ f Hf ^ ^ •'P

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II. Spiritualistische Monisten: 1. Ts'ao Tuan

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Wenn alle wissen, wie das Tao der Natur zu handhaben ist, dann verstehen sie, daß das Nichtsein des Lao-tse kein Tao ist. Wenn sie die Wahrhaftigkeit der Geister und Dämonen kennen, dann wissen sie, daß die falschen Opfer der späteren Zeitalter eitel Lug und Trug und nicht wahrhaftig sind."1) Für das Leben stellt Ts'ao als Ideal die Ruhe und die ßegierdelosigkeit auf, also eigentlichdastaoistische Nichthandeln. Dasgeht aus mehreren Aussprüchen hervor: „Wenn man keine Wünsche hat, fühlt man sich wohl und zufrieden."2) „Die Lernenden müssen die Bedeutung der Ruhe klar erkennen. Die Nichtbewegung ist noch nicht Ruhe, sondern das nicht planlos sich Bewegen ist wirklich Ruhe. Daher sagt man, wenn man ohne Begierden ist, so hat man Ruhe. Wenn man soweit kommt, dann ist die Ruhe wirkliche Ruhe und die Bewegung ist auch Ruhe."3) „Wenn ein Mensch sich dem himmlischen Schicksal fügt und nicht dagegen ankämpft, es entgegennimmt und es nicht abweist, dann hat er das wichtigste Mittel in der Hand, um sich mit Leben und Tod, Reichtum und Ehre auseinanderzusetzen."4) „Der Weg zum Leben und zum Tode hängt lediglich davon ab, ob man dem Vernunftprinzip folgt oder seinen Begierden fröhnt."5) Die einzig wahre Lehre ist nach Ts'ao Tuan der Konfuzianismus. Durch bloßes Studium gelangt man nicht in seinen Besitz, denn nur „wenn man alle Dinge im Herzen verarbeitet, so hat man den Haupteingang, der zur Schule des K'ungtse führt." 6 ) Die vier Bücher dienen zur Erklärung der sechs Klassiker: das Lun-yü handelt vom Wohlwollen, das Ta-hsio von Ernst und Konzentration, das Tschung-yung von der Vollkommenheit und Meng-tse von Wohlwollen und Gerechtigkeit. Das Ganze ist die vorzüglichste Lehre der Kaiser und Könige, die stets das Gleichgewicht herzustellen sucht. 7 ) Daneben klingt aber ein anderer Ausspruch recht ketzerisch. An einer ändern Stelle sagt Ts'ao Tuan: „Die sechs Klassiker und vier Bücher sind die Spreu der Heiligen. Man muß sich zunächst darauf stützen, um die Lehre zu finden, schließlich aber muß man sie preisgeben, um die Wahrheit zu finden."8) Der !) Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 20, S. 6b: ßg 5

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Die Ming-Dynastie

Kommentator meint freilich, Ts'ao wolle nur sagen, daß man sich nicht ängstlich an Bücher klammern dürfe, da jeder die Lehre und die Wahrheit in seinem Innern habe, aber es ist für einen Konfuzianer doch ein starkes Stück, von den klassischen Schriften als Spreu, also als wertlosem Abfall zu sprechen, die man erst preisgeben muß, um die Wahrheit zu finden. Sollte nicht diese Äußerung mit dem Ts'ao Tuan den Zugang zum Konfuzius-Tempel verbaut haben ? Sie erinnert etwas an einen ähnlichen, aber doch sehr viel gemäßigteren Ausspruch des Lu Hsiangschan.1) Ein schöner Spruch zeugt von der hohen Meinung, welche unser Philosoph von der Wahrheit hatte. Er lautet: „Eine Wahrheit vermag zehntausend Irrtümer auszulöschen und ein ernster Gedanke tausend Ketzereien zu überwinden."2)

2. Huang Tao-tschou 1585—1646. Huang Tao-tschou3) (T. Yu-p'ing und Tsch'i-jo, H. Schi-techai*) war aus Tschang-p'u6) (Fukien) gebürtig. Da er in seiner Jugend längere Zeit in einem Steinhause auf einer einsamen Insel wohnte, nannten ihn seine Schüler den Meister vom Steinhause „Schi-tschai".6) Seine Beamtenlaufbahn war sehr wechselvoll, da er wegen seiner Kühnheit in seiner Meinungsäußerung öfter degradiert und verbannt wurde. Trotzdem hielt er treu zur Ming-Dynastie und setzte dafür sein Leben ein. Mit 9000 Mann zog er gegen die Mandschu-Truppen zu Felde, wurde aber bei Mou-yuan7) in Anhui geschlagen, gefangen genommen und nach Nanking geschleppt, wo man ihn zunächst in einem einsamen Hause gefangen hielt. Er versuchte durch einen vierzehntägigen Hungerstreik seinem Leben ein Ende zu machen, aber er starb nicht. Der Versuch, sich zu erhängen, mißlang auch, schließlich wurde er mit ändern treuen Beamten der Ming öffentlich hingerichtet.8) Huang studierte besonders das Yiking und schrieb darüber das Yi-hsiang tscheng-i und das San Yi tung-tchi,9) ferner das T'ai-han tching, das Hung-fan ming-i, das Tsch'un-tch'iu klue,i und das Schi-tschai tchi.10) Sein wichtigstes phi') Siehe S. 242 Anm. 6. ») Ming-ju hsüeh-an loc. cit. S. 3 b : — |£ Jg. # ff $ fg, — «t Ä JH »

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) Ibid. S. 30a und Tschung T'ai II, 114. ») Giles, Biogr. Diet. : Ä fc JE St, Ä ffl «· '·) Tschung T'ai a. a. O. : ± ® j^, gfc | | BJ ^

II. Spiritualistische Monisten: 2. Huang Tao-tschou

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losophisches Werk ist das Jung-t'an wen-yeh in 18 Büchern.1) Es enthält die Aussprüche des Philosophen während seiner Lehrtätigkeit, 1634—1635 in der Tschi-schan-Schule in Pei-schan?) (Kuangsi). Die Hauptthemata sind Erörterungen über die Natur, das Schicksal, die Erlangung des Wissens, die Erkenntnis des Guten. Alle Fragen der Schüler wurden beantwortet.3) Seine Lehre gleicht der des Liu Tsung-tschou,*) er ist spiritualistischer Monist und polemisiert gegen den Dualismus. Huang Tao-tschou beschäftigte sich auch mit Astronomie und Mathematik, und man glaubte von ihm, daß er in die Zukunft schauen und politische Ereignisse voraussagen könnte. Nach seinem Tode fand man unter seinen Papieren ein Heft, worin er sagte, daß er 1646 61 Jahre alt sterben werde. „Körper und Geist sind," nach Huang, ,,in Wirklichkeit nicht zwei Dinge,"5) denn „die Welt ist nur ein Ding, nicht zwei. Sonne und Mond, die vier Jahreszeiten, Geister und Dämonen, Himmel und Erde sind ebenfalls nur eins, nicht zwei."6) Jemand stellte die Frage: „Wenn dieser Körper auch noch in der Großen Leere und im inhaltlosen Räume existieren könnte, wie könnte man. sich dann .das Wachsen und das Abnehmen der eigenen Person erklären, und wenn man bei jeder Handlung und bei jedem Ding nach dem Urprinzip suchen soll, so würde man, bis die Zunge vergeht und die Zähne ausfallen, niemals ein Mann von Wissen werden können. Wie kann man so zu einem allumfassenden, einheitlichen Standpunkt gelangen ? " 7 ) Nach dem Dualismus des Tschu Hsi existiert zuerst nur das Urprinzip in der großen Leere und erschafft die Materie. Der Fragende kann sich nicht vorstellen, wie aus dem Nichts der Mensch entstehen und wieder vergehen könne und setzt den Fall, daß er selbst schon vor der Erschaffung der Welt dagewesen sei, um diese Frage zu untersuchen. Wenn, wie der Dualismus annimmt, jedes Ding sein besonderes Urprinzip hätte, so würde man, meint er, niemals dazu kommen, alle diese Urprinzipe zu erkennen. Der Philosoph antwortet darauf: „Ich sagte: ,Die beiden Prinzipe der Weisen führen in der Tat zur Leere und Wesenlosigkeit, und Himmel und Erde, Sonne und Mond müßten dadurch zusammenstürzen.8) Man muß annehmen, daß beide Prinzipe ein Gesetz darstellen, welches Himmel und Erde festhält und Sonne und Mond im Kreise dreht. Das ist die richtige Ansicht und schafft wirkliche Klarl

) Sse-k'u tch'üan-schu, Kap. 13, S. 27a: fl£ fg ffi | | -f-



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) Sse-k'u tch'üan-schu a. a. O. S. 27b. ) Ein Anhänger des Yang Schi. 5 ) Ming-ju hsüeh-an Kap. 56, S. 23a: Sjf ,fr Jg %£ fä Sfö.

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wäre nicht lebensfähig und müßte zusammenstürzen und der Vernichtung anheimfallen.

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Die Ming-Dynastie

heit. Man braucht nicht anderweitig noch Körper und Gestalt erklären und Ton und Geruch genau erkennen zu wollen.'"1)2) Daß Huang Tao-tschou das eine Weltprinzip als etwas rein Geistiges auffaßt, geht aus folgendem Ausspruch hervor: „Ich komme aus einem feinen, geistigen und nicht aus einem wirren, chaotischen Zustand zur Welt. Wenn ich aus einem chaotischen Zustand stammte, so würde ich nur ein Stück Fleisch und Blut sein und besäße keine Intelligenz und keine Sinnesorgane. Wenn ich aber aus einem feinen, geistigen Zustand stamme, so mag ich sterben oder lebendig wiederkehren, ich muß stets das Prinzip ergründen und Bücher lesen."3) Beim Studium muß man zuerst die Texte zu verstehen lernen und dann ein braver Mensch werden. In jedem Menschen steckt die Anlage zu einem Heiligen und Weisen. Alle können denken, und durch Schulung der Denkfähigkeit lassen sich die guten Anlagen ausbilden. Das Studium gleicht dem Brunnenbohren. Es ist nicht leicht, gutes Wasser zu finden.4) Huang unterscheidet scharf zwischen der menschlichen Natur und dem Geiste und behauptet, daß das Verhältnis des Himmels zur Sonne ebenso sei wie das der menschlichen Natur zum Geiste. Wind, Regen, Wolken und Donner sind Dinge neben der Sonne, aber nicht diese selbst. Gedanken, Wissen, Empfindungen und Leidenschaften sind Dinge neben dem Geiste, aber nicht dieser selbst. Der Geist ist also von seinen Äußerungen zu scheiden5) „Man muß wissen, daß Gedanken, Wissen, Empfindungen und Leidenschaften der Lebensgeist sind, welcher an den Dingen haftet, nicht die Erleuchtung der menschlichen Natur."6) Ebenso wie der Mensch Geist und Körper hat, so soll auch das Schicksal aus Prinzip und Fluidum bestehen. Beides zusammen wird dem Menschen verliehen, und daraus entwickelt sich dann sein Geschick. Paßt er sich ihm an, so geht es ihm gut, tut er es nicht, so geht es ihm schlecht.7) Huang Tao-tschou wendet sich gegen die von manchen Philosophen vertretene Ansicht, daß das Schicksal eine meß- oder wägbare Substanz sei, und sieht darin etwas Übersinnliches. Es heißt: „Im Schicksal ist nicht irgend ein Ding vorhanden und es genügt sich selbst. Man kann keineswegs von Spärlichkeit oder Fülle sprechen, und ebenso wenig J

) Wenn man das eine Prinzip kennt, so ist es nicht nötig, noch die objektive Welt in allen Einzelheiten zu erklären, wie es die.Dualisten und Realisten tun. 2) Ming-ju hsüeh-an loc. cit.: £ S;> R S S 15. £ ·& S JA, ^ itfe H ^ H Ä ^ F

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III. Extreme Idealisten: 1. Tsch'en Hsien-tschang

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wie Spärlichkeit oder Fülle gibt es Erfolg oder Mißerfolg, und da diese nicht vorhanden sind, auch kein Berechnen und Vergessen, sondern es ist nur Reinheit und Leere. Durch Gleichmütigkeit kann man zum Schicksal in Beziehung treten, durch Kalkulieren und Ausmessen nur mit Waren vertraut werden. Die gewöhnlichen Menschen sagen, daß Schicksal nur auf Erfolg und Mißerfolg beruhe, daher kommen dabei die Fülle, das Berechnen und das Quantum des Fluidums in Frage, und die Menschen verfahren dabei ganz verschieden. Die Weisen behaupten, daß das Schicksal in die Sphäre der Reinheit und Leere gehört, daß es aber keine Fülle und kein Berechnen gibt, und daß man sich über Erfolg und Mißerfolg, richtig oder verkehrt keine Gedanken zu machen braucht. Die Sonne geht und der Mond kommt, die Kälte geht und die Wärme kommt, und wenn man so fortfährt, so findet man den ganzen Lauf des Jahres. Daran erkennt man das Schicksal des Himmels."1)2)

III. Extreme Idealisten 1. Tsch'en Hsien-tschang 1428—1500. 3

Tsch'en Hsien-tschang ) (T. Kung-fu?) H. Po-scha und Schi-tschai5) wurde in dem Dorfe Po scha im Hsin-hui*)-Distnkt bei Canton geboren und führte daher seinen literarischen Namen. Er war ein schöner Mann von imponierender Größe mit strahlenden Augen. AlsKuriosum wird erwähnt, daß erauf der rech ten Backe sieben schwarze Flecke hatte, die gleichsam ein Siebengestirn bildeten. Sein Vater starb einen Monat vor seiner Geburt. Die Liebe zu seiner Mutter war so groß, daß, als er einmal ausgegangen war und seine Mutter sich nach ihm sehnte, er dies im Herzen fühlte und sogleich nach Hause zurückkehrte.7) Seine Mutter glaubte an Buddha. Während einer Krankheit befahl sie ihm, zu Buddha zu beten, was er auch tat,8) obwohl er selbst kein Buddhist war, wenn auch seine Lehre dem Dhyäna sehr nahe kam. Im Jahre 1447 bestand er das Magister-Examen, im folgenden Jahre fiel er durch das Doktorexamen und versuchte es nicht zum zweiten Mal'e, sondern baute sich ein Haus, das Yang-tschfun t'ai,9) in welches er sich mehrere Jahre einschloß, *) Das Schicksal folgt so regelmäßig wie die Nacht auf den Tag oder eine Jahreszeit auf die andere. ») Ming-ju hsüeh-an Kap. 56, S. 18b : -fr ^ ^ — fa # g JS£, %] |& £ Jft nf

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') Biographie im Ming-schi Kap. 283, S. 2b. 8 ) Li-hsüeh tsung -tschuan, Kap. 20, S. 27a. «\ KR ^ Ä ) Bw iF .H.·

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Die Ming-Dynastie

ohne irgend jemand zu sehen, nur mit Studium und Meditation beschäftigt. Kürzere Zeit studierte er unter Wu Yü-pi. Als sein Name bei Hofe bekannt wurde, ernannte man ihn zum Hanlin, aber er trat diesen Posten nicht an, sondern blieb in seiner Heimat, wo er als Lehrer tätig war. Nach seinem Tode wurde er als Wen-kung1) kanonisiert und in den Konfuzius-Tempel aufgenommen. Ein philosophisches Werk hat er nicht veröffentlicht. Seine Aussprüche wurden von seinem Schüler Tschang Tung-po herausgegeben2). Die literarischen Werke sind als Po-scha tch'üan-tchp) erschienen. Tsch*en's Gedichte nach alter Art gelten als besonders gut und sind von seinem Schüler, dem Philosophen Tschan Jo-schui'*) mit einem Kommentar besonders herausgegeben.5) Tsch'-en Hsien-tschang lehrt einen extremen Idealismus*) und bedient sich derselben Argumente wie Lu Tchiu-yuan. In einem Ausspruch sagt er: „Den ganzen Tag bin ich eifrig bemüht, das rationale Prinzip zu erfassen. Es involviert unendliche Größe, hat kein Inneres und kein Äußeres,7) keinen Anfang und kein Ende. Es gibt keinen Ort, wo es nicht wäre, und keinen Atemzug, den es nicht hervorbrächte. Wenn man dies begreift, dann weiß man, daß ich Himmel und Erde errichtet habe. Ich lasse alle Wandlungen hervorkommen und Raum und Zeit sind in mir. Wenn man dieses Werkzeug8) in der Hand hat, was bleibt einem da noch zu tun übrig ? Vergangenheit und Gegenwart und alle Himmelsrichtungen hängen an diesem einenKnoten und werden dadurch zusammengehalten. Jede Zeit und jeder Ort werden dadurch erfüllt."9) Da unser Philosoph sein eigenes Ich dem Weltprinzip gleichsetzt, so kann er die kühne Behauptung aufstellen, daß er selbst die Welt erschaffen habe vind sie beständig wandle. Sein Geist ist überall, hat seit ewigen Zeiten gelebt und wird ewig dauern. Wenn dem so ist, dann ist der Mensch kein kleines, schwaches Geschöpf, welches jede Kraftäußerung der Natur vernichten kann, sondern das erhabenste Wesen, dem gegenüber alle ändern Dinge in nichts versinken: „Die Menschen kämpfen um die Erkenntnis, und wenn sie sie erlangt haben, wissen sie, daß ich groß und die Dinge nur klein sind, daß die Dinge ein Ende haben, aber ich nicht. Ich, die Unendlichkeit, obgleich nur ein klein wenig Erde, umfasse die sechs Himmelsrichtungen, und ein Augenblick kommt der Ewigkeit gleich.10) Das Leben weiß ich nicht zu lieben und den Tod nicht zu hassen.11)"12)

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) Die Längeder Zeithat für das rationale Prinzip keine Bedeutung, ihm istalles Gegenwart. ) Leben und Tod können mir nichts anhaben, ich bin darüber erhaben. ") Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 20, S. 30a: · — fö H* & % Ü! fc *flB42j /K 4fc n

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III. Extreme Idealisten: 1. Tsch'en Hsien-tschang

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Das Weltprinzip wird auch Tao genannt. Alles, was davon ausgesagt werden kann, gilt auch von meinem Ich. Es ist wie Tao ewig und unveränderlich, durch die Welt, welche es selbst hervorgebracht hat, kann ihm nichts hinzugefügt und nichts weggenommen werden: ,,Wenn man von Himmel und Erde ausgehend Tao betrachtet, dann ist es die Wurzel von Himmel und Erde, und wenn man von Tao ausgehend Himmel und Erde betrachtet, so sind sie wie ein Korn in einem großen Speicher und ein Löffel voll Wasser in einem weiten Meere.1) Daher ist Tao das Allergrößte2), und der Edle hat es erlangt. Deshalb ist der Anfang der Welt mein Anfang, aber meinem Tao wird dadurch nichts hinzugefügt. Ebenso ist das Ende der Welt mein Ende, aber meinem Tao wird dadurch nichts entzogen. Die Größe der Welt kann nicht an mir vorbeikommen,3) aber ich erfahre dadurch weder einen Zuwachs noch eine Abnahme. So gehen auch alle Dinge der ganzen Welt auf mich zurück, aber dadurch wird mir nichts hinzugefügt noch genommen. Die Dinge der Welt sind alle in mir, aber sie vermögen mir nichts hinzuzufügen noch wegzunehmen."4) Als ein Beispiel dafür, daß die Dinge alle in mir sind, wird angeführt, daß die Triebfeder für den Flug der Vögel und das Hüpfen der Fische in mir liege.5) Die Meditation steht in Tsch'en Po-scha's Lehrsystem an erster Stelle. Das Studium dient dazu, seine Weltanschauung verständlich zu machen und bei der Ausbildung der Persönlichkeit mitzuwirken: „Das Herz muß weit sein und Frieden haben, Wissen und Erfahrung müssen hervorragend sein, die Regeln und Pflichten weit und umfassend, und den Vorbildern muß man mit Ernst nacheifern. Wenn jemand diese vier Bedingungen erfüllt, dann kann man von ihm sagen, daß er studiert."6) „Der Lernende studiert nicht nur in Büchern, sondern er studiert auch sein Herz. Er prüft die Triebfeder von Ruhe und Bewegung, Sein und Nichtsein und gelangt dazu, das, was in ihm ist, zu pflegen. Dabei läßt er sich nicht von seinen Erfahrungen irreführen, und er schaltet den verkehrten Gebrauch von Augen und Ohren aus. Seinen immateriellen, vollkommenen und unerforschlichen Geist erhält er intakt. Sobald er ein Kapitel aufschlägt, erfaßt er seinen Inhalt vollkommen. Wenn er es nicht kann, so liegt es am Buche, denn von seinem Ich *) Verglichen mit Tao ist die Welt nur winzig klein. ) Tao ist das Allergrößte und das Allerkleinste, das heißt an den Raum nicht gebunden. 3 ) Ich selbst habe die Größe der Welt erschaffen. «) Li-hsüeh tung-tschuan Kap. 20, S. 31 a: J£* ? *ffBÜ >t> fl'J 3t $ 3 * ± *, 2

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ausgehend ist er dazu im Stande."1) Bezeichnend für Tsch'en's mystische Richtung ist das gewisse Mißtrauen gegen die Erfahrung und die Wahrnehmungsorgane. Der Zustand der Ruhe scheint ihm besonders wichtig: „Wer zu lernen versteht, schätzt die Stille, um in ihr den Grund der Bewegung zu sehen. Er prüft die Betätigung, um daran zu erkennen, worin die Substanz besteht."2) Es berührt eigentümlich, daß ein Dogma tiker wie Tseh? in Hsien-tschang doch die große Bedeutung des Zweifels für die Forschung anerkennt, wie aus zwei seiner Aussprüche hervorgeht. Sie lauten: „Der Zweifel ist der Antrieb zur Erkenntnis, und jede Erkenntnis bedeutet einen Schritt vorwärts"3) und „Zweifel sind die ersten Knospen der hervorbrechenden Wahrheit."4) Von dem Menschen, der nur seinen Impulsen folgt und nicht an seiner Veredelung arbeitet, entwirft der Philosoph ein wenig schmeichelhaftes Bild: „Der Mensch", heißt es, „hat einen sieben Fuß großen Körper; abgesehen von seinem Geist und dem Vernunftprinzip ist nichts besonders Wertvolles daran. Das Ganze ist eine Masse aus Fleisch und Blut, welche ein großes Knochengerüst bedeckt. Wenn er hungrig ist, kann er essen, wenn er durstet, trinken. Er kann Kleidung anlegen und seinen Lüsten fröhnen. Wenn er arm ist, denkt er an Reichtum und Ehre, und wenn er Reichtum und Ehre besitzt, strebt er nach Macht und Einfluß. Erzürnt, gerät er in Streit, betrübt, jammert er. Wenn er in Not ist, gerät er auf Abwege, und wenn er Freude genießt, wird er ausschweifend. Was er in hundert Fällen tut, ist, stets seinem Blutfluidum zu folgen. Wenn er dann im Alter stirbt und damit alles aus ist, so kann man ihn wohl mit Recht als ein Tier bezeichnen."5) Die Menschen dürfen aber nach Tsch'en's Ansicht das Studium nicht übertreiben, denn „wenn man sich mit dem Studium zu sehr abquält, so ist es nicht möglich, Tao zu erschauen. Daher ist das Bücherlesen und viele Wissen nicht so gut wie die Meditation."6) Wie er zur Meditation geführt wurde, berichtet sein Schüler Tschang Tung-po in seiner Vorrede: Als der Meister im Hause die Wahrheit nicht finden konnte, da gab er alle seine früheren Gewohnheiten auf. Singend durchzog er die Wälder, pfiff einsam auf entlegenen Inseln, ruderte und angelte in Flüssen oder am Ufer des Meeres, verschmähte die Wahrnehmungen mit Augen und Ohren, und verzichtete auf das Wissen seines Herzens, bis er schließlich in der Stille das große Erlebnis hatte

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III. Extreme Idealisten: l. Tsch'en Hsien-tschang

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und das fand, was er suchte. Diese Methode setzte er zwanzig Jahre lang fort, und endlich kam die große Erleuchtung über ihn. Mit Dhyäna hat das nichts zu tun.1) Von vielen Seiten ist ihm vorgeworfen, daß er Dhyäna lehre. Hu Tchü-jen nannte ihn spöttisch einen Buddhisten. Auch Tsch'en Po-scha selbst hat sich über seine Erleuchtung geäußert. Wu Yü-pi führte ihn in die Werke der alten Weisen ein, aber er kannte den Zugang zur wahren Lehre nicht. Darauf zog er sich mehrere Jahre in sein Haus zurück und suchte selbst die Wahrheit aus Büchern zu finden. Obgleich er darüber oft Schlafen und Essen vergaß, fand er nicht, was er suchte: „Mein Herz", sagte er, „und die Prinzipien stimmten nicht überein und flössen nicht zusammen. Darauf gab ich jene vielen Lehren preis und suchte mich meiner Bindungen zu entledigen. Ich saß in der Stille, und nach langerZeit erblickte ich die Gestalt meines Herzens, welches aus dem Dunkel hervortrat gerade so wie ein Ding. Ich sorgte für die einzelnen Bedürfnisse des täglichen Lebens und folgte meinen Wünschen, die ich wie ein Pferd mit dem Zügel leitete. Deutlich erkannte ich die Prinzipien der Dinge und prüfte die Lehre der Heiligen. Sie alle hatten ihre Herkunft und ihren Ausgangspunkt wie die Flüsse ihre Quellen. Darauf gewann ich großes Vertrauen zu mir und sagte: ,Ist das nicht die richtige Methode, um zur Heiligkeit zu gelangen?' "2) Tsch'en verteidigt sich gegen den Vorwurf, Dhyäna zu verbreiten und die Schüler zu falscher Lehre zu verführen. Das Wichtigste in der Lehre des K'ungtse sei die Begierdelosigkeit. Um diese zu erreichen, bedürfe man der Stille und Leere und des richtigen Handelns. Das lehre auch er in seiner Schule. Mit Dhyäna habe es allerdings einige Ähnlichkeit. Die Buddhisten lehrten, still dazusitzen, ohne Leidenschaft, den Atem zu regulieren und die Kontemplation. Das tue er auch.3) Die -DA«/öwa-Lehre klinge sehr gut und sei dem Konfuzianismus sehr ähnlich, aber es beständen doch kleine Unterschiede, woraus sich himmelweite Verschiedenheiten ergäben.4) Als Vorgänger in der Pflege der Meditation nennt Tsch'en Hsien-tschang den Tschou-tse, welcher zuerst das Hauptgewicht auf die Stille gelegt habe. Tsch'eng I habe jedesmal, wenn er jemanden in Nachdenken versunken sah, ihn gepriesen, daß er die Lehre verstünde. Die TscA'ewsr-Schüler pflanzten diese Methode fort, die besonders von Lo Tsung-yen und Li T'ung geübt werde. Tschu Hsi sprach wenig von Stille, dafür aber von Konzentration, damit die Menschen nicht in Dhyäna verfielen. Der Einzelne muß sich davor hüten. Die Stille verschafft ihm den Zugang zur Wahrheit. Besonders wenn er sehr aufgeregt von Natur, ist die Meditation eine Medizin gegen dieses Leiden.5) *) Ming-ju hsüeh-an Kap. 5 S. 3a. ») Eod. S. 3a: S. jfc ^ | | jfc jg % ^ % fg fä % fä ^fä

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Die Ming-Dynastie

Die Meditation scheint auch eine Voraussetzung für die Teilnahme an der Weltschöpfung zu sein, denn wir lesen: „Man muß lernen, daß die Spontaneität der Ausgangspunkt, das Sichselbstvergessen das Haupterfordernis, die Wunschlosigkeit das Ziel ist. Wenn man Himmel und Erde, das Leuchten und die Dunkelheit von Sonne und Mond, das Fließen der Flüsse und das Ragen der Berge betrachtet, so ist dasjenige, wodurch die Jahreszeiten wechseln und alle Dinge geschaffen und umgestaltet werden, das Urprinzip in mir."1) Um an der Welterschaffijng und der beständigen Umgestaltung, welche in den Phasen des Mondes, dem Fließen der Ströme und in den Jahreszeiten zum Ausdruck kommt, teilzunehmen, muß man wunschlos sein, sich selbst vergessen und nur noch spontan handeln, ein Zustand, der durch Meditation erreicht wird. Tschung T'ai nennt Tsch'en Hsien-tschang einen Vorläufer des Wang Yangming?) Takejiro sagt, daß er zwar den Wang Yang-ming nicht erreiche, aber ihm doch ähnlich sei, dagegen sei die Ähnlichkeit mit dem Buddhismus nur äußerlich,3) ein Urteil, dem man sich wohl anschließen kann.

2. Tschan Jo-schui 1466—1560.

Ein Schüler des extremen Idealisten Tsch'en Hsien-tschang, von dem er vieles übernommen hat, war Tschan Jo-schui*) (T. Yuan-ming, H. Kan-tch'üan)5) aus Tseng-tsch'eng*) in Kuang-tung. Nachdem er im Jahre 1492 Magister geworden war, bestand er erst 1505 das Doktorexamen, allerdings als zweitbester und wurde darauf zum Hanlin ernannt. Als solcher hörte er noch bei Wang Yang-ming, der im Innenministerium lehrte.7) Später stand er mit ihm im freundschaftlichen Briefverkehr und näherte sich seiner Philosophie. Wie Wang Yang-ming brachte auch Tschan Jo-schui als Beamter es zu den höchsten Würden. Als Vizepräsident des Kultusministeriums schrieb er zahlreiche Thronberichte zur Förderung des Konfuzianismus. Im Jahre 1522 wurde er zum ersten Male zu Hofe befohlen. Nacheinander bekleidete er das Amt eines Präsidenten des Kultus-, Innen- und Kriegsministeriums. Tschan Jo-schui hat vielleicht von allen Philosophen das höchste Alter erreicht, denn er starb mit 94 Jahren. Bei seinem Tode soll ein großes Meteor in Honam bei Canton gefallen sein.

*) Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 20, S. 31 a: ^ \£ [=} $£ %£ ^4 J[öl J£ ö 1=5 !^C> Jö 3l&

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III. Ex'treme Idealisten: 2. Tschan Jo-schui

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Wohin er kam,, gründete er Schulen und erteilte selbst fast täglich Unterricht. Seine Schüler waren im ganzen Reiche verbreitet, auch viele Gelehrte suchten seinen Unterricht. Die Hörer mußten vor Beginn des Unterrichts alle Riten erfüllt und drei Tage gefastet haben. Beim Lehren saß er aufrecht da und betrachtete sein Herz, bevor er zu reden begann.1) Im Frühling pflegte er selbst auf die Felder zu gehen und zum Ackerbau anzufeuern. Da die Armen häufig nach dem Tode nicht in der üblichen Weise bestattet, sondern verbrannt wurden, so kaufte er für sie einen Begräbnisplatz. Außerdem kaufte er Land, um aus dem Ertrage desselben die Aufwendungen für die zu gewissen Zeiten üblichen Opfer zu machen. Dagegen ließ er die privatim errichteten Klöster zerstören und zwang die Mönche und Nonnen, ins Privatleben zurückzukehren. Ihm zu Ehren erhielten später Kinder öfter den Zunamen Tschan?) Für seinen Lehrer Tsch'en Hsien-tschang, dessen Werke er herausgab, errichtete Tschan einen Tempel und eine Schule. Seine eigenen Werke sind sehr zahlreich und umfassen viele hundert Kapitel. Außer Kommentaren zu den Klassikern schrieb er das Tsun-tao lu,s) worin er für Tsch'eng Hao eintritt, das Yang-tse tche-tschung,*) worin er Yang Tchien, den Schüler des Lu Tchiu-yuan kritisiert, das Tch'iao-yü,5) das Kan-tch'üan hsin-lun, das Kan-tch'üan ming-lun,6) das Ko-wu t'ung7) und das Hsin-hsing t'u-shuo,6) eine beschreibende Skizze des Geistes und der Natur, welche er nebst den Gefühlen und Tugenden und dem Geist der Dinge in kleineren Kreisen in einen großen Kreis, den Kosmos oder Raum und Zeit, eingetragen hat 9 ). Als Vorbild hat ihm das T'ai-tchi t'u gedient. Seine literarischen Werke, auch Gedichte, sind im Kan-tch'üan tchi,10) herausgegeben. Von der Lehre des Wang Yang-ming wich die des Tschan Jo-schui besonders dadurch ab, daß ersterer das Hauptgewicht auf die Pflege des intuitiven Wissens, letzterer auf das Erkennen des himmlischen Prinzips legte. Die Schüler des Tschan Jo-schui erklärten das himmlische Prinzip für das intuitive Wissen und setzten die Erkenntnis des himmlischen Prinzips der Erzeugung des intuitiven Wissens gleich. Demgegenüber behauptete Wang Yang-ming, daß das Erkennen etwas Äußerliches sei und zu keinem Resultat führe. Tschan meinte, bei Wang Yangming bedeute ko soviel wie richtigstellen und wu (Ding) wie Gedanke, also kowu11) sei die Richtigstellung der Gedanken. Eine solche Richtigstellung sei aber ohne Studium und ohne Kritik nicht möglich.12) Die Lehre des Wang Yangming habe nach seiner Ansicht vier Mängel, wogegen seine eigene fünf Vorzüge habe. Beide Philosophen haben langeBriefe über diese Streitfragen gewechselt.13) J

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362

Die Ming-Dynastic

Tschan Kan-tch'üan lehrt, daß das himmlische Prinzip in jedem Menschen wohnt. Wenn er es nicht erkennt, so muß er seinen Geist üben, ihn läutern und von allen Hemmnissen und Verfinsterungen befreien, dann wird er seiner gewahr werden. Daher kann jeder Mensch ein Yao oder ein Schun werden.1) „Wenn man Tao erkennen will, so möge man sich mit der Erforschung des himmlischen Prinzips gründlich beschäftigen. Alles, was man gewöhnlich im Leben zu Heben und zu schätzen pflegt, muß man wegfegen. Nicht nur die Vorliebe für Vorteile muß man aufgeben, sondern auch das Verlangen nach Ruhm beseitigen, nicht nur auf eigene Wünsche verzichten, sondern auch seine eigenen, liebgewonnenen Ansichten aufgeben, erst dann kann man zur Erkenntnis gelangen."2) „Das himmlische Prinzip ist die große Hauptsache. Tausend Heilige und tausend Weise zusammen bilden es. Es gibt immer und ewig nur diese eine große Sache und nichts anderes daneben. Wenn man seinen Willen auf etwas richtet, so muß man ihn nur hierauf richten. Erkenntnis ist die Arbeit, durch welche man sie zu erlangen sucht. Man muß das Herz durchglühen, von allen Schlacken, die im Wege stehen, befreien und es üben. Das Herz ist gut, und ursprünglich ist das himmlische Prinzip voll und ganz darin enthalten, und man braucht es nicht außerhalb zu suchen. Es kommt nur darauf an, ob der Mensch seinen Willen darauf richtet."3) Man sieht das himmlische Prinzip klar vor sich, wenn der Geist im Gleichgewicht ist und in richtiger Verfassung. Es hat keine Gestalt und keinen Körper und ist nur Leere und Erleuchtung und in Gedanken ausgebreitet4.) Das himmlische Prinzip oder der Weltgeist ist mein eigener Geist, wofür gewöhnlich der Ausdruck Herz gebraucht wird, aber ,,das Herz ist kein Ding und deshalb etwas Gewaltiges, aber es gibt kein Ding, das es nicht verkörperte, daher ist es so groß. Wenn man weiß, daß es kein Ding ist und daß es nichts gibt, das es nicht verkörperte, dann kann man über die Menschennatur sprechen."5)6) Mein Geist verkörpert alle Dinge, das heißt, er bildet ihren Körper, sie bestehen aus meiner Geistsubstanz. Das Herz ist die Materialisation des Geistes. Wir lesen: „Ich betrachte immer mein Herz in dem Zustand, als es noch nichts Körperliches an sich hatte. Es war hohl und leer, erleuchtet und intelligent. Die Leere7) ist das, wodurch das Herz lebt, die Intelligenz ist das, wodurch es Geist ist. Ich *) Ming-ju hsüeh-an loc. cit. S. 18b. 2 ) Li-hsüeh tsung-tschucm Kap. 20, S. 38b: ^ £p Jf i& In

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III. Extreme Idealisten: 2. Tschan Jo-schui

363

betrachte ebenfalls immer mein Herz in dem Zustand, nachdem es Ding geworden ist. Es ist verstopft und massig, betäubt und verwirrt. Durch die Verstopfung stirbt das Herz, und durch die Verwirrung ist es ein Ding. Die Leere und die Intelligenz kommen nicht von außen, sondern sind sein eigentliches Wesen. Die Verstopfung und Verwirrung kommen nicht von innen, sondern sind Verdüsterungen durch die Begierden."1) Das Herz in seinem ursprünglichen Sein ist hiernach rein geistig. Durch Begierden und Leidenschaften wird es verwirrt, getrübt und verdüstert. Das führt zu Hemmungen, Stockungen und Verstopfungen, und daraus entsteht das materielle Herz, ein Ding. Während Tschang Tsai die Materie auf rein mechanischem Wege durch Kondensierung des Geistfluidums entstehen läßt, führt Tschan Jo-schui ihre Entstehung auf rein geistige Vorgänge zurück. Zwischen dem Menschengeist und seiner Natur macht unser Philosoph keinen Unterschied, wie das so häufig geschieht, denn er sagt : „DieNatur ist das Lebensprinzip des Herzens. Das Herz und die Natur sind nicht zwei verschiedene Dinge."2) Und weiter erklärt er: „Die menschliche Natur ist die eine Substanz von Himmel und Erde und von den zehntausend Dingen. Das ganze Universum besteht aus demselben Fluidum und ist Geist."3) Also die ganze Welt ist in Wirklichkeit nicht aus Materie gebildet, sondern Geist, nämlich das himmlische Prinzip, der Weltgeist, der zugleich der Menschengeist ist. Tschan Jo-schui ist eigentlich mehr extrem·"· r Spiritualist als erkermtniskritischer Idealist, denn von der Welt als Vorstellung will er nichts wissen. Beim menschlichen Geist unterscheidet unser Philosoph zwischen einer kleinen und einer großen Sphäre, was unseren Begriffen Mikrokosmos und Makrokosmos nahe kommt: „Was versteht man unter der kleinen Sphäre ?" fragt er und antwortet: „Das Herz, denn es durchdringt alles. — Und was ist die große Sphäre ? — Das Herz, denn es umspannt alles. Das Umspannen und das Eindringen sind in Wirklichkeit nicht von einander verschieden, denn das Herz umspannt außerhalb Himmel, Erde und alle Dinge, und es dringt zugleich in ihr Inneres ein. Das Innere und das Äußere sind nicht von einander verschieden. Das Weltall hat kein Inneres und kein Äußeres und das Herz auch nicht, wenn man der Sache auf den Grund geht. Wenn man aber sagt, daß das Innere das Herz sei und das Äußere das Weltall und die Dinge, so gilt das Herz als klein; das ist verkehrt."4) ') Ming-ju hsüeh-an Kap. 37, S. 4a: gl -jfc fß Ä jfr ft. fä ffa £ ifc £ % p £fc fljj ^

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Die Ming-Dynastie

Die Welt ist unser Herz, daher ist es nicht so klein, wie es uns erscheint und die Welt ist nicht soviel größer. Der scheinbare Unterschied zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos wird aufgehoben. Nach Tschan's Überzeugung gibt es in der Welt nur einen Geist, es hat nie einen ändern gegeben und wird auch nie einen ändern geben. Jeder Mensch besitzt ihn, denn der Weltgeist und der Menschengeist sind dasselbe: „Der Geist des Menschen auf der Straße ist der Geist Tit's und der Geist Yü's ist der Geist Yao und Schun's. Immer ist es ein und derselbe Geist, und es gibt nicht zweiGeister, denn die Welt ist nur eine. In der Überlieferung heißt es, der Mensch sei das Herz von Himmel und Erde. In Himmel und Erde, in alter und neuer Zeit und im Universum gibt es nur diesen einen gleichen Geist, wie könnten zwei vorhanden sein ? Der Lernende, welcher mit dem Studium beginnt, und der Heilige haben diesen gleichen Geist und dieses gleiche himmlische Prinzip, und es ist nicht einmal möglich, sich gewaltsam seiner zu entledigen."1) Der Standpunkt des Meisters wird kurz von einem Schüler Tsch'ung,*) der häufig erwähnt wird, präzisiert. Dieser sagt, die himmlische Vernunft komme immer zum Vorschein, aber der menschliche Geist erkennt sie nicht, wenn er nach außen abschweift. Vielmehr muß er zu sich selbst zurückkehren, denn „der Weltgeist ist mein Geist, er schafft Leben ohne Aufhören. Wenn nicht die geringsten eigennützigen Gedanken mit hineingemischt werden, dann ist er Nicht-Ich, und man erkennt, daß es dasselbe Wesen ist wie Himmel und Erde und die zehntausendDinge. Wie gewaltig groß ist er und von wie hervorragender Intelligenz !"3) Der Meister stimmte allem zu. Der Unterschied zwischen Tschan Jo-schui's und Wang Yang-ming's Weltansicht kommt in einem Briefe an letzteren klar zum Ausdruck. Darin heißt es: „Bei der Richtigstellung der Dinge nimmst du an, daß sie durch die Gedanken des Geistes in die Erscheinung treten. Du fürchtest bei dieser deiner Ansicht, mein Bruder, daß die Menschen von ihrem Geiste absehen und die Dinge außerhalb suchen könnten, und hast deshalb diesen Ausspruch getan. Ich nehme an, daß der menschliche Geist bei Himmel, Erde und Dingen die Substanz bildet. Die Substanz des Geistes sind die Dinge, und nichts wird dabei ausgelassen. Wenn man die ungeheuere Größe der Substanz des Geistes kennt, so weiß man, daß kein Ding außerhalb derselben sein kann. Daher findet die Richtigstellung der Dinge nicht außerhalb statt. Auch der richtigstellende und bewirkende Geist ist nicht außerhalb. Wenn man bei den Dingen-annimmt, daß sie durch die Gedanken

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Ill- Extreme Idealisten: 2. Tschan Jo-schui

365

des Geistes in die Erscheinung gerufen werden, dann, fürchte ich, läßt sich der Fehler, daß es äußere Dinge gibt, nicht vermeiden."1) Nach Wang Yang-ming, wie ihn Tschan versteht, werden die Dinge durch die Gedanken des Geistes geschaffen, sind also unsere Vorstellungen. Dadurch entsteht ein Dualismus, die Dinge sind etwas vom Geiste an sich Verschiedenes, denn die Gedanken und Vorstellungen gelten den Chinesen als Ausflüsse des Geistes, aber nicht als dieser selbst. Deshalb sieht unser Philosoph von den Gedanken ganz ab und betrachtet die Dinge als Geistsubstanz oder Geistfluidum. Dem widerspricht auch nicht der Satz: „Die Dinge sind mein intuitives Wissen und meine besondere Fähigkeit, und man braucht sie nicht außerhalb zu suchen."2) Das intuitive Wissen ist ein Geisteszustand eine Fähigkeit, aber kein besonderer Denkvorgang, wie denn auch die Schüler des Tschan Jo-schui es einfach dem himmlischen Prinzip oder dem Weltgeist gleichgesetzt haben.3) Der Geist bleibt ewig erhalten, auch wenn die Welt mit Menschen, Tieren und allen Dingen zugrunde geht, denn sie ist ja nur eine zeitlich begrenzte Gestaltung des Geistfluidums, die dann wieder durch andere ersetzt wird.4) Die intuitive Erkenntnis spielt bei Tschan Kan-tch'üan keine große Rolle, daher mißt er dem Studium viel größere Wichtigkeit bei als Wang Yang-ming, der das reguläre Wissen durch Intuition ersetzen will. Zwar warnt auch Tschan, daß man durch Bücher sich nicht den freien Blick versperren dürfe, denn dann ist das höchste Prinzip unerkennbar. „Die Weisen und Klugen", sagt er, „machen zu starken Gebrauch von ihrem Geist, die Toren und Entarteten machen gar keinen Gebrauch davon. Weder mit denen, welche zu starken Gebrauch vom Geiste machen, noch mit denen, welche ihn gar nicht gebrauchen, läßt sich über Tao reden. Daher gibt es einen Impuls, den Geist zu benutzen und ihn nicht zu benutzen. Nurwenn man die Spontaneität der Welt betrachtet ohne Gedankenlosigkeit und ohne zuviel nachzuhelfen, kann man die ganze Fülle von Tao erfassen."5) Meditation läßt sich nur zu Zeiten üben, wenn man nicht gerade beschäftigt ist, und kann nicht als allgemeine Regel gelten.6) In der Ethik hat Tschan Jo-schui die eigentümliche Ansicht, daß die Scham die Grundlage aller Tugenden sei. Man müsse sich auch allein so benehmen, daß man sich nicht vor Geistern und Dämonen zu schämen brauche. Durch Sich') Ming-ju hsüeh-an Kap. 37, S. 4b:

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) Siehe oben S. 361.

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) Ming-ju hsüeh-an S. 5b.

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) Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 20, S. 39 a:

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366

Die Ming-Dynastic

vertiefen in das Schamgefühl wird man tugendhaft, wenn man seinen Verwandten damit entgegentritt, pietätvoll und dem Fürsten gegenüber loyal. Ohne Schamgefühl hat man auch kein Wohlwollen und Wissen, keine Gerechtigkeit und Sitte.1)

3. HuTschi 1517-1585. Hu Tschi2) (T. Tscheng-fu, H. Lu-schan3) war in T'ai-ho') (Kiangsi) beheimatet. In seiner Jugend las er gern alte Literatur. Mit 25 Jahren wurde er Schüler des Ou-yang Wen-tschuang?) Hu Tschi haßte sehr das Böse, Ou-yang führte es auf den Verlust der angeborenen Güte und das Nichtwiedererlangen des ursprünglichen Sinns zurück. Mit 29 Jahren studierte Hu bei Lo Hunghsienf) von dem er die Meditation lernte. 1556 zum Doktor promoviert, wurde er Studiendirektor in Hukuang und war zuletzt Provinzialrichter in Fukien.7) Seine Werke sind das Heng-tch'i, das Heng Lu tching-sche tsang-kao und das K'un-hsüeh tchi.s) Er lehrte, daß es beim Studium auf die Pflege des Geistes, aber nicht auf die Kenntnis des Universums ankomme, denn er war extremer Idealist ähnlich wie Lu Hsiang-schan und stand auch dem Wang Yang-ming nahe, wenn er auch mit der Weiterentwicklung von dessen Lehre nicht ganz einverstanden war. Hu Tschi beherrschte die philosophische Technik besser als die meisten seiner Landsleute. Er verstand es, seine Theorie logisch zu begründen und die Ansichten seiner Gegner, der realistisch denkenden Konfuzianer, zu widerlegen. Sein Denken gravitiert um die Frage, ob das Weltprinzip in den Dingen oder im menschlichen Geiste enthalten sei, und ob die Welt objektive Existenz besitze oder vom Geiste geschaffen werde. Gegen die Realisten schreibt er Folgendes: „Die Konfuzianer unserer Zeit halten die tausend Prinzipien für wirklich und glauben, daß Himmel und Erde wirklich Himmel und Erde, die tausend Dinge wirklich die tausend Dinge seien, und daß es mit Fürst und Untertan, Vater und Sohn sich ähnlich verhält. Wegen dieser Wirklichkeit könne die Welt nicht als Blendwerk9) angesehen werden. Wenn man das Prinzip nur im Geiste suche, würden die Welt und alle Dinge zu bloßem Schein, was würde dann im Nichts noch existieren, und was würde aus Vater und Sohn, Fürst und Untertan?"10) *) Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 20, S. 38a. 2 ) s

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III. Extreme Idealisten: 3. Hu Tschi

367

„Hu-tse antwortete darauf: ,Wie läßt sich die Wirklichkeit der Prinzipien auf die Dinge stützen ? Was man wirkliches Prinzip nennt, ist nur der wirkliche Geist. Meng-tse sagt: ,Alle Dinge sind in mir', und weiter: ,Wenn ich Einkehr in mein Inneres halte und Wirklichkeit vorfinde, so kann es keine größere Freude geben.'1) Wenn die wirklichen Prinzipien alle in den Dingen wären, was haben sie danfi noch mit mir zu schaffen, und wie kann ich dann Einkehr in mein Inneres halten, um darin die Wirklichkeit zu finden ? Wieso ? Wenn der menschliche Geist allein Wirklichkeit besitzt, so verleiht er Himmel und Erde Wirklichkeit, wenn er sie erblickt, und ebenso den Dingen. Die Liebe zwischen Vater und Sohn und das Verhältnis zwischen Fürst und Untertan können auch nicht vom Geiste losgelöst werden und sind wirkliche Prinzipien.' " ,, .Angenommen, der menschliche Geist wäre nur eine Täuschung, dann würden Vater und Sohn, Fürst und Untertan, wenn er sie wahrnimmt, nur illusorisch sein, denn wie könnte man die Täuschung als das wahre Prinzip dieser Beziehungen betrachten, und wenn er auch Himmel und Erde und alle Dinge nur wie im Traum schaute, wie könnte man darin ein wirkliches Prinzip erblicken ? Das ist es, was der Ausspruch: ohne Wirklichkeit gibt es keine Dinge, bedeutet. Die heutigen Konfuzianer sehen selbst den seinem Wesen nach wirklichen Geist als ein Blendwerk an,2) und dann werden sie ängstlich und suchen das Prinzip in den Dingen, indem sie die Außenwelt als wirklich erkennen. Das nennt man: vermittelst eines Blendwerks ein anderes3) erkennen wollen. Das Blendwerk läßt sich auf diese Weise nicht erforschen."4) Weiter polemisiert Hu-tse gegen Tsch'eng Schu-tse. Seine Erwiderung ist nicht sehr überzeugend, denn er setzt dessen Argumenten einfach seine eigenen Thesen gegenüber: ,,Tschleng Schu-tse sagte: ,Der Heilige^) stützt sich auf den Himmel, die Buddhisten auf den Geist. Indem er sich auf den Himmel stützt, ist er der Überzeugung, daß die große Quelle der Wahrheit vom Himmel ausgeht. Demnach sind die himmlische Ordnung, das himmlische Schicksal, die himmlische Ver*) Meng-tse B. VIIA Kap. 4 (Legge S. 450). jj$ ist hier aber nicht als .Wirklichkeit', sondern als Aufrichtigkeit' zu verstehen und die Dinge nicht als die realen Objekte, sondern als ihre Begriffe oder Vorstellungen. Der Idealismus war Meng-tse gänzlich fremd. 2 ) Das tun die Konfuzianer gar nicht. Die Idealisten sehen wohl die Welt als etwas nicht Wirkliches an, aber die Realisten betrachten keineswegs den Geist als Blendwerk. Hu Tschi bekämpft also nur eine von ihm selbst erdachte Fiktipn. 3 ) Die Welt.

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Die Ming-Dynastie

geltung, die himmlische Wirksamkeit, die himmlischen Beamten1) alle vom Himmel bestimmt, und der menschliche Geist kann dem nichts hinzufügen und nichts davon wegnehmen.2) Indem der Heilige darauf baut, sucht er die Prinzipien aller Dinge, wenn er sie erforschen will, vom Himmel abzuleiten und zu bestimmen.3) Die Vorurteile des menschlichen Geistes kommen dabei nicht in Frage. Die drei Reiche der Buddhisten4) sind nur der Geist; Berge, Flüsse und die große Erde nur Dinge, die in wunderbarer Weise im Geiste erscheinen. Nur durch den Mechanismus ihres Geistes lassen jene Himmel und Erde entstehen und zugrunde gehen. Daß man die drei Reiche, Berge, Flüsse und Erde betrachtet, kann ihr Sein und Nichtsein nicht bestimmen, und sie sind nicht Irrtümer des eigenen Geistes.' "5) ,,Hu-tse erwiderte: ,Seitdem der erhabene Himmel den Menschen den moralischen Sinn verliehen hat, 6 ) ist schon lange Zeit vergangen, und die Menschen besitzen im Geiste das himmlische Schicksal als ihre Natur. Falls der Heilige nur auf den Himmel baut und den menschlichen Geist außer Betracht läßt, wie will er sich diese Grundlage verschaffen, denn außerhalb des Geistes gibt es keinen Himmel ? . . . * ) Wenn Tsch'eng Schu-tse annimmt, daß der Himmel bei der Hervorbringung von Dingen stets Prinzipien hat, soll dann der menschliche Geist allein ohne Prinzipien sein ? "8) Hu Tschi meint, daß unter der Voraussetzung, daß Tsch'eng's Ansicht richtig sei, alle Äußerungen in den Klassikern aus den Herzen gerissen werden müssen und Meng-tse's Behauptung, die Tugenden und das Wissen hätten im Herzen ihre Wurzeln, falsch wäre. Die Versuche, die Prinzipien im Himmel zu finden, würden außerordentliche Anstrengungen erfordern und doch zu keinem Resultat führen. Je weiter man in der Forschung vordringe, desto weiter würde der Himmel zurückweichen.9) Die Folgerung, welche Hu zieht, daß die klassischen Schriften mit der realietischen Weltanschauung nicht übereinstimmten, ist unrichtig, denn sie sind auf dieser und nicht auf der idealistischen aufgebaut. 1

) ) 3 ) 4 ) ·) 2

Die Götter und Geister des Himmels. Die Welt existiert objektiv und ist vom Menschen ganz unabhängig. Der Heilige gewinnt aus der objektiven Welt seine Prinzipien, nicht aus seinem Geiste. Das Trailokya, das Reich der Begierde, der Form und der Formlosigkeit. Ming-ju hsüeh-an Kap, 22, S. 3b fg. : ^ & ^- ^ , ]g ^ jjf ,fr', 2fi ^

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) Zitat aus Schuking, T'ang-kao. ') Dieser Satz müßte erst bewiesen werden. 8 ) Tsch'eng Schu-tse behauptet gar nicht, daß der Geist ohne Prinzipien sei. Loc. cit., S. 4a: ffi ^ 0, g £ fe £ JJ, ^ £g[ &,

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III. Extreme Idealisten: 3. Hu Tschi

369

Hu-tse faßt seinen Standpunkt kurz in folgenden Worten zusammen: „Ich erkannte klar, daß der Himmel, die Erde und alle Dinge meine Geistessubstanz sind, und ich sagte seufzend: Ich erkenne, daß Himmel, Erde und alle Dinge nichts außerhalb sind."1) Dieser Gedanke wird dann in schwungvoller Weise weiter ausgeführt. Alle Idealisten sind Dichter, und ihre Weltanschauung ist philosophische Dichtung: „Die Weihe," sagt Hu Tschi, „fliegt zum Himmel empor. Vom Menschen gesehen befindet sich die Weihe in der Höhe, aber man bedenkt dabei nicht, daß dieses nur eine nach oben verlegte Feststellung des Menschen, seines Wissens und Könnens ist. Der Fisch taucht in die Tiefe. Vom Menschen gesehen befindet sich der Fisch in der Tiefe, aber man vergißt dabei, daß dieses nur eine nach unten verlegte Feststellung des Menschen, seines Wissens und Könnens ist.2) Es ist etwas Großes um diese Erkenntnis, eine Erleuchtung des wunderbaren Prinzips im menschlichen Geist, eine Wirklichkeit, die sich nicht verbergen läßt. Außerhalb dieser Erkenntnis gibt es kein Prinzip mehr. Ich' möchte es durch ein Beispiel erläutern."3) „Bevor die strahlende Sonne erschien, war es düster, wüst und leer, der Himmel, die Erde und die tausend Dinge waren noch nicht vorhanden. Als dann aber die strahlende Sonne leuchtete, da waren auch der Himmel, die Erde und die Dinge da.4) Der Körper der strahlenden Sonne war im Himmel, ihr Licht aber und ihr Fluidum waren ausgegossen zwischen Himmel und Erde und den Dingen. Der Mensch erfaßte ihr Licht und fing ihr Fluidum auf. In einer Schale war eine strahlende Sonne, in einem Kübel ebenfalls, im Tal der Tiefe war eine strahlende Sonne und in jedem Strom, Fluß, Bach und im Meere waren tausende von strahlenden Sonnen. Wenn man den Kua-fu&) die Sonne im Tale suchen ließ, so konnte er nicht wissen, daß der Körper der Sonne sich nicht dort befand. Wenn man den Ort kennt, wo der Körper der strahlenden Sonne sich befindet, dann weiß man auch den Ausgangspunkt des Prinzips.6)"7) i) Ming-ju hsüeh-an Kap. 22, S. 13a: j|jj| £ ^ j& & «fo % ^ & f§, Pg j% Jfc 0, 2

) Der Raum ist für Hu nicht real, sondern nur eine subjektive Vorstellung. ·) Tschung T'ai II, 104: ^ ^ ^ fä ^ ^, g £ £> jH ffi _b ·&> M ^ *B $

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) Die Erkenntnis, die Erleuchtung des Geistes wird mit der Sonne verglichen, die erst durch ihr Licht die Welt erscheinen läßt. 5 ) Genius, der den Schatten der Sonne suchte. ·) Der Körper der Sonne ist nicht außerhalb, sondern im menschlichen Herzen.

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Die Ming-Dynastie

„Nämlich mein Geist ist es, der die Höhe und die Wölbung des Himmels und die Dicke und Tragfähigkeit der Erde schafft, mein Geist ist es, der Sonne und Mond leuchten läßt. Mein Geist reiht die Sterne auf und verleiht ihnen Glanz, gibt Regen und Tau ihre Feuchtigkeit, läßt Sturm und Donner tosen. Die Jahreszeiten sind Bewegungen meines Geistes, Geister und Dämonen sind das Dunkel meines Geistes. Das Fließen, Ragen, Sichtummeln und Wachsen der Flüsse, Berge, Vögel, Tiere, Bäume und Pflanzen, das Brennen des Feuers und die Feuchtigkeit des Wassers, die Maserung des Holzes und das Geäder des Gesteins, was davon ist nicht mein Geist ? Ameisen, Grillen, Tiger, Wölfe, Wildschwäne und Möven, welche sind nicht mein Geist ? Ein Körper, aber mit verschiedenen Öffnungen, hundert Dinge und verschiedene Funktionen, was davon ist nicht mein Geist ?"1} „Die strahlende Sonne ist es, welche Himmel, Erde und alle Dinge erschafft, und mein Geist ist es, durch den die Sonne, der Mond nebst Himmel, Erde und allen Dingen geschaffen wird, und das ist nichts anderes als die Erkenntnis.2) Ohne diese ist alles finster, wüst und leer, und Sonne und Mond, Himmel und Erde und alle Dinge vergehen. Wenn Sonne und Mond", Himmel und Erde und alle Dinge vergangen sind, wie kann man dann das sogenannte Prinzip noch erkennen? Daher sage ich: außerhalb der Erkenntnis gibt es kein Prinzip."3) Hu-tse's Ansicht, daß der Geist die Dinge schafft und daß die Natur soviel wie Wahrnehmung ist, deckt sich vollkommen mit der Lehre der Buddhisten. Hu-tse erkennt diese Übereinstimmung auch an, aber hebt auch die Unterschiede hervor, die ihn vom Buddhismus trennen. Die Buddhisten wüßten zwar, daß die Welt nicht außerhalb des Geistes sei, aber sie wendeten sich ab von den Dingen, wollten nur vom Leben befreit sein und verschmähten die menschlichen Pflichten. Ihr Idealismus endete in der Nichtrealität, während die Konfuzianer an der bestehenden Welt festhielten.4) 1 ) Der Geist erschafft die Welt mit allen ihren Einzelheiten, die belebte und die unbelebte die Materie und die darin wirkenden Kräfte.

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geschaffen wird, so kann natürlich die Erschaffung der übrigen Welt durch die Sonne auch nur ein geistiger Vorgang sein, und indirekt ist auch der Geist sein Urheber.

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IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 1. Hu Tchü-jen

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IV. Wang Yang-ming und seine Schule. 1. Hu Tchü-jen 1434—1484. 1

2

Hu Tchü-jen ) (T. Schu-hsin, ) H. Tching-tschai3)) war aus Yü-kan in Jaotschou fu (Kiangsi) gebürtig.4) Seine Schüler nannten ihn Meister Tching-tschai. Er selbst studierte unter Wu Yü-pi,6) gab aber das Examenstudium auf, verzichtete auf die Beamtenlaufbahn und widmete sich ganz dem Lehrfach, nachdem er sich auf dem ^fei- Ä «b ± it 0 *n M, m m m -ÖL. m n. y. & m, ± ± m 0 tm m., t m a) Tao-te - » Aking t& m.Kap.m21. ±^ * »& m m —. Im Chaos sind schon die zukünftigen Dinge potentiell enthalten. 2

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374

Die Ming-Dynastic

Was das Fluidum anbetrifft, so ist es bald zusammengeballt, bald zerstreut, bald voll, bald leer. Zusammengeballt gilt es als vorhanden, wenn es sich zerstreut, als verschwunden. Was das Prinzip anbetrifft, so ist bei einer Zusammenballung ein Prinzip der Kontraktion und bei der Zerstreuung ein solches der Auflösung vorhanden, und man kann auch nicht vom Nichtsein sprechen. Das Fluidum, welches Körper und Gestalt hat, gilt als voll, dasjenige ohne solche als leer, dagegen ist das Prinzip immer real.1) Die Taoisten erklären, das Sein entstehe aus dem Nichtsein und die Buddhisten sagen, durch den Tod kehre man zur Wahrheit zurück. Was bedeutet das ? Das bedeutet, daß sie das Vernunftprinzip nicht kennen und nur vom Fluidum, das dem Prinzip nahekommt, sprechen. Die Taoisten wissen nicht, wie der Körper entsteht, und behaupten, er entstehe aus dem Nichts. Die Buddhisten können sich seinen Tod nicht erklären und meinen, daß er durch den Tod zur Wahrheit zurückkehre. Sie wissen nicht, daß alles Lebende das Prinzip des Lebens hat, was man nicht für Nichtsein ausgeben kann. Wenn man durch den Tod erst zur Wahrheit zurückkehrt, dann muß das Leben als nicht wahr gelten. Was bedeutet der buddhistische Ausspruch, daß das wahre Wesen weder lebt noch erlischt ? Die Buddhisten halten die Bewegung des Wahrnehmens und Bewußtseins für das Wesen, das heißt das Lebendige im Fluidum, deshalb wollen sie dieses Ding festhalten, damit es nicht wieder in den Kreislauf hineingerät.2) Meiner unmaßgeblichen Meinung nach kennen die Taoisten Tao nicht und bezeichnen in verkehrter Weise die Leere des Fluidums als Tao. Die Buddhisten kennen das Wesen nicht und erklären fälschlicherweise das Lebendige im Fluidum dafür".3) 3. Prinzip und Geist. Ebenso eng wie das Urprinzip mit dem Fluidum ist das rationale Prinzip mit dem Geiste verbunden. Geist und Prinzip halten fest zusammen und wirken aufeinander ein. Sie teilen ihre Zustände, das Prinzip ist also nicht unveränderlich, wie es gewöhnlich dargestellt wird. Wenn man seinen Geist verliert, so schwindet auch das Prinzip. Wenn dieses erleuchtet ist, so ist es auch der Geist.4) „Das Vernunftprinzip ist immateriell, aber im Geist vorhanden. Der Geist

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IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 1. Hu Tchü-jen

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umfaßt das Prinzip, aber läßt keine Spur,1) daher kann man ihn leer nennen. Man kann ihn nicht als nichtseiend und nicht als inhaltlos bezeichnen, denn inhaltlos ist nichtseiend. Wäre der Geist nicht leer, so könnte er nicht alle Prinzipien enthalten, daher ist die Substanz des Geistes ursprünglich leer."2) Das eine rationale Prinzip umfaßt alle vorhandenen Prinzipien, daher sind auch im Geiste, der das eine Prinzip umfaßt, tausende von Prinzipien enthalten. Man braucht sie nur zu üben, dann wird man es merken.3) „Das, wodurch der Geist existiert, ist das Prinzip, und das, wovon das Prinzip umschlossen wird, ist der Geist. Das Prinzip befindet sich an dem Orte, und der Geist birgt es in sich. So lange der Geist besteht, ist auch das Prinzip da."4) Aus diesen Prämissen zieht nun Hu Tching-tschai die folgende Folgerung: ,,Der Geist ist im Grunde mit dem Prinzip eins. Wenn auch der Geist leer ist, so ist doch das Prinzip voll. Im Geist ist kein anderes Ding, sondern nur das Prinzip ist vollständig darin enthalten."5) Also der Geist ist dasselbe wie das Vernunftprinzip. Man könnte sagen, daß der Geist die Hülle, die Vernunft der Kern sei. Das Prinzip ist das Innere, der Geist das Äußere desselben Wesens. Vergeht die äußere Hülle, so zerfällt auch der Kern; geht der Kern zugrunde, so teilt die Hülle sein Schicksal. Die Menschen glauben, sagt Hu, daß im Zustande der Ruhe weder der Geist noch das Prinzip vorhanden sei. Das ist, was wir die Aktualitätstheorie nennen. Demgegenüber nimmt unser Philosoph an, daß Geist und Prinzip schon von der Geburt an in der menschlichen Natur vorhanden sind, auch bevor sie in Tätigkeit treten, daß sie also ein ruhendes Sein haben, und er beruft sich auf Tsch'eng-tse, welcher sage, daß in der Ruhe schon ein Wesen vorhanden sei und Wahrnehmungsvermögen besitze, auch wenn es noch nichts wahrnehme.6) Obgleich Hu Tchü-jen den Geist als immateriell bezeichnet, scheint er ihn sich doch nach Analogie des Körpers vorzustellen. Die Substanz des Geistes, heißt es, ist ursprünglich vollständig, aber durch das trübe Pluidum wird sie verstopft und durch schlechte Gewohnheiten werden Teile davonabgetrennt. Durch sorgsame Pflege und Übung der Tugend laß t sich die Substanz wieder vollständig herstellen.7) Der Körper kann sich nur kleine Strecken und kurze Zeit fortbewegen, weil er ar die Materie gefesselt ist, der Geist dagegen kann im Nu Tausende von Meilen zurücklegen und tausende von Jahren durchfliegen, weil er mit den Geistern in Verbindung steht.8) Das klingt, als ob der Geist leibhaftig flöge. :

) Der Geist läßt keine körperliche Spur, ist nicht körperlich.

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Die Ming-Dynastie

4. Inneres und Äußeres, Geist und Erscheinung. Nachdem Hu Tchü-jen das Urprinzip und das Fluidum für ein und dasselbe erklärt hat, ist es nur konsequent, wenn er auch Inneres und Äußeres, GeLi, und Erscheinung für identisch hält. Seine Ausführungen sind sehr klar und lassen keinen Raum für Zweifel. Sie lauten: „Wenn man das Innere und das Äußere trennt und Geist und Erscheinung scheidet, so hat man zwei Ursprünge. Nun umschließt der Geist alle Prinzipien, und diese sind alle im Geist enthalten, daher ist der Geist mit dem rationalen Prinzip identisch. Obgleich nun die Prinzipien der Handlungen und Dinge der Welt alle außerhalb sind, so werden sie doch von meinem einen Geiste geleitet, und wenn auch die Erscheinungen der Reaktion auf Handlungen und der Berührung mit den Dingen außerhalb sind, so hat sie doch in Wirklichkeit mein Geist zur Erscheinung gebracht.1) Deswegen reagiert der Heilige mit den Prinzipien seines einen Geistes auf die Vorgänge der Welt, Inneres und Äußeres laufen auf dasselbe hinaus, und Geist und Erscheinung sind nicht zwei verschiedene Dinge."*) „Nach den Irrlehren ist die Leere und das Nichtsein ohne Inhalt und still. Das Vernunftprinzip wird schon vorher im Innern abgeschnitten, womit soll man da noch auf die Vorgänge in der Welt reagieren ? Deswegen, weil man sich nur mit dem Innern beschäftigt und das Äußere vernachlässigt, die Erscheinungen nicht untersucht und sich nur an den Geist hält, die Prinzipien der Handlungen und Dinge verschmäht und nur nach der Leere und Geistigkeit des eigenen Geistes trachtet, macht man einen Unterschied zwischen Äußerem und Innerem, und der Geist und die Erscheinung bilden zwei Urgründe." „Ich bin immer der Ansicht gewesen, daß man das Äußere und das Innere, den Geist und die Erscheinung nicht als zwei verschiedene Dinge betrachten darf. Wenn man Leere annimmt, dann sind Inneres und Äußeres beide leer, und wenn es Realität gibt, dann sind beide real. Kommt das Sein in Frage, so existieren beide, das Innere und das Äußere, und liegt Nichtsein vor, so existieren beide nicht. Haben wir Wahrheit, so sind der Geist und die Erscheinung beide wahr und liegt Falschheit vor, so sind beide falsch. Ist Richtigkeit in Frage, so sind Geist und Erscheinung beide richtig, und haben wir Verkehrtheit, so sind beide verkehrt. Unter kernen Umständen liegen zwei verschiedene Wesenheiten vor."3) ') Dies ist die idealistische Seite des Idealrealismus unseres Philosophen. >) Tchü-yeh lul,2b: fä ft ^ fl) ,fr $, jft -ffi» ^ & A %. M,

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IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 1. Hu Tchü-jen

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Hu Tchü-jen ist Monist und Identitätsphilosoph, denn er setzt das Urprinzip und das Fluidum, Prinzip und Geist, Geist und Körper, Inneres und Äußeres einander gleich und kann insofern als ein Vorläufer des Wang Yang-ming betrachtet werden.1) 5. Wissen, angeborenes und erworbenes, und Studium. Wissen gibt es nach Hu zwei Arten, natürliches, angeborenes und erworbenes. Das angeborene Wissen und das angeborene Können sind Eigenschaften, die vom Himmel stammen und ganz natürlich funktionieren, aber sie müssen gepflegt werden, sonst verkümmern sie.2) Das durch Erfahrung erworbene Wissen geht aus dem angeborenen hervor. Letzteres ist das wichtigere. Beim erworbenen Wissen muß man zwischen Wahrheit und Irrtum scharf unterscheiden, das angeborene, vom Himmel stammende Wissen ist stets wahr.3) Der Begriff ist von Wang Yang-ming und seiner Schule weiter ausgebildet und zu einem Eckpfeiler der modernen Philosophie gemacht. Alles Studium beruht letzten Endes auf dem natürlichen Wissen und Können.4) Die Lehren und Grundsätze der vier Bücher und sechs Klassiker sind alle in meiner Person enthalten. Die Weisen wußten das von selbst, ich muß, um es zu erfahren erst ihre Bücher lesen. Wenn ich die Lehren nicht auf mich anwende, dann sind sie wie Spreu und nichts nütze.5) Das Studium beginnt am besten mit dem Tchin-sse lu des Tschu Hsi und den vier Büchern.6) Von Lu Hsiang-schan sagt Hu Tchü-jen, daß er großes Talent und große Begeisterung besaß, aber zu weit ging. Er geriet in Dhyäna hinein und verlor sich in der Leere. Daher kommt auch seine Antipathie gegen Tsch(eng I, der im Gegensatz zu ihm ein exakter Forscher war, alle Tatsachen sammelte und genau untersuchte. Im Alter vollends, als er sogar weissagen wollte, geriet er auf Abwege. Sein Schüler Yang Tchien war noch schlimmer. Das, meint Hu, sei kein echter Konfuzianismus mehr.7) Er sträubt sich gegen den Idealismus der iw-Schule, obwohl er selbst die Welt der Erscheinung vom Geiste hervorgebracht werden läßt. Noch heftiger bekämpft er, wie wir schon sahen, den Spiritualismus der Taoisten und Buddhisten. Yang Tschu und Me Ti, sagt er, erkennen keinen Vater und keinen Fürsten an, aber viel verderblicher noch sind Taoisten und Buddhisten, welche die Moral und die Dinge vernichten. Lao-tse erklärt Tao und Te als leer, nichtseiend, geheimnisvoll und wunderbar und zerstört sie dadurch, und Buddha lehrt, daß die Natur des Geistes still, ruhig, leer und inhaltlos sei, und vernichtet sie damit.8) *) Man kann nicht gut sagen, daß die Philosophie des Hu Tchü-jen wie die des Wu Yü-pi und Hsieh Hsüan rein praktisch sei (Watanabe III, 118). Das ist nur für Wu Yü-pi richtig. Diese drei sollen nach Watanabe zu 7/io mit Tsch'eng Hao und Lu Hsiang-schan und zu 3/10 mit Tsch'eng I und Tschu-tse übereinstimmen. z 3 4 ) Tchü-yeh lu VIII, 21b. ) T. y. 1. II, 16a. ) VIII, 31b. s ) II, 6b. «) , 7 a. ') III, 12 a. «) VII, l a.

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Die Ming-Dynastic

6. Pflege des Geistes, Konzentration und Meditation. Um tugendhaft leben zu können, muß man seinen Geist pflegen. Die Pflege des Geistes ist mit der Erforschung der vielen im menschlichen Geiste enthaltenen Grundsätze und Prinzipien eng verknüpft. Wenn dadurch das himmlische Prinzip klar und alleNormen deutlich erkannt werden, so fühlt sich der menschliche Geist zufrieden.1) „Die Konfuzianer pflegen das eine Vernünftprinzip, die Taoisten und Buddhisten nur den Geist. Die Konfuzianer pflegen das echte Fluidum des Körpers, so daß sie zu Himmel und Erde nicht in Gegensatz stehen. Die Buddhisten und Taoisten pflegen nur das selbstsüchtige Fluidum und geraten dadurch in Konflikt mit dem Himmel und wenden dem Prinzip den Rücken."2) „Das echte Fluidum, das die Welt erfüllt, muß man pflegen. Wenn man es pflegt, dann muß man aufrichtig werden, und wenn man aufrichtig ist, dann wird man rechtschaffen."3) „Das mit Rechtschaffenheit und Tao verbundene Fluidum ist das erhabene Fluidum.4) Das ist das echte Weltfluidum. Das Fluidum, welches die Taoisten undBuddhisten pflegen, ist nur das selbstsüchtige Fluidum des Einzelmenschen."5) Die Menschen sind oft betrübt, daß sie nicht genügend Talent besäßen. Das, meint Hu, ist nicht der Fall, aber sie suchen nicht das Vernunftprinzip zu ergründen. Wenn sie es klar erkennen, dann wachsen auch ihre Fähigkeiten. Aber sie müssen immer ihre Lebenskraft pflegen und ihr Herz bewahren, dessen sie zur Forschung bedürfen.6) Oft bemühen sich auch die Menschen, die Substanz ihres Geistes, während er im Zustande der Ruhe ist, zu erkennen, was nicht möglich ist. Die Alten wollten nur ihr Herz pflegen, es festhalten und bewahren, nicht sein Wesen erkennen, denn dadurch kommt nur Unruhe und Verwirrung in den Geist. Es gibt keinen Schiedsrichter, welcher entscheiden könnte, ob die Selbsterkenntnis des Geistes richtig ist.7) Jetzt möchten manche sich alles Denken fernhalten, um zur Ruhe zu gelangen. Die alten Weisen waren nur darauf bedacht, sich alle schlechten und verkehrten Gedanken fernzuhalten. Sie suchten die Stille nicht, aber sie hatten sie. Im Altertum soll auch allgemein die Tugend zu!) I, 4a. *) Ming-ju hsüeh-an Kap. 2, S. 4b : ») Tchü-yeh In VIII, 22b : ^ «j fö * gf *, * R 3? fi. £ R Ä .H· ) Davon spricht Mencius (Legge, S. 189), aber versteht darunter kein Fluidum, sondern Körperenergie. Vergl. Gesch. d. alt. chin. Phil. 8. 201, Anm. 1. Es dürfte nicht leicht sein, auf das Körperfluidum psychisch einzuwirken. ·) T. y. 1. VIII, 22b: S Jt Jl Jt ± fc Ifr S ffi « ± Ä, Ä ^ * DH IE A, SB ft ffi ^ — Jf^ g. jji£ ^. Es ist merkwürdig, daß Taoisten und Buddhisten alles verkehrt machen und die Konfuzianer immer das Rechte treffen. *) Li-hsüeh tsung -tschuan Kap. 20, S. 25 a. ') Ming-ju hsüeh-an Kap. 2, S. 13b. 4

IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 1.

Tchü-jen

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genommen haben, weil die Menschen ihr Herz gefestigt hatten und bewahrten, so daß es den körperlichen Verfall nicht teilte. Die Talentvollen heutzutage verfielen dagegen im Alter, weil sie ihr Herz nicht dauernd gepflegt haben.1) Danach würde durch die Pflege des Geistes auch der Körper erhalten werden. Das letzte Prinzip findet man beim Studieren von Büchern, beim Diskutieren mit ändern, durch Nachdenken und durch Handeln. In den Büchern findet man es in großer Fülle, beim Diskutieren am schnellsten, beim Nachdenken ist es am tiefsten und beim Handeln am realsten.2) Man muß den Geist, wenn man ihn pflegen will, konzentrieren, aber man kann ihn nicht dadurch fesseln, daß man auf seine Nasenspitze oder wie die Buddhisten auf ein paar kleine Perlen blickt:3) „Konzentration umfaßt Ruhe und Bewegung. Ruhig dasitzen mit Ernst und Würde ist Konzentration. Wenn man die sich darbietenden Dinge mit größter Sorgfalt prüft, so ist das auch Konzentration. Konzentration vereinigt Inneres und Äußeres. Ernste und korrekte Haltung ist Konzentration. Wenn das Herz rein und vollkommen lauter ist, so ist das Konzentra tion. "4) „Wenn der menschliche Geist umherschweift, geht-das Prinzip verloren, wenn man ihn zurückhält, ist auch das Prinzip vorhanden."5) Tschou-tse hat das Hauptgewicht auf die Ruhe gelegt. Viele Gelehrte sind dadurch zum Stillsitzen und zum Dhyäna gelangt. Die Ruhe gilt als Substanz, die Hauptsache, die Bewegung als Funktion.*) Wenn die Substanz in Ordnung ist, folgt die Betätigung von selbst. Dadurch regelt man den Geist und bewahrt ihn vor Verwirrung. Dann kann man alle Bewegungen in Ruhe leiten.7) Die Dhyäna-Anhänger wollen das Herz8) festhalten. Es scheint als ob es dasselbe sei wie wenn Meng-tse das wandernde Herz festhalten und zügeln will. Die Buddhisten stellen sich das Herz wie einen leuchtenden Gegenstand vor.9) Es gibt zwei falscheMethoden, das Herz zu bewahren; die eine besteht darin, daß man das Herz bewacht, als wenn es ein Gegenstand wäre, die andere darin, daß man alle Gedanken von ihm abwehrt und alle Dinge auslöscht, so daß das Herz im Leeren ruht und keine Beziehungen zur Außenwelt hat.10) , ,Die Dhyäna- Anhänger haben zwei oder drei Methoden, das Herz zu bewahren: entweder wollen sie gar kein Herz mehr haben und machen es leer, oder sie suchen es zu fesseln und zu vergewaltigen, oder sie beobachten ihr Herz ganz genau. Die Konfuzianer dagegen wahren im Innern Aufrichtigkeit und Ernst, und nach außen hin üben sie Gerechtigkeit und Vernunft in höchstem Maße, aber bewahren ') Eod. S. 12a. 2 3 ) Eod. S. 3b. ) S. 7a. ') Ming-ju hsüeh-an Kap. 2, S. 12 a: fr J0j ijljj £, *Jf xji Jjg Jg ffc ^ ßg j£ fä

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·) Eod. s. 4s: & - %c* it m m ^ - »tfc> it')mS.«3b.«E. «) Nach TschuHsi. 8

) Hier immer als Synonym von Geist gebraucht. ») Ming-ju hsüeh-an Kap. 2, S. 7a.

10

) S. 8b.

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Die Ming-Dynastie

ihr Herz dabei. Indem die Konfuzianer das tun, stehen ihnen alle möglichen Grundsätze zur Verfügung. Die Dhyäna-Schule bewahrt das Herz, aber es ist still und erloschen und hat keine Grundsätze mehr. Die Konfuzianer bewahren das Herz, und es hat einen Herrscher1); das Herz der DAi/äwa-Anhänger bleibt bewahrt, aber hat keinen Herrn. Das Herz der Konfuzianer bleibt bewahrt und lebt, das der heterodoxen Schulen bleibt bewahrt, aber ist tot. Bei den DhyänaAnhängern ist es anders. Sie bewahren ihr Herz, aber sie machen es leer, ertöten es, vergewaltigen es und muten ihm alles zu." 2 )

2. Wang Schou-jen 1472—1528.

I. Sein Leben und seine Schriften. 3

Wang Schou-jen ) (T. Po-an, H. Yang-ming)*) ist der größte Philosoph nach Tschu Hsi und die bedeutendste Erscheinung während der Ming-Oynastie. Er entstammte einer vornehmen Familie, deren Mitglieder sich als Beamte und Gelehrte ausgezeichnet hatten. Ihr Ahnensitz war in Yüeh-tsch'eng5) in Yü-yao'') (Tschekiang). Bei der Yang-ming Grotte in Yüeh-tsch'eng baute Wang Schou-jen sich später ein Haus. Danach wurde er von seinen Schülern Wang Yang-ming'') genannt, ein Name, unter dem er allgemein bekannt ist.8) Sein Vater hieß Wang Hua9); er bestand die Doktorprüfung als bester, wurde später zum Minister des Inneren ernannt und in den Grafenstand erhoben. Wang lernte sehr spät sprechen, aber er hatte ein ausgezeichnetes Gedächtnis und konnte die Worte eines Buches, welches sein Großvater vorgelesen hatte, wiederholen. Schon mit 10 Jahren soll er imstande gewesen sein, über ein gestelltes Thema ein Gedicht zu machen. Mit 14 Jahren lernte er Reiten und Bogenschießen, und er erkundigte sich bei den wilden Stämmen, welche in seiner Heimatgegend lebten, wie sie sich gegen ihre Feinde verteidigten. Schon als Knabe wollte er wegen der schlimmen Zeiten eine Denkschrift an den Kaiser richten, wurde aber von seinem Vater daran gehindert. a

) Das Vernunftprinzip. Ming-ju hsüeh-an Kap. 2, S. 14b: jpg ^ & ,fr, ^ pfj

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IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 2. Wang Schou-jen

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wie Sehen, Hören, und dergl., aber nicht von den Dingen, die auf diese Weise vorgestellt, das heißt im Geiste reproduziert werden. „Man muß wissen, heißt es weiter, daß der Körper, der Geist, die Gedanken, das Wissen und die Dinge ein und dasselbe Wesen sind,"1) nämlich die Weltvernunft. Es bedeutet, daß Körper und Geist, Denken und Sein identisch sind. Das ist der Standpunkt der Identifätsphilosophie. Unser Philosoph sucht ihn zu beweisen und Einwände dagegen zu widerlegen: ,,Tchiu Tsch'uan zweifelte und sagte: ,Die Dinge sind außerhalb, wie können sie mit dem Körper, dem Geist, den Gedanken und dem Wissen identisch sein?' — Der Meister antwortete: ,0hren, Augen, Mund und Nase und die vier Glieder bilden den Körper, aber wie können sie ohne den Geist sehen, hören sprechen und sich bewegen? Wenn der Geist sehen, hören, sprechen und sich bewegen will, so vermag er es ebenfalls nicht ohne die Ohren, Augen, Mund, Nase und die vier Glieder. Daher gibt es ohne den Geist keinen Körper und ohne den Körper keinen Geist. — Wenn man von dem Orte spricht, den er ausfüllt, so sagt man Körper, spricht man von dem Herrscher, so sagt man Geist, meint man die Äußerungen des Geistes, so nennt man sie Gedanken, bezieht man sich auf die Einsicht der Gedanken, so sagt man Wissen, und spricht man von den Beziehungen der Gedanken, so nennt man sie Dinge. Es ist ein und dasselbe. Die Gedanken schweben nicht im leeren Raum, sondern haften an den Dingen."2) Aus diesen Ausführungen folgt nur, daß es kein lebendes Wesen ohne Geist gibt, und daß sich kein Geist ohne Körper betätigen kann, aber keineswegs, daß es keinen Körper ohne Geist gäbe, daß also jedes Ding einen Geist habe. Die Dinge sind aber viel mehr als bloße Beziehungen von Gedanken. Nach der allgemeinen Annahme sind sie aus Materie gebildet. Davon scheint Wang Yang-ming nichts wisssen zu wollen, denn er sagt: „Das Auge hat kein Substrat, es benutzt die Farben der Dinge als solches. Das Ohr hat kein Substrat, es bedient sich der Töne der Dinge als eines solchen. Die Nase hat kein Substrat, sie gebraucht die Gerüche der Dinge als Substrat. Der Mund hat kein Substrat, der Geschmack der Dinge dient ihm dazu. Der Geist hat kein Substrat, er benutzt die guten und schlechten Einwirkungen von Himmel und Erde und von den Dingen als solches."3) Aus seinen Wahrnehmungen wie Farben, Tönen, Gerüchen und aus den in den Dingen wirkenden Kräften webt der Geist sich seine Welt. Das Substrat, die Substanz der Dinge, ihr Körper spielt dabei gar keine Rolle. *) Tchi-yao II, 2a: R £fc,£ & £ fc ft S — ft. ) T. y. a. a. O.: ^, II S , fc *, *J W Ä Ä ,& & fc fi —fl=.ife £ E3. S

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Die Ming-Dynastie

Allein der Philosoph nimmt doch ein einheitliches Substrat an, welches dem Geist und dem Körper, der Gottheit und der Welt in gleicher Weise zugrunde liegt. Er scheint darunter die im Geiste und in den Dingen wirkenden Kräfte und Gegenkräfte zu verstehen: „Jemand fragte: ,Der menschliche Geist hat dasselbe Substrat wie die Dinge. Es ist wie das Blut und die Lebenskraft, welche meinen Körper durchströmen, und deshalb nennt man es dasselbe Substrat. Wenn sie eine andere Substanz besäßen als der Mensch, dann würden Tiere und Pflanzen noch weiter verschieden sein. Weshalb sagt man, daß sie aus demselben Stoff seien ?' — Der Meister sagte: ,Du solltest von der Feinheit der Wirkungen und Gegenwirkungen ausgehen. Das gilt nicht nur von Tieren und Pflanzen. Auch Himmel und Erde haben dieselbe Substanz wie ich und Geister und Dämonen desgleichen.'"1) „Der Fragende bat um weitere Auskunft, und der Meister sprach: Was meinst du, was in der Welt der Geist von Himmel und Erde sei ?' — Antwort: Ich habe gehört, daß der Mensch der Geist von Himmel und Erde ist'2) — Frage: ,Und was hat der Mensch, das Geist genannt wird?' — ,Es ist nur eine Intelligenz, die es versteht, Himmel und Erde anzufüllen3). — Zwischen Himmel und Erde ist nur diese Intelligenz. Nur wegen seines Körpers trennt der Mensch selbst sich von Himmel und Erde4). Meine Intelligenz ist die Beherrscherin von Himmel und Erde. Geistern und Dämonen.5) Hätte der Himmel meine Intelligenz nicht, wer würde zu seiner Höhe emporblicken, und wer würde in die Tiefe der Erde schauen, wenn die Erde ohne meine Intelligenz wäre.6) Wenn Geister und Dämonen meine Intelligenz nicht besäßen, wer würde zwischen dem Glück und dem Unglück, den guten und schlechten Zeichen, welche sie senden, unterscheiden können? 7 ) Wenn Himmel und Erde, Geister und Dämonen und die Dinge sich von meiner Intelligenz trennten, dann würden Himmel und Erde, Geister, Dämonen und Dinge nicht mehr existieren, und wenn meine Intelligenz die Gemeinschaft mit jenen auflösen wollte, dann würde auch meine Intelligenz nicht mehr sein.8) Auf diese

T. y. II, 24a:

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s ) Das ist eine Ansicht der alten Klassiker. Vergl. Gesch. d. alt. chin. Phil.. S. 177, Anm. 4. Wang Yang-ming betrachtet eigentlich Gott als den Geist von Himmel und Erde. 3 ) Meine Intelligenz füllt die Welt mit ihren Vorstellungen aus und schafft sie dadurch. 4 ) Da der Mensch einen eigenen Körper hat, so glaubt er von der Welt verschieden zu sein, was nicht der Fall ist, denn die Welt ist er selbst. 5 ) Die Welt und die Geister werden von der Weltvernunft beherrscht, die mit meinem Geist identisch ist. ·) Ohne meine Intelligenz würde die Welt nicht ihrer bewußt werden. ') Geister und Dämonen bedürfen meiner Intelligenz, um zwischen Glück und Unglück, das sie bestimmen, zu unterscheiden. 8 ) Die Welt ist dasselbe wie mein Geist und dieser mit der Welt identisch, also lassen sie sich nicht trennen.

IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 2. Wang Schon-Jen

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Weise sind sie von demselben Fluidum durchströmt. Wie sollten sie sich also davon trennen?"1)2) Nur wenn wir dieses Fluidum im Auge behalten, welches den Geist und die Dinge durchströmt und in gleicher Weise ihr Wesen ausmacht, werden wir den bekannten Ausspruch verstehen, welcher gewöhnlich als Beweis für die idealistische Weltanschauung des Philosophen angeführt wird: , ,Der Lehrer lustwandelte in Nan-tschen.3) Einer seiner Freunde zeigt ihm einen blühenden Baum auf einem Felsen und fragte ihn: ,Es soll in der Welt nichts außerhalb des Geistes geben, aber, was geht es meinen Geist an, wenn dieser blühende Baum tief im Gebirge seine Blüten öffnet oder fallen läßt?' — Der Meister erwiderte: .Bevor du diese Blüten erbückst, sind sie mit deinem Geiste in den Zustand der Ruhe eingegangen, aber sobald du kommst und diese Blüten anschaust, kommen plötzlich ihre Farben klar hervor. Daraus siehst du, daß diese Blüten nicht außerhalb deines Geistes sind."4) Diese Stelle wird in der Regel so aufgefaßt, als wolle der Philosoph damit sagen, daß die Dinge und überhaupt die Welt nur unsere Vorstellung seien, daß sie durch unseren Geist hervorgebracht würden und nicht existierten, wenn dieser nicht darauf gerichtet sei. Es kommt darauf an, was unter dem Zustand der Ruhe des Geistes zu verstehen ist. Nach allgemeiner chinesischer Auffassung ist das der Zustand des Geistes, in welchem er nicht denkt, fühlt oder irgend welche Tätigkeit ausübt und seine Substanz in voller Reinheit erscheinen soll, der Zustand des Unbewußten, wie er besonders im Schlafe vorhanden ist. In diesen Zustand des Unbewußten soll nun auch der Blütenbaum eingehen, wenn er nicht wahrgenommen wird. Er verschwindet nicht vollkommen, sondern seine Substanz existiert weiter wie die des schlummernden Geistes, aber er wird nicht vorgestellt und nicht bewußt. Auch wenn der Menschengeist ihn nicht wahrnimmt, so bleibt er doch durch den Weltgeist, das Vernunftprinzip, bestehen. Was von dem Blütenbaum gesagt ist, gilt von der ganzen Welt: „Jener fragte weiter: ,Himmel, Erde, Geister, Dämonen und Dinge existieren seit vielen tausend Jahren. Wie könnten sie verschwinden, wenn meine Intelligenz nicht mehr vor-

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) Das Fluidum sind die in der Welt wirkenden Kräfte und die Gedanken des Geistes. ·) T. y. loe. cit.rflt ffi , ft £ , 3 «3 « « 3 *6«! &.»

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Die Ming-Dynastie

banden ist ?' — Antwort: ,Denke an die Toten. Ihre Geister sind vergangen. Wo befinden sich ihr Himmel, ihre Erde und ihre Dinge V"1) Die Antwort auf die letzte Frage muß lauten: Die Welt der Toten wird von ihnen nicht mehr wahrgenommen. Sie ist in ihre Buhe eingegangen, aber sie besteht weiter in der Weltvernunft und im Bewußtsein der jetzt lebenden Menschheit. Seinen Worten nach ist Wang Yang-ming Identitätsphüosoph, aber im Grunde ist sein Denken doch idealistisch. Seine Dinge sind geistige, nicht körperliche Gebilde; er zeigt, wie der Geist durch seine Wahrnehmungen, Empfindungen und Gedankenverbindungen die Dinge hervorbringt, aber niemals, wie aus den Dingen der Geist entsteht, und niemals stellt er den Geist als etwas Stoffliches, Körperliches hin: ,,Wo immer Gedanken vorhanden sind", sagt er, „müssen auch Dinge sein. Haben wir einen bestimmten Gedanken, so ist da auch ein bestimmtes Ding, und ohne diesen Gedanken ist auch das Ding nicht da. Ist das Ding nicht etwa die Funktion eines Gedankens?"2) Ich glaube, daß wir Wang'a Meinung richtig wiedergeben, wenn wir annehmen, daß er die Welt nur als Gedankengebilde des Weltgeistes angesehen hat.

2. Erforschung der Dinge und Studium. Die Erforschung der Dinge, wie sie Tschu Hsi vorschreibt, ist nach Wang Yang-ming's Dafürhalten nicht möglich. Wenn man, um ein Weiser zu sein, alles in der Welt erforschen müßte, so würde keiner dazu im Stande sein. Ich habe es einmal mit meinem Freunde Tch'ien3) versucht, sagt Wang. Ich forderte ihn auf, die Prinzipien des Bambus vor meinem Pavillon zu erforschen. Drei Tage und drei Nächte beschäftigte er sich damit, bis er ganz erschöpft war und krank wurde, ohne ein Resultat erzielt zu haben. Dann versuchte ich selbst es sieben Tage lang, aber ebenfalls ohne Erfolg. Ich dachte, daß wir es niemals zur Weisheit bringen würden, weil uns die Kraft zur Erforschung der Dinge fehlte. Als ich drei Jahre unter den Barbaren weilte, fand ich, daß es niemanden gibt, der alle Dinge in der Welt erforschen könnte, und daß sich die Erforschung nur auf die eigene Person und den eigenen Geist erstreckt. Diesen Zustand der Weisheit kann jeder Mensch erreichen.4) Der Philosoph lehnt also die Erforschung der Natur, wie sie Tschu Hsi anstrebt, ab und will sich nur mit der eigenen Person beschäftigen. Er hält die Naturfcrschung für unmöglich, was uns nicht wundern darf, da ihm alle dazu nötigen Methoden fehlten. Er hätte durch einfache Beobachtungen manches über den Bambus lernen können, aber das induktive Verfahren war ihm fremd und un-

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IV. Wang Yang-ming und seine Schule 2. Wang Schou-jen

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sympathisch. Den Gelehrten seiner Zeit macht er zum Vorwurf, daß sie sich zu viel mit äußeren Dingen beschäftigten, große Gelehrsamkeit schätzten und zu wenig auf die Grundprinzipien gäben.1) Denken und Forschen soll sich nur auf die himmlischen Prinzipien erstrecken, welche man im Herzen hat, und man darf nicht auf eigene Faust philosophieren.2) Nach den Klassikern gibt es zwei Typen des Wissens, solches durch Buchstudium und solches durch äußere Erfahrung.3) Wenn man im Studium keine Fortschritte macht, muß man auf das Wesen seines eigenen Geistes zurückgehen. Das ist der 5Tao-Geist. Versteht man ihn, so kann man davon seinen Ausgang nehmen.4) Gelehrte späterer Zeit haben zwischen dem niederen und dem höheren Wissen unterschieden. Das letztere ist abstrus und umfaßt Dinge, welche man mit den Sinnen nicht wahrnehmen kann. Was die Weisen gelehrt haben, gehört alles zur ersten Klasse. Alles höhere Wissen ist implicite schon in dem niederen enthalten. Die Schüler müssen mit dem niederen Wissen anfangen und allmählich zu dem höheren emporsteigen.5) Als ein Weiser gilt derjenige, dessen Geist ganz von den himmlischen Prinzipien beherrscht wird, ohne daß ihnen menschliche Leidenschaft beigemischt wäre. Zwischen den Heiligen gibt es qualitative Unterschiede wie beim Golde, das verschiedenen Feingehalt hat. Yao und Schun würden etwa 200000 Unzen Gold gleichkommen, Win-wang und K'ung-tse 180000, Yü, T'ang und Wu-wang 140—160000.6) Es ist bemerkenswert, daß die legendären Musterkaiser Yao und Schun, von denen man kaum etwas Positives weiß, noch höher als Konfuzius bewertet werden. Ein Schüler, Te Tschang1), nimmt daran Anstoß.8) Die Menschen sehen die Wahrheit nur von ihrem engen Standpunkte aus und glauben, daß es weiter keine gäbe: „Der Geist ist die Wahrheit, und diese ist der Himmel. Wenn man seinen Geist kennt, dann kennt man die Wahrheit und den Himmel."9) — „Man muß vom Wesen des eigenen Geistes ausgehen und die Erkenntnis nicht außerhalb suchen."10) Rein theoretisches Wissen, welches nicht zum Handeln führt, also Wissen nur um der Erkenntnis willen, schätzt Wang Schou-jen sehr gering. Ein Ausspruch lautet: „Es gibt kein Wissen ohne Handeln. Wissen ohne Handeln ist Nichtwissen."11) Ohne Übung versteht man viele Dinge nicht. Bloß klug über eine Sache reden, genügt nicht. Der Zwiespalt zwischen Wissen und Handeln soll durch die Selbstsucht kommen: ,,Wissen ist die Absicht zu handeln und Handeln die Ausführung des Wissens."12) Wenn ich sage, heißt es, daß beide eine Einheit bilden, so soll das ein Mittel gegen das tatenlose Reden sein. >) III, 48a. ) L löa.

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Die Ming-Dynastie

3. Angeborenes, intuitives Wissen. Für das gewöhnliche Wissen interessiert sich unser Philosoph nur wenig. Sein ganzes Interesse gilt dem angeborenen Wissen.1) Es ist das Alpha und Omega seines Systems und spielt darin dieselbe Rolle wie etwa das Unbewußte bei Hartmann. Fast jedes Problem wird dazu in Beziehung gesetzt und daraus zu erklären versucht. „Das angeborene Wissen kommt nicht vom Sehen und Hören, aber besitzt beides, und andererseits sind Sehen und Hören Funktionen des angeborenen Wissens. Daher wird dieses durch Sehen und Hören nicht gehemmt und trennt sich auch nicht davon."2) Das angeborene Wissen weiß, ohne zu denken und ohne zu lernen,3) es ist ja angeboren, das heißt dem menschlichen Geiste eingepflanzt. Als das ursprüngliche Wesen des angeborenen Wissens wird die abstrakte Intelligenz und die deutliche Wahrnehmung hingestellt: „Der Geist ist der Herrscher des Körpers und die abstrakte Intelligenz und deutliche Wahrnehmung sind, was man das ursprüngliche Wesen des angeborenen Wissens nennt. Wenn dieses angeborene Wissen der abstrakten Intelligenz und deutlicher Wahrnehmung auf Einwirkungen reagiert und sich bewegt, so spricht man von Gedanken. Diese kommen erst nach dem Wissen4), und ohne Wissen gibt es auch keine Gedanken, ist daher das Wissen nicht die Substanz der Gedanken?"6) ,, Außerhalb des angeborenen Wissens gibt es kein Wissen und außerhalb der .Ausdehnung des Wissens')' keine Wissenschaft. Das Wissen, welches jemand außerhalb des angeborenen sucht, ist falsches und verkehrtes Wissen, und Wissenschaft, welche er außerhalb der Ausdehnung des Wissens sucht, ist heterodoxe Wissenschaft."7) Damit schleudert Wang Yang-ming sein Anathema gegen alles natürliche Wissen und alle durch logisches Denken erarbeitete Wissenschaft. Das intuitive Wissen wird, wenigstens in der von Wang angenommenen Ausdehnung, von den meisten Philosophen für eine Fiktion gehalten. Dieses Wissen soll nach Wang's Ansicht das Wesen des Geistes ausmachen und seine Substanz sein, denn er erklärt: „Wissen ist die Substanz des Geistes. Dieser besitzt von selbst die Fähigkeit zu wissen. Wenn er den Vater sieht, dann weiß er, was kindliche Liebe ist, und beim Anblick des älteren Bruders, kennt er die

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») III, 46 a. 4 ) Die Sache ist umgekehrt. Das Denken geht dem Wissen voraus.

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IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 2. Wang Schou-jen

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brüderliche Liebe . . . ,1) Das ist das intuitive Wissen, welches nicht von außen gewonnen wird."2) Bei gewöhnlichen Menschen wird es von selbstsüchtigen Gedanken überwuchert, und man muß es erst durch Wegräumen dieser Gedanken wiedergewinnen, indem man zu dem Vernunftprinzip zurückkehrt.3) Huang Mien-tschi*) schrieb an Wang Yang-ming über das angeborene Wissen: „Es gibt nichts anderes, das wie ein Geist wäre, denn dieses ist Geist; nichts anderes, das dem Himmel nachahmte, denn dieses ist der Himmel; nichts anderes, das mit Gott übereinstimmte, denn dieses ist Gott. Es ist von Natur stets im Gleichgewicht und stets vollkommen gerecht. Den ganzen Tag ist es in Wechselwirkung, aber man sieht es nicht bewegt, und den ganzen Tag in Muße, aber man sieht es nicht in Ruhe. Es ist die geistige Substanz von Himmel und Erde und eine wunderbare Betätigung des Menschen."5) Wang Yang-ming stimmte alledem zu. Danach ist das angeborene Wissen viel mehr als der Name besagt. Es ist das Weltprinzip, die höchste Vernunft. Das geht auch aus Wang's eigenen Worten hervor: „Nur der Gelehrte, welcher die Wahrheit kennt, vermag die Einsicht und Wahrnehmungsfähigkeit, die vollkommene Harmonie mit sich selbst und die durchdringende Schärfe des angeborenen Wissens zu erkennen. Es ist so weit, daß es mit der großen Leere6) eine Einheit bildet. Welcher Gegenstand wäre nicht in der großen Leere enthalten ? Aber kein einziger vermag sie zu verstopfen. Das Wesen meines angeborenen Wissens ist von Natur deutliche Wahrnehmung und klare Unterscheidung, Edelmut und Milde, Energie und Kraft, gleichmäßige Würde und Korrektheit, feinste Bildung und exaktes Forschen, Universalität und Tiefe wie die einer Quelle, welche zur richtigen Zeit ihre Wasser fließen läßt. Es wird nicht von Reichtum und Ehre gereizt, noch von Armut und Elend betrübt. Erfolg und Mißerfolg erfreuen und bekümmern es nicht, und Liebe und Haß sind nicht die Triebfedern, etwas zu erstreben oder zu verschmähen."7) Das intuitive Wissen ist die Grundlage nicht nur für alle Wahrnehmungen, sondern auch für alle Tugenden. *) Ob die Tugenden angeboren sind, ist sehr zweifelhaft. Die durch Vererbung erworbenen Instinkte, Gefühle und Kenntnisse sind beim Menschen sehr gering.

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392

Die Ming-Dynastie

Weiter wird davon ausgesagt, daß es weder Bewegung noch Ruhe habe.1) So heißt es auch von Too, es ist eben transzendent. Vor dem Hervorkommen der Gefühle ist es im Gleichgewicht: „Das Gleichgewicht, bevor die Gefühle hervorgekommen sind, ist das angeborene Wissen. Es hat kein Früher oder Später, kein Inneres und kein Äußeres und ist ganz und gar gleichmäßig."2) Solange es noch in Ruhe ist, erkennt man am besten seine echte Natur und seine reine Substanz: „Das angeborene Wissen, welches in der Stille der Nacht im Geiste hervorkommt, ist die echte Substanz und noch nicht vermischt mit den Begierden der Dinge."3) Das angeborene Wissen ist ebenso leer wie der leere Raum, in welchem sich die Welt befindet, ja noch mehr, die Leere, das heißt die Transzendenz des Wissens ist mit dem leeren Raum identisch, und was in diesem enthalten ist, ist auch im Wissen: „Die Leere des angeborenen Wissens ist die Leere des Himmels, und das Nichtsein*) des angeborenen Wissens ist die Gestaltlosigkeit der großen Leere. Sonne, Mond Wind, Donner, Berge, Flüsse, Menschen und Dinge, alles was Form und Gestalt hat, kommt in der großen Leere und Gestaltlosigkeit zur Erscheinung und Entwicklung und bildet für den Himmel kein Hindernis und keine Hemmung.5) Wenn der Heilige nur der Erscheinung und Entfaltung seines angeborenen Wissens entspricht,6) dann befinden sich der Himmel, die Erde und alle Dinge in dieser Erscheinung und Entfaltung des angeborenen Wissens, und wie wäre es möglich, daß irgend ein Ding aus dem angeborenen Wissen herausträte und hemmend oder hindernd wirkte ?"7) Die Leere des angeborenen Wissens ist dasselbe wie die Leere des Kosmos, und dieser mit allen dazu gehörigen Dingen wächst wie durch Zauberkraft aus dem Wissen hervor und füllt seine Leere aus: „Der Meister sagte: ,Das angeborene Wissen ist die Zauberkraft der Schöpfung. Mit dieser Zauberkraft werden der Himmel und die Erde erschaffen und werden die Dämonen und Gott8) hervorgebracht. Alles geht daraus hervor. Es läßt sich mit keinem ändern Dinge vergleichen.' "9) Nichts kann größeres Glück gewähren als der Besitz dieses Wissens und seine Unversehrtheit.10) ») II, 28 a. ·) III, 13a: ^ fä £ , |P g. & ^ fä gif fä ft ^ jfjj » fä - gg ig &. ») Tch'üan-schu III, 25a: , & £ #$: ^#)2;>1:# § > # 3«%$;

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) Im leeren Räume finden alle Dinge der Welt Platz und bilden kein Hindernis. ) Der Heilige läßt sein angeborenes Wissen sich frei entfalten. ') Jedes Ding hat im Geiste Platz trotz· seiner Masse vind obwohl es einen Raum ause

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m ?§> H n m m JM R *&, FL & %. &*% « * A m ^ , m m m ff, . . ) Gott spielt bei Wang Yang-ming nur eine untergeordnete Rolle, er ist nicht der Welt8

schöpfer, sondern wird selbst von der Vernunft oder dem Wissen geschaffen. ·) Tch'üan-schu III, 22b: ^ f c ^ E K £ & Ä ig it #1 *Ü K> £f Ö fÜ M £ ^ £

IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 2. Wang Schou-jen

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Das intuitive Wissen wird mit dem Elixir verglichen, welches unedle Metalle in Gold verwandelt. „Der Meister sprach: ,Wenn der Mensch die Wunderkraft des angeborenen Wissens kennt, dann werden alle seine verkehrten Gedanken und falschen Ideen, sobald das Wissen sie bemerkt, von ihm ausgetilgt. Es ist wirklich wie ein Elixir aus Zinnober, wovon ein Körnchen genügt, um Eisen in Gold zu verwandeln."1) Eine der wichtigsten Funktionen dieses Wissens ist es, daß es mit unfehlbarer Sicherheit Gutes und Böses unterscheidet und dem Menschen als Mentor dient. Insofern entspricht es dem Gewissen. Dies gibt dem Philosophen Veranlassung zu folgender Ermahnung: , ,Das Fünkchen deines angeborenen Wissens2) ist dein Wegweiser. Wenn deine Gedanken auf irgend etwas gerichtet sind, und sie sind richtig, so weiß es das, und wenn sie falsch sind, so weiß es das ebenfalls. Du kannst ihm nicht das Geringste verbergen und darfst es nicht betrügen, sondern mußt in deinem Handeln dich ganz darauf verlassen. Alles Gute mußt Du bewahren und alles Schlechte beseitigen. Was für eine Sicherheit und welche Freude liegt darin! Das ist das wahre Geheimnis der Erforschung der Dinge und die richtige Methode zur Erweiterung des Wissens. Wenn du dich nicht auf diese wahren Impulse verläßt, wie willst du da die Dinge erforschen ?"3) Wang Yang-ming vergleicht das Gewissen mit einem Heiligen, der im Menschenherz wohnt, was zu einem ergötzlichen Gespräch mit dem Schüler Yü-tschung geführt hat. Wang sprach zu ihm: ,, , Jeder Mensch hat in seiner Brust einen Heiligen, nur vermag er selbst nicht, daran zu glauben, und verbirgt ihn.' Darauf blickte er Yü-tschung an und sagte: ,In deiner Brust ist wirklich ein Heiliger,' Yü-tschung erhob sich und sagte: ,Zuviel der Ehre'. Der Meister antwortete: ,Du besitzest ihn, weshalb willst du ihn zurückweisen?' — Yü-tschung sagte abermals, daß er nicht darauf Anspruch zu machen wage. — Der Meister sagte: , Alle Menschen haben ihn, wieviel mehr Yü-tschung. Weshalb bist du so bescheiden, und die Bescheidenheit nützt dir nichts.' Darauf nahm Yü-tschung lächelnd das ihm Angebotene an. Wang sprach noch weiter über das angeborene Wissen im Menschen: ,Es folgt dir, und du kannst es auf keine Weise auslöschen. Wenn jemand ein Räuber ist, so weiß er, daß er kein Räuber sein darf, und wenn es ihn Räuber nennt, dann errötet er.' "4) ') Tch'üan-schu III, 6a: 36£

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Die Ming-Dynastie

Das angeborene Wissen ist viel mehr als der Name bezeugt, denn nicht nur die Menschen, sondern auch Tiere und Pflanzen, ja sogar die leblosen Dinge sollen es besitzen. Es ist nichts anderes als das Weltprinzip, wodurch alles, was ist, besteht: ,,Tschu Pen-sse fragte: ,Wenn der Mensch einen leeren Geist hat, besitzt er angeborenes Wissen. Haben Dinge wie Pflanzen, Bäume, Ziegel und Steine auch ein angeborenes Wissen?' — Der Meister sagte: ,Das angeborene Wissen der Menschen ist das angeborene Wissen von Pflanzen, Bäumen, Ziegeln und Steinen. Besäßen diese nicht das angeborene Wissen der Menschen, so würden sie nicht Pflanzen, Bäume, Ziegel und Steine sein. Und so ist es nicht nur mit diesen Gegenständen. Hätten Himmel und Erde nicht ebenfalls diese menschliche Fähigkeit, so könnten sie auch nicht Himmel und Erde sein. Himmel und Erde und alle Dinge bilden ursprünglich mit dem Menschen ein und dasselbe Wesen. Der Punkt, in welchem seine Intelligenz in feinster Weise zum Ausdruck kommt, ist das Fünkchen Vernunft und Einsicht im menschlichen Geiste. Wind, Regen, Tau, Donner, Sonne, Mond, Sterne, Vögel, Vierfüßler, Pflanzen, Bäume, Berge, Flüsse, Erde und Steine sind von Haus aus dasselbe Wesen wie der Mensch. Daher können die Feldfrüchte, Tiere und andere Dinge den Menschen ernähren und die verschiedenen Medikamente seine Krankheiten heilen. Nur weil sie alle von demselben Fluidum erfüllt sind, können sie miteinander in Verbindung treten."1) Wenn man über das angeborene Wissen im Klaren ist, so braucht man nicht noch außerdem zu meditieren. Früher hat Wang Schou-jen, wie er sagt, öfter die Meditation empfohlen, aber nicht immer gute Erfahrungen damit gemacht. Oft hatte sie guten Erfolg, aber viele Meditierende wurden dadurch zur Trägheit verleitet, so daß sie alle Bewegung haßten, oder sie gerieten in die Mystik hinein. Daher ist er zu der Überzeugung gelangt, daß die Erwerbung des angeborenen Wissens genügt. Wenn man es erlangt hat, dann mag man in der Stille darüber nachdenken und sich darin üben2.) Liu Tchün-liang3) wollte im Gebirge meditieren. Wang erklärte, wenn er nur in der Stille seine Persönlichkeit pflegen wolle, so wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn es aber aus Weltüberdruß geschähe, so wäre das nur Hochmut.4) Still dazusitzen und das Denken auszuschalten, um das Herz zu beruhigen, ist zwecklos, denn dann schwebt man in der Leere und ist wie ein vertrockneter Baum oder wie ausgebrannte Asche. Man muß sich selbst prüfen, seine Selbstsucht überwinden und über die himmlische Vernunft nachdenken.5) i) Tchi-yao

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) Tch'üan-schu III, 23 a. ·) Tch'üan-schu III, 21a.

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IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 2. Wang Schou-jen

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4. Gut und Böse. In der Ethik hat sich Wang Yang-ming ein großes Verdienst durch die Klarstellung des Begriffs Gut und Böse erworben. Er weist nach, daß es in der Welt nichts gibt, das an und für sich gut oder böse wäre. Gut und Böse sind nicht Existential-, sondern Werturteile der Menschen, welche gut nennen, was ihren Interessen entspricht, und schlecht, was ihnen zuwiderläuft. „Hsieh K*an entfernte das Gras zwischen Blumen und sagte: ,Wie schwer ist es in der Welt, das Gute zu pflegen und das Schlechte loszuwerden!' — Der Meister erwiderte: ,Man hat noch nichts gepflegt und noch nichts ausgerottet.'1) — Nach einer Pause sagte er: .Diese Ansicht von Gut und Böse ist ein Gedanke, der deiner leiblichen Hülle entstammt, und kann auf einem Irrtum beruhen.' Hsieh Kfan verstand ihn nicht, deshalb fuhr er fort: ,Der Schöpfungswille von Himmel und Erde ist bei Blumen und bei Gras derselbe. Weshalb sollte ein Unterschied zwischen gut und schlecht bestehen ? Du möchtest Blumen sehen, deshalb hältst du die Blumen für gut und das Gras für schlecht. Wenn du dagegen das Gras verwenden willst, dann wirst du umgekehrt das Gras für gut halten. Diese Begriffe gut und böse entstehen aus der Zuneigung und Abneigung deines Herzens, daher weiß ich, daß sie irrig sind."2) „Darauf sprach jener: .Demnach gibt es weder Gut nochBöse ?' —Der Meister antwortete: ,Wenn das Vernunftprinzip sich im Zustande der Ruhe befindet, dann gibt es weder Gut noch Böse, erst mit der Bewegung des Fluidums treten beide auf. So lange keine Bewegung im Fluidum ist, gibt es weder Gut noch Böse, das ist was man den höchsten Grad der Vorzüglichkeit nennt.'3). . . . Jener sprach: ,Also sind Gut und Böse durchaus nicht in den Dingen?' — Wang Yang-ming erwiderte: ,Sie sind nur in deinem Geiste. Dem Prinzip zu folgen ist gut und dasPluidum zu bewegen schlecht.' — .Demnach', bemerkte jener, sind die Dinge entschieden weder gut noch schlecht.' — Der Meister sagte: ,So ist es im Geiste und ebenso mit den Dingen.' " 4 ) Das Böse wird hier wie gewöhnlich dem Fluidum oder der Materie zugeschrieben, es soll erst mit der Bewegung des Fluidums, also besonders durch menschliche Tätigkeit

') Weil es Gutes und Böses nicht gibt. Henke, S. 114 übersetzt: „You should neiterh cultivate the good nor expel the evil", was nicht richtig ist. ·) Tchi-yao I, «a: « £ # H £, H 0, 3 ife Mffig H j& £ * *. * £ ,

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) Das Ding an sich im Zustande der Ruhe ist über Gut und Böse erhaben, was als der höchste Grad der Vorzüglichkeit bezeichnet wird.

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Die Ming-Dynastie

zu Tage treten. Im allgemeinen ist es ja wohl richtig, daß der Mensch, so lange er nicht handelt, auch nichts Böses tun kann, aber er vollbringt dann auch nichts Gutes. Das himmlische Prinzip ist der Ursprung sowohl des Guten als auch des Schlechten, beide gehen daraus hervor. Das Schlechte entsteht, wenn man über die ursprüngliche Natur hinausgeht, oder wenn man sie nicht erreicht, es wird also als ein Plus oder als ein Minus aufgefaßt, als ein Übermaß oder ein Mangel an Güte.1) Die menschliche Natur ist von den verschiedensten Standpunkten aus betrachtet und beurteilt worden: 1) von der Substanz aus, 2) von der Betätigung, 3) vom Ursprung, 4) von dem Hervorkommen des Bösen. Meng-tse spricht vom Ursprung, Hsün-tse vom Hervorkommen des Bösen, und er ist nicht ganz im Irrtum.2) „Die Substanz der Natur ist weder gut noch böse, aber ihre Äußerungen können gut und nicht gut sein."3) „Das Wesen des Geistes ist weder gut noch schlecht, die Tätigkeit der Gedanken kann gut oder schlecht sein. Das angeborene Wissen weiß, was gut und böse ist, und die Erforschung der Dinge tut das Gute und beseitigt das Böse."4)

5. Wang Yang-mingle, Verhältnis zu anderen Philosophen, besonders zu Lu Hsiangschan und Tschu Hsi. Wang Yang-ming urteilt über andere Philosophen, deren Ansichten nicht die seinen sind, gerechter, als das gewöhnlich zu geschehen pflegt. Sogar den Politikern Tsckang I und Su Tch'in,6) die zu schmähen fast zur Gewohnheit geworden ist, läßt er Gerechtigkeit widerfahren. Ihr Wissen, sagt er, war das von Weisen. Sie kannten ganz genau die menschlichen Leidenschaften, und ihre Methoden haben später berühmten Helden als Vorbilder gedient. Auch die wunderbaren Leistungen des angeborenen Wissens waren ihnen bekannt, aber sie haben keinen guten Gebrauch davon gemacht.6) Von den neueren Philosophen beschäftigt sich Wang öfter mit Wang T'ung, genannt Wen-tschung tee.7) Er sei ein Weiser gewesen, aber kein sehr großer, und daß er den Klassikern etwas hinzugefügt habe, sei kein so großes Unglück, wie es oft hingestellt wurde. Seine Werke seien von seinen Schülern zusammengestellt. Manches darin sei verkehrt, aber die Gedanken desMeisters doch erkennbar.8) J

) Tchi-yaoH,8b. ) Tchi-yaoll, 29a. ») Ibid.: - f t ^ ^ f 2

5 ) Vergl. Gesch. d. alt. chin. Philos., S. 490 und 495. ·) Tchi-yao II, 19 a. ') Vergl. Gesch. d. mittelalt, chin. Phil., S. 276.

") Tchi-yao IV, 19a.

IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 2. Wang Schou-jen

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Wang Yang-ming's Schüler pflegten Lu Hsiang-schan und Tschu Hsi scharf zu kritisieren. Er wandte sich dagegen mit der Bemerkung, daß es besser sei, seine eigenen Fehler zu entdecken und zu bessern, als solche bei den beiden Philosophen zu suchen.1) Beide wichen voneinander ab, aber sie seien doch beide Anhänger des Kfung-lse?) Wang gibt zu, daß er beiden viel zu verdanken hat. Tschu Hsi's Wissenschaft habe wie die Sonne und der Mond im Reiche geleuchtet. Lu sei ungerecht verleumdet worden, er habe gewagt, für seine Lehre einzutreten, aber sich nur den allgemeinen Spott zugezogen.3) Wang meint, dal? Lu Hsiangschan weniger fein als Tschou-tse und Tsch'eng Hao sei, und verteidigt diesen Standpunkt gegen einen Schüler, der für Lu eintritt.4) Von Tschu Hsi sagt Wang Yang-ming, daß er oft nicht mit ihm übereinstimme, und daß er eine andere Methode habe, aber ihre Ziele seien doch die gleichen.5) Wang benutzte nur die alte Ausgabe des Ta-hsio und lehnte die Neuausgabe des Tschu Hsi mit Kapiteleinteilung und Kommentar ab. Seine Ansicht, daß der Text unvollständig und fehlerhaft überliefert sei, weshalb Tschu Hsi ihn ergänzte, hielt er für falsch.6) Tschu Hsi hat nach Wang Yang-ming's Ansicht zuviel geschrieben, bevor er die nötige Reife erlangte. Im späteren Alter hätte er dann bereut, was er früher geschrieben hatte, aber er konnte seine vielen Irrtümer nicht mehr richtigstellen, denn er starb zu früh. 7 ) Wang stellt es so dar, als ob Tschu Hsi später eigentlich seine ganze Lehre widerrufen hätte, und daß seine Auffassungen im späteren Alter sich mit den seinigen deckten. 8) Die Unrichtigkeit dieser Tatsache ist Wang Yang-ming von verschiedenen Seiten vorgehalten worden. Tschu Hsi gibt nur zu, daß er in einigen Punkten, besonders bei der Erklärung der klassischen Schriften, geirrt habe, und daß manche seiner Äußerungen nicht ganz orthodox seien, aber von einem Widerruf ist er weit entfernt.9) Wang Yang-ming weist auf den großen Widerstand hin, den er selbst mit seiner Lehre bei vielen fand. Die Menschen, sagt er, machen sich über mich lustig und halten mich wegen meiner Ansichten für verrückt. Das hält mich nicht ab, meine Pflicht zu tun:10) „Es kann wohl sein, daß die Menschen heutzutage sagen, ich sei geistesgestört und habe meinen Verstand verloren! Der Geist der Menschen der Welt ist mein Geist. Wenn auch diese geistesgestört sind, wie sollte ich es nicht sein ? Und wenn auch sie ihren Verstand verloren haben, weshalb sollte ich ihn nicht verloren haben ?" u ) Die Worte sind sehr bitter, aber man darf sich nicht wundern, daß eine Lehre, welche dem gesunden Menschenverstand so sehr zuwiderlief, vielen als irrsinnig galt. J

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4 III, 37a. ") IV, 40. ") IV, 41. ) Tch'üan-schu III, 4b. I, 38b. «) Tchiyao IV, 24a. ') Tchi-yao I, 41a. IV, 103fg. und Henke, S. 493. u tch'üan-schu Kap. 55, S. 4a und 8b. ) Tchi-yao IV, 64a.

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Die Ming-Dynastie

6. Beurteilung des Wang Yang-ming. Hsieh Wu-liang ist der Meinung, daß Wang Yang-ming von Lu Hsiang-schan den Satz, daß der menschliche Geist das Vernunftprinzip sei, übernommen habe. Die drei Hauptsätze seiner Lehre seien: 1. Der Geist ist das Vernunftprinzip. 2. Wissen und Handeln müssen zusammenfallen. 3. Das angeborene Wissen ist der Grund alles Seins. Dazu kämen noch vier Lehrsätze1): 1. Das Wesen des Geistes ist weder gut noch schlecht. 2. Das Gute und Böse sind Regungen der Gedanken. 3. Das angeborene Wissen kennt das Gute und Böse. Das Gute tun und das Böse beseitigen ist die Erforschung der Dinge. Diese Sätze sollen ursprünglich von den Schülern stammen, aber Wang's Lehre zum Ausdruck bringen.2) Auch Takejiro hebt diese Sätze hervor und erklärt, daß Wang Yang-ming dadurch unvergänglichen Ruhm erlangt habe und sicherlich die bedeutendste Persönlichkeit seiner Zeit sei.3) Watanabe sagt, daß der Satz, der Geist sei das Vernunftprinzip, von Lu Hsiangschan stammt, aber Wang wies nach, daß es auch die wahre Lehre des K'ung-tse und des Meng-tse war.4) Alles in der Welt ist der eigene Geist. Außerhalb desselben gibt es nichts, daher ist das Studium der Dinge in der Art des Tschu Hsi totes Wissen. Dies ist absoluter Idealismus.&) Unter Bezugnahme auf die Unterhaltung über den Blütenbaum6) spricht auch Henke von reinem Idealismus, wonach der Mikrokosmos ebenso schafft wie der Makrokosmos.7) Hackmann erklärt, daß der Philosoph den Standpunkt, welchen wir erkenntnistheoretischen Idealismus nennen, daß die scheinbare Wirklichkeit der äußeren Welt eine Schöpfung des Geistes sei, streife. Allerdings werde auch behauptet, das Körperliches und Geistiges, Geist und Dinge in gleicher Weise vorhanden seien.8) Ich selbst habe Wang Yang-ming für einen idealistischen Philosophen gehalten.9) Zenker gebührt das Verdienst, die Philosophie des Wang Yang-ming als Identitätsphilosophie bezeichnet zu haben. Die Erscheinungswelt habe bei ihm keinen geringeren Wirklichkeitswert als die Geisteswelt.10) Wang ist Identitätsphilosoph, aber nur formell, den Worten nach, denn seine Philosophie läuft doch auf Idealismus hinaus. Seine Dinge sind geistig, nicht körperlich, und sein Geist wird niemals als materiell hingestellt. Der Geist schafft die Körper aus seinen Empfindungen und Vorstellungen heraus, aber wir hören niemals, daß der Geist aus dem Körper hervorgeht. Die Dinge sind nur Punktionen des Denkens, und die ganze Welt ist ein Gedankengebilde des Weltgeistes, der mit dem Menschengeiste identisch ist, wobei dem angeborenen Wissen die Hauptrolle zufällt. ') H %i %k· ) Takejiro III, 166.

*) Hsieh Wu-Uang VI, 9a und 13 a. ) Das dürfte kaum stimmen.

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Siehe oben s 387

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') Henke, A study of the life and philosophy of Wang Yang Ming (Journ. of NorthChina Branch of R. Asiat. Soc., XLIV, 1913 Shanghai) S. 57. 8 ) Hackmann, S. 364—365. ) Gedankenwelt d. chin. Kulturkreises, S. 62. 10 ) Zenker II, 286 fg.

IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 3. Wang Ken

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Wang Yang-ming ist wie Tschu Hsi im Grunde konfuzianischer Kommentator and Scholastiker. Die alten Texte beschäftigen ihn viel mehr als seine eigenen, neuen Gedanken, in denen seine Bedeutung liegt, während er selbst nur Konfuzianer sein will. Er ist Philosoph wider Willen, wo er sich von der Tradition freimacht, und hält seine Gedanken nur für richtig, wenn er glaubt, sie aus den alten Texten ableiten zu können. Ethik und Selbstbildung sind seine Hauptthemata, und für Metaphysik hat er nur ein beschränktes Interesse. Seine Aussprüche darüber sind nicht sehr zahlreich, während er nicht müde wird, über jede Phase der Selbstkultur in riesiger Breite zu sprechen. Verglichen mit dem des Tschu Hsi ist sein Gesichtskreis ziemlich eng und beschränkt sich fast ganz auf Selbstkultur, angeborenes Wissen und damit zusammenhängende Fragen. Seine spekulativen Fähigkeiten sind nicht gering, aber nicht vollständig zur Entfaltung gelangt, da er nur einen kleinen Teil des weiten Wissensgebietes, auf welches Tschu Hsi seine Forschungen ausgedehnt hat, für wissenswert hält. Trotz alledem ist Wang Yang-ming nach Tschu Hsi der bedeutendste chinesische Denker der Neuzeit.

3. Wang Ken 1483—1540. 1

Wang Ken ) (T. Ju-tschi, H. Hsin-tschai*)) wurde in An-feng tscfiSang, einer Ortschaft in T'ai-tschou3) (Kiangsu) geboren.4) Sein persönlicher Name war ursprünglich Yin,&) wurde aber von seinem Lehrer Wang Yang-ming in Kln abgeändert.6) Sein Vater war ein armer Salzsieder. Als er auch in der Winterkälte seinen Dienst tun mußte, trat sein Sohn für ihn ein. Mit sieben Jahren begann er seine Studien in der Dorfschule, konnte sie aber nicht vollenden, da er seinen Vater nach Schantung begleiten mußte, wo dieser einen Handel anfing. Das Hsiao-tching, Lun-yu und Ta-hsio pflegte er immer im Ärmel mit sich zu nehmen, und wenn er Fremde traf, setzte er sie durch Fragen daraus in Verlegenheit. Sein Vater wünschte, daß er Kaufmann oder Arzt würde, aber er eignete sich nicht dafür. Sein Ehrgeiz war, Gelehrter zu werden. Als er in Schantung den Konfuzius-Tempel besuchte, sagte er: „Dies ist ein Heiliger. Ist es möglich, durch Studium dahin zu gelangen ?" So widmete er sich später ganz der Wissenschaft. 8

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) Ming-ju hsüeh-an Kap. 32, S. l a. Hsieh Wu-liang VI, 18a und Takejiro III, 167 nennen ^ ffl, Yang-tschou in Kiangsu seine Heimat. 6 ) jfc. Dies Wort: „Silber, Geld", schien dem Philosophen wohl nicht für einen Gelehrten zu passen, weshalb er ihn Ken „hart wie ein Berg" nannte, was auf Kraft und Energie deuten kann. ') Biographie im Ming-echi Kap. 283, S. 13 a.

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Die Ming-Dynastie

Da er meinte, daß, wenn man den Worten und Taten Foo's folge, man auch wie er gekleidet sein müsse, ließ er sich nach den Vorschriften des Li-ki eine besondere Tracht herstellen. Zu der Zeit kam gerade Wang Yang-ming als Gouverneur nach Kiangsi, und seine Lehre vom intuitiven Wissen fand südlich vom Yang-tse weite Verbreitung. Auch Wang Ken hörte davon und suchte in seiner alten Tracht den Philosophen auf, indem er ihm am Haupttor mit erhobenem Elfenbein-Tablett entgegen trat. Nach einer längeren Unterredung verehrte er Wang Yang-ming als Lehrer. Er war damals bereits 38 Jahre alt. Als er sich zurückgezogen hatte und das Gehörte überdachte, kamen ihm doch ernste Zweifel, und es bedurfte einer langen Aussprache am folgenden Tage, um sie zu heben. Wang Yang-ming sagte, daß er selten einen so hartnäckigen Widersacher gehabt habe. Wang Ken begleitete ihn, als er nach Tschekiang zurückkehrte. Bald arbeitete er sich so in das System seines Meisters ein, daß er der Leiter eines Zweiges seiner Schule wurde. Der andere Leiter war Wang Tchi.1) Beide waren als die beiden Wang der Wang Yang-ming-Schule bekannt. Mit einem kleinen Wagen, den er sich selbst gebaut hatte, fuhr er nach Peking. Unterwegs teilte er überall den Gelehrten die Lehren seines Meisters mit. Viele hundert Personen umringten ihn oft, wenn er seine Vorträge hielt. Unter den angesehenen und einflußreichen Schülern des Philosophen stand er an erster Stelle. Wegen seiner seltsamen Tracht und Redeweise galt Wang Ken als ein Sonderling. In Worten und Taten war er oft sehr exzentrisch, so daß viele ihn nicht für geistig normal hielten. Seine Studiengenossen rieten ihm, den Meister in Kueitchi2) aufzusuchen und um Rat zu fragen, was er auch tat. Wang Yang-ming wollte ihn bessern und ließ ihn drei Tage nicht vor. Wang Ken kniete am Wege und entschuldigte sich wegen seiner Fehler. Schließlich wurde er wieder in Gnaden aufgenommen. Nach dem Tode seines Lehrers, den er tief betrauerte, eröffnete er selbst eine Schule. Er starb am achten Tage des zwölften Monats des Jahres 1540. Wang Ken's gesamte Werke führen den Titel: Hsin-tschai tch'üan-tchi.3) Seine Aussprüche: Hsin tschai yil-lu,*) sind wahrscheinlich von seinen Schülern zusammengestellt.5) Zu der Lehre seines Meisters hat Wang Ken wenig Neues hinzugefügt. Metaphysische Probleme beschäftigen ihn wenig, die Pflege der Persönlichkeit nach dem Ta-hsio steht im Mittelpunkt seines Denkens. Das Individuum, die Familie und den Staat betrachtet er als einen zusammenhängenden Organismus, gleichsam als ein Wesen. Das Individuum ist tue Wurzel, aus welchem der Organismus hervorwächst: „Alle Dinge", heißt es, „haben Wurzeln und Zweige. Daher erkennt man die Wurzel, wenn man die Dinge untersucht. Das Erkennen der Wurzel

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) Nach dem Sse-k'u tch'wtn-schu Kap. 96 schrieb Wang Ken auch das ,£,» was wahrscheinlich nur ein anderer Namo für das Hsin-tschai yü-lu ist.

IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 3. Wang Ken

401

ist das höchste Wissen, und damit erreicht das Wissen sein Ende."1) Will man also das Individuum erkennen, so muß man vom Gesamtorganismus, von der Familie und vom Staate, ausgehen und seine Stellung darin ermitteln. „Das Individuum ist dasselbe Ding wie das Reich, der Staat und die Familie. Nur bei einem Dinge kann man von Wurzel und Zweigen sprechen. Untersuchen ist Abmessen. Wenn man zwischen Wurzel und Zweigen das richtige Maß festsetzt, dann weiß man, daß es unmöglich ist, daß die Grundlage verkehrt, der Aufbau dagegen richtig ist. Das ist die Untersuchung der Dinge. Durch diese Untersuchung lernt man ihre Wurzel kennen, und diese Erkenntnis ist das höchste Wissen."2) Das Maß, nach dem die Familie und der Staat gemessen werden, ist das Individuum. Wenn das Maß falsch ist, gibt die Messung kein richtiges Resultat.3) Wie Wang Yang-ming bezieht Wang Ken das Wissen nur auf die Erkenntnis des Geistes und der sittlichen Persönlichkeit, alles andere Wissen ist ohne Belang. Trotzdem nennt er dieses beschränkte Wissen ko-wu*), wie die Erforschung der Dinge im Ta-hsio heißt. Davon sagt er weiter: ,,Ko-wu ist das höchste Wissen, das Erkennen der Wurzel. Durch Aufrichtigkeit der Gesinnung, Richtung des Herzens und Ausbildung des Selbst wird die Grundlage geschaffen. Wurzel und Zweige hängen als Einheit zusammen, daher ist das Lieben der Menschen, das Lenken und das höfliche Behandeln der Menschen ko-wu . . . . Nach dessen Ausübung weiß man, daß man zu seinem Selbst zurückkehren muß. Gerade das ist die Ausübung des ko-wu. Worin besteht diese Rückkehr ? Darin, daß man sein Selbst gerade richtet. Die Rückkehr zum Wohlwollen, zur Ordnung und zur Sorgfalt ist das Geraderichten des Selbst. Wenn die Einzelpersönlichkeit gerade gerichtet ist, dann fällt ihr das Reich zu, das heißt, durch das Richten des Selbst werden auch die Dinge gerichtet, und dann kann der Einzelne in Ruhe sein."5) Um die Liebe und das Zutrauen der Menschen zu gewinnen und sie beherrschen zu können, muß man selbst sie lieben, denn: „Wenn man die Menschen liebt, lieben diese stets einen wieder, und wenn man den Menschen traut, trauen diese einem auch. Das ist das Prinzip der Wirkung und Gegenwirkung."6) Für die richtige Art des Denkens werden noch weitere Regeln gegeben: „Jemand i) Ming-ju hsüeh-an Kap. 32, S. 5a: tfa ^

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402

Die Ming-Dynast ie

fragte nach den Übungen des Wang Tse-tching1) in letzter Zeit. Wang Ken antwortete: .Wenn gute Gedanken ihn bewegen, dann entwickelt er sie weiter, und wenn es schlechte sind, dann entfernt er sie.' — Frage: ,Wie steht es. wenn weder die guten noch die schlechten Gedanken irgend welchen Eindruck machen i' — Antwort: ,Das ist das Gleichgewicht und die Natur. Das Sichermahnen, Sichinachtnehmen und Besorgtsein ist nichts anderes. Wenn man sich immer in diesem Gleichgewichtszustand befindet, so weiß man es. wenn gute Gedanken einen bewegen, und ebenfalls, wenn es schlechte sind. Die guten breiten sich von selbst weiter aus. und die schlechten verschwinden von selbst. Wenn man so auf sich selbst in der Einsamkeit achtgibt, dann versteht man es, die großen Grundlagen /.u schaffen." 2 ) Falls die ursprüngliche gute Natur bewahrt ist und der Geist sich im Gleichgewicht befindet, dann weiß er, was gut und böse ist, und kann seine Gedanken danach einrichten. Aber viel wichtiger als alles Denken und Forschen ist die intuitive Erkenntnis, das angeborene Wissen. Wang Ken setzt sie dem transzendenten Urprinzij) gleich. Die innere Erleuchtung tritt an die Stelle von Sinnen und Denken und befähigt den Menschen, an der Weltschöpfung teilzunehmen, wie es angeblich schon im Tschung-yimg zum Ausdruck kommt:3) ..Wenn das Herz einen Hang nach irgend einer Richtung hat, so sind das Begierden, und wenn es irgendwelche (vorgefaßten) Meinungen hat, so sind diese verwerflich. Wenn es keinerlei Neigung noch Meinung hat, dann ist es das Prinzip des Kirhlsfins und zugleich das Urprinzip. Das intuitive Wissen ist dann ganz klar und deutlich und ganz vollkommen, und man braucht sein Sinnen und Forschen nicht mehr zu ordnen. Der Heilige und Weise ordnet damit die Dinge, verändert sie und gestaltet sie um und wirkt bei der schöpferischen Tätigkeit mit. Das alles hat darin seinen Grund." 4 ) Von dem großen Heiligen K'-ung-tse sagt Wang Ken, daß seine Lehre sehr leicht und ohne alle Anstrengung zu erlernen sei. Sie bereite unendliche Freude. Wenn eine Lehre dem Verständnis sehr viel Mühe mache, dann sei sie nicht die eines Heiligen und wenig erfreulich. ..Selbst K'ung-tse, der von Natur ein Heiliger war, mußte die Lieder, die Riten und das Yiking erlernen und alle Einzelheiten erarbeiten, erst dann gelangte er zur vollkommenen, alles durchdringenden Erkenntnis."5) ') ]£ -f- [ kann nii.-ht der bekannte ^ Wang Hsien-techi· (Giles No. 2176) M-iii. sondern ist jedenfalls ein Zeitgenosse .des Wang Ken.

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IV. Wang Yang-ming und seine Sehule: 4. Hsi'i Ai

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Zwischen dem einfachen und dem großen Mann bestellt ein ungeheurer Unterschied: „Das Volk, das dem Himmel Untertan ist, fügt sich dem Schicksal, der große Mann macht das Schicksal."1)

4. Hsü Ai 1487-1017. 2

Hsü Ai ) (T. Yüeh-jen, H. Heng-schan3) aus -yen in Yü-yao4) (Tschekiang) war der Schwager des Wang Yang-ming, der Mann seiner jüngeren Schwester5) und sein Lieblingsschüler. Er nannte ihn seinen Yen Hui. Nach bestandenem Doktorexamen im Jahre 1508 wurde Hsü Ai zunächst zum Departementsmagistrat ernannt. 1512 kam er als Sekretär im Arbeitsministerium nach yanking. Dort traf er mit Wang Yang-ming zusammen und reiste mit ihm auf demselben Schiffe nach Tschekiang. Unterwegs erklärte der Philosoph ihm das Ta-hsio, was ihn sehr begeisterte. Als Wang im Jahre 1514 Präsident des Ritualamts war. war HsüAi zu gleicher Zeit Sekretär im Kriegsministerium. Auf einer Reise nach dem Süden träumte ihm, daß ein Mann namens Gautama erschien, ihm den Rücken streichelte und sagte: „Du bist dem Yen-tse an Tugend gleich und wirst ebenso lange leben."6) Wegen Krankheit nahm er seinen Abschied und kehrte in die Heimat zurück, wo er 1517, nur dreißig Jahre alt, starb.7) Als Wang Yang-ming die Todesnachricht erhielt, war er tief bewegt und weinte. Später erwähnte er ihn noch oft in seinen Vorlesungen. Einmal sagte er am Schluß seiner Vorlesung: „Wenn ich Hsü Ai wieder erwecken könnte, daß er bei den Neun Quellen diese Worte hörte!"8) Daraufführte er die Schüler zu seinem Grabe, opferte ihm und sprach zu ih m. Hsü Ai hat sich, wie wir sahen, an der Zusammenstellung der Gespräche seines Meisters beteiligt.9) Selbst hat er nicht viel geschrieben. Zuerst konnte er sich nur schwer in die neue Lehre hineinfinden, da sie von derjenigen der ändern Konfuzianer zu sehr abwich, aber nachdem er sie erfaßt hatte, hielt er sie für die einzig richtige Portsetzung des Konfuzianismus und alle ändern Ansichten für abwegig. Bei seinem Schwager hatte er eine Vertrauensstellung, und er vermittelte oft zwischen ihm und den ändern Schülern. Sie ließen sich auch von ihm die s')

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404

Die Ming-Dynastie

Schwierigkeiten der Lehre erklären und trugen ihm ihre Zweifel vor. Die Theorie vom angeborenen Wissen stieß zuerst auf allgemeines Mißtrauen. Keiner der Schüler glaubte daran, und erst allmählich ließen sie sich von Hsü Ai bekehren. Hsü Ai hatte selbst anfangs große Bedenken, worüber er sich wie folgt äußert: Als ich zuerst die Lehre des Meisters kennenlernte, versuchte ich seinen Spuren zu folgen, aber hatte große Zweifel, doch \vagte ich nicht, die Lehre für falsch zu erklären, sondern dachte gründlich darüber nach und verstand sie allmählich. Die schließliche Erleuchtung inachte mich sehr froh, und ich sagte: „Das ist die Substanz der Wahrheit, das ist der Geist, das ist die Lehre. Die menschliche Natur ist ursprünglich gut. Das Verderbte und Böse kommt durch fremde Einflüsse. Sie liegen in einem Gedanken und lassen sich durch einen Gedanken beseitigen. Das ist nicht schwer und erfordert nicht viele Methoden. Ich verließ mich darauf, daß die Natur, mit welcher ich begabt war, noch bildungsfähig wäre und noch nicht sehr verdorben sein könnte. Daher glaubte ich, daß es so mein ganzes Leben bleiben würde."1) Später hatte ich \vieder Rückfälle in Selbstsucht und Trübsinn und mußte alle Kraft anwenden, um sie auszurotten. Beim menschlichen Geiste muß man, wie Hsü Ai weiter ausführt, nach der Lehre des Meisters zwischen Substanz und Funktion*) unterscheiden, ebenso wie ein Baum eine Wurzel und Zweige und ein Bach eine Quelle und Rinnsale hat. Das Studium ist das Festpflanzen und Bewässern.3) Wang Yang-ming hatte das vorzüglich Gute für die Ursubstanz des Geistes erklärt.4) ,,Hsü Ai sagte: ,Wenn man das vorzüglich Gute nur im menschlichen Geiste sucht, so wird man, fürchte ich, das höchste Prinzip der Welt nicht ganz ausschöpfen.' — Wang Yang-ming antwortete: ,Der Geist ist das Prinzip. Gibt es etwa in der Welt noch Geschehnisse außerhalb des Geistes und Prinzipien außerhalb des Geistes?' — Hsü Ai fragte: ,Wenn der Geist Tao's im einzelnen Individuum herrscht und der menschliche Geist immer auf das Schicksal wartet, so scheint mir in diesen Worten doch ein Fehler zu liegen?'"5) Wang Yangming gab zu, daß die Formulierung bezüglich des Schicksals vielleicht nicht ganz glücklich sei . . . .6) ,,Hsü Ai sprach: ,Der Geist ist wie ein Spiegel, der Geist des Heiligen wie ein klarer, der Geist des gewöhnlichen Mannes wie ein unreiner Spiegel. In der heutigen Generation bedeutet die Erforschung der Dinge soviel wie Dinge in einem Spiegel zu spiegeln. Wenn man so mit dem Spiegeln beschäftigt ist, so vergißt i) Ming-ju hsüeh-an Kap. 11, S. 4a: jft & fg &, jfc & fa , jft ^ ,&,

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Ming-ju hsüeh-an Kap. 11, S. 2a. Siehe oben S. 395, Anm. 3. Da der Geist das Schicksal in sich trägt, braucht er es nicht abzuwarten. Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 21, S. 2b: p„«) ?g 3£ ^ ;£ jgj ,£,, fä 55 T ¥

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IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 5. Tsou Schou-yi

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man, daß der Spiegel beschmutzt ist und daher nirgends spiegelt. Das ko-wu des Meisters ist wie das Putzen des Spiegels und das Klarmachen. Durch diese Putzarbeit wird er klar, und dann ist das Spiegeln nicht vergebens."1) „Ferner sagte er: ,Die Worte des Meisters sind wie die Kälte des Wassers und die Hitze des Feuers.2) Gewiß wird er nach hunderten von Generationen noch als Heiliger gelten und keines Irrtums geziehen werden können."3)

5. Tsou Schou-yi 1491-1562. Tsou Schou-yi*) (T. Tch'ien-tschi, H. Tung-k'uo6)) stammt aus An-fu6) in Kiangsi. Schon mit 16 Jahren bestand er die Magisterprüfung7) (tchü-jen) und mit 20 Jahren die Doktorprüfung als Bester und das Palastexamen als Dritter. Seine Beamtenlaufbahn begann er als Mitglied der Hanlin-Akademie, später stieg er zum Beamten im Kuo-tse tchien, Vizepräsident im Opferamt und Kanzler im Großsekretariat empor. Wegen eines zu freimütigen Thronberichts wurde er seines Amtes enthoben und als Richter nach Kuang-te techou*) in Anhui verbannt. Die letzten zwanzig Jahre seines Lebens verbrachte er als Privatmann.9) Im Jahre 1519 begab er sich zu Wang Yang-ming, um ihn zu bitten, eine Grabschrift für seinen Vater zu schreiben. Er hatte gar nicht die Absicht, sein Schüler zu werden, aber Wang Yang-ming wußte ihn durch ein Gespräch so zu fesseln, daß er über einen Monat bei ihm blieb. Der Meister rühmte ihn, daß er richtig zu fragen verstehe. Tsou Schou-yi sagte, er habe schon immer Zweifel an der Richtigkeit der Erklärung des Ta-hsio und Tschung-yung durch Tsch'eng-tse und Tschu Hsi gehabt, und jetzt sehe er klar, was die einzelnen Ausdrücke bedeuteten. Auch von Kuang-te tschou aus besuchte er Wang Yang-ming im Jahre 1524. Als Richter verwandelte er einen Tempel des Aberglaubens in eine Schule, in welcher er selbst mit Gesinnungsgenossen unterrichtete und die Sitten zu verbessern suchte. In seiner letzten Krankheit unterwies er noch seine Hausgenossen kurz vor seinem Tode. Gestützt von seinem Sohne saß er in voller Tracht aufrecht und erwartete den Tod. Im Jahre 1567 wurde ihm der posthume Ehrentitel W' en-tschuangl «t

IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 5. Tsou Schou-yi

407

sie ohne Empfindung und nicht anders als trocknes Holz oder ausgebrannte Asche."1) Die Auffassung der Gefühle als etwas Körperliches ist unannehmbar. Als etwas rein Geistiges sind sie nicht wahrnehmbar, aber man erkennt sie an körperlichen Begleiterscheinungen wie Lachen, Weinen, Stirnrunzeln usw. Wenn wirklich von Gegnern des Philosophen die Ansicht vertreten wurde, daß Gefühle, welche man nicht äußerte, überhaupt nicht vorhanden waren, so konnte er dem mit Recht entgegentreten, denn die Gefühle hängen von der Äußerung nicht ab. Die Darstellung des Hervorkommens der Gefühle und namentlich die Begriffe Gleichgewicht und Harmonie gehen auf das Tschung-yung zurück2), welches die Grundlage für psychologische Untersuchungen geworden ist Tsou Schou-yi betrachtet auch alles Physische und Psychische als ein und dasselbe: „Die himmlische Natur"3), sagt er, „und die physische Natur1) sind ebensowenig zwei verschiedene Dinge. Im menschlichen Körper ist überall die j 'lysische Natur tätig. Daß die Augen sehen, die Ohren hören, der Mund spricht, die Hände und Füße greifen und gehen, ist alles die physische Natur, aber die himmlische Natur strömt von demselben Punkte aus."5) Die physische Natur quillt zusammen mit der himmlischen hervor, man darf daher nicht nur > Oii der ersteren reden und letztere übergehen. Die späteren Konfuzianer, meint Tsou, haben verkehrterweise beide als zwei verschiedene Dinge betrachtet. Wenn man die physische Natur ausschließt, so ist auch die himmlische nirgends mehr zu finden. Unser Philosoph hält an der Güte der menschlichen Natur fe, .. Auf die Frage, ob nicht auch das Böse als menschliche Natur zu gelten habe, die angeblich nur gut sei, erwiderte er: „Das Auge gilt als Auge, weil es als sehend bezeichnet wird. Auch die Sehstörungen muß man als zum Auge gehörig betrachten, aber diese Störungen sind nicht das eigentliche Wesen des Auges,"6) „Das Zeichen Natur ist aus Herz und Leben zusammengesetzt. Das Lebensprinzip des Herzens ist klug und einsichtig, echt und unverfälscht, es ist die Wurzel, woraus die erhabensten Wirkungen hervorgehen."') Dazu gehören unter anderem die Vorschriften der Sitte und der Riten. Das angeborene, intuitive Wissen nimmt natürlich auch in Tsao's Lehre eine Zentralstellung ein. Er beschreibt es als eine wunderbare, transzendentale Kraft,

ibid:

£) Vergl.. *nLegge's M it Übersetzung £., 5g mdesm « & m> m m «, & * & m * n M· Tschung yung, Chin. Classics Vol. I, S. 384.

2 3

) Das ist die dem Menschen vom Himmel verliehene Natur.

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) ^ ^äj, wörtlich „Fluidum und Materie" oder „fluidumartige Materie". s) Ming-ju hsüeh-an a. a. O., S. 15b : ^ * ® m m m m i&> m in j* & *, MM w s. ßn nt # §> M M35«m &, ) Für niedere Stufe ist der buddhistische Ausdruck "p ;jjjs = -yäna gebraucht. ·)·) Himmel, LOC.«it. Erde m&%&to2.fäw>m*m&i&fätiL· und Mensch. 4

') Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 21, S. 18b:

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* ± s,s au m m m m m ±·)Ibid.m & & m. hsüeh-an Kap. 16, S. 8a.

IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 6. Tch'ien Te-hung

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folgende richtige Bemerkung: „Die Augen sehen nicht doppelt, aber haben eine klare Wahrnehmung. Die Ohren hören nicht doppelt, aber sie hören gut."1) Die Wahrnehmung würde undeutlich sein, wenn jedes Auge und jedes Ohr für sich wahrnähme.

6. Tch'ien Te-hung 1496—1574. Tch'ien Te-hung2) (F. Hung-fu, H. Hsü-schan3) ist einer der bedeutendsten Schüler des Wang Yang-ming und wurde wie dieser in Yü-yao*) in der Provinz Tschekiang geboren. Im Jahre 1532 bestand er mit Wang Tchi5) zusammen das Doktorexamen und wurde Studienrat, später Beamter des Kuo-tse tchien und Sekretär im Kriegsministerium, wovon er den Titel Yuan-wai*) führt. Auf die Anklage eines Günstlinge des Kaisers, welchen er denunziert hatte, wurde er ins Gefängnis geworfen und erst bei dessen Tode freigelassen. Tch'ien studierte zuerst die Lehre des Tschu Hsi, aber beim Lesen des Tschuanhsi lu kamen ihm Zweifel, und er wurde ein Schüler des Wang Yang-ming, als dieser nach Tschekiang kam. Wang Yang-ming wies ihn auf die intuitive Erkenntnis hin, die schon Yao und Schun bekannt war und im Tschung-yung beschrieben sein soll. Tch'ien'a Vater fürchtete, daß er durch diesen Lehrer beim Examen Schwierigkeiten haben könnte, aber Tch'ien erwiderte, daß ihm durch ihn erst die Augen geöffnet seien und er keine Angst habe.7) Tch'ien Te-hung und Wang Tchi schlössen sich zuerst dem Wang Yang-ming an, als er nach Tschekiang zurückkehrte, obwohl er viel verleumdet worden war. Als später mehr Schüler kamen, wies sie der Meister zuerst den beiden zu, um sie von allen Vorurteilen zu befreien und für seine Lehre vorzubereiten, ehe er selbst den Unterricht übernahm. Beim Tode des Wang Yang-ming legte er für ihn Trauerkleider an und baute sich ein Häuschen bei seinem Grabe. Später leitete er mit Wang Tchi zusammen den Tschekiang-Zweig der Wang Yang-ming-Schule und war 30 Jahre als Lehrer tätig. Tch'ien's Werke wurden als Hsü-schan hui-yüs) in 25 Büchern gesammelt. Sein Sohn ließ sie drucken. Vier Bücher enthalten seine Gespräche.9) Das Denken des Tch'ien Te-hung kreist um die beiden Begriffe des intuitiven Wissens und des menschlichen Herzens oder Geistes. In der Welt gibt es nach ») Li-hsüeh tsung.tschuan Kap. 21, S. 17a: g ^ « IIIflBW. S ^ ffi lg M W· *) ^ IS Ö>· ^e'n persönlicher Name war ursprünglich K'uan j^ und Te-hung sein Beiname, den er später als persönlichen Namen benutzte (Biographie im Ming-schi Kap. 283, S. lOb). a 4 6 siehe s 4i4

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Die Ming-Dyiiastie

seiner Meinung nur ein wunderbares geistiges Wesen. Insofern es die Dinge erschafft und umgestaltet, bezeichnet man seine Gesamtsubstanz als Geister und Dämonen, und insofern es im menschlichen Körper auftritt, nennt man es intuitive Erkenntnis. Diese Fähigkeit ist also etwas Geisterhaftes und Dämonisches. Es ist so fein, daß es nicht sichtbar ist, aber doch so offenbar, daß es sich nicht verbergen läßt. Als Geist ist es eine lebendige Kraft, welche sich nach unten und oben ausdehnt, deren Licht sich nicht auslöschen läßt. Will man es mit einem Gedanken fassen, so ist es unbegreiflich und zerfließt. Es läßt sich nicht beschreiben und klar definieren. Man lernt diese intuitive Erkenntnis besonders als Mahner (Gewissen) kennen. Die Gedanken sind die treibenden Kräfte des Herzens, welches sie beherrscht und beruhigt, wofür es bestimmte Regeln gibt. Auch die Schöpfung wird von diesem Herrscher geordnet, so daß die Jahreszeiten, Sonne und Mond ihren festen Lauf haben. Also nicht nur das Menschenherz, sondern der ganze Kosmos unterliegt seiner Herrschaft.1) „Was den ganzen Raum zwischen Himmel und Erde ausfüllt, ist nur dieses Wissen: Der Himmel ist nur die Leere und Helle dieses Wissens, die Erde ist seine Zusammenballung, Geister und Dämonen sind seine wunderbare Wirksamkeit, die vier Jahreszeiten, Sonne und Mond sind seine fließende Bewegung, die Menschen und die tausend Dinge seine Zusammenziehung und Wiederauflösung und der Mensch nur der feinste Stoff dieses Wissens. Dieses Wissen bewegt sich und hat seit Urzeiten seine feste Substanz, daher nennt man es Urprinzip. Da man es ursprünglich weder durch Laute noch durch Geruch wahrnehmen kann, so heißt es das Prinzip des Nichtseins."2) Das intuitive Wissen ist demnach das Weltprinzip. Alle Dinge, körperliche und geistige, bestehen daraus. Es hat eine Substanz, die fest bestimmt und ewig ist. Deswegen bezeichnet Tch'ien es als Urprinzip, ebenso wie Tschu Hsi das Vernunftprinzip, und sofern es transzendent ist, als Prinzip des Nichtseins. Das intuitive Wissen ist wie der Hauptstrick eines Netzes und umfaßt alle Dinge. Es ist das himmlische Schicksal, welches sich überall hin ergießt, die kleinsten Zwischenräume durchdringend und in den größten Räumen keinen Platz findend, wenn es sich durch einen Impuls ausdehnt. Es ist eine Leere, welche im Auge die Sehkraft, im Ohr das Gehör, im Munde die Gerechtigkeit, in den Gliedern die Sitte und im Herzen das Denken ist, das die Wandlungen schafft. Es braucht nicht erlernt und nicht erforscht zu werden und ist als himmlische Norm ohne weiteres klar: „Für alle Schöpfungsakte ist es die wahre Triebkraft und die Grundlage der Tugend der Heiligen."3) Also ist es das kosmische und das ethische Grundprinzip. *) Ming-ju hsüeh-an Kap. 11, S. 8a. ') Ming-ju hsüeh-an Kap. 11, S. 8b: ;£ ^ ? Jflj fjg £. ;£ jfc £q, ? R jlfc & ± ^

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IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 6. Tch'ien Te-hung

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„In Wirklichkeit sind das intuitive Wissen und das himmlische Prinzip nicht zwei verschiedene Begriffe. Sofern man vom Leben, von der Leere, der Erleuchtung und der Prüfung des Geistes spricht, nennt man es Wissen, und sofern man das Auseinanderhalten von Grundsätzen und Prinzipien im Auge hat, spricht man von Prinzip."1) Das intuitive Wissen gibt sich nicht mit Forschen undDenken ab, sondern erhält seine Resultate ganz von selbst, deshalb nennt man es auch das „gute Wissen", und ebenso ist es mit dem himmlischen Prinzip, deswegen wird es „himmlisch", das heißt „natürlich" genannt. Das intuitive Wissen geht nicht von Sehen und Hören aus und bringt Erkenntnis, ohne zu sehen und ohne zu hören. Es ist etwas Gewaltiges und eine erhabene Einsicht, die sich nicht durch verkehrte Gedanken beseitigen läßt, vielmehr verschwinden diese, wenn sein wahres Wesen erkannt wird.2) „Das Wissen ist der Herrscher der Dinge und die Norm für recht und unrecht."3) Es wurde gegen Tch'ien Te-hung der Einwand erhoben, daß seine Anhänger mit ihrer Theorie vom Wissen ins Leere fielen. Er glaubte, durch seine eingehenden Untersuchungen über die Ursubstanz des intuitiven Wissens dem vorgebeugt zu haben. Dieses Erkenntnisvermögen sei ebenso sicher wie der Lebenstrieb der Pflanzen, der sich in den Zweigen und Blättern ausbreitet.4) Das menschliche Herz, der Geist, soll seinem ursprünglichen Wesen nach still und unbewegt sein, denn die Gedanken sind nur seine Betätigung, aber nicht seine Ursubstanz; es heißt: „Der Geist kommt aus dem Anfanglosen5) und ist von Haus aus unbewegt. Trotz tausendfacher Gedanken und Sorgen bleibt er doch die himmlische Triebkraft. Natürlich reagiert er auf die endlosen Einwirkungen auf endlose Weise, aber sein eigentliches Wesen ist immer die Stille."8) Durch die menschlichen Begierden und den Wissensdrang verliert der Geist seine ursprüngliche Ruhe und seinen vorzüglichen Charakter. Um ihn zurückzugewinnen, muß man diese unnütze geistige Tätigkeit aufgeben. „In der großen Leere sind alle Dinge enthalten, aber nicht ein einziges verharrt im Sein. Wenn es das täte, so würde es der großen Leere im Wege stehen. Die Regungen des menschlichen Herzens sind zu allen Zeiten vorhanden, aber wenn sie zu irgend einer Zeit im Sein verharrten, so würden sie die große Leere blockieren. Sobald also Ärger, Freude, Furcht und Kummer in der Sphäre des Seins erscheinen, kann das Herz nicht seinen richtigen Zustand aufrecht erhalten. Die Arbeit, das Herz zu richten, besteht in nichts anderem als in dem Streben nach dem Gleichgewichtszustand des ernsten und aufrichtigen Sinnes. Sein ur') Ming-ju hsüeh-an Kap. 11, S. 16a:

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Die Ming-Dynastie

sprüngliches Wesen muß von Erleuchtung durchdrungen werden, und das Herz muß an dem höchsten Gut unentwegt festhalten."1) Die große Leere ist die Leere des Geistes, oder des Urprinzips, und darin sind alle Dinge und alle Empfindungen enthalten. Sie lösen einander ab und bestehen nur kurze Zeit, denn wenn sie im Sein verharrten, würden sie angeblich die große Leere verstopfen. Bei den geistigen Vorgängen trifft das in gewisser Weise wohl zu, denn wir können nicht alle unsere Empfindungen und Gedanken zu gleicher Zeit haben, sie müssen aufeinander folgen. Aber gilt das auch von den Dingen ? Tch'ien wird es bejahen, denn für ihn sind Geist und Körper dasselbe. Durch seine Empfindungen soll das Herz aus dem Gleichgewichtszustand, worin sein Wesen besteht, gebracht werden und muß dann wieder dahin zurückgeführt werden. — Es kann sich nicht von allen Dingen loslösen, aber es muß sich von aller Selbstsucht zu befreien suchen.2) Die Erleuchtung des Herzens ist ein geistiges Durchdringen und eine wunderbare Wahrnehmung, deren Wesen im Menschen ruht. Wenn Gelehrte behaupten, es sei etwas seltsam Geisterhaftes, etwas tief Geheimnisvolles, ein verborgener Impuls und etwas verstecktes Wesenloses, so verwirren sie die Menschen nur mit solchen Worten, so daß sie ihre wahre Natur nicht erkennen. Sowie sie das Wort „intuitives Wissen" hören, müssen sie es sofort begreifen, ohne noch tief nachzudenken und zu grübeln, dann haben sie die wahre Erleuchtung.3) Wang Yang-ming hat erklärt, daß das Wesen des Herzens als Weltprinzip weder gut noch schlecht sei.4) Tch'ien schließt sich dem an und versucht, den Satz durch die folgenden Ausführungen zu beweisen: „Das Wesen des menschlichen Herzens ist immer das gleiche. Einige bezeichnen es als gut. Das ist möglich. Andere behaupten, es sei ganz vorzüglich und ohne jede Schlechtigkeit. Das ist auch möglich. Endlich wird gesagt, daß es weder gut noch schlecht sei. Das läßt sich ebenfalls behaupten. Wenn gesagt wird, es sei gut oder sehr gut, so glauben das alle und hegen keinerlei Zweifel, aber was bedeutet die Behauptung, daß es weder gut noch schlecht sei? Ein ganz vorzügliches Wesen kann selbstverständlich nichts Böses enthalten, aber ebenso wenig Gutes.5) Das ganz vorzügliche Wesen ist leer und wirkt in wunderbarer Weise ähnlich dem Sehvermögen des Auges und dem Gehör des Ohres. Dieses Wesen kann nicht im voraus Vorzüglichkeit besitzen, ebenso wenig wie die Sehkraft zunächst Farben oder das Gehör Töne hat. Das Auge besitzt keine einzige Farbe, deshalb hat es die Farben für alle vorhandenen Dinge zur Verfü-

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Li-hsüeh tmmg-tsckuan Kap. 21, S. lib. Ming-ju hsüeh-an Kap. 11, S. lib Siehe oben S. 395. Der Geist ist leer, transzendent und enthält daher gar nichts, weder Gutes noch Böses.

IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 6. Tch'ien Te-hung

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gung, das Ohr hat keinen einzigen Ton, daher verfügt es über alle Töne der Dinge, und das Herz besitzt keine einzige Vorzüglichkeit, daher kann es in allen Dingen in der Welt das Gute schaffen."1) „Diejenigen, welche heute über die Vorzüglichkeit philosophieren, suchen sie im Innern aller Dinge und Handlungen und forschen zunächst nach dem sogenannten Prinzip, das, wie sie annehmen, den Taten entspricht und die Dinge beherrscht. Dann muß also in dem leeren, wunderbaren Wesen zunächst das Gute enthalten sein. Wenn das der Fall ist, dann müßte auch das Ohr, bevor es hört, im Besitz der Töne und das Auge, bevor es sieht, im Besitz der Farben sein. Das würde die Ausübung des Sehens und Hörens unmöglich machen und auch das leere, wunderbare Wesen hemmen und könnte nicht als größte Vorzüglichkeit bezeichnet werden."2) In einem Briefe, welchen der Philosoph aus dem Gefängnis an Wang Tchi geschrieben hat, faßt er in kurzen Worten seine Weltanschauung zusammen. Sie lauten: „Ich wandele im wahren Reiche des Lebens und des Todes. Der Körper und, die Welt sind vollkommen nichtig, und es bleibt nur ein Gedanke übrig. Die Seele ist unruhig und in lebhafter Erregung, und in der Mitte der Nacht kommt es plötzlich wie eine Erleuchtung über sie. Sie erkennt, daß der hohe Himmel3) für mich alle diese Erscheinungen gesetzt hat, um mir zu zeigen, daß meine ursprüngliche wahre Natur auch nicht im geringsten daran festhalten soll."4). Das ist der reine Idealismus, nach dem die Welt nur wesenloser Schein ist und Realität nur dem Denken zukommt. Der Weltgeist hat die Welt der Erscheinungen gesetzt, die man nicht für etwas Wirkliches halten seil. Auf die Meditation wird kein allzu großes Gewicht gelegt. Auch wenn man an einem stillen Ort meditiert, wird der Geist dennoch, meint Tch'ien, von hunderten von Gedanken bestürmt, und man kann den Sorgen nicht entfliehen. Aber das schadet nicht, denn seinem inneren Wesen nach ist der Geist unwandelbar. Die Übungen zur Erzielung des Wissens bezwecken, den Geist zu seinem ursprüngichen Zustand zurückzuführen. 5 ) Ming-ju hsüeh-an Kap. 11, S. 18a:

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414

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7. Wang Tchi 1498—1583. Als hervorragendster Schüler Wang Yang-ining's gilt Wang Tchi1) (T. ./? S ffi *n », 3 m * #, ffi &

') Ibid. S. 7b: «) S. 5b.

IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 7. Wang Tchi

417

dann nimmt es alle Lehren auf. Man muß die Brust frei machen und sie von allen Hemmnissen befreien, das ist das richtige Studium."1) Merkwürdigerweise kennt der Philosoph neben dem Geiste auch noch ein Fluidum. Er kann darunter nicht das materielle Prinzip des Tschu Hsi verstehen, denn er erkennt materielle Dinge neben dem Geiste nicht an. Der Ausdruck tch'i2) hat ja noch andere Bedeutungen wie Kraft, Energie, Lebenskraft, Leidenschaft, Zorn. Auf eine solche deutet Wang Tchi's Definition hin: „Geist und Fluidum sind das, wodurch der Mensch Mensch ist. Der Geist ist der Beherrscher des Fluidums, und das Fluidum ermöglicht das Umherströmen des Geistes. Der Geist bildet die Natur, das Fluidum das Schicksal."3) Das Fluidum scheint danach etwas Geistartiges, wohl die Lebenskraft oder der Lebensgeist zu sein, mit welchem der denkende Geist umherfließt. Da das Schicksal daraus besteht, so ist es jedenfalls nichts Materielles. Über die menschliche Natur erfahren wir noch folgendes: „Die menschliche Natur ist die Zusammenballung des Vernunftprinzips, der Geist ist der Beherrscher dieser Zusammenballung, der Gedanke eine Äußerung dieses Herrschers, das Wissen ist die Substanz der klaren Erkenntnis, und die Dinge sind Einwirkungen und Reaktionen. Es gibt in der Welt kein Prinzip außerhalb der Natur, und wie sollte es Dinge außerhalb der menschlichen Natur geben?"*) Man beachte, daß es nach dieser Darstellung nur ein Weltprinzip gibt, die menschliche Natur oder den Geist, und kein materielles Prinzip, welches die Außenwelt beherrscht. Außerhalb des menschlichen Geistes gibt es keine materiellen Dinge, die Dinge sind nur Einwirkungen und Reaktionen des Geistes, also geistige Vorgänge. 3. Intuitives Wissen. Wie sein Meister Wang Yang-ming führt auch Wang Tchi alles in der Welt auf den Geist und letzten Endes auf das intuitive Wissen zurück. Es ist gleichsam der Kern des Geistes. Wang Tchi versucht sein Wesen auf jede Weise klarzustellen: „Das Wissen", heißt es, „ist die ursprüngliche Substanz des Geistes, was man den Geist des Wahren und Falschen nennt, den alle Menschen besitzen."s) „Das intuitive Wissen ist Geisteskraft, ist Stille."6) „Der Beherrscher des intuitiven Wissens ist, was man den Geist nennt, und das Ausströmende desselben das sogenannte Fluidum. Der Impuls ist nicht mehr

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Die Ming-Dynastie

als ein einfacher Gedanke."1) Der wunderbare Mechanismus der Intuition wird durch einen einfachen Gedanken in Bewegung gesetzt. Es scheint aber, als ob das menschliche Denken nicht ganz frei w re, indem der Himmel oder der Weltgeist eingreift, denn wir lesen: „Das intuitive Wissen ist die nat rliche Intelligenz. Es wird best ndig vom himmlischen Mechanismus hin und her bewegt und verwandelt."2) Weiter hei t es: „Die eigentliche Substanz des intuitiven Wissens ist weder Bewegung noch Ruhe. In best ndigem Wechsel flie t es nach allen Seiten. Es ist die Hauptsache bei allem Studium."3) „Man mu annehmen, da sein Wesen wie die Spuren eines Vogels in der Luft und wie das Mondbild im Wasser ist. Es ist wie seiend und wie nicht seiend, wie versinkend und wie obenschwimmend. Versucht man es zu beschreiben, so kommt etwas Widerspruchsvolles heraus. Es eilt vorw rts und wendet sich zugleich nach r ckw rts. Sein wunderbarer Mechanismus bringt die erstaunlichsten Wirkungen hervor. Man mu seine Substanz als leer betrachten. Von welcher Seite soll man es betrachten ? Wenn man einen Einblick darein erh lt, so ist es ein wirkliches Wesen innerhalb der K rper- und Gestaltlosigkeit und eine ganze Kraftentfaltung ohne die geringste Kraftanwendung."4) Was weder bewegt noch in Ruhe, weder seiend noch nichtseiend ist, ist transzendent. Auch die ndern Vergleiche weisen darauf hin. Jede Eigenschaft wird durch die entgegengesetzte wieder aufgehoben. Es zeigt nur, da sich das bersinnliche Sein des intuitiven Wissens nicht beschreiben l t. Gegen Tschu Hsi und seinen Realismus richten sich die folgenden Worte: ,,Wen-kung lehrt, da die Eckigkeit und Rundung, die Leichtigkeit und Schwere, die L nge und K rze aller Dinge der Welt ein festes Prinzip h tten. Jedesmal, wenn sich ein Objekt darstelle, dann sei auch das subjektive Wissen darum vorhanden. Der verstorbene Meister dagegen sagte, die Prinzipien aller Dinge seien f r einen Gedanken des intuitiven Wissens nichts u eres. Die Norm ruht in mir, und das Eckige und Runde der Welt tritt dadurch in unz hligen F llen in die Erscheinung. Ohne den subjektiven Ma stab gibt es kein Prinzip f r das Leichte und Schwere, das Lange und Kurze."5) Wang Tchi ist also der Meinung, da Formen und Gewichte au erhalb meines Geistes und unabh ngig davon S. 18a: Α * Π ± ± ^ Ι Π ^ ϋ * . ft fc ±

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IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 7. Wang Tchi

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an und für sich in der Welt nicht existieren, und daß sie erst von mir in die Dinge, die ja ebenfalls keine objektive Existenz haben, hineingelegt werden. Die Ableitung der Tugenden aus dem intuitiven Wissen klingt nicht gerade sehr überzeugend. Wang Tchi sagt: „Das intuitive Wissen ist die Lebenskraft im menschlichen Körper . . . . wenn es den ganzen Körper erfüllt, dann ist es Wohlwollen, sofern es abgeschnitten und begrenzt ist, Gerechtigkeit, und soweit es regelt und ausschmückt, Schicklichkeit."1) Wie Wang Yang-ming2) sagt auch sein Schüler, daß vermöge der intuitiven Erkenntnis in jedem Menschen ein Heiliger steckt.3) „Das eine Fünkchen Licht im Leeren des intuitiven Wissens führt in die Heiligkeit hinein. Dieses Fünkchen muß man beständig hegen und pflegen und darf es nicht durch das grelle Tageslicht auslöschen lassen."4) Über die schöpferische Kraft des intuitiven Wissens erfahren wir Folgendes: „Das intuitive Wissen ist die wunderbare Kraft des Erschaffene und Umgestaltens. Man muß das Schaffen und das Umgestalten besonders studieren. Das Erschaffen geht vom Nichts aus und erscheint im Sein,6) das Umgestalten geht vom Sein aus und kehrt zum Nichts zurück. Meine wunderbare Kraft bringt den Himmel, die Erde und alte Dinge hervor, aber der Himmel, die Erde und alle Dinge kehren in das Nichtsein zurück. Es gibt keine Zeit, in welcher nichts erschaffen, und keine Zeit, in welcher nichts umgestaltet würde . . . Demnach liegt das Erschaffen und Umgestalten in meiner Hand."6) Das intuitive Denken soll in seiner Ursprünglichkeit und Reinheit erscheinen, bevor der Geist zu denken beginnt, wodurch es verdunkelt wird, was man die erste Periode nennt. Es ist die wunderbare Einsicht, die von allem Denken unabhängig ist. Für diesen Zustand gebraucht Wang Tchi den Ausdruck das „einsame Wissen."7) Dieses einsame Wissen ist das himmlische Vernunftprinzip*) man darf aber nicht sagen, daß letzteres in ersterem enthalten sei, denn dann wären es zwei verschiedene Dinge, und es ist ein und dasselbe.9) „Das intuitive Wissen ist das einsame Wissen, und das einsame Wissen ist das himmlische Vernunftprinzip. Das Wesen des einsamen Wissens ist ohne Laut und ohne Geruch10), es ist nicht wißbar, nichts, das man erfassen und auswählen könnte, das nach oben und unten drängt. Das einsame Wissen ist die ursprüngliche Substanz, und die Selbstbeobachtung in der Einsamkeit ist eine Geistesübung. Nur das ist

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) Siehe oben S. 393. ) Li-hsüeh tsung-tachuan Kap. 26, S. 28 a.

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) Der Menschengeist erschafft die Welt aus dem Nichts. «) Ming-ju hsüeh-an Kap. 12, S. 11 a: & fr & jg ft £ ft S, g- A fö &. g ft $

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420

Die Ming-Dynastie

die Wissenschaft des noch nicht in Tätigkeit Getretenen der ersten Periode. Wenn man das intuitive Wissen der späteren Periode zurechnet, so kann es sich nicht in seiner Vollständigkeit entfalten. Man muß es der ersten Periode zurechnen, dann hat man eine breite Basis. Wenn man dagegen auf den Anfang noch einen Anfang setzt1), dann geht man fehl."2) Wang Tchi vertritt die Ansicht, daß erst in der Jlfmgr-Dynastie die Grundlage für die Philosophie des Vernunftprinzips3) geschaffen sei. Von Tschen Hsientschang bis zu Wang Yang-ming habe sie vollständige Klärung erfahren.4)

4. Gut und Böse. Wang Yang-ming hatte den Satz aufgestellt, daß das Wesen des Geistes weder gut noch böse sei, und daraus drei weitere Folgerungen gezogen.5) Tch'ien Tehung hielt an diesen Sätzen, welche man die vier positiven Sätze6) nannte, unentwegt fest. Wang Tchi ging darüber hinaus, indem er alle vier Sätze negierte und sagte: „Geist, Gedanken, Wissen und Dinge sind nur ein Vorgang. Wenn der Geist erleuchtet wird, so ist er weder gut noch schlecht. Die Gedanken sind weder gute noch schlechte, das Wissen ist weder gut noch schlecht, und die Dinge sind weder gute noch schlechte. " 7 )Er behauptete also wie Wang Yang-ming, daß es überhaupt in der Welt nichts objektiv Gutes oder Schlechtes gäbe, und daß gut und schlecht nur subjektive menschliche Werturteile seien. Seine vier Sätze wurden die vier negativen Sätze8) genannt. Beide Denker riefen die Entscheidung ihres Meisters an, welcher vor seiner Abreise von Tschekiang nach Liang Kuang, wohin er versetzt war, auf der „Himmelsquell-Brücke" T'-ien-tch'-üan-tch'iao9) sitzend folgende Entscheidung gab, welche als das Zeugnis für die „Erleuchtung vom Himmelsquell" T'ien-tch'üan tscheng-wu10) berühmt ist: Die vier Sätze, welche von jedem vorgetragen werden, sind in meiner Lehre enthalten, die vier negativen können als Grundlage für die höchste Stufe des Wissens, die vier positiven für die untere Stufe gelten. Die höchste sucht das Wesen der Dinge zu erkennen durch plötzliche Erleuchtung, die untere kann dieses Wesen noch nicht erfassen und muß durch Übung im Guten und Beseitigung des Bösen erst allmählich dazu vordringen. Ich habe schon J

) Indem man den Anfang in die zweite Periode verlegt.

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) Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 26, S. 32b.

422

Die Ming-Dynastie

6. Meditation. Ein gewisser Wan Sse-me berichtete dem Wang Tchi über seine Meditationsversuche. Er kam dazu, weil ihn der Erfolg des Studiums nicht befriedigte. Still und schweigend saß er da, hatte aber zuerst keinen Erfolg, da er die vielen Gedanken nicht beseitigen konnte. Plötzlich bemerkte er, daß sein Herz sich nicht mehr bewegte. Zwei bis drei Tage war er wie gelähmt. Seine Gedanken hörten auf. Es war ihm, als stiege in seiner Brust etwas unsichtbar empor. Allmählich verbreitete sich ein heller Glanz, und er fühlte ein großes Glück. In seinem Innern war der Glanz und außen eine vollkommene Leere. Inneres und Äußeres vereinigten sich und bildeten einen Raum, der rings von Leere umgeben war. Wang Tchi in seiner Antwort äußerte sich zustimmend.1) Allein Wang Tchi mißt wie sein Meister2) der Meditation keine allzu große Bedeutung bei. Die Alten, meint er, wußten noch nichts von Meditation und sprachen nur von der Vervollkommnung im Verborgenen und von Muße und Erholung. Wenn man sich stets sammelt, auf alle äußeren Einflüsse entsprechend reagiert und sich nie von seinen Begierden fortreißen läßt, so ist das ebenso gut wie Meditation. Wer erst hinter verschlossenen Türen still dasitzen muß, um sich zur Begierdelosigkeit zu erziehen, gerät bei seinen Übungen leicht auf Abwege, findet Gefallen an Stille und Nichtstun und kommt schlecht durch das Leben. Auf diese Gefahr hatte schon Wang Yang-ming hingewiesen.3) 7. Atemtechnik. Um so größeres Gewicht legt der Philosoph auf die Atemtechnik, die gewöhnlich als ein Teil oder eine Vorstufe zur Meditation betrachtet wird. Er unterscheidet vier Arten des Atmens: das Wind-Atmen, das Schnaufen, das Lufl-Atmen und das richtige Atmen. Die drei ersten lassen sich nicht regulieren, nur die letzte. Man spricht vom Wind-Atmen, wenn man beim Atmen durch die Nase ein Geräusch hört. Schnaufen nennt man das Atmen mit Hemmungen, aber ohne Geräusch. Luft-Atmen heißt das Atmen ohne Geräusch und Hemmungen, aber es ist etwas grob. Das richtige Atmen ist das Einziehen und Ausstoßen der Luft, ohne daß man das Geringste davon merkt. Dabei wirkt der Geist harmonisch und die Stimmung ist voll Freude. Wenn man sich in der Meditation üben will, so muß man mit der Atemregulierung anfangen. Dadurch gewinnt das Herz einen Stützpunkt, und Geist und Fluidum bewahren sich gegenseitig: „Wenn das Atmen reguliert ist, findet das Herz Ruhe, und wenn das Herz in Ruhe ist, wird das Atmen noch mehr reguliert. Die richtige Atmung kommt und geht, und der Mechanismus der Inspiration und Expiration vermag die Tätigkeit von Himmel und Erde, welche die Dinge J

) Ming-ju hsüeh-an Kap. 12, S. 21 a und b. ) Siehe oben S. 394. 3 ) Ming-ju hsüeh-an loc. cit., S. 5a.

2

IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 8. Lo Hung-hsien

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schaffen und umgestalten,1) an sich zu reißen. Wenn das Herz und die Atmung sich gegenseitig stützen, so sagt man, daß jeder Atemzug zum Urgründe, dem Schicksal zurückkehrt. Das Funkchen der Erleuchtung jedes Gedankens ist immer in Ruhe und leidenschaftslos. Das Grundprinzip, welches die drei Religionen bestimmt, nennen wir Konfuzianer das ruhige Atmen, die Buddhisten das zurückgewandte und die Taoisten das Atmen durch die Fersen.2) Es ist der mysteriöse Impuls zur Schöpfung und Wandlung, zum Öffnen und Schließen.3) Dadurch wird das Wissen erzeugt und das Leben geschützt und durch seine Ausübung erlangt man die nach oben und unten alles durchdringende Wahrheit."4) Wang Tchi hat das richtige Atmen zu einem mystischen und magischen Vorgang gemacht, der bei den meisten erst im Zustand der Versenkung oder Verzückung eintritt. Durch das Atmen soll der Mensch die Fähigkeit zur Weltschöpfung erlangen. Jeder Atemzug dringt bis zum Urgrund alles Seins. Die Atmung des Menschen ist mit derjenigen des Weltgeistes identisch, denn es heißt: „Wohlwollen ist das Prinzip des Lebens und Atemzug das ursprüngliche Prinzip der Umgestaltung des Lebenden, das sich nicht vom Fluidum trennt. Das Atmen des Menschen und des Kosmos wird von derselben Substanz hervorgebracht."5) Daß die drei Religionen das Atmen als ein Grundprinzip betrachteten, ist wieder eine von Wang Tchi'a kühnen, unbegründeten Behauptungen.

8. Lo Hung-hsien 1504—1567. 6) Lo Hung-hsien7) (T. -fu, H. Nien-an8)) stammte aus Tchi-schui9) in Kiangsi. Als er mit vierzehn Jahren das Tsch'uan-hsi lu las, fesselte es ihn so, daß er darüber Essen und Schlafen vergaß und zu Wang Yang-ming reisen wollte, um sein Schüler zu werden, aber sein Vater ließ es nicht zu, und er mußte sich zunächst mit einem Lehrer seines Ortes begnügen. Später kam er zu Wang Yang-ming und schloß sich dem Wang Tchi und dem Tch'ien Te-hung an, ohne aber voll*) Himmel und Erde gelten als Schöpfer aller Dinge. ) Vergl. Gesch. d. alt. chin. Phil. S. 325, Anm. 4. 3 ) Durch Öffnen und Schließen, das heißt durch Expansion und Kontraktion, erfolgt die Erschaffung und Umgestaltung der Dinge. Es sind die dabei wirkenden Grundkräfte. «) Ming-ju hsüeh-an loc. cit. S. 24a: & f| fllj ,fr £ % ,fr £ fllj ,|, * M> K & tt #> 2

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·) Das Todesjahr ist nach der Biographie im Ming-schi Kap. 283, S. 18a: 1567, nach dem Ming-ju hsüeh-an Kap. 18, S. I b : 1564.

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Die Ming-Dynastic

ständig mit ihnen übereinzustimmen. Er erwarb sich ein umfassendes Wissen auf den verschiedensten Gebieten, in Geschichte, Kartenlesen, Geographie, Riten, Musik, Naturlehre, Mathematik, Astronomie, Wasserbau, Staatskunde, Kriegskunst. Sein Leben war sehr einfach, denn seine Familie besaß wenig Mitte], und er übte sich auch in praktischen Dingen, im Ertragen von Hitze und Kälte, im Reiten, aufs Pferd Springen, Bogenspannen.1) Im Jahre 1529 bestand er die Doktorprüfung als Erster und wurde in die Hanlin-Akademie ernannt, scheint es aber als Beamter nicht sehr weit gebracht zu haben. Man rühmt seine Höflichkeit gegen Gäste, welche er in Amtstracht empfing. Selbst stäubte er die Matte aus, stellte die Tischchen zurecht und setzte ihnen Wein vor. Sehr viel beschäftigte er sich mit Kontemplation und baute sich in einer Felsenhöhle, welche früher von Tigern bewohnt gewesen war, eine Behausung, die er „Steinlotus"2) nannte, worin er Meditation trieb. Drei Jahre soll er sie nicht verlassen haben. Bei seinem Tode war kein Geld für das Begräbnis vorhanden. Es wurde ihm der posthume Namen Wen-kung3) und der Rang eines Vizepräsidenten des Banketthofs verliehen. Lo Hung-hsien schrieb eine Biographie des WangYang-mihg. Seine gesammelten Werke umfassen 18 Bücher.4) Sie enthalten wie gewöhnlich Briefe, Beschreibungen, Vorreden, Nachworte und dergl., geben Definitionen einzelner Begriffe der Klassiker und der Philosophen, besonders der Wang Yang-ming-Schale und bringen Auseinandersetzungen mit Freunden und Gesinnungsgenossen. Lo's Interesse gilt den Übungen zur Erziehung des Geistes, metaphysische Probleme werden kaum berührt. Der Identitätsstandpunkt seines Meisters kommt viel schärfer zum Ausdruck als bei Wang Tchi und Tch'ien Te-hung, denn er erkennt auch die objektive Existenz der Dinge an, welche bei ihm nicht zu bloßen Gedankengebilden oder zu Reaktionen zusammenschrumpfen. Darüber äußert er sich wie folgt: „Die Dinge sind die Erreger des Wissens, das Wissen ist die Intelligenz der Gedanken; das Wissen wird von den Dingen angeregt, und dann folgen die Gedanken. Die Gedanken sind Bewegungen des Geistes, der Geist ist der Beherrscher des Körpers, der Körper ist der Grund für das Reich, den Staat und die Familie . .. Es gibt kein Wissen ohne Dinge, keine Gedanken ohne Wissen, keinen Geist ohne Gedanken, keinen Körper ohne Geist und keine Familie, keinen Staat, kein Reich ohne Körper."5) Obgleich er selbst sich so umfassende Kenntnisse auf allen Gebieten erworben hatte, so scheint er doch zu der Einsicht gelangt zu sein, daß es nicht so sehr J

) Biographie, S. 17b. ) £ ^.

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) Biographie, S. 18a: ^J ) Tschung T'ai II, 103.

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IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 9. Ku Hsien-tsch'eng

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auf den Wissensstoff ankommt, der oft falsch ist, als auf die Fähigkeit der Erkenntnis und das Vermögen der Unterscheidung zwischen wahr und falsch, denn er sagt: „Die heutigen Studenten meinen, daß, so lange das ursprüngliche Wesen (des Geistes) nicht zurückgekehrt ist, man durch vieles Studium die Lücke ausfüllen müsse, daß man dann nicht mehr imDunkeln tappe, und alles vollkommen scheine. Ich fürchte aber, daß man nur nach Phantasiebildern hascht, die einen mit fortreißen. Denn ist das eine Methode, um in der Leere eine Ruhestätte zu finden, oder bleibt man dann in der Stille, unbewegt von äußeren Einflüssen, und gelangt dadurch zur Einsicht? Es ist so, wie mit einem Spiegel: wenn man den Staub abwischt, so kehrt der Glanz zurück, ich habe aber noch nicht gehört, daß man hübsche und häßliche Bilder schaffen kann, um der mangelnden Spiegelung abzuhelfen. Daher muß man die Erkenntnisfähigkeit für wahr und falsch als Handhabe benutzen und nicht die ausgedehnteren oder geringeren Kenntnisse für Wahrheit oder Falschheit ausgeben."1) Lo Hung-hsien möchte mit dem angeborenen Wissen als einzigem Prinzip auskommen. Außer diesem, sagt er, existieren nicht noch Sinn und Vernunft. Wenn diesem Wissen schöne Bilder entgegentreten, so findet es sie schön, und wenn es üble Gerüche wahrnimmt, so erscheinen sie ihm widerwärtig. Es denkt nicht und strengt sich nicht an und kommt aus dem Gleichgewichtszustand hervor. Um Tao zu erkennen, bedarf die Welt keines ändern Organs.2) Man bedient sich des angeborenen Wissens, indem man durch seine Anwendung das im Geiste ruhende Unterscheidungsvermögen ausübt. So lange dieses Wissen ruht und nicht in Tätigkeit tritt, ist es die Leere, Stille und Ruhe des Geistes.3) Wang Tchi meinte, das angeborene Wissen sei ganz natürlich und erfordere nicht die geringste Anstrengung. Demgegenüber war Lo der Ansicht, daß es kein solches vollständig bereites Wissen gäbe, sondern man müsse es sich erst erwerben.4) Lo Hung-hsien hatte einen bedeutenden Schüler, Hu Tschi.*)

9. Ku Hsien-tsch'eng 1550—1612. 9

Ku Hsien-tsch'eng ) (T. Schu-schi, H. Tching-yang7 ) aus Wu-hsi9) war der dritte von vier Brüdern. Schon mit neun Jahren soll er das Kapitel des Han Yü über das Tabu von Namen gelesen haben, und er wollte den persönlichen Namen seines Vaters Hsüeh9)= Studium verbergen. Es gelang ihm nicht, da das Wort ') A. a. O. S . 6 a : ^ £ » * J ä # H * « ! & « W * J B l ; t t ± . 4 » « * f Ä . f l S l

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Die Miiig-Dynastie

immer wieder vorkam, was ihn sehr traurig machte. Sein Vater sagte ihm, ein solches Wort könne nicht tabu sein, denn das wäre ein Unglück für das Studium. Auch ein alter Fürst von Han1) habe seinem Sohne das Wort tschung2) = Loyalität aus demselben Grunde freigegeben. Im Alter von vierzehn bis fünfzehn Jahren studierte er bei Tschang Yiian-lo3) und später bei Hsieh Fang-sehan*) und wurde, nachdem er im Jahre 1580 die Doktorprüfung bestanden hatte, zum Sekretär im Finanzministerium ernannt. Von verschiedenen Schulen wurde er eingeladen, über das Studium zu reden. 1608 wurde er zum Vizepräsidenten des Bankettamts befördert. Nach seinem Tode erhielt er im Jahre 1629 den posthumen Rang eines Vizepräsidenten des Innenministeriums und den Ehrennamen Titan-wen.5) In seiner Philosophie steht er dem Wang Yang-ming nahe, aber er bekämpft aufs Heftigste dessen Ansicht, daß die menschliche Natur weder gut noch böse sei, und glaubt, daß die Verderbtheit der Welt mit der Verbreitung dieser Lehre angefangen habe.6) Seine hinterlassenen Schriften wurden von einem Urenkel gesammelt und mit einer chronologischen Lebensbeschreibung in 38 Büchern gedruckt.7) Darin ist auch das Hsiao-hsin tschai tscha-tchis) enthalten, dessen Inhalt zum großen Teil philosophisch ist.9) Als Urprinzip betrachtet Ku die Natur. Die Philosophen der verschiedensten Richtungen sollen alle ihre besonderen Ansichten darüber haben und auch oft sehr einseitige, weil sie mit Yin und Yang und den Elementen schalteten, als ob sie ihnen zu eigen gehörten.10) Die Natur ist das eigentliche Wesen des menschlichen Geistes und auch des Himmels oder der Welt, denn: „das, wodurch das Herz Herz ist, ist nicht, was man Fleisch und Blut nennt, sondern es muß einen Ort haben, worin es wurzelt, das ist die Natur. Spricht man vom Herzen ohne Rücksicht auf die Natur, dann findet man, daß es in Empfindungen und Wissen versinkt, und es wird vergröbert und verliert seine Feinheit.11) Das, wodurch der Himmel Himmel ist, ist nicht, was man als dunkel und geheimnisvoll bezeichnet,12) sondern es muß einen Ort haben, woran es haftet, das ist die Natur. Spricht man vom Himmel und berücksichtigt nicht die Natur, dann findet man, daß man ihn außerhalb des Mensehen suchen muß,13) und er ist leer und nicht voll."14) e

) Ming-ju hsüeh-an Kap. 58, S. 5a. ' » P Ü B i f c - S - i t t f H + ' b ^ P i f ^ l t — m- (Sse-t'u tch'üan-schu Kap. 96, S. 31 a). ' ) * · & * 3l IE. ) An kleineren Werken schrieb Ku Hsien-tsch'eng außerdem: g ^ jjfc ^g, ^ ^ %\ äS n lt> M Ö Ü. W IS> & 3 und anderes. Vergl. Tschung T'ai II, 110. 10 ) Ming-ju hsüeh-an Kap. 58, S. 8b. ") Der Geist besteht nicht nur aus Empfindungen und Erkenntnis. 12 ) Nämlich Tao. 13 ) Der Himmel, die Welt ist nicht außerhalb des Menschen, sondern niht in seinem Geist, in seiner Natur. ") Ming-ju hsüeh-an Kap. 58, S. 23b : & 2. ffi & & & ft fa tö 2. ffi ·&* M fä

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IV. Wang Yang-ming und seine Schule: 9. Ku Hsien-tsch'eng

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Die Natur wird nicht dem bewußten, sondern dem unbewußten Wissen, der Intuition gleichgesetzt, denn es heißt : „Nicht lernen und nicht denken ist, was man Natur nennt. Die darüber diskutieren, sind der Meinung, daß man von dem Nichtlernen und Nichtkönnen der Säuglinge zu den mühelosen Leistungen der Heiligen gelangt und von dem Nichtdenken und Nichtwissen der Säuglinge zu den ohne Nachsinnen erreichten Erfolgen der Heiligen."1) Von dem angeborenen Wissen und Können der unmündigen Kinder führt eine grade Linie bis zu den außerordentlichen Leistungen der Heiligen. Sie werden auch nicht durch mühevolles Denken, sondern durch Intuition ohne Anstrengung erreicht. Zwischen den unbewußten Handlungen kleiner Kinder und großer Weiser besteht kein prinzipieller Unterschied, und es gilt der alte Satz, daß ein großer Mann sein Kindergemüt nicht verliert.2) Das angeborene Wissen ist die Fähigkeit, Gutes und Böses zu unterscheiden. Wang Yang-ming behauptet, daß dieses Wissen selbst weder gut noch böse sei, was nach Ku's Dafürhalten nicht zu verstehen ist.3) Die Buddhisten sollen das Wahrnehmungsvermögen für die Natur halten. Auch das erklärt unser Philosoph für falsch und betrachtet nur das Vernunftprinzip als die Natur: „Wir Konfuzianer", sagt er, „halten das Vernunftprinzip für die Natur, die Buddhisten dagegen sehen das Wahrnehmungsvermögen dafür an. Wenn man vom Vernunftprinzip redet, so bleibt das immer dasselbe ; von den Menschen bis zu den Tieren und Vögeln, Bäumen und Pflanzen, Ziegeln und Steinen ist es das gleiche, auch wenn man es zerteilen wollte, könnte man es nicht.4) Spricht man hingegen vom Wahrnehmungsvermögen, so ist das verschieden. Auch Ziegel und Steine sind nicht ohne Wahrnehmung, aber sie ist sicher anders als die der Pflanzen und Bäume; auch diese sind nicht ohne Wahrnehmung, aber sie ist sicher anders als die der Tiere und Vögel; auch diese besitzen diese Fähigkeit, aber sie ist nicht die gleiche wie die der Menschen. Selbst wenn man die Einheit wahren wollte, würde dies nicht gelingen. Soll man nun das sich stets Gleiche für die Natur halten oder das Ungleiche?"5) Die Pflanzen haben Organe, mit denen sie atmen, Licht, Wärme und Feuchtigkeit aus der Umwelt aufnehmen, aber man kann es eigentlich nicht Wahrnehmung nennen, denn sie haben von diesen Vorgängen kein Bewußtsein. Noch viel weniger ist das bei leblosen Gegenständen wie Ziegeln und Steinen der Fall. Äußere Einflüsse wie Hitze und Kälte, Feuchtigkeit und Trockenheit, mechanische und andere Kräfte rufen Veränderungen in ihrem Innern hervor, aber sie wissen nicht

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) Vergl. Meng-tse (Legge, S. 322). ) A. a. O., S. 15b— 16a. 4 ) Das Vernunftprinzip durchflutet alle Dinge der Welt und ist nur eins. 3

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Die Ming-Dynastie

darum. Nach Ku's Ansicht ist allerdings auch jeder Stein vom Vernunftprinzip erfüllt, das intuitiv, aber unbewußt wahrnimmt. Die Natur, lehrt Ku Hsien-tsch'eng, kann gut genannt werden. Das ist eine allgemeine Bezeichnung für tausend Tugenden. Man kann ihr aber auch noch 'besondere Namen geben und sie leer, erleuchtet, rein und still nennen.1) Daß Wang Yang-ming nicht gut und nicht schlecht als Charakteristikum für die Natur aufgestellt habe, vermag er, wie er sagt, in seiner Einfalt sich nicht zu erklären.2) Wang Yang-ming''s Ansicht über nicht gut und nicht schlecht komme der des Kao-tse gleich.3) Das zu leugnen, wäre Wortverdrehung, gerade so, wie wenn jemand, der für die allgemeine Menschenliebe als Grundlage der Tugend eintritt, behaupten wollte, daß dies mit der Meinung des Me Ti nicht übereinstimme.4) Während gewöhnlich die Natur für vollkommen gut nur in ihrem Urzustand, bevor sie in Tätigkeit getreten ist, erklärt wird, gibt unser Philosoph eine ganz andere Definition der Güte, welche die höchste Fülle und zugleich die größte Leere oder Transzendenz bedeuten soll, denn er sagt: „Den Zustand, bevor Freude und Zorn, Kummer und Lust hervorgekommen sind, nennt man das Gleichgewicht. Er ist leer von Freude, Zorn Kummer und Lust, aber er ist nicht gut. ,Das Wirken des erhabenen Himmels ist ohne Ton und ohne Geruch.'5) Es ist leer von Tönen und Gerüchen, aber es ist nicht gut. Das Gute verfällt innerlich nicht in die vier Leidenschaften und nach außen nicht in Töne und Gerüche. Sein Wesen ist die höchste Fülle und zugleich die größte Leere. Wollte man es noch weiter ausleeren, würde man dann nicht ein Haus auf ein anderes türmen und ein Bett unter dem ändern ausbreiten6)?"7) Zu Ku's Zeit scheint Wang Yang-ming von vielen Seiten heftig angegriffen zu sein. Ku versucht diese Kritiker durch den Hinweis zu entschuldigen, daß auch Wang Yang-ming Tschu Hsi gegenüber ähnlich gehandelt habe, und dadurch auch den Angriff gegen ihn indirekt zu rechtfertigen. Er berichtet: „Meng Wo-tchiang fragte mich, was für ein Mann T'ang Jen-tch'ing Po-yuan sei. Ich sagte: ein Edler. Meng fuhr fort: .Warum greift er Wang Yang-ming so heftig an?' — Ich antwortete: ,Tschu Hsi betrachtete den Lu Tchiu-yuan wie Kao-tse, und Wang Yang-ming den Tschu Hsi wie Yang Tschu und Mi Ti. Beide gebrauchten starke Worte. Nicht nur Tlang Jen-tch'ing geht zu weit'" 8 ) 2 ») Ibid. S. 21 b. ) S. 9a. ») Vergl. Gesch. d. alt. chin. Phil. S. 556, Anm. 5. *) Ming-ju hsüeh-an Kap. 58, S. 22 a. 6 ) Schiking Part HI, Bk. I, Ode I, 1 (Legge, Classics Vol. IV, S. 432). e ) Ebenso töricht wie diese Handlungsweise wäre es, die Definition der Güte noch über die große Leere hinaus auszudehnen. ') Ming-ju hsüeh-an a. a. O. S. 21a: | | & £ ig £ % # gg £ , g fö g % %

V. Anhänger rles Yang Schi: I. Kao P'an-lung

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V. Anhänger des Yang Schi. 1. Kao P'an-lung 1562—1626. Kao P'an-lung ) (T. Ts'un-tschi, H. Tching-i2) wurde in Wu-hsi, in der Präfektur Tsch'ang-tschow3) der Provinz Kiangsu geboren. In seiner Jugend studierte er besonders die Schriften des Tsch'eng-tse und des Tschu Hsi. Als ein Beamter eine Eingabe an den Thron machte, worin er beiden Philosophen vorwarf, die Sitten der Sung-Zeit verdorben zu haben, trat Kao zu ihrer Verteidigung auf. In Wu-hsi bestand die alte Tung-lin-Schule,*) in welcher der Philosoph Yang Schi der Sung-Dynastie gelehrt hatte. Sie war später zerfallen und in ein Buddhistenkloster verwandelt. Mit Ku Hsien-tsch'eng5) zusammen ließ er sich das Gebäude von der Behörde abtreten, besserte es aus und richtete darin wieder eine Schule ein.6) Beide lehrten darin jeden Monat an drei Tagen. Von nahe und fern strömten dazu die Hörer herbei, meist mehrere hundert Personen.7) Im Jahre 1621 wurde Kao P'an-lung zum Vizepräsidenten des Bankettamts ernannt, 1624 zum Vizepräsidenten des Zensorats befördert. Da ereilte ihn wie so viele Beamte, welche von ändern um ihre Stellung beneidet werden, das Verhängnis. Auf eine Verleumdung hin wurde er degradiert. Der Kaiser ließ sogar seine Schule zerstören und wollte ihn selbst verhaften lassen. Kao war am Morgen zum Ahnentempel des Yang Schi gegangen und dann mit zwei Schülern und seinem jüngeren Bruder in seinen Garten zurückgekehrt, wo er an einem Teiche mit ihnen trank. Als er hörte, daß er verhaftet werden sollte, sagte er lachend: „Ich habe immer den Tod wie eine Rückkehr betrachtet. Jetzt wird es wirklich dazu kommen." Dann ging er ins Haus, sprach mit seiner Frau wie gewöhnlich, schrieb zwei Abschiedsbriefe und schickte seine Begleiter fort. Als sie später die Tür aufstießen und Licht anzündeten, fanden sie, daß Kao P'an-lung sich in vollem Ornat in den Teich gestürzt hatte. In seiner [unterlassenen Rechtfertigung an den Kaiser schrieb er, daß die ihm, einem hohenBeamten, angetane Schmach eine Schande für das Reich sei. Deshalb sei er dem Beispiel des Tch'ü Yuan gefolgt.«) Im Jahre 1628, zwei Jahre nach seinem Tode, wurde er rehabilitiert. Der neue Kaiser Lung-tch'ing verlieh ihm den posthumen Rang eines Prinzenerziehers und Präsidenten des Kriegsministeriums, gewährte ihm besondere Totenehren und kanonisierte ihn als Tschung-hsien.9) Einer seiner Widersacher wurde hingerichtet. Seine Schüler bauten in demselben Jahre die Tung-lin-Schule wieder auf. Zu seinen Schülern zählte auch Liu Tsung-tschou.10) 1

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) Ming-ju, hsüeh-an Kap. 58, S. 28. ") A*·

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·) Tschung T'ai II, 110. ) Ming-schi Kap. 243, S. 18b. 10 ) « g JQ. Siehe S. 434. 8

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Die Ming-Dynastie

An Schriften hinterließ Kao das I-schu, ein Werk über das Yiking, das Tschouyi yi-tchien, und eins über das Tsch'un-tch'iu, das Tsch'un-tch'iu k'ung-i.1) In seiner Weltanschauung steht Kao P'an-lung dem Yang Schi2) am nächsten.3) Wie dieser ist er Monist in der Art des Tschang-tse, der die ganze Welt von einem einzigen Fluidum erfüllt sein läßt. Geist und Materie sind nur Modifikationen desselben Fluidums; das feinere, ätherische und immaterielle ist der Geist, das gröbere, materielle der Körper. Zu Yang Schi scheint sich unser Philosoph besonders hingezogen gefühlt zu haben, denn er lehrte in seiner Schule und besuchte seinen Ahnen tempel. Mit Bezug auf das eine Weltf luidum sagt Kao P'an-lung: „Der Raum zwischen Himmel und Erde ist ganz von einem Fluidum ausgefüllt. Was Tschang-tse als leer und inhaltlos bezeichnet, ist dieses Fluidum. Es ist ganz leer4) und ganz geistig und enthält Vorschriften und Prinzipien. Sofern es ganz leer und ganz geistig ist, ist es im Menschen der Geist, und sofern es Vorschriften und Prinzipien enthält, ist es im Menschen die Natur. Wenn man es läutert, wird es klar und bildet das Vernunftprinzip, wenn man es vermischt, wird es trübe und entwickelt sich zu den Begierden. So lange das Vernunftprinzip vorhanden ist, herrscht es im Innern, sobald es aber von den Begierden gefesselt wird, stirbt es draußen. Wie aber kann man es läutern und klar machen? Einmal entwickelt die Spontaneität des himmlischen Tao das nächtliche Fluidum5), und zweitens wird es durch das richtige Handeln des menschlichen Tao gepflegt und erhalten."6) Man beachte, daß hier das Vernunftprinzip nicht wie bei Tschu Hsi höchstes Weltprinzip ist und allem voran geht, sondern es entsteht erst durch Läuterung des Fluidums im Menschen. Das trübe Fluidum sind die Begierden. Die Materie faßt der Philosoph als vergröbertes Fluidum auf, denn er sagt: „Das Feine und Ätherische des Fluidums wird zum Geist, und das Ausfüllende und Verstopfende des Geistes ist das Fluidum.7) Es sind nicht zwei verschiedene Dinge. Ist der Geist korrekt, so ist das Fluidum rein, und ist dieses rein, so ist der Geist korrekt. Auch das sind nicht zwei verschiedene Dinge. Die Arbeit der Pflege des Fluidums besteht darin, daß man den Willen festhält. Wenn dieser festgehalten wird, dann wird er nicht von den Dingen gefesselt, und man hat den ganzen Tag Ruhe. Ruhe, das bedeutet anhalten und ausruhen. Die tausend schwirrenden Gedanken werden alle zur Ruhe gebracht, und in der Brust ist 2

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« f t . S. 104. Ming-ju haüeh-an Kap. 58, S. 33 a. Das heißt immateriell. Vergl. Gesch. d. alt. chin. Phil., S. 203, Anm. 3. Ming-ju hsüeh-an loc. cit. S. 67b: ^_ j$ [$ jf £fc — % fljj £ , 56 T' ffi If JA

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') Hier ist Fluidum soviel wie Materie.

V. Anhänger des Yang Schi: 1. Kao P'an-lung

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kein einziger mehr enthalten. Das nennt man Ruhe.1)"2) Hiermit sind wir denn schon bei dem Lieblingsthema des Philosophen, der Meditation angelangt. Beim Fluidum interessiert ihn eigentlich nur der feinere Teil, der Geist und seine Wandlungen und Umgestaltungen, mit dem gröberen Fluidum, aus welchem die Dinge entstehen, gibt er sich weniger ab. Tschang Tsai hatte die Dinge als kondensiertes Geistfluidum aufgefaßt. Diese Auffassung bekämpft Kao P'an-lung. Wir lesen: „Lo Tch'in-schun3) lehrt: Wenn sich das Fluidum zusammenballt, dann gibt es ein zusammengeballtes Prinzip, und wenn es sich auflöst, dann gibt es ein aufgelöstes Prinzip. Wenn sich das Fluidum auflöst oder zusammenzieht, so ist das Prinzip darin." Der Meister sagte: ,Wenn man von seinem ursprünglichen Wesen spricht, so kann das Prinzip sich nicht zerstreuen oder zusammenziehen und das Fluidum auch nicht. Der menschliche Körper zum Beispiel ist ein Ding und als solches geht es zugrunde, aber das gilt nur von den zahllosen getrennten Existenzen und nicht von ihrem Ursprung. Das Fluidum unterscheidet sich vom Prinzip nur dadurch, daß ersteres materiell, letzteres immateriell ist, aber man kann nicht von Zusammenziehung und Zerstreuung sprechen."4) Der Geist wird hier als Prinzip bezeichnet. Das Fluidum als der Ursprung aller Dinge geht nie zu Ende, sondern wird nur umgestaltet. Dasselbe gilt in noch höherem Grade vom Geiste. Kao sagt: „Wenn der Geist die große Leere ist, dann gibt es kein Leben und kein Sterben."5) Der Philosoph bedarf eigentlich keines Urprinzips. Er versteht darunter lediglich die Substanz des wahren, begierdelosen Geistes, also kurz gesagt, den Geist, das feine Fluidum: „Das Urprinzip ist der äußerste Punkt, wohin man mit dem Prinzip gelangt. Sofern es im menschlichen Geiste ist, ist dieser rein und ohne Leidenschaften, es ist seine Substanz. Die früheren Konfuzianer haben erklärt, daß der Geist das Urprinzip sei. Diesen Satz muß man gut verstehen: der begierdelose Geist ist der wahre Geist, und der wahre Geist ist das Urprinzip. Wenn man nur darauf sieht, daß es keinen Körper, keinen Raum und keine Grenze hat, so ist das eine Ansicht, aber sie ist verkehrt."6) Die Definition des Urprinzips als eines Wesens ohne Körper, ohne Raum und ohne Grenzen reicht nicht aus, es muß noch hinzugefügt werden, daß es reiner Geist sei. Vom Geiste wird noch r

) Nichts wünschen und nichts denken ist das Ideal des Meditierenden.

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Die Ming-Dynastie

weiter ausgesagt, daß er das Gute sei, denn dieses erschafft die Dinge.1) „Die Erleuchtung im Geist ist das himmlische Prinzip."2) Den Himmel stellt sich Kao P'an-lung auch als Schicksal und insofern etwas anthropomorph vor: „Der Himmel ist nur der Himmel. Wenn er in den menschlichen Körper fällt, dann nennt man ihn Schicksal. Der Begriff Schicksal ist der Begriff Himmel."3) Ferner heißt es: „Was die Menschen jetzt Himmel nennen, ist nur das Blau dort oben. Sie wissen nicht, was über den neun Himmeln und was unter den neun Erden ist.4) Von meiner Haut, meinem Haar, meinen Knochen und meinem Mark bis zu den sechs Himmelsgegenden,5) das Innere und das Äußere, ist alles Himmel. Wenn ich nun einen guten Gedanken habe, so weiß ihn der Himmel bestimmt, und wenn ich einen schlechten Gedanken habe, ebenfalls. Aber der Himmel strengt sich dabei nicht besonders an.6) Wenn er das Gute erfährt, dann belohnt er es mit Gutem, und wenn er das Schlechte hört, so vergilt er es mit Schlechtem. Wirkung und Gegenwirkung sind wie Körper und Schatten. Wenn etwas Gutes einwirkt, so folgt die gute Rückwirkung, und wenn etwas Schlechtes einwirkt, die schlechte Rückwirkung. Beide wirken ganz natürlich, spontan."7) „Frage: ,Wenn beide spontan erfolgen, weshalb nimmt man an, daß es der Himmel ist, und weshalb muß der Himmel es wissen?' Antwort: ,Man nimmt deshalb an, daß der Himmel Wirkung und Gegenwirkung ist, weil nicht zwei Dinge vorhanden sind. Wenn man sagt, daß es ein Wirkendes und ein Gegen wir ken des gäbe, dann wären zwei Dinge vorhanden, aber da es nicht zwei gibt, kann die Gegenwirkung niemals ausbleiben."'8) Der Opponent meint, daß, wenn das Schicksal spontan wirke, man des Himmels entbehren könne, aber Kao entgegnet, daß, wenn die Einwirkung der Taten als Gegenwirkung das Schicksal, nämlich Glück oder Unglück, hervorriefe, zwei Dinge vorhanden sein müßten, es existiert aber nur eins, nämlich der Himmel, der gleichbedeutend mit dem Weltgeist ist. Folglich können Wirkung und Gegenwirkung nur in ihm erfolgen. Er muß also darum wissen und das Schicksal bewußt herbeiführen. >)S.48b.

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von Suntse (6. Jahr. v. Chr.) erwähnt. (L. Giles, Sun Tzü, S. 27.) *) Die vier Himmelsrichtungen, oben und unten. e ) Der Himmel kennt die Gedanken der Menschen ohne weiteres, denn der Himmelsgeist ist ja auch der Menschengeist. ') Ming-ju hsüeh-an Kap. S8, S. 41b : -^ JSff |g } # £ £ # ± * S W^

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V. Anhänger des Yang Schi: 1. Kao P'an-lung

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Für die Pflege der Persönlichkeit interessiert sich Kao P'an-lung ganz besonders. Sie zerfallt in Stud-ium und in Meditation. Bevor man mit dem Studium beginnt, hat man schon viel von den schlechten Gewohnheiten der Zeit angenommen, und es ist schwer, sie wieder auszurotten. Man muß eifrig studieren, damit durch den Inhalt der Lektüre der gemeine Sinn geändert und der Geist gereinigt wird. Wenn man dann stumm dasitzt, dann fällt der Schmutz und das Böse ab, der rechte Geist wird gekräftigt, und auch das Fluidum wird so, wie es sein muß.1) Es ist nicht ratsam, außer den Vier Büchern und den Werken von Tschou-tse, Tschang-tse, Tsch'eng-tse und Tschu Hai noch viele Bücher zu lesen, da man dadurch nur unsicher wird.2) Es kommt besonders darauf an, in seinem eigenen Herzen Einkehr zu halten: „Wenn man in seinem eigenen Innern einkehrt, dann versteht man die Dinge zu erforschen."3) — „Das Ergründen des Prinzips ist die Erforschung der Dinge, das Kennen der Wurzel ist die Norm der Dinge. Wenn man das Prinzip ergründet, so findet man eine Wurzel, aber tausend Verschiedenheiten, und wenn man die Wurzel kennt, so sind tausend Verschiedenheiten vorhanden, aber nur eine Wurzel."*) „Falls man nicht an sich arbeitet, so wird man von seinen Begierden nach außen fortgerissen, wenn man es tut, dann werden die Gedanken im Innern gefesselt. Deshalb ist es nötig, nach der Norm der Dinge das Wissen bis zum Äußersten auszudehnen, wahrhaftig und korrekt zu sein, dann läßt sich reden."5) Um den Geist in seiner Reinheit kennen zu lernen, muß man sich möglichst von den die Einsicht störenden Gedanken frei machen: „Was die Menschen gewöhnlich ihren Geist nennen, sind nur Gedanken. Der menschliche Geist ist Tag und Nacht an Gedanken gefesselt, daher erscheint sein wirkliches Wesen nicht. Wenn man diese alle beiseite läßt und den Geist von den Gedanken trennt, dann kann man seme Natur erkennen. Der Gedanke des Beiseitelasseas ist auch ein Gedanke, wie ist es nun möglich, den Geist von den Gedanken zu trennen ? Der Gedanke, welcher die vielen beiseite schiebt, ist nur ein Gedanke, den man Konzentration nennt. Wenn man sich lange Zeit darin geübt hat, dann wird man eines Tages erleuchtet werden."6) Die Lehre von der Meditation, wie sie Kao P'an-lung übte, stammt aus der Schule des Li T'ung.7) Kao schildert, in welcher Weise er seine Persönlichkeit 2

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Die Ming-Dynastie

pflegte, und gibt eine chronologische Darstellung seiner geistigen Entwicklung. Einen halben Tag pflegte er zu studieren und einen halben still dazusitzen. Für das Studium verwandte er besonders die Schriften der beiden Tsch'eng und des Tschu Hsi. Dann beobachtete er seinen Geist im Zustande vollständiger Ruhe und dachte sich in das himmlische Prinzip hinein. Des Nachts zog er sich nicht aus. Nur wenn er sehr müde war, schlief er, und beim Erwachen setzte er die Meditation fort. Das Fluidum seines Geistes wurde dadurch rein und klar. Er reiste auch in schöne Gegenden, fand dort Ruhe und freute sich an der Natur. Die quälenden Gedanken verschwanden plötzlich, gerade als ob er eine schwere Last niedergesetzt hätte. „Wie ein Blitz durchzuckte es ihn und verbreitete Helle in seinem Innern. Mit der großen Schöpfung stand er in Harmonie ohne irgend welche Trennung, und zwischen Himmel und Mensch, Innerem und Äußerem bestand keine Scheidung mehr. Darauf sah er, daß die Himmelsgegenden alle in seinem Herzen und in seiner Brust einen ganz kleinen Raum einnahmen und in einem Kubikzoll ihren Sitz hatten. Sie waren Geist und ganz deutlich, und man konnte eigentlich kaum von einem Raum sprechen."1) Kao ist der Meinung, daß mittelmäßige Gelehrte, um ähnliche Erfolge zu erzielen, zwanzig und mehr Jahre sich üben müssen. Die Meditation ist nach Kao P'an-lung die Erweckung des Geistes und die Ausschaltung des Willens. Dadurch konzentriert sich der Geist in natürlicher Weise, will nichts hervorbringen, denkt an keine Erfolge und haftet nicht an einem Ort. Der Anfang ist schwer, da man die richtige Methode nicht kennt. Man muß sich deswegen an die wichtigen Worte der Weisen halten. Wenn man erst drei Tage still dagesessen hat, dann gelangt man in den Bereich des Wunders. Für die Meditation bedarf es keiner besonderen Vorbereitungen wie etwa Fasten oder Reinigungen, es genügt, daß man ganz natürlich, stumm und still dasitzt. Dann kommen die Begierden nicht hervor, und das himmlische Prinzip erscheint in seiner wahren Natur. Man muß seine Aufmerksamkeit nur darauf richten, dann verschwinden die schlechten Gedanken von selbst, und man braucht sie nicht gewaltsam zu entfernen. Das trübe Fluidum wird geläutert, und man erkennt seine ursprüngliche Natur, die wieder in ihrer vollkommenen Reinheit erscheint.

2. Liu Tsung-tschou 1578—1645. Liu Tsung-tschou*) (T. Tch'i-tung, H. Nien-t'ai und Tch'i-schan3) wurde erst fünf Monate nach dem Tode seines Vaters in Schan-yin*) (Tschekiang) geboren.

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V. Anhänger des Yang Schi: 2. Liu Tsimg-tschou

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Da seine Familie sehr arm war, so wurde er in einer ändern Familie erzogen, kehrte aber nach Hause zurück, um seinen kranken Großvater zu pflegen, für· den er Holz fällte und Wasser holte. Er war selbst schwächlich und erkrankte gleichfalls, konnte aber wegen seiner Armut nichts für seine Gesundheit tun. Trotzdem überwand er alle Schwierigkeiten und bestand 1601 das Doktorexamen. Nachdem er in der Tung-lin-Schule1) die Vorlesungen des Kao P'an-lung gehört hatte, nahm er seine Methode an, indem er für gewöhnlich einen halben Tag studierte und einen halben Tag auf die Meditation verwandte. Mit Gesinnungsgenossen gründete er selbst auf dem Tch'i-schan in seiner Heimatprovinz eine Schule, die den Namen Tscheng-jen schu-yuan2) erhielt, wo er unterrichtete und gegen tausend Schüler heranzog. Liu lebte sehr frugal und kleidete sich sehr einfach. Als Beamter stieg Liu Tsung-tschou bald zu den höheren Ämtern empor, wurde aber wegen seiner Berichte über Mißstände, und weil er öfter Berufungen ablehnte, entlassen. Nach einiger Zeit wurde er indes wiederangestellt. 1629 finden wir ihn als Gouverneur von Peking, dann wurde er zum Vizepräsidenten im Arbeitsministerium. 1642 zum Vizepräsidenten im Innenministerium und zum Präsidenten des Zensorats befördert. Der letzte Ming-Tiaiser fragte ihn, als er von den Mandschus hart bedrängt wurde, häufig um Rat.3) Nach dem Sturz der Ming-Dynastie wollte Liu seinem Leben durch Ertrinken ein Ende machen und sprang aus einem Boot ins Wasser. Die Stelle war sehr seicht, und die Bootsleute zogen ihn wieder heraus. Daraufnahm er keine Nahrung mehr zu sich und soll erst nach 23 Tagen gestorben sein. Die ersten zehn Tage trank er noch Tee, dann hörte er auch damit auf. Bis zu seinem Tode unterhielt er sich wie gewöhnlich mit seinen Schülern. Zwei derselben folgten seinem Beispiel, der eine erhängte sich, der andere stürzte sich von einer Brücke in einen Fluß. Seine Mitbürger gaben ihm den posthumen Ehrennamen Tscheng-i hsienscheng,*) der ,gerade und gerechte Meister.'5) Liu Tsung-tschou schrieb besonders für seine Schüler das Jen-p'u*) über die menschlichen Pflichten. Darin findet sich auch das Jen-tchi fu-schuo,1) die erläuterte Skizze des Menschheitsprinzips, dem T'ai-tchi t'u-schuo nachgebildet. Dazu gehört der Satz: „Nicht gut, aber das höchste Gut, das ist das Wesen des Geistes."8) Ein anderes kleines Werk ist das Scheng-hsüeh tsung-yao,9) ein Kompendium der Sww « * $ # · ·) S. 57a: Ä JW JBt Ä, Ä fi £ if«) S. ZG*·· >(jf£!i£%£'g,ffi2. fefaJk^i $ · k" übrigen sPielt dle intuitive Erkenntnis, das Schibboleth der Wangmingianer, bei Liu keine große Rolle. ') S. 13a:

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V. Anhänger des Yang Schi: 2. Liu Tsung-tschou

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Weltgeist durchflutet: „Im Geist ist kein einzelner Vorgang. Er fließt mit Himmel und Erde zusammen gewaltig dahin."1) Umgekehrt läßt sich dann auch behaupten, daß das den Weltraum anfüllende Tao vom Menschenherzen regiert werde.2) „Das Menschenherz hat nur einen Zoll im Durchmesser, aber innen ist es leer.3) Nach allen Seiten hin hat es ganz das Aussehen der großen Leere. Da es leer ist, ist es voll geistigen Lebens, und da es geistig, so nimmt es wahr. Das Wahrnehmen hat einen Herrn, das ist das Denken. Es ist der Träger des himmlischen Schicksals, von dem die -Lehre der menschlichen Natur ihren Ausgang nimmt."4) Das Wesen des Herzens kommt in der menschlichen Natur zum Ausdruck. Als Vernunftprinzip besitzt diese Natur die vier Tugenden: Wohlwollen, Gerechtigkeit, Sittlichkeit und Wissen und durch eine Verbindung mit dem Fluidum oder dem Herzen auch die Gefühle: Freude, Zorn, Kummer und Lust,6) die also zur Natur nicht im Gegensatz stehen können.*) Liu Tsung-tschou polemisiert gegen die buddhistische Auffassung des Geistes, worunter sie nur die Wahrnehmungen verständen. Ihr Denken sei kein Denken, ihr Wissen kein Wissen und ihre Dinge keine Dinge. Nur durch den konfuzianischen Geist würden die Dinge richtig erfaßt. Lu Hsiang-schan'e Geist sei noch in Ordnung gewesen, aber sein Schüler Yang Tchien habe schon die Prinzipien der Dhyäna-liehie angenommen.7) Seinen eigenen Standpunkt formuliert er demgegenüber wie folgt: „Der Geist bei den Buddhisten ist kein Geist, aber man kann nicht umhin, die Welt und die Dinge für Geist zu halten. Ihre Dinge sind keine Dinge, aber man kann nicht umhin, den Geist als die Welt und die Dinge anzusehen. Es ist (bei den Buddhisten) wie mit Blumen in einem Spiegel. Ihre Verwendung ist keine Verwendung und ihre Substanz ist keine Substanz."8) Bei der Pflege der Persönlichkeit legt der Philosoph das Hauptgewicht auf schen-tu,6) was im Tschung-yung10) bedeutet, daß man über sich wachen soll, wenn man allein ist. Tu ist also soviel wie einsam, allein. Liu dagegen versteht darunter das Einzige, das Einzigartige, nämlich das Urprinzip. Er sagt: „Das Prinzip des Nichtseins und das Urprinzip, das ist die Substanz des Einzigen."11) Man soll sich also besonders mit dem Übersinnlichen beschäftigen, dem Transmundanen. Dazu bedarf es natürlich der Meditation, wegen welcher Liu sich auf ') S.45b: & fc —*. iS ** Ä ^ * fä *· «) Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 25, S. 16a: g ^ H6 fei ^ St &, ffij IS W fö >( «**. . 9 ) Der Philosoph scheint keine anatomische Kenntnis des Herzens besessen zu haben. «) A. a. O. S. 16b: ff g ^ 3-,ffij& , 3 Ü G ± & ± $, A #C S> g ft

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Die Ming-Dynastie

LiT'ung, aber auch auf das Tschung-yung beruft. Es kommt darauf an, den Seelenzustand, bevor die Leidenschaften hervorgekommen sind, wieder herzustellen, in welchem man angeblich den eigenen Geist und damit auch das Urprinzip erkennen kann. Tschu Hsi soll den Schülern empfohlen haben, den halben Tag still dazusitzen und den halben Tag zu studieren, eine Regel, an welche sich Liu wie sein Lehrer Kao P'an-lung hielt. Durch Meditation erlangt man große Kraft zum Studium. Man muß nicht nur das eigene Herz, sondern auch die Klassiker studieren, welche die Lehren der Weisen enthalten. Wang Yang-ming hielt sehr wenig vom Studium, aber gab auch nicht viel auf Meditation.1) Das Stilldasitzen soll zur Pflege der Lebenskraft dienen. Man kann dadurch sein Fluidum und seine Substanz umgestalten.2) „Die Arbeit, den geheimnisvollen und wunderbaren Funken der himmlischen Vernunft ins Bewußtsein zu bringen, liegt zwischen Denken und Nichtdenken."3/ — „In der Stille findet man den Ausgangspunkt. Dieser ist ein Gedanke, das Einzige und der Himmel."4) Das Einzige und der Himmel ist das Urprinzip, der geheimnisvolle und wunderbare Funken der himmlischen Vernunft, welcher durch den Gedanken erfaßt wird. Liu weiß nicht, ob er diesen eigenartigen Vorgang noch Denken nennen kann. Jedenfalls meint er damit die Intuition oder die innere Schau. Wenn er auch nicht seine Grundanschauungen teilt, so hat Liu Tsung-tschou doch eine große Hochachtung vor Tschu Hsi, und er weist die Behauptung zurück, daß Personen von höheren Fähigkeiten sich Lu Hsiang-schan und solche von geringeren Tschu Hsi anschlössen. Nur sehr fähige Menschen verständen Tschu Hsi und müßten dafür tüchtig arbeiten.6) Die Schüler der beiden Tsch'eng sind nach Liu's, Ansicht fast alle mehr oder weniger vom Dhyäna beeinflußt, selbst Tschu Hsi war eine Zeitlang davon betört, hat sich dann aber wieder davon frei gemacht.6) Der Ausdruck Dhyäna wird von neueren chinesischen Philosophen fast in derselben Weise gebraucht, wie man in alter Zeit von Yang und Me sprach, nämlich als ein Synonym für schlimme Ketzereien. Hsieh Wu-liang betrachtet unseren Philosophen als einen Anhänger des Wang Yang-ming, der aber auch die Systeme der beiden Tsch'eng und des Tschu Hsi berücksichtige.7) Mir scheint, daß seine Weltanschauung wie die seines Lehrers Kao Plan-lung viel mehr mit der Theorie des Yang Schi und letzten Endes des /Swn^-Philosophen Tschang Tsai übereinstimmt und nur geringe Anklänge an Wang Yang-ming zeigt. Watanabe hebt als Hauptvorzüge sein scharfes Denken und seinen Wirklichkeitssinn (?) hervor und sieht in ihm den ersten Denker gegen Ende der J/i'w^-Dynastie nach Wang Yang-ming.6) !) Ming.ju heüeh-an Kap. 62, S. 90b.

*) Ibid. S. 41 b.

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«) S. 48b. ') Hsieh Wu-liang VI, 19a.

·) S. 50a. ) Watanabe III, 37b.

8

VI. Taoistische Philosophen: 1. Tschi-yu tse

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VI. Taoistische Philosophen. 1. Tschi-yu tse. Ein Werk mit diesem Titel bildet den Band CX des Tse-schu po-tchia. In der Sung-Dyn&stie gab es einen Taoisten Tseng Tsao,1) welcher den Beinamen Tschiyu tse2) führte. Innere Gründe aber sprechen dagegen, daß dieser der Verfasser sei, und man nimmt an, daß dieser Name nur angenommen sei, und daß das Werk von Yao Ju-hsün3) aus Tchiang-tung*) stammt, welcher im Jahre 1566 ein Vorwort schrieb. Dieser behauptet allerdings, den Namen des Verfassers nicht zu kennen. Das Werk, welches er früher nie gesehen habe, sei ihm in einer Abschrift überreicht.5) Es ist eine Darstellung der Prinzipien des Taoismus in moderner Form, voll von Phantastik und Mystik. Manche Gedanken sind dem Buddhismus entlehnt.6) Viele Weise mit seltsamen, wohl erfundenen Namen treten auf. Die Dinge werden nach Tschi-yu tse aus ihrem Gegenteil hervorgebracht, und der Urgrund von allem ist Tao: „Das Sein hat das Nichtsein, das Nichtsein die Leere als Mutter,7) und die Mutter der Leere ist Tao."8) „Ursprünglich gab es keinen Geist. Als die Leere zum Äußersten vorgeschritten war, entstand der Geist von selbst. Zuerst gab es kein Fluidum. Durch die Bewegung des Geistes wurde das Fluidum von selbst geschaffen. Ursprünglich war das Fluidum ohne Substanz, durch Verdichtung brachte es Gestalten hervor. Zuerst hatte der Körper keine Empfindungen, durch ihre Erregungen wurde die Natur geschädigt. Durch Tao werde ich geschaffen und durch die Gefühle vernichtet.9)"10) Obgleich der Geist das Fluidum und den Körper schafft, so ist doch auch der Geist vom Körper abhängig: „Der Geist bringt den Körper hervor, und der Körper vollendet den Geist."11) Ohne den Geist kann der Körper nicht selbst zum Leben kommen, aber ohne den Körper gelangt auch der Geist nicht von selbst zur Vollendung. Diese erlangt er nur durch seine Verbindung mit dem Körper. Beide, sind aufeinander angewiesen und müssen vereint sein.12)

*) Sse-k'u tch'üan-schu Kap. 147, S. 41 a und Wylie, Notes, S. 176. *) Selbst die Phraseologie soll vielfach buddhistisch sein (Wylie). Außer demAusdruck ^£ g£ samädhi habe ich kaum buddhistische Ausdrücke gefunden. *) Gewöhnlich wird das Nichtsein und die Leere als dasselbe angesehen. ·) TsM-yu tse Kap. I, S. 21 : ^ #ftE& tf ,ft£# ^ @ ^ & & & flr. ·) Die Taoisten schätzen vor allem die Ruhe, daher erscheinen ihnen die Gefühle als verderblich. i») TscU-yutseK*?. I, S. 23a: ») Loc. cit. S. 21s: ") Ibid.

442

Die Ming-Dynastie

„T'ai-schang (der große Erhabene) ist der Geist der Leere und des Nichtseins, Himmel und Erde sind die Geister von Yin und Yang, das menschliche Geschöpf ist ein Geist mit Fleisch und Blut. Im Geist sind sie alle gleich, aber im Körper verschieden. Der Körper ist nicht mit Intelligenz begabt, aber das Fluidum."1) Tschi-yu tse berichtet, daß Hsien Yuan2) den Tse-ts'ui tse3) gefragt habe, wie die Erde die zahllosen Lebewesen hervorbringe. Die Antwort lautete: Die Erde ist gelb und nimmt unter den Elementen die mittlere Stellung ein. Sie empfängt die Einflüsse von Sonne und Mond, Yin und Yang. Das Element Erde herrscht in jeder Jahreszeit 18 Tage, also im Jahre 72 Tage. Während dieser Zeit erreicht es seine größte Kraft und bringt-die Dinge hervor. Hsien Yuan fragte weiter nach der Erschaffung der Menschen. Antwort: Sie erfolgt auch durch Zusammenwirken von Yin und Yang, welche ein Fluidum hervorbringen. Bei den Knaben entsteht zuerst die linke Niere, bei den Mädchen die rechte, dann kommt der Geist oder die Natur hervor, der Sitz der Intelligenz bei allen Wesen.4) Der Mikrokosmos soll in vielen Punkten dem Makrokosmos nachgebildet sein. Demgemäß entspricht dem großen Pol von Himmel und Erde6) im Menschen die Körperstelle Huang-t'ing,e) welche zwischen den beiden Nieren liegt, der Hauptsitz des Lebens. Dem Himmel entspricht im Menschen das Herz, der Erde die Nieren. Die Entfernung vom Himmel bis zur Erde beträgt 84000 Li,7) die Entfernung zwischen Herz und Niere 8,4 Zoll. Wie das himmlische Fluidum sich zwischen Himmel und Erde hin und her bewegt, so auch das Fluidum zwischen Herz und Nieren.8) Der Philosoph findet auch noch andere Ähnlichkeiten. Wie soll sich nun der Mensch Tao gegenüber verhalten ? Mein Ich steht dem Tao im Wege. Wenn ich mich und die Dinge vergesse, so werden sie zu einer Einheit. Auch diese Einheit muß noch ausgelöscht werden, so daß sie in das Nichts übergeht. Dann gelange ich zur vollen Erleuchtung. Mein Körper hat dann keine Form mehr und mein Geist keine Gedanken. So gelangt meine Natur in den Besitz von Tao, das nichts mir entreißen kann. Der Himmel gibt allen Wesen den Körper, Tao die Natur.9) Weiter heißt es: „Der Herz ist der Beherrscher des Körpers und der Lenker des Geistes. Durch Ruhe erzeugt es Einsicht, durch Bewegung nur Verwirrung. Der Anfang des Studiums Tao's besteht darin, daß man sein Herz -bewahrt, vom Räume loslöst, in die Leere und das Nichts einführt und mit Tao vereinigt. ») Loc.cit. S . e a ^ J i i f f a i g j f c J r t . e t ^ J f t i t f t l B Ä a - l l t . A Ä * * *

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5 ) Tschi-yu tse B. II, S. 4a. ) Der Himmelspol. ') H Ü ') Nach dem Tschou-pi ist die Entfernung 80000 Li. Vergl. World Conception, S. 57 Anm. 1. ») Tschi-yu tse B. II, S. 27b und 29b. ») B. I, S. 3a.

VI. Taoistische Philosophen: 1. Tschi-yu tse

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Wenn man das Herz festhält und im Leeren wohnt, so bedeutet das nicht, daß man keinen Aufenthaltsort habe. Wenn man sich dagegen an einem bestimmten Orte aufhält, dann wird das Herz ermattet und das Fluidum erschöpft, was zu Krankheiten führt."1) Diese Ausführungen gleichen der buddhistischen Lehre vom Samädhi. Über den Tod und die Möglichkeit, ihm zu entgehen, äußert sich Tschi-yu tse folgendermaßen: Während der 24 Stunden eines Tages macht die menschliche Natur eine Wandlung durch, und das Fluidum, welches von der Natur abhängt, zerstreut sich teilweise. Yang nimmt dem Yin einen Teil seines Samens und Yin dem Yang einen Teil seines Blutes fort. So verdorrt der Körper und schließlich stirbt er. Man kann dem Tode entgehen und unsterblich werden, wenn man äußere Einflüsse fernhält und das Innere nicht ausströmen läßt, das Fluidum stärkt, die neun Körperöffnungen in Buhe läßt, Hemmungen der fünf inneren Organe und der sechs Eingeweide wegräumt, die fünf Elemente frei walten und sich gegenseitig erzeugen läßt usw.2) Es ist möglich, ein Genius zu werden, entweder durch besondere Anlagen oder durch Studium. Dazu führt das lebhafte Verlangen nach der geheimnisvollen Leere, die Beseitigung der Begierden, Pflege der Ruhe, Übung im Nichthandeln, Übung der Fiw-Tugenden: Wohlwollen, Güte, Höflichkeit, Verträglichkeit, Spenden, Treue, Pietät, Reinheit, Bescheidenheit und Überwindung der Fehler, kurz die Pflege des Körpers und des Geistes.3) Um dauernd zu leben, müssen Körper und Geist intakt sein. Der Körper ist die Wohnung des Geistes. Wenn sie zerstört ist, so fehlt dem Geiste der Aufenthaltsort. Wenn man nun den Geist pflegt und nicht den Körper, dann vernichtet man seine Behausung, und er muß im Freien kampieren.4) Durch Läuterung des Körpers kann man alles Yin verschwinden lassen und vollkommenes Yang übrig behalten. Mit einem solchen Körper kann man in Metall und Stein eindringen, im Sonnen- und Mondlicht wirft man keinen Schatten, und man lebt ewig.5) An Geistern fehlt es bei Tschi-yu tse nicht. In einem einzigen Körper sollen 36000 enthalten sein.6) Am Schluß des ersten Kapitels trägt Tschi-yu tse 60 taoistische Gedichte vor, welche angeblich von einem gewissen Tschao-yuan tse7) gesungen worden sind.

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) B. I, S. lib. ) B. I, S. 20a. «) B. I, S. 22a. ') 7C i5

444

Die Ming-Dynastie

2. Lü K'un 1536 — 1618.

Lü K'un1) (T. Schu-tchien, H. Hsin-wu2) stammte aus Ning-ling3) in Honan. Zuerst machte ihm das Studium große Schwierigkeiten, denn er verstand den Sinn der Bücher nicht, aber er bewältigte sie durch Ausdauer.4) Zunächst legte er die Bücher beiseite und läuterte sein Herz durch Meditation. Dann dachte er sich in den Sinn der Klassiker hinein und hörte nicht auf, bis er sie verstand. So drang er in die Bücher ein, und zuletzt kamen sie zu ihm.5) Er hatte keinen besonderen Lehrer und gehörte keiner Schule an. Mit 15 Jahren las er Werke über die .ffsiw**«. ")m±m. ) Ming-schi Kap. 226, S. 17a und Ming-ju heüeh-an Kap. 54, S. 9b.

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VI. Taoistische Philosophen: 2. Lü K'un

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Außer dem Frauenspiegel schrieb Lü K'un noch das Schi-tschlng Zw1) politischen Inhalts. Philosophisch ist das Schen-yin yti?) in sechs Büchern, welches 1592 erschien.3) Wie Wang Yang-ming geht Lü K'un von der Meditation und der Reinigung des Herzens aus, aber er interessiert sich wenig für metaphysische Fragen. Man merkt eine gewisse Hinneigung zum Taoismus. Er lehrt eine vernünftige Lebensführung. Seine Aussprüche sind öfter etwas ironisch und von leichter Skepsis angehaucht. Es ist ein sehr charakteristisches Gespräch mit einem Schüler vorhanden. woraus wir ersehen, daß Lü K'un die theoretische Philosophie für ziemlich belanglos hält. Es lautet: „Ein Schüler fragte mich wiederholt sehr eindringlich nach dem Prinzip des Nichtseins und dem Urprinzip, ob das Prinzip und das Fluidum dasselbe oder verschieden seien, nach der Feinheit von Natur und Schicksal, und ob die Natur gut wäre. Ich antwortete: ,Für diese Fragen könnte ich die Ansichten der früheren Konfuzianer ausschlachten oder sie durch meine eigenen verkehrten Ideen klarstellen, aber sie sind für dich heute noch nicht besonders dringend. Sollte dir über Natur und Schicksal ein Licht aufgehen und du den Himmel und die Menschen begreifen, so kannst du es den Werken, die von der Natur und dem Vernunftprinzip handeln, hinzufügen.' "*) „Wenn irgend ein Gelehrter eine Behauptung aufstellt und sie in seiner Schule erklärt und lehrt, so kommt dadurch ein neuer Satz zu den Akten. Die Menschen der späteren Geschlechter, welche die Wahrheit erforschen, glauben dieser Autorität und verdammen jene, unterwerfen sich diesem und widerlegen jenen. Nach vielen Generationen hat ein Ochse schwer zu ziehen, um all den Wust fortzubewegen, der ein Zimmer bis zu den Dachbalken füllt. Das wird aus so einer Behauptung. Ich weiß nicht, ob das für das Gedeihen oder das Verderben des Staates, das Leben und Sterben der Völker, das Wohl und Wehe von Leib und Seele als so bedeutungsvoll anzusehen ist. Ich habe nur eine ganz gewöhnliche Methode, welche du dir merken magst. Regele dein Tun, erledige die Dinge; nimm die Sachen in Angriff, so daß deine Familie in Ordnung, der Staat gut verwaltet und das Reich in Frieden ist.5) Das Grundprinzip und alle Einzelheiten müssen dir bei allen Dingen am Herzen liegen. Wenn du dann glaubst, daß du dasZiel erreicht hast, und du wieder auf diese Fragen stößt, dann ist es noch nicht zu spät."6) 3

) Sse-k'u tch'üan-schu Kap. 96, S. 26 a. Außerdem werden von Lü K'un noch erwähnt:

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) Das sind nur die Forderungen des Ta-hsio. ·) Erst wenn man richtig zu handeln gelernt hat, mag man sich auch mit metaphysischen Fragen abgeben.

446

Die Ming-Dynastie

„Jener erwiderte: ,Soll man denn über das Prinzip, das Fluidum, die Natur und das Schicksal überhaupt nicht reden?' — Ich sprach: „In allen Dingen gelangt das Prinzip, das Fluidum, die Natur und das Schicksal offen zur Erscheinung1), und außer diesen Einzelheiten gibt es keinen Gesamtbegriff."2) Lü K'un's Standpunkt ist ein sehr einfacher. Tao gilt ihm als das allgemeinste Prinzip, welches seit der ältesten Zeit die Welt lenkt, und an dem jedermann teilhat. Himmel und Erde werden beherrscht von dem unzerstörbaren Urfluidum. Dieses ist der Ursprung des Fluidums, durch welches später alle Schöpfungen und Wandlungen erfolgen. Himmel und Erde gehen wieder zugrunde, und es folgt wieder das Chaos, aber aus diesem entsteht durch das Urfluidum wieder eine neue Welt.3) „Jemand fragte: ,Worin besteht deine Lehre?' — Der Meister antwortete: „Ich esse, wenn ich hungrig bin, trinke, wenn ich durste, schlafe, \venn ich müde bin, stehe auf, wenn ich erwache, im Winter wärme ich mich am Ofen, im Sommer gebrauche ich den Fächer. Wenn ich fröhlich bin, singe ich, wenn icli traurig bin, weine ich. Das ist alles." Jener antwortete: ,Wer könnte eine solche Lehre nicht befolgen ?' — Lü erwiderte: „Ich bin in meinem ganzen Leben nicht immer dazu im Stande gewesen."4) Der Sinn dieses Ausspruchs scheint zu sein, daß man seiner Natur entsprechend leben soll, ohne sie durch zu viel künstliche Vorschriften zu vergewaltigen, eine Forderung, die der Taoismus stellt. Dazu stimmt auch die folgende Äußerung, die zu einem gemäßigten Wu-ivei rät: „Die Worte: ,Nichts vorhaben und doch handeln' sind die Grundlage für Heilige und Weise. Wenn die Lernenden in die Schule eintreten, müssen sie hierauf gerade ihre Gedanken richten. Aber wenn jetzt die Menschen reden, so verfallen sie gleich beim zweiten oder dritten Satze auf das Vorhaben, und ihr Geist kommt nicht los von Lob und Tadel, Vorteil und Nachteil. Sowie sie den Mund auftun, reden sie nur davon."5) Man soll nicht übergeschäftig sein, aber man muß an seiner eigenen Vervollkommnung arbeiten: „Acht zu geben auf Worte und Taten gegenüber der Frau, dem Sohne und dem Gesinde, Körper und Geist im Zaume halten beim Essen, Ruhen und Sichumherbewegen, das ist keine leichte Aufgabe."6) J

) In der praktischen Betätigung sollen auch alle theoretischen Fragen ihre Lösung finden.

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VI. Taoistische Philosophen: 2. Lü K'un

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Bei der menschlichen Natur unterscheidet unser Philosoph die physische von der moralischen: „In der physischen Natur ist Gutes und Böses vermischt. In den Gefühlen und der Natur, welche Gott den Menschen verliehen hat,1) ist nur Gutes und nichts Schlechtes. Das Ziel derWissenschaft muß es sein, die physische Natur zu verändern und umzugestalten und vollständig wieder zu der moralischen Natur zurückzukehren, welche uns von Gott verliehen ist."2) — „Die den Menschen angeborene physische Natur hat ihre guten und schlechten Seiten. Der Zweck der Wissenschaft ist kein anderer, als die guten Seiten, welche man hat, zu pflegen und die schlechten zu verbessern zu suchen.''3) Da alles, was von Gott oder vom Himmel kommt, gut ist, so ist der Mensch für das Schlechte verantwortlich. Lü betrachtet nicht die Begierden allgemein als schlecht, wie das sehr üblich ist, sondern nur die menschlichen, die er den himmlischen entgegenstellt: „Es gibt himmlische Begierden und es gibt menschliche Begierden. Im Winde zu singen, beim Mondschein spazieren zu gehen, die Blumen zu betrachten und den Weiden zu folgen, das sind himmlische Begierden. Diese dürfen nicht fehlen. Ohne sie herrscht Öde. Dagegen soll man den menschlichen Begierden nicht nachgeben, ihr Vorhandensein führt zur Verderbtheit. Die himmlischen Begierden sind die guten menschlichen, die menschlichen sind die schlechten himmlischen."4) Lü K'un ist überzeugt, daß, wenn die Menschen zum ersten Male Böses tun, es ihnen schwer wird und sie es kaum über sich gewinnen können. Beim zweiten Male haben sie schon weniger Schwierigkeiten zu überwinden, später können sie es ohne Schwierigkeit. Schließlich beruhigen sie sich dabei und finden sogar Vergnügen daran. Dann stirbt ihr guter Geist.5) Über Einsiedler in Wäldern und auf Bergen, welche allgemein als besonders tugendhaft gelten, urteilt Lü wenig günstig, denn er sagt von ihnen, daß sie oft großen Hochmut und Verachtung für ihre Mitmenschen zeigten. Ihr Charakter werde oft gallig und verbissen.6) Was das Studium anbetrifft, so vertritt unser Philosoph die konfuzianische Auffassung. Das Studium, sagt er, erstreckt sich auf äußere Dinge, wenn auch das Lernen in meinem Innern vor sich geht. So kommt eine Harmonie zwischen dem Geist und der Lehre zustande. „Wenn man zu träge ist, dasAltertum zu studieren, sich schämt, andere Menschen zu fragen, ') Schuking, T'ang-kao (Legge, S. 185). ) Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 23, S. l l a : ^ äfe ^" M' ^ H ^> ^(, Ig ^1 4>

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·) Ibid. S. 13b.:

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) S >Cf· A. a. O., S. 18b. ) Li-hsüeh tsung-tschuan Kap. 23, S. 1 7 a.

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Die Ming-Dynastie

und glaubt, daß das Wissen aus einem selbst komme, so ist das kläglich und lächerlich, und ich weiß nicht, wie man das noch Studium nennen kann."1) „Die Fähigkeiten der Menschen sind nicht so sehr verschieden, es kommt nur darauf an, ob jemand zu lernen liebt oder nicht, und ob er sich anstrengt."2) Zur Charakterisierung des Lü K'un möchten wir einen seiner Aussprüche nicht unerwähnt lassen, der von großer Einsicht zeugt. Er lautet: „Wenn man einsieht, daß man selbst nicht immer recht und daß die anderen nichtimmer unrecht haben, dann hat man schon einen großen Fortschritt gemacht. Wenn man dann einsieht, daß andere Menschen viel Nachahmenswertes haben, und daß man selbst viele Fehler hat, so ist ein weiterer Fortschritt gemacht."3)

3. Tschuang Yuan-tsch'en (Schu-tchü tse). Tschuang Yuan-tsch^en^) (T. Tschung-fu*)) stammt aus Sung-ling in Wutchiang6) (Kiangsu). Von seinem Leben scheint nichts weiter bekannt zu sein, als daß er während der Jlimj;-Dynastie gelebt hat. Als Schriftsteller nannte sich Tschuang selbst Schu-tchü tse,7) „Hanfsamensammler". In dem Vorwort zu seinem gleichnamigen Werk sagt er, daß im Altertum die Bauern im neunten Monat, wenn sie nichts zu tun hatten, Hanfsamen gesammelt hätten, um ihn im kommenden Jahre als Samen zu verwenden. Ähnlich habe er es gemacht. In seinen Mußestunden legte er die Bücher beiseite, und still dasitzend oder liegend oder umherwandernd dachte er über das Weltgeschehen nach, sammelte seine Gedanken und schrieb sie nieder für spätere Benutzung. Da er keine Zeit zu eleganter Komposition hatte, so schrieb er seine Gedanken nicht systematisch geordnet, sondern wie sie ihm in den Sinn kamen, nieder und machte daraus sechs innere und zwei äußere Bücher. Die ersteren enthalten theoretische Betrachtungen über Tao, Tugend, Natur, Schicksal und dergl., in den letzteren werden mehr praktische Fragen behandelt. Das Werk erschien im Jahre Tse-yi.e) Der Verfasser zeichnet als P'eng-tsch'i tschu-jen,9) ,Herr des Riesenvogel-Teiches', wohl ein anderer Phantasiename. Der Schu-tchü tse bildet Band 84 und 85 des Tse-schu po-tchia unter der Abteilung tsa-tchia.10) Tschuang Yuan-tschfen beschäftigt sich mit den verschiedensten Gebieten der Philosophie und gibt sich öfter den Anschein, als ob er auf jede Frage eine Antwort wüßte. Über die Natur äußert er recht bizarre Ansichten, denn er kennt

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Die Ming-Dynastie

überhaupt keine Absichten1) und ist insofern nur ein Abbild von Too, aus dem er ja hervorgegangen ist, das ebenso ohne Pläne und Absichten nur spontan, dem natürlichen Lauf der Dinge folgend handelt. II. Natur philosophisches. Die Welt ist von einem Fluidum erfüllt. Rein und stark wird es zum Feuer, rein und schwach zum Wasser, trübe und schwer zur Erde, trübe und leicht zum Holz, trübe und solide zum Metall. Die fünf Elemente entstehen also durch die größere und geringere Reinheit, größere und geringere Dickflüssigkeit.2) Die Elemente sind teils formlos,, teils gestaltet. Formlos fließen sie umher, gestaltet bilden sie Materie. Aus den nicht gestalteten Elementen baut der Mensch sein Leben auf. Er atmet die Luft, wärmt sich am Feuer, kühlt sich durch den Wind oder durch Wasser, das ihm auch zur Reinigung und zum Trinken dient, ruht auf der Erde usw. Mit den gestalteten Elementen oder Substanzen stützt er sein Leben. Er bedient sich zu seiner Erhaltung aller Stoffe, die er findet.3) Das Weltfluidum ist eins, aber es wirkt verschieden in der Natur: Tannen und Fichten werden dadurch hart und dauerhaft, Pfirsiche und Pflanzen schön gefärbt und saftig, Zimtbäume duftend, Dornsträucher stachelig. So ist es auch mit der Lehre der Heiligen, sie entwickelt sich verschieden je nach den Personen, die sie übernehmen und sehr voneinander abweichen. AufLao-tse folgten Tschuang·· tse, Han Fei-tse und Schang Yang, auf K'ung-tse, Tse Hsia, Hsün-tse und Li Sse.*) Aus der Yin- und Faw^-Essenz des Himmels entstehen Sonne und Mond, aus der Yin- und Fem^-Essenz der Menschen Seele und Lebensgeist. Aus der FünfElementen-Essenz des Himmels werden die Fünf Planeten und aus der FünfElementen-Essenz des Menschen die Fünf inneren Organe. Yin und Yang sind die Eltern der Fünf Elemente und diese sind die Eltern der zehntausend Dinge.6) III. Anthropologisches. f

Tschuang Yuan-tsch en lehrt, daß der Geist vom Körper ganz unabhängig sei, während dieser vom Geiste abhänge. Es heißt: „Der Körper erwartet mich, um geboren zu werden; ich erwarte den Körper nicht, wenn ich geboren werde. Wenn der Körper mich verliert, dann stirbt er, wenn ich den Körper verliere, so bin ich doch noch ich."6) Das klingt, als ob mein Geist unabhängig vom Körper schon vor der Geburt vorhanden war und auch nach dem Tode weiterlebt. !) B. IA, S. 12b. 2

) B. IA, S. 9a. Diese Spekulationen stützen sich auf ganz oberflächliche Analogien. Die Resultate sind sehr elegant, aber nur unbewiesene Einfalle. 3 ) B. IIA, S. 2a. *) Schu-tchü tse B. IA, S. lOa. 6 ) B. IIA, S. 6b. :

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VI. Taoistische Philosophen: 3. Tschuang Yuan-tsch'en

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Der menschliche Körper wird nach Tschuang gebildet aus Samen, Atem und Substanz, welche aus dem Weltall stammen. Der Same ist Wasser, der Atem Luft und die Substanz Erde.1) Die fünf inneren Organe sind für den Geist die Ruhezimmer, die fünf äußeren Organe sind wie Türen und Fenster, Körper und Knochen wie die befestigte Stadtmauer. Man muß sie stets in Ordnung halten, damit der Geist seine Ruhe hat, dann lebt er lange.2) Die Seele ist Yang, rein und erleuchtet, der Lebensgeist ist Yin, trübe und dunkel. Die tüchtigen Menschen pflegen ihre Seele, die Masse pflegt den Lebensgeist. Man pflegt die Seele durch Zügelung der Begierden und Beschränkung der Gedanken und Sorgen, den Lebensgeist durch Hingabe an die Gefühle und Wahrnehmungen. Die Seele hat ihren Sitz im Herzen, und sie wandert auch in die Augen, daher ist die Wahrnehmung ihr Gebiet. Der Lebensgeist wohnt in der Leber und wandert auch in die Nieren, und die Träume sind sein Gebiet.3) Dem Menschen ist die gute und schlechte Natur angeboren, er erhält sie nicht erst durch Übung, ebenso wie dem Vogel die Furcht vor dem Menschen und dem Wolf die Blutgier angeboren ist.4) Auch schlechte Menschen haben ihre guten Seiten und gute Menschen ihre schlechten.5) Ein gutes Pferd leistet zehnmal soviel wie ein schlechtes und ein guter Ochse fünfmal soviel wie ein schlechter, aber ein Weiser bringt zehntausendmal soviel zustande wie ein minderwertiger Mensch.6)

IV. Leben und Tod. Tschuang beschreibt verschiedene Methoden, um das Leben zu verlängern, die wohl von den Taoisten geübt werden. Dabei handelt es sich besonders um die Regulierung des Samens und des Atems. Wer den Atem beherrscht, übt das Ein- und Ausatmen, sorgt für den ruhigen Fortgang der Atmung, verhindert das Abreißen, macht die Seele und den Geist stark, den Lebensgeist und das Fluidum schwach. Das Atmen kann unter Umständen so schwach sein, daß man es kaum noch merkt, während die Unkundigen hörbar laut atmen und dadurch den Geist zu sehr schwächen. Als Beweis wird Lao-tse's Ausspruch vom Talgeist zitiert.7) Zuerst entsteht der Lebensgeist, dann die Seele, die sich ihm anschließt. Beim Tode verschwindet die Seele zuerst, der Lebensgeist folgt erst später. Der Philo^ soph gibt Beispiele davon, daß sich schon bei Lebzeiten Seele und Lebensgeist getrennt haben, daß auch nach dem Tode Seele und Geist zusammenhielten, daß eine alte Seele einen neuen Geist erhielt und wieder zumLeben kam, und daß Taoisten einen Geist mit Lebenskraft verbinden konnten, so daß er wieder auf2 3 !) B. IVA, S. 6a. ) B. IIA, S. 9h. ) B. IIA, S. lib. ) B . IA.S. 2a. *) B. VA, S. 5a. ·) B. IA, S. Ib. ') B. VIA, S. 5b. Der Ausspruch vom Talgeist ist ganz anders zu verstehen als die späteren Taoisten ihn auffassen. Vergl. Gesch. d. alt. chin. Phil., S. 265, Anm. 2.

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Die Ming-Dynastie

lebte.1) An der Wahrheit derartiger Wundergeschichten scheint er nicht den geringsten Zweifel zu haben. Tschuang Yuan-tsch'en ist überzeugt, daß man durch besondere Pflege des Körpers, der Lebensessenz und des Geistes zu immer höheren Stufen der Entwicklung emporsteigen und sich schließlich mit Tao vereinigen könne. Das tun die vollkommenen Menschen. Die gewöhnlichen Menschen leben und sterben dann plötzlich. Die wahren Menschen leben immer und sterben nicht. Die Heiligen leben weder noch sterben sie, denn ihr Leben ist kein eigentliches Leben und ihr Tod kein eigentlicherTod.2) Also sind eigentlich nur gewöhnliche Menschen dem Tode unterworfen, die wahren Menschen, die nächsthöhere Stufe, sollen unsterblich sein und die höchste Stufe, die Heiligen, sind wie Tao ewig und werden vom Leben und vom Tode gar nicht berührt. Nach dem Tode steigt die Seele nach oben und kann sich auf und ab bewegen, aber nicht bis zu den Wolken und in den Himmel gelangen. Sie riecht und erfreut sich an den Opfergaben, kann auch in den Leib einer Schwangeren gelangen und sich dort verwandeln. Der Lebensgeist sinkt nicht in die Unterwelt hinab, sondern entfernt sich nicht vom Grabe und haftet an der Leiche und am Sarge. Er erfreut sich der Opfer der Nachkommen am Grabe. Wenn die Leiche verfällt, kehrt er ins Nichts zurück. Er entsteht aus dem Samen des Vaters und dem Blut der Mutter. Das Lebensfluidum wird zum Wesen, das ist der Lebensgeist. Während des Lebens sind Seele und Lebensgeist vereint, nach dem Tode getrennt. Aber oft bestellen zwischen einer wiedergeborenen Seele und einem noch nicht vernichteten Lebensgeist noch Beziehungen. Unser Philosoph gibt dafür ein merkwürdiges Beispiel: „In alter Zeit litt Huang Schan-ku3) an Seitenschmerzen. Des Nachts erschien ihm ein junges Mädchen im Traum und sprach zu ihm: ,Ich bin dein früherer Körper. Ich liege jetzt an einem bestimmten Ort begraben. Ameisen haben mir einen Hüftknochen durchbohrt, deshalb leidest du beständig an Seiteiischmerzen. Wenn du mich umbetten läßt, wirst du dauernd geheilt werden.' Huang Schan-ku tat, was sie gesagt hatte, und der Erfolg trat ein. Eine umherschweifende Seele hatte sich bei der Wiedergeburt in Huang Schan-ku verwandelt, und das junge Mädchen, das im Traume erschien, war der in einem früheren Leben dazu gehörige Lebensgeist, der mit der Leiche zusammen begraben war."4) Die Kranheiten, welche ein Mensch hat, meint Tschuang, können unter Umständen von Leiden des Lebensgeistes herrühren, mit dem sein Körper in einem früheren Leben verbunden war. Er scheint daher die Seelenwanderung als eine Tatsache hinzunehmen, aber er stützt sie nicht wie die Buddhisten auf die Vergeltungslehre, sondern sucht sie psychologisch zu begründen. 2 ') B. IIA, S. 12a. ) Eod. S. 12b. ) Huang T'ing-tchien J$ Jg g, 1050—1110 (Giles No. 873), einer der „vier großen Gelehrten" seiner Zeit, der zum Buddhismus neigte.

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VI. Taoistische Philosophen: 3. Tschuang Yuan-tsch'en

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V. Erkenntnis und Wissen. Seiner taoistischen Einstellung entsprechend schätzt Tschuang Yuan-tsch'en die Erleuchtung durch Too viel höher als das durch Erfahrung erworbene Wissen, obgleich er selbst bei seinen Untersuchungen sich fast ausschließlich auf Analogien und einen auf der Erfahrung ruhenden Symbolismus stützt. Die Organe, meint er, seien für die Erkenntnis nicht immer nötig. Zikaden zirpten ohne Mund,1) Fische hörten ohne Ohren, und Schlangen gingen ohne Füße. Deshalb hört der vollkommene Mensch auch nicht mit den Ohren und sieht nicht mit den Augen, sondern verläßt sich nur auf Tao,2) also auf die innere Schau. „Erst wenn Gefühle und Erfahrungswissen zu Ende sind, kommt die Erleuchtung. Der Heilige besitzt '-•n vollsten Maße Erleuchtung, die Vielen haben nur Erfahrung. Die Erleuchtung ist wie ein Spiegel, der frei hängt. Wenn die Dinge herankommen, dann werden sie darin gespiegelt. Der ganz von der Erfahrung Abhängige ist wie ein Mensch, welcher im Dunkeln nach Dingen tastet. Wenn er auch etwas findet, so ist es nicht wahr. Die Erfahrung ist wie ein Schirm, welcher vor der Erleuchtung aufgestellt ist. So lange dieser Schirm nicht weggeräumt wird, dringt die Erleuchtung nicht durch. Auch die Vielen haben oft plötzlich eine Erleuchtung wie das Aufleuchten eines Blitzes, aber sie ist nicht von Dauer."3) Vom Wissen des Heiligen wird gesagt, daß es wie die Sonne sei. Das der Weisen ist wie der Mond, das der gewöhnlichen Gelehrten wie ein Licht und das der Masse wie ein dunkles Zimmer. Das Sonnenlicht erleuchtet alles und durchdringt es, das Mondlicht erleuchtet alles, aber durchdringt es nicht.4) Die Unzuverlässigkeit des Erfahrungswissens soll dadurch erwiesen werden, daß es als nur relativ und rein subjektiv hingestellt wird, denn es heißt: „Die Dinge sind nicht fein oder grob, schön oder häßlich, sondern sie ändern sich mit den Gedanken und wechseln mit dem Geiste. Wenn Geist und Gedanken im Herzen umgestaltet werden, dann ändern sich auch die Verhältnisse der Dinge draußen. Sie sind immer fein und immer grob, immer schön und immer häßlich,' ' 5 ) Dem Menschen erscheint der Tag hell und die Nacht dunkel. Bei der Eule ist es umgekehrt. Daraus geht hervor, daß Helligkeit und Dunkelheit von den Augen, nicht" von der Zeit abhängen. Dem Gefangenen erscheint der Tag lang und dem Vergnügungsreisenden kurz. Die Länge und Kürze liegen nur in Gedanken, der Tag ist weder lang noch kurz. Dem einen erscheint etwas schön, dem ändern *) Aber sie zirpen mit den Beinen. 2 ) B. VA, S. 5b. ») Schu-tchü tse B. IA, S. l l a : ffi fä ^ fllj BJ £> H

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Die Ming-Dynastie

häßlich, also hat die Schönheit nur subjektive, nicht objektive Existenz. So ist es mit allen Sinneswahrnehmungen auch mit Geruch, Geschmack, Gehör. Ebenso so ist es mit der Beurteilung, ob man etwas für wertvoll und kostbar, oder für gewöhnlich hält. Alle Sitten und Gebräuche sind subjektive Schöpfungen und nicht an sich gut.1) Tschuang weist daraufhin, daß ein Mensch schwer über die Sphäre, in welcher er lebt, hinaus kommt, und daß auch dadurch seine Erkenntnis begrenzt wird. Er sagt: „Aus einem Becken macht man einen Teich,2) aus einem Stem eine Insel, und ein Fisch schwimmt darin im Kreise herum, indem er jeden Tag mehrere tausend Li3) zurücklegt, ohne aber je aus seinem Becken hinauszukommen, denn sein Aufenthaltsort hemmt ihn. So wird auch der Mensch in seiner Erkenntnis gehemmt. Entweder geschieht das durch seine Erfahrung, oder durch seine Isolierung, oder durch seinen Verkehr mit ändern. Wenn er sich auch das ganze Jahr abmüht, so kommt er doch trotz äußerster Kraftanstrengung und wie sehr er auch seinen Geist martert, nie über den Gesichtskreis seines Beckens hinaus. Leider!"*) Besondere Bedenken hat der Philosoph noch wegen der Metaphysik. Die Maler hätten gesagt, daß Hunde und Pferde sehr schwer, Dämonen und Kobolde dagegen sehr leicht zu malen seien, denn erstere kenne jeder, letztere aber nicht. So redeten auch die Studierenden, wenn sie über die Prinzipien des Himmels, der Menschen, des Schicksals und der Natur schrieben, wild darauf los, denn niemand könne sie genau kontrollieren. Mit der Metaphysik stehe es ähnlich wie mit der Geistermalerei. Niemand weiß recht damit Bescheid.5) VI. Literarisches. Tschuang Yitan-tsch'en schätzt nur die Schriftsteller des Altertums, über die Philosophen der Sung-Zeit geht er mit Stillschweigen hinweg. Im Altertum hat es nach seiner Meinung drei Arten von Schriftstellern gegeben: 1. solche, welche im Staate Großes geleistet haben und sich darüber äußern. Zu den Werken dieser Art gehören das Tschou-li, I-li, Kuan-tse, Yen-tse, Schang-tse, Sun-tse, und Wutse6), 2. solche, welche große Fähigkeiten und Tugenden besaßen, die sie aber wegen der Verhältnisse in ihrem Staate nicht in die Praxis übertragen konnten, weshalb sie ihre Gedanken, um sie der Nachwelt zur Lehre zu hinterlassen, nieder2 ') Loc. cit. ) Ein Fischbassin. ) Das ist stark übertrieben, denn der Fisch schwimmt am Tage höchstens einige Li. ') B. IIB, S.3b: # & fä ffl, # fi fä ft, £ ^ jg ^ Q ft & =f- ^ Jffj 3

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) B. IIB, S. 7 a. ) Es ist bemerkenswert, daß Tschuang sogar Schang Yang anerkennt und die militärischen Schriftsteller berücksichtigt, wohl in der Erkenntnis, wie wichtig der Krieg für jeden Staat ist. e

VI. Taoistische Philosophen: 3. Tschuang Yuan-tsch'en

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schrieben. Derart sind: K'ung-tse,Meng-tse,Me-tse,Lao-tse,Kuei-ku tse, 3. solche, welche die Prinzipien kannten, mit denen sie ihre Zeit hätten regieren können, die aber nicht die genügende Kraft besaßen, sie praktisch durchzuführen. Das sind Tschuang-tse, Lieh-tse, Pao-p'u tse. Ihr Wissen ist gleich, und ihre Worte lassen sich im Leben mit Nutzen verwenden.1) Tschuang beurteilt die Philosophen nach der Bedeutung, welche ihre Lehre für den Staat gehabt hat. Danach kommen an erster Stelle die Staatsphilosophen und die militärischen Schriftsteller, ein eigenartiger Standpunkt. VII. Politisches. Im Staate scheidet Tschuang zwischen den oberen und den unteren Klassen. Die Oberen haben ihre besonderen Anschauungen über Recht und Unrecht und die Unteren ebenfalls. In geordneten Zeiten folgen die Untern den Obern, in Zeiten der Verwirrung die Obern den Untern. In Zeiten, wo Ordnung und Verwirrung abwechseln, bekämpfen sich die Obern und die Untern und halten sich das Gleichgewicht.2) Das Volk zerfällt nach Schu-tchü tse in zehn Klassen: 1. Bauern, 2. Beamte, 3. Kaufleute, 4. Handwerker, 5. Soldaten, 6. Schreiber und Sklaven, 7. buddhistische und taoistische Priester, S.Vagabunden, 9.Frauen, 10. Alte und Kinder. Einteilungsprinzip ist die Produktivität, deshalb stehen die Bauern sogar vor den Beamten. Die Kaufleute werden viel höher bewertet, als das gewöhnlich geschieht. Die amtlichen Schreiber stehen wohl wegen ihrer Geldgier mit den Sklaven auf einer Stufe und die Priester wohl wegen ihrer Unproduktivität zwischen Sklaven und Vagabunden. Frauen, Kinder und alte Leute kommen ganz zuletzt, weil sie gar keinen produktiven Erwerb haben, selbst hinter den Vagabunden, welche doch noch bisweilen etwas verdienen mögen. Schu-tchü tse sagt, daß neun Klassen nicht das Land bebauten und von den Produkten der Bauern lebten, denen selbst von ihren Erzeugnissen nur ein Zehntel zufiele. Die Bauern werden von den Heiligen besonders geschätzt, weil sie Reichtum aus der Fülle der Natur erzeugen, während die ändern nur Reichtum eizeugen, indem sie ihre Mitmenschen ausbeuten.3) Die Bauern können Produkte erzeugen, welche Himmel und Erde nicht ohne weiteres hervorbringen, die Handwerker Stoffe verfertigen, welche die Natur nicht liefert, die Kaufleute die Dinge verteilen, welche die Natur nicht verteilt. Diese drei Klassen können aber die Regierung durch die Beamten nicht entbehren, daher sind diese vier Klassen die wichtigsten.4) Daß unser Philosoph die Vorgänge im Staatsleben vorurteilslos zu betrachten weiß, zeigt sein Urteil über Tchfin Schi Huang-ti, für dessen Größe die chinesischen Gelehrten bis in dieNeuzeit kein Verständnis hatten. „Die heutigenKonfuzianer", ') Schu-tchü tse B. IIB, S. 7b. ») B. IB, S. Ib.

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) B. IIB, S. lib. ) B. IB, S. 4a.

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heißt es, „wetteifern in ihren Angriffen auf Tch'in und wissen nicht, daß seine Verdienste unvergänglich sind. Die Organisation der Präfekturen und Distrikte im heutigen Reich etammt von Tch'in. Die Große Mauer ist von Tch'in, die Schriftzeichen sind von Tch'in und die Gebräuche bei Hofe sind von Tch'in. Man benutzt seine Methoden und verdammt seine Fehler. Dabei vergißt man den Ursprung der Methoden . . . . Daraus ist zu ersehen, daß die Tempelopfer für Tch'in Schi Huang-ti und Li Sse nicht bei Seite geschoben werden können."1) VIII. Lebensregeln. Wie dieTaoisten bekämpft auch Tschuang Yuan-tsch'en dieEhr- und Ruhmsucht. Seine etwas satirisch gehaltenen Ausführungen lauten: „Wenn man einen Menschen ein Pferd oder einen Ochsen nennt, dann wechselt er die Farbe und wird zornig. Wenn man dagegen ein Pferd oder einen Ochsen einen Menschen nennt, dann bleiben sie gleichgültig und freuen sich nicht darüber. Die Menschen lieben einen guten Namen. Pferd und Ochse vergessen ihn. Wollte man ihnen die ehrenvolle Bezeichnung eines Heiligen oder Weisen beilegen, so würden sie sich nicht soviel daraus machen wie wenn man ihnen ein Bündel Gras vorwürfe. Über den Namen Heiliger und Weiser freuen sie sich nicht, wohl aber über das Bündel Gras, denn es ist etwas Reelles. Hsü Yuz) sagte: ,Der Name ist der Gast der Wirklichkeit. Soll ich Gast sein?' Hsü Tu wollte nicht Himmelssohn genannt werden, ebenso wie Pferde und Ochsen nicht als Heilige und Weise tituliert sein wollen."3) Schu-tchü fee's Lehre ist eine Mischung von Philosophie und Religion, von Mystik und nüchternem Utilitarismus, Kritik und Leichtgläubigkeit. Wir haben verschiedene Beispiele dafür gegeben. Als ein weiteres muß seine Behauptung gelten, daß geschnitzte Holzstatuen von Göttern den Menschen, die zu ihnen beten, helfen,4) so daß also die Verehrung solcher Statuen sehr zu empfehlen ist.

4. Das T'ai-hsi-tching. Das T'ai-hsi tching5) „Das Atmen des Embryos" ist eine Erweiterung und Umdeutung des sechsten Kapitels des Tao-te idling über die Erschaffung der ' ) B . I B , S . 7 a : ft ff £ P ft & ffi * Ä & ± & * *T Ä 4. 4* 35 TffiR

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) Über Hsü Yu, der den Kaiserthron ausschlug, vergl. Tschuang-tse Kap. l (Legge's Übers. S. 6). ·) Schu-tchü tse B. IVA, S. 3a: p£ g£ , & jfe & &, P? H ft A, #

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) B. I V A , S 9 a .

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VI. Taoistische Philosophen: 4. Das T'ai-hsi-tching

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Welt aus dem weiblichen Prinzip.1) Der ganz kurze Traktat handelt von der Entstehung des Lebens im Menschen. Daran schließen sich Betrachtungen über das Verhältnis von Atem, Geist und Körper. Leben wird geschaffen durch den lebendigen Atem, die Luft, welche als Urprinzip gilt, aus welchem die ganze Welt hervorgeht. Der Namen des Verfassers und die Zeit der Abfassung sind nicht bekannt. Wahrscheinlich stammt auch der Text von dem Kommentator, welcher sich Huan-tschen hsien-scheng2) nennt.3) Es gibt noch einen zweiten Kommentar von Wang Wen-lu,*) welchem der Vorzug gebührt. Der Text mit beiden Kommentaren ist im Tse-schu po-tchia Bd. CIX abgedruckt.5) Wir werden die wenigen Sätze des Textes mit einigen Erläuterungen aus den Kommentaren wiedergeben: 1. „Der Embryo bildet sich, nachdem er in den Odem getaucht ist."6) Huantschen versteht unter dem Hauch oder dem Odem die Luft, welche sich im Unterleib sammelt, und unter dem mysteriös Weiblichen die Schamgegend. Wang: Der Odem ist ein einziger, der der Großen Leere, der Geist der Leere. 2. „Nachdem er im Embryo ist, beginnt der Odem zu atmen."7) Huan-tschen: Der Geist ist der Sohn des Odems und der Odem die Mutter des Geistes. Beide gehören so eng zusammen wie Körper und Schatten. Der Odem ist das Urfluidum. 3. „Das Eindringen des Odems in den Körper bewirkt das Leben, die Trennung des Geistes vom Körper führt den Tod herbei."8) Wang: Der Geist ist der intelligente Teil des Odems. Der Odem bringt den Körper hervor. 4. „Wer den Geist und den Odem kennt, kann ewig leben. Er muß dauernd an der Leere und dem Nichtsein festhalten und damit seinen Geist und den Odem nähren."9) Huan-tschen: Die Einsichtigen müssen zu denken aufhören und ihren Geist leer halten, ihren Odem und die Lebenskraft pflegen und sich nicht von Begierden fortreißen lassen, sondern ruhig und gleichmütig dahin leben, dann können sie ihr Leben ewig erhalten. Wang: Der Geist und der Odem sind eins. Sie kommen aus der Leere und dem Nichtsein, durchdringen sich vollkommen und nehmen weder zu noch ab. Daher sagt man: ,Der Geist des Abgrunds stirbt nicht.'10) Wenn jemand imstande ist, nichts zu sehen und nichts zu hören, nicht zu verstehen und nicht zu wissen. dann hält er an der Leere und dem Nichtsein fest und nährt- dadurch seinen Geist J

2 ) Wylie, Notes, S. 178. ) #j flt ft t£. 4 ) Sse-k'ntch'tian-schuKap. 147, S. 25b. ) I £ jfcl. Siehe S. 342. 5 ) Übersetzt mit Wang Wen-lu's Kommentar von T. H. Balfour, Taoist Texts S. 63. 3

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) Tao-tö-king Kap. 6.

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und den Odem. Glaubt er dagegen an das Wirkliche und Seiende, dann geht er irre, und beschleunigt den Ablauf seines Lebens.1) 5. „Wenn der Geist sich bewegt, dann bewegt sich auch der Odem, und wenn der Geist anhält, so tut der Odem dasselbe."2) Wang: Der Geist ist identisch mit dem Willen. Dieser beherrscht den Odem. 6. „Wenn man dauernd leben will, so müssen Geist und Odem zusammenfließen."3) 7. „Falls das Herz keine Gedanken bewegt, so daß diese nicht gehen und kommen, nicht eindringen oder hervortreten, dann verharrt es beständig in dem natürlichen Zustand der Ruhe."4) Wang: Man muß wieder zu dem Zustand des Embryos zurückkehren, der nicht denkt. Wenn man seinen Willen schwächt und zur Leere und zum Nichtsein zurückkehrt und das Denken aufgibt, kann man ewig leben. 8. „Wenn man das mit Sorgfalt tut, so ist man auf dem richtigen Wege."5) Zusatz: „Sechsunddreißig Male schluckt man herunter. Mit einem Male fängt man an. Ausatmen muß man nur wenig, dagegen sehr lange einatmen. Im Sitzen und Liegen verfährt man auch so, und auch im Gehen muß man ganz zwanglos sein. Man hüte sich vor Lärm und Getümmel und vermeide schlechte Gerüche. Das ,Atmen des Embryos' ist ein entlehnter Name, in Wirklichkeit heißt es ,inneres Elixier'. Es heilt nicht nur Krankheiten, sondern verlängert auch das Leben. Wer es lange Zeit übt, wird zu den erhabenen Genien gerechnet."6) Wang Wen-lu fügt die Erklärung hinzu, daß man sechsunddreißig Male am Tage den Speichel herunterschlucken müsse und zwar alle zwei Stunden dreimal. Die kleine Schrift ist eine Anweisung, wie man durch Trainieren des Körpers und des Geistes nach einer Methode, die wir aus älteren taoistischen Werken schon kennen, Krankheiten abwehren, das Leben dauernd erhalten und unsterblich werden kann.

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Buch III. Die Tch'ing-Dynastie und die Republik. A. Die Tchlng-Dynastie. 1644—1911. In der ersten Hälfte der mandschurischen Tch'ing-Dyn&stie stand China auf dem Gipfel seiner Macht und genoß in der Welt das größte Ansehen. Das dauerte ungefähr bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts. Darauf folgte eine Zeit der Ohnmacht, während welcher China beständige Demütigungen durch die Europäer und die Japaner zu erdulden hatte. Es zeigte sich, daß die alte chinesische Kultur ihm nicht die Machtmittel liefern konnte, um sich der fremden Übergriffe zu erwehren und seine Selbständigkeit zu behaupten. Das führte schließlich zum Sturze der Dynastie und zum Zusammenbruch der Monarchie, die als Kaiserreich über zweitausend Jahre bestanden hatte. Man übernahm dafür vom Westen die republikanische Regierungsform und zugleich fremde Einrichtungen und fremde Kultur, in der Hoffnung, dadurch China vom Untergang zu retten. Die ersten vier Kaiser der Mandschu-Dynastie waren tüchtige und weise Herrscher, die ihr Land zu hoher Blüte brachten. Daß gerade die beiden größten Herrscher, K'ang-hsi und Tch'ien-lung, jeder sechzig Jahre lang regierten, war für China ein großes Glück. Schun-tschi, 1644—1661, war ein verständiger und großgesinnter Regent, der die mandschurische Herrschaft fest begründete, was noch langjährige Kämpfe erforderte, da ehrgeizige chinesische Generäle und verschiedene Ming-Prinzen erbitterten Widerstand leisteten. Die Mandschus waren wohl tüchtige Soldaten, aber besaßen kaum eine eigene Kultur. Daher erkannte der Kaiser das chinesische Staats- und Kulturideal an und ließ das Land in derselben Weise wie bisher verwalten, nur daß die Ministerien paritätisch mit Mandschus und Chinesen besetzt wurden. Die Mandschus fanden mehr als Offiziere, die Chinesen als Zivilbeamte Verwendung. Schun-tschi begünstigte auch die gelehrten Jesuiten, besonders den Kölner Adam Schall, den er zu seinem Hofastronomen machte. K'ang-hsi, 1662—1722, war eine der markantesten Persönlichkeiten der chinesischen Geschichte und eine der glänzendsten Herrschergestalten Chinas, den man nicht mit Unrecht mit Ludwig XIV. verglichen hat, ritterlich, hoch-

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herzig, milde und gütig gegen seine Untertanen, tapfer im Kriege, ein kluger Staatsmann und ein Förderer von Literatur und Kunst. Schon mit acht Jahren kam er zur Regierung, allerdings unter der Vormundschaft seiner Mutter und seiner Großmutter. Mit vierzehn Jahren machte er sich selbständig. Eine seiner ersten Regierungshandlungen war der Widerruf der Edikte· zur Unterdrückung der Missionare. Auch er begünstigte die Jesuiten und ernannte Verbiest zum Subdirektor der Sternwarte. 1692 erließ er ein Toleranzedikt. Der Übertritt zum Christentum wurde erlaubt, und der Bau der katholischen Kathedrale Pei-t'ang im Norden der Verbotenen Stadt wurde gestattet. K'ang-hsi hat das Reich nach innen und außen gefestigt, und der Glanz seiner Regierung versöhnte die Chinesen mit der Fremdherrschaft. 1689 wurde der erste internationale Vertrag mit dem Rußland Peter des Großen zu Nertschinsk geschlossen und dadurch die Grenze gegen Sibirien festgelegt. Es war ein diplomatischer Sieg der Chinesen, denn die Russen mußten die in den letzten vierzig Jahren gemachten Eroberungen wieder aufgeben. 1697 wurde vom Kaiser im Kampf gegen Galdan, den Fürsten der Eleuthen, welche mongolische Nomaden beraubt hatten, die Mongolei bis Ili und Tarbagatai erobert. Die Tanguten um den Kukunor unterwarfen sich. 1720 wurde in Tibet durch einen kaiserlichen Prinzen die Ruhe wiederhergestellt und das Land China tributpflichtig gemacht. Annam erkannte die neue Dynastie an und ließ sich neu belehnen. Die Wissenschaft hat K'ang-hsi dadurch gefördert, daß er bedeutende Gelehrte heranzog und unterstützte. Durch Kommissionen von hunderten von Gelehrten ließ er wichtige Sammelwerke verfassen und herausgeben, so im Jahre 1710 das nach ihm genannte größte Wörterbuch, welches wir besitzen, mit 40000 Schriftzeichen, deren Bedeutung durch Zitate aus der Literatur erklärt wird, eine philologische Glanzleistung. 1711 folgte das Reimlexikon Pfei-wen yiin-fu1), in welchem alle Doppelausdrücke durch Zitate belegt werden. K(ang-hsi verdankt China auch die gewaltige Enzyklopädie der gesamten Literatur in 1628 Bänden, wie sie kein anderes Volk besitzt, das T'u-schu tchi-tsch'eng.2·) Abgeschlossen wurde das Riesenwerk allerdings erst 1725. Für Tschu Hsi tat K'ang-hsi das, was dieser, wenn er ein europäischer Philosoph gewesen wäre, selbst getan haben würde, indem er seine gesamten Werke zu einem System verarbeiten ließ, das Tschu-tse tch'iian-schu .3) Der Kaiser veröffentlichte auch einige eigenen Schriften. Am bekanntesten ist sein Heiliges Edikt, eine Zusammenstellung von 16 moralischen Maximen, wozu der Kaiser Yung-tscheng 1724 eine Paraphrase4) schrieb, welche lange Zeit zweimal im Monat von den Lokalbeamten dem Volke verlesen wurde. Durch die Jesuiten ließ der Kaiser das ganze Reich vermessen und kartographisch aufnehmen. Die Jesuiten leiteten auch den Bronzeguß für die Kanonen, welche von ihnen geweiht wurden, die Uhrmacherei und die Fabrikation optischer

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Instrumente. Ihnen unterstanden auch technische und mechanische Werkstätten. Die Malerei und das Kunstgewerbe, namentlich die Porzellanfabrikation erfreuten sich der ganz besonderen kaiserlichen Fürsorge. Für 50 Millionen Taels ließ sich K'ang-hsi in halbeuropäischem Stil den Sommerpalast Yuan-ming yuan erbauen, ein Prunkschloß, welches etwas an Versailles erinnerte. Im Kriege mit England und Frankreich wurde es 1860 durch den Vandalismus der französischen und englischen Truppen zerstört. Yung-tscheng, 1723—1736 führte nicht immer glückliche Kämpfe in Ili und gegen die Miao-tse in Yünnan. 1730 ging die erste chinesische Gesandtschaft nach Europa und verhandelte in Petersburg über die Rückkehr des Stammes der Turgulen nach China. Diese waren nach Rußland ausgewandert und kehrten, da sie dort zu sehr bedrückt wurden, in ihre alte Heimat zurück. Dieser Kaiser war sehr energisch und gerecht, aber er besaß nicht die Großzügigkeit seines Vaters. Sein Wesen hatte etwas Engherziges und Hartes. China suchte er von fremden Einflüssen abzuschließen und drängte deswegen das Christentum zurück. Er beschäftigte sich viel mit Verwaltungsfragen und schuf den Staatsrat. Die Steuern wurden unter seiner Regierung gesenkt und viel geringer als in der Ming-Zeit. Die sehr unpopuläre Kopfsteuer wurde ganz abgeschafft. Tch'ien-lung, 1736—1796, führte China auf den Gipfel seiner Macht und brachte die Eroberung Innerasiens zum Abschluß. China wurde die erste Großmacht Ostasiens. Um das eigentliche China, die achtzehn Provinzen, dehnte sich der Gürtel der abhängigen Staaten aus. Die Herrschaft in Turkestan wurde durch verschiedene Kämpfe gefestigt. Birma, wurde bekriegt und tributpflichtig. In Annam wurden Thronstreitigkeiten geschlichtet und Chinas Oberhoheit anerkannt. Die Gurkha, ein Bergvolk in Nepal, hatten einen Einfall in Tibet gemacht. Von einem chinesischen Heer wurden sie über den Himalaya bis nach Indien verfolgt und hatten von da ab Tribut zu zahlen. Trotz dieser Kriege war dank dem Kaiser die Finanzlage sehr günstig. Mehrere Jahre brauchte gar keine Grundsteuer erhoben zu werden, und trotzdem war ein Überschuß von 70 Millionen in den Staatskassen. Die Regierung dieses Herrschers muß als eine sehr glückliche bezeichnet werden. Namentlich blieben die eigentlichen chinesischen Provinzen von einem Kriege verschont. Dem Christentum gegenüber war Tch'ien-lung gleichgültig, aber er schätzte die Jesuiten als Gelehrte. Als Regent stand Tch'ien-lung hinter seinem Großvater K'ang-hsi kaum zurück, aber als Charakter kam er ihm wohl nicht ganz gleich, er war weniger hochherzig und edel. Seinem Wesen nach war er mehr Literat als Feldherr, aber er hatte ausgezeichnete Feldherrn in seinem Dienst, die, wenn sie nicht siegten, nach alter Sitte hingerichtet wurden. Die literarische Begabung des Kaisers war so groß, daß man ihn als den besten Literaten seines Reiches bezeichnet hat. Daher bewies er das lebhafteste Interesse

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für Kunst und Wissenschaft. Seine Gedichte wurden in der //awZiw-Akademie aufbewahrt. Sie werden auf 34000 beziffert. Der Kaiser schrieb selbst viele Inschriften, die er Tempeln oder verdienten Männern verlieh. Auf seinen Reisen hielt er oft Dichterwettkämpfe ab, wozu er selbst die Themata stellte. Von Standard-Werken ließ der Kaiser herausgeben den sogenannten Tch'ienZwwgr-Katalog, eine Beschreibung aller Bücher der kaiserlichen Bibliothek, das Sse-k'u tch'üan-schu tsung-mu1), eine Literaturgeschichte größten Ausmaßes. Die alten Bronzen des Kaiserpalasts wurden beschrieben und ihre Inschriften entziffert in einem illustrierten Prachtwerk von 42 Folios, dem Hsi-tch'ing kutchien2) 1749. Im Jahre 1739 erschien ein Kompendium der äußeren Medizin, das I-tsung tchin-tchien.3) Der Kaiser veröffentlichte auch das Strafgesetzbuch der TcA'tw^-Dynastie, das Ta Tch'ing lü-li.*) Durch seine Prachtliebe förderte Tchfien-lung die Kunst. Er malte selbst und hatte einen italienischen Maler an seinem Hof, konnte sich aber für die europäische Malerei nicht erwärmen und zog die chinesische vor. Die Kunstproduktion erreichte unter seiner Regierung den Höhepunkt. Porzellane, Lackarbeiten, Schnitzereien, Seidenstickereien und Teppiche wurden in großen Massen hergestellt und ins Ausland exportiert, wo sie mit zur Entstehung des Rokoko-Stils beitrugen. Die führenden Geister in Europa wie Leibniz, Wolff, Voltaire bewunderten China. Schon mit dem Nachfolger Tch'ien-lung's, Tchia-tch'ing, 1796—1821, beginnt der Niedergang der Dynastie. Die Mandschu-Kaiser waren längst Chinesen geworden, hatten die feine chinesische Bildung in sich aufgenommen und dadurch ihre alte Kriegstüchtigkeit verloren. Die in China üblichen Naturkatastrophen, Überschwemmungen und Hungersnot, die Korruption der Beamten, das Wühlen der geheimen Gesellschaften gegen die Dynastie, vor allem aber die unglücklichen Kriege mit den Europäern brachten die Dynastie bald um ihr Ansehen, so daß der Zusammenbruch unvermeidlich wurde. Kaiser Tao-kvang, 1821—1851, hatte den besten Willen zu einer einsichtigen, maßvollen Regierung, aber er war ein zu schwacher Charakter. Nachdem die Chinesen im Opium-Krieg von den Engländern geschlagen waren, mußten sie im Vertrag von Nanking 1842 eine Reihe von Häfen dem fremden Handel öffnen. Damit trat ein Wendepunkt in den Beziehungen zwischen Ostasien und Europa ein. Kaiser Hsien-feng, 1851—1862, führte ein ausschweifendes Leben und war ein Schwächling, der den mandschurischen Prinzen einen Anteil an der Regierung überließ. Unter ihm brach der T'ai-p'ing-Aufst&nd aus, 1851—1864, der den Sturz der Dynastie herbeigeführt haben würde, wenn sie nicht an Männern wie Tseng Kuo-fan und Li Hung-tschang eine feste Stütze gefunden hätte. 1860 wurden von den Engländern und Franzosen die Taku-Foite genommen, und die

A· Die Tch'ing-Dynastie

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Verbündeten zogen in Peking ein. Der Kaiser floh nach Jehol. Durch den Vertrag von Tientsin wurden weitere Häfen geöffnet, und die Zulassung fremder Gesandter in Peking wurde durchgesetzt. Von Hsien-feng ab hatte der Mannesstamm der Dynastie seine Kraft verloren, und der Hof wurde von Weiberintrigen beherrscht. Es wurden nur noch unmündige Kinder auf den Thron gehoben, für die ihre Mütter die Regentschaft führten. So gelangte T'se Hsi, die Mutter des Kaisers T'ung-tschi, 1861—1875, zur Macht. Sie war eine Frau von ungewöhnlicher Begabung und eiserner Willenskraft, eine hervorragende Regentin, hochgebildet und künstlerisch veranlagt. Moralische Bedenken kannte sie nicht, wenn es sich darum handelte, das Mandschu-Regiment und namentlich ihre eigene Herrschaft aufrecht zu erhalten. Obgleich auch sie die Übergriffe der fremden Mächte nicht abzuwehren vermochte, so konnte sie doch mit ihren eigenen Untertanen fertig werden und hielt das Reich zusammen, aber da sie keinen kräftigen Herrscher neben sich duldete und auch bei ihrem Tode ein Kind zum Nachfolger bestimmte, so war damit das Schicksal der Dynastie besiegelt. Der Kaiser Kuang-hsü, 1875—1908, kam als dreijähriger Knabe auf den Thron und wurde später, als er versuchte, sich selbständig zu machen, wieder abgesetzt und bis an sein Lebensende gefangen gehalten. 1884 ging durch einen Krieg mit Frankreich Annam verloren. Der Krieg mit Japan wegen Koreas 1894 offenbarte Chinas vollständige Ohnmacht und führte zum Verlust von Korea und Formosa. Japan wurde an Stelle von China die erste Macht Asiens. Das führte zu einer Änderung der Politik der europäischen Großmächte, welche daran dachten, China unter sich aufzuteilen, die Ära der Pachtgebiete und Interessensphären. In dem russisch-japanischen Kriege wegen Koreas, 1904—1905, wurde China.ganz als quantite negligeable behandelt.1) Die Mandschu-Ze\t war für China eine Periode hoher Kultur. Namentlich die Wissenschaften blühten, vor allem die philologischen, für welche die Literaten von jeher eine Vorliebe hatten und besonders begabt waren. Das waren Phonetik, Paläographie, Archäologie, Textkritik, Literatur- und Kunstgeschichte. In der Literatur entwickelte sich der moderne Roman, in der Lyrik und im Drama wurde weniger geleistet. In der hohen Kunst, Malerei, Plastik und Baukunst stand die TcA'iwg-Dynastie nicht mit an erster Stelle, aber im Kunstgewerbe hat sie hervorragende Leistungen aufzuweisen. Wie steht es nun mit der Philosophie ? In dieser hat die Tchcing-Zeit weniger als die Sung- und Jlfiwjr-Epoche geschaffen. Wenn wir den Verlauf der chinesischen Philosophie mit einer Welle vergleichen, bei welcher Wellenberge und Wellentäler miteinander abwechseln, so stellt die T«cAow-Dynastie einen Wellenberg dar. In der //aw-Dynastie sinkt er bereits herab, und während der kleinen Dynastien und der T'ang-Zeit haben wir ein Wellental. Die $i«w/-Dynastie ist *) Als Grundlage für meine Darstellung dienten mir die Geschichtswerke von v. Fries, Krause und Schüler.

464

Die Tch'mg-Dynastie und die Republik

wieder ein Wellenberg, in der Ming-Zeit fällt die Welle wieder, und in der Tch'ingDynastie erreicht sie ihren Tiefstand, aber gegen Ende dieser Dynastie ist wieder ein Ansteigen zu bemerken. Zu Beginn der Mandschu-Zeit im siebzehnten Jahrhundert ist die philosophische Produktion noch sehr lebhaft, ganz ähnlich wie in der Ming-Zeit, wenn auch nicht gerade viel Neues von Bedeutung geschaffen wird. Im achtzehnten Jahrhundert dagegen versiegt die Philosophie fast vollständig. Als Philosophen kommen in dieser Zeit eigentlich nur noch -Tsch'en, allerdings der größte Denker der Mandschu-Zeit, und der Skeptiker Hung Liang-tchi in Betracht. Im neunzehnten Jahrhundert herrscht fast völlige Ebbe, denn Tseng Kuo-fan und Yu Yüeh sind nicht als Philosophen ersten Ranges zu betrachten. Erst gegen Ende der Dynastie kommt durch die K'ang Yu-wei-Schiüe wieder neues Leben. Im siebzehnten Jahrhundert stimmen die meisten Philosophen noch mit Tschu Hsi überein, einige sind für Wang Yang-ming, oder sie stehen vermittelnd zwischen beiden. Auch der pneumatische Monist Liu Tsung-tschou hat einige Anhänger. Yen Yuan und seine Schule und bis zu einem gewissen Grade auch K u Yen-wu lehnen dagegen die Sung- und Ming-Philosophie als Irrlehre mit Entschiedenheit ab. Sie wollen auf Metaphysik verzichten und zum Altkonfuzianismus zurückkehren. Auch Tai T schien im achtzehnten Jahrhundert bekämpft die SungPhilosophen als schlechte Konfuzianer und ersetzt ihre Lehre durch einen materialistischen Monismus. K'ang Yu-wei gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts stößt in dasselbe Hörn; er sucht seine europäischen Ideen und seine kommunistischen Ideale mit dem Konfuzianismus dadurch in Einklang zu bringen, daß er ihn mit Hilfe des Kung-yang umdeutet und so den „höheren Konfuzianismus" schafft. Neu ist in der Philosophie der Tch'ing-Dyn&stie das starke Hervortreten der Pädagogik, zum Beispiel bei Lu Schi-i, Tschang Erh-tchü, Tschang Li-hsiang und vor allem bei Yen Yuan und Li Kung. Sun Tch'i-feng schrieb die erste Geschichte der Philosophie: Li-hsüeh tsung-tschuan, Huang Tsung-hsi veröffentlichte zwei große Werke über die Philosophie der Sung- und Yuan-Zeit: Sung yuan hsüeh-an und über die Philosophie der Ming-Zeit: Ming-ju hsüeh an. Der Begriff der Philosophen wird darin freilich sehr weit gefaßt. Die meisten der darin behandelten Gelehrten sind nach unserer Auffassung nur Kommentatoren und Textkritiker, also Philologen, nicht Philosophen. Bei K'ang Yu-wei und Liang Tch'i-tsch'ao erwachte zuerst das Interesse für Religionsphilosophie, und in Hsia Teng-yu haben wir einen Religionsphilosophen. Seit dem achtzehnten Jahrhundert gewinnt der bis dahin gering geschätzte Buddhismus sehr an Bedeutung. Wang Tchin, Lo Yü-kao und Peng Schao-scheng sind konfuzianische Buddhisten, welche den Konfuzianismus mit dem Buddhismus vereinigen. Das tun in neuester Zeit auch K'ang Yu-wei und seine Anhänger. Als eine Eigentümlichkeit der TcA'iwgi-Philosophie muß schließlich noch das Hervortreten des Antimonarchismus und des Kommunismus bezeichnet werden.

I. Pantheisten: 1. Sun Tch'i-feng

465

So hat denn ohne Zweifel die Philosophie in der Tch'ing-Epoche ihrem Charakter entsprechend nach der wissenschaftlichen Seite eine Erweiterung erfahren, aber schöpferische Philosophen wie in der Sung-Zeit finden sich kaum.

17. Jahrhundert.

I. Pantheisten. 1. Sun TcM-feng 1584—1675.!)

I. Leben und Werke. z

Sun Tch'i-feng ) ( . Tchfi-t(ai, H. Tschung-yuan und Tscheng-tchün3)) aus Jung-tech'eng*) in Tschili war sehr früh reif, denn schon mit 13 Jahren bestand er das erste und mit 16 Jahren das zweite Examen. Da seine Familie arm war, so erhielt er des Abends nach dem Studium selten etwas anderes als Bohnenmehlsuppe zu essen, aber das störte seine Zufriedenheit nicht.5) Auch später ertrug er die politischen Wirren mit vollkommener philosophischer Ruhe. Er besaß einen heroischen Charakter. Als er 12 Jahre alt war, fragte ihn der Leiter der Schule, was er in einer belagerten Stadt, die nicht mehr genügend Proviant und keine Hoffnung auf Ersatz hätte, tun würde. Darauf antwortete er, er würde sterben, aber seinen Posten nicht verlassen.6) Nach diesem Grundsatz hat er später auch gehandelt. Sun hatte ein schönes Familienleben, es herrschte stets Ruhe und Frieden und Eintracht zwischen den Familienmitgliedern. Die Verarmung der Familie war mit darauf zurückzuführen, daß er mit seinen Brüdern sechs Jahre am Grabe seines Vaters trauerte. Jeden Morgen kniete er im Familientempel, und oft saß er still da und fastete. Den ganzen Tag war er beschäftigt und nie müßig.7) Im Jahre 1636 wurde seine Vaterstadt Jung-tsch'eng von dem Rebellen Li Tse-tsch'eng angegriffen. Sun bildete mehrere hundert seiner Schüler im Gebrauch der Waffen aus und übernahm an der Spitze der angesehenen Familien die Verteidigung der Stadt. Ein fehlendes Stück in der Stadtmauer wurde schleunigst ergänzt. Die Stadt hielt sich gegen die Belagerer, während alle größeren Städte in der Nachbarschaft fielen. Es wurde ein Bericht an den Thron gesandt, welcher dem mutigen Verteidiger einen Ehrenrang verlieh. Alle ihm angebotenen Ämter lehnte er ab, denn er wollte wegen der herrschenden Mißwirtschaft nicht Beamter ') Sun Tch'i-feng starb 1675 im Alter von 91 Jahren (Tch'ing-tai t'ung-schi I, 821, Lebensbeschreibung des Wei I-tchieh, Vorwort zum Hsia-feng tchi S. l und Tchiang Wei-tch'iao, Tchung-kuo ichin san-po nien tsche-hsüeh schi, Gesch. 300 Jahre chiii. Phil., S. 36). Giles 2 schreibt 1583 statt 1584, Hsieh Wu-liang 1673 statt 1675. ) fä gj· j£. 3 4 ) W ^ f t 7C> ^L ?J · Giles betrachtet Tschung-yuan als fj:. ) ^ ££. 6 6 ) Tch'ing-tai t'ung-schi I, 820. ) Vorwort S. 1. 7 ) Tch'ing-schi lieh-tschuan Kap. 66 S. 2a.

466

Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

unter den Ming werden.1) Berufungen, welche später von der Tch'ing-Dyn&stie an ihn ergingen, leistete er ebensowenig Folge. Von Jung-tsch'eng zog er mit seinen Schülern nach Wu-kung schon in I-t-schou2) (Tschili), das er ebenfalls im Jahre 1638 mit Erfolg verteidigte. 1650 verlegte er seinen Wohnsitz nach Su-men in Hui-hsien3) (Honan). Da ihm ein Gönner in Hsia-feng*) Land schenkte, so siedelte er sich dort im Jahre 1652 an und lebte dort bis an sein Lebensende vom Ackerbau. Davon erhielt er den Beinamen Hsia-feng. Auch seine Schüler unterwies er in der Bestellung der Felder und gründete die Schule Tchien-schan fang,5) in welcher er unterrichtete. Alle höheren Beamten, welche auf der Reise durch seinen Ort kamen, besuchten ihn, und das Volk verehrte ihn als einen Weisen. Als Sun Tch'i-feng 85 Jahre alt war, feierten fünf Generationen bis zum Urenkel seinen Geburtstag, und mehrere hundert Personen kamen von nah und fern zu dem Feste. Die letzten Tage vor seinem Tode konnte er nicht mehr essen, aber er saß in voller Tracht aufrecht und sprach ohne Aufhören mit seinen Schülern und Nachkommen.6) Die Philosophen T'ang Pin und King Tchieh7) waren seine direkten Schüler. Wei I-tchieh,s) welcher die Lebensbeschreibung des Sun Tchci-feng verfaßte, hatte nur freundschaftlich mit ihm korrespondiert, kannte ihn aber nicht persönlich. Im Jahre 1828 wurde Sun in den KonfuziusTempel aufgenommen. Sun Tch'i-feng schrieb Erklärungen zum Yiking, Schuking und zu den Vier Büchern, das Sse-schu tchin-tschi9) in 20 Kapiteln. Das letztere Werk genießt großes Ansehen und wird von Tschang Tschi-tung den Studenten empfohlen. Zwei Werke sind geographischen Inhalts und handeln von Menschen und Dingen in bestimmten Provinzen.10) Von großer Bedeutung ist das Li-hsüeh tsungtschuan,11) die .Allgemeine Chronik der Philosophie', wohl die erste Darstellung der Geschichte der neueren chinesischen Philosophie, ein wichtiges Quellenwerk, von dem wir ausgiebigen Gebrauch gemacht haben. Es beginnt mit den elf nach Sun's Meinung bedeutendsten Philosophen der Sung- und Ming-Zeü,, worauf dann die weniger bedeutenden von der Han- bis zur .Mwgr-Epoche folgen. Sun soll dreimal das Konzept geändert und über 30 Jahre daran gearbeitet haben.12) Sun Tch'i-feng's eigene Philosophie lernen wir aus seinen Gesammelten Werken, Hsia-feng tchi13) in 16 Büchern kennen. Sun ging von Lu Tchiu-yuan, Wang Yang-ming und Liu Tsung-tschou aus, aber er bekämpfte Tsch'eng I und Tsohu Hsi nicht, so daß er als Vermittler zwischen der idealistischen und realistischen Richtung galt. Sein Hauptziel war *) Vorwort S. 5. Das Volk nannte ihn deswegen TscMng-tchün gfc ;§· ,der zum Beamten Berufene', was sein Beiname wurde (Takejiro III, 206^. 4 2 5

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«) Vorwort S. 7—8.

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') Siehe S. 523 und S. 496. 10

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») Vergl. S. 494.

la ") 8l ^1 ^ flj in 26 Büchern. ) Tch'ing-tai t'ung-schi I, 822. 18 ) JJ }j£. ^£. Das von mir benutzte Exemplar der Staatsbibliothek ist aus dem Jahre 1834.

I. Pantheisten : 1. Sun Tch'i-feng

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die Selbstbildung durch tägliche Beschäftigung mit der Pflichtenlehre, wozu aber noch die Erkenntnis des himmlischen Prinzips treten mußte. Im Norden war seine Lehre sehr verbreitet. Auf hohe Beamte und einfache Leute übte er denselben Einfluß aus. Seinen Schülern antwortete er nach ihren Fähigkeiten.1)

II. Das Hsia-feng tchi. 1. Geist und Welt. Sun Tch'i-feng's philosophischer Standpunkt geht aus folgendem Ausspruch hervor: „Jemand fragte, ob das Prinzip und das Fluidum eins oder zwei Dinge seien. Die Antwort lautete: ,Zu Anfang des Chaos gab es nur ein Pluidum. Die Herrschaft darüber hatte das Prinzip, und die Rotation erfolgte durch das Fluidum. Dies als Zweiheit zu bezeichnen, ist nicht angängig, aber man kann auch keine Einheit daraus machen"'.2) Geist und Welt sind so eng miteinander verbunden, daß man sie nicht als zwei Dinge betrachten kann, aber sie sind auch nichtein und dasselbe, denn begriff lieh lassensichdas materielle und das immaterielle Prinzip voneinander scheiden. Unser Philosoph will kein Dualist, aber auch nicht Monist sein. Was ist er dann ? Pantheist, denn die ganze Welt scheint ihm vom Geist oder Tao erfüllt und beherrscht, jedes Di ig ist zugleich Geist und der Geist stets in engster Verbindung mit den Dingen. Es gibt nichts, worin nicht Tao enthalten wäre, und keine Zeit, wo es nicht existiert hätte. Es ist von unendlicher Größe und unendlicher Dauer, und außer Tao existiert nichts.3) Daß der Geist von Yao, Schun und K'ung-tse noch heute lebt, kommt von der E\vigkeit und der Allgegenwart Tao's. Tao befindet sich immer im Gleichgewicht, aber ist in seinen Erscheinungen dem beständigen Wandel unterworfen.4) „Jemand fragte, wo Tao zu finden sei ? Antwort: , ist vor den Augen'. — Frage: ,Was vor den Augen ist — Antwort: , Jedes Ding und jede Handlung, was es auch sei, ist stets Tao. Das Volk hat täglich damit zu schaffen, aber weiß es nicht. Wenn man richtig zu beobachten versteht, so gibt es kein Ding und keine Handlung, die nicht Tao wäre'."5) ,, liegt direkt vor den Augen, in den mir gegenüberstehenden Menschen, den mir gegenüberstehenden Dingen und dem mir still gegenüberstehenden Selbst. Tao, von dem es heißt, daß es nicht einen Augenblick getrennt davon sein dürfe, erfüllt vollkommen die menschliche Natur und die Natur der Dinge. Alles liegt vor den Augen. Wer das vor seinen Augen Liegende preisgibt und in !) Tch'ing-echi lieh-tschuan Kap. 66 S. I b —2a. «) Bria-ttog tchi B. I, S. 5a: ffl 3 S* * fi ~ fi -, H » «S ± *J ~ * BB B> 3

) Hsia-föng tchi B. I, S. 23b. ) Eod. S. 24b.

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468

Die Tch'iiig-Dynastie und die Republik

der Ferne sucht und in Schwierigkeiten kommt, kennt Too nicht."1) Tao ist überall, in den Dingen, in den Menschen und auch in mir. Tao ist auch dasselbe wie das Urprinzip. Davon heißt es: „Jemand fragte, wie sich das Urprinzip vom himmlischen Schicksal und von der Natur des Geistes unterscheide. Antwort: .Das Urprinzip ist das allerletzte Prinzip. Es ist vor dem himmlischen Schicksal und der Natur des Geistes, aber gilt nicht als früher, und es ist nach dem himmlischen Schicksal und der Natur des Geistes, aber gilt nicht als später. Mit Himmel und Erde und mit allen Dingen ist es fest vereint und harmonisch zusammengefügt, so daß man nicht von Anfang und Ende, Vereinigung und Trennung sprechen kann. Seit Urzeiten bis jetzt ist es zu jeder Zeit dagewesen und in allen Dingen vorhanden gewesen. Das ist das Urprinzip.' "2) Das Urprinzip oder Tao ist zeitlos, es \var stets, ist in der Gegenwart und wird stets sein. Das Schicksal, der Wesenskern der Dinge und des Geistes ist nichts anderes. Irgend welche Zeitbestimmungen haben für das Urprinzip keine Bedeutung, man kann es als dem Schicksal vorangehend, aber auch als nachfolgend betrachten, denn es war und ist zu jeder Zeit. Tao ist ewig, die Dinge und das Leben haben Anfang und Ende: „Was stets erhalten bleibt und niemals zugrunde geht, ist Tao. Himmel und Erde sind die Maschinerie, welche das Leben hervorbringt."3) „Das Fluidum zwischen Himmel xind Erde ballt sich zusammen und zergeht, und dadurch entstehen und vergehen die Dinge. Es kommt nicht vor, daß das Fluidum sich zerstreut und dann wieder vereinigt, und daher gilt auch nicht die Regel, daß, was zerstört ist, wiederhergestellt wird."4) Es ist ein Wahn, daß man ewig leben könne. Nur der Geist großer Männer bleibt Tausende von Jahren erhalten. Im Alter verliert man seine geistigen Kräfte. Wozu sollte man da noch weiter leben ? 5 ) 2. Der menschliche Geist. Der menschliche Geist, oder wie Sun Tch'i-feng auch sagt, das menschliche Herz, ist der Weltgeist. Das hat die weittragendsten Folgen: „Der Mensch ist das Herz von Himmel und Erde. Wie sollen Himmel und Erde klar und still sein, wenn der Mensch sein Menschentum verliert ? Daher ist es Sache der

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S. 2a.

I. Pantheist«!: 1. Sun Tsch'i-feng

469

Heiligen und Weisen, für Himmel und Erde ihr Herz aufzurichten und für das Volk das Schicksal zu begründen. Es erscheint kein erleuchteter Fürst, und die Weisen sind fern. Aber das Herz von Yao, Schun und K'ung-tse ist bis heute vorhanden. Das ist nichts Menschliches, sondern göttlich."1) Der Gedanke, daß die Weisen das Herz des Himmels in der Brust haben, ist schon von den alten Philosophen Wen-tse2) und Wang Tsch'ung3) geäußert, aber doch mehr bildlich gemeint in dem Sinne, daß sie das vom Himmel ausgehende Sittengesetz verkörpern. Hier aber soll die Identität des Menschengeistes mit dem Himmelsgeist zum Ausdruck gebracht werden. Wenn Himmel und Erde ruhig und klar erscheinen, so wird das vom Menschengeist als Weltgeist bewirkt. In erster Linie sind es die Heiligen und Weisen, welche durch diese göttliche Kraft auch das Schicksal des Volkes bestimmen. Es schadet nichts, wenn zur Zeit kein Weiser vorhanden ist, denn der Geist der alten Weisen wirkt für ewige Zeiten weiter. „Die Menschen wissen, daß der Körper mit seinen Öffnungen ihr Selbst ist, und sie wissen nicht, daß ihr Geist ihr wahres Selbst ist. Der Geist durchströmt täglich die Öffnungen des Körpers und steht zu den Dingen der Welt in Wechselwirkung.4) Die Menschen können ihn nicht sehen, aber es ist der Dämon und Geist, welcher sich vom Körper und von den Dingen nicht trennt. Wenn man diesen Geist pflegt, so daß er stark wird und alles ringsumher erfüllt, dann bleibt er nicht durch das Leben erhalten und geht nicht durch den Tod zugrunde. M ein Geist darf nicht als vom Geist des Himmels und der Erde getrennt betrachtet werden."5) Die Menschen kennen ihren eigenen Geist nicht und wissen nicht, daß er von Leben und Tod unabhängig und mit dem Weltgeist identisch ist. Voraussetzung dafür ist allerdings die Erkenntnis dieses Zusammenhangs. Ohne diese geht mein Geist wie Bäume und Pflanzen zugrunde: „Das Fünkchen Geist und Natur in mir ist der große Herrscher des Himmels und der Erde, der Vergangenheit und Gegenwart. Es macht nur einen Unterschied, ob ich diese Einsicht habe oder nicht. Wenn ich es einsehe, dann ist die Höhe und die Helle des Himmels die Höhe und Helle meiner Natur,6) und wenn der Himmel mit seiner Höhe und ') B. l,S.4b-5a: A * ^ * ± i & - l k A i f c 3 t e A , i l B ^ « ! H J Ö » * , t t

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) Vergl. Gesch. d. alt. Philos. S. 344 Anm. 6. ) Lun-heng I, 129. 4 ) Die Wahrnehmungen der Außenwelt sollen dadurch zustande kommen, daß der Geist in die verschiedenen Körperöffnungen = Organe wie Augen, Ohren. Mund, Nase strömt. Vergl. World Conception S. 130. ·) Hsla-j(nfr m «L3 mS,$ mffiH&*»*Ä#« m « w. tt n. *!$,»# PJ A. «s 3 B

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) Takejiro III, 223.

I. Pantheisten: 2. Tschao Yu-tschung

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Diese etwas seltsame Forderung wird verständlich, wenn man annimmt, daß Tschao Yü-tschung wie sein Lehrer Pantheist ist. Dann erkennt er im eigenen Geiste den Weltgeist, dem er seine Verehrung darbringt. Die Menschen müssen danach ihrem Geiste wie dem Himmel dienen. Wenn sie das tun, dann verleihen sie ihrem Geiste einen reinen Glanz, mit dem sie allem entgegentreten können. Bei allen äußeren Veränderungen muß der Geist unerschütterlich fest bleiben und seine Einheit bewahren. Man muß alle Begierden unterdrücken und sein Herz an nichts hängen, nur dann kommt man in Tao vorwärts.1) Die Pflege und Kräftigung des Geistes ist die Hauptsache, auf die Lehre der Weisen und das Studium kommt es viel weniger an: „Die Lernenden müssen nicht suchen, die Worte der Heiligen und Weisen verstehen zu lernen. Sie müssen darauf achten, daß ihr eigener Geist klar ist und selbst ihm dienen. Wenn sie sich auf das Verstehen von Texten verlassen, dann sind sie ratlos, wenn irgend etwas Unerwartetes eintritt,2) und wissen sich nicht zu helfen. Sie betrügen sich selbst und auch andere."3) „Falls alle möglichen Schwierigkeiten eintreten, so braucht man nur seinen Geist zu entfalten. Wenn der Geist ganz rein ist, so rafft er sich nicht nur empor und steht aufrecht da, sondern es gelangt zugleich auch Tao zur Ausbreitung und übt seine Wirkungen nach allen Richtungen aus."4) „Alle Menschen müssen nur ihren Willen, ein Heiliger zu werden, klar erkennen, dann sind sie auch imstande, umfassende Studien anzustellen, genau nachzuforschen, sorgfältig nachzudenken, klar zu unterscheiden und ernstlich entsprechend zu handeln.5) Wenn jemand Fortschritte macht, so verdankt er das sich selbst, und wenn er zurückweicht, ebenfalls. Andere können ihm dabei nicht ihre Kraft leihen. Schätzenswert ist es, einen guten Freund zu haben, der einem zeigen kann, wenn man irre geht."6) „Wenn zu einem Zeitpunkt dieses vollbracht wird, dann tritt der Funken echten Geistes der ganzen Welt und allen Zeiten gegenüber. Seine Fähigkeiten werden übernatürlich, und er erreicht seine höchste Vollendung."7) Das ist Mystik. Tschao Yü-tschung' s Standpunkt ist stark idealistisch gefärbt. er traut dem Geiste Dinge zu, die er nicht leisten kann. ') Ibid. S. 224. ) Etwas, wovon die Texte nicht sprechen.

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474

Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

II. Verschiedene Richtungen. 1. Huang Tsung-hsi 1609—1695.1) Huang Tsung-hsi,2) ( . T'ai-tsch'ung, H. Li-tschou und Nan-lei3)) war aus Yü-yao*) (Tschekiang) gebürtig, lebte bis zu dem hohen Alter von 86 Jahren am Ende der Ming- und am Anfang der TcA'iwg'-Dynastie und schrieb bedeutende historische, mathematische und philosophische Werke. Sein Vater, ein loyaler Beamter, war durch die Intrigen eines Eunuchen ins Gefängnis geworfen und ermordert worden. Neunzehn Jahre alt begab sich Huang Tsung-hsi mit einem Hammer im Gewände nach der Hauptstadt, um Blutrache zu üben und den Mörder seines Vaters zu erschlagen. Aber dieser war inzwischen schon hingerichtet und in Stücke gehauen. Huang opferte darauf mit seinen jüngeren Brüdern und Verwandten an der Gefängnistür den Manen seinen Vaters und erschlug mit seinem Hammer den Gefängniswärter, welcher seinen Vater getötet hatte.5) Dem Wunsche seines Vaters folgend studierte er bei dem spiritualistischen Philosophen Liu Tsung-tschou,*) dessen Nachfolger er wurde, indem er seine Schule mit mehreren hundert Schülern übernahm, worin die Werke seines Meisters erklärt wurden. Huang pflegte bis nach Mitternacht zu studieren, im Winter, wenn es kalt war, in eine Decke gehüllt, die Füße auf einem Tonofen ruhend, so lange die Öllampe brannte. Im Sommer saß er in einem Moskito-Haus aus Hanf, indem die kleine Lampe draußen stand.7) Er war aber nicht auf Liu Tsungtschou eingeschworen, sondern als einer der ersten Geschichtsschreiber der chinesischen Philosophie trieb er daneben umfassende philosophische Studien und zog zum Vergleich namentlich die Werke der Sung -Philosophen Schao-tse und Tsch'eng-tse und des Monisten Huang Tao-tschous) aus der Ming-Zeii heran. Nach dem Sturze der Ming-T)yn&stie kämpfte Huang Tsung-hsi in einer Freischar für den Ming-Prinzen Lu&) in Schao-hsing und begab sich mit einer Gesandtschaft nach Japan, um seine Hilfe gegen die Mandschus anzurufen, aber ohne Erfolg. Nach China zurückgekehrt, lebte er dort unter falschem Namen, konspirierte mit früheren Offizieren und Beamten gegen die neuen Herrscher, sollte öfter ergriffen werden und entkam nur mit knapper Not, indem er im Lande umherfloh. Mehrere Anerbieten des Kaisers Kcang-hsi, Beamter zu werden, lehnte er ab, denn er wollte unter den Eroberern nicht dienen. Auch die Herausgabe der offiziellen Geschichte der Ming-Dynastie, welche ihm angeboten wurde, wollte er nicht übernehmen. Trotz aller dieser Weigerungen ließ der ') Das Tch'ing-tai t'ung-schi Bd. III, l schreibt 1610.

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3 > * *tn * 9H>« 9· ) Watanabe III, 158 und Tschung T'ai II, 128. 8 ') Takejiro III, 200. ) Vergl. S. 352. 5

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4 )& * ) Vergl. S. 434. ») @ ]£.

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II. Verschiedene Richtungen: 1. Huang Tsung-hsi

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Kaiser alle seine historischen Werke einfordern und drucken. Das waren die Materialien zur Geschichte der Ming, Ming-schi an, 244 Kapitel, die Literatur der Ming-Zeit, Ming-wen hai, 482 Kapitel, und das geographische Werk Sse mingschan tschi1) in 9 Kapiteln. In der kleinen Schrift Jih-pen tch'i-schi tchi,2) l Kapitel, scheint er über seine Reise nach Japan und dortige Tätigkeit berichtet zu haben. Die mathematischen Schriften sind meist ganz kurz und handeln vom Kreise, von Kreisschnitten,3) von Trigonometrie4) und von arithmetischen Problemen nach chinesischer, europäischer und arabischer Methode.5) Am wichtigsten sind die philosophischen Schriften, vor allem zur Geschichte der Philosophie, die ,Acta Eruditorum' der Sung und , 6) und die der Ming7 Zeit. ) Das beständig von mir zitierte Bung-yuan hsüeh-an und das Ming-ju hsüeh-an sind als Quellensammlungen für die Geschichte der neueren Philosophie von größter Bedeutung. Da die Werke der weniger bekannten Philosophen sehr schwer, wenn überhaupt, zu beschaffen sind und die Durchsicht aller einzelnen sehr viel Zeit erfordern würde, so wäre ohne Huang Tsung-hsi's gründliche Vorarbeit eine Geschichte der modernen Philosophie sehr schwer zu schreiben. Das Erh Tsch'eng hsüeh-anB) in 2 Kapiteln ist eine Darstellung der Lehre der beiden Tsch'eng, das Ta-t'ung fa pien*), 4 Kap., handelt von der .Großen Gemein11 schaft'10), und das Ming-i tai-fang ) ist eine Staatsphilosophie. Mehr literarisch scheinen zu sein Wen-tchi, 11 Kap., und Nan-lei wen-yüeh, 4 Kap.12) Huang war ein großer Forscher und außerordentlich produktiv. Er war überzeugt, daß man ohne reiches Material und eigenes Nachdenken die Wahrheit nicht finden könne. Die vielen grundlosen Behauptungen und Übertreibungen sollen daher kommen, daß die Menschen über das Wissen früherer Zeiten keine zusammenfassende Darstellung besaßen. Daher würden längst überwundene Irrtümer wieder vorgebracht. Diesem Mangel glaubte er durch seine großen Sammelwerke abhelfen zu können.13) Von den JlfMwjr-Philosophen hielt Huang Tsung-hsi nicht viel. Ihre meisten Aussprüche seien leeres Stroh.14) Dabei stützte er seine eigene Philosophie doch hauptsächlich auf sie. Von den Studierenden verlangte er, daß sie zunächst gründlich die Klassiker kennen lernen sollten, welche ihnen Führer fürs Leben !} Hsüeh-an hsiao-tschi Kap. 12 S. Ib: |$ ]£ ^ [$ £ $^ |jg fjfl [Jj ±. «) Takejiro III, 200: g £ gflj jjß. 3

) IB Ä? Huan-tchieh, §jj j| /\ £$ $£ Ko-huan pa-hsien tchieh. ) ^J J£ 5E $'] Ä? M Kou-hu tchü t'aö tchieh yuan. 5 ) U fä j* IS Schau schi-fa, tchia-ju, g -^ }£ flg #D Hsi-yang fa tchia-ju, [EJ [E] ft (g ^p Hui-hui fa tchia-ju. *) 3zJt) Hsieh*,Wu-liang m s * VI, »· 24. ) Hsüeh-an hsiao-tschi Kap. 12 S. 1.

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Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

sein würden. Dann würden sie auch nicht leichtfertig darauf los reden. Wer nicht genügend gelesen habe, verstehe den Wandel der Lehre im Laufe der Zeiten nicht, aher auch bei ausreichendem Studium sei er noch kein richtiger Konfuzianer, wenn er nicht außerdem noch sein eigenes Herz erforsche. Als das Wichtigste in der Philosophie erschien ihm, das Wesen des Geistes zu erklären, und dabei weicht er von seinem Lehrer Liu Tsung-tschou sehr wenig ab. Alles in der Welt ist Geist und läßt sich darauf zurückführen. Wir erfahren: ,,Was Himmel und Erde erfüllt, ist alles Geist. Seine Wandlungen lassen sich nicht ergründen. Es müssen sich unendliche Verschiedenheiten daraus ergeben. Der Geist hat keine Substanz, das Resultat der Arbeit ist seine Substanz. Daher muß man, um das Prinzip zu erforschen, diese unendlichen Verschiedenheiten des Geistes erforschen und nicht die Verschiedenheiten der zehntausend Dinge."1) Und weiter heißt es: „Die Aufzeichnungen der Aussprüche der früheren Konfuzianer sind alle nur deswegen verschieden, weil sie die Substanz meines Geistes2) zum Ausdruck bringen. Die Bewegungen und Veränderungen halten niemals an; wenn ich sie festhalten und daraus ein System machen will, so lassen sie sich schließlich nicht mehr verwenden."3) Huang glaubt die große Verschiedenheit der Ansichten daraus erklären zu können, daß das Denken des Weltgeistes, auf welches sie zurückgehen, in beständigem Fluß ist und sich nicht fixieren läßt. Die Philosophen sind gleichsam nur Träger einzelner Gedanken zu verschiedenen Zeiten, aber niemals der Totalität. In der Geschichte der Philosophie, welche Huang so hoch schätzt, werden wenigstens eine große Menge dieser Gedanken zusammengefaß t. In Huang Tsung-hsi's Philosophie ist das Eigenartigste seine politische Einstellung, welche er im Ming-i tai-fang lu entwickelt. Danach ist das Wohl des Volkes der Hauptzweck des Staates. Der Fürst ist als Führer des Volkes eingesetzt. Wenn er das Volk verachtet und nur seine Privatinteressen vertritt, wird er von allen verlassen, und seine Würde kann ihm wieder genommen werden. Seine Last und Verantwortung ist sehr groß. Deshalb haben im Altertum manche Weise die Würde abgelehnt, oder erst nach längerer Weigerung angenommen, oder sie sind später zurückgetreten. Die Fürsten nach den drei Dynastien haben den Staat meist als ihr Eigentum betrachtet und nur ausgebeutet: „Im Altertum galt das Reich als der Hausherr und der Fürst als der Gast. Alles, was der Fürst in der Welt zustande brachte und ausführte, war für das Reich. Jetzt gilt der Fürst als der Herr des Hauses und das Reich nur als Gast. Daß die Menschen im Reich keine Stätte haben, wo sie ruhig leben können, ist wegen des Fürsten, der sie daran verhindert. Er tötet und vergiftet die edelsten ~) Hsieh Wu-liang VI, 24: fi ^ jfo % fc .&, jg ft ^ ffl, ^ fg ^ £ flj, ,fr £

n.) Die*Schöpfungen m s. tu *meines * H,Geistes & mund m *, m -t« 2. $ *> # m .& z n t*· früherer Geister sind alks Äußerungen des 2

Himmel und Erde erfüllenden und stets sich bewegenden und Neues schaffenden Weltgeistes.

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II. Verschiedene Richtungen: 1. Huang Tsung-hsi

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Geister des Reiches und reißt Söhne und Töchter auseinander, nur um seinen eigenen Besitz zu vermehren. Ist es nicht ein Jammer ? Er spricht: ,Ich muß für meine Nachkommen ein Erbe schaffen', und wenn er es getan hat, dann zerschlägt er den Untertanen die Knochen im Leibe und reißt Söhne und Töchter auseinander, nur um seinen eigenen Lüsten und Vergnügungen fröhnen zu können, und meint noch obendrein, das sei ganz in der Ordnung. Das nennt er den Ertrag seines Besitzes. Das größte Unheil für das Reich ist der Fürst. Wenn es früher keine Fürsten gegeben hätte, könnte jeder einzelne seine Interessen und seinen Vorteil wahrnehmen. Ach, warum mußte die Einsetzung eines Fürsten solche Folgen haben! In alten Zeiten liebten und verehrten die Menschen ihren Fürsten, verglichen ihn mit einem Vater und stellten ihn dem Himmel gleich, und damit gingen sie sicher nicht zu weit. Heutzutage klagen die Menschen ihren Fürsten an und hassen ihn, betrachten ihn als Feind und Banditen und nennen ihn einen Verlassenen."1) Nur die Herrscher der Urzeit waren wirkliche Herrscher, die alles für das Volk taten, die späteren dachten nur an sich und ihre Familie. Die schlimmsten Zeiten sollen die der TchHn- und ywem-Dynastien gewesen sein.2) Huang's Theorie stützt sich auf Meng-tse, der die bekannten antimonarchischen Äußerungen getan hat3) und auf soziologische Erwägungen. Das Volk gilt ihm als Träger der Regierung, aber da es sie nicht selbst führen kann, so muß es jemand erwählen, der sie in seinem Namen ausübt. Da diese Idee dem demokratischen Prinzip sehr nahe kommt, so haben 1911 die Revolutionäre dieses Buch in vielen tausend Exemplaren drucken und verteilen lassen und damit im Kampfe gegen die Mandschu große Erfolge erzielt. Huang's äußerst schroffer antimonarchischer Standpunkt ist schwer zu verstehen und mit seinen Taten in Einklang zu bringen. Er hat für einen MingPrinzeii gekämpft und für die gestürzte Dynastie sein Leben oft aufs Spiel gesetzt. Der Kaiser K'ang-hsi, unter dem er über dreißig Jahre gelebt hat, war der hervorragendste und edelste Herrscher Chinas in neuerer Zeit, der sich neben den jdealherrschern der Urzeit, die reine Phantasiefiguren sind, wohl sehen lassen !) Watanabe III, 161 und Tschung T'ai II, 130: ^ ^t jy 5 "F ® ± > ?J J£ &> JL

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* 5 T ± A,« « Ä S, Jfc ± *D 3£>«l ± in 35.« * « Sft -fc. 4 -Hl ?c T ± ,ffiM Ä S. jjü± in SS. * i: fi » *· 2 ) Gerade unter diesen Dynastien erreichte China den Gipfel seiner Macht und seines Ansehens. Es herrschten geordnete Zustände, Ruhe und Frieden, viel mehr als in der TschouDynastie, der letzten der drei alten Dynastien, die Huang Tsutig-hsf so hochschätzt. 3 ) Siehe Gesch. d. alt. chin. Philos. S. 209.

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Die Tch'mg-Dynastie und die Republik

kann. Unseren Philosophen hat er trotz seiner Feindschaft gegen die Mandschu sehr hochherzig behandelt und ihm mehrmals den Eintritt in den Staatsdienst nahegelegt. Trotz seiner Weigerung hat er seine Werke drucken lassen. Huang's Standpunkt läßt sich kaum anders als pathologisch erklären. Er war ein Mann von großer Leidenschaft. Als er die Unmöglichkeit einer Wiedereinsetzung der Ming-T>yna,stie sah, an der er mit allen Fasern seines Herzens hing, schlug wahrscheinlich sein Haß gegen die Eroberer in einen Haß gegen das Kaisertum überhaupt um. Es wäre auch möglich, daß seine Staatsphilosophie von Haus aus gar nicht als eine wissenschaftliche Schrift gedacht war, sondern als ein aufreizendes politisches Pamphlet, das zwar nicht sogleich, aber zweihundert Jahre später seinen Zweck erreicht hat.

2. Ku Yen-wu 1613—1682.1) Ku Yen-wu?} (T. Ning-jen, H. T'ing-lin3)) war aus dem Dorfe Hua-p'u in K'un-schan (Kiangsu4)) gebürtig, wo seine unmittelbaren Vorfahren sich niedergelassen hatten. Ursprünglich war sein persönlicher Name Tchiangb) und sein Beiname Tschung-tch'ing6), die er nach dem Sturz der Ming-T>yna,siie mit Yen-wu und Ning-jen vertauschte. T'ing-lin nannte er sich nach dem Flecken T'ing-lin tschen7), wo er später wohnte. Gleich nach seiner Geburt wurde er von der Witwe seines verstorbenen Onkels adoptiert. Dieser war schon vor der Hochzeit gestorben, und seine Verlobte \var als Witwe zu ihren Schwiegereltern gezogen. Sie war eine bedeutende Frau, die auf ihren Adoptivsohn einen großen Einfluß ausübte. Aus Kummer über den Untergang der Jimjr-Dynastie nahm sie sich im Alter von 60 Jahren durch Verhungern das Leben, nachdem sie ihren Sohn noch ermahnt hatte, nicht zwei Dynastien zu dienen, was dieser auch treulich gehalten hat. Durch eine Pockenkrankheit erblindete Ku auf dem rechten Auge.8) Damit hängt wohl die Nachricht zusammen, daß er doppelte Pupillen gehabt habe, was wohl ein Zeichen von Weisheit sein soll.9) Die Pupillen waren innen weiß und ') So richtig Hsieh Wu-liang VI, 25 und Takejiro III, 183, auch Mayers Nr. 281 und Hu Schi in dem Ausfatz über die vier großen Denker (Kung Hsien Nr. 6) S. 3. Nach dem Tch'ing-schi lieh-tschuan Kap. 68 S. 2b starb Ku 1682 im Alter von 69 Jahren. Tschung ' II, 132 und das Tch'ing-tait'ung-schiBd. III, l schreiben 1681 undGiles: 1612—1681. Helmut Wilhelm, Gu Ting Lin, ^der Ethiker, Inaugural-Dissertation 1932 (Teildruck, 1. Kapitel: Lebensgeschichte) S. 59 hat die Zahl 1692, wohl ein Druckfehler. 2 4 )JK^Ä·)$ ,4&«· )mUM£fiBtt· 5 6

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') · j|pfc fjnj — Ku Yen-wu gab sich selbst die Phanstasie-Namen: Tchiang-schan yung, $?f |ll {K »der Arbeiter vom Tchiang-Berg" und: Wu tschi K'un-schanHua-p'u tsun-jen„dei Dörfler aus Hua-p'u in K'un-schan in Wu" (Takejiro III, 183). i) H. Wilhelm S. 6. ·) Schun hatte doppelte Pupillen. Vorgl. Lun-heng Bd I, S. 304.

II. Verschiedene Richtungen: 2. Ku Yen-wu

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am Rande schwarz. Das hinderte ihn aber nicht, mit einem Blick gleich zehn Reihen zugleich zu lesen.1) Schon mit elf Jahren wurde er von seinem Großvater in das Tse-tschi t'ung-tchien2) eingeführt, das er in zwei Jahren durchgelesen haben soll. Er wird es schwerlich verstanden haben. Sein Großvater hielt ikn auch an, sich mit den praktischen Wissenschaften wie Astronomie, Geographie, Strategie und Landwirtschaft zu beschäftigen. Als er erwachsen war, trennte er sich nie von seinen Büchern. Selbst auf Reisen führte er zwei Maultiere und zwei Pferde mit Büchern bepackt mit sich. Wenn er durch öde Ebenen kam, so las er im Sattel die Kommentare zu den Klassikern. Gegen Ende der MingDynastie versuchte er mehrmals vergeblich die Doktorprüfung zu bestehen. Darauf gab er das Examenstudium auf und lebte eine Zeitlang in den Bergen. Noch 1644 diente er unter den Ming als Sekretär im Kriegsministerium, lehnte aber spätere Berufungen wegen der Trauer um seine Mutter ab, obwohl er im Herzen fest an der alten Dynastie hielt. Zu wiederholten Malen hat er noch unter den Mandschus die Gräber der alten Ming-K.a,iser besucht und dort geopfert. Nach dem Untergang der Jtfiwgr-Dynastie unternahm er über 20 Jahre große Reisen, besonders in Nord-West-China, um Material für seine Werke zu sammeln. Er studierte die Volkssitten, die alten geschichtlichen Denkmäler, Inschriften und dergleichen und suchte den Verkehr mit bedeutenden Gelehrten, aber er verschmähte auch die Belehrung, die er bei Leuten aus dem Volke fand, nicht. So erkundigte er sich auf den Wachtstationen und bei den alten Soldaten nach allem, was ihm aufgefallen war, und wenn die Auskünfte mit seinen Ansichten nicht übereinstimmten, so stellte er den Tatbestand mit Hilfe seiner Bücher fest.3) Erst unter K'ang-hsi promovierte er, aber wies das Ansinnen, an der Geschichte der Ming-Dynastie mitzuarbeiten, zurück. Der Kaiser wollte ihn zum Professor machen, und die hohen Beamten bestürmten ihn, ein Amt anzunehmen, aber er lehnte ab mit den Worten. „Drängt mich nicht zum Tode. Messer und Strick sind bereit." Er verdiente seinen Lebensunterhalt als Landmann durch Ackerbau und Viehzucht und, da er sehr geschäftstüchtig war, hatte er immer reichlich zu leben. Um den Intrigen und Verfolgungen in seiner Heimat zu entgehen, verlegte er seinen Wohnsitz in die Nordprovinzen. 1677 ließ er sich in Hua-yin*) in Schensi nieder. Dort setzte er sich sehr eifrig für die Errichtung einer Schule für die Lehre des Tschu Hsi ein, als dessen Anhänger er sich bekannte. Ku Yen-wu ist mehr Universalgelehrter und Kritiker als Philosoph, was aus seinen vielen Schriften ersichtlich ist. Er führte die kritische Behandlung der

*) a Tch'ing-echi lieh tschvan Kap. 68 S. l a.

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Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

heiligen Texte ein und gilt als der Begründer der Philologie in der TeA'ingr-Zeit.1) Über Phonetik handeln 5 Werke: Yin-hsüeh wu-schuz) in 38 Büchern, textkritisch sind das Schi-tching k'ao3) „Untersuchungen über die Stein Klassiker" urtd das Tchiu-tching wu-tse*) „Falsche Zeichen in den Neun Klassikern", historisch ein Kommentar zum Tso-tschuan, das Erh-schi-i schi nien-piao,5) Chronologien zu den 21 Annalen. Li-tai ti-wang tschai-tching tchie) handelt über die von den Königen und Kaisern der verschiedenen Dynastien bewohnten Hauptstädte, Tching-schi p'ien7) über Regierungsmaßnahmen. Ein ausgezeichnetes historisch-geographisches Werk ist das T'ien-hsia tchün-kuo li-ping schus) 120 Bücher, wozu noch drei Lokalchroniken kommen. Im Tchin-schi wen-tse tchi9) werden über 300 Inschriften kritisch beleuchtet, das Schan-tung k'ao-ku luw) handelt von den Altertümern in der Provinz Schantung, das Tching-tung k'aoku lu11) von den Altertümern östlich von Peking. Philosophisch scheint das Hsia-hsüeh tschi-nan12), der Wegweiser zu der niederen Lehre zu sein, das T'ing-lin wen-tchi13) ist eine Sammlung von Essays, Gedichten usw. Reine Stilübungen wie Elegien, Grabreden, Lobreden, Vorreden, Nachrufe, schätzte Ku Yen-wu nicht, denn er schrieb nur, wenn er etwas zu sagen hatte, und machte keine leeren Redensarten. Sehr gediegen ist sein Hauptwerk dasJih-tschi luu) in 32 Büchern, tägliche Aufzeichnungen von Bemerkungen zur gesamten Literatur, welche er während 30 Jahren niedergeschrieben hat. -f Über reine Philosophie hat Ku nicht viel geschrieben, denn er war der Meinung, daß die philosophischen Fragen schon in der Sung- und Ming-ZvA erschöpfend behandelt seien. Er hielt es nicht für nötig, noch viel darüber zu philosophieren, denn er war überzeugt, daß die Lehre der Klassiker die Philosophie sei. Wenn man die erstere preisgebe und von Philosophie rede, so komme man zu verkehrten Ansichten und gelange zuri^i/örai-Lehre;15) was man heute Philosophie16) nenne, 1 ) Als Textkritiker der Tch'ing-Zeit sind besonders bekannt: Wang Nien-sun 3i fö. fä, Wang Yin-tschi :£ ij| -%_, Yuan Yuan fä £, Yü Yüeh ^ 1$, Sun I-jang fä f§ fg, Tschang Ping-lin ^ fä £$. Yen Jo-tchü |Hj ^ J]J suchte den alten Text des Schukiny als Fälschung nachzuweisen, Liu Feng-lu g|J J|£ jflfc behauptete, daß Liu Hsin das Tso-tschuan gefälscht habe, nach Wei Yuan HJ| fjg wären das Schuking des Mao-schi nebst Vorreden unecht, Schao I-tsch'en $fc *g ^ bezichtete Liu Hsin der Fälschung des I-li. K'ang Yu-wei faßte alle diese Ansichten zusammen, schied scharf zwischen altem und neuem Text und hielt alle alten Texte der östlichen Han-Zeii für Fälschungen des Liu Hsin. Fast alle alten Werke der Tch'in-Zeit .wurden kritisch herausgegeben und erklärt, auch die nicht-konfuzianischen Philosophen wurden neu entdeckt und veröffentlicht. Die Tch'ingDynastie ist zugleich eine Renaissance der chinesischen Altertumswissenschaft; man sammelte und erforschte Altertümer. 2 3 4

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II. \rerschiedene Richtungen: 2. Ku Yen-wu

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sei eigentlich Buddhismus. Die Philosophie stütze sich nicht auf die fünf Klassiker, sondern auf die Aussprüche der Philosophen, die noch verschiedenartiger seien als die Essays. Wer sich auf die Äußerungen späterer Konfuzianer verlasse und das Lun-yü verschmähe, habe keine feste Grundlage mehr.1) Obgleich Ku Yen-wu zu Tschu Hsi hält, so glaubt er doch eigentlich der Philosophie ganz entbehren zu können, da die alten Konfuzianer bereits im Besitz der vollständigen Weisheit waren. Ein Mehr kann nur von Übel sein. Er sagte: „Wie könnte es in alter und neuer Zeit eine besondere Metaphysik gegeben haben ? Die Lehre der Klassiker ist die Metaphysik. Wenn man diese aufgibt und von der Metaphysik redet, dann entstehen Irrlehren." Ku T'ing-lin polemisiert gegen die Behauptung des Wang Yang-ming, daß Tschu Hsi im späteren Alter alle seine Ansichten widerrufen habe, eine Annahme, welche schon Lo Tch'in-schan in einem Briefe an Wang Yang-ming angefochten habe.2) Er bestreitet auch, daß Lu Hsiang-schan und Tschu-tse in den Grundprinzipien übereinstimmten. Im Laufe der Zeit hätten sie sich immer mehr voneinander entfernt. Lu wollte in Leere und Stille den Geist pflegen, Tschu pflegte ihn durch Konzentration, wollte durch gründliches Studium Wissen erwerben und auch alle Körperkräfte ausbilden, um sich ihrer im Leben erfolgreich bedienen zu können.3) Tschu Hsi's Art des Studiums ist Ku Yen-ivu jedenfalls sympathischer und seiner eigenen Wesensart verwandter als Lu Hsiang-schan' innere Schau. Er äußert sich darüber wie folgt: „Wenn ein Mensch im Studium nicht täglich Fortschritte macht, so geht er zurück. Wenn er allein studiert ohne Freund, so ist er vereinsamt und kommt schwer vorwärts. Lebt er lange an einem Orte, so nimmt er leicht, ohne es zu merken, die dortigen Gewohnheiten an. Will das Unglück, daß er in einer verlassenen Gegend lebt und stehen ihm nicht Wagen und Pferde zur Verfügung, so muß er um so umfassendere Studien machen, auf die Alten zurückgehen und forschen, um Wahres und Falsches zu erkennen. Dann kann er wenigstens noch teilweise zum Ziele gelangen. Wenn er dagegen weder sein Haus verläßt noch Bücher liest, dann ist er bloß ein Gelehrter, der die Wände anstarrt,4) und wenn er auch die Weisheit des Tse-kao und Yuan-hsien5) besitzen sollte, so würde er doch der Welt nichts nützen."6) Ku stellte das Prinzip auf, daß man neu schaffen und nicht nur nachahmen dürfe. Das ewige Nachahmen galt ihm als Krankheit J

) T'ing-lin win-tchi B. III, S. 18a. ») Vergl. S. 397. a ) Hsüeh-an hsiao-techi Kap. 3 S. lOa. 4 ) Das geht gegen L/u Hsiang-schan und seine Schule. 6 ) Zwei Schüler des K'ung-tse, unter den von Legge in den Prolegomena zu Band I der Chinese Classics aufgeführten Schülern Nr. 15 und 22. «) T'ing-lin wtn-tchi Kap. IV, S. 16a: A ± ^ I ^ ^ H i i ^ I I J 0 Ü > i l * Ä Ä >

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Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

seiner Zeit. Er wandte zuerst die induktive Methode an, indem er für jede Frage so viel Beweismaterial wie möglich herbeischaffte und daraus seine Schlüsse zog. Von großer Einsicht zeugt die folgende Bemerkung: „An alle Dinge, welche religiöse Momente in sich schließen, darf man nicht mit wissenschaftlicher Kritik herangehen. Sobald man sie nämlich kritisch untersucht, beginnt der heilige Boden zu wanken." In der Ethik erscheint Ku Yen-ivu als besonders wichtiges Moment das Schamgefühl. Der Mensch, heißt es, braucht sich nicht wegen schlechter Kleidung und schlechter Nahrung zu schämen, sondern wegen niedriger Gesinnung. Ohne Scham fehlt dem Menschen die Basis, und wenn er das Altertum nicht liebt und nur auf seine Erfahrungen Wert legt, dann ist sein Wissen leer. Ein solcher Mann ist von der konfuzianischen Lehre weit entfernt.1) Hier hören wir den Wissenschaftler, der aber zugleich Archäologe und Konfuzianer ist. Mit der Metaphysik hat sich der Wissenschaftler nicht viel beschäftigt, er hält sie ja eigentlich für überflüssig, am meisten scheint ihn noch die Frage nach dem Wesen des menschlichen Geistes interessiert zu haben. Er läßt den Geist aus dem Weltfluidum entstehen: „Was den Raum zwischen Himmel und Erde ausfüllt, ist das Fluidum. Seine höchste Entwicklung ist der Geist. Der Geist ist das Fluidum von Himmel und Erde und im Menschen das Herz. Daher sagt man: wenn man hinblickt, so sieht man nichts, und wenn man horcht, so hört man nichts."2) Das erinnert etwas an Tschang-tse. Was Lao-tse von der Unerkennbarkeit Tao's aussagt, behauptet liier Ku vom Geiste, den man ja auch nicht direkt wahrnehmen kann. Leben und Sterben faßt Ku Yen-wu als einen Übergang vom Sein in das Nichtsein auf: „Wenn aus der Lebensessenz ein Wesen wird, so geht es aus dem Nichtsein in das Sein über, und wenn die fliehende Seele3) sich verändert, dann geht s.ie aus dem Sein in das Nichtsein über."4) Die Seele geht also durch den Tod zu Grunde, das heißt, sie kehrt in den Zustand des Nichtseins zurück, in welchem sie sich vor der Geburt befand. Das sie bildende Geistfluidum zerstreut sich wieder imd kann dann überall hin gelangen,5) wie es in den alten Texten heißt. Ku unterscheidet zwischen den Anlagen der Menschen und ihrer Natur, die allerdings beide vom Himmel stammen. Seine Worte sind: „Die Menschen haben sicherlich Anlagen, welche zu schlechten Taten führen, aber das ist nicht ihre Natur. Die Natur hat der Himmel durch seine Fügung ihnen verliehen, und J

) T'ing-lin iven-tchi B. III, S. 2a. ») -toeM fr B. I, S. 21a: fi 5 Jfc £ JB ;£ fc fc, fc £ £ ;£ JJ jfl , jfl

±MffiA±'&4,.»Ei.iS;2:ffii*Ä,je±il5*l«· ) Die beim Tode fliehende Seele.

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II. Verschiedene Richtungen: 2. Ku-Yen-wu

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die Anlagen sind auch vom Himmel herabgekommen."1) Die späteren Erklärer der Natur und das himmlische Too sollen unvermerkt in Dhyäna hineingeraten sein. Konfuzius hat über diese Dinge nicht direkt, sondern nur imp'.icite gesprochen.2) Die Neueren, heißt es, stützen sich auf das Schuking, worinSchun den Fit ermahnt, an der rechten Mitte festzuhalten, und entwickeln daraus die Lehre vom menschlichen Geist und vom Geist des Too,3) oder sie sagen sogar, indem sie sich an den Ausdruck „Geist des Too" halten, daß der Geist Tao sei. So gelangen sie in den Buddhismus hinein.4) Der menschliche Geist ist nach Ku's Dafürhalten nicht die Weltvernunft, aber diese erfüllt auch den Geist, welcher sie beherrscht, aber sie bei seinen Untersuchungen als Norm benutzt: „Ich bin der Meinung", sagt er, „daß es nicht nötig ist, die Lehre vom Geist weiterzuverbreiten. Was zwischen Himmel und Erde fließt, sich vom Altertum bis zur Jetztzeit erstreckt und sich stets gleich bleibt, ist die Vernunft. Sie ist in meinem Geist enthalten und zeigt sich in Handlungen und Dingen. Der Geist übt allgemein die Herrschaft über diese Vernunft aus und scheidet zwischen wahr und falsch, ob die Menschen weise sind oder nicht, ob Dinge erlangt oder verloren werden, und ob das Reich wohl geordnet oder in Verwirrung ist. Alles wird dadurch entschieden. Daher beschäftigten sich die Heiligen mit der Untersuchung der Irrtümer und Schwächen, der Anspannung und Konzentration des menschlichen Geistes, und verbreiteten die Lehre vom Festhalten an der rechten Mitte. Es gab keine Handlung, die nicht im Einklang mit der Vernunft war, und man vermied die Einseitigkeit des Zurückbleibens und des über das Ziel Hinausgehens."5) Der menschliche Geist soll auch nicht mit der menschlichen Natur identisch sein, aber er umschließt sie, was wohl heißen soll, daß die Natur eine Eigenschaft ist. Ich kann wohl Eigenschaften und Äußerungen meines Geistes erkennen, aber nicht den Geist selbst, denn der bin ich selbst. Ku betrachtet ihn als etwas Gegebenes, das man nicht suchen kann. Sein Ausspruch lautet: ,, der Geisteslehre wird der Geist studiert, und wenn das geschieht, dann gilt der Geist als gleichbedeutend mit Natur. Der Geist vermag die Natur zu umschließen, aber 1) Jih-tschi In B. VII, S. 25b: ^ ^^^^^ ^ *^^ ± 2. ^ * ^ ^±· ) B. VII, S. 6a. 3 ) Die Stelle im Schuking (Couvreur S. 34 Nr. 15) lautet: A -fr 'f£ fä > jt '6 'fS^> .fgr jffi 'fj| .—.t fa ^ J|£ pfj „Der menschliche Geist kommt leicht in Schwierigkeiten, und der Geist des Tao ist nur schwach. Man muß genau unterscheiden und nur ein Ziel haben, dann wird man immer an der rechten Mitte festhalten.'' J|| ,fp wird besser als „Geist der Tugend" übersetzt. *&!·

III. Anhänger des Tschu Hsi: 1. Wang Fu-tschi

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dschus verfolgt, mit seinem Vater auf den Schi-tsch'uan Berg1) bei Hsiang-hsi in Heng-yang2) zurück, wo er sich eine Erdhütte baute, die er Kuan-scheng tchü,s) die ,Klause zur Lebensschau' nannte. Dort wohnte er mit seinem Vater in der Einsamkeit und schrieb seine Werke. Der Präfekt der Gegend versuchte ihn zu besuchen und schickte ihm Eßwaren und Stoffe als Geschenk, aber er ließ sich verleugnen.4) Von diesem Berge erhielt Wang Fu-tschi den Beinamen ,der Meister vom Tsch'uan-schan'. Er wählte sich selbst die Grabschrift: „Grab des Wang so und so, eines übrig gebliebenen Beamten der Ming-Dynastie."5) Wang Fu-tschi schrieb viele Werke über die Klassiker, Kommentare zu Lao-tse, Tschuang-tse, Lü Pu-wei, Huai-nan tse und zu den Elegien von Tsch'u, ein Werk über Gautamas Lehre, eins über das Schuo-wen, Erklärungen zum Tchin-sse lus) und einen Kommentar zu Tschang-tse's Tscheng-meng,1') von dem er sich besonders angezogen fühlte. Seine hinterlassenen Schriften wurden erst 1842 als Tsch'uanschan i-schua) gedruckt. Die gesamten literarischen Werke Tchiang-tschai wentchi9) sind im Sse-pu ts'ung-k'an abgedruckt. Darin ist sehr wenig Philosophisches enthalten. Seine Lehre, welche metaphysische und naturphilosophische Fragen behandelt, lernen wir am besten aus dem Sse-tchieh10) und dem Sse-wen lu11) kennen. Wang ging von den Han-Gelehrten aus, die er als das Tor betrachtete, während er die fünf großen SwwätJBÄ»· ') 5g JF ^ K. 9 Bücher. *) Ä& Ul HF- auch Afr tfj £ Ä genannt (Großes Biogr. Wörterbuch) 324 Bücher. 10 ·)***«· ) Tschung-T'ai II, 141: £ flf . n ) MJ> PP^ ^c· ") Tch'ing-schi lieh-tschuan Kap. 66 S. 18b. la ) Hsüeh-an hsiao tschi Kap. 3 S. 27—28. ») Tch'ing-tai t'ung-schi I, S. 831: £ ^ ^ ^ ^ ^, fä & ff ^ J| f| > ÜH & ' 6 M « > ^ ^ * P ± ^ ^ ^ T J Ö ^ Ä Ä > m > l ^ i S f ^ ± - f i . (^-wen lu mip'ien). 6

486

Die Tch'ing-Dyiiastio und die Republik

Phantasie an Stelle der klaren Vernunft erscheint unserem Philosophen als ein Preisgeben der Zuverlässigkeit und Treue und als eine Vernichtung aller wahren Wissenschaft. Von diesem Standpunkte aus kommt er zu dem Ergebnis, daß die Theorie, nach welcher die fünf Elemente sich zugleich gegenseitig hervorbringen, aber auch überwinden sollen,1) eine lächerliche Ansicht sei,2) und weist das im Einzelnen an den Elementen nach.3) Ebenso bekämpft er die Lehre von der Erschaffung des Himmels, der Erde und des Menschen in aufeinander folgenden Perioden mit. wie es scheint, doch wohl unzureichenden Gründen: ..Man sagt, der Himmel sei in tse entstanden und vor tse habe es keinen Himmel gegeben, die Erde sei in tsch'ou hervorgekommen und vor tsch'ou sei keine Erde dagewesen, der Mensch sei in yin erschaffen und vor yin habe es keinen Menschen gegeben. Ich besitze keine Mitteilungen, die aus der Urzeit stammten und vermag daher nicht nachzuprüfen, ob diese Behauptungen stimmen. Wenn man sagt, in yu habe es keineMenschen gegeben, in hsü keine Erde und in hai keinen Himmel, so habe ich kein unbegrenztes Sehvermögen oder Gehör und kann nicht feststellen, ob das Gesagte wahr oder falsch ist. Ich kann 6s nicht nachprüfen. Da ich also nicht weiß, wie ich die Wahrheit dieser Behauptungen untersuchen soll, sind sie zutreffend ? Um die Vergangenheit zu erforschen, kann ich mich auf richtige Mitteilungen verlassen \md. um die Zukunft zu erkennen, Anzeichen benutzen, welche vorher erscheinen."4) Die drei ersten Zeichen tse, tech'ou, yin des Zwölferzyklus sollen nur bedeuten, daß Himmel, Erde und Mensch in dieser Reihenfolge entstanden, also zuerst die Welt, zweitens die Erde und drittens der Mensch. Gegen diese Behauptung ist nichts einzuwenden, und sie entspricht durchaus den Entwicklungsgesetzen, welche Wang Fu-tschi allerdings noch nicht kannte. Zu ihrem Beweise ist eine Tradition aus der Zeit der Schöpfung oder gar eigene Wahrnehmung nicht nötig. Wenn dann weiter davon die Rede ist. daß es in yu (10) noch keine Menschen, in hsü (11) noch keine Erde und in hai (12) noch keinen Himmel gegeben habe, so soll das doch nur heißen, daß es vor dem Uranfang, der durch tse (1) bestimmt wird, noch nichts gegeben hat, weder Menschen noch Erde noch Himmel. Hinsichtlich der Erkenntnis vertritt Wang Tsch'uan-schan die Ansicht, daß man kein übertriebenes Vertrauen auf die Richtigkeit seiner eigenen Meinung haben darf, vielmehr auch mit der Möglichkeit eines Irrtums rechnen muß und deswegen bereit sein, unter Umständen seine Meinung zu ändern. Seine Worte ') Vergl. World Conception S. 286fg. Am· ) Tch'ing-tai t'ung-schi I, S. 83u.

2 ) 3

«) Loc.oit. S. 836: » ^ ^ ^ ^ , ^ .

(Sse-wen In wai-p'ien).

III. Anhänger des Tschu Hsi: 1. Wang Fu-tschi

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sind: „Die Prinzipien der Welt sind ohne Ende. Wenn man bis in ihr Inneres vorgedrungen ist, so läßt sich immer noch weiter forschen. Falls man mit der Zeit seine Ansichten ändert, so verfehlt man die Wahrheit nicht. Wenn man dagegen nur auf sich selbst vertraut und an seiner Ansicht festhält, wie kann man da das Richtige treffen ? Außerdem beruht das Selbstvertrauen bisweilen nur auf Gewohnheit, oder man hat die Äußerung eines Meisters angenommen und ist allmählich so davon durchtränkt, daß man sie für die eigene Überzeugung hält,"1) Sehr scharf wendet sich der Philosoph gegen die Methode der Mystiker, durch Abstraktion von allem Realen den Urgrund alles Seins erschauen zu wollen, indem er sagt: „Heutzutage beseitigt man alle Dinge und gelangt schließlich zur vollkommenen Stille, entfernt alles Schlechte aus der Welt und hält auch nicht am Guten fest, gibt den Willen preis, läßt die Gedanken ruhen und abstrahiert vom Körper. So dringt man in die Tiefe und in die Sphäre des hellsten Glanzes. Den Ort der Reinheit und Stille verlegt man in das Herz und glaubt so Ruhe zu finden. Man zerteilt alle Dinge und löst sie auf, um ihren Ursprung zu entdecken, aber kann ihn nicht finden. Man will das Denken ergründen und die Grundlage des Geistes erschauen, aber es gelingt nicht. Dann verschmäht man das ursprüngliche Sein und hält es für Nichtsein. Man gibt das Schwere auf und nimmt dafür das Leichte und tauscht für das. was man sicher besitzt, das Vage und Unbestimmte ein. Man gibt ihm dieselbe Substanz wie der körperlichen Leere und rühmt sich, damit etwas Großes getan zu haben."2) Das soll dann Erkenntnis sein, oder, wie Tschuang-tse und Buddha es nennen, Wissen. Es gibt keine absolute Ruhe,3) sondern nur Ruhe als Folge der Bewegung, worauf dann wieder Bewegung folgt. Aus absoluter Ruhe würde keine Bewegung wieder entstehen können. Ebenso gibt es nur ein Sein und kein Nichtsein: „Was das Auge nicht sieht, ist nicht ohne Farbe, was das Ohr nicht hört, nicht ohne Laut, und was das Wort nicht erklärt, nicht ohne Sinn. Daher sagt man: wenn man etwas weiß, so ist das Wissen, und wenn man etwas nicht weiß, so ist das Nichtwissen. Wenn man weiß, daß das Nichtwissen vorhanden ist, so weiß man bereits, daß etwas da ist.4) Das ist das Wissen. Wenn also der Forschende seine Sehkraft erschöpft, so leuchtet doch auch die Farbe, die er nicht sieht, und

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Ji*i^&*:t,*Ä#,;JftfcilSiiHiHS,ÄÄS.*#-i3»±iit h» nei-p'ien). ) Die Ruhe kann nicht absolut sein, sie muß noch Elemente der Bewegung in sich haben, sonst könnte später die Bewegung nicht wieder daraus entstehen. 4 ) Das Sein hängt nicht vom Wissen ab. Wenn man auch die Zahl der Sterne und diese selbst nicht kennt, so weiß man doch, daß sie vorhanden sind. 3

488

Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

wenn er sein Gehör erschöpft,1) so ist auch der nicht gehörte Ton vorhanden, und wenn er seine Worte erschöpft, so ist auch der nicht erwähnte Sinn da."2) Die Eigenschaften der Dinge hängen nicht von unserer Wahrnehmung ab, sie sind vorhanden, auch wenn wir sie nicht bemerken. Der berühmte Satz der Idealisten, daß die Welt unsere Vorstellung sei, wird bestritten. Dem Nichtsein wird keine Existenz zuerkannt. Es ist nur ein Beziehungsbegriff, nämlich die Negation irgend eines Seins. Ein Sein und sein Gegenteil können nicht zugleich existieren. Die Begründung lautet: „Wenn man von Nichtsein spricht, dann legt man den Nachdruck auf den Begriff des Seins und hebt ihn auf. Man sagt, daß das Sein, von dem man spricht, für nicht vorhanden erklärt wird, aber was gibt es in Wirklichkeit in der Welt, das man für nichtseiend erklären könnte ? Wenn man sagt, daß die Schildkröte keine Haare habe, dann spricht man von einem Hunde und nicht von einer Schildkröte, und wenn man sagt, daß der Hase keine Hörner habe, dann redet man von einem Hirsche und nicht von einem Hasen.3) Eine Aussage muß sich auf etwas stützen, erst dann kann sie als vollkommen gelten.4) Wenn jetzt aber ein Redender ein Nichtsein hinstellt, so mag man nach oben, unten und nach den vier Himmelsrichtungen, in Vergangenheit und Gegenwart, im Leben und im Tode nachforschen, man wird nichts damit beginnen können5)."6) Vieles erscheint den Menschen als ein festes, sich nicht änderndes Sein, was in Wirklichkeit sich in beständigem Fluß befindet, indem einzelne Teile verschwinden und durch neue ersetzt werden. Nur die Form bleibt bestehen, während die Substanz wechselt: „Die Substanz, heißt es, ändert sich täglich, aber die Form bleibt sozusagen dieselbe. Es gibt kein ewiges Gefäß,7) aber ein ewiges Prinzip. Das Wasser eines Stromes oder Flusses ist heute so wie vor alters, aber das heutige Wasser ist nicht das alte. Das Licht einer Lampe war gestern so wie heute, aber das gestrige Feuer ist nicht das heutige . . . . Nägel l

) Man erschöpft sein Gehör, wenn man zum Beispiel den Ton einer fernen Glocke bei zu großer Entfernung nicht hört, aber trotzdem ist der Ton vorhanden. Ebenso mag man die Gestalt eines winzigen Bazillus nicht erkennen, und trotzdem ist sie vorhanden. ·) Tschung-T'ai II, 142: B ß l f ^ Ä » # * f f i * . » S W ^ M » * * l * 4 , . - B » f

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) Alle Moral ruht auf dein Vernunftprinzip, der menschlichen Natur, welches die Buddhisten nicht kennen. Dafür haben sie den transzendenten Buddha, an den aber die chinesischen Philosophen nicht glauben. 3 ) Tch'ing-tai t'ung-schi loc. cit. 4 ) Hsüeh-an hsiao-tschi Kap. l S. 4a. 5 ) Bezeichnungen für den regelmäßigen Turnus der Jahreszeiten und Himmelsrichtungen. e ) Hier gleich „Weg''. ') Lu Tchia-schu tchil, I b : fr £ g ^ j^ g £ £ £ ^, # ^fllj$ ^, ft A fl'J

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492

Die Tch'ing-Dynastie vind die Republik

„Wenn der Lernende ernstlich seinen Sinn auf das Urprinzip1) richtet und im täglichen Gebrauch es beständig bewahrt und pflegt, es beständig untersucht und prüft, keinen einzigen Gedanken über dies Prinzip hinausgehen läßt, keine Handlung dagegen verstoßen und kein Wort und keine Bewegung es übertreten läßt, dann bleibt dieses T'ai-tchi erhalten."2) „Wenn er ruhig und unbewegt ist, dann ist das die Stille des Yin im Urprinzip, und wenn er erregt ist und dann handelt, so ist das die Bewegung des Yang im Urprinzip. Auf Erregung folgt wieder Ruhe und auf Ruhe wieder Bewegung, das ist die Bewegung und Ruhe des T'ai-tchi ohne Ende und sein Yin und Yang ohne Anfang."3) „In der Stille ist das Prinzip der Erregung und Handlung schon vorhanden, und zur Zeit der Erregung und Handlung ist die Substanz der Stille immer zur Stelle. Substanz und Funktion des Urprinzips haben denselben Ursprung, und das Sichtbare und Unsichtbare sind nicht geschieden."4) Die Dinge sind sehr verschiedenartig, aber das Prinzip ist immer dasselbe. Daraus entstehen durch Trennung die 5 Tugenden, die 5 Beziehungen und die 5 Handlungen.5) Aus dem Yin und Yang des T'ai-tchi werden die 5 Elemente:6) „Das Urprinzip trennt sich nicht von Yin und Yang, aber es vermischt sich auch nicht damit."7) Man braucht es nicht fern und in den tausend Dingen der Welt zu suchen denn: „das Urprinzip in seiner Ganzheit ist vollständig in meinem Körper enthalten."8) Alle meine Gedanken und Taten hängen davon ab.

IV. Anhänger des Wang Yang-ming. 1. Tang Tschen 1630—1704.9) 10

11

T'ang Tschen, ) aus Ta-hsien ) in Ssetschuan gebürtig, führte ursprünglich den Beinamen Ta-t'aolz), welchen er später mit Tschu-wan13) vertauschte. 1657 *) Hier als Moralprinzip oder Sittengesetz zu verstehen. ») A. a. .: ** *· * » « *& ıHj>KFfipir-*.fipWFiS*.

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) Die 2t ^ Benehmen, Sprechen, Sehen, Hören, Denken. ") Lu Tchia-schu tchi I, 2a.

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S. 2b: ä l g ^ ^ e & f l j S S ^ * . Tch'ing-schi Ueh-tschuan Kap. 70 S. 43a und Tch'ing-tai t'ung-schi Bd. III, 1. Tschung 10 II, 145 schreibt 1705. ) jjf gj[. la 13 j|i f£, Tschung T'ai loc. cit. schreibt K'uei-tsehou $$£ fl\ . ) ^ ßgj) . ) ^ ^·

IV. Anhänger des Wang Yang-ming: 1. T'ang-Tschen

493

wurde er zum Magistrat von Tsch'ang-tse hsien1) in Schansi ernannt, gab aber diesen Posten wegen eines Versehens, das er sich hatte zu Schulden kommen lassen, wieder auf und wurde später nicht mehr Beamter. Er lehrte die Bevölkerung die Seidenkultur und ließ 800000 Maulbeerbäume anpflanzen. Das Volk gelangte dadurch zum Wohlstand.2) Ihm selbst ging es zeitweilig sehr schlecht. Er geriet in solche Not, daß er sich mit Blättern ernähren mußte und sich aus verdorbener Watte Kleider machte. Um so eifriger studierte und schrieb er und pflegte zu sagen, der Edle verwende gerade die Zeit, wo es ihm schlecht gehe, zum Studium. Not, Leben und Tod seien etwas Äußerliches und Geringes, man dürfe darüber nicht das Innere und das Wertvolle vergessen.3) Er schrieb Erklärungen zum Schiking und zum Tsch'un-tch'iu und veröffentlichte ein großes Werk in 97 Abschnitten, welches vom Wissen und von der Regierung handelt. Zuerst nannte er es Heng-schu, später Tch'ien-schu.*) T'ang Tschen schloß sich dem Wang Yang-ming an und gelangte von ihm zu Meng-tse, aber auch zum Buddhismus. Einer seiner Ansprüche lautet: „Lao-tse pflegte das Leben, Buddha verbreitete Klarheit über den Tod, und die Konfuzianer regieren die Welt."5) Aus seinem Buddhismus machte T'ang kein Hehl, wie die Anhänger des Wang Yang-ming es öfter taten, da es für einen Konfuzianer nicht als passend galt, sich zum Buddhismus zu bekennen. Er sagte: „Im Leben bin ich ein Anhänger des Heiligen des Ostens6) gewesen, im Tode werde ich dem Heiligen des Westens7) nachfolgen."8) Sein Unsterblichkeitsglaube deckt sich allerdings nicht ganz mit dem buddhistischen, denn er nimmt nur eine partielle Unsterblichkeit an. Pflanzen, Tiere und Menschen, meint er, sind unsterblich, insofern sich ihre Art fortpflanzt. Insofern dauern sie ebenso lange wie die Welt. Die Welt ist ewig, indem Zeiten des Chaos und des Kosmos miteinander abwechseln. „Was das Dahinscheiden der Menschen anbetrifft, so sind sie jung, bis daß das Alter herankommt, und sie sind alt, bis daß der Tod eintritt. Das geht schnell wie der Wind. Die Heiligen und die gewöhnlichen Menschen sind darin gleich. Aber der Heilige unterscheidet sich von der Masse dadurch, daß sein Körper wohl stirbt, aber das Körperlose nicht stirbt. Mit dem Körper folgt er dem Tode, aber auf seinem Körperlosen fußend stirbt er nicht. Es gibt für ihn keine Vergangenheit und Gegenwart, kein Kommen und Gehen, kein Leben und Sterben. Das bedeutet zum Ziel gelangen."9)

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") Tch'ing-schi lieh-tschuan a. a. O. ·) Tschury T'ai II, 147. % % &,fö W ft.fä e ) Konfuzius. ') Buddha. ·) Tschu -fc ff. Lebensbeschreibung im Erh-tch'ü tch'üan-tchi, S. 57fg. i'frijt

V. Zwischen Tschu H*i und Wang Yang-ming stehend: 3. Li Jung

f)01

ganze Welt an die Wirkung, welche sie hinterlassen haben, und stellt sich vor. wie sie als Menschen gewesen sind. Entweder erkundigen sie sich bei ihren Söhnen und Enkeln, oder sie fragen ihre Schüler und wünschen ein Wort aus ihrem Leben zu hören, das ihnen als Leitstern dienen könnte. Zu dem Zeitpunkt wird es noch nicht veröffentlicht. Sobald es geschieht, wird in Loyang das Papier teuer1), und in tausend Familien überliefert und rezitiert man es."2) Das entspricht ganz der chinesischen Vorstellung von einem Philosophen. Er ist kein Grübler, der sich ein tiefsinniges System ausdenkt und es zu Papier bringt, sondern er wirkt durch das lebendige Wort und durch seine Persönlichkeit auf seine Schüler und später, wenn diese seine Werke herausgeben, auch auf andere. Die praktische Philosophie hat immer den Vorzug vor der theoretischen. Watanabe bemerkt zu dieser Stelle, daß auch die japanischen Philosophen nur ein Bild von ihrer ganzen Persönlichkeit hinterlassen wollten. Sie schrieben nicht soviel und so gründlich wie die europäischen Philosophen, \velche in tiefgründigen Untersuchungen und Einzelforschungen ihren Ehrgeiz suchten.3) Li Jung schrieb in seiner Jugend Artikel über die Verbesserung der Regierung, die er später verbrannte. Bevor er 40 Jahre alt war, schrieb er Verbesserungen zu den Fehlern in den dreizehn King und in den einundzwanzig Geschichtswerken,4) also wohl Textkritiken, veröffentlichte sie aber nicht und beschäftigte sich von da ab nur noch mit Philosophie. Über die Vier Bücher schrieb er das Sse-schu fan-schen lu5) in 14 Kapiteln und seine gesammelten Werke, das Erhtch'ü tch'üan-tchi*), enthalten, 26 Kapitel.

2. Seine Lehre. Als Philosoph steht Li Jung zwischen Tschu Hsi und Wang Yang-ming, neigt aber doch mehr zu letzterem.7) Von beiden spricht er mit großer Hochachtung. Wang Yang-ming' , Lehre vom angeborenen Wissen erklärt er für die hervorragendste wissenschaftliche Leistung während der letzten tausend Jahre. Es sei töricht, sie für buddhistisch zu halten. Ohne dieses Wissen wäre der Körper wie ein Leichnam und unfähig wahrzunehmen oder zu handeln.8) Von Tschu Hsi sagt er, daß, wer ihn ehrt, K'ung-tse ehrt.9) Tschu Hsi und Lu Hsiang-schan hätten sich beide um die Moral sehr verdient gemacht, wenn sie auch verschiedene a

) Die Papierprei.se steigen, weil soviel gedruckt wird, natürlich eine Übertreibung. ') Erh-tch'ü tchi Kap. 16, S. 5b: _ ^ ^ _ i£, ^ ffi £ g g ^ fö £ ÜB « W ft>

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) Watanabe III, 175.

«) Tch'ing-tai t'ung-schi Bd. I, S. 825: -f- H @ $\ JÜ,

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ra»s*«· t'ung-schi loc. cit. und

Tch'ing-tai ) Erh-tch'ü tchi B. III, S. 52a.

·)-!»**. Takejiro III, 210.

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») Ibid. B. XV, S. 43a.

502

Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

Wege gingen. Man soll, weil man sich zu dem einen hält, den ändern nicht verachten. Man muß an seiner eigenen Bildung arbeiten und kann sich dann dem Philosophen anschließen, mit dessen Schriften man die meisten Berührungspunkte hat.1) a) Der Lebensquell, das Urprinzip, das Prinzip des Nichtseins. Li Erh-tch'ü führt einen neuen Begriff ein, den des Lebensquells*), welchen er auch als Lebensfunken3) bezeichnet, Durch das, was der Himmel dem Menschen bei der Geburt geschenkt hat, den Lebensquell, kann das Auge sehen, das Ohr hören, Hand und Fuß sich bewegen. Auf diesem Urgrund beruhen auch die Tugenden und die Sitten. Der Körper wird geboren, wächst und stirbt, der Lebensfunke verändert sich nicht: „Er füllt den ganzen Weltraum aus, verbindet die Vergangenheit mit der Gegenwart und ruht auch nicht einen Augenblick. Wenn er den richtigen Zeitpunkt trifft, so werden Himmel und Erde und ich geschaffen. Die zehntausend Wandlungen und ich kommen hervor und die zehntausend Heiligen folgen einer dem ändern. Das Altertum und die Jetztzeit sind nur ein Morgen und ein Abend."4) Der Lebensquell ist die Kraft, auf welche alles Leben, überhaupt alles Sein zurückgeht. Nur dadurch lebe ich und bin ich imstande, mich umherzubewegen und die Umwelt wahrzunehmen. Es fragte jemand: „Dies ist doch nur der Lebensquell des einen Selbst. Wie kann er den ganzen Weltraum ausfüllen und Vergangenheit und Gegenwart verbinden?" H Jung antwortete: „Was Himmel und Erde und alle Dinge, oben und unten, Vergangenheit und Gegenwart durchdringt, das ist die Realität dieses Lebensquells. Ohne diesen würde man Himmel und Erde, die Dinge, oben, unten, Vergangenheit und Gegenwart nicht erkennen, und ohne Himmel und Erde, die Dinge, oben, unten, Vergangenheit und Gegenwart auch den Lebensquell nicht wahrnehmen."6) Ohne die alles durchdringende und alles hervorbringende Lebenskraft, die auch den Geist schafft, läßt sich die Welt nicht erkennen, und aus der Existenz der Welt schließt man auf das Vorhandensein des Lebensquells, den man selbst nicht wahrnehmen kann, denn: „er ist ohne Laut und ohne Geruch, man sieht und hört ihn nicht; er ist leer, aber lebendig, still, aber geistig. So groß ist er, daß er alles umfaßt, und so hell, daß er alles erleuchtet.... gleich einem ohne Grund auftauchenden Gedanken, gleich Wellen die ohne Wind entstehen."6) Ganz ähnlich pflegen sich die Taoisten 2 !) Ibid. B. IV, S. 60a. ) fg jg . «) Erh-tch'ü tchi B. II, S.37a: & ?C *, * 4*. 4*

B. n, s.37b=

V. Zwischen Tschu Hsi und Wang Yang-ming stehend: 3. T„i Jung

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über ihr Weltprinzip, Too zu äußern, mit dem Li Jung's Urgrund im Wesen identisch ist. Es ist etwas Geistiges, ein Denken „das Denken des Nichtdenkens und daher das richtige Denken, die vollkommene Einheit und keine Zweiheit, denn es steht keinem Dinge gegenüber. Das nennt man einen Ruhepunkt, und dieser bedeutet das höchste Gut."1) Das Denken des Nichtdenkens ist die intuitive innere Schau. Es gibt nur einen Urgrund und nichts außer dem. Li Jung ist Monist, nicht Dualist wie Tschu Hsi, aber er setzt den Lebensquell dem Urprinzip und dem Prinzip des Nichtseins gleich: „So lange der Mensch noch nicht mit den Dingen in Berührung gekommen ist und noch keinen Gedanken gebildet hat, ist das Prinzip des Nichtseins und das Urprinzip vorhanden. Sobald es zu Handlungen kommt, Gedanken entstehen und das Bewußtsein erwacht, so ist das die Bewegung des Urprinzips und Yang. Wenn man die Gedanken zurücknehmen kann, so ist das die Ruhe des Urprinzips und Yin."*) b) Das angeborene Wissen. Mit seiner Lehre vom Lebensquell hat Li Erh-tchfü Wang Yang-ming's Theorie vom angeborenen, intuitiven Wissen verknüpft. Aus dem Lebensquell geht wie alles Leben auch das geistige hervor, in dem das angeborene Wissen enthalten ist: „Der Meister sagte: , Das angeborene Wissen ist der angeborene Geist. Ein Fünkchen des angeborenen Geistes ist die Natur. Wer den angeborenen Geist nicht verliert, ist ein Heiliger.' "3) Das angeborene Wissen ist beim Studium die Hauptsache, man kommt damit weiter als mit Erfahrungen.4) Der Unterschied zwischen dem angeborenen und dem gewöhnlichen Wissen ist sehr groß: „Das Wissen des angeborenen Wissens kennt gut und böse, recht und unrecht. Wo ein Gedanke entsteht, herrscht leuchtende Helle und keine Dunkelheit."5) Vom gewöhnlichen Wissen gibt es vier Arten: das Wissen, welches aus bloßer Ansicht hervorgegangen ist. das durch Talent und Kenntnisse erworbene, das durch fremde Einflüsse und durch niedrige Gefühle gefälschte. Man besitzt sie ursprünglich nicht, und sie sind nur ein Hemmnis für das wahre Wissen. Man muß sich ihrer entledigen, damit das angeborene Wissen, welches ursprünglich leer und hell ist, wieder hervorkommt. Dies muß dauernd herrschen. Man kann es als den leuchtenden Funken bezeichnen, aus dem der Geist sich entwickelt.6) *) Der letzte Satz geht auf das Ta-hsio zurück (Legge S. 356). — B. II, S. 38a: 4fi| fc

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504

Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

In einem Gespräche verficht L/i Jung die Ansicht, daß auch die Liebe der Kinder zu ihrer Mutter angeboren sei. Jemand fragte: „Säuglinge lieben ihre Eltern. Man sagt, daß das angeborenes Wissen sei, da sie es besitzen, ohne nachzudenken. Ich habe mir die Sache überlegt und meine, daß die Liebe der Säuglinge zu ihrer Mutter wohl nur wegen der Milch ist. Wenn man sie früh einer Amme übergibt, so Heben sie nur ihre Amme und kennen ihre leibliche Mutter nicht. Wenn nun die Liebe von der Milch kommt, so ist das nur die Folge des Geschmacks. Will man also, daß die Liebe vom Gebären komme, so kann das erst nach dem Verständigwerden sein. Allein Mcng-tse ist in seinen Behauptungen sehr entschieden.1) Das ist mir wirklich nicht klar. Wie verhält es sich damit ?'' „Antwort: Daß das Kind die Amme liebt und die leibliche Mutter nicht kennt, kommt von der Milch, es ist nicht so durch die himmlische Natur. Sobald es aber die leibliche Mutter kennt, wird es dann noch die Amme wie seine leibliche Mutter lieben ? Ich glaube, auch wenn hundert Ammen kämen, würde es doch die plötzlich durch die himmlische Natur erwachte Liebe nicht aufgeben. Wenn gesagt wird, daß das Kind erst nachdem es gelernt und nachgedacht hat, die Liebe empfände, so kann es doch, wenn es zu sprechen beginnt, seine Mxitter rufen. Wer veranlaßt es dazu ?" 2 ) Li Jung will sagen, daß die Liebe zur Mutter angeboren ist und von Anfang an besteht, aber erst mit dem erwachenden Bewußtsein zu Tage trat. Sie ist nicht eine Folge des Nachdenkens, sondern die Stimme des Blutes bedingt durch die dem Menschen vom Himmel verliehene Natur. c) Geist und Natur. Der Lebensfunke, der Urgrund alles Seins ist transzendent, oder wie unser Philosoph es ausdrückt, das Prinzip des Nichtseins. Auch den Geist, der aus diesem Urprinzip hervorwächst, erklärt er für übersinnlich oder nichtseiend: ,,Tch(ieh fragte nach dem Geist. Der Meister sagte: ,Es gibt keinen Geist.' — Jener fragte weiter: ,Kann der Geist wirklich nicht sein ?' Die Antwort lautete: „Wenn er sich bewegt, wo es nichts gibt,3) dann existiert er nicht. So lange er nicht hervorgekommen ist, ist er leer und still4), erst wenn er erregt wird, dann breitet er sich aus. Weit umfassend ist er und allgemein. Wenn die Dinge kommen, dann entspricht er ihnen. Wenn so auch Wirkung und Gegenwirkung *) Meng-tse (Legge S. 450) behauptet, daß schon Säuglinge ihre Eltern lieben.

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) Leere und Stille sind bekanntlich die Symbole des Nichtseins oder der Transzendenz.

V. Zwischen Tschu Hsi und Wang Yang-ming stehend: 3. Li Jung

50 )

und tausend Wandlungen geschehen, so ist doch der Geist in ihrer Mitte still und leuchtend. Er folgt ihnen nicht überallhin. Wenn das nicht Nichtsein des Geistes ist, was ist es dann?"" 1 ) Die menschliche Natur ist dieser Geist oder das Vernunftprinzip und zwar nicht nur ein Teil desselben, sondern dieses in seiner Ganzheit und als solches vollkommen gut und ohne irgend welchen Mangel. Li Jung sagt dazu : „Der Mensch ist das Kostbarste von der Natur von Himmel und Erde. Die Menschen erhalten das Fluidum von Himmel und Erde, daraus entsteht ihr Körper und das Vernunftsprinzip von Himmel xind Erde, und daraus \ ircl ihre Natur. Dem Umfang nach ist diese Natur ursprünglich ebenso groß wie Himmel und Erde, und was die Erleuchtung betrifft, ebenso hell wie Sonne und Mond. Ursprünglich ist sie im höchsten Grade gut und ohne Schlechtigkeit, ganz rein und ohne Fehler. Aber die Menschen werden meistens durch die Substanz des Fluidums verdüstert, durch Gefühle und Begierden fortgerissen, durch Sitten und Gewohnheiten gehemmt, durch Zeit und Umstände bewegt. Das Wissen verführt sie, die Dinge gestalten sie um, und dadurch verlieren sie den ursprünglichen Zustand. Immer mehr davon bröckelt ab und verschwindet; ohne es zu merken, ändern sie sich langsam, bis sie niedrig und gemein und verderbt werden und gern auf die Stufe gewöhnlicher Menschen herabsinken. Wenn sie auch noch menschliche Gestalt haben, so weichen ihre Handlungen nicht mehr sehr von denen der Tiere ab. Ist das die Schuld ihrer Natur?" 2 ) Nein. Diese bleibt wie sie von Anfang an war, sie ist nur durch Vernachlässigung verdunkelt wie ein mit Staub bedeckter Spiegel, oder ein in schmutziges Wasser gefallener Edelstein. Wenn man sich bessert und zur alten Natur zurückkehrt, dann werden die Verwandten einen lieben, die Freunde ehren und Himmel, Erde. Geister und Dämonen einen bemitleiden und unterstützen. Im Gegensatz zu Tschu Hsi faßt Li Jung Götter und Geister ganz anthropomorph als Persönlichkeiten auf. Obgleich nun Li Jung für die vollkommene Güte der menschlichen Natur eintritt, so verteidigt er doch zugleich auch die Ansicht des Wang Yang-ming, daß die Natur weder gut noch schlecht sei.3) Wenn die Konfuzianer diese Lehre ablehnten, so verständen sie sie nicht. Sie haben die Natur nur als etwas Materielles im Auge, aber nicht in ihrem transzendenten Zustand: „Da die Natur ursprünglich still und ohne Form ist, so kann man nicht von ihr als gut sprechen.

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'L· m & ft /l· A ± m . s *: m A A JB. m ± m 4. 3t) Vergl. S. 395. 3

006

Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

Wenn man von gut spricht, so kann sich das nur auf die Fortsetzung1) beziehen. Spricht man von dem ursprünglichen Zustand, der lautlos und ohne Geruch ist, so kann man das nicht gewaltsam als gut bezeichnen und noch viel weniger als nicht gut. Daher bedeutet die Güte des Nichtguten2) die höchste Güte3). Wenn etwas mit Absicht gut ist, so ist es wohl gut, aber zugleich selbstsüchtig. Das ist der eigentliche Sinn von Wang Yang-ming's Worten."4) Vom Übersinnlichen kann man überhaupt nichts aussagen, weder Gutes noch Schlechtes, denn es fehlt uns dafür jede Vorstellung, aber in der sinnlichen Welt zeigt es die größte Vollkommenheit . d) Glück und langes Leben. Li Erh-tch'ü hält an dem Standpunkt fest, daß Glück und langes Leben durch Tugend erworben werden können, indem die Götter die Guten lieben und damit für ihre Taten belohnen. In einer Eingabe an die Kommissare zur Bekämpfung einer Hungersnot in Schensi weist er darauf hin, daß Himmel und Erde, Geister und Dämonen die Hilfeleistung sehen und für die dadurch aufgehäuften Verdienste Söhne und Enkel mit Glück beschenken werden.5) Gebete und Opfer haben nicht dieselbe Wirkung wie gute Taten. Die Menschen verstehen nicht, daß es nur den Guten gut geht und den Schlechten schlecht, und glauben durch Beten und Opfern Glück erlangen zu können. Sie bedenken nicht, daß Himmel und Erde vor allem die Tugendhaften lieben, und daß die Geister und Dämonen diejenigen, welche gute Taten aufhäufen, unterstützen. Nur wenn man den Willen des Himmels tut, kann man auf Erfüllung der Gebete hoffen.6) Viel mehr als auf Glück und Unglück kommt es aber darauf an, ob jemand sein Herz intakt erhält, also seine ursprüngliche Natur rein bewahrt. Wenn das der Fall ist, ist er reich und angesehen, und Unglück kann ihm nichts anhaben. Umgekehrt, wenn das Herz gelitten hat, mag er noch so reich und vornehm sein, er wird sich wie in einem Gefängnis oder auf einem Misthaufen fühlen.7) Eine ähnliche Stellung nimmt der Philosoph mit Bezug auf die Lebensdauer ein. Ob der Tod des Körpers früh oder spät eintritt, erscheint ihm nicht sehr wichtig, denn es kommt auf das Leben des Geistes an, und dieser als identisch mit dem himmlischen Vernunftprinzip lebt ewig. Diese Fragen komjnen in dem folgenden Dialoge zur Sprache: „Jemand fragte: ,Du hast gesagt, daß Tugendhafte lange leben, aber Few-tee starb jung. Das lange Leben gilt wohl von der Natur und vom himmlischen Tao und nicht vom Körper ? Aber da Schun wegen seiner großen Tugend 110 Jahre x

) Die Fortsetzung des transzendenten im phänomenalen Sein. 3 ) In der Transzendenz. ) In der Welt der Erscheinung. ·) B. IV, S. 59b: g #.ty,g £ |£, ^ pf & % f , if $ ^, % ft £ ^ £

2

5

) B. XVIII, S. 37a.

«) B. I, S. 21a.

') B. XV, S. 54a.

V. Zwischen Tschu Hsi und Wang Yang-ming stehend: 3. Li Jung

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alt geworden ist, so muß das Alter doch wohl vom Körper gemeint sein. Vielleicht hat seine Tugend vom Ahnentempel aus so lange gewirkt, indem er seinen Nachkommen so lange Glück verliehen hat. Also gilt das Alter von der Tugend. Aber der Räuber Tsche starb in hohem Alter, und er war doch nicht tugendhafter als Yen-tee1), und P'eng Tsu2) wurde 800 Jahre alt, aber seine Tugend übertraf die des Schun nicht um soviel. Wie lösen sich diese Widersprüche ?' "3) „Der Meister sagte: ,Der Edle bildet sich, und es kommt darauf an, daß er das Vernunftprinzip bewahrt und die Begierden zurückdrängt. Nach längerer Zeit werden die Begierden gänzlich verschwinden und das Prinzip hell hervortreten. Wenn Augen, Ohren, Mund und Nase denen der ändern Menschen ähnlich sind, so wird doch das, wodurch er sieht, hört, spricht oder sich bewegt. nur das himmlische Prinzip sein. Damit gelangt er in Beziehung zum Himmel und kann sich diesem gleichstellen.4) Wenn der Himmel ihm den Tod gibt, so schadet es nicht, daß er schnell eintritt, denn er kehrt in den Zustand des Werdens zurück,5·) und wenn der Himmel ihm das Leben schenkt, so mag es lang sein, er wartet die Tätigkeit des Himmels ab. Wenn ich bewahrt bleibe, dann schließe ich mich dem Laufe der Dinge an, und wenn ich zugrunde gehe, dann finde ich Ruhe. Um so gleichgültige Dinge wie kurzes und langes Leben kümmere ich mich nicht.' "6) Man muß zwischen dem Leben des Körpers und dem des Namens und des Geistes unterscheiden. Der Körper stirbt, der Name und der Geist bleiben erhalten, wie aus folgendem Ausspruch hervorgeht: „Wenn man von langem und kurzem Leben spricht, dann muß man ein langes Leben des Körpers, des Namens und des Geistes unterscheiden. Ein Leben von siebzig bis hundert Jahre ist ein langes Leben des Körpers, ehrender Nachruhm für hundert Generationen ist ein langes Leben des Namens und ein zehntausend Jahre lebender Gedanke ein langes Leben des Geistes.7) Wenn das Fluidum abgeschnitten und der Geist ausgelöscht würde, dann würden die Worte des Tschou-kung, (der ältere Bruder) sei nicht gleich Tan an Fähigkeiten und Anlagen, und er könne den Geistern und Dämonen dienen,8) und daß Wen-wang in der Höhe sei, Lügen gewesen sein.9) Kann, wer für einen Heiligen erklärt ist, Lügen *) ) 3 ) 4 ) 5 ) ) 2

Der früh verstorbene Lieblingsschüler des Konfuzius. Der chinesische Methusalem. B. XV, S. 52b. Der Geist ist ja das himmlische Vernunftprinzip selbst. Der Geist wendet sich nach dem Tode neuen Schöpfungen zu. Erh-teh'ü tchi B. XV, S. 53a: ^ ^ ^^-^ ,^ ^

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a * , m ± ?E, * w m a m. it, 55 Ä ± &** «? * ^ r> # & m *> Ä 7§ Hf 4„ B E * R. *» # W f f ) Das Leben des Geistes besteht in seinem

Denken. ) Zitat aus dem Schuking, -^ yßfc (Couvreur S. 178). 9 ) Wenn der Geist nicht unsterblich wäre, gäbe es keine Geister und Dämonen und der Geist Wen-wang's wäre nicht mehr vorhanden. 8

508

Die Toh'ing-Dynastk' und die Republik

sprechen ? Wenn man an die Wahrheit glaubt, dann ist der Tod des Räubers Tschi mit hundert Jahren ein wirklicher Tod, aber der Ae&Yen-tse. mit zweiunddreißig kein wirklicher 1 )." 2 ) e) Richtiges Handeln, Studium und Meditation. Für die Lebensführung gibt Li Jung ganz genaue Vorschriften: „Ich lege das Hauptgewicht auf das wirkliche Handeln," sagt er, „nicht auf das Sammeln von Erfahrungen und spreche vom menschlichen Charakter und nicht von Anlagen und Fähigkeiten."3) „Man muß ein inniges Verhältnis zu seinem Lehrer haben, sich Freunde erwerben, sich gegenseitig helfen und erstreben, was Vorteil bringt. Sobald man etwas Gutes bemerkt, muß man es mit Windeseile sich aneignen, und wenn man Fehler hat, sie wie mit der Kraft des Blitzes ändern. Wenn die Zeitumstände stationär sind, so muß man auch anhalten, und wenn sie sich bewegen, ebenfalls vorgehen. Sowie man die Möglichkeit sieht, geht man vor, erkennt man die Unmöglichkeit, so weicht man zurück. 4 ) In der Bewegung und in der Ruhe verpaßt man nicht den richtigen Zeitpunkt." 5 ) ,,Beim täglichen Tun kommt es darauf an, durch Verringerung der Wünsche den Geist richtig zu formen, und die Hauptsache ist, daß man sich vor dem Himmel nicht zu schämen braucht. Die Wünsche richten sich nicht nur auf Töne, Farben, Wertsachen und Vorteile, sondern auch das Verlangen, sich einen Namen zu machen, zu siegen, sich zu rühmen, an seiner Ansicht festzuhalten und andere dazu zu bekehren, sind alles Wünsche. Sie müssen immer weniger werden. Vom ersten Auftauchen eines Gedankens bis zum Hervorkommen von Worten und Taten muß man immer das himmlische Prinzip rein halten und darf nicht das geringste Fremdartige hinzumischen. Dann braucht man sich vor dem Himmel nicht zu schämen. Wenn man so weit gekommen ist, daß man sich nicht vor dem Himmel zu schämen braucht, so braucht man sich beim Gehen nicht vor seinem Schatten zu schämen, beim Schlafen nicht vor der Bettdecke, im Hause nicht vor Frau, Kindern und Dienern, außerhalb nicht vor den Mitbürgern. Verwandten und Freunden, in der Vergangenheit nicht vor den früheren Heiligen, in der Zukunft nicht vor den kommenden Weisen. So wird sich um einen ein wirklicher großer Glanz verbreiten und ein helles Leuchten nach allen Seiten. l

) Yen-tse'» Geist lebt weiter. ») Erh-tch'ü tchi loc. oit.: » « » S E W £ , # $ * , # * * , W » * > * - L ' +

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B. XV, S. 57b: ffc $f Ä Ä II *T, * ffi Ä M.. Ifr & > * »_#/&· ) Man soll nicht gegen den Strom gehen, sondern sich stets den Verhältnissen anpassen, ein Hauptgrundsatz des Wu-tvei.

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V. Zwischen Tschu Hsi und Wang Yang-ming stehend: 3. Li Jung

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das nach oben und nach unten dringt, wie die Fische in die Tiefe tauchen und die Vögel in die Lüfte fliegen. Täglich wird eine Erneuerung erfolgen und Vollkommenheit in Tao erreicht sein."1) Das Studium soll nur dazu dienen, zu zeigen, wie man sein Leben einzurichten hat. Es besteht keineswegs nur im Lesen und Memorieren von Texten, sondern man muß die Vorschriften des menschlichen Too erfüllen, sein Herz bewahren und zur Natur zurückkehren. Man muß sowohl die alten Erklärungen der Texte als auch seine eigenen Erfahrungen zu Rate ziehen. Ernst und Konzentration sind die Wurzel und Ruhe ist die Grundlage des Studiums. Dazu muß umfassendes Wissen und Forschen kommen, klares Unterscheidungsvermögen, Vermeidung von Fehlern und richtiges Handeln. Wenn ein Punkt nicht berücksichtigt wird, so ist das Studium mangelhaft. Besondere Aufmerksamkeit ist auf das Hervorkommen der Gedanken zu verwenden, man muß die ersten Anfänge der Begierden beobachten, das Böse zurückdrängen und das Gute ausbreiten. Durch Pflege des Geistes kann man die im Herzen wohnende himmlische Vernunft intakt erhalten. Man muß auch auf die äußere Haltung achten : „Der Fuß muß seh wer auftreten, die Hand höfliche Bewegungen machen, der Kopf emporgerichtet sein, das Auge gerade blicken, der Mund sich zurückhalten, der Atem gemessen sein, die Stimme ruhig, die aufrechte Haltung ehrbar, das Sitzen wie wenn man ein Totenknabe2) wäre, das Gehen wie das der Ameisen.3) Durch Ruhe pflegt man den Geist, durch wenig Sehen erhält man ihn,4) am Tage handelt, in der Nacht empfängt man. 5 ) Bewegung und Ruhe haben ein geprüftes Maß. Durch das alles regelt man das Äußere und pflegt dadurch das Innere. Wenn so das Innere und das Äußere wechselseitig gepflegt werden, so kommt ein Ganzes zustande. Zuerst mag es wohl etwas gezwungen erscheinen, aber nach längerer Zeit wird es ganz natürlich. Freude, Zorn, Kummer und Lust werden im Gleichgewicht gehalten6), Sehen, Hören, Sprechen und Bewegen auf die Sitte zurückgeführt. Die Maximen, Grundsätze, Pflichten und Prinzipien dürfen nicht verletzt werden ..... Erfolg und Mißerfolg, Lob und Tadel bewirken keine Erschütterung, Leben und Tod, Not und Schwierigkeiten werden als etwas ganz Natürliches empfunden. 7 ) Wohin man axich gelangt, immer fühlt man sich zufrieden. So bleibt der Geist erhalten, ') Erh-tch'ü tchi B. XV S. 58a: fj ffl ± M , 0 * »fjE & ft ± , &. * tt ^

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) ) 4 ) 5 ) 6 ) ')

Der Totenknabe, welcher den Toten beim Opfer vertritt. Die Ameisen gehen langsam und bedächtig. Durch zu starkes Benutzen der Organe schädigt man sie nach taoistischer Auffassung. Man empfängt neue Kräftigung. Keine Empfindung darf ein gewisses Maß überschreiten. Der Weise erträgt alles mit Gleichmut.

) 10

Die Tch'ing-DynatstiV und die Republik

man kehrt zur Natur zurück, und man braucht sich gegenüber den Normen des menschlichen Tao nicht zu schämen. Das kann man Studium nennen."1) Ein ruhiges, beschauliches Leben wird einem tätigen vorgezogen, nimmt man aber Interesse daran, so soll man mit der Hauptwurzel der Welt, dem menschlichen Geist, beginnen und ihn durch Studixim erleuchten2): ,,Gut", sagt Li Jung, ,.ist das Wort des Lo Wei-te: ,Ein Heiliger ist ein gewöhnlicher Mensch, dessen Herz in Ruhe, ein gewöhnlicher Mensch ist ein Heiliger, dessen Herz nicht in Ruhe ist."'3) Also durch die Seelenruhe unterscheidet .sich ein Heiliger von einem gewöhnlichen Menschen. Das Studium muß durch Meditation ergänzt werden. Es ist empfehlenswert, sich täglich dreimal eine kurze Zeit der Betrachtung hinzugeben, nämlich Morgens in der Dämmerung, um Mittag und am Abend. Die Zeit ist jedesmal nach dem Abbrennen einer Weihrauchstange zu bemessen. Das hilft mit zur Zurückgewinnung der ursprünglichen Natur. 4 ) Li Jung bezieht sich auf Li Yen-p'ing,&) welcher lehrt, daß es bei der Meditation darauf ankomme, stumm dazusitzen, das Herz zu läutern und sich in die himmlische Vernunft hineinzuversetzen.6) Zum Stillsitzen muß noch die ernste Vorbereitung7) treten. Leere, Erleuchtung, Ruhe und 3 HU £ . & £ it > I« ^ Üfe B. * JA

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ibid.: ·) ibid.: A ^ i f c B f * a ^ A ^ - , Ä Ä f f i i n ± * Ä Ä , « > e : * ± Ä ·

') Da Tao mit seinem Wissen die ganze Welt erfüllt und durchdringt, so kann auch der Mensch mit seinem Wissen nicht außerhalb stehen. ·) Sse-pien lu B. I, S. 12b: i t ± ^ ^ * > i t * ± ^ ^ A , ^ i « : Ö t t ! ^ 5 .

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VI. Pädagogen: 1. Lu Schi-i

513

Für Tao sagt Lu Schi-i auch Himmel,1) Vernunftprinzip oder Geist. Seine eigenen Worte sind: „Der Himmel ist das Vernunftprinzip und der Geist ist der Himmel. Man muß wissen, daß der Geist, der Himmel und das Vernunftprinzip sich nicht an zwei verschiedenen Orten befinden."2) „Zwischen Himmel und Erde gibt es keinen Vorgang und kein Ding, das nicht Vernunftprinzip und keinen Vorgang und kein Ding, das nicht Himmel wäre."3) .,Die früheren Konfuzianer haben gesagt, daß der Himmel das Vernunftprinzip sei. Ich sage, daß das Vernunftprinzip der Himmel ist."4) Diese Fassung soll wohl bedeuten, daß das Prinzip das Primäre und der Himmel, der in der alten Philosophie die Hauptrolle spielt, das Sekundäre ist. Lu Schi-i bewährt sich als Schüler des Liu Tsung-tschou, indem er die ganze Welt als Geist oder Vernunft ansieht. Das Wesen dieses Geistes soll in der Ruhe liegen. Es heißt: „Die Ruhe ist die Substanz des Geistes, die Bewegung ist sein Wirken. Während der Ruhe erkennt man die Substanz von Himmel und Erde und aller Dinge, und in der Bewegung sieht man ihr Wirken. Schließlich haben Substanz und Wirken denselben Urgrund und zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren besteht kein Unterschied."5) Die Substanz ist nicht sichtbar, man sieht nur ihre Wirkungen. Man kann sich am besten eine Vorstellung davon machen, wenn man ihre Bewegungen wegdenkt und sie sich im Zustande der Ruhe vorstellt. Ganz logisch ist es nicht, die Ruhe, einen Zustand von etwas, als dieses etwas, nämlich als Substanz aufzufassen. In den Dualismus des Tschu Hsi gerät Lu hinein, wo er vom Urprinzip spricht, das natürlich auch nur der Weltgeist oder die Weltvernunft ist. Er sagt: ,, ' tchi ist ein Prinzip, die beiden Modi sind Fluidum. Recht und Vernunft im Menschen wurzeln im Urprinzip, das Fluidum und die Substanz des Menschen in den beiden Modi. Das Prinzip geht voran, das Fluidum folgt nach; das Prinzip ist der Herrscher, das Fluidum der Helfer."6) Das ,Prinzip des Menschen'7) entspricht ganz dem Urprinzip, es beruht auch auf Ruhe und äußert sich nach Tschou-tse im Gleichgewicht, in Korrektheit, Wohlwollen und Gerechtigkeit. Vollkommene Ruhe erreicht man nur durch Beseitigung der menschlichen Begierden und durch Festhalten an der himmlischen Vernunft.8) *) Der Himmel als geistiges Wesen verstanden. ») Sse-pien lu B. II, S. lOb: ^ ß|) g, & gp ^

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514

Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

2. Die m e n s c h l i c h e N a t u r . Lu Schi-i hat seine Ansichten über die Natur des Menschen öfter geändert. Zuerst sprach er seinem Lehrer nach, daß es eine Natur der Gerechtigkeit und Vernunft und eine andere des Fluidums und der Substanz gäbe. Dann stimmte er den Buddhisten zu, wonach außerhalb der Welt diese Natur als etwas Übersinnliches existiere.1) Schließlich hat er folgende Formulierung gefunden : „Die Natur ist verbunden mit dem Fluidum und der Substanz,"2) wonach also die Verbindung mit dem moralischen Sinn geleugnet wird: „Die Natur", erklärt er, „läßt sich vom Fluidum und von der Substanz nicht trennen. Sobald sie davon getrennt wird, trennt sie sich auch von Himmel und Erde, denn diese sind auch Fluidum und Substanz. Wenn sie sich von Himmel und Erde trennte, dann müßte man außerhalb von Yin und Yang noch ein besonderes Urprinzip suchen, und wenn man das tut, dann kann das Urprinzip nicht ins Leere fallen und muß doch mit einem Dinge verbunden sein."3) Die Güte der menschlichen Natur, an der auch Lu Schi-i nicht zweifelt, soll gleichfalls am Fluidum und an der Substanz haften und nicht an dem vom Himmel verliehenen Schicksal. „Woraus kann man ersehen, daß die vollständige Güte dem Menschen zukommen muß?", fragt er und antwortet darauf: „Man kann dies nur an der Natur des Fluidums und der Substanz erkennen. Die menschliche Natur ist in dieser Hinsicht nicht der Natur der Tiere gleich, und die Natur von Vierfüßlern und Vögeln nicht der der Pflanzen und Bäume. Der Mensch erlangt sie vollkommen, die Tiere unvollkommen, der Mensch lebendig, die Tiere dumpf, der Mensch frei fließend, die Tiere verstopft,4) daher ist es außer Zweifel, daß die vollkommene Güte ganz entschieden nur dem Menschen zukommt. Wenn der Mensch dieses Prinzip klar erfaßt hat, dann sieht er, daß die Natur des himmlischen Schicksals5) die vollkommene Güte und die Natur des Fluidums und der Sxibstanz ebenfalls vollkommen gut ist6) ..... Die menschliche Natur des Fluidums und der Substanz ist glücklicherweise nicht dieselbe wie die der Pflanzen und Tiere, aber ohne Studium geht auch das Gute in das Nichtgute über. Wir sehen, daß Vierfüßler und Vögel, Pflanzen und Bäume alle das Fluidum und die Substanz besitzen, aber sie verstehen es nicht zu lernen, und wegen der Unfähigkeit zum Studium können sie niemals gut werden.7) Daher sagt man, S.4a.

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5 ) Das himmlische Schicksal ist der Wille des Himmels, des Weltgeistes. Er ist vollkommen gut ebenso wie die menschliche Natur. ·) Gewöhnlich wird alles Gute dem menschlichen Geiste und alles Schlechte dem Körper oder der Substanz zugeschrieben. ') Ohne Studium läßt sich das Gute nicht erhalten. Daher besitzen es die Tiere nicht. Ihr Wissen bezieht sich nur auf körperliche Dinge, nicht auf Recht und Vernunft wie bei den Menschen (Sse-pien lu B. III, S. 7a).

VI. Pädagogen: 1. Lu Schi-i

f)15

der Mensch ist das intelligenteste aller Geschöpfe, und die Natur seines Fluidums und seiner Substanz ist auch vollkommen gut."1) In eigenartiger Weise behauptet nun Lu Schi-i, daß das Fluidum, aus dem der Mensch gebildet wird, vom Himmel, die Substanz dagegen von der Erde stammt. ,,Man weiß nicht", sagt er", daß das Fluidum das himmlische Fluidum und die Substanz nur die irdische Substanz ist. Außer dem Himmel gibt es kein Fluidum und außer der Erde keine Substanz. Fluidum und Substanz sind von Himmel und Erde verliehen worden, und indem der Himmel solches Fluidum und solche Substanz schenkt, gibt es ein entsprechendes Vernunftprinzip,"2) denn dieses Prinzip haftet ja am Fluidum und an der Substanz.

3. Der K o s m o s . Der Himmel besteht nach Lu Schi-i aus zusammengehäufter Luft, wovon immer eine Lage höher als die andere ist. Die eigentliche Substanz des Himmels sind die 28 Sternbilder des Tierkreises, Sonne, Mond und Planeten. Je höher die Atmosphäre, desto schneller bewegt sich die Luft, an den Himmelspolen am schnellsten. Die Alten nahmen an, daß der Himmel 9 Stockwerke habe.3) „Das Tchin-tschi zitiert das Huang-ti schu, worin es heißt: .Der Himmel befindet sich außerhalb der Erde und das Wasser außerhalb des Himmels. Das Wasser schwimmt auf dem Himmel und trägt die Erde.'4) Diese Behauptung ist ganz verkehrt. Das Wasser ist ein körperlicher Gegenstand, wenn das Wasser den Himmel5) trägt, was trägt dann das Wasser ? e ) Müßte es nicht herabtropfen ? Der Himmel ist Luft, Wasser und Erde sind körperlich, die Luft kann einen Körper tragen, aber ein Körper kann die Luft nicht tragen."7) >) Tschung T-ai U, 126: ft # fi ft £ | | # £ » ± tfc A. «t St Ä Ä ±

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) sf ij: Tchin-schu Kap. 11 S. 6a. ) Das ist wohl ein Schreibfehler und sollte heißen „die Erde" wie im TcMn-schu. e ] Nach dem Tschin-schu würde die Welt aus drei konzentrischen Teilen bestehen, in der Mitte die Erde, darum die Himmelskugel und um diese und auf ihr das Wasser. 7 ) Das Wasser würde sozusagen von der in ihm schwimmenden Himmelskugel getragen, aber da der Himmel Luft ist, so müßte das Wasser herabfallen. Die Behauptung, daß die Luft einen Körper tragen, aber daß ein Körper die Luft nicht tragen könne, ist schwer zu verstehen, denn es ist doch eher das Gegenteil der Fall. — Sse-pien lu Kap. 14 S. 2a: ^ 5

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51(5

Dit> Tch'ing-Dynustio und dip Republik

In seinen weiteren Ausführungen spricht Lu davon, daß der Himmel als Sphäre dargestellt werde, eine Auffassung, die besser sei als die einer Glocke oder halben Sphäre,1) aber die alten Darstellungen entsprächen doch dem Himmel nicht ganz genau. „Die Karten des Westens", heißt es, ,,sind viel zahlreicher und genauer, und man darf sie nicht verachten, weil sie aus ändern Ländern stammen." 2 ) IM Kchi-i weiß etwas von europäischer Astronomie, stimmt aber nicht immer zu. Durch die fremden Missionare wurde in der Ming-T)yna,stie das ptolemäische Weltsystem in China eingeführt. 4. E r z i e h u n g und S t u d i u m . Erziehung und Studium und die Pflege des Körpers und des Geistes nehmen in der Philosophie Lu ScM-i's einen breiten Raum ein. Er berichtet, daß in alter Zeit die Kinder mit 8 Jahren in die Elementarschule, Hsiao-hsüeh, und mit lö Jahren in die höhere Schule, Ta-hsüch?) gekommen seien. Jetzt seien sie früher entwickelt und besuchten daher schon mit 5 bis 6 Jahren die Schule. Die Mädchen lasse man höchstens die Schriftzeichen lernen, denn das könne ihnen im Haushalt nützen, aber man erkläre ihnen den Sinn der Bücher nicht, denn davon hätten sie keinen Vorteil, und es brächte sie leicht auf schlechte Gedanken. Seit Alters habe es sehr wenig gebildete Frauen gegeben.4) Früher haben die Menschen gern Buddhismus und Geisteslehre studiert.. Ein solches Studium hält der Philosoph für zwecklos, denn noch niemand auf Erden ist Buddha geworden und noch niemand als Geist gen Himmel gefahren.5) Die buddhistische Lehre nützt dem Reiche nicht, aber man kann buddhistische Priester zur Leitung von Alters- und Fürsorgeheimen verwenden. Sie gründen öfter auch Niederlassungen, in denen sie Hühner, Fische, Schweine und Haustiere züchten und ihnen Leben und Freiheit schenken, ohne der notleidenden Menschen zu gedenken.6) Die Forderungen, welche Lu Schi-i an das Studium stellt, sind außerordentlich weitgehend und normalerweise wohl kaum erfüllbar. Die Studienzeit wird auf 30 Jahre berechnet, vom 5ten bis zum 35ten Jahre, und dafür \vird folgender Studienplan aufgestellt: Für die Zeit vom 5. bis 15. Jahr: Lektüre der Bücher: Klassiker der kindlichen Liebe, Vier Bücher, Fünf Klassiker, Tschou-li, die philosophischen Werke: Tafel des Urprinzips, T'ung-schu, Hsi-ming, das Geschichtswerk T'ung-tchien kang-mu, alte Prosa, Ku-wen, alte Dichtungen, Ku-schi, Lieder und Sprüche aus den Wissenschaftsgebieten, Mathematik, Astronomie, Ackerbau etc.7) ') Vergl. World Conception S. 12fg. Sse-pien lo loc. cit. S. 3b: ff| |g g $ ft &, ^ nf # £ $ £ g jfjj ')**,**· 4 5 ) Sse-pien lu B. I, S. la und S.Ob. ) S. 7b. «) B. XVI, S. 17a. l) B. IV, S. 3b und 4a.

VI. Pädagogen: 1. T-m Sehi-i

517

15. bis 25. Jahr: Dieselben Werke sind gründlicher mit großen Kommentaren zu lesen. Dazu kommen Geschichtswerke. Verordnungen und Gesetze der herrschenden Dynastie, das Wen-hsien t'ung-kao1) und Werke über Astronomie. Geographie, Bewässerung und Ackerbau und Kriegskunst.2) 25. bis 35. Jahr: Dieselben Werke, dazxi Aussprüche der konfuzianischen Philosophen, die 21 Geschichtswerke, technische Werke und Gedichte aller Dichter.3) Ein eifriger Student soll im Stande sein, an einem Tage vom Morgen bis zum Abend 200 Seiten kritisch zu lesen.4) Auch diese Zahl dürfte viel zu hoch gegriffen sein. Lu verurteilt es, daß viele Gelehrte in der schlimmen Zeit gegen Ende der JI/mgr-Dynastie, welche energische Männer erforderte, nur von metaphysischen Dingen sprachen. Statt dessen sollten sie lieber die Kriegskunst5) und Fechten erlernen. Außer den sechs Künsten wären auch Astronomie, Geographie und Bewässerung für den Staat von Nutzen.6) Wenn man von einem Ahn selbst geschriebene Bücher hat, so muß man sie als eine große Kostbarkeit bewahren und zum gewöhnlichen Gebrauch eine Abschrift anfertigen lassen. Das Original kann nur bei feierlichen Familienfesten wie bei der Vorbereitung für die Totenopfer benutzt werden.7) Lu Schi-i war nicht nur mit der europäischen Astronomie, sondern auch mit der Mathematik etwas vertraut. Er kannte die als ,Napier rods' bezeichneten Rechenstäbchen, fand aber, daß man nicht so bequem damit rechnen könne \vie mit dem chinesischen Rechenbrett, da man sich leichter irre. Dagegen erkannte er die Überlegenheit der europäischen Trigonometrie über die chinesische an. Letztere sei schon im Tchiu-tschang suan-schu aus der Han-Zeit enthalten.8) Außer den chinesischen fünf Elementen kannte Lu Schi-i auch die vier buddhistischen: Erde, Wasser, Feuer, Wind und die vier Elemente der westlichen Lehre (des Aristoteles) Erde, Wasser, Feuer, Luft, schreibt aber aus Versehen für Wasser Himmel. Es könnte auch ein Versehen der Herausgeber seines Werkes sein.9) ') Die große Enzyklopädie des Tuan-lin aus dem 13. Jahrhundert. 3 4 ) Loc. cit, ) B. IV, S. 5b. ) B. IV, S. lOa. ä ) Von Feuerwaffen sagt Lu, daß sie in dor Yuan-Dynastie aufkamen, wo man zuerst mit Kanonen schoß. Die Stadt Hsiang-yang jji ß|J wurde mit einer Kanone beschossen. Daher nannte man sie Hsiang-yang p'ao J| ßf| jj|£. Zuerst wurden sie in Cochinchitut verwandt, aber die Europäer besitzen noch größere Geschütze, die immer größer und furchtbarer werden. Am besten wäre es, sie ganz zu verbieten. Da das nicht möglich ist, so sollte man ihren Gebrauch auf die Artillerie-Division in Peking beschränken, das bekannte Huotch'i ying fc %§. igt. Wenn man sie gegen Räuber und an den Grenzen nötig habe, könne man sie von dort kommen lassen (Sse-pien lu B. XVII, S. 7b). 6 ) Tch'ing-tai t'ung-schi I, 841. ') üse-pien lu B. X, S. 8a. ') B. XV, S. 6b: % ^ ^f fli,. Näheres bei Wylie. Notes S. 91. ») Tschung T'ai II, 119. 2

518

Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

5. Pflege des K ö r p e r s und des Geistes. Unser Philosoph ist der Meinung, daß es nicht gut sei, nach einem guten Essen lange sitzen zu bleiben, denn dann verdaut man nicht ordentlich und wird leicht krank. Am besten trinkt man nach Tisch aus Vorsicht einige Glas Wein, oder man macht sich Bewegung, indem man etwas Unkraut ausjätet. Dadurch hält man die Krankheit fern. Im Alter von achtzehn bis neunzehn Jahren pflegte Lu oft bis zur vierten Nachtwache (l bis 3 Uhr) zu lesen. Wenn er sich dann im Winter kalt fühlte und nicht einschlafen konnte, so machte er einige Fechtübunge.n. Dadurch wurde er warm und konnte gut schlafen.1) So ganz scheint er von der Bekömmlichkeit des Weines doch nicht überzeugt zu sein, denn an einer ändern Stelle heißt es: „Wein schafft Eintracht und Freude, aber sehr oft geht die Freude dadurch verloren. Mit Wein heilt man Krankheit, aber sehr oft wird sie erst dadurch erzeugt. Daher ist es besser, keinen zu trinken." 2 ) Im Übrigen bekennt sich Lu Schi-i zu dem Satze: In vino veritas durch folgende Aussprüche: ,,Das Sprichwort sagt: ,In der Trunkenheit erkennt man eines Menschen Tugend.' Dieses Wort ist sehr wahr. Wenn jemand Tugend besitzt und er in der Trunkenheit sich nicht beherrschen kann, so ist das eine Fehlstelle in einem weißen Stück Jade. Wenn er sich nicht beherrschen kann3), so hat er keine Tugend, oder er hat sie verloren."4) „In der Trunkenheit zeigen alle ihre wahre Natur. Einige sind so verwirrt, daß sie gar nicht mehr sprechen können, andere reden nur lächerliches Zeug, andere sind so erschöpft, daß sie nur an Schlafen denken, bei einigen dagegen tritt nach dem Trinken ihre vornehme Gesinnung nur um so mehr zutage, und wenn sie müde werden, so nicken sie nur einen Augenblick ein. In diesem Zustande kann man zwischen Edlen und Gemeinen, Klugen und Toren sehr scharf scheiden."5) In der Pflege seines Geistes verfuhr der Philosoph sehr systematisch, man könnte sagen pedantisch, denn er führte über seine Fortschritte in der Tugend genau Buch. Das dazu verwandte Heft nannte er das K'ao-te lu.e) In dieses trug er täglich ein, wie lange er sich an jedem Tage ernstlich mit der Vervollkommnung in der Tugend beschäftigt hatte, um danach Fortschritt und Rückl

) Sse-pien lu B. IX, S. 9a.

·) Sse-pien lu B. VIII, S. 9a: jg # & £, £$ & g) ft jjjj £ fl, jg jy £ $;, £$ $

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VI. Pädagogen: 1. Lu Schi-i

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schritt zu konstatieren. Ferner teilte er den Tag in zehn Teile. Wenn er sich 1 /10 des Tages angestrengt hatte, so war er während der übrigen 9/10 entspannt, und auf /10 Entspannung ließ er 9/10 Konzentration folgen. Mit zwei Freunden las er 9 Tage zusammen und l Tag diskutierten sie im Zusammenhang über die einzelnen Stadien der Selbstkultur im Anschluß an Vorschriften des Ta-hsio. Am Ende des Tages stellte er fest, welche Fortschritte er gemacht, ob sein Wissen oder seine Begierden zu- oder abgenommen hatten. So trieb er es viele Jahre und erzielte dadurch angeblich große Fortschritte in der Wissenschaft.1) Das Wichtigste bei der Selbstkultur ist der Ernst, tching2): „Im menschlichen Herzen sind viele schlechte Gedanken und verkehrte Vorstellungen. Sie kommen alle nur daher, daß man den Begriff des Ernstes nicht kennt. Sobald dieser sich geltend macht, ist es gerade so wie wenn die Sonne in's Gesicht scheint. Alle Phantome und Gespenster verschwinden und hinterlassen keine Spur."3) Zu unserer Verwunderung erfahren wir, daß bei der Pflege des Geistes Gott ein.> wichtige Stellung eingeräumt wird, da eine Erwähnung Gottes bei den chinesischen Philosophen nur selten vorkommt. „Der Mensch", heißt es, „muß immer mit solcher Gesinnung Gott gegenübertreten."4) Dabei wird auf Aussprüche der Klassiker über Gott und den Himmel hingewiesen. Der Mensch soll durch dieses Hintreten vor Gott erschüttert und aufgerüttelt werden, damit er keinen Gedanken sorglos durchgehen läßt. Aber dieser Gott ist ein anderer als der christliche, denn Lu sagt von ihm: „Mit dem, worüber man im Herzeti nicht hinwegkommen kann, damit kann man auch dem Himmel nicht entgegentreten, und wenn man dem Himmel damit entgegentreten kann, dann kommt man auch im Herzen darüber hinweg. Das bedeutet, daß der Himmel und der Mensch dasselbe Vernunftprinzip sind."5) Und weiter: „Wenn ich den Himmel ehre, dann ehre ich auch mein Herz, und wenn ich mein Herz ehre, so ist das, wie wenn ich den Himmel ehrte. Daher sind der Himmel und der Mensch eine Einheit."6) Hier kommt wieder der Monist zum Vorschein, für den der Mensch und die Gottheit dasselbe sind. Das eigentliche Wesen des göttlichen und des menschlichen Geistes findet Lu Schi-i im Wohlwollen, was ganz konfuzianisch gedacht ist. Seine Worte sind: „Wenn man von der Bedeutung des Wortes .Wohlwollen' spricht und zwar von seiner Ausdehnung und Größe, dann können die gründlichsten Auseinandersetzungen von tausend Weisen sein geheimnisvolles Wesen nicht ergründen. J

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Tch'ing-tai t'ung-schi I, 839 — Sse-pien lu B. II, S. lOa.

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l, S. 27a. ') Tschung T'ai II, 136: =g ^ $f. ») Vergl. S. 434. 9 ) Tch'ing-tai t'ung-schi I, 838: g|J -f j)pjc Jr.

VI. Pädagogen: 2. Tschang Li-hsiang

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viele wirre und unklare Worte gesprochen. Der beste Weg ist, sich darüber mit Tschu-tse in's Einvernehmen zu setzen."1) Von Wang Yang-ming dagegen wird gesagt: „Wenn man seine Worte prüft, so findet man, daß er nicht nur sich selbst, sondern auch andere damit betrügt," 2 ) und mit Bezug auf Schao Yung3): „Die meisten Menschen fehlen beim Studium dadurch, daß sie sich zuviel zutrauen."4) Die Lehre des Wang Yang-ruing vom intuitiven Wissen wird bekämpft, denn „die Lehre von dem angeborenen Wissen veranlaßt die Menschen zu direktem Handeln unter der Herrschaft ihrer Stimmungen. Das hat die üble Folge, daß dadurch die Lehre von den Riten aufgehoben und die alten Bestimmungen beseitigt werden, was das Li-ki als die Handlungsweise der Barbaren bezeichnet."5) An den politischen Kämpfen beteiligte Tschang Li-hsiang sich nicht, aber er sympathisierte mit den Ming. Als sein Haus von Rebellen niedergebrannt und der Sarg seines Großvaters zerstört wurde, hätte er fast Selbstmord begangen. Von 1644 ab erteilte er in seinem Dorfe Unterricht und war als Erzieher und Schriftsteller tätig. Ein öffentliches Amt bekleidete er nicht. Tschang Li-hsiang schrieb Anmerkungen zum Yiking und zu den Historikern6) und philosophische Schriften. Als sein Hauptwerk gilt das Tchin-ku lu7), worin er Beispiele von Tugend aus der Geschichte bringt. Verschiedene Werke behandeln Erziehungsfragen8), eins handelt vom Ackerbau.9) Seine Gespräche sind von den Schülern gesammelt,10) die Gesamtwerke als Yang-yuan tch'üan-tchi11) in 45 Büchern veröffentlicht. Tschang Li-hsiang legte großes Gewicht auf die Atisbildung der Persönlichkeit und stellte dafür folgende Norm auf: „Vom Anziehen bis zum Entkleiden muß ich wissen, wieviel Fehler und Irrtümer ich während des Tages in Wort und Tat begangen habe und vom Entkleiden bis zum Anziehen, wieviel schlechte und verderbte Ideen und Vorstellungen ich während der Nacht gehabt habe. Wenn ich sie gehabt habe, dann verbessere ich sie, das ist das Wichtigste der Selbstkultur."12) Der Mensch muß viel vom harmonischen Yang-F\uia\\m und wenig vom strengen Fiw-Fluidum im Körper haben, was er sich allerdings nicht geben kann. Loc. cit,:

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Die Tch'ing-Dynastio und die Republik

Beim Studium verlangt Tschang ein gründliches theoretisches Wissen, verbunden mit praktischer Betätigung. Das kommt in folgenden Grundsätzen zum Ausdruck : „Beim Studium liebt man vor allem die Wahrheit und meidet besonders das Zweifelhafte."1) „Der Geist will sich wirklich üben, und die Kraft will sich wirklich betätigen."2) „Die Theorie muß so sein, daß man sie sieht, wenn man emporblickt, und daß man sie ausführen kann, wenn man den Fuß hebt, dann ist sie Wahrheit. Die Arbeit muß sich leisten lassen, wenn es notwendig ist, dann ist es richtige Arbeit."3) Also eine Theorie ist nur richtig, wenn sie sich auch praktisch ausführen läßt. Tschang Li-hsiang betrachtete das Nichtstun als schimpflich und betrieb deshalb selbst den Ackerbau. Die Gelehrten, meint er, hätten es von jeher für selbstverständlich gehalten, daß sie vom Volke ernährt würden, und körperliche Arbeit als Pflicht gewöhnlicher Leute angesehen. Tschang und manche anderen Gesinnungsgenossen hielten es für notwendig, selbst Hand anzulegen und sich durch Ackerbau den Lebeimmterhalt zu verdienen. Dafür erwartet er aber auch vom Volke Verständnis für die Schwere der wissenschaftlichen Arbeit: „Die Menschen wissen, daß sie, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, schwer arbeiten und sich schwer anstrengen müssen, aber sie wissen nicht, daß beim Studium und Forschen sie ebenso wie bei der Ausbildung ihrer Persönlichkeit und Selbstkultur ohne schwere Arbeit und schwere Anstrengungen nicht fertig werden können."4)

3. Tschang Erh-tcM 1612—1677. Tschang Erh-tch'i6) (T. Tchi-jo H. Hao-an*)) stammt aus Tchi-yang1) (Schantung). Sein Vater kam bei Soldatenunruhen ums Leben. Tschang wollte sich deswegen durch Ertränken das Leben nehmen, führte es aber nicht aus, zog sich auch nicht in die Berge zurück aus Rücksicht auf seine Mutter, aber nach dem Sturz der Jfm) $f56Pllm· ig·

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VI. Pädagogen: 4. T'ang Pin

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Lokalchronik seiner Heimat, das Tchi-yang hsien tschi.1) Sein pädagogisches Werk Hsüeh-pien2·) blieb unvollendet. Seine literarischen Schriften sind gesammelt als Hao-an tchi, seine Aussprüche als Hao-an wen-schuo.3) Diese Schriften wurden erst bekannt, als Kaiser Tch'ien-lung nach guten Schriften suchen ließ. In der Philosophie hält Tschang Erh-tchfi zu Tsch'eng und Tschu, beschäftigt sich aber hauptsächlich mit Erziehung und praktischer Philosophie. Er fordert vor allem, Entschlossenheit und energisches Handeln.'4) Ein Ausspruch lautet: „Der von den Lernenden an einem Tage gefaßte Entschluß kann die Quelle von Frieden oder Verwirrung im Reiche werden und der Anfang von Kummer und Freude der lebenden Menschen."5) Von der menschlichen Natur sagt Tschang, die Menschen seien bei der Geburt und als kleine Kinder ziemlich gleichartig, erst später würden sie verschieden, auch wenn sie dieselbe Erziehung genössen. Diese Verschiedenheit kommt von ihren verschiedenen Fähigkeiten und durch ihre Neigungen, die sich zum Guten oder zum Bösen, zur Tugend oder zur Selbstsucht wenden. Die einen werden weltberühmt, die ändern sind über ihre Familie hinaus unbekannt.6) Als Autorität wird besonders Meng-tse beständig zitiert.

4. Tang Pin 1627—1687. Tlaiuj Pin') mit dem Beinamen K'ung-po8) und den literarischen Namen Tching-hsien und Tch'ien-an?) war der bedeutendste Schüler des Pantheisten Sun Tch'i-feng. Seine Heimat war Sui-tschouw) in Honan. Seine Mutter kam gegen Ende der Ming-Oyn&siie bei der Eroberung von Sui-tschou durch Banditen ums Leben. Sein Vater floh mit ihm 1645 nach Tch'ü-tschou11) in Tschekiang und kehrte, als durch Schun-tschi der Frieden wiederhergestellt war, in die Heimat zurück. Zehn Jahre lang studierte er bei Sun TchH-feng in Su-men. Im Jahre 1653 wurde T'ang Pin als Hanlin im Historiographischen Amte angestellt und 1682 zum Vorsitzenden dieses Amtes ernannt mit dem Auftrage, die Geschichte der Ming-T)yna,stie zu schreiben und die Erlasse des Kaisers Schun-tschi und seines Vaters herauszugeben. In dieser Stellung setzte er es durch, daß loyale Beamte der Ming-Dynastie, welche vor dem Sturz gegen die Mandschus Widerstand geleistet hatten, in die Geschichte der Ming aufgenommen

3 ^mmrnk· *)&&· > mmm^mmw ') Hsiieh-an hsiao-tschi Kap. III, S. I G a : jg| ± -ft fa . -°) HsiUh-an hsiao-tschi Kap. III, S. 18a: J ^ ^ f — H ^ ^ ^ T J o f L ^ Ü g .

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·) Ibid. S. 16-17. ') $£. ·) ftfÖ· °) $U dJi o iff fiß· Nach Giles und der Groß. Biogr. würde Tchinq-Jisien ^f. sein.

524

Die Tcli'ing-Dynastic' und die Republik

worden.1) 1684 wurde T'ang als Vizepräsident für die Herausgabe der Satzungen der TcA'm^-Dynastie, das Ta Tch'ing hui-tien,2) eingesetzt und zum Gouverneur von Nanking ernannt, 1686 Präsident des Ritenamts und 1687 Präsident des Arbeitsamts. Als er in diesem Jahre schwer erkrankte, schickte ihm der Kaiser K'ang-hsi seinen Leibarzt, aber er konnte ihn nicht retten.3) T'ang erhielt den posthumen Ehrennamen Wen-tscheng*) und wurde 1823 in den Konfuzitis-TemTpe] aufgenommen. Während seiner Amtszeit ließ T'ang Pin Tempel, deren Moral verwerf lieh war. zerstören und dafür Gedächtnistempel für verdiente Männer bauen. 5 ) Götterbilder, die für Zauberei und Aberglauben benutzt wurden, ließ er verbrennen oder in's Wasser werfen.6) Unter seinem Regiment besserten sich die Sitten von WH zusehends. Er schrieb manche Eingaben über die Not des Volkes und zu hohe Frondienste. Wegen seiner Reformen war er bei den Beamten gefürchtet, aber beim Volke beliebt. Da er sehr einfach in seiner Lebenshaltung war, nannte man ihn Toit-fu T'ang, .,Bohnenkäse-TVm0". wohl weiler das beliebte Volksgericht gern aß. 7 ) Von T'ang Pin stammen das Tch'ien-an hsien-scheng i-kao*) das philosophische Werk Lo-hsüeh pien.9) die Materialien zur Geschichte der Ming, Ming-schi kao10). und die Topographie von Sui-tschou, Sui-tschou tschi.11) T'ang Pin teilte die Ansichten seines Lehrers und stand zwischen Realisten und Idealisten in der Mitte, doch so, daß er etwas mehr den ersteren zuneigte. Die theoretische Philosophie interessierte ihn nicht so sehr, und er legte großes Gewicht auf praktische Betätigung. Er wollte, daß jeder an sich selbst arbeite und nicht mit der Bekämpfung anderer Philosophen die Zeit vergeude. Daher wandte er sich auch in einem Briefe gegen Lu Lung-tch'i,12) welcher Wang Yangming heftig angegriffen hatte. Tsch'eng und Tschu, erklärte er, seien die Leiter der richtigen Schule des Konfuzianismus, und nur durch diese könne man zu K'ung-tse und Meng-tse gelangen. Er glaube nicht an die Lehre des Wang Yang-ruing, aber wolle ihn nicht angreifen. Um der Richtung des Tsch'eng und Tschu zum Siege zu verhelfen, müsse man ihre Gesinnung haben und ihre Lehre ganz in sich aufnehmen, dann könne man auch auf die Anhänger des Wang Yang-ming einwirken und sie zu sich herüberziehen.13) Die Theorie vom angeborenen Wissen14) hielt er aber für einen Zweig der heiligen Lehre. Als K'anghsi ihn nach der Philosophie des Wang Yang-ming fragte, äußerte er sich recht J

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2 Tch'ing-tai t'ung-sclii I, 823. ) ^ ^| ^ Jjll. 4 Biographie im T'ang Tch'ien-an tchi S. 2a. ) 3t TE · Takejiro III, 214. '·) T'ching-schi lieh-tsclmnn Kap. 8, S. 7 a. Giles, Biogr. Diet.: g fä ^. iS M£ ^fe ^!H ifi ff"i · ^m Tscheng-i fang tch'üan-schu ist das T'ang Tch'ien-an tfhi ^ in zwei Büchern abgedruckt.

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520

Die Teh'ing-Uynastie und die Republik

gesagt: „Die Menschen müssen mit Recht und Sitte sich selbst besiegen und nicht mit Körperkraft die ändern unterwerfen. Wenn sie sich im Innern selbst den Prozeß machen, ist das zu erreichen."1) Das sittliche Handeln entspricht der menschlichen Natur und ist dem Menschen nicht aufgezwungen, denn „Jedesmal, wenn jemand eine gute Tat vollbracht hat, ist sein Herz zufrieden, und sein Körper fühlt sich wohl, und wenn er etwa Böses getan hat, ist sein Herz unruhig, und er zeigt Schamröte. Daraus ersieht man, daß das Innere des Menschen ganz vom Vernunftprinzip erfüllt ist, und man erkennt dadurch, daß die menschliche Natur stets gut ist. Wenn jemand sich alle Dinge gründlich überlegt, damit er das Wesen seines Herzens nicht verletzt, nichts unternimmt, was es nicht tun will, und nichts wünscht, was es nicht wünscht, dann erfüllt er die wahre Aufgabe, vollkommen seinem Herzen zu entsprechen und zu seiner Natur zurückzukehren. Damm ist die Erforschung der Dinge eine so wichtige Angelegenheit."2) Von der Selbstbeobachtung während der Meditation berichtet der Philosoph, daß er lange Zeit in Ruhe dagesessen und wahrgenommen habe, daß, so lange Lust, Zorn, Kummer und Freude noch nicht hervorgekommen waren, er wirklich mit den Dingen der Welt denselben Körper bildete. Nach täglicher Übung kamen auch plötzlich die vier Elementartugenden zum Vorschein.3) Aus diesen Worten klingt der Pantheismus des Sun Tch'i-feng hervor, wonach Mensch und Welt denselben Körper haben imd von demselben Geiste erfüllt sind.

5. Yen Yuan 1635—1704.

I. Sein Leben. Yen Yuan*) ( . H-un-jan und I-tschi?} H. Hsi-tschai*)) wurde in dem Dorfe Yang-tsun7) z\vischen Peking und Tientsin, im Po-yeA-Distrikt8) geboren, ist besonders als Pädagoge bekannt und begründete mit seinem Schüler Li Kung9) zusammen die Yen Li-Schule. Nach seiner Schule, in welcher vor allem praktische Übungen stattfanden, wurde er Hsi-tschai hsien-scheng „der Meister des Seminars" genannt. T'ang Tch'ien-an tchi B. I, S. 4b: ^

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VI. Pädagogen: 5. Yen Yuan

527

Sein Vater war von einem Herrn Tschu Tchiu-tso1) adoptiert, und Yen Yuan wuchs in dem Hause seines Adoptiv-Großvaters auf, den er für seinen wirklichen Großvater hielt. In der Jugend führte er auch den Namen Tschu und nahm seinen eigentlichen Namen Yen erst später an, als er von der Adoption hörte. Als er drei Jahre alt war, wurde sein Vater von Soldaten nach Liao-tung verschleppt und kehrte niemals zurück, worauf seineMutter sich wieder verheiratete.2) Sein erster Lehrer liebte es, über das Kriegswesen zu reden. Er konnte reiten, Bogenschießen, mit Säbel und Hellebarde fechten, was auf den Knaben einen großen Eindruck machte. Vierzehn bis fünfzehn Jahre alt las er taoistische Werke über Genien, gab aber diese Lektüre später auf, als er die Verkehrtheit dieser Schriften erkannte.3) Bei einem Lehrer studierte er die Philosophie des Lu und Wang, bei einem ändern die des Tsch'eng und Tschu, die er für den echten Konfuzianismus hielt, und machte täglich acht bis neun Meditationsübungen. In einem Schreine verehrte er die alten Herrscher, K'ung-tse, Yen-tse, Tseng-tse, Tse-sse und Meng-tse und die Philosophen der Sung-Zeit: Tschou Tun-i, Tsch'eng Hao, Tsch'eng I, Tschang Tsai, Schao Yung und Tschu Hsi.*) Später kam er zu der Überzeugung, daß die Grundsätze des Tschu^tse mit den Prinzipien der alten Weisen nicht übereinstimmten, und daß seine Erklärungen und Kommentare alle falsch seien. Darauf begann er, die ersten Abhandlungen dagegen zu schreiben.5) Im Alter von 20 Jahren erhielt er ein T'ung-tchien kang-mu und studierte es mit solchem Eifer, daß er alles darüber vergaß. Er entschloß sich, kein Examen zu machen, und beschäftigte sich namentlich mit Medizin und Kriegskunst und übte sich im Boxen, um damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Abgesehen von der Landwirtschaft lebte er von seiner ärztlichen Praxis. Mit 23 Jahren eröffnete er eine Privatschule und nannte sie Sse-ku und sich selbst einenSseku Jen, einen „Mann der an das Altertum denkt,"6) was seinen reaktionären Standpunkt kennzeichnet, denn er wollte im Unterricht auf das Altertum zurückgehen und die Äwtt, m m m m m.

VI. Pädagogen: 5. Yen Yuan

531

Schriften beschränkten, oder verführt von den Buddhisten über ihre Natur nachdachten. So ging seit zweitausend Jahren die Lehre verloren.1) „Die späteren Konfuzianer haben das umfassende Wissen in umfassendes Lesen und Vielschreiben verwandelt." „Die Menschen halten das Bücherlesen für Wissenschaft. Das ist nicht das Wissen des K'ung-tse. Mit der Wissenschaft des Bücherlesens erklären sie die Bücher. Das ist auch nicht im Sinne des K'ung-tse." „Die Sung- Gelehrten sind wie Leute, die eine Reisekarte vor sich haben. Sie blicken auf den einen Ort und auf den ändern und freuen sich, daß die Wege überallhin im Reiche führen. Auch andere Leute wissen, daß es Wege sind, und sprechen mit Achtung davon, aber in Wirklichkeit haben sie auf diesen Wegen noch keinen Schritt getan und sind noch zu keinem Orte gelangt."2) Die SmigGelehrten mischten sehr viel Buddhistisches und Taoistisches in ihre Lehren, so daß der wahre Konfuzianismus fast verschwand. Unser heutiger Standpunkt, meint Meister Hsi-tschai, mag etwas roh scheinen, aber er entspricht der Wahrheit, und wir befassen uns nicht mit eiteln und leeren Untersuchungen.3) Yen Yuan erkennt weder das Wissen der Sung noch der Han-Zeit an und glaubt, daß wahres Wissen weder in Büchern noch im Lehrsaal, sondern nur im Handeln und im praktischen Leben zu finden sei.4) „Ich bin der Ansicht", sagt er, „daß im Altertum Schiking und Schuking nur Lehrbücher zur Übung im Handeln und für praktische Zwecke waren. Man fand damit den richtigen Weg. Ob sie echt oder unecht sind, braucht nicht gefragt zu werden. Auch wenn sie unecht sind, so schadet das nichts. Wenn man jetzt über die Echtheit und Unechtheit dieser Schriften streitet und ob sie richtig überliefert seien, so muß man sagen, daß sie alle echt und richtig sind.5) Jene sind die fehlerhaften Tschfeng und Tschu, ich bin der fehlerlose Tsch'eng und Tschu."6) Was die Han- und Sung- Gelehrten sagen, ist nicht alles verkehrt, aber zum größten Teil: „Die Lehren von Yang Tschu und Me Ti, von den Genien und den Buddhas 7 ) sind Irrlehren, und man darf sich nicht dabei beruhigen. Sollten Yang Tschu und Me Ti die Welt erobern, so würde das Verhältnis von Vorteil und Nachteil wie 7:3 sein. Die //aw-Gelehrten mit ihrem Überschwang und die $wwgr-Gelehrten mit ihrer Vernunftphilosophie sind falsche Konfuzianer. Man *) Hsi-tschai yü-yao I, 3a: ») Liang Tch'i-tsch'ao S. 36: 5| ^ £D if ~ !& £= #, M ~ 3

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) Hsi-tschai yü-yao I, 8a. ) Liang Tch'i-tsch'ao S. 37. s ) Schiking und Schuking sind in der überlieferten Form geeignet, die Menschen den richtigen Weg zu führen. Die Frage der Echtheit ist daher belanglos. Fehler kommen erst durch die falschen Erklärungen des Tsch'eng-tse und Tschu-tse, von denen Yen sich frei weiß. ·) Hsi-tschai yü-yao I, 8b: £ 3 £#|$*; ; & « 4 «9! ± ,{§&£$ 4

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536

Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

schöpfe und die ganze Fülle von Himmel und Erde erhalten hat, so darf er sich über Himmel und Erde nicht beklagen und ist ihr echter Sohn, und da er allein von allen Geschöpfen höhere Geistigkeit besitzt und das edelste Wesen zwischen Himmel und Erde ist, so ist er, wenn er sich in der Welt anstrengt und auszeichnet, der kindliche Sohn von Himmel und Erde."1) Der vollkommenste Mensch, der Heilige, soll sogar imstande sein, in den Lauf der Welt einzugreifen und das Schicksal umzugestalten: „Der Heilige ist durch seinen Geist und seinen Körper der Angelpunkt von Himmel und Erde. Er wandelt ihr Unheil und stellt ihre Harmonie her. Das ist es, was man das Schicksal schaffen und den Himmel zur Umkehr veranlassen2) nennt.... Wer das Schicksal hervorbringt und den Himmel zur Umkehr veranlaßt, der beherrscht die Bewegung des Fluidums.3) Wer das Schicksal kennt und sich am Himmel erfreut, der ist ein Freund des Himmels. Wer sich in das Schicksal fügt und sich dem Himmel anpaßt, der benutzt den Himmel als sein Haus, und wer das Schicksal verehrt und den Himmel fürchtet, der zittert vor ihm wie vor einem Fürsten."4) Es gibt also nach ihrer Stellung zum Himmel vier Klassen von Menschen, die unterste fürchtet ihn, die folgende fügt sich ihm willig und richtet sich in der Welt ein, so gut es geht, die nächste liebt ihn wie einen Freund, und die höchste Klasse, die Heiligen, vermögen sogar durch ihr Tun auf den Himmel einzuwirken, so daß er seine Bestimmungen ändert und vielleicht Unglück in Glück verwandelt; sie gestalten also das Schicksal. Nun gibt es außerdem aber auch Menschen, die dem Himmel direkt feindlich gegenüber treten. „Wer aber verblendet ist gegen den Himmel und sich ihm widersetzt, der ist ein Widersacher des Himmels."6) Daß der Mensch ein moralisches Wesen sei, bringt unser Philosoph durch folgende eigenartige Definition zum Ausdruck: „Die beiden Fluida6) und die vier Tugenden sind ein noch nicht zusammengefügter Mensch. Ein Mensch ist die zusammengefügten beiden Fluida und die vier Tugenden."7) Hri-ttcHail,

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) Der Himmel kehrt um, indem er das vorherbestimmte Schicksal ändert. ) Durch die Bewegung des Fluidums in bestimmter Richtung wird das Schicksal herbeigeführt. 3

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VI. Pädagogen: 5. Yen Yuan

537

4. Ethisches. Für die Lebenshaltung hat Yen Yuan eine Anzahl von Regeln aufgestellt. Das Kostbarste, das der Mensch besitzt, ist die ihm vom Himmel verliehene gute Natur. die er unter allen Umständen erhalten muß : ,, Bei der Geburt werden den Menschen von seinen Vorfahren drei Dinge : das Vermögen, der Körper und die Natur hinterlassen. Daß sie alle sich weiter entwickeln, ist das Höchste, daß sie erhalten bleiben, das Nächste. Wenn unglücklicherweise nicht alles bewahrt bleiben kann und das Vermögen zerrüttet wird, so darf doch der Körper nicht geschädigt werden. Falls jemand so sehr an seinen Häusern und Feldern hängt, daß er sich durch Sorge und Überanstrengung Krankheiten zuzieht, dann überschätzt er das Vermögen der Vorfahren und unterschätzt den von ihnen hinterlassenen Körper. Das ist nicht pietätvoll. Wenn das Unglück so groß ist, daß nicht alles bewahrt bleiben kann und sogar der Körper verletzt wird, dann darf doch die angeborene Natur nicht geschädigt werden. Wenn jemand durch Hunger und Kälte gequält seinen Willen einbüßt und Unrecht begeht, dann erhält er wohl den Körper seiner Ahnen, aber er vernichtet ihre Natur. Das ist noch weniger pietätvoll."1) Es soll möglich sein, Körperkrankheiten psychisch zu heilen, denn es heißt: „Man heilt eine Krankheit durch Reinhalten des Herzens und hält das Herz rein, wenn man das Schicksal versteht",2) das heißt, wenn man sich in das Schicksal fügt und nicht dagegen auflehnt. Ein anderes Mittel zur Reinigung des Herzens ist die Verringerung der Begierden.3) Bloße Gelehrsamkeit nützt den Menschen nicht, wenn nicht noch die Sittlichkeit hinzukommt: „Die Schriften eines Gelehrten, der Tao besitzt, sind alle Herbstfrüchte,4) für einen Gelehrten ohne sittlichen Halt sind sogar Tao und Te wie Frühlingsblumen."5) „Wenn man etwas Gutes weiß, so muß man es unter allen Umständen tun, und wenn man etwas Schlechtes weiß, so muß man es unter allen Umständen beseitigen. Dann kann man erwarten, daß das Gute täglich zu- und das Schlechte täglich abnehmen wird."6) Wohl als einen gewissen Trost weist Yen Yuan darauf hin, daß es ohne Leid auch keine Freude geben könne: „Die Menschen leben zwischen zwei Polen.

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538

Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

Kümmernis ist Grund zur Freude. Wenn es keinen Kummer gäbe, so hätte man auch nichts, worüber man sich freuen könnte."1) Der Philosoph hat den optimistischen Glauben, daß durch das Gute Glück und durch das Böse Unglück herbeigeführt werde. Wenn man Gutes denkt und Gutes tut, so wird das Fluidum im Körper und das darin herrschende Vernunftprinzip nur gut sein. Das Gute zieht das Gute an, und alles Gute des Lebensfluidums und des Schicksals wird herbeikommen. Dann wird man durch Glück gesegnet werden. Wenn man Böses tut, so ist es ähnlich, aber in umgekehrter Richtung. Auch das Böse zieht das Böse an, und Unglück ist die Folge.2) Freilich versteht Yen unter Glück nicht nur Reichtum und Ansehen, denn er sagt: „Wer Wohlwollen besitzt, ist reich, und wer die Sitte übt, vornehm."3) Wie Yen Yuan ausgeführt hat, ist der Mensch edler als die Tiere, aber er darf diese Stellung nicht mißbrauchen. Die Menschen haben seit Fu-hsi Fische und Schildkröten gefangen und gegessen. Die Tiere sind weniger wertvoll als die Menschen, daher müssen sie zur Ernährung des wertvollsten Geschöpfes dienen. Aber die Tötung muß maßvoll und human geschehen.4)

5. P r a k t i s c h e V o r s c h l ä g e . Yen Yuan war für die Institution der TscAow-Dynastie, namentlich für das Neunfeldersystem. Nach der Aufgabe dieses Systems hatten sich seiner Meinung nach die Reichen des Grund und Bodens bemächtigt, so daß die Armen nichts mehr besaßen. Deshalb trat er für Abschaffung des Privateigentums an Land ein. Alles Land müßte nur vom Staate verpachtet werden.5) Seine eigenen Worte sind: „Das Land in der Welt sollten von Rechtswegen alle seine Bewohner ausnutzen, wenn es aber nach dem Herzen der Reichen geht, dann wird der Grund und Boden von zehntausend Leuten einem einzigen gegeben, und auch das genügt ihm noch nicht. Dadurch, daß der Herrscher gewisse Personen begünstigt, kommt es zu diesen Zuständen. Ein Einzelner besitzt tausende von Morgen, und viele Tausende haben auch nicht einen Morgen. Ist es angängig, daß Vater und Mutter6) einen Sohn reich machen und alle ändern arm ? Nun läßt man jetzt zwei bis drei Zehntel von allem Ackerland brach liegen. Wenn man es nach dem Neunfeldersystem bearbeitete, umherziehendes und notleidendes Volk ansiedelte und ihm Ochsen und Saatkorn gäbe, um das Land zu bestellen, so würde es noch viele reiche Ernten geben."7)

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) , 3b. ) Watanabe III, 166. ) Der Fürst gilt als Vater und Mutter des Volkes. ') Watanabe III, 167 (Ts'un-tschi pien) : ? Üfc [B ffl , S ^ Äfe IUI A Ä ? ±, WH 5

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VI. Pädagogen: 6. Li Kung

539

Yen Yuan schlägt vor, durch Anlegen von Militärkolonien Kriegswesen und Ackerbau zu verknüpfen. Kräftige Männer sind auf dem Lande anzusiedeln, das sie zu bebauen und gegen Feinde zu verteidigen haben. In der vom Feldbau freien Zeit sind sie im Kriegswesen und in Wissenschaften zu unterrichten. Dadurch wird der Patriotismus und die Kriegstüchtigkeit gefördert werden. Durch die Trennung von Militärdienst und Ackerbau, die im Altertum verbunden \varen, ist die Kriegstüchtigkeit verloren gegangen. Es handelt sich darum, sie wiederzugewinnen.1) Yen Yuan's Schriften machten auf seine Zeitgenossen keinen großen Eindruck. Seine Vorschläge waren viel zu vernünftig, als daß die Herrscher und die Beamtenschaft davon Notiz genommen hätten. Erst in unserer Zeit erinnerte man sich seiner. Liang Tch'i-tsch'ao rühmt die Yen ü-Schule wegen der kühnen und scharfen Kritik, welche sie an allen Philosophen seit der .ffem-Zeit geübt habe. Ein großer Verehrer ist ihr in dem Staatsmann Hsü Schi-tsch'ang erstanden. Dieser meint, daß ihre Lehre sich über die ganze Welt verbreiten müßte und zur Erziehung der fünf Kontinente während zehntausend Generationen dienen könne.2) Hsü Schi-tsch'ang gründete in Peking eine Schule nach dem System des Yen Yuan, indem er diejenigen chinesischen Theorien auswählte, welche für die moderne Pädagogik am besten paßten.3) Yen Yuan's Bedeutung liegt darin, daß er dem übertriebenen Intellektualismus seiner Landsleute entgegengetreten ist. Er wollte die Philosophie nicht ganz ausschalten, aber ihr praktische Ziele zuweisen. Die Pflege auch des Körpers durch Leibesübungen und nun gar die Ausbildung zu Kriegern waren Gedanken, welche bei dem äußerst friedliebenden Volke und den durch zu vieles Studieren geschwächten Gelehrten nur sehr langsam Eingang fanden.

6. Li Kung 1659—1733. Li Kung*) (T. Kang-tschu, H. Schu-ku5)) aus Li-hsien6) in Tschili ist der bedeutendste Schüler des Yen Yuan.7) Als Knabe lernte er bei verschiedenen Lehrern Rechnen, Schreiben, Bogenschießen, militärischen Drill, Lautenspiel, Musik. Mit 21 Jahren kam er zu Yen Yuan, von dem er besonders die Riten lernte. Yen Yuan war schon damals als Lehrer der sechs freien Künste berühmt. Wenn er ein Gespräch mit ihm gehabt hatte, so schlief er oft die ganze Nacht nicht und schrieb sofort alles nieder. SoentstandseinWerk, das Tsch'ou-wang pien.s) !) Loc. cit. ) ^ fjjjj .

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3 ) M. Freeman S. 70. ) Wilhelm, Chin. Philos. S. 116. ) |>] -±, £g Q . Nach Tchiang Wei-tch'iao wäre Schu-ku £j£.

5

°)mm') Seine Biographie ist in Heu Schi-tsch'ang' * 1

Yen Li schi tsch'eng tchi enthalten.

540

Die Tch'ing-Dynastie und die Kepublik

In seiner Jugend war Li viel krank, aber er gab deswegen das Studium nicht auf. . Er erlernte auch den Ackerbau, und da er damit allein seine Eltern nicht ernähren konnte, so studierte er noch Medizin und verkaufte Arzneien. 29 Jahre alt ging er nach Peking, wo er viele Schüler hatte. 1690 wurde er zum Distriktsmagistrat ernannt und wegen des Alters seiner Mutter als Studienrat nach T'ung-tschou1) (Tschili) versetzt. Bald darauf nahm er seinen Abschied und kehrte in seine Heimat zurück. Er wurde als Lehrer für einen Prinzen empfohlen, und ein General wollte ihn als Sekretär haben, allein er lehnte alles ab und lebte zurückgezogen in Po-yeh?) der Heimat seines Meisters, indem er sich bis an sein Lebensende von Acker- und Gartenbau ernährte. In Peking verkehrte er mit den bedeutendsten Männern. Mehrmals unternahm er Reisen nach dem Süden, wo er mit bekannten Gelehrten disputierte und dadurch seinen Gesichtskreis erweiterte. So besuchte er Mao Tch'i-ling3) in Hang-tschou, mit dem er über die Kritik der Klassiker, Musik und die fünf Töne sprach. Außerdem machte er die Bekanntschaft von Yen Jo-tchü*) und Wan Sse-t'ung.&) 1723 war er als Lehrer für den Kronprinzen und für die Abfassung der Geschichte der Ming-Dyna&tie in Vorschlag gebracht, aber die Berufung wurde durch Intrigen verhindert. 1734 gaben ihm seine Schüler nach dem im Jahre vorher erfolgten Tode den posthumen Ehrennamen Wen-tse.e) Li Kung schrieb Kommentare und Werke über das Yilcing, Li-ki, Lun-yü, -hsio, Tchung-yung und die konfuzianische Lehre, welche von den Erklärungen der Äw»w/-Gelehrten sehr abweichen. Vom Studium und den Wissenschaften handeln das Hsiao-hsüeh tschfeng-fa, Tch'i-yeh wu-tch'üan, Pien-yeh sse-tch'tian, Lun-hsüeh erh-tch'üan, Scheng-tching hsüeh-kuei tsuan,1) über Musik das Li-schi hsüeh-yo lu,s) über Bogenschießen das Hsüeh-sche lu;9) auch über Wagenlenken soll er geschrieben haben. Eine Untersuchung über die Grundsteuer, Himmelund Erdopfer, Ahnenopfer und Ahnentempel ist das T'ien-fu tchiao-sche ti-hsia teung-miao k'ao-pien.w) Das Tsch'ou-wang pien11) ist bereits erwähnt worden; es ist aus Historikern und Klassikern zu praktischen Zwecken zusammengestellt. ') 3 -^ Sn mit dem BeinamenHsi-ho ]g fnj, 1623—1716 (Giles schreibt 1707), bekannter Schriftsteller, schrieb über Reime, Musik, Dichtung, Geschichte und klassische Literatur, ein Gegner des Tschu Hei. 4 ) IMJ IJl> 1636—1704, aus T'ai-yuan /«, kühner Kritiker der Stmj-Schule, welcher im Ku-win schang-schu su tscheng -£j ~^r fjjj ifc jg£ |g die Echtheit des Schuking in alter Schrift bestritt, über die Topographie der Klassiker schrieb und eine Biographie des Meng-tse verfaßte. 6 ) M W fiäJ·1638—1702 (Ö^ee·· 1642), aus Tschekiang, Kritiker und Historiker, schrieb historische, biographische und geographische Werke.

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VI. Pädagogen: 6. Li Kung

541

Li's literarische Werke sind als Schu-ku tschi tchi1) gedruckt, seine Gesamtwerke mit denen seines Meisters Yen Yuan als Yen Li t'sung-schu2) veröffentlicht. In seinem Werke über die Yen ü-Schule hat Hsü Schi-tsch'ang seine Aussprüche im Auszuge als Schu-ku yü-yao3) herausgegeben. Das Yen Li schi tsch'eng tchi*) desselben Verfassers enthält auch Li Kung's Biographie. Li stimmt mit den Ansichten seines Meisters überein, vor allem in der Pädagogik. Wie dieser bekämpft er die reine Buchgelehrsamkeit der früheren Philosophen, der Taoisten und Buddhisten. Er sagt: ,, ist soviel wie Weg. Durch Bücher wird dieser Weg gezeigt. Die große Menge der Menschen in der Welt wollen alle Wegweiser sein, aber nicht den Weg gehen: Sie wollen den Weg nur zeigen, aber wer will ihn gehen?" 5 ) „Vor den drei Dynastien sprach man nicht von der Natur, aber die Natur blieb bewahrt. Nach der Sung- und Ming-Dynastie redet man täglich von der Natur, aber diese ist verschwunden."6) ,,Hsü Tschung-yung sagte: ,Die Han-Gelehrten sind in ihrem Verhältnis zur heiligen Lehre wie die Post-Kuriere. Bei den Sung-Gelehrten haben die Kuriere die amtlichen Schriftstücke ausgewechselt.' Der Meister stimmte zu."7) Das bedeutet, daß die /icw-Philosophen den Konfuzianismus treu überliefert haben, die Äwwgr-Philosophen sollen dagegen für die heiligen Texte ihre eigenen eingeschmuggelt, also die alte Lehre durch ihre eigene ersetzt haben.8) Von den bösen $MW #N mmmmm, ^\m m m » *r #*# ^ ibid.: jjg £ £ fö m m * * £ im m ·& -, & mflijF m A> y. % j«*«* — ES at -a,. >) A . a - O . S . S Y : ^ ^ ~ R * Ä, ;£ g j f g Ä tft> #i* ft Jffi, » » 3J. Ä *L £ w> — ie R, ¥. JA & Ä & m, ± m ^ -A,flijm ^ m a, « s m t* Ä .v

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) Schu-ku I, 6a,

) I, 14b.

) Hsüeh-an hs-iao-tschi Kap. 12 S. 21a.

VI. Pädagogen. 6. Li Kung

543

und wenn man seinen ganzen Eifer Pinsel und Tusche zuwendet, dann hat man für praktische Tätigkeit wenig Interesse. Die Sung und die Ming sind durch diese Dinge und durch diese Gesinnung zugrunde gegangen.1) Hoffen wir, daß die Weisen nicht in diese Strömung hineingeraten."2) Zwischen der Geisteshaltung der Konfuzianer und der Taoisten und Buddhisten findet Li Schu-ku einen großen Unterschied: „Der Geist der Buddhisten und Taoisten ist leer.3) der der Konfuzianer voll. Jener Geist ist tot, derjenige der Konfuzianer lebendig, jener Geist soll die wahre Natur4) darstellen, der der Konfuzianer ist ernst und besorgt."5)6) Buddhisten und Taoisten sollen ebenso gefährlich für das Reich sein wie die Sung-Gelehrten, denn, wenn es viele Anhänger des Buddhismus und Taoismus gibt, ist das Reich schwach, dagegen ist es stark, wenn viele konfuzianische Weise vorhanden sind.7) „Man stützt sich auf die Worte der Heiligen wie ein Blinder auf seinen Führer und auf gute Lehrer und Freunde wie ein Lahmer auf seinen Pfleger."8) Als besonders wichtig beim Lernen wird das Fragen hingestellt, denn es heißt: „Die Menschen kennen die Schönheit des Wissens, aber nicht den Vorteil des Fragens. Was die Klugen und Weisen innerhalb der Meere in endlosen Jahren gelernt haben, kann ich durch bloßes Fragen erlangen. Ist der Vorteil nicht sehr groß?" 9 ) „Wenn man den Sinn der studierten Bücher nicht versteht, dann ist es das Beste, nach Hause zurückzugehen und eifrig zu üben, denn, wenn man einen Satz praktisch übt, dann versteht man ihn."10) Das Studium hat sich zu erstrecken auf die Ethik, die Lehre von den fünf Beziehungen und auf die Wissenschaft: Riten, Musik, Kriegskunst und Landwirtschaft.™) Also die gesamte theoretische Philosophie: Metaphysik, Naturphilosophie, Rechtsphilosophie und Staatsphilosophie gelten nicht als wissenswert. Auch vom Kriegswesen muß man etwas verstehen, es gehört mit zum ') Das ist nicht richtig.

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) [„ecr durch Meditation und Versenkung. ) Kin buddhistischer Ausdruck tathätä, welcher auch von dem Taoisten T'ien-yin tse adoptiert ist. Vergl. Gesch. d. mittelalterl. Philos. S. 317 Anm. 1. 5 ) Zitat aus dem Schuking, Ta Yü mo (Couvreur S. 37). 4

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) I.eider lassen sich die meisten Sätze nicht praktisch erproben. — Schu-ku I, lb: fj| ^

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544

Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

Lehrbegriff = Too, namentlich in den Grenzprovinzen wie Schensi, wo viel Krieg ist, bedarf man desselben nach Li Kung's Ansicht.1) „Die Jugend hat an der Bewegung ihre Freude, das Alter findet in der Buhe Befriedigung. Das Stilldasitzen2) ist eine Lehre für Geschlechter, die sich im Verfall befinden."3) Heute, ineint Li Kung, streben viele nach Tugend, aber die sechs freien Künste sind fast vergessen. Deshalb hat Meister Yen sie gelehrt.4) Er verlangt vor allem praktische Betätigung. „Wer es liebt, mit den Menschen tiefsinnige Reden zu führen, ist kein Mann der Praxis."5) In der Ethik gibt sich unser Philosoph nicht mit Erörterung der Grundprinzipien ab. sondern äußert seine Ansichten über die verschiedensten Fragen in kurzen Aphorismen, zwischen denen wenig Zusammenhang besteht. Aus seiner Abneigung gegen alles nicht direkt praktische Wissen erklärt sich der folgende Ausspruch, dessen Wahrheit doch recht fraglich erscheint: „Die Literatur und die Moral eines Zeitalters blühen und verfallen abwechselnd. Ist die Moral hoch entwickelt, so verfällt die Literatur, und wenn diese blüht, dann verfällt die Moral."6) Ein so schroffer Gegensatz besteht zwischen den beiden wichtigen Kulturfaktoren nicht, daß immer der eine den ändern ausschlösse. Wenn Li Schu-ku weiter behauptet, daß in ältester Zeit durch das Tao des Edlen nicht nur die Menschen, sondern auch Himmel und Erde, Geister und Dämonen regiert wurden, daß es dann aber anders wurde und nur Verwirrung herrschte,7) so fragt man sich, woher er diese Kenntnis der Geisterwelt hat. Die fünf Beziehungen zwischen den Menschen lassen sich nach seiner Ansicht nur aufrecht erhalten, wenn zwischen den einzelnen freundschaftliche Gefühle herrschen.8) „Wenn Vater und Mutter es nur im Geringsten an Güte fehlen lassen, wird der Sohn ebenso der kindlichen Liebe ermangeln."9) Gut ist der Ausspruch: „Wenn man bei einem Menschen eine gute Tat entdeckt, so vergißt man seine hundert Fehler."10) Etwas übertrieben ist es, wenn Li Kung sagt: „Wenn man etwas leistet und sich darüber freut, so ist es besser, nichts zu leisten, und wenn man Tugend besitzt und sich deren rühmt, so wird man sie schließlieh verlieren."11) Warum soll man sich nicht über seine Leistungen freuen ? Yen Yuan soll diese Ansicht geteilt haben, denn es heißt: „Der Meister sprach zu Yen Hsi-tschai: ,Das Gute, das man rühmt, ist nicht mehr gut, und wenn !) 3 I, 9 a.

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) Das Stillsitzen bei der Meditation.

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VI. Pädagogen: 6. Li Kung

545

man seine Leistungen hervorhebt, so hat man keine mehr.' Yen Hsi-tschai stimmte zu."1) Eigenlob mag ein Schönheitsfehler der Tugend sein, ihr vielleicht auch etwas von ihrem Werte nehmen, aber es kann sie doch nicht auslöschen. Nicht übel sind die folgenden Aphorismen: „Wenn man zu Reichtum gelangt und der Reichtum groß, seine Person aber klein erscheint, dann ist seine Persönlichkeit von Haus aus klein."2) „Viel Reden ist Dummheit, wenig Reden Klugheit."3) Mit Metaphysik hat sich unser Philosoph nicht viel abgegeben, denn er hält sehr wenig davon: „Das erhabene Tao", sagt er, „ist das Tao der menschlichen Natur. Das ist die Quelle von Tao. Der Heilige spricht nur selten davon. Noch erhabener ist das Tao des Himmels, das mit menschlichen Dingen nichts zu tun hat. Darüber spricht er noch seltener. Wenn man immer davon redet, so gelangt man schließlich zum Leeren und Wesenlosen.4) Hält man das Leere und Wesenlose für Tao, so ist das eine Irrlehre."5) Wie sein Lehrer so hat sich auch Li Kung über das Verhältnis vom Menschen zum Himmel Gedanken gemacht und betrachtet ihn als ein denkendes, mit Vernunft und Willen begabtes Wesen, kehrt also zu der vorkonfuzianischen Gottesvorstellung zurück. Seine Worte sind: „Zwischen dem Himmel und dem Menschen bestehen sehr enge Beziehungen. Ein Mensch, der sich selbst Unehre macht, entehrt dadurch den Himmel. Muß er sich deswegen nicht fürchten?" 6 ) „Der Körper gehört den tausend Generationen der Welt. Darüber, daß es ihm augenblicklich gut oder schlecht geht, braucht man sich nicht aufzuregen."7) „Der Himmel erschafft die Menschen im Wechsel der Generationen oder speziell. Die Erschaffung innerhalb einer Generation ist die Regel, die besondere Erschaffung das Außergewöhnliche. Als zum Beispiel Yen Hsi-tschai geschaffen wurde, da hatte er weder mit seinen Eltern noch mit Nachkommen enge Beziehungen.8) Der Himmel erschuf ihn speziell, um die Lehre des Tschou-kung und des K'ung-tse klarzustellen."9)

'·)) i,ibid.: 2 b = &— &HBmW, % m H ,« m * * m. %» IP a m %. * 0 «· * £ *. * # * 4· ·)) ibid.: %^jNft.gWJiq«. Das Leere und Wesenlose sind nur Namen für das Übersinnliche, dem das phänomenale 4

Sein fehlt. ·) Schu-ku I, 9b: J; £ £

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Der Mensch ist nur ein Glied in der Geschlechterfolge, sein Leben nur ein unbedeutender Vorgang im Weltgeschehen. *)~Yen Yuan kannte seinen Vater nicht und hatte keine Nachkommen. Mit seinem Geschlecht stand er nur in loser Verbindung.

546

Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

Diese Worte zeugen von der hohen Bewunderung, welche Li Kung für seinen Lehrer hatte, indem er annahm, daß der Himmel ihn durch besonderen Willens akt erschaffen habe, um der Welt die heilige Lehre in ihrer Reinheit zu übermitteln. Das kommt auch an ändern Stellen zum Ausdruck, wo es heißt: „Die Kraft des Meisters Yen ist unerreichbar"1) und „Meister Yen hat die Sorge für alle Menschen als seine Aufgabe angesehen. Bei seinem Tode hat er sie mir übertragen. Ich weiß nicht, ob ich dem gewachsen bin. Was mir übertragen worden, muß ich schriftlich niederlegen, aber mit dem Schreiben von Büchern allein ist es nicht getan."2)

18. Jahrhundert.

I. Gegner der Sung-Philosophen. 1. Tai Tschen 1723—1777.

I. Sein Leben und seine Werke. Tai Tschen*) (T. Tung-yuan und Schen-hsiu*)) aus Hsiu-ning in Hui-tschoifi) (Anhui) gilt als der bedeutendste Philosoph der Mandschu-Zeit. Er war ein großer Gelehrter auf vielen Gebieten: Philologe, Phonetiker, Mathematiker, Astronom. Geograph. Als er seine literarischen Studien begann,wollte er die Bedeutung jedes Wortes wissen. Da ihn die Kommentare nicht befriedigten, gab ihm sein Lehrer das Schuo-wen, welches er sehr liebte.6) Von da ab zog er bei der Lektüre stets Wörterbücher zu Rate.7) Er wandte die kritische Methode des Ku Yen-wu8) und Yen Jo-tchü9) auf die Erklärung alter Texte an. Sein Lehrer war ein Anhänger des Tschu Hsi und schrieb einen Kommentar zum Tchin-sse Zw.10) In seiner Jugend \var auch Tai Tschen den $MW) ) ») 4 ) 5 ) ·) ') ·) ·) 2

Möng-tse Komm. B. , 2b. B. II, 5b und Hu Schi, Tai Tung-yuan's Philosophie, 1927 S. 69. B. II, 4a. Tch'ing-tai t'ung-schi II, 599. Yiking App. III. ie^e S. 355 Nr. 24fg. gibt nur eine Paraphrase: — |i§£ — ߧ £. ff S Meng-tse Komm. B. II, 4a. Yiking App. III, Legge S. 377 Nr. 78: Jg flg _h ig fo £ £, JB BB T * IB ± A f e n f f - t e e K o m m . B . I I ^ b ^ ^ ^ - j g f l n P F ^ . S t W ¥ tt % BB * «T J B. II, 2a: - & - », £ ff ^ B> * & ± ft & ·

550

Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

2. Tao. Too ist der beständige Wandel, ) die Bewegung in den Dingen, das Fließen des sich wandelnden Fhiidums. Dieses erzeugt die Dinge ohne aufzuhören und nach festen Regeln. Die Welt ist in beständiger Bewegung2) „Tao (Lauf) ist soviel wie gehen. Das Fluidum wandelt sich und fließt dahin. Leben wird erzeugt ohne Aufhören. Das nennt man den Lauf."3) Too ist also keine Substanz, kein Wesen, sondern nur die Summe aller in der Natur wirkenden Kräfte. Hu Schi hat recht, wenn er Tai Tschen als Naturwissenschaftler und seine Weltansicht als naturwissenschaftlich bezeichnet4): ,, und Yang und die fünf Elemente sind die wirkliche Substanz von Tao,"5) Da Tao keinen Körper hat und Yin und Yang ihm als Körper dienen, so nennt Tai, wie wir schon sahen, auch Yin und Yang, die Urfluida direkt Too, indem er sagt: „Als das Tao des Himmels sind Yin und Yang aufgestellt, als das Tao der Erde Weichheit und Härte."6) Weichheit und Härte sind Eigenschaften der Erde, verschiedene Kohäsionszustände der Materie. Yin und Yang erscheinen also dem Philosophen ebenfalls als Qualitäten des Himmels, das heißt des Kosmos. Dem himmlischen Tao wird nun auch ein menschliches Tao entgegengesetzt, die menschliche Tätigkeit: „Das menschliche Tao ist, was in den menschlichen Beziehungen täglich mit Hilfe des Körpers vollbracht wird. Bei Himmel und Erde nennt man Tao das dauernde Erzeugen von Dingen durch die Wandlung und das Ausströmen des Fluidums."7) Abgesehen von der Erschaffung der Dinge ist das Wirken Tao's sehr mannigfach: „Das Tao von Himmel und Erde bringt Bewegung und Ruhe, Reines und Trübes, Substanz und Form, Helligkeit und Dunkelheit hervor und regelt Äußeres und Inneres, oben und unten, Vornehmheit und Geringheit."8) Tao ist auch das himmlische Schicksal, denn alle Gedanken, Gefühle, Empfindungen, guten und schlechten Stimmungen werden von ihm hervorgerufen.9) 1

3. Prinzip und Fluidum. Tai Tschen leugnet, daß es ein Prinzip gäbe, welches selbständige Existenz besäße und dem Menschen bei seiner Geburt vom Himmel in sein Herz gepflanzt ') 2 ) ·) 4 ) ·) «)

Tai-schi i-schu: Yuan-schan B.I, l a i j g ^ ^ i ' f t ^ ^ g , ^ . Hu Schi a. a. O. S. 32. Mtng-ue Komm. B. II, la: £ tf A, * ffc * *T, £ £ * A, fi Ä IB ± »· Hu Schi S. 35. Ming-tse Komm. Bd. II, l a: & # Jfo. M JW ') Yvan-echan B. I, 5a: «r *fc* ^ * ± ft» & AI # * * ± l» · ') Yang dehnt aus, Yin zieht zusammen.

I. Gegner der Sung-Philosophen: 1. Tai Tschen

553

hört, der Geist ist einsichtig und weise. Sehen und Hören, Einsicht und Weisheit sind himmlische Tugend."1) Di e Wahrnehmungen erfolgen durch de n Lebensgeist, er ist yin und empfangend. Wenn das Herz durch seine Regsamkeit denkt, so ist das die Bewegung der Seele, der Geist, yang und deshalb ausbreitend. Das Ausbreitende entscheidet, das Empfangende hört. „Denken ist die Fähigkeit des Herzens."2) 5. N a t u r und L e b e n s f l u i d u m . Die Eigenschaften, Fähigkeiten und Betätigungen des Geistes nennt Tai Tschen seine Natur. Es sind Empfindungen, Begierden und Wissen3): „Was man die Natur des Lebensfluidums, des Geistes und Wissens nennt, kommt zum Vorschein in Handlungen und Fähigkeiten."4) „Nach der Geburt hat der Mensch Begierden, Gefühle und Wissen. Diese drei Dinge sind die natürlichen Eigenschaften des Lebensfluidums und des Wissens des Geistes."5) Das Lebensfluidum sowohl als auch das Wissen des Geistes beruhen auf Yin und Yang und den fünf Elementen. Das Lebensfluidum wird genährt durch Essen und Trinken, das Wissen durch Forschen und Studium. Beides zusammen bildet die menschliche Natur.6) Daher entsteht auch diese ebenso wie der Körper und der Geist aus dem Fluidum und den Elementen.7) „Nachdem Himmel und Erde vorhanden sind, gibt es auch Menschen und Tiere, und dann ist auch die Natur von Menschen und Tieren da. Menschen und Tiere haben in gleicher Weise Begierden. Begierden sind Betätigungen der Natur. Menschen und Tiere haben in gleicher Weise Wahrnehmungen. Wahrnehmungen sind Fähigkeiten der Natur. Wenn diese Betätigungen und Fähigkeiten nicht fehl gehen, dann harmonieren sie mit der Tugend von Himmel und Erde, und wenn sie das tun, dann erreicht die Vernunft den höchsten Grad der Vollkommenheit. Die Vernunft ist die Tugend der Natur."8) „Der Mensch besitzt das Wissen der himmlischen Tugend, er hat die Begierden von Augen, Ohren und allen Körperteilen. Sie entstehen und zeigen sich in den

«) 3 ) «) 5 )

Meng-tee Komm. Kap. I, 6b: £ lg ig & ± |g -fo . Hu Schi S. 48. Wen-tchiin, lOb: ft ffl * ft $£ ^ * &, I'J "T &. %

^£.£p||±**H!^ ; i&»R±W&£->&!8±:£^J5!5§,3i:i£?8i Ä £ , $3l£>'l4*iPig>:® J S ^ t t ^ Ä P t t ...... & #c ü Ä !£ 5 :& ±

g.stät^rfii nfämm) Loc. cit. Hier haben wir wieder den alten 2

Natursymbolismus des Li-ki, noch im

neunzehnten Jahrhundert. 3

6)ffiM-

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) ^ |£. So das Tch'ing-schi lieh-tschuan Kap. 72 S. 28b. Tschung T'ai II, 163 und Tchiang Wei-tch'iao S. 91 schreiben stattdessen Hsiu-ning fa i|f in Wu Jj|. e

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II. Konfuzianische Buddhisten: 1. Wang Tchin

559

thode. wie man Mönch werden kann, und im Tu yi lao sse-tchi1) zeigt er, wie man zum Genius emporsteigen kann. 2 ) Wie Wang Tchin die Übereinstimmung der buddhistischen Lehre mit den konfuzianischen Schriften herzustellen sich bemüht, ersehen wir aus folgendem Ausspruch: „Alle Wesen können Buddha werden, sie müssen nur zu dem Reinen Lande ihre Zuflucht nehmen. In welcher Weise ? Indem sie Amitäbha als den Meister der zehntausend Buddhas betrachten. Das ist, was das Yiking sagt: ,Groß ist die Urkraft des Himmels.' Das Reine Land wird von Amitäbha regiert. Das meint das Yiking, wenn es sagt: .Vollkommen ist die Urkraft der Erde.'3) Durch das Zusammenwirken von Himmel und Erde erhalten alle Wesen ihren Ursprung und ihre Geburt. Durch die harmonische Vereinigung des Körpers und der Erde gelangen alle Wesen aus ihrem gewöhnlichen Zustand zur Heiligkeit."4) Wang Tchin leitete eine Schule und übte sich in der Beschaulichkeit. In einer Betrachtung über den Meister Namenlos, Wu-ming hsien-scheng tschuan5) sagt er: „Im Lehren wendet sich der Meister weder Tschu-tse noch Wang Yang-ming zu, in seinen Schriften folgt er weder Meng-tse noch Tschuang-tse, in seinen Dichtungen weder den Sung- noch den T'ang-Vorbildern, als Mensch ist er weder ungestüm noch ängstlich und im Leben weder glatt noch eckig."6) Der Meister ist er natürlich selbst. Er schließt sich keiner bestimmten Richtung an, hat keine Vorbilder, denen er nachstrebt, sondern nimmt das Leben, wie es kommt, in vollkommener Ruhe, ohne irgend welches Streben. Diese Stimmung ist buddhistisch, aber nicht konfuzianisch. Er spricht von der großen Vereinsamung des Menschen, ein Gedanke, welchen wir schon bei Tschang Tch'i der südlichen /Siingr-Dynastie fanden.7) In einem Schreiben an P'eng Schao-scheng begründet er ihn, wie folgt: „Die Höhe des Himmels haftet nicht am Himmel, die Dicke der Erde nicht an der Erde, die Unendlichkeit nicht an Vergangenheit und Gegenwart, sondern sie gehen einsam dahin. Menschen und Dinge gehen einsam dahin, auch wenn sie verkehren, bleiben sie einsam, und in dem, was sie schreiben, bleiben sie einsam. Sie heißen die Menschen innerhalb der Meere. Wenn sie im Alter sterben, kommen sie nicht mehr zusammen."8)

^n^iz % te · ) Tch'ing-schi lieh-tschuan loc. cit. 2

3

) Yiking App. I (Legge S. 213 und 214). Die beiden Stellen des yiHraj-Kommentars haben natürlich mit Amitäbha und dem Buddhismus nicht das geringste zu tun, ihre Naturphilosophie steht vielmehr zu der buddhistischen Religion im Gegensatz. 4 ) Der Mensch wird ein Heiliger, wenn er sich vollkommen den Verhältnissen auf Erden anpaßt. Das ist nicht buddhistisch gedacht. Tschung T'ai II, 164: & £ * # $ fft , # # f£ ± 1^ * M > J M « H 5»

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) HÜ & 3t ife fll · ') Vergl. S. 263.

') Tch'ing-schi lieh-tschuan Kap. 72 S. 28 b. ) Tch'ing-schi lieh-tschuan loc. cit.:

8

560

Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

Der Sinn scheint zu sein, daß die Eigenschaften der Dinge nicht wirklich sind, nicht an ihnen haften, sondern nach buddhistischer Auffassung nur wesenloser Schein sind. Ihr Ansichsein, ihr inneres Wesen, ihre Transzendenz ist unerkennbar. Daher sind auch die Menschen so einsam, denn sie kennen nur ihr eigenes Ich, können aber ihren Mitmenschen nicht ins Herz schauen und sehen nur die trügerische äußere Hülle, die Schale, welche den Kern verbirgt. Auch mit ihren Empfindungen und Gedanken bleiben sie einsam, denn diese werden in dem Geiste der Hörer nach ihrem eigenen Wesen aufgenommen und umgestaltet. Der Leser denkt und empfindet anders als der Schreiber. Von den »Sangi-Philosophen liebte Wang Tchin besonders Tschfeng-tse und Tschu-tse. Er beschäftigte sich auch mit der Agrarfrage und der Verteilung des Landes und glaubte, daß, wenn kein Streit herrsche und keine Vergewaltigung der Schwachen, das verfügbare Land für einen bescheidenen Unterhalt aller ausreichen würde.1) P'eng Schao-scheng bewunderte Wang Tchin sehr und war überzeugt, daß es seit Tschuang-tse und Tch'ü Yuan wenige Menschen von solcher Einsicht gegeben habe.2)

2. Lo Yu-kao 1734—1779. Lo Yu-kao3) mit dem Beinamen T'ai-schan*) und dem Schriftstellernamen Tsun-wen tchü-schi&) stammte aus Jui-tchin6) in Kiangsi. Konfuzianisch erzogen, liebte er in seiner Jugend sogar das Boxen und Kriegsbücher und bestand 1765 die Magisterprüfung. Erst später wandte er sich dem Buddhismus zu, hatte Beziehungen zu Wang Tchin, mit dem er im Allgemeinen harmonierte, wenn sie auch Streitpunkte hatten, und korrespondierte mit P'eng Schao-scheng. Lo Yu-kao schrieb ein Vorwort zum Wu-liang schou-tching tch'i-hsin lun7) und pries darin die Vorzüge des Reinen Landes. Siebzig Tage lang schloß er sich ein und studierte während dieser Zeit das Schou-leng-yen tching*) = aürängamasütra. Er erklärte, daß man die Lehren der beiden Weisen des Ostens und des Westens gemeinsam benutzen könne. Ihre Schulen schienen sehr verschieden, aber ihre Gedanken stimmten doch überein. Man brauche nicht darüber zu streiten. Wer die Sache selbst prüfe, würde erfahren, daß es so sei. Entsprechend dem Standpunkte des genannten Sütra bestritt auch Lo die Existenz eines individuellen Geistes, indem er schrieb: „Die Dinge streiten miteinander wegen des Ichs und sie vergessen den Streit durch Aufhebung des Ichs. Das Ich ist der Schein eines Gefäßes, die Natur ist verdüstert und klammert sich ohne Grund Tschung T'ai II, 164.

2

) Tch'ing-schi lieh-tschuan a.a.O.

II. Konfuzianische Buddhisten: 3. P'eng Schao-scheng

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an das Ich."1) Nach buddhistischer Auffassung ist das Ich nur eine Bezeichnung für einen Komplex von Gedanken und Empfindungen. Hiermit verknüpfte er aber die konfuzianischen Vorstellungen von Schicksal, Natur und Anlagen, wie sie im Yiking enthalten sind. An seinem Todestage verbrannte Lo Yu-kao alle seine Schriften. P'eng Schaoscheng sammelte, was übrig geblieben war und gab es als Tsun-wen tchil-schi tchi*) in 8 Büchern heraus.3)

3. P'eng Schao-scheng 1740—1796. P(eng Schao-scheng*) (T. Yün-tsch'u,6) H. Tsch'i-mu tchü-schi und Tschi-kuei tse6)) war wie Wang Tchin in Wu-hsien (Kiangsu) beheimatet. Von diesem angeregt, wandte er sich mit 20 Jahren dem Studium zu und wurde, nachdem er 1769 zum Doktor promoviert war, zum Distriktsmagistrat ernannt, trat aber sein Amt nicht an. Er liebte Lu Hsiang-schan's und Wang Yang-ming's Schriften, wurde indes durch den Verkehr mit Wang Tchin und Lo Yu-kao für den Buddhismus gewonnen. Mit dem berühmten Dichter Yuan Mei7) disputierte er über Leben und Tod, konnte ihn aber nicht besiegen. Auf die Landbevölkerung soll er einen guten Einfluß ausgeübt haben. Er beschäftigte sich auch mit alter Schrift und sammelte Inschriften.8) Nach seinem Übertritt zum Buddhismus wurde er Priester und erhielt als solcher den Namen Tchi-tch'ing.9) P'eng schrieb über das Ta-hsio und stellte seine Zweifel an der Richtigkeit der gesammelten Kommentare zum Lun-yü, Ta-hsio, Tschung-yung und Meng-tse zusammen. Seine Werke sind: Erh-lin tchü tchi10) 24 Bücher, I-hsing tchü-tchi,11) Ts'e-hai tchi12) 6 Bücher und Kuan-ho tchi.13) An Einzelschriften verfaßte er das Tsch'eng tchüeh-i lun, worin er Konfuzianismus und Buddhismus vereint, das Hua nien fo undSan-mei lun zur Schlichtung des Streits zwischen T'ien-t'ai- und Dhyäna-Schule, das Tchü-schi tschuan, Schan nü-jen tschuan, Tching-t'u santching hsin-lun und Tching t'u scheng-hsien lu1*). Er gab auch eine Darstellung der Ansichten des Lo Yu-kao, welcher Chinesisches und Indisches vereinigen wollte. Wie er selbst konfuzianische Gedanken umdeutet, zeigt folgendes Beispiel : 1) Tschung T'ai II, 163: ^ ;£

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3 ) H ^Ü ib Ä· ) Tch'ing-schilieh-tschuan Kap. 72 S. 29a. 5 H A

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562

Die Tch'ing-Dynastic und die Republik

„Wenn man die Dinge von außen betrachtet, so haben die Dinge nichts mehr von den Dingen an sich, und wenn sie nichts mehr von den Dingen an sich haben, so nennt man das die Erforschung der Dinge. Wenn man die Gedanken von innen betrachtet, so haben sie nichts von Gedanken an sich, das nennt man die Aufrichtigkeit der Gedanken. Wenn man vordringt und den Geist betrachtet, so hat der Geist nichts von Geist an sich, das nennt man die Richtigstellung des Geistes. Wenn man in dieser Weise den Körper dem Körper zurückgibt, die Familie der Familie, den Staat dem Staat, das Reich dem Reich,1) so daß man den Geist nicht dienstbar macht, sich von Gedanken nicht anregen läßt und von den Dingen nicht geknechtet wird, so nennt ma'n das Pflege des Körpers, Ordnung der Familie, Verwaltung des Staates und Befriedung des Reichs."2) Das soll die Vervollkommnung des Wissens nach dem Ta-hsio sein, ist aber reiner Buddhismus. Danach sind die Dinge, die Gedanken und der Geist nicht wirklich, sondern nur eine Illusion. Diese Erkenntnis wird als Erforschung der Dinge nach dem Ta-hsio hingestellt, von der sie absolut verschieden ist.

III. Skeptiker. 1. Hung Liang-tchi 1746—1809. I. Sein Leben und seine S c h r i f t e n . Hung Liang-tchi ) (T. Tchün-tschi und Tschi-ts'un,*) H. Pei-tchiang und Kengscheng5)) stammte aus Yang-hu hsien in Kiangsu.6) Schon mit 6 Jahren verlor er seinen Vater, und die kluge Mutter leitete seinen Unterricht. Er war sehr früh reif und soll schon mit 13 Jahren Gedichte gemacht haben. Sein Eifer war so groß, daß er auch in Schneenächten bei Wind und Kälte bis zum ersten Hahnenschrei die Klassiker studierte. Später erhielt er seine Mutter mit dem Gelde, welches er durch Schreiben verdiente.7) 20 Jahre alt, erteilte er einem Verwandten Unterricht und erhielt dafür im Jahre 2800 Käsch. Im folgenden Jahre 3

*) Die Dinge werden an sich selbst zurückgegeben, indem man erkennt, was sie wirklich sind. °) Tschung.T'ai II, 163: ft ft X ft , ft *R X ft , ft ft X ft, g ffl ft ft, ft M

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In Pei-tchiang wohnte Hung bei seinem Tode. Nach seiner Begnadigung und Rückkehr aus der Verbannung nannte er sich ~j|f /?}r ^tj -[· ,der wiedergeborene Gelehrte'. ·) |g| $] %$.. Giles schreibt Anhui. ') Tch'ing-schi lieh-tschuan, Kap. 09 S. 4b.

III. Skeptiker: 1. Hung Uang-tchi

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hatte er drei Verwandte als Schüler, wodurch er 7000 Käsch verdiente.1) Mit 26 Jahren wurde er Sekretär des literarischen Kanzlers in Anhui. Erst 1790 bestand er die Doktorprüfung als Zweitbester, wurde darauf zum Hanlin und zum Mitglied des Historischen Amts und 1792 zum literarischen Kanzler in Kiteitschou ernannt. Als solcher machte er sich besonders verdient, indem er Bücher für die Schulbibliotheken anschaffte. 2 ) 1799 waren große Unruhen im Reiche. In Ssetschuan, Schensi, Hupei und Anhiii war Aufruhr. Hung Liang-tchi war sehr aufgeregt und konnte des Nachts nicht schlafen. In dem Glauben, helfe» zu können, richtete er eine Eingabe an den Kaiser, obwohl er als Hanlin kein Recht dazu hatte. In dem Schriftstück waren Angriffe gegen die Minister enthalten. Der Kaiser überwies Hung dem Staatsrat und dem Justizministerium zur Untersuchung und strengen Bestrafung. Diese beantragten wegen der groben Respektlosigkeit die sofortige Hinrichtung. Der Kaiser indes verwandelte die Strafe in Verbannung nach Ili. Seine Freunde gaben Hung Liang-tchi bis zur Z/w-AroM-Brücke bei Peking das Geleit. Die Reise dauerte 101 Tage. Im nächsten Jahre herrschte bei Peking eine große Dürre. Umsonst betete der Kaiser um Regen. Da er glaubte, daß es die Strafe des Himmels wegen der ungerechten Behandlung des Hung Liang-tchi sei, der aus reinem Patriotismus seine Eingabe gemacht habe, so widerrief er das Urteil. Hung hielt sich nur 100 Tage in Ili auf. Nach seiner Begnadigung fiel reichlicher Regen.3) 1801 gründete Hung Liang-tchi in seinem Heimatdorf eine Trinkgesellschaft, die bei festlichen Gelegenheiten zusammenkam. 1802 wurde er aufgefordert, an einem neu errichteten Institut Unterricht zu erteilen. Hung war ein jovialer Herr, er liebte Wein und Gesang, besaß großes Wissen und poetisches Talent.4) Eine Schwäche, derer er sich selbst sehr wohl be\vußt war, war seine Streitsucht, indem er sich öfter wegen eines wissenschaftlichen Streites mit seinen Freunden entzweite.5) Hung Liang-tchi hat viel geschrieben. Seine literarischen und poetischen Werke sind veröffentlicht als Tchuan-schi ko wen-tchi und Tchüan-schi ko schitchi.^) als Keng-scheng tschai wen-tchi und Keng-scheng tschai schi-tchi.7) Ferner gab er zwei Liederbücher aus älterer Zeit, das Liang Tchin Nan-pei schi yüeh-fu und das T'ang Sung hsiao yüeh-fu*) heraus und schrieb Kritiken zu Dichtungen, das Pei-tchiang schi hua.s) Zum Tsch^un-tchHu und Tso-tschuan schrieb er einen Kommentar, das Tsch'un-tch'iu tso-tschuan ku,10) veröffentlichte eine große Geographie von China, Tch^ien-lung fu-tling tschou-hsien t'u-tschi11), und mehrere 1 ) 7000 2 ) 4 )

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Biographie, von einem Schüler verfaßt, im Hung Pei-tchiang schi-wen tchi, S. 6b. Käsch, damals etwa 40 Mark. 3 Tschung T'ai II, 166. ) Biographie S. 30 und S. 32b. 5 Giles Biogr. Diet. ) Tch'ing-tai t'ung-schi II, 645.

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Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

historisch-geographische Werke, ein Tagebuch seiner Reise nach Ili1) und anderes.2) Das Sse-pu tsung-k'an druckt eine Sammlung seiner Werke, das Hung Peitchiang schi-wen tchi3) ab. Philosophischen Inhalts ist darin nur das erste Buch mit dem Untertitel: I-yen erh-schi p'ien,*) .Eigene Ansichten, zwanzig Abschnitte'. II. Seine Ansichten. Hung Liang-tchi ist Skeptiker; er bezweifelt die Richtigkeit der von den meisten seiner Landsleute als wahr hingenommenen Überzeugungs- und Glaubenssätze und bemüht sich, sie kritisch zu widerlegen. In der Wahl seiner Themen und in seinen Ausführungen kommt er dem Wang Tsch'ung sehr nahe und hat auch manche Berührungspunkte mit Lieh-tse. 1. Geburt und Tod. Der Philosoph unterscheidet zwischen den leiblichen Eltern und Himmel und Erde, welche im Grunde noch mehr unsere Eltern sind, da unser Körper und unsere Lebenskraft von ihnen stammt und auch zu ihnen zurückkehrt: „Die Menschen", sagt Hung, „haben Vater und Mutter, welche hundert Jahre alt werden können, und sie haben Vater und Mutter, welche sich während aller Generationen nicht ändern. Die hundertjährigen Vater und Mutter sind diejenigen, welche mich erzeugen, und die in alle Ewigkeit sich gleich bleibenden Vater und Mutter sind Himmel und Erde. Wie wird der Mensch erzeugt ? Er weiß genau, daß er von Vater und Mutter erzeugt ist. Und wie stirbt der Mensch ? Er kann ebenfalls wissen, daß er zu Vater und Mutter wieder zurückkehrt. Bei der Geburt erhält der Mensch die Lebenskraft vom Vater und die Körpersubstanz von der Mutter. Dadurch lebt er. Beim Tode gibt er die Lebenskraft dem Himmel zurück und die Körpersubstanz der Erde. Dadurch stirbt er. Indem er sich von den hundert Jahre alten Vater und Mutter trennt, kehrt er zu den ewig unveränderlichen Vater und Mutter zurück."5) Himmel und Erde scheinen sich in alter Zeit und jetzt gleich zu sein, aber man weiß nicht, meint Hung, ob sie nicht vielleicht doch Wandlungen durchgemacht und in der Zwischenzeit zu- oder abgenommen haben.6)

2 ) Vollständige Listen der Schriften im Tch'ing-tai t'ung-schi II, 645 und Tch'ing-achi lieh-tschuan Kap. 69 S. 6b. 3 4) »*tt»**·

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III. Skeptiker: 1. Hung Liang-tchi

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Dadurch, daß ich geboren werde, wird der Lebenskraft von Himmel und Erde nichts weggenommen und durch meinen Tod nichts hinzugefügt: „Wenn auch der Mensch zugrunde geht, so geht doch seine Lebenskraft nicht zugrunde1) und deswegen auch der Mensch nicht. Da der Mensch nicht zugrunde geht, so stirbt er in Wahrheit zusammen mit Himmel und Erde. Deshalb sage ich, daß der Mensch sich auch nicht einen Tag von Vater und Mutter trennt."2) Wenn hierdurch etwa das Portleben des Menschen nach dem Tode bewiesen werden soll, so muß dagegen geltend gemacht werden, daß nach der Trennung von Lebenskraft und Körper kein Mensch mehr vorhanden ist. Der Leichnam ist kein Mensch mehr und die entschwundene Lebenskraft, die sich vielleicht in Wärme, chemische oder elektrische Ströme verwandelt hat, ebenso wenig. Hung Liang-tchi versucht nun die allgemeine Überzeugung, daß das Leben ein Glück und der Tod ein Unglück für die Menschen sei, durch folgende Betrachtungen zu erschüttern: „Die Lebenden halten das Leben für ein Glück. Wie weiß ich, ob nicht auch die Toten den Tod für ein Glück halten ? So lange die Zeit nicht gekommen ist, kann man es nicht wissen. Wenn man bei Lebzeiten vom Tode spricht, so ist es mit tiefem Kummer, aber wie weiß ich, ob man im Tode nicht auch mit tiefem Schmerz vom Leben sprechen wird ?"3) Auch Heh-ise betrachtet Leben und Tod wie ein Kommen und Gehen.4) Man weiß nicht, ob man, wenn man an einem Orte stirbt, nicht an einem ändern wiedergeboren wird.5) Im Leben muß man betrübt sein, da man mit jedem Tage dem Tode näher kommt, im Tode dagegen kann man frohlocken, da man mit jedem Tage wieder dem Leben nahe kommt.6) „Aber wie weiß ich, ob das Verwerfen meiner Annahme, daß der Tod Anlaß zum Frohlocken und das Leben zur Trauer gibt, durch die Welt nicht ein Irrtum ist ? Und wie weiß ich, ob, wer mit der Welt das Leben für ein Glück und den Tod für ein Unglück ansieht, nicht noch mehr irrt ?"7) Hung Pei-tchiang versucht nun auch positiv zu beweisen, daß der Tod ein größeres Glück als das Leben sei, indem er erklärt: „Kann man sagen, daß man nach dem Tode noch Bewußtsein hat ? Wenn das der Fall ist, dann müssen alle Toten Bewußtsein haben, ich werde also durch J

) Die Lebenskraft als solche geht zugrunde, wenn sie sich vielleicht auch in eine andere Kraft verwandelt. ·) Hung Pei-tchiang B. I, S. 3 : £ t ffij tt M * t , M * t . fi *

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Eod. S. 3b. Das wäre die Seelenwanderung. Vorausgesetzt, daß es eine Seelenwanderung gibt. Hung Pei-tchiang B. I, S. 4a: W$^l18;7£

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Die Tch'ing-Dynasstie und die Republik

den Tod meine nächsten Verwandten und meine besten Freunde wiedersehen und die Menschen, welche ich während der Lebenszeit nicht gesehen habe, und von Dingen hören, von denen ich während der Lebenszeit nichts erfahren habe. So wird die Freude im Tode viel größer sein als im Leben. Ferner habe ich im Leben einen Körper und dadurch Krankheiten, Freude und Kummer. Wenn ich nun keinen Körper mehr habe, dann werden mir Hitze und Kälte nichts mehr anhaben können und Kummer und Freude mich nicht mehr berühren.1) Was gäbe es Schöneres!"2) ,,Nehmen wir an, daß mit dem Tode das Bewußtsein erlischt. Ich habe öfter stark getrunken und bin betrunken geworden. Die Freude, welche man in der Trunkenheit empfindet, ist hundertmal so groß wie die im nüchternen Zustand, weil man kein Bewußtsein mehr hat.3) Ich bin sehr krank gewesen und habe mich zu Bette gelegt. Die Freude im Schlaf ist hundertmal so groß wie beim Aufstehn, weil man kein Bewußtsein hat. Was gäbe es Schöneres!"4) Die Beweisführung würde richtig sein, wenn man Gefühl- und Bewußtlosigkeit als ein besonderes Glück betrachten könnte. 2. Geister und Dämonen. Unser Philosoph verficht den Satz, daß es keine Götter, Geister und Dämonen gibt. Man behauptet freilich, daß im hohen Altertum Götter der Berge und Flüsse, des Erdbodens und der Feldfrüchte vorhanden gewesen seien, welche bestimmte Funktionen ausübten. Erst vom Ende der TVAow-Dynastie ab habe man Geister und Dämonen genannt, was eigentlich keine richtigen waren, zum Beispiel den Grafen Tu, dessen Geist den König Hsüan erschossen haben soll,5) Tschao Hsien-tschi, der den Herzog Li von Tchin tötete6), den Geist des Himmels, welcher in Sehen1) vom Himmel herabgestiegen sein soll,8) oder den Geist des Gelben Flusses, welcher Tsch'u Unglück brachte. Das waren nur Spukerscheinungen,9) denn Dämonen können nicht mit Waffen töten, und Geister gelten als weise und korrekt und würden sich nicht wie der Geist des Himmels und des *) Die Befreiung von Schmerzen ist ein Glück, aber nicht das Fehlen jeder Freude.

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&m * m * n m *,, -& m m £ & -&> m IA *n ft &· ) Nicht die Bewußtlosigkeit macht glücklich, sondern das gesteigerte Bewußtsein, die 3

durch den Wein herbeigeführte Begeisterung.

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) Vergl Lun-Mng Bd. I, S. 202. ) Nach dem Schi-tchi (Chavanncs Mem. Histor. Bd. IV, S. 327) starb der Herzog, ermordet von zwei Großbeamten, im Gefängnis. ') ^ intichensibei T'ung-tschmi. *) Siehe Schiking Bd. II (Legge S. 434). 6

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III. Skeptiker: 1. Hung Liang-tchi

567

Gelben Flusses benehmen und wie ersterer mit Menschen sprechen1) oder wie letzterer nach Speise verlangen. Geister und Dämonen können den Menschen nichts Böses zufügen.2) Die Götter der Berge und Flüsse, sagt Hung weiter, des Erdbodens und der Feldfrüchte, des Windes, der Wolken, des Donners und des Regens sowie die Dämonen der verstorbenen Ahnen existieren nicht wirklich, sondern nur im Geiste der sie Verehrenden. Wenn Leute behaupten, diese Geister mit eigenen Augen gesehen zu haben, so ist das nicht wahr. Was Knaben und Zauberer gesehen haben wollen, können nicht diese Geister gewesen sein, denn sie beschreiben sie wie die Götterfiguren in den Tempeln, in der Tracht der T'ang und Sung-Zeü, während sie die Tracht der Urzeit haben müßten.3) Die Nachkommen denken beim Opfern so intensiv an die Verstorbenen, daß es ihnen vorkommt, als ob sie über ihnen schwebten oder neben ihnen erschienen. Das ist aber nur Einbildung, in Wirklichkeit sind die Geister der Verstorbenen nicht vorhanden.4) Es ist nicht einzusehen, wo die Geister des Himmels und der Erde sich aufhalten und wie sie gestaltet sein sollten: „Wenn Berge und Flüsse, der Erdboden und die Feldfrüchte, Wind, Wolken, Blitz und Regen ihre Geister haben, dann", meint Hung, „müßten Himmel und Erde noch mehr solche haben. Ich habe gehört", sagt er, „daß die leichten und reinen Stoffe den Himmel und die schweren und trüben die Erde bilden, aber ich habe nicht vernommen, daß aus diesen leichten Stoffen Hallen, Paläste, Schlösser und Türme gebaut seien, und nichts über die Körpergestalt des Himmelsgottes, und ebenso wenig, daß in den schweren und trüben Massen Häuser und Wohnungen angelegt seien, und daß die Erdgottheit einen materiellen Körper hat. Ferner müßte der Himmel, wenn er einen Geist besäße, in seinem Körper die Rundheit des Himmels nachahmen und die Erde müßte in demselben Falle ihre viereckige Form für ihre Gestalt zum Muster nehmen. Nun sind aber die von den Menschen überlieferten Gestalten der Himmels- und Erdgottheiten den menschlichen entsprechend, also konnten Himmel und Erde wohl die Formen der Wesen schaffen, aber nicht ihre eigene, und da sie das nicht konnten, mußten sie hinabsteigen und die Gestalt des Menschen nachahmen. Ist das wohl anzunehmen?" 5 ) Die Lebensdauer hängt vom Lebensfluidum ab, das man auf natürliche Weise erhält. Es kann stärker oder schwächer sein, läßt sich aber nicht durch besondere 1 ) Der Herr des Himmels soll nach dem Schiking zu Wen-wang gesprochen haben. Vergl. Gesch. d. alt. chin. Phil. S. 40. 2 3 4 ) Hung Pei-tchiang B. I, S. 13a. ) A.A.O. ) ßd. I, S. 14b. ·) Bd. I, S.14a: £ & JH «t « Ä-S « ffi # UM'J ^ S& S S W UM"

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Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

Diät oder Atemregulierung verlängern. Es gibt keine Genien, die ewig lebten. Es gibt keine Unsterblichen, und wenn es sie gäbe, würde es sich nicht verlohnen, unsterblich zu sein. Mit hohen Jahren, achtzig bis hundert, verlieren die Menschen ihre Geisteskräfte, werden stumpf und haben keine Freude am Leben mehr. Am Lebensabend bedürfen sie der Ruhe ebenso wie am Abend nach einem arbeitsamen Tage. Wollte man sie noch zu großer TätigkT*'t zwingen, so würde das zu ernsten Krankheiten führen.1) 3. Schicksal. Auch das Schicksal wird von Hung Liang-tchi geleugnet. Das menschliche Leben hängt nicht davon ab. Woher sollte es auch kommen, wenn es keine Götter und Geister gibt, von denen es bestimmt werden könnte. Hören wir seine eigenen Worte: „Das Leben der Menschen ist lang oder kurz, erfolgreich oder elend, gibt es dafür ein Schicksal ? Es gibt keins. Daß langes und kurzes Leben, Erfolg und Mißerfolg vom Schicksal bestimmt werden, ist eine Lehre, welche die Heiligen für Menschen unter dem Durchschnitt der Begabung aufgestellt haben, ebenso wie die Buddhisten und Taoisten die Theorie vom Sanisära und Karman entwickelt haben, denn wie könnte es wirklich ein Samsära und Karman geben ? Sie existieren nicht. Diese Theorie ist auch von den Buddhisten für die unteren Klassen erdacht."2) „Wie läßt sich beweisen, daß die Dauer des Lebens und der Erfolg nicht vom Schicksal abhängen ? Die Menschen leben zwischen Himmel und Erde ebenso wie die Läuse auf den lebenden Menschen.3) Die Menschen in der Welt sind unzählige, die Läuse auf dem menschlichen Körper ebenfalls. Von den Läusen auf dem menschlichen Körper werden einige getötet, bevor sie ausgewachsen sind, andere werden überhaupt nicht getötet, sondern sie leben und finden ein natürliches Ende in Säumen, Nähten und Überschlägen. Viele sterben im heißen Bade, viele infolge von zuviel Waschen und Baden mit kaltem Wasser. Wenn man nun sagt, für das menschliche Schicksal gäbe es einen Lenker, der es bestimmte, wer soll denn das Schicksal der Läuse bestimmen ? Der Mensch kann sich nicht um das Schicksal jeder einzelnen Laus kümmern. Daraus ersieht man, daß auch der Himmel sich nicht um das Schicksal jedes einzelnen Menschen kümmern kann." „Man könnte sagen, der Mensch sei groß und die Laus klein, aber vom Stand') Bd. I, S. 15afg. 2

) Hung Pei-tchiang schi-w&n tchi Bd. I, S. lib:

3

) Der Vergleich mit den Läusen stammt von Wang Tsch'ung (Lun-h&ng Bd. I, S. 322).

III. Skeptiker: 1. Hxing Liang-tchi

569

punkt des Himmels und der Erde aus ist der Mensch auch nur eine Laus, und die Laus ist wie ein Mensch."1) „Wenn eine Laus auf eines reichen Mannes Körper lebt, dann wohnt sie in weißer und geblümter Seide und in weißer Gaze, und wenn sie auf dem Körper eines armen Schluckers lebt, dann sitzt sie auf Flicken und Lumpen, aber man kann nicht sagen, daß die in Seide wohnende Laus durch ihr Schicksal zu Reichtum und die auf Lumpen lebende zu Armut bestimmt sei" „Die Läuse haben kein Schicksal, weshalb sollten die Menschen es haben ? Wenn man die Leute unter dem Durchschnitt nicht durch die Lehre vom Schicksal im Zaume hielte, so würden sie in Zank und Streit leben und ungebührlich handeln, und wenn man die sehr törichten Menschen nicht durch die Theorie vom Kreislauf und von der Vergeltung in Schrecken versetzte, so würden sie Böses tun und keine Grenze kennen. Daher meine ich, daß die Untermittelmäßigen an das Schicksal glauben müssen, und daß es eine vorsorgliche Warnung der Heiligen ist."2)

4. Mensch und Tier. Hung Liang-tchi stellt die Frage, ob die Tiere für die Menschen geschaffen seien, und verneint sie wie Lieh-tee.3) Es wäre verkehrt, zu behaupten, daß die Geschöpfe erschaffen seien, um dem Menschen als Nahrung zu dienen, denn „wenn man behauptet, daß der Himmel sie eigens geschaffen habe, um damit die Menschen zu ernähren, so fressen doch die im Wasser lebenden Aligatoren und Krokodile die Menschen. Hat nun der Himmel die Menschen wirklich geschaffen, um damit Aligatoren und Krokodile zu füttern ? In den Wäldern fressen die braunen und gefleckten Bären die Menschen. Hat also der Himmel die Menschen geschaffen, damit sie denBären alsFutter dienen ? In den sumpfigen Niederungen fressen Tiger und Panther die Menschen. Hat also der Himmel

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) Lieh-tse VIII, 12. Vergl. Gesch. d. alt. chin. Phil. S. 300 Anm. 2.

570

Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

die Menschen für die Tiger und Panther geschaffen?" 1 ) Alle diese Tiere töten den Menschen, aber dieser tötet auch diese Raubtiere. Dabei entscheidet nur die größere Kraft und Geschicklichkeit.2) Nun wird allerdings von einigen behauptet, nur die Haustiere, Rind, Schaf, Schwein, Hund und Huhn, würden wirklich von den Menschen gegessen und seien zu dem Zweck geschaffen. Wäre das der Fall, dann müßte der Himmel dafür sorgen, daß sie sich freiwillig abschlachten ließen, aber das tun sie nicht, vielmehr kämpfen sie um ihr Leben, soweit es möglich ist, und verwunden den Menschen oder töten ihn. Nicht einmal die Pflanzen opfern sich freiwillig den Menschen. „Pflanzen haben kein Bewußtsein und stumm dienen sie den Menschen zur Nahrung. Wollte man behaupten, daß alle Wesen sich ihrer Natur nach freuten, von Menschen verzehrt zu werden, so wäre das auch nicht zutreffend."3) 5. Tugend und Menschennatur. In seiner Ansicht über die Tugend nähert Hung sich Hsün-tse, denn auch er hält die Tugend für etwas Künstliches, wie er sagt Falsches. Echt ist die Natur der kleinen Kinder, die noch keine Tugend kennen. Er schreibt darüber: „Die Kinder, welche noch gewickelt werden, kennen ihre Mutter, aber nicht ihren Vater, aber man kann nicht sagen, daß die Natur der Wickelkinder nicht echt sei. Sie verstehen sich auf Trinken und Essen, aber kennen keine Sitte und kein Entgegenkommen, und trotzdem darf man nicht sagen, daß das nicht die wahre Natur der Wickelkinder sei. Sobald sie aber verständig werden, wissen sie, daß von den Familienmitgliedern der gestrenge Vater respektiert werden muß, und daß ihm noch größere Verehrung zusteht als der Mutter ..... Soll man nun die Zeit der ersten Kindheit oder die Zeit des Verstandes für echt halten ? Darauf muß man antworten: Die Zeit der ersten Kindheit ist echt, aber man bedauert, daß die Säuglinge noch keinen Verstand haben. Die Zeit des Unverstandes ist wahr, und die Zeit des Verstandes ist unwahr. Ich glaiibe, daß die Heiligen die Sitten eingeführt haben, nicht um die Menschen zur Unwahr haftigkeit zu bringen, aber sie wollten verhindern, daß sie sich vollständig der Wahrheit ergäben.4) ..... Auch die Wahrheit läßt sich nicht vollkommen durchführen, sondern muß mit etwas Falschheit vermischt werden."5) ') Hung

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) Das heißt der angeborenen Natur, welche nur Eigennutz und keine Selbstlosigkeit kennt. ·) Tschung T'ai II, 166: £ $ £ fö , fr {ffljj^ £p ^ ^ , $ ^ pf |Q # M *B

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I. Verschiedene Richtungen: 1. Tseng Kuo-fan

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6. Agrarfrage. Hung Liang-tchi hat sich auch mit der Agrarfrage abgegeben, aber er beurteilt sie sehr viel pessimistischer als andere Philosophen, welche meistens durch andere Landverteilung aller Schwierigkeiten Herr zu werden glauben. Er ist der Überzeugung, daß Not und Mangel unvermeidlich seien, da die Zahl der Familien immer zunehme, aber nicht das verfügbare Land. Selbst wenn alles Brachland kultiviert würde, könne man nicht genug für den Nachwuchs schaffen. Dazu kommt, daß das Land, welches Hunderte ernähren könnte, oft von Einzelnen okkupiert wird. Gegen die Übervölkerung nutzt auch der natürliche Ausgleich durch Überschwemmung, Dürre und Krankheiten nichts, denn dadurch kommen höchstens ein bis zwei Zehntel der Bevölkerung um, auch nicht weise Maßregeln der Regierung wie Bebauung von Brachland, Besiedelung neuer Gebiete, Herabsetzung der Abgaben, Verbot der Latifundien. Die Erde bringt viel mehr Menschen hervor, als sie ernähren kann. Dagegen gibt es kein Mittel.1)

19. Jahrhundert.

I. Verschiedene Richtungen. 1. Tseng Kuo-fan 1811—1872. 2

Tseng Kuo-fan ), bekannt als Marquis Tseng, mit dem Beinamen Ti-scheng3) und dem Schriftstellernamen Po-han*) stammt aus Hsiang-hsiang5) in der Provinz Hunan. Als er wegen der Trauer um seine Mutter alle seine Ämter niedergelegt hatte, fand er im Yangtse-Ta,l die T'ai-p'ings im Besitz aller größeren Städte und organisierte in seiner Heimat zu ihrer Bekämpfung die Bürgerwehr. 1853 erhielt er den Auftrag, mit der freiwilligen Flotte den Gouverneur von Hunan zu unterstützen. Nachdem er zuerst von den Rebellen geschlagen war, gewann er Wu-tschang und Han-yang zurück und wurde zum Vizepräsidenten des Kriegsministeriums befördert. Auch weiter nahm er an den Kämpfen gegen die T'aip'ings teil. 1860 wurde er zum Generalgouverneur der beiden Kiang-frovinz&n ernannt und erhielt im folgenden Jahre auch noch Tschekiang hinzu. 1862 wurde er assistierender Großsekretär. Als 1864 Nanking fiel und damit der T'ai-p'ing -Aufstand sein Ende fand, wurde Tseng zum Marquis erhoben mit dem Titel I-yung hou,6), der entschlossene mutige Markgraf.' 1865 kämpfte er in Schantung gegen die ./Vie?i.-/ei-Rebellen, 1867 wurde er Generalgouverneur l

2 3 ) Tschung T'ai II, 167. ) -f-g^. ) flfc ^. ) iÖ ® · So das Tschung-kuo jen-ming ta ts'e-tien. Nach Gile? ist Po-han der Beiname und Ti-scheng Schriftstellername. 4

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Die Tch'ing-Dynastio und die Republik

von Tschili, 1870 nach Nanking versetzt und 1871 zum Generalinspektor für den internationalen Handel ernannt. Nach dem Tode wurde er als Wentscheng1) kanonisiert. Tseng Kuo-jan war ein treuer Diener seines Staates, der verdienstvollste Beamte unter T'ung-tschi, unbestechlich, so daß er arm starb. Für sich und seine Familie war er sehr sparsam. Bei seinem Begräbnis fanden sich in seiner Garderobe nur getragene Kleidungsstücke.2) Seine Schriften Tseng Wen-tscheng kung wen-tchi3) wurden sehr geschätzt und sind von Li Han-tschang*) herausgegeben. Philosophisches ist darin nicht viel enthalten. Tseng gehörte zu den Gelehrten, welche die Han- und Sung-Wissenschaft vereinigen und von ihren Mängeln reinigen wollten.5) Er vertrat einen klugen Eklektizismus auf der Grundlage des Neukonfuzianismus.6) Unter Tch'ien-lung, sagt er, gab es Konfuzianer, welche die Klassiker in neuer Weise erklärten, was sie die H an-Wissenschaf t nannten, und die fünf großen Philosophen der Sung-Zeii schroff ablehnten. Andere traten für diese Philosophen ein, lehnten die //aw-Wissenschaft als verkehrt ab und erklärten ihre Vertreter für Zerstörer der wahren Lehre: ,,Mir scheint", so fährt er fort, „daß die Behauptungen der fünf Philosophen im Großen und Ganzen mit dem, was zwischen Tschu und Sse gelehrt wurde,7) übereinstimmen, und daß kein Grund zur Kritik vorliegt. Wenn bei der Erklärung der Klassiker kleine Unrichtigkeiten vorgekommen sind, so muß man sie mit den Interpretationen der neueren Zeit richtig stellen, aber wie kann man so engherzig sein, alle Erklärungen der Philosophen zu verwerfen ?"8) Einen ähnlichen vermittelnden Standpunkt nimmt er bei dem Streit zwischen den Anhängern von Tsch'eng und Tschu, Lu und Wang ein. Ja er ist weitsichtig genug, um sogar Ketzern wie Me Ti und Schang Yang Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Seine Worte sind: „Wenn man den Geist wie Lao-tse und Tschuang-tse in der Leere und Stille schweifen läßt, wenn man sich selbst regiert wie Me Ti mit seiner Sorgfalt und seinem Maßhalten, wenn man das Volk lenkt wie Kuan-tse und Schang Yang durch strenge Normen und daran nicht mit Unfehlbarkeitsdünkel festhält, wenn man alle Einseitigkeiten beseitigt und alle Mängel ergänzt, dann können alle Philosophen als Lehrer dienen, und man braucht sie nicht abzulehnen."9) 1

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) -^e biographischen Notizen stammen aus Giles Biogr. Diet.

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) 3jt ^ jft> der Bruder Li Hung-tschang's, welchen Giles versehentlich als Herausgeber 5 bezeichnet. ) Tschuna T'ai II, 172. ·) Wilhelm, Gesch. chin. Phil. S. 117. 7 ) Zwischen diesen Flüssen in Schantung lehrte K'ung-tee. K'an9 ^u-wei w£n-tchi ^ ^ & £ ^ B. VI, S. lafg. (16 Doppelseiten), analysiert von Wolfgang Franke, in der O. Franke Festschrift der Sinica VIII. Jahrg. (1933). «) Who' Who in China a. a. O. ') & ^ & « · ') ?L & ffl % · 2

II. Schule des K'ang Yu-wei: 1. K'ang Yu-wei

579

Das Hsin-hsüeh wei-tching k'ao1) handelt von der angeblichen Fälschung der Klassiker unter der Regierung des Wang-mang.2) Auf das Tsch'un-tch'iu bezieht sich das Tsch'un-tch'iu pi-hsiao wei-yen ta-i k'ao,3) auf das Tsch'un-tch'iu in der Auffassung des Tung Tschung-schu das Tsch'un-tch'iu Tung-schi hsüeh,*) auf die drei Zeitalter des Tsch'un-tch'iu das Tsch'un-tch'iu san-schi i5}. Seine Lehre von der „Großen Gemeinschaft" ist enthalten im Ta-t'ung schu") und in kürzerer Fassung im Ta-t'ung hsueh-schuo.7) Außerdem schrieb K'ang Kommentare und Erklärungen zu Kung-yang, Meng-tse, Ta-hsio, Tschung-yung und Li-yun. Über die in der Tsch'ang-hsing-Schule angewandten Erziehungsmethoden berichtet unser Philosoph im Tsch'ang-hsing hsüeh-tchi,8) über die Schule in Kuei-lin im Kuei-hsüeh ta-wen.9) Seine Thronberichte aus dem Jahre 1898 sind enthalten im Wu-hsü tsou-kao.10) Das Jih-pen ming-tschi pien-fa k'ao11) handelt von den Reformen der Meiji-Äxa, in Japan, das 0 - -te pien-fa tschi-tchiang k'ao11) von den Reformen Peters des Großen, wodurch Rußland zur Großmacht wurde, das T'u-tchüeh schou-tchiu hsiao-jo tchi,13) von der Erstarkung der Türkei trotz ihres Konservatismus, das Po-Ion fen-mieh tchiu) von der Teilung Polens und das Fa-kuo ko-ming tchiu) von der französischen Revolution. Seine Reisen in elf europäischen Staaten beschreibt K'ang im Ou-tschou schi-i kuo yu tchi.u) Viele einzelne Artikel sind in der Zeitschrift Pu-jen tsa-tschi") abgedruckt. Eine Gesamtausgabe seiner Werke: K'ang Nan-hai wen-tchiis) ist erst in den letzten Jahren erschienen.19)

III. K'ang Yu-wei's Lehrsystem. K'ang Yu-wei war kein Metaphysiker, ihn interessierten nur die Teile der Philosophie, welche für die Lebensgestaltung, das heißt für das Leben des Einzelnen, der Familie, der Gesellschaft und des Staates von Bedeutung sind. Neu ist die Gesellschaftslehre, womit sich bis dahin chinesische Philosophen nicht befaßt hatten. Als Hauptteile seiner Philosophie treten hervor die Religion, mit der keiner seiner Vorgänger sich gründlich auseinandergesetzt hatte, der Konfuzianismus in eigenartiger neuer Prägung, die Politik auf Grund eigener im Auslande gesammelter Erfahrung und die in utopistische Zukunftsideale auslaufende Gesellschaftslehre. ') ff & fä S? 3 ·

')

Die

kurzlebige Hain Dynastie fg ff, 4—23 n. Chr.

") Tch'ing-tai t'ung-schi Bd. Ill1, Liang Tch'i-tach'ao's Biographie S. 396 —397, Watanabe III, 196.

580

Die Tch'ing-Dynaatie und die Republik

1. Religion. Der Konfuzianismus war bis zu K'ang Yu-wei viel mehr eine Moralphilosophie als eine Religion gewesen; er machte daraus eine Religion, hielt K'ung-tse für einen Religionsstifter und war selbst ein großer Religionslehrer. Die konfuzianische Lehre hatte er schon in seiner Jugend in sich aufgenommen, in der Bergeinsamkeit drang er tief in den Buddhismus ein und später studierte er auch die christliche Lehre. Dadurch erwachte in ihm das religiöse Gefühl, von dem die rationalistischen Konfuzianer nur wenig besitzen, und es ging ihm der Gedanke der Erlösung auf, der dem Konfuzianer, nicht dem Buddhisten fremd ist. Er hielt die Mitteilung der Lehren der Heiligen, welche alle Wesen erlöst haben, für seine Pflicht. Indes betrachtete er als Hauptsache den freien Glauben und nicht so sehr die Hervorkehrung einer Religion und die Abweisung aller ändern. Oft sagte er, daß die drei Heiligen K'ung-tse, Buddha und Christus eine Einheit bildeten, und daß ihre Religionen einander ähnlich wären. Als Chinese wandte er sich allerdings vor allem K'ung-tse zu und glaubte dafür seine Landsleute am leichtesten gewinnen zu können. So wurde er, wie sein Schüler Liang Tch'i-tsch'ao meint, zum Martin Luther1) des Konfuzianismus.2) Zum Buddhismus gelangte K'ang Yu-wei von Wang Yang-ming aus, und zwar zur Z>A«/äw«-Schule, aber auch in der Avatamsaka-Schule war er heimisch. Er war überzeugt, daß sein Geist Buddha sei, aber er strebte nicht nach dem Paradies und fürchtete auch die Hölle nicht, sondern wollte nur das Reich und die Welt erlösen. Deshalb ertrug er gern alle Mühsale und bedauerte nur, daß die Menschen das noch nicht einsähen, und wollte sie aufklären. Vom Christentum glaubt K'ang, daß es über die Geisterwelt nicht so vollkommen Auskunft gebe wie der Buddhismus und die Dinge der Welt nicht so klar darstelle wie Konfuzius. Als Vorzüge schätzt er am Christentum seine Energie, Aufrichtigkeit und Klarheit. Seine Fähigkeit, die Menschen zu erretten, sei offenbar. Wenn er in China nur den Konfuzianismus lehre, so verachte er die ändern Religionen nicht, aber er nehme auf die Denkgewohnheiten seines Volkes und seine geschichtliche Entwicklung Rücksicht.3) Alle Religionen, sagtK'äng Yu-wei, ermahnen zum Guten und strafen die Sünde, aber sie sind nicht alle gleich geeignet für China: „Der Buddhismus ist eine erhabene und wunderbare Religion, aber seine Lehren beziehen sich fast alle auf Mönche und behandeln die Regeln für das menschliche Zusammenleben nicht genau. Die Christen verehren den Himmel, lieben die Menschen, pflegen die Seele und bereuen das Böse. In Europa und Amerika ist es die herrschende Religion, aber daß die vierhundert Millionen Chinesen eines Tages die Opfer in den Ahnentempeln und an den Gräbern aufgeben könnten, um jene Religion anzunehmen, ist sicherlich ausgeschlossen. Allein die heutigen Chinesen haben auch für ihre ')

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) Liang Tch'i-tech'ao Biogr. S. 394. ») Ibid. S. 397.

II. Schule dos K'ang Yu-wei: 1. K'ang Yu-woi

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eigenen Religionsstifter wie K'ung-tse keine gläubige Verehrung und schließen sich von der religiösen Vervollkommnung aus. Selbst unzivilisierte Völker haben ihre Religion, daher leben die Chinesen in den Tag hinein wie religionslose Tiere. Wollen sich unsere vierhundert Millionen Brüder wirklich damit zufrieden geben, religionslose Tiere zu sein?" 1 ) K'ang Yu-wei weist darauf hin, daß die Europäer Christus dem Himmel gleichgestellt, alle ändern Götter weggefegt und auch die Verehrung der Ahnen aufgegeben haben. Nur vor Christus und Gott kniet man nieder. K'ang schlägt vor, in China wie seit alters den Himmel zu verehren und ihm K'ung-tse an die Seite zu stellen. Das soll schon im Altertum geschehen sein, denn Wen-wang, dem diese Ehre zuteil wurde, sei K'ung-tse.z) Die Verehrung hat durch Niederknien zu erfolgen, im Himmelstempel und im Ming-t'ang3) durch den Präsidenten der Republik und hohe Beamte, in den Provinzen in besondern Tempeln durch die Lokalbeamten. Auch das Volk kann daran teilnehmen: „Früher, heißt es, haben die absolutistischen Fürsten ihre Ahnen, \velche weder Tugend noch Verdienst besaßen, Gott zugesellt. Wenn jetzt die Republik K'ung-tse, den göttlichen und heiligen König, Gott an die Seite stellt, ist das nicht viel besser ?"4) Viele meinen, K'ung-tse sei kein Religionsstifter, denn in allen Religionen spielte Gott die Hauptrolle, von dem K'ung-tse nicht spricht. Er sei nur ein berühmter Lehrer der Philosophie und der Staatslehre und könne mit Sokrates und Plato auf eine Stufe gestellt werden. Das ist eine irrige Auffassung der Japaner, welche K'ung-tse nicht kennen, von denen sich die Chinesen haben betören lassen.5) Die Japaner haben das Wort tsung-tchiao6) erfunden und damit „religion" übersetzt. Es bedeutet „Geisterlehre1',7) erschöpft aber den Begriff Religion nicht. Die Neubildung ist irreführend. Man hat angenommen, daß ohne Geist (Gott) eine Religion nicht existieren könne. Es ist richtig, wenn man Christentum, Buddhismus und Islam als „Geisterlehre" bezeichnet, aber falsch, zu sagen, daß Konfuzianismus keine Religion sei, weil er keine Geisterlehre ist.8) 1

) K'ang Nan-hai wen-tchi B. V, S. 2a (in K'ang Nan-hai Liang Jen-kung erh hsien-scheng wen-tchi ho-k'o): ft ft & jg jg # £ ,flg%, ft jfr ^ g, =? it £ tt Ji * & -Ül.

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3 ) Vergl. Gesch. d. mittelalterl. chin. Phil. S. 142 Anm. 1. «) K'ang Nan-hai B. V, S. ob: ^ £ |f {flj ^ ^r ± j^ Ä |R ^ Ü * £ « ^ Ki

_h °) Die ^Auffassung Ä f n ± @der Japaner a mistmdurchaus ± ?L =l·zutreffend. & ±. * > * m * ^·

s ) ^ $(.' ^er J etzt allgemein übliche Ausdruck. Früher hatten die Chinesen kein Wort für „Religion". ') ft»· 8 ) K'ang Nan-hai B. V, S. 8b.

582

Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

Für das menschliche Verhalten ist die Religion (Lehre) der Leitfaden. „In primitiven Zeiten waren die Menschen noch beschränkt und legten großes Gewicht auf Dämonen, daher herrschte die Geisterlehre. In neuerer Zeit hat die Kultur die Menschen zur Hauptsache gemacht und das Too der Menschen trat in den Vordergrund. So ist das Too und die Lehre vom Menschen in der Tat aufdie Geisterlehre gefolgt und hat immer größere Fortschritte gemacht. Aber es kommt nicht darauf an, ob das Too der Geister oder der Menschen vorherrscht, sie stimmen darin überein, daß sie eine (Moral) -Lehre darstellen."1) K'ung-tse hat den Himmel und Gott verehrt und klar zwischen Geistern und Dämonen geschieden, warum?, fragt K'ang Yu-wei, sollte er kein Religionslehrer sein? Nun glauben manche moderne Chinesen allerdings, daß der Konfuzianismus veraltet sei und nicht mehr für uilsere Zeit passe. Seine Vorschriften seien übertrieben und nicht mehr durchführbar, weshalb sie denken, ohne Moral fertig werden zu können. Sie wissen nicht, daß ein Staat ohne Moral nicht bestehen kann. Die Ausführung mag sich den Zeitverhältnissen anpassen, aber die Prinzipien bleiben dieselben. Der Irrtum kommt daher, daß bei der Errichtung der Demokratie das Verhältnis von Fürst und Untertan weggefallen ist. Da in den klassischen Schriften beständig davon gesprochen wird, so hat man Zweifel in ihre Wahrheit gesetzt und angenommen, das monarchische Prinzip sei nur erfunden, um das Volk zu unterdrücken. Allein die Überordnung und Unterordnung findet sich im ganzen Staate, der ohne solche gar nicht bestehen kann. Außerdem ist das Verhältnis nur relativ. Fast jeder ist Diener irgend jemands, aber zugleich der Herr eines ändern. Handel, Gewerbe und Familienleben bieten zahllose Beispiele. Die in der französischen Revolution ausgesprochenen Menschenrechte sind nach K'ang's Ansicht für China nichts Neues, denn dieselben Gedanken seien schon von K'ung-tse, Meng-tse und im Tschung-yung ausgesprochen. Daher bedarf China keiner neuen Lehre. Die Modernen wollen die Menschenrechte an Stelle der alten Moral setzen.2) K'ang Yu-wei betont, daß die Moral in erschreckender Weise auch bei den Beamten abgenommen habe, die darauf aus seien, es in allem den Europäern gleichzutun und ihr Leben zu genießen. Um den Staat zu retten muß eine Staatsreligion eingeführt werden, und dafür kann nur der Konfuzianismus in Frage kommen. In allen europäischen Staaten gäbe es besonders geschützte Staatsreligionen, in den meisten Verfassungen aber sei Religionsfreiheit gewährleistet. In China hat man der freien Ausbreitung des Buddhismus und des Islam nie Schwierigkeiten gemacht.3) Deutschland dagegen hat dreißig Jahre lang «) K'ang Nan-hai B. V, S. 9a: * ^ ^ | * Ä Ä . l U » « « « . 3£*

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') A. a. O. B. V, S. 2b—3b. ) Das stimmt im Allgemeinen, denn in Glaubenssachen sind die Chinesen sehr tolerant gewesen. 3

II. Schule des K'ang Yu-wei: 1. K'ang Yu-wei

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um die Religionsfreiheit kämpfen müssen. Dabei sind 18 Millionen Menschen umgekommen. In England und Frankreich hat man mehrere hunderttausend Ketzer verbrannt. China hat zweitausend Jahre Toleranz geübt, denn der Konfuzianismus ist auf Freiheit und auf Selbstlosigkeit aufgebaut. Jeder kann glauben, was er will. Manche Konfuzianer haben auch an andere Religionen geglaubt, ohne daß sie deswegen behelligt wären. Die Nestorianer kamen in der T'ang-Dynastie nach China.1) Gegen Ende der Jlfiw^-Dynastie wurden katholische Missionare aus Italien: Matteo Ricci, Adam Schall, Jules Aleni und Sabbatinus de Ursis als Astronomen angestellt. Hohe konfuzianische Beamte wie Hsü Kuang-tch'i2) und Li Tschi-ts'ao3) bekehrten sich zum Christentum. K'ang Yu-wei stellt die Forderung, die chinesische Regierung möge die Religionsfreiheit erklären und den Konfuzianismus zur Staatsreligion erheben. Dann würde das Volk zur Ruhe kommen, die Moral sich bessern und die Kultur einen festen Grund haben. Darauf könnten nach und nach die ändern Reformen vorgenommen werden.4) Völker, welche ihre Selbständigkeit verloren haben, können sie noch wiedererlangen, wenn sie ihren Glauben und damit ihre Kultur erhalten haben wie die Inder und die Juden. Wenn sie auch ihre Religion verloren haben wie die Mexikaner,&) so ist ein Wiederaufleben als Nation nicht mehr möglich. Daher stellt unser Philosoph die Frage: „Wissen diejenigen, welche glauben, daß man die Lehre des Konfuzius über Bord werfen könne, daß die ganze chinesische Kultur damit eng verflochten und verknüpft ist und daß, wenn man den Konfuzianismus verschmäht, auch die ganze Kultur nachfolgt und zugrunde geht ? Und daß auch alle Verbände und Geschlechter mit in den Untergang hineingerissen werden? Wie ist es möglich, daß Chinesen solche Gedanken haben können?" 6 ) Einige glauben, fährt K'ang Nan-hai fort, daß es nicht nötig sei eine Religion zu pflegen, weil nach dem Gesetze der Auslese die wertvollen Religionen von selbst erhalten bleiben. Das stimmt nicht, wie das Verschwinden des Buddhismus in Indien beweist. 2. Konfuzianismus. K'ang Yu-wei hat den Konfuzianismus umgedeutet, um seine eigene Lehre damit zu stützen. Sein Konfuzianismus hat mit dem wirklichen wenig Ähnlichkeit. Für ihn ist K'ung-tse nicht nur ein Religionsstifter, sondern auch der J

) Davon zeugt die berühmte Nestorianer Tafel aus dem Jahre 781 in Hsi-an-fu.

2

) ) 4 ) 5 ) «) 3

$fc 7fe Ür> 1562—1634> bekannter Staatsmann und Zögling der Jesuiten. ^ xE Hl· Mathematiker und Astronom. Vergl. Wylie, Notes. K'ang Nan-hai B. V, S. 5a. Natürlich sind die alten Mexikaner gemeint. K. N. h. B. V, S. 8a: $ # ft tfc & ^ Ü, g & [S - -tJJ £ W £ J*

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Die Tch'ing-Dynaitie und die Republik

Schöpfer der ganzen alten chinesischen Kultur, also ein Geistesheros ohnegleichen. Die Klassiker, welche nach allgemeiner Annahme die Reste der ältesten chinesischen Kultur sind und bis in die Schang- und //sm-Dynastie zurückreichen, sollen von K'ung-tse nicht nur herausgegeben, sondern verfaßt sein,1) wären also Fälschung des Heiligen. Danach hätte er seine eigenen Lehren, um ihnen mehr Ansehen zu verschaffen, den Idealmenschen Yao und Schun in den Mund gelegt.2) K'ung-tse wäre also ein Revolutionär und Reformator wie K'ang Yu-wei selbst. Die dafür vorgebrachten Gründe sind nicht beweiskräftig. Auch die Quellen, auf welche er sich stützt, sind zum Teil ganz unzuverlässig, wie Wahrsagebücher und apokryphe Zusätze zu den Klassikern,3) die als Fälschungen erkannt und verbrannt wurden.4) Weiter nimmt K'ang Yu-wei an, daß die Klassiker in alter Schrift von Liu Hsin gefälscht seien, eine weit verbreitete Theorie, die auf sehr schwachen Füßen steht.5) Als Hauptquelle für die Lehre des Konfuzius gilt ihm nicht das Lun-yü, wenn er es auch für echt hält und oft zitiert, sondern das Tsch'un-tch'iu, das K'ung-tse selbst geschrieben haben und das Yiking, das er kommentiert haben soll. Nach dieser sehr bestrittenen Theorie ist das Tsch'un-tch'iu keine Chronik, sondern eine Staatslehre. Es soll darin eine Umgestaltung der Verfassung und eine von K'ung-tse für China aufgestellte neue Konstitution enthalten sein, wodurch China unter die Kulturstaaten trat. Davon steht im Text freilich nichts, aber K'ung-tse soll sich einer Geheimsprache bedient haben, wozu die Kommentare des Kung-yang und Ku-liang und das Tsch'un-tch'iu fan-lu des Tung Tschung-schu den Schlüssel bieten.6) Diese Kommentare schöpfen ihre Weisheit aus mündlicher Überlieferung.7) So reiht sich eine Hypothese an die andere, jede einzelne sehr unwahrscheinlich. Die Ansichten des Meisters sollen durch falsche Auslegungen verdunkelt sein. Hsün-tse brachte angeblich nur den „kleinen Frieden" zur Darstellung, während K'ung-tse die „Große Gemeinschaft" vorschwebte. Die Äwwgr-Wissenschaft lehrte nur die Selbstkultur und wußte nichts von der Erlösung der Menschheit durch den Heiligen. Deshalb lehnt K'ang Yu-wei sie ab und will uns selbst den wahren Konfuzius zeigen. Dieser war fortschrittlich, nicht konservativ, für allgemeine Menschenliebe, nicht für Vorrechte, für Internationalismus, nicht für Nationalismus, für Gleichheit, nicht für die Herrschaft einzelner, für Stärke, nicht für Schwäche, und er legte das Hauptgewicht auf die Seele, nicht auf den Körper.8) J

2 ) Wilhelm, Die Seele Chinas, S. 75. ) Watanabe III, 197. ' ) Vergl. Gesch. d. alt. chin. Phil. S. 108 Anm. 1. 5 ) Siehe Gesch. d. mittelalterl. chin. Phil. S. 3. e ) Nach den sehr überzeugenden Nachweisen von O. A. Kennedy, Data zur Deutung des Wesens des Tsch'un-tch'iu (Sinica-Sonderausgabe Jahrg. 1934, S. 23fg.) möchte ich annehmen, daß das ganze Gerede von der Geheimsprache nichts als Einbildung ist. ') Liang Tch'i-tsch'ao Biogr. S. 395. ') Eod. S. 394. In Wirklichkeit war Konfuzius konservativ, für Klassenmoral, monarchisch, national gesinnt und gegen eine Machtpolitik. 4

II. Schule des K'ang Yu-wei: 1. K'ang Yu-wei

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K'ang Yu-wei hat sein eigenes Wesen in K'ung-tse hineinprojeziert, dessen er als Zeugen für die Richtigkeit seiner Theorien bedurfte. Liang Tchi'-tsch'ao sagt von ihm selbst, er war Eudämonist, denn er wollte allen Menschen Glück schaffen. Das höchste Glück des großen Mannes sah er aber darin, selbst zu leiden, um andere glücklich zu machen. Er war Evolutionist. Während die alte Philosophie immer nur rückwärts schaute und annahm, daß die höchste Kultur und das goldene Zeitalter in der Vergangenheit liege, erwartete er es von der Zukunft. Trotz zeitweiliger Hemmungen glaubte er nicht an Rückschritt. Die Regierung habe, da sie zu autokratisch sei, keine Fortschritte gemacht, wohl aber die Gesellschaft, die Freiheit habe sich entwickelt und schließlich werde ein Zeitalter das höchsten Glückes kommen. Endlich war K'ang Yu-wei Sozialist1), wir sagen wohl besser Kommunist, weshalb, werden wir später sehen. 3. Politik. Was K'ang Yu-wei über Politik geschrieben hat, vor allem über die verschiedenen Verfassungen und Staatsformen, ist durchdacht, klug und umsichtig. Hierin hat er gründliche Studien gemacht. Um herauszufinden, welche Regierungsform sich für China eignen würde, hat er sich mit der Geschichte und der Verwaltung aller der Staaten beschäftigt, die er bereist hat. Mit besonderer Aufmerksamkeit hat er die Entwicklung der Republiken verfolgt, da ja nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs, diese Regierungsform in China eingeführt war. Republikanische Regierungsformen, sagt er, habe es zwölf gegeben, sechs im Altertum und sechs in der Neuzeit. Im Altertum seien besonders wichtig gewesen die Prytanen der Athener, das Doppelkönigtum der Spartaner und die drei Gewalten Roms (Konsuln, Senat, Volksversammlung), woraus sich später das erbliche Prinzipat oder das Kaisertum entwickelte. Von den heutigen Republiken hat die Schweiz eigentlich nur Abgeordnete, aber keinen richtigen Präsidenten,2) dagegen haben die Vereinigten Staaten von Amerika einen sehr mächtigen Präsidenten. Frankreich hat zwei Parlamente und einen Präsidenten, der aber mehr dekorativ ist und keine Macht hat. Die Regierung führt der Ministerpräsident, dem alle Ämter unterstehen. England, Belgien, Norwegen, Rumänien und andere kleinere Staaten Europas sind Republiken mit Fürsten, die aber keine Macht besitzen.3) Der Fürst eines konstitutionellen Staates wie England ist kein wahrer Fürst, sondern ein solcher ohne Macht, nur mit dem Range eines Fürsten. Solche Fürsten sind wie die Götter. Man weiß nicht, ob sie existieren, aber verehrt sie trotzdem, und diese Verehrung ist von großem 1

) Liang Tch'i-tsch'ao Biogr. S. S. 399—400. ) Der Bundespräsident ist nur Vorsitzender des Biuidesrats nach dem Direktorialsystem. 3 ) ;Jh ;f|J jgr |g 3^ Kung-ho tecMng-t'i lun S. l—2. („Die republikanische Regierungsform"). 2

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Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

Nutzen für das Volk, denn sie hält die Schlechten vom Bösen ab. In ähnlicher Weise nützen auch die Fürsten dadurch, daß sie eigentlich nicht nützen.1) Die schweizerische Verfassung eignet sich nur für ein kleines Volk, nicht für China, so gut sie an sich sein mag. Sie mag für die Zeit der „Großen Gleichheit" passen, aber nicht für die jetzigen Wirren in China. Die amerikanische Verfassung ist ausgezeichnet für die Vereinigten Staaten, aber paßt gar nicht für Mittel- und Südamerika, wo bei jedem Präsidentenwechsel Mord und Totschlag herrschen.2) Von den politischen Verhältnissen in Mexiko, wo Kfang Yu-wei sich längere Zeit aufgehalten hat, entwirft er ein recht anschauliches Bild: „Seit der Befreiung Mexikos vom spanischen Joch und seiner Unabhängigkeitserklärung sind dreihundert Jahre vergangen3), und kein Jahr ist ohne Revolution gewesen bis zur Präsidentschaft von Porfirio Diaz. Er hat dreißig Jahre als Diktator geherrscht mit derselben Macht wie ein König. Dadurch ist das Land zum ersten Male zur Ruhe gekommen, das Volk ist allmählich reich geworden, die Bodenschätze sind erschlossen, Handel und Gewerbe haben sich langsam gehoben und die Kultur hat sich entwickelt, bis daß in diesem Jahre4) durch Modern der Streit wieder ausgebrochen ist und wegen der Präsidentschaft die Revolution wieder angefangen hat. Auch unsere chinesischen Ansiedler sind mit hineingezogen und über tausend getötet worden. Jetzt sind verschiedene Parteien aufgetreten und haben den Kampf gegen Modern aufgenommen, der noch nicht beendet ist. Dreihundert Jahre lang lagen in Mexiko die bleichen Knochen der Gefallenen umher, das ganze Gebiet war in eine Einöde verwandelt und beinah zu einer Wüste geworden. Das Land von Saint Louis in Nordamerika bis zum Stillen Ozean im Westen,5) zehntausend Meilen, war mexikanisches Gebiet. Wenn Mexiko nicht immer von Revolutionen heimgesucht gewesen wäre, so hätte Nordamerika es nicht besetzen können."6) K'ang Yu-wei vergleicht nun die Monarchie mit der Demokratie, indem er olgende Ausführungen macht: „In einer konstitutionellen Monarchie und in einer konstitutionellen Demokratie ist die Macht des Volkes die gleiche. Das Parlament und der Staatsrat (Kabinett) kommen auf dasselbe hinaus. Die Macht des Ministerpräsidenten und des Präsidenten sind gleich, und wenn auch ihr Name und ihre Stellung verschieden sind, so handeln doch beide an Stelle des Souveräns7). Abgesehen !) ) ) «) 3

2 Eod. S. 9 und 11. ) S. 3. 4 Mexiko wurde erst 1825 unabhängig. ) 1910. Im Text steht versehentlich : Osten. Kung-ho tscMng-t'i lun S. 4: % -^ Si M § ^ ffi ^ M

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m · *> & m % a, m & ® m, * m m a m n a ^ite.^Mifii^M^^suiiMJäii^· ') Entweder für den Fürsten oder für das souveräne Volk.

II. Schule des K'ang Yu-wei: 1. K'ang Yu-wei

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davon, daß ein Titularfürst mit Zivilliste vorhanden ist, handeln beide fast gerade so wie die Herrscher im Altertum. Außer in Deutschland, spielt die Existenz des Souveräns gar keine Rolle, und es wechseln Präsident und.Ministerpräsident, ebenso wie bei den Fürsten die Dynastien und die Familien wechseln.1) Aber um den Posten des Ministerpräsidenten streiten sich nur zwei Parteimänner und bekämpfen sich mit Tinte und Feder und in öffentlichen Reden,2) aber über Jahr und Tag tritt wieder ein Wechsel ein, und es hat weiter nichts auf sich.3) Das Volk vergißt es bald. Es ist nichts anderes als ein Wechsel des Ministers zur Zeit des Absolutismus. Beim Kampf um den Präsidenten aber stellen beide Parteien Heere auf, welche sich bekämpfen und die Anhänger der Partei aufhetzen, sich gegenseitig umzubringen. Bei jedem Kampf um die Präsidentschaft verHeren zahllose Bürger ihr Leben. Nun ist doch der Präsident nur Vertreter des Volkes, und für einen solchen Vertreter müssen soviele Bürger ihr Leben lassen. Es ist ein großes Unglück, daher ist es besser, einen Fürsten zu haben, ein besserer Modus, bei dem man die Revolution vermeidet."4) In Amerika kommt es nicht zu solchen Kämpfen, aber die Präsidentschaftswahlen verschlingen Unsummen von Geld und stören Handel und Verkehr, und nur in einem so reichen Lande wickelt sich alles ohne Schaden ab. Das amerikanische Beispiel läßt sich nicht einfach auf China übertragen, wie viele wollen. In Europa hat man die Unzuträglichkeiten der Republik erkannt, daher sind die meisten Staaten bei der Monarchie geblieben. Glücklich sind als Republikaner nur die Schweiz und Nordamerika, das ursprünglich auch ein ganz kleiner Staat war.5) Die süd- und mittelamerikanischen Republiken sind alle zwanzig außer Chile und Argentinien beständig im Aufruhr. Frankreich hat die amerikanische Republik nachgeahmt und ist dadurch in die größten Wirren gekommen. Die französische Republik taugt nichts und paßt nicht für China.6) Frankreich hat 83 Jahre nach der Revolution noch Unruhen gehabt. In China würde dies 800 Jahre dauern.7) Alle Republiken in alter und neuer Zeit waren schwach. Rom und England gingen von der Republik zur Monarchie über und erstarkten dadurch.8) *) ) 8 ) «) 2

Der Wechsel der Präsidenten ist doch viel häufiger als der Wechsel der Dynastien. Das gilt doch höchstens von England. Es führt nicht zu Kämpfen und Revolutionen. Kung-ho tscheng-t'i lun S. 4: ^ £ fä % ± £ £ £ g £ £ {fl, £ g £ |pj,

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« JE, JW J* * W *± Ä tt * J* 0 Ü ±«8 »· ') Eod. S. 697. 8 ) Der Geist ist nur einer, die Dinge sind tausendfach.

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aber bringt sie nicht selbst hervor. Das ist Realismus. Dieser liegt dem Philosophen noch vom Konfuzianismus her im Blut, aber er steht zu dem buddhistischen Idealismus in unüberbrückbarem Gegensatz. Wir sehen daraus, wohin der Synkretismus des Liang Tch'i-tsch'ao führt. Die verschiedenen philosophischen Systeme lassen sich nicht ohne weiteres verschmelzen, wie er annimmt. Den Gedanken von den verschiedenen Brillengläsern, durch welche die Menschen die Welt betrachten, führt er noch weiter aus, indem er sagt, daß die Menschen die Welt verschieden auffassen. Die einen finden sie schön, die anderen häßlich, die einen sind glücklich darin, die ändern unglücklich. Alle diese Gefühle liegen im Einzelnen, nicht in den Dingen.1) Wie viele Idealisten glaubt auch Liang an Geister und Dämonen und meint, daß ihre Existenz durch viele Zeugnisse aus der Geschichte und der Überlieferung bewiesen werde. Er selbst will im Jahre 1893 mehrere Monate in direktem Verkehr mit Dämonen gestanden haben.2)

4. Unsterblichkeit. Über die Unsterblichkeit der Seele hat Liang viel nachgedacht und seine Gedanken in dem Artikel Yü-tschi sse-scheng kuana) „meine Ansichten über Leben und Tod", zusammengefaßt. Darin zeigt er sich ganz besonders als Eklektiker, indem er indische, chinesische und europäische Philosophie durch beständige Kompromisse zu vereinigen sucht, Ausgehend vom buddhistischen Karman identifiziert er dieses mit der konfuzianischen Lehre vom guten Namen und vom Nachruhm und mit den ererbten Eigenschaften der Darwinisten4). Liang Jen-kung argumentiert in folgender Weise: Nach Buddha sind alle Geschöpfe vergänglich, in ihnen leben nur ewig ihre Taten, das Karman, welches sich immer fortsetzt wie aufeinanderfolgende Wellen. Zum Beweise wird das Sürängama Sütra zitiert. Das Karman gleicht der Elektrizität und dem Nährstoff der Speisen. ( ? ) Der ganze Körper wechselt beständig, in jedem Augenblick. Das ganze Leben ist nur Blendwerk und Unbeständigkeit. Jede Handlung dagegen hinterläßt eine Disposition, und diese geht in das Karman ein und vergeht niemals. Unsterblich sind andererseits die von den Ahnen ererbten Eigenschaften, der Charakter, die Vererbungen.5) Das ist gleichsam der innere Kern, das Wesen des groben Körpers, der nur Schein ist. Der Volkscharakter und der Gesellschaftscharakter ist der unsterbliche Teil der vergangenen Generationen, welchen sie ihren Nachkommen hinterlassen haben.6) Die ererbten Eigenschaften werden bei jedem durch äußere Verhältnisse umgestaltet, und er selbst gestaltet sie durch seine Taten um, so daß sie zwar nicht 2 *) Eod. S. 698. ) UElia S. 260 und 283. ') 2. ~fä %. M · *) D'Elia S. 282 und 290. ') } ·) Yin ping-schi ts'ung-tachu Bd. IV, XI. Abteiig, g ^ f^ ffi ^ S. 142—145.

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Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

ganz verschwinden, aber sich ändern. So kann ein ganzes Volk durch Karman geändert werden. Die Evolutionisten und die Buddhisten sind darin einig, daß etwas amMenschen unsterblich ist. Die ersteren nennen es Vererbung, die letzteren Karman, ich, sagt Hang, nenne es Geist. Die Evolutionisten wollen die Taten möglichst gut gestalten, um das Leben zu verbessern, Buddha will sie ganz aufheben und das Leben beendigen. Darin liegt eine große Verschiedenheit. Konfuzius nun lehrt, daß nach dem Tode den Nachkommen nur der Lohn für gute und schlechte Taten, welche die Familie aufgehäuft hat, und der Name (Ruhm) übrig bleibt. Das kommt der Lehre vom Karman sehr nahe.1) „Paßt man die verschiedenen Aussprüche der Religionsstifter und der Philosophen zusammen, so laufen sie auf nichts anderes hinaus als darauf, daß das Leben in zwei Sphären zu teilen ist. Die eine ist die materielle Welt, die andere die immaterielle. Die materielle gehört den Einzelnen, jeder Mensch betrachtet sie als sein Eigentum, die immaterielle gehört der Gesamtheit, alle Menschen haben gemeinsam Anteil daran. Gesamtheiten gibt es größere und kleinere. Die größte umfaßt die unendlichen Weltperioden, die kleineren kommen zum Ausdruck in den einzelnen Familien, Stämmen, Staaten und in der Gesellschaft. Die Gesamtheit stirbt nicht, daher stirbt auch mein Leben nicht, sofern es zu der größten Gesamtheit gehört, und auch insoweit es zu der nächstgroßen und der folgenden bis zu der kleinsten gehört, stirbt es nicht."2) Das buddhistische Karman gilt sowohl von den Einzelnen als auch von den Gesamtheiten, und dementsprechend trifft auch den Einzelnen und die verschiedenen Gesamtheiten die Vergeltung für ihre Taten. Buddha spricht nicht nur von Vergeltung des Karman bei der Reinkarnation des Einzelnen, sondern auch von den Gesamtheiten. „Ruhm und Namen schmieden die Gesellschaft. Wenn ein Heiliger und Weiser oder ein Held erscheint, so spürt man noch hundert bis tausend Jahre seine Wirkung, und das Glück und Gedeihen der Gesellschaft hängt davon ab."3) „Wir alle sterben und wir alle sterben nicht. Was stirbt, ist unser individueller Körper, was nicht stirbt, ist unser Gesamtkörper."4) „Innerhalb einer Woche ändert sich die Materie, welche wir in unserem Körper haben, vollständig. Wenn wir daran festhalten und sie als unser Ich betrachten, wie wissen wir, ob nicht über acht Tage unser heutiges Ich schon in eine Tanne,

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A. a. O. S. 146—150.

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eine Kohle, in einen Ochsen, einen Hund, in Stein oder in Luft verwandelt ist ? x ) Wir müssen wissen, daß jene Dinge jene und nicht ich sind."2) Sofern ich zum Gesamtkörper gehöre, sterbe ich auch in Äonen nicht. Ich lebe dauernd in der Familie, im Staat, in der Gesellschaft. Und weiter heißt es: „Ich habe ein großes Ich, und ich habe ein kleines Ich .... Was bedeutet mein großes Ich ?. Meinen Gesamtkörper. Und was bedeutet mein kleines Ich? Meinen Einzelkörper."3) „Der Blutumlauf und die ändern Substanzen in meinem Körper sind die Teile, welche meinen Körper aufbauen, und meine leibliche Hülle innerhalb der Gesamtheit, zu der ich gehöre, ist ein Teil, welcher mit zum Aufbau dieser Gesamtheit beiträgt. Der Blutumlauf und die Substanzen haben meinem Körper gegenüber die Pflicht, durch ihren Tod mir zu nützen, und meine leibliche Hülle hat der Gesamtheit gegenüber die Pflicht, durch ihren Tod der Gesamtheit zu nützen. Das Prinzip ist dasselbe. Goethe hat gesagt, daß der Tod ein Element ist, welches zur Weiterentwicklung der Menschheit dient4). Das ist ein berühmter Ausspruch."5) Der Geist berühmter Männer, sagt Liang, lebt ewig und wirkt auf die Nachwelt weiter. Die guten Taten pflanzen sich fort und machen das große Ich glücklich, die schlechten ebenfalls, aber sie haben die entgegengesetzte Wirkung.6) Als Philosoph lehrt also Hang Tch'i-tsch'ao eine unpersönliche Unsterblichkeit. Teile meines Geistes, Gedanken, Gefühle und Taten leben in der Menschheit fort. Als überzeugter Buddhist hofft er dagegen, nach vielen Wiedergeburten mit seinem individuellen Körper schließlich ins Nirvana einzugehen.7) 5. Praktische Philosophie. Liang Tch'i-tsch'ao leitet die Sittlichkeit nicht aus der göttlichen Bestimmung, aus dem den Menschen vom Himmel verliehenen moralischen Sinn, sondern aus dem Ich ab und beruft sich dabei auf Fichte: „Weswegen lebe ich in der Welt ?" so fragt er. „Ich mühe mich ab und quäle mich, in der Frühe beginne ich meine Tätigkeit und des Nachts denke ich nach. So verbringe ich eine Reihe von Jahren, bald ist es heiß, bald kalt. Was erstrebe ich und was erlange ich ? Das ist 1

) So schnell geht die Verwandlung nicht. Die vollständige Erneuerung des Körpers erfordert eine ganze Reihe von Jahren. *) Yin-ping schi te'ung-techu Bd IV, loc. cit. S. 154: — J£ fä f$ , £ Jjff & jg ff

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ft±eilfi4L· *) Wahrscheinlich bezieht sich dies auf Eckermann, Gespräche mit Goethe 2. Mai 1824: „Ich habe die feste Überzeugung, daß unser Geist ein Wesen ist ganz unzerstörbarer Natur, es ist ein fortwirkendes von Ewigkeit zu Ewigkeit."

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·) Loc. cit. S. 156.

') S. 159

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Die Tch'ing-Dynastie und die Bepublik

eine große Zweifelsfrage. Wir haben uns schon so lange daran gewöhnt, daß wir sie vergessen, allein wie kann man sie vergessen ? Seit vielen tausend Jahren hat das Menschengeschlecht gemeinsam noch keine Lösung dieser so gewichtigen Zweifelsfrage finden können. Fichte glaubt in der „Bestimmung des Menschen" eine Lösung gefunden zu haben. Ist seine Lösung wirklich die richtige oder nicht ? Ich wage es nicht zu sagen, aber ich denke, daß sie uns von Nutzen seinkann."1) „Fichte sagt2) : Wenn wir wissen wollen, worin die Bestimmung des Himmels beruht, so gibt es nur eine Möglichkeit, wir müssen zunächst einen festen Glauben haben. Wofür lebe ich ? Ich lebe für mich. Weswegen bleibe ich erhalten ? Ich bleibe für mich erhalten. Wozu bin ich voll Eifer und Tätigkeit ? Ich bin für mich voll Eifer und Tätigkeit. Alle Verantwortlichkeit der Menschen besteht nicht, wie man zu sagen pflegt, der Welt gegenüber, sondern die Verantwortlichkeit, welche vorhanden ist, besteht nur dem Ich gegenüber. Das sogenannte Ich ist einerseits das vernünftige Ich, andererseits das empfindende Ich. Das vernünftige Ich besitzen die Menschen allein, das empfindende haben sie mit ändern lebenden Wesen gemein, daher gilt nur die Vernunft als wahres Ich ...... Spricht man von der Vernunft, so ist sie in ihrem "Wesen vollkommen abgerundet, harmonisch und ohne Hemmnisse, spricht man dagegen von den Empfindungen, so sind sie infolge der mannigfachen Einwirkung der Außenwelt stets sehr gemischt, widerspruchsvoll und unvereinbar.3) Da nun die Menschen die Vernunft als ihr besonderes Kennzeichen besitzen, so dürfen sie nicht ihr vernünftiges Ich durch das empfindende beschränken lassen ..... Durch das intuitive Wissen werden die Prinzipien der Dinge gefunden und durch die angeborenen Fähigkeiten des Ichs die Normen des Handelns bestimmt ....... Das nennt man die Freiheit des Willens und die Selbständigkeit des Geistes. Alle moralischen Gesetze werden daraus abgeleitet. Die Verantwortlichkeit, die ich meinem Ich gegenüber habe, beruht nur darin."4) *) Tchiang Wei-tch'iao S. 128: = - ^ § ^ M ^ ^ ^ S f i ^ ? B , g - ^ ; i * ^ , S

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stimmung des Menschen", sondern eine sehr freie Darstellung seiner Ansichten, wie Liang 3 sie auffaßt. ) Das klingt mehr chinesisch als fichtisch.

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Hierzu bemerkt Liang: „Die meisten Philosophen, welche von dem Ursprung der Sittlichkeit sprechen, glauben, daß sie über die Fähigkeiten des Menschengeschlechts weit hinausgeht und betrachten sie als eine höhere Macht. Entweder nennen sie sie das Walten des Himmels (Bestimmung) oder erklären sie für die Natur.1) Nach Fichte'e Ansicht dagegen ist sie das Ich und der Himmel.2) Nur das Ich kann die Natur beherrschen und die Natur kann nicht über das Ich herrschen. Das ist der kräftige Peitschenhieb, mit dem er die Menschheit antreiben will, sich selbst zu achten und zu erkennen. Wenn die Philosophen von der Geisteszucht sprechen, pflegen sie immer darauf bedacht zu sein, die Begierden nach den Dingen zurückzudrängen. Obwohl Fichte diesen Gedanken nicht ablehnt, so glaubt er doch, daß der Nutzen und der Schaden der Begierden sich gleichmäßig verteilen lassen, und daß es besser ist, guten Gebrauch davon zu machen und sie auszugleichen, als sie zu unterdrücken. Daher ist es seine besondere Eigenheit, daß er die Moral nicht in Laxheit ausarten, oder in Gleichgültigkeit versiegen läßt. Die früheren Philosophen wollten vielfach die Pflege der Persönlichkeit auf Ruhe gründen. Unsere Konfuzianer nach der Sung- und Fwaw-Zeit haben diese Idee ganz besonders entwickelt. Sie glaubten, daß Ruhe das eigentliche Wesen unserer Natur ausmache und daß Bewegung eine Art Krankheit darstelle, wie es im Yüeh-tchi heißt: „Es ist die himmlische Natur des Menschen, daß er bei seiner Geburt still ist. Erst, wenn er von den Dingen erregt wird, bewegt er sich. Das sind die Begierden seiner Natur."3) Demgegenüber erklärt Fichte, daß die Natur etwas Lebendiges sei und nichts Totes, denn ihr Wesen bestehe darin, daß sie Lebendes hervorbringe und Bewegung erzeuge Daher beruht das Sittengesetz, welches er darstellt, auf dem absoluten Prinzip des Fortschritts und Nehmens und verfällt nicht in den Fehler des Zurückweichens und Abwehrens.4) Das ist eine weitere Besonderheit Fichte'e."6)

') Die physische, äußere Natur, wofür der moderne Ausdruck |=J jfe tse-jan, , von selbst, Spontaneität* ist. *) Des Ich und die Welt, das vom Ich gesetzte Nicht-Ich, sind identisch. «) Li-ki (Legge'a Übera. Band , S. 96). ·) Das ist das taoistische Ideal der Sittlichkeit, das Nichthandeln, die Passivität und Indifferenz. ·) Tchiary Wei-tch'iao S. 129: M ^ ® W 5t «S ± * S, £ IB W ® ¥ A S «

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Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

In der praktischen Philosophie hat Liang unter anderem die Frage untersucht, welchen Einfluß Mühen und Schwierigkeiten auf das menschliche Tun ausüben und kommt zu folgendem Schluß: „Alle Mühen und Sorgen helfen dazu, meinen Geist zu üben und alle Nöte und Gefahren, meinen Mut zu stählen. Überall finde ich eine Schule. Wenn ich mich beklage, daß ich keinen Ort hätte, wo ich lernen könnte, so muß ich mir sagen, daß mir beständig diese vom Himmel gegründete und von der Erde errichtete Schule offen steht, worin ich Nahrung für meine Kräfte finde.1) Ist das nicht sehr günstig?"2) „Bei allem, was man tut, machen sich hemmende Kräfte bemerkbar, bei kleinen Dingen sind sie klein und bei größeren um so größer. Diese Hemmungen stammen vom Himmel und nicht vom menschlichen Tun.3) Daher müssen wir ihr Vorhandensein feststellen und sie wegräumen, und wir dürfen sie nicht fürchten und vor ihnen zurückweichen. Es ist ebenso wie mit Strömen und Flüssen, welche sich nach einem Lauf von tausend Meilen ins Meer ergießen. In Krümmungen und Windungen eilen sie dahin. Wenn sie auf Sand oder Felsen stoßen, so zwingen sie sich daran vorbei, und wenn sie auf Gebirge und Höhenzüge treffen, so fließen sie im Bogen darum herum. Zum Meer zu gelangen bleibt stets ihr Endziel. Wenn man beim Handeln auf hemmende Kräfte stößt, so muß man die Sache ebenso ansehen. Mit äußerster Entschlossenheit kann man sogar Metall und Stein durchbohren, und es gibt keine Hindernisse·. Wenn man sie aber fürchtet und davor zurückweicht, so bringt man gar nichts zustande. Wieso ? Weil es in der Welt keine Taten ohne hemmende Kräfte gibt."4) Liang Tch'i-tsch'ao scheidet die Menschen, welche die Geschicke des Staates lenken, in drei Klassen, in die Intellektuellen und in die Männer der Tat und letztere wieder in bloße Draufgänger und in solche, welche außer Mut und Entschlossenheit auch noch große Klugheit besitzen, also Geist und Tatkraft vereinigen. Das sind die wertvollsten und seltensten Menschen, die Helden und Heroen. Ohne Energie mag man immerhin in irgend einer Wissenschaft noch etwas leisten und ohne Einsicht ein Draufgänger sein, der allen Gefahren trotzt. Für den Bestand eines Staates sind diese drei Menschenklassen von großer Bedeutung. *) Die Schule der Welt und des Lebens. ») Yin-ping schi w&n-tchi Bd. II, S. 664 : ff ig £ IS > "g £ Ä Si 'fr ± Sf > « »

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") Die Verhältnisse bringen solche Hemmnisse mit sich, aber doch auch das menschliche Tun. ') Loc. cit. Bd. II, S. 665: U?» & ffi i], Ä * /l· *, Ä ffi -, Ä

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II. Schule des K'ang Yu-wei: 2. Liang Tch'i-tsch'ao

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Nach Liang's Ansicht gibt es davon im heutigen China trotz seiner 400 Millionen Einwohner nur wenige.1) Unser Philosoph bewundert Helden und große, Männer. Von den Deutschen verehrt er besonders Luther, Kant und Bismarck. Die Größe Luthers sieht er darin, daß er die alte Religion angegriffen und die Gedankenfreiheit begründet habe, ein großes Glück für die Menschheit. Es sei eine ähnliche reformatorische Tat wie sie Bacon und Descartes für die alte Philosophie, Adam Smith für die Sozialwissenschaft, Rousseau für die Politik, Montesquieu für das alte Recht und Copernicus für die alte Astronomie vollbracht hätten.2) Über Kant als den größten Philosophen der Neuzeit3) hat Liang Tch'i-tsch'ao 1903 in seiner Zeitschrift Hsin-min ts'ung-pao*) einen Artikel veröffentlicht, der in seine Gesammelten Werke aufgenommen ist.5) Kants Lehre wird kurz dargestellt und mit dem JlfoM«/äna-Buddhismus und der Philosophie Tschu Hsi's verglichen. Liang schätzt ihn namentlich auch deswegen, weil sein System dem Buddhismus sehr nahekommen soll. Er sagt: „Kant ist der Ruhm und der Stolz Deutschlands, aber er ist eigentlich gar kein Deutscher, sondern gehört der ganzen Welt an; er ist nicht ein Mann des achtzehnten Jahrhunderts, sondern lebt für alle Jahrhunderte."*) Natürlich hat Liang viel über Erziehungsfragen geschrieben. In alter Zeit soll es drei Erziehungssysteme gegeben haben, das von Athen, das von Sparta und das katholische. Hauptvertreter der modernen Erziehung seien England, Deutschland und Japan. In Athen war die Erziehung sehr gut, aber nur philosophisch und wohl für Literatur, aber nicht für Heranbildung von Staatsbürgern geeignet. Die spartanische Erziehung war für ein freies Volk nicht geschaffen. Durch den Katholizismus wurde die Kultur im Mittelalter erhalten. Er hat keine feste Erziehungsmethode. Christus gilt als Vorbild. Man muß glauben, leiden und das Gesetz achten. Von Athen und Sparta kann man heute noch den Geist der freien Kunst und der Disziplin und Unterordnung übernehmen. Die katholische Erziehung paßt nicht mehr für die heutige Zeit und auch nicht für China. In Frankreich ist die Erziehung zu bureaukratisch. Die Studenten wollen nur Examina machen, um dadurch Anstellung zu erhalten. Die Franzosen sind in ihrem ganzen Wesen zu sehr von den Chinesen verschieden, als daß man sie nachahmen könnte. Japan eignet sich auch nicht als Lehrmeister, denn Japan ist eine Insel noch mit Feudalcharakter, während China einen Kontinent darstellt. Man ') A. a. O. An Intellektuellen hat es in China eigentlich nie gefehlt, wohl aber an Männern der Tat, an denen auch jetzt ein großer Mangel ist. ") D'Elia S. 276.

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*) §f R ä|[ $i · Yokohama, 1903—1904, Nr. 25, 26, 28, 46—48, anonym erschienen. 5 ) Yin-ping schi win-tchi lei-pien Bd. II, S. 262—280. Ich habe darüber berichtet in den Mitteil, d. Sem. Orient. Sprachen 1909, S. 210—228 „Ein chinesischer Kantverehrer". ·) . , ». wen-tchi Bd. II, S. 265: fljj @ B # ^ * ff % *, M & % * « S -

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Die Tch'ing-Dynastie und die Kepublik

hat in Japan den Konfuzianismue abgeschafft und die europäische Moral nicht angenommen, und infolgedessen zeigt sich ein großer moralischer Niedergang. China sollte sich den konservativen Sinn der Engländer und den deutschen Geist der Einheit zum Muster nehmen.1) 6. Politisches (Volkscharakter). Hang Jen-kung's politische Aufsätze behandeln zumeist aktuelle Tagesfragen. Von seinen mehr theoretischen Untersuchungen verdient das, was er über den Volkscharakter zu sagen weiß, besondere Beachtung. Ein Volk, sagt er, besteht durch seinen Volkscharakter nur so lange, wie es ihn intakt erhält, und geht unter, wenn es ihn verliert, indem es durch andere Völker aufgesogen wird. Mehrere kleine Völker von ähnlichem Charakter können zu einem großen Volke verschmelzen. Ein Volk kann auch seinen Charakter einem ändern aufzwingen und es aufsaugen, wofür'Beispiele aus der Geschichte gegeben werden. Das Römische Reich deutscher Nation nannte sich Reich, aber war es nicht, denn es fehlte der einheitliche Volkscharakter. Ein wirkliches Reich ist erst das neue deutsche, das einheitlichen Charakter hat und in seinem Ausdehnungsdrang auch andere Reiche sich einverleiben möchte.2) Ein Volk entsteht durch Zusammenleben auf demselben Gebiet. Die Einzelnen sind durch Blutsbande verbunden. Durch gleiches Geschick werden sie immer mehr zusammengeschmiedet. Gleiche Sprache und Denkungsart hält sie zusammen. Die Verbundenheit beruht auf der Sinnesart der Einzelnen und wird allmählich so stark, daß sie nicht mehr getrennt werden können und sich von ändern Völkern deutlich unterscheiden. Die Hauptelemente im Volkscharakter sind: Sprache, Religion und Sitte. Man kann die Entwicklung des Volkscharakters fördern oder hemmen, aber kein Volk neu schaffen. Das Wachstum des Volkscharakters vollzieht sich unbewußt. Ein Volk zerfällt, wenn der innere Zusammenhang aufhört. Man hält nicht mehr an den alten Institutionen, Sitten und an der Kultur fest. Die Einzelnen stehen sich fremd gegenüber. Kommt dann ein Feind, so wird das Volk vernichtet. China wird von äußeren Feinden bedroht und seine Grundfesten drohen einzustürzen. Eine solche Grundfeste war nach Liang's Meinung die Monarchie allerdings nicht. In der Verfassung ist ein Wandel möglich. Allein China droht auseinanderzufallen, denn die zentrifugalen Kräfte sind stärker als die zentripetalen. Jetzt ist noch Rettung möglich, aber es muß bald etwas geschehen.8) *) Pascal M. d'Elia S. 291—293. In Wirklichkeit ist das moderne Erziehungswesen can stärksten von Amerika und Japan, wo die meisten chinesischen Studenten studieren, beeinflußt. Amerika wird merkwürdigerweise hier gar nicht erwähnt. *) &L fö S5 401 S > " em Walfisch andere Reiche überschlucken". Diese Vorstellung von Deutschland hat Liang von der Entente, in deren Dienst er sich gestellt haben soll, übernommen. ') K'ang Nan-hai, Liang JSn-Jeung Mi heien-acMng w&n-tcM ho-k'o, Liang Jin-hung wintchi (8 Hefte) B. III (Heft 5) S. 1—2.

II. Schule des K'ang Yu-wei: 3. T

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«) ^ p] . ·) Seine Schmähschrift gegen die Fürsten. Vergl. S. 477.

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) Wotanobe S. 203. ') Siehe S. 484.

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Die Tch'ing-Dynastie und die Bepublik

Blut ausgesogen, seine Reichtümer vergeudet und seine Frauen und Töchter mißbraucht.1) Die sogenannten loyalen Beamten haben sie noch in ihrem tyrannischen Wesen bestärkt. Von den Mandechu-'K.aiseTn heißt es: „Ihr Land war verkommen, ihre Rasse stinkend, ihre Sitten roh und gemein. Es waren Barbaren, welche außer der Kriegsstärke, mit welcher sie unser hohes Kulturland zerstampften, keinerlei Fähigkeiten irgendwelcher Art besaßen. Und wir Chinesen haben uns vor den Herrschern dieser Wilden niedergeworfen und Kotau gemacht, ihnen alle Erzeugnisse des Landes dargebracht und zugelassen, daß sie die schönsten Frauen entehrten und töteten! Weshalb?"2) Die demokratische Regierungsform ist nach T'an Sse-V-ung der Wille des Himmels und das Verlangen des Volkes. Angesichts solcher Äußerungen ist T'an's Verhalten dem Kaiser gegenüber, besonders sein Eintreten für ihn nach dem Staatsstreich schwer zu verstehen. Ich kann es mir nur so erklären, daß K'ang Tu-wei den jugendlichen Heißsporn bewogen hat, seinen Kommunismus wie er selbst vorläufig zu den Akten zu legen und mit ihm zusammen praktische Reformarbeit zu leisten. Dabei mag er die Entdeckung gemacht haben, daß die Fürsten doch anders sind, als er sich vorgestellt hatte. Wenn er die Worte, welche Liang Tchfi-tschfao ihm zuschreibt, wirklich vor seinem Tode gesprochen hat, so muß er seinen früheren Radikalismus mit sehr viel maßvolleren Ansichten vertauscht haben. Den Europäern ist T'an nicht besonders hold, denn er sagt von ihnen: Die weißen Europäer treten den ändern Rassen mit ihrer technischen Überlegenheit gegenüber und glauben, daß ihre Eroberungsgier ganz gerecht sei. Sie kennen die allgemeine Menschenliebe, welche zwischen allen Menschen herrschen sollte, nicht. Wir müssen sie auf ihre Irrtümer hinweisen und daraufhinarbeiten, daß zwischen allen Völkern vollkommene Gleichheit herrscht.3) T'an Sse-tfung ist in seinen Schriften Fanatiker, der mehr mit dem Herzen als mit dem Verstande philosophiert. Seine Philosophie ist nicht viel wert, denn Mangel an Kritik läßt sich nicht durch Leidenschaft ersetzen. Vielleicht würde sich, wenn er länger gelebt hätte, ein Umschwung vollzogen haben, denn er war auf dem Wege dazu. 1

) Das sind Verleumdungen. ') TFeton^eS^Oi.^.-fcgl^

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. Keligionsphilosophie: 1. Hsia Tseng-yu

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III. Religionsphilosophie. 1. Hsia Tseng-yu. Hsia Tseng-yu1) aus Tch'ien-t'ang2) in Tschekiang war ein Zeitgenosse des K'ang Yu-wei. Über sein Leben scheint nichts weiter bekannt zu sein. Er schrieb über Religionsphilosophie und das Verhältnis von Religion und Philosophie, und hat nicht viel veröffentlicht. Seine Darstellung der chinesischen Philosophie ist sehr eigenwillig. Gedruckt ist nur sein Werk über die chinesische Geschichte: Tschung-kuo li-schi tehiao-k'o schu3). Die Entstehung der religiösen Ideen denkt er sich folgendermaßen. Er sagt: „Wegen des Geisterglaubens und der Wahrsagerei pflegen die Menschen heutzutage die Torheit der Alten zu verlachen, aber es ist keine Torheit, denn, als die Menschen zuerst nachzudenken anfingen und ihre Mitmenschen beobachteten, bemerkten sie, daß sie alle mit Erkenntnisvermögen ausgestattet waren, aber bei der Geburt besaßen sie dies nicht. Sie wußten nicht, woher dies Vermögen kam. Wenn sie dann starben, so hatten sie diese Fähigkeit besessen, und.sie begriffen nicht, wodurch sie verschwunden sei. Daher vermuteten sie, daß außerhalb und getrennt vom fleischlichen Leib noch ein geistiger Leib existierte. Während des Lebens ist der geistige Leib mit dem materiellen verbunden, und das Erkennen ist sichtbar. Beim Tode trennt sich der geistige Leib vom materiellen, und das Erkennen ist verborgen. Es gibt nur dieses Verborgen- und Sichtbarsein, aber kein Leben und Sterben. Daher kommt die Vorstellung von menschlichen Geistern. Wenn man nun zum Himmel aufblickte, so gingen Sonne und Mond auf und unter, und Hitze und Kälte folgten regelmäßig aufeinander. Das konnte nicht jemand ohne Erkenntnis hervorbringen. Daher kam man auf die Idee eines Himmelsgeistes. Blickte man nun auf die Erde herab, so kamen Wolken und Regen hervor, und es wuchsen Pflanzen und Bäume. Auch das war ohne jemand mit Erkenntnis nicht möglich. Daher dachte man an einen Erdgeist. Menschliche, himmlische und irdische Geister sind alle nur Folgerungen aus dem Wesen des lebenden Menschen. Da man die Wandlungen der übrigen Wesen nicht immer wahrnahm, so nahm man dafür Gespenster an. Auch sie sind aus der Natur der lebenden Menschen abgeleitet."4)

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Die Tch'ing-Dynastie und die Republik

IV. Kritizismus. 1. Wang Kuo-wei 1877—1927. Wang Kuo-wei1) (T. Tching-an und Po-yü, H. Kuan-t'ang2)) aus Yung-kuan in Hai-ning (Tschekiang)3), hat sich als Gelehrter und als Vermittler europäischer, besonders deutscher Philosophie einen großen Namen gemacht,4) ist aber auch als philosophischer Denker beachtenswert, zumal er eine ganz besondere neue Richtung, den Kritizismus, vertritt. Erst nach dem chinesisch-japanischen Kriege erfuhr er, daß es außer der chinesischen noch eine andere Wissenschaft gab. Begierig, sie kennen zu lernen, begab er sich nach Schanghai, wo er in einer von seinem Freunde Lo Tschen-yti?) gegründeten Schule für japanische Wissenschaft von japanischen Lehrern japanisch und englisch lernte. In einer Schule in Tokio studierte er Naturwissenschaften. Nach seiner Rückkehr nach China schrieb er Übersetzungen für zwei Zeitungen des Lo Tschen-yü. Damals begann er mit dem Studium der Philosophie, Psychologie, Soziologie und Logik und verglich die Originalwerke mit den japanischen Übersetzungen. Wie er in der Einleitung zu seinen gesammelten Werken6) schreibt, beschäftigte er sich in den Jahren 1901 bis 1902 mit der Philosophie Kant's7) und las die Kritik der reinen Vernunft.8). Da ihm aber das Verständnis große Schwierigkeiten bereitete, so kam er nur bis zur Mitte und wandte sich Schopenhauer9) zu, den er vom Sommer 1903 bis zum Winter 1904 studierte. Dadurch gewann er ein besseres Verständnis für Kant. Erst später fand er in Schopenhauer manche Widersprüche und entdeckte, daß sehr vieles nur subjektive Ansicht und kein objektives Wissen war. Hierauf las er Nietzsche.10) 1904 kehrte er zu Kant zurück und später noch zweimal. Die Schwierigkeiten wurden immer geringer, aber sein angeborener Skeptizismus erwachte, und er verlor den Glauben an Kant, was er in seiner ersten Begeisterung für unmöglich gehalten hatte. Die Philosophie gewährte ihm keine Befriedigung mehr und er wandte sich allmählich von ihr ab. Über die Gründe äußert er sich sehr offen: „Seit einiger Zeit", sagter, „bin ich der Philosophie überdrüssig. Im allgemeinen kann man von den Lehren der Philosophie diejenigen, welche einem gefallen, nicht glauben, und diejenigen, welche man glauben kann, gefallen einem nicht. Obgleich ich das weiß, liebe ich doch die Metaphysik trotz ihrer riesigen Irrtümer, die hohe und ernste Ethik und die reine Ästhetik. Diese habe ich ganz besonders gern. Sucht man nach etwas, das man glauben kann, so findet man es besser in 4

) Einen Nekrolog von WangKuo-wei gibtPelliot (T'ming Poo Vol. XXVI, 1929, S. 70—72). ) jg |g 3£, berühmter Archäologe. Tchwg-an wen-tchi.

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IV. Kritizismus: 1. Wang Kuo-wei

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der Beweislehre der Erkenntnistheorie, in der Lustlehre der Ethik und in der Erfahrungslehre der Ästhetik. Ich weiß, daß man ihnen glauben kann, aber ich kann sie nicht lieben."1) „Wenn noch etwas mehr Wissen zu meinen Fähigkeiten kommt und ich damit die Geschichte der Philosophie studiere, so hätte ich wohl die Möglichkeit, etwas Tüchtiges zu leisten. Ein Philosoph werden kann ich nicht und die Geschichte der Philosophie schreiben mag ich nicht. Das ist der eigentliche Grund, weswegen ich der Philosophie überdrüssig geworden bin."2) Wang Kuo-wei fühlte, daß er sich zum Philosophen nicht eignete. Ihm fehlte der schöpferische philosophische Geist, dagegen war sein kritischer Sinn so stark ausgebildet, daß er die schönsten philosophischen Systeme, die er zuerst mit Begeisterung aufgenommen hatte, wie das von Kant und Schopenhauer, vernichtete. Deshalb gab er die Philosophie auf und wandte sich der Kunstgeschichte und Archäologie zu. Er beschäftigte sich mit der Entzifferung der Orakelknochen aus Honan, der Holzstäbchen aus Turkestan und mit den alten Manuskripten aus Tun-huang und studierte die Geschichte des Romans und des Theaters. Am Forschungsinstitut des Tching-hua College in Peking erhielt er eine Anstellung. Wang war streng monarchisch gesinnt und kaisertreu wie sein Freund Lo Tschen-yü. Aus Kummer über die politischen Verhältnisse machte er im Alter von 50 Jahren seinem Leben ein Ende, indem er sich in den K'un-ming-See des Sommerpalastes stürzte. Auf die republikanischen Machthaber scheint dieser Selbstmord, der als Protest gegen ihre Regierungsmethoden gedacht war, keinen großen Eindruck gemacht zu haben. Von seinen hinterlassenen Schriften wurden vier Sammlungen als Hai-ning Wang Tschung-tch'üeh kung -schu3) veröffentlicht. Beim Philosophieren bedient sich Wang Kuo-wei einer der kantischen ähnlichen erkenntniskritischen Methode. Diese führt ihn zur Leugnung der von anderen Philosophen als Wahrheiten anerkannten Sätze. Er würde sie gern annehmen, aber sein Verstand zeigt ihm, daß sie falsch sind, und es fehlt ihm der den Intellekt überwindende Glaube, welchen die chinesischen Idealisten ebenso wie die deutschen besitzen. Indem er seine Methode auf die Analysierung des Begriffs „Vernunft" anwendet, argumentiert er, wie folgt: Die Menschen bemerken die Übereinstimmungen und Gemeinsamkeiten der Dinge, abstrahieren sie und formen daraus einen Begriff, dem sie einen Namen geben. Nach längerer Zeit sehen sie den Begriff als ein besonderes Ding an und TcMang Wei-tch m m JE m ± M > A m y. Ή m. & & , m * ψ » * ± l ft » * ± t^, H ^ £ tt w w w W ft

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Man sollte annehmen, daß die chinesischen Philosophen bei der beliebten Frage nach der Güte der menschlichen Natur alle überhaupt möglichen Antworten diskutiert hätten, allein durch Anwendung seiner Methode findet Wang £uo-wei noch eine neue Lösung. Er sagt, Meng-tse und Hsün-tse verteidigten beide ihre Ansicht von der Natur mit guten Gründen. Die Frage ist von der exakten Wissenschaft überhaupt nicht lösbar, denn das Wesen der Natur geht über unser menschliches Erkennen weit hinaus, daher herrschen seit hunderten von Jahren die entgegengesetzten Meinungen. Die Natur gehört nicht zu dem a priori Wissen wie Raum und Zeit, auch nicht zu dem Erfahrungswissen, sondern ist die Substanz des Wissens selbst und nicht erkennbar. Daher läßt sich nicht sagen, ob sie gut oder schlecht ist.1) „Was man die Natur der Erfahrung nennt, ist nicht die ursprüngliche Natur,2) wenn man aber an der Natur der Erfahrung festhält und sie als Natur betrachtet, dann stellt sich der Dualismus von gut und böse ein. Wieso ? Der Gegensatz von gut und böse ist eine Tatsache unserer Erfahrung, die Tatsache des Gegensatzes und nicht die Tatsache der Übereinstimmung . . . . Nur die Tatsache des Gegensatzes liegt vor, daher lassen sich gut und böse nicht durch eine einzige Tatsache erklären. Geht man also von der Erfahrung aus, so kann man sich nicht an dem Joch des Dualismus gut .und böse vorbeischlängeln, allein unser Wissen verlangt nach einer Erklärung durch ein Prinzip und wird nicht durch den Dualismus gut und böse befriedigt. So entsteht ein Streit zwischen der Annahme der Güte der Natur, der Schlechtigkeit der Natur und der transzendentalen monistischen Ansicht 3 )." 4 ).... „Welche Veränderungen in der Welt, seit es Menschen gibt bis in unsere Zeit, beruhen nicht auf den Kämpfen der guten und schlechten Natur ? Haben die Staatsverwaltung und die Moral, Religion und Philosophie nicht davon ihren Ausgang genommen ? Daher haben die Religionen der Welt immer die Gestalten von zwei Geistern geschaffen. Es gibt einen, den man liebt und durch Opfer ehrt, und einen, den man fürchtet und verehrt, das sind der gute und der böse Geist. Von den Religionen der zivilisierten Völker gibt es wohl wenige, welche außer Gott und vor ihm nicht schon einen Teufel erdacht hätten . . . . Ist etwa, was man Gott nennt, nicht ein Abbild unserer guten Natur, und, was man Teufel nennt, ein *) Tchiang Wei-tch'iao S. 147.

2 ) Das innere Wesen der Natur, ihr Ansich ist unerkennbar. Wir kennen nur ihre Äußerungen und schließen daraus auf ihr Wesen. s ) Die transzendentale monistische Ansicht ist die des Wang Yang-ming, dessen transzendente Natur jenseits von gut und böse und über alle irdischen Qualitäten erhaben ist. Vergl. S. 395. ·) A . . 8. 8: 2 , =

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IV. Kritizismus: 1. Wang Kuo-wei

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Reflex unserer schlechten Natur ? Und nicht nur in der Religion ist es so, denn sind nicht etwa auch die Berichte der Geschichte und die Klagen der Dichter auf die Kämpfe der guten und schlechten Natur zurückzuführen?"1) Nach Wang Kuo-wei'e Ansicht ist die Frage, ob die menschliche Natur gut oder böse sei, unlösbar. Deshalb warnt er spätere Gelehrte, sich noch weiter mit einer so nutzlosen Diskussion abzugeben.

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B. Die Republik. (Seit 1912.) Die Tch'ing-Dyn&stie wurde durch eine Revolution gestürzt, welche von einer kleinen Schar von chinesischen Auslandsstudenten angefacht war. Die Massen des Volkes hatten keinen Anteil daran und waren weder für noch gegen die Dynastie, denn sie waren ganz unpolitisch, aber sie ließen sich von den Agitatoren aufwiegeln. Durch die englisch-amerikanischen Missionen waren die Schüler für alle fremden Einrichtungen und besonders für die Demokratie begeistert worden. In den japanischen und amerikanischen Universitäten fanden die Studenten für ihren Radikalismus reichliche Nahrung. Für alle Schäden in China machten sie die Mandschus verantwortlich, welche sie zu Agitationszwecken als Barbaren hinstellten, von denen die hochkultivierten Chinesen unterjocht und ausgebeutet würden, und sie bildeten sich ein, daß durch Übernahme der fremden Einrichtungen alle Schäden sofort beseitigt werden könnten und China dann mit Amerika und Japan auf gleicher Stufe stehen würde. Deshalb wollten sie die modernste Regierungsform, die republikanische, und die modernste Gesellschaftsordnung, die sozialistische. Die Agitatoren verbündeten sich mit den unruhigen Elementen des Landes, den geheimen Gesellschaften, Vagabunden, Räubern und lichtscheuem Gesindel. Sie fanden auch Bundesgenossen in den jüngeren Offizieren der Regierungstruppen, welche im Auslande gedient hatten, und in den Notabein der Provinzen, welche sich durch die Zentralisationsbestrebungen der Regierung in ihren Privatinteressen bedroht fühlten. So kam ihnen der Partikularismus in den Provinzen und der Gegensatz zwischen Nord und Süd zur Hilfe. Zuerst kam es zu Unruhen in Ssetschuan, als die dortige im Privatbesitz befindliche Eisenbahn verstaatlicht werden sollte. Dann brach in Wu-tsch'ang der Aufstand aus. Teile der Truppen gingen sofort zu den Aufständigen über, und diese eroberten auch Hankou und die Arsenale in Hanyang. Auch in ändern Provinzen gärte es. Sie fielen vom Reiche ab und setzten eigene Provinzialregierungen ein. Die mandschurischen Besatzungstruppen ergaben sich oft ohne Schwertstreich. Die Regierung war machtlos und unentschlossen. Die Mandschu-Prinzen konnten sich nicht zum Handeln aufraffen und gaben ihre Sache sofort verloren. Man wandte sich an Yuan Schi-klai als Retter in der Not und stattete ihn mit

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diktatorischen Vollmachten aus. Er verriet die Dynastie, wie er vorher schon den Kaiser Kuang-hsü verraten hatte. Wahrscheinlich hatte er schon damals den Plan gefaßt, selbst Kaiser zu werden. Die Kaiserlichen hatten inzwischen die drei Städte zurückerobert und waren gegenüber den Rebellen im Vorteil, aber Yuan Schi-k'ai nützte diesen nicht aus, sondern begann endlose Verhandlungen mit den Aufständischen und brachte es endlich so weit, daß die Kaiserin Lung-yü für den jungen Kaiser Hsüan-t'ung am 12. Februar 1912 abdankte. Yuan Schi-k'ai wurde zum Präsidenten der Republik erwählt, herrschte nach Auflösung des Parlaments als Diktator auf Lebenszeit, wollte die konstitutionelle Monarchie einführen und dann selbst den Thron besteigen, wozu alle Vorkehrungen getroffen waren, aber er starb, bevor er seine ehrgeizigen Pläne verwirklichen konnte, im Jahre 1916. Nach seinem Tode wurde das Land durch beständige Bürgerkriege, Kämpfe einzelner Parteigruppen und militärischer Gouverneure, welche sich eigene Heere hielten, zerrissen. Die Zentralregierung in Nanking hatte gegen Nebenregierungen in abgefallenen Provinzen wie Kuang-tung, Kuang-hsi, Fukien zu kämpfen. Die Finanzen, welche zum größten Teü für die Löhnung der Söldnerheere verwandt wurden, gerieten dadurch in Zerrüttung. Einen äußeren Feind abzuwehren waren diese Heere nicht im Stande. Dadurch verlor China sehr bald alle seine Kolonien. Die Mongolei erklärte sich mit russischer Hilfe selbständig. Tibet verjagte die chinesischen Garnisonen und unterhielt seitdem .nur noch sehr lose Beziehungen zu China, Turkestan soll mehr unter russischer als chinesischer Herrschaft stehen, und die Mandschurei wurde China von den Japanern mit Waffengewalt entrissen und zu einem selbständigen Staat unter japanischem Protektorat gemacht. Das Volk, vor allem die Landbevölkerung hatte unter diesen Verhältnissen am meisten zu leiden, denn es wurde mit Steuern bedrückt und von Soldaten und Räuberbanden gebrandschatzt. Der einzige Lichtblick sind die von der Republik durchgeführten Reformen, wodurch China ein ganz anderes Gesicht erhalten hat: Die Verwaltung ist der europäischen angeglichen, sowohl die Ministerien als auch die anderen Zentral- und Provinzialbehörden. Das Volk regiert angeblich mit im Parlament, indenProvinziallandtagen und in den Gemeindeverwaltungen. Heer und Flotte sind modernisiert, aber zur Landesverteidigung immer noch nicht genug. Der chinesische Richter urteilte früher nach Gewohnheitsrecht und Gutdünken, denn geschriebene Gesetze gab es nicht außer im Strafrecht. Jetzt hat man Gesetze nach westländischem Muster geschaffen. Im Familienrecht ist die Stellung der Frau gehoben und die Machtbefugnisse der Eltern gegenüber ihren Kindern sind eingeengt. Sie können nicht mehr ohne ihre Zustimmung verheiratet werden. Das Gerichts- und Gefängniswesen ist verbessert, die mittelalterlichen Strafen sind abgeschafft. Um den Handel zu heben, hat man das Bank- und Kreditwesen europäisiert. Währungsfragen spielen eine wichtige Rolle. Dem Parlament wird ein Budget

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vorgelegt. Fabriken, Bergwerke und Werften sind in großer Zahl neu entstanden. In allen größeren Städten hat man Wasserleitungen, elektrisches Licht, Telegraphen und Telephone. Das Eisenbahnnetz ist weiter ausgebaut, Straßenbahnen und Kraftwagen vermitteln den Verkehr. Das Schulwesen ist ganz umgestaltet und zum Teil neu geschaffen. Früher konnte man sich eine Bildung nur durch Privatstudien entweder bei einem Hauslehrer oder in einer Privatschule erwerben. Der Staat kümmerte sich um das Schulwesen nicht und hielt nur Prüfungen ab. Diese Staatsprüfungen erstreckten sich nur auf die klassische Literatur. Jetzt gibt es überall staatliche Elementar-, Mittel-, Hoch- und Fachschulen. Auch Mädchen erhalten Unterricht, was früher nicht der Fall war. Man studiert außer Chinesisch auch die europäischen Wissenschaften, fremde Sprachen, Geschichte, Geographie, Mathematik und Naturwissenschaften. Auch Turnen, Sport und Musik werden nicht vernachlässigt, und von klein auf wird den Schülern die richtige republikanische Gesinnung eingeimpft. Wissenschaft und Kunst sind zu ungeahntem Leben erwacht. Man hat Bibliotheken, Museen, Bildergalerien und zoologische Gärten angelegt. Akademien und gelehrte Gesellschaften sind entstanden, welche ihre eigenen Zeitschriften herausgeben. Darin wird ernste wissenschaftliche Arbeit auf allen Gebieten geleistet. Die Presse hat einen außerordentlichen Aufschwung genommen und ist dadurch, daß sie sich einer einfachen, leichter verständlichen Sprache bedient, großen Volksteilen, welche früher die in hohem Schriftstil verfaßten Artikel nicht lesen konnten, zugänglich geworden. Man hat Bauten in europäischem Stil ausgeführt, und einige Künstler haben sich sogar in fremder Ölmalerei versucht. Durch das Studium fremder Sprachen ist den Chinesen nicht nur fremde Wissenschaft, sondern auch fremde Dichtung erschlossen worden. Englische, deutsche und französische Romane, Dramen und Gedichte sind ins Chinesische übersetzt worden und haben einen bedeutenden Einfluß auf die chinesische Literatur ausgeübt, indem moderne Dichter sie nachzuahmen versuchten. Die Philosophie hat durch die Aufnahme der europäischen und indischen bedeutend an Umfang gewonnen. Es sind praktische Lehrbücher nach europäischem Muster, Geschichten der Philosophie, Bearbeitungen bestimmter Disziplinen und technische Wörterbücher geschrieben worden. Man hat auch wohl versucht, mit Hilfe des neu gewonnenen Materials weiterzubauen, aber bis jetzt ohne nennenswerten Erfolg. Vorläufig fehlt es noch an schöpferischen Philosophen. Es ist eigentlich nur ein namhafter Denker vorhanden, bei dem aber noch alles chaotisch durcheinander geht, Wu Tschi-hui.

1. Das Eindringen der europäischen Philosophie

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1. Das Eindringen der europäischen Philosophie. Nachdem die Chinesen sich jahrhundertelang ablehnend gegen die westländieche Kultur verhalten hatten, indem sie sich einredeten, daß ihre eigene ihr weit überlegen sei, derselbe selbstbewußte Standpunkt, den sie früher dem Buddhismus und der indischen Kultur gegenüber eingenommen hatten, trat gegen Ende der Tch€ing-Dyn»stie ein Umschwung ein. Man sah ein, daß China auf die Dauer den Westmächten nicht gewachsen sei, und daß der Selbsterhaltungstrieb gebiete, sich das europäische Wissen, namentlich die Technik anzueignen, was die Japaner bereits mit so großem Erfolge getan hatten. Chinesische Studenten lernten fremde Sprachen, besuchten ausländische Universitäten und begannen aus der wissenschaftlichen und der schönen Literatur Werke, die ihnen geeignet schienen, zu übersetzen und zu bearbeiten, und nach fremden Vorbildern schufen sie selbst wissenschaftliche Werke. Auf diese Weise verbreitete sich auch die Kenntnis der europäischen Philosophie und übte auf die chinesischen Denker einen gewaltigen Einfluß aus. Als der erste, der durch Übersetzungen die europäische Philosophie in China bekannt gemacht hat, gilt Yen Fu.1) In England studierte er Mathematik, Logik, Soziologie, Entwicklungsgeschichte und Jurisprudenz. Er übersetzte u. a. Adam Smith, Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, Montesqieu, L'Esprit des Lois, Stuart Mill's System of Logic, aber nur zur Hälfte, und On Liberty, Spencer, The Study of Sociology, von Huxley aus Lectures on Evolution, wobei auch Darwin zitiert wird, ferner Jevon's Logic und Edward Jenks, History of Politics. Anfänglich sehr radikal, wurde er später in seinen Ansichten viel gemäßigter. Während der englische Empirismus durch Yen Fu eingeführt wurde, war der große Gelehrte Wang Kuo-wei2) der erste, welcher auf den deutschen Idealismus hinwies. 1901 bis 1902 las er Kant's Kritik der Reinen Vernunft, dann wandte er sich Schopenhauer zu, der ihm sehr gefiel, später kamen ihm doch Bedenken, und er beschäftigte sich mit Nietzsche. Über beide Philosophen schrieb er einen Aufsatz, worin er auf ihre Unterschiede hinwies. In einigen Schriften vertrat er selbst die Lehre Schopenhauer's. Er verteidigte in einem Artikel die Philosophie und Kunst gegen den Vorwurf, daß sie keinen Nutzen brächten, und bekämpfte in einer anderen Schrift die Ausschließung der Philosophie von den ') $1 Ä· 1853—1921, T. ^ §£ Yo-ling, H. jjj£ Jg Tchi-tao aus |JJ] {£ Min-hou (Fukien), trat mit 15 Jahren in die Marineschule in Ma-tchiang (Kuangsi) ein, 1871 war er Kadett auf chinesischen Kriegsschiffen, auf denen er das Gelbe Meer befuhr, 1875 auf Marine-Akademie in Greenwich, 1880 Leiter der Marineschule in Tientsin. Beim Staatsexamen für den MagisterGrad fiel er zweimal durch. Als China 1894 von Japan zur See geschlagen war, glaubte er, daß China der Wissenschaft ermangele, und begann seine Übersetzungstätigkeit. 1898 wurde er vom Kaiser in Audienz empfangen, 1902 Leiter des Übersetzungsamtes der PekingUniversität, 1912 Präsident der PeJfemjr-Universitat. Bald wegen Krankheit verabschiedet. 2 ) Vergl. S. 622.

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Lehrerseminaren durch Tschang Tschi-tung. Auf den Universitäten könne man, wie Schopenhauer meine, die Philosophie wohl entbehren. Li Yü-ying1) studierte in Paris Landwirtschaft und gelangte dadurch zur Biologie und Zoologie. Er übersetzte Werke von Lamarck und von dem russischen Anarchisten Kropotkin in einer mit Gesinnungsgenossen in Paris gegründeten Zeitschrift Hsin-schi tchi?) „das neue Zeitalter". Darin traten sie für Freiheit und Gemeinschaft ein. Den nachhaltigsten Eindruck scheinen von den modernen Philosophen Nietzsche und Bergson3) gemacht zu haben. Die Zeitschrift -to tsa-tschi*) gab 1920 eine -ZV»e »l· «i Ä

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) Das ist natürlich nur Spott. *) Gerade wir Deutschen sind stark in Systemen.

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2. Wu Tschi-hui

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keiten stieß, da entstand aus dem Denken das vernünftige Wissen und durch dieses wurde der Wüle verstärkt. Darauf wuchs auch die Leidenschaft und dadurch wieder das Wissen in einem Ring ohne Ende. Die Verwandlungen und Umgestaltungen hörten nicht auf und setzten sich fort, ohne daß man Abschnitte machen konnte."1) Also erfolgte die Entwicklung des Geistes in der Reihenfolge: blinde Leidenschaft, Wille, Gefühl, Denken und Vernunft. Ob diese Reihenfolge richtig ist, wollen wir dahingestellt sein lassen. Eine Gottheit dürfte doch wohl alle Kräfte des Geistes, welche uns bekannt, von Anfang an besessen und nicht erst allmählich erworben haben und noch viel mehr, als wir uns vorstellen können. Wu Tschi-hui müht sich ab, zu erklären, was sich wahrscheinlich garnicht erklären läßt, und gerät dadurch in das, was er selbst sehr treffend als philosophische Jongleur- und Akrobatenkunststückchen bezeichnet hat. Das Endziel der ganzen Entwicklung der Welt soll das Wahre, Schöne und Gute sein.2) Wenn wir vor die Wahl gestellt würden, uns für den Himmel des Konfuzius, das Too Lao-tse's, das Vernunftprinzip des Tschu Hsi, oder den Meister der Finsternis des Wu Tschi-hui als höchstes Weltprinzip zu entscheiden, so würde letzterer wohl wenig Stimmen erhalten. 2. Der Mensch. Auf die Frage, was ist der Mensch? gibt Wu Tschi-hui folgende Antwort: Der Mensch ist ein Säugetier,3) das höchstentwickelte, dessen Vorderbeine sich in Hände verwandelt haben. Sein Schädel wiegt 9 /2 Pfund, sein Gehirn 3 Pfund und 2 Unzen, er hat 5048 Nervenzellen. Sein Gehirn ist größer und schwerer als das anderer Tiere und viel feiner durchgebildet. Das sind nur annähernde Zahlen, genauere kann man von den Naturforschern erhalten. In drei Millionen Jahren hat sich der Mensch aus dem Affen entwickelt und in weiteren drei Millionen Jahren wird er zum Übermenschen werden.4) Mag man nun die Welt für ein von Schang-ti geschaffenes Puppentheater halten, oder ein aus der Verknüpfung von Entelechien6) hervorgegangenes Spiel, oder für eine vom Tathägata hervorgerufene Sinnesillusion, jedenfalls spielt sich das Leben auf dem großen Welttheater*) ab. Wir selbst haben das Theater aufgebaut, verfassen die Stücke, und spielen sie selbst. Augenblicklich wird vielleicht gerade der 86,057,000te Akt aufgeführt.7) A.a.O. S. 59: @ & ft & R «, Jft * £ £, &£