Geschichte der Kunstphilosophie und Asthetik, Band 4


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Table of contents :
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Titel
Impressum
Inhalt
Band 4
IX. Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart
1.0. Kontexte
1.1. Beschleunigung – Produktion – Relativität
1.2. Die Künstler in der »Urkatastrophe«
1.3. Russlands Weg in die Diktatur
1.4. Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg
2.0. Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert
2.1. Der Gang in die Abstraktion
2.1.1. Abstraktion, Gegenstandslosigkeit und Selbstreferentialitätder Kunst
2.1.2. Die Wege in die ungegenständliche Kunst und ihre Motive
2.1.3. Die Ambivalenz der Moderne – kunstphilosophische Programmatik und Konsequenzen
2.2. Eine Geographie der »Ismen« der ersten Jahrhunderthälfte
2.2.1. Fauvismus – Expressionismus – Kubismus
2.2.2. Der Monte Verità
2.2.3. Dadaismus
2.2.4. Symbolismus
2.2.5. Surrealismus
2.2.6. Futurismus
2.2.7. Die russische Avantgarde: Konstruktivismus und Suprematismus
2.2.8. Werkbund und Bauhaus
2.2.9. De Stijl
2.2.10. Marcel Duchamp und das Ready-Made
2.3. Die neue »Sprache« der Moderne in der Architektur
2.3.1. Das Ende des Historismus
2.3.2. Positionen der Architektur in der ersten Jahrhunderthälfte
2.3.3. Frank Lloyd Wright
2.3.4. Ludwig Mies van der Rohe
2.3.5. Le Corbusier
3.0. Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in ihrer kunstphilosophischen Bedeutung
3.1. Theosophie
3.2. Einzelpositionen um die Jahrhundertwende
3.2.1. Georg Lukács
3.2.2. John Dewey
3.2.3. Theodor Lipps und das Konzept der Einfühlung
3.2.4. Benedetto Croce
3.2.5. Robin George Collingwood
3.3. Der Neukantianismus
3.3.1. Ernst Cassirer
3.3.2. Nicolai Hartmann
3.4. Kunstgeschichte als Geistesgeschichte – Von der Ikonographie zur Ikonologie
3.4.1. Aby Warburg und der Warburg-Kreis
3.4.2. Die Ikonologie Erwin Panofskys und die Ikonik Max Imdahls
3.5. Die Phänomenologie
3.5.1. Edmund Husserl
3.5.1.1. Biographie und Werk
3.5.1.2. Prolegomena zu einer Ästhetik
3.5.2. Maurice Merleau-Ponty
3.6. Martin Heidegger
3.6.1. Fundamentalontologie
3.6.2. Die Kehre zur »Seinsgeschichte«
3.6.3. Philosophie der Kunst
3.7. Hans Georg Gadamer
3.8. Die Frankfurter Schule und die Kritische Theorie
3.8.1. Theodor Wiesengrund Adorno
3.8.1.1. Die kunstphilosophische Ambition von AdornosPhilosophie
3.8.1.2. Die Ästhetische Theorie
3.8.2. Walter Benjamin
3.9. Sprachphilosophie und Analytische Philosophie
3.9.1. Ludwig Wittgenstein
3.9.2. Nelson Goodman
3.9.3. Arthur C. Danto
3.9.4. Richard Arthur Wollheim
3.9.5. Morris Weitz
3.9.6. George Dickie
3.9.7. Monroe C. Beardsley
3.9.8. Weitere kunstphilosophische Positionen der AnalytischenPhilosophie
4.0. Moderne und Postmoderne
4.1. Die Architektur der modernen Vernunft
4.2. Die Wege in die Postmoderne
4.3. Die Avantgarde zwischen Moderne und Postmoderne
4.4. Der Strukturalismus – Ferdinand de Saussure
4.4.1. Claude Lévi-Strauss
4.4.2. Roland Barthes
4.5. Der Poststrukturalismus
4.5.1. Jacques Derrida
4.5.2. Jean-François Lyotard
4.5.3. Michel Foucault
4.5.4. Georges Bataille
4.5.5. Jacques Lacan
4.5.6. Gilles Deleuze und Félix Guattari
4.6. Die Postmoderne
4.6.1. Die Theorie der Postmoderne
4.6.2. Postmoderne Kunst und Architektur
4.7. Die Thematisierung der Medialität
4.7.1. Marshall McLuhan
4.7.2. Vilém Flusser
4.7.3. Paul Virilio
4.7.4. Jean Baudrillard
4.7.5. Das göttliche Google und eine neue Aufklärung
5.0. Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg
5.1. Kontexte
5.1.1. Die Revolutionen der Sechzigerjahre
5.1.2. Zwischen Technikeuphorie und Zukunftsangst – Apollo 11 und Club of Rome
5.1.3. Das Friedens- und Aufklärungsprojekt der Europäischen Unionund die Bedrohung durch den Nationalismus
5.2. Die Kunst zwischen Adornos moralischem Moratorium und D11
5.2.1. Abstrakter Expressionismus und Informel
5.2.2. Pop Art – Funk Art – Nouveau Réalisme
5.2.3. Minimal Art
5.2.4. Concept Art
5.2.5. Zero und Land Art
5.2.6. Aktionskünste: Performance – Happening – Fluxus – Body Art
5.2.6.1. Der performative Charakter der Kunst
5.2.6.2. get involved!
5.2.6.3. Performance und Fluxus – die Auflösung der Kunstgenres
5.2.6.4. Gegen den Körper – mit dem Körper: Body Art
5.2.6.5. Soziale Plastik und die Heteronomie der Kunst
5.2.7. Zwischen Videokamera und Spam Bots: Medienkunst
5.3. Strömungen der Nachkriegsarchitektur
5.3.1. Die Kritik am Funktionalismus
5.3.2. Die »Ismen« in der Architektur
6.0. Contemporary – Tendenzen der Gegenwart in Architektur und Kunst
6.1. Die Architektur zwischen Funktionalismus und Crossover
6.1.1. Maschine und Utopie
6.1.2. Biomorphie und Metabolismus – physical vs. digital
6.1.3. Blasen – Blobs – Schäume
6.1.4. Sustainability und Co-Working. Der social- und ecological turnin der Architektur
6.2. Bildende Kunst
6.2.1. Crossover: Sampling – Switching
6.2.2. Street Art – Space Invading
6.2.3. Post-Digital – Post-Internet
6.2.4. Kunst – Event – Markt
X. Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung
1.0. Kunstphilosophie und Ästhetik
1.1. Kunstphilosophie
1.2. Ästhetik
1.2.1. Die historischen Wurzeln und ihre gegenwärtige Revitalisierung
1.2.2. Ästhetik als Perspektive auf Kunst und Wahrnehmung
1.3. Schönheit
1.3.1. Der Schönheitsbegriffs in der Tradition
1.3.2. Systematische Anmerkungen zum Schönheitsbegriff
1.3.2.1. Charakteristika des Schönheitsbegriffs
1.3.2.2. Begründungsversuche von Schönheit
1.3.2.3. Schönheit als Form
1.4. Ästhetische Erfahrung statt Schönheit
1.4.1. Ästhetische Wahrnehmung
1.4.2. Ästhetische Eigenschaften und ästhetische Gegenstände
1.4.3. Ästhetik zwischen ästhetisch und künstlerisch
2.0. Was ist Kunst
2.1. Kunstbegriff und Essentialismus
2.2. Kunst – Nachahmung oder Ausdruck
2.2.1. Mimesis als Produktion
2.2.2. Mimesis und Repräsentation
2.2.3. Religiöse und profane Expression
2.3. Wahrheit und Unwahrheit der Kunst
2.4. Deskriptiver und normativer Kunst- und Kunstwerkbegriff
2.5. Zweckfreiheit und Selbstreferentialität der Kunst
2.6. Die Vielfalt der Künste
2.6.1. Ist Architektur eine Kunst?
2.6.2. Die Rangordnung der Künste
2.6.3. Die Interaktion der Künste – ihre Einheit
2.7. Kunst als ästhetische Kommunikation und das Verstehenvon Kunst
2.8. Kunst als Kunstpraxis und als Institution
3.0. Was ist ein Kunstwerk
3.1. Produktionsästhetischer und rezeptionsästhetischerKunstwerkbegriff
3.2. Kunstwerk als Intention
3.3. Das offene Kunstwerk
3.4. Das Kunstwerk als Zeichen
3.5. Die Frage nach dem ontologischen Status des Kunstwerks
3.5.1. Was für ein Gegenstand ist ein Kunstwerk
3.5.1.1. Das Kunstwerk als materieller Gegenstand
3.5.1.2. Das Kunstwerk als mentaler Gegenstand
3.5.1.3. Das Kunstwerk als abstrakter Gegenstand
3.5.1.4. Die Type-Token-Theorie
3.5.1.5. Das Kunstwerk zwischen Original und Vorkommnis
3.5.2. Artefakte – Kunstwerke – Kunstgegenstände
3.5.3. Kunst ohne Werk
4.0. Bild und Bildtheorie
4.1. Vom linguistic zum iconic turn
4.2. The power of image – Das Bild zwischen Magie und Nachahmung
4.2.1. Materialität und Bildobjekt
4.2.2. Oberfläche und Raumtiefe
4.2.3. Bildträger und Bildobjekt
5.0. Geschichte der Kunstphilosophie und Ästhetik – ein Resümee in systematischer Absicht
XI. Verzeichnisse
1.0. Sachverzeichnis
2.0. Namensverzeichnis
3.0. Literaturverzeichnis
3.1. Lexika, Nachschlagwerke, Abkürzungen
3.2. Konsultierte Literatur
4.0. Abbildungsverzeichnis
4.1. Abbildungsnachweise
4.2. Verwendete Abkürzungen der Museen
5.0. Danksagung
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Geschichte der Kunstphilosophie und Asthetik, Band 4

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Bernhard Braun

Geschichte der Kunstphilosophie und Ästhetik

Bernhard Braun

Geschichte der Kunstphilosophie und Ästhetik Band 4

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede ­Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für ­Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. wbg Academic ist ein Imprint der wbg. © 2019 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch dieVereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Einbandgestaltung: Harald Braun, Helmstedt Einbandabbildung: © akg-images / Erich Lessing Innenlayout: schreiberVIS, Seeheim Satz: Dorit Wolf-Schwarz, Innsbruck Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-27070-5 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): ISBN 978-3-534-74515-9 eBook (epub): ISBN 978-3-534-74519-7

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Inhalt IX. Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.0. Kontexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.1. Beschleunigung – Produktion – Relativität . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.2. Die Künstler in der »Urkatastrophe« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.3. Russlands Weg in die Diktatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.4. Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.0. Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert . . . . . . . . . 26 2.1. Der Gang in die Abstraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.1.1. Abstraktion, Gegenstandslosigkeit und Selbstreferentialität der Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.1.2. Die Wege in die ungegenständliche Kunst und ihre Motive . . . . 34 2.1.3. Die Ambivalenz der Moderne – kunstphilosophische Programmatik und Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.2. Eine Geographie der »Ismen« der ersten Jahrhunderthälfte . . . . . 50 2.2.1. Fauvismus – Expressionismus – Kubismus . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2.2.2. Der Monte Verità . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2.2.3. Dadaismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2.2.4. Symbolismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2.2.5. Surrealismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2.2.6. Futurismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2.2.7. Die russische Avantgarde: Konstruktivismus und Suprematismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2.2.8. Werkbund und Bauhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2.2.9. De Stijl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2.2.10. Marcel Duchamp und das Ready-Made . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2.3. Die neue »Sprache« der Moderne in der Architektur . . . . . . . . . . 99 2.3.1. Das Ende des Historismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2.3.2. Positionen der Architektur in der ersten Jahrhunderthälfte . . . . 101 2.3.3. Frank Lloyd Wright . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2.3.4. Ludwig Mies van der Rohe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2.3.5. Le Corbusier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3.0. Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in ihrer kunstphilosophischen ­Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 3.1. Theosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 3.2. Einzelpositionen um die Jahrhundertwende . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3.2.1. Georg Lukács . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3.2.2. John Dewey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 3.2.3. Theodor Lipps und das Konzept der Einfühlung . . . . . . . . . . . . 126 3.2.4. Benedetto Croce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 3.2.5. Robin George Collingwood . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

Band 4

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Inhalt

3.3. Der Neukantianismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3.3.1. Ernst Cassirer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3.3.2. Nicolai Hartmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3.4. Kunstgeschichte als Geistesgeschichte – Von der Ikonographie zur ­Ikonologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3.4.1. Aby Warburg und der Warburg-Kreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3.4.2. Die Ikonologie Erwin Panofskys und die Ikonik Max Imdahls . . . 142 3.5. Die Phänomenologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3.5.1. Edmund Husserl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3.5.1.1. Biographie und Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3.5.1.2. Prolegomena zu einer Ästhetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3.5.2. Maurice Merleau-Ponty . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 3.6. Martin Heidegger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3.6.1. Fundamentalontologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 3.6.2. Die Kehre zur »Seinsgeschichte« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3.6.3. Philosophie der Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3.7. Hans Georg Gadamer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3.8. Die Frankfurter Schule und die Kritische Theorie . . . . . . . . . . . . . 176 3.8.1. Theodor Wiesengrund Adorno . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3.8.1.1. Die kunstphilosophische Ambition von Adornos Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3.8.1.2. Die Ästhetische Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3.8.2. Walter Benjamin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 3.9. Sprachphilosophie und Analytische Philosophie . . . . . . . . . . . . . 192 3.9.1. Ludwig Wittgenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3.9.2. Nelson Goodman . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3.9.3. Arthur C. Danto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 3.9.4. Richard Arthur Wollheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3.9.5. Morris Weitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 3.9.6. George Dickie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3.9.7. Monroe C. Beardsley . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 3.9.8. Weitere kunstphilosophische Positionen der Analytischen Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 4.0. Moderne und Postmoderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 4.1. Die Architektur der modernen Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 4.2. Die Wege in die Postmoderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 4.3. Die Avantgarde zwischen Moderne und Postmoderne . . . . . . . . . 229 4.4. Der Strukturalismus – Ferdinand de Saussure . . . . . . . . . . . . . . . 232 4.4.1. Claude Lévi-Strauss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 4.4.2. Roland Barthes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 4.5. Der Poststrukturalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 4.5.1. Jacques Derrida . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 4.5.2. Jean-François Lyotard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

Inhalt

4.5.3. Michel Foucault . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 4.5.4. Georges Bataille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 4.5.5. Jacques Lacan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 4.5.6. Gilles Deleuze und Félix Guattari . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 4.6. Die Postmoderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 4.6.1. Die Theorie der Postmoderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 4.6.2. Postmoderne Kunst und Architektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 4.7. Die Thematisierung der Medialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 4.7.1. Marshall McLuhan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 4.7.2. Vilém Flusser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 4.7.3. Paul Virilio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 4.7.4. Jean Baudrillard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 4.7.5. Das göttliche Google und eine neue Aufklärung . . . . . . . . . . . . 277 5.0. Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 5.1. Kontexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 5.1.1. Die Revolutionen der Sechzigerjahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 5.1.2. Zwischen Technikeuphorie und Zukunftsangst – Apollo 11 und Club of Rome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 5.1.3. Das Friedens- und Aufklärungsprojekt der Europäischen Union und die Bedrohung durch den Nationalismus . . . . . . . . . . . . . . 291 5.2. Die Kunst zwischen Adornos moralischem Moratorium und D11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 5.2.1. Abstrakter Expressionismus und Informel . . . . . . . . . . . . . . . . 301 5.2.2. Pop Art – Funk Art – Nouveau Réalisme . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 5.2.3. Minimal Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 5.2.4. Concept Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 5.2.5. Zero und Land Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 5.2.6. Aktionskünste: Performance – Happening – Fluxus – Body Art . . 331 5.2.6.1. Der performative Charakter der Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 5.2.6.2. get involved! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 5.2.6.3. Performance und Fluxus – die Auflösung der Kunstgenres . . . . 335 5.2.6.4. Gegen den Körper – mit dem Körper: Body Art . . . . . . . . . . . 340 5.2.6.5. Soziale Plastik und die Heteronomie der Kunst . . . . . . . . . . . . 345 5.2.7. Zwischen Videokamera und Spam Bots: Medienkunst . . . . . . . . 348 5.3. Strömungen der Nachkriegsarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 5.3.1. Die Kritik am Funktionalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 5.3.2. Die »Ismen« in der Architektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 6.0. Contemporary – Tendenzen der Gegenwart in Architektur und Kunst . . . . . . . . 367 6.1. Die Architektur zwischen Funktionalismus und Crossover . . . . . . 371 6.1.1. Maschine und Utopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 6.1.2. Biomorphie und Metabolismus – physical vs. digital . . . . . . . . . 374 6.1.3. Blasen – Blobs – Schäume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380

7

8

Inhalt

6.1.4. Sustainability und Co-Working. Der social- und ecological turn in der Architektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 6.2. Bildende Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 6.2.1. Crossover: Sampling – Switching . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 6.2.2. Street Art – Space Invading . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 6.2.3. Post-Digital – Post-Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 6.2.4. Kunst – Event – Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397

X. Kunstphilosophie und Ästhetik –eine systematische Sichtung . . . . . . . . . 403 1.0. Kunstphilosophie und Ästhetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 1.1. Kunstphilosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 1.2. Ästhetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 1.2.1. Die historischen Wurzeln und ihre gegenwärtige Revitalisierung . 415 1.2.2. Ästhetik als Perspektive auf Kunst und Wahrnehmung . . . . . . . 422 1.3. Schönheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 1.3.1. Der Schönheitsbegriffs in der Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 1.3.2. Systematische Anmerkungen zum Schönheitsbegriff . . . . . . . . . 428 1.3.2.1. Charakteristika des Schönheitsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 1.3.2.2. Begründungsversuche von Schönheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 1.3.2.3. Schönheit als Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 1.4. Ästhetische Erfahrung statt Schönheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 1.4.1. Ästhetische Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 1.4.2. Ästhetische Eigenschaften und ästhetische Gegenstände . . . . . . 446 1.4.3. Ästhetik zwischen ästhetisch und künstlerisch . . . . . . . . . . . . . . 449 2.0. Was ist Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 2.1. Kunstbegriff und Essentialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 2.2. Kunst – Nachahmung oder Ausdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 2.2.1. Mimesis als Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 2.2.2. Mimesis und Repräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 2.2.3. Religiöse und profane Expression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 2.3. Wahrheit und Unwahrheit der Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 2.4. Deskriptiver und normativer Kunst- und Kunstwerkbegriff . . . . . 475 2.5. Zweckfreiheit und Selbstreferentialität der Kunst . . . . . . . . . . . . . 479 2.6. Die Vielfalt der Künste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 2.6.1. Ist Architektur eine Kunst? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 2.6.2. Die Rangordnung der Künste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 2.6.3. Die Interaktion der Künste – ihre Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 2.7. Kunst als ästhetische Kommunikation und das Verstehen von Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 2.8. Kunst als Kunstpraxis und als Institution . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 3.0. Was ist ein Kunstwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 3.1. Produktionsästhetischer und rezeptionsästhetischer Kunstwerkbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511

Inhalt

3.2. Kunstwerk als Intention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 3.3. Das offene Kunstwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 3.4. Das Kunstwerk als Zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 3.5. Die Frage nach dem ontologischen Status des Kunstwerks . . . . . . 524 3.5.1. Was für ein Gegenstand ist ein Kunstwerk . . . . . . . . . . . . . . . . 527 3.5.1.1. Das Kunstwerk als materieller Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . 529 3.5.1.2. Das Kunstwerk als mentaler Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . 534 3.5.1.3. Das Kunstwerk als abstrakter Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . 540 3.5.1.4. Die Type-Token-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 3.5.1.5. Das Kunstwerk zwischen Original und Vorkommnis . . . . . . . . 546 3.5.2. Artefakte – Kunstwerke – Kunstgegenstände . . . . . . . . . . . . . . 555 3.5.3. Kunst ohne Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 4.0. Bild und Bildtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 4.1. Vom linguistic zum iconic turn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 4.2. The power of image – Das Bild zwischen Magie und Nachahmung . 562 4.2.1. Materialität und Bildobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 4.2.2. Oberfläche und Raumtiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 4.2.3. Bildträger und Bildobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 5.0. Geschichte der Kunstphilosophie und Ästhetik – ein Resümee in systematischer Absicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569

XI. Verzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 1.0. Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 2.0. Namensverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601 3.0. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 3.1. Lexika, Nachschlagwerke, Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 3.2. Konsultierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638 4.0. Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 4.1. Abbildungsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 4.2. Verwendete Abkürzungen der Museen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 5.0. Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 722

9

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

IX

12

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart ◀ 590 Banksy, StreetArt auf der Mauer zum Westjordanland; Bethlehem

Dem langen 19. folgte – so das übliche Narrativ – das kurze 20. Jh. Nach dieser Leseart erstreckte es sich vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 bis zum Untergang der Sowjetunion 1989. Es ist hier nicht der Ort, solche geschichtstheoretischen Probleme zu reflektieren. Für unseren Zweck umfasst dieses umfangreichste Kapitel des vorliegenden Werks die Zeitspanne vom Beginn des 20. Jh.s bis in die Gegenwart. In vielerlei Hinsicht bietet diese Zeit nicht nur die avanciertesten theoretischen Konzepte, sondern die künstlerischen und kunstphilosophischen Positionen dieser Zeit bilden einen positiven wie negativen Reflexionsschirm der gesamten Kunst- und Kulturgeschichte. Denn wie in keinem anderen Jahrhundert vorher war diese Künstlern, Architekten und Philosophinnen bekannt – nicht zuletzt durch die großartige Aufarbeitung dieser Geschichte durch die Gelehrten des 19. Jh.s.

1.0. Kontexte Das anhebende 20. Jh. schloss nahtlos an die Eigenart des 19. Jh.s an. Es gab ein kräftiges Wachstum der Städte (von den Futuristen bejubelt), eine atemberaubende Dynamik der Industrie – jetzt nur vereinzelt durchzogen von relativierenden Debatten um den verloren gehenden Wert des Handwerks – sowie der Naturwissenschaften und Technik. Um die Jahrhundertwende und in der Zwischenkriegszeit bildete sich eine Reihe von Kunstströmungen, die teilweise eher verbittert das Bruchszenario mit dem Vergangenen zelebrierten als dass sie eine tragfähige Zukunftsgestaltung projektierten. Eine solche Lust am Bruch mit dem Alten wiederholte sich in den Sechzigerjahren, die den vermutlich nachhaltigsten Projektraum für die Kunst und Architektur der Moderne abgaben.

1.1. Beschleunigung – Produktion – Relativität

Schnerb 1983, 541

Die ersten Jahrzehnte des neuen Jahrhunderts passen in ihren Charakterisierungen über weite Strecken noch ins 19. Jh. und waren zum Teil bereits im letzten Abschnitt Gegenstand der Erörterungen. Die Zeit stand seit dem Beginn der Moderne im Bann des Beschleunigungsparadigmas. Geradezu symbolisch verdichtete sich dies in der rasanten Entwicklung der neuen und spektakulären Technologie der Luftfahrt. Von den 160 Metern, die die Gebrüder Wright 1903 vor fünf (!) Zuschauern mit ihrer Flugmaschine zurückgelegt hatten, bis zu einem 1000-Kilometer-Flug in 6000 Meter Höhe 1914 dauerte es gerade ein Jahrzehnt. »Der Erste Weltkrieg konnte ausbrechen: Die Menschen konnten ihre Schlachten in der Luft austragen.« In der Tat wurde der Erste Weltkrieg zum ersten Krieg der modernen Technik am Boden, auf See und in der Luft. Das Jahrhundert begann mit einer Bevölkerungszunahme in Europa und zugleich mit verstärkter Auswanderung nach Kanada, in die USA und nach Südamerika, vor allem aus England, Irland sowie der iberischen und italienischen Halbinsel, dort wiederum besonders aus dem unterentwickelten Mezzogiorno. Der wirtschaftliche Aufschwung wurde erstmals von einer Expansion des tertiären Sektors getragen.

13

Kontexte

Daneben lösten moderne Industrien immer mehr die alten Manufakturbetriebe ab: Stahl, Chemie, Elektrotechnik. Der im 19. Jh. geführte Streit zwischen Manufaktur und Industrie, der noch im Bauhaus unterschwellig weiterschwelte, war de facto entschieden. Viele Künstler und Architekten, ob Frank Lloyd Wright, Oscar Niemeyer oder Le Corbusier setzten ganz selbstverständlich und mit großer Neugierde auf die neuen industriellen Techniken und machten diese zur Grundlage der neuen Ästhetik. Der Futurismus schließlich war mit der Verherrlichung des Fortschritts schon ein Nachtreten gegen die rückwärtsgewandten Handarbeits-Anhänger à la Ruskin. Die Chemie erschloss der bildenden Kunst und der Architektur ein neues, faszinierendes Material: die breite Palette von Kunststoffen. Bereits im 19. Jh., exakt 1839 wurde von Charles Goodyear die Umwandlung von Kautschuk in Gummi entdeckt (Vulkanisation). Gottfried Semper feierte den neuen Stoff für seine »fast unbegrenzte Wirkungssphäre die Imitation […].« Es folgten Zelluloid und Linoleum, schließlich gelangen Polykondensation, Polymerisation und Polyaddition, Verfahren zur Herstellung hochmolekularer Verbindungen. Das 1907 patentierte Bakelit (nach dem belgischen Chemiker Leo Hendrik Baekeland) war der erste vollsynthetisch industriell hergestellte Kunststoff. Bakelit konnte in jede gewünschte Form gepresst werden, es war ein ideales Material für alle möglichen Gegenstände, die Designer in eine ästhetisch ansprechende Form brachten. Einer der wichtigsten Forscher zur Polymerchemie war der 1953 dafür mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Hermann Staudinger. Die Produktion von Kunststoffen im 20. Jh. explodierte geradezu: Polyvinylchlorid (PVC), Polymethylmethacrylat (Plexiglas), Polyäthylen (PE), Polypropylen (PP), Polyester, faserverstärkte Kunstharze und viele andere mehr. Zusammen mit hochspezialisierten Computerprogrammen sind die Kunststoffe nicht nur für technische Produktion, sondern für bildende Kunst und Architektur nicht mehr wegzudenken. Die Fortschritte der Chemie bildeten auch eine Grundlage für neue Techniken bei Fotografie und Film. John W. Hyatt verbesserte das Zelluloid, das in der Fotografie alle anderen Materialien, darunter die schweren beschichteten Glasplatten, verdrängte und die Grundlage für den Film wurde. Roland Barthes bestritt in Die helle Kammer, dass die Maler an der Wiege der Fotografie standen und meinte dagegen, es seien die Chemiker gewesen. Die Brüder Auguste und Louis Lumière hatten gleichzeitig mit den Deutschen Max und Emil Skladanowsky den Film erfunden. 1895 führten sie zum ersten Mal öffentlich einen Film vor. Georges Méliès synchronisierte Bild und Ton. Frankreich, das noch bis ins 20. Jh. ein landwirtschaftlich geprägtes Land war, übernahm für einige Jahrzehnte in der Filmindustrie die Führung. Erste großindustrielle Fotofirmen entstanden in den USA, darunter Eastman Kodak. Die Jahrhundertwende und die folgenden Jahrzehnte waren eine große Zeit der Physik. Die Entdeckungen zeichneten sich dadurch aus, dass sie die bisherige Sicht der Natur auf den Kopf stellten. 1895 stieß Wilhelm Conrad Röntgen zufällig auf eine neue Strahlung, die er X-Strahlen nannte. Er wurde mit dieser Entdeckung 1901 der erste Träger des Preises (für Physik) der Nobelstiftung. Davon angeregt

VIII.3.2.3.2.1.

Semper 1860, 112

VIII.3.1.2.

14

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Heisenberg 1959, 35

VIII.2.2.1.

Le Corbusier 1923, 108 VIII.2.2.1.

fand 1896 Henri Becquerel zusammen mit Marie und Pierre Curie die Radioaktivität. In radioaktiven Zerfallsreihen verändern sich die chemischen Elemente wie in den alten Alchemistenträumen. Albert Einstein setzte mit der Relativitätstheorie und der Äquivalenz von Masse und Energie einen der nachhaltigsten Impulse unserer Sicht auf die Natur. Er beendete damit den Gedanken an Stabilität und Objektivität im Universum. Louis de Broglie formulierte den Welle-Teilchen-Dualismus des Lichtes und der Materie. Grundlage dafür bot unter anderem die Formulierung des Wirkungsquantums durch Max Planck. Es ist der Tatsache geschuldet, dass elektromagnetische Strahlung nur in bestimmten Portionen (Quanten als kleinstmögliche Einheit) emittiert oder absorbiert wird. Diese Einsichten führten zur Korrektur des Atommodells von Niels Bohr durch die quantenmechanische Deutung der Natur durch Werner Heisenberg und Erwin Schrödinger. Sie war nicht nur in der Physik von großem Interesse, es handelte sich um einen philosophischen und weltanschaulichen Umsturz, vergleichbar mit der Wende vom ptolemäischen zum kopernikanischen Weltbild. Werner Heisenberg, auch er wie alle Erwähnten Nobelpreisträger für Physik (Marie Curie erhielt nach ihrem Physikpreis 1903 auch noch den Nobelpreis für Chemie 1911), brachte das neue Paradigma auf den Punkt: »Das ist allerdings ein sehr merkwürdiges Resultat, das zu zeigen scheint, daß die Beobachtung eine entscheidende Rolle bei dem Vorgang [gemeint ist das Doppelspaltexperiment; BB] spielt und daß die Wirklichkeit verschieden ist, je nachdem, ob wir sie beobachten oder nicht.« Diese Bemerkung zeigt eindrucksvoll, wie sehr der moderne Blick auf die Natur letztlich von den Regeln der transzendentalen Subjektphilosophie im Sinne Kants geprägt ist. Der philosophisch ambitionierte Heisenberg legte, ähnlich wie sein Gesprächspartner Carl Friedrich von Weizsäcker, eine eindrucksvolle Platon-Deutung vor. Mit dem Platonismus grundierte er nicht nur die Unschärferelation und die Bedeutung der Wahrscheinlichkeit, sondern auch die enorme Wichtigkeit der Symmetriegesetze in der modernen Physik. Das Paradigma der Relativität war bereits im 19. Jh. in den Künsten aufgenommen worden, vor allem in der zeitgenössischen Musik. Es ging um die Auflösung der alten Harmoniegesetze durch die Gleichschaltung der zwölf Töne. Das glich einer Revolution in der Vorstellung von Schönheit. Auf dem Energiesektor trat ein nachhaltiger Wandel ein. Der Energieträger schlechthin war das Öl geworden, Diesel- und Benzinmotoren lösten die Dampfmaschine ab. Große Fortschritte in der Industrietechnologie, Verfahrens-, Elektro- und Verkehrstechnik steigerten die Produktivität. 1923 brachte Le Corbusier diese Zeilen zu Papier: »Alle Autos sind im wesentlichen gleich angelegt. Durch den rastlosen Konkurrenzkampf der unzähligen Autofirmen ist jede einzelne von ihnen verpflichtet, den Wettbewerb gewinnen zu wollen. So ist zur bestehenden Standardlösung das Streben nach Perfektion, nach einer über den rohen praktischen Gesichtspunkt hinausgehenden Harmonie getreten, was nicht nur Perfektion und Harmonie, sondern Schönheit bewirkt hat.« Die Erfindung des Fließbandes 1913 durch Henry Ford wurde bereits erwähnt. Das Fließband faszinierte nicht zuletzt die europäischen Architekten der Moderne

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Kontexte

als Symbol der Effizienz amerikanischer Organisationsformen. Die Serienproduktion mit genormten Einheitsgrößen begann. Wie schon im letzten Abschnitt erwähnt, wurde der Mensch für die Produktion von Kleidung nach Konfektionsgrößen vermessen. Die wirtschaftliche Dynamik der ersten Jahrzehnte schob die Architekturszene kräftig an. Eklektizismus und Historismus wichen einer neuen Sprache der Architektur. Sie basierte auf der Verwendung neuer Materialien, in erster Linie Glas und Stahlbeton. Glas ermöglichte die Befriedigung des Wunsches nach Licht, Transparenz und Hygiene, mit Stahlbeton konnte man die »Schachtelform« des Hauses auflösen, freie Grundrisse schaffen und Wand- durch Glasflächen ersetzen sowie neue, organische Formen realisieren. »Die große Reinigung, die Reduktion der Formen, war Bedeutung genug, war das inhaltsschwere Pathos der Avantgarde.« Ein erster Glaskubus als Fabrikgebäude für die Firma Steiff bei Ulm läutete etliche Innovationen im Glasbau ein. Bruno Taut brillierte 1914 bei der Kölner Ausstellung des Deutschen Werkbundes mit einem Pavillon mit Glasdach zum letzten Mal, ehe die Katastrophe des Krieges diesen Aufschwung erstickte und Europas Entwicklung um Jahre zurückwarf. Kam es bereits im 19. Jh. zum Verlust eines flächendeckenden Stils, ist das 20. Jh. von einer völligen Fragmentierung der literarischen und künstlerischen Ansätze geprägt. Die Liste ist uferlos und die Strömungen der Neoromantik, des Realismus, Futurismus, Impressionismus, Expressionismus, Kubismus, Naturalismus, Symbolismus und andere mehr werden im Folgenden komprimiert dargestellt. Der amerikanische Mathematiker Norbert Wiener war der Pionier der neuen interdisziplinären Wissenschaft der Kybernetik und löste damit Angst auf der einen und Visionen und Utopien anregende Phantasien auf der anderen Seite über die sich selbst steuernden Maschinen aus. Die Kybernetik wurde zur Grundlagenwissenschaft der die industrielle Produktion revolutionierenden Roboter-Technologie und der Computer-Technik. In der zweiten Jahrhunderthälfte bildete diese Entwicklung unter anderem Titel die Grundlage der Gegenwartsarchitektur. Ähnlich wie es im Römischen Reich einen Hunger nach der Kunst der griechischen Welt gab, begannen sich interessierte Schichten in der Neuen Welt für die Kunsttradition Europas, darunter vor allem die zeitgenössische Kunst, zu begeistern. Das machte das 20. Jh. zu einem ersten Jahrhundert eines entstehenden weltweiten Kunstmarkts und einer Event-Kultur. Galerien, die wie Firmen agieren und weltweit Filialen unterhalten, Biennalen (seit 1895 jene von Venedig) und Triennalen lancieren mittlerweile einen Hype der zeitgenössischen Kunst. Kunsthändler, -sammler und Kunstkritiker spielen eine immer wichtiger werdende Rolle für die Entwicklung und Bewertung der Kunst. Dazu kommt die neue Dimension der Selbstvermarktung von Künstlern.

Klotz 1994, 109

6.1.

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

1.2. Die Künstler in der »Urkatastrophe«

Schnerb 1983, 671

VIII.1.2.

Ebd., 611 Kriegspropaganda

Winkler 2009, 1153f

»Den Europäer, der im Jahr 1914 den Atlas aufschlägt, erfüllt der Anblick seines Territorialbesitzes mit Stolz. Fast ganz Afrika und Ozeanien, die Hälfte Asiens und ein Viertel Amerikas gehörten ihm.« Das Jahr 1814, in dem eine Neuordnung Europas unternommen wurde, lag ein Jahrhundert zurück und der Wiener Kongress war zwar eine Antwort auf den sich neu bildenden Nationalismus, aber er vermochte diese Geißel nicht auszumerzen. Im Gegenteil, inzwischen hatten sich die Interessen der europäischen Nationalstaaten verfestigt, weil sie durch ihre Überseegebiete global geworden waren. Das Denken der politischen Masterminds war von Großmachtphantasien des 19. Jh.s geprägt und nicht von der modernen Vorstellung eines kreativen wirtschaftlichen und kulturellen globalen Wettbewerbs. Der Krieg, von denen weltweit zahlreiche tobten, galt immer noch als ein legitimes Mittel der Durchsetzung von politischen Interessen. Dazu kam die gefährliche Verführung durch die einseitig verteilten Erfolge der Technik, welche die Schwelle zwischen Politik und Krieg in den Ländern Zentraleuropas sinken ließ. Wie sehr diese Gemengelage die Wahrnehmung verzerrte, zeigt sich darin, dass die k. und k. Monarchie die großserbische Ambition und das Deutsche Reich den fehlenden Weltmacht-Status offenbar nicht anders denn als tödliche Bedrohung dechiffrieren konnten. Das Wilhelminische Deutschland empfand sich gegen Ende des 19. Jh.s angesichts der reichen Kolonialstaaten ringsum trotz seiner lebendigen Wirtschaft und industriellen Leistungsfähigkeit in ein Abseits gedrängt. Es befürchtete den Verlust von Absatzmärkten und leistete sich eine kostspielige Aufrüstung. »Das si vis pacem para bellum forderte unerbittlich – und im alten Europa wohl unvermeidlich – seinen Preis.« Dazu kamen unsägliche Geschichten, die in zahlreichen Büchern mit hohen Auflagen kursierten. Sie bewirtschafteten ein Klima, in dem das Narrativ eines vermeintlich unvermeidlichen bevorstehenden Krieges gedieh. Der aus estnischem Adel stammende deutsche Militärhistoriker Friedrich von Bernhardi vulgarisierte in seinem Buch Deutschland und der Nächste Krieg (1912) Darwin, indem er den Krieg als Ausleseverfahren für wertvolle Rassen pries und den Weg Deutschlands zur glorreichen Weltmacht skizzierte. Solche Thesen wurden bevorzugt in nationalistischen Wehrvereinen verbreitet. Sie dienten unter anderem als Munition im Kampf gegen den Pazifismus, in Deutschland vertreten vor allem durch die Sozialdemokraten mit ihrem Führer August Bebel. Der Historiker Volker Ullrich nennt das Deutschland der Vorkriegszeit eine »nervöse Großmacht«, die befürchtete, dass die Sozialdemokraten mit ihrer marxistischen Doktrin (bei der Reichstagswahl 1912 zur stärksten Fraktion geworden) bald jede Weltmachtambition verunmöglichen könnten. Der aus Mainz stammende Rechtsanwalt Heinrich Claß, einige Zeit Vorsitzender des nationalistischen Alldeutschen Verbandes, warb in einem Buch, das bis 1914 fünf Auflagen erreichte, für den Krieg, den Deutschland nicht fürchten müsse, und hetzte gegen das allgemeine Wahlrecht und gegen die Juden. August Winkler spricht von einem nationalistischen Populismus, der auch bei den gebildeten Schichten verfing. Es gab geheimbundartige Einrichtungen, wie den Reichshammerbund mit dem

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Kontexte

Germanenorden, der das Hakenkreuz zu seinem Logo erkor und einschlägigen Aktivismus entfaltete. In der Nähe dieser Bünde fand sich auch der 1901 als Verein gegründete Wandervogel, eine wichtige Einrichtung der Jugendbewegung, in der es deutliche antisemitische Tendenzen gab. Von der überdrehten Zeit am Vorabend des Krieges zeichnet der deutsche Kulturjournalist Florian Illies in einem ungewöhnlichen Buch ein plastisches Panorama. Er beschreibt, immer am heftigen Pulsschlag der handelnden Personen aus Literatur und Kunst, die enorme Dynamik des Zeitgeistes, die bisweilen selbst jene Zeitgenossen überforderte, die den neuen Entwicklungen durchaus aufgeschlossen gegenüberstanden. Burnout, damals Neurasthenie genannt, war omnipräsent. Der als Bibliothekar an der Technischen Hochschule in Wien arbeitende Robert Musil erhielt im März 1913 diese Diagnose von seinem Nervenarzt, »infolge deren er berufsunfähig ist.« Solch abwegige Spinnereien wurden intellektuell geadelt durch ihre Aufrüstung mit den Ideen Darwins (wenn auch in ihrer vulgärsten Fassung vom Recht des Stärkeren) und dem élan vital der Lebensphilosophen. Resultat war ein am Beginn des Jahrhunderts verbreitetes Narrativ, wonach ein Krieg eine kathartische Wirkung zeitige und zur Verjüngung und Gesundung einer Gesellschaft führe. Der Krieg war nicht mehr bloßes Instrument eines Imperialismus, ihm wurde eine bioethische und kulturelle Funktion zugeschrieben. Das prägte sich, auch abseits des den Krieg geradezu verherrlichenden Futurismus, in viele Köpfe ein. Die Untersuchungen zum Ersten Weltkrieg finden ihren Niederschlag in einer unübersehbaren und gelehrten Literaturflut. Diese Untersuchungen changieren zwischen den Polen einer bewusst gesteuerten Unternehmung und eines geradezu passiven Hineinschlitterns in die Katastrophe und pendeln sich meist in einer mehr oder weniger ausgewogenen und verschieden differenzierten Mittelposition ein. Meist wird die Schuldfrage auf die Schultern der Mittelmächte (Deutsches Reich, Österreich-Ungarn mit den Verbündeten, das Osmanisches Reich und ab 1915 Bulgarien) verteilt. Auch Ian Kershaw geht in seiner monumentalen Studie zum »Jahrhundert des Krieges« vom überbordenden ethnischen Nationalismus, territorialen Ansprüchen, Antisemitismus und der Krise des Kapitalismus aus. Dass die zerstörerischen Kräfte nicht eingedämmt werden konnten, lag seiner Meinung nach nicht zuletzt an den versagenden Politikern, denen Christopher Clark den prägnanten (von Hermann Broch entlehnten) Titel »Schlafwandler« verliehen hat. Auch Clark zeigt (mit umfangreichen Recherchen in den Archiven), ohne die Mittelmächte von ihrer Verantwortung zu entlasten, welch explosives Gemisch dieses Europa am Beginn des neuen Jahrhunderts insgesamt war. Den Funken, der die Explosion auslöste, warfen die serbisch-bosnischen Nationalisten mit dem Mordanschlag des Gavrilo Princip auf den österreichischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin am 28. Juni 1914 in Sarajevo. Der Erzherzog fuhr trotz der hochgradig aufgeladenen Situation mit seiner Frau in offenem Wagen durch die Stadt, wo nicht weniger als sechs Attentäter auf der Lauer lagen. Als ob man auf einen solchen Anlass gewartet hätte, waren sich Wien und Berlin schnell einig, Serbien dafür zu bestrafen und dessen Großmachtphantasien im

Illies 2012

Ebd., 90

Ursachen des ­Ersten Weltkriegs

Kershaw 2015, 13

Clark 2012

18

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Winkler 2009, 1185

Matt 2014

Hülk 2016, 365

Kaufmann 2014

Keim zu ersticken. Die Beteiligten wussten wohl, dass sie einen großen europäischen Krieg auslösten, aber Deutschland wollte es mit dem aufrüstenden Russland lieber gleich als später aufnehmen. »Die tiefere Kriegsursache war der Wunsch Deutschlands, seine politische Vorherrschaft in Europa zu errichten und von der Großmacht zur Weltmacht aufzusteigen.« Wien, das sich in seinem Vielvölkerstaat mehr und mehr einem nationalistischen Aufbegehren gegenüber sah, ging es letztlich auch um die Statuierung eines Exempels. Das berühmte Wort von der »österreichischen Versuchsstation des Weltuntergangs« prägte am 10. Juli 1914 Karl Kraus in einem Nachruf auf Erzherzog Ferdinand in der Fackel. Für Peter von Matt hat kein Historiker »den kausalen Konnex zwischen einem Kaffeehausgespräch und dem Verenden im Sturmangriff jemals so zwingend aufgedeckt« wie der Dichter Kraus. Aber – und das wird gerne übersehen – Kraus bediente auch wie kein zweiter die antifranzösischen Klischees und griff in seinem Pamphlet Heine und die Folgen in die unterste Schublade der Polemik, wenn er Heine beschimpfte, er habe die »Franzosenkrankheit« nach Wien gebracht. »Die Metapher ist gemein und entsetzlich und erstickt das Gelächter selbst des hartgesottensten Satirikers: Denn Kraus setzt die ›Franzosenkrankheit‹, sprich die Syphilis, und das Feuilleton in eins, überträgt die virale Ansteckungskraft durch Sex […] auf das Feuilleton und benützt schamlos das moralische Verdikt, das häufig diese Krankheit trifft, als Argument seiner Pressekritik: […].« Neben den Feuilletonisten bekamen die jüdischen Assimilationsverweigerer ihr Fett ab, gegen die Nationalisten und Antisemiten entwickelte er jedoch kaum eine besondere kämpferische Ambition. Als das zaristische Russland nach der Kriegserklärung Wiens unter scharfem Protest der Bolschewiki eine Generalmobilmachung anordnete, war der Weg für die europäischen Mächte geebnet, unter Gesichtswahrung auf Seiten Österreichs oder Russlands in den großen Krieg einzutreten. Durch die Kriegserklärung Japans (das im Schatten der Vorgänge in Europa Aspirationen auf China einlösen wollte) an Deutschland und Österreich 1914 wurde dieser Krieg sofort zu einem globalen Krieg. Der Erste Weltkrieg war der erste Krieg mit industrieller Technik. Die Errungenschaften des 19. Jh.s, Gewinnung von Distanz, die Vorteile an Mobilität durch Eisenbahn und Flugzeug, sowie die Entwicklung des Panzers, die Fortschritte der Chemie, die Geschwindigkeit der Nachrichtenübermittlung, der Einsatz der Fotografie, schlugen sich nun nieder in der wichtigen Rolle der Artillerie, der schnellen Verschiebung von Truppen und dem (am Anfang von Wissenschaftlern überwachten) Einsatz von Giftgas und in neuen fotografischen Analysen zur Feindaufklärung. »Töten und Getötetwerden wurde in Form eines anonymen Kriegsgeschehens erfahren.« Die Herstellung diverser Waffensysteme war standardisiert und normiert, damit besonders effektiv. Durch die Köpfe der militärischen Planer spukte die Vision eines mobilen und motorisierten Krieges, indes ist dieser Krieg durch jahrelangen statischen Grabenkampf über 700 Kilometer Länge (an der Westfront) charakterisiert. Erst der Eintritt der Vereinigten Staaten 1917 auf Seiten der Alliierten brachte wieder Dynamik in das Geschehen und führte letztlich zur Niederlage der Mittelmächte.

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Kontexte

Die Folgen waren verheerend. Europa war ein anderer Kontinent geworden, Reiche waren verschwunden, ein Flickenteppich von Kleinstaaten entstand, eigentlich gab es nur Verlierer, wenn man vielleicht von Amerika absieht, wo man Vorteile orten könnte. Der amerikanische Historiker und Diplomat George Kennan prägte für das Geschehen das berühmt gewordene Wort der »Urkatastrophe«. Kein Land und keine Hauptstadt in Europa wurden dermaßen gedemütigt und erlebte eine solchen Identitätsbruch wie Österreich mit seiner Hauptstadt Wien, das sich nach dem »Weltuntergang« als unbedeutender Kleinstaat wiederfand, an dessen Lebensfähigkeit die wenigsten glaubten. Dabei war dieses Wien »eine Weltstadt geworden, was man in der ganzen Welt sah und spürte, nur in Wien selbst nicht […].«/»Hier tobten die Kämpfe um das Unbewusste, die Träume, die neue Musik, das neue Sehen, das neue Bauen, die neue Logik, die neue Musik.« Es ist schwer zu begreifen, dass die oben erwähnten krausen Theorien bei so vielen Künstlern und Intellektuellen verfingen und eine Kriegsbegeisterung auslösten. Zwar war die Meinung verbreitet, dass der Krieg »ein kurzes, aufregendes und heroisches Abenteuer mit einem schnellen Sieg und geringen Verlusten […]« sein würde, aber er platzte mitten in die Blüte der Avantgarde, die in den Künstlervereinigungen grenzüberschreitende Beziehungen pflegte. Die Künstler waren international gut vernetzt, schätzten Paris, London, Berlin, München, Wien, Prag, St. Petersburg, Moskau. Aber nun schien in der Tat die utopische Vision von der Erneuerung der Gesellschaft, ja der ganzen Welt nicht mehr in den Narrativen der Avantgarde gelegen zu haben, sondern in abstrusen nationalistischen Geschichten. Diese seltsame Ambivalenz ist schließlich ein wenig attraktives Kennzeichen der Moderne des 20. Jh.s geworden, das man nicht umschiffen darf und das uns noch eigens beschäftigen wird. Max Liebermann erwartete sich eine Überwindung des Materialismus, Franz Marc eine Reinigung des alten Europa, das ihm den Zugang »zum eigentlichen Sein jenseits aller Sinnestäuschungen« ermöglichen sollte. Otto Dix malte sich 1915 als Kriegsgott Mars. Max Beckmann zog freiwillig in dieses »Reinigungsunternehmen«, weigerte sich aber, auf Franzosen und Russen zu schießen. Die einen waren seine Vorbilder, die anderen Landsleute des bewunderten Dostojewskij. Er sah im Krieg wohl auch ein ästhetisches Erlebnis, denn »meine Kunst kriegt hier zu fressen.« Ähnlich wie Ernst Ludwig Kirchner brach er über der Realität des Krieges verzweifelt zusammen. Kirchner, der Begründer der Künstlergruppe Die Brücke, posierte 1915 in Uniform in seinem Atelier, nachdem er sich freiwillig gemeldet hatte. Auch der Kriegsfreiwillige und Kriegsmaler Oskar Kokoschka fertigte Selfies an, Postkarten, auf denen er in Uniform abgebildet ist. Selbst die sozialdemokratische Künstlerin Käthe Kollwitz ließ ihre beiden Söhne eher leichten Herzens in den Krieg ziehen, im Glauben an einen gerechten, ehrenvollen und ritterlichen Verteidigungskrieg, vor allem gegen den russischen »Despotismus«. Einer von ihnen fiel gleich 1914. Der Leutnant Ernst Jünger schwadronierte in seinen Tagebüchern von einem »Duell« mit »hohem Reiz«: »Man lebt, man erlebt, man gelangt zu Ruhm und Ehren, das alles nur um den Einsatz eines armseligen Lebens.«

Pfoser/Weigl 2013 Illies 2012, 41f/44 Kriegsbegeisterung

Kershaw 2015, 64

2.1.3.

Marc, zit. nach Clemenz 2014, 25

Beckmann, zit. nach Kohler 2014, 26

Jünger, zit. nach Frevert 2014

20

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Marc, zit. nach Clemenz 2014, 26

2.2.6.

2.2.3.

Mendelsohn, zit. nach Detterer 2014

Franz Marc sah einen »Anfang der Dinge« vor sich, vor denen er mit pochendem Herzen stehe. Er faselte vom Tod als Erlöser, von Sterbelust und vom Glück der gefallenen Soldaten. Aber auch nationalistische Wortspenden, die an die Propaganda-Parolen des Alldeutschen Verbandes erinnern, gab er von sich. Dazu kam ein Männlichkeitschauvinismus, der an das Futuristische Manifest Marinettis erinnert: »Der wissende, strenge Typus des neuen Europäers wird ein männlicher Typus sein; er wird auch die Erotik, statt sie und sich dem Weibe zu überantworten, wieder seine Sache werden lassen.« Erst 1916, kurz vor seinem Tod, änderte Marc im Trommelfeuer der Schlacht von Verdun seine Meinung und revidierte den Glauben an die Reinheit des neuen Europa und die Erlösung durch den Krieg. Er fiel am 4. März vor Verdun und teilte das Schicksal mit anderen Freiwilligen, unter ihnen die Futuristen Antonio Sant’Elia und Umberto Boccioni. Der enge Freund der letzten Jahre, August Macke, war bereits im ersten Jahr des Krieges gefallen. Auch der international gut vernetzte Macke hatte sich freiwillig gemeldet, aus dem Feld dann aber Briefe voll des Grauens geschrieben. Ohnehin wenig Skrupel kannten die italienischen Futuristen, die sich darauf freuten – so Marinetti 1915 – die »wahnsinnigen Skulpturen« zu bewundern, »die unsere inspirierte Artillerie aus der Masse des Feindes formt.« Paul Klee sah als einer der wenigen klarer und bedauerte »das Unglück« dieses Krieges, der die Freundschaft mit den französischen Künstlern so sehr auf die Probe stellte. Bald kippte die Stimmung. Die Bilder der Künstler zeigen fahle, ausgemergelte Gesichter, die Zerstörung des Krieges spiegelt sich in zerstörten Bildern. Max Beckmann und Otto Dix malten ausdrucksvolle Antikriegsbilder. Viele standen angesichts der längst laufenden Internationalisierung auch zwischen den Stühlen: Der in Mannheim geborene Daniel-Henry Kahnweiler, der als Pariser Galerist und unermüdlicher Förderer der Kubisten Kontakte zwischen Frankreich und Deutschland pflegte, wurde 1914 zum feindlichen Ausländer und floh in die Schweiz. Dem Elsässer Hans Arp erging es gleich. Er schloss sich in der Schweiz der Dada-Gruppe an, gleichsam um dem Grauen mit Unsinn zu begegnen. Nicht anders erging es den russischen Mitgliedern des Blauen Reiter, Alexej von Jawlensky, Marianne von Werefkin, Wassily Kandinsky. Etwas realistischer scheinen die Architekten gewesen zu sein, die am Beginn des Jahrhunderts große Erfolge feierten und für viele Innovationen verantwortlich zeichneten. Zwar wurden auch sie einberufen, aber es ist wenig Begeisterung überliefert, auch Berichte über freiwillige Meldungen sind spärlich. Erich Mendelsohn schrieb 1917 von der Russland-Front an seine Frau: »Nach einem Jahrtausend gebiert das Ungetüm Welt eine neue Zeit. Raum, Zeitgesetz hören auf, die Kontur verschiebt sich gegen alle Perspektive« und er berichtete von seiner Verzweiflung über das Erlebte.

1.3. Russlands Weg in die Diktatur In Russland braute sich am Beginn des Jahrhunderts eine explosive Mischung zusammen. Der Russisch-Japanische Krieg (1904/05) um Einflusssphären in der Mandschurei und in Korea ging verlustreich verloren – nur ein Hinweis auf die wirtschaft-

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Kontexte

liche und technologische Rückständigkeit des Landes, das im Konzert der großen europäischen Spieler nur mehr eine untergeordnete Rolle spielte. In den Städten hatte sich auf der einen Seite ein Industrieproletariat gebildet, auf der anderen die unzufriedene Schicht einer Intelligenzija. Rezession und soziale Missstände wurden durch Zar Nikolaus II. mit Repression beantwortet. 1905 probte eine bunte Mischung aus Arbeitern, Bauern, Matrosen, aber auch Adeligen und Intellektuellen den Aufstand. Ihren traurigen Höhepunkt fanden die Aufstände am 22. Januar, an dem Soldaten ohne Vorwarnung auf friedlich demonstrierende Arbeiter schossen und 130 Todesopfer liegen blieben. Einen berühmt gewordenen Filmstoff lieferte die Meuterei auf dem Panzerkreuzer Potemkin (Regie: Sergei Eisenstein; 1925). 1912 spaltete sich die Sozialdemokratische Arbeiterpartei in die Anhänger Lenins (Bolschewiki), die dem bewaffneten Aufstand das Wort redeten, und den rechten Flügel (Menschewiki), der eine Reform auf legalem Weg und über Koalitionen mit der kritischen Intelligenz in der Duma anstrebte. Trotz dieser Konstellation und der verbreiteten Proteste resümiert Heinrich Winkler: »Revolutionär aber konnte man die Situation in Rußland am Vorabend des Ersten Weltkrieges nicht nennen: […].« Der Ausbruch dieses Ersten Weltkriegs verschaffte dem Zaren nur kurz Luft, bald machte sich der Unmut wieder breit, was schließlich 1917 die Februarrevolution auslöste, die das zaristische Regime beendete. Aufstände und Meutereien einzelner Truppenteile, angefeuert von Räten der Arbeiter und Soldaten (Sowjets), zwangen Nikolaus II. am 15. März 1917 zur Abdankung. Ein Jahr später wurden er und seine gesamte Familie ermordet. Unter der Führung Lenins, der am 3. April aus dem Schweizer Exil zurückgekehrt war, errangen die Bolschewiki in wichtigen Städten eine Mehrheit. Das Geld für die politischen Kampagnen stammte aus Bank- und Postwagenüberfällen. Unter dem Schlagwort »Alle Macht den Sowjets« wurde darauf geachtet, die provisorische bürgerliche Regierung nicht Tritt fassen zu lassen. Für Lenin war es eine historische Notwendigkeit, dass der Weg in die »Diktatur des Proletariats und der Bauern« über die bürgerliche Revolution führt. Dieser Weg implizierte eine neue Gesellschaft und einen neuen Menschen, Ziele, für die sich auch viele Vertreter der künstlerischen Avantgarde begeisterten – freilich mit erheblich anderen Vorstellungen über Formen und Methoden, um diese Ziele zu erreichen. Die Oktoberrevolution (nach Julianischem Kalender) am 7. November desselben Jahres begründete gegen geringen Widerstand die »Russische Sowjetrepublik« und durch einen Sonderfriedensvertrag mit Deutschland endete für Russland der Krieg im März 1918, ehe er mit der Niederlage der Zentralmächte im November mit weit mehr als zehn Millionen Toten und einem ruinierten Europa zu Ende ging. Verstaatlichungen und Enteignungen von Großgrundbesitz in Russland hatten eine Hungersnot zur Folge, die Ausschaltung der unabhängigen Gerichtsbarkeit und der Pressefreiheit waren die Grundlage einer nun folgenden Diktatur. Der Bürgerkrieg zwischen den Kriegsanhängern auf der einen und den Pazifisten auf der anderen Seite wurde von Lenin mit dem Anspruch einer neuen proletarischen Weltmacht geführt. 1922 wurde ein bolschewistischer Vielvölkerstaat

Winkler 2009, 1146

Oktoberrevolution

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Lenin 1920a, 513; im Orig. kursiv

Altrichter Helmut in Kat. 2016d, 36

Lenin 1920b, 307 Josef Stalin

Sozialistischer Realismus

gegründet (»Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken«, UdSSR), erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er durch den Gewinn der Staaten Osteuropas zu einem internationalen Mitspieler. Lenin schwebte eine Industrialisierung nach westlichem Vorbild vor, die er mit den Charakteristiken des Sowjetsystems verbinden wollte: »Kommunismus ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes.« Die kurios anmutende Gleichung ergab sich aus der Hoffnung, durch Elektrifizierung des riesigen Bauernstaates gleich »mehrere Entwicklungsstufen zu überspringen und unmittelbar zu einem kommunistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem überzugehen.« Dazu kam eine große Bildungsoffensive gegen den Analphabetismus – durchaus mit Erfolgen. Mit dieser neuen Ideologie wurde die gesamte Kultur als »proletarische Kultur« auf einen instrumentellen Gebrauch für die Staatsideologie verkürzt. Lenin schrieb: »In der Sowjetrepublik der Arbeiter und Bauern muß die gesamte Organisation des Bildungswesens, sowohl auf dem Gebiet der politischen Bildung im allgemeinen als auch auf dem Gebiet der Kunst im besonderen, vom Geist des Klassenkampfes durchdrungen sein, den das Proletariat zur Verwirklichung der Ziele seiner Diktatur führt, […].« 1924 starb Lenin. Aus einem heftig geführten Nachfolgeringen ging Josef Stalin als neuer Generalsekretär der Kommunistischen Partei hervor und er sicherte sich seine Macht durch Säuberungen und brutalen Terror gegen Links- und Rechtsabweichler. Mit äußerster Brutalität setzte er neue landwirtschaftliche Produktionsordnungen (Sowchosen und Kolchosen) durch. Es kam zu Verfolgungen, Deportationen und Hinrichtungen missliebiger Personen, darunter auch ganzer ethnischer Gruppen. Schätzungen gehen von bis zu 20 Millionen Ermordeten aus. Auch die Kunst wurde sehr bald auf die Verherrlichung der neuen Ideologie funktionalisiert. Man erwartete mimetische Kunst, welche heroische Ereignisse, bedeutende Persönlichkeiten und den Sozialismus schlechthin glorifizierte. Entwürfe für Denkmäler waren ein wichtiges Thema, ebenso wie Agitationsplakate und Rednerbühnen. Gehörte man den Schulen der in Russland so kreativen und aktiven Avantgarde an, war das ein Disqualifizierungsmerkmal. Kurze Zeit liefen diktatorische Repression und international anerkannte Avantgarde nebeneinander. 1936 ließ Stalin seiner Wut in einem Artikel in der Prawda freien Lauf, nachdem er Dmitri Schostakowitschs Oper Lady Macbeth von Mzensk (1934) gesehen hatte. Der dem russischen Futurismus nahestehende Musiker hatte in dem aufrührerischen Stück eine politische Provokation verpackt. Es handle sich um einen »Anschlag auf den guten Geschmack« und um ein Stück »hässlicher Musik«. Stalins Aufsatz zeigte, dass Künstler, die solches wagten, in Lebensgefahr gerieten und es war ein Wendepunkt der Kultur Russlands, hin zu der anspruchslosen Doktrin des Sozialistischen Realismus. Grundsätzlich war Kunst als Topos des Überbaus eine bloße Widerspiegelung bestehender Produktionsverhältnisse. In den Dreißigerjahren des 20. Jh.s bildete sich der Sozialistische Realismus als die offizielle Kunstpolitik der Sowjetunion und ihrer Satelliten heraus. Es war eine ideologische und dogmatische Doktrin. Im Statut des Verbandes der Sowjetschriftsteller von 1934 heißt es: »Der sozialistische Realismus, der die Hauptmethode der

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sowjetischen schönen Literatur und Literaturkritik darstellt, fordert vom Künstler wahrheitsgetreue, historisch konkrete Darstellung der Wirklichkeit in ihrer revolutionären Entwicklung. Wahrheitstreue und historische Konkretheit der künstlerischen Darstellung muß mit den Aufgaben der ideologischen Umgestaltung und Erziehung der Werktätigen im Geiste des Sozialismus verbunden werden.« Louis Aragon, der Anhänger des Sozialistischen Realismus, prägte 1935 auf einem Schriftstellerkongress den Ruf retour à la réalité. Am offensten in der Funktionärsriege stand noch Leo Trotzki der Avantgarde gegenüber. Er war vor allem von den utopischen Ideen der sogenannten Kosmisten beeindruckt, die, ausgehend von der Weltbewusstseinsvorstellung (Noosphäre) des russischen Philosophen Nikolai Fjodorow, vom neuen Staat die Umsetzung der Unsterblichkeit des Menschen und die Besiedelung des Kosmos erwarteten. Sogar eine gewisse Autonomie für die Kunst erkannte er an. »Es stimmt nicht, daß bei uns nur jene Kunst als neu oder revolutionär gilt, die vom Arbeiter redet, und Unsinn ist es, zu glauben, wir forderten von den Dichtern, daß sie unbedingt den Fabrikschornstein oder einen Aufstand gegen das Kapital schildern.« Aber: »Es versteht sich von selbst, daß die neue Kunst organisch gar nicht anders kann, als den Kampf des Proletariats in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit zu rücken.«

1.4. Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg Der Erste Weltkrieg war die Lunte für den Zweiten, der mit der Judenvernichtung – neben den Massenmorden Stalins – die größte Monstrosität der neueren Geschichte mit sich brachte. Nicht nur die schwärende Kränkung durch die Niederlage, auch die Tatsache, dass die sozialdemokratische Regierung in Deutschland nach der Ausrufung der Republik 1918 die Feinde der Demokratie, unter ihnen die Armee, nicht auf die Republik einschwören konnte, bereitete einen Boden für die Fortsetzung jener in 1.2. berichteten nationalistischen und antidemokratischen Phantastereien. In seinem 1923 erschienenen Buch Das dritte Reich entwarf der Kulturtheoretiker Arthur Moeller van den Bruck die Vision eines Sozialismus und Nationalismus vereinigenden Reichs, das dem Heiligen Römischen Reich und dem Deutschen Kaiserreich nachfolgen sollte. Er grub dazu in den Schriften Joachim von Fiores und Tommaso Campanellas, paraphrasierte Hegel und phantasierte auf den Spuren des russischen Symbolisten Dmitri Sergejewitsch Mereschkowski von der Verschmelzung der Kultur des Westens mit der Spiritualität des Ostens, die Moeller mehr schätzte als den Liberalismus des Westens, gar jenen Amerikas. Aus solchen Wurzelgründen braute der Nationalsozialismus ein Gemisch aus Nationalismus, technologischem Fortschritt, sozialem Ausgleich, ein Gebräu, das als ästhetischer Kult mit dem Anspruch auf Heilung aller Probleme geschickt vermarktet wurde. Verstärkung erfuhr die Botschaft aus einem Sündenbockmechanismus gegen vermeintliche Feinde des Volkes, kurzum eine, wie Ian Kershaw das nennt, »Erlösungspolitik«. Heilung und Erlösung hatte die Zeit anscheinend bitter nötig. Die Zeit war ein seltsames Gemisch aus einem Anfang der Zwanzigerjahre, nach entbehrungsreichen Hungerjahren unmittelbar nach dem Krieg, einsetzenden

zit. nach Klein Wolfgang in ÄGB 5, 180

Trotzki, zit. HW, 537

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Goldene Zwanziger

Adolf Hitler

Goebbels, zit. nach Bocola 1994, 391

Aufschwung in Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst, wofür man den Ausdruck Goldene Zwanzigerjahre prägte, auf der einen Seite und dem Absturz durch Weltwirtschaftskrise und Börsenkrach in Amerika 1929. In kaum einer Stadt lässt sich diese widersprüchliche Dynamik besser nachvollziehen, als in Berlin. Die Theater- und Filmbühnen boomten, die Expressionisten sorgten für Aufruhr, neue Tänze wie der Charleston kamen auf, Jazz wurde gespielt. Die Modernisierung in Kleidung und Lebensart stärkte auch die Rolle der Frau. Doch es gelang nicht, die hohe Arbeitslosigkeit zu senken und das verbreitete Elend in den Griff zu bekommen, was sich durch die Wirtschaftskrise weiter verstärkte. Die diese historische Konstellation bündelnde und sie in ihrer ganzen Dramatik politisch erfolgreich umsetzende Kraft war der 1889 im österreichischen Braunau geborene Adolf Hitler. Für den Versuch, diese Figur und ihren Aufstieg zu verstehen, haben etliche Historiker große Teile ihres wissenschaftlichen Lebens aufgewandt. Ohne darauf an dieser Stelle eingehen zu können, scheint zumindest eine Motivation das traumatische Erlebnis der Niederlage im Ersten Weltkrieg gewesen zu sein, zu dem sich Hitler nach zwei gescheiterten Versuchen, an der Kunstakademie in Wien Aufnahme zu finden, 1914 als Freiwilliger gemeldet hatte. Er schien aus einer tiefen Demütigungserfahrung Ressentiment und Rachegefühle generiert zu haben. 1919 trat er der kleinen Deutschen Arbeiterpartei bei, deren Vorsitzender er 1921 wurde und sie in Nationalsozialistische Arbeiterpartei (NSDAP) umbenannte. Ein Staatsstreich ging schief, Hitler wurde knapp zwei Jahre in Landsberg inhaftiert. In dieser Zeit schrieb er sein krauses Werk Mein Kampf mit rassenideologischen und antisemitischen Wahnvorstellungen und Polemiken. Schließlich gelang angesichts der prekären Verhältnisse und angestrengter Verschwörungstheorien eine demokratisch legitimierte Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, die dann nicht zögerten, die rechtsstaatlichen Institutionen auszuschalten und mit Hilfe einer omnipräsenten Kaderpartei und einer paramilitärischen Repressionseinheit (SS) ein Terrorregime zu errichten, das schließlich unter anderem einen Genozid an Juden, Sinti und Roma durchführte. Der Völkermord mit mehr als sechs Millionen Ermordeten wurde mit maschinenhafter Präzision umgesetzt. Nicht anders als im stalinistischen Russland wurde im nationalsozialistischen Deutschland die gesamte Kultur der Ideologie der Partei untergeordnet – mit geradewegs zynisch klingender Begründung: »Die deutschen Künstler sollen sich unter seinem Patronat [des Staates; BB] geborgen fühlen und das beglückende Gefühl zurückgewinnen, daß sie im Staate ebenso unentbehrlich sind wie die, die die Werte seines materiellen Daseins schaffen. Öffentliche Bücherverbrennungen, Listen verbotener Literatur, Zensur und Reglementierung von Musik, Film, Säuberungen von Galerien und Bibliotheken, Schließungen von Kultureinrichtungen (darunter 1933 des Bauhauses), Ausstellungen »entarteter« Kunst, ein Bildersturm gegen vermeintlich jüdische und bolschewistische Kunst zeigen, wie dieses »beglückende Gefühl« der deutschen Künstler gemeint war. Erlaubt war eine »nordische« und »heldische« Kunst, »bäuerliche Gesichter und Gestalten, die Männer der naturnahen Urberufe«

25

Kontexte

mit der Grundlage in »Blut und Rasse«, beim »heimischen Boden«. Wie beim Sozialistischen Realismus war die Kunst allegorisch und symbolisch überhöht. Während im Ersten Weltkrieg das Kriegsereignis selbst im Mittelpunkt utopisch-visionärer Phantasien von Neugeburt und Katharsis stand, trat vor dem Zweiten Weltkrieg das Regime und dessen verquere Ideologie in den Vordergrund. Es gab diesmal keine verbreitete Begeisterung für einen neuen Krieg, allerdings waren entgegen ihrer Zurückhaltung beim Ersten Weltkrieg viele Architekten in den Nationalsozialismus verstrickt. Das Gründungsmitglied der de Stijl-Bewegung, Pieter Oud, verweigerte befreundeten Juden (Hans Polak) mit Hinweis auf seine guten Beziehungen zu Parteigängern der Nazis die Hilfe. Oud brach in den Vierzigerjahren mit dem Funktionalismus und entwarf monströse faschistische Bauten. Am Bauhaus gab es Leute, die Lagerpläne für KZ-Anlagen zeichneten. Es hat lange gedauert, bis die Nähe des 1965 in einem Staatsbegräbnis mit allen Ehren verabschiedeten Le Corbusier zum Faschismus ans Tageslicht kam. Er zog gegen Juden und Freimaurer zu Felde und bot sowohl Mussolini als auch dem Vichy-Regime unter Henri Philippe Pétain zwischen 1940 und 1944 seine Dienste an. Um die Beantwortung der Frage, ob dies »bloß« Opportunismus war oder doch ideologische Überzeugung, wird lebhaft diskutiert. Selbst in den USA gab es solche Verstrickungen. Philip Johnson beispielsweise gründete dort die faschistische Bewegung Grey Shirts. Die Frage nach der Anfälligkeit für totalitäres Gedankengut von Avantgarde und Moderne wird uns im Kapitel 2.1.3. noch einmal eigens beschäftigen. Hitler stürzte die Welt mit einem Überfall am 1. September 1939 auf Polen in einen zweiten globalen Krieg, an dem über sechzig Staaten und 110 Millionen Soldaten und Soldatinnen beteiligt waren. Der Krieg mit Flächenbombardements und dem Einsatz von zwei Atombomben durch die US-Streitkräfte auf das mit Deutschland verbündete Japan (Hiroshima und Nagasaki) kostete das Leben von rund 65 Millionen Menschen, weit mehr Zivilisten als Soldaten. Die Wende im völlig irrealen Phantasieren von einem neuen Lebensraum für ein germanisches Großreich brachten im Osten die Schlacht um Stalingrad 1942/43, im Süden die Landung der Alliierten in Sizilien 1943 und im Westen die Landung in der Normandie 1944. Der Krieg endete mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945 (nachdem Hitler am 30. April Selbstmord begangen hatte) und mit der Kapitulation Japans am 2. September. Der Zweite Weltkrieg hinterließ drei Großmächte: die weitgehend zerstörte Sowjetunion, das ausgelaugte Großbritannien und die kraftstrotzenden USA. Von dort kamen die nachhaltigsten Impulse für eine neue Weltordnung. Eine der Früchte davon war die Gründung der Vereinten Nationen 1945. Für das gesamte kulturelle Leben war der Krieg die zweite Katastrophe in diesem Jahrhundert. Er beendete die lebendigen Strömungen der Avantgarde, unzählige Künstler emigrierten nach Übersee. Der Aufstieg der USA zum Taktgeber der Kunst und Architektur in der zweiten Jahrhunderthälfte war wesentlich durch die schrecklichen Ereignisse in Europa mitbefördert. Wie tiefgreifend dieser Einfluss war, zeigen die Gruppenaufnahmen der Ausstellung 1942 Artists in Exile in der im New Yorker

zit. nach Ebd., 392f

1.2.

Zwaap 2014 2.2.8.

2.3.5.

5.0.

26

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Greenberg 1948, 148

Fuller Building (heute Flatiron Building) angesiedelten Galerie des Kunsthändlers Pierre Matisse, Sohn von Henri Matisse, wo sich das Who is Who der europäischen Kunstszene versammelte. Amerikanische Theoretiker und Künstler kommentierten den Niedergang der europäischen Avantgarde letztlich auch mit abschätzigem Urteil über die geringe Widerstandskraft der europäischen künstlerischen und humanistischen Tradition gegen die Barbarei. Respekt wurde noch am ehesten dem Kubismus gezollt. Man titulierte alle Künstler, die man schätzte, auch Kandinsky und Klee, als Kubisten und Clement Greenberg erwartete, dass »die kubistische Tradition in diesem Land zu einer neuen Blüte finden wird.«

591 Ägyptischer Würfelhocker; KHM 592 Aristide Maillol, Die Trauer (1921); GVS 593 Auguste Rodin, Der Kuss, eine von vielen Repliken, Jardin des Tuileries; Paris

2.0. Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert VIII.9.0.ff.

VIII.9.2.1.f. moderne Bildhauerei

Die Moderne in der Kunst begann, wie im letzten Abschnitt ausführlich dargestellt, in der Mitte des 19. Jh.s. In der Malerei zeigte sich der Wechsel als Reflexion über das Arsenal an Illusionsinstrumenten der Kunst und sie brach mit den überkommenen Konventionen in Themenstellung, Malweise und Mal-Ort; plein air statt Atelier. Der Realismus provozierte durch die neuen Bildsujets der Alltags- und Arbeitswelt, der Impressionismus thematisierte mit transzendentalphilosophischem Zungenschlag Perspektive, Farbe und Form und versuchte, statt des Illusionismus Lichtspiel und innere Stimmung in das Bild zu bannen. Die Frage nach dem Anheben der modernen Bildhauerei beantworten die meisten Kunsthistorikerinnen mit den Namen Auguste Rodin und Aristide Maillol und zeichnen damit das »doppeltorige Propylon« in die Moderne: Rodin, der extrovertiert in den Raum hineinarbeitete, und Maillol, der introvertiert den Körper auf die eigene Tektonik verschränkte. »Von hier gabelt der Weg sich auf der einen Seite zur Analyse, zum Raumkristall, auf der anderen Seite zum geschlossenen, materialdichten Block.« Wie der zweimalige documenta-Leiter Manfred Schneckenburger allerdings gleich nachschiebt, war Maillol mit seiner Verdichtung des Körpers zu festem



27

Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

Volumen, Schwere und Ruhe als Gegenpol Rodins doch »eher der letzte bedeutende Meister in der Tradition des Klassischen« als ein Neubeginn der Moderne. Rodin hat zudem – vergleichbar mit den Impressionisten – die akademische Naturnachahmung zugunsten der Emotionen der Seele abgelöst. Es ist dies geradezu ein Übergang von der Kunst als Mimesis zur Kunst als Expression. Der häufig angestellte Vergleich zwischen Rodin und den Impressionisten funktioniert nur oberflächlich, denn Rodin verwirft ebensowenig alle Instrumente der Illusion wie die Erbschaft der Romantik. Sein Anknüpfen an die Tradition der Figurendarstellung macht es Eduard Trier möglich, Rodins Torsi, die im Umschreiten ihren künstlerischen Eigenwert entfalteten, mit den unvollendeten Skulpturen Michelangelos zu vergleichen: »Während Michelangelos unvollendete Figuren tragische ›Zeugnisse seines Ringens um Sichtbarmachung von Ideen‹ (H. von Einem, 1973) sind, ist die Fragmentierung bei Rodin, der vom Teil her arbeitete und das Bildwerk aus den Teilen zusammensetzte, ein bewußter Gestaltungsakt, der auf die Behauptung, auch der unvollendeten Figur als vollständiger Plastik hinzielt.« Zweifellos zeigt das Werk Rodins eine offensichtliche Verschiebung in der bildhauerischen Einstellung. Fungierte in der klassischen Bildhauerei noch die aristotelische Vorgabe einer Idee (Form), welche der Künstler (als causa efficiens/Wirkursache) im Material verwirklicht, richtet sich jetzt – umgekehrt – der Künstler am Material aus. Dieser Paradigmenwechsel traf nicht nur die Bildhauerei, sondern auch die Architektur, die ihre Form mit dem Material abzugleichen strebte. Henry van de Velde ordnete den Künstler dem Material unter und formulierte damit gleichsam eine Gegenthese zu Aristoteles. Auch zahlreiche Maler schufen bildhauerische Arbeiten, nicht selten aus Holz, einem Material, das das Stigma der Volkskunst und des Kunstgewerbes an sich trug. Ähnlich reizvoll wurden objets trouvés, die neben dem Material Vergangenheit, Lokalkolorit und Zufälligkeit in sich trugen. Damit ließ sich die ganze Welt in den künstlerischen Diskurs einbinden: »iberische Plastik bei Picasso, assyrische bei Epstein, frühgriechische bei Maillol, gotische bei Minne und Lehmbruck, rumänische Volkskunst bei Brancusi – ein imaginäres Museum der Weltkunst […].« Die offensichtlichste Neujustierung der Skulptur, die letztlich in die Gegenwart führte, begann mit dem Zerbrechen der menschlichen Figur im Kubismus. Daneben experimentierte man mit Objekt, Zeichen oder Ready-Made. Ab den Sechzigerjahren kam es zu einem weiteren Schritt in einer schnellen und dynamischen Entwicklung. Alles, ob Fettkugeln, Wolken, ein Stück Land, eine Aktion, ein Video-Clip oder – wie Joseph Beuys formulierte – auch ein Gedanke, konnte eine Plastik sein. Bald wurde die Plastik als Denken verstanden, wie, was zu einem radikal neuen und offenen Paradigma führte, das die Grenzen der Genres Malerei und Skulptur vollends durchlässig werden ließ. Die Idee des Kunstwerks lag jetzt nicht mehr im Werk, sondern in einem Willensakt. Statt von Skulptur spricht man jetzt besser von Plastik oder Objekt, plastischer Kunst oder Objektkunst, denn Skulptur konnotiert eher noch eine anthropomorphe oder zumindest gegenständliche Form. »Plastik kann nun eine Konstruktion

Schneckenburger ­Manfred in Walther 1998, 407/412 X.2.2.

Trier Eduard in Argan 1977, 289

Ebd., 291

5.2.

28

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Schneckenburger Manfred in Walther 1998, 419

Kamper 1989, 184

4.3. von der Moderne zur Avantgarde

Partsch 2002, 42

2.1.3.

aus Eisen, Glas, Gips, Karton, Draht oder eine abstrakte Geste sein. Sie öffnet sich, zunächst in der Theorie, für neue Medien wie Licht, Bewegung, Klang, Elektrizität. Sie erweitert ihren Begriff […] derart, daß ein industriell produzierter Flaschentrockner mit einem Mal die Geschichte der Plastik neu orientiert.« Gleichzeitig mit dem Zerbrechen der Form fiel auch die Bedeutung. Von den kubistischen Objekten ausgehend – das Stillleben findet nun nicht mehr nur in der Malerei, sondern auch in der Bildhauerei statt – spurten Duchamp und die Dadaisten auch in dieser Hinsicht einen Weg in eine neue Definition der Skulptur. Die Moderne spitzte sich im Übergang in das 20. Jh. zur Avantgarde zu und faltete sich in mehrfacher Weise auf. Dietmar Kamper konstruierte daraus ein Dreieck: »Die Avantgardebewegungen der modernen Kunst vollziehen sich […] auf einem Feld [ab], das […] als Dreieck von ›Expression‹, ›Abstraktion‹ und ›Ready-made‹« beschrieben werden kann. Das ist eine Beschreibung, welche die Avantgarde um drei bedeutende Orientierungspunkte positioniert. Allerdings spricht Kamper formale Orientierungen an, die nichts über die Eigenart der Avantgarde aussagen. Ging es in der Moderne des 19. Jh.s primär um die Ablösung von der alten Ästhetik, rüstete sich die Avantgarde mit Zukunftsprojekten und Gesellschaftsutopien aus. Sie stellte sich – so könnte man das sehen – in ein Spannungsfeld von Moderne und Postmoderne. Der Weg von der anhebenden Moderne zur Avantgarde lief vom Impressionismus zum Expressionismus, an den sich Experimente des Kubismus, Surrealismus, Futurismus anschlossen. Der Berliner Kunsthändler Paul Cassirer reklamierte mit Blick auf die Bilder Edvard Munchs für sich, Namensgeber des Expressionismus zu sein, was die Kunsthistorikerinnen allerdings nicht überzeugt. Jedenfalls wurde der Begriff 1911 von Wilhelm Worringer benützt. Mit dem Expressionismus vollzog sich die deutlichste Wende gegen das Naturvorbild und der endgültige Bruch mit der Perspektive. Führten die Strömungen der Avantgarde die bildende Kunst auf verschiedenen Wegen an den Rand der Figuration, löste die Idee des Ready-Made in der Kunst und in der Kunstphilosophie eine nachhaltige Diskussion um Kunst und Werkbegriff aus. Sosehr sich also das von Kamper angebotene »Dreieck« eignet, den kunstgeschichtlichen Eintritt in die Avantgarde des 20. Jh.s zu beschreiben, bleiben wichtige philosophische Themenfelder zu berücksichtigen. Die in den Kontexten angesprochene Sympathie vieler Künstler und Architekten der Moderne für Krieg und totalitäre Ideologien verlangt nach einem genauen Blick auf die philosophische Ambivalenz der Moderne. Ein Kennzeichen der Avantgardeströmungen ist zudem ihr »offenes Ende« in die Gegenwartskunst. Das wiederum hat mehrere Facetten, weil wir dabei endgültig den europäischen Rahmen von Kunst und Architektur überschreiten. War um die Jahrhundertwende die Avantgarde noch ein europäisches Phänomen, übernahm im Laufe des Jahrhunderts, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, die internationale Szene die Funktion des Taktgebers, zuerst die USA. Kleinere Präsentationen, etwa jene des Fotografen Alfred Stieglitz in seiner Galerie 291 in der Fifth Avenue, und einige herausragende Überblicksausstellungen am Be-



29

Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

ginn des Jahrhunderts erschlossen Amerika die europäische Kunst. 1913 lud man in New York in der Halle des 69. Regiments der Nationalgarde (69th Regiment Armory) zu einer legendär gewordenen Ausstellung (Armory Show), die in Teilen nach Chicago und Boston wanderte. Es wurden über 1200 Werke, Bilder und Skulpturen der europäischen (über 400 Kunstwerke aus nahezu allen Kunstströmungen der Zeit wurden dazu über den Atlantik verschifft) und amerikanischen Avantgarde gezeigt. Diese erste große Konfrontation mit der europäischen Kunst der Moderne war für das amerikanische Publikum durchaus gewöhnungsbedürftig. Manche Werke, wie Marcel Duchamps Akt, eine Treppe herabsteigend Nr. 2 (1912), lösten einen mittleren Skandal aus. Bei den amerikanischen Künstlern hinterließ die Schau hingegen einen tiefen Eindruck und wirkte wie ein Erweckungserlebnis. Es sollte nicht mehr lange dauern, bis nach dem Zweiten Weltkrieg Amerika und im Besonderen New York die Führungsrolle der internationalen Kunstentwicklung übernahm.

2.2.10.

2.1. Der Gang in die Abstraktion Die vermutlich einschneidendste und nachhaltigste Brucherfahrung in der Kunst des 20. Jh.s ist der Verlust der Gegenständlichkeit. Natürlich gab es dazu Vorläufer in der Geschichte. Bereits am Beginn der Kunstgeschichte, bei den Höhlenmalereien der Steinzeit, waren wir mit dem Rätsel eines abstrakten Formenschatzes konfrontiert. Zur Darstellung ihres Gottes verwandten Juden und die frühen Christen abstrakte Zeichen. In gewisser Weise ließ sich die Ikone als abstraktes Kunstwerk bezeichnen, das seinen Bildcharakter ausdrücklich verleugnete. Es gibt die große Tradition der Ornamentik, die zusammen mit der Skepsis gegenüber dem materiellen Bild in der byzantinischen, viel mehr noch in der islamischen Kunst eine große Rolle spielte. Neben allen anderen, im nächsten Kapitel aufgeführten Aspekten spielte die Tradition der Ornamentik sowohl bei der Entstehung der ungegenständlichen Kunst am Beginn des Jahrhunderts und – beinahe noch mehr – bei der Fortführung der Abstraktion nach dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle. Wilhelm Worringer, den wir im letzten Abschnitt als Theoretiker der Einfühlung kennen lernten, bestimmte die Abstraktion als einen von zwei Polen der Malerei. Die Einfühlung funktioniere beim Organisch-Lebenswahren, während für die Abstraktionen ein Abstraktionsdrang zuständig sei, mit dem jede Kunst beginne. Das sei ein Grundantagonismus der Kunstgeschichte. Markus Brüderlin sprach mit Blick auf die mit Ready-Made auf der einen und dem weißen Quadrat auf der anderen Seite anhebende Avantgarde von »absoluter Dingmagie und absoluter Formerfahrung«. Dazu komme seiner Meinung nach noch der dritte Weg, jener der biomorphen Abstraktionen (Hans Arp). Die Entwicklung der Abstraktion und Gegenstandslosigkeit in der europäischen Kunst war umfangreich und eine entsprechende Dokumentation muss kunsthistorischen Werken überlassen bleiben. Für unseren Zweck können wir den Weg in die Abstraktion um das Jahr 1910 anheben lassen, als Kandinsky in seinem Aufsatz Über das Geistige in der Kunst zwischen »reiner Abstraktion« und der »reinen Realistik« unterschied. Auf die zahlreichen frühen Beispiele wie etwa den der Dachauer

I.3.4. II.3.2.6./IV.5.1./ IV.5.1.2.f. IV.8.2.

VIII.6.2.2.

Brüderlin 1990, 120

z.B. Walther 1998, 219–268

30

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

5.1.1.



594 Wassily ­Kandinsky, Erstes abstraktes Aquarell (1910/1913); CGP Ruhrberg Karl in Walther 1998, 221

Schule entstammenden Adolf Hölzel, der vielleicht einer der ersten Deutschen war, die einen (allerdings einmalig bleibenden) Vorstoß in die abstrakte Malerei riskierten (Komposition in Rot I; 1905) und die Kraft der Farbe sprechen ließen, kann hier nicht eingegangen werden. Hölzel bezeichnete sicherheitshalber sein Unternehmen als naturwissenschaftliche Farbenlehre. Eine Verbindung zwischen Hölzel und Kandinsky, der seine Improvisation IV 1909 malte, ist bislang unklar. Die Tendenz zur Ungegenständlichkeit hatte jedenfalls zwei Impulse: Sie war inspiriert (1) durch philosophische Konzepte von im weitesten Sinn platonisierender Provenienz, welche die Aufhebung der Materie in den Geist (das bedeutete zunächst vielfach: in die Form) empfahlen, und (2) durch Eliminierung der »Last« und der Umzingelung durch die Geschichte zugunsten einer völligen Autonomie der Kunst. In Europa erhielt diese Position durch die kritischen Sechzigerjahre einen Impuls, in den USA stand man der europäischen humanistischen Tradition ohnehin skeptisch gegenüber, hatte sie doch die Katastrophe von zwei globalen Kriegen und die Abgründe der Shoah nicht verhindern können. Vor allem der zweite Punkt weist darauf hin, dass die Entwicklung zur Ungegenständlichkeit parallel mit der Entwicklung einer freien Kunstszene in einer offenen Gesellschaft vor sich ging und nur so vor sich gehen konnte. Die diktatorischen Unterbrechungen bedeuteten einen völligen Stillstand der Entwicklung von Kunst und Architektur: »Stalinistischer, nationalsozialistischer und – in geringerem Maße – faschistischer Terror italienischer Prägung, der die Kunst zum Propagandainstrument des Staates herabwürdigte, hatte zunächst in der UdSSR, dann in Deutschland eine Entwicklung in vollem Fluß jäh unterbrochen. […] Wie sehr die Kunst der Freiheit bedarf, beweist die erstaunliche Tatsache, daß die Jahrzehnte stalinistischer und faschistischer Herrschaft trotz immenser staatlicher Förderung der offiziellen Kunst nicht ein einziges Bild, nicht eine einzige Plastik hervorgebracht haben, die ins Bewußtsein der Kulturwelt gedrungen wären.«

2.1.1. Abstraktion, Gegenstandslosigkeit und Selbstreferentialität der Kunst

2.1.2. VIII.3.1.2.

Wenn man über ungegenständliche Kunst handelt, darf eine gewichtige Unterscheidung nicht übersehen werden, jene zwischen Abstraktion und Gegenstandslosigkeit. Abstraktion meint die zunehmende Reduktion der Gegenständlichkeit, bis sich die abgebildeten Gegenstände in abstrakten Formen und Farben auflösen. Beispiele dafür sind Monets Bilder seiner Seerosen, die sich in Farb- und Lichtspiegelungen verflüchtigten, oder das Werk Kandinskys, der seine Abstraktionserfahrung bei der Heuschober-Serie Monets erfuhr, was zum ersten abstrakten Bild (Erstes abstraktes Aquarell; 1913) führte. Dass anfangs auch die aufkommende Fotografie mit ihrer perfekten naturalistischen Mimesis ein Impuls zu dieser Alternative der konzentrierten Destillation des Wesentlichen war, ist plausibel. Gegenstandslosigkeit demgegenüber ist die Herrschaft (Suprematie) des reinen bildnerischen Ausdrucks; von vorneherein frei von jeder Gegenständlichkeit und fi-



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Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

guralen Resten. Für ein solches Konzept eigneten sich am besten die reinen geometrischen Formen. Beispiele dafür sind die Arbeiten des russischen Suprematismus, angeführt von Kasimir Malewitsch. Theo van Doesburg prägte 1930 mit der Künstlergruppe Art Concrete dafür den Ausdruck konkrete Kunst. Damit sollte eine Kunst bezeichnet werden, die völlig aus dem Geist und immanent geschaffen wurde und keine aus der Natur oder aus dem Gefühlsreservoir stammenden Einflüsse aufweist: »Konkrete Malerei also, keine abstrakte, weil nichts konkreter, nichts wirklicher ist als eine Linie, eine Farbe, eine Fläche.« Für die Option einer autonom entstehenden, von jedem materiellen Vorbild und von jeder Figuration freien Kunst gab es massive geistige Impulse: neben dem Idealismus den seit dem 19. Jh. traktierten Gedanken von Hygiene und Reinheit, die Idee der Wahrheit – vor allem in der Architektur als Wahrheit von Material und Konstruktion. Es wuchsen die Vorbehalte gegenüber der Praxis, Konstruktion und Material durch eine Fassade zu maskieren. Der Unterschied zwischen Abstraktion und Gegenstandslosigkeit sei ausdrücklich herausgestellt, wobei im Folgenden generalisierend von gegenstandsloser oder (besser!) ungegenständlicher und nicht-figuraler Kunst gesprochen wird. Schon beim Entstehen der abstrakten Kunst wurden als alternative Begriffe für das Gemeinte ungegenständlich, konkret, absolut vorgeschlagen. Kandinsky sprach einmal von reinkünstlerisch. An anderer Stelle bevorzugte er den Ausdruck konkret: »Man wird niemals die Möglichkeit haben, ohne ›die Farbe‹ und ohne ›die Zeichnung‹ ein Bild zu schaffen, aber die Malerei ohne ›Objekte‹ existiert in unserem Jahrhundert seit mehr als 30 Jahren. […] so sehe ich die immense Kraft der als ›abstrakt‹ oder ›ungegenständlich‹ bezeichneten Malerei, die ich vorziehe ›konkret‹ zu nennen. […] Die konkrete Kunst ist in voller Entwicklung, vor allem in den freien Ländern, und die Zahl der jungen Künstler, die an dieser Bewegung teilhaben, steigt in all diesen Ländern. Das ist die Zukunft!« Van Doesburg sorgte in seiner Pariser Gruppe für den theoretischen Überbau, den er in erster Linie aus der Philosophie Hegels gewann. Er sah in dieser Kunst, die keine Abstraktion einer natürlichen Vorlage war, sondern Darstellung ihrer selbst, einen objektiven und universalen Geist in der Geschichte. In einem 1930 publizierten Manifest dazu heißt es: »Das Kunstwerk muß vor seiner Ausführung vollständig im Geist entworfen und ausgestaltet worden sein. Von der Natur, von Sinnlichkeit oder Gefühl vorgegebene Formen darf es nicht[s] enthalten. […] Das Gemälde muß ausschließlich aus rein bildnerischen Elementen konstruiert werden, d.h. aus Flächen und Farben. Ein Bildelement bedeutet nichts anderes als ›sich selbst‹, folglich bedeutet auch das Gemälde nichts anderes als ›sich selbst‹. […] Konkrete Malerei, nicht abstrakte, weil nichts konkreter, nichts wirklicher ist als eine Linie, eine Farbe, eine Fläche.« Was hier beschrieben wurde, war das Konzept einer geometrischen Kunst des Konstruktivismus, des Suprematismus und von Kandinskys Improvisationen, aber ebenso die Experimente von Kupka und Delaunay (Orphismus) und die Arbeit von Paul Klee. Eine andere Gruppe, die weniger streng auftrat, war die 1931 ebenfalls in Paris gegründete Abstraction-Création. Zu ihr zählten unter anderem Hans Arp, Franti-

2.2.7.

Doesburg, zit. nach Partsch 2002, 46f

X.2.3.

Kandinsky 1955, 27

Kandinsky, zit. nach Bill Max in Kandinsky 1912, 14

van Doesburg u.a., zit. HW, 441f 2.2.7.

32

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

zit. HW, 448

Hepworth, zit. HW, 471

Stöhr 1996, 9

X.2.2.ff.

2.1.3.

sek Kupka, Barbara Hepworth und Albert Gleizes. Die fünf erschienenen Jahrbücher (1932–1936) gehören zu den wichtigsten Zeugnissen ihrer konkreten Kunst. Die Texte sind ein Plädoyer für Freiheit. In ihnen klingt die Erfahrung der Emigranten in der Gruppe durch, die vor der Unterdrückung der abstrakten Kunst durch die Nationalsozialisten geflohen waren: »Jeder Versuch, künstlerische Bestrebungen nach Kriterien der Rasse, der Ideologie oder der Nationalität einzuschränken, ist unerträglich.« Dass scheinbar die Sinnlichkeit aus der konkreten Kunst ausgeschlossen wurde, macht diese Kunstrichtung nicht automatisch emotionslos und steril. Barbara Hepworth schrieb dazu in einer Abhandlung (Sculpture), die 1937 im Circle erschien: »Die zeitgenössischen konstruktiven Arbeiten verlieren nicht dadurch, daß sie keine besonderen menschlichen Interessen, Dramen, Sorgen oder religiösen Gefühle ausdrücken. Sie berühren uns tief, weil sie das Ganze der Erfahrung und der visionären Kraft des Künstlers repräsentieren, seine ganze Sensibilität für bleibende Ideen, sein ganzes Streben nach einer Verwirklichung dieser Ideen im Leben […].« Wie Hepworth hier treffend ausführt, ist auch eine gegenstandslose Kunst kein Hindernis für eines der großen Anliegen der Avantgarde: die Verbindung von Kunst und Leben. Damit war nicht eine Ästhetisierung der Lebenswelt gemeint, vielmehr ging es um eine »ästhetisch-moralische[n] Transformation der Gesellschaft.« Man könnte versucht sein, bei der ungegenständlichen Kunst wegen der Befreiung vom Zwang der Mimesis der Expression besonderen Raum zu geben. Doch so einfach ist die Sache nicht. Nicht nur gibt es erhebliche Probleme damit, was mit Mimesis gemeint ist, sondern es bleibt auch anzumerken, dass Kunst immer mit beiden Aspekten ausgestattet war. Es gibt keine rein mimetische Kunst, die nicht auch etwas ausdrücken will. Umgekehrt braucht expressive Kunst zwar keine Repräsentation, aber ein gewisses Maß an Form. Im weitesten Sinn ging, wenn schon nicht als nicht-figural, aber als Avantgarde-Kunst durch, was mit der Tradition und Geschichte brach. Selbst immer noch mit dem Figuralen operierende Kunst wie Surrealismus oder Futurismus konnte sich als Avantgarde-Strömung behaupten, weil die Realität so extrem verzerrt wurde, dass keine Gedanken an eine Mimesis aufkommen konnten. Von Dada bis zu Duchamps Ready-Made wurden die alten Grenzen zwischen Kunst und Alltagsgegenstand aufgelöst. Das bedeutete gleichzeitig die Sprengung der Institutionen, welche die Kunst bislang einhegten. Trotzdem stand bei manchen Richtungen das Interesse an philosophischen Entwürfen und gesellschaftspolitischen Utopien im Vordergrund. Die dazugehörigen Manifeste träumten – nicht selten gespeist von zwielichtigen Gedanken aus den Tiefen des Okkultismus – von einer neuen Gesellschaft und einer neuen Welt. Damit wurden diese Kunstströmungen zu Mitspielern in Politik und Gesellschaft, was zu manch einer philosophischen und politischen Verwerfung führte, welche das Projekt der Avantgarde und in weiterer Folge der Moderne generell zu desavouieren drohte. Die strenge Verfolgung von Autonomie und Gegenstandslosigkeit führte zu einem zwar neuen, aber konsequenten Blick auf die Kunst als selbstreferentielles Un-



33

Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

ternehmen. Robert Morris sieht in Tatlin den ersten, der »die Skulptur von der Darstellung« befreite und »sie als autonome Form« etablierte, »und zwar sowohl durch die Art von Bildhaftigkeit oder eigentlich Nicht-Bildhaftigkeit, wie er sie einsetzte, wie auch durch seinen direkten Gebrauch des Materials.« Paul Klee, Wassily Kandinsky, René Magritte lösten das Bild aus jeder Referenz und setzen es als autonomes Zeichen in einen abstrakten Raum, wo es mit anderen Bildern in Beziehung tritt. Das ist die Selbstreferentialität, das die Poststrukturalisten als referenzloses Flottieren (miss)verstanden haben. Ad Reinhardt bekannte sich ausdrücklich zur Selbstreferentialität. Die Gegenstandslosigkeit habe zu einer reinen Kunst geführt: »art-as-art and nothing else, […] non-objective, non-representational, non-figurative, non-imagist, non-expressionist, non-subjective. The only and one way to say what abstract art or art-as-art is, is to say what it is not.« Der Gedanke lag nach dem Anbruch der nicht-figurativen bildenden Kunst in der Luft. Bereits Arnold Gehlen sah mit Blick auf den Kubismus und dessen Deutung durch den Galeristen und Kubisten-Förderer Daniel-Henry Kahnweiler eine Selbstreferenz der Malerei anbrechen. Es ginge dabei um eine »Besinnung über die letzten kunsteigenen Ausdrucksmittel, in beiden Beziehungen also um die Begründung einer ›reinen‹, sich selber Gesetze gebenden Kunst in heller Bewußtheit und Gedanklichkeit; […].« Als ein Kollateralereignis steige damit die Kommentarbedürftigkeit der Kunst: »Wenn die Malerei zwar noch am Gegenstand bleibt, aber ein aus ihren eigenen Mitteln konstruiertes Zeichensystem benutzt, dann deformiert sie den Gegenstand, erschwert das Wiedererkennen und erzeugt Perplexion.« Einer der engagiertesten Vertreter dieser These war Clement Greenberg, der in klugen Essays die Entwicklung zur ungegenständlichen Kunst schilderte. Er schrieb über den Verlust eines generellen Formenrepertoires in der modernen Gesellschaft, was für Künstler den Verlust der Kommunikationsbasis bedeutet: »Alle Gewißheiten, die sich aus Religion, Autoritäten, Tradition und Stil ergeben, werden in Frage gestellt, und der Schriftsteller oder Künstler ist nicht mehr in der Lage, die Reaktionen des Publikums auf die Symbole und Referenzen, mit denen er arbeitet, vorherzusehen.« Greenberg sinnierte nach dem konstatierten universellen Verlust kultureller Erzählungen samt ihrer kommunikativen Zeichen über die Parallele von Avantgarde-Künstler und Gott. Der Avantgarde-Künstler ahme Gott nach, indem er etwas Absolutes schaffen möchte, das die Bedeutung in sich selbst trägt: »Der Inhalt sollte sich so vollständig in der Form auflösen, daß weder das künstlerische oder literarische Werk als Ganzes noch ein Teil von ihm auf irgend etwas zurückgeführt werden kann, das außerhalb von ihm liegt.« Das Aufregende an der Kunst der Moderne sei ihre Beschäftigung mit dem »Finden und Ordnen von Räumen, Flächen, Formen, Farben etc. […].« Hier ist ein zentrales und viel diskutiertes Element moderner Kunst angesprochen, das auf verschiedene Strömungen Anwendung findet: auf die suprematistische Formgestaltung ohnehin, ebenso auf Kandinskys Abstraktionen, aber auch auf den abstrakten Expressionismus: »Auf der ›Suche nach ihrer letzten pikturalen Identität‹ (Thierry de Duve) steht am Endpunkt das matte selbstreferentielle Bild, das letztlich

Morris Robert in ­Stemmrich 1995, 94

Reinhardt 1962, 31

Gehlen 1960, 75

Ebd., 54

Greenberg 1939, 30

Ebd., 33/35

34

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Reißer/Wolf 2003, 61

X.2.5.

Polcari 1991, 351

Oberhuber Konrad in Tuchman/Freeman 1988, 8

Krieger 1998 2.2.7.

nur mehr philosophisch nobilitiert werden kann als irreduzibler Kern des Mediums der Malerei, als Metaphysik der Fläche, die gleichwohl Tiefe erkennen lässt.« Inwieweit sich indes die bildende Kunst der Moderne – und vor allem die ausführenden Künstlerinnen – auf eine strenge Selbstreferentialität festlegen lassen, wie es dann mit dem Verhältnis von Kunst und Leben aussieht, sind diffizile Fragen, die an anderer Stelle eingehender betrachtet werden sollen. Denn, soviel sei vorweggenommen, Künstlerinnen schätzen im Allgemeinen die Arbeit an Inhalten, wie man nicht nur am Beispiel des Abstrakten Expressionismus anmerken darf: »Abstract Expressionism does not represent the triumph of the individual but the drama of the individual seeking community – historical, psychic, natural, social, temporal, and cosmic.« Es scheinen stets beide Sachen zusammen zu gehören: die Formentwicklung der Kunst und die philosophische Erzählung. »Deswegen ist es zunächst wichtig darauf hinzuweisen, daß die spirituellen Quellen noch keineswegs zur Erklärung der künstlerischen Formen ausreichen, weil die Künstler Wesentliches immer auch der malerischen Tradition entnehmen. So wäre z. B. Mondrian auch durch die Theosophie nicht zu seinen spezifischen Abstraktionen gekommen, ohne in Paris dem Kubismus begegnet zu sein, […].« Wie sehr auch die ungegenständliche Kunst immer noch von kulturellen Erzählungen lebt (die demnach keineswegs abhanden gekommen sind), wird im nächsten Kapitel thematisiert. Selbst beim Suprematismus darf das erhebliche Utopiepotential – auch wenn es nur in geometrischen Formen zum Ausdruck kommt – nicht übersehen werden. Dazu hat nicht zuletzt Verena Krieger eine eindrucksvolle Untersuchung beigesteuert.

2.1.2. Die Wege in die ungegenständliche Kunst und ihre Motive

Adorno 1970, 412

Die Beschreibungen der Wege in die Gegenstandslosigkeit sind in der einschlägigen Literatur uferlos. Nun geht es in diesem Werk nicht um Kunstgeschichte. Insofern kann die getroffene Auswahl anderen als kunstgeschichtlichen Kriterien folgen und sie darf auf jeden Anspruch verzichten, diese Wege vollständig abzubilden. Der für den uns interessierenden Zusammenhang wichtige Punkt ist, dass diese Wege der Künstler zu einem großen Teil von ihnen selbst mit philosophischen Motiven begleitet wurden. Dabei scheint es um die Kommentierung einer geradezu zwangsläufigen Entwicklung gegangen zu sein, für die bestimmte Sinnfiguren gesucht wurden. Die Zwangsläufigkeit des Geschehens wurde von Theodor Adorno als Gestus der Moderne identifiziert: »Kunstwerke sind Dinge, welche tendenziell die eigene Dinghaftigkeit abstreifen. […] Den Kunstwerken ist wesentlich, daß ihr dinghaftes Gefüge vermöge seiner Beschaffenheit zu einem nicht Dinghaften sie macht; ihre Dinglichkeit ist das Medium ihrer eigenen Aufhebung.« Zwangsläufig war der Weg in die Ungegenständlichkeit schon deshalb, weil die In-Frage-Stellung jeder Illusion und der dafür nötigen künstlerischen Instrumente früher oder später auch vor der gegenständlichen Form selbst nicht Halt machen konnte. Die kommentierenden kulturellen Erzählungen stammten indes aus ganz anderen als nur künstlerischen Kontexten, namentlich religiösen, naturwissenschaft-



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lichen und gesellschaftspolitischen. Das ist letztlich der Grund für das prekäre Verhältnis der Moderne zwischen Rationalität und Aufklärung auf der einen und Mythos und Esoterik auf der anderen Seite. Bei der Genese der Gegenstandslosigkeit spielte »ein irrationales Moment […] eine zentrale Rolle.« Dieser Aspekt der Genese ungegenständlicher Kunst soll bei diesem zusammenfassenden Überblick zur Strukturierung des Themas im Vordergrund stehen. Es geht nicht um Teilnahme am Wettbewerb um die Deutungsmuster von abstrakten Kunstwerken, sei es, dass man gestaltpsychologische, ikonographische, psychoanalytische oder andere Zugänge bevorzugt. Die meisten hier erwähnten Positionen werden in Spezialkapiteln nochmals detaillierter besprochen. Alfred H. Barr, erster Direktor des Museum of Modern Art (MOMA) in New York, unterschied in seinem wegweisenden Werk Cubisme and Abstract Art (1936) zwei Wege in die abstrakte Kunst, die beide im Impressionismus gründen: (1) Einmal über Cézanne und Seurat zum Kubismus und von dort zu konstruktivistischen und geometrischen Richtungen. (2) Zum anderen über Gauguin und den Fauvismus zum abstrakten Expressionismus und Kandinsky. War dieser Weg eher intellektuell und rational (im Sinn des alten disegno), war jener intuitiv, emotional und organisch (im Sinn des alten colorire). Die gezeichneten Wege sind zwar nachvollziehbar, was Barr aber nicht sah oder besser: nicht sehen wollte, waren die Reflexionen der Künstlerinnen selbst und ihre Quellen in philosophischen, religiösen und mystischen Erzählungen. In der Kunstgeschichtsschreibung wird verbreitet das Dreigestirn Kandinsky, Mondrian, Malewitsch genannt. Ich nehme diesen Ansatz auf, füge dem aber noch – wenngleich ein oder zwei Generationen später – die Vertreter des Abstrakten Expressionismus hinzu, die durch ihr ausdrückliches Anknüpfen an die spirituelle Dimension der mittelalterlichen Ikonen- und Mosaikkunst philosophisch und kulturgeschichtlich besonders interessant sind und von da her noch in diesen frühen Kontexten verortet werden können. Die Abstraktion in der Kunst begann letztlich mit dem Anheben der Moderne Mitte des 19. Jh.s und der Auflösung des alt-ehrwürdigen Tafelbildes sowie dessen illusionistischer Instrumente. Das zeigte sich im Ausstieg aus der Perspektive, in der pointilistischen Auflösung des Bildes und in der Auflösung der Formen in ausdrucksstarken Farben des Expressionismus. Stellvertretend dazu steht der Weg Claude Monets bei seinen Seerosen-Serien, zu denen sein Teich in Giverny die natürliche Vorlage abgab. »Von hier aus konnte Monets Farbschrift für den Abstrakten Expressionismus nach 1945 Bedeutung erlangen: […].« Für die ausdrückliche Entwicklung des Formenrepertoires war die bloße Auflösung des alten Illusionismus freilich zu wenig. Die abstrakten Künstler suchten nach Inspirationen, wofür sich zwei Reservoirs ausfindig machen lassen: einmal die Formen aus älteren und außereuropäischen Kulturen, einschließlich der sogenannten primitiven Kunst, die augenscheinlich nicht an den illusionistischen Formfindungen hingen, wie sie in der europäischen Kunsttradition kanonisch geworden waren, und zum anderen diverse philosophische, esoterische und mystische Traditionen. Bereits Ende des 19. Jh.s sammelten die Museen Kunst aus den überseeischen Kolonien und ab dem Beginn des 20. Jh.s ist von den großen Künstlernamen die

Krieger 1998, 14

Keisch 1993, 24

Rubin 1984

36

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Hohl Reinhold in SK IV, 115

2.2.7. Krieger 1998, 29

Rodtschenko, zit. nach Krieger 1998, 219

Piet Mondrian

Aufmerksamkeit gegenüber diesen Sammlungen dokumentiert. Von da an finden sich die Niederschläge in Malerei und Bildhauerei. Man entdeckte den japanischen Holzschnitt (Bonnard), die afrikanische Skulptur (Picasso, Braque, Modigliani, Giacometti, Kirchner, Schmidt-Rottluff), Eingeborenenkunst aus der Südsee (Gauguin, der bei einem mehrjährigen Aufenthalt in Peru auch präkolumbianische Keramik kennen lernte), polynesische Objekte (Surrealisten, Max Ernst), die russische Ikonentradition (russische Avantgarde, Kandinsky) oder rumänische Volkskunst (Brancusi). Diese fremde Tradition wurde nicht mehr in erster Linie als primitiv wahrgenommen, sondern als jeweils anderes Konzept der Auffassung der Figur im Raum. Der deutsche Kunsthistoriker Carl Einstein exerzierte dies in seinem berühmten, 1915 erschienenen Buch Negerplastik, indem er sich als einer der ersten nicht nur mit Kubismus, Konstruktivismus und Surrealismus, sondern auch mit der Kunst Afrikas (er schrieb auch ein Buch über den japanischen Holzschnitt) auseinandersetzte und dabei auf die ästhetischen Parallelen zu den avantgardistischen Kunstströmungen aufmerksam machte. Ein großer Teil der russischen Avantgarde wiederum kam über die mittelalterliche Ikonenmalerei zur Ungegenständlichkeit. Verena Krieger sieht in den »ikonenhaften Strukturen« den wesentlichen Unterschied zwischen der russischen und der westlichen Avantgarde wie Kubismus und Futurismus. Die in der Ikonenkunst vorherrschende »umgekehrte Perspektive« führte schließlich zur Trennung von Form und Farbe, sodass Alexander Rodtschenko sein Triptychon mit den Farbfeldern von Rot, Gelb und Blau (Triptychon Reine Farben: Rot, Gelb, Blau; 1921) als logisches Ende der Malerei bezeichnen konnte: »Alles ist zu Ende. Es sind die Grundfarben. Jede Fläche ist eine Fläche, und es soll keine Darstellungen mehr geben.« Der Hinweis auf die Herkunft des Formenrepertoires beantwortet freilich nicht die Frage, ob die Gegenstandslosigkeit eine Folge der Entdeckung anderer Formentraditionen als der europäischen war oder ob umgekehrt erst die Abstraktionsambition das Interesse an diesen Formen geweckt hat. Man mag in der Kunstgeschichte Hinweise auf beide Fälle finden, aber es scheint plausibel zu sein, grundsätzlich den Weg in die Abstraktion im oben gezeichneten Sinn innerhalb der europäischen Tradition zu verorten, denn man kann davon ausgehen, dass es den Künstlern dabei nicht primär um das Dekorative der Formen ging, sondern um die Faszination vor der magischen Kraft. Die Wege in die Abstraktion sollen nun in geraffter Form an den vier Beispielen (1) Mondrian, (2) Kandinsky, (3) Malewitsch und (4) an Vertretern des abstrakten Expressionismus dargestellt werden – gleichsam stellvertretend für andere wichtige Beiträge dazu, die in weiterer Folge eine detaillierte Besprechung erfahren. (ad 1) Der 1872 in den Niederlanden in eine calvinistische Familie hineingeborene Piet Mondrian erhielt eine Ausbildung zum Kunsterzieher und besuchte in Amsterdam eine Kunstakademie. Seine frühen Werke sind künstlerisch wenig interessant. Erst um 1910 lernte er Impressionismus, Fauvismus, Kubismus und Expressionismus näher kennen und begann, mit der Abstraktion zu experimentieren. Zu den künstlerischen Positionen kamen die Schriften der Helena Blavatsky und jene Rudolf



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Steiners. Mondrian war ab 1909 Mitglied in der Theosophischen Gesellschaft und bekannte sich ausdrücklich zu einer »theosophischen Kunst«. In seinen Arbeiten »finden holländischer Calvinismus und theosophische Überzeugungen eine ichgerechte, rational faßbare, ungegenständliche und entmystifizierte Gestalt.« Allerdings verarbeitete er diese Anregungen eigenständig: »Anders als Kandinsky entlieh sich Mondrian keine visuellen Bildkonzepte, etwa Aura-Projektionen, aus theosophischen Texten, sondern erfand eine abstrakte Bildsprache, um diese Konzepte darzustellen.« Sein Vorgehen war das einer klaren Abstraktion und einer Geometrisierung von Formen und Farben – unter dem Einfluss des Kubismus, aber eben auch spiritualistischer Strömungen, denn es ging ihm um eine Aufhebung in das Geistige. »Mondrians Sicht der empirischen Welt war von geistigem und symbolischem Erleben so durchdrungen, daß er auch weltliche Bauten in religiös anmutende Embleme zu verwandeln vermochte.« Schließlich verschwand jede Erinnerung an real-gegenständliche Natur zugunsten von Linienmustern und Farbrechtecken. 1921 reduziert er das Bild auf wenige Linien und Felder mit den Grundfarben Rot, Gelb, Blau und Schwarz (Tableau I). Die Kompositionsgesetze gab er nicht völlig auf, es waren gleichsam asymmetrische Kompositionen. Diese irgendwie verstreuten Ordnungen greifen über den Rand der Bilder hinaus und machen sie zu Raumgebilden, was sie in die Nähe der Architektur brachte. Das war sein Beitrag zu De Stijl. Dazu kam in seinem späten Werk ein gesellschaftsverändernder Impuls. Anfang der Vierzigerjahre wurde Mondrian (ebenso wie Kandinsky) in den USA durch mehrere Ausstellungen bekannt. Das forderte Stellungnahmen der amerikanischen Künstler zur europäischen Abstraktion heraus. Barnett Newman reagierte in einer kleinen Schrift (The Plasmic Image) stellvertretend für viele Künstler seiner Zeit eher ungehalten und warf Mondrian »schlechte[r] Philosophie und fehlerhafte[r] Logik« vor. Dabei unterstellte Newman, dass Mondrian jeden Inhalt aus der Kunst eliminieren wolle: »Das hartnäckige Insistieren abstrakter Künstler, Inhalte seien zu eliminieren und die Kunst müsse gereinigt werden, hat zu einem ähnlichen Resultat geführt wie in der mohammedanischen Kunst, die alle anthropomorphen Formen um jeden Preis ausschalten wollte. Beides sind fanatische Entwicklungen, die eine abstrakte Reinheit anstreben und die Kunst zu einer blossen Arabeske verkommen lassen.« In ähnlicher Weise war Mark Rothko darauf bedacht, sich von jeder Anmutung einer bloß ornamentalen Malerei frei zu halten. »I never had an interest in Mondrian. […] Abstract art never interested me; I always painted realistically.« Das heißt im Umkehrschluss, dass sich Newmans und Rothkos Abstraktionen ausdrücklich auf Inhalte beziehen wollten und dass ihr in ihrer bewusst gewählten expressiven Seite sogar eine emotional-empirische Funktion zukomme: »Auf diese Weise kann abstrakte Kunst persönlich werden, voller Emotion, und ist imstande, den tiefsten menschlichen Erkenntnissen Form zu verleihen, anstatt plastische Gegenstände zu schaffen, gegenständliche Formen, die nur als solche betrachtet werden können, weil sie ihr Dasein zwischen den kümmerlichen Grenzen ihrer Ausdehnung fristen.

3.1.

Bocola 1994, 205 Tuchman Maurice in Tuchman/Freeman 1988, 37

Rosenblum 1975, 197

2.2.9.

595 Piet Mondrian, Broadway Boogie Woogie (1942); MoMA Newman 1990, 114 Rothko, zit. nach Chave 1989, 25

38

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Newman 1990, 115/138

Wassily Kandinsky

Kandinsky, zit. nach Bill Max in Kandinsky 1912, 9

Kandinsky, zit. nach Krieger 1998, 111

Bocola 1994, 222ff

Ebd., 225 Ringbom 1993, 27

Brucher 1999, 183

[…] Der neue Maler ist dem abstrakten Maler zu Dank verpflichtet, weil dieser ihm seine Sprache gegeben hat, […].« Das war es, was er in der sogenannten primitiven Kunst der amerikanischen Ureinwohner fand: Inhalt in abstrakter Form: »Die abstrakte Kunst der Indianer an der Nordwestküste, die Kunst der alten Griechen und ebenso das archaische Epos haben allesamt einen Gegenstand. Dass sie die Erscheinungsform zu überwinden vermochten und mit dem Absoluten Kontakt aufnehmen konnten, gründet auf der besonderen Art ihres Gegenstands und nicht auf seiner bedingungslosen Ausrottung.« (ad 2) Der 1866 in Moskau geborene Wassily Kandinsky gab 1896 seine sich abzeichnende akademische Laufbahn als Jurist auf und ging nach München, wo er unter anderem beim Hildebrand-Schüler Franz von Stuck studierte. Ein Impuls dazu waren wohl Forschungen, die er 1889 im Ural an Ritualen des Komi-Volkes durchführte. Deren schamanistische Symbolik faszinierte ihn so sehr, dass er beschloss, sich nur mehr der Malerei zu widmen. Er fand in diesen, an abstrakte Totems erinnernden Motiven Anregungen für seine eigene künstlerische Formensprache. Nach ausgedehnten Reisen durch Europa und Nordafrika ließ er sich zusammen mit Gabriele Münter 1909 in Murnau nieder. Dort sprachen ihn die weicheren Linien der Alpen an, während bei einem vorhergehenden Aufenthalt in Südtirol nach eigenem Bekunden die schroffe Bergwelt jede Inspiration verhinderte. Die gelegentliche Föhnstimmung im Murnauer Moos und am Staffelsee riefen Erinnerungen an die Farbsymphonien des Fauvismus hervor, den er in Paris kennen gelernt hatte. Es war ein längerer Weg mit mehreren Seh-Erlebnissen, der Kandinsky zur Abstraktion führte. Anders als bei den übrigen russischen Avantgardisten war sein Schlüsselerlebnis (das ihn »bis in den Grund erschütterte[n]«) eingebettet in die westliche Malerei. In einer Impressionisten-Ausstellung in Moskau betrachtete er ein Bild aus der Serie »Heuschober bei Giverny« (1890/91) von Monet. Monet löste den Gegenstand abstrahierend in Form und Farbe auf. Nach seiner eigenen Beschreibung lehrte Kandinsky dieser Blick auf Monet, auch die Ikone mit anderen Augen zu sehen, »das heißt, ich ›bekam Augen‹ für das Abstrakte in der Malerei.« 1910 gab es eine dem Heuschober-Erlebnis ähnliche Situation mit seinem eigenen Bild Murnau mit Kirche I (1910). Er stellte fest, dass jede Gegenständlichkeit seinen Bildern schade, sodass er schließlich 1913 sein Erstes abstraktes Aquarell malte. Ob Kandinsky den Weg zur Abstraktion wegen seiner Sympathie zu theosophischen Positionen einschlug (v.a. Ringbom, vorsichtig auch Krieger) oder umgekehrt aus einer Emanzipation von dieser Weltsicht, wird unterschiedlich bewertet. Allerdings räumt auch Sandro Bocola ein, dass die mystischen Tendenzen seines Werkes es Kandinsky verunmöglichen, »seine eigene künstlerische Erfahrung unvoreingenommen zu analysieren und ihre Struktur und Dynamik rational zu erfassen.« Übereinstimmend wird jedenfalls berichtet, dass Kandinsky sich für religiöse und mystische Konzepte interessierte. »Wie ausgeprägt Kandinskys Interesse an esoterischen Phänomenen war, zeigt ein Blick in seine Bibliothek, die eine beeindruckende Anzahl von Schriften über Okkultes, Spiritismus, Medien, Seelenforschung und dergleichen enthielt.« Zentral dabei waren Werke zur Theosophie



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von Blavatsky und Steiner. Kandinsky selbst wollte sich allerdings nicht als Theosoph bezeichnen lassen und lehnte es stets ab, der Gesellschaft beizutreten. 1901 übernahm Kandinsky den Vorsitz der neu gegründeten Künstlergruppe Phalanx (bis 1904), die sich gegen die konservative Tradition zusammenschloss, und unterrichtete an deren privater Kunstschule unter anderem die Berlinerin Gabriele Münter. 1909 kam es zur Gründung der Neuen Künstlervereinigung München (NKVM) durch Marianne von Werefkin, Kandinsky, Münter, Kubin und andere. Diese Jahre waren äußerst anregend für die Vision einer künstlerischen Suche nach dem Wesen der Dinge. »Wenn man Kandinskys Werk von 1908 an Jahr für Jahr verfolgt, kann man sehen, wie er langsam die Formen der sichtbaren Welt aufgibt und die Farben so darstellt, als wären sie von den Objekten losgelöst, wie Steiner es in seinen Vorträgen als typisch für die Erlebnisse in der Imagination, der ersten Stufe höheren Schauens, beschrieben hat.« Franz Marc und August Macke fanden um 1911 in München Kontakt zu Kandinsky. Marc und Macke, die ebenfalls einen Schwenk zur Abstraktion machten, hatten sich schon länger über Farbentheorie ausgetauscht. Dieses Thema wurde im Salon der Marianne von Werefkin diskutiert. Die meist unterschätzte Künstlerin war eine zentrale Ideengeberin für Kandinsky und die sich bildende Gruppe um ihn. Kandinsky ging es bei der Wahl seiner Farben primär um Spirituelles und dafür konnte er die Farbdeutungen der Theosophie nützen. Dazu kam seine ausgeprägte Fähigkeit, bei Klängen Farbassoziationen zu entwickeln. Nach einer Aufführung von Wagners Lohengrin 1889 in Moskau notierte er: Hier »sah ich alle meine Farben im Geiste.« 1912, dem Erscheinungsjahr von Über das Geistige in der Kunst (es folgten noch im gleichen Jahr zwei weitere Auflagen), publizierte er Gedichte unter dem Titel Klänge: Er war in den einschlägigen Kreisen auch als Dichter durchaus angesehen und mit Unsinn-Poesie sogar ein Vorläufer von Surrealismus und Dada. In der Malerei wirken die Farben je nach ihrem »Klang« verschieden auf die Betrachterin und lösen sinnliche Erfahrungen auf der Ebene aller Sinne einschließlich Raumerfahrungen aus. Er schrieb Klangfarben einzelnen Instrumenten zu: Grün den mittleren Tönen der Geige, helles Blau der Flöte, dunkles Blau dem Cello, gelb der Trompete, Zinnoberrot der Tuba. Dies lässt sich wiederum in geometrische Formen umsetzen: »Ein Dreieck mit Gelb ausgefüllt, ein Kreis mit Blau, ein Quadrat mit Grün, wieder ein Dreieck mit Grün, ein Kreis mit Gelb, ein Quadrat mit Blau usw. Dies sind alle ganz verschiedene und ganz verschieden wirkende Wesen.« Für Kandinsky ist der sinnliche Wohlklang der Farben uninteressant, ihn interessiert der dissonante, Reibung verursachende Farbenklang. Wenn sich die geometrischen Formen auf sich selbst bezogen, schrieb Kandinsky ihnen Charaktereigenschaften zu, Winkel können aggressiv, stechend, aber auch warm sein. Das alte colorire kam hier nicht in der Funktion des Emotionalen ins Spiel, sondern, befreit vom Zwang der Gegenständlichkeit, in einer »›Spiritualisierung‹ der Mittel, die sich gerade in ihrer stärksten ›Konkretisierung‹ zeigt.« Daher hatte die

Oberhuber Konrad in Tuchman/Freeman 1988, 14 596 Wassily Kandinsky, Murnau mit Kirche I (1910); GL

3.1. Ringbom 1993, 39f Kandinsky, zit. nach Brucher 1999, 18

Kandinsky 1912, 93–101

Ebd., 68

Kandinsky 1926, 76 Düchting Hajo in Kohle 2008, 541

40

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Smolik 1992, 73–80 Kandinsky 1912, 73

Kandinsky, zit. nach Hüneke 2011, 47

VIII.7.4.3.

Brucher 1999, 397

Ebd., 589

Abkehr von jeder naturalistisch-mimetischen Anwendung der Farbe eine Nähe zur Farbgebung bei der Ikone zur Folge. Farben traten unmittelbar mit der Abstraktion in den Vordergrund, »je mehr die organische Form zurückgetrieben wird, desto mehr dieses Abstrakte von selbst in den Vordergrund tritt und an Klang gewinnt.« Der Paradigmenwechsel in die Abstraktion war freilich nicht nur dem inspirierenden Klima des bayrischen Seenlandes geschuldet und auch nicht nur der Lektüre spiritueller und okkulter Schriften. Er wurde vielmehr vertieft durch Unstimmigkeiten, zu denen es 1911 in der Neuen Künstlervereinigung München kam. Wegen der traditionalistischen Beharrungskräfte trat Kandinsky vom Vorstandsposten zurück. Daraufhin gab er – wie als Protest – jede Zurückhaltung in der Formgestaltung auf. Als sein Werk Komposition V einige Monate später bei der 3. Ausstellung der NKVM von der Jury abgelehnt wurde, traten er, Münter und Marc aus der Vereinigung aus. Nach diesen Vorkommnissen war es an der Zeit, eine neue Gruppe zu bilden, die 1911 in der Gartenlaube des Hauses von Marc in Sindelsdorf in unmittelbarer Nähe von Murnau den Namen Der Blaue Reiter erhielt. »Nun! Ich habe einen neuen Plan«, schrieb er am 19.6.1911 an Marc. Es war – nach all den bisherigen Erfahrungen – keine Künstlergruppe in einer institutionalisierten Form. Streng genommen bezeichnete der Name zwei Ausstellungen und einen Almanach, er wurde dann aber auch für jene Künstlerinnen gebraucht, die sich zu diesen Anlässen versammelten. Der zur ersten Ausstellung im Piper-Verlag erschienene Katalog trug das Signet des Blauen Reiters von Kandinsky. Das Reitermotiv symbolisierte eine Aufstiegsdynamik. Für eine zweite Ausstellung 1912 wurde von Kandinsky, Marc und dem neu zur Gruppe gestoßenen August Macke ein Almanach erstellt. Anfangs als Jahrbuch angedacht, blieb er ein Unikat und gilt als Gründungsschrift der Moderne. Sie steht gleichsam am Ende des langen 19. Jh.s. Die Gruppe mit Wassily Kandinsky, August Macke, Gabriele Münter, Franz Marc, Alexej von Jawlensky, Marianne von Werefkin, Heinrich Campendonk und – in einiger Distanz – Paul Klee wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges beendet. Die Abstraktion ging Hand in Hand mit Kandinskys Hinwendung zum Religiösen. »Mit neu aufkommendem Interesse an religiösen Themen und einer eingehenden Beschäftigung mit Heiligenviten vollzieht sich in Kandinsky eine geistige Wendung. Endzeitvorstellungen und Sehnsüchte nach einer ›Epoche des großen Geistigen‹ halten sich die Waage.« Die Kunstwelt reagierte verstört auf diese neuen Formen. 1914 veranstaltete die Galerie Thannhauser in München eine Einzelausstellung Kandinskys, die verheerende Pressereaktionen auslöste. Von »grotesker Gegenstandslosigkeit« war die Rede, von ärmlicher und sinnloser Kunst, und der Bayerische Kurier schrieb am 23. Januar 1914, dass es der europäischen Vernunft gelingen möge, »diesen Ansturm der asiatischen Zersetzung« zu parieren. Im gleichen Jahr, mitten in der ergiebigsten Schaffensperiode – die Landschaftsbilder hörten auf, die abstrakten Kompositionen, Improvisationen und Impressionen nahmen weiten Raum ein –, begannen sich sogar Künstlerkollegen von Kandinsky zu distanzieren, August Macke deutlich, Marc und Klee vorsichtig.



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Kandinsky war nicht nur der Erste, der den Schritt in die Abstraktion tat, er war auch der Erste, der diesen Schritt mit seiner Schrift Über das Geistige in der Kunst (1912) theoretisch reflektierte. Zunächst ging es ihm darum, jede Anmutung, es ginge bloß um Ornamentik, zu zerstreuen. Dazu kam eine ausdrückliche Ablehnung des Materialismus und Positivismus. Er konnte sich dabei auf eine Reihe von russischen Dichtern stützen, die dem Geistigen eine eigene Existenzform zubilligten. Das Geistige stand zugleich im Gegensatz zum Expressiven. Die theoretischen Überlegungen wurden neben einigen verstreuten Essays in dem 1926 erschienenen Werk Punkt und Linie zur Fläche, das seinem jahrelangen Wirken am Bauhaus eine theoretische Basis gab, fortgeführt. »Die rigorose Zurückweisung der empirischen Welt bei Kandinsky und Marc vor dem Ersten Weltkrieg war für die Entwicklung der abstrakten Kunst im 20. Jahrhundert so folgenreich, daß man hierüber oft vergißt, wie sehr ihr Werk in der damals schon mehr als hundertjährigen Tradition der Romantik steht, in der der Geist über die Materie triumphiert und die Kunst einen Weg bahnt zu den quasi-religiösen Erfahrungen von kindlicher Unschuld und apokalyptischer Zerstörung, von Entstehung und Untergang des Universums, und zu den Geheimnissen des Übernatürlichen, wie sie sich im Reich der Natur offenbaren.« Dieser Gedanke verweist auf einen hier offenbaren Platonismus: »Kandinskys Konzeption des abstrakten Bildes als Materialisation einer a priori existierenden Idee, die Rede vom ›Geist als Urheber des Werks‹ ist reinster Neoplatonismus. Das heißt, hier kehrt die neoplatonische Bildidee der Ikone in neuer Gestalt wieder. […] Nicht die stilistischen und ikonographischen Analogien in manchen seiner frühen Werke […] machen Kandinsky zum legitimen Erben der altrussischen Bildertradition, sondern die frappierende Nähe seines Selbstverständnisses als Vermittler des ›Großen Geistigen‹ zum neoplatonischen Bildkonzept der Ikone.« Obwohl Kandinsky eine unübersehbare Sympathie für das bäuerliche Dorf und die Tradition der Ikone hatte, wird er in der Regel nicht zu den russischen Avantgardisten gezählt, weil er das Land bereits früh verlassen hatte und eher westlichen Einflüssen – Aufenthalte in Paris, Kunststudium in München – ausgesetzt war. Dennoch dürfen seine guten Kontakte zu den russischen Kollegen nicht übersehen werden. Er war mit seinen Ansprüchen ein geistiger Vorreiter, aber er war keineswegs allein. Auch für Paul Klee – bei seiner 14tägigen Tunisreise mit August Macke und Louis Moilliet schrieb er 1914 in Kairouan die berühmt gewordenen Worte in sein Tagebuch: Ich und die Farbe sind eins – war ebenso wie für Marc die Abstraktion mehr als eine ästhetische Formel. Es ging um Metaphysik, um Suche nach dem Absoluten! Zum Unterschied von Marc, der vom Okkultismus Blavatskys angetan war, wehrte sich Klee stets dagegen, mit der Theosophie in Verbindung gebracht zu werden. Seine Liebe für das Phantastische war mehr von Worringers Abstraktion und Einfühlung inspiriert gewesen. (ad 3) Die im 19. Jh. erfolgte Gründungsgeschichte der Moderne, nämlich die Thematisierung der Illusion, galt grosso modo auch für die russische Avantgarde. Deren Geschichte wird unter 2.2.7. gesondert behandelt, an dieser Stelle geht es nur um einige das Thema vervollständigende Angaben. Die Vertreterinnen der russi-

Rosenblum 1975, 158

Krieger 1998, 119

Clemenz 2014 die russische Avantgarde

42

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

IV.8.2.

Newman 1990, 134

Wyss 1993a, 10

1.3.

schen Moderne waren am Beginn des Jahrhunderts hervorragend mit dem Westen vernetzt. Die Rückkehr der meisten russischen Künstlerinnen beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte in Moskau und St. Petersburg zu einer regen Dynamik, während die traditionellen Zentren im Westen in den Kriegsgräueln versanken. In Russland fanden die Avantgardisten einen Anschluss, der sowohl künstlerischen als auch nationalen Interessen entgegen kam: die Tradition der Ikone mitsamt ihrer kunstphilosophischen Erzählung. Die Ikone galt den russischen Intellektuellen ursprünglich als religiöse Volkskunst und war deshalb wenig attraktiv. Eine große Ausstellung 1913 in Moskau änderte diese Sicht grundlegend. Ikonen waren gründlich restauriert worden und von den Spuren des liturgischen Gebrauchs, Ruß, Abnützung durch Berührungen und von den gerne verwandten Silberabdeckungen (Oklads) befreit worden. Die Faszination der Ikone für die Moderne lag in jenen Zügen, die unter IV.8.4. bereits als abstrakte Charakteristik der Ikone gekennzeichnet wurde: das Fehlen jeder Zentralperspektive, der grundlegende Antinaturalismus, das innere Bildlicht an der Stelle eines äußeren Beleuchtungslichtes. Besonders das Raumkonzept der Ikone hatte eine Analogie in der Abstraktion. Es galt hier das, was Barnett Newman als Vertreter des Abstrakten Expressionismus über den Abschied von der Illusion der Perspektive schrieb. Es ginge nicht mehr darum, »durch das Bild wie durch ein Fenster in eine tiefe Schachtel oder Landschaft zu schauen und am Bildgeschehen zu partizipieren. Der moderne Maler führte dagegen ein neues Raumkonzept in die Malerei ein, bei dem die dritte Dimension zerstört wird und wir nicht mehr in das Bild hineingelangen können; er hält uns lieber draussen und zwingt uns auf diese Weise, die Sprache des Malers zu betrachten und den Sprachgebrauch des Malers zu deuten.« Neben vordergründig formalen und kunstimmanenten Charakteristiken gab es für die russische Avantgarde noch einen wichtigen inhaltlichen Punkt: der der Ikone immanente Utopie-Charakter. Dabei changierte die Rezeption zwischen einer eher metaphysisch aufgeladenen Fortsetzung mit Malewitsch oder auch Kandinsky – nicht im Sinne einer religiösen Mystik, aber im Sinne einer Geistdimension im weitesten Sinn und einer atheistisch-säkularisierenden Fortsetzung in weiten Teilen des Konstruktivismus. Für die russische Moderne gilt die von Verena Krieger und von Beat Wyss vertretene Meinung, dass der Neuplatonismus ein »zentrales Element« im »Weltbild der Avantgarde« sei, in ausgezeichneter Weise. Der der Ikone immanente Utopismus führte schließlich dazu, dass der Übergang von einer Moderne, die latent gesellschaftspolitische Anliegen verfolgte, zur ausdrücklichen Propagandakunst des Sozialistischen Realismus fließend war. Es gibt strenge Urteile in dieser Frage wie jenes von Boris Groys, der umfangreiche totalitäre Züge bereits in der russischen Avantgarde sieht, während Verena Krieger demgegenüber auf die fehlende Homogenität dieser Avantgarde und auf eine andere künstlerische Form des Sozialistischen Realismus verweist, der kaum an der mittelalterlichen Kunst anschloss, ohne dass sie solche Bezüge ganz in Abrede stellt. Für das Weiterdenken der Ikone steht an erster Stelle der Name Kasimir Malewitsch. Der 1878 in Kiew geborene Malewitsch wurde zum Begründer des Sup-



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rematismus, also der Strömung radikaler Gegenstandslosigkeit, die in keiner Weise auf Gegenständlichkeit Bezug nimmt und in ihrem Arbeiten an der geometrischen Form dem Ideal einer ästhetischen Autonomie wohl am nächsten kam. Die Ikone hatte dabei für ihn mit einer gewissen slawophilen Pointierung durchaus auch den Reiz des reinen Bauerntums, während er die westliche Kunst als Sache der führenden und wohlhabenden Schicht ansah. 1915 inszenierte er sein Schwarzes Quadrat bei einer Ausstellung in St. Petersburg wie eine Ikone. Dieses Werk zog eine Reihe von Spekulationen nach sich, die in 2.2.7. eingehender berichtet werden. (ad 4) Ein Beispiel, an dem sich gut demonstrieren lässt, wie aufgeladen der Weg in die Abstraktion mit kulturellen Erzählungen war, ist der Abstrakte Expressionismus. Clement Greenberg war in dieser Sache anderer Meinung. Er feierte den Abstrakten Expressionismus und instrumentalisierte ihn zugleich als Eintritt in die Selbstreferentialität der Kunst als das eigentliche Wesen der Malerei. Hier gehe es um Farbe, Fläche, Gestus, damit um die Selbstreflexion einer autonomen Kunst und dies alles sei nicht mehr von der Figuration verstellt worden. Dass dies unter Umständen eine vorschnelle Qualifizierung ist, wird uns noch beschäftigen. Der Abstrakte Expressionismus fügt sich in die besprochenen Bewegungen, obwohl er in Amerika entstand und deutlich jünger ist. Er wird in dieser Arbeit deshalb in dem Kapitel 5.2.1. als Kunstströmung der zweiten Hälfte des Jahrhunderts gewürdigt werden. Er entstand in den späten Vierzigerjahren, in einer Zeit, in der in Europa der Gang der Kunst durch den Nationalsozialismus empfindlich unterbrochen worden war. Viele Vertreter des Abstrakten Expressionismus hatten einen europäischen Hintergrund und sie knüpften an europäische philosophische und künstlerische Konzepte an, von Friedrich Nietzsche über C. G. Jung bis Karl Marx, von Einflüssen des Kubismus über solche des Surrealismus bis zum Anarchismus, für den vor allem Barnett Newman empfänglich war. Aber es war auch die Tradition der europäischen spirituellen Kunst ein wichtiges Erbe: die Ikone und die byzantinische Mosaikkunst. Obwohl viele der Vertreterinnen politisch nach links tendierten, war der Abstrakte Expressionismus keine politische Kunst, eher ein Versuch, nach dem Grauen des Krieges neue Vitalität zu demonstrieren. »Abstract Expressionists sought to symbolize the primordial, essential, universal space-time process of life, for example, the ceaseless flux of the sea, the cosmos, and the human spirit.« Dazu dienten indianische Kunst und die nun schon mehrfach strapazierten esoterischen Quellen der Theosophie und der Rosenkreuzer. »Die erste Tendenz, die das Interesse der Künstler an der indianischen Kunst beflügelte, lag in dem Glauben, daß Vitalität und Spiritualität der indianischen Kultur, wie sie sich in ihrer Kunst ausdrückten, einen Beitrag zur Zukunft Amerikas leisten könnten. Die zweite und […] wichtigere Tendenz war die Überzeugung, in der primitiven Kunst spiegele sich eine allgemeine ursprüngliche Bewußtheit, die im Unbewußten immer noch fortlebe.« Diese Überlegung war der guten Kenntnis der Ideen Carl Gustav Jungs geschuldet. Vor allem Barnett Newman war ein Anhänger dieser Eingeborenenkunst, ebenso wie sein Freund Jackson Pollock. Für Newman war das Buch über primitive Kunst von Robert Goldwater (Primitivism in Modern Art; 1938) in dieser Hinsicht

Kasimir ­Malewitsch

Abstrakter ­Expressionismus

Polcari 1991, 52

Rushing Jackson W. in Tuchman/Freeman 1988, 273

44

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Newman 1990, 77

Rushing Jackson W. in Tuchman/Freeman 1988, 283

Ebd., 293

X.2.5. Rothko, zit. nach Chave 1989, 37

geradezu eine Offenbarung. In einem Katalog für eine Ausstellung Northwest Coast Indian Painting 1946 schrieb Newman: »Diese Werke sollten all denjenigen als Beispiel dienen, die die moderne abstrakte Kunst als esoterische Übung einer snobistischen Elite abtun, denn unter diesen einfachen Völkern war die abstrakte Kunst eine selbstverständliche, wohlverstandene, weitverbreitete Tradition.« Barnett Newman, Mark Rothko, Ad Reinhardt tasteten sich eher an der Farbfeldmalerei entlang. Künstlerisch ging es um Farben und um Emotion und Spontaneität. Spontaneität und Dynamik zeichneten die sogenannten Drip-Gemälde aus. Gleichsam mühelos entwickelte sich aus indianischen Motiven, die Pollock als rhythmische Reihungen malte, ein ungegenständliches Bild. Die Rhythmisierung wurde schließlich zu Pollocks performativem Verfahren, das viel mit schamanistischen Praktiken gemein hatte. »Pollocks vielfältige Aneignungen und Umformungen indianischer Kunst waren alle von einer schamanistischen Absicht getragen und beseelt.« Er verband mit den Drip-Gemälden aber auch die Idee einer dynamischen Weltsicht und die Verbindung von steuernder Intention und dem Zufall. »Die Verbindung von Gegensätzen ist typisch für die Tropfgemälde: Bild und Malgrund verschmelzen, Gebärde und Bild werden eins, Zeichnung und Schriftarten werden Malerei und das Kunstwerk selbst wird schließlich ritueller Vorgang.« Gerade an dieser breiten und internationalen Wende in die Gegenstandslosigkeit lässt sich zeigen, dass die Künstler kaum die reine Autonomie der künstlerischen Form im Auge hatten, ihre Absicht war, etwas zu zeigen, zu sagen und zu intendieren. Mark Rothko drückte es so aus: Kunst sei eine Sprache, mit der man »something about the world« kommunizieren könne.

2.1.3. Die Ambivalenz der Moderne – kunstphilosophische Programmatik und Konsequenzen

Rosenblum 1975, 137

Moderne und Avantgarde werden meist umstandslos mit Aufklärung, Fortschritt und Rationalität verbunden und nicht mit Emotionalität oder gar gegenaufklärerischem Okkultismus. Doch die Realität ist eine andere. Eine der wichtigsten Brücken vom 19. ins 20. Jh. war jene der Romantik, sodass deren Gehalte auch im 20. Jh., jedenfalls in deren ersten Hälfte, noch präsent waren: »Bei van Gogh, Munch und Hodler läßt sich oft schwer entscheiden, ob wir es einfach mit dem ungebrochenen Fortleben romantischer Traditionen bis ins späte 19. Jahrhundert zu tun haben […]. Die gleiche Frage stellt sich auch bei vielen Künstlern des 20. Jahrhunderts, von denen einige sehr genau wissen, wieviel sie den großen Malern der Romantik verdanken, während die meisten an romantische Motive und Erlebnisformen anknüpfen, ohne sich irgendwelcher Vorläufer bewußt zu sein.« Es ist keine Frage, dass die Romantik die Moderne und die Avantgarde kräftig speiste: »Angefangen vom Begriff der Kunstkritik über die Kategorien des Häßlichen, des Fragments, die diversen Ausdrucksformen der sich absolut setzenden Subjektivität, wie z.B. die Ironie, bis hin zur Sprachtheorie – es gibt fast keine Vorstellung, kein Konzept, kein Programm, das für die Kunsttheo­ rien des zwanzigsten Jahrhunderts von Bedeutung wäre, das sich nicht auf seinen



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Ursprung oder mindestens auf eine Quelle in der Kunst- bzw. Dichtungstheorie der Romantik zurückführen ließe.« Als Quellgründe für die Konzepte der Moderne wurden im letzten Kapitel religiöse Traditionen, Volkskultur, philosophische Ideen, Esoterisches, Primitivismus identifiziert. Der alte Idealismus war dabei noch das harmloseste Erbe: »Bei genauem Hinschauen unter das ägyptische Kostüm der Maurer, die indische Parfümierung der Avantgarde, sieht man gar den guten alten deutschen Idealismus hervorlugen.« Zu erinnern ist hier an die ambivalente Rezeption Hegels als Philosoph der Moderne. Bereits das 19. Jh. kannte abstrakte Malerei. Künstlerinnen wie Georgiana Hough­ton und Hilma af Klint waren von der Begegnung mit Geistern überzeugt, die ihnen in spiritistischen Séancen den Pinsel führten. Die ihre Malerinnenhände leitenden Geister malten ornamentale abstrakte bunte Formen. Die Künstler des 19. Jh.s waren zudem mit sogenannter primitiver, außereuropäischer Kunst konfrontiert. Nur wenige allerdings – der bekannteste unter ihnen war Gauguin – waren davon fasziniert und ließen ganz offen Anregungen in ihr Werk einfließen. Die eigentliche Begegnung mit sogenannter primitiver Kunst geschah erst im 20. Jh. Gerade weil heute die Ausdrücke primitiv und Primitivismus verdächtig sind (ohne dass praktikable Alternativen vorgeschlagen wurden), ist der Hinweis wichtig, dass die Künstler des 20. Jh.s (anders als weite Teile der Bevölkerung) voller Respekt von dieser Kunst sprachen. Grundsätzlich scheint bei Betrachtung dieser Sachlage eine Unterscheidung wichtig zu sein: Eine Sache ist die Suche nach Motiven und Metaerzählungen der Kunst der Moderne. Es scheint nicht unbedingt problematisch, sondern ist eher als Ausdruck einer guten Kenntnis der Tradition und fremder Kulturen zu würdigen, dass Künstlerinnen in allen möglichen kulturellen Erzählungen auf Anregungen stoßen. Wenn die Künstler des Abstrakten Expressionismus von der Spiritualität der Ikone fasziniert waren oder in der Eingeborenenkunst ein eindrucksvolles Formenrepertoire entdeckten, wenn Aspekte des Zen-Buddhismus für John Cage (der Musiker sei erwähnt, um zu zeigen, dass das Gesagte nicht nur für die bildende Kunst gilt), Jasper Johns oder Robert Rauschenberg anregend waren oder die Idee der Mandalas für Frank Stella und wenn sich Marcel Duchamp (mit wenig Begeisterung) theosophischer Ideen bediente, mag das zwar einen tiefen Schatten auf eine Illusion werfen, die von einer reinen Rationalität und einer kunstimmanenten Formentwicklung der Avantgarde ausgeht, aber für die Formfindung von Kunstrichtungen wird man das akzeptieren müssen. Anders als man sich die Rückschau auf die Avantgarde am Beginn des Jahrhunderts gerne zurechtrückt, waren den damaligen Künstlern, besonders jenen nach dem Zweiten Weltkrieg, diese Quellgründe durchaus bewusst. Deshalb bewahrten etwa El Lissitzky und László-Moholy-Nagy gegenüber theosophischen und spiritistischen Ideen ausdrücklich Distanz. Auch die meisten Exponenten der Minimal Art hielten Abstand zu jeder Spiritualisierung der Kunst. Besonders bedenklich fanden die Minimalisten Rückgriffe auf esoterische und okkulte Quellen. Frank Stella sagte dazu in einem Vortrag 1984: »Ich glaube, daß […] diese theoretischen Untermauerungen mit Theosophie und Antimateria-

Klinger 1990, 39

Wyss 1993a, 13 VIII.5.3.3.

Rubin 1984a

5.2.3.

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Stella, zit. nach Blotkamp Carel in Tuchman/ Freeman 1988, 89

Beaucamp 1998, 79

Wyss 1993a, 11

lismus der abstrakten Malerei auch Schaden zugefügt haben, der zu ihrem heutigen Verfall beigetragen hat.« Eine nochmals andere Sache ist es freilich, wenn solche dubiosen Gehalte dazu führten, dass das Selbstverständnis der Avantgarde, die Kunst mit dem Leben zu koppeln, in einen gesellschaftspolitischen Utopismus kippte, der schließlich Ansätze bot für Handlangerdienste und Kumpanei mit antidemokratischen und autokratischen politischen Regimen. Bereits die slawophile Verehrung eines vermeintlich reinen russischen Bauerntums oder der religiösen Aufladung der Ikone war äußerst fragwürdig, denn solches ließ sich zu einer Propagandakunst des Kommunismus denaturieren. Boris Groys ging mit der russischen Avantgarde deshalb scharf ins Gericht und warf ihr flächendeckend vor, die Utopie der Ikone über die Utopie der Avantgarde zur Utopie des Sozialistischen Realismus verwandelt zu haben. Auf der anderen politischen Seite kritisierte Georg Lukács bereits den Expressionismus als eine ideologische Position, die geradewegs in den Faschismus führe. Vor Augen stand ihm das abstoßende Beispiel Emil Noldes, der aus Verehrung romantischer nordischer Mythen, die ihn in seiner Kunst inspirierten, Mitglied der NSDAP geworden war, was allerdings nicht verhinderte, dass er selbst auch als entartet galt und Malverbot erhielt. Es bleibt bittere Wahrheit, dass sich beinahe alle Strömungen der Avantgarde, die sich gerne den Anschein des reinen Fortschritts und der Aufklärung gaben, politisch kompromittiert haben. Selbst die Bauhaus-Bewegung, deren Mitarbeiter Lagerpläne für Auschwitz und für Bauten der Hitler-Jugend zeichneten, war involviert. In der russischen Avantgarde scheuten sich weder El Lissitzky, Agitprop-Entwürfe (das aus Agitation und Propaganda zusammengesetzte Kunstwort Agitprop steht für die politische Propaganda seit Lenin) für den sowjetischen Pavillon anlässlich einer Presse-Ausstellung 1928 in Köln zu machen, noch Rodtschenko, Stalins Weißmeer-Kanalprojekt zu verherrlichen. Dass sich über okkulte Abgründe ausgerechnet die künstlerische Avantgarde mit den abstrusen Geschichten der nationalsozialistischen Ideologie traf, ist vielleicht auch ein Grund für die so schwer zu verstehende Tatsache, dass die Avantgarde ganz offensichtlich keinen hinreichenden Widerstand gegen die Totalitarismen des 20. Jh.s bot. Dass die Kunstgeschichtsschreibung über weite Strecken dieser unangenehmen Tatsache lange aus dem Weg ging, hängt genau mit diesem Dilemma zusammen, das sich nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs stellte und das Beat Wyss so auf den Punkt brachte: »Man konnte die Opfer nationalsozialistischer und stalinistischer Kulturpolitik nicht rehabilitieren, während man sie zugleich des Obskurantismus verdächtigte. Die Kunstgeschichte der Nachkriegszeit verdrängte die esoterische Seite der Avantgarde und dort, wo sie nicht wegzuleugnen war, galt sie als Kinderkrankheit von Genies.« In der Tat wurden atemberaubende Theorien vom unaufhaltsamen Aufstieg der Rationalität aus den Niederungen eines religiösen und mystischen Bodensatzes formuliert. Für die Malerin und Kunstkritikerin Suzi Gablik gab es eine »slow transition from primitive, religious and mystical mentalities (governed primarily by emotion) into the modern abstract conceptual mentality (governed pri-



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marily by rational and scientific thought).« Gablik bemühte zur Erklärung dieses Aufstiegs menschlicher Rationalität in lichte Höhen das Konzept von Jean Piaget. Die Gleichsetzung der Moderne mit Aufklärung und Rationalität durfte nicht angetastet werden. Manche Kunsthistoriker gerieten unter heftige Kritik, wenn sie die Sachlage nicht ungeschminkt darstellten. Hubertus Adam kritisiert die Einäugigkeit vieler Autoren in diesem Zusammenhang – hier Emil Kaufmanns 1933 erschienenes Buch Von Ledoux bis Le Corbusier: »Doch zu dem Gedanken einer Geburt der Avantgarde aus dem Geist der Monumentalität […] war Emil Kaufmann nicht bereit: Die Apologie der Moderne erzeugt deren Mythos.« Als besonders anfällig für Spiritismus und Okkultismus erwies sich die ungegenständliche Kunst. Denn sie war die selbsternannte Vorhut (also Avantgarde im besten Sinn des Wortes) bei der Aufhebung des Materiellen in das Geistige. Dass man dieses platonische Programm als konsequentes Ergebnis einer internen (selbstreferentiellen) Formentwicklung in der Kunst zu retten versuchte, ist, wie im letzten Kapitel gezeigt, keineswegs ausgemacht. Eines der ersten Bücher, das den Optimismus des bereits erwähnten Alfred H. Barr in dieser Hinsicht zerstreute und genau darauf aufmerksam machte und damit einen neuen Blick auf die abstrakte Kunst eröffnete, war neben ähnlichen Äußerungen von Otto Stelzer (Die Vorgeschichte der abstrakten Kunst; 1964) die Untersuchung von Robert Rosenblum (Die moderne Malerei und die Tradition der Romantik; 1975). Ihm folgte mit einem Aufsatz Sixten Ringbom. Dazu kamen eine Reihe von Ausstellungen zum Thema. Inzwischen scheint die Einschätzung bisweilen in das andere Extrem gekippt und die Meinung verbreitet zu sein, dass »alle wesentlichen Strömungen der abstrakten Kunst des 20. Jahrhunderts ihre Wurzeln in geistigen Bewegungen wie z.B. der Theosophie, dem Spiritismus, dem Wiederaufleben orientalischer und mediumistischer Tendenzen, der Alchimie, der Kabbala, dem Buddhismus und den schamanistischen Ritualen der amerikanischen Indianer haben.« Kompromisslose Abrechnungen stammen von Jean Clair und Eduard Beaucamp. In dem Unternehmen, auf die Verstrickungen praktisch aller modernen Kunstrichtungen in totalitäre politische Strukturen hinzuweisen, schießen diese Beiträge freilich über das Ziel hinaus. Da wird schon behauptet, dass die SS-Rune und die Titel der NS-Organe dem Zeichenvorrat und Reservoir des Expressionismus entstamme, was diesen damit desavouiere. Dass etliche Künstler und Architekten sich dem Regime andienten und dass dies in den Strömungen der Moderne einige fundamenta in rebus fand, ist wahr, aber es ist keine Eigenheit der modernen Kunstströmungen, die diese in ihrer Gesamtheit notwendig in Mitleidenschaft zöge. Dennoch bedrückt bereits, dass anscheinend die Polemik der Nazis beziehungsweise des Sozialistischen Realismus gegen die Moderne angerufen werden muss, um über die Avantgarde des 20. Jh.s zu einer positiven Bewertung zu gelangen: »Die Wende der Nazis gegen die Moderne hat diese gerettet.« Unter diesem Vorzeichen muss man es sogar als gute Fügung ansehen, dass der Expressionismus, für den sich Goebbels noch eingesetzt hatte, bei dem noch einfältigeren Hitler und seinem Umkreis keine Gnade fand.

Gablik 1976, 13 X.2.5.

Adam 1999

Ringbom 1993

Oberhuber Konrad in Tuchman/Freeman 1988, 8 Clair 1998; Beaucamp 1998; ähnl. Ley/Kaiser 2004

Liessmann 2004b, 18

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Wyss 1993a, 13

1.1. Kandinsky 1912, 40

Wyss 1993b, 21

Hrdlicka, zit. nach Pfütze 1989, 244 IV.8.4.

Es ist also summa summarum nicht einfach, ein ausgewogenes Urteil über diesen Gang der Avantgarde zu finden und das zu tun, was Beat Wyss einmahnt: »Die Mythologie der Aufklärung wäre zu erforschen, damit die Anrufung der ›Aufklärung‹ nicht zum Mythos wird.« Eine vorurteilsfreie Aufarbeitung der Verstrickungen der Moderne steht noch aus. In einem solchen Rahmen wäre es interessant, sorgfältig die Motive der Romantik zu identifizieren und ihrer Veränderung in totalitäre Gehalte nachzuspüren. Das Problem bei der bisherigen Debatte ist, dass sich die Avantgardisten in ihrem Selbstverständnis keineswegs als rückwärtsgewandt empfanden. Vielmehr erfuhren aus ihrer Sicht die Lehren der Esoterik und des Okkultismus, die sie zudem schwer von seriöser Philosophie unterscheiden konnten, von Seiten der zeitgenössischen Physik scheinbar eine glänzende Bestätigung. So und nicht anders ließen sich die Elektrizitätslehre, Radioaktivität, Atomtheorie und Relativitätstheorie interpretieren. Für Kandinsky waren die Physiker »professionelle Gelehrte, […] die endlich die Materie, auf welcher noch gestern alles ruhte und das ganze Weltall gestützt wurde, in Zweifel stellen.« Die »Theorie der Elektronen« wird »die Materie vollständig ersetzen«. Es war in der Tat so, dass die »wissenschaftliche Forschung, die auf ›Immaterialität‹ zielte, von den Künstlern begrüßt wurde als eine Bestätigung ihres Willens zur Abstraktion.« Dass die ungegenständliche Kunst unter besonderen Esoterik-Verdacht geriet, spielte vielen Kritikern noch aus einem ganz anderen Interesse in die Hände: es ging ihnen um die Verteidigung der gegenständlichen Kunst. Bei Jean Clair und anderen schwingt eine solche Absicht eindeutig mit. Die Vertreter des Realismus (Max Beckmann, Otto Dix, George Grosz) werden von Clair zu den aufrechten Widersachern des NS-Regimes gerechnet. Die Künstler der nicht figurativen Kunst hingegen seien samt und sonders Anhänger fragwürdiger okkulter Praktiken gewesen. Die Brandmarkung ungegenständlicher Kunst als faschistisch zog weite Kreise. Alfred Hrdlicka etwa desavouierte solche Kunst erbarmungslos. Für ihn zeugte jede Geometrie in der Kunst von der Ordnung faschistischer Heroik. Mondrians Kunst sei damit – konsequent – präfaschistisch, Malewitschs Quadrate hätten der »Zündung der Neutronenbombe« entsprochen und Rothkos Bilder gehörten neben Hakenkreuze gehängt. Dass man dies ganz anders sehen und eher das gegenstandslose Zeichen für die einschlägige Erinnerungsarbeit nützen könnte, wurde an anderer Stelle erwähnt. Aus einem weniger interessegeleiteten Blick wird man differenzierter zu Werke gehen. Abgesehen davon, dass sich etwa auch in Beckmanns Bibliothek Bücher der Okkultistin Helena Blavatsky fanden, sagt selbst ein fragwürdiges politisches Engagement zunächst noch nichts über die Qualität der Kunst aus, so wie umgekehrt eine tadellose politische Haltung nicht automatisch eine hohe künstlerische Qualität nach sich zieht. Schwieriger ist, wenn sich ein geistiger Zusammenhang zwischen Werk und politischem Engagement herstellen lässt. Politische und pädagogische Interessen, die Utopie eines besseren Menschen und einer besseren Gesellschaft zeichneten in der Tat viele Vertreter der Avantgarde aus. Daher kann kaum überraschen, dass solche Kunst für politische Utopien anfällig war. Man griffe zweifellos zu kurz, wollte man für die Kunst den Rahmen der real praktizierten Demokratie Anfang



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Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

des 21. Jh.s zum Maßstab der Bewertung ihres Tuns machen. Aber vermutlich sollte es erlaubt sein, Kunst und Architektur auf die Ideale von Aufklärung, Freiheit und Humanismus zu verpflichten und dazu aufzurufen, diese Werte auch in den demokratisch-rechtsstaatlichen Staatsgebilden immer dort zu verteidigen, wo Künstlerinnen als sensible Seismographen diese Werte verletzt empfinden. »Der Anspruch auf künstlerische Freiheit, verstanden als Unabhängigkeit der Kunst von der Politik […] hat noch immer ausgereicht, um von autoritären Regimen als subversiv verdächtigt und bekämpft zu werden.« Kunst wird so zu einem Probleme aufzeigenden Sensorium ebenso wie Teil der öffentlichen und politischen Diskussion. »Das Verhältnis der ästhetischen Avantgarden zur Idee und Wirklichkeit der Demokratie war so von seiten der Kunst immer ein zutiefst problematisches und ambivalentes gewesen.« Selbstverständlich muss auch Kunst, die sich zu Recht jeder politischen Instrumentalisierung entschlägt, ihre gesellschaftspolitischen Ansprüche legitimieren und sich der gesellschaftlichen Debatte stellen. Dabei wird es immer Grenzlinien geben, an denen sich die Meinungen, was Unterdrückung der Würde des Menschen ist, teilen. An dieser Stelle geht es jedoch um die einfachere Frage, wie die künstlerische Avantgarde in die Position einer Unterstützerin diktatorischer Regime gelangen konnten. Wer vor allem über die gegenstandslose Kunst den Stab bricht, übersieht leicht, dass das nationalsozialistische Deutschland ebenso wie die kommunistische Sowjetunion Stalins und das faschistische Italien einen monumentalen, propagandistischen Realismus verlangten, der jeder aktuellen Kunstentwicklung Hohn sprach. Besonders abartige Ergebnisse finden sich in der Architektur, wo sich der politische Anspruch in einem groben Monumentalismus niederschlug, »düstere Zeugnisse machtpolitischen Größenwahns«. An dieser Geschmacklosigkeit und Biederkeit der Kunstvorstellungen von autokratischen Regierungschefs, zumal wenn sie sich mit konservativen Kirchenkreisen verbünden, die bereits im 19. Jh. ein Bollwerk gegen die Moderne errichteten, hat sich bis heute nichts geändert. »Staatskunst ist Propagandakunst, ob in Mussolinis Italien, im nationalsozialistischen Deutschland, in der ehemaligen UdSSR oder bei ihren Satelliten (und zu oft auch in den Demokratien). Sie ist immer antimoderne Kunst, Reaktion auf die Avantgarde, Ostrazismus des Schöpferischen.« Eine solche staatlich verordnete Kulturpolitik ist bis heute skandalös und verwandelt Länder in ein kulturelles Niemandsland.

597– 599 Arbeit an der Erinnerung: Hrdlicka, Tor der Gewalt mit straßenwaschenden Juden, Wien; Eisenman, Holocaust-Mahnmal, Berlin

Argan 1977, 28 Liessmann 2004b, 20

Argan 1977, 29

VIII.8.2.

Hohl Reinhold in SK IV, 180

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

2.2. Eine Geographie der »Ismen« der ersten Jahrhunderthälfte

1.2.

Bürger 1974, 24

Am Beginn des Jahrhunderts gab es viel künstlerischen Austausch kreuz und quer durch Europa und darüber hinaus. Die meisten Kunstrichtungen waren ausdrücklich auf Internationalität angelegt, was im Umkehrschluss bedeutete, dass Nationalismus im Intellektuellenmilieu buchstäblich wenig Bodenhaftung fand. Eine wichtige Drehscheibe des Kunstgeschehens war Paris, aber es gab viele andere kreative Achsen, etwa jene zwischen Deutschland und Russland, verkörpert durch Kandinsky, Marianne von Werfekin, Jawlensky und andere. Der Erste Weltkrieg zerstörte dieses internationale Geflecht, durch die nachhaltige Zerstörung Europas ohnehin und durch die plötzlich aufkeimende nationalistische Xenophobie, die »ausländische« Künstler zum Verlassen der jeweiligen Länder zwang oder – schlimmer noch –, dass sie gar selbst in einem schwer nachvollziehbaren nationalistischen Überschwang in den Krieg zogen. Die knappe Zwischenkriegszeit reichte kaum für eine Konsolidierung der Verhältnisse und der Zweite Weltkrieg war jene Zäsur, die als Folge des in Trümmern liegenden Europa endgültig die Internationalisierung von Kunst und Architektur brachte. Spätestens mit dieser Zäsur hat sich das alleinige Rekurrieren von Kunst und Architektur auf Europa erledigt. Wenn nun von »Ismen« in der Kunstgeschichte des 20. Jh.s die Rede ist, darf nicht aus den Augen verloren werden, dass es sich dabei nicht um geschlossene Schulgebäude handelt, diese Bewegungen haben »die Möglichkeit eines epochalen Stils liquidiert, indem sie die Verfügbarkeit über die Kunstmittel vergangener Epochen zum Prinzip erhoben haben.« Aber immerhin geht es um häufig in Manifesten und Programmschriften festgezurrte identifizierbare Richtungen, in die man künstlerische Positionen einzuordnen versucht, was in den seltensten Fällen eindeutig gelingt. Denn die Künstler flanierten quer durch diese »Ismen«. Pablo Picasso war ein führender Kubist, aber in seinen Malereien und Objekt-Assemblagen findet man surrealistische Aspekte ebenso wie Anklänge an Dada. Bei den russischen Konstruktivisten gibt es auch Kubisten und Futuristen. Viele der Strömungen der ersten Jahrhunderthälfte erreichten eine große Publizität: Expressionismus, Kubismus, Konstruktivismus. Es gab innerhalb der größeren identifizierbaren Strömungen die Tendenz von Künstlerinnen zur Schulbildung und nicht wenige Bezeichnungen von Schulen und Vereinigungen, welche sich neben den Einrichtungen des 19. Jh.s, den Sezessionen, gründeten oder diese ablösten, stammen von den Künstlern selbst und nicht von nachfolgenden Kunsthistorikerinnen, die eher versuchen, solche Schulen in übergeordnete Strömungen einzuordnen. Neben den geradezu standardisierten »Ismen« ist die Zahl von Künstlervereinigungen und Gruppen kaum überschaubar, wobei viele Künstler auch verschiedenen Gruppen angehörten und zu verschiedenen Strömungen gezählt werden. Marcel Duchamp hat einen »Ismus« alle fünfzehn Jahre ausgemacht. Das scheint deutlich untertrieben und wenn man die Gruppenbildungen, aus denen kein ausdrücklicher »Ismus« erwachsen ist, mit berücksichtigt, dann ohnehin. Es wurden Programmschriften verfasst und exklusive Ausstellungen organisiert. Die verschiedenen Programmatiken eint über weite Strecken eine offensive kritische Ablehnung der her-



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Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

gebrachten konservativen Kunstinstitutionen der Akademien, Hochschulen und Museen. »Der Protest gegen die Akademie steht am Anfang der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts.« Denn die Vereinigungen erhoben den Anspruch, als Avantgarde aufzutreten. An die Stelle der Professoren traten der freie Künstler oder – aufgerüstet mit dem im letzten Kapitel angesprochenen visionären Gestus – der Prophet und Kunstmönch, aber auch der Konstruktivist und Rationalist. Es stand meist die Ambition im Vordergrund, die Kluft zwischen Kunst und Leben zu überwinden. Dazu bedurfte es neuer Formen in der Kunst: Performance, Happening, Assemblage, wie sie unter dem Dach von Surrealismus, Dada, Bauhaus, Futurismus zelebriert und in der zweiten Jahrhunderthälfte intensiviert wurden. Meist ließ sich die Programmatik solcher Schulen auf alle drei in dieser Untersuchung interessierenden Genres anwenden, die Grenzen zwischen Malerei, Bildhauerei und teilweise auch Architektur verwischten. In den folgenden Kapiteln wird versucht, über die größte Vielfalt künstlerischer Bewegungen und Stilformen, die je ein Jahrhundert hervorgebracht hat, einen zumindest groben Überblick zu geben, zunächst für die erste Hälfte und ab Kapitel 5.0. für die zweite Hälfte des Jahrhunderts.

Ruhrberg Karl in Walther 1998, 48

2.2.1. Fauvismus – Expressionismus – Kubismus Beim Herbstsalon 1905 im (1903 gegründeten) Salon d’Automne in Paris spottete der Kunstkritiker Louis Vauxcelles über die dort gezeigten bunten Werke einer Gruppe um Matisse, die in einem Raum mit einer von Albert Marque fabrizierten florentinisch anmutenden Figur hingen: es seien Werke wilder Tiere (fauves) rund um Donatello (»Donatello au milieu des fauves!«). Noch Anfang des 20. Jh.s wurde das colorire gegenüber dem disegno als anstößig empfunden. Der Begriff Fauvismus blieb an den Künstlern haften, aber die lose verbundene Gruppe empfand die Titulierung als Auszeichnung. Der späte Impressionismus van Goghs und Cézannes und der Pointillismus der Seurat-Schüler waren die Vorbilder für Henri Matisse, Maurice de Vlaminck, Albert Marquet, André Detrain, Raoul Dufy, Fernand Léger. Den Künstlern des Fauvismus ging es um die Kraft der Farbe und deren Harmonien. Ihre Intensität diente in erster Linie dazu, eine reine Mimesis zu überwinden. Der Nachahmungszwang wurde nicht durch Abstraktion, sondern durch die Intensität der Farbwerte bekämpft. Matisse – stark inspiriert von Cézanne – setzte sich mit der Farbtheorie auseinander, wobei er wie Kandinsky Farben und Klänge in Zusammenhang brachte. »Sind alle Beziehungen unter den Tönen einmal gefunden, so muß daraus ein lebhafter Farbzusammenklang entstehen, eine Harmonie, ähnlich derjenigen einer musikalischen Komposition.« Als Praktiker suchte er gleichzeitig das südliche Licht und bereiste unter anderem Marokko, wo er nebenbei die islamische Kunst schätzen lernte. Bei anderen wie Albert Marquet verstärkten Anklänge an die japanische Malerei die poetische Dichte der Bilder. Obwohl der Fauvismus, der ausschließlich Interesse an der Malerei hatte und keine politischen Ambitionen verfolgte, viele Anregungen bot, hatte er nur eine kurze Lebensdauer. Um 1907 kippte er in den Kubismus. Der Auffassung der Fauvisten ziemlich nahe standen die Expressionisten der Künstlervereinigung Die Brücke. Die Gruppe wurde 1905 in Dresden durch Ernst

Fauvismus

Matisse, zit. HW, 99

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ruhrberg Karl in Walther 1998, 54

Expressionismus

Saehrendt 2005

Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff, Erich Heckel und Fritz Bleyl gegründet. Dazu gesellten sich ein Jahr später Max Pechstein und für einige Zeit Emil Nolde. 1913 endete die Vereinigung an internen Streitigkeiten. Das gemeinsame Anliegen war die Überwindung der alten Akademieästhetik und der Illusionsinstrumente der Malerei. Es gab aber weitergehende visionäre Ziele, wie einen neuen solidarischen Menschen in einer Welt der Brüderlichkeit. »Die utopischen Ideale der ›Brücke‹-Maler wurden in einem schwärmerisch jugendbewegten Tonfall vorgetragen. Kirchner wollte später seinen Namen nicht mehr ›mit jener Jugendeselei‹ in Verbindung gebracht wissen, […].« Künstlerisch bekannte man sich neben der ausdrucksstarken Farbe, was die Gruppe (aber eben nur künstlerisch, nicht philosophisch) mit dem Fauvismus verband, zu Elementen der Abstraktion, zu Psychologisierung und Emotionalisierung, ausgedrückt durch Verzerrungen und Deformationen, was wiederum jede Mimesis von vorneherein durchkreuzte. Die Mitglieder des Kollektivs waren im Dresdner Völkerkundemuseum anzutreffen, wo sie sich von der afrikanischen und der Südsee-Kunst inspirieren ließen. Der Expressionismus galt lange Zeit als deutscher Beitrag zur Avantgarde am Beginn des 20. Jh.s. Er wurde – zumal durch das Werk Edvard Munchs – als nordische Kunst identifiziert, die gegen die sinnliche Kunst des Südens stünde. Diese Zuschreibung ließ die Nationalsozialisten anfangs mit ihrem Verdikt einer entarteten Kunst noch zögern. Inzwischen hat die Kunstgeschichte den Expressionismus freilich längst als ein gesamteuropäisches Phänomen erkannt. Er ist in Wien mit Oskar Kokoschka, der den Ausdruck Expressionismus geprägt haben soll, und in Berlin, Dresden, Prag, Moskau, Paris und mit einigen Vertretern in Italien nachweisbar. Der Expressionismus arbeitete sich an der nervösen Großstadt, an Natur- und Kriegsthemen ab und umfasste von Gegenständlichkeit bis zur Abstraktion eines Kandinsky die gesamte Themenpalette, darunter auch gegensätzliche Motive. »Erregung« und »Verstand« seien für seine Berlin-Bilder gleichermaßen wichtig, sagte Ernst Ludwig Kirchner einmal. In den Manifesten der Expressionisten wurde gegen die städtische Kultur polemisiert. Die Stadt beschrieb man als Hölle und ihre Bewohner als krank und durch die Dynamisierung wahnsinnig. In der Malerei war die Stellungnahme nicht ganz so negativ, man arbeitete sich eher an der Ambivalenz der städtischen Kultur ab. Die jahrhundertelange positive Bewertung der Stadt war hier radikal umgeschlagen. Damit geriet der Expressionismus in Gegensatz zu nahezu allen anderen Strömungen der Moderne. Nach dem Krieg erfuhren die Expressionisten – immer noch ausgestattet mit den Sympathien einer deutschen Kunst und mit dem Status einer im »Dritten Reich« unterdrückten Kunstströmung – breite Unterstützung. In Westdeutschland wurde der Expressionismus geradezu zu einer Staatskunst, während der sowjetisch dominierte Osten die nationalsozialistische Entartungs-Semantik praktisch eins zu eins übernahm. In der DDR polemisierte man trotz des Internationalismus des Marxismus gegen eine Weltkunst ohne nationale Bindungen. Doch auch im Westen gab es Kritiker, die sich an der Stadtkritik stießen und für die der Expressionismus unter dem Generalverdacht einer irrationalen, emotiona-



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len, demnach vernunftwidrige Kunst stand. Die Kritik, die bis zum Vorwurf reichte, der Expressionismus sei ein Wegbereiter des Faschismus gewesen, hob auf das Beispiel des NSDAP-Mitglieds Emil Nolde ab, der, mit seinem zum Museum gemachten Wohnhaus in Seebüll einer der am meisten verehrten Vertreter war. Der erwähnte Rehabilitationsgestus nach dem Krieg führte in den Siebzigerund Achtzigerjahren zu einer Renaissance des Expressionismus: Lucian Freud, Georg Baselitz, Anselm Kiefer, Jörg Immendorff und Gerhard Richter sind die bekanntesten Vertreter dieses Neoexpressionismus. Gegen »die expressionistische Kunst« hatten sich bereits in den Zwanzigerjahren Literatur-, Kunst-, Architektur- und Filmschaffende unter dem von Gustav Hartlaub 1923 erfundenen Titel Neue Sachlichkeit versammelt. Es ging um »objektive« Kunst gegen Abstraktion und Expression. Dabei bildeten sich zwei Richtungen: einmal eine gesellschaftskritische, die Motive des Klassizismus verarbeitete (u.a. mit Otto Dix und George Grosz) und zum anderen eine romantisierende, die eher ein altes Idyll wiederherzustellen sich bemühte. Besonders letztere rief viel Kritik hervor, die der Neuen Sachlichkeit eine reaktionäre Geisteshaltung unterstellte und eine Wiederbelebung des Biedermeier. Die vermutlich bedeutendste kunstgeschichtliche Revolution im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts war der am Ideenstrang des Fauvismus hängende Kubismus. Auch diese Bezeichnung wird Vauxcelles zugeschrieben, der in einer Besprechung einer Braque-Ausstellung 1909 eine Bemerkung von Matisse referierte, Braques Werke bestünden aus kleinen Kuben. Damit war der Ausdruck Kubismus geboren, der mit dem ersten Auftreten der Kubisten im Salon des Indépendants in Paris 1911 (unter ihnen Albert Gleizes, Jean Metzinger, Fernand Léger, aber nicht Picasso und Braque) große Aufmerksamkeit auslöste. Bereits Monate vor dieser ersten öffentlichen Präsentation hatte der aus Nantes stammende Maler Jean Metzinger in einer Note sur la peinture den Kubismus zur führenden modernen Richtung und Picasso und Braque zu deren herausragenden Vertretern erklärt. 1907 war das epochale Werk Les Demoiselles d’Avignon von Pablo Picasso (über den von einem Kunstkritiker 1916 erfundenen Titel war Picasso unglücklich) entstanden, das erst 1938 im Museum of Modern Art in New York öffentlich gezeigt wurde. Die Szenen von Prostituierten in einem Bordell seiner Heimatstadt Barcelona war schon thematisch ein skandalöser Bruch mit der Tradition der bisheri­gen Malerei, der durch die Form noch verstärkt wurde. »Les Demoiselles d’Avignon must come nearer to an act of pure destruction than almost anything else in the entire history of art, […].« Picasso missachtete »die Regeln einer erfahrbaren Räumlichkeit, einer naturalistischen Farbgebung sowie einer Wiedergabe der Körper in natürlichen Proportionen.« Er zeigte die in geometrische Formen zerfallenden Figuren in Gleichzeitigkeit aus verschiedenen Ansichten. »Mit der Absage an die Einheit des Betrachter-

2.1.3.

Neue Sachlichkeit

Kubismus

Partsch 2002, 34f, 217 600 Picasso, Les Demoiselles d’Avignon (1907); MoMA

Harbison 2015, 151 Ganteführer-Trier Anne in Holzwarth/Taschen 2016, 113f

54

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Langner Johannes in Argan 1977, 177

Rubin 1984b, hier: 270f

Apollinaire, zit. HW, 224

Gleizes/Metzinger, zit. HW, 235

Ebd., 238

Kahnweiler 1920, 25

standpunktes und der Beleuchtung zerschlägt der Kubismus die Geschlossenheit der zentralperspektivischen Illusion. […] Der Kubismus überwindet die von der Renaissance gestiftete Bildvorstellung nicht, indem er einfach von ihr absieht, sondern indem er ihre Illusion als solche aufdeckt und die Widersprüche ihrer Voraussetzung zum Gegenstand bildnerischer Reflexion macht.« Dass für Picasso sogenannte primitive Kunst eine zentrale Rolle spielte, wurde bereits angemerkt und ist gut untersucht, namentlich die Einflüsse auf die Demoiselles, die Picasso selbst zu leugnen pflegte, um nicht in den Verdacht unkritischen Kopierens afrikanischer Kunst zu geraten. Neben Picasso war Georges Braque, der ursprünglich dem Fauvismus nahe stand, ein weiterer Vater des Kubismus. Insbesondere das alte Thema Stillleben buchstabierte der große Künstler im Alphabet des Kubismus völlig neu. Auch der in Paris wirkende Spanier Juan Gris liebte dieses Thema. Kunsthistorikerinnen nähern sich dem außergewöhnlichen Phänomen des Kubismus mit verschiedenen Deutungsmustern und der Streit darüber, ob der Richtung ein philosophisches Konzept zugrunde liegt oder ob sie aus der künstlerischen Praxis entstand, wogt bis heute. Bereits der Schriftsteller und Lyriker Guillaume Apollinaire legte in seiner Schrift Les peintures cubistes (1913) eine gängige Sichtweise vor, die mit Blick auf die Zeitdimension die Abbildung als simultane Darstellung verschiedener Ansichten verstand. Mit dieser Sichtweise feierten die Zeitgenossen der Kubisten vor allem die Destruktionsambition des traditionellen Bild- und Kunstbegriffs im Sinne Apollinaires, der im Kubismus eine neue reine Malerei sah, die dabei war, »sich völlig von der alten Malerei freizumachen […].« Apollinaire ging so weit, in den Künstlern Gestalter und Ordnungssetzer der Natur zu sehen. Jean Metzinger, Mitbegründer der Gruppe Section d’Or (franz. goldener Schnitt), war vom Expressionismus zum Kubismus gekommen und gilt zusammen mit Albert Gleizes als einer der Theoretiker der Strömung. Aber sie standen zugleich in kritischem Abstand zu Picasso und Braque und wollten nicht nur die platonischen Zahlenverhältnisse hochhalten, sondern die Bevorzugung der Form bei den großen Meistern des Kubismus wieder zugunsten der Farbe relativieren. Die beiden verfassten 1912 die Abhandlung Du Cubisme, die starke Beachtung fand. Darin konnten sie der Versuchung nicht widerstehen, die Naturwissenschaft der Zeit zu bemühen: »Wollte man den Raum der Malerei an eine Geometrie anbinden, so müßte man sich an die nichteuklidische Wissenschaft halten und über einige Theoreme von Riemann nachdenken.« Aber letztlich ginge es nicht um Geometrie, sondern um jene Bedeutung, welche das Subjekt der Welt gibt: »Ein Gegenstand hat keine absolute Form; er hat so viele Formen, wie es Bedeutungsebenen gibt. […] Wir suchen das Wesentliche, doch wir suchen es in unserer Persönlichkeit und nicht in der Ewigkeit, die die Mathematiker und Philosophen mühevoll ausgeklügelt haben.« Daniel-Henry Kahnweiler veröffentlichte 1920 den Essay Der Weg zum Kubismus, der als erster Teil einer ästhetischen Studie geplant war. Darin zeichnete er unter anderem nach, wie sich der Kubismus vor der Versuchung reiner Arabesken-Ornamentik in Acht nehmen musste, was besonders Picasso gelang: »Picasso war der Verführung der Farbe unzugänglich geblieben.« Das wundert nicht, denn Picasso re-



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agierte heftig auf jede Unterstellung, es ginge ihm nur um dekorative Kunst oder um eine Trennung von Kunst und politischem Engagement: »Nein, die Malerei ist nicht erfunden, um Wohnungen auszuschmücken! Sie ist eine Waffe zum Angriff und zur Verteidigung gegen den Feind.« Das eindrucksvollste Zeugnis dafür, wie ernst es Picasso um das politische Engagement war, ist das 1937 entstandene Bild Guernica, eine einzige Anklage gegen General Francisco Franco wegen der Bombardierung der baskischen Stadt Guernica. Das Bild absolvierte eine weltweite Ausstellungsreise und desavouierte das faschistische Regime in Spanien. Dazu fügte Picasso noch ätzende Karikaturen über Franco hinzu und brachte sich damit in Lebensgefahr. Kahnweiler analysierte, dass der Kubismus es schaffte, »die Körperlichkeit der Dinge und ihre Lage im Raum ›darzustellen‹, anstatt sie durch illusionistische Mittel vorzutäuschen.« Das funktioniere nach Kahnweiler in einem neukantianisch-konstruktivistischen Sinn, indem der Künstler die Wirklichkeit neu erschafft. Das neukantianische Programm trifft sich hier frappant mit dem platonischen, denn diese Konstruktion erfolgt geradewegs durch geometrische Körper. Arnold Gehlen sah bei Kahnweiler eine überzeugende Erklärung des Kubismus, weil diese kunstphilosophische Theorie »immer wieder zum Erstaunen des Lesers in ganz dichte Deckung mit malerischen Detailproblemen kommt.« Damit meinte er unter anderem die Darstellung mehrerer Ansichten in einem Bild, wodurch das »Ding selbst« und nicht bloß der »optische[n] Hinblick« eingefangen sei. Bei der sehr kritischen Deutung der Kubisten durch den Kunstschriftsteller Jacques Rivière 1912 ist man an das Spiel Kants mit Erscheinung und An-Sich-Sein erinnert: »Kurz, der Maler wird, statt das Objekt zu zeigen, wie er es sieht, d.h. aufgegliedert in Hell und Dunkel, es so darstellen, wie es ist, d.h. in der Form eines geometrischen Volumens, das der Beleuchtung entzogen ist.« Rivière feiert jedenfalls die Abschaffung der Perspektive als einen Schritt zur Wahrheit des Realen, denn die Realität zeigt uns »die Objekte auf eine solche verzerrte Weise.« Diese Deutung einer Suche nach dem eigentlichen Wesen der Wirklichkeit, im platonischen Sinn oder im Sinne Kants als Suche nach dem Ding an sich, wird auch heute noch vertreten: »Kubismus war ursprünglich eine Kunst des Mißtrauens gegenüber dem Wirklichkeitscharakter der sichtbaren Welt.« Eine andere Deutung hebt auf eine Rhythmisierung der Bildfläche ab: Es handle sich um eine »radikale und durchgängige, synkopische Rhythmisierung der Bildfläche, mit der Braque und Picasso in der Malerei ähnliches Neuland betreten wie später der Jazz im Bereich der Musik.« Schließlich wurde die Tradition des Tafelbildes noch weitergehend durch Techniken wie die Collage ins Dreidimensionale gesprengt. Nicht nur das Ready-Made, auch bereits Picasso schrieb ein Kapitel in der neuen Auffassung der Skulptur. Eher als von Skulptur muss man in diesem Zusammenhang allerdings von Objektkunst sprechen. Peter Weibels Deutung der Perspektive wurde bereits im entsprechenden Kapitel kurz erwähnt. Hier soll nochmals die Motivation in Erinnerung gerufen werden, die seiner Meinung nach zur »Abschaffung der Tyrannei der Perspektive« führte, nämlich der »multiple Blick eines um das darzustellende statische Objekt sich be-

Picasso, zit. HW, 777

Kahnweiler 1920, 50

Gehlen 1960, 86/88

Rivière, zit HW 229

Ruhrberg Karl in Walther 1998, 74

Bocola 1994, 194

VI.5.3.

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Weibel 1990, 171

Orphismus Apollinaire, zit. HW, 227

601 Picasso, profile (1967); IM

wegenden Betrachters«, der zur »multiplen Perspektive des Kubismus« geführt habe. Weibels Erklärung für die Beendigung der Perspektive ist zugleich eine Deutung des Kubismus als eine der Signatur der Zeit, der Dynamisierung des Lebens angemessene künstlerische Position. Dass hier die drei Hauptströmungen des anhebenden 20. Jh.s gemeinsam besprochen werden, ist auch auf die Künstlerinnen zurückzuführen, die zwischen diesen sich nicht allzu fern stehenden Strömungen flanierten. Der bei den Fauvisten schon erwähnte Fernand Léger lässt sich ebenso wie der Litauer Jacques Lipchitz und der Tscheche Frantisek Kupka kaum streng einer Bewegung zuordnen. Sie standen in einem Spannungsfeld von Spätimpressionismus, Fauvismus und Kubismus. Ähnlich verhielt es sich mit Paula Modersohn-Becker, die eher eine Nähe zum Kubismus als eine zu den Farbexplosionen des Expressionismus hatte. Robert Delaunay, der zusammen mit seiner ihm ebenbürtigen Frau Sonia in die Entwicklung der Abstraktion in der Kunst gehört, stand dem Kubismus sehr nahe. Er war aber ganz im Sinne der Section d’Or färbiger als die ins Monochrome gehenden Kubisten und symbolistischer, zudem gerne im kreisförmigen Format. Guillaume Apollinaire prägte dafür 1912 den Ausdruck Orphismus: Es ist die Kunst, »neue Ganzheiten mit Elementen zu malen, die nicht der visuellen Wirklichkeit entlehnt, sondern gänzlich vom Maler erschaffen wurden […].« Ebenfalls die Nähe des Kubismus suchte der ursprünglich vom Naturalismus Rodins kommende rumänisch-französische Bildhauer Constantin Brancusi, der kraftvolle und reduzierte Zeichen – zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit changierend – modellierte. Im Stein und in der Bronze spielte das Licht bei seinen Skulpturen eine große Rolle. Die Anregung, den Sockel als Teil der Skulptur zu verstehen und ihn entsprechend zu gestalten, nahm Alberto Giacometti auf. Auch Amadeo Modigliani, der mit Brancusi befreundet war, ließ sich von ihm inspirieren und begann mit bildhauerischen Arbeiten. Brancusis Die endlose Säule (La Colonne sans fin; 1937/38) aus mit vergoldeter Bronze verkleidetem Gusseisen hatte einen kaum zu überschätzenden Einfluss auf die amerikanische Bildhauerei und auf die Architektur.

2.2.2. Der Monte Verità

VIII.8.1.

Zu den zahlreichen Gründungen von Künstlervereinigungen gehören bisweilen auch kurios anmutende Beispiele, welche sich nicht für allzu forsche Anfragen an ihren aufklärerischen Gehalt eignen. Eine dieser seltsamen Bewegungen waren die Nazarener im 19. Jh., die sich rückwärtsgewandt gegen die Moderne positionierten. Eine andere war die Bewegung Monte Verità, die allerdings durchaus in die Geschichte der Moderne gehört, aber eben auch deren Ambivalenz aufdeckt. Die Bewegung wandte sich kritisch gegen die Technik- und Fortschrittseuphorie der Zeit, gegen die Logik der Ökonomie und des alltäglichen Materialismus. Als Remedium dagegen sollte die Hinwendung zum Geistigen und Spirituellen helfen. Mit dem Geistigen war keine kontrollierte Rationalität gemeint, sondern jener Spiritismus, der sich in den Schriften der Theosophen fand. Ihre Träger waren Jünger der Natur, Anarchisten, Pazifisten, Utopisten, Theosophen und Weltverbesserer. Sie



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Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

gaben sich ein Mönchen ähnliches Äußeres, pflegten einen Vegetarismus und zelebrierten die Nacktkultur – so wie eben die Wahrheit der Natur stets mit Nacktheit assoziiert wurde. Letzteres verschaffte ihnen zahlreiche Auftritte vor Gerichten. Und die meisten von ihnen hatten künstlerische Ambitionen. Einer der Gründerväter der Gemeinde war der frühe Kommunarde, Friedensaktivist und Künstler Karl Diefenbach, der in Ober St. Veit in Wien eine Kommune führte. Seine »Lehre«, die er in Mönchskutte verkündete, umfasste Freikörperkultur, Vegetarismus, Polygamie und Pazifismus. Künstlerisch war er durchaus erfolgreich und gehörte stilistisch zum Symbolismus. Aus diesem Gemisch destillierte sein Schüler, der Maler Hugo Höppener – Künstlername Fidus –, ein sonderbares esoterisches und theosophisches Selbstverständnis. Er malte Sonnentempel, betrieb germanische Naturverehrung und pflegte Kontakte zur Jugend- und Wandervogelbewegung. 1932 trat er der NSDAP bei. Die Parteigenossen konnten mit seinen kitschigen Bildern allerdings wenig anfangen. Ein weiterer Jünger Diefenbachs war Gustav Gräser, der in Hippie-Adjustierung durch Italien wanderte und in den Städten seine Botschaft an Frau und Mann zu bringen versuchte. Bauern auf dem Feld sollen sich bekreuzigt haben, als sie ihn sahen, weil sie glaubten, Christus erscheine ihnen. Auf einem 321 Meter hohen Hügel bei Ascona am Lago Maggiore im schweizerischen Kanton Tessin gründete er zusammen mit seinem Bruder Karl, dem belgischen Fabrikantensohn Henri Oedenkoven und der Münchner Pianistin Ida Hofmann im Herbst 1900 schließlich eine Lebensgemeinschaft und Künstlerkolonie, die sich Monte Verità (Wahrheitsberg) nannte. Sie hielt sich bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Aus einer angedachten Naturheilanstalt wurde nichts, der Monte Verità blieb ein eher unscharfes Alternativprogramm im oben erwähnten Sinn: naturnahes Leben samt Freikörperkultur, Vegetarismus, freie Sexualität, Pazifismus, Frauenrechte, Mystik, wobei die Haltung zur zeitgenössischen Technik eine ständige Quelle von internen Querelen war. Nichtsdestotrotz erfreute sich der Sehnsuchtsort höchster Attraktivität bei Künstlern, Schriftstellern und Philosophen. Vertreterinnen des Dadaismus, diverser Künstlervereinigungen, Ernst Bloch, Gerhart Hauptmann, Hermann Hesse – alle waren sie dort. Heute steht auf dem Gelände ein Kongresszentrum. Daneben wurde die Casa Anatta, eines der Holzhäuser der Künstlerkolonie, rekonstruiert und 1981 dort eine 1978 von Harald Szeemann entworfene Schau über diese Bewegung (Monte Verità, Die Brüste der Wahrheit) als Dauerausstellung eingerichtet.

2.2.3. Dadaismus Der Dadaismus wurde als künstlerische und literarische Bewegung 1916 vom Dramatiker, Publizisten, Schauspieler und Dramaturgen Hugo Ball, dem Schriftsteller und Psychoanalytiker Richard Huelsenbeck, dem Bildhauer und Lyriker Hans (Jean) Arp und anderen im damals noch ziemlich provinziellen Zürich gegründet. Es handelte sich teilweise um deutsche Emigranten, vornehmlich Pazifisten, die sich der allgemeinen Kriegsbegeisterung entzogen hatten. Sie kamen unter anderem aus München, wo der aus Hannover stammende Schauspieler und Dramatiker Frank

Blom 2009, 232

58

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Watts Harriett in Tuchman/Freeman 1988, 238–253

Ruhrberg Karl in Walther 1998, 119

Tzara, zit. HW, 296

Ball, zit. HW, 295

Tzara, zit. HW, 300

Ball, zit. HW, 293

Wedekind in Cabaret-Lokalen respektlose und obszöne Aufführungen inszenierte, bei denen auch Hugo Ball und seine Freundin Emmy Hennings anwesend waren. Entstanden ist die Bewegung im Cabaret Voltaire, wo nach anfänglich durchaus traditioneller Kulturarbeit Huelsenbeck, der rumänische Dichter Tristan Tzara, Hugo Ball und Emmy Hennings exzentrische Cabaret-Programme aufführten. Motivation war die Ablehnung konventioneller Kunst und bürgerlicher Lebensweise. Gnostisches und mystisches Gedankengut war verbreitet. 1917 wurde im Cabaret Voltaire aus den Schriften Jakob Böhmes gelesen. Namentlich Hans Arp war von Böhme begeistert. Im gleichen Jahr zeigte der Galerist Han Coray zum ersten Mal öffentlich Dada-Kunst in Zürich. Sicherlich gehörte neben der Tragödie des Ersten Weltkrieges die Fortschrittsund Beschleunigungsfigur der Zeit zu den Anstößen für Dada. Das sorgte für eine pessimistische anti-konstruktive Sicht auf den Menschen. »Dada zog das Fazit aus dem Fiasko des Fortschrittswahns und zelebrierte den Triumph des Absurden. Dada war mehr als das Rüpelspiel, als das es gelegentlich inszeniert wurde. Dada war die Revolte des Lebendigen gegen das Erstarrte, der Freiheit gegen die Doktrin, des Irrationalen gegen den ›Verstand‹ der Realpolitiker und Spekulanten, […].« Die eigentliche Motivation ist aufgrund fehlender Beschreibungen der Protagonisten schwer zu rekonstruieren. Jedenfalls umfasste die Ablehnung alter Konventionen die Kritik an »Programmen« und »Weltanschauungen«, also an jeder Form eines »-Ismus«, weshalb man damals statt von Dadaismus meist lieber von Dada sprach. Zwar verfassten die Exponenten Manifeste, Ball eines 1916, in dem er die Bewegung sozusagen gleich widerrief, einen Monat später Tristan Tzara (es wurde erst 1918 veröffentlicht), der festhielt: »[…] grundsätzlich bin ich gegen Manifeste, wie ich auch gegen Grundsätze bin […]. Ich schreibe dieses Manifest, um zu zeigen, daß man ein­ ander entgegengesetzte Handlungen zugleich, in einem einzigen kühlen Atemzug tun kann; […].« Spätere Manifeste in verschiedenen Städten folgten. Über die Herkunft der Bezeichnung, mit der auch eine von Tzara herausgegebene Zeitschrift benannt war, kursieren verschiedene Darstellungen der Beteiligten. Mit Seitenblick auf den Rumänen Tzara wird darauf verwiesen, dass Dada im Rumänischen Ja-Ja bedeutet. Man liegt aber nicht falsch, wenn man den Ausdruck mit Kindlichkeit, Lautmalerei und Unernst verbindet. »Der Dadaismus – ein Maskenspiel, ein Gelächter? Und dahinter eine Synthese der romantischen, dandystischen und – dämonistischen Theorien des 19. Jahrhunderts?«, so eine Tagebucheintragung von Hugo Ball. Die Bewegung verweigerte sich konsequent einer jeden Definition und Klassifikation. Sie verstand sich vielmehr als ständige Ordnungszerstörung, als Anti-Kunst und Parodie auf jede Ordnung und auf jeden Sinn. »DADA – Abschaffung der Logik […] DADA – Abschaffung jeder gesellschaftlichen Rangordnung […] DADA – Abschaffung des Gedächtnisses […] DADA – Abschaffung des Künftigen: […]«, heißt es bei Tzara. Ball notiert am 12. März 1916 in sein Tagebuch: »Die Weltordnungen und Staatsaktionen widerlegen, indem man sie in einen Satzteil oder einen Pinselstrich verwandelt.« Hugo Balls Lautgedichte brechen bewusst mit der Bedeutungsrelation und reduzieren die Sprache auf Klangbilder: »Das Wort und das



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Bild sind eins. Maler und Dichter gehören zusammen.« Inwieweit man in diesen Konstruktionen auch einen gesellschaftskritischen Gestus, gar politische Ambitionen erkennen soll, wird verschieden beurteilt. Performances mit simultan verlesenen Gedichten – vor allem unter Balls Gründungskollegen und Nachfolger in Zürich, Tristan Tzara – spielten kritisch auf die conditio humana des modernen Menschen an. Es gab Publikumsbeschimpfungen und Provokationen auf der Bühne. »Tristan Tzara jedenfalls verwandelte sich vom Dadaisten zum Surrealisten und Kommunisten. Aber da war Lenin längst in Moskau und ausserdem tot, Tzara indessen zunächst in Paris und dann im Spanischen Bürgerkrieg. Kaum war das Cabaret Voltaire eröffnet, zog Lenin mit seiner Frau schräg gegenüber ein und blieb hier bis April 1917.« Zweifellos lebt auch das Antikunstwerk letztlich von einer moralischen Ambition. Allerdings eröffnet sich keine systematische Stimmigkeit in solchen gesellschaftskritischen Ambitionen, was der Idee des Dadaismus ja auch widerspräche. Man propagierte, scheinbar widersprüchlich zur Kritik am Fortschrittswahn, die totale Amerikanisierung, insofern Amerika für Technik, Geschwindigkeit, Materialismus, Modernität und damit für den totalen Gegenentwurf zum behäbigen und in weltanschauliche Systeme zerfallenden Europa stand. »In Montagen und Collagen wie Citroëns Metropolis oder Grosz’ Universal City dient das simultane Bild amerikanischen Lebens als Metapher für die erstrebte Gegenwelt zur europäischen Kultur.« Es waren eher die philosophischen Systeme hinter der Fortschrittsfigur, die Europa liebte und die die Dadaisten ironisierten, indem sie selbst Manifeste verkündeten. Raoul Hausmann, Richard Huelsenbeck und Jefim Golyscheff forderten in einer Proklamation, die der Zeitschrift Dada beigeheftet war, folgendes: »Der Dadaismus fordert 1. die internationale revolutionäre Vereinigung aller schöpferischen und geistigen Menschen der ganzen Welt auf dem Boden des radikalen Kommunismus. 2. die Einführung der progressiven Arbeitslosigkeit durch umfassende Mechanisierung jeder Tätigkeit […]. 3. die sofortige Expropriation des Besitzes (Sozialisierung) und kommunistische Ernährung aller, sowie die Errichtung der Allgemeinheit gehörender Licht- und Gartenstädte, die den Menschen zur Freiheit entwickeln.« Wenn dann auch noch eine »öffentliche tägliche Speisung aller schöpferischen und geistigen Menschen auf dem Potsdamer Platz (Berlin) b) die Verpflichtung der Geistlichen und Lehrer auf die dadaistischen Glaubenssätze«, eine »großdadaistische[n] Propaganda mit 150 Cirkussen zur Aufklärung des Proletariats« oder die »Errichtung einer dadaistischen Geschlechtszentrale« zur Regelung der Sexualbeziehungen gefordert werden, kann dies wohl nur als mehr oder weniger geistreiche Verhöhnung politischer Manifeste aufgefasst werden. Vielleicht war auch die Mitgliedschaft von einigen in der Kommunistischen Partei so, also antipolitisch, gemeint. Allerdings war die politische Enthaltung nicht nach jedermanns Geschmack. Einige Künstler der Dada-Gruppe wie Otto Dix oder George Grosz (der 1919 in die neugegründete KPD eintrat) hielten als Linke die utopischen Gesellschaftsambitionen aufrecht. Sie bezeichneten sich am Beginn der Zwanzigerjahre als Veristen und verstanden sich als eine Bewegung, welche die Zeit schonungslos einer kritischen Analyse unterzieht. Durch die Aggressivität ihres Tuns handelten sich die Künstler manch einen

Ebd., 294

Bucheli 2016

Nerdinger 1990

zit. HW, 303f

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Grosz, zit. nach ­Schneede Uwe M. in Argan 1977, 256

Grosz, zit. HW, 491

Ingold 2013

Konflikt mit der Staatsmacht ein. »Der Verist hält seinen Zeitgenossen den Spiegel vor die Fratze. Ich zeichnete und malte aus Widerspruch und versuchte durch meine Arbeiten die Welt davon zu überzeugen, daß sie häßlich, krank und verlogen ist […]«, schrieb Grosz 1925. Gerade Grosz hatte alle Mühe, sich vor der Vereinnahmung durch die kommunistischen Genossen zu schützen, die von ihren linken Gesinnungsfreunden Propagandakunst haben wollten: »Ich aber halte es nicht für nötig, die Forderungen eines ›Hurra-Bolschewismus‹ zu erfüllen, der sich das Proletariat glatt gekämmt und im alten Heldenkostüm vorstellt.« Ein anderes Sammelbecken politisch engagierter Künstler war die Novembergruppe, 1918 in Deutschland als Reaktion auf die Novemberrevolution gegründet. Ihr gehörten eine Reihe linksstehender Künstler an, unter ihnen Max Pechstein, Heinrich Campendonk, Otto Dix, Raoul Hausmann. Schon bald verlor die Gruppe aber ihren revolutionären und utopischen Elan und wurde von einer internen Opposition heftig dafür kritisiert. Nach Schließung des Cabarets Voltaire auf Grund von Anrainerprotesten entstand eine Galerie, ebenfalls mit dem Namen Dada. In ihr waren unter anderem Wassily Kandinsky, Paul Klee, Giorgio de Chirico vertreten. Die Dada-Bewegung breitete sich in ganz Europa und in die USA aus. Sie war pazifistisch und basisdemokratisch. Es ging ohne Anspruch auf ein Gesamtkunstwerk romantischer Prägung doch um Verbindung der verschiedenen Kunstformen und um die Verbindung mit der Trivialkunst bzw. mit Alltagsgegenständen. In Berlin hatte Dada neben den absurden Aktionen des in Wien geborenen Raoul Hausmann (der »Dadasoph«) und des »Oberdada« Johannes Baader, mit den satirischen Zeichnungen von Georg Grosz (»Propagandadada«), dem deklarierten Pazifismus von Max Ernst (»Minimax-Dadamax«), nun doch auch eine politische Komponente. Baader, der sich in mehreren Performances als wiedergekommener Christus stilisierte, hing allerdings eher einem religiös-gnostischen Gedankengut an und wollte einen Tempel für einen neuen Bund Gottes mit den Menschen bauen. Die Bewegung erreichte auch New York, konnte dort mit wenigen Ausnahmen (Man Ray, der freilich die meiste Zeit seines Lebens in Paris verbrachte, und Marcel Duchamp, der 1915 nach New York ging, aber von 1919 bis 1942 wieder in Paris war), anders als in Europa, kaum nachhaltige Wirkungen entfalteten. In Europa strahlte der Dadaismus, der mit Alphonse Allais, Paul Bilhaud, dem »Erfinder« des monochromen Bildes, und Alfred Jarry einige Vorläufer hatte, auf den Surrealismus aus sowie auf die Aktionen eines Marcel Duchamp oder Francis Picabia, der ebenfalls eine Dadazeitschrift gründete. 1920 fand in Berlin die Erste Internationale Dada-Messe statt. Tzara wollte mithilfe von Künstlern aus knapp einem Dutzend Nationen die Internationalisierung der Bewegung dokumentieren. Das Projekt Dadaglobe wurde aber nicht umgesetzt. Dabei hätte man sogar in der Sowjetunion eine erwähnenswerte Gruppe von Dadaisten (Moskau, Tiflis, Rostow) dokumentieren können, wie unter anderem eine Untersuchung von Felix Ingold für die Avantgarde während der Umbruchszeit in Russland zwischen den Revolutionen 1905 und 1917 eindrucksvoll belegt. Für die russische Tradition war der Dadaismus



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keine allzu aufregende Neuigkeit, man kannte dort schon vor dem Ersten Weltkrieg – gefördert durch die Aufhebung der Zensur – absurdes Theater, Nonsense-Poesie und Parolen auf das Nichts (die Vertreter nannten sich Nitschewoken/wörtl. Nichtsianer). Kurt Schwitters wurde zu dieser Messe in Berlin nicht zugelassen und gründete in Hannover sein eigenes Label MERZ, abgeleitet vom Namen der Commerzbank im Sinne einer »Entform(el)ungsoperation«. Er verstand darunter eine Collagetechnik, die zunehmend konstruktive Elemente zeigte. »Das Kinderwagenrad, das Drahtnetz, der Bindfaden und die Watte sind der Farbe gleichberechtigte Faktoren. Der Künstler schafft durch Wahl, Verteilung und Entformung der Materialien.« Schwitters fügte dem ohnehin schon schwierig gewordenen Kunstwerkverständnis eine weitere Facette hinzu. Nicht nur Duchamps Ready-Mades, sondern jedes objet trouvé kann zum Kunstwerk erhoben werden. Das Kriterium des Artefakts, also des Gemachtseins, fiel damit weg. Schwitters arbeitete zwanzig Jahre lang in seinem Haus in Hannover am MERZbau, einer Konstruktion der Erinnerungsarbeit, gab eine Zeitschrift unter dem Namen seines Labels heraus und näherte sich mehr und mehr den Konstruktivisten an. Auch Schwitters arbeitete mit Lautgedichten (Sonate in Urlauten), von denen noch Tonaufzeichnungen erhalten sind. Anfang der Zwanzigerjahre, konkret auf einem Kongress von Paris 1922, zerstritten sich die Exponenten der Bewegung über den einzuschlagenden Weg. Insbesondere André Breton griff Vertreter von Dada nicht nur verbal, sondern sogar handgreiflich an, und wanderte schließlich zum Surrealismus. Der Kongress gilt als das Ende des Dadaismus. Susanna Partsch dürfte richtig liegen, wenn sie den schnellen Erfolg der Bewegung eher auf den Zeitgeist als auf den missionarischen Eifer Einzelner zurückführt. So kurz die Strömung selbst währte, das Vermächtnis des Dadaismus ist eindrucksvoll. Es sind die vielfältigen Tabubrüche, die der Kunst neue Wege öffneten, das Selbstverständnis einer Avantgarde, sowie Anregungen für nachfolgende Strömungen wie Surrealismus, Happening Fluxus, Ready-Made, literarische Lautgedichte, insbesondere mit sogenannten Unsinntexten, aber auch für die Musik, die bis heute reichen.

Ingold 2016

Schwitters, zit. HW, 388

Partsch 2002, 52

2.2.4. Symbolismus Der Symbolismus bildete als Verbindung zum Jugendstil und zur Arts and Crafts-Bewegung eine Brücke vom 19. in das 20. Jh. Daher fand er bereits im letzten Abschnitt mehrmals Erwähnung. Es war der bereits genannte Dichter Théophile Gautier, der mit der Losung »reiner Empfindung« anstelle bürgerlicher Moral eine Strömung auslöste, die man schließlich als Symbolismus bezeichnete. 1889 machte die Gruppe anlässlich der Pariser Weltausstellung auf sich aufmerksam. Einige Dichter im Quartier Latin wie Baudelaire, Mallarmé, Verlaine und Rimbaud nannten sich Symbolisten. Sie fühlten sich von einer ästhetischen Idee angezogen, die der französische Dichter Jean Moréas 1886 im Figaro in einem Symbolistischen Manifest publiziert hatte. Darin beschrieb er die Distanz von jeder Klarheit und Sachhaltigkeit zugunsten des Idealen und Phantastischen. Auch diese Bewegung wurde eine europäische Geschichte und ihre Ausstrahlung erreichte noch die russische Avantgarde.

VIII.9.2.3.3.

62

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

VI.4.2.5.

Fahr-Becker 2007, 185

Kohle 2008, 33

Die Schriftsteller und bildenden Künstler arbeiteten sich (in einer Zeit, in der die Psychoanalyse bekannt wurde) gleicherweise an Traumwelten ab, loteten das Phantastische aus und beharrten auf der Selbstbezüglichkeit der Kunst. Diverse Ideen des Okkultismus und Mystizismus waren gut bekannt, Jakob Böhmes Aurora oder Morgenröte im Aufgang zirkulierte unter den Vertretern. Die Bilder von Gustave Moreau, Odilon Redon, Arnold Böcklin, Aubrey Beardsley, Maurice Denis sind teilweise düster und geheimnisvoll, aufgeladen mit kaum entwirrbarer Symbolik und außerordentlich ästhetizistisch gemalt. Handlungslose Malerei verwandelt sich in Stimmung und imaginiert sehnsuchtsvolle Rückschau! Auch für den Symbolismus war die zeitgenössische Physik ein Ansporn. Man interpretierte ihre Ergebnisse in erster Linie als relativierende Kritik an der Lehre der Ursachen und eindimensionaler Rationalität. An die Stelle der Ratio trat das Symbol. Dessen fragmentarischer Charakter ersetzte die Ordnung einer mimetischen Abbildung und hatte die Aufgabe, der Phantasie freien Lauf zu lassen. Es ging nicht um Darstellung innerer Emotionen, wie beim Impressionismus, sondern um Kreation einer symbolischen Welt per se. Angestrebt wurde eine Vereinigung von Musik und Dichtung, wie es bereits der »Tondichter« Wagner angestrebt hatte. Der Theoretiker im Umkreis von Mallarmé, Téodor de Wyzewa, vertrat in seinen Schriften die Vereinigung der Künste (als Modi des Lebens) im Sinne von Wagners Gesamtkunstwerk. Eine synästhetische Wahrnehmung trat an die Stelle eines Intellektualismus. Bergson mit seiner Philosophie der Intuition und des Élan vital war ein häufig verwandtes Paradigma. Vielen Dichtern und symbolistischen Künstlern genügte das, ein politisches Interesse stand nicht im Vordergrund. Der Symbolismus war »eine sinnlich-verschwenderische, rauschhafte Kunst, deren Vertreter zwar kein Programm, wohl aber ein gemeinsames Lebensgefühl verband: die bis zur offenen Verachtung gesteigerte Abneigung gegen den fortschrittsgläubigen Positivismus der älteren Generation, deren massenpädagogischer Optimismus auf die Mittelmäßigkeit zusteuerte.« Die Bildhauer griffen gerne wieder zum Holz und zum Ton, um sich am natürlichen Material haptisch abzuarbeiten. Mit der Wahl dieses alten Materials, der benützten Spiritualität und dem Primat des Poetischen galt der Symbolismus vielen als rückwärtsgewandt. In der Tat war die Wiederverzauberung (als Anselm Feuerbach, Hans von Marées, Arnold Böcklin nach Italien zurückkehrten, nannte man sie Deutschrömer und dachte an die Nazarener) eine romantische Gegenbewegung gegen die Technisierung und Beschleunigung der Welt, gegen Positivismus und Materialismus. Das »Zerfallsdatum« des Symbolismus gibt Beat Wyss um 1908 an, dennoch strahlte die Bewegung bis spät ins 20. Jh. aus. Vieles von diesem Erbe floss in den Surrealismus, der Blaue Reiter nahm Ideen auf; namentlich Kandinsky schöpfte aus dem symbolistischen »Zeichenbestand von Religion, Theosophie und Esoterik.«



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2.2.5. Surrealismus Am Anfang des Surrealismus stand ein einschlägiges Manifest von André Breton, das er 1924 publizierte. Bereits 1919 hatte Breton zusammen mit Louis Aragon und Philippe Soupault die Zeitschrift Littérature ins Leben gerufen. Darin suchten die Autoren, die durch verschiedene philosophische und literarische Positionen (Lautréamont, Valéry, Mallarmé, Rimbaud, Freud, Apollinaire) beeinflusst waren, ihren Standort. Sie lobten das Wunderbare der Romantik und des Symbolismus, verherrlichten die Kindheit als Zeit eines von allen Zwängen freien Individuums und interessierten sich für die Erforschung des Unbewussten (Freud, der Erfinder der Psychoanalyse, konnte mit surrealistischer Kunst indes nichts anfangen). Das Jahr 1924 wurde mit Bretons Manifest das offizielle Gründungsjahr des Surrealismus, einschließlich einer rund um die Uhr geöffneten Geschäftsstelle (Bureau de recherches surréalistes) in Paris. Mit ihren Themen, das Traumhafte, das irritierend Rätselhafte, Unwirkliche, Hässliche und Imaginierte, konnten die Surrealisten auf eine lange Ahnenreihe zurückblicken. Schon in der Renaissance gab es Vorlieben für das Phantastische und Rätselhafte. Die gegensätzlichen Zustände von Traum und Wirklichkeit sollten – so André Breton – aufgelöst werden, in »einer Art absoluter Realität, wenn man so sagen kann: Surrealität.« Surrealismus sei ein psychischer Automatismus, »durch den man mündlich oder schriftlich oder auf jede andere Weise den wirklichen Ablauf des Denkens auszudrücken sucht. Denk-Diktat ohne jede Kontrolle durch die Vernunft, jenseits jeder ästhetischen oder ethischen Überlegung.« Walter Benjamin, der sensibel war für die Sprengkraft der Kunst, beließ dem Surrealismus eine avantgardistische Speerspitze, wenn er über die Bewegung schrieb: »Die Kräfte des Rausches für die Revolution zu gewinnen, darum kreist der Sürrealismus in allen Büchern und Unternehmen. Das darf er seine eigenste Aufgabe nennen.« Der Name selbst scheint auf den Untertitel der Komödie Guillaume Apollinaires zurückzugehen: Les Mamelles de Tirésias. Drame surrealiste (1917). 1917 hatte Apollinaire den Ausdruck zudem in einem Programmheft bei der Beschreibung des Balletts Parade von Erik Satie verwandt. Und in einem Brief an Paul Dermée im gleichen Jahr argumentierte Apollinaire für den Vorteil des Begriffs Surrealismus gegenüber Surnaturalismus, weil »er noch nicht in den Wörterbüchern« vorkomme und man daher damit »freier umgehen kann«. Ursprünglich war der Surrealismus wie der Symbolismus demnach eine literarische Bewegung mit der Ambition, möglichst spontan und ungehindert durch rationales Planen und die Regeln des Überich, gegen den Realismus anzuschreiben. Was die bildende Kunst betrifft, die sich als Umsetzung des Surrealismus eignete, schrieb Breton 1928 eine Abhandlung Le surréalisme et la peinture. In kritischer Distanz zu führenden Künstlern des Impressionismus interessierte ihn die Wende vom äußeren zum inneren Bild, wie er sie in Picassos Kubismus zu erkennen glaubte. Sein Blick richtete sich sozusagen auf die über die Realität hinausweisenden Aspekte in der zeitgenössischen Malerei. Das bildnerische Werk müsse sich »einem rein inneren Vor-Bild zuwenden, oder es wird aufhören, zu sein.«

Breton, zit. HW, 547

Ebd., 548

Benjamin 1929, 307

Partsch 2002, 54 Apollinaire, zit. nach Nadeau 1945, 21

Breton, zit. HW, 553

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

bildende Kunst

Lautréamont 1870, 206 Nadeau 1945, 48

Ernst, zit. HW, 600

Blumenberg 1957, 57 Matisse, zit. nach Ebd.

In der bildenden Kunst brachte der Surrealismus zwei Spielarten hervor: eine im Kontext des Gegenständlichen bleibende, verkörpert durch Salvador Dalí, der freilich 1934 aus der Bewegung ausgeschlossen wurde, aber noch bis gegen 1940 als Surrealist ausstellte, Max Ernst oder René Magritte, dessen Thema nicht das Übernatürliche, sondern das Rätselhafte war, und eine abstrakte Spielart, wie sie etwa Joan Miró vertrat. Eine große Karriere hatte der Surrealismus mit Luis Bunuel und Salvador Dalí im Film. Max Ernst beschrieb in seinem Jenseits der Malerei eine Seherfahrung, die er an einem regnerischen Tag 1919 machte: »Dort standen Bildelemente nebeneinander, die einander so fremd waren, dass gerade die Sinnlosigkeit dieses Nebeneinanders eine plötzliche Verschärfung der visionären Kräfte in mir verursachte, und eine halluzinierende Folge widersprüchlicher […] Bilder wachgerufen wurde.« Das zeigt die Nähe des Surrealismus zur Dada-Bewegung und klingt wie eine Kommentierung der berühmten und absurden Metapher für die Beschreibung eines jungen Mannes durch den Comte de Lautréamont in seinen Chants de Maldoror (1870): »Er ist schön […] wie die unvermutete Begegnung einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch!« Lautréamont war für die Surrealisten eine wichtige Figur. »Seinem Werk Ebenbürtiges zu schaffen, ist ihr brennender Wunsch. Und tatsächlich hat keiner so stark den Surrealismus angeregt und befruchtet wie er.« An solchen Beispielen zeigt sich die Nähe des Surrealismus zum Dadaismus und dessen Nonsens- und Zufallsproduktion in Literatur und bildender Kunst. Allerdings hatte Breton eine politische Ambition. Die Übereinstimmung von Literatur und Kunst war nicht nahtlos, aber es gab vergleichbare Tendenzen und die bildenden Künstler ließen sich von den Manifesten durchaus inspirieren. Die teilweise vom Dadaismus zum Surrealismus konvertierten Max Ernst, Joan Miró, René Magritte, Salvador Dalí, Giorgio de Chirico, André Masson, Marcel Duchamp reihten sich neben anderen in diese Bewegung. Es ging nicht um einen gemeinsamen Stil, sondern um die einschlägige Interpretation der Themen. Dazu gehörte auch die Kritik an den alten Motiven der Originalität und Kreativität: »[…] das Märchen vom Schöpfertum des Künstlers« habe der Surrealismus mit dem Hinweis auf die »rein passive Rolle des ›Autors‹ im Mechanismus der poetischen Inspiration […]« pariert. Hans Blumenberg interpretierte diesen Protest gegen »den Autor« geradewegs gegenläufig. Er sah bei Breton den eigentlichen Durchbruch der autonomen Künstlerpersönlichkeit (also des Genies ohne Inspiration): »Das Werk bezieht sich nicht hindeutend und präsentierend auf ein anderes, ihm vorgehendes Sein, sondern es ist originär in seinem Seinsanteil an der Welt des Menschen.« Blumenberg zitierte dazu Matisse: »Ein neues Bild ist ein einmaliges Ereignis, eine Geburt, die das Weltbild, wie es der Menschengeist erfaßt, um eine neue Form bereichert.« Originellerweise berief sich Max Ernst in einem Katalogbeitrag Was ist Surrealismus (1934) bei dieser Kritik auf die zeitgenössische Physik. Es geht um die Verwischung von Innen- und Außenwelt, wofür Ernst bei den physikalischen Untersuchungen von Pascual Jordan Bestätigungen zu finden glaubte: »Wenn man also von den Surrealisten sagt, sie seien Maler einer stets wandelbaren Traumwirklichkeit, so



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darf das nicht etwa heißen, daß sie ihre Träume abmalen […], sondern daß sie sich auf dem physikalisch und psychisch durchaus realen (›surrealen‹), wenn auch noch wenig bestimmten Grenzgebiet von Innen- und Außenwelt frei, kühn und selbstverständlich bewegen […].« Aber auch die Neuinterpretation der Welt durch Heisenberg und Einstein hinterließ Spuren. Die neuen Einsichten der Physik »erzwangen eine neuartige Sehweise, ermutigten zu leidenschaftlichem, erfolgversprechendem Forschen […].« Wer über den Realismus hinausgeht, vollzieht auch einen Bruch mit jeder denkbaren Form der Naturnachahmung und sei sie auch nur eine Selbstproduktion der Kunst selbst. Mit den eben zitierten Worten von Matisse ist jedes Bild eine »Neugeburt«. Ab 1933 gab es keine ausdrückliche surrealistische Zeitschrift mehr, aber man okkupierte gleichsam bestehende Zeitschriften, etwa die luxuriös aufgemachte Minotaure (sie wurde 1939 eingestellt), die den surrealistischen Künstlern eine Bühne bot. Dass nicht alle Benjamins Optimismus von der Avantgardeleistung des Surrealismus teilten, kann nicht überraschen. Der Surrealismus war eine Anklage gegen den Realismus von Thomas von Aquin bis Anatole France und gegen die Herrschaft der Logik: »Unter dem Banner der Zivilisation, unter dem Vorwand des Fortschritts ist es gelungen, alles aus dem Geist zu verbannen, was zu Recht oder Unrecht als Aberglaube, als Hirngespinst gilt, und jede Art der Wahrheitssuche zu verurteilen, die nicht der gebräuchlichen entspricht.« Demgegenüber sollen die »seltsamen Kräfte« in den »Tiefen unseres Geistes« eingefangen werden. An diesen romantischen Erbstücken der seltsamen Kräfte in den Tiefen des Geistes, also dem Hang zum Mystischen und Theosophischen, entzündete sich viel Kritik. Anstößig, etwa mit Blick auf Freud, dessen Einfluss in der Literatur zwar immer wieder behauptet und verworfen wird, ist, wie Jean Clair spitz bemerkte, dass man einen Freud »à la français« und nicht Freud als Aufklärer rezipierte. Die Surrealisten standen politisch links, waren teilweise Mitglieder der KPF, wenngleich die Mitgliedschaft bei der Partei zu internen Spannungen und zum Ausschluss einzelner Mitglieder führte. In den Dreißigerjahren verließ mit Aragon sogar eine Gründerfigur die Bewegung. Er forderte, dass man »den dialektischen Materialismus als die einzige revolutionäre Philosophie anerkennen und diesen Materialismus verstehen und vorbehaltlos übernehmen« möge. Der Kommunismus war ihm letztlich wichtiger als der Surrealismus. Grundsätzlich war man sich aber einig, dass auch die Malerei die Aufgabe hatte, bürgerliches Bewusstsein zu kritisieren. In der Tat waren sie »Empörer, die nicht nur die überlieferten Grundlagen der Dichtkunst, sondern auch, und vor allem, die bestehenden Verhältnisse des Lebens ändern wollen.« In einer Propagandaschrift 1925 hieß es: »Wir sind fest entschlossen, eine Revolution herbeizuführen.« Streitpunkt blieb stets die Dogmatik und die Nähe der Partei zum Stalinismus. In einer gegenüber 1924 zweiten Version des Gründungsmanifests von Aragon und Soupault fünf Jahre später ging es um die Abgrenzung eines vertretbaren Marxismus gegenüber dem Stalinismus, zu dem die Kommunistische Partei Frankreichs ein unklares Verhältnis hatte. Es findet sich darin eine Nähe zu dem gegenüber Le-

Ernst, zit. HW, 601

Nadeau 1945, 49

Aufklärung oder Antiaufklärung

Breton, zit. HW, 544f

Aragon, zit. nach Nadeau 1945, 160

Nadeau 1945, 73 zit. nach Ebd., 80

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

1.3.

Internationalität

Pittura metafisica

De Chirico, zit. HW, 280

Ebd., 82

Carrà, zit. HW, 277

nin in Fragen der Kunst offeneren Trotzki. Ähnlich wie dieser glaubte auch Breton nicht »an die gegenwärtige Existenzmöglichkeit einer Literatur oder Kunst, die die Bestrebungen der Arbeiterklasse ausdrückte.« Breton, zit. HW, 559 Der Surrealismus wurde über die zahlreichen Vertreter ein gesamteuropäisches Phänomen. 1938 zog die Internationale Ausstellung des Surrealismus in Paris mit siebzig Künstlern aus vierzehn Ländern eine viel beachtete Bilanz. Die Gruppe verlief sich im Zweiten Weltkrieg, auch aus Uneinigkeit darüber, inwieweit man die Ausbreitung des Faschismus politisch bekämpfen sollte. Dali, der mit Francisco Franco und dem Faschismus sympathisierte, versuchte, in Hitler einen surrealistischen Erneuerer zu sehen. Dies führte zum Bruch mit Breton. Eine sich zwischen Symbolismus und Surrealismus etablierende italienische Besonderheit innerhalb der Avantgarde war die Pittura metafisica. 1909 kam der in Griechenland geborene, italienischen Wurzeln entstammende Giorgio de Chirico nach München, dann Paris und ließ sich schließlich in Italien nieder. Vor allem das Erlebnis des Platzes der italienischen Städte scheint ihn tief beeindruckt zu haben. Das beklemmende Gefühl des zeitgenössischen, von ihm zutiefst verabscheuten Krieges (de Chirico war mit seinem Bruder Andrea desertiert) scheint sich als Last über diese Plätze zu legen. Nach dieser Phase entstanden »metaphysische Stillleben«. Die Bilder mit geheimnisvollen Titeln zu klassischen Themen experimentierten mit einer kubistischen Struktur und einem tiefsinnigen Symbolismus. Absurd erscheinende Ensembles von scheinbar widersprüchlichen Motiven, z.B. Gummihandschuhe neben antik-klassischen Porträt-Büsten, führte De Chirico auf die Widersprüche bei Nietzsche zurück. In Il ritorno al mestiere (Die Rückkehr zum Handwerk; 1919) beklagte er mit Vehemenz den Verlust des alten Handwerks und der Zeichnung. »Die göttliche Kunst des Zeichnens bildet die Grundlage einer jeden Komposition; sie ist das Skelett jedes guten Kunstwerkes; sie ist ein göttliches Gesetz, das jeder Künstler befolgen muß.« Eine Gruppe um de Chirico, bestehend aus seinem Bruder Andrea (der sich den Künstlernamen Alberto Savinio zulegte), Carlo Carrà, der sich vom Futurismus entfernt hatte, Giorgio Morandi und Filippo de Pisis, verständigte sich auf ein Programm, das sie in diversen Artikeln und Essays darlegten. Der Ausdruck metafisica bedeutete nach den Proponenten das Suchen nach dem geistigen Gehalt jenseits des Realen. Politisch stand die Bewegung in Widerspruch zu jeder nationalistischen Ausrichtung, war klar der internationalen Avantgarde verpflichtet. De Chirico schrieb: »Was vor allem anderen Not täte: die Kunst von allem Hergebrachten zu entrümpeln, von jedem Sujet, jeder Idee, jedem Gedanken, jedem abgestandenen Symbol.« Und Carrà unterstrich in seinem 1919 erschienenen Buch Pittura metafisica, dass es nicht »um die genaue, objektive Erforschung einer definitiven Form« gehe, sondern »um eine noch kaum skizzierte, einfache und elementare Kunstform.« Die metaphysische Malerei sei »der ununterdrückbare Wunsch, die rein sinnlichen und materialistischen Formen hinter sich zu lassen […].«



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2.2.6. Futurismus Große Teile der Avantgarde bedienten sich eines auf Kommunikation ausgerichteten Diskurses, verfassten Traktate und Programmschriften. Nicht so die Vertreter des Futurismus. Sie brachen auch mit dieser Tradition und setzten an die Stelle einer Botschaft eine nahezu aggressive Pöbelhaftigkeit. In ähnlicher Weise wie die Dadaisten und Surrealisten verabschiedeten sie damit nicht nur die traditionelle Literatur und Kunst, sondern auch den Diskurs darüber. Trotzdem lagen auch in dieser Verweigerung des kommunikativen Diskurses eine Botschaft und ein Programm. Stark vom Symbolismus inspiriert, verherrlichte der Futurismus aus der positiv konnotierten Erfahrung des modernen Lebens die Dynamik, den technischen Fortschritt, die Großstadt und die Maschine, hatte daher wie kaum eine andere Bewegung eine hohe Passgenauigkeit auf den Jahrhundertwechsel. Der 1876 als Sohn eines Italieners in Alexandrien geborene Dichter Filippo Tommaso Marinetti war die prononcierteste Stimme der Bewegung. Er lebte lange in Paris, jener Stadt, in der die Dynamisierung am prägnantesten ausgebildet war, und hatte dort Kontakte zur Anarchistenszene. 1905 ging er nach Mailand. Am 20. Februar 1909 publizierte er auf der Titelseite (!) des Le Figaro ein Futuristisches Manifest (14 Tage vorher war es bereits in der Gazzetta dell’Emilia erschienen und im gleichen Jahr erschien es auch in Russland). Das Manifest wurde zum Programm einer neuen Kunstrichtung, die Moderne und Italianità verbinden sollte, und ein Leitfaden einer alle Lebensbereiche umfassenden Kultur, die die alte geradezu kulturkämpferisch vernichtete. Die Affirmation des Dynamismus und Technizismus der Metropolen war bedingungslos und ohne jede relativierende Einschränkung. Walburga Hülk spürte dem langen Anlauf zu den Deutungsmustern der Gesellschaft, Dynamik und Prozess, nach, die gemäß dem analytischen Blick eines Aby Warburg bereits in der Renaissance, dann besonders im Manierismus anhoben und im 19. Jh. auf großes Interesse stießen – etwa bei Hippolyte Taine und den Bildern von Tintoretto: »Auf Tintorettos Bildern […] entdeckt Taine Gestaltungsmuster und Denkfiguren, die seine eigene Zeit bewegen […]: zunächst die dynamische Kraft des körperlichen und geistigen Ausdrucks als Gegenbewegung zum grassierenden Dekadenzbewusstsein; sodann die ›Form‹, die nichts ist als eine Momentaufnahme, ein screenshot unablässiger Bewegung, so wie es dann auch Bergson sieht; zuletzt die Reflexion auf eine augenblicklich arretierte Bewegung als Bedingung der Wahrnehmung und der bildenden Künste überhaupt – ein innovatives Thema, das nachfolgend vor allem die historischen Avantgarden, namentlich der Futurismus, durchführten, indem sie sich in einem neuen paragone der Herausforderung durch das ›Bewegungsbild‹ des Films stellten.« Eine bei den Futuristen beliebte Kunstform war die Performance. Überall, in Paris, wo sich Marinetti zwischen 1893 und 1896 aufhielt, in Turin (Teatro Alfieri, Teatro Chiavelli), Triest (Teatro Rosetti), Rom (Teatro Costanzi) oder Mailand (Teatro dal Verme), gab es Skandal und Aufruhr und es wurden nicht nur Kartoffeln und Orangen auf die Performer geworfen, es gab auch Verhaftungen und Verurteilungen.

Filippo Tommaso Marinetti

VIII.2.2.1.

VI.8.ff./.3.4.1.

Hülk 2012, 110 Performance

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

5.2.6.ff.

Kult der ­Geschwindigkeit

Marinetti, zit. HW, 185

Ebd., 186

Ebd., 185

Immerhin hatten die Futuristen die Performance als eine Kunstform (die in ihren Augen das Ernste und Erhabene der Kunst zerstören sollte) etabliert. Sie sollte eine lange, in die Gegenwart reichende Karriere haben. Der Futurismus, zwar von seinem Zentrum Italien getragen, strahlte international aus. Bei vielen Vertretern, neben Marinetti auch Umberto Boccioni, Carlo Carrà, Luigi Russolo, Giacomo Balla und Gino Severini, kam ein ausdrücklicher nationalistischer Aspekt dazu, der schließlich bis zur Katastrophe des Ersten Weltkriegs ausgezogen werden muss. Marinettis Manifest hatte eine kunstphilosophisch-programmatische und eine politische Stoßrichtung. Politisch richtete es sich vordergründig gegen den als schwach empfundenen Parlamentarismus des Ministerpräsidenten Giovanni Giolitti, der eine Öffnung nach links (apertura a sinistra) anstrebte, womit er die Einbindung der nicht-revolutionären Arbeiterschaft verband. In dieser Hinsicht war das Manifest Teil der rechten Agitation gegen die Spielregeln des Parlamentarismus, gegen die auch der symbolistische Schriftsteller und Mentor Benito Mussolinis, Gabriele D’Annunzio, den (männlichen) Übermenschen ins Feld geführt hatte. Aber der Anspruch reichte weit über einen politisch rechten Nationalismus hinaus, sonst wäre die internationale Wirkung des Futurismus schlecht zu erklären. Das Futuristische Manifest verherrlichte den Kult der Geschwindigkeit und des Automobils und es stellte dem bisherigen Systemdenken ein dynamisches, technisches Leben gegenüber, das eine universelle politische Utopie realisieren sollte. »Wir erklären, daß sich die Herrlichkeit der Welt um eine neue Schönheit bereichert hat: die Schönheit der Geschwindigkeit. »Wir wollen preisen die angriffslustige Bewegung, die fiebrige Schlaflosigkeit, den Laufschritt, den Salto mortale, die Ohrfeige und den Faustschlag. […] Ein Rennwagen, dessen Karosserie große Rohre schmücken, die Schlangen mit explosivem Atem gleichen … ein aufheulendes Auto […] ist schöner als die Nike von Samothrake. […] Zeit und Raum sind gestern gestorben. wir leben bereits im Absoluten, denn wir haben schon die ewige, allgegenwärtige Geschwindigkeit erschaffen.« Die Verherrlichung der Maschine umfasst die »gefräßigen Bahnhöfe«, die Brücken, Dampfer und Flugzeuge. Das Pamphlet verstand sich als optimistisches Programm einer dynamischen Zukunft (»Wollt ihr denn eure besten Kräfte in dieser ewigen und unnützen Bewunderung der Vergangenheit vergeuden […]«), gegen jede Musealisierung und Erinnerung, aber auch gegen die Ordnungsregeln akademischer Diskurse: »Wir wollen die Museen, die Bibliotheken und die Akademien jeder Art zerstören und gegen den Moralismus, den Feminismus und gegen jede Feigheit kämpfen, die auf Zweckmäßigkeit und Eigennutz beruht […] wir wollen dieses Land von dem Krebsgeschwür der Professoren, Archäologen, Fremdenführer und Antiquare befreien.« Marinetti verglich Museen mit Friedhöfen und mit Schlachthöfen der Maler und Bildhauer. Daher mussten die futuristischen Events mit Provokationen und Tumulten verbunden sein. »Schönheit gibt es nur noch im Kampf. Ein Werk ohne aggressiven Charakter kann kein Meisterwerk sein.« Man kann sich gut vorstellen, dass auch Marinetti (wie Karlheinz Stockhausen) den Terroranschlag auf das World Trade Centers in New York 9/11 als großes Kunstwerk bezeichnet und manches Pamphlet rechtsnationa-



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listischer Parteien und die Tiraden von identitären Extremisten der Gegenwart als sein Erbe reklamiert hätte. Dieses Gemisch aus Verehrung der Geschwindigkeit, der Maschine, der De­ struktion des Überkommenen und Traditionellen und des Nationalismus führte geradewegs in die berüchtigte Verherrlichung des Krieges und der Männlichkeit: »Wir wollen den Krieg verherrlichen – diese einzige Hygiene der Welt – den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat der Anarchisten, die schönen Ideen, für die man stirbt, und die Verachtung des Weibes.« Zwischen Schnelligkeit und Maschine wurde eine Verbindung zu Virilität und Sexualität hergestellt. »Dem futuristischen Lebensbegriff liegt eine karikatural übersteigerte Vorstellung von starker Männlichkeit zugrunde, die sich von allem absetzt, was dieser Vorstellung zufolge als weiblich gilt: Liebe, Zärtlichkeit, Gefühlsausdruck.« Der Futurismus ist ein besonderes Beispiel dafür, wie sich eine Avantgardebewegung von einer Technikeuphorie zur Verherrlichung von Gewalt und Krieg verstieg und den Faschismus feierte. Die Futuristen waren Propagandisten für den Kriegseintritt Italiens im Ersten Weltkrieg. Während des Krieges sammelte sich die Bewegung in einer neu gegründeten politischen Partei, dem Partito Politico Futurista, der sich nationalistisch, antikapitalistisch und antiklerikal gab. 1919 ging sie in dem von Benito Mussolini gegründeten Partito Nazionale Fascista auf. Marinetti hingegen wandte sich nach links und forderte für einmal die bolschewistische Revolution, bevor er zum Schluss nur mehr als Anarchist agierte. 1933 trat der Futurismus mit Marinetti auf der Mailänder Triennale zum letzten Mal in Erscheinung. In der Kunst spielte der Futurismus als programmatischer Hintergrund bei der künstlerischen Darstellung von Geschwindigkeit eine Rolle. Giacomo Balla und Umberto Boccioni waren die prominentesten Vertreter der bildenden Kunst. Neben unscharfen und verwaschenen Bildern zerschnitt man ähnlich einer kubistischen Vorgehensweise die Welt in Teile, die in hoher Dynamik durcheinander wirbelten. Die Stadt wurde als dynamische Maschine dargestellt. Boccioni, der sich ausführlich mit der Philosophie Henri Bergsons beschäftigt hatte, schrieb 1910 zusammen mit Carlo Carrà, Luigi Russolo, Giacomo Balla und Gino Severini das Manifest Die futuristische Malerei und wenige Tage später das Technische Manifest der futuristischen Malerei (La pittura futurista: manifesto tecnico). Darin verabschieden sich die Autoren von einer Kunst, die den Augenblick einer Bewegung einfriert, zugunsten einer Kunst, die »einfach ›die dynamistische Empfindung‹ an sich« sein wird. »In der Tat, alles bewegt sich, alles rennt, alles verwandelt sich in rasender Eile. Niemals ist ein Profil unbeweglich vor uns, sondern es erscheint und verschwindet unaufhörlich.« Das Manifest ist eine zustimmende, ja feiernde Collage von nervösen Eindrücken einer aus den Fugen geratenden Welt, die nun eine Anleitung für die futuristische Kunst abgibt: »Der Autobus stürzt sich in die Häuser, an denen er vorübersaust, und die Häuser stürzen sich auf den Autobus und verschmelzen mit ihm in eins.« Weitere

Ebd., 185

Bürger 2014, 48

bildende Kunst

602 Giacomo Balla, Der Wirbel; Mart Boccioni u.a., zit. HW, 188

Ebd., 189

70

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Architektur

Kretschmer 2013, 96

Kruft 1985, 469

Ebd., 470

2.2.7.

Manifeste und Traktate befassten sich mit der Bildhauerei, der Literatur, Musik und Architektur. Darin wurden die traditionellen Materialien der Bildhauerei zugunsten einer Öffnung für alle verfügbaren Materialien abgelehnt, die klassischen Formgesetze kritisch hinterfragt und der Begriff der Skulptur damit weit geöffnet. Objektkunst, stark an den Kubismus erinnernd, gesellte sich neben dreidimensionale Gebilde, die an einzelne Sequenzen von Bewegungsfotografie erinnern. Der Maler Enrico Prampolini forderte eine Architektur der Dynamik, Energie und des Lichtes. Der Architekt Antonio Sant’Elia sah, angeregt durch Otto Wagner, den Ausdruck der Moderne in monumentalen Bauaufgaben der modernen Zeiten: den Häfen, Fernstraßen, Bahnhöfen und schwadronierte von einer Città Nuova, die es zu realisieren gälte. In ihr wird das Haus zu einer Maschine mit riesigen Wolkenkratzern, gewaltigen Bahnhöfen und übereinandergestapelten Straßen. »Statt als statischer Ort wird die Stadt als Prozess betrachtet, in dem sich Zeit, Raum und Geräusch mischen.« Diese neue Ästhetik lasse sich erst umsetzten, wenn das Alte buchstäblich in die Luft gesprengt wird. Die neue Stadt hat als Ausdruck des Transitorischen ein überschaubares Ablaufdatum. Jede Generation sollte sich ihre eigene Stadt bauen. Architektur wird damit »nicht nur Ausdruck eines Lebensprozesses, sondern von diesem Lebensprozeß selbst verschlungen.« Die Stadt löste die Natur ab, und zwar die moderne, technische und schnelle Stadt, nicht die museale. Mailand war spannender als Rom oder Florenz. Virgilio Marchi verfasste 1920 ein Manifesto dell’architettura futurista dinamica, stato d’animo, drammatica. Darin wird Architektur zu einer die Seele erhebenden Dichtung. »De Marchis Entwürfe verbinden eine Art von Achterbahnarchitektur mit expressionistischen Formen […] Es ist nur folgerichtig, wenn Marchi zur Vorstellung einer Feuerwerks-Architektur gelangt. Ein Realitätsanspruch liegt kaum vor.« Die futuristischen Visionen der alten Stadtutopien waren skurrile Phantasien von fliegenden Häusern und einer Stadt, die die gesamte Welt umspannt. Sie waren bar jeder Bindung an eine Realität. Nachdem Italiens Beitrag zur Architekturtheorie im 19. Jh. bescheiden geblieben war, meldete sich das Land mit dem Futurismus als eine die gesamte Kunst umfassende Bewegung – mit nachhaltiger Wirkung in der Architektur – wieder zurück. In Russland wurde Marinettis Manifest ebenfalls 1909 publiziert und es folgten einige futuristische Manifeste, die in diesem Fall den russischen Nationalismus bedienten. Den Autoren, die sich vor allem in St. Petersburg versammelten, ging es um die Begründung einer originär russischen Kunst. Ihr Auftreten war ähnlich wie im Westen von Provokationen und Tumulten begleitet, die vor allem im Treffpunkt, dem Café Streunender Hund, stattfanden. Auch im russischen Konstruktivismus und Utopismus artikulierte man nicht realisierbare, utopische Stadtideen, etwa von Anton M. Lawinski und Georgi T. Krutikow.



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2.2.7. Die russische Avantgarde: Konstruktivismus und Suprematismus Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges herrschte ein reger und offener Austausch zwischen russischen und europäischen Künstlern. Sämtliche Strömungen der westlichen Avantgarde waren in Russland in privaten und öffentlichen Sammlungen und Ausstellungen zu sehen und gut bekannt. 1914 kehrten viele russische Künstler aus verschiedenen europäischen Ländern in ihr Heimatland zurück. Während die westeuropäischen Zentren unter dem Krieg schwer litten, gab es in St. Petersburg und Moskau eine ungebrochene Dynamik, mit der innerhalb der breiten russischen Avantgarde vor allem der Konstruktivismus und der Suprematismus zum Durchbruch kamen. Einflussreich für die russische Avantgarde waren vor allem Kubismus und Futurismus, aber zu ihrer Eigenart gehörte auch, dass sie aus der religiösen Volkskunst Inspirationen bezog. Dass diese Volkskunst, dabei vor allem die Tradition der Ikone, so interessant für die Avantgarde-Künstlerinnen werden konnte, hatte eine längere Rezeptionsgeschichte zur Voraussetzung, die im Abschnitt über die Spätantike bereits angesprochen wurde. Verwiesen sei nochmals auf die wichtige Weichenstellung der Ästhetisierung der Ikone durch die Moskauer Ausstellung 1913, was eine nationalistische Instrumentalisierung keineswegs ausschloss. Um die Ikonenmalerei kam in Russland nach 1913 kaum mehr jemand herum: »Das altrussische Kultbild war zu einem künstlerischen Faktor geworden, den man in jenen Jahren mitdenken mußte, wollte man sich über künstlerische Konzepte äußern.« Selbst der sprachanalytisch orientierte russische Formalismus mit Roman Jakobson, Viktor Schklowski und Ossip Brik, aus dem die russische Semiotik entstand, beschäftigte sich mit der Ikone. Die Semiotiker schlüsselten dabei die Eigenarten des Kultbildes auf, seine »umgekehrte Perspektive«, die Symbolik der Farben, die antimimetische Abstraktheit der Figurendarstellungen, den evokativen, also expressiven Charakter und die – profan übersetzt – Selbstbezüglichkeit des Bildes. Den spirituellen Charakter der Ikone blendeten die Formalisten aus: »Ihre historischen Spezifika ließen sie außer acht zugunsten der strukturellen Spezifika.« Der Blick galt allein der ästhetischen Sprengkraft dieser alten, ausdrücklich antimimetischen Kunst. Aus Sicht der Modernen waren folgende Punkte interessant: (1) das Fehlen der Zentralperspektive, (2) die antinaturalistische Symbolik der Farben und (3) das Bildlicht, das an die Stelle des Beleuchtungslichts trat. (ad 1) Das Fehlen der subjektivistischen Zentralperspektive zugunsten der »umgekehrten Perspektive« begründet nicht nur eine Hierarchie des Wichtigen, vielmehr hat in der Ikone jeder Gegenstand seine eigene Perspektive. Die dargestellten Dinge flanieren frei im Raum und unterliegen keiner räumlichen Gesamtorganisation. Pikanterweise ließ sich ein solches Konzept von der zeitgenössischen Physik und Psychologie her untermauern. Lehrte die Physik die Relativität von Zeit und Raum, thematisierte die Psychologie die Diversität der Wahrnehmung. Was für den Raum gilt, gilt auch für die Zeit. Anders als der Futurismus, dessen Anliegen die Darstellung der Dynamik als Signum der Moderne war, spielte der Suprematismus von Malewitsch mit der Folie der Ewigkeit – damit mit einer impliziten Utopie. An-

Tradition der Ikone

IV.7.3./IV.8.4.

Krieger 1998, 86

Ebd., 66

Smolik 1992, 66

72

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Florenskij 1988, 80

2.1.2.

Gontscharowa/­ Larionow, zit. nach Krieger 1998, 45

VI.5.2./VI.6.2.

Suprematismus

2.1.

ders als beim perspektivischen Illusionsraum, der sich wie Kants transzendentaler Raum dem Blick des Subjekts öffnet, sahen die Verehrer der Ikone in ihr das Offenbarwerden des im Bild Dargestellten selbst. Pavel Florenskij nannte die Ikone eine »Licht verströmende Vision […].« Diese neuplatonische Lichtmystik ließ sich nach dem Wechsel der philosophischen Erzählung in die Moderne in die Selbstreferentialität des Bildes übersetzen. (ad 2) Dazu trug auch die Befreiung der Farbe von der natürlichen Gegenstandreferenz bei. Sie erhielt – fernab von jedem Zwang einer Mimesis – ihren Selbstwert im Sinne der oben zitierten Äußerung von Alexander Rodtschenko. Die russische Avantgarde ging im Rayonismus mit der Farbe damit ähnlich um wie die Impressionisten, die ihre illusionistische Funktionalisierung aufdeckten, aber sie hatten mit der Tradition der Ikone eben noch eine andere Bezugsgröße, eine nationalistische. In einem Manifest 1913 interpretierten Gontscharowa und Larionow die neue selbstbezügliche Malerei des Rayonismus in dieser Weise: »Es lebe die Schönheit des Ostens! (…) Es lebe die Nationalität! (…) […] Wir sind gegen den Westen, der unsere östlichen Formen verflacht und der alle Dinge ihres Wertes beraubt.« Solche slawophil-nationalistischen Töne entsprachen anscheinend dem basso continuo des kulturellen Selbstverständnisses weiter Kreise in Russland, anders wäre auch ihre Renaissance in der Gegenwart kaum zu erklären. 1914 war Marinetti in Russland, zu einer Zeit, in der die Diskussion um den Sinn der Avantgarde vor dem Konflikt zwischen Slawophilen und Westlern kulminierte. (ad 3) Auch der an anderer Stelle besprochene Paradigmenwechsel vom Eigenlicht zum Beleuchtungslicht in der neuzeitlichen Kunst konnte für die Moderne fruchtbar gemacht werden. Die Lichtführung gehört schließlich zentral zum Repertoire des Illusionismus. Das (mystische) Eigenlicht der alten Ikone wurde, wie gerade berichtet, im Sinne der Selbstreferentialität der modernen Kunstauffassung fortgeführt. Verena Krieger spricht von einer neuplatonischen Tendenz in der russischen Avantgarde, die auf der einen Seite eine spirituell-religiöse bzw. kosmische, damit esoterische, auf der anderen Seite eine säkularisierende Tendenz aufwies. Buchstäblich aus der Taufe gehoben wurde die russische Avantgarde damit auch durch anti-aufklärerische Quellen des Religiösen. Ein zentraler Teil der russischen Avantgarde, der Suprematismus, wurde im zweiten Jahrzehnt von Kasimir Malewitsch begründet. Der 1878 in Kiew als Sohn polnischer Eltern geborene Malewitsch, der inmitten von religiösen Bildern aufwuchs, wurde in der Schule für Malerei, Bildhauerei und Architektur in Moskau ausgebildet. Durch den Kontakt mit Sammlern kannte er die westliche Kunst, namentlich die zeitgleiche Moderne in Paris: Impressionismus, Symbolismus, Kubismus. Wie viele andere in Russland erhielt er den Anstoß für seinen Avantgardismus durch die Tradition der Ikone, deren Authentizität durch die einfachen Formen und deren antimimetisches Kapital er schätzte. Dazu kam eine slawophile Komponente. Die westliche Kunst galt ihm als Angelegenheit der Aristokratie, die Ikone demgegenüber als Kunst eines (nostalgisch verklärten) reinen Bauerntums. Diese Reinheit und Ursprünglichkeit wurde von vielen Avantgardisten nicht nur an den Bauern,



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sondern auch an der Kunst von Kindern und Geisteskranken zelebriert. Auch Nikolaj Punin schrieb gegen die westliche Kunst an. »Die plakative Gegenüberstellung von byzantinischer Seelentiefe und westlicher Oberflächlichkeit in Punins Aufsatz steht daher nicht nur in der Tradition des alten Streits zwischen Westlern und Slawophilen in Rußland, sondern auch im Kontext einer aktuellen Neuauflage dieser Debatte in russischen Künstler- und Intellektuellenkreisen.« Malewitschs Œuvre reicht von den um 1910 entstandenen scheinbar grobschlächtigen gegenständlichen Malereien, wo er bereits auf Perspektive verzichtete und etliche formale Aspekte der Ikone verwandte, bis zur suprematistischen Kunst. Er verglich den »Aufstieg« zur Gegenstandslosigkeit mit einer qualvollen Bergbesteigung, bei der die Umrisse der Gegenstände mehr und mehr im Tal versinken. Dieser Aufstieg führte über primitivistische und kubistische Formen und Anregungen aus dem Futurismus. Nach seiner suprematistischen Phase gestaltete er wieder Bilder in einem schematischen groben Realismus. Er malte verwurzelte bodenständige Gestalten, die man als Lob der Reinheit des Landes gegen die nervöse Bodenlosigkeit der Stadtbewohner interpretieren kann. Philipp Blom hat den Reiz des Kubismus für die von der modernen Welt faszinierten Suprematisten und Konstruktivisten treffend beschrieben. Die Menschen in der Stadt der Jahrhundertwende waren »nicht mehr aus einem Stück, aus einem Block gehauen wie Malewitschs monumentale Bauern. Sie waren zusammengesetzt, zersplittert und vielfach aus verschiedenen Bruchstücken geleimt, keine gewachsene Identität, sondern eine fast zufällige Zusammenstellung sich widersprechender Elemente.« Den Suprematismus lassen Kunsthistorikerinnen 1913 mit der Erstellung von Bühnenbildern und Kostümen von Malewitsch für die Aufführung der Oper russischer Kubo-Futuristen, Der Sieg über die Sonne, in St. Petersburg beginnen. Der die Motive des Futurismus aufgreifende Plot der Oper war die Eroberung der Sonne durch Futuristen und ihr Ersetzen durch elektrisches Licht. Im Moment dieses Wechsels setzt ein Flugzeug zur Bruchlandung auf die Bühne an. In den Kreisen der futuristischen Literaten und bildenden Künstler war man mit Expressionismus und Kubismus bestens vertraut. An der Entwicklung der russischen Variante, dem Kubo-Futurismus, war Malewitsch beteiligt – immer mit Blick auf die zeitgenössische Wissenschaft. »Die Kubo-Futuristen definierten Realität entsprechend der Wissenschaft des späten 19. Jahrhunderts: die Verschmelzung evolutionärer Ideen mit deutscher Psychophysik und dem wiederauferstandenen Vitalismus des 18. Jahrhunderts. Die Praktiken des Yoga und anderer mystisch und religiös ausgerichteter Disziplinen lieferten die Methoden dafür, diese Konzepte auf die Kunst zu übertragen.« Es war ein erster Schritt in die Abstraktion, der die radikalere Form des Rayonismus folgte. Neben den Strömungen der europäischen Avantgarde spielte auch für den Suprematismus die in Russland weit verbreitete Esoterik eine wichtige Rolle. »Man sollte bemerken, daß Malewitschs Schriften und Bilder – wie seine Weiß in Weiß-Serien – die offensichtlich okkulten – hier nirwanischen – Assoziationen eher voraussetzen als anwenden.« Im esoterischen Magazin der Kubo-Futuristen lagerten Kosmo-

Goldwater 1938

Krieger 1998, 40

Blom 2009, 338

Douglas Charlotte in Tuchman/Freeman 1988, 197

Bowlt E. John in Ebd., 174

74

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

II.2.3.2./II.2.7./1.3. Douglas Charlotte in Ebd., 174

Ebd., 186

Groys Boris in Kat. 2016d, 63

das Quadrat

603 Malewitsch, Schwarzes Quadrat (1929); TG Brüderlin 1990, 111

theismus und Pantheismus sowie die Noosphären-Vorstellungen von Nikolai Fjodorow. »Tatsächlich drangen mystische Konzepte des Ostens in solchem Maß in die kubo-futuristische Theorie ein, daß es heute schwierig ist, diese als Quellen der avantgardistischen Ideen zu isolieren.« Das hatte Folgen insofern, als Malewitsch mit dem Suprematismus die stilistischen Beschränkungen von Futurismus und Kubismus sprengte. Es war »[…] die endgültige Absage an die Welt sichtbarer Gegenstände, auf der alle früheren Stile der Kunst und Dichtung basierten.« Diese Absage erweiterte Malewitsch auf die Menschheitskultur schlechthin. 1919 protestierte er gegen die Bemühung der Regierung, angesichts des Zerfalls staatlicher Ordnung die Museen zu sichern. Seine Hoffnungen richtete er auf einen Nullpunkt, einen Neubeginn durch die Zerstörung des Alten. Das (kulturgeschichtliche) Dilemma ist, dass auch eine solche Destruktion aufgeladen bleibt mit der alten Ambivalenz von Tod und neuem Leben. Denn der Tod der Kunst hinterlässt Asche: »Und auch diese Asche ist ein Kunstwerk. Eigentlich ist es das einzig wahre Kunstwerk, denn in ihm manifestiert sich die ewige Energie von Zerstörung und Schöpfung – oder vielmehr der Schöpfung aus der Zerstörung –, die die Welt beherrscht.« Schließlich lud Malewitsch jenseits dieses Fluchtreflexes aus der Last der ästhetischen Tradition seine gegenstandslosen Bilder mit erheblichem Bedeutungsgehalt auf. 1915 zeigte Malewitsch sein Schwarzes Quadrat auf weißem Grund in der Letzten Futuristischen Ausstellung 0.10 in einer Galerie in St. Petersburg zum ersten Mal und inszenierte das Bild wie eine Ikone (im gleichen Jahr hatte zehn Monate vorher die Erste Futuristische Ausstellung: Straßenbahn W in St. Petersburg unter Beteiligung von Malewitsch und Tatlin stattgefunden). 0.10 stand für die zehn Teilnehmer an der Ausstellung, die das Nichts überwunden hatten. Das Quadrat wurde zum Initialwerk der Strömung, das heftige Kontroversen auslöste und von einem Kritiker wider Willen durchaus nicht unzutreffend »personifiziertes Nichts« genannt wurde. Dieses Quadrat erfuhr eine große Anzahl von mystischen und profanen Deutungsgeschichten, die nach Meinung mancher Kunsthistoriker durchaus den verschiedenen Absichten von Malewitsch entsprechen. Es dürfte indes der ästhetische Reiz des Quadrats gewesen sein, der einen Reigen nicht enden wollender kreativer Nachformungen auslöste. Hier ging es nicht um ein Abkupfern von Vorlagen, sondern um das Prinzip des Iterativismus, das »Entleeren und Neu-Aufladen von vorhandenen Stilgehäusen«, wobei es nicht immer um die Veränderung der Inhalte ankommt, sondern es um den »Prozeß des Auf- und Entladens selbst« geht. In einer solchen mystisch-religiösen Deutung wird das Quadrat gewöhnlich als vierte Hypostase gedeutet, die der Trinität hinzugefügt wurde. Darüber kursierten krause Spekulationen. Die Sophiologie des Dichters und Religionswissenschaftlers Wladimir Solowjew wertete die Sophia von einer Eigenschaft Jesu zu einer eigenstän-



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Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

digen Person auf. »Mit der Steigerung von der Dreizahl zur Vierzahl vollzieht Malewitsch also eine Grenzüberschreitung von großer theologischer Tragweite.« Folgte man dieser Linie, hätte Malewitsch mit dem Quadrat gleichsam eine »Über-Gottheit« geschaffen als Symbol für das »wahre, reine und volle Menschentum, als die höchste, allumfassende Form und lebendige Seele der Natur des Weltalls, die […] alles Seiende in seine Einheit zurückströmen läßt […].« Eine solche Deutung ist ein extremes Beispiel dafür, welch enorme inhaltliche Aufladung ein bloßes geometrisches Symbol, das für Gegenstandslosigkeit steht, erhalten kann. »Die metaphysisch orientierte Anknüpfung moderner Künstler an die Ikone, die Malewitsch zu ihrer radikalsten Vollendung treibt, schlägt um in eine Apologie des gegenstandslosen Zeichens, das das von ihm Bezeichnete bereits vollständig in sich selbst enthält.« Dass eine solche Deutung nicht unplausibel ist, dafür tat Malewitsch selbst jede Menge. Er verlieh den geometrischen Körpern kulturelle Deutungen. Das Dreieck war ihm antik, gleichzeitig heidnisch und christlich, während das Rechteck (der rechte Winkel) der neuen kommunistischen Gesellschaft angemessen sei. Für seine bildnerischen Manifeste gegenstandsloser Kunst verwandte er die Fenstermetapher, wie wir sie aus der Ikonentradition kennen, und er fixierte sein Quadrat in dem »schönen Winkel« der Häuser bzw. des Museumsraums. Gesucht war ein Kunstideal, das die Ambition der Darstellung des Höchsten hat, welche Darstellung aber ungegenständlich sein sollte, so wie das Wesen der genannten Attribute kein Gegenstand ist. Also ist die Gegenstandslosigkeit selbst das Höchste! Malewitsch verfolgte im Suprematismus eine kosmische Utopie. Die gegenstandslose Welt erhielt gar den Rang eines neuen Paradieses. Eine solche Ritualisierung von Gegenstandslosigkeit wurde von anderen Avantgardisten, die einen klar säkularen Kurs absteckten, konterkariert. Alexander Rodtschenko legte Wert auf die Materialität des Bildes und den Gegenstandscharakter eines Kunstwerks. In dieser Weise von mystischen und esoterischen Anmutungen gereinigt, kann das Quadrat als geometrische Figur streng im Sinne der künstlerischen Autonomie und Selbstreferentialität aufgefasst werden, zumal diese geometrische Figur in der Tat »nicht herstellbar, nur vorstellbar ist. Insofern wird das Quadrat zum Inbegriff der Abstraktion und Negativität. […] das Quadrat ist somit die einzige Form, die, nur sich selbst bedeutend, alles bedeuten kann: Bild des Selben, befreit vom Als-ob.« Walter Kambartel wiederum hält wenig von dieser Version einer ästhetischen Autonomie der reinen geometrischen Form und rückt in der suprematistischen Kunst das hohe Utopiepotential in den Vordergrund. Demnach sei das Quadrat ein rationales Gebilde, das aber auch als schwebend in einem weißen Illusionsraum decodiert werden kann, sich also eine Arationalität der Rationalität gegenüberstellt. Kambartels Zugang zum Suprematismus liest sich in Kurzfassung so: »Die geometrische Flächenstruktur steht für die Abstraktion vom Gegenstand, die illusionistische Raumstruktur für die Konkretion einer auch und gerade das Quadrat neu konstituierenden gegenstandslosen Wirklichkeit. Die durch den weißen Raumgrund verkörperte potenzierte Gegenstandslosigkeit meint nicht nur die Abwesenheit von Gegenständen, sondern überdies die Abwesenheit von sozusagen gegenstandslosen Gegenständen, eben ein positiviertes Nichts, aus

Krieger 1998, 133

Solowjew, zit. nach Benz 1969, 587

Krieger 1998, 135

Ingold 1994, 373

76

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Kambartel Walter in Argan 1977, 205

2.1.1.

Malewitsch, zit. HW, 215 Ebd., 208

Ebd., 210 Chave 1989, 190

Realismus

Krieger 1988, 155

Ebd., 164

dem – ex nihilo – das schwarze Quadrat als Paradigma eines gegenstandslosen Gegenstandes hervortritt.« Dabei steht das Weiß der Grundfläche für die gereinigte alte Gesellschaft (»gesellschaftliche Nullsituation«) und das Quadrat für die neue, rationale Gesellschaft. Malewitsch begleitete seine Suprematismus-Gründung mit auf die Anfeindungen antwortenden philosophischen Reflexionen unter dem sperrigen Titel: Vom Kubismus zum Suprematismus in der Kunst, zum neuen Realismus in der Malerei, als der absoluten Schöpfung. 1916 erschien eine erweiterte zweite Auflage mit verändertem Titel: Vom Kubismus und Futurismus zum Suprematismus: Der neue Realismus in der Malerei. Der Suprematismus war die bislang radikalste Behauptung einer Gegenstandslosigkeit, die nicht wie die Abstraktion in der Kunst auf Gegenstände der Natur Bezug nimmt, sondern die reine (geometrische) Form bewirtschaftet. »Die Formen des Suprematismus, des neuen Realismus in der Malerei, bilden bereits den Beweis für den Aufbau der Formen aus dem Nichts, die von der Intuitiven Vernunft gefunden wurden.« Das beinhaltete auch die Destruktion des traditionellen Kunstbetriebs. »Ich habe mich selbst in eine Null der Formen verwandelt und mich aus dem tiefen Dreckwasser der Akademischen Kunst herausgefischt.« Der Suprematismus mit seiner absoluten Kunst versammelte geradezu das, was in der religiösen Volkskunst Gott und in der Kunst der Akademien die Schönheit war. »Der Künstler kann nur dann Schöpfer sein, wenn die Formen auf seinem Bild nichts mit der Natur gemein haben.« Da die suprematistische Form keine gegenständliche Abbildung mehr ist, liegt das eigentliche Agens auf der Ausdrucksseite. »His suprematist program was aimed at redirecting the viewers’ attention to what matters most in art – not the material things it reproduces but the feeling it expresses.« In der oben erwähnten Polemik Nikolaj Punins 1921 in einer Schrift über den Moskauer Avantgardisten und Konstruktivisten Wladimir Tatlin gegen die französische Kunst der Moderne generell und den Kubismus im Besonderen – Verena Krieger hält diese Schrift für »eines der bedeutendsten theoretischen Werke aus dem Kontext der russischen Avantgarde der nachrevolutionären Jahre« – zieh er die Kunst Frankreichs des Ästhetizismus, der einen Individualismus im Gefolge hatte. Ihm wird nun ein Realismus gegenüber gestellt. Ein Pfeiler von Punins Theorie ist die »Ablehnung alles Zufälligen, Individuellen und Subjektiven. Das Werk soll objektiven Notwendigkeiten entspringen, die sich quasi naturwüchsig aus dem bearbeiteten Material selbst ergeben.« Der hier gemeinte Realismus ist keiner im Sinn eines westlichen Verständnisses, vielmehr sah Punin in Tatlins Kunst die Evokation einer neuen Welt. Tatlins architektonische Entwürfe – keines seiner Projekte wurde freilich umgesetzt – waren dynamisch und technisch. Er liebte die Spirale (Denkmal der III. Internationale) als Bewegungsrichtung des freien Menschen. Damit teilte er die Meinung der Futuristen, namentlich Umberto Boccionis, die eine spiralförmige Architektur forderten. Allerdings darf der hier verwandte Freiheitsbegriff, sowohl was die Futuristen als auch Tatlin betraf, durchaus hinterfragt werden. Tatlin hatte sich nach der Oktober-



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Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

revolution dem Regime verpflichtet und sein monströses 300 Meter hohes Denkmal entworfen, eine – wie Manfred Schneckenburger zu Recht einwendet – »gewaltige Utopie zwischen Architektur und Apparat, eine Verbindung von Regierungsgebäude, sozialem Organismus und vehementem Fortschrittssymbol.« Wie sehr der Suprematismus in der Moderne-Affirmation eine Nähe zur technisch-wissenschaftlichen Welt-Verehrung des Futurismus hat, offenbart eine Äußerung Malewitschs: »Gigantische Kriege, große Erfindungen, die Eroberung der Luft, die Schnelligkeit der Fortbewegung, Telefone, Telegraphen, Dreadnoughts … das Reich der Elektrizität. Doch unsere jungen Künstler malen Neros und halbnackte römische Krieger. Ehre den Futuristen, […] Sie gaben das Fleisch auf und verherrlichten die Maschine.« Malewitsch entwarf mit seiner Malerei Raumgebilde und schuf Architekturmodelle, über die er ähnlich schrieb wie die Futuristen. Seiner Überzeugung nach bestimmen die Flugzeuge die neue Form der Städte und Häuser. In einem 1927 publizierten Aufsatz Suprematistische Architektur erhob er den Suprematismus zur Form einer neuen Architektur, einer absoluten Kunstform reiner Zweckfreiheit. An der Kunstschule von Wizebsk in der Nähe von Minsk (dort war Marc Chagall Direktor, mit dem er sich in einen künstlerischen Richtungsstreit verhedderte und ihm in dieser Funktion nachfolgte) konnte Malewitsch, der »als Theoretiker und als Prophet einer neuen Weltauffassung hervortrat«, ab 1919 den Suprematismus zur Schulrichtung formen. Er wurde zum künstlerischen Paradigma für universelle Gestaltungen, von der bildenden Kunst über die Architektur bis hin zum Design von Geschirr, Zeitungen und Plakaten. Es ging um eine Formensprache, die beinahe einem Code entsprach, der sich um das weiße Quadrat rankte. Schrift, Zeichen und Abstraktion wurden »in einen wesenhaften Zusammenhang gebracht […]. Die Künstler schufen Grundlagen für eine ›visuelle Kommunikation‹, wie sie schon damals von ihnen bezeichnet wurde.« Der Anspruch war freilich nicht bloß der einer Corporate Identity, sondern der einer Erziehung der Gesellschaft durch die Kunst. Ende der Zwanzigerjahre geriet Malewitsch, der zwar ähnliche utopische Ziele verfolgte wie die Bolschewisten, unter Druck der stalinistischen Kunstvorstellung. Er malte wieder gegenständlich, was in der Kunstgeschichte gemeinhin als Abfall konstatiert wird. Malewitsch, der kein ausgesprochen politischer Künstler war, erkannte die jeder Avantgarde abträglichen kulturpolitischen Absichten der Bolschewiki dennoch klar. Er schrieb in sein Tagebuch, es habe »niemals eine Sklaverei gegeben wie diejenige, die der Kommunismus hervorgebracht« habe. Die Diskussion über sein Spätwerk ist offen. Boris Groys sieht Malewitsch mit dem »Bazillus des Sozialistischen Realismus infiziert. […] Es lässt sich beobachten, wie sich die Körper seiner Gemälde […] nach und nach verwandeln, immer weniger suprematistisch und immer realistischer werden.« Evgenia Petrova indes kann kein Zurückweichen des Künstlers erkennen, sondern einen neuen, großen Stil jenseits des Sozialistischen Realismus: »Er geht den Weg der Tarnung nicht mit. […] Er wendet sich der realen Wirklichkeit Russlands Ende der 1920er- und Anfang der 1930er-Jahre zu und wechselt die thematische und stilistische Grundlage seiner Kunst. […] Seine Bauern, Arbeiter und Vertreter der Intelligenzija sind figurativ, aber nicht naturalistisch, nicht

Schneckenburger Manfred in Walther 1998, 447

Malewitsch, zit. HW, 212

Schulz 2015, 33

Breuer 2010, 191

Malewitsch, zit. nach Schulz 2015, 33

Groys Boris in Kat. 2016d, 69

78

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Petrova Evgenia in Ebd., 21

Koolhaas 2016 der ­Konstruktivismus

Gabo, zit. nach ­Schneckenburger Manfred in Walther 1998, 445

einmal realistisch.« 1932 wurden die Künstlergruppen aufgelöst und der Sozialistische Realismus der stalinistischen Diktatur zur Staatsdoktrin erklärt. Der Suprematismus erreichte über El Lissitzky die Bewegungen von De Stijl und Bauhaus. Vor allem die Erweiterung des Suprematismus in die dritte Dimension durch El Lissitzky, der ja auch Architekt war, stach hier hervor. El Lissitzky prägte das Akronym Proun (für: Projekt für die Behauptung des Neuen) für geometrische Formen, die eine dreidimensionale Illusion auf der Fläche erzeugten und auf eine interaktive Betrachterin ausgerichtet waren. Das Formenrepertoire des Suprematismus hat bis heute seinen Reiz nicht verloren. Bei zahlreichen Künstlern des 20. Jh.s, von Lyonel Feininger, Max Bill bis Barnett Newman und Ad Reinhardt, tauchen Anleihen bei Konstruktivismus und Suprematismus auf. Zaha Hadid stöberte in den Siebzigerjahren in Archiven in Moskau nach der russischen Avantgarde. In ihren geometrischen Splittern könnte man die Formen des Suprematismus erkennen. Vor allem in ihren Anfängen war zudem noch eine revolutionäre, also politische Ambition vorhanden. Weitgehend parallel zur Entwicklung des Suprematismus kristallisierte sich der Konstruktivismus heraus. Der Begriff hat keinen festen Umriss. Er ist eher ein Sammelbegriff für Strömungen der Kunst der Moderne, die auf mathematischen Konstruktionen basieren und keine ins Metaphysische reichende Apotheose der modernen Technik betrieben. In der bildenden Kunst dominierten geometrische Formen, also Linie und Winkel. Daneben ging es auch um Farbflächen und deren gleichsam wissenschaftliche Behandlung, also um den Rayonismus. Der Konstruktivismus, zu dem im engeren Sinn etwa zwei Dutzend Künstler zu rechnen sind, umfasste die russische Kunst zwischen 1915 und 1925. Die Konstruktivisten bekannten sich zur künstlerischen Autonomie, zu einer der reinen Form verpflichteten Position, wie sie Malewitsch anfangs mit seinem Suprematismus verfolgte, bis er den Suprematismus als Universalsprache von Kunst und Handwerk verstand. Diese den Programmen von Bauhaus und Werkbund ähnliche Absicht der Vereinigung der Kunstgenres nicht nur aus ästhetischen Gründen, sondern um die Kunst in der Gesellschaft zu verankern, verfolgte auch der Konstruktivismus. Das russische Brüderpaar Naum Gabo (Nehemia Gabo) und Antoine Pevsner gilt neben Wladimir Tatlin gemeinhin als Wegbereiter des russischen Konstruktivismus. Sie waren mehrmals in Paris und Oslo und ab 1917 schließlich im Kreis von Konstruktivisten in Moskau. 1920 publizierten sie (aus einem Versehen im russischen Staatsverlag) ein Realistisches Manifest. Darin hieß es unter anderem: »Das Senkblei in unserer Hand, die Augen präzise wie ein Lineal, mit einem Geist so straff wie ein Kompaß, konstruieren wir unsere Werke wie das Universum die seinen, wie der Ingenieur seine Brücke, wie der Mathematiker seine Formel der Umlaufbahn konstruiert.« Die beiden waren fasziniert von neuen Materialien wie Glas und Plexiglas. Sie setzten diese ein, um vor allem Licht, Raum und Zeit zu thematisieren. Um Zeit und Dynamik in die künstlerische Form umzusetzen, versetzten sie ungegenständliche Figuren mit einem Elektromotor in Schwingung. Anders als Tatlin, der sich nach der Oktoberrevolution dem Regime andiente, gingen Gabo und Pevsner in die Emigration.



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Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

In der Propagandaschrift Konstruktivismus verpasste der Künstler und Kunsttheoretiker Alexei Gan der Bewegung eine radikale Material- und Industriegerechtigkeit samt anarchistischen Zügen, indem es um die Zerstörung der alten Kunsttradition ging. Demgegenüber waren die Reflexionen über den Konstruktivismus, die der Stadtplaner und Architekt Moissej J. Ginzburg in seinem Werk Stil und Epoche (1924) vorlegte, ausgewogener. Sein Gesprächspartner (mit dem er einige Jahre lang im Briefwechsel stand) war Le Corbusier mit seinem Klassiker Vers une architecture. Ginzburg war nach der Akademietradition ausgebildet und pflegte Kontakt zum italienischen Futurismus. Zur radikalen Vergegenwärtigung des klassischen Repertoires war er von Wölfflin und Spengler angeregt worden. Mit Berufung auf die Harmonievorstellungen der Renaissance wollte er »den rhythmischen Pulsschlag der Gegenwart in einer zugleich organischen, monumentalen und harmonischen Architektur ausgedrückt sehen […].« Im Sinne Wölfflins war Stil für Ginzburg eine Manifestation der Zeit. Aktuell ging es ihm vor allem um die Veränderung des Stils im Hinblick auf die Ornamentik. Die zeitgenössische Verselbständigung des Ornaments deutete er als Ausdruck der Dekadenz der Zeit und von Alter und Abstieg einer Kultur im Sinne Oswald Spenglers. Demgegenüber stellte er die Ästhetik der reinen Konstruktion, die gleichsam ihre eigene Ornamentik darstelle. Ginzburg interpretiert den Konstruktivismus als Funktionalismus, sodass der Dualismus von Gebrauchsweise und Form verschwindet und sich in einen Monismus auflöst. Im Vordergrund stand für ihn auch nicht (wie für den Futurismus) der Bruch mit der Vergangenheit, sondern eine Neuadjustierung auf Grundlage der auch vom Futurismus ins Licht gerückten Lebensbedingungen der Dynamik und Maschine. Trotz dieses Bekenntnisses zur Tradition blieb ihm jeder Idealismus fremd. Ginzburg bezog Stellung in einem Streit um die Stadtplanung zwischen Urbanisten und Desurbanisten. Es ging darum, ob die sozialistische Stadt eine kompakte, durchgeplante und vollkommen vergesellschaftete Stadt seine sollte oder ob nicht die Idee der Stadt als solche bereits ein kapitalistisches Relikt darstelle und als dezentrierte lineare Siedlungsform neu gedacht werden müsse. Ginzburg legte dazu Entwürfe (Moskau als »grüne Stadt«) vor. Im Schoße dieses Streits wuchsen von Le Corbusier, Bauhaus und Marxismus inspirierte Ideen wie beispielsweise die einer ebenso sozialen (weil bedarfsorientierten) wie standardisierten Wohnzelle (von exakt 21,84 m3) als Einheit eines zukünftigen ökonomischen Bauens. Wenngleich die geometrischen Formen des Konstruktivismus weltanschaulich neutral auftraten, darf das nicht zum Missverständnis einer politischen Enthaltsamkeit führen. Sie ließen sich als reine l’art pour l’art, als Spiel geometrischer Formen ebenso verwenden wie als Propagandamittel für ein totalitäres Regime. Man kann sogar noch weiter gehen und konstatieren: »Auch der russische Konstruktivismus barg mit seiner Gesellschaftsutopie auf der Basis einer reinen Rationalität und in seinem Glauben an den Triumph von Wissenschaft und Technik ein erhebliches totalitäres Potenzial.« Und das ist in der Tat ironisch, denn der Konstruktivismus in Russland wurde bereits von Lenin, endgültig aber von Stalin harsch beendet und in

2.3.5.

Kruft 1985, 485

Urbanisten und Desurbanisten

Kretschmer 2013, 117

80

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Larionow, zit. HW, 123

IV.8.4.

der Architektur durch einen monumentalen Klassizismus, in der bildenden Kunst durch den Sozialistischen Realismus ersetzt. Michail Larionow und seine Partnerin Natalija Gontscharowa gestalteten grobschlächtige Figuren, die von der bäuerlichen Malerei und unübersehbar von Ikonen-Schemata angestoßen waren. Durch ihre frühe Emigration nach Paris wurden sie auch im Westen einem größeren Publikum bekannt und in ein Schema gepresst. Man heftete ihre vermeintlich antiakademische Kunst unter verschiedenen Stichworten ab: Kubo-Futurismus, die russische Variante des Kubismus, Primitivismus und, wegen dem flächigen Farbauftrag, Rayonismus. Über diese Positionen stießen Larionow und Gontscharowa zu einer ungegenständlichen Malerei vor, die über die Lichtstrahlen-Lehre der zeitgenössischen Physiologie sogar Wissenschaftsanspruch erhob. »Im Rayonismus«, so räsonierte Larionow in seinen Reflexionen Le rayonnisme pictural (1914), »befaßt sich der Maler bei seinen Untersuchungen mit verschiedenen Arten von Dichte, das heißt mit der Tiefe der von ihm verwandten Farbe, sowie mit der Komposition, die durch die Strahlen miteinander schwingender Gegenstände gebildet wird. […] Der Rayonismus möchte die Malerei als Selbstzweck sehen und nicht länger als Ausdrucksmittel.« Ein Brennpunkt der russischen Avantgarde in dem erwähnten Sinn war die Moskauer Kunsthochschule (1920–1927). Sie wurde 1927 als Staatliche künstlerisch-technische Werkstätten (Wchutemas) weitergeführt. Die Schule war gleichsam ein Gegenstück zum Bauhaus, bis sie 1930 zugunsten des Sozialistischen Realismus aufgelöst wurde. Alexander Rodtschenko arbeitete am Lehrplan mit und war selbst von 1920 bis 1930 dort als Dozent tätig. Die Einrichtung suchte die Verbindung der bildenden Künste mit den sogenannten Produktionskünsten: Architektur, Textil- und Metallkunst, Bühnenbildnerei. Absicht war, eine sich über alle Sparten künstlerischen Gestaltens ziehende avantgardistische Formensprache zu finden. Die Künstler des Konstruktivismus waren stark vertreten, neben Rodtschenko auch Wladimir Tatlin, der vor seiner Verfestigung im Konstruktivismus eine Reihe von Avantgarde-Positionen eingenommen hatte, und Wassily Kandinsky. Auch der slawophile rechts-konservative christliche Neuplatoniker Pawel Florenskij war dort, der gegen die Kunstentwicklung im Westen seit der Renaissance polemisierte. Er hatte sich anfangs mit dem neuen Regime arrangiert, wurde dann aber wegen christlicher Agitation zu Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt und schließlich 1937 hingerichtet. Die Entstalinisierung am XX. Parteitag führte 1958 zu seiner Rehabilitierung und 1981 wurde er von der russisch-orthodoxen Kirche heilig gesprochen. Seine ästhetischen Schriften können als authentische Interpretation der Ikone gelesen werden. Eine solche Haltung entsprach selbstredend nicht dem Mainstream der Avantgarde. Viele Künstler hatten die utopischen Gehalte politisch zu einer Gesellschaftsutopie umgemünzt, die mit der kommunistischen Geschichtsphilosophie konvergierte. Das Verhältnis zwischen den liberalen Avantgardisten und dem Kreis um Florenski war schwierig. Nach der Schließung der Schule 1930 aus politischen Gründen hatte der Konstruktivismus die Gunst, als proletarisch-revolutionäre Kunst akzeptiert zu werden.



81

Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

Diese Nähe zur Revolution macht eine Kunst politisch und sie lässt sich dann auch anders entschlüsseln. »Folglich handelt es sich um eine potentiell politische Aussage, wenn in der konstruktivistischen Malerei das Bewußtsein produktiv – z.B. geometrisch – bedingter Rationalität unter der Voraussetzung rezeptiv, d.h. optisch bedingter Arationalität neu konstituiert wird.«

Kambartel Walter in Argan 1977, 204

2.2.8. Werkbund und Bauhaus Mit Werkbund und Bauhaus traten am Beginn des Jahrhunderts zwei wirkmächtige Bewegungen auf, die der Moderne einen nachhaltigen Impuls auf dem Weg in das 20. Jh. verliehen. In den Architekturgeschichten steht der Werkbund meist im Schatten des Bauhauses, aber dieses ist ohne jenen kaum vorstellbar. Es geht um zwei ähnliche Bewegungen, die durch ihre avantgardistische Formensprache noch heute berühmt sind – ihre Namen stehen für kühle Rationalität und Moderne –, aber sie waren – im Sinne des Selbstverständnisses der Avantgarde – auch Orte gesellschaftlicher Utopien für eine bessere Welt und einen neuen Menschen. Das Verfangen solcher Utopien kann man wohl aus der Erfahrung des großen Krieges begreifen. Beide Bewegungen erwuchsen nahezu nahtlos aus dem Jugendstil, insofern ist dieses Kapitel geradewegs eine Fortsetzung der einschlägigen Betrachtungen dazu. Im Speziellen kamen Anregungen aus dem Arts and Crafts Movement. Der belgische, 1863 in Antwerpen geborene Architekt und Kunsthandwerker Henry van de Velde brachte diese Ideen von England auf den Kontinent und nach Deutschland. Von Morris und Ruskin inspiriert, vertrat er eine Einheit von bildender Kunst und Architektur. Diese Einheit sei in der Renaissance zerfallen. Diese Meinung, die mit Blick auf die auf die Architektur funktionalisierte bildende Kunst des Mittelalters den Tatbestand richtig wiedergab, teilte er mit Ruskin, ohne aber in dessen Mittelalter-Nostalgie einzustimmen. Dies lag ihm schon deshalb fern, weil sich die Ästhetik des 20. Jh.s seiner Meinung nach mit der Dominanz der Maschine auseinanderzusetzen habe. Im Geist von Karl Marx sah er in Maschine und Industrie eine faszinierende Möglichkeit, die Welt neu zu gestalten. Ingenieurskunst müsse daher wieder zur Kunst der Architektur aufschließen, von der sie sich im 19. Jh. getrennt hatte. Die Form war für ihn keine starre Äußerlichkeit, er verband sie mit vitalistischen Zügen. Schließlich hatte er seinen Theodor Lipps gelesen und wandte die Theorie der Einfühlung auf das Ornament an. Bereits bei den Griechen war »das Ornament das Leben, es hat das Leben in sich, gerade wie der Dionysos-Kultus selbst.« Aus diesem Geiste war für ihn Einfachheit und Reduktion das entscheidende Prinzip der Ästhetik. Das Ornament sei in diesem Sinn nicht eo ipso falsch, sondern es gäbe nur eine »falsche« Verwendung. Das Ornament müsse das Konstruktive unterstützen, eine Aufgabe, die schon Palladio auf den Spuren von Vitruv in nicht ganz unähnlicher Weise, wenn auch in anderem Kontext gefordert hatte. Die Bejahung der industriellen Produktion ging so weit, dass »jede Form und jedes Ornament zu verwerfen« sei, »die ein moderner Maschinenbetrieb nicht leicht herstellen und

604 Bauhaus Dessau, heutige Ansicht

VIII.9.2.3.2.f. VIII.3.2.3.2.3. Henry van de Velde

VIII.3.2.3.1. 3.2.3. van de Velde, zit. HW, 63

VI.7.3.4.

82

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

van de Velde, zit. nach Kruft 1985, 441; im Orig. kursiv Kruft 1985, 441

Hermann M ­ uthesius

Droste 2013, 11

Deutscher ­Werkbund

wiederholen kann.« Man kann van de Velde insofern einen Funktionalisten nennen, »als für ihn Nützlichkeit bereits zur Schönheit führen kann: […].« Die von van de Velde geleitete Kunstgewerbeschule in Weimar hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das alte Handwerksdesign durch Industriedesign zu ersetzen und die durch diese neuen Bedingungen notwendigen Veränderungen der Ästhetik durchzuexerzieren. In späteren Jahren wandte sich van de Velde dem International Style zu und stand dem Ornament zunehmend kritisch gegenüber. Damit waren die Jugendstil-Wurzeln endgültig abgestreift. Neben van de Velde war der wichtigste Anreger und Vermittler der englischen Traditionen nach Deutschland Hermann Muthesius, der zwischen 1896 und 1903 an der deutschen Botschaft in London arbeitete. England galt als Hochburg der Handwerkskunst und als wichtiger Impulsgeber der Architektur und auch Muthesius lieferte eifrig Material nach Deutschland, in diesem Fall nach Preußen. Er sympathisierte mit Ruskin, Morris und Lethaby und mit deren funktionaler Sicht der Architektur, namentlich jener des englischen Hauses (Das englische Haus; 1904). Muthesius publizierte mehrere große Werke über die englische Architektur und empfahl 1902 in der Streitschrift Stilarchitektur und Baukunst das Überwinden des Historismus zugunsten einer sachlichen Schlichtheit nach dem englischen Vorbild. In der zweiten Auflage ein Jahr später bezog er in seine Kritik ausdrücklich den Jugendstil mit ein. Nach seiner Rückkehr aus London wurde er in Berlin Dezernent für die Kunstgewerbeschulen, die nun durch Werkstätten, wie in England üblich, erweitert wurden. Der entscheidende Unterschied zu England war die Offenheit für die modernen Produktionsverfahren. Es ging nicht um das Festhalten an historisierender Handwerkskunst und auch nicht um nostalgische oder gar ideologische Rückschau auf das Mittelalter, sondern um die Suche nach der Form. Muthesius betrieb entlang der beginnenden industriellen Massenproduktion konsequent die Typisierung und Standardisierung dieses Designs. Trotz der grundsätzlichen Offenheit für industrielle Produktionsverfahren war ein solches Unternehmen auch umstritten. Es kam zu Protesten in den Betrieben und Muthesius sah sich mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Der heftige Streit darüber, entzündet durch einen Vortrag von Muthesius 1907, führte schließlich gewissermaßen als eine Solidaritätsaktion zur Gründung des Deutschen Werkbunds (»Vereinigung von Künstlern, Architekten, Unternehmern und Sachverständigen«) im Herbst 1907 in München (Sitz: Darmstadt). Muthesius selbst, der zusammen mit dem deutschen Sozialreformer und ehemaligen Pfarrer Friedrich Naumann die treibende Kraft war, trat 1908 offiziell bei. Es gab keine Satzungen und kein enges bindendes Programm, vielmehr handelte es sich um eine Interessensgemeinschaft unterschiedlichster Künstler, die in grundlegenden Zielen übereinstimmten. Solche Anliegen waren das geschilderte Gleichgewicht von Handarbeit und Industrieproduktion, die Suche nach der Form im Sinne einer Form- und Werkgerechtigkeit und das Interesse an ästhetischer Qualität statt rein wirtschaftlicher Produktion. Modern gesprochen ging es um Funktionalismus und Sachlichkeit. Doch das gemeinsame Ziel wurde durch zahlreiche andere Konfliktfelder, etwa Fragen nach der künstlerischen Individualität, dem Verhältnis



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zwischen Wirtschaft und der reinen Kunst oder den Abgrenzungen von Funktion, Ästhetik und sozialem Anliegen bisweilen unscharf. Muthesius startete unter dem Banner der Sachlichkeit einen Generalangriff auf die Neo-Stile des 19. Jh.s, den er sehr emotional führte. Denn das neue Verständnis des Kunstgewerbes implizierte eine soziale und pädagogische Komponente. Die Neuorientierung im Kunstgewerbe stellte für Muthesius nur den ersten Schritt einer Neuorientierung der gesamten Architektur dar. »Muthesius entwickelt ein Programm, das durch den Zusammenschluß von Handwerk, Industrie und Handel das materielle Scheitern der Arts-and-Crafts-Bewegung zu überwinden sucht.« Damit wurde die alte Spaltung und das gegenseitige Sich-Ausspielen von künstlerischer Architektur und Ingenieurswesen, das letztlich noch auf die alte Unterscheidung von artes liberales und artes mechanicae zurückging, überwunden. In diesem Rahmen erfolgte eine interessante Umsetzung der neuen Bauaufgaben und technischen Neuerungen, vom Bahnhof bis zum Dampfschiff, die nun in die Beachtung einer gestalterischen Form einbezogen wurden. Was jetzt passierte, war gleichsam das Abstreifen des Verpuppungskleides des Jugendstils auf dem Weg in die Moderne. Ein verbindendes Glied dabei blieb, was man später als Design bezeichnete. In der zweiten Phase des Werkbundes ab den Zwanzigerjahren trat diese Verbindung von Kunst und Wirtschaft als bestimmendes Thema auf. Im § 2 der Satzungen hieß es: »Der Zweck des Bundes ist die Veredelung der gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Handwerk durch Erziehung, Propaganda und geschlossene Stellungnahme zu einschlägigen Fragen.« Hintergrund war also ein zutiefst philosophisches Interesse, das materielle Ding über die Form gleichsam zu vergeistigen. Walter Gropius, der 1912 Mitglied geworden war, beschrieb das Verhältnis von Funktion und Form im Werkbund-Jahrbuch so: »Das technisch überall gleich vorzügliche Ding muß mit geistiger Idee, mit Form durchtränkt werden, damit ihm die Bevorzugung unter der Menge gleichartiger Erzeugnisse gesichert bleibt.« Gropius tat nichts weniger als zur selben Zeit, »als Otto Wagner an der klassischen Konzeption von Monumentalität und Massenwirkung festhielt […] die Neukonzeption der Monumentalarchitektur als ›Industriebaukunst‹« zu fordern. Die Industrie griff das Angebot interessiert auf. Die Keksfabrik Bahlsen in Hannover und die Firma AEG waren die ersten, die ihr gesamtes Angebot, bei der AEG bis hin zur Architektur, von Künstlern entwerfen ließ. Es war eine erste gestaltete Corporate Identity einer Firma. Es war Peter Behrens, der so » zum ersten modernen Industriedesigner« wurde. Behrens, ursprünglich von Ideen Nietzsches beeinflusst, reflektierte eher wenig über seine Architektur- und Designtätigkeit. Er verstand Architektur als Pendant der Geschwindigkeit als Signatur der Zeit. 1918 publizierte er das Buch Vom Sparsamen Bauen – ein Beitrag zur Siedlungsfrage. Er gab darin der reduzierten Formensprache der modernen Architektur und den um sich greifenden vorfabrizierten Bauelementen einen Sinn mit Verweis auf die Knappheit der Mittel. Dass solche Vergeistigungsideen, wie gerade erwähnt, von seltsamen Anmutungen begleitet waren, zeigte die zweite Phase des Werkbunds. »Die Werkbund-Dis-

Kruft 1985, 425

zit. nach Ebd., 426; im Orig. kursiv

Gropius, zit. nach Ebd., 426; im Orig. kursiv

Gleiter 2016

Kretschmer 2013, 83 VIII.9.2.3.2.

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Kruft 1985, 428

Bruno Taut

Scheerbart, zit. nach Partsch 2002, 203f

Lupfer Gilbert in ATh, 692

Nerdinger 1990

kussionen der zwanziger Jahre weisen eine starke Irrationalisierung, Moralisierung und Politisierung auf und stehen zum Teil in offenem Widerspruch zur Gründungsphase.« Es ging nun um eine vermeintliche Überlegenheit der europäischen, genauerhin deutschen Kultur, welche die materielle und rein funktionale Maschine beseelen müsse. Die deutsche Seele sei, so die Repetition der verbreiteten Klischees, vom Romanischen, vom chaotischen Osten und vom bloß technischen Amerikanismus bedroht. Ein ergiebiger Theoretiker für große Entwürfe war Bruno Taut. Seine Bekanntschaft mit dem Dichter Paul Scheerbart, den er als »Architekturdichter« verehrte, war dafür eine Quelle der Inspiration. Scheerbart entwarf phantastische Konzeptionen von transportablen Städten und widmete Taut sein Buch Glasarchitektur. Auf der Basis einer pädagogischen Architekturauffassung zeichnete er darin das Bild einer lichten neuen Welt, in der das Glas den Backstein verdrängt und die Menschen der Zukunft an der neuen Transparenz und Helligkeit moralisch genesen sollten: »Das Glas bringt alles Helle, / Verbau es auf der Stelle. Das Glas bringt uns die neue Zeit; / Backsteinkultur tut uns nur leid.« Er verband in dem Buch die alte deutsche Mystik mit der Metaphorik des Lichts aus der Gotik. Auf der Werkbund-Ausstellung in Köln 1914 baute Taut für Scheerbart einen Glaspavillon (Monument des Glases), der mit Zitaten Scheerbarts beschriftet war. Taut publizierte 1919 die Stadtkrone, eine an Ideen Charles Fouriers orientierte Gesellschaftsutopie aus der Architektur. In seiner Architekturauffassung stand die Ästhetik im Vordergrund und sie folgte in bodenlosem Idealismus dem Demiurgen-Gedanken Platons, indem sie gleichsam die gesamte Welt in Architektur verwandelt. Taut verfasste dazu sogar ein Architekturschauspiel mit dem passenden Titel Der Weltbaumeister (1920). Der große Visionär, kunstphilosophisch »zwischen Esoterik und Ästhetik, zwischen Gesamtkunstwerk und Zivilisationskritik, zwischen Glasmetaphorik und Abstraktion« changierend, gründete 1919 einen Geheimbund, Gläserne Kette, dem so prominente Mitglieder angehörten wie Walter Gropius und Hans Scharoun. Manche Texte wurden in der für das expressionistische Bauen wichtigen Zeitschrift Frühlicht (1920–1922) publiziert. »Diesem Rückzug aus der Welt der Technik, des Materialismus und damit des Amerikanismus entspricht auch das Bauhaus-Programm von Gropius 1919.« Taut ist nicht einfach auf einen Begriff zu bringen. Es mischen sich die Technik­ euphorie des Futurismus mit einer Abneigung gegen das Technische, namentlich gegen den daraus resultierenden Funktionalismus. 1920 schrieb er Auflösung der Städte oder: Die Erde eine gute Wohnung oder auch: Der Weg zur Alpinen Architektur, eine Sammlung von Zeichnungen biomorpher Formen und von skurrilen, esoterisch aufgeladenen Metaphern, darunter ein »Heiligtum zur Aufsaugung der Sonnenenergie« und die Vision einer Synthese von Mensch und Architektur in einem kosmischen Gesamtkunstwerk. Fasziniert vom Glas sollte jede Architektur luftig und hell sein. Die Transparenz, die er gegen eine »Muschelkalksteinsäulen-Architektur« stellte, lobte er in einem eigenen Manifest (Nieder der Seriosismus; 1920). »Hoch die Reinheit, hoch der Kristall!«, war sein Motto. Er setzte Bergen und Städten Glaskris-



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tall-Kronen auf und überlegte eine gläserne Überbauung der Alpen bis zum Mittelmeer, was er immerhin selbst als nutzlos bezeichnete, aber als mutiges Arbeiten an der Schönheit rechtfertigte. Als er 1921 (bis 1924) Stadtbaumeister von Magdeburg wurde, nahm er zwangsläufig den Fuß vom Gaspedal, wurde pragmatischer und revidierte seine Predigten von der Auflösung der Städte zugunsten einer kristallklaren Welt. Was in der Vision das Friedensvolkshaus als Gegenstück zum amerikanischen Hochhaus war, wurde in Magdeburg und später in Berlin schlicht und einfach sozialer Wohnbau – auch hier immer mit der Prämisse einer luftigen und hellen Wohnsituation und dem Ziel, ein Einheitskunstwerk auf der Basis des Handwerks zu realisieren, als Grundlage einer neuen Gesellschaft. Gerne griff er auch in den Farbkasten und benützte intensive Farben für seine Bauwerke. Von den Nationalsozialisten als Kulturbolschewist beschimpft, ging Taut 1933 nach Japan und 1936 in die Türkei. Der Architekt und Architekturkritiker Adolf Behne, der Funktionalismus und Sozialutopismus miteinander verband, verstand darunter in Die Wiederkehr der Kunst (1921) die Rückkehr zur Kunst des Ostens, die im Geist der Gotik die Einheit von Mensch, Kunst und Technik realisiert habe. Eine solche Einheit beschrieb er in Der moderne Zweckbau (1926) unter dem Titel des Zweckmäßigen im Sinne einer Mensch-Maschine-Beziehung. Das Zweckmäßige hat dann mit dem Funktionalismus zu tun, wenn die Zwecke nicht statisch und fertig genommen, sondern entwickelt werden und diese Entwicklung zu einer Formung des Menschen führt. Der Funktionalismus erreicht die Architektur nicht als Selbstzweck, sondern als formales Mittel für ihren alten pädagogischen Anspruch der Menschenbildung. Bei Walter Gropius musste der alte gotische Dom geradezu als Gegenentwurf zum amerikanischen Hochhaus herhalten. Der in Europa bekannt gewordene Hochhausbau in Amerika wurde ein Exerzierfeld für die geschilderte Ideologisierung. Zwar übernahm man das Hochhaus in Europa, sah sich aber genötigt, das »Wesen« des Hochhauses nachzuliefern: »Der deutsche Geist soll das Turmhaus erfassen und in seiner wahren Wesenheit gestalten.« Das Hochhaus wurde nationalisiert und ein Ausdruck des Tatendrangs Deutschlands. Die deutsch-nationalistische Komponente entsprang dem gleichen Geist, der die Begeisterung vieler Künstler und Architekten für den großen Krieg ausgelöst hatte, mit dem sie nicht nur Weltmachtträume verbanden, sondern für den Sieg der deutschen Form fochten. Auch der der gotischen Kathedrale zugesprochene Charakter als Gesamtkunstwerk ließ sich in einer esoterisch anmutenden Vision auf die Moderne anwenden, wie Gropius 1919 im Bauhausmanifest schrieb: »Wollen, erdenken, erschaffen wir gemeinsam den neuen Bund der Zukunft, der alles in einer Gestalt sein wird: Architektur und Plastik und Malerei, der aus Millionen Händen der Handwerker einst gen Himmel steigen wird als kristallines Sinnbild eines neuen kommenden Glaubens.« In den Zwanzigerjahren nahmen bei den europäischen, in erster Linie deutschen Architekten die Distanz zu den Jugendstil-Wurzeln und der Kampf gegen den Historismus nochmals Fahrt auf. Jetzt geriet Amerika wegen der Nachahmungen europäischer Stile unter Kritik und diese war nicht zimperlich. Von Monstro-

das Hochhaus

Nerdinger 1990

Gropius, zit. nach Partsch 2002, 205

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Nerdinger 1990

Ebd. Walter Gropius und das Bauhaus Weimar

Itten, zit. HW, 397

Ebd., 398

sität, Impotenz, Geldsackarchitektur und architektonischem Imperialismus war die Rede. Das alles richtete sich gegen die Architekten, aber nicht gegen die Ingenieure. Deren technische Leistungen lösten vielmehr Bewunderung aus. »Nur den amerikanischen Rohbauten konzedierten die deutschen Architekten die Kraft des Neuen, und da diese gewaltiger waren als alles in Europa Bekannte, wurde in die Rohbauten das Wirken des ursprünglichen amerikanischen Geistes projiziert, dort sei noch der Geist der Neuen Welt spürbar, der sich in den Bauten Sullivans und Adlers in Chicago entfaltet habe, aber durch die Übernahme europäischer Stildekoration abgewürgt worden sei.« Sowohl bei den handelnden Personen als auch in der Programmatik gab es viele Überschneidungen zwischen Werkbund und Bauhaus. Im Jahr 1919 vereinigte Walter Gropius die (von van de Velde 1908 angeregte) Großherzoglich-Sächsische Kunstgewerbeschule und die Großherzoglich-Sächsische Hochschule für Bildende Kunst in Weimar, denen er jeweils als Direktor vorstand, zum Staatlichen Bauhaus Weimar (bis 1933). Gropius war für diese Funktion schon lange im Gespräch gewesen und er bereitete sich als Soldat im Krieg im Geist der Werkbund-Ideen darauf vor. Als erste Mitglieder berief Gropius die beiden Maler Lyonel Feininger und Gerhard Marcks an die Schule. Ein weiteres frühes Mitglied wurde der aus dem Berner Oberland stammende Johannes Itten, der Anfang des Jahrhunderts durch abstrakte Bilder auffiel und als Kunstlehrer über pädagogische Erfahrung verfügte. Er kam über Gropius, den er in Wien kennen gelernt hatte, von dort an das Bauhaus. Weitere Künstler folgten: Paul Klee (1921) und sein Sohn Felix, Sigfried Giedion, Georg Muche, Oskar Schlemmer (1921), Wassily Kandinsky (1922), die Musikpädagogin Gertrud Grunow. Itten war an der Entwicklung eines Studienprogramms prominent beteiligt (Mein Vorkurs am Bauhaus). Dabei verfolgte er eine ganzheitliche Pädagogik bis hin zu Speiseplänen und Kleidungsempfehlungen. Atem- und Bewegungsübungen am Beginn einer Ateliereinheit sollten die Studierenden in den Fluss der künstlerischen Arbeit bringen. Angeregt waren solche Konzepte von der damals populären Mazdaznan-Lehre, die Elemente des Zarathustrismus, Hinduismus und des Christentums vermischte, der vor allem Itten und Muche anhingen und die sie im Bauhaus generell verbindlich machen wollten. Sie versprachen sich davon eine Intensivierung der Erlebnisfähigkeit, die sich stets am Lebenden, niemals am Toten orientiere: »Alles Lebendige offenbart sich dem Menschen durch das Mittel der Bewegung. Alles ist bewegt und nichts ist tot; denn sonst wäre es nicht.« Ittens Analysen alter Meister (1921) sind geradezu religiös grundiert, wenn es darum geht, die Dinge in Stoff und Form zu erfassen: »Bescheidenheit und große Demut vor IHM dem Unbegreiflichen helfen uns die Schwere dieser Einsicht zu tragen.« Viele Lehrer am Bauhaus verfassten Lehrbücher und Traktate. Itten schrieb wie Josef Albers zur Farben- und Formlehre, Paul Klee ein Pädagogisches Skizzenbuch, Kandinsky publizierte 1926 Punkt und Linie zu Fläche, eine Fortsetzung seines Über das Geistige in der Kunst, Moholy-Nagy ließ sich zur medialen Funktion von Kunstwerken, Schlemmer zur Metaphysik in der Kunst aus. Eine lebhafte Diskussion gab



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es um die Rolle des Ornaments, das man zunehmend kritisch sah. Gegenüber dem Jugendstil schien das Ornament ermüdet, nicht mehr organischer Teil des Gegenstandes oder der Architektur, sondern diente wie ein Fremdkörper als Überwurf: »[…] so wurde ab 1902 aus dem Dynamisch-Bewegten, dem Gleiten und Tanzen von Linie, Form und Farbe, als hätte jemand ›Stillgestanden!‹ kommandiert, die bewegungslose abstrakte Figur: Quadrat und Kreis, Rhombus und Oval, gereihtes, geordnetes Nebeneinander von gedrungenen Einzelmotiven.« Obwohl Gropius das Bauhaus, das politisch links angesiedelt war, aus politischen Positionsbezügen möglichst heraushielt, musste es 1925 wegen der Überhandnahme konservativer Kräfte in Politik und Beamtenschaft nach Dessau verlagert werden. Dessau hatte sich ebenso wie andere Städte darum bemüht und dort erreichte die Schule ihr höchstes Ansehen im In- und Ausland. Zur größten Herausforderung gehörte es, die Institution finanziell unabhängig zu führen. Das, was man heute Design nennt, war der einzige lukrative Zweig der Aktivitäten. Dagegen fristete die Werkstätte für Holz- und Steinbildhauerei ein eher bescheidenes Dasein. Selbst die Abteilung Grafik konnte ihre eindrucksvollen Mappenwerke, versehen mit klingenden Künstlernamen, nur schwer verkaufen. Auch mit der Umwandlung des Bauhauses in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gelang eine finanzielle Absicherung nicht. 1926 wurde das von Gropius entworfene Bauhaus-Gebäude in Anwesenheit von 1500 Besuchern aus aller Welt eröffnet. Der großen dreiflügeligen Anlage schlossen sich in der Nähe einige »Meisterhäuser« an, Wohnbauten für Professoren mit Atelier. Gropius vermochte seine Programmatik, wonach Bauen das Gestalten von Lebensvorgängen sei, weitgehend umzusetzen, indem er alle Bereiche des Lebens, Wohnen, Arbeiten, Essen, Sport und Fest in seinem Bau verschmolz. Er beschwor die an die Gesamtkunstwerks-Idee erinnernden Motive immer wieder: »Das letzte, wenn auch ferne Ziel des Bauhauses ist das Einheitskunstwerk – der große Bau – in dem es keine Grenzen gibt zwischen monumentaler und dekorativer Kunst.« Diese Einheit sah er von der Natur vorgezeichnet. »Diese neuaufdämmernde Erkenntnis der Einheit aller Dinge und Erscheinungen bringt aller menschlichen Gestaltungsarbeit einen gemeinsamen, tief in uns selbst beruhenden Sinn.« Gropius stellte seine »Schule« gegen die alte Akademie, die von der falschen Annahme ausging, Kunst sei erlernbar. Für die Alternative dazu berief er sich ausdrücklich auf Ruskin und Morris, auf van de Velde, Olbrich und Behrens, die »erste Wege zur Wiedervereinigung der Werkwelt mit den schöpferischen Künstlern« gingen. Die Kunstgewerbeschule fungierte damit als Alternative zur Akademie und dem Akademismus. Das Deckblatt des Bauhaus-Manifests zierte ein Holzschnitt einer gotischen Kathedrale von Lyonel Feininger, auf deren Turmspitze sich die drei Strahlen von Malerei, Skulptur und Architektur trafen. In einer Rede vor Bauhaus-Studenten räsonierte er von einer »geistig-religiöse[n] Idee«, die ihren »kristallenen Ausdruck« in »der Lichtfülle« einer großen »Kathedrale der Zukunft« fände. Die Kathedrale, die – wie oben erwähnt – auch einen nationalistischen Zungenschlag hatte, war eine populäre Metapher für das Gesamtkunstwerk. Oskar Schlemmer schwadronierte von

Fahr-Becker 2007, 270–273

Gropius, zit. HW, 405f

Ebd., 403

Ebd. 404

Gropius, zit. nach Rose-Carol Washton L. in Tuchman/Freeman 1988, 209

88

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Schlemmer, zit. HW, 402

Droste 2013, 19

Schlemmer, zit. HW, 400

Ebd. Schlemmer, zit. nach Kruft 1985, 444

Theo van Doesburg

Neumann 1985, 132

einer »Kathedrale des Sozialismus«, die »zukunftsgläubig-himmelstürmend« gegen die alte »gefühlsgeladene explosive Kunst« gebaut werden sollte. Gropius beschäftigte sich in den frühen Arbeiten mit dem Wohnungsbau, formulierte dabei soziale Aspekte, indem er Hygiene und Licht für die Wohnung einforderte. Dazu sollte der Siegeszug des Flachdachs treten, dessen Begrünung die Natur in die Steinwüsten der Großstädte bringen sollte. »Bauen wurde für Gropius […] zur gesellschaftlichen, geistigen und symbolischen Tätigkeit.« Wie schon beim Deutschen Werkbund löste auch im Bauhaus das Mittelalter trotz der Feier der kristallinen Kathedrale nur bedingt positive Resonanzen aus. Oskar Schlemmer notierte in sein Tagebuch: »Das Handwerk des Mittelalters stellen wir nicht wieder her, so wenig wie die Kunst des Mittelalters, […]. Es ist überholt durch die ganz moderne Entwicklung. […] Das Handwerk von ehedem macht heute die Industrie […].« Dass er damit ein im Bauhaus nicht unumstrittenes Programm verkündete, war Schlemmer offenbar klar: »Es ist nicht getan mit dem ›Fühlungnehmen mit der Industrie‹; ein Hineinsteigen, In-ihr-Aufgehen wäre nötig. […] wir müßten dem Bauhaus den Rücken kehren.« Diese Programmatik nahm bei Schlemmer kollektivistische Züge an: »Die Mehrzahl der Individuen hat gleichartige Lebensbedürfnisse. Es ist daher logisch und im Sinne eines wirtschaftlichen Vorgehens, diese gleichgearteten Massenbedürfnisse einheitlich und gleichartig zu befriedigen.« Es war ganz klar, dass diese Ansprüche international gelten sollten und dass diese »internationale Architektur« ein einheitliches Weltbild zur Voraussetzung hat. Den Ausdruck prägte Gropius 1925 als Titel der ersten Nummer der Bauhausbücher, das »ein Bilderbuch moderner Baukunst« sein sollte, wie er im Vorwort ausführte. Zu diesem Anspruch passt eine einheitliche, ja standardisierte, von Geometrie geprägte Architektur, die sich als Antidot gegen das Organische, Naturnahe, Individuelle verstand. Genau eine solche Architektur forderte Gropius in Amerika, als er 1937 Professor an der Graduate School of Design an der Harvard-University in Cambridge wurde und die Gemeinschaft The Architects’ Collaborative gründete. Diese forsche Wertschätzung der industriellen Produktion anstelle der alten Handwerksgesinnung rief, wie gesagt, manche Spannungen in der Gruppe der Bauhäusler hervor. War das Bauhaus zu sehr den klassischen Positionen des Expressionismus á la Feininger verhaftet? Der Gründer der De Stijl-Bewegung, Theo van Doesburg, der bereits beim Werkbund engagiert war, kam 1921 nach Weimar und wurde zum schärfsten Kritiker einer solchen Ausrichtung. Van Doesburgs Unterricht setzte damit einen anderen Akzent als jener von Itten. 1922 organisierte er einen Kongress mit Konstruktivisten und Dadaisten, um einen »Schlag gegen Expressionismus und Romantik am Bauhaus« zu setzen. Die Unstimmigkeiten konnten auftauchen, weil die Mitglieder zwar von der vagen Idee eines neuen Formwillens überzeugt waren, aber eine verbindliche kunstphilosophische und ästhetische Leitlinie fehlte, wie dieser Formwille interpretiert werden und wie das Gleichgewicht von ästhetischer Form und industrieller Produktion genau aussehen sollte. Auch Gropius wollte keine eigenbrötlerische Kunst und sah den Sinn des Bauhauses in der Zusammenarbeit mit der Industrie. Demgegenüber



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waren Itten solche Abhängigkeiten zuwider. Er forderte eine Kunst, die unabhängig von der wirtschaftlichen Welt funktioniert. Itten, der am Bauhaus mit rasiertem Schädel in einem an eine Mönchskutte erinnernden Kittel auftrat, soll Studierende, die der Mazdaznan-Lehre folgten, bevorzugt haben. Solche spiritistischen Umtriebe riefen scharfe Kritik jener hervor, die einem weitgehend rationalen Konstruktivismus anhingen. Theo van Doesburg warf der Schule expressionistische Hysterie und unausgegorene religiöse Mystik vor. Auch Oskar Schlemmer drängte dazu, dass sich das Bauhaus nicht mit der Gegenbewegung gegen die Erfolge der Industrie, mit einer »leidenschaftlichen Romantik«, die sich gegen die »Mechanisierung von Kunst und Leben« stellte, gemein mache. »Ein Kult des Unbewußten, Undeutbaren, ein Hang zu Mystik und Sektiererei entsprang dem Suchen nach den letzten Dingen, die in einer Welt voll Zweifel und Zerrissenheit um ihren Sinn gebracht zu werden drohten.« Schlemmer war Puritaner und auch die im Bauhaus gerne verwandte Kunstform der Performance war ihm suspekt: »Er betrachtete Zeichnung und Malerei als den Aspekt seines Werks, der strikt intellektuell war, weshalb ihm die ungetrübte Freude, die ihm seine Experimente am Theater machten, immer verdächtig war.« All das führte schließlich dazu, dass Itten 1923 das Bauhaus verließ. Als Resultat der lebhaften Diskussionen fokussierte Gropius die Arbeit schließlich auf den Schnittpunkt von Kunst und Technik, vom Handwerk war ab dem Anfang der Zwanzigerjahre nicht mehr die Rede. Das kam der ablehnenden Haltung der Handwerksverbände gegenüber dem Bauhaus durchaus entgegen, dessen Ausrichtung sie nicht verstanden und von dem sie zudem Konkurrenz befürchteten. Hilfreich war hingegen das Interesse der Industrie, die das Haus finanziell stützte. Mit der Absicht einer »industriegerechte[n] Formgestaltung« befriedigte das Bauhaus ein Desiderat und gewann ein Alleinstellungsmerkmal. Nachfolger für Ittens Aufgabenbereich wurde László Moholy-Nagy. Er begann mit der Idee der Corporate Identity beim Bauhaus selbst und verschaffte ihm einen eindrucksvollen Auftritt nach außen. Moholy-Nagy übernahm den Vorkurs und veränderte ihn zu einer Formenlehre abseits der alten Akademieästhetik. Seine Gedanken, die für die Theoriefindung des Bauhauses fundamental waren, legte er in Von Material zu Architektur (1929) nieder. Auf der Grundlage eines psychologischen Zuganges ging er von einem organisch-funktionalistischen Raumentwurf aus. Architektur verstand er als »erlebbare Raumbeziehung«. Dementsprechend schlüsselte er jeden Raum auf die Bewegungsbahnen der Bewohner auf. Moholy-Nagy entwarf eine bewohnbare Architektur der Dynamik im Sinn der neuen Zeit mit ihren Technologien, von denen ihn am meisten die Flugzeuge faszinierten. Als »erster moderner Medienkünstler« experimentierte er mit sämtlichen Genres der Kunst und setzte sie »als Bausteine einer neuen Gesellschaft« ein. Darunter war die Fotografie. Sie wurde zwar nicht am Bauhaus als Fach gelehrt, aber Moholy-Nagy verstand sie als Kunstform. Mit ihr ließe sich objektive Kunst ohne kulturelle Konventionen und subjektive Emotionen realisieren. Man sprach von einem »Neuen Sehen« als »unmittelbare[s] Abbild der Kameraoptik.«

Rose-Carol Washton L. in Tuchman/Freeman 1988, 214

Schlemmer, zit. HW, 402

Goldberg 2014, 103

Droste 2013, 60 László Moholy-­ Nagy

Schneckenburger Manfred in Walther 1998, 454 Moholy-Nagy, zit. nach Honnef Klaus in Walther 1998, 630

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Meyer, zit. nach Kruft 1985, 445; im Orig. kursiv

Hirdina Heinz in ÄGB 2, 598 Meyer, zit. nach Ebd.

Meyer, zit. nach Kruft 1985, 446; im Orig. kursiv Droste 2013, 166ff

Stadtplanungen

1928 verließ Walter Gropius die gefestigte Institution und machte den Schweizer Hannes Meyer zu seinem Nachfolger. Er war in vielen Belangen radikaler und politisch weiter links, weshalb auch Moholy-Nagy das Bauhaus verließ. Bereits 1926 hatte Meyer in dem Aufsatz Die neue Welt einen Bruch mit der Vergangenheit zugunsten eines klaren Funktionalismus und ein bedingungsloses Bekenntnis zum Neuen, zu Industrie und Maschine gefordert. »Idealerweise und elementar gestaltet, wird unser Wohnhaus eine Maschinerie.« Gebäude sollen gar nicht erst einen Anschluss an die umgebende Natur suchen, sondern als Menschenwerk geradezu einen Gegensatz dazu markieren und sich jeder Kategorisierung von schön oder hässlich zugunsten des rein Konstruktiven enthalten. Aus der Sicht Meyers wird »[D]em Funktionellen [wird] nicht die künstlerische Komposition, sondern nur die Konstruktion gerecht; […].« Denn für Meyer ist Leben gleich Funktion: »alles leben ist funktion und daher unkünstlerisch.« Architektur habe nichts mit Ästhetik zu tun, sondern sie sei technische, soziale, ökonomische Organisation. Diese Verlängerung des rationalistischen und idealistischen Vernunftprimats war zu gleicher Zeit die ästhetische Leitlinie in der Musik Arnold Schönbergs. Meyers Angriffe gegen die überkommenen Vorstellungen der Ästhetik richteten sich auch gegen die eigene Institution überall dort, wo sie sich als Ort künstlerischer Kreativität betrachtete. Das Bauhaus sei »kein künstlerisches, wohl aber ein soziales Phänomen.« Eine Opposition im Haus folgte den Provokationen auf dem Fuß. Zu Meyers Gegnern gehörte Kandinsky, der schon seit der Zeit von Gropius stellvertretender Direktor war. Selbst Gropius, der Meyer seinerzeit vorgeschlagen hatte, wandte sich gegen ihn. Die Unstimmigkeiten verschärften sich dadurch, dass Meyers fortschrittliche und soziale Agenda zusammen mit dem Ruf des Bauhauses, ein Hort revolutionärer Erneuerung zu sein, viele marxistisch orientierte Studenten anzog, die die Institution propagandistisch missbrauchten. Zwar hielt bald eine Gegenbewegung unter der Studentenschaft dagegen, trotzdem geriet das Bauhaus in den kritischen Blick konservativer Politik, was Meyer schließlich 1930 seinen Job kostete. Mies van der Rohe übernahm, übersiedelte das Bauhaus 1932 nach Berlin und machte aus ihm eine Architekturschule. Er löste die handwerklichen, technischen und künstlerischen Aspekte aus dem gesellschaftlichen Kontext, was zu einer deutlichen Entpolitisierung führte. Neben den üblichen Aufgaben der Architektur war das Bauhaus eine Quelle kreativer Stadtplanungen. Von Bruno Taut war bereits die Rede. Der in Czernowitz geborene Friedrich Kiesler, mit van Doesburg freundschaftlich verbunden, lieferte originelle und utopische Architekturideen nach dem von ihm geprägten Motto des Correalismus, der Architektur, Kunst, Wissenschaft und Ökonomie zu einem Gesamtkunstwerk verbinden sollte. Zwar war er auch mit De Stijl verbunden, kritisierte aber den Funktionalismus scharf zugunsten eines biomorphen Kerns aller Kunst und Architektur. Sein in diesem Sinne entwickeltes Modell eines Endless House, bei dem Belichtung und Belüftung im Vordergrund eines durch und durch organisch-dynamischen Entwurfs standen, platzierte man im Museum of Modern Art in New York neben Werken von Buckminster Fuller. Ludwig Hilberseimer entwarf die Idee einer



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Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

organisch vertikalen Großstadt. Mies van der Rohe, der den stärksten Impuls zur Architektur gegeben hatte, sah in seinen frühen Veröffentlichungen (z.B. Industrielles Bauen; 1924) im Paradigma der Industrialisierung eine Lösung von sozialen, wirtschaftlichen und ästhetischen Fragen, wobei ihn bei der Industrialisierung in erster Linie die Erzeugung von neuem, umweltresistentem Baumaterial interessierte. Mies nütze übrigens die neuen Techniken der Fotomontage und der Collage, um seine Architekturentwürfe möglichst realitätsnahe abzubilden. Eine große Sammlung davon befindet sich im Museum of Modern Art in New York. Mies van der Rohe hatte die Gesamtplanung einer der ersten Mustersiedlungen, der Weißenhof-Siedlung in Stuttgart (etliche andere Städte folgten dem Vorbild). 1932 realisierte eine große Zahl von Architekten, die der Werkbund-Idee nahestanden, in einer in Wien errichteten Mustersiedlung ihre Musterhäuser. Sie wollten eine Alternative zu den Mietskasernen wie dem in den Jahren 1926 bis 1933 von Karl Ehn gebauten Karl-Marx-Hof bieten. Unter den internationalen Architekten war die österreichische Architektin Margarethe Schütte-Lihotzky, die das Wohnen für eine ledige, werktätige Frau in der modernen Gesellschaft verfocht. Sie entwickelte unter anderem eine kompakte modulare Küchenzeile (»Frankfurter Küche«), die in 10 000 Sozialwohnungen eingebaut wurde. 1933 war die Geschichte des Weimarer Bauhauses zu Ende. Man kam mit einer Selbstauflösung der Schließung durch die Nationalsozialisten zuvor. Der Großteil der Mitglieder ging in die Emigration und verbreitete so die Ideen des Bauhauses in die ganze Welt. Dadurch erklärt sich, dass Tel Aviv, Zielort der meisten emigrierten jüdischen Architekten, eine Hochburg der Bauhaus-Architektur wurde. Die Stadt bewahrt den Schatz einer großen Zahl von Gebäuden im Bauhaus-Stil bis heute.

Das Bauhaus war grundsätzlich funktionalistisch, international und politisch links ausgerichtet. Trotzdem gab es, wie schon im Werkbund, auch im Bauhaus Künstler und Architekten, die anders dachten und die nationale Komponente in den Vordergrund rückten. Paul Schultze-Naumburg und Paul Schmitthenner ließen sich ohne großen Umstand vor den Karren der NS-Ideologie spannen. Mit Heinrich Tessenow und Fritz Schumacher, die beide bei allem Bekenntnis zum neuen Bauen keinen radikalen Bruch mit der Tradition wollten, versuchte man es auch, aber beide hielten sich fern. Besonders wichtig für die NS-Architektur, die keine eigenständige theoretische Form hatte, war Alfred Rosenberg. In seinem Mythos des 20. Jahrhunderts

2.3.4.

Bonnemaison 2013, 64

605–607 Häuser im Bauhaus-Stil; Tel Aviv

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Moeller van den Bruck, zit. nach Kruft 1985, 450; im Orig. kursiv

Roters Everhard in Argan 1977, 220

(1930) denunzierte er jede Art von moderner Kunst als Teil der jüdischen Weltverschwörung und als Anschlag auf das arische Schönheitsideal. Mit Bezug zu Gedanken von Christian Carl Bunsen schwadronierte er von einer griechisch-germanischen Architektur. Gemeint war eine seltsame Vermischung, wie sie sich in der Gotik darstellte und zu einer Weltanschauung hochstilisiert werden konnte. Die Monumentalität der NS-Architektur ist eine Begleiterscheinung, wie sie für jede Diktatur typisch ist. Sie fand in dem nationalistischen Kulturhistoriker Arthur Moeller van den Bruck ihren Meister: »Monumentalität ist die männliche Kunst. […] In ihr ist der Schritt von Kriegern, die Sprache von Gesetzgebern, die Verachtung des Augenblicks, die Rechenschaft vor der Ewigkeit.« Dass man sich in dieser Sache – so Albert Speer ausdrücklich – auf die Revolutionsarchitektur bezog, kann nicht überraschen. László Moholy-Nagy fungierte 1937 als Direktor des in Chicago gegründeten New Bauhaus, aus dem später die School of Design wurde. In dieser Hinsicht blieb das Bauhaus, wo – kurz zusammengefasst – die erste Periode »expressionistisch […], die zweite konstruktivistisch, die dritte funktionalistisch, die vierte architektonisch« bestimmt war, bis in die Gegenwart ein nachhaltiger Impuls für Architektur und Design.

2.2.9. De Stijl

van Doesburg, zit. nach Ruhrberg Karl in Walther 1998, 172

van Doesburg, zit. nach Partsch 2002, 233

3.1.

1917 gründete Theo van Doesburg in Leiden die Gruppe De Stijl (Der Stil), die bis zu seinem Tod 1931 existierte. In der Gruppe, welche verschiedene Kunstgenres verband, versammelten sich Piet Mondrian, Bart Anthony, El Lissitzky, Robert van’t Hoff, Gerrit Rietveld, Pieter Oud und andere, Maler, Bildhauer, Designer, Architekten. Die Ambition der Vereinigung verschiedener Künste einschließlich des Kunstgewerbes unter einer verbindenden Idee ähnelt jener in Werkbund und Bauhaus. Von dort kamen die meisten Anregungen, die in der ebenfalls 1917 gegründeten gleichnamigen Monatszeitschrift (mit Unterbrechungen bis 1928) weiter entwickelt wurden. Die verbindende Idee sollte auch gleich in eine einheitliche künstlerische Sprache münden: »Wenn die Ausdrucksmittel von allen Eigentümlichkeiten befreit sind, stehen sie in Beziehung mit dem eigentlichen Ziel der Kunst: eine universelle Sprache zu schaffen.« Diese optimistische Vision wurde im International Style erstaunlich weitreichend umgesetzt, jedenfalls deutlich erfolgreicher als die analoge Bemühung in der Sprachphilosophie des Wiener Kreises und des frühen Wittgenstein. »Es gibt ein altes und ein neues Zeitbewußtsein. Das alte richtet sich auf das Individuelle. Das neue richtet sich auf das Universelle. Der Streit des Individuum gegen das Universelle zeigt sich sowohl in dem Weltkrieg wie in der heutigen Kunst.« In das Programm mischten sich Ideen der Theosophie, vor allem Konzepte des Theosophen und Mathematikers M.H.J. Schoenmaekers, der mit van Doesburg und Mondrian in Verbindung stand. Im Sinne der Ablehnung der Sinnlichkeit in Platonismus und Idealismus plädierte Schoenmaekers für die Abstraktion und für die gerade Linie, den rechten Winkel und die Primärfarben Rot, Gelb, Blau sowie



93

Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

Schwarz und Weiß, ein Plädoyer, das Piet Mondrian sorgfältig umsetzte. Mondrian formulierte das alte Credo von Rationalismus und Idealismus: »Der wahrhaft moderne Künstler betrachtet die Großstadt als eine Verkörperung abstrakten Lebens. Sie ist ihm näher als die Natur; sie wird ihm eher ein Gefühl der Schönheit vermitteln. Denn in der Großstadt erscheint die Natur schon geordnet und durch den menschlichen Geist reguliert.« Die bildenden Künste und die Architektur sollten auf der Grundlage eines klaren geometrischen Formenvorrats erneuert werden, wobei die Dynamik als Körper- und Flächendynamik in Kunst und Architektur umgesetzt wird. Dabei ist van Doesburg zufolge die Architektur nichts anderes als die Umsetzung der Prinzipien der bildenden Kunst. Das Programm der Gruppe war dermaßen exklusiv auf die Ästhetik ausgerichtet, dass bald Spannungen zu sozial engagierten Kollegen wie Pieter Oud auftauchten. Die Verbindung zum russischen Suprematismus und zum Konstruktivismus belebte die Diskussion um Linie und rechten Winkel. Für Rodtschenko fungierte die Linie als Instrument der Ablösung von der alten Kunst: »Die Linie ist das erste und das letzte, sowohl in der Malerei als auch generell in jeder Konstruktion. Die Linie ist die Passage, die Bewegung, die Berührung, Kante, Gegenzeichnung, Schnitt. […] Die Linie hat ein Kreuz über der Malerei geschlagen.« Deshalb forderte er die Ablösung der mit der Hand gezogenen Linie, welche die alte Kunst repräsentiere, durch die mit Lineal und Zirkel gezogene. Beim alten malerischen Herangehen an das Bild »hörte das Bild auf, als Bild zu existieren, es wurde Malerei bzw. ein Gegenstand.« In dieser neuen Kunst sei der Pinsel »ein unzureichendes und zu ungenaues Instrument und wurde durch die Presse, die Walze, die Reißfeder, den Zirkel usw. verdrängt.« Henry van de Velde griff solch philosophische Betrachtungen auf: »Eine Linie ist eine Kraft, die ähnlich wie alle elementaren Kräfte tätig ist, mehrere in Verbindung gebrachte, sich aber widerstrebende Linien bewirken dasselbe, wie mehrere gegeneinander wirkende elementare Kräfte.« Mit dieser Kraft sollte der Bruch mit der traditionellen Kunst gelingen, um zu einer Formensprache zu gelangen, die sich nicht mehr auf eine Naturgrundlage beruft, sondern auf elementaren mathematischen Grundformen beruht, die sich gleichsam selbstreferentiell entwickelt. »Heute muß jeder Maler wissen, daß ein Farbenstrich den andern beeinflußt, nach den bestimmten Gesetzen des Gegensatzes und der gegenseitigen Ergänzung, er muß wissen, daß er nicht frei und nach Willkür damit verfahren darf. Ich bin überzeugt, daß wir jetzt bald eine wissenschaftliche Theorie der Linien und Formen erhalten werden.« Die Geometrie war jenes Genre, welches die Unebenheiten des Natürlichen abzulösen versprach. »Genauso wollte die Kunst des Stijl siegen über die Zufälligkeiten der Natur und die Erscheinungen auf ihre Gesetzmäßigkeiten zurückführen.« 1918 wurde im ersten Manifest der Bewegung das Anliegen so formuliert: »Deshalb rufen die Begründer der neuen Bildung alle, die an die Reform der Kunst und der Kultur glauben, auf, diese Hindernisse der Entwicklung zu vernichten, so wie sie in der neuen bildenden Kunst – indem sie die natürliche Form aufhoben – dasjenige ausgeschaltet haben, das dem reinen Kunstausdruck, der äuszersten Konsequenz jeden Kunstbegriffs, im Wege steht.«

2.1.2.

Mondrian, zit. nach Kruft 1985, 437

Rodtschenko, zit. HW, 349

Ebd., 348 Ebd., 349

van de Velde, zit. HW, 64

van de Velde, zit. nach Bill in Kandinsky 1912, 10 Jaffé Hans L.C. in Argan 1977, 226

zit. HW, 376

94

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

van Doesburg, zit. HW, 377f

X.2.5. X.3.5.1.2.

zit. HW, 410

Van Doesburg selbst fasste seinen Gedankenkosmos in einen Traktat, der, nach einer früheren Publikation in Holland, 1925 in neuer Fassung unter dem Titel Grundbegriffe der neuen gestaltenden Kunst als Bauhausbuch erschien. Demnach umfasse das Angleichen der Kunst an die Moderne die Ablösung des Individuums durch die Mathematisierung und das formelhafte Schema. Dass bei dieser, letztlich dem demiurgischen Projekt Platons folgenden Programmatik nicht nur die Abkehr von der Natur-Mimesis formuliert, sondern die alte kosmische Harmonie beschworen wurde, ist nicht inkonsequent. Der Maler arbeite »nicht rein nach dem Gesichtspunkt natürlicher gegenständlicher Deutlichkeit«, sondern bemühe sich »mehr um ästhetische Absichten als um die Naturformen. […] Wenn wir auch die vollkommene Harmonie, das absolute Gleichgewicht im All nicht zu erfassen vermögen, so ist doch alles und jedes im Weltall (jeder Vorwurf) den Gesetzen dieser Harmonie, dieses Gleichgewichts untergeordnet. Es ist Aufgabe der Künstler, diese verborgene Harmonie, dieses universale Gleichgewicht in den Dingen aufzuspüren und zu gestalten, ihre Gesetzmäßigkeit aufzuweisen usw. Das (wirklich exakte) Kunstwerk ist ein Gleichnis des Universums mit künstlerischen Mitteln.« Bisweilen verwies man bei diesem Programm der »Reinigung der Künste« auf die in den Niederlanden starke Tradition des Calvinismus. Die Programmatik der De Stijl-Gruppe ist nicht nur ein Beispiel für die Selbstreferentialität einer auf wenigen Zeichen basierenden Kunst, sondern sie verortet sich in der Nähe eines mentalistischen Kunstkonzepts. Denn die »Reinigung« der Kunst bezog sich nicht nur auf das Natur-Vorbild, es umfasste ebenso das Kunst-Werk selbst. Das Kunstwerk sei bereits mit dem Bauplan und der Partitur erreicht. Dass sich eine dermaßen auf formale Aspekte zurückziehende Kunst nicht notwendig einer, wenngleich sehr allgemein gehaltenen, Gesellschaftstheorie verschließt, zeigt ein von van Doesburg gemeinsam mit El Lissitzky und Hans Richter unterzeichnetes Manifest der internationalen Konstruktivisten 1922. Darin heißt es: »Wir stellen fest, daß die Kunst heute aufhört, ein Traum zu sein, der sich in Gegensatz stellt zur Realität der Welt, aufhört, ein Mittel zur Entdeckung kosmischer Geheimnisse zu sein. Die Kunst ist ein allgemeiner und realer Ausdruck der schöpferischen Energie, die den Fortschritt der Menschheit organisiert […].«

2.2.10. Marcel Duchamp und das Ready-Made

Spies 1998, I, 137 Schneckenburger Manfred in Walther 1998, 457

Der 1887 im französischen Blainville geborene Marcel Duchamp hat die Kunstszene mit provokanten Aktionen aufgemischt, die Moderne einer Belastungsprobe ausgesetzt und die Brüchigkeit einer vorschnellen kunstphilosophischen Simplizität aufgezeigt. Aber Duchamp scheint auch für ein großes Missverständnis zu stehen, das Werner Spies so ausgedrückt hat: »Die superbe Geste dieses Verneiners ist heute für viele zum wichtigsten und bedeutendsten Jawort umfunktioniert worden.« Beinahe wortgleich argumentierte Manfred Schneckenburger, indem er die Ready-Mades interpretiert als »subversive Neingesten, die erst von den Nachfolgern in ein vielstimmiges, fasziniertes Ja verfälscht wurden – […].« Das hält die Diskussion um Duchamps Aktionen bis heute am Laufen.



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Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

Duchamps Brüder Raymond Duchamp-Villon und Gaston (er trug den Künst­ lernamen Jacques Villon) waren kubistische Bildhauer und Maler. Von Jugend an widmete sich auch Marcel der Kunst und malte fünfundzwanzig Jahre lang in verschiedenen Stilen, expressionistisch und kubistisch. Seine Bewerbung für die Ecole des Beaux-Arts scheiterte. Trotz dieses Misserfolgs blieb er der Kunst treu. Er war mit verschiedenen Künstlern und Literaten, darunter Guillaume Apollinaire, Francis Picabia, Juan Gris, Max Bergmann, Constantin Brancusi, Fernand Leger, bekannt und Mitglied von Künstlergruppen (Puteaux bzw. der praktisch gleichbedeutenden Section d’Or). Einen nachhaltigen Einfluss übte auf ihn und seine Kollegen die Industrieästhetik aus, anschaulich erfahren in der Luftfahrtschau 1912 in Paris. Von diesem Ereignis wird der Ausspruch Duchamps überliefert: »Die Malerei ist am Ende.« 1912 war auch das Jahr seines berühmten kubistischen (aber eigentlich wohl eher von der zeitgenössischen Bewegungsfotografie beeinflussten) Bildes Akt, eine Treppe hinabsteigend Nr. 2 (Nu descendant un escalier no.2). Die Hängekommission des Salon des Indépendants lehnte das Bild für die Herbstausstellung ab, weil es angeblich den Kubismus verspottete. Das Bild, in dem niemand einen Akt, eher schon die »Explosion einer Schindelfabrik«, erkennen könne, so ein Betrachter, wurde im gleichen Jahr in Barcelona und ein Jahr später auf der Armory Show in New York gezeigt. »Eine Frau, die Raum und Zeit durchschreitet – eine geniale Kombination aus den großen Zeitphänomenen des Kubismus, Futurismus und der Relativitätstheorie. Der Saal mit dem Bild wurde jeden Tag gestürmt […], um nur einen Blick auf das Skandalbild werfen zu können.« Duchamp verhalf es schlagartig zu Berühmtheit. Das Ereignis von heftiger Ablehnung und parallelem Erfolg mit ein und demselben Werk schien für ihn einschneidend gewesen zu sein und war vermutlich Anlass, die Frage nach Kunst und Kunstwerk auszuloten. Denn die Relativität von Erfolg und Misserfolg scheint auf das Genre Kunst zurückzuschlagen. Im Jahr 1913, in dem er einen Brotberuf als Bibliothekar in Paris aufnahm, entwickelte er ein erstes Ready-Made – noch nicht im strengen Sinn, weil der Künstler immerhin noch eine Gestaltung des Objekts vornahm. Er montierte eine Fahrradgabel mit Rad auf einen Hocker und nannte das Werk Fahrrad-Rad (Roue de bicyclette). Das Original ist verloren, es gibt mehrere Nachbildungen. Dass dieses Ready-Made bereits als Kunstobjekt gedacht war, ist nicht verbürgt. In Gesprächen soll Duchamp genau dies vehement ausgeschlossen und es als bloßen »Zeitvertreib« bezeichnet haben. 1912 hatte Duchamp bei einem Aufenthalt in München Kandinskys Über das Geistige in der Kunst gelesen und sich darüber Aufzeichnungen gemacht, die vor allem die Begriffe Verzicht und Zufall heraushoben. Auch dürfte er den minimalistischen Empirismus Carnaps und des Wiener Kreises gekannt haben. Schon früher hatte er verschiedentlich naturwissenschaftliche Methoden gegen eine Metaphysik der Kunst ausgespielt. Dem Rad folgten 1914 der Flaschentrockner, 1915 eine mit In Advance of the Broken Arm betitelte Schneeschaufel, und schließlich das berühmte Urinoir Fountain von 1917, ein erstes echtes Ready-Made. Spätestens mit diesem Werk, das ebenfalls verschollen ist und in mehreren (von Duchamp autori-

zit. nach art 1/99, 20 2.0.

Illies 2012, 49

Spies 1998, I, 147f Bürger 1989, 207

Spies 1998, I, 149

96

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Krauss Rosalind in Stemmrich 1995, 479 X.3.2.

608 Duchamp, ­Fountain, Foto von Alfred Stieglitz (1917)

Lüdeking 1994, 361

sierten!) Repliken in verschiedenen Museumssammlungen existiert, ging Duchamp in die Annalen der Kunstgeschichte, aber auch in jene der Kunstphilosophie ein. Mit diesem Ready-Made wurde in der Rezeption die Idee verbunden, dass Kunst das ist, was ein Künstler auswählt, betitelt und signiert. Denn es ist gar keine Frage, dass in der Rezeption Duchamps Ready-Mades als Kunstwerke gelten. Das Objekt wurde vom Künstler nicht hergestellt, sondern nur ausgesucht. Sein Kunstcharakter liegt allein darin, »diese Wahlentscheidung aufzuzeichnen, sie sozusagen an die physische Welt zu übermitteln. In dieser Interpretation fungiert die Fontaine als ein Ausdruck von Duchamps Intention, ein Werk zu machen.« So gesehen, wäre das Ready-Made ein ideales Beispiel für ein Kunstwerk durch Intention. Vielleicht hatte Duchamp zunächst schlicht die Absicht, die Ausstellungsgesellschaft zum Offenbarungseid zu zwingen. Er kaufte 1917 bei der Firma J.L. Mott in der Fifth Avenue in New York City ein handelsübliches Urinoir der Marke Bedford­ shire. Duchamp drehte es um 180 Grad, betitelte es mit Fountain und signierte mit R. Mutt 1917. Gezeigt werden sollte es schließlich bei einer juryfreien Ausstellung der für genau diesen Zweck gegründeten Société des Artistes Indépendants, bei der Duchamp für die Aufnahmegebühr von einem Dollar Mitglied geworden war. Sein Vorhaben war dazu angetan, alle Konzepte der Kunst der Moderne außer Kraft zu setzen. Sollte das Werk hingegen gegen die erklärte Absicht der Ausstellungsmacher abgelehnt werden, war es um die Freiheit der Kunst geschehen. Genau die letzte Variante wählten die Kollegen Duchamps, ohne der gestellten Zwickmühle entrinnen zu können. Das Werk entfaltete seine provozierende Kraft, indem es zu heftigen Diskussionen unter den Mitgliedern der Gruppe kam und seine Präsentation schließlich abgelehnt wurde. Die Ausstellung umfasste 2500 Kunstwerke von über 1000 Künstlern, Gespräche und Rezensionen rankten sich jedoch vorwiegend um das nicht gezeigte Werk des anonym gebliebenen R. Mutt, zumal das Werk wenige Tage nach Eröffnung der Ausstellung von dem berühmten Fotografen Alfred Stieglitz in seiner Galerie 291 ausgestellt, dort fotografiert und dieses Foto in der Zeitschrift The Blind Man publiziert wurde. Eine Unzahl von Deutungs- und Diskussionssträngen knüpfte seitdem an dieses Ready-Made Duchamps an. In der Tat ist es »der Prototyp dessen, was die Sekundärliteratur liebevoll einen ›frei flottierenden Signifikanten‹ nennt. Allem entrissen und keiner Referenz mehr verpflichtet, steht das ready-made da – bereit, sich mit neuen Bedeutungen zu füllen. […] Sie werden erzeugt durch die Kräfte des intertextuellen Feldes, die das stumme Ding bis ins Innerste durchdringen, um ihm eine neue semantische Identität zu geben.« Nicht nur wurde die Signatur mehrfach gedeutet, zumal mutt im Englischen soviel bedeutet wie Dummkopf, Esel. Es ließ sich aber auch als Abkürzung von Ready-Made lesen oder als Richard Mutt, Richard im Sinne von richart und Einiges mehr. Auch das Werk selbst konnte sich Deutungsambitionen nicht entziehen. Einerseits waren diese traditionell. Demnach wäre dieses Urinoir kein



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Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

neutraler Gegenstand, sondern evoziere erotische Konnotationen, sei verbunden mit Körperhaftigkeit, indem es der Aufnahme von Körperausscheidungen dient, und assoziiere männliche Exklusivität. Demgegenüber war auch von vaginalen Anspielungen und Bisexualität die Rede. Dass Duchamp das Urinoir als uninteressant beschrieb, ist angesichts der Aufladung eines Objekts aus dem Schnittpunkt von Sexualität und Ausscheidung kaum ernst zu nehmen. Es war geradewegs so, »als würde man ausgerechnet das schmutzigste Verb einer Sprache auswählen, um an seinem Beispiel die Konjugation zu lehren: […].« Von anderen wurde es in die kunstgeschichtliche Tradition des Kubismus gestellt. Aber auch Erklärungen aus dem Bereich der Kabbala und Esoterik wurden bemüht. Gegenüber diesem traditionellen kontemplativen Zugang gab es einen rein konzeptuellen. Die Dadaisten stürzten sich auf das Ereignis und feierten das Recht des Künstlers, ein Objekt des Alltags zum Kunstwerk zu erklären. Insbesondere die traditionelle Deutung führt gründlich in die Irre. Es war ausdrücklich nicht die Absicht Duchamps, ein Kunstwerk zu schaffen, sondern bestenfalls die Institution Kunst in Frage zu stellen: »Bitte halten Sie fest, daß ich kein Kunstwerk daraus machen wollte.« Duchamp bezeichnete also sein Ready-Made nicht als Kunst und die Frage, »ob er selbst das Objekt für Kunst gehalten hat, ist irrelevant. Als er jedoch beschloß, mit dem Urinoir an die Öffentlichkeit zu gehen, wandte er sich ganz gezielt an eine Institution des Kunstbetriebs, in deren Rahmen er einen hohen Status innehatte, als sei er ein Niemand, ein Laie.« Diese Intention Duchamps klingt eindeutig, aber es ist auch jenen Recht zu geben, die bei Duchamp, der seinem Alltagsgegenstand einen Titel verlieh und ihn signierte, später Repliken autorisierte und die Verwirrung noch dadurch steigerte, dass er die Ready-Mades serienmäßig herstellte und verkaufte, eine in dieser Hinsicht zumindest unscharfe Haltung ausmachen. »Niemand kann den Betrachter daran hindern, das Urinoir zum Gegenstand einer ästhetischen Kontemplation zu machen, die an dem Objekt eine ungeahnte Bedeutungsfülle entdeckt.« Ein Objekt, das eine Person mit einer Intention in eine Ausstellung oder Galerie stellt, kann sich ganz grundsätzlich einer Deutung nicht entziehen. Trotzdem dürfte es weit fruchtbarer sein, die produktionsästhetische Seite in den Vordergrund zu stellen. Duchamp musste dann auch regelmäßig als Beispiel herhalten für den zeitgenössischen practical turn der Kunst, wo es nicht mehr um die abschließende Erstellung eines Werkes geht, sondern um das doing art. Besonders fruchtbar wurde das Ready-Made in der Concept Art und Minimal Art. Dies allerdings nicht in dem Sinne, wie die amerikanische Kunstkritik ursprünglich auf die Ready-Mades reagierte. Dort wurden sie als neue künstlerische Richtung und weniger als Infragestellung der Kunst aufgefasst, weil Amerika nicht in dem Maß über die Benchmark der Avantgarde-Strömungen verfügte wie Europa. Aus solcher Motivation sah Barbara Rose in Duchamp einen Vorläufer der Minimal Art. Aber Duchamp suchte die Grenzen der Kunst, nicht die Begründung einer neuen Strömung der Objektkunst. Treffender sah Joseph Kosuth die Pointe des Ready-Made in der Tautologie. Die Idee ist mit dem Kunstwerk identisch. Dabei spielt schließlich die materiel-

Danto 1989, 158

Duchamp, zit. nach Bürger 1989, 210

De Duve 1989, 194f

Bürger 1989, 211

Rose 1965

98

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

5.2.4./X.3.2.

Greenberg 1971, 132

Bürger 1989, 208 Kosuth 1969, 80f Ebd., 83

Spies 1998, I, 138

Paz 1984, II, 411–428 Ebd., 422

le Umsetzung keine Rolle mehr. Das Ready-Made diente aus dieser Sicht bloß als Platzhalter, der die traditionelle Kunstauffassung erschüttern sollte. Clement Greenberg hatte an Duchamp bereits kritisiert, dass er jede Arbeit am Material zugunsten einer außerästhetischen Wirkung preisgegeben habe. Greenberg wollte mit dieser Unterscheidung eine klare Trennlinie zwischen Kunst, die Arbeit an der Form und am Material bedeutet, und Nicht-Kunst ziehen. Peter Bürger beantwortete dies mit dem Hinweis, dass damit eher die Pop-Art getroffen sei, die Alltagsgegenstände ausdrücklich zum Kunstwerk erhob, während Duchamps Zustimmung zu solchem Tun ja vage blieb. Und Joseph Kosuth widersprach der vermeintlich überholten Kunstauffassung Greenbergs und verteidigte seine Konzeptkunst-These. Inzwischen habe in der Kunst die Funktion die Morphologie abgelöst. Das Kunstwerk sei kein Objekt mehr, sondern eine Behauptung, die »im Kontext der Kunst das Wesen der Kunst kommentiert.« So interpretiert gibt die Konzeptkunst jeden ästhetischen Diskurs auf, Werturteile beschränken sich auf konzeptuelle und gesellschaftliche Fragen. Es ist die vermutlich prägnanteste zeitgenössische Position, die die Frage nach der Kunst auf eine solche Beurteilungsebene bringt. Zum anderen Diskussionsstrang, jenem nach der Institution, steuerte 2006 der Aktionskünstler Pierre Pinoncelli während einer Dada-Retrospektive in Paris eine interessante Rezeption bei. Er beschädigte eine ausgestellte Replik der Fountain mit dem Hinweis, das sei seine Antwort auf die Zerstörung des Kunstbegriffs durch Duchamp. Eine solche Reaktion ist in einer weiteren Hinsicht bemerkenswert. Duchamp fertigte in irritierender Weise eine Reihe von Repliken seiner Arbeiten an oder autorisierte solche Kopien. Wohlwollend ist das nicht anders zu deuten, denn als Ironisierung des Originalitätsprinzips. Ausgerechnet der Schöpfer des Alltagsgegenstandes im Kunstbetrieb fetischisiert nun die Reproduktion von etwas per definitionem Un-Originalem. Das ganze Dilemma von Duchamps Ready-Mades liegt darin, was bei der Pop-Art ohnehin offensichtlich ist: Ausgerechnet die Reproduktionen in den verschiedenen Museen der Welt umhüllen sich mit außergewöhnlicher Aura. Oder schlimmer noch: »Pop und Nouveau Réalisme haben Duchamps komplizierte Protestgebilde zu handfesten kommerzialisierbaren Objekten umgeschaffen.« 1915 ging Duchamp in die USA, kehrte 1919 nach Paris zurück, wo er in der Dadaisten- und Surrealistenszene großen Einfluss ausübte. Er gründete weitere Gesellschaften (Societe Anonyme Inc.), künstlerisch bastelte er Non-Sens-Maschinen und lyrische Parodien auf die Wissenschaftssprache. Der spätere Duchamp ist schwerer zu fassen. Octavio Paz interpretiert ihn von der zeitgenössischen Wissenschaft her, vor allem der Physik und der damals laufenden Diskussion um die vierte Raumdimension. Insbesondere das 1965 entstandene Werk Das große Glas sei eine Hommage an die Physik, ja ein ferner Neuplatonismus. Paz sagt dies, nicht ohne auf den »subversive[n] Geist, die ironische Negation« hinzuweisen. Jedenfalls greift Duchamp das zeitgenössisch beliebte Narrativ von der Geschwindigkeit auf. Am Ende seines Lebens war er ein begehrter Redner, der bemerkenswerte Gedanken für das Verständnis der zeitgenössischen Kunst formulierte wie jenen von der Eingliederung der Betrachterin in den kreativen Akt.



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Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

Duchamp hat mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet wurden. Dies hing letztlich auch mit seiner unklaren und häufig widersprüchlichen Haltung selbst zusammen. Vom Dandytum, über Zerstörung der Kunst, bis hin zu kubistischen Ambitionen reichen die Einschätzungen. Aber vielleicht sollte man von Duchamp nicht primär festhalten, dass sich in Pop-Art und Surrealismus Stilrichtungen formal auf ihn berufen können, sondern – viel abstrakter – dass er der Ausweitung ästhetischer Möglichkeiten im Gestus der Anti-Kunst einem fruchtbaren kunstphilosophischen Diskurs den Weg geebnet hat. Darin wendet sich ein reiner Nihilismus ins Positive und nicht darin, dass die Gegenstände, die er der Kunst entgegenstellte, »über Nacht wieder Nippessachen« wurden. Und schon gar nicht sollte man Duchamp dafür zur Verantwortung ziehen, dass man hinfort jeden Unfug als Kunst bezeichnen dürfe. Allenfalls hat der Duchamp-Diskurs die Moderne weitergebracht, insofern es nämlich gelungen ist, »sämtliche Werte zu dekodieren« und gegenüber Kant eine Trennung eines ästhetischen Urteils von einem des Geschmacks zu formulieren.

Spies 1998, I ,140

De Duve 1989, 194

2.3. Die neue »Sprache« der Moderne in der Architektur In den vergangenen Kapiteln wurden die diversen Brüche gegenüber dem Expressionismus und die vielfältigen künstlerischen Bewegungen, vom Kubismus über Dada bis zum Ready-Made, dargestellt. Bei der Mehrzahl dieser Strömungen der klassischen Avantgarde gab es neben Malerei und Bildhauerei Überlappungen mit der Architektur, besonders bei Werkbund, Bauhaus und bei der De Stijl-Gruppe. Es waren nicht selten die bildenden Künstler, die neue Formen und programmatische Ideen kreierten, welche auf die Architektur ausstrahlten – eine spezielle Pointe im alten Paragone. Neben der Formfrage waren um und nach der Jahrhundertwende ethische und pädagogische Ambitionen wie die moralisierenden und sozialreformerischen Vorstellungen des Arts and Crafts-Movements immer noch aktuell. Dazu kamen Bemühungen, mit dem Widerstreit zwischen Kultur und Natur, also Stadt und Natur, umzugehen – in aller Regel zugunsten der Stadt. Als große Stationen der Architektur des 20. Jh.s gelten die Gründung des Bauhauses 1919, manchmal als Beginn der Moderne in der Architektur ausgeschildert, und die Entstehung des CIAM (Congrès Internationaux d’Architecture Moderne) 1928 auf dem Schloss von La Sarraz in der Nähe von Lausanne. Großzügiger ist der Blick, der die Moderne von 1870 bis zum Zweiten Weltkrieg oder gar bis zur Gegenwart reichen lässt. In diesem Fall umfasste sie den Übergang vom Eklektizismus des 19. Jh.s, wo man noch mit der Kategorie Stil operierte und dem, was Le Corbusier in der Architektur als Typenbildung bezeichnete. Am Beginn der modernen Architektur stand jedenfalls die Ablösung vom Historismus, an ihrem Ende der Übergang in die zeitgenössische Architektur.

2.3.1. Das Ende des Historismus Diese Ablösung setzte eine positive Einstellung zur neuen industriellen Maschinenästhetik voraus. Eine solche suchte im Futurismus das grelle und ideologische Scheinwerferlicht, aber sie umfasste weite Bereiche der Kunst und Architektur, er-

6.0.

100

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

2.3.5. Gartenstadt

VIII.2.2.2.

Paul Jürgen in ATh 2011, 670

III.2.2.1.

wähnt seien Hermann Muthesius, Hannes Meyer, Le Corbusier – beide sprachen vom Wohnhaus als Maschine –, Frank Lloyd Wright und in den USA Louis Sullivan. Rund um den Spruch Le Corbusiers, wonach Stile Lügen seien, setzte sich eine neue Architektursprache durch. Mit Walter Gropius’ Bauhausgebäude, Frank Lloyd Wrights Fallingwater und Le Corbusiers Villa Savoye war der neue Bautyp für die Moderne gefunden und setzte alle Neo-Stile des vorhergehenden Jahrhunderts unter Ideologieverdacht. Die neue Sprache der Architektur, die wegen der freien Grundrissgestaltung durchaus vielfältig angelegt war, was jede Stilbildung verhinderte, war eine Sprache der Aufklärung, deren Alphabet man erst langsam zu definieren unternahm. Vor diesem Hintergrund muss man die Aufregung um Le Corbusier verstehen, als er seine Gebäude plötzlich nicht mehr aus rechten Winkeln, sondern aus Muschelschalen und Schneckengehäusen zusammensetzte. Dabei stellten die modernen Architekten ihre Bauwerke nicht einfach gegen die Natur. Der oben angesprochene Reiz einer Symbiose, damit einer neuen Version der Naturnachahmung, blieb bestehen. Der Einbezug der Natur wurde besonders im Städtebau ein ausdrückliches Thema, nicht nur aus Gründen der Hygiene, sondern auch als Rückgriff auf die alten Gartenkonzepte. Der britische Stadtplaner Ebenezer Howard träumte von einer neuen Lebensform, welche die Spaltung zwischen Stadt und Land überwindet und auf einen dritten Weg (Town-Country) setzt. Er propagierte die Idee einer Gartenstadt, wobei ihm bei diesem mit Utopien aufgeladenen Thema – konkret war er angeregt von Edward Bellamys Utopie Looking Backward – auf die Realisierbarkeit zu achten. In Garden Cities of Tomorrow (mit erstaunlichen Parallelen zu der 1896 von Theodor Fritsch herausgebrachten Schrift Die Stadt der Zukunft) legte Howard seine Vorstellungen nieder. 1898 gründete er die Garden City and Town Planning Association. Seine Vorschriften bei den Planungen waren rigoros und detailliert. Howard gilt als erster, der »die bauliche Entwicklung von Stadt und Land als zusammenhängendes Problem erkannt hat.« Moralische und pädagogische Konzepte waren im Städtebau überall präsent und praktisch alle wichtigen Architekten des beginnenden 20. Jh.s leisteten Beiträge dazu. Kaum je trennte ein Autor in seinen kunsttheoretischen Überlegungen die Genres, vielmehr erschien das soziale Anliegen geradezu als ein ästhetisches. Naturgemäß barg das Sprengstoff für die Diskussion um den Sinn von Moderne. Camillo Sitte, Leiter der Staatsgewerbeschule in Wien, erregte mit seinem Buch Der Städte-Bau nach seinen künstlerischen Grundsätzen. Ein Beitrag zur Lösung moderner Fragen der Architektur und monumentalen Plastik unter besonderer Beziehung auf Wien (1889) großes Aufsehen. Er forderte ein Ende des seiner Meinung nach monotonen Städtebaus des 19. Jh.s und eine künstlerische Gestaltung der Stadt, die sich ein Vorbild an der vorindustriellen Stadt nehmen sollte. So habe die Agora in der Stadt über die Jahrhunderte eine ähnliche bergende Funktion gehabt wie das Atrium des antiken Hauses und den alten Plätzen mit ihren Denkmälern sei die Qualität eines Gesamtkunstwerks zugekommen, während die Gegenwart nur eine funktional-ökonomische Gestaltung der Stadt abliefere. Sitte verband mit der Stadtarchitektur über die gute Lebbarkeit hinaus keine ausufernden sozialen Uto-



101

Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

pien. Gleichwohl wurde ein solches Konzept von Vertretern des funktionalen Bauens, etwa von Le Corbusier, für den auch die Stadt wie eine Maschine funktionieren musste, abgelehnt. 1932 richteten Philip Johnson und Henry-Russell Hitchcock im Museum of Modern Art in New York die Ausstellung Modern Architecture mit einer Präsentation des Internationalen Stils und der europäischen modernen Architektur aus. Die Ausstellung ebnete europäischen Einflüssen in den USA den Weg und Johnson selbst wurde mit dem zusammen mit Hitchcock verfassten Buch International Style: Architecture since 1922 (1932) ein Wegbereiter der Moderne in der Architektur. Die Autoren machten in diesem Buch einen Unterschied zwischen Funktionalismus und International Style am Ausdruckswillen fest, der für die einschlägigen Architekten elementar war und ästhetische Kategorien wie Proportion umfasste, während der reine Funktionalismus darauf verzichtete. Das mag erklären, dass Johnson schließlich Sympathien für den postmodernen Historismus hegte, weshalb er für seine eigenen Gebäude einen historischen Anschluss suchte. Sein eigenes transparentes Haus allerdings wurde zu einer Ikone der Moderne (Glass House in New Canaan, Connecticut). Glas wurde von den Strömungen der Moderne und Avantgarde gefeiert, weil es den Raum öffnete, weil Licht und Sonne symbolisch für Hygiene, Aufklärung und für Transparenz der statischen Notwendigkeiten standen – Beschreibungen, die nicht viel anders auf die Gotik und die damalige Aufklärung der in der Scholastik aufgekommenen Universitätskultur passen. Es ist ein neues Kapitel der Eliminierung der Materie, jetzt nicht mehr religiös konnotiert, sondern pädagogisch oder aufklärerisch. Da eine solche Haltung universalistisch ist, braucht es kein das Regionale kennzeichnendes Ornament. Die spätere Kritik konstatierte an dieser Entwicklung Geschichtsvergessenheit. Es war der Moment, wo sich die Moderne der Architektur in ihrem Bestreben, den alten Historismus zu überwinden, auf den geometrischen Universalismus einengte. Bereits in der ersten Jahrhunderthälfte wurde dagegen unter dem Stichwort Funktionalismuskritik Front gemacht und es bot vor allem Anlass für die Kritik durch die Postmoderne. Aber auch hier gilt: keine architektonische Moderne ohne utopische Avancen: »In ihrem universalistischen Weltentwurf sollten alle Spannungen aufgehoben sein. Indiz sind die Zahlenspekulationen, in alter platonisch-plotinischer Tradition das einigende Band zwischen den Welten.« Vom »hohen lied der harmonik«, von dem der zweite Direktor des Bauhauses Hannes Meyer sprach, bis zum Modulator Le Corbusiers reichte die Palette der platonisierenden Zahlenspekulationen. »[…] Statuen, Säulen, Giebel sind leichter begreifbar als die keuschen und makellosen Linien, wie sie die Lösung gewichtiger Probleme und technischer, bisher unbekannter Schwierigkeiten mit sich bringt.«

Internationaler Stil

5.3.1. 4.6.2.

V.7.2.ff.

5.3.1./4.6.1.f.

Pehnt Wolfgang in Argan 1977, 343

Le Corbusier, zit. nach Ebd., 344

2.3.2. Positionen der Architektur in der ersten Jahrhunderthälfte Die Positionsbezüge der Architektur am Beginn des Jahrhunderts lassen sich besser nachvollziehen, wenn man ganz im Sinn der Losung von van Doesburg, dass Architektur die Umsetzung der Prinzipien der bildenden Kunst sei, die Strömungen

2.2.9.

102

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

5.3.2. 609 Chrysler Building; New York

6.0.f.

Gleiter 2016 VIII.3.2.3.2.

Niemeyer, zit. nach Hess 2006, 30

Sigfried Giedion

der bildenden Kunst nicht aus den Augen verliert. Wie bereits festgestellt, waren die meisten davon mit der Architektur verflochten. Insofern bildet der Expressionismus nicht nur einen kreativen Ausgang für viele Kunstströmungen, sondern auch für Architektur-Positionen. Darauf wird im Kapitel nochmals zurückzukommen sein. Das Attribut expressionistisch dient in der Architekturkritik bis heute als Charakterisierung von Gebäuden, gebauten und nicht-gebauten, von Bruno Tauts Glasvisionen bis zu Werken Hans Scharouns und Jørn Utzons. Neben dem Expressionismus – und ihm durchaus ähnlich – bildete das Art Déco mit der Wertschätzung von Ornament und aufwändigem Kunsthandwerk die schon im letzten Abschnitt angesprochene Brücke vom 19. Jh. in die Moderne. Geradezu symbolisch drückt sich das in der beliebten Verbindung der Art Déco-Formen mit dem amerikanischen Hochhaus aus (Chrysler Building, 1930; Empire State Building, 1932), wobei das Hochhaus in Amerika noch lange ein Hort von Neoklassizismus und Historismus blieb. Zu den durchgehenden und bis in die Gegenwart reichenden Diskussionsfeldern und Motiven gehört die Spannung von Tradition (Historismus und Jugendstil) und Moderne, die anthropologischen und sozialen Komponenten der Architektur, das Oszillieren zwischen Natur und Maschine und die Faszination an den neuen Materialien, von denen es gerade im 20. Jh. die größte Vielfalt der Geschichte gab. Die Auswahl reichte von Glas und Stahlbeton am Ende des 19. Jh.s bis zu Kunst- und Verbundstoffen sowie zu den faszinierenden Möglichkeiten durch die Digitalisierung an der Schwelle ins 21. Jh. Es ging jedoch nicht bloß um neue Materialien, sondern auch um eine Befreiung der Architektur aus der alten Vorstellung, sie handle stets mit großen Baumassen. »Das führte zur Forderung der Protagonisten der Moderne […] nach Intellektualisierung der Wahrnehmung als Voraussetzung für die Reformulierung des Konzepts von Baukunst.« Dafür eignete sich neben dem Glas der Stahlbeton mit seinen vielfältigen Möglichkeiten. Er ermöglichte die »Zerstörung der Kiste«, also der alten Schachtelform des Hauses, wie Frank Lloyd Wright das ausdrückte: »Ich hatte das Gefühl, dass Stahlbeton nach einer neuen Architektur verlangte, die aus Träumen und Fantasien bestand, aus Kurven und mächtigen, offenen Räumen, aus eindrucksvollen Spannweiten«, sagte Oscar Niemeyer. Man konnte Mauern auflösen, ihnen die Tragelast abnehmen und sie als Schirme ausbilden. Häuser ließen sich in die Natur hinein verlängern, wie es Niemeyer und Wright praktizierten. Hochhäuser fanden ihre Stabilität im Stahlskelett, die Wand konnte man wie einen Vorhang darauf abstimmen. Dieses Konstruktionsprinzip der vorgehängten Fassade wurde manchmal bewusst offen gezeigt wie bei Mies van der Rohes Seagram-Building. Stahlbeton und Glas ließen sich gut kombinieren, insofern Betonwände große Öffnungen zuließen und eine neue Lichtarchitektur ermöglichten, die für Frank Lloyd Wright gleichbedeutend war mit Aufklärung, Humanität und Schönheit. Ein erheblicher theoretischer Impuls kam von dem Schweizer Architekturtheoretiker Sigfried Giedion, dem ersten Sekretär des 1928 gegründeten CIAM (bis 1959). Er, der in Wien Maschinenbau und in München bei Wölfflin Kunstgeschichte



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Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

studiert hatte und der über das Bauhaus und Le Corbusier zur Moderne gekommen war, schrieb 1941 das Buch, das die Theorie der modernen Architektur zusammenfasste und international (allein in den USA mit sechzehn, stets aktualisierten Auflagen) gleichsam als offizielles Handbuch über das Ziel des neuen Bauens fungierte: Space Time and Architecture. The Growth of a New Tradition. Das Buch, für das seine in Harvard gehaltenen Charles Eliot Norton Lectures die Grundlage boten, wird seit seinem Erscheinen kontrovers diskutiert. Die kritisierte Trennung von Stil und Technischem ergab sich daraus, dass der Wölfflin-Schüler primär geistesgeschichtlich und nicht technisch dachte. Er verkörperte den Typus des Kunsthistoriker-Architekten und es ging ihm um den Gleichklang von kulturellen Entwicklungen, egal, ob in der Kunst, der Physik oder der Architektur. »Im Sinne des Hegel’schen Zeitgeistes sah er die Idee, welche die Zeit der Moderne insgesamt charakterisiert, im Rationalismus der Naturwissenschaften.« Sein Buch, das etliche Ideen aus Oswald Spenglers Untergang des Abendlandes verarbeitete, fasziniert durch die Vergleiche, die er quer durch die Kunst- und Architekturgeschichte anstellte, sei es zwischen Borromini und Tatlin oder allgemeiner zwischen der abstrakten Malerei eines Mondrian und der Architektur von van Doesburg oder Gropius. Seine Einteilung der Architekturgeschichte macht seinen spezifischen Blick auf die Einbettung in die Kulturgeschichte deutlich: (1) Architektur als Plastik (Ägypten bis Griechenland), (2) Architektur als Innenraum (Rom bis Barock), (3) Architektur als Plastik und Innenraum (20. Jh.). Der Blick auf die Architektur in kulturhistorischen Kontexten bedeutete, dass er hohe Ansprüche an sie hatte. Das neue Bauen, das auf Licht, Luft und Öffnung der Räume (Befreites Wohnen; 1929) setzte, war eigentlich Anthropologie, nämlich die Vision der Verbesserung des Menschen durch das Bauwerk. Es ist kaum verwunderlich, dass Giedion mit solch hochgeschraubten Ansprüchen bis heute polarisiert. Einerseits pries man ihn als Kämpfer für den Internationalen Stil, andererseits warf man ihm Subjektivismus, Schwatzhaftigkeit, Einseitigkeit und eine naive Trennung von Stil und Konstruktion vor. Der deutsche Architekturhistoriker Winfried Nerdinger nennt das Buch einen Dilettantismus eines Architektur-Touristen und beklagt einen verengten Blick auf »eine formal-konstruktive oder formal-hygienische Angelegenheit ohne tiefergehende soziale oder gesellschaftliche Bindung.« So weit wie Giedion ging denn auch nicht jeder, der sich für humanes Bauen einsetzte, oder der, wie Frank Lloyd Wright Licht, Humanismus und Schönheit theo­ retisch verschwägerte. Dennoch: humanes Bauen war ein verbreitetes Schlagwort, das auch der in Wien geborene Richard Neutra, der in Amerika eine große Karriere machte, in theoretischen Abhandlungen (Survival through Design; 1954) grundlegte. Auch bei ihm finden sich die üblichen Überlegungen vom Verhältnis von Gebäude und Natur, von innen und außen, von Universalismus und lokalen Materialien. Jedenfalls spannen diese Themen das Koordinatensystem auf, in dem sich die Positionen der Vorkriegsarchitektur verorteten und die im Folgenden in einem kursorischen Überblick – drei von ihnen ausführlicher – vorgestellt werden. England, das so wichtige Beiträge im 18. und 19. Jh. geliefert hatte, nahm sich im 20. zurück. An seiner Stelle meldete sich umso hörbarer Skandinavien zu Wort.

Paul Jürgen in ATh, 754

Nerdinger 1988

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Skandinavien

Kretschmer 2013, 194f Italien

Kruft 1985, 473; üss.

Eliel Saarinen gründete 1896 zusammen mit Herman Gesellius und Armas Eliel Lindgren in Helsinki das Architekturbüro Gesellius, Lingren & Saarinen (GLS), das anfangs dem Ideal eines Jugendstil-inspirierten, naturnahen Gesamtkunstwerks anhing, später zu einer abstrakt-geometrischen Formensprache fand. Die zugehörigen kunstphilosophischen Debatten rankten sich um Konstruktivismus und Ratio­ nalismus. Auch der Sohn Eliels, Eero Saarinen, wurde ein bedeutender Architekt, der seine Wirkung nach der Emigration der Familie 1923 in die USA vor allem dort entfaltete. Eliel Saarinens Theorie des Städtebaus war von Frank Lloyd Wrights Broad­ acre City beeinflusst, wenngleich nicht in dem Maße utopisch, sondern näher an der Rea­lität. Wie bei Wright ist der Begriff des Organischen zentral und auch er verband mit der Architektur (bescheidene) pädagogische Ambitionen. Der wohl berühmteste Wortführer war der Finne Alvar Aalto. Er hing in seinen Anfängen noch am Neoklassizismus, fand aber über Konstruktivismus, De Stijl und dem Fünf Punkte-Programm von Le Corbusier bald zur Moderne. Theoretische Reflexionen über seine Architektur hat er kaum hinterlassen. Ein für Aalto wichtiges Element war, ähnlich wie bei vielen seiner Kollegen, die Gleichwertigkeit von Tradition und Moderne, wobei ihm in der Metaphorik die Natur näher war als jene der Maschine. Dies propagierte er auch in seiner Architektur, etwa bei Bauwerken auf dem Campus des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, wo unverputzter Ziegelstein neben Sichtbeton stand. »Aalto schuf so einen sich deutlich vom Internationalen Stil und seiner Kühle abhebenden Bau, der in Amerika allerdings wenig Nachfolge fand.« Er vertrat »eine Art erweiterten humanen Funktionalismus mit einer modernen, ornamentfreien, abstrakten Formensprache.« In Italien probte man die Symbiose von Moderne und Italianità. Die sich 1923 konstituierende Gruppe Il Novecento bemühte sich um eine auf italienischem Patriotismus beruhende Moderne. Dabei griff man auf den italienischen Klassizismus zurück und über einen Mitarbeiter von Adolf Loos, Giuseppe de Finetti, der zudem eine italienische Übersetzung von Ornament und Verbrechen publizierte, fand der Rationalismus Loos’ Eingang in diese Bewegung. Im Jahr 1926 bildeten sich in mehreren italienischen Städten Architekturgruppen, die sich mit dem internationalen Stand auseinandersetzten. Der Gruppo 7 in Mailand trat mit einem größeren Manifest an die Öffentlichkeit. Darin definierten die Autoren, unter ihnen Giuseppe Terragni, der nicht nur Faschist war, sondern auch der wichtigste Vertreter des italienischen Rationalismus, eine rationale Architektur mit einer klaren Bezugnahme auf Le Corbusier. Darüber hinaus ging es sozusagen um eine neue Generalidee einer rationalen Kunst mit den Vorbildern Picasso, Cocteau, Strawinsky, passend zu den jeweiligen künstlerischen Sparten. Auch diese Bewegungen verzichteten nicht auf einen patriotischen Einschlag. Die italienische Architektur sei landschafts- und klimabedingt eigenständig. Das verleihe ihr einen eigenständigen Rang abseits des internationalen Betriebs. »Italien wird für die neue Architektur eine Führungsrolle zugesprochen, die mit der historischen Tradition und dem Aufschwung unter Mussolini begründet wird.« BB Gegenüber dem Futurismus erhielten in diesen Bewegungen Vergangenheit und Tradition ihre Würde zurück.



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Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

Die Ästhetik dieser Architektur leitete sich von der konstruktiven Notwendigkeit ab: »[…] la vera architettura deve risultare da una stretta aderenza alla logica, alla razionalità. Un rigido costruttivismo deve dettare le regole. Le nuove forme dell’ architettura dovranno ricevere il valore estetico dal solo carattere di necessità […].« (Die wahre Architektur muss sich aus einem strikten Respekt der Logik und Vernunft ableiten. Ein strenger Konstruktivismus muss die Regeln setzen. Die neuen Formen der Architektur müssen ihren ästhetischen Wert einzig aus dem Charakter der Notwendigkeit gewinnen.) Die Gesetze der Logik bestimmen die Ästhetik, nicht Individualität. Das ermöglicht eine positive Sicht auf Serienproduktion und Typisierung. Ebenso gewürdigt wurden die neuen Materialen, Stahlbeton etwa, der eine neue Monumentalität verbunden mit rationaler Ästhetik (pura grandiosità) ermögliche. Dabei war durchaus klare Harmonie und Symmetrie gemeint, die man nach Meinung der Exponenten in der alten römischen Architektur vorgezeichnet fand und nun im faschistischen Geist (vero spirito fascista) als italienische Architektur neu gebären könne. Der Kunstcharakter der Architektur läge sozusagen in der Vergeistigung der rationalen Vorgaben. Gegen die rationale Architektur gab es zeitgenössische Kritik, die ähnlich wie die spätere postmoderne Kritik vor allem ökologische Aspekte ins Treffen führte. Die großen Fensterflächen und die Flachdächer böten keinen Schutz vor Hitze und Kälte und die Gebäude seien ohne Rücksicht auf die Umgebung als geometrische Monolithen in die Landschaft gesetzt – so mokierte sich der Architekt Marcello Piacentini, der zuletzt einem Neoklassizismus huldigte und etliche Aufträge für Mussolini ausführte, in der Besprechung einer einschlägigen Ausstellung. Das antike Rom musste auch als Hintergrund herhalten für eine Synthese der Theorien des Rationalismus und des Faschismus. 1930 bildete sich der Movimento Italiano per l’Architettura Razionale, dessen Mitglieder auch an den CIAM-Kongressen teilnahmen. Die Bewegung organisierte Ausstellungen, etwa eine 1931, die an verschiedenen Orten gezeigt wurde und wo es um die Synthese von Rationalismus und Faschismus ging. Mussolini persönlich wurde durch die Ausstellung geführt. Immerhin löste die Schau eine breite, teilweise polemisch geführte Debatte um die Grundlagen der modernen Architektur und um die Rolle des Faschismus aus. Standen bei der Architektur die Fragen nach Form und Material im Vordergrund, ging es beim Faschismus um die für viele falsche Gleichsetzung von politischer Ideologie und der römischen Vergangenheit, die in Mussolinis Bewegung als imperialer Baustil aufgenommen wurde. Die Architekturszene in Frankreich war – aus der philosophischen Tradition nicht weiter verwunderlich – rationalistisch geprägt. Der aus Lyon stammende Tony Garnier war einer der ersten im 20. Jh., der die alte Ambition aufgriff und einen Gesamtentwurf der Stadt bis hin zur Gestaltung der einzelnen Gebäude vorlegte (Une Cité industrielle. Étude pour la construction de villes; 1917). Das natürliche Wachstum der Stadt tat er kurzerhand als anarchisch ab und suchte nach einem Musterentwurf einer Industriestadt des 20. Jh.s. Die Parameter der Stadt ergaben sich für ihn aus

zit. nach Kruft 1985, 473f

Frankreich

106

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Kruft 1985, 454

den Vorgaben der Industrie: Verfügbarkeit von Bodenschätzen und Energie, Lage an Transportwegen, Rücksichtnahmen auf Wind und Sonneneinstrahlung. Garnier war geprägt vom Rationalismus Julien Guadets, den er an der Ecole des Beaux-Arts als Lehrer hatte, und von der Sozialutopie von Charles Fourier. Er baute mit der Vision eines starken Staates auf einen sozialen Fortschritt, der in eine bessere Zukunft führen sollte. »Die Konsequenz dieses Ansatzes ist es, daß bestimmte Bautypen in seiner Planung fehlen, die eine moralisch bessere Gesellschaft in seinen Augen nicht mehr nötig hat, z.B. Kirchen, Gefängnisse, Gerichtshöfe, Polizeistationen.« Auch er projizierte seine Ideen für die Stadt auf die antike Stadt, wie er sie bei einem Aufenthalt als Stipendiat der Akademie in Rom studieren konnte. Das Echo auf Garniers Idealentwurf hielt sich in Grenzen, aber die Ideen nahm unter anderem Le Corbusier auf und sie flossen in die Charta zum modernen Städtebau des CIAM ein. Die Hauptthesen dieses Baukonzepts war die Trennung von Lebens- und Arbeitsbereichen, der Vorrang des Verkehrs, worunter damals der Individualverkehr gemeint war, und schließlich eine Art »Melioration« der Städte durch Abriss alter Bausubstanz (was sich in den meisten Fällen in Europa durch die Kriegszerstörungen erübrigte) zugunsten der erwähnten neuen Lösungen. Das führte allerdings bald, vor allem in der jüngeren Generation, zu erheblichen Widerständen und einer Neuausrichtung des Städtebaus in den Sechzigerjahren.

2.3.3. Frank Lloyd Wright

610 Frank Lloyd Wright

Wohnhäuser

Wright, zit. nach Partsch 2002, 201

Das Ringen um eine architektonische Identität in den Vereinigten Staaten erhielt eher als durch das Hochhaus eine Antwort durch Architekten-Handschriften wie jene Frank Lloyd Wrights, die vom Einfamilienhaus bis zur Stadtplanung reichte. Der 1867 in Wisconsin geborene Wright gilt als einer der wichtigsten Wegbereiter der neuen Formensprache. Durch seinen Vater, der als Pfarrer und Musiklehrer fungierte, und seine Mutter, die Lehrerin war, kam er mit der Musik Bachs und Beethovens und mit Schiller, Goethe und Shakespeare in Berührung. Weil ihr Sohn in das Zeichnen und Entwerfen vernarrt war, fädelte die Mutter als handgreiflichen Ausgleich sommerliche Aufenthalte auf der Farm seines Onkels ein, wo er intensiv die Natur erlebte, was ihn nach eigener Aussage nachhaltig geprägt hat. Der Autodidakt trat 1888 in das Büro von Louis Henry Sullivan und Dankmar Adler in Chicago (Adler&Sullivan) ein. Er scheint ein offener Geist gewesen zu sein, der vom Funktionalismus über die Arts and Crafts-Bewegung, die Gedanken Viollet-le-Ducs und John Ruskins, bis zur japanischen Formensprache alles in sich aufsog. Ab 1896 hatte Wright, der im Streit über Arbeitsbedingungen nach sieben Jahren aus dem Büro Sullivans geschieden war, sein eigenes Büro in einem Vorort von Chicago. Wright war der einzige unter den Architekten der Moderne, der in erster Linie Wohnhäuser baute. Als seine erste bedeutende Serie entstanden zwischen 1900 und 1910 die Präriehäuser. Die Planung der Häuser reichte nach den erwähnten Vorbildern bis zur Inneneinrichtung. »Selbst die Stühle und Tische, Schränke und sogar die Musikinstrumente – wo es sich durchführen läßt – gehören zu dem Gebäude selber, sie sind niemals Einrichtungsstücke, die nur hingestellt werden.« Wrights Häuser



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Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

fügten sich in die Natur ein, sie bestanden aus lokalen Materialien und dienten dem Individualismus ihrer Bewohner in der außerordentlichen Landschaft. »Die Prärie hat eine ganz eigene Schönheit. Wir sollten diese natürliche Schönheit, die ruhige Weite erkennen und betonen. Daher die flach geneigten Dächer, die niedrigen Proportionen, die ruhigen Silhouetten, die gedrungenen, massigen Kamine und schützenden Überstände, die niedrig gesetzten Terrassen und die vorgezogenen Mauern, die kleine Gärten abgrenzen.« Anders als bei Mies van der Rohe kannte Wrights Haus ein Zentrum. Der Kamin war der Mittelpunkt des Hauses. »Die symbolische Bedeutung von Wärme, Herdfeuer spielte dabei eine große Rolle.« Abgesehen von diesem Zentrum entwarf er das Haus in einem für die Moderne wichtigen offenen Grundriss. Dieser war ein zentrales Element auf dem Weg in die Moderne. Durch ihn gelang die »Zerstörung der Kiste« in der Architektur, wie er das ausdrückte: »[…] der umschlossene Raum wurde zur Realität des Gebäudes.« Es ging ihm sozusagen um die Befreiung des Inneren vom Äußeren. Das hatte zur Folge, dass die Mauern nicht mehr tragend ausgeführt wurden. Sie wichen Wandschirmen, die traditionell mit festem Mauerwerk oder transparent mit Glas ausgeführt werden konnten. Die statische Seite übernahmen die Stützen hinter den Mauern. Dieses Prinzip wurde von Mies van der Rohe noch konsequenter weitergeführt, namentlich in den Hochhausbauten mit Stahlgerüst und vorgehängten Fassaden. 1892 hatte Louis Sullivan einen Traktat Das Ornament in der Architektur herausgebracht, in dem er einem ausgewogenen Verhältnis von Konstruktion und Außenhaut das Wort redet. Für Oskar Schlemmer war der Typus des Landhauses von Wright ein »grandioses Beispiel« für eine Architektur »aus dem Geist der Sachlichkeit heraus, ohne große künstlerische Ambition.« Eine ausgedehnte Europareise von 1909 bis 1911 hatte Wright in Europa früher bekannt gemacht als in Amerika und inspirierte Architekten wie Peter Behrens, Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe. Wright war fasziniert von der Einheit der Architektur in der Renaissance, die in der weiteren Entwicklung seiner Meinung nach verloren gegangen sei. Auch für die Gotik empfand er Sympathie, weil er sie von der Naturmetaphorik her las. Sie sei ein Niederschlag einer organischen und naturbezogenen Architektur. »Organische Architektur im Sinne Wrights sieht bei aller Abstraktion ein Haus in Analogie zum menschlichen Organismus oder zum Wachsen eines Baumes.« Genau eine solche organische Architektur wollte er realisieren, nicht im Sinn einer Biomorphie, sondern im Sinne eines Landschafts- und Menschenbezugs. »Vor fast 100 Jahren schon hat Wright in der Architektur Lösungen angeboten, die zeigen, wie man in Harmonie mit der Umwelt leben kann. Aber nicht aus Angst heraus, sondern aus tiefverwurzelter Liebe zur natürlichen Schönheit und aus der Überzeugung, daß die Menschen, wenn man sie wieder in das Gefüge der Natur einbindet, mit Zustimmung reagieren und spirituell wachsen werden.« Für den Bau präferierte Wright sowohl die natürlichen Materialen, Ziegel, Holz, Stein, wie die modernen: Beton, Glas, Stahl. Dazu war er Vorreiter der Vorfabrikation, um die Kosten beim Hausbau in Grenzen zu halten. Die Verbindung von indust-

Wright, zit. nach Pfeiffer 1991, 21

Kretschmer 2013, 64

Wright, zit. nach Pfeiffer 1991, 27

Schlemmer, zit. HW, 400

Kretschmer 2013, 67

Pfeiffer 1991, 33

108

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Tavares 2016, 361

Wright, zit. nach Benevolo 1960, 293

Kretschmer 2013, 187 611 Haus Fallingwater von Frank Lloyd Wright (1939)

Ebd., 189

riellen und natürlichen Materialien gelang Wright (wie auch anderen Architekten der Zeit, etwa Oscar Niemeyer) problemlos. Diese Wertschätzung des Alten und Neuen zeigte sich auch bei einer Liebhaberei Wrights, dem Druck von bibliophilen Architekturbüchern. 1898 betätigte er in der Garage eines Freundes händisch die Presse, um (zusammen mit William Channing Gannett) Ausgaben von The House Beautiful anzufertigen, wobei sich Industriepapier mit echter Handarbeit paarte. »To Wright, such a partnership between industry and craftsmanship was a cherished ideal.« Eines seiner Grundprinzipien war die Unabhängigkeit der Architektur »von jeder von außen kommenden Auflage, woher auch immer sie kommen mag […].« Das hieß vor allem »Unabhängigkeit von jedem – alten oder neuen – Klassizismus und jeder Anbetung der ›Klassiker‹; Unabhängigkeit von jeder kommerziellen oder akademischen Norm, die ›das Leben kreuzigt‹.« In den Zwanzigerjahren wurden seine Häuser schwerer und kompakter, auch monumentaler. Sie standen in anderen Gegenden als in der Prärie oder in der Wüste, deren Landschaft flache Formen verlangt. Er griff jetzt verstärkt auf Industrieprodukte wie den Stahlbeton zurück. Das berühmteste Beispiel dafür ist das Haus Fallingwater (1937) in Pennsylvania. Es handelt sich um ein kraftvolles Haus, das aber seine organische Komponente deswegen nicht verloren hat: »Sowohl von der Raumkonstruktion als auch vom optischen Einbinden in die Natur entspricht Fallingwater trotz fast kubistischer Formensprache und rationaler Bauweise dem Konzept Wrights von einer organischen Architektur.« Zwar war Wright durch und durch Praktiker, aber er legte in zahlreichen Schriften auch theoretische Reflexionen über sein Tun nieder. Die Quintessenz dabei war die positive Haltung zu Maschine und Industrie. Wie für Le Corbusier und die späteren Futuristen waren für ihn Maschinen, Motoren und Schlachtschiffe die Kunstwerke des Jahrhunderts. Seine erste theoretische Schrift artikuliert diese Maschinenästhetik ausdrücklich: The Art and Craft of the Machinell (1903). Es ging darin auch um die im Deutschen Werkbund umstrittene Zusammenarbeit mit der Industrie. Ab 1936 baute er die sogenannten Usonian Houses. Der Begriff bezeichnet die Häuser eines visionär erdachten zukünftigen, egalitären und mobilen Amerika. Es handelt sich um Häuser, die er mit kleinen Gärten zu einer Einheit verband, was ein nachhaltiger Beitrag zum low cost housing wurde. Die Auflösung aller Widersprüche in einer solchen Einheit bezeichnete er als organisch, und diesem Ziel habe sich die Architektur zu stellen. Ein grandioser Solitär ist das 1959 fertig gestellte Solomon R. Guggenheim Museum für Moderne Kunst in New York, wo durch seine Spiralform die »vierte Dimension, das Kontinuum der Zeit und der offene Raum [sind] bestechend umgesetzt« sind. In mehreren, praktisch gleichlautenden Büchern legte Wright seine philosophische Position zur Stadt nieder, die sich um vier Prinzipien rankte: organisch, dezentral, integrativ, demokratisch. Die Städte sollten naturnah dezentralisiert werden,



109

Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

sodass jedem Bewohner ein Stück Land zur Verfügung stand. Er schuf dazu 1935 ein großes Modell: Broadacre City. »Broadacre City soll eine Synthese zwischen Maschinendesign, Präfabrikation, Dezentralisation unter Wahrung der desirable features of the city und Freiheit von Grund und Boden herstellen. […] Broadacre City ist für ihn architektonisch realisierte Demokratie.« Wie beim französischen Architekten und Anhänger von Proudhons Sozialismus, Tony Garnier, hatte auch bei Wright die Architektur eine eminent pädagogische Funktion. Ihr Ziel bleibe die Verbesserung des Menschen, was in der Folge – so weit ging der ideologisch unterfütterte Optimismus – sogar Gefängnisse überflüssig mache. Die Hoffnung auf diese heilsame Wirkung von Architektur lastete auf der Beziehung zur Natur, im Speziellen zu Sonne und Licht: »Ich habe mich ständig auf eine ›humanere‹ Architektur bezogen […] Wie das Sonnensystem nach Lichtjahren berechnet wird, so soll das innere Licht das sein, was wir als Menschlichkeit bezeichnen. […] Das Sonnenlicht verhält sich zur Natur wie jenes innere Licht zum Geiste des Menschen: Menschenlicht.«/»Es gibt nicht Höheres im menschlichen Bewußtsein als Strahlen dieses inneren Lichtes. Wir nennen sie Schönheit. Schönheit ist nur der Schein des Lichtes im Menschen – der Glanz der hohen Romantik seines Menschtums, so wie wir wissen, daß Architektur, Kunst, Philosophie und Religion romantisch sind. […] Dieses innere Licht bürgt dafür, daß des Menschen Architektur, Kunst und Religion eins sind – seine Symbole.« Zwar bildete Frank Lloyd Wright trotz vielfältiger Ausstrahlung in die ganze Welt keine Schule im engeren Sinn, doch die Bedeutung seiner Architektur war groß und sie lag vor allem darin, dass er »Technologie mit ständigem Rückbezug auf das Natürliche, das Organische und Humane verband.«

2.3.4. Ludwig Mies van der Rohe Als Sohn eines Steinmetzen und Maurermeisters wurde Ludwig Mies van der Rohe 1886 in Aachen geboren. Er ist einer der wichtigsten Architekten am Beginn der modernen Architektur und des International Style. Mies erlebte das Bauen von der Pike auf und lernte im heimischen Betrieb mit Stein, Ziegel und Mörtel umzugehen. Ausbildungen in verschiedenen Kunstschulen und Architekturbüros, unter anderem beim Reformarchitekten Bruno Paul, folgten. Es gab Berührungen mit der Reformbewegung auf dem Monte Verità, schließlich ging er zu Peter Behrens, wo er mit Walter Gropius in Kontakt kam. 1910 lernte er in Berlin Frank Lloyd Wright und einige Jahre später in Den Haag Hendrik Petrus Berlage kennen, beide prägten ihn nachhaltig. 1913 eröffnete er in Berlin ein eigenes Büro und arbeitete an verschiedenen Wohnhäusern, anfangs noch mit klassizistischen Anklängen im Sinne Schinkels. Zwar gab es bei Mies keine ausdrückliche Wende, aber doch eine Schärfung seines modernen Profils, das zeitlich mit dem Ersten Weltkrieg zusammenfiel. In den Jahren 1921 bis 1924 entstand das, was man später Die Fünf Projekte nannte und mit denen Mies an die Spitze der modernen Architektur trat. 1921 schockierte er die Jury eines Wettbewerbs für ein Bürohochhaus in Berlin mit einem futuristischen Glasturm, etwas, was es auch in der zeitgenössischen ame-

Stadtvision

Kruft 1985, 495

Wright, zit. nach Pfeiffer 1991, 37/39

Kruft 1985, 499

110

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

5.2.6.ff./X.2.6.1.

Mies van der Rohe, zit. nach Kruft 1985, 447; im Orig. kursiv

Kretschmer 2013, 157 Ebd., 158

rikanischen Hochhausarchitektur noch nicht gab. Was er hier allerdings in spekulativer Form vorlegte, war die Pointe der zukünftigen Hochhausarchitektur, ein Trägersystem mit vorgehängten nicht-tragenden Fassaden. Weitere Hochhaus-Entwürfe sowie solche von Wohnhäusern (darunter ein Landhaus in Backstein und eines in Eisenbeton) folgten. Er gab den geschlossenen Kubus als Baukörper auf, durchbrach die Mauern durch Glasflächen und ließ das Gebäude in die Landschaft greifen. Innen vertrat er, radikaler noch als Wright, einen zentrumslosen offenen Grundriss, ließ Räume ineinander übergehen. Wände schließen nicht ab, sondern geben Orientierung. Es ist eine Architektur, die keine Statik kennt, sondern sich erst im Durchschreiten erschließt, die gewissermaßen einen performativen Charakter hat. Mies war, wie berichtet, bereits in den Zwanzigerjahren von der Industrialisierung fasziniert, von der er eine Lösung von sozialen, wirtschaftlichen und ästhetischen Fragen erwartete. Ab etwa 1930 begann ihn die Spannung von Technik und Geist des Bauens zu interessieren. Die Materialfrage rückte zugunsten der »Frage nach dem Wert« in den Hintergrund. Trotzdem hielt er an der Objektivität der Baukunst fest: »Heute, wie seit langem, glaube ich, daß Baukunst wenig oder nichts zu tun hat mit der Erfindung interessanter Formen noch mit persönlichen Neigungen. Wahre Baukunst ist immer objektiv und ist Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst.« Wie oben berichtet, war Mies ab 1924 Mitglied beim Deutschen Werkbund, 1930 bis zur Schließung war er Direktor des Bauhauses in Dessau. In diesem Kontext war die Weißenhof-Siedlung 1926 unter der Gesamtplanung von Mies van der Rohe in Stuttgart beschlossen worden. Die Häuser dieser Mustersiedlung des neuen Wohnungsbaus waren mit Licht, puristischen weißen Wänden, klaren Linien und geometrischen Formen standardisiert, hatten aber einen freien Grundriss. Mies hatte das Pouvoir, die Architekten auszusuchen, unter den siebzehn Architekten aus fünf Ländern war auch Le Corbusier. Als die Nationalsozialisten die Macht übernommen hatten, wurde die Weißenhof-Siedlung wegen ihrer kubischen Formen und den flachen Dächern als »undeutsches Araberdorf« verspottet. Auf Karikaturen tauchten Dattelpalmen und Kamele auf. Zusammen mit seiner Kollegin, der Innenarchitektin Lilly Reich, gestaltete er einige Bereiche der Weltausstellung 1929 in Barcelona, darunter den spektakulären Barcelona-Pavillon (urspr. Pavillon des Deutschen Reichs). »Eine kaum jemals wieder erreichte Transparenz, Leichtigkeit, Ruhe und noble Eleganz kennzeichnen diesen Klassiker des Internationalen Stils mit seinen ästhetischen Spiegelungseffekten und Kontrasten.« Die beiden realisierten zudem das Haus Tugendhat (1930) in Brünn. Es war, einschließlich der Inneneinrichtung, eine »Art gebautes Manifest«. Die im Barcelona-Pavillon realisierten Ideen ließen sich in das Wohnhaus übertragen. Der offene Grundriss wurde durch dünne Mauern und kostbare Scheiben aus marokkanischem Onyx geordnet. Konservative wie Linke kritisierten den Bau heftig. Die Konservativen beklagten den Verlust eines Hauses als bergenden Ort, die Linken mokierten sich über die Individualität und die fehlende soziale Dimension.



111

Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

Mies diente sich anfangs den Nationalsozialisten zwar an, war aber nicht bereit, seine moderne Architektur-Linie aufzugeben und wurde deshalb bald ausgegrenzt. 1938 ging er in die USA, übernahm eine Professur in Chicago und gründete ein Architekturbüro. Es war eine sehr produktive Zeit mit zahlreichen Bauten, darunter die Neugestaltung des Hochschulgeländes und zwei Wohn-Hochhäuser mit Glasfassaden. Alle seine Projekte fanden große Beachtung. Einen besonderen Stellenwert nahm das bereits erwähnte, 1958 zum einhundertsten Bestandsjubiläum einer Whiskeyfirma in New York gebaute Seagram Building ein. Es war eine der Hochhausikonen des 20. Jh.s. Mies nützte die zur Verfügung stehende Grundfläche nicht völlig aus, sondern entschied sich für eine Plaza, die zudem den Baukörper wirkungsvoller erscheinen ließ. Die Vorhangfassaden blieben an den Ecken bewusst offen und lassen so die dahinterliegende Trägerstruktur sichtbar. Kunsthistorikerinnen möchten darin den Weg zur Selbstreferenz der Kunst erkennen: »Man könnte von einer Autothematisierung der Architektur sprechen.« Das Gebäude sollte von keinem Geringeren als Marc Rothko mit großformatigen Malereien ausgestattet werden. Als Rothko erfuhr, dass seine Bilder in einem Luxusrestaurant im Gebäude aufgehängt werden sollten, zog er sich vom Auftrag zurück. Mies van der Rohes letztes Werk wurde ein Auftrag aus der Heimat: der 1968 fertiggestellte (an der Eröffnung konnte er bereits nicht mehr teilnehmen) große Pavillon der Nationalgalerie in Berlin.

Kretschmer 2013, 165

612 Le Corbusier; SM

2.3.5. Le Corbusier Der 1887 im schweizerischen La Chaux-de-Fonds als Charles-Édouard Jeanneret ge­ borene Architekt, der sich seit 1920 nach dem Mutternamen (Lecorbésier) Le Corbusier nannte, setzte sowohl als Architekt als auch als Theoretiker Meilensteine im 20. Jh. Roman Hollenstein nennt ihn einen »Kontinent […] Diesen versucht ein Heer von Wissenschaftlern mittels einer Flut von Publikationen, Retrospektiven und Spezialausstellungen […] zu erforschen.« Das trifft ins Schwarze und das Gesagte lässt sich mit Blick auf sein Selbstverständnis mit der Bewertung von Hanno Walter Kruft ergänzen: »Wir stehen bei Le Corbusier dem seltenen Fall gegenüber, daß die Klärung seiner theoretischen Position seiner Bautätigkeit voranging.« In der Tat betrieb Le Corbusier ausführliche theoretische Reflexionen. Viel Know How eignete sich Le Corbusier auf seinen Reisen an. 1910/11 traf er in Berlin Gropius, im Deutschen Werkbund Mies van der Rohe, in Wien Josef Hoffmann. Dann fuhr er nach Italien und unternahm 1911 seine persönliche Grand Tour mit seinem Freund, dem Schweizer Kunsthistoriker und Kunsthändler August Klipstein, die ihn in den Orient führte. 1917 übersiedelte er nach Paris und gab zusammen mit dem Maler Amédée Ozenfant ab 1920 (bis 1925) die Zeitschrift Esprit Nouveau heraus, in der er eine Ästhetik der Ingenieurs- und Maschinentechnologie beschrieb. Er pries die Industrialisierung und maß die Innovationen der Architektur am Maschinen-, Flugzeug- und Schiffsbau. Viel Stoff zur Diskussion bieten seine eigenwilligen politischen (für seine Architektur wenig ergiebigen) Wendemanöver, wo sich Sympathien für die Sowjetunion,

Hollenstein 2015

Kruft 1985, 456

Gresleri 1991

112

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Jarcy 2015; Chaslin 2015

Kruft 1985, 458

Maak 2010, 12

Fünf Punkte einer neuen Architektur

für Mussolini und das Vichy-Regime ablösten, bis er zuletzt die Résistance entdeckte. Inwieweit diese Sympathiebekundungen bloßem Opportunismus entsprangen, ist umstritten. Neuere Publikationen machen sich allerdings dafür stark, darin doch eher eine wechselnde ideologische Ausrichtung zu erkennen. Jedenfalls hat die Aufdeckung dieser Flirts mit totalitären Regimen sein Ansehen in letzter Zeit erheblich ramponiert. Der besondere Reiz der Biographie Le Corbusiers ist sein vollzogener Paradigmenwechsel in der Architektur, der ihn gemäß seinem Motto »Baukunst ist Typenbildung« (und eben nicht Stil!) von einer strengen geometrischen Form zu organischen Naturformen führte und der ihm in der Fachwelt viel Ärger einbrachte. Dass Le Corbusier ursprünglich als Vertreter einer klinischen Moderne mit der Vision von Wohnmaschinen aus Linien und rechten Winkeln angesehen wurde, ist freilich eine allzu einfache Gleichung. Am Anfang prägte ihn an der Ecole d’Art in seiner Heimatstadt sein Lehrer Charles L’Eplattenier, der einen von der Landschaft inspirierten Heimatstil vermittelte. Daneben bildete sich bei Le Corbusier schon früh ein vom Sozialutopismus des französischen Architekten und Städteplaners Auguste Perret und von Nietzsches Elitarismus gespeistes Sendungs- und Erlösungsbewusstsein aus. Er brachte diesen Anspruch von Kunst und Architektur auf Menschheitsverbesserung mit der Formel auf den Punkt: Architecture ou révolution. Idealismus im Anspruch und Rationalismus der Form sollten kein Gegensatz sein und sie standen für eine evolutionäre Veränderung der Gesellschaft anstelle einer unberechenbaren Revolution. Angeregt vom Stahlbetonbau Perrets, in dessen Büro Le Corbusier 1908 kurzzeitig arbeitete, idealisierte er die architektonischen Einzelelemente wie Stütze und Fassade. Auf tragende Mauern lasse sich verzichten. Dies kam zunächst einer rationellen industriellen Fertigung entgegen: »Die Idealisierung der Funktionen führt zu ihrer Ästhetisierung. Wenig später erscheinen sie als Programmpunkte seiner Doktrin.« Den Stand dieser Zeit repräsentierten vielleicht am besten das Doppelhaus, das Le Corbusier zusammen mit dem Genfer Architekten und Corbusiers Vetter Pierre Jeanneret in der Weißenhof-Siedlung in Stuttgart 1927 baute, und die von ihm entworfene Villa Savoye in Poissy (1931). Die Villa Savoye »war ein ideologischer Hauptbau dieser Lebenshaltung: Sie […] machte Ernst mit der Idee des Internationalismus: Sie ignorierte die Welt, in die sie gestellt wurde […].« Diese Eigenschaft war eine gewollte Konsequenz aus den universellen Formen der Geometrie, die sich vermeintlich von jeder Schollengebundenheit abhoben. Anders als bei Mies van der Rohe, der in der Innenausstattung auch auf kostbare Materialien zurückgriff, waren Le Corbusiers Häuser technisch und puristisch gestaltet. In diesen Bauwerken setzte er seine Fünf Punkte einer neuen Architektur um, die der Sache nach auch für Frank Lloyd Wright und Mies van der Rohe eine Grundlage bildeten: (1) Als Zeichen einer neuen Ästhetik ersetzen Betonstützen die tragenden Mauern, (2) die Flachdächer sind für Gärten zu nutzen, (3) offener Grundriss für einen flexiblen Umgang mit dem Raum, (4) große Fensterflächen in den Wänden und (5) freie Fassadengestaltung, unabhängig von der Baustruktur. Diese Prinzipien,



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Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

die nach dem Motto »Stile sind Lüge« die neue Sprache der Architektur nach Verabschiedung des Stil-Eklektizismus und Historismus beschrieben, wurden weitgehend in den International Style übernommen. Sie wurden aber auch, vor allem von Traditionalisten im Deutschen Werkbund (wie von Paul Schulze-Naumburg), als »undeutsch« erbittert bekämpft. Die fünf Punkte flossen schließlich in das programmatische Buch Vers une architecture, das 1923 als Sammlung von seit 1920 in der Zeitschrift Esprit Nouveau publizierten Beiträgen erschien. Mit dem Buch erlangte Le Corbusier große Bekanntheit. Es fasziniert »durch manifestartige Schlagwortbildung, zahlreiche Wiederholungen, vor allem aber durch ungewöhnliche Text-Bild-Montagen. Polemik wechselt mit apodiktischen Feststellungen, subjektive Architekturästhetik wird als Summe anthropologischer Konstanten interpretiert.« Es war geradezu ein Katechismus eines selbstbewussten Erlöser-Architekten, der durch schräge Gegenüberstellungen wie jene griechischer Tempel mit Automobilen sowie mit dem dogmatisch klingenden basso continuo: »Das Haus ist eine Wohnmaschine« zu provozieren wusste. Die Moderne brach mit Schock in die alte Welt ein. Ausgerechnet auf einer Exposition International des Arts Décoratifs et Industriels Modernes 1925 in Paris, bei der die Aussteller mit Art déco-Objekten warben, stellte Le Corbusier einen stapelbaren verglasten Pavillon de l’esprit nouveau vor, der als industriell produziertes Modul einer größeren Einheit dienen konnte. Die 25 Jahre später (im Zuge des Wiederaufbaus nach dem Krieg) realisierte Unité d’Habitation in Marseille und an anderen Orten ist die Umsetzung der Wohnmaschinen-Idee in großem Maßstab, gleichsam eine vertikal gestapelte Stadt. Dahinter stand ein Konzept der reinen Funktionalität und der Leere und Hygiene, wobei sich die Purifizierung ausdrücklich auch auf das Ornament bezog. Sowohl Haus als auch Stadt galt es, architektonisch zu reformieren. Erste Ideen einer Hochhausstadt äußerte er in den Zwanzigerjahren, dabei von Perret beeinflusst und in seinem Buch Urbanisme (1925) theoretisch reflektiert. Schon damals schlug er eine Brücke von der idealen Geometrie, wie er sie etwa bei einer Griechenlandreise an den antiken Bauwerken bewunderte, zum Goldenen Schnitt, den er als Geometrie der Natur verstand, was letztlich die Verbindung herstellte zwischen den reduzierten Formen reiner Geometrie und jenen der Natur. Bei allem Bruch mit dem Alten gab es keinen Bruch mit der Harmonie-Lehre. »Es muß wohl jene Achse sein, auf der der Mensch aufgebaut ist, in vollem Einklang mit der Natur und wahrscheinlich auch mit dem Universum; es muß wohl jene Achse sein, die alle Erscheinungen, alle Dinge der Natur ausrichtet, die uns nahelegt, eine Einheit im Weltgeschehen anzunehmen und einen einzigen Schöpfungswillen vorauszusetzen.« Trotzdem war der Wandel deutlich. Seine in Urbanisme diskutierte Planung einer Ville Contemporaine pour trois millions d’habitants von 1922 ist ein radikales Bekenntnis zu Geometrie und Funktion. »Die Geometrie ist das Wesen der Baukunst selbst.« Im Geiste des cartesianischen Rationalismus konnte er sagen: »Die gekrümmte Straße ist der Weg der Esel, die gerade Straße ist der Weg des Menschen und Der rechte Winkel ist das zum Handeln notwendige und ausreichende Werkzeug.«

Le Corbusier 1923, 22

2.2.8.

Wohnmaschine

Sigel Paul in ATh, 704

z.B. Le Corbusier 1923, 23

Ebd., 151

Le Corbusier, zit. nach Kruft 1985, 462 Ebd.; im Orig. kursiv VII.2.2.1.

114

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Kruft 1985, 462

Ozenfant, zit. HW, 439

Hess 2006, 12

Kretschmer 2013, 179f

Um die Verdichtung der Menschen in Hochhäusern zu erreichen (und Raum für Grünflächen zu gewinnen), forderte er die Beseitigung der alten historischen Kerne. Um seine Ideen in Paris umzusetzen, sah er den Abriss des alten Paris nördlich der Seine vor. In Le Corbusiers Stadt bestimmt der Verkehr die Gestaltung. Die Straße nannte er Verkehrsmaschine. »Formal wird die Stadt zum geometrischen Muster, das der demiurgische, Ordnung setzende Architekt aus der Flugzeugperspektive schafft.« Die Stadt der Zukunft trennt seiner Ansicht nach die Bereiche von Wohnen, Arbeiten und Freizeit, was jeder gewachsenen Form widerspricht. Le Corbusier verfolgte seine Sache in der Charte d’Athènes weiter, die beim 4. Congrès International d’Architecture Moderne (CIAM) 1933 in der griechischen Hauptstadt verabschiedet und von ihm 1943 in Paris als Manifest eines neuen Städtebaus veröffentlicht worden war (die Publikation in Deutsch erfolgte 1962). CIAM war als Forum für avantgardistische Architektur von ihm und anderen 1928 gegründet worden und hielt bis 1959 elf Konferenzen ab. In der Charta trieb er seine Geometrievorstellung in den Spuren der alten Anthropometrie weiter und setzte den Goldenen Schnitt mit dem Idealmaß des Menschen gleich. Dies sollte wiederum als Normierung von Industrieprodukten dienen. Sein enger Mitarbeiter bei Esprit Nouveau, Amédée Ozenfant, schrieb in seiner 1928 erschienen Streitschrift der Moderne, Art: »Das Werk muß das Gefühl erwecken, der tiefe Wille der Natur sei erfüllt […].« Anfang der Dreißigerjahre war Le Corbusier in Algerien, zeichnete die dortigen traditionellen Wohnhäuser und entwarf einen Stadtplan für Algier. Der Traktat La Ville Radieuse (1935) war eines der deutlichsten Echos des im Gange befindlichen Paradigmenwechsels. Von nun an musste jede Konstruktion die höheren Weihen der kosmischen Naturgesetze haben und seien es auch Sandwichkonstruktionen von Flugzeug-Tragflächen, auf deren Prinzip das Dach von Ronchamp basierte. Eine wichtige Inspiration ging von Paul Valéry aus, den er intensiv las und rezipierte und mit dem er in Briefwechsel stand. Valéry hatte in seinem Eupalinos ou L’architecte (1921) im ersten von drei Dialogen die Einheit von Geometrie, Musik und Architektur beschworen. Vielleicht verstand es Le Corbusier als unmittelbare und handgreifliche Umsetzung dieses Programms, als er 1929 in Sao Paolo Josephine Baker in seiner Schiffskabine nackt beim Tanzen zeichnete. Die Dynamik des Tanzes sollte von nun an die Bauten auszeichnen. In Brasilien, wo er einem Team zum Bau des Bildungs-Ministeriums angehörte, wurde ihm der zwanzigjährige Oscar Niemeyer als Assistent zugeteilt, der später selbst als berühmter Architekt »ungeniert die Formensprache der Moderne mit den weiter gefassten Konzepten von Fantasie und kulturellem Ausdruck vermischte.« In den Kriegsjahren irrlichterte Le Corbusier, wie angemerkt, zwischen Vichy und Résistance hin und her und war nach dem Ende des Krieges am Wiederaufbau von Städten beteiligt. Darunter fiel die bereits erwähnte Unité d’habitation von Marseille – gleichsam der Prototyp für »die Vision einer zukünftigen Gesellschaft […] So entstand eine vertikale Kleinstadt, eine kollektive Behausung als Sozialexperiment und ein Versuch gegen die Zersiedelung der Landschaft, aber auch ein massiver Vorstoß zur Zerstörung gewachsener Stadt- und Sozialstrukturen.« Vor allem die Stadt-



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Malerei und Bildhauerei am Übergang vom 19. ins 20. ­J ahrhundert

planung Le Corbusiers polarisiert bis heute und löst heftige Kritik aus. Hanno Walter Kruft nannte Vers une architecture ein »demagogisches Buch« und Urbanisme »eines der verhängnisvollsten Bücher in der Geschichte der Architekturtheorie« und das Stadtkonzept Le Corbusiers totalitär. Lewis Mumford beklagte die »tödliche Gleichförmigkeit, die visuelle Öde, den unmenschlichen Maßstab und, was noch schlimmer ist, die menschliche Belanglosigkeit der grandiosen Stadtpläne […].« 1948 und 1955 verfasste Le Corbusier zwei Bände seines Modulator, in denen er die Umsetzung der menschlichen Proportionen in die Fibonacci-Zahlen betrieb. Der Modulator war ein idealer mathematischer Körper mit einer – aus der Form der Seeschnecke abgeleiteten – der Fibonacci-Reihe ähnlichen mathematischen Grundfiguration. Eine der ersten Anwendungen war sein 1952 gebautes Cabanon aus Holz, ein winziges, mit 3,66 Meter Seitenläge quadratisches Häuschen, das er am Strand in Cap Martin zwischen Menton und Monaco aufstellte. Er brachte dort alles zum Leben Notwendige inklusive Tisch mit Sitzgelegenheit, Bad und Toilette unter. Vom Fenster aus kann man auf jene Stelle im Meer blicken, an der der gute Schwimmer 1965 in Folge eines Herzinfarktes ertrank. Der Cabanon war »ein Manifestbau, der zeigen sollte, wie Raumwirkung durch Materialien und Wegeführung erzeugt wird, und es ist kein Zufall, dass man sich in den Cabanon hineinbewegt wie in ein Schneckenhaus.« Was Heidegger seine Hütte in Todtnauberg war, zelebrierte Le Corbusier in Cap Martin: Er »setzte sich publikumswirksam als edler Wilder in Szene, der fern der verkommenen Zivilisation, im Angesicht des Meeres und seiner Formgeburten, eine neue Architektur erfindet […].« Das war nun ein anderes Image – er ließ sich nackt beim Malen fotografieren – als in den Tagen, wo der Maschinenverehrer in röhrenförmigen Anzügen posierte. Auslöser für seine Modulator-Idee war möglicherweise das Studium des Parthenon in Athen. Mathematisierung, man kann auch sagen: Platonismus, wurde hier in eindrücklicher Weise in ein dogmatisches Konzept übertragen, das als Architektur die Theorie vor die Bedürfnisse des Menschen stellte. Freilich kann man darin auch eine Rehabilitation »der Architektur als Kunstform« sehen, »wenn er dem Architekten die Aufgabe zuweist, über den bloßen Zweckrationalismus hinaus gestalterisch tätig zu werden« Aus dem hygienisch reinen Mathematiker wurde ein Strandläufer und Schnecken- und Muschelschalensammler. Was immer diese Konversion ausgelöst hatte, vielleicht war es tatsächlich die Begegnung mit einem Krebspanzer 1946 auf Long Island in New York, von wo aus er den Bau des UN-Hauptgebäudes am East River leitete. Corbusier selbst schildert jedenfalls sein durch dieses objet trouvé ausgelöstes Erweckungserlebnis ausführlich. Das Sammeln von Gehäusen am Strand war wieder eine Verbindung zu Paul Valéry. Wie Le Corbusier war er » ein Mann des Mittelmeeres, ein ›méditerranéen‹, […]. Die ihm vertraute maritime Flora und Fauna […] sind seinem Begriff von Kultur und Geschichte staunenswert eingeschrieben.« Valéry sammelte Seeschnecken- und Muschelgehäuse und ließ sich von den bizarren Formen der Klippen faszinieren – für ihn der Niederschlag des

Kruft 1985, 461/462f Mumford 1961, 717

der Modulator

Maak 2010, 40

Ebd., 42

Sigel Paul in ATh, 706

Hülk 2012, 170

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ebd., 171

VII.2.2.1.

Maak 2010, 95

Kirche von ­Ronchamp

Maak 2010, 13

Hitchcock 1958, 387 Hollenstein 2015

VII.2.2.1./VII.3.3.

Maak 2010, 13

Liquiden im Kristallinen. In dieser Hinsicht war Leonardo da Vinci mit seinen Zeichnungen von Wasserstrudeln ein ferner Vorläufer. »Für Valéry […] wurden Pflanzen und Lebewesen des Meeres ebenso wie Fundstücke am Strand ein Anlass zu philosophischem, wissenschaftlichem und poetischem Träumen.« Die Hinwendung zu den Formen der Natur machte aus Le Corbusier nicht nur einen Strandläufer, sondern auch einen Privat-Okkultisten, der sich für einen Eingeweihten in die Gesetze des Kosmos hielt. Er begeisterte sich für esoterische Autoren, unter ihnen war der in Straßburg geborene Theosoph Edouard Schuré mit seinem 1889 erschienenen Buch Die großen Eingeweihten. Aus solchem Geist plante er für den Pazifisten Paul Otlet den Bau eines Weltwissen-Speichers, des Mundaneums – nach der Formvorlage einer Seeschneckenschale. Der nach dem Goldenen Schnitt angelegte Spiralgang symbolisiert den gnostischen Weg zur Erkenntnis. Le Corbusier bietet sich als idealer Beispielsfall für die Barockdeutung von Gilles Deleuze an. Seine Schneckengehäuse fungierten als Faltungen und in ihrer Verehrung traf er sich mit Borromini, der ebenfalls an den Spiralformen aufgeschnittener Gehäuse experimentierte. Dazu kam Corbusiers zweites Standbein, die Malerei, in der er Beachtliches zustande brachte. »In seiner Malerei folgt Le Corbusier dem Kubismus: Zerlegt die Bildebene, faltet sie zu einem unmöglichen Raum zusammen, in dem man einen Gegenstand gleichzeitig aus verschiedenen Richtungen betrachten kann.« Es sind Versuche mit dem Raum und mit Faltungen, die an Barock- und Rokokomalerei erinnern. Niklas Maak stellte dazu faszinierende Vergleiche zwischen Le Corbusier und Jean-Honoré Fragonard an. Das vermutlich berühmteste Werk aus dieser Periode wurde die 1955 fertig gestellte Wallfahrtskirche Notre-Dame-du-Haut von Ronchamp. Sie rief heftige Reaktionen von allen Seiten hervor, denn sie war »ein doppeltes Sakrileg: ein Affront gegen die Dogmatiker in der Kirche und einer gegen die der architektonischen Moderne.« In der Tat war die Kirche Ausdruck einer vollzogenen Wende in der Architektur-Ästhetik Le Corbusiers: »He who once drove architecture towards the mechanistic, the precise, and the volumetric, now provides the exemplar of a new mode so plastic as almost to be naturalistic in the way of Gaudi’s blocks of flats of fifty years earlier.« Mit dieser Kirche avancierte Le Corbusier zum »Picasso der Architektur«. Vielleicht kann man bei Ronchamp mit seiner porösen Ästhetik der Durchlässigkeit und der Auflösung der Raumkategorien eine enge Berührung mit der Barockdeutung von Gilles Deleuze erkennen, für die Le Corbusier ohnehin bereits als Beispiel angeführt wurde. Hielten ihn konservative Kirchenvertreter für einen Anhänger einer religiösen Magie, löste die Hinwendung zu einem – gemessen an seinen bisherigen Bauten – alternativen Formenschatz eine Debatte über die Krise des Rationalismus aus. Hatte dieser die Kraft für wegweisende Formgebung verloren? James Stirling äußerte in einem Essay diese Sorge und verglich Ronchamp mit der manieristischen Wende am Ende der Renaissance. Ronchamp markiert den Höhepunkt von Le Corbusiers Demonstration seiner Orientierung an der Natur. Dabei darf man freilich nicht über die hochtechnische Umsetzung des Baus hinwegsehen. Das Muschelpanzer-Dach ist



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

nach der Vorlage einer Flugzeug-Tragfläche gebaut. Niklas Maak mutmaßt, es handle sich um eine bewusst gesetzte Anekdote, die auf Paul Valérys Eupalinos Bezug nahm. Das würde passen, denn der Architekt, der in seinen Personalausweis unter der Rubrik Beruf Homme de Lettres eintrug, war nicht nur ein begeisterter Leser, sondern verstand sich als ein nicht minder engagierter Schreiber und Poet. Die Poesie sei nicht nur das höchste Ziel im Leben, meinte Le Corbusier, sondern auch das Ziel der Architektur. Nicht zufällig nannte er seine am Strand aufgelesenen Fundsachen Objets à réaction poétique. In seiner Sammlung von Gedichten und neunzehn Farblithografien an den rechten Winkel (Poème de L’Angle droit) 1955 ist wenig vom rechten Winkel, aber viel von allen möglichen Themen, darunter von Erotik die Rede (»die Hand und die Muschel lieben sich«): »Entwerfen als Liebesakt – da staunten auch wohlmeinende Avantgardisten.«

613 Le Corbusier, Notre-Dame-du-Haut (1955); Ronchamp

Ebd., 124

3.0. Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in ­ihrer kunstphilosophischen Bedeutung Kein Jahrhundert hat sich so ausgiebig und unterschiedlich mit kunstphilosophischen Fragen auseinandergesetzt wie das 20. Jh. Sie sind allerdings – wie in der Einleitung zu diesem Werk dargestellt – mit wenigen Ausnahmen meist nur an abgelegener Stelle zu finden. Die Spannweite des Zugangs zu diesen Fragen reicht von einer alten Wahrheitsästhetik bis zu dekonstruktivistischen Ansätzen und zu Versuchen, die Definitionsmacht über Kunst und Kunstwerk Institutionen und der »Kunstwelt« zu überlassen. Auch was den Ort des Diskurses betrifft, haben im Laufe des 20. Jahrhunderts die philosophischen Institute Konkurrenz erhalten. Die Auseinandersetzungen finden heute eher im Kontext von Kunsthäusern und begleitend zu den großen Kunst-Events statt. Der Überblick in den folgenden Kapiteln soll einen Eindruck über die Themenvielfalt und methodischen Zugänge verschaffen, zunächst im Blick auf die verschiedenen philosophischen Schulrichtungen. Im nächsten Abschnitt werden dann die systematischen Fragen in den Vordergrund gerückt und entfaltet.

3.1. Theosophie 1831 wurde im ukrainischen Dnipropetrowsk (damals: russ. Jekaterinoslaw) die Deutsch-Russin Petrovna von Hahn-Rottenstern geboren. Nach ihrer kurzen ersten Ehe suchte Helena Petrovna Blavatsky rund um den Globus die Zentren des Okkultismus auf, ließ sich von tibetischen Mönchen in alte Mysterien einweihen und sammelte okkulte Versatzstücke und Praktiken, inklusive Kulte von Medizinmännern und Voodoo-Zauberern. Blavatsky hielt sich mit Gelegenheitsarbeiten finanziell über Wasser, bis ihr mit dem Buch Isis Unveiled (1877) ein Durchbruch als Spiritistin gelang.

614 Helena Blavatsky um 1887

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

VIII.5.3.2.2.

Rosenblum 1975, 192

Um 1875 gründete sie mit ihrem Lebensgefährten Henry Steel Olcott die Theosophische Gesellschaft. Man verstand die Theosophie als Urreligion, die jeden Gegensatz zwischen Spiritualität, Philosophie, Naturwissenschaft versöhnt, als Grundlage einer universellen Brüderlichkeit. In der Theosophie verbanden sich eine Menge von Strömungen: Okkultismus, sexuelle Befreiung (inklusive Homosexualität und Pädophilie), Neuheidentum, Freikörperkultur, Vegetarismus, neuplatonische und buddhistische Kosmologien und vieles andere mehr. In dem Dreieck von Kunst, Religion, Wissenschaft, die nach Ansicht der Theosophie alle die gleiche Zielrichtung haben, spiegelt sich ein Gedanke Hegels wider. In der siebenfachen Einteilung des Körpers in den physischen, astralen, mentalen und in vier Arten von geistigen Körpern mischen sich platonische Hintergründe. Das aus der mündlichen Lehre Platons überlieferte Wort, wonach Gott ständig Geometrie betreibe, machte in den einschlägigen Kreisen die Runde. Die Natur, so Blavatsky, liefere ständig geometrische Formen. Dass dies für die Exponenten der abstrakten Kunst, aber auch für Architekten der Moderne, die nicht mit der Natur brechen wollten, sondern sie auf mathematische Proportionen aufschlossen, eine spannende Botschaft war, ist nachvollziehbar. »Tatsächlich steht im Denken der Hohenpriesterin der Theosophie, Mme. Blavatsky, die reine geometrische Form in einer Beziehung zum Reich des Göttlichen.« Die Bewegung hatte großen Einfluss auf die moderne Kunst, Literatur und Musik, wie in den vergangenen Kapiteln bereits berichtet wurde. Immer wieder genannt werden Hesse, Joyce, Eliot, Kandinsky, Mondrian, Klee, Arp, Ball, Mahler oder Sibelius. Im Sinne der Gleichsetzung von Wahrheit und Licht verglich man die Theosophie mit dem Strahlen des weißen Lichts, das sich wie die sieben Spektralfarben in die sieben Religionen der Menschheit aufsplittert. Um das Licht, besser, um die (übersinnlichen) Farben dreht sich auch das Verhältnis von Erleuchtung und Einweihung. Den sieben Körpern entsprechen sieben Farbwerte. Mit solchem Hintergrund konnte man mit einer abstrakten Farbensymphonie auf zweidimensionaler Leinwand eine derart verschlüsselte Geschichte erzählen. Ähnliche Verschlüsselungen barg ein Formenkanon. Bestimmten Emotionen kamen bestimmte Formen zu. Unter Blavatskys Nachfolgern zerfiel die Gesellschaft, wobei sich die Rivalen mit persönlichen Erleuchtungserlebnissen übertrafen. Eines der prominentesten Mitglieder war Rudolf Steiner. Er gab die naturwissenschaftlichen Schriften Goethes und Schriften von Schopenhauer und Jean Paul heraus und war an der Nachlassforschung Nietzsches beteiligt. Nietzsches Schriften schienen in ihm die Idee einer Philosophie für ein neues Menschengeschlecht ausgelöst zu haben – ohne Ausblick auf ein Jenseits, wie er hinzufügte. Goethe war für ihn der »Vater einer neuen Ästhetik«. Er reklamierte Erleuchtungserlebnisse für sich und zog als gefragter Vortragsreisender und Autor durch die Lande. 1902 wurde er Generalsekretär der neu gegründeten deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft, 1913 löste sich diese Gesellschaft auf. Die meisten Mitglieder traten der 1912 gegründeten Anthroposophischen Gesellschaft bei. Steiner wurde Ehrenpräsident. Er entwarf Curricula für Schulen, Arbeitsanleitungen für die Landwirtschaft, die Medizin und Ökonomie, die sich an der Harmonie des Kosmos ausrichteten, und er arbeitete als Bildhauer, Maler und



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

Architekt (Goetheanum im schweizerischen Dornach als Sitz einer geplanten Freien Hochschule für Geisteswissenschaften). Gegen die bisher üblichen Stile und -Ismen versuchte Steiner ein neues Bauen, das freilich auch einen neuen Stil nach sich zog, der sich aus der geistigen Entwicklung des Menschen ableitete. Organismus, Metamorphose, das Schaffende – das waren die Stichwörter, die dieses neue Bauen umreißen sollten und ohne gerade Linie und rechte Winkel auskommen wollte. Es ist eine architecture parlante in Steiners Überlegungen ebenso zu finden wie Ideen der Revolutionsarchitektur. Seine Lehre war christlich grundiert. Er setzte sie in Gegensatz zu den dunklen Mächten der Wissenschaft und des technischen Fortschritts. Was die Gründe für diese Dunkelheit betraf, fischte Steiner in trüben Wassern von Verschwörungstheorien und einem veritablen Rassismus. Es gab namentlich in Holland einige anthroposophisch beeinflusste Architekten wie Johannes Ludovicus Lauweriks, der in Düsseldorf an der von Peter Behrens geleiteten Kunstgewerbeschule unterrichtete und die Architektur als Umsetzung der kosmischen Ordnung verstand. Vom holländischen Mathematiker und Theosophen M.H.J. Schoenmaekers wiederum führt eine direkte Linie zur De Stijl-Gruppe. Hendrik Petrus Berlage gehört mit seinem rationalen Zugang und der an Semper und Viollet-le-Duc geschulten Architektursprache zum Rand der Bewegung. Er träumt von einer sozialistischen, will heißen: kollektiven statt individuellen Architektur. Und er war ein Anhänger einer ehrlichen, offenen Baukunst mit unverputzten Wänden und Transparenz der Konstruktion. Wie das geht, zeigte er in seinem Hauptwerk, der Börse von Amsterdam (1903), deren Halle von einer Gusseisenkonstruktion überwölbt wird. Hermann Finsterlin verglich im Frühlicht des Bruno Taut in anthroposophisch-darwinistischer Manier ein Wohnhaus mit einem Körper, wo man gleichsam von Organ zu Organ wandert. Die Inneneinrichtung bezeichnete er als Ausblähungen der Wände. Seine amorph-biologistischen Formbeschreibungen nehmen manchmal in der modernen Architektur realisierte Bauten vorweg.

3.2. Einzelpositionen um die Jahrhundertwende Die gesonderte Behandlung der Theosophie als philosophische Position im weitesten Sinn gleich am Anfang dieses thematischen Abschnitts rechtfertigt sich aus der erstaunlichen Bedeutung theosophischer Quellgründe auch und gerade für die künstlerischen Positionen der Moderne, wie das bereits mehrmals, konzentriert in 2.1.3., dargestellt worden ist. Die weiteren Kapitel beschäftigen sich mit Einzelpositionen, die bisweilen auch zu Schulrichtungen, wie marxistische und empiristische Schulen, Neukantianismus, Phänomenologie, Kritische Theorie, Postmoderne oder Analytische Philosophie, gebündelt werden.

3.2.1. Georg Lukács Georg Lukács wurde 1885 in Budapest in eine wohlhabende Familie des assimilierten jüdischen Großbürgertums hineingeboren. Er begann sein philosophisches Denken mit lebensphilosophischen Positionen – mit schwärmerischer Zuneigung zu Nietz-

2.2.8. 6.1.2.

120

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

615 Georg Lukács

VIII.6.1.1.

sche und Dostojewskij – und wurde schließlich zu einem der wichtigsten marxistischen Kunstphilosophen. Obwohl er der Sozialistischen Internationale verpflichtet war und sogar den Begriff »Sozialistischer Realismus« benützte, fasste er diesen Begriff wesentlich weiter, als es die einschlägige Propagandaliteratur vorgab. Seine philosophischen Studien führten ihn von Budapest nach Berlin und Heidelberg, wo er mit Georg Simmel, Wilhelm Dilthey, Ernst Bloch und Max Weber in Kontakt kam und die Nähe zum George-Kreis suchte. Neben neukantianischen Positionen beeinflussten ihn der Deutsche Idealismus und schließlich Karl Marx. 1918 wurde Lukács Mitglied der Kommunistischen Partei Ungarns, die sich unter Béla Kun im gleichen Jahr konstituiert hatte. In der viermonatigen Räterepublik 1919 leitete er als (stellvertretender) Volkskommissar das Unterrichts- und Kulturwesen und begann mit umfangreichen Verstaatlichungen von einschlägigen Institutionen. Als politischer Kommissar der ungarischen Roten Armee soll er in Hinrichtungen in der Provinz verstrickt gewesen sein. Nach dem Ende der Räteregierung im August folgte faschistischer Terror, Lukács floh 1920 nach Wien, wo er zuerst verhaftet, dann nach europaweiten Solidaritäts­ adressen wieder freigelassen wurde. 1933 bis 1944 verbrachte er demütigende Jahre in der Sowjetunion in verschiedenen Funktionen. Dort hatte er auch Gelegenheit, die noch nicht publizierten Philosophisch-Ökonomischen Manuskripte von Marx einzusehen. Nach dem Ende des Faschismus kehrte er 1944 nach Ungarn zurück, übernahm dort eine Professur für Ästhetik und Kulturwissenschaften und wurde wieder politisch tätig, unter anderem 1956 als Kulturminister in der Regierung Imre Nagy. Bei der Intervention der Sowjets im gleichen Jahr wurde er verhaftet und nach Rumänien abgeschoben. Während Nagy umgebracht wurde, konnte Lukács, der den Sowjets rechtzeitig seinen Rückzug aus der Nagy-Regierung vermittelt hatte – von der Partei ausgeschlossen –, 1957 nach Budapest zurückkehren und ein Leben als zurückgezogener Intellektueller leben, wobei er sich unter anderem ästhetischen Themen widmete. Die politische Haltung von Lukács war nicht ohne Inkonsistenzen. Einerseits neigte er zu einem demokratischen Sozialismus statt zur proletarischen Revolution (so in 1928 unter dem Pseudonym Blum verfassten Thesen), andererseits hatte er einen bewaffneten Aufstand für 1919 vorbereitet, der sich dann aber durch den Regierungswechsel von selbst erledigte. Ebenso schwankend war seine Haltung zu Lenin und zum Leninismus. Unter anderem stieß er sich an der Institutionalisierungstendenz der Revolution im orthodoxen Denken. Lukács, der Hegelianer, wollte die geistigen und nicht die politischen Eliten an der Spitze der Revolution sehen, die gleichsam die Steuerung des revolutionären Prozesses leisteten. Konstanter war seine Ablehnung des Stalinismus, auch wenn er sich dem Despoten gegenüber in den Moskauer Jahren devot zeigte. In seinen zahlreichen Äußerungen zur Ästhetik standen neben systematischen Fragen die Theorie des Romans und literaturästhetische Fragen im Vordergrund. Anfangs finden sich Motive der Lebensphilosophie und eine an Croce erinnernde Ausdruckstheorie, inspiriert durch Diskussionen im Kreis um Stefan George. Dazu



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

kamen Motive des Aufbegehrens des Subjekts gegen seine Vereinsamung und »Seelenlosigkeit« (daraus wurde in seiner marxistischen Phase Entfremdung) in der Literatur. Stets überlagerten gesellschaftliche und politische Interessen seinen Ästhetizismus. »In der kulturellen Orientierungslosigkeit dieser Generation wurde die Idee der Entfremdung für viele ihrer Angehörigen zur Initiation in die Mysterien, und ihre Schutzpatrone fanden sie in Autoren, die diese Leidenschaft in einer religiös geprägten Sprache ausdrückten – in Kierkegaard und Dostojewskij. Religiös war sie allerdings im Sinne einer Suche nicht nach Gott, sondern nach einer Gottheit, in der das Ich mit dem Absoluten verschmolz.« Im Zuge der Ausarbeitung einer Ästhetik (Heidelberger Philosophie der Kunst; 1912/1914; Heidelberger Ästhetik; 1916/1918) schwenkte Lukács von einer lebensphilosophisch grundierten Auffassung zu einem Kantianismus und schließlich zur Hegelschen Geschichtsphilosophie. In den Zwanzigerjahren wurde aus dem Hegelianer endgültig ein Marxist. Dazu beigetragen hat die Diskussion um sein philosophisches Hauptwerk Geschichte und Klassenbewusstsein (1923), »ein Text von weitschweifiger Undurchsichtigkeit«, das ihn zudem in Konflikt mit der Partei brachte. Man unterstellte Lukács, dass er seine frühe Neigung zu Lebensphilosophie und Hegelianismus nicht abgelegt habe. Das lag daran, dass er sich im Buch nicht mit der orthodoxen Lehre der Partei begnügte, sondern die Theorie von Marx unter den neuen Bedingungen der Industriegesellschaft weiter entwickelte, vor allem bei den Themen Warencharakter und Produktionsformen sowie bei der Stellung des Subjekts und dessen zwangsläufiger Entfremdung und Verdinglichung. In der marxistischen Theoriebildung insgesamt kam dem Buch deshalb eine wichtige Rolle zu. Was die Ästhetik betrifft, stand von da an die Widerspiegelungstheorie im Mittelpunkt seiner nun ausdrücklichen marxistischen Kunstphilosophie, die er in zahlreichen Aufsätzen formulierte. Wie stark er dieser materialistischen Theorie verhaftet war, wird in der Forschungsliteratur lebhaft diskutiert. Diese Diskussion ist ebenso wie die Rekonstruktion der ästhetischen Theorie von Lukács nicht einfach, weil seine Rezeption von politischen Interessen und entsprechenden Streitigkeiten überlagert ist. Es gibt in der Tat eine »Verwirrung stiftende Wahllosigkeit beim Gebrauch Lukácsscher Theorieelemente.« In seiner Ästhetik spielte demnach die traditionelle Nachahmungstheorie eine große Rolle. »Wer wissen will, was denn das spezifisch Künstlerische an jenem Stück Ideologie sei, das Kunst heißt, wird mit dem Hinweis beschieden, daß sie das Wesen der bestehenden Verhältnisse statt ihrer bloß erscheinenden Oberfläche aufdeckt.« Wer nach der Aufgabe der Kunst in diesem Zusammenhang fragt, erhalte zur Antwort, sie müsse »das Wesen in seiner Totalität fassen und nicht an partikulären, sich vordrängenden Erscheinungen haften bleiben.« Allerdings strickte Lukács feiner an seinem Mimesis-Konzept. Es erschien einigermaßen widersprüchlich, weil er neben einer vom Bewusstsein unabhängigen Wirklichkeit das Subjekt in eine wichtige Rolle setzte. Die Wirklichkeit ist bei ihm ganz auf die Entwicklung des Subjekts ausgerichtet. Bei der Rezeption erfährt die Rezipientin ein Bild der Welt, das eine Differenz zum bisherigen Bild offenbar macht, was zu einer Erschütterung führt. Lukács führt

Bell 1992, 77 von der Lebens­philosophie zum Marxismus

Ebd., 78

Fehn 1974, 235

Bubner 1989, 25 Mimesis-Konzept

122

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Hey-Ehrl Ekkehard in Sexl 2004, 117 VIII.5.3.3./VIII.6.1.1.f.

Lotter Konrad in ÄKPh, 522

Realismusstreit

Mittenzwei 1968, 137

Raddatz 1972, 83/85

Mittenzwei 1968, 127

auf diese Weise den alten Katharsis-Begriff in seine Ästhetik ein. Das sei Aufgabe sowohl der Kunst als auch der Literatur, dass sich der Mensch die Welt aneignet. Dass Lukács hier einen Gedanken Hegels auf Marx anwenden kann, liegt auf der Linie einer intelligenten Hegeldeutung. Dieser philosophische Hintergrund macht es möglich, dass sich Lukács nur scheinbar auf einen traditionellen Realismus zubewegte, wie er zur Staatsdoktrin der Sowjetunion gehörte. Zusätzlich reicherte Lukács seinen Realismusbegriff mit Abstraktionen an und sah das Vorbild am ehesten im Realismus des klassischen bürgerlichen Romans des 19. Jh.s. Realismus wird in der Hand des Hegelianers Lukács geradezu zu einem Gegenbegriff nicht nur zur Avantgarde, die das Einzelne überbewertet, sondern auch zum Naturalismus, der keine dialektische Beweglichkeit mehr zulässt. »Indem die Kunst im Einzelnen die treibenden Kräfte der gesellschaftlichen Entwicklung darstellt, durchbricht sie die Oberfläche der Erscheinung und gestaltet eine vermittelte Unmittelbarkeit.« Das Aufbrechen von starren Oberflächen auf den gesellschaftlichen Hintergrund adle den Begriff des Realen in der Kunst und unterscheide ihn von jeder Realität des entfremdeten Lebens. Führte eine ähnliche Überlegung bei Hegel dazu, dass die Philosophie die Kunst überflügelte, müsste dies bei Lukács konsequenterweise eine Geschichts- oder Gesellschaftstheorie sein, in die sich die Kunst verwandelte. Mit dem Realismusbegriff ist das zentrale Thema der Ästhetik von Lukács angeführt. Er versuchte, diesem Profil zu geben, was zu einem veritablen Realismusstreit führte. Politisch ging es letztlich darum, welche Rolle die Literaten angesichts der Machtergreifung der Nationalsozialisten spielen sollten. Lukács, der politisch einer bürgerlichen Revolution anhing (als notwendiger Vorstufe zu einer proletarischen), stand in dieser Frage im Widerspruch zu anderen Linken, die wie Bertolt Brecht die Bündnispartner im Proletariat suchten und die neuen Stilmittel der zeitgenössischen Literatur und Kunst proletarisch umcodierten. »Innerhalb dieser Dialektik von Inhalt und Form, Stoff und Mittel vollzieht sich der Umfunktionierungsprozeß, der alles andere als ein formaler Akt ist; denn im Ergebnis dieses Prozesses kommt es zu einer neuen gesellschaftlichen Funktionsbestimmung der technischen Mittel.« Lukács sah demgegenüber wenig Zukunftsfähigkeit in der zeitgenössischen Avantgarde. »Hier werden zwei einander fast ausschließende Kunsttheorien entwickelt, die beide jeweils eine marxistische Realismus-Definition für sich in Anspruch nehmen.«/»Lukács […] will die große, geschlossene Welt des Bürgertums im Kunstwerk einholen oder zurückholen. Er will Widersprüche tilgen, er kennt keine offene Form. Brechts Kunstgenuß dagegen ist der Genuß des Erkennens von Zusammenhängen, die vorgeführt werden, von Disparatem, von dem, was sich zwischen Erscheinung und Wesen geschoben hat. Brecht schiebt den Genuß aus dem Kunstwerk heraus […] Das, sagt er, ist realistische Schreibweise.« Die Projektionsfigur in diesem Streit um den Realismusbegriff war Bertolt Brecht, aber der Streit selbst zog weite Kreise und ihr Niederschlag gehört zu den »wichtigsten Dokumenten der marxistischen Ästhetik […] [und] ist ein wesentlicher Kulminationspunkt in der Entwicklungsgeschichte der marxistischen Realismustheorie.« Letztlich ging es dabei um die in der Sowjetunion in den Dreißigerjahren



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

stattfindende Gewichtsverschiebung, die den Realismus nicht mehr als Stilrichtung wahrnahm, sondern aus ihm eine Methode zur Weltveränderung machte. Die Differenz in der Realismusdeutung wurde weiter getragen in den Expressionismusstreit. In dem im Schoße des Bundes Proletarisch-Revolutionärer Schriftsteller und der Exilzeitschrift Das Wort ausgetragenen Streit ging es eigentlich um den Realismus und um die Bewertung der traditionellen auf der einen und der avantgardistischen Literatur auf der anderen Seite. Ein Aspekt dabei war die Frage, ob der Expressionismus – vor allem in der Literatur – bloße Oberfläche, also einen Status der Entfremdung, zeigte oder ob er zum Wesen vorstieß. Kritik gab es auch an philosophischen Ästhetiken wie jener von Schelling, Vischer oder Schiller. In der Zeitschrift wurde der in den Dreißigerjahren aufkommende Sozialistische Realismus lanciert. Die Kritiker widersprachen der Vorstellung vehement, dass menschliche Erkenntnis durch Widerspiegelungstheorien beschrieben werden könne. Vielmehr, das war auch die Meinung Brechts, ginge es um konkrete Maßnahmen zur Rückgewinnung des Menschlichen. Expressionismus stand als Chiffre für gegenstandslose Kunst, in deren Ablehnung Lukács und Brecht übereinstimmten: »Ich sehe, daß ihr aus euren Bildern die Motive entfernt habt. […] ich wundere mich darüber, und zwar, weil ihr sagt, daß ihr Kommunisten seid, Leute, die auf die Umgestaltung der Welt ausgehen, die nicht bewohnbar ist.« Der Aufreger indes war, den Expressionismus als irrationales Konzept in die Entwicklung hin zum Faschismus zu stellen. Das war nur Teil eines in Lukács’ Buch Die Zerstörung der Vernunft (1954) lancierten Angriffs auf genau jene lebensphilosophischen und romantischen Quellen, denen er selbst vor seiner Wende zum Politischen und zum Marxismus gefolgt war. Der Expressionismusstreit war letztlich auch eine Distanzierung Lukács’ von seiner eigenen Vergangenheit. »Gewiß war dies auch ein Versuch, sich von seiner eigenen intellektuellen Frühphase zu befreien und gegenüber der bürgerlichen Öffentlichkeit, die seine lebensphilosophischen Werke schätzte und in den späteren marxistischen Arbeiten eine Verirrung und Verfehlung sah, ein deutliches Signal zu setzen.« Ähnlich wie Bert Brecht reagierte der befreundete Ernst Bloch heftig und warf Lukács Schwarz-Weiß-Malerei vor, nämlich »fast alle Oppositionen gegen die herrschende Klasse, die nicht von vorneherein kommunistisch sind, der herrschenden Klasse« zuzurechnen. Das aber sei »mechanisch, nicht dialektisch.« Die Wahrheit sei eine andere: »Die Expressionisten waren ›Pioniere‹ des Zerfalls: wäre es besser, wenn sie Ärzte am Krankenbett des Kapitalismus hätten sein wollen? Wenn sie den Oberflächenzusammenhang wieder geflickt hätten (etwa im Sinn der neuen Sachlichkeit oder des Neuklassizismus), statt ihn immer weiter aufzureißen?« Die wichtigste Darstellung der marxistischen Ästhetik von Lukács bietet das unvollständig gebliebene Werk Die Eigenart des Ästhetischen (1963), »der große Versuch, Hegel noch einmal für die Ästhetik nutzbar zu machen: […].« In diesem ästhetischen Hauptwerk – Lukács war bereits 78 Jahre alt – geht es nicht um traditionelle systematische Fragen von Kunst und Kunstwerk, sondern im gerade geschilderten Sinn um die Funktion der Kunst als Instrument zur Aneignung der gesellschaftli-

Brecht, zit. nach Ebd., 146

Schneider 1996, 169

Bloch 1938, 269/271

Raddatz 972, 110

124

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Lukács 1932, 28

Lukács 1963, I, 155

Ebd., 658f

chen Wirklichkeit, wie das schon drei Jahrzehnte vorher sein Anliegen war: »[…] dieser starren, mechanistischen Gegenüberstellung von (Einzel-)Menschen und Gesellschaft, die der ganzen bürgerlichen Konzeption von ›Moral‹ zugrunde liegt, entspricht die Isolierung des Kunstwerks von der gesellschaftlichen Praxis, von der materiellen Produktion und vom Klassenkampf […].« Das zieht Lukács vom Alltagsleben und von der Geschichte her auf. Das Phänomen des Alltäglichen war ein verbreiteter Topos in der Philosophie der ersten Jahrhunderthälfte. Das reicht von der Lebenswelt Husserls bis zum Man Heideggers. Lukács demgegenüber sieht im Alltag eine objektivierende Verdinglichung der Arbeitsgesellschaft – analog wie das auch für die Kunst gilt. Während allerdings Wissenschaft »desanthropomorphisierend« und abstrahierend wirke und das Geheimnis der Natur verscheuche, zeige die Kunst den gegenteiligen Effekt durch das Konkrete und Visuelle. Auch sie zeigt sich im Alltag aber durch eine Homogenisierung der partikulär auseinanderbrechenden Effekte und Abbildung der Welt. Die Eigenart des Ästhetischen beschreibt eine ästhetische Kultur ohne Schönheit. Die alte Ästhetik der Schönheit samt dem interesselosen Wohlgefallen sei nichts weiter als ein Sehnsuchtsort der Menschen. Das Naturschöne nimmt bei Lukács ein eigenes Kapitel ein. Dabei entfernt er sich doch mit Hilfe Hegels und Kants vom klassischen Materialismus und bestimmt Natur und Ästhetisches nicht als subjektunabhängig, sondern als Wechselwirkung mit dem Menschen. »Im Ästhetischen dagegen gehen die Impulse des schöpferischen ganzen Menschen in das Kunstwerk über, werden zu dessen objektiven Aufbauelementen, zu Bestimmungen des Was und Wie seiner Gegenständlichkeit […].«

3.2.2. John Dewey

Pragmatismus und ästhetische Erfahrung

Wollheim 1968, 99

X.3.4.

1859 wurde in Burlington (Vermont) John Dewey in ein streng puritanisches Umfeld hineingeboren. Er wurde Philosoph und Psychologe, der zuerst an Hegels Idealismus, dann, etwa ab der Jahrhundertwende, an empirischen Methoden orientiert war. Er lehrte drei Jahrzehnte an der Columbia University in New York. Eines seiner philosophischen Anliegen war, die alte spekulative Philosophie pragmatischen Kriterien zu öffnen. Als Theoretiker des Pragmatismus wurde er in der Philosophiegeschichte bekannt. Das menschliche Handeln trat gegenüber Spekulationen in den Vordergrund der Betrachtung. Bei diesem Pragmatismus setzen auch Deweys Überlegungen zur Kunst an. Kunst werde sowohl in den theoretischen Überlegungen als auch in der Praxis vom Alltagshandeln des Menschen ausgelagert. Jede ästhetische Erfahrung wurzelt jedoch im Alltag. »Niemand hat die Abhängigkeit der Kunst und unserer Wertschätzung der Kunst von der Lebenserfahrung beharrlicher behauptet als John Dewey.« Deweys Alterswerk Art as Experience (1934), eine Sammlung von einschlägigen Vorlesungen, benennt sein Anliegen. Er steht gegen eine reine Zeichenhaftigkeit der Kunst, gegen den in der europäischen Kunstphilosophie vorherrschenden Idealismus und deutet sie als konkrete Erfahrung. Das Buch erschließt eine in der Alltagserfahrung geerdete Kunstphilosophie und es bietet damit viele Anregungen für das,



125

Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

was man als ästhetische Erfahrung bezeichnet. Erfahrungen können abstumpfen, sie können auch zu einer inkohärenten, nur mehr mechanischen Abfolge auseinanderfallen. Demgegenüber bleibt es wichtig, dass Erfahrungen sich verändern, aber trotzdem einen Zusammenhang aufweisen. In besonderer Weise gelinge dies in der Kunst. Kunstrezeption basiere auf elementaren physischen Voraussetzungen (basic vital functions) und auf der Kantischen Bestimmung, dass das ästhetische Urteil auf Erfahrung beruhe und ohne Begriff sei. Für Dewey bilden ästhetische Erfahrungen keine eigene Klasse von Erfahrungen, sondern sie sind eine Steigerung (und eine Ordnung) von Aspekten, die auch andere Erfahrungen auszeichnen. »In der Erfahrung von Kunst machen wir, so gesehen, Erfahrungen mit unserem sonstigen Erfahren.« Ästhetische Erfahrungen, also Erfahrungen mit Kunstwerken, sind demnach nicht von den Alltagserfahrungen getrennt, sondern stehen mit ihnen in Zusammenhang. Aber sie sind besonders intensiv, können das Leben verändern und sich zu sich selbst finden lassen. Selbstredend sind solche Erfahrungen von Rezipient zu Rezipient verschieden: »[…] the same art object may strike different people differently. Not everyone is moved to epiphanic heights by the same object. Some may never have such an experience.« Ästhetik ist für Dewey eine Art Sozialwissenschaft, »deren Erfahrungsbereich und Gegenstand neben der Kunst vor allem die in sich differenzierte Gesamtheit der sozialen Lebenswelt ist.« Zum Unterschied von der Wissenschaft beziehe sich Ästhetik auf Ganzheit. In einer an Platons Demiurgen-Paradigma erinnernden Überlegung verweist Dewey auf die rhythmischen Prozesse in der Natur, die in der Alltagserfahrung disparat verlaufen, in der Ästhetik jedoch zu einer Einheit harmonisiert werden. »Immer wenn ein stabiles, wenn auch in sich bewegliches Gleichgewicht erreicht wird, entsteht Form.« Sein Kunstwerkbegriff, den er hauptsächlich über den Kunstsammler Albert Coombs Barnes vermittelt bekam, bewegt sich dabei in bekannten Bahnen. Kunstwerke weisen eine Verbindung von Form und Material auf, sie sind physische Objekte. Die geschichtliche Veränderung der Kunst gibt es, »weil immer wieder neue Erfahrungen als relevant auftauchen, die nach Ausdruck verlangen und so neue Techniken – bzw. einen neuen Stil – provozieren.« Auch kommt dem Kunstwerk eine pseudo-anagogische Funktion zu, indem es durch seine Einheitlichkeit die Rezipientin aus der Verhaftung der Alltagserfahrung mit ihren Beschränkungen befreit und ihr eine neue Wahrnehmung ermöglicht. »The arts do more than provide us with fleeting moments of elation and delight. They expand our horizons. […] They teach us new ways of thinking, feeling, and perceiving.« Kunst ist für Dewey »das Wirken jener Kräfte, die die Erfahrung eines Ereignisses, eines Objekts, einer Szene oder Situation zu ihrer eigenen, integralen Erfüllung bringen.« In dieser Weise erhält Kunst eine moralische Dimension und werde zur Schule der Toleranz und Weltoffenheit, eine viel bessere, als dies jede philosophische Theorie leisten könnte. Solche Ansichten machte Deweys Buch für Künstler der Moderne, namentlich die Vertreter des Abstrakten Expressionismus, attraktiv, sodass man Dewey sogar als »theoretischen Lehrmeister der amerikanischen Avantgarde-Künstler […]« bezeichnen kann.

X.1.4.ff.

Bertram 2005, 195

Jackson 1998, 109 Heininger Jörg in ÄGB I, 366

Dewey 1934, 22 Kunstwerkbegriff

Ullrich Wolfgang in ÄKPh, 217

Jackson 1998, 33 Dewey 1934, 159; im Orig. kursiv

Schneider 1996, 225

126

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ebd., 218

Das mag erstaunen, ist doch, allem Pragmatismus zum Trotz, die anagogische Ambition der Vertreter dieser Schule durchaus alteuropäisch. Was aber faszinierte, war sozusagen die metaphysikfreie Anagogie und die Ausgangsbasis der konkreten Erfahrungswelt. Ästhetische Erfahrung wird hier zu einer »Erhöhung des Lebensgefühls.« Deshalb darf Kunst nicht bloß individuelle Befriedigung bieten, was Dewey Kritik an bisherigen subjektivistischen und elitären Kunsttheorien üben lässt, wo er eine isolierte Konzentration auf Künstler oder Rezipientin sah.

3.2.3. Theodor Lipps und das Konzept der Einfühlung VIII.6.2.2. VIII.6.1.7.

VIII.6.2.1.

Lipps 1906, zit. nach Utitz 1924, 152 Allesch Christian in ÄKPh, 500

Einfühlung und ästhetisches ­Verstehen

Der im pfälzischen Wallhalben 1851 geborene Theodor Lipps prägte um die Jahrhundertwende den Begriff der »Einfühlung«. Der Begriff (der auch Friedrich Theodor Vischer zugeschrieben wird) markiert eine Reaktion auf die seiner Meinung nach naturalistische Reduktion der Psychologie durch Gustav Theodor Fechner, was wiederum Ausdruck eines zunehmenden Erstarkens des naturwissenschaftlichen Paradigmas war. Dem stand das Bedürfnis des Bildungsbürgertums nach geistigen Gehalten gegenüber, dem Lipps nachkam. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s geriet der Begriff in Verruf, witterte man doch darin einen Irrationalismus. Er kehrte unter anderer Benennung als Empathie wieder. In der Einfühlung sah Lipps eine Quelle für das Wissen über andere. Einfühlung funktioniere durch Nachahmung. Durch das motorische Mitvollziehen von Ausdrucksbewegungen anderer werden im Wahrnehmenden Gefühlsbewegungen erzeugt, die objektiviert werden können. Den derart auf empirisch-psychologischer Ebene gewonnenen Einfühlungsbegriff wandte er auch auf die Ästhetik an. Er wurde für ihn der »Grundbegriff der heutigen Ästhetik«, wie er in Einfühlung und ästhetischer Genuß (1906) sagte. Es handelt sich dabei nicht nur um ein ästhetisches Erklärungsprinzip, sondern um »ein allgemeines Prinzip der Gestalt- und Bedeutungswahrnehmung.« Lipps, der letztlich eine Radikalisierung von Husserls Phänomenologie betrieb, indem er von dessen Bewusstseins-Ich zu einem existenziellen Ich wechselte, legte eine Fülle von einschlägigen Untersuchungen vor. Sein Hauptwerk Ästhetik. Psychologie des Schönen und der Kunst erschien in zwei Bänden: Grundlegung der Ästhetik (1903) und Die ästhetische Betrachtung und die bildende Kunst (1906). 1907 fasste er seine ästhetische Theorie unter dem Titel Die Kultur der Gegenwart in einem Sammelband nochmals in größerem Kontext zusammen. Im Mittelpunkt stand der Verstehensbegriff Diltheys, dessen Hermeneutik. Demnach seien künstlerische und literarische Werke Ausdruck von Erlebnissen und Lebensgefühlen. Auch bei Lipps ist der Begriff des Verstehens ein Schlüsselbegriff. Ästhetik sei nicht ein Geschäft des ästhetischen Wertens, sondern des Verstehens, wie das ästhetische Werten funktioniert. Auch diese Untersuchung umfasst noch seinen Einfühlungsbegriff und erschließt letztlich als ein Suchprogramm den Gesamtbestand der Ästhetik, inklusive der Gesetzmäßigkeiten, aus denen normative Setzungen hervorgehen. Für Lipps war wichtig, dass nicht nur ein kunstsinniger Philosoph Kunst erklärt, sondern dass Kunstverstehen einem gesellschaftlichen Konsens entspringt. Das



127

Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

meint nicht unbedingt eine Elite, sondern wird als eine aus ständigem Umgang mit der Kunst gewonnene Kompetenz verstanden. Lipps bekam in dieser Frage Unterstützung durch den in Tübingen wirkenden Kunsthistoriker Konrad von Lange, der den psychologisierenden Zugang zur Kunst verteidigte. Immerhin ging es um eine empirische Fundierung der Ästhetik, damit sie nicht länger ein »Tummelplatz ganz willkürlicher Spekulationen« sei. In der Tat nahm diese Schule Kunst ernst. Es war nicht ihre Ambition, an der Kunst die eigene philosophische Position darzustellen. Nach Lange lässt sich am Kunstwerk die Intention des Künstlers entschlüsseln. Das bedeutet für Lange: »daß wir bei der Anschauung der Natur eben nur den so oder so beschaffenen Gegenstand anschauen, den wir wahrnehmen, bei der Kunst dagegen außerdem auch noch an den Künstler denken, der das Werk geschaffen hat […].« Dass das Vertrauen darauf, die Intention von Künstlerinnen in ihrem Kunstwerk dechiffrieren zu können, einem schwer zu rechtfertigenden Optimismus entspricht, wird im Kapitel X.3.2. ausführlicher zur Sprache kommen. Eine andere Sache ist die »Technik« der Einfühlung, durch welche verbindliche Normen für Künstler als objektive Strukturen erschlossen werden. Lipps interessierten in Kunst und Musik weniger Themen und Inhalte als vielmehr Formverläufe. »Formen sind für ihn das Korrelat von Gefühlen.« Die durch Formen ausgelösten Elementargefühle nannte Lipps in Fortführung von Fechner und Wilhelm Wundt Lustgefühle. Diese ergeben sich aus der Verbindung der Teile zu einem Ganzen, welches dem Ganzheitsverständnis der Gestaltpsychologie, wie sie von Christian von Ehrenfels inauguriert wurde, sehr nahe kommt. Lustvoll sei eine Einheit in der Mannigfaltigkeit, eine Ganzheit also, die einen durch die verschiedenen, auch entgegengesetzten Teile identischen Grundzug darstellt, der der Verschiedenheit entgegentritt. Damit bewegte sich Lipps in einer großen Tradition der Ästhetik. Auch für ihn bleibt eine grundlegende Harmonie das Um und Auf seiner Ästhetik. Die Einheitlichkeit und die Einheit in der Mannigfaltigkeit werden in der Tat zu den »wichtigsten Erklärungsprinzipien ästhetischer Formgefühle.« Dazu kommt eine »monarchische Unterordnung«. Gemeint ist hier eine Unterordnung unter eines oder mehrere Elemente, die die Führung übernehmen. Solches findet er in der Metrik. In den Versmaßen Trochäus, Daktylus und Anapäst bilden die akzentuierten Teile ein Gravitationszentrum, auf das hin die vielen Elemente in Unterordnung seien. Eine solche Tendenz der Gewinnung einer Einheit finde sich aber auch in Baustilen wie etwa in der Gotik, wo sich der Bau dem dominierenden Turm unterordne. Man weist immer wieder darauf hin, dass das Konzept Formbeachtung in der Avantgarde eine wichtige Rolle spielte, scheint sich doch namentlich die gegenstandslose Kunst zu einem hohen Grad als Formentwicklung begreifen zu lassen. Demnach hätten Formbeschreibungen »einen entscheidenden Impuls für die künstlerische Praxis gebildet [haben], die diese Deskriptionen gleichsam in den Bildern symbolisch thematisiert, so daß es danach ein zirkulärer Effekt war, wenn die ständig formalistischer werdende Theorie darin Belege und Bestätigungen für ihre Behauptungen fand.« Auch die Einfühlung in dem Sinne, wie sie Wilhelm Worringer in Abstraktion und Einfühlung weitergedacht hatte, war für die avantgardistische Bildauffassung ein

empirische ­Fundierung der Ästhetik

Lange 1907, 3

Schneider 1996, 136

Allesch Christian in ÄKPh, 501

X.1.3.2.3.

Schneider 1996, 139

VIII.6.2.2.

128

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Lipps, zit. nach Ebd., 140

wichtiges Element, ob nun im Fauvismus die elementare Qualität der Farben gegenüber dem Motiv autonom wird oder ob sich bei den Improvisationen Kandinskys das tätige Subjekt in die Formen »einfühlt«. Was damit gemeint ist, beschreibt Lipps am Beispiel der Linie: »Es ist in dieser, wenn ich sie betrachte, eine Bewegung, ein sich Strecken, sich Ausdehnen, sich Begrenzen, ein schroffes Einsetzen und Absetzen, oder ein stetiges Gleiten, ein Auf- und Abwogen. ein sich Biegen, sich Schmiegen, ein sich Einengen, sich Ausweiten.«

3.2.4. Benedetto Croce

Croce 1902, 4

Kunstwerk als Intuition

X.3.2./X.3.5.1.2.

Benedetto Croce, 1866 in Aquila in den Abruzzen geboren, verstand sich als Erneuerer Hegels. Die Motivation für den Neo-Idealismus war, die empfundene Dominanz von Positivismus, Psychologismus und Naturalismus durch eine erneuerte Geistphilosophie zu brechen. Dies war nicht nur ein philosophisches Projekt, sondern auch politisch angesagt. Croce war befreundet mit dem Philosophen und Politiker Giovanni Gentile, der mit dem Idealismus konservativ-nationalistische Momente verknüpfte. Gentile wurde 1922 in Mussolinis Kabinett Erziehungsminister. Darüber zerbrach die Freundschaft mit Croce. Der in seiner Jugend durch den Einfluss des marxistischen Philosophen Antonio Labriola politisch eher links stehende Croce (was die Ablehnung einer bloß idealistisch-dialektischen Geschichtstheorie einschloss) beteiligte sich im liberalen Umfeld an der Bewegung des Risorgimento und schrieb nach Mussolinis Machtergreifung antifaschistische Beiträge in der in früheren Zeiten zusammen mit Gentile gegründeten Zeitschrift La Critica. Die eingehende Beschäftigung mit Hegel sprengte ein allzu enges marxistisches Denkkorsett und regte Croce zu einer Geistphilosophie (filosofia dello spirito) an, wenngleich die Hegel-Rezeption differenziert blieb: Er war fasziniert von einer Hegelschen Freiheitsphilosophie, eine daraus konstruierte wissenschaftliche Geschichtsphilosophie lehnte er hingegen ab. 1902 schrieb Croce seine Philosophie des Geistes (Filosofia come Scienza dello Spirito), die die intuitive Erkenntnis, die logische Erkenntnis sowie das wirtschaftliche und moralische Handeln thematisierte. Der erste Teil (Estetica come scienza dell’espressione e linguistica generale) des mehrbändigen Projekts umfasste in wesentlichen Zügen seine ästhetische Theorie. Croce traktierte darin zuvörderst den Begriff der Intuition, die er – als eigenständige Erkenntnisform – von der logischen Erkenntnis abgrenzte: »[…] die intuitive Erkenntnis hat keinen Herrn nötig; sie braucht sich an niemand anzulehnen; sie braucht sich keine fremden Augen zu leihen, weil sie eigene, sehr scharfe Augen auf der Stirn hat.« Intuition richte sich nicht auf das Universale, sondern auf das Individuelle, erzeuge Bilder und nicht Begriffe. Intuition sei demnach ein aktives synthetisierendes Suchprogramm, in das auch Gedächtnis und Phantasie involviert bleiben. Die Deutung des Kunstwerks als Intuition führte konsequent zu einer Auffassung des Kunstwerks als mentales Konzept. »Aber diese meine Antwort, die Kunst sei Intuition, […] verneint vor allem, daß die Kunst etwas Physisches sei; z.B. gewisse abgegrenzte Farben oder Farbenbeziehungen, gewisse abgegrenzte Körperformen, gewisse ab-



129

Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

gegrenzte Töne oder Tonbeziehungen, gewisse Wärme- oder Elektrizitätserscheinungen, kurz, irgend Derartiges nennt man ›physisch‹.« Mit dieser Ablehnung des Kunstwerks als materiellem Gegenstand war Croce neben Leo Tolstoj, Robin G. Collingwood und anderen ein Vertreter der kunstphilosophischen Theorie des Mentalismus. »Croce, like Kant, and like Scruton and Wollheim in recent years, tries to show the proper place of the aesthetic in some full story of the mind’s structure.« Für Croce ist das Kunstwerk aber nicht nur ein Gedanke oder eine Idee, wie dies der Grundfigur des Mentalismus entspricht, sondern ein innerer Zustand der Intuition, die er mit dem Ausdruck gleichsetzt (l’identità di intuizione ed espressione): »Jede wahre Intuition oder Vorstellung ist zugleich Ausdruck (Expression).« Im Ausdruck verdichte sich die Intuition als Ergebnis eines schöpferischen Geistes. Die Künstlerin schaffe nicht etwa einen Ausdruck ihrer Künstlerpersönlichkeit, sondern der Ausdruck bedeute einen objektivierten und in eine künstlerische Form überführten Gehalt. Der auf der grünen Wiese sinnierende Architekt erzeugt intuitiv geistige Bilder seines Vorhabens, die zugleich Ausdruckscharakter haben. Kunst sei die Umsetzung von Erlebnissen in ein Werk. Ästhetik wird hier verstanden als eine Wissenschaft des Ausdrucks. Eine gelungene Umsetzung nannte Croce poesia. Die Kategorie des Ausdrucks ist genauso wie jene der Intuition nicht auf die Kunst beschränkt, zeigt sich dort aber prominent. Kunstwerke sind »recht komplizierte und schwierige Expressionen«, die nur selten erreicht werden. Unter dem Stichwort Ästhetik in der Encyclopaedia Britannica verwies Croce auf den Unterschied der Sprache, wenn von Unglück, Trauer, Scham in einer historischen Abhandlung die Rede ist oder in einer Dichtung. Historische Abhandlungen sind sachlich-distanziert, Dichtungen expressiv. Zu einem Kunstwerk wird etwas dadurch, dass es über die sachlich-informative Ebene hinausgeht und eine Erfahrung in uns evoziert. Und das muss ein geistiger Organisationsprozess sein. Diesen genauer zu fassen, fiel indes auch Croce schwer. Die Probleme bei Croces Ansatz entsprechen jenen, die gegen den Mentalismus generell erhoben werden. Beispielsweise geht es um den Status eines solchen geistigen Konzepts angesichts der vielen realen Umsetzungsprobleme, mit denen ein Architekt bei der langen Planungsphase und dem konkreten Bau eines Gebäudes konfrontiert ist. Analog zu diesem Kunstverständnis liegt Schönheit für Croce, abseits eines physischen Faktums, in der geistigen Aktivität des Menschen. Sie ist eine »Expression schlechthin« (espressione senz’altro). Daher kann es auch in der Natur keine ästhetische Schönheit geben. »Wer eine Landschaft schön nennt […] der weist damit nicht auf etwas Ästhetisches hin. […] die Natur ist nur für den schön, der sie mit künstlerischen Augen sieht; […] ohne das Dazukommen der Phantasie ist kein Teil der Natur schön, […].« Das ist klar im Sinne Hegels gesagt und eine Verlängerung des cartesianischen Rationalismus. Man könnte das als eine sich aus Hegels Idealismus ableitende frühe Formulierung der ästhetischen Wahrnehmung deuten. Selbstverständlich verträgt sich eine solche auf Mentalismus und Expression konzentrierte Kunstphilosophie nicht mit der Nachahmungstheorie der Kunst. Diese kann keine reine Nachahmung im Sinne »mehr oder weniger vollkommene[r] Du-

Croce 1913, 8f 3.2.5. Lyas 1997, 68

Croce 1902, 10

Intuition und Ausdruck

X.2.2.

Ebd., 15

Ebd., 103f VII.2.2.1. X.1.4.1. X.2.2.ff.

130

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ebd., 18

Croce 1913, 8

Croce 1902, 17

VII.3.1.

3.2.3.

Schmidinger 2018, 68

plikate natürlicher Objekte« sein, sondern Kunst ist »idealisierende Nachahmung der Natur.« Diese Zusammenhänge seiner Intuitions- und Expressionstheorie verdichtete er in seinem Breviario di Estetica (1913), wo er die Kunst als lyrische Intuition vorstellte und den Gedanken in anderen Äußerungen dazu (L’arte come creazione e la creazione come fare, 1918; Nuovi saggi d’estetica, 1920) weitertrug. »Kunst ist Vision oder Intuition. Der Künstler schafft ein Bild oder Phantasma; der Kunstgenießende stellt sein Auge auf den Punkt ein, den ihm der Künstler gewiesen, blickt durch die Spalte, die er ihm geöffnet hat und reproduziert in sich jenes Bild.« Einen ähnlich fließenden Unterschied wie bei der Intuition gibt es nach Croce zwischen den Normalmenschen und dem Genie. Croce stellte den romantischen Geniebegriff sozusagen vom Kopf auf die Füße und hielt fest, dass »Genialität nicht vom Himmel fällt, sondern die Menschlichkeit selber ist.« Schließlich versuchte er eine Differenz zwischen Kunst und Handwerk zu finden. Zum Unterschied von der Kunst arbeite das Handwerk mit Zweck und Mittel. Es setzt eine dezidierte Planung und das Erreichen eines vorher festgelegten Zieles voraus. Handwerk bestehe in der Umformung von Material. Dass diese Differenz kaum für eine klare Unterscheidung der beiden Genres taugt, liegt auf der Hand. Erwähnenswert bleibt, dass Croces Zuneigung zum Sinnlichen und zur Expression ihn nicht positiv zum Barock stimmen konnte. In mehreren Äußerungen (Il concetto del barocco, 1925; Storia dell’età barocca in Italia, 1929) polemisierte er, wie an entsprechender Stelle bereits angemerkt, gegen den Barock, sah in ihm sogar einen Gegensatz zur Kunst (qualcosa di diverso dall’arte). Neben Croce war Leo Tolstoj (Was ist Kunst; 1898) ein glühender Vertreter einer solchen Expressionstheorie. Er sah in der Kunst, nicht unähnlich dem Konzept der Einfühlung, eine Übertragung von Gefühlen. Wahrer Kunst gehe es nicht um Schönheit, sondern sie drücke Emotion aus und löse sie gleichzeitig aus. Die doch sehr einseitige Konzentration auf den Ausdruck von Emotion führte bei Tolstoj in ihrer Rigorosität zu einem ziemlich albernen Auslesekriterium. Nahezu alles, was als große Kunst in die Tradition eingegangen ist, wurde ausgeschieden. Übrig blieben biblische Geschichten, die Epen Homers, religiöse Devotionalien und Schilderungen von Kindern, die sich vor Wölfen fürchten. Der streng religiöse Tolstoj führte jede Emotion grundsätzlich auf die Liebe Gottes zurück. Wie wenig er selbst sich Emotionen zubilligte, bezeugte Anton Tschechov, der klagte, dass Tolstoj (ebenso wie Dostojewskij) vor lauter Religiosität humorlos geworden sei.

3.2.5. Robin George Collingwood Der 1889 in der Grafschaft Lancashire geborene Collingwood wurde als prominenter Vertreter einer mentalistischen ästhetischen Theorie rezipiert, die das Kunstwerk als geistige Entität ansieht und Kunst als geistige Tätigkeit, aber zugleich als physische Erfahrung. Der von seiner kunstsinnigen Mutter für die Kunst entflammte Collingwood fand über Kant zur Philosophie und befasste sich in der Folge mit Fragen nach dem Wesen von Kunst und Kunstwerk. 1938 ließ er eine grundlegende Überarbei-



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

tung seiner Outlines of a Philosophy of Art von 1925 erscheinen, die unter dem Titel Principles of Art sein ästhetisches Hauptwerk wurde. Seiner Meinung nach sind Kunstwerke nicht Teil der materiell-physischen Welt. Weder eine Partitur, noch eine Aufführung eines Musikstückes seien Kunstwerke, sondern der geistige Entwurf des Komponisten, etwas »in the composer’s head.« Es geht beim Kunstwerk nicht um die physische Realität: »The work of art proper is something not seen or heard, but something imagined.« In der Architektur existiert ein Kunstwerk zwar erst dann, wenn es materiell realisiert, also gebaut ist. Aber dies ist nur die Verkörperung eines mentalen Plans. Architektur existiert bereits als Konzept im Geist eines Architekten. Collingwoods Werk beinhaltete indes mehr als eine ästhetische Theorie im engeren Sinn. Er holte weit aus und begann wie Kant, mit dem er zu philosophieren gelernt hatte, mit den sinnlichen Eindrücken, die uns erreichen und deren Mannigfaltigkeit wir bearbeiten. Daraus wurde eine Ausdruckstheorie der Kunst auf der Basis von Erfahrungen und Emotionen. Collingwood sprach, ähnlich wie Benedetto Croce, der Kunst eine Ausdrucksform zu. Wenn Maler einen Sonnenuntergang »organisieren«, sind die von ihnen geschaffenen Werke keine Kopien der Realität, sondern Repräsentationen, deren Produktion vergleichbar ist mit der Einbildungskraft, welche die Begriffe erzeugt. Bei diesem Vorgang kommt die Imagination ins Spiel (imaginary experience of total activity), die eine analoge Funktion wie Croces Intuition zu haben scheint. Wir rezipieren auf psychischer Ebene Sinnesdaten, die dann durch die Imagination als einer Form des Bewusstseins in Ideen umgewandelt werden. Genauso verhält es sich mit den Emotionen. Jede Wahrnehmung von Sinnesdaten ist mit Gefühlen verbunden, die zunächst Rohmaterial bleiben und erst durch die Imagination bewusst werden. Wie Croce bei der Intuition deutet Collingwood die Imagination als ein aktives Element. Sie ist schöpferisch und sorgt für den Ausdruck des Gefühls. Konkret kommt es in einem ersten Schritt zu Körperreaktionen, über die wir keine Kontrolle haben. In einem zweiten Schritt geben wir den Emotionen Struktur und Stimme, indem wir beispielsweise singen und tanzen, um unser Glück auszudrücken. Und schließlich formulieren wir in einem letzten Schritt begriffliche Konzepte des Ausdrucks. Expression in diesem Sinn ist nicht bloß die Beschreibung einer Emotion, sondern die rational umgesetzte Manifestation einer Emotion in einem Kunstwerk. »In Collingwood’s theory the artist’s special ›intuition‹ becomes his knowledge of his emotional state as expressed in the creation of a new, original, unique work of art.« Das ist aus der Perspektive der Rezipientenseite gesprochen, aber Collingwood geht es auch und vor allem um die Seite der Produzenten. Die Künstlerin schafft nach Collingwood expressiv ein Bild, wobei sie beim Produzieren jene ästhetische Erfahrung erlebt, die ihr Werk zeigt. Richard Wollheim lobt diesen Blick auf die Produzentin: »Collingwoods Principles of Art hat trotz seiner Mängel das Verdienst, fast das einzige Werk aus der Anfangszeit oder der Mitte des 20. Jahrhunderts zu sein, das von den Irrtümern der betrachterorientierten Ästhetik frei ist.« Ebenso wie bei Croce entsprechen auch die Probleme von Collingwoods Theorie denen, die menta-

Kunstwerk als mentaler Gegenstand und Ausdruck

Collingwood 1938, 139 Ebd., 142

Robinson 2004, 179

Wollheim 1968, 212

132

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Thomasson 2004, 81

listische Ansätze generell und der produktionsästhetische Mentalismus im Besonderen mit sich bringen, wie in X.3.5.1.2. genauer dargestellt werden wird. Im Wesentlichen geht es um die fehlende sinnliche Rezipierbarkeit von Kunstwerken. Damit kann auch nicht ein Kunstwerk von mehreren Menschen zugleich erfahren und über es geurteilt werden, »since each would seem to be engaged in her own imaginative activities and experiencing her own imaginary objects.« Wie Croce versucht auch Collingwood, Kunst vom Handwerk zu unterscheiden, und kommt zu ähnlichen Schlüssen. Handwerk ließe sich als Mittel-Zweck-Relation beschreiben. Ein technisches Handeln diene als Mittel der Erreichung eines gewünschten Zwecks. Kunst wiederum sei Ausdruck (und nicht bloß berechnende Erzeugung) von Gefühlen. Anders als das Handwerk entziehe sich die Kunst jeder Planbarkeit, weil Künstler erst nach Abschluss der Arbeiten um ihre Gefühle wissen.

3.3. Der Neukantianismus VIII.5.0.–VIII.6.0.

VIII.6.1.7.f. Liebmann 1865, 223

Marburger Schule

Gegen die Fortschreibung Kants durch den Deutschen Idealismus auf der einen und den Materialismus und Positivismus auf der anderen Seite formierte sich Widerstand und führte zu einer Wiederaufnahme von Kants Erkenntnisphilosophie, die dann postwendend auf die Herausforderungen der zeitgenössischen Wissenschaften zu adaptieren versucht wurde. Der Neukantianismus begann in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s und zog sich bis in die Mitte des 20. Jh.s. Der Tod Ernst Cassirers 1945 könnte als das Ende der Schule angesehen werden. Der Neukantianismus ist ein wesentliches Kapitel der Kantrezeption und auch bei den von Kant beeinflussten Denkern des 20. Jh.s findet man Einflüsse der Vertreter dieser Schule. Die starke Dominanz der sensualistischen Theorien, die die idealistische Kant-Rezeption unter Druck brachte, veranlasste manche Philosophen, den Ausweg darin zu suchen, was Otto Liebmann 1865 so formulierte: »Also muß auf Kant zurückgegangen werden.« Der Beginn der Schule des Neukantianismus ist nicht scharf definiert. Meist werden die Philosophen Albert Lange, Otto Liebmann und Eduard Zeller, dessen philosophiegeschichtliche Untersuchungen zur klassischen Antike bis heute einen hohen Rang einnehmen, als erste Vertreter genannt. Dazu kamen Arbeiten einer Reihe anderer Philosophen und Naturwissenschaftler. Um die Jahrhundertwende bildeten sich zwei Profile der neuen Kantrezeption heraus, die Marburger und die Badische Schule. Hermann Cohen und Paul Natorp gelten als Begründer der an wissenschaftstheoretischen und mathematischen Fragen interessierten Marburger Schule. Das philosophische Zentrum hatte international einen guten Ruf und zog Studenten an, die später als bedeutende Namen in die Geistesgeschichte eingingen, wie José Ortega y Gasset oder Boris Pasternak. Die Neukantianer richteten ihre Kritik sowohl gegen eine psychologistische Fortschreibung Kants als auch gegen die Annahme eines Dinges an sich und der Erkennbarkeit subjektunabhängiger Gegenstände. Die Vermittlung dieser Gegenstände durch die Vernunft geschah nun nicht mehr nur durch ein Erkenntnisapriori, sondern wurde von Ernst Cassirer auf ein Apriori symbolischer Formen erweitert. Der wissenschaftliche Optimismus der Marburger büßte schon durch den Ersten, mehr noch



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

durch den Zweiten Weltkrieg an Attraktivität ein. Nach diesen Katastrophen traten existenzialistische Strömungen in den Vordergrund. Dazu kam, dass die jüdischen Vertreter von den Nazis verfolgt wurden. Cohens Bibliothek wurde im Nationalsozialismus weitgehend zerstört, Reste befinden sich in Jerusalem, Natorps Bibliothek gelangte auf verschlungenen Wegen nach Japan. Die Vertreter der Badischen (oder auch Südwestdeutschen) Schule mit Wilhelm Windelband und Heinrich Rickert interessierten sich für Fragen nach allgemeingültigen Werten. Kunstphilosophische Fragen wurden von beiden Schulen kaum traktiert. Für die Kunstphilosophie von großem Interesse ist allerdings die Arbeit von Ernst Cassirer, »der wichtigste Philosoph […], den der Neukantianismus hervorgebracht hat«, wenngleich »nicht unbedingt ein typischer Neukantianer.« Daneben gab es bedeutende Beiträge von Nicolai Hartmann und der vom Neukantianismus beeinflussten Warburg-Schule.

Badische Schule

Pascher 1997, 13

616 Ernst Cassirer

3.3.1. Ernst Cassirer Der 1874 in Breslau geborene Cassirer studierte Jura und Philosophie. Es soll einer seiner Lehrer, Georg Simmel, gewesen sein, der Cassirers Interesse an der Kantdeutung Cohens auslöste, bei dem er schließlich in Marburg 1899 über Descartes promovierte und damit in den Einflussbereich der dortigen, stark methodisch und erkenntnistheoretisch orientierten Schule geriet. Zwischen 1919 und 1933 unterhielt Cassirer als Professor für Philosophie an der Universität in Hamburg eine fruchtbare Kooperation mit der Warburg-Bibliothek. Er arbeitete mit Aby Warburg, Erwin Panofsky und Fritz Saxl zusammen. 1933 musste er nach England emigrieren, wurde 1939 schwedischer Staatsbürger und lehrte zuletzt an der Columbia-Universität in New York. Nach einigen – ganz im Sinne der Marburger Kantrezeption – an naturwissenschaftlichen und erkenntnistheoretischen Fragen ausgerichteten frühen Arbeiten, in denen Cassirer unter anderem das Apriori Kants strikt auf Kategorien wie Kausalität (nicht in konstitutivem, sondern nur regulativem Sinn) beschränkte (und ausdrücklich nicht mehr auf die Anschauungsformen von Raum und Zeit), wandte er sich kultur- und kunstphilosophischen Fragen zu. Nicht das Interesse an absoluten Geltungsansprüchen stand im Mittelpunkt, sondern jenes nach der Offenheit von Prinzipien. Cassirer, der von seiner Frau als Musikliebhaber beschrieben wurde, der vollständige Opernlibretti im Kopf hatte und ganze Koloratur-Arien zum Besten gab, verwandelte Kants transzendentale Erkenntnistheorie in eine Kulturtheorie: »Es gehört zu den ersten und wesentlichen Einsichten der kritischen Philosophie, daß die Gegenstände nicht fertig und starr, in ihrem nackten An-Sich, dem Bewußtsein ›gegeben‹ werden, sondern daß die Beziehung der Vorstellung auf den Gegenstand einen selbständigen spontanen Akt des Bewußtseins voraussetzt. Der Gegenstand besteht nicht vor und außerhalb der synthetischen Einheit, sondern er wird vielmehr erst durch sie konstituiert […].« Darin sieht Cassirer nachgerade eine anthropologische Konstante. Der Mensch steht immer schon in einer Welt und erhält Zugang dazu nicht nur durch erkenntnistheo-

3.4.1.

Cassirer Toni 1981, 33f

Cassirer 1925a, 35

134

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ebd., 183 symbolische Formen

Cassirer 1944, 289

Cassirer 1923a, 79

Rudolph Enno in ÄKPh, 159

Cassirer 1944, 39/40

Cassirer 1925b, 233

Cassirer 1925a, 35

Ebd.

retische Intentionalität, sondern durch seine vielfältige (kulturelle) Tätigkeit in dieser Welt. Aus der Sicht des Menschen gibt es keinen symbolfreien Raum. Kultur ist ein beständiger Ordnungs- und Setzungsvorgang des symbolischen Raums. Daraus entsteht für den Menschen Sinn. »Nicht das bloße Betrachten, sondern das Tun bildet vielmehr den Mittelpunkt, von dem für den Menschen die geistige Organisation der Wirklichkeit ihren Ausgang nimmt.« Das ist gleichbedeutend mit der Befreiung des Menschen von der Natur, denn nur die Kultur hebt ihn von der Bewusstseinsstufe des Tieres ab und macht den Menschen frei. »Die menschliche Kultur als Ganzes kann als der Prozeß der Selbstbefreiung des Menschen verstanden werden. Die Entwicklung der Sprache, der Kunst, der Religion und Wissenschaft sind die einzelnen Phasen dieses Prozesses. In diesen symbolischen Formen entdeckte und erprobte der Mensch eine neue Macht, eine Macht, mit deren Hilfe er sich eine eigene ›ideale‹ Welt erbaute.« Wie lässt sich eine symbolische Form nun verstehen? Sie ist »jene Energie des Geistes […], durch welche ein geistiger Bedeutungsgehalt an ein konkretes sinnliches Zeichen geknüpft und diesem Zeichen innerlich zugeeignet wird.« So wie die Kultur verändern sich auch die symbolischen Formen in der Geschichte. Sprache, Religion, Kunst, Recht, Geschichte, Technik oder die ursprünglichste, der Mythos, sind solche symbolische Formen. Cassirer stellte keinen festen Kanon davon auf, sondern ließ die Liste offen und flexibel. Symbolische Formen sind »Weisen des Weltverstehens«, ja darüber hinaus dynamische Weisen der Welterzeugung, der ständigen Überführung von Natur in Kultur. »Symbolisierungen sind in jedem Fall Entdeckungen durch Schöpfungen, also produktive Entdeckungen.« Was hier nach frei gewählter Instrumentierung klingt, ist in Wirklichkeit also Teil der conditio humana. Der Mensch lebt in symbolischen Formen, er kann aus dem Rahmen der Kultur gar nicht aussteigen, selbst wenn er das wollte. Er »lebt so sehr in sprachlichen Formen, in Kunstwerken, in mythischen Symbolen oder religiösen Riten, daß er nichts erfahren oder erblicken kann, außer durch Zwischenschaltung dieser künstlichen Medien.« Der Mensch deutet Welt im (medialen) Spiegel seiner Kultur. Er ist ein »animal symbolicum«. So gesehen sind symbolische Formen Instrumente, mit denen überhaupt erst Bedeutungen generiert werden: »Nicht Nachahmungen dieser Wirklichkeit, sondern Organe derselben sind jetzt die einzelnen symbolischen Formen, sofern nur durch sie Wirkliches zum Gegenstand der geistigen Schau gemacht und damit als solche sichtbar werden kann.« Dieser faszinierende Komplex bildet das Thema von Cassirers dreibändiger Philosophie der symbolischen Formen (1923–1929). Er geht darin über eine reine Erkenntnistheorie weit hinaus, weil »derartige Kategorien überall dort wirksam sein müssen, wo überhaupt aus dem Chaos der Eindrücke ein Kosmos, ein charakteristisches und typisches ›Weltbild‹ sich formt.« Gegenstände sind nicht unabhängig vom Bewusstsein zu haben, sondern »das Ergebnis einer Formung, die sich kraft der Grundmittel des Bewußtseins, kraft der Bedingungen der Anschauung und des reinen Denkens vollzieht.« Aber eben eines kulturellen Bewusstseins! Kultur ist ein



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

Zusammenspiel unterschiedlicher Erfahrungen, von Denk- und Handlungsmustern. Eine solche Kultur prägt den Menschen und dieser verändert vice versa die Kultur. Was ist kantisch an solchen Überlegungen? Nach Cassirer vor allem dies, dass Kant gezeigt habe, dass jedes Wissen vermittelt sei und keine Abbildung im Sinne eines unkritischen Realismus. Bei Cassirer verändert sich Kants Subjektaffiziertheit in einen subjektiven Konstruktivismus und verbreitert sich auf alle möglichen Formen des Welterfassens. Cassirer ist nahe an Fichte, aber Fichte blieb abstrakt, während Cassirer die Setzung über Kant hinaustreibt und sie als Kultursetzung beschreibt. Man könnte mit derart geschärfter Aufmerksamkeit den Blick auf Hegel richten. Dann ließe sich Hegels absoluter Geist als Utopie einer gelungenen Kulturwerdung der Natur und des Menschen entschlüsseln, etwas, was bereits Marx an Hegel aufregend gefunden hat. Die transzendentale Fragestellung richtet sich weit über die Wissenschaft im engeren Sinn hinaus auf alle geistigen Tätigkeiten, die als symbolische Formen Welt gestalten. Symbolisierungen sind dann konsequent nicht mehr nur Strukturierungen der Wirklichkeit, sondern beinhalten Entdeckungen (»Symbole konstituieren Wirklichkeit durch Entdeckungen«). Dies gilt für Wissenschaft und Sprache genauso wie für die Kunst. All diese symbolischen Formen »leben in eigentümlichen Bildwelten, in denen sich nicht ein empirisch Gegebenes einfach widerspiegelt, sondern die sie vielmehr nach einem selbständigen Prinzip hervorbringen.« Nach Gottfried Boehm übernahm Cassirer den Begriff Symbol vor allem von Heinrich Hertz. Hertz hatte den Begriff eingeführt, weil der Abbildungsbegriff für die zeitgenössische Physik nicht mehr sinnvoll anwendbar war. Symbol bedeutete ein von der Wirklichkeit entworfenes Bild, das den Umgang mit dieser Wirklichkeit erlaubt, ohne den Anspruch streng mimetischer Abbilder zu erheben. Seitdem regt die Physik unsere Phantasie mit vielen symbolischen Bildern kräftig an, von »schwarzen Löchern« bis zu »Klebeteilchen« (Gluonen). Cassirer unterschied beim Symbolisieren drei Aspekte: (1) die Ausdrucks-, (2) Darstellungs- und (3) Bedeutungsfunktion. Ein Symbol ist ein Zeichen. Es repräsentiert also außer dem, was es selbst ist (Ausdrucksfunktion), auch das, was es bedeutet (Darstellungsfunktion). Der erste Aspekt zeigt uns eine Grundschicht der Unmittelbarkeit des Ausdrucks, wie sie in der Poesie oder auf einer sinnenhaften Ebene vorkommt, der zweite ist die Welt der sprachlichen Beschreibung, die Welt der Zeichenrelation. Das ist auch die Dimension der symbolischen Formen. Wenn Cassirer noch auf eine weitere, im streng wissenschaftlichen Bereich Platz greifende Bedeutungsfunktion verweist, die sich von der Rückbindung an irgend eine Art von Sinnlichkeit oder individueller Erlebniswelt abgelöst hat und wo die Zeichen zu bloßen Bedeutungszeichen werden, erinnert das ein wenig an die Abfolge der Erkenntnisebenen im Rationalismus. Diese Aspekte zeigen letztlich eine Nähe zwischen Kunst und Mythos, denn Kunst leistet Visualisierungen und keine Konzeptualisierungen. Cassirer hat die Symbolwelt Kunst nicht detailliert ausgearbeitet. Seine Äußerungen dazu finden sich an verschiedenen Stellen. So in Idee und Gestalt (1921), Eidos und Eidolon. Das

VIII.5.3.3./VIII.6.1.2.

Müller 2010, 11

Cassirer 1923b, 9

Boehm 1969, 14

Kunst und Mythos

136

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Cassirer 1944, 182

Ebd., 181 Ebd., 182

Ebd., 289

Cassirer 1924, 10

Cassirer 1923b, 6

Problem des Schönen in der Kunst in Platons Dialogen (1924) oder im 9. Kapitel seines späten Werks An Essay on Man (1944), seiner Anthropologie, in der er den Menschen nicht substantial, sondern funktional definiert haben wollte. Trotz der Nähe von Kunst und Mythos gibt es Unterschiede. Der Mythos nimmt ein Bild zumindest zum Teil als substantielle Wirklichkeit. Auch die Religion tut dies. Sie ist namentlich mit der konkreten Existenz konfrontiert, auch wenn sie gegenüber dem Mythos an Vergeistigung gewinnt. Das ästhetische Bewusstsein demgegenüber konzentriert sich auf das Bild und auf das Schauen, das an die Stelle des Wirkens tritt. Kunst konzeptualisiert nicht in gleicher Weise wie die Wissenschaft und kann daher dem mit der Wissenschaft verbundenen Preis hoher Abstraktion entgehen. Künstlerisches Symbolisieren ist zum Unterschied zum Wissenschaftstreiben ein »kontinuierlicher Konkretionsprozeß« und die Kunst eine spielerische »Intensivierung von Wirklichkeit«. Ebenso wie die anderen Symbolsysteme ist sie nicht bloß Nachbildung von Wirklichkeit, sondern »Entdeckung von Wirklichkeiten.« Das Symbolsystem Kunst intensiviert in konkreter, gestalthafter Weise die Wirklichkeit, während die Wissenschaft die Wirklichkeit in ihrer Komplexität abstrakt verkürzt. Der Künstler arbeitet an der Form, wobei in der Kunst das Medium selbst in den Formbildungsprozess einbezogen wird, ohne dass wie in der Wissenschaft Kausalerklärungen für solche Formbildung notwendig seien: »Aber für einen großen Maler, einen großen Musiker oder Dichter sind die Farben, Linien, Rhythmen und Worte nicht nur die Mittel zur Verwirklichung der Ideen, sie sind notwendige Sinnmomente im künstlerischen Prozesses selbst.« An dieser Intensivierung der Wirklichkeit als »Ergebnis eines Aktes der Verdichtung und Zusammenfassung« und der Darstellung der Vielfalt lässt sich über die Qualität der Kunst richten. Mit diesem Kunstverständnis konnte Cassirer die Kunst in seine optimistische Geschichtsphilosophie einordnen. Die Geschichte der menschlichen Kultur ist eine Befreiung des Menschen, wie seine oben zitierten Worte zeigen. Kunst geht nach Cassirer über Mythos und Religion hinaus und liefert – anders als bei Hegel – eine höhere Stufe auf dem Weg zur Freiheit. Die Philosophie der Symbolischen Formen setzt dort ein, wo die Metaphysik endet. Eine Analyse der Porträtkunst der Renaissance, mit der er sich in Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance (1927) auseinandersetzte, sollte diese seine Sicht auf die aufklärerische Kraft der Geschichte stützen. Vor dem Hintergrund der nachkantischen Realismuskritik kommt Cassirer zu einer glänzenden Deutung Platons, die etliche Einsichten späterer Platon-Forschung – aufgehängt an der Mimesistheorie – vorwegnimmt und dessen Bedeutung für die Kunst er unmissverständlich klarstellt: »Es ist nicht zuviel behauptet, wenn man sagt, daß im Grunde alle systematische Ästhetik, die bisher in der Geschichte der Philosophie aufgetreten ist, Platonismus gewesen und Platonismus geblieben ist.« Seine Prägung durch die konstruktivistischen Aspekte bei Kant hat ihn bereits in der Betrachtung der Naturwissenschaft zu einem kritischen Blick auf die Abbildtheorie geführt, mit der Platon in vielen gängigen Rezeptionen assoziiert wird. Cassirer setzte jedoch bei Platons Timaios an und sah dort die Überwindung des Dualismus



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

der mittleren Phase klar. Mit Sicht auf die Rolle von Maß und Proportion als Vermittlung zwischen Idee und Natur kann er Platons Philosophie als Unternehmen der Kunst rekonstruieren. Kunst als Weise der Weltwahrnehmung durch Erzeugung von Welt! Dabei konnte er sich auf Konrad Fiedler berufen, den er mit folgenden Worten zitiert: »Wenn von alters her zwei große Prinzipien, das der Nachahmung und das der Umwandlung der Wirklichkeit, um das Recht gestritten haben, der wahre Ausdruck des Wesens der künstlerischen Tätigkeit zu sein, so scheint eine Schlichtung des Streites nur dadurch möglich, dass an die Stelle dieser beiden Prinzipien ein drittes gesetzt wird, das Prinzip der Produktion der Wirklichkeit. Denn nichts anderes ist die Kunst, als eins der Mittel, durch die der Mensch allererst die Wirklichkeit gewinnt.« Natürlich ist diese Weise der Welterzeugung beim späten Platon, die das Mimesisprinzip durchbricht, mit göttlicher Dignität ausgestattet. In der Interpretation Cassirers wird Kunst im Sinne der Wende in die Moderne hingegen als autonom verstanden. Kulturphilosophisch gesehen tritt der Mensch bei Cassirer weit über eine auf die Kognition verkürzte Funktion in Kants theoretischer Philosophie hinaus und wird zu einem »vielfältig agierenden, verstehenden und erfahrenden Wesen.« Gegenüber der ordnungsauflösenden Dispersion nimmt Cassirer eine primäre Schicht der Erfahrung an, in der Denken, Fühlen und Wollen noch eine Einheit bilden, die sich erst im Verlauf der Kultur nach und nach trennen. Wenn Cassirer in manch einer Rezeption ein postmoderner Zug avant la lettre unterstellt wird, ist diese vorsichtige Pluralisierung der Lebensformen als Niederschlag der individualisierenden Symbolwelten gemeint, die zudem einen hohen Gehalt an subjektiver Konstruktion aufweisen. Freilich ist bei Cassirer kein völliges Auseinanderfallen der Kulturformen im Sinne der späteren différance von Derrida zu finden. In dieser Frage steht er der Moderne näher als der Postmoderne. Während man bei Cassirer sagen kann, dass mit einer Vielzahl von symbolischen Formen, damit auch mit einer »Vielzahl von Medien«, eine handlungsleitende »Weltansicht« festgelegt wird, spricht Nelson Good­man aus stärker konturiertem konstruktivistischem Geist von Symbolsystemen als »ways of worldmaking«.

3.3.2. Nicolai Hartmann Obwohl selbst gelernter Mediziner, sah der 1882 in Riga geborene Nicolai Hartmann in der Ästhetik (gegen die verbreitete Tendenz naturwissenschaftlicher Begründung) eine philosophische Disziplin »ohne Rest«. Philosophisch bei Cohen und Natorp (später dessen Nachfolger in Marburg) ausgebildet, stand er dem Neukantianismus nahe. In mehreren Werken, Über die Stellung der ästhetischen Werte (1926), Das Problem des geistigen Seins (1933) und in der Ästhetik (1953) legte Hartmann einschlägige Überlegungen vor, die sich nicht von seiner Ontologie trennen lassen. Er näherte sich dem Ästhetischen mit Blick auf Schelers (und Husserls) Phänomenologie in platonischer Manier von der Seite einer Werttheorie her und ließ keine Trennung von Ästhetik und Schönheit sowie deren Träger, dem schönen Ge-

Fiedler, zit. von Cassirer, Nachl., 79f

Margreiter 2007, 35

4.5.1.

Ebd., 37 3.9.4.

138

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Hartmann 1953, 7/5 Bekenntnis zum Schönen

Werkästhetik

Schichtentheorie

Brodbeck Karl-Heinz in ÄKPh, 361 Ebd.

genstand, zu. Das Schöne bleibe »Grundwert« und »universaler Gegenstand der Ästhetik«. Dieses klare Bekenntnis zum Schönen war im 20. Jh. zwar keine Selbstverständlichkeit mehr, aber in den zeitgenössischen Ästhetikkonzepten durchaus noch üblich. Hartmann sprach vom Schönen beinahe wie von einer platonischen Idee, Geschichtlichkeit schloss er aus. Ebenso sah er keine Möglichkeit einer philosophischen Analyse des Schönen. Auf vier Wegen ließe sich seiner Meinung nach dieses Schöne erreichen. Im Wesentlichen entsprechen diese Wege der Produktion und Rezeption sowie – sein Interesse lag eindeutig auf der Gegenstandsseite – der Analyse des Gegenstandes in seiner äußeren Form und seinen inneren Werten als ästhetischer Gegenstand. Diese Distanz zur Rezeptionsseite, die zugleich eine Distanz zur Empfindung markierte, mag wohl mit der Skepsis gegenüber den zeitgenössischen psychoempirischen Ästhetikkonzepten etwa eines Gustav Theodor Fechner zusammenhängen. Auf der anderen Seite wandte er sich – im Sinne der Zurückhaltung gegenüber der Rezeptionsseite – auch gegen den Kantianismus im Sinne einer Subjektaffiziertheit des Gegenstandes und rang sich zu einer Metaphysik eines unabhängigen Gegenstandes durch. Aus der Analyse des Gegenstandes lassen sich nach Hartmanns Meinung Werte ableiten. Das hängt wiederum mit einer Schichtentheorie zusammen, dergemäß sich der Gegenstand über seinen realen sichtbaren Vordergrund auf dahinter liegende Schichten aufschließen lässt. Hartmann unterschied in jedem Gegenstand (in jedem Seienden) mit einer physischen, lebendigen, seelischen, geistigen und einer Schicht objektiver Werte fünf solche Schichten. Die Untersuchung dieser Schichten sei nun Aufgabe der Metaphysik. Sie vermag die Gesetze der Schichtung zu entfalten, etwa, dass Eigenschaften sich von unten nach oben, doch niemals umgekehrt fortsetzen, aber ohne dass sich obere Schichten von den unteren reduktionistisch ableiten ließen. Jede Schicht bringt etwas Neues dazu. Ästhetik kann nur in der obersten Schicht angesiedelt werden und nicht auf psychische oder gar physische Elemente reduziert werden. Das bedeutet aber auch, dass nach Hartmann ästhetische Gegenstände nicht in vollem Sinn physisch und real sind. Künstler schaffen (obzwar an einem realen Material) keine Realität. »Die Bewegung an einer Statue ist nicht real, sie verweist in den Hintergrund der Erscheinung des ästhetischen Gegenstandes.« Dem Subjekt kommt es zu, realen Vordergrund und ästhetischen Hintergrund miteinander zu verbinden. »[…] der Zuschauer im Theater, der Leser, der Betrachter des Kunstwerks weiß um die Unwirklichkeit des Erscheinenden.« Es handelt sich bei dieser Beschreibung einer ästhetischen Erfahrung um eine besondere Variante der Expression. Das Kunstwerk will bestimmt keine Nachbildung im realen Material sein, es ist auch nicht im Sinne Hegels die Erscheinung des Absoluten, sondern es drückt letztlich objektive Werte aus. Das Kunstwerk selbst wird nochmals in Schichten aufgeteilt. Sie reichen von der materiellen Trägerschicht über Räumlichkeit, Mimik, Typik, je eigenartige Struktur eines Kunstwerks. Dieser doch ziemlich schwierig zu handhabende Rahmen hat der Ästhetik Hartmanns eine Sonderstellung verliehen, die kaum eine bedeutendere Rezeption zuließ.



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

3.4. Kunstgeschichte als Geistesgeschichte – Von der Ikonographie zur ­Ikonologie Die hauptsächlich von der Wiener Schule der Kunstgeschichte initiierte Methode der Ikonologie könnte man unter dem programmatischen Buchtitel Max Dvoraks zusammenfassen: Kunstgeschichte als Geistesgeschichte (1924). Diese Losung beschreibt treffend die Erweiterung der ikonographischen Methode der Kunstgeschichte auf die ikonologische. Die Ikonographie war von Heinrich Wölfflin pointiert formuliert worden. Sie umfasste Beschreibung und Interpretation des Inhalts von Kunstwerken. Dabei ging es um unmittelbare Vergleiche. Wölfflin arbeitete in seinen Lehrveranstaltungen stets mit zwei Diaprojektoren, um Kunstwerke anhand eines Kriterienkataloges vergleichen zu können. Darüber hinaus interpretierte er Kunstwerke aufgrund von Programmschriften und Äußerungen der Künstler und Auftraggeber, schöpfte Informationen aus Vertragstexten und anderen kunsthistorischen Deutungen. Die Methode war in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s weit verbreitet und es gibt eine uferlose Literatur, die alle Aspekte der ikonographischen Analyse dokumentiert. Grob gesprochen erweiterte die Ikonologie die Ikonographie durch eine geistesgeschichtliche Kontextualisierung der Kunstwerke. Sie verlangt vom Interpreten eine Vertrautheit mit der Kultur- und Ideengeschichte. Terminologisch scheint die Methode – wenn man von Cesare Ripas Iconologia einmal absieht – auf Godfridus Johannes Hoogewerff zurückzugehen, der 1931 einen entsprechenden Vorschlag machte. Der Sache nach gibt es naturgemäß mehrere Vorlagen. Etwa kam bereits Lessings Untersuchung Wie die Alten den Tod gebildet von 1769 der Intention der Ikonologie sehr nahe. Die konziseste Ausarbeitung erfuhr die Methode der Ikonologie im Umkreis des Warburginstituts, namentlich bei Ernst Panofsky.

Ikonographie

Bialostocki 1973, 44ff, 51ff Ikonologie

Ebd., 48

3.4.1. Aby Warburg und der Warburg-Kreis Die Weiterentwicklung verdankt die ikonographische Methode Aby Warburg und Erwin Panofsky. Den aus einer Bankiersfamilie stammenden Warburg, dessen Kunstgeschichtestudium einer Familienrevolte glich, faszinierte von Jugend an das Nachleben der antiken Kunst in der Renaissance. Das Thema wurde für ihn seit einem mehrjährigen Aufenthalt in Florenz zu einem lebenslangen Forschungsprojekt. Das zentrale Element war, dass Warburg für das Verständnis der Kunst eine umfangreiche kulturwissenschaftliche Kontextualisierung forderte. Nur mit einer derartigen geistesgeschichtlichen Rüstung könne man die zahlreich verborgene Symbolik entschlüsseln. Vielleicht regte ihn das Renaissance-Konzept des uomo universale, des universell gebildeten Künstler-Wissenschaftlers, dazu an. Sein spezieller Beitrag zur Kunstgeschichte in diesem größeren Zusammenhang war die Orientierung auf den fundamentalen Einfluss des Neuplatonismus auf die Kunst, insbesondere auf jene der Renaissance. Berühmt wurden seine in der Doktorarbeit (1893 erschienen) durchgeführten Deutungen der Botticelli-Bilder Die Geburt der Venus und Der Frühling als Illustrationen des neuplatonisch inspirierten unvollendeten Gedichtes Stanze per la giostra von Angelo Poliziano. Die neuplatonische Deutung, die er den Bildern gab, lebte von einer Deutung, die den Dynamismus der

617 Aby Warburg

Neuplatonismus und Dynamismus

140

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Hülk 2012, 169

Warburg 2010, 294 Ebd., 305

Ebd., 307f

Rösch 2010, 30

Astrologie und Magie

618 Sandro Botticelli, Der Frühling; GU

neuplatonischen Systeme in den Vordergrund rückte und so grundlegend den Vorgaben Winckelmanns widersprach. Die Arbeit Warburgs über Botticelli war »der Beginn seiner radikalen Bildwissenschaft der Bewegung sowie der Umdeutung und Dynamisierung der Winckelmann’schen Antikenrezeption […].« Dabei hatte ihn das, worauf er stieß, anfangs selbst erheblich irritiert. Die Re­ naissance war nicht – so musste er konstatieren – der ruhigen Besonnenheit eines Piero della Francesca gefolgt, sondern in ein »dämonisches Pathos« Pollaiuolos verfallen. In Florenz um 1490 drängte alles darauf hin, »das bewegte Leben im höhern Stile der grossen Kunst heidnischer Vorfahren zu fassen und umzuprägen.« Warburg empfand das gerade so, als würde er den Barockstil in dem von uns gerne als naive Ruhe interpretierten Quattrocento und dessen antikem Vorbild entdecken. »Wir entschliessen uns jetzt allmählich, diese klassische Unruhe als eine wesentliche Eigenschaft der antiken Kunst und Kultur anzusehn; durch die religionswissenschaftliche Durchforschung des griechisch-römischen Altertums lernen wir aber mehr u. mehr, die Antike gleichsam im Symbol einer Doppelherme von Apollo und Dionysos zu schauen.« Die Irritation Warburgs rührte nicht zuletzt von da her, dass das Pathos, das er entdeckte, seiner Vorstellung von Aufklärung und menschlicher Evolution widersprach. Lange Zeit blieb eine »lineare[n] Entwicklung des menschlichen Bewusstseins vom magischen zum vernünftig-rationalen Denken [ist] für Warburg – ebenso wie z.B. für Cassirer – zentral […].« In Studien zu Dürer und Leonardo da Vinci fand Warburg die Errungenschaft der antiken Sophrosyne (Gelassenheit) gegen das Pathos in Stellung gebracht. Ein solch einfaches Weltbild zerbrach für Warburg endgültig als er sich Studien zum magischen Anteil der Renaissance zuwandte, den er vorher gerne ins Mittelalter abgeschoben hatte. Die Neusichtung war unvermeidlich geworden, als er sich der Deutung der rätselhaften astrologischen Fresken des Francesco del Cossa im Palazzo Schifanoia (Ferrara) zuwandte. Er stellte die Ergebnisse 1912 auf einem Kunsthistorikerkongress in Rom vor. Rationalität der Wissenschaft und Mythos waren hier ein schwieriges Verhältnis eingegangen. Warburg begab sich auf einen Pfad, der bis zu Adornos und Horkheimers Dialektik der Aufklärung reicht. Das Anliegen der neuen Methode war, die verborgene Symbolik vor allem der Kunst der Renaissance kunstgeschichtlich adäquat abbilden zu können. War die mittelalterliche Kunst aufgrund des einheitlichen christlichen Weltbildes mit einer ähnlich einheitlichen Symbolik und einer klaren didaktischen Funktion scheinbar einfach zu entschlüsseln, begann man in der Renaissance, die Kunst zu verrätseln. Als Folge der Wiederentdeckung der Antike ging es auch um Demonstration der Bildung.



141

Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

»Je verfeinerter das Konzept war, je schwieriger die Symbolik, umso enger der Kreis derer, die das Werk tatsächlich verstehen können.« 1419 entdeckte man die Hieroglyphica des Horapollon. Emblembücher entstanden in großer Zahl. Erst eine umfassende Kenntnis der geistesgeschichtlichen Zusammenhänge ermöglicht es, die komplexe Symbolik zu entschlüsseln und sie im Kontext der Kunstgeschichte zu würdigen. Aus dieser Motivation begann Warburg, eine umfangreiche Bibliothek zur gesamten Geistesgeschichte aufzubauen. Sie war ab etwa 1918 allgemein zugänglich und bildete die Grundlage des Warburg-Instituts in Hamburg. Zwischen 1918 und 1924 laborierte Warburg an einer schweren psychischen Krankheit. Er musste die Jahre in einer geschlossenen Anstalt in Kreuzlingen verbringen. Beinahe symbolhaft vollzog sich dabei ein Umdenken in der Einstellung zum Magischen. Er beendete den erfolgreichen Kampf gegen seine Krankheit mit einem Vortrag 1923 in Kreuzlingen, wo er aus seinem neu gewonnenen Blickwinkel das Material einer 27 Jahre zurückliegenden Forschungsreise zu den Pueblo-Indianern neu auswertete. Inzwischen mit dem Symbol-Begriff Cassirers vertraut, sah Warburg die Indianer als symbolisch handelnde Menschen, zwischen »zupackenden Greifmenschen und verharrenden Begriffsmenschen«. Sein letztes großes Projekt, begonnen um 1926, war die Erstellung eines enzyklopädischen Bilderatlas, der vom 2. Jt. vor Christus bis zum 7. September 1929 reichen und die Kulturepochen von Mesopotamien über Rom bis Hamburg umfassen sollte. Er gab ihm den Namen der Erinnerung, der griechischen Mutter der Musen: Mnemosyne. Den gleichen Namen zierte übrigens der Eingang zu seiner Bibliothek in Hamburg. Zu Studienzwecken für diesen Atlas reiste er unter anderem 1928/29 neun Monate nach Italien und baute im Palace-Hotel in Rom ein Arbeitsatelier in seinem Zimmer auf, das er in seinem Tagebuch skizzierte. Als nicht eben eleganten, aber das gesamte Anliegen in einen Satz verdichtenden Untertitel meldete Fritz Saxl folgenden Formulierungswunsch an den Verlag: Bilderreihe zur Untersuchung der Funktion vorgeprägter antiker Ausdruckswerte bei der Darstellung bewegten Lebens in der Kunst der europäischen Renaissance. Er ging mit großem Ernst und voller Energie daran, innere und äußere Bewegungen, auf die er in der Renaissance-Kunst ständig stieß, mit kulturgeschichtlichen Hintergründen zu erklären. Dabei benützte er unter anderem die Rede von vorgeprägten Ausdruckswerten. Sie erinnert an den von Panofsky in seiner Gotikdeutung verwandten Begriff mental habit. Das gewaltige Projekt mit zuletzt 63 Tafeln mit knapp 1000 Abbildungen blieb unvollendet, weil Warburg bald nach seiner Italienreise starb. Keineswegs war der Bilderatlas als eine Kunstgeschichte ohne Worte gedacht, wie manchmal gemutmaßt wird, vielmehr war das erläuternde Wort unabdingbar, dessen Verstehen aber eine gründliche Kenntnis des Anliegens Warburgs voraussetzt. Das Projekt zollte auch der Tatsache Respekt, dass das Bild in der Kunstgeschichte einen zentralen Platz hat und nicht in die Sprache aufgelöst werden kann. Vielleicht könnte man von einem frühen iconic turn in der Kulturwissenschaft sprechen, was insbesondere auch für Warburgs Vortragsstil gilt, der »eine Form

Bialostocki 1973, 31

II.2.7.

Warburg 2010, 538 Mnemosyne

Diers 2009, 181ff

Ebd., 184

142

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ebd., 200 III.2.3.3.2.

Rösch 2010, 99

Diers 2009, 188f

performativen Sprechens und ›Demonstrierens‹« annahm – Warburg selbst sprach einmal von seiner »oratorischen Ballistik«. Insofern könnte man (ähnlich wie Eric A. Havelock dies für die Fragmente der Vorsokratiker einforderte) in der fragmentarischen und hauptsächlich bildlichen Arbeit am Atlas ein methodisches Interesse vermuten: »Diese anderen Arten des Schreibens [gegenüber dem wissenschaftlich-exakten Schreiben; BB] aber sind augenblickshaft, transitorisch, ausschnitthaft, und stellen keine Gefahr der ›Fixierung‹ und ›Stillstellung‹ dar.« Das Forschungskonzept des Instituts beschreibt Michael Diers folgendermaßen: »Es zielt darauf ab, den Werken der bildenden Kunst und der Bilderwelt im allgemeinen jenen kulturellen historischen Kontext zurückzugewinnen, der häufig abgespalten oder verlorengegangen, zum angemessenen Verständnis aber erforderlich ist.« Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten übersiedelte das Institut 1933 unter der Leitung des in Wien geborenen Fritz Saxl nach London. Saxl und Warburg waren 1910 zusammengetroffen, 1914 war Saxl in die Bibliothek eingetreten und zu einem engen Mitarbeiter und Freund Warburgs mit großem Organisationstalent geworden. Der Ausbau der Warburg-Bibliothek zu einem renommierten Forschungsinstitut wurde vor allem von ihm betrieben.

619 Erwin Panofsky

3.4.2. Die Ikonologie Erwin Panofskys und die Ikonik Max Imdahls

3.3.1./VI.5.3.

Ikonologie

In den Zwanzigerjahren stieß der 1892 in Hannover geborene Kunsthistoriker Erwin Panofsky zum Warburg-Institut. Panofsky baute in dieser Zeit das kunsthistorische Institut an der 1919 gegründeten Hamburger Universität auf, dessen erster Professor er 1926 wurde. Er pflegte engen Gedankenaustausch mit Ernst Cassirer, der an derselben Universität die Philosophie vertrat. Frucht dieser wissenschaftlichen und persönlichen Freundschaft war die 1927 erschienene Arbeit Die Perspektive als symbolische Form, die direkt an Cassirers Lehre von den symbolischen Formen anschloss. 1934 emigrierte Panofsky in die USA und bekleidete in New York, Princeton und Harvard Lehrstühle. Am Warburg-Institut war Fritz Saxl mehr der Sammler und wissenschaftliche Auswerter, während es Panofsky um die Weiterentwicklung einer möglichst objektiven Methode der Deutung von Kunstwerken ging. Beeinflusst von Ernst Cassirer und Alois Riegls Kunstwollen, legte Panofsky die Grundlagen zur Ikonologie in seinem 1932 erschienenen Aufsatz Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst (urspr. ein Vortrag von 1931) vor. In stark veränderter Form findet sich dieser Text in den Studies in Iconology (1939) und erschien abermals 1955 in der Aufsatzsammlung Meaning in the Visual Arts. Die wesentliche Neuerung der Ikonologie gegenüber der bisherigen Ikonographie war, wie oben beschrieben, die Berücksichtigung der ideengeschichtlichen Kontexte bei der Deutung von Kunstwerken. Ging man bisher in der Kunstgeschichte vor allem mit Stilkritik und mit Beschreibungen formaler Qualitäten an die Kunstwerke heran, sah sie Panofsky als Teil der Kultur der Zeit, was sich sowohl in Motiven als auch in der Form (damit dem Stil) im Kunstwerk niederschlägt. Die Ikonologie spitzte Panofsky zu einer ob-



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

jektiven wissenschaftlichen Methode zu, um den verbreiteten Subjektivismus in der Deutung von Kunst zu vermeiden. Panofsky beschrieb die Methode als dreistufige Untersuchung: (1) In einer ersten vorikonographischen Stufe geht es um die Beschreibung der vordergründigen Darstellung (Phänomensinn): mimetischer oder ausdruckshafter Aspekt, Motive, Stimmungen, Gesten, Anordnung der Figuren, Kolorit etc. Zu Klärungen können zusätzlich zeitgenössische literarische Quellen dienen. (2) In der zweiten Stufe greift die ikonographische Analyse. Hier werden in üblicher Weise die Motive zu einer passenden Geschichte verbunden (Bedeutungssinn). Ein dargestellter junger Mann von vielen Pfeilen durchbohrt mit Blick in den Himmel kann als Martyrium des Hl. Sebastian entschlüsselt werden. Um dies durchzuführen, muss man mit Symbolen, Allegorien, literarischen Quellen und mythischen Themen vertraut sein. Um eine normale Mahlszene von einer Darstellung des Abendmahls unterscheiden zu können, braucht es Kenntnisse der biblischen Geschichten und der Tradition des antiken Symposiums. (3) Die dritte Stufe, die ikonologische Interpretation, soll das Gesamtverständnis eines Kunstwerks im Kontext der zeitgenössischen Kultur entschlüsseln (Wesenssinn). Der ikonologische Bildsinn besteht »– unter Einschluß des ikonographischen Wissens und über dieses hinaus – in der Funktion des Bildes als einer Ausdrucksform für solche historisch bedingten Geisteshaltungen, die zur Entstehungszeit des Bildes in der Malerei wie auch sonst in religiösen, philosophischen und poetischen Ideen hervortreten.« Das heißt nun, dass die Motive des Kunstwerks als symbolische Formen der Kultur interpretiert werden. An dieser Stelle machte Panofsky den Hintergrund der Philosophie von Kant und Cassirer fruchtbar. Verkürzt könnte man sagen: Ikonologie liegt zum Unterschied von Ikonographie dann vor, wenn ikonographische Features als Symbole gelesen werden. Panofsky führte von Cassirers Symbolbegriff jenen Aspekt fort, der die Eigenständigkeit des Bildes gegenüber dem Sinn meint, anders gesagt: der das Kunstwerk zum Zeichen macht. »Ein Kunstwerk ist dann ein ›symbolischer Wert‹, wenn es Symptom von ›etwas anderem‹ ist.« Panofsky selbst expliziert das Gemeinte an einer Stelle so: »Suchen wir jedoch das Fresko als ein Dokument der Persönlichkeit Leonardos oder der Kultur der italienischen Hochrenaissance oder einer bestimmten religiösen Einstellung zu verstehen, beschäftigen wir uns mit dem Kunstwerk als einem Symptom von etwas anderem, das sich in einer unabsehbaren Vielfalt anderer Symptome artikuliert, und wir interpretieren seine kompositionellen und ikonographischen Züge als spezifischere Zeugnisse für dieses ›andere‹. Die Entdeckung und die Interpretation dieser ›symbolischen‹ Werte (die dem Künstler selber häufig unbekannt sind und die sogar entschieden von dem abweichen können, was er bewußt auszudrücken suchte) ist der Gegenstand dessen, was wir, im Gegensatz zur ›Ikonographie‹, ›Ikonologie‹ nennen können.« Es versteht sich von selbst, dass bei diesem Unternehmen die Kenntnis der Ideengeschichte eine unabdingbare Voraussetzung ist. Denn die Entschlüsselung des Werks greift weit über die in der ikonographischen Analyse gewinnbaren Einsichten

Imdahl 1994, 306

Dittmann 1967, 342

Panofsky 1955, 41

144

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Forssman 1966, 298

intrinsic meaning

Panofsky, zit. nach Dittmann 1967, 340

V.7.4.

Platonismus

Panofsky 1924, 44

hinaus. Sie umfasst auch die unbewussten Einflüsse, die jedem Künstler zwangsläufig inhärent sind. Das Kunstwerk wird verstanden als Werk »einer unbewußten Hervorbringung.« Man muss sich an eine Interpretation wagen, die gleichsam das implizit Ungesagte im explizit Gesagten ans Licht bringt. Die besondere Pointe Panofskys dabei war das, was er intrinsic meaning nannte. Der von Karl Mannheim entlehnte Ausdruck meint einen Sinn aufgrund des den Künstlern unbewusst zugrunde liegenden geistigen und kulturellen Umfelds, der auch den zeitgenössischen Autoren bei der Beschreibung von Kunstwerken selbst nicht bewusst war. Karl Mannheim sprach davon, dass die dokumentarische Sinnschicht »triebartig« in das Kunstwerk einfließt. Ein reiner Bedeutungssinn muss auf einen Dokumentsinn (oder Wesenssinn, eben: intrinsic meaning) erweitert werden. Es handelt sich um die »ungewollte und ungewußte Selbstoffenbarung eines grundsätzlichen Verhaltens zur Welt.« Jeder Künstler ist ein Autor, der von Motivationen geleitet ist, die er selbst nicht mehr reflektiert. Für Panofsky scheint Mannheims Anspruch, den Griff hinter alle Kulturobjektivationen tun zu können, ein Ideal gewesen zu sein. Seine Absicht blieb, mit einem umfangreichen geistesgeschichtlichen Schatz das soziale, historische, religiöse Umfeld im weitesten Sinn zu berücksichtigen, um ein Kunstwerk als Symptom einer Zeit anzusehen und es nicht aus dem kulturellen Kosmos der Zeit zu isolieren zu versuchen. Wie das in einem Anwendungsfall funktioniert, habe ich am Beispiel von Panofskys Analyse der Ähnlichkeit von Gotik und Scholastik (Gothic Architecture and Scholasticism; 1951) zu rekonstruieren versucht. Panofskys Methode ist kunstphilosophisch naturgemäß äußerst reizvoll, weil sie unter anderem auch die philosophischen Kontexte der Zeit ausdrücklich zum Thema macht. Dies diente der Erweiterung der empirischen und formalistischen Basis der Kunsthistoriker auf eine hinter den Kunstwerken stehende Idee. Dieses Bollwerk gegen einen reinen Formalismus errichtete er in der berühmten Abhandlung Idea. Ein Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie (1924). Nicht zufällig ist der Titel ein Verweis auf den Platonismus, dessen Einfluss auf die Entwicklung der Kunst, namentlich auf Klassik und Klassizismus, nach seiner Meinung nicht hoch genug einzuschätzen ist. In seiner – wie in neukantianischen Kreisen üblich – qualitätvollen Platon-Deutung erkannte er die Rolle des Künstlers als Umsetzer des demiurgischen Prozesses: »So rückt der echte Künstler in eine Reihe mit dem göttlichen Demiurgen, der die Sinnenwelt aus der Schau der Ideen als ewige Vorbilder hervorbringt.« Es wird nicht überraschen, dass der Vorstoß Panofskys erhebliche kritische Einwände erfuhr. Die prägnantesten von ihnen wurden von Ekkehard Kaemmerling zusammengefasst und – in einem Band gesammelt – 1979 herausgegeben. Zu diesen kritischen Punkten zählt, dass Panofsky die Methode auf gewisse Kunstwerke beschränkt habe. Auf manche Typen wie Stillleben oder Genrebilder sei sie gar nicht anwendbar. Zudem tat sich Panofsky nach eigenem Bekunden schwer mit der zeitgenössischen Kunst der Nachkriegszeit, etwa dem in Amerika aktuellen Abstrakten Expressionismus. In diesem Punkt könnte man auch optimistischer sein und seiner Methode weitreichendere Tragfähigkeit zusprechen. Denn auch gegenstandslose



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jh.s ist unschwer in den Zeitkosmos zu integrieren. Für Erik Forssman geraten ikonologische Deutungen vor allem dort in Schwierigkeiten, wo die Intention des Künstlers unklar ist. Forssman erläutert dies an Rembrandts Kasseler Jakobssegen. Ursprünglich ein eindeutig religiöses Bild, scheint es bei Rembrandt zu einem weltlichen Genrebild zu werden. Es könnte aber auch umgekehrt gelesen werden, dass nämlich ein Genrebild durch den Künstler mit religiösem Kontext aufgeladen wurde. Nach Forssman »könnte man nicht einmal mit Bestimmtheit ausmachen, was daran Phänomensinn und was Bedeutungssinn ist.« Ein weiterer Einwand warnt davor, dass die Suche nach den geistesgeschichtlichen Grundlagen zur billigeren Feststellung nach dem Muster von Weltanschauungskunstgeschichte verkommt. Das war Panofsky durchaus bewusst und er warnte an verschiedenen Stellen vor nur »immer weitere[n] Verweisungen an andere Phänomene« statt einer »durch eine unter die Sphäre des empirischen Daseins hinabtauchende[n] Besinnung.« Forssman verweist auf Panofskys wohl wichtigste kunstgeschichtliche Ambition, seine Untersuchungen zum Neuplatonismus und im besonderen seinen Hinweis auf die neuplatonischen Grundlagen bei Michelangelo: »Nur zu leicht meint man, daß es um die alte Frage gehe, wie der Platonismus Michelangelos Persönlichkeit und Werk beeinflußt habe, d.h. um die Kunstgeschichte als Geistesgeschichte im überwundenen Sinne des Wortes, während es sich ja hier in Wirklichkeit darum handelt, inwiefern der Künstler, sich selber nicht bewußt, im Wesen seiner Epoche wurzelt, und inwiefern seine Werke dieselbe Form haben wie andere geistige Manifestationen der Zeit auch.« Forssman spricht hier stets von apriorischer Begriffsbildung im Sinne von Kants Transzendentalphilosophie und meint, dass deshalb die Geschichtlichkeit durch eine vermeintlich zeitlose Theorie der Ikonologie nicht zu bewältigen sei. Weiters wurde kritisch angemerkt, dass die Bemühung um inhaltliche Fragen den Bildern ihren ästhetischen Selbstwert nimmt. Die Reduktion auf die Aufdeckung einer gelehrten neuplatonisch inspirierten Allegorie kann uns »vom wirklichen Wesen der künstlerischen Schöpfung, vom Hauptsächlichen weg auf ein faktisch nebensächliches Gebiet« führen. Rudolf Zeitler macht dieses Manko an der Kunst des 19. Jh.s fest, die weniger aufgeladen mit implizitem Wissen ist, als das etwa in der Renaissance der Fall war. Daher könne der vorwiegende Blick auf die Bildmotive ein künstlerisches Werk eben auch in seiner Intention verfehlen: »Bei der aufmerksamen Bearbeitung der Motive verschwindet das eigentlich Anschauliche des Bildes als eines Kunstwerkes leicht aus dem Blick des Kunstwissenschaftlers. Ein Motiv, das ›Tapferkeit‹ bedeutet, kann ebensowohl in einem Meisterwerk Poussins wie auf einem erbärmlichen Holzschnitt in irgendeiner alten Sittenlehre auftauchen.« Der Einwand einer sehr weitreichenden Intellektualisierung von Kunstwerken ist nicht unberechtigt. Allerdings verlangt die Methode eine alle Bereiche umfassende Analyse des Kunstwerks und man kann sie kaum dafür verantwortlich machen, wenn Ikonologen mit Schlagseite zum Idealismus bisweilen »den Künstler und dessen Schöpfung losgelöst von den konkreten Bedingungen der jeweiligen Epoche«,

Forssman 1966, 274

Panofsky 1964, 33

Forssman 1966, 279

Liebmann 1964, 314

Zeitler 1966, 19

146

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Liebmann 1964, 324/325 Pächt 1977, 354

V.7.4. Dittmann 1967, 343

Forssman 1966, 289

Horst Bredekamp

Max Imdahl

Thürlemann 2009, 222 VIII.10.2. Imdahl 1980, 93

also die sozialen Wurzeln der Kunst missachtend, betrachten. Der Vorwurf, Ikonologen würden »in reinsten Idealismus« abgleiten, »vor der Realität in ein Reich nebelhafter Symbole« flüchten und hinter dem wörtlichen »einen unter der Oberfläche verborgenen tieferen metaphorischen, allegorischen, symbolischen oder weiß Gott was für einen spirituellen Sinn […]« suchen, schießt nun doch weit am Ziel vorbei. Dass Panofsky in der Renaissance-Kunst einiges an Allegorie und Mystizismus fand, lag in der Tat in der Kultur der Zeit. Und es betraf ein aus dem Warburg-Kreis übernommenes Forschungsinteresse. In der Tat sah er im Blick auf die Fülle an Material eine Ordnung der Abfolge von ständigen Erneuerungen der Kunst seit dem Ende des Römischen Reichs bis zur Renaissance, woraus unter anderem sein erfolgreiches Buch Die Renaissancen der europäischen Kunst (1960) resultierte. Eine ikonologische Analyse des Realismus des 19. Jh.s würde wiederum auf die sozialen Bedingungen dieser Zeit rekurrieren, von spirituellem Sinn wäre da eher wenig zu finden. Die Stärke der Methode liegt eventuell in ihrer stupenden »Hausverstands-Evidenz«, in ihrer antipositivistischen Schlagseite. Positivistische Zugänge zur Kunstdeutung mögen zwar selbstbewusste Auftritte haben, bleiben aber nicht selten methodisch fragwürdig, wie am Beispiel der Frage nach einer Theologie der Gotik und gerade auch im Sinn von Panofskys mental habit zu zeigen versucht wurde – unbeschadet der Tatsache, dass man mit jedem speziellen Interesse, mit dem man an die Kunst herantritt, auch bestimmte Ergebnisse erzielt. Man muss Panofskys Anliegen schon sehr auf die Spitze treiben, wenn man wegen der Bedeutung, die er dem intrinsic meaning zumisst, von einer »Kunstgeschichte ohne Namen« spricht. Hingegen verdient der Hinweis Erik Forssmans Beachtung, dass in der Architektur Panofskys Ikonologie vielleicht erfolgreicher angewandt werden kann als in der bildenden Kunst, »weil Architekturen durch ihre notwendige Zweckgebundenheit viel intimer und offensichtlicher mit ihrem Milieu, ihrer Zeit und deren anderen geschichtlichen Äußerungen zusammenhängen und zusammen gedacht werden müssen.« Der Ansatz Panofskys zeitigte ein breites Nachleben in der Kunstgeschichte. Der aus der Warburg-Panofsky-Schule stammende Horst Bredekamp sieht in der Ikonologie eine Methode der Sinndeutung und nimmt die drei Stufen der Ikonologie auf, die er prägnant so beschreibt: (1) der erste Sinn einer formalen Darstellung, (2) die kulturgeschichtliche Einbettung, (3) die Rückkehr zum spezifischen Werk. Bredekamps Theorie des Bildaktes ist eine Anwendung der ikonologischen Methode. Kritisch weiter geführt hat den Ansatz Panofskys der Maler und Kunsthistoriker Max Imdahl – namentlich anhand berühmter Analysen der Giotto-Fresken. Seiner Meinung nach führt die Ikonologie nicht über ein mitgebrachtes Vorwissen und Identifikationsvermögen hinaus. Sie ist daher auf eine Ikonik zu erweitern. Zwischen dem »sehenden Sehen« von Konrad Fiedler und dem »wiedererkennenden Sehen« Panofskys definiert Imdahl ein »erkennendes Sehen«. Er hebt damit auf die »genuin ikonische Leistung« eines individuellen Bildes ab, auf die Ergründung von Inhalten, die sich mit sprachlichen Mitteln nicht ähnlich aufdecken ließe: »Thema der Ikonik ist das Bild als eine solche Vermittlung von Sinn, die durch nichts anderes zu ersetzen ist. Über diese Unersetzbarkeit läßt sich nicht abstrakt diskutieren. Um sie zu



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

gewahren und sich ihrer bewußt zu werden, bedarf es der konkreten Anschauung eines Bildes, und zwar ist eine spezifisch ikonische Anschauungsweise unerläßlich.« Imdahl arbeitete intensiv mit Kunstwerken und er griff dafür auch zum Instrument der Semiotik (beispielsweise zur Beschreibung von Arbeiten Andy Warhols). »Diese werden als Vermittlungsstrukturen beschrieben, welche Informationen, die vom Betrachter über das Gegenstandssehen eingebracht werden (wiedererkennendes Sehen), und spezifischen Bildstrukturen, die vom Betrachter gegenstandsunabhängig wahrgenommen werden (sehendes Sehen), in einem dialektischen Prozeß (erkennendes Sehen) aufeinander beziehen.« Beim ikonischen Bildsinn geht es um eine »Reflexion über das Bildanschauliche wie ebenso über das nur Bildmögliche selbst.« Es geht indes nicht um ein Hinausgreifen auf außerbildliche Quellen. Im Grunde geht es darum, dass sich der gemeinte Bildsinn so in der Bildstruktur realisiert, dass »das Gemeinte auf neue Weise gesehen wird; […] Die Synthese von wiedererkennendem und sehendem Sehen liegt also darin, daß Bekanntes (Gehörtes, Gesehenes) sowohl in den Bildsinn eingeschlossen ist als auch durch einen komplexen und verdichteten Bildsinn überboten wird.« Dabei definiert Waldenfels das wiedererkennende Sehen als »ein Sehen, das sich im Gesehenen einrichtet und in ihm zur Ruhe kommt« und das sehende Sehen als ein Sehen, das sichtbar macht, »was nicht schon sichtbar ist und was einzig mit bildnerischen Mitteln sichtbar gemacht werden kann.« Bisweilen geht die Konzentration auf eine vermeintliche Autonomie des Einzelbildes als syntaktisches System so weit, dass die Kontexgebundenheit wenig Beachtung findet. Trotzdem bleibt auch bei der Ikonik die Grundvoraussetzung Panofskys, die Einbeziehung kulturgeschichtlichen Wissens, eine zentrale Voraussetzung. Einige der kritischen Anmerkungen gegen die Ikonographie greifen daher auch bei Imdahl, insbesondere die vermeintliche Nicht-Anwendbarkeit der Methode auf ungegenständliche Kunst, der gegenüber Imdahl (zum Unterschied von Panofsky) allerdings sehr aufgeschlossen war, wie nicht zuletzt eine aufregende Beschreibung des Bildes Vir heroicus sublimis von Barnett Newman zeigte. Anders als Panofsky, der in der Methode »ein Instrument der Verhinderung interpretatorischer Irrtümer« sah, war für Imdahl die Methode »Anleitung zu einer aus der Anschauung heraus entwickelten, immer auch gewagten Interpretation.«

3.5. Die Phänomenologie Die Phänomenologie ist eine der wirkmächtigsten philosophischen Schulen des 20. Jh.s. Das machte sie in vielen Fällen zu einem Passepartoutbegriff, der scheinbar jedweder Philosophie einen Rahmen gibt, die jenseits von Sprachphilosophie oder Logik liegt. Ein ähnliches Missverständnis ist die Annahme, bei der Phänomenologie handle es sich um eine platonische Wesensschau. Dieses Missverständnis hat seine Wurzeln allerdings durchaus in der Schule Husserls, des Zentralgestirns der Phänomenologie, selbst und gründet auf dem in der Tat hohen Anteil an platonischen Motiven. Aber Husserls Denkweg lässt sich nicht auf solche Verengungen einschränken. Von ihm gibt es Abzweigungen zu so unterschiedlichen Bewegungen wie zur Philo-

Imdahl 1994, 300

Thürlemann 2009, 225

Imdahl 1994, 308

Waldenfels 1999,104

Ebd., 137f

Imdahl 1996 I, 258–260 Thürlemann 2009, 232

148

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

sophie Heideggers bis hin zu poststrukturalistischen Positionen auf der einen, zur Analytischen Philosophie und Logik auf der anderen Seite, sowie zu Positionen der Aufklärung, von der Frankfurter Schule bis zu Foucault. Bei kunstphilosophischen Fragen spielt die Phänomenologie keine herausragende Rolle. Allerdings ist sie bei vielen Positionen mit im Spiel, sodass ein knapper Überblick über das Anliegen Edmund Husserls angebracht erscheint. Am Anfang der Philosophie Edmund Husserls stand die Parole »Zu den Sachen selbst«, die durchaus die Ambition ausdrückte, Kants Beschränkung des Dinges an sich zu durchbrechen. Am »Ende« der Phänomenologie ließ genau dieses Programm die hohen Erwartungen scheitern.

3.5.1. Edmund Husserl Husserls Werk ließe sich darstellen als ein zähes und wohl auch letztes Ringen um die Möglichkeit einer philosophischen Letztbegründung. Dementsprechend anspruchsvoll gestaltet sich die Lektüre von Husserls Schriften. Beeindruckend dabei ist, neben der Konsequenz der verschiedenen Anläufe, die Transparenz des Vorgehens und die Ehrlichkeit, mit der auch das Scheitern gezeigt und eingestanden wird. Aufgrund der verschiedenen Versuche gibt es sehr unterschiedliche Gruppen von Schülern, die sich auf Husserl beriefen. Das umfasst Psychologismuskritiker und Anhänger einer platonischen Ideenschau, Transzendentalphilosophen und Aktualisierer eines offenen Lebenswelt-Diskurses. Zu Kunst und Ästhetik hat Husserl gemessen am Gesamtwerk wenig gesagt, aber seine verschiedenen Gefolgsleute fanden bei ihm für die einschlägigen Themen durchaus ein Repertoire von philosophischen Instrumenten, die als Prolegomena einer Husserlschen Ästhetik gelesen werden können. Sie haben sein Denken für solche Fragen fruchtbar gemacht.

3.5.1.1. Biographie und Werk 620 Edmund Husserl

Intentionalität

Edmund Husserl wurde 1859 im damals österreichischen Proßnitz in Mähren in eine jüdische Tuchhändlerfamilie hineingeboren. Er studierte in Leipzig und Berlin Philosophie, Physik und Mathematik. In den Achtzigerjahren war Franz Brentano in Wien einer seiner Lehrer und Anreger, der ihn auch für psychologische Fragen sensibilisierte. Zudem prägte ein neukantianischer Zeitgeist den jungen Husserl. Längere Zeit in Halle an der Saale, blieb er im engen Kontakt mit dem Brentano-Schüler Carl Stumpf, einem Psychologen und Musikforscher. Brentanos Psychologie prägte die frühen Arbeiten Husserls, in denen er versuchte, Logik, Mathematik, aber auch Ethik und Ästhetik aus der Psychologie abzuleiten. Für Brentano ging jede Erkenntnis von evidenten Einsichten aus, die aus den verwandten Begriffen einleuchten. Ein »rundes Viereck« schließt sich bereits begrifflich aus. Solche evidente Einsichten wurden als psychische Bezüge gesehen, also als interne Beziehungen auf einen Inhalt. Hier lag die Wurzel für den für Husserl wichtigen (bereits von Brentano gebrauchten) Begriff der Intentionalität, also die Voraussetzung, dass Bewusstsein sich immer auf etwas bezieht. Die Vertiefung dieser Intentionalität wurde eines der großen Themen.



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

Für seine frühen Werke, namentlich die 1891 erschienene, Franz Brentano gewidmete Philosophie der Arithmetik, die den Untertitel Logische und psychologische Untersuchungen trug, musste Husserl aufgrund des immanenten Psychologismus viel Kritik einstecken – am bekanntesten geworden ist jene von Gottlob Frege. Die Korrektur dieses Versuchs folgte bald. Die Zweifel daran, ob sich die Gültigkeit logischer Wahrheiten psychologisch, also letztlich empirisch, begreifen lasse, führten in den Logischen Untersuchungen (1900/01) zur Annahme einer Apriorität konstitutiver Strukturen jenseits jeder Empirie. In dieser ersten von drei Phasen seines nunmehr eigenständigen Denkens ging es um Wahrheitssuche mithilfe apriorisch geltender logischer Gesetze abseits des empirisch Kontingenten. Logische Gesetze sind, anders als psychologische, unbedingt gültig, stellen also eine ganz andere Kategorie dar als die empirischen der Psychologie. Gleichzeitig verwahrte sich Husserl gegen einen in der Psychologismuskritik verpackten Antisubjektivismus, der freischwebende objektive Geltungen im Sinne eines Platonismus der Ideenlehre annahm. »Zu den Sachen selbst« musste stets in subjektive Bewusstseinsbezüge eingebettet bleiben. Diese Unschärfe hinterließ Schüler, die eine phänomenologische Wesensphilosophie vertraten. Husserl war 1901 nach Göttingen gegangen und wurde 1916 Nachfolger des Neukantianers Rickert in Freiburg, wo 1918 Edith Stein seine erste Assistentin war, der von 1919 bis 1923 Martin Heidegger folgte. Er sollte 1928 Husserls Lehrstuhl übernehmen. Mit dem Antreten in Freiburg versuchte Husserl sein Anliegen im Kontext einer Transzendentalphilosophie anzugehen. Das war namentlich für die erwähnten Wesens-Phänomenologen nicht mehr akzeptabel. Husserls beständiges Suchen und die Bereitschaft, alles wieder in Frage zu stellen, zeugen von hoher intellektueller Redlichkeit ebenso wie von der Aussichtslosigkeit glatt aufgehender Letztbegründungen, sodass sein Werk auch bereits als bewusst fragmentarisch angesehen wurde. Aus den vielen Versuchen und Anläufen hat sich in der einschlägigen Literatur eingebürgert, drei Hauptphasen in der Philosophie Husserls zu unterscheiden: (1) die Kritik am Psychologismus, (2) die phänomenologische Reduktion oder Epoché und (3) die transzendentale Wende im Zusammenhang mit der Lebenswelt-Problematik. (ad 1) Die Abkehr vom Psychologismus entsprach der eben geschilderten Bemühung in den Logischen Untersuchungen. (ad 2) Die Fragen im Gefolge der Psychologismuskritik ging er in den Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie an, deren erster Band (Ideen I) 1913, die anderen zwei nach Husserls Tod veröffentlicht wurden. Nach seinen eigenen Aussagen sei ihm der Gedanke der phänomenologischen Reduktion bereits 1905 bei einem Aufenthalt in Seefeld in Tirol gekommen, aber erst ein paar Jahre später in ihrer ganzen Relevanz bewusst geworden. Mit der Schrift Philosophie als strenge Wissenschaft (1911) resümierte ­Husserl die Abkehr von den psychologisch geprägten Anfängen, ging es doch darum, den »Aberglauben« an die Tatsachen zu bekämpfen. »Erst die phänomenologische Reduktion macht aus der Sphäre ›psychologischer Phänomene‹, als welche noch

Claesges Ulrich in Husserl, Hua XVI, XIV

150

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ebd., XVf Gmainer-Pranzl 2007, 202

3.9.4./X.3.5.1.1.

Prechtl 2002, 49 Epoché

VII.5.1. VII.2.2.1.

III.2.5.2.

Husserl 1913, 66 Noesis und Noema

die Logischen Untersuchungen das Bewußtsein thematisierten, die Sphäre ›reiner Phänomene‹.« Philosophie sei Wesensanalyse und transzendentale Phänomenologie Wesenswissenschaft. Es ist ein Weg »zwischen der Scylla naiver Beschreibung von ›Fakten‹ (Positivismus) und der Charybdis einer apriorischen Ableitung der konkreten Wirklichkeit aus rein geistigen Ideen (Idealismus) hindurch […].« Solche Überlegungen wurden später, etwa bei Richard Wollheim, für die Kunstphilosophie fruchtbar gemacht, indem er in ein und demselben Gegenstand eine Aufteilung in einen physisch-materiellen und einen ästhetischen Gegenstand durchführte. Wenn Husserl über Gegenstände spricht, gilt jedenfalls für intentionale Gegenstände, dass sie als »›idealer Gegenstand‹ aufgefasst werden, als Gedanke, dessen ›Idealität‹ einzig im Sinne der Abgrenzung zu einem Realen im Sinne eines wahrnehmbaren Dinges besteht.« Am Anfang einer neuen, empiriefreien Wesenswissenschaft stand die Reinigung von jeder Vormeinung, welche die Voraussetzungslosigkeit torpediert. Die Vorgangsweise erinnert ebenso an Francis Bacons Idolenlehre wie an Descartes’ methodischen Zweifel. Wir müssen laut Husserl in der phänomenologischen Analyse in einem ersten Schritt alle Vormeinungen über einen Gegenstand ausschalten (Husserl griff dazu auf den aus den hellenistischen Philosophenschulen bekannten Ausdruck Epoché zurück) und in einem zweiten Schritt von der Washeit ausgehen, aber damit nicht gleich die Existenz des Gegenstandes voraussetzen (eidetische Reduktion). Grundsätzlich neigt jeder Mensch dazu, das erkannte Sein der Gegenstände als wahres Existenz-Sein anzusehen. Husserl spricht von einer »Generalthesis« jeder Erkenntnislehre und jeder Einstellung zur Welt. Deshalb sei es wichtig, dass uns ein Innehalten (Epoché) vor einer vorschnellen Affirmation einer empirischen Existenz von Gegenständen abhält. Die natürliche Welt, zu der auch kulturelle Aspekte wie Kunst, Staat, Religion, aber eben auch die (Natur-)Wissenschaften gehören, wird dabei nicht geleugnet, aber es wird von ihr sozusagen kein Gebrauch gemacht, sie wird eingeklammert: »Die ganze, in der natürlichen Einstellung gesetzte, in der Erfahrung wirklich vorgefundene Welt, […] gilt uns jetzt nichts, sie soll ungeprüft, aber auch unbestritten eingeklammert werden.« Jeder erkennende Mensch ist in einem Horizont gegenseitiger Sinnverweise eingebettet und legt deshalb bei einer reflektierenden Erkenntnis den Sachen automatisch – und vor allem unthematisch – Bedeutungen zu, indem sich der Bewusstseinsakt auf den Gegenstand bezieht (Noesis), sodass der Gegenstand durch diese Stiftung in gewisser Weise erscheint (Noema). Dabei übersteigt die Wahrnehmung die Widerspiegelung eines bloß empirischen Gegenstandes und wird selbst kon­ struktiv, ein Phänomen, mit dem jede Transzendentalphilosophie umgehen muss. Die Wahrnehmung eines Baumes etwa ist, anders als der wahrgenommene konkrete Baum selbst, unzerstörbar. Wenn wir eine Wahrnehmung als Täuschung entlarven, hat sich der Sinn des Gegenstandes verändert. Die Tatsache, dass sich Gegenstände stets nur in gewisser Ansicht, nie in ihrer Totalität zeigen, nannte Husserls Abschattung. Man kann auch sagen, dass wir Gegenstände immer perspektivisch erkennen, wobei Perspektive hier Standpunktbezogenheit meint. »Wir können schließlich



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

als Resultat der phänomenologischen Reduktion festhalten, dass alles Sein seinen Sinn und seine Seinsgeltung dem intentional vermeinenden Bewusstseinserleben verdankt. […] In diesem Sinne können wir phänomenologisch davon sprechen, dass das Bewusstsein das Sein konstituiert.« Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass ein solcher »Gegenstand« Ziel verschiedener Intentionen sein kann. Das Problem, wie sich ein intendierter Gegenstand mit seinen vielen gegenständlichen Auffassungen verträgt, wird uns in ähnlicher Form bei der systematischen Unterscheidung von Typen und Vorkommnissen bei Kunstwerken wieder begegnen. Dieser geschilderte Komplex weist die Phänomenologie als eine lebendige Vorurteilskritik aus, also die methodische In-Frage-Stellung einer selbstverständlich erscheinenden Geltung. Über die Reflexion eigener und fremder Perspektiven kann Kunst zu einer Schule des Blickwechsels werden. Das Problem bleibt (letztlich wie bei Kants Erscheinung und An-sich-Sein des Gegenstandes) die Unterscheidung von wirklicher Erkenntnis und vermeinter Erkenntnis, also zwischen Gegenstandsnoema und »wirklichem« Gegenstand, da es dafür kein Korrespondenzkriterium gibt. Diese vor der anti-empiristischen Pointierung des Gesamtansatzes zu lesende Weichenstellung ermöglicht es erst, die Intentionalität für die sogenannte Wesensschau einsetzen zu können. Der Begriff des Wesens hat Missverständnisse ausgelöst. Er wurzelt zwar durchaus in der Ideenlehre Platons, aber in einer zeitgemäßen Fassung des neukantianischen Kontextes, in dem Husserls steht, ist es zureichender umschrieben, wenn man »von den Zufälligkeiten und individuellen Besonderheiten der faktisch ablaufenden Bewusstseinsakte abstrahiert.« Es ging auch bei Husserl um Erforschung der Möglichkeitsbedingungen des intentionalen Bewusstseinsaktes. Gegenstand für die Phänomenologie ist daher nicht der empirische Gegenstand, sondern das Ziel einer Intention. Wesensschau hat demnach nichts zu tun mit mystischer Schau im Sinne des mittleren Platon, vielmehr drückt sich in der Wesensschau das Wesen im Bewusstseinsakt originär aus. Wir gelangen dazu durch eine Intuition, denn es darf kein anderes Wissen dafür in Anspruch genommen werden. Zu den Sachen selbst bedeutete daher nicht, dass die Sachen unverdeckt vorliegen. »Niemals ist ein an sich seiender Gegenstand ein solcher, den Bewußtsein und Bewußtseins-Ich nichts anginge.« Sein wurde hier im Sinne einer Rückwendung zu Kant in das Bewusst-Sein überführt, Husserl wollte damit klären, wie sich Bewusstsein auf etwas Bewusstsein-Transzendentes bezieht. Husserl redete keiner »Weltvernichtung« das Wort, kehrte sich aber von jedem Verdacht einer naiven Konzeption des Bewusstseins ab. Nach dieser transzendentalen Reduktion blieb ein Bewusstsein übrig, das »in die Welt nicht mehr verstrickt ist […] und auch insofern rein in sich selbst untersucht werden soll.« Philosophiegeschichtlich kann man diese Denkbemühungen durchaus vergleichen mit dem Vorgehen im Idealismus, aber zum Unterschied von dort entflieht hier das Subjekt nicht in das Absolute. Motivation dafür war immer noch, an die Stelle eines Psychologismus »die – philosophisch redliche – Hoffnung auf universale Vernunft […]« treten zu lassen.

Prechtl 2002, 73

X.3.5.1.4.

Ebd., 70

Husserl 1913, 101; im Orig. kursiv

Ströker 1992, 60

Gmainer-Pranzl 2007, 197

152

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Transzendentalphilosophie

Ebd., 266

Husserl 1929, 215

Marx 1987, 45

Kant 1781, B 131

Prechtl 2002, 59 3.6.

1931 hatte Husserl in Frankreich Vorträge an der Sorbonne unter dem Titel Cartesianische Meditationen (1950 auf deutsch erschienen) publiziert und für die Phänomenologie den Anspruch einer strengen wissenschaftlichen Methode erhoben: vorurteilsfrei, objektiv und unabhängig von jeder Erlebnissituation. Descartes stand für Husserl damals für radikale Voraussetzungslosigkeit und Sachnähe. Die Transzendentalphilosophie erhält geradezu eine platonische Bedeutung: »Philosophie in ›transzendentaler‹ Hinsicht zu betreiben heißt also vor allem, den Grund hinter allen ›Relativitäten‹ auszumachen […].« Anders als bei Hegel gibt es bei Husserl keine Aneignung der Welt durch das Subjekt. Vielmehr wird die Relation von Subjekt und Gegenstand (also die Intentionalität) aufrecht erhalten. Und anders als später bei Heidegger bleibt es bei Husserl bei der Gegebenheitsweise von Gegenständen im Bewusstsein. Es kommt nicht zu einer dem Bewusstseins-Ich vorlaufenden Erschlossenheit von Welt. Dennoch fand Heidegger bei Husserl reiches Material, denn Husserl schürfte tief im Raum des Bewusstseins und entdeckte, dass »Urteile als fertige Produkte einer ›Konstitution‹ oder ›Genesis‹« nach Sinnmomenten befragt werden können, weil es zum Wesen solcher Produkte gehört, »daß sie Sinne sind, die als Sinnesimplikat ihrer Genesis eine Art Historizität in sich tragen; […] daß man also jedes Sinngebilde nach seiner ihm wesensmäßigen Sinnesgeschichte befragen kann.« Ein weiteres Problem bleibt das die ganze Geschichte tragende Subjekt, bei dem konsequent ebenso von allen materiellen Aspekten abgesehen wird. Es muss zum Sammelpunkt der Abschattungen werden. »Das Ding, in verschiedenen Abschattungsweisen sich darstellend, sich repräsentierend, wird als eines apperzipiert.« Letztlich bleibt das Subjekt ein abstraktes Einheitszentrum verschiedener Bewusstseinsakte, vielleicht vergleichbar mit Kants »Ich denke«: »Das : Ich denke, muß alle meine Vorstellungen begleiten können; […].« Verschiedentlich wird in der Husserl-Forschung auf die Erweiterung des Ich-Begriffs auf die durch das Bewusstsein gesetzte Gegenständlichkeit hingewiesen, das Ich also auf den von ihm gesetzten Gegenstand erweitert. Das führt einerseits (transzendentalphilosophisch) dazu, dass »die Welt bzw. alles Sein sich als Bewusstseinskorrelat erweist.« Andererseits konnte auch das Welt-Sein Martin Heideggers – dann nicht mehr als Bewusstseinskorrelat gedacht – daran anknüpfen. Phänomenologie wurde so radikal zu einer Bewusstseinsphilosophie und stieß alle vor den Kopf, die noch hofften, mit Husserl transzendente Gegenstände (mittels Intuition oder mystischer Wesensschau) erkennen zu können. Betroffen davon fühlte sich die Gruppe der sogenannten Göttinger Schule, unter ihnen Alexandre Koyré, Roman Ingarden und Edith Stein. Noch schlimmer war, dass Husserl schließlich auch den Glauben an eine abschattungsfreie Erkenntnis des Bewusstseins aufgab. Auch das Bewusstsein selbst blieb horizontgebunden. Daher bildete letztlich die horizonthaft verstandene geschichtliche Welt das Forschungsfeld der Phänomenologie. Das markierte nicht nur die Abzweigung zu Heideggers In-der-Welt-Sein, sondern auch jene zum Existenzialismus und zur Leibhaftigkeit des Menschen als Ausgang jeder Philosophie, wie sie vor allem Maurice Merleau-Ponty weiterdachte.



153

Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

Husserls rastlose Anläufe zu einer von ihm gesuchten Letztbegründung im Bewusstsein lassen ihn immer wieder bei Sinnimplikationen und Historisierungen stranden. »Sehr spät habe ich erkannt, daß alle Kritik der Evidenzen und im besonderen der Urteilsevidenzen […] nicht nur, wie es in der jetzigen Darstellung selbstverständlich ist, im Rahmen der Phänomenologie zu vollziehen ist, sondern daß alle diese Kritik zurückführt auf eine letzte Kritik in Form einer Kritik derjenigen Evidenzen, die die Phänomenologie der ersten, selbst noch naiven Stufe geradehin vollzieht. Das aber sagt: Die an sich erste Erkenntniskritik, in der alle andere wurzelt, ist die transzendentale Selbstkritik der phänomenologischen Erkenntnis selbst.« (ad 3) Dieses Ausschöpfen der Bemühungen führte schließlich zu einer offenen Position einer Lebenswelt-Philosophie. Aus Husserls Perspektive hört sich das in seiner 1936 – noch unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs, in dem sein Sohn vor Verdun gefallen war, aber weit über diesen Anlass hinausgreifend – erschienenen Schrift Die Krisis der europäischen Wissenschaften so an: »Hören wir auf, in unser wissenschaftliches Denken versunken zu sein, werden wir dessen inne, daß wir Wissenschaftler doch Menschen und als das Mitbestände der Lebenswelt sind, der immer für uns seienden, immerzu vorgegebenen, so rückt mit uns die ganze Wissenschaft in die – bloß ›subjektiv-relative‹ – Lebenswelt ein.« Husserls Kritik an philosophischen Positionen wie Existenzialismus, vor allem aber Positivismus, der das Subjekt von der Lebenswelt abkoppelt, umfasste auch die Mathematisierung der Natur. Rein praktisch notwendige Messverfahren hätten seiner Meinung nach zu einer Geometrisierung der Lebenswelt geführt. Damit sei die Welt idealisiert und unanschaulich geworden. Die Lebenswelt wird geradezu zum Kontrastbegriff zur scheinbar objektiven Welt der Wissenschaft. Transzendentalphilosophie dient jetzt geradezu dem Erweis einer apriorischen Lebensweltlichkeit, die erst a posteriori zu wissenschaftlichen Objektivationen kommt. Das war ein Befund, der alle kulturellen Genres befruchtete. »Befreit von dem Idealisierungs- und Formalisierungsdruck, der seit den Zeiten der Galileischen Physik auf der Erfahrung lastet, greift die alltägliche Lebenswelt über auf die Kultursphären von Wissenschaft, Politik, Kunst und Religion, indem sie diese – mit Max Weber zu reden – einem Prozeß der Veralltäglichung aussetzt.« Die kulturellen Erzählungen ergeben sich stets aus der Lebenswelt, weshalb konsequent auch die »naturwissenschaftlich konstituierte Welt ein Derivat der lebensweltlichen ist.« Damit dreht sich die übliche Sicht geradewegs um. Husserl kritisiert mit der Lebenswelt-Konzeption die »in der ›Wissenschaftlichkeit‹ der traditionellen objektivistischen Philosophie liegende philosophische Naivität […].« Das relativierte ein seit Platon laufendes und im 19. Jh. einem Höhepunkt zustrebendes Programm der Mathematisierung der Welt zugunsten einer bereits in der transzendentalphilosophischen Wende eingeleiteten reflektierenden Subjektivität. So gesehen setzte Husserl am Ende seiner komplexen Analysen ein ebenso modernes wie zustimmungsfähiges Plädoyer für eine offene Epistemologie, auf der die anstößige Bemerkung Heideggers »Die Wissenschaft denkt nicht« ebenso anschließen konnte wie Überlegungen zu spontanen Paradigmenwechseln in der Wissen-

Husserl 1929, 294f

Lebenswelt-­ Philosophie

Husserl 1936, 133

Waldenfels 1992, 37

Marx 1987, 96

Husserl 1936, 60

154

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Wetz 1995, 102

Husserl 1924, 42f

schaft, wie Thomas S. Kuhn, die Frankfurter Schule oder Michel Foucault. Franz Josef Wetz fasste die Intention zusammen: »Transzendentale Phänomenologie ist sicher nicht anmaßendes Streben nach Macht über die Welt, sondern vielmehr angstvolle Suche nach Sinn angesichts der quälenden Ahnung, dass die Welt sinnlos sein, dass Naturalismus und Relativismus doch das letzte Wort behalten könnten.« Wetz spricht von Suche und nicht von einem sich offenbarenden Wahren, das in der Phänomenologie nur allzu oft beschworen wurde. Es erinnert an Platon, wenn Husserl die Philosophie zur Erzeugung des Menschen instrumentalisiert. Band Platon »seine« Philosophie jedoch auf das Göttliche zurück, meinte Husserl den aufgeklärten autonomen Menschen. In der japanischen Zeitschrift The Kaizo formulierte er dies so: »Nur aus eigener Freiheit kann ein Mensch zur Vernunft kommen und sich sowie seine Umwelt vernünftig gestalten […].«

3.5.1.2. Prolegomena zu einer Ästhetik

X.4.2.1.f.

Kapust 2009, 257f

Husserls Phänomenologie übt bis heute eine breite und vielfältige Wirkung auf kunstphilosophische Überlegungen aus, speziell auf diverse Theorien einer Bildphänomenologie. Das beginnt bei der Zurückweisung einer einerseits bloß erkenntnistheoretischen und andererseits einer materialistisch-empiristischen Ausrichtung der Bildtheorie. Positiv gesprochen setzen Sichtungen des Bildes als Fenster, als Teil einer Ästhetik des Erscheinens, als »Nichts«, als »Sehen gemäß« bzw. »sehendes Sehen« etc. an dieser Stelle an. Gemeinsam ist diesen Vorschlägen, dass der Intentionalitätsbegriff als Gegenbegriff gegen bloße Abbildtheorien fruchtbar gemacht und im Geiste der Transzendentalphilosophie konstruktiv aufgerüstet wird. Husserls selbst hat keine geschlossene ästhetische Theorie vorgelegt. Um eine solche aus seinem Denken herauszulösen, sind Texte zu sichten, die unter den Titeln Phantasie, Bildbewusstsein, Erinnerung (Husserliana XXXIII; 1898–1925), Die Idee der Phänomenologie (Husserliana II), Wahrnehmung und Aufmerksamkeit (Husserliana XXXVIII) publiziert wurden. 1973 erschienen unter dem Titel Ding und Raum weitere Analysen Husserls zur Sache (Husserliana XVI). Diese im engeren Sinn um das Ästhetische kreisenden Texte artikulieren Probleme wie die ästhetische Einstellung, Fragen nach Referenz und Repräsentation beim künstlerischen Bild und nach der Tätigkeit des Künstlers. Bei seinen Überlegungen zum Bild, auf die unter systematischem Gesichtspunkt im nächsten Abschnitt zurückzukommen sein wird, unterschied Husserl zwischen einem Bildträger und einem Bildobjekt. Unter Bildträger war hier in aller Regel nicht, wie inzwischen im Sprachgebrauch üblich, die materielle Grundlage (also Leinwand, Holz, Papier, Celluloid etc.) gemeint (auch wenn er manchmal auf reale Bilder der Kunstgeschichte referiert), sondern abstrakt das, worin man etwas anderes sieht. »Das Bild selbst ist ›unsichtbar‹, da es nur im Bildhaften der Dinge und des Sehens auftaucht.« Phänomenologie beschäftigt sich, wie wir oben mit der Trennung von Noema und Noesis sahen, schon grundsätzlich nicht mit Phänomenen, »auf die man mit Fingern zeigen kann. […] Insofern macht Phänomenologie sichtbar, in-



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

dem sie das Sichtbarwerden des Gesehenen und seine Sichtbarkeit mit in den Blick bringt.« Übertragen auf das Bild ist zu folgern, dass dieses nicht nur etwas sichtbar macht, »es macht vielmehr die Sichtbarkeit selbst noch sichtbar […].« Die Phänomenologie interessiert sich dafür, dass sich alles, was sich sehen lässt, in bestimmter Weise (und nach diversen Sehordnungen) darstellt – eine Folge dessen, was Husserl Abschattung nannte. Die künstlerische Strategie solchen Tuns entspricht freilich weitgehend der reflektierenden Tätigkeit der Künstler der anhebenden Moderne in ihren kritischen Rückfragen an die alte Illusionskunst. »Das künstlerische Bild zeigt also eine spezifische Form der Selbstbezüglichkeit, eine Art von pikturaler Reflexion, die in einer ›Reflexivität des Sinnlichen‹ (Merleau-Ponty) gründet, diese aber zugleich übersteigt.« Spitzt man das anonym klingende phänomenologische Sich-Zeigen transzendentalphilosophisch zu, bleibt die Rolle des Subjekts unbestritten, um ein Bild überhaupt als solches zu konstituieren: Das Bild zum Bild macht erst die »Fähigkeit eines vorstellenden Ich, sich des Ähnlichen als Bildrepräsentanten für ein Ähnliches zu bedienen« Das Sehen wird zu einem Tun, es ist keineswegs bloße Widerspiegelung. Die Bildlichkeit ist geradezu eine Weise der Intention: »[…] daß mit der Bildlichkeit eine wesentlich neue Weise der Intention Erlebnis wird, glaube ich zweifellos nachweisen zu können.« Das »Sich-Hineinschauen, Sich-Einleben und Sich-Heineinphantasieren bildet den Grundakt der Husserlschen Ästhetik.« Das bedeutet, dass Bildlichkeit dann entsteht, »wenn ein Bildding als ein Bild aufgefaßt wird und auf diese Weise im Bild ein Bildsujet zu sehen ist.« Aus der Spannung von Neues sehen und auf neuartige Weise sehen geht es um dieses sehende Sehen, das das Sehen selbst sichtbar macht. Was phänomenologisch als Vergegenwärtigung fruchtbar gemacht wird, führt bei Richard Wollheim, der irgendwie zwischen Phänomenologie und analytischer Philosophie einzuordnen ist, zu einer Unterscheidung von materiellem und ästhetischem Objekt, was unter ontologischem Gesichtspunkt freilich eine schwierige Konstruktion ist. Ein Bild in diesem Verständnis ist kein Zeichen und hat schon gar nichts mit Materialität zu tun. Vielmehr ist es in gewisser Weise »transzendent« im Sinne von »draußen«. Entsprechend irritiert reagieren Vertreter einer solchen Sich angesichts der Tendenz zur Materialität in der zeitgenössischen Kunst. »So nähert sich das Bild dem Ding, einem Bild-Ding eigentümlicher Art, in dem das Bild selbst dinghafte Züge annimmt. […] Umgekehrt nähert sich das Ding dem Bild, einem Ding-Bild, das bildhafte Züge gewinnt. […] Mit dem Schwinden dieser pikturalen Differenz verschwände das Bild selbst; es ginge auf in einer Allbildlichkeit. Zurück bliebe höchstens eine subjektive Bildauffassung, eine Art von privater Bildsprache, die sich nicht eigentlich realisieren und materialisieren ließe.« Husserl will von Bildlichkeit nur da sprechen, wo wirklich ein Bild erscheint, das seinerseits für ein Abgebildetes als repräsentierendes Objekt fungiert. Beim Phantasiebild funktioniert das nicht so einfach und wir brauchen eine andere Terminologie: »[…] bei der gemeinen Bildauffassung, dient ein in der Weise der Wahrnehmung Erscheinendes, also ein phänomenal Gegenwärtiges […] als Repräsentant eines anderen. […] Bei der Phantasie haben wir kein ›Gegenwärtiges‹ und in diesem

Waldenfels 1989, 205/213

VIII.9.2. Waldenfels 1999, 107

Husserl 1901a, 436 Ebd., 399

Kapust 2009, 258/257

3.9.4./X.3.5.1.1.

Waldenfels 1999, 114f

156

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Husserl, Hua XXIII, 79 Ebd., 110

Ebd., 110f

Ebd., 115

Ebd., 120

Ebd., 121

Waldenfels 1999, 122 Waldenfels 2004, 224/216 Husserl, Hua XXIII, 441 X.1.4.1./X.2.5./X.4.2.1. Boehm 1994, 19

Ingarden 1969, 21

Sinn kein Bildobjekt.« Reine Phantasieobjekte stehen nach Husserl einem »Nichts« gegenüber. Solches gilt auch für die repräsentierenden Objekte im Fall einer Fotografie. Die Existenz solcher Entitäten wird erst durch das Bewusstsein erzeugt. »Der auffassende Akt fügt nicht etwa neue sinnliche Inhalte hinzu […], sondern er bringt die ›Bewusstseinsweise‹ hinzu, die den Inhalt deutet, ihm gegenständliche Beziehung unterlegt. […] Also im Erlebnis existiert in der Tat und eigentlich gesprochen weder das photographische Bild (unterschieden vom photographierten Gegenstand und von der Photographie als Ding) noch das Phantasiebild.« Die Folge ist, dass es ein Irrglaube ist, wenn man meint, dass ein Gegenstand »in sich selbst ein Bild oder ein Zeichen« sei. Vielmehr »erhält also auch in der Phantasievorstellung das präsentierte Objekt durch das ›Bewusstsein‹ der bildlichen Repräsentation seinen Bildcharakter.« Damit lässt sich als Propädeutikum einer Bildphilosophie festhalten: Bei der physischen Bildvorstellung können drei Ebenen unterschieden werden. (1) Es gibt das materielle Ding (Bild), dann (2) das auf dem Bild Dargestellte (»das so und so erscheinende Bildobjekt«), und schließlich (3) jenes physische Objekt, welches im Bild dargestellt ist (man kann von einem Referenten sprechen). Der Übergang von einer zur anderen Version heißt nach Husserl »Wechsel in der meinenden Beziehung«. Die Verhältnisse zwischen diesen drei Ebenen können philosophisch in beliebiger Breite traktiert werden. Auf dieses von Kunstphilosophen eifrig betriebene Geschäft soll in X.4.2.1.ff. ein Blick geworfen werden. Interessant ist, dass Husserl bei der bildphilosophischen Betrachtung die gesamte Umgebung einbezieht. »Das Bild springt, sagen wir, aus dem Rahmen, bzw. wir blicken durch ihn, gleichsam durch ein Fenster, in den Raum seiner Objekte hinein. u. dgl.« Das mag einer von mehreren Auslösern gewesen sein, bei der Bildbetrachtung und Architekturwahrnehmung auf die unhintergehbare Leiblichkeit zu verweisen und diese breit zu entfalten. Kunst bleibt »welt- und lebenshaltig, selbst wenn sie sich auf die Prüfung elementarer Sehbedingungen zurückzieht.« Es geht um die Basis eines leiblichen Selbst, das »medial, szenisch und pathisch verfaßt ist.« Bildner und Gebilde gehen »verändert aus dem Prozeß des Bildens« hervor. Bei einer ästhetischen Betrachtung geht es nicht um die Frage nach der Wirklichkeit: »Die Wirklichkeitssetzung fällt ausserhalb des ästhetischen Rahmens: wo es auf die bloss sinnliche Schönheit, Schönheit der Erscheinung ankommt.« Das hat Konsequenzen für die ästhetische Wahrnehmung, für Selbstreferentialität und für die Bildphilosophie. »Das Sehen verliert seine konstruktive Statik und technische Abstraktheit, – gewinnt die ihm eigentümliche Prozessualität zurück, seine Einbindung in den Körper, dessen Augen sehen.« Husserls eher vage bleibenden Vorstellungen vom Bild führten Schüler wie Roman Ingarden, der den Begriff des »ästhetischen Gegenstandes« prägt, Eugen Fink und Maurice Merleau-Ponty weiter. Bei Merleau-Ponty erhielt das Sehen dann allerdings eine Komponente der Tätigkeit. Ingarden bestimmt den ästhetischen Gegenstand als »das konkrete wertbehaftete Angesicht, unter dem das Kunstwerk zur Erscheinung gelangt […].« Wir reden von eines Erscheinung im ästhetischen Erleben, nicht von irgendeiner Form der



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

Realität. Die Frage, wie sich das Ästhetische vom Erleben eines x-beliebigen Gegenstandes unterscheidet, bleibt offen und die Fragestellung wird manchmal direkt von Ingarden von analytischen Philosophen aufgenommen. »Daraus resultiert, dass jedes Kunstwerk eine Partitur für verschiedene Realisierungen ist. Es wird von verschiedenen Betrachtern in unterschiedlicher Weise realisiert werden müssen.«

Seubert 2015, 330

3.5.2. Maurice Merleau-Ponty Der 1908 in dem zwanzig Kilometer vom Atlantik entfernt liegenden Rochefort-sur-Mer geborene Merleau-Ponty dachte auf den Spuren von Husserl und Heidegger, Bergson und Kojève. Er selbst verortete sich philosophisch im Kreuzungspunkt von Phänomenologie, Idealismus, Kant sowie der Gestaltpsychologie und es interessierte ihn die Frage der Perzeption. Der nach Horst Bredekamp kreativste aktuelle französische Denker interpretierte das Sehen als einen kreativen Prozess. Nach dem Studium der Philosophie an der École Normale Supérieure in Paris bekleidete Merleau-Ponty Professorenstellen in Lyon und Paris zu einer Zeit, in der man sich mitten in der Auseinandersetzung der französischen Intellektuellen um Existenzialismus und Marxismus befand. Zusammen mit Sartre hob er die Zeitschrift Les Temps Modernes aus der Taufe. Das Einvernehmen mit Sartre zerbrach Anfang der Fünfzigerjahre nicht zuletzt deshalb, weil Merleau-Ponty Sartre noch im Cartesianismus gefangen sah. Kunstphilosophische Aspekte waren für MerleauPonty nicht bloß Ergänzungen eines größeren philosophischen Anliegens, vielmehr ließ sich dieses Anliegen in kunstphilosophischen Kontexten buchstabieren. Von da her ist es auch wenig erstaunlich, dass es keine in einem schnellen Zugriff darstellbare kunstphilosophische These gibt, vielmehr durchziehen diese Fragen das gesamte Œuvre. Konsequent ist auch, dass Merleau-Ponty sich kaum um die klassischen Themen der Kunstphilosophie kümmerte, wie Geschmacksurteil, Frage nach dem Schönen oder nach dem Wesen des Kunstwerks, weshalb seine kunstphilosophischen Weichenstellungen in Überblicken über sein gesamtes Œuvre meist wenig oder gar nicht gewürdigt werden. Kunstphilosophie ist bei ihm Philosophie der Leiblichkeit und Philosophie der Wahrnehmung. Programmatisch ging es Merleau-Ponty von Anfang an um eine Überwindung der cartesianischen Subjekt-Objekt-Trennung ebenso wie der kantischen – und in der Folge: idealistischen – Bewusstseinsphilosophie. In der Tat richtete sich sein Denken gegen »die Leib- und Vermittlungsvergessenheit einer philosophischen Tradition, die dem Bewußtsein zuviel, dem Sein zuwenig zutraut, […].« Es ging um einen dritten, leibvermittelten Weg zwischen Materialismus und Rationalismus. Merleau-Ponty wandelte dabei auf den Spuren der Phänomenologie, die Sachen Welt-vermittelt zu sehen, ohne deshalb in einen naiven Realismus zu fallen. Merleau-Ponty bekannte sich zum Optimismus, einen vorprädikativen Seinsbereich (mit Schelling gesprochen: das Unvordenkliche) erfassen zu können. Gegenüber Einwänden von sprachphilosophischer Seite könnte man in seinem Sinne argumentieren: »Erfahrung erschöpft sich nicht in ihrer Sprachförmigkeit, sondern ist sinnlich verstrickt, und die Sprache selbst ist keine Gegebenheit, die von den sozialen, physi-

Philosophie der Leiblichkeit

Schürmann Eva in Majetschak 2005, 268

158

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ebd., 271

Merleau-Ponty 1945, 272 Waldenfels 1987, 169 3.6.

Waldenfels 1987, 167

Philosophie der Kunst

Ebd., 169

schen oder psychischen Bedingungen subjektiver Wirklichkeitsverhältnisse zu separieren wäre.« Merleau-Ponty knüpfte konsequent an die Perspektivierung Husserls an. Darin zeigt sich eine originelle Fortschreibung transzendentaler Zugangsweise, allerdings als Strukturierung der Gegenstände nicht etwa durch die Vernunft, sondern durch die leibliche Wahrnehmung. »Kein erkenntnistheoretisches Subjekt vollzieht die Synthese, sondern der Leib […].« Das heißt: Die »Einheit der Dinge stellt sich her in einer Art von Dialog mit unserem Leib, […].« Heidegger hatte sein ähnliches Anliegen in eine Neuformulierung der Frage nach dem Sein – im Kontext des In-der-Welt-Seins – übersetzt. Merleau-Ponty hatte mit seinem Leibbegriff weitaus weniger Berührungsängste gegenüber einer existenzialistischen Bodenhaftung. Dabei unterschied er zwischen dem Körper, dem keine Innerlichkeit zukommt, und dem Leib, dabei wiederum zwischen einem natürlichen und einem kulturellen Leib. Der Leib ist das Dritte zwischen Realismus und Idealismus, »weder Ding noch Bewußtsein, sondern eine unentbehrliche Vorgabe meiner selbst.« In seiner Phénoménologie de la perception (1945) untersuchte er die Dialektik von Sehen und Sichtbarkeit mit dem Blick auf diese leibliche Verfasstheit des Menschen. Im Gegensatz zu Kant trat an die Stelle des reinen Bewusstseins das (durch die Geburt in die Welt) »inkarnierte Subjekt«. Merleau-Ponty spiegelte den Erkenntnisvorgang zurück auf eine der Begrifflichkeit vorausgehende Erfahrung. Die leibliche Existenz ist nicht subjektivistisch zu verstehen, sondern als intersubjektive, anonyme Leiblichkeit, Merleau-Ponty spricht von einer »Zwischenwelt«, wo das Ich und das Andere konvergieren. Die Aufhebung einer strengen Subjekt-Objekt-Dichotomie war zur gleichen Zeit sowohl von Heidegger als auch – in anderer Form – vom Strukturalismus angegangen worden. Als Feld, auf dem diese Neuformulierung am ehesten gelingen konnte, bot sich jenseits einer begriffsvermittelten Philosophie die Kunst an, die ihre eigene materielle Basis scheinbar stets durch den Mehrwert der Bedeutung überwindet, ohne auf sie verzichten zu können. Bei den Genres der Kunst stützte er sich nahezu ausschließlich auf Malerei und Literatur. Das Koordinatensystem dazu steckten Paul Cézanne, daneben Henri Matisse, Paul Klee, Vincent van Gogh, aber auch Leonardo da Vinci ab. Zahlreiche Anregungen schien er von André Malraux und Paul Valéry aufgenommen zu haben. Was er für eine Erkenntnistheorie von Seiten der Kunst her gewann, war der Aspekt der Konstruktion von Wirklichkeit gegenüber deren bloß abbildenden Wahrnehmung. »Ihre vertraute Gestalt erreicht die Welt schließlich in Form einer von uns geschaffenen Kulturwelt.« Auch Wahrheit hat neben der Zuschreibung der alten adaequatio noch einen schöpferischen Aspekt. Entscheidend für Merleau-Ponty blieb dabei, dass sich das Unsichtbare im Sichtbaren zeigt. Dieses Anliegen, jenseits jeder Bewusstseinsintention den Leib im Spiel zu halten, das er in seinem posthum erschienenen fragmentarisch gebliebenen Werk Les visible et l’invisible (1964) entfaltete, entwickelte er mit Vorliebe an der Malerei Paul Cézannes. Anders als in der Wissenschaft und in der klassischen Erkenntnistheorie, bleibt in der Kunst das Unsichtbare als Bedingung jeder Sichtbarkeit latent sichtbar. Interessant wird das nicht



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

zuletzt durch die Überwindung der Perspektive in der Kunst der Moderne. Die Perspektive war für ihn Beherrschung und Domestikation des Sehens. Wer die Kunst gegenüber der Philosophie retten will, muss auch die Perspektive dekonstruieren. Das bedeutete für Merleau-Ponty nichts weniger als ein Ende des Bewusstseinssubjekts zugunsten von Gleichzeitigkeit und Gleichwertigkeit der Gegenstände. Neben einer »Entsubjektivierung des Sehens« mit anticartesianischer Pointe ist in der Tat auch eine »Entgegenständlichung des Sichtbaren« hier angezeigt. Der Blick des Subjekts ist nicht mehr durch die Vorgaben der Perspektive geordnet, sondern es handelt sich um eine »rohe« und »wilde« (perception brute ou sauvage), also eine ungeordnete Sinneserfahrung. Dabei ist die Perspektive als transzendentalphilosophische Subjektivierungs- und Konstruktionsleistung angesprochen. Merleau-Ponty ging es darum, »wie Materie in Sinn verwandelt wird und daher das Bild vielmehr als Realisierung eines Ausdrucks verstanden werden muß […].« Wenn wir plötzlich Tiefe, Weichheit, Klang und Duft sehen, dann sind das Transformationen, die sich weit von einer Repräsentationstheorie und von der materiellen Basis des Bildes entfernt haben. Die konstruktive Leistung des Sehens entfaltete Merleau-Ponty in L’Œil et l’esprit (1961). Im Sinne Konrad Fiedlers ist das Auge tätig. An Cézanne machte er klar, »wie unzureichend der überkommene neuzeitliche, cartesisch-zentralperspektivische Bildbegriff ist […].« Und er suchte die Verbindung von Bild, Auge und Geist aus dem bisherigen Subjekt-Objekt-Schema herauszulösen und sie in die Leiblichkeit zu integrieren. »Merleau-Ponty mußte mithin auch die phänomenologischen Grundlagen seines Denkens revidieren, die Wahrnehmungsachsen der Intentionalität mit ihrer zweipoligen Akzentuierung (nach Noesis und Noema) abbauen, wenn er ein angemessenes Verständnis von Auge und Bild gewinnen wollte. […] Das Sehen verliert seine konstruktive Statik und technische Abstraktheit, – gewinnt die ihm eigentümliche Prozessualität zurück, seine Einbindung in den Körper, dessen Augen sehen.« Durch den leiblich konfigurierten Sehenden gelingt die Sichtbarkeit des Sichtbaren. Was damit erreicht werden soll, ist eine Reflexionsform, die – in der Terminologie Kants gesprochen – das empirische Subjekt nicht völlig ins transzendentale aufhebt. Das Subjekt bleibt derart verschlossen im Rätsel des Leibes. »Das Rätsel besteht darin, daß mein Körper zugleich sehend und sichtbar ist. Er, der alle Dinge betrachtet, kann sich zugleich auch selber betrachten und in dem, was er gerade sieht, ›die andere Seite‹ seines Sehvermögens erkennen«. Sehen ist eine Verknüpfung von dem, der sieht, mit dem, was er sieht. Der Leib ist daher einem Kunstwerk zu vergleichen. Das Kunstwerk erschließt sich weder allein im Werk noch allein in der Rezeption. Was Merleau-Ponty an Cézanne fand, war sein Unterfangen, »die eigene, noch nicht dagewesene Erfahrung am bekannten Objekt, am überlieferten Motiv zu realisieren.« Alles, was erscheint, erscheint aus einer rätselhaften, nicht mehr zu lösenden Verflechtung von Subjekt und Objekt, von Erfindung und Nachahmung, von Geist und Leib. Kunstphilosophisch steuert Merleau-Ponty an allen gängigen Schemata, Hermeneutik, Rezeptions- und Produktionsästhetik, sowie einer Ontologie vorbei und »erhebt das Kunstwerk zu einem erfahrungsstiftenden Ereignis.«

Därmann Iris in ÄKPh, 559 Merleau-Ponty 1964a, 270 VII.6.1.

Kapust 2009, 262

Boehm 1994, 18

Ebd., 19

Merleau-Ponty 1964b, 16 Merleau-Ponty 1945, 181f

Abels 1985, 24

Därmann Iris in ÄKPh, 564

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Die Leibhaftigkeit durchkreuzt jedes einfache erkenntnistheoretische Schema und sorgt für Kontingenz, Merleau-Ponty spricht von dem paradoxe de l’expression und er verbucht das als einen Gewinn eines leibhaften Subjekts. Allerdings führt er die Ungleichung nicht in jene Richtung, die sie im Poststrukturalismus dann genommen hat, wobei man zu einer offenen Differenz gelangte, die weniger die Frage nach einer Bereicherung des Subjekts als mehr jene nach dessen Verlust exponierte. Umgekehrt fand das Werk Merleau-Pontys bei den Poststrukturalisten durchaus Beachtung.

3.6. Martin Heidegger 621 Martin Heidegger um 1950

3.5.1. Faye 2008; Farías 1987

Heidegger 1933, 22

Heidegger 1976b, 198

Im kleinen badischen Ort Meßkirch wurde Martin Heidegger 1889 in eine kleinbürgerliche katholische Familie hineingeboren. Es war der Ortspfarrer, der die Begabung seines Ministranten erkannte und ihm ein Stipendium verschaffte, sodass er im Konradihaus in Konstanz und im erzbischöflichen Seminar in Freiburg unterkam, um dort das Gymnasium zu absolvieren. Nach dem Abitur 1909 begann er mit dem Studium der Theologie und Philosophie an der Universität in Freiburg. Kurzzeitig war Heidegger Novize bei den Jesuiten, verließ das Ordenshaus aber nach einigen Wochen wieder, blieb jedoch noch einige Zeit im Priesterseminar. Er habilitierte sich 1915 in Philosophie bei Heinrich Rickert mit einer Arbeit über Duns Scotus. Nach dem Ersten Weltkrieg brach er mit dem – wie er selbst sagte – »System des Katholizismus« und wurde 1916 Assistent von Edmund Husserl, der die Nachfolge Rickerts in Freiburg angetreten hatte. Nach einer kurzen Zeit in Marburg wurde er 1928, ein Jahr nach dem Erscheinen von Sein und Zeit, auf den Lehrstuhl Husserls in Freiburg berufen. Ausführlich beschrieb man in der Literatur – und bei weitem nicht erst seit dem Auftauchen der Schwarzen Hefte – Heideggers prekäre Haltung in der NS-Zeit. Er sah den Aufstieg der NSDAP in den Dreißigerjahren mit Wohlwollen, trat der Partei bei und verstieg sich in seiner berühmten Antrittsrede als Rektor vom 27. Mai 1933 (Die Selbstbehauptung der Deutschen Universität) zur Bewunderung der »Herrlichkeit« und »Größe dieses Aufbruchs« zu einer Zeit, in der jüdische Kollegen bereits in die Emigration gezwungen wurden. Diesen herrlichen Aufbruch verband er mit den Worten aus Platons Politeia: »Alles Große steht im Sturm.« Vor genau dieses Dilemma stellte der Philosoph die Rezeption seines Denkens, zumal er später unumwunden einräumte, dass er seinerzeit in der Tat die Möglichkeit eines Aufbruchs gesehen hatte. Viel Staub hat die Publikation der Schwarzen Hefte 2014/15 aufgewirbelt. Eigentlich handelt es sich bei diesen Heften um ein zwischen 1931 und 1975 geführtes Denk-Tagebuch. Dessen schwarzer Einband eignete sich zur Titelgebung, verbreitete er dadurch doch bereits die Aura des Dunklen. Auf etwa 1300 Seiten finden sich eine Handvoll abstoßender antisemitischer und verschwörungstheoretisch motivierter Auslassungen. Peter Trawny, der Herausgeber und Kommentator des Konvoluts, bleibt zurückhaltend mit Rassismusvorwürfen. Er vermutet eher einen seinsgeschichtlichen Antisemitismus, also ein auf der Philosophie Heideggers basierendes



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

Problem. Noch deutlicher verwies neuerdings Donatella Di Cesare auf die lange Geschichte eines philosophischen Antisemitismus auch jenseits Heideggers, ohne seinen Anteil daran in irgendeiner Weise zu relativieren. Zustimmen kann man auch ihrem Hinweis auf den Wandel vom Antisemitismus zum Antiamerikanismus und zum Antimodernismus bei Heidegger. Dass die Diskussion über den Zusammenhang zwischen Heideggers Philosophie und diesem Engagement, damit auch um den Wert seiner Philosophie ganz generell, durch die Publikation dieser Schrift wieder aufflammte, ist nicht überraschend. Dass sie jedenfalls ein schlechtes Licht auf die Persönlichkeit Heidegger wirft, ist klar, die Frage des Stellenwerts der Philosophie scheint jedoch kaum neu justiert werden zu müssen. Dazu ist bereits viel geschrieben und in beide Richtungen übertrieben worden. Auch in diesem neuesten Fall gab es eine Menge von Entlastungsangriffen gegen die Kritiker, die Heidegger sogar zu einem insgeheimen Kritiker Hitlers stilisierten. Ein vernünftiges Urteil scheint in der Mitte zu liegen. Keinesfalls lässt sich Heideggers Philosophie restlos auf seine, teilweise schlicht naiven, politischen Aussagen reduzieren. Andererseits ist unübersehbar, dass Heideggers philosophischer Gestus auf das ganz Große wartet und sicherlich von totalitären Zügen nicht frei ist, und es mag einer selbst gestellten Falle gleichen, in die er tappte. Reinhard Mehring hat einen originellen Beitrag zu der von Heidegger angeregten Gesamtausgabe letzter Hand verfasst. Dieses etwas rätselhafte Projekt sei nichts weniger als ein Initiationsunternehmen zur Erzeugung wahrer Heideggerianer. Hans Dieter Zimmermann hat in einer reizvollen Gegenüberstellung das Verhältnis zwischen Martin Heidegger zu seinem Bruder Fritz beschrieben, der als begabter Fastnachtsredner nicht nur Ironie und Bodenständigkeit gegen Martins Pathos in Stellung brachte, sondern auch dem NS-System gegenüber nicht mit subtiler, aber deutlicher Kritik sparte. »Hütet euch vor diesen 100%igen!«, donnerte er von der Bütt, und es fällt schwer, diese Worte nicht auch gegen den Bruder anzuwenden. Was hier noch amüsant klingt, stellt sich bei Einsicht in den (im Marburger Literaturarchiv lagernden) Briefwechsel der beiden Brüder, der teilweise in einer schon spektakulär zu nennenden Änderung der Editionspraxis durch den Enkel Heideggers, Arnulf Heidegger, 2016 erschien, erschreckend dar. Weitaus deutlicher als in den Schwarzen Heften erscheint Heidegger hier als Anhänger Hitlers und seiner Ideen. Heideggers große Stunde kam, als man nach dem Krieg die Trümmer zusammenräumte und das Thema Humanismus aktuell wurde. Über den Philosophen und Germanisten Jean Beaufret, seinem Gefolgsmann in Frankreich, konnte sich Heidegger in diese große Debatte, die von französischen Existenzialisten, vor allem von Jean-Paul Sartre, ausgelöst wurde, einschalten. Darüber hinaus haben die Behandlung von Metaphysik und deren – aus seiner Sicht – höchste Aufgipfelung, der Technik, Heidegger zu einem der bedeutendsten (und eben auch umstrittensten) philosophischen Köpfe des 20. Jh.s werden lassen. Heidegger, der sich am liebsten in die von seiner Frau Elfride organisierte schlichte Holzhütte am Todtnauberg zurückzog und dort den Großteil seines riesigen Œuvres verfasste, war bis vor kurzem auch eine Kultfigur. Das Fotomotiv der kleinwüchsigen Gestalt, die mit Kniehose und Ruck-

Trawny 2013

Di Cesare 2016

Blume 2014 Ott 1988

Mehring 2016

Zimmermann 2005, 37

Homolka/Heidegger 2016

162

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

622 Martin Heidegger beim Wandern

Werntgen 2016, 73

sack gebeugt über den Feldweg wandert, passt zu dem mit agrarischen Metaphern befrachteten Werk, dem man insgesamt eine positive Haltung zur Moderne nicht unbedingt zusprechen kann. Aber auch die »Pilgerberichte von der Todtnauberger Hütte«, sein »gezielte[r] Auftritt in sportiver Skimontur in der mondänen Hotel-Lobby« anlässlich der öffentlichen Diskussion mit Ernst Cassirer 1929 in Davos, lasse Heidegger geradezu als Performance-Künstler erscheinen. Dies zu beachten ist zum Verständnis seines durchaus wichtigen Beitrags zur Kunstphilosophie, der sich erst aus Heideggers größerem philosophischem Anliegen erschließt, nicht unwichtig.

3.6.1. Fundamentalontologie

die Frage nach dem Sein

Martin Heideggers Wurzeln liegen in der Transzendentalphilosophie, dem Neukantianismus und vor allem in der Phänomenologie. An Edmund Husserl fesselte ihn der Durchbruch zu den Sachen selbst. Allerdings war ihm Husserl zu wenig radikal. Nach Heidegger muss die Intentionalität – anders als bei Husserl – den Rahmen des Bewusstseins sprengen, soll Husserls Devise des »Zu den Sachen selbst« tatsächlich eingelöst werden. Husserls späte Wende zum transzendentalen Bewusstsein macht hingegen deutlich, dass er sich nicht mehr aus dem Cartesianismus lösen konnte oder besser: wollte. Es geht dabei um jene lange Metaphysiktradition, die aus der Sicht Heideggers das Sein als Anwesenheit denkt und ihm ein Subjekt gegenüberstellt. Dies wurde für Heidegger der zentrale Ansatzpunkt seiner gesamten philosophischen Bemühungen. Verobjektivierung und Trennung von Subjekt und Objekt bestimmten aus seiner Sicht die gesamte bisherige Ideengeschichte. Nun ging es darum, diese Sicht zu überwinden, aber dafür gab es bislang – so seine Diagnose – keine denkerischen Instrumente. Demnach sah sich Heidegger vor die Aufgabe gestellt, die Frage nach dem Sein noch einmal neu zu stellen. Das war in einer Zeit, welche die Wende Kants zur Subjektphilosophie in allen Formen durchdeklinierte, durchaus anstößig. Um eine klare (und eine gegenständliche Antwort einfordernde) Frage nach einem »etwas« zu umgehen, formuliert er sie als Frage nach dem »Sinn von Sein«, also als Frage nach dem Sinn des Vorverständnisses für das Sein eines jeden Seienden. Er tat dies zunächst ausgehend vom Menschen – in seiner Diktion: dem Dasein. Der Mensch ist das ausgezeichnete Wesen, dem es um das eigene Sein geht. Daher darf der Mensch (das Dasein) nicht ausgeschaltet werden. Das Wesen des Daseins (= Menschsein) bedeutet keine zum Substantiv gewordene Essenz des Menschen, sondern sein An-wesen. Es ist hier ebensowenig ein Psychologismus gemeint wie eine Heidegger oft unterstellte anthropologische und existenzialistische Verkürzung. Auch von einer Transzendentalphilosophie rückte er bereits von Anfang an ab. Vielmehr setzte er in dem, was er Fundamentalontologie nannte, auf eine »richtig verstandene« phänomenologische Intentionalität. Das Sein sei deswegen noch nie in seiner vollen Dimension bedacht worden, weil die abendländische Philosophie es immer – unter Ausschluss



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jeder Zeitlichkeit – präsenzmetaphysisch zu fassen und zu beschreiben versuchte, es objektivierend zum Seienden gemacht und damit als Gegenstand des Bewusstseins verstanden habe. Die Temporalität des Seins (Sein und Zeit!) wurde dabei verdrängt. Heidegger konstruierte daraus den Vorwurf an die bisherige Philosophie, sie habe stets etwas ans Licht gezerrt, in den Begriff gezwängt und zu beherrschen versucht, was prinzipiell im Verborgenen bleibt: das Sein. Heidegger nannte das die ontologische Differenz bzw. die Seinsvergessenheit, welche die gesamte abendländische Metaphysik auszeichnet. Diese habe Erzählungen hervorgebracht, in denen nicht etwa das Sein vergessen wurde, sondern dessen wesenhafte Verborgenheit, die Wahrheit des Seins als Ereignis. Die Metaphysik habe demgegenüber Sein stets zum Seienden gemacht und es – allenfalls als Resultat zeitlicher Anläufe – aus dem zeitlichen Wandel herausgehoben. Aber Sein lässt sich nicht aus der erfahrbaren Welt des Seienden nachträglich ableiten (jedoch ist der Mensch – wie wir gleich hören werden – ursprünglich mit dem Sein vertraut). »Dasein ist so bei der Welt, daß es sie schon immer hat […].« Das Sein ist dem Seienden gegenüber ein »Nichts« und Heidegger konnte die alte Frage von Leibniz und Schelling pointiert neu stellen: Warum ist so viel Seiendes und nicht viel mehr Nichts? Heißt also eigentlich: Warum hat man das Sein nicht sein gelassen. Nach so grundlegender In-Frage-Stellung der Begrifflichkeit der traditionellen Metaphysik kann nicht verwundern, dass es nach Heidegger einen »Abbau der überkommenen […] Begriffe auf die Quellen, aus denen sie geschöpft sind«, braucht. Dies nannte Heidegger »Destruktion«. An die Stelle einer Bewusstseinsversicherung tritt ein Denk-Weg, ein »gehender Weg«, und die Ontologie wird zu einem Unternehmen, das Strukturen des Seins im Licht der Zeitlichkeit enthüllt. Dasein, also der Mensch, ist wesenhaft In-der-Welt-sein. Auch diese Welt ist in seinem Verständnis nicht einfach eine Summe statischer Seiender, sondern ein ereignishafter Bezug, ein »Worin des sichverweisenden Verstehens […].« Der Mensch ist nicht in der Welt wie »Gegenstände in einer Lade«, sondern er ist mit der Welt immer schon vertraut, er »wohnt bei«. Wie dies zu verstehen ist, demonstriert Heidegger durch das, was er Zeug nannte. Zum Unterschied vom vorhandenen Ding verweist das zuhandene Zeug immer auf anderes, auf ein Wozu seines Verwendens, auf das Woher des Materials. Mit dieser Aufdeckung der Seinsart des Zeugs, Gegenstände, mit denen das alltägliche Besorgen zu tun hat, zielte Heidegger auf die Weltlichkeit von Welt, die gekennzeichnet ist von gegenseitigen Verweisungszusammenhängen. Wenn im Terminus Besorgen jener der Sorge eingeführt wird, sei angesichts dieser anthropologisch klingenden Terminologie nochmals daran erinnert, dass wir uns hier streng auf ontologischer (und nicht bloß psychologischer) Ebene bewegen. Sorge meint die »Gesamtstruktur menschlichen Seins und nicht etwa nur den Menschen unter ökonomisch-praktischem Gesichtspunkt.« Sorge und Zeug dienen dazu, das Phänomen des In-der-Welt-seins zu erläutern. Der Sinn von Sein ist – so könnte man sagen – die Welt. Sinn von Sein ist aber auch die Zeitlichkeit. Auch diese ist keineswegs im Sinne einer präsenzmetaphysischen Deutung ein »Füllhorn von Gaben, sie gibt uns keinen Gehalt und keine

ontologische Differenz

z.B. Heidegger 1955, 409f

Boehm 1969, 121

Heidegger 1927b, 31

Heidegger 1927a, 86

Zeug

Leidlmair 1991, 57

164

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Safranski 1997, 178 Leidlmair 1991, 92 Schmidinger 1985, 202f

Leidlmair 1991, 98 Heidegger 1927a, 15 Bast 1986, 118

Schmidinger 1985

Adorno 1964

Heidegger 1927a, 25

Orientierung.« Sein vollzieht sich nicht in der Zeit wie Gegenstände unserer Umwelt, es gibt auch keine Seinsgeschichte im Sinne der Hegelschen Dialektik, sondern das »Sein ist selbst seine eigene Zeitigung.« Die Seinsfrage stützt sich mittels des Menschen, dem es um das Sein geht, auf ein vorthematisches Seinsverständnis, das mit dem Dasein immer schon mitgegeben ist. Sein »ist« (das ist nicht das gleiche »ist«, mit dem man nach einem Ding in der Welt fragt) kein Vorstellen, sondern ursprüngliche Unverborgenheit. Dem Menschen ist das Sein ursprünglich vertraut. Die geläufige Frage, wie der Mensch zu den Dingen und zur Welt kommt, ist stets sekundär. Dass der Mensch In-der-Welt-sein ist, bedeutet ja, dass die Welt in gewissem Maße erschlossen ist und nicht verschlossen, sodass hinterher Brücken geschlagen werden müssten. Sein und Mensch sind immer schon »aufeinander verwiesen, bevor der Mensch überhaupt nach diesem Bezug fragen kann.« In Sein und Zeit spricht Heidegger vom »vorontologischen Seinsverständnis«. In der Tat könnte man in gewissem Sinn von einer »Radikalisierung der ›Kopernikanischen Wende‹ Kants sprechen«. Nochmals sei der große Horizont in Erinnerung gerufen, nach dem Heidegger aufschließen zu können meinte, dass das bisherige Philosophieren aufgrund seines bewusstseinstheoretischen Charakters nicht bis zum ursprünglichen Sein vorstoßen konnte. In seinen Beiträgen zur Philosophie (Vom Ereignis) von 1936 bedient er sich der schönen Metapher von den unbestiegenen und unbesteigbaren Bergen der großen Metaphysiken, denen er aber mit größter Ehrfurcht begegne. Man könnte seine Metapher weiterführen: Der Mensch braucht sich der Mühe der Bergbesteigung gar nicht zu unterziehen, weil er erstens daran doch scheitern würde (Bergbesteigung steht ja für die Mühe der bisherigen Metaphysik), aber zweitens ohnehin bereits in der Lichtung der Wahrheit steht, die er am Gipfel des Berges zu finden hofft. Sein ist dem Menschen in einer Form von Unvordenklichkeit erschlossen. Wie diese Wahrheit offenbar und ausdrücklich wird, erfährt man freilich erst in den späteren Werken und dabei spielt die Kunst (in ähnlicher Weise auch die Technik) eine Schlüsselrolle. Um im Philosophieren jeder Dinglichkeit und Gegenständlichkeit auszuweichen, wird eine neue Sprache benötigt, die nicht mehr präsentisch, sondern temporal ist. Heidegger trieb Philosophie der Sprache im besten Sinn, indem er in den Abgründen sprachlicher Ausdrücke grub, um auf Bedeutungen zu stoßen, die den Ereignischarakter des Seins auszudrücken vermögen. Das hat viele irritiert und Heidegger massive Kritik eingebracht, von Seiten positivistischer und sprachphilosophischer Positionen ohnehin, aber auch Theodor Adorno hat eine böse Breitseite gegen Heidegger abgefeuert und seinem Sprachgestus gar Täuschung unterstellt. Heideggers Wahrheitsverständnis bedeutet einen Bruch mit den alten Wahrheitstheorien der Übereinstimmung von Subjekt und Objekt und mit den Bewusstseinstheorien. Das Ich steht nicht mehr einem Objekt gegenüber, sondern weist als Da des Seins über sich selbst hinaus auf alles andere Seiende. Deshalb nannte Heidegger auch die Dialektik, die ein System auf der Grundlage einer philosophischen Fehlinterpretation des Menschen herstellt, eine »echte philosophische Verlegenheit.«



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Weil die klassische Metaphysik nicht den Unterschied von Sein und Seiendem denkt, kann sie auch nicht erkennen, dass der Mensch nur aus jenem »Wesen west«, in dem er vom Sein angesprochen wird.

3.6.2. Die Kehre zur »Seinsgeschichte« Nach der von Heidegger selbst so genannten »Kehre« in seiner Philosophie, deren Keim schon früh angelegt ist und die er in der letzten in Marburg gehaltenen Vorlesung Metaphysische Anfangsgründe der Logik (freilich noch nicht in vollem Sinn) ausdrücklich machte, verschob sich der Ausgangspunkt der Fragestellung vom Dasein, also dem Menschen, zum Sein selbst – ohne dass damit die geschilderten Zusammenhänge der früheren Phase ungültig geworden wären. Vielfach wird diese Wende beim Kunstwerkaufsatz 1936 angesetzt. In Sein und Zeit gab Heidegger die Bedingungen dafür an, wie Seiendes in seinem Sein erfahrbar wird, und zwar immer noch im Sinne einer phänomenologischen Intentionalität auf dem Pfad einer transzendentalphilosophischen Fragestellung im weitesten Sinn, sodass die Verbergung des Seins als »leeres Nichts« erschien. Geht man jedoch vom Sein selbst aus, bedeutet das endgültig das Ende eines jeden transzendentalphilosophischen Vorgehens. Die Kehre ist im Grunde eine Radikalisierung der Tatsache, dass dem Menschen eine Welt immer schon erschlossen und jeder Intentionalität, transzendentalphilosophischen Begründung, ja jeder Metaphysik stets voraus ist. Diese ursprüngliche Erschlossenheit ist – wie der Ausdruck Anwesen bereits andeutete – dynamisch zu verstehen, Heidegger spricht vom »Ereignis«: »Sein gehört mit dem Denken in eine Identität, deren Wesen aus jenem Zusammengehörenlassen stammt, das wir das Ereignis nennen. Das Wesen der Identität ist ein Eigentum des Er-eignisses.« Sein meint nichts gegenständlich Vorstellbares, sondern ein Geschehnis durch die Unverborgenheit des Seienden. Nur mit einem solchen Vollzugs- und Geschehnis-Verständnis ist ein Zugang zu Heidegger überhaupt möglich. Das Sein selbst ist es, das erscheint oder in der Vergessenheit zu bleiben beliebt. Die konsequente Verschiebung, die ein Humanismus dadurch erfährt, illustriert der berühmte Humanismusbrief, den Martin Heidegger 1946 an Jean Beaufret geschrieben hat und mit dem er – wie erwähnt – in die durch Jean Paul Sartre entfachte Humanismusdiskussion in der Nachkriegszeit eingriff. Völlig konträr zu Sartres Motto vom Vorrang der Existenz vor der Essenz und seiner Überzeugung, dass der Mensch nichts anderes ist »als wozu er sich macht«, rückte Heidegger den Menschen in eine passive Rolle. Der Mensch sei mit seinem Status eines homo faber stets falsch beschrieben worden. Ihm komme der Rang eines »Hirten des Seins« zu. Ja, er sei ein Höriger des Seins: »Das Denken ist zugleich Denken des Seins, insofern das Denken dem Sein gehörend, auf das Sein hört.« Und: »Der Mensch muß, bevor er spricht, erst vom Sein sich wieder ansprechen lassen auf die Gefahr hin, daß er unter diesem Anspruch wenig oder selten etwas zu sagen hat.« In einer der modernen Auffassung diametral entgegengesetzten Weise kommt der Mensch in sein eigentliches Wesen (das ist das neue Verständnis von Humanismus) in der Lichtung des Seins, über die der

Ebd., § 44

Pöggeler 1984, 175

Anwesen und Ereignis

Heidegger 1957, 31

Sartre 1968, 9, 11

Heidegger 1947, 314/316

166

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ebd., 321

Boehm 1969, 121 VI.5.1.ff.

Schmidinger 1985, 328–342

Veyne 2009b, 84 Verborgenheit des Seins

Heidegger 1928, 281 Heidegger 1976a, 87 Heidegger 1977, 81

Heidegger 1978, 11

Heidegger 1947, 311

Mensch jedoch keine Verfügungsmacht hat, sondern in die er »geworfen« ist. »Das Stehen in der Lichtung des Seins nenne ich die Ek-sistenz des Menschen. […] die Eksistenz ist das, worin das Wesen des Menschen die Herkunft seiner Bestimmung wahrt.« Damit hat Heidegger auch eine Abkehr von der modernen Perspektivität durchgeführt, die mit der Selbstverfügung des Subjekts zusammenhängt: »Das Ende jeglicher Perspektivität zeichnet sich dann ab, wenn sich der Deutende in seinem Deuten auf Dies und Das nicht mehr vor sich selbst bringen kann, wenn das Selbstsein durchnichtet ist und nicht mehr aus dem Grunde währender Anwesenheit begegnende Mannigfaltigkeit in seine Einheit zurückbeziehen kann.« Solche Aussagen Heideggers lösten – wie offenbar immer, wenn der Mensch in seiner Selbstverfügung zurechtgestutzt wird – in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts auch eine intensive theologische Rezeption aus, die allerdings (zur Ehre der Theologie sei das gesagt) in eine Sackgasse mündete. Das Seinsverständnis Heideggers hat nämlich auch mit einem Gott, gar einem personalen Gottesbegriff, dessen Gegenüber ja wieder einen freien Menschen erfordert, nichts zu tun. Treffender könnte man schon von einer »raffinierten Gnosis«, einer »Theologie ohne Gott« sprechen. Ebenso wie das Verhängnis der Seinsvergessenheit einem anonymen Geschick zugeschrieben wird, unterliegen auch Verbergung und Offenbarwerden des Seins einem geschicklichen Zusammenhang. Das Sein ist – so hörten wir bereits – wesenhaft verborgen. Um dies in der Philosophiegeschichte zu gründen, verwies Heidegger immer wieder auf Heraklits einschlägiges Fragment 123, das er in mehreren Varianten ins Deutsche übertragen hat: »Das an sich Seiende und sein Wesen liebt es, sich zu verbergen, in der Verborgenheit zu bleiben.« Oder: »Sein (aufgehendes Erscheinen) neigt in sich zum Sich-verbergen.« Und schließlich: »Das Sich-verbergen ist das innerste Wesen der Bewegung des Erscheinens.« Die Verborgenheit des Seins lässt sich nicht durch den Zugriff des Menschen lichten, der einer vergegenständlichenden Metaphysik entspricht. Dieser falsche Zugang zum Sein setzt sich fort in der Technik, die ein Stellen im Sinne eines Herausforderns durch den Menschen ist. Aber es gibt Rahmen, innerhalb deren diese Seinsentbergung geschehen kann. Zwar ist auch eine recht verstandene Technik (das Wesen der Technik) eine Weise des Entbergens von Wahrheit: »Her-vor-bringen ereignet sich nur, insofern Verborgenes ins Unverborgene kommt.« Die Technik rückt damit in eine enge Beziehung zur Kunst, die im Technikaufsatz eben deshalb umfangreiche Erwähnung findet. Wichtig wurde die Kunst für Heidegger erst mit der Kehre; in den Schriften vorher spielt sie so gut wie keine Rolle. »Die Sprache ist das Haus des Seins. In ihrer Behausung wohnt der Mensch. Die Denkenden und Dichtenden sind die Wächter dieser Behausung. Ihr Wachen ist die Vollbringung der Offenbarkeit des Seins, insofern sie diese durch ihr Sagen zur Sprache bringen und in der Sprache aufbewahren. Das Denken wird nicht erst dadurch zur Aktion, daß von ihm eine Wirkung ausgeht oder daß es angewendet wird. Das Denken handelt, indem es denkt.« Dieses Ereignis verknüpft Mensch und Sein nicht im Sinne einer (z.B. erkenntnistheoretischen) Abhandlung über zwei Relate, sondern Sein gibt es nur »in



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

jenem je-weiligen Augenblick, in dem es der Mensch – als Dichter und Denker – zur Sprache bringt.« Die Offenbarkeit des Seins kann nicht distanziert beschrieben werden, also auch nicht in einer logischen Sprachfigur, sondern sie ereignet sich im Dichten und – so können wir ergänzen – in der Kunst. Das dichterische Wort ist eine Folge der Wende vom Dasein zum Sein in Heideggers Philosophie. Hier wird deutlich, wie sehr aus dem Zentrum der Philosophie Heideggers eine Philosophie der Kunst erwächst.

Leidlmair 1991, 99 Trawny 2003, 119 Ziegler 1998, 12

3.6.3. Philosophie der Kunst Aus Heideggers holistischem Philosophieverständnis kann man (ähnlich wie bei Platon) eine Metaphysik, eine Anthropologie oder Ethik und auch eine Ästhetik herauslösen (auch wenn er diese philosophischen Genres kaum je ausdrücklich als solche benennt). Mit der Kehre gibt es sogar einige Werke, die das Thema der Kunstphilosophie und Ästhetik ausdrücklich behandeln: den 1950 erstmals in Holzwege erschienenen, aus mehreren Vorträgen 1935/36 kompilierten Text Der Ursprung des Kunstwerks, den Vortrag Bauen, Wohnen, Denken (1951), den 1967 in Athen gehaltenen Vortrag Die Herkunft der Kunst und die Bestimmung des Denkens, den Text Die Kunst und der Raum (1969). Heidegger interessierte sich durchaus für die zeitgenössische Kunst und bemühte sich, einschlägige Ausstellungen zu besuchen, etwa von Paula Becker-Modersohn – von der ihn freilich vor allem die Bilder von Worpswedes bäuerlichem Alltag anzogen –, van Gogh, in kritischer Distanz Picasso und Braque, vom baskischen Bildhauer Eduardo Chillida. Besonders beeindruckt war er von Paul Cézanne, dessen Spuren in der Provence er nachgegangen ist. Ähnlich erging es ihm mit dem Werk Paul Klees, das er in Basel sah, wo Ernst Beyeler die Klee-Sammlung von David Thompson ausstellen konnte. Heinrich Wiegand Petzet schildert, dass Heidegger nach der Betrachtung von Klees Bildern einen zweiten Teil seines Kunstwerkaufsatzes schreiben wollte. Seit etwa 1930 setzte er sich mit der Dichtung auseinander, neben Trakl und Rilke vor allem Hölderlin, der die Seinsvergessenheit als »Götternacht« gedeutet habe und eine »worthafte Stiftung des Seins« bereitete. Daneben gibt es verstreute Äußerungen zu verschiedenen Künstlern. Es wurde bereits festgestellt, dass Kunst mit (dem Wesen) der Technik insoweit etwas zu tun hat, als beides Möglichkeiten der Entbergung des Seins sind. Dichtung und Kunst müssen grundsätzlich als Akte des Geschehens von Wahrheit gesehen werden. Dieses Verhältnis ist es, was Heidegger an der Kunst interessiert, und weder Fragen nach der Kategorialisierung von Kunstwerken noch jene nach anderen typischen ästhetischen Themen. Der Ursprung des Kunstwerks ist das bekannteste Werk Heideggers zur Kunst und Ästhetik und wird – wie schon erwähnt – häufig als Werk der Kehre angesehen. Darin geht es ihm zunächst um die Kritik der erstarrten Terminologie der Ästhetik, die sich wie jene der Philosophie generell von der Wahrheit entfernt hat. Dies lastete er unter anderem der Latinisierung an, die die griechischen Begriffe sachorientiert verkürzt habe. Ähnlich wie Herder hielt er die deutsche Sprache dem Griechischen eng verwandt und sah in ihr mehr spekulative Möglichkeiten, als es der lateinisch

Mitchell 2010

Petzet 1983, 157 Heidegger 1981, 41

168

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Heidegger 1935/36, 25; ähnl. 21, 36, 65

Ebd., 2

Ding

Heidegger 1950b

Ebd., 174

Heidegger 1935/36, 13/18/14 Wahrheit über das Zeug

623 Van Gogh, Schuhe (1886); VGM

geprägte philosophische Diskurs ermögliche. Das Wesen des Kunstwerks liege geradewegs darin, ein »Sich-ins-Werk-Setzen der Wahrheit« zu sein. Dies zu lichten sei die Aufgabe der Philosophie im Sinne ihrer Neuausrichtung. Das Hölderlinwort »dichterisch wohnet der Mensch« wird zu einem philosophischen Satz. Man könnte so weit gehen, ähnlich wie jenes von Platon auch Heideggers Gesamtwerk ästhetisch zu rekonstruieren. In solcher Gestimmtheit treten wir auch bei der Betrachtung des Kunstwerks in den Heideggerschen Zirkel ein, der seine gesamte Philosophie bestimmt. Was ein Kunstwerk ist, lässt sich nicht aus übergeordneten Prinzipien ableiten, sondern immanent, also gleichsam in einem Zirkel, erfahren: »Was die Kunst sei, soll sich aus dem Werk entnehmen lassen. Was das Werk sei, können wir nur aus dem Wesen der Kunst erfahren.« Der Werkcharakter der Kunst bleibt Grundlage und der Zirkel spielt zwischen Werk und Kunst und nicht etwa zwischen Werk und Künstler oder Werk und Betrachterin. Sowohl menschliche Produktion als auch Rezeption wären aus der Sicht Heideggers eine subjektivistische und gegenstandsmetaphysische Verkürzung. Genie- und Produktionsästhetik scheiden hier ebenso aus wie eine Rezeptionsästhetik. Nun scheint ein Kunstwerk in erster Linie einmal ein Ding zu sein. Zunächst gibt es am Ding nach Heidegger die klassische Unterscheidung von Stoff und Form, es ist den Sinnen zugänglich und schließlich ist ein Ding geformte Materie. Dieses (aristotelische) Konzept liegt zahlreichen kunstphilosophischen Vorstellungen zugrunde. Für Heidegger reicht das nicht hin. Mit dem Dingbegriff lässt sich das Kunstwerk nicht einholen. Darin äußert sich bloß der Warencharakter des Kunstwerks, aber das Kunstwerk führt über den Dingbegriff hinaus. An anderer Stelle hatte sich Heidegger mit dem Ding ausführlicher auseinandergesetzt. Darin beschreibt er die Ambivalenz dieses Begriffs, in der sich die Sachhaltigkeit zeigt, aber eben auch ein Versammeln im Sinne der Nach-Kehre-Konzeption: »Im Wasser des Geschenkes weilt die Quelle. In der Quelle weilt das Gestein, in ihm der dunkle Schlummer der Erde, die Regen und Tau des Himmels empfängt. Im Wasser der Quelle weilt die Hochzeit von Himmel und Erde. Sie weilt im Wein, den die Frucht des Rebstocks gibt, in der das Nährende der Erde und die Sonne des Himmels einander zugetraut sind.« Dinge sind zwar Gegenstände, aber sie verweisen in einen Kontext. Erst damit gewähren sie dem Menschen ein Verweilen und Wohnen. Das Erzeugnis wird verfestigt als »ein Zeug zu etwas«, es hat eine »Dienlichkeit«: »So ist das Zeug halb Ding […] und doch mehr; zugleich halb Kunstwerk und doch weniger, weil ohne die Selbstgenügsamkeit des Kunstwerkes.« Das Kunstwerk thematisiert selbst etwas. Es ist die Wahrheit über das Zeug. Heidegger exemplifiziert das an van Goghs Darstellung vermeintlicher »Bauernschuhe«, vermutlich im Bild Vieux souliers aux lacets (1886). Er entwirft assoziativ das Umfeld solcher Bauernschuhe. In einer hymnisch anmutenden Prosa blitzt die Mühe des bäuerlichen Alltags auf, das Lob der Furchen des Ackers, über den ein



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

rauer Wind weht, die Einsamkeit des begangenen Feldwegs, das »klaglose Bangen um die Sicherheit des Brotes«, die Ankunft der Geburt wie das »Zittern in der Umdrohung des Todes«. Auch der Hinweis von Kunsthistorikern wie Meyer Schapiro auf den ikonographischen Fehler Heideggers, dass es sich nämlich nicht um Bauernschuhe, sondern um van Goghs eigene Schuhe gehandelt habe, ändert nichts am Sinn dieser phänomenologischen Assoziation. Es ging Heidegger ja nicht um die Referenz zu einem realen Gegenstand, sondern um die Eröffnung dessen, was Zeug ist, was zugleich den Sinn des Kunstwerks ausdrückt. Das Kunstwerk ist nicht bloßes Abbild einer Sache, auch nicht Veranschaulichung einer Wahrheit, vielmehr ereignet sich darin Wahrheit selbst. Bei Heidegger ist mehr gemeint als bloß eine Erzählung, um uns »besondere Aspekte der Welt, in der wir leben, und unserer selbst« verständlich zu machen. »Heidegger hat gut gesehen, wie ein Bauwerk seiner Umgebung dem Himmel und der Erde ein Gesicht verleiht.« Aber Heidegger erzählt keine (metaphysischen) Geschichten mehr, er bzw. hier: die Kunst, rührt an die Wahrheit. Nicht durch diskursive Beschreibung, sondern durch ein plötzliches Aufscheinen: »In der Nähe des Werkes sind wir jäh anderswo gewesen, als wir gewöhnlich zu sein pflegen.« Die Wahrheit des Kunstwerks kommt zum Vorschein im Moratorium des Alltäglichen: »Van Goghs Gemälde ist die Eröffnung dessen, was das Zeug, das Paar Bauernschuhe, in Wahrheit ist.« Erst wenn das Seiende aus seiner Unsichtbarkeit der Gewohnheit tritt, kann sich das Geschehen der Wahrheit vollziehen. »Dies geschieht im Kunstwerk – in jenem Riß, in dem der Urstreit von Lichtung und Verbergung ausgetragen wird.« Dieses Emphatische am Kunstwerk, das mit einer Geschehenswahrheit korrespondiert, zeigt sich auch in Dichtung und Architektur. Ein griechischer Tempel – so sein weiteres Beispiel – bildet nichts ab, er lässt den anwesenden Gott in den heiligen Bezirk hinaustreten. Der Tempel versammelt Bezüge, »in denen Geburt und Tod, Unheil und Segen, Sieg und Schmach, Ausharren und Verfall – dem Menschenwesen die Gestalt seines Geschickes gewinnen.« Diese Sicht bleibt so lange gültig, als »der Gott nicht aus ihm geflohen« ist. Ganz offensichtlich geht es Heidegger beim Kunstwerk um Wahrheit und nicht um Schönheit. Kunst und Architektur werden zu Weisen, wie Wahrheit geschieht. Denn: »Im Dastehen des Tempels geschieht die Wahrheit.« Heidegger geht auch mit dem unabdingbaren Material um. Es wird im Sinne seiner Ding-Konzeption aufgelöst in Temporalität, in Dynamisches. Heidegger spricht von Erde, wenn er das Material meint. »Sie ist das Hervorkommend-Bergende.« Das ist das radikale Gegenstück zur technischen Vergegenständlichung der Erde. »Das Tempel-Werk dagegen läßt, indem es eine Welt aufstellt, den Stoff nicht verschwinden, sondern allererst hervorkommen und zwar im Offenen der Welt des Werkes: der Fels kommt zum Tragen und Ruhen und wird so erst Fels; die Metalle kommen zum Blitzen und Schimmern, die Farben zum Leuchten, der Ton zum Klingen, das Wort zum Sagen.« Wahrheit und Schönheit sind für Heidegger kein Widerspruch, wie er in kur­ siver Schriftsetzung nachdrücklich betont: Das gelichtete Sein »fügt sein Scheinen

Ebd., 19

Schapiro 1968, 205

Bertram 2005, 45 Baumeister 2012, 321

Heidegger 1935/36, 21

Leidlmair 2001, 286

Heidegger 1935/36, 28f X.2.3. Ebd., 42

Ebd., 32

Ebd.

170

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ebd., 43 Wahrheit und Schönheit

Majetschak Stefan in Majetschak 2005, 233

Heidegger 1935/36, 48 Ebd.

Ebd., 52f

Ebd., 53 Ebd., 55

Ebd., 68

ins Werk. Schönheit ist eine Weise, wie Wahrheit als Unverborgenheit west.« Ästhetik alias Das-sich-Zeigen von Wahrheit ist ein mit dynamischen Metaphern besetztes Geschehen: das Sich-Zeigen, Lichten, Anwesen, Entbergen. Es ist das Lichten in eine Unverborgenheit. »Denn Unverborgenheit geschieht, weil sie dem seinsverstehenden Menschen geschichtlich eröffnet wird, und zwar so eröffnet wird, daß er sich solchem Ereignis nachgeordnet denken muß.« Das Kunstwerk ist prädestiniert, über einen reinen Zeugcharakter hinaus Ort dieses Sich-Zeigens von Wahrheit zu sein. Nun kann aus Heideggers Sicht das Kunstwerk nie abgeschottet vom Schaffensprozess gesehen werden. Das Werksein des Werkes lässt sich nicht aus diesem ableiten und isolieren. Vielmehr ist das Schaffen ein »Hervorgehenlassen in ein Hervorgebrachtes.« Der Künstler ist mit seinem Schaffen eingebunden und damit offenbart sich das Kunstwerk als eine Konstellation dieses Wahrheitsgeschehnis: »Das Werkwerden des Werkes ist eine Weise des Werdens und Geschehens der Wahrheit.« Auch hier wieder sieht man Nähe und Distanz Heideggers zu Hegel, denn Heidegger benennt keineswegs ein Geniemotiv, sondern den Künstler als vom Seinsgeschick in das Schaffen Berufenen, ja Hörenden und Hörigen. Ebenso wichtig ist der Unterschied, den Heidegger zwischen einem solch gedachten Kunstwerk und einem bloß hergestellten Zeug, man kann auch von Handwerk sprechen, machte. Das Anfertigen von Zeug ist »nie unmittelbar die Erwirkung des Geschehens der Wahrheit.« Zeug geht in Dienlichkeit und Gebrauch auf. Demgegenüber weist das Kunstwerk, bei dem es um das einfache »factum est« und nicht um das »N.N. fecit« geht, zurück auf Heideggers Fundamentalontologie, wenn er schreibt: »Je wesentlicher das Werk sich öffnet, um so leuchtender wird die Einzigkeit dessen, daß es ist und nicht vielmehr nicht ist.« Inwieweit sich diese subtilen Unterscheidungen für den Umgang mit Kunstwerken, gar für eine Unterscheidung von Kunst und Handwerk eignen, sei dahingestellt. Schon oft und zu Recht wurde auf die Problematik der Verbindung von Heideggers Philosophie mit der Moderne hingewiesen. Er stand gegen Rationalität, Aufklärung und Humanismus und er konterkarierte die Moderne mit einem geradezu aufreizenden Sprachgestus, den er umständlich und ausufernd darbot. Die Stimmungen, die einen Ausstieg aus der Verfallenheit an das Man und das Seiende ermöglichen, sind pessimistisch, seine Metaphern entspringen einer idealisierten bäuerlichen Welt. In der Kunstphilosophie griff er im Sinne seines Humanismuskonzepts jede Subjektivierung sowohl auf Seiten des Künstlers als auch auf der des Rezipienten an. »Dort, wo der Künstler und der Vorgang und die Umstände der Entstehung des Werkes unbekannt bleiben, tritt […] dieses ›Daß‹ des Geschaffenseins am reinsten aus dem Werk hervor.« Auch einer jeden Auffassung der Kunst als Expression wird der Boden entzogen. Das Wahrheitsereignis, in dem das Kunstwerk steht, »setzt das Werk nicht herab in die Rolle eines Erlebniserregers.« Natürlich fehlt in seiner Analyse auch nicht die sich auf Hegel berufende kulturpessimistische Sicht, dass in der zeitgenössischen Kunst die »große Kunst samt ihrem Wesen von dem Menschen gewichen« sei. Mit kritischem Blick auf Picasso notierte er: »[…] die ganze heutige Kunst, ob surrealistisch, abstrakt oder gegen-



171

Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

ständlich, sei metaphysischen Wesens. Indessen bereite sich bei Cézanne ein Wandel des ›Werkes‹ vor.« In diesem Punkt eines Konstatierens der Ästhetisierung der Kunst stimmte Heidegger mit Hegel überein, verschärfte dessen negative Bewertung dieser Situation allerdings noch weiter. Man hat neuerdings versucht, Heideggers Kunstauffassung ausgerechnet an Du­ champ zu messen. Der Gedanke fasst bei Duchamp – mit Blick auf Kants Tran­ szendentalphilosophie – als »Umstellung der ästhetischen Optik von einer bis dato geltenden direkten ontologischen Objekt- und Subjekt-Fixierung – das schöne Kunstwerk, der geniale Künstler als dessen Produzent – auf […] eine Vollzugsform oder auch Praxis konzeptioneller Kontext- und Relationssteuerung.« Heidegger wird dabei zum Verwalter eines »gestisch-performativen Apriori«, indem »die Heidegger’sche Galerie der Gesten« das Problem im »Zeigen, Vorführen und buchstäblichen Inszenieren« darstellt, wozu seine Philosophie »meditativer Negation mit seinen Manövern des Abbrechens und Nicht-Vollendens, des Verweigerns, Aufhörens und NichtTuns« passen. Damit könnte auch Heideggers Nicht-Philosophie mit Duchamps Nicht-Kunst verglichen werden. Der Gedankengang ist äußerst produktiv, die Frage bleibt allerdings, ob er Heidegger gerecht wird. Cai Werntgen räumt selbst ein, dass Heidegger keine Form für seine Formexperimente findet und er diagnostiziert auch richtig, dass für Heidegger auf seiner »mentalen Tiefebene« die Meta-Ironie »als Schlüsselelement der Duchamp-Lektion« verbaut sei. Das ist gewiss so und in der Tat bleibt »Heideggers anti-philosophische Performance in ihrer Tiefenstruktur letztlich autoritär fixiert auf die esoterische Maximalpose des Weisen […].« So gesehen kann man dem Fazit Werntgens, es handle sich um »Retro-Metaphysik auf Ready-made-Basis« kaum widersprechen. Dass Heidegger antiliberal und antimodern dachte, ist fraglos wahr. Vielleicht auch, dass sein »geradezu hypnotischer Einfluß« viel zu einem Antiliberalismus beitrug. Dazu kommt, dass Heideggers Kunstphilosophie kaum mehr in einem gegenwärtigen Ästhetik- und Kunstdiskurs fruchtbar eingebracht werden kann. Trotzdem hat er auf Aspekte des Kunstwerks und der Architektur aufmerksam gemacht, die durchaus aufgenommen wurden. Dass er die Kunst wieder in die Ontologie- und Wahrheitsdimension eingebracht hat, ist nur scheinbar anstößig. Man kann nämlich die Sache umdrehen und sagen, dass Heidegger mit Hilfe der Kunst der Philosophie eine De(kon)struktion verordnet hat, die, anticartesianisch und antitranszendental wie sie war, in der poststrukturalistischen Philosophie fruchtbar gemacht wurde und der wir die Kreativität des postmetaphysischen Zeitalters verdanken. Insbesondere in der postmodernen Architekturtheorie haben implizit oder explizit Hinweise Heideggers etwa in Bauen, Wohnen, Denken eine nicht unerhebliche Resonanz ausgelöst. Auch wenn Heidegger betonte, es ginge nicht darum »zum Bauen dieser Höfe zurückzukehren«, sondern es ginge darum, an einem gewesenen Bauen zu veranschaulichen »wie es zu bauen vermochte«, hören sich seine Darlegungen des Verständnisses des Bauens im Sinne seines Verweisungszusammenhangs kitschig und rückwärtsorientiert an: »Denken wir für eine Weile an einen Schwarzwaldhof, den vor zwei Jahrhunderten noch bäuerliches Wohnen baute. Hier hat die

Heidegger, zit. nach Petzet 1983, 154

Werntgen 2016, 135

Ebd., 140/137/141

Ebd., 145/146/151

Holmes 1995, 7

172

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Heidegger 1951a, 162

Norberg-Schulz 1982, 5

Alexander 1977, IX 4.6.2.

VI.4.1.

Heidegger 1935/36, 29

Ebd., 30

Inständigkeit des Vermögens, Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen [Heidegger nennt dies Geviert; BB] einfältig in die Dinge einzulassen, das Haus gerichtet. Es hat den Hof an die windgeschützte Berglehne gegen Mittag zwischen die Matten in die Nähe der Quelle gestellt. Es hat ihm das weit ausladende Schindeldach gegeben, das in geeigneter Schräge die Schneelasten trägt und tief herabreichend die Stuben gegen die Stürme der langen Winternächte schützt. Es hat den Herrgottswinkel hinter dem gemeinsamen Tisch nicht vergessen, es hat die geheiligten Plätze für Kindbett und Totenbaum, so heißt dort der Sarg, in die Stuben eingeräumt und so den verschiedenen Lebensaltern unter einem Dach das Gepräge ihres Ganges durch die Zeit vorgezeichnet. Ein Handwerk, das selber dem Wohnen entsprungen, seine Geräte und Gerüste noch als Dinge braucht, hat den Hof gebaut. Nur wenn wir das Wohnen vermögen, können wir bauen.« Jedes Subjekt ist verschwunden. Aus dem Geviert baut sich im geglückten Augenblick ein solches Haus selbst. Der norwegische Architekt und Architekturtheoretiker Christian NorbergSchulz berief sich ausdrücklich auf Heideggers Philosophie als »Katalysator« seiner Arbeit: »Der Mensch wohnt, wenn er sich in einer Umgebung orientieren und mit ihr identifizieren kann, kurz, wenn er seine Umgebung als sinnvoll erlebt. Wohnen bedeutet deshalb mehr als ›Unterkunft‹. Es bedeutet, daß die Räume, in denen sich das Leben ereignet, Plätze, Orte im eigentlichen Sinn des Wortes sind. […] Architektur bedeutet also Visualisierung des genius loci […].« Norberg-Schulz beschritt bewusst den Weg einer Theorie von Architektur, die sich die Eroberung existentieller Kategorien verschrieb. Auch der 1936 in Wien geborene US-amerikanische Architekt und Theoretiker Christopher Alexander, der sich zunehmend mit systemtheoretischen Fragen beschäftigte, bezog sich zwar nicht ausdrücklich auf Heidegger, aber seine Vorgabe eines zeitlosen Musters des Bauens stellt dieses in einen gesellschaftlichen Bezug: »The Timeless Way of Building describes the fundamental nature of the task of making towns and buildings.« Wenngleich solche Rezeptionen eine allzu existenzialistische Verkürzung Heideggers darstellen, sind trotzdem Aspekte eines Eigenwerts und Eigensinns des Kunstwerks angesprochen, die sich aus Heideggers Kunstphilosophie gewinnen lassen. Heideggers Antihumanismus (im herkömmlichen Verständnis) führte konsequent zur Ablehnung des alten aristotelischen Konzepts. Damit trifft er die heutige Intention der modernen Künstlerinnen, die sich von der – mit Heidegger gesprochen – Versammlung der Bezüge des noch unbearbeiteten Stücks leiten lässt und diese Emphase unterstützend herauszuarbeiten sucht. Ebenso wichtig ist die antimimetische Ausrichtung, die sich mit seinem Antisubjektivismus paart und bis zur Realpräsenz der alten Ikonentheorie geht: Das Bildwerk von Gott »ist kein Abbild, damit man an ihm leichter zur Kenntnis nehme, wie der Gott aussieht, aber es ist ein Werk, das den Gott selbst anwesen läßt und so der Gott selbst ist.« In der Kunst tritt Heideggers philosophisches Anliegen in eine besondere Verdichtung, denn Welt ist eben gerade keine Ansammlung abzählbarer Dinge, sondern sie »weltet und ist seiender als das Greifbare und Vernehmbar, worin wir uns heimisch glauben.«



173

Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

3.7. Hans-Georg Gadamer Der wichtigste Vertreter der philosophischen Hermeneutik, der Lehre vom Verstehen und der Auslegung von Texten, Hans-Georg Gadamer, wurde 1900 in Marburg geboren. Nach Studien der Philosophie, Kunstgeschichte, Philologie in Breslau, wo er Kindheit und Jugend verbrachte, Freiburg und Marburg, promovierte er schließlich bei Paul Natorp. Neben dem Neukantianismus fühlte er sich zum Denken Heideggers (in dessen Einflussbereich er sich mit einer Arbeit über Platon habilitierte) hingezogen, das ihn nach Begegnungen mit dem »Meisterdenker« in Freiburg und in dessen legendärer Hütte in Todtnauberg allerdings auch ängstigte, sodass er eine eigene denkerische Basis finden wollte. Nach mehreren Professuren, wo er die Nähe zu den Nationalsozialisten nicht scheute, wurde er nach dem Krieg Nachfolger von Karl Jaspers in Heidelberg. 1960 erschien sein Hauptwerk Wahrheit und Methode, das große Werk der Hermeneutik. Die Hermeneutik ist eine philologische Methode (um Texte richtig zu verstehen) und eine philosophische Disziplin (des Verstehens ganz allgemein). Sie markiert gleichsam eine Epochentheorie, die in den meisten Rezeptionen noch von der alten Utopie eines – zwar durch die Differenz von Autorin und Rezipientin gebrochenen – endgültigen Verstehens und dem Anspruch auf Wahrheit geprägt ist. »Seither bedeutet Hermeneutik, die aus dem bescheidenen Keim der ehemaligen Interpretationstechnik hervorwuchs, eine Gegebenheit, mit der in nahezu allen Bereichen der Kultur, des Soziallebens und der Wissenschaft gerechnet wird.« Ob dies die Intention Gadamers indes exakt widerspiegelt, ist jedenfalls fragwürdig. Die Hermeneutik hatte eine lange Verlaufsgeschichte, die spätestens mit der mittelalterlichen Lehre vom mehrfachen Schriftsinn begann und sich über wichtige Stationen, darunter Auslegungsfragen in der Rechtswissenschaft, Schärfung der Methoden der Geisteswissenschaften bei Dilthey, Welt-Deutung aus dem ursprünglichen In-der-Welt-Sein bei Heidegger, bis zu Gadamer erstreckte. Die hinter der Hermeneutik stehende, jeder Differenz vorauslaufende Sinnfigur einer ursprünglichen Einheit verweist auf einen platonischen Hintergrund. Dieser Anspruch wurde durch die poststrukturalistische Dekonstruktion abgelöst, die die Interessenslagen hinter den Verstehenskonzepten aufdeckte. Es versteht sich von selbst, dass in diesem Paradigma und dem Wechsel desselben ein zentrales kunstphilosophisches Interesse vorliegt. Denn, allgemein gesprochen, bringt die Hermeneutik »jene Werke, welche zu uns in der Distanz der Überlieferung stehen, für die Gegenwart wieder originell zum Sprechen.« Gadamer selbst äußerte sich zu Fragen der Kunst in mehreren kleineren Schriften, darunter Die Fragwürdigkeit des ästhetischen Bewußtseins (1958), Die Aktualität des Schönen (1974), Philosophie und Literatur (1981), Wort und Bild (1992), sowie etlichen Werkbesprechungen der literarischen und bildenden Künste. Schließlich ist der erste Teil in Wahrheit und Methode überschrieben mit: Freilegung der Wahrheitsfrage an der Erfahrung der Kunst. Man darf bei solcher Titelgebung einen Einfluss Heideggers vermuten. Die neukantianische Pointe der Hermeneutik Gadamers ist ein konstruktiver Anteil am Verstehen, das sich niemals als bloß passiv rezipierendes Unternehmen

624 Hans-Georg Gadamer (1999)

die Hermeneutik

Bubner 1990

V.5.3.2.

4.5.1.f.

Ebd.

174

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Gadamer 1960, I, 271

X.3.1.

Gadamer 1971a, 45 Grondin Jean in ÄKPh, 296

Gadamer 1960, I, 170

Grondin Jean in ÄKPh, 296 das Schöne Gadamer 1960, I, 484

Gadamer 1974, 105 X.1.3.2.2.

erschöpft. Verstehen ist keineswegs nur ein reproduktives, sondern stets auch ein produktives Verhalten. »Wer einen Text verstehen will, vollzieht immer ein Entwerfen.« Es ist dieser konstruktivistische Anteil, der eine allzu glatte Gleichstellung der Hermeneutik mit der Ambition eines endgültig gelingenden Verstehens durchkreuzt. Jedes Verstehen eines Textes ist eine Sache von beiden Seiten, der Autorin und dem Rezipienten. Mit dieser Konstellation öffnete Gadamer einen wirkmächtigen Weg für eine Rezeptionsästhetik, die besonders prominent Hans Robert Jauß im Rahmen der sogenannten Konstanzer Schule weiter entwickelte. Philosophisch knüpfte Richard Rorty mit einem gemäßigten Konstruktivismus hier an. Trotz diesem konstruktivistischen Aspekt hielt Gadamer kritischen Abstand zu Kants Subjektivierung. Die in der Moderne erreichte Autonomie der Kunst hatte bei Kant eine Abweisung höherer Erkenntnis- und Wahrheitsansprüche zugunsten von ästhetischen zur Folge. Einen solchen Wahrheitsanspruch der Kunst will Gadamer – mit Blick auf Heidegger – aber nicht aufgeben. »Heideggers Durchbruch durch die traditionelle Begrifflichkeit der Metaphysik und der Ästhetik hat hier einen neuen Zugang eröffnet, indem er das Kunstwerk als Ins-Werk-Setzen der Wahrheit interpretierte und die sinnlich-sittliche Einheit des Kunstwerks gegen alle ontologischen Dualismen verteidigte.« Die Kunsterfahrung ist nach Gadamer eine solche, die sich in die »lebensweltliche Kontinuität unserer Erkenntnis einfügt und damit eine Wahrheitserfahrung verkörpert, die auf anderem Wege unerreichbar bliebe.« Gadamer war keineswegs ein bloß rückwärtsgewandter Konservativer. Seine Absicht war vielmehr, die Bedingungen des Autonom-Werdens der Kunst ihrerseits kritisch zu hinterfragen und das Über-Sich-selbst-Hinausgehen der Ästhetik im Rahmen der Hermeneutik zu rekonstruieren: »Die Ästhetik muß in der Hermeneutik aufgehen.« Aus Gadamers Sicht habe Kants Verzicht auf die Wahrheitsfrage in der Ästhetik den irrationalen Geniekult der Romantik gefördert. Aber gerade die Kunst lasse dem Wahrheitsbegriff mehr Raum, als ihm in den engen Methoden der Wissenschaften zukommt. »Es ist G.s Anliegen, das Wahrheitsmoment der Kunst gegen deren rein ästhetische Verkürzung zu Ehren zu bringen.« Dabei hatte er kein Problem, auf die ontologische Bedeutung des Schönen zu verweisen, wie sie in der Antike Gültigkeit hatte. Schönheit sei Ordnung und Harmonie, es liege »ein pythagoreisches Element im griechischen Gedanken des Schönen.« Das Schöne bleibt das Kriterium der Kunst. Kunst meint schöne Kunst! Was aber ist das Schöne für Gadamer? Es überwindet die Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit, ein Gedanke, den Gadamer in der Ästhetik Hegels vorgezeichnet fand: »Schönheit ist nicht einfach Symmetrie, sondern der Vorschein selbst, der auf ihr beruht. Sie ist von der Art des Scheinens. Scheinen aber heißt: auf etwas scheinen und so an dem, worauf der Schein fällt, selber zum Erscheinen kommen. Schönheit hat die Seinsweise des Lichtes. Das meint nicht nur, dass ohne Licht nichts Schönes erscheinen, nichts schön sein kann. Es meint auch, daß die Schönheit des Schönen als Licht, als Glanz an ihm erscheint. Sie bringt sich selbst zur Erscheinung. […] Licht ist ja nicht die Helle dessen, was es bescheint, sondern, indem es anderes sichtbar sein läßt, ist es selbst sichtbar, und es ist auf keine andere Weise sichtbar, als indem



175

Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

es anderes sichtbar macht.« Schönes ist Vorscheinen und es offenbart sich selbst. Bei den Bezugssystemen Gadamers wird Hegel gleichsam durch die Brille Heideggers betrachtet: »In der griechischen Welt war es die Erscheinung des Göttlichen in der Skulptur und im Tempel, der im südlichen Licht offen in die Landschaft hineinstand, sich gegen die ewigen Mächte der Natur niemals verschließend.« Scheinen »ist hier als Seinsvorgang zu verstehen, das sinnliche Scheinen wird metaphysisch verstanden, wobei wir es an diesem Punkt ebenso mit einer metaphysischen Auffassung der Sinnlichkeit zu tun haben.« Durch Kants Verzicht auf den Wahrheitsanspruch wurde die Kunst zu einem bloßen Spiel des Subjekts. Das führt Gadamer zu einer Befreiung des Spielbegriffs von seinem subjektivistischen Akzent bei Kant und Schiller und zu einer erneuten Hochrüstung auf eine ontologische Ebene. Das Spiel wird autonom (und nicht mehr subjektiv) und nimmt das Subjekt so ein, wie ein Kunstwerk eine Rezipientin einzunehmen vermag. Kunst muss gespielt werden, was in der Tat zu einer Aufwertung der Kunstform des Theaters führte. Später sah er die Literatur in derselben Rolle, wobei das Lesen immer ein Mitvollziehen meint, ein »Mitgehen, Hören, und zwar Hören durch das innere Ohr, wo der Sinn Resonanz, Antwort und mithin Anwendung erfährt.« Spiel und Mimesis in dieser hochgerüsteten Bedeutung ermöglichen – über Schiller hinaus – dem Subjekt einen Impuls an Freiheit und Verwandlung durch die Erfahrung von Kunst. Dies entspricht einem »Seinszuwachs«, den er gegen den »Seinsverlust« der modernen Ästhetik stellte. Die Mimesis spielte hier noch einmal eine wesentliche Rolle. Gemeint ist nicht einfach Nachahmung, sondern etwas zur Darstellung bringen: »Der antike Gebrauch dieses Wortes [Mimesis; BB] ist von dem Sternentanz her gewählt. Die Sterne sind die Darstellung der reinen mathematischen Gesetzlichkeiten und Proportionen, die die Ordnung des Himmels ausmachen. In diesem Sinne hat die Tradition, glaube ich, recht, wenn sie sagt: Kunst ist immer Mimesis, d.h., sie bringt etwas zur Darstellung.« Spiel und Nachahmung verweisen aufeinander. Gadamer ging davon aus, dass Nachahmung einen »Erkenntnissinn« hat, aber man muss ihn in genuin phänomenologischer Naivität suchen. Dann ergibt sich Folgendes: »Nachahmend beginnt das kleine Kind zu spielen, indem es bestätigt, was es kennt und sich selbst damit bestätigt«. Die Nachahmung ist selber ein Spiel und wie das Spiel ist auch die Nachahmung eine Darstellung, in der das Dargestellte da ist. Der Erkenntnissinn der Mimesis ist die Wiedererkennung, die über eine reine abbildende Wiederholung des Vorbildes hinausgeht. Vielmehr kommt ihr ein zusätzlicher Erkenntniswert zu: »In Wahrheit ist in der Darstellung der Kunst Wiedererkenntnis am Werk, die den Charakter echter Wesenserkenntnis hat, und das ist gerade dadurch, daß Platon alle Wesenserkenntnis als Wiedererkenntnis versteht, sachlich begründet worden: […].« Gadamer operiert mit den alten Vokabeln von Bild und Urbild: »So paradox es klingt: das Urbild wird erst vom Bilde her zum Bilde – und doch ist das Bild nichts als die Erscheinung des Urbildes.« Und als zusammenfassendes Wort über die nunmehr ontologisch rehabilitierte Stellung des Bildes mag stehen: »Das Bild ist ein Seinsvorgang – in ihm kommt Sein zur sinnvoll-sichtbaren Erscheinung.«

Gadamer 1960, I, 486

Gadamer 1974, 97 Spiel und ­Nachahmung

Fehér 2013, 235

Grondin Jean in ÄKPh, 300f VIII.4.1.

Gadamer 1974, 127

Gadamer 1960, I, 119

Ebd., 120 Ebd., 147

Ebd., 149

176

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Gadamer 1974, 126/128

Ebd., 130

X.3.1.

X.3.5.1.2.

Gadamer liest das Kunstwerk nicht bloß als Verweis auf etwas im Sinne eines Zeichens, vielmehr geht er (sogar in ausdrücklicher Analogie zur katholischen Abendmahlslehre) davon aus, dass im Kunstwerk »eigentlicher da ist, worauf verwiesen ist. Mit anderen Worten: Das Kunstwerk bedeutet einen Zuwachs an Sein.« Dass dies keineswegs eine Einschränkung auf gegenständliche Kunst ist, macht Gadamer auch gleich klar: »Es ist eine erstaunlich naive Form gegenständlicher Verbegrifflichung, wenn man vor einem Bild in erster Linie nach dem fragt, was da dargestellt ist.« Gadamers Überlegungen münden gleichsam in den Vergleich von Kunstwerk und Fest. Das bedeutet, dass Erfahrung von Kunst stets – wie beim Fest – das Subjektive übersteigt. Feste und Feiern sind dadurch bestimmt, dass »hier nicht erst vereinzelt wird, sondern alle versammelt sind.« Das Kunstwerk konstituiert sich in der Subjektivität der Feiernden, die aber stets auf die Allgemeinheit hin aufgeschlossen wird. Weil Gadamer die Seite der Rezipientin im Sinne des Grundgedankens der Hermeneutik so aktiv auslegt und in der Rezeption sogar einen Seinszuwachs konstatiert, wird er häufig mit der Position eines rezeptionsästhetischen Mentalismus und einem Bruch mit der Produktionsästhetik in Verbindung gebracht. Diese Einordnung ist nicht ganz von der Hand zu weisen, wenngleich Gadamer vermutlich mit dem extremen künstlerischen Mentalismus wenig anfangen könnte. Zum Unterschied vom Mentalismus stützt sich die Hermeneutik auf eine interpretierbare Basis und geht von einer Dichotomie von Autor und Rezipient aus.

3.8. Die Frankfurter Schule und die Kritische Theorie Es war der mit globalem Getreidehandel reich gewordene Mäzen Hermann Weil, der als Förderer der Universität Frankfurt 1923 dort das marxistisch ausgerichtete Institut für Sozialforschung – zunächst unter dem Namen Hermann-Weil-Stiftung – gründete. Dessen erster Leiter wurde 1924 der den Austromarxismus begründende Carl Grünberg. Er hatte sich mit Arbeiten und Zeitschriftengründungen im Umkreis sozialwissenschaftlicher Fragen dafür empfohlen und war von Hermann Weils Sohn Felix nach Frankfurt geholt worden. Als Grünberg nach einem Schlaganfall 1929 die Leitung nicht mehr ausüben konnte, wurde – nach einem kurzen Zwischenspiel Friedrich Pollocks – 1931 Max Horkheimer sein Nachfolger. Horkheimer befreite das Institut aus seiner ursprünglichen orthodox-marxistischen Enge. War das Institut anfangs mit historischen Forschungen und (in Zusammenarbeit mit dem Marx-Engels-Institut in Moskau) mit der Herausgabe der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA) beschäftigt, baute Horkheimer das Institut zu einer Einrichtung interdisziplinärer gesellschaftstheoretischer Forschung um. Ab 1932 erschien die Zeitschrift für Sozialforschung, in der unter anderem Leo Löwenthal, Erich Fromm, Theodor W. Adorno, Walter Benjamin und Herbert Marcuse schrieben (nicht vertreten war Ernst Bloch). Im Jahrgang 1937 publizierte Horkheimer dort den Aufsatz Traditionelle und Kritische Theorie, in dem er die Grundzüge einer neuen gesellschaftsrelevanten Theorie entwarf, die nichts von mathematischen Zeichensystemen hielt und jede Trennung von Theorie und Praxis ausschloss.



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

Wegen der Machtübernahme der Nationalsozialisten musste das Institut 1933 die Arbeit einstellen und übersiedelte, da ein Ausweichen nach Genf an den rigiden Ausländergesetzen der Schweiz scheiterte, auf Drängen Horkheimers (einige Mitglieder, darunter Adorno, wollten bleiben und Widerstand leisten) an die Columbia-Universität nach New York. Aus finanziellen Gründen gingen einige der Mitglieder des Instituts nach Kalifornien, darunter Horkheimer und Adorno, die dort bis 1944 am Manuskript der Dialektik der Aufklärung arbeiteten. Gleich nach dem Ende des Krieges bemühte sich die Stadt Frankfurt erfolgreich um eine Rückkehr des Instituts. 1951 wurde es wiedereröffnet. Horkheimer blieb bis 1964 Leiter. Im Mittelpunkt der Forschung standen die Aufarbeitung der Kriegsjahre und des Antisemitismus sowie die Gestaltung von Demokratie. Die Methoden wurden empirischer, nur Adorno blieb einem eher theoretischen Gestus verhaftet. In den Sechzigerjahren stieß Jürgen Habermas zum Institut. Die gesellschaftstheoretischen Arbeiten des Instituts lassen sich unter der von Horkheimer geprägten Markenbezeichnung Kritische Theorie bündeln. Es waren die Gegner im Kreis des Kritischen Rationalismus um Karl Popper, die der Einrichtung das Etikett Frankfurter Schule umhängten. Allein, die Vertreter dieser »Schule« zogen keineswegs am selben Strang. Es gab, wie der inzwischen publizierte Briefwechsel zeigt, durchaus Kontroversen in Sache und Methode. Das Verbindende war die kritische Auseinandersetzung mit der bürgerlichen, kapitalistischen Gesellschaftsordnung auf dem Niveau einer modernen Theorie, also neben dem klassischen Marxismus die Einbeziehung des Idealismus Hegels und der Psychoanalyse Freuds. Neben ökonomischer und politischer Kritik umfasste das in erheblicher Weise auch die Kritik an Sozialinstitutionen wie Religion und Familie, an Massenmedien und am neuen Phänomen der Massenkultur. Die kapitalistische Gesellschaft wurde unter ideologiekritischem Gesichtspunkt ins Visier genommen, während die marxistische Gesellschaftslehre ihrerseits als ideologiefrei galt. Eine zentrale These für die spätkapitalistische Ordnung war die Instrumentalisierung der Vernunft in der bürokratischen Verwaltung der Kultur. Diese kritische Analyse ist eine gesellschaftspolitische Umsetzung der Kritik an Hegels statischer Systemkomponente zugunsten der aufklärerischen Dynamik der Dialektik. Horkheimer und Adorno identifizierten in ihrer Dialektik der Aufklärung darin einen Rückfall der Aufklärung in den Mythos. Das Hauptfeindbild der Frankfurter blieb der Positivismus, dem ein Vernunftbegriff entgegengesetzt wurde, der einer Zweck-Mittel-Relation enthoben ist. Mit der Kritischen Theorie wurde die Philosophie praktisch. Was das – beinahe im Sinne der 11. These von Marx gesprochen – genau implizierte, darüber gab es durchaus unterschiedliche Meinungen. Herbert Marcuse, der »marxistische Praktiker«, griff die Theoretiker Adorno und Horkheimer in dieser Sache heftig an. Er mischte sich 1968 selbst unter die revoltierenden Studenten im Quartier Latin in Paris. Der 1898 in Berlin geborene Marcuse, der bei Husserl und Heidegger studiert hatte, stieß in Genf zum Institut, das dort auf dem Weg in die USA Zwischenstation machte. Marcuse folgte 1934 in die Emigration in die Vereinigten Staaten. In

3.8.1.f.

VIII.6.1.1.

Herbert Marcuse

178

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

5.1.2.

5.1.1.

Luhmann, zit. HW, 1373

X.2.5.

seinem 1955 erschienenen Werk Eros and Civilization (im Dt. zuerst mit dem Titel Eros und Kultur, später: Triebstruktur und Gesellschaft) vertrat er noch eine positive romantisch-utopische Einstellung zum technischen Fortschritt. Dieser ermögliche dem Menschen eine Befreiung von der Fron der Arbeit zur Freiheit des Trieblebens. 1964 legte er das berühmt gewordene Buch The One-Dimensional Man vor, in dem die Sache ganz anders klang und er plötzlich den Pessimismus der Dialektik der Aufklärung sowie Heideggers Technik-Kritik teilte. Seiner Meinung nach vereinigen sich Politik, Wirtschaft, Technik, Wissenschaft und Ökonomie zu einer eindimensionalen Unterdrückungskultur in einer »oppositionslosen Gesellschaft«. Dieses Buch war den Erfahrungen der spätindustriellen Gesellschaft wesentlich näher als die frühe romantische Utopie und hatte in einer Zeit, die gerade von der Technikeuphorie in ein ökologisches Paradigma kippte, eine entsprechend große Wirkung. Auch in seiner Kunstphilosophie gab es einen Schwenk. 1967 hielt Marcuse einen Vortrag bei den Salzburger Humanismusgesprächen, wo er die Kunst ähnlich behandelte wie Marx die Religion: als Trostinstrument des Volks. Kunst bleibe bei Bild und Ton und habe nicht die Kraft, die Gesellschaft zu verändern. Das Schöne, worum es der Kunst gehe, sei ein nicht-repressives Sublimieren. Es sei eine Ordnung im Sinne Baudelaires, ein Stillstellen der Gewaltsamkeit der Materie. Das Schöne sei daher wesentlich Form. Aus dieser Sicht gehöre die Kunst, gleichsam als ihr tröstendes Antidot, ebenfalls zur eindimensionalen Kultur, denn sie sei stets mit der schlechten Wirklichkeit verschwägert worden. Andere Töne schlug er in seinem letzten Werk, Die Permanenz der Kunst (1977), an. Hier näherte er sich Adorno und Benjamin an und präparierte die kritischen Potenziale der Kunst heraus. Sie unterliege gerade keinen Sachzwängen und könne daher als Instrument der politischen Befreiung des Menschen aus der Eindimensionalität dienen. Gültig blieb auch hier der Hinweis auf die Form der Kunst. Kunst, welche die Form verlasse, sei keine Kunst. Marcuse diagnostizierte einen solchen Formverlust bei großen Teilen der Avantgarde, darunter beim Ready-Made, auf der einen Seite, genauso aber bei der in den Sechzigerjahren aufkommenden Popularkultur auf der anderen Seite. Die Kritische Theorie diente als theoretischer Rahmen der Achtundsechzigerbewegung und entfaltete eine nachhaltige, die Gesellschaft real verändernde Wirkung. Die vielleicht schmerzhafteste Infragestellung der Anliegen der Frankfurter Schule kam denn auch weniger von Seiten einer politisch motivierten Kritik als vielmehr von Seiten eines methodisch-systematischen Einwands. Niklas Luhmanns systemtheoretische Sicht auf die Kunst entwarf diese als ein autopoietisches Unternehmen. Kunst wird »zu einem sich selbst bestimmenden, sich selbst produzierenden, sich an inneren Kohärenzen und Widersprüchen orientierenden System.« Luhmann ordnete die Kunst in ein Raster, das er für alle Systeme in modernen Gesellschaften für gültig erachtete. Was die Kunst betrifft, deckt sich dies über weite Strecken mit Positionen, die der Kunst Selbstreferentialität zusprechen, was einer gesellschaftsverändernden Funktion naturgemäß die Spitze bricht.



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

3.8.1. Theodor Wiesengrund Adorno Theodor W. Adorno wurde 1903 in Frankfurt als Sohn des Weinhändlers Oscar Wiesengrund und der Sängerin Maria Calvelli-Adorno in eine kosmopolitische Familie hineingeboren. Auf Drängen seiner katholischen Mutter wurde Adorno getauft und er betätigte sich sogar einige Zeit als Ministrant. Neben Philosophie, Psychologie und Soziologie studierte er Musik bei Alban Berg in Wien und arbeitete als Musikkritiker, unter anderem zwischen 1928 und 1931 bei der Musikzeitschrift Musikblätter des Anbruchs, die sich für die neue Musik einsetzte. Seine Dissertation hatte die Phänomenologie Husserls zum Thema, die Habilitation unter der Federführung Paul Tillichs handelte über Kierkegaard. Die Beschäftigung mit Kierkegaard schärfte den Blick auf das Individuum, das dieser gegen den objektiven Geist Hegels energisch eingeklagt hatte. Von 1934 bis 1937 war Adorno in Oxford und betrieb dort ausführliche Studien zu Husserl. Beim zentralen Anliegen Husserls blieb Adorno zurückhaltend. Dem »Zu den Sachen selbst« vermochte er nie zu folgen, hielt demgegenüber an Hegels Figur der Vermittlung fest. 1938 emigrierte er nach New York und arbeitete am inzwischen an der Columbia Universität untergebrachten Institut für Sozialforschung. In ausgiebigen Gesprächen in New York und später im Emigrantentreff Pacific Palisades in Los Angeles bereiteten Max Horkheimer und Adorno ein Projekt vor, das den Arbeitstitel Dialektische Logik trug und schließlich auf der Grundlage der Protokolle Gretel Adornos unter dem Titel Dialektik der Aufklärung in vorläufiger Form 1944 und endgültig 1947 publiziert wurde. Nach der Rückkehr 1949 nach Deutschland bekleidete er eine Professorenstelle an der Universität Frankfurt und trat 1958 die Nachfolge von Max Horkheimer als Leiter des Instituts für Sozialforschung an, das 1951 in Frankfurt wiedereröffnet worden war. Die Reflexionen über das scheinbare Versagen der Aufklärung wurden durch die im Exil entstandene und 1951 erschienene Aphorismensammlung Minima Moralia fortgesetzt, wo sich der programmatische Satz für diesen Zusammenhang findet: »Es gibt kein richtiges Leben im falschen«. Die Konsequenzen daraus beschränkten sich für die Köpfe der Frankfurter Schule und besonders für Adorno auf die Theoriearbeit. Der Versuch einer revolutionären Umgestaltung dieses falschen Lebens wurde nicht ins Auge gefasst. Das stieß mehr und mehr auf Unverständnis der auf Praxis-Umsetzung pochenden Studenten in den Sechzigerjahren. Die Kritik an der Zurückhaltung der Philosophen wurde immer heftiger und gipfelte 1969 in dem berühmten Attentat nackter Brüste auf Adorno, ausgeführt unter anderem von der damals 26jährigen späteren Kunsthistorikerin Hannah Weitemeier. Als der stets gegen den Polizeistaat anschreibende Adorno dann auch noch die Besetzung des Frank­ furter Instituts durch Studenten mit Hilfe herbeigerufener Polizei beenden musste, schien ihm das schwer zu schaffen gemacht zu haben. Manche Biographen schließen einen Zusammenhang dieser Ereignisse mit dem Herzinfarkt, der 1969 in Visp in der Schweiz zu seinem Tod führte, nicht aus. In seinem philosophischen Anliegen lässt sich Adorno am gewinnbringendsten von seiner Hegelrezeption her lesen. Diese bestimmte die Leseart von Marx und die

625 Theodor W. Adorno

VIII.6.1.6.

Adorno 1951a, 43

180

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Dialektik der Aufklärung

Horkheimer/Adorno 1947, 11 626 Max Horkheimer (1968)

Ebd., 13 II.5.0.

Negative Dialektik

Rekonstruktion des Marxismus, der, eingebettet in aktuelle soziologische, psychologische, philosophische und auch kulturtheoretische Konzepte, Grundlage einer Theorie der spätkapitalistischen Gesellschaft sein sollte. Das von Horkheimer und Adorno gemeinsam verfasste Werk Dialektik der Aufklärung stand gleichsam wie eine Exposition des gesamten Œuvres am Anfang. Das fragmentarische Werk untersucht im Lichte der Vorkommnisse im nationalsozialistischen Deutschland auf der einen und der Konsum- und Kulturindustrie in den USA auf der anderen Seite die Topographie der Aufklärung vor der ernüchternden Erkenntnis, dass die Menschheit, »anstatt in einen wahrhaft menschlichen Zustand einzutreten, in eine neue Art von Barbarei versinkt.« Das 1947 in Amsterdam erschienene und damals kaum beachtete Buch hat eine enorme und (man wird wohl sagen müssen: leider) wegen seiner Aktualität bis in die Gegenwart reichende Wirkungsgeschichte. Es ist ein pessimistisches Buch in dem Sinn, dass sich nach Meinung der Autoren die Aufklärung keineswegs so deutlich vom Mythos abgesetzt hat, wie dies gerne kolportiert wird. Mythos sei nicht einfach eine zurückgelassene Heimat. Vielmehr ist das Ich zu einer beständigen Irrfahrt – einer Odyssee – durch die Schichten des Mythischen gezwungen. Die Bewegung des sich emanzipierenden Subjekts ähnelt der Bewegung des sich suchenden Geistes bei Hegel, der beständig in Antithesen sich entfremden muss. Die Aufklärung trägt ihre Selbstverfehlung stets in sich. »Jedoch glauben wir, genauso deutlich erkannt zu haben, daß der Begriff eben dieses Denkens, nicht weniger als die konkreten historischen Formen, die Institutionen der Gesellschaft, in die es verflochten ist, schon den Keim zu jenem Rückschritt enthalten, der heute überall sich ereignet.« Die Rationalität, die einst das emanzipatorische Instrument gegen die Unverfügbarkeit durch die Mächte der Natur war, erhielt durch die Rationalisierung aller Lebensbereiche einen instrumentellen Charakter und verlor dabei die Kontrolle über das Verdrängte, was die aufklärerische Vernunft in den Mythos zurückfallen ließ. Die Botschaft der Dialektik der Aufklärung war daher, Aufklärung der Aufklärung zu betreiben, keinesfalls diese in Frage zu stellen. Die Autoren kritisierten – aus heutiger Sicht ziemlich pauschal – die Kulturindustrie, wo Aufklärung zu einem Massenbetrug werde. Zwar mache die Kulturindustrie die kulturelle Produktion allgemein zugänglich, entwerte sie jedoch zugleich, insbesondere durch Reproduktionstechniken und Vermarktungsstrategien. Adorno und Horkheimer kannten die Industrie nur als Standardisierung und Serienproduktion, die – auf Kultur angewandt – nicht anders als negativ bewertet werden konnte. Die Sicherung von Aufklärung und Freiheit verlangt daher, dass die Aufklärung stets ihr Selbstkorrekturpotential aktiviert. Genau dies fand in Hegels Philosophie, seiner Dialektik des Begriffs, die Vorlage. Adorno ging mit dieser Vorlage um wie ein um Aktualisierung eines älteren Stoffes bemühter Regisseur. Man könnte in Adornos Hegel-Inszenierung die Geburt des viel gescholtenen Regietheaters ebenso wie die Grundlegung des Diskurses der intellektuellen Eliten seit den Sechzigerjahren sehen. Adorno spielte den Prozesshegel gegen den Systemhegel aus: den Hegel der Identität gegen jenen des Antithetischen und Antinomischen. Er sprach vom »Fich-



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

teaner Hegel« und meinte damit die aufklärerische Prozessfigur, mit der Fichte den beharrenden Systemanteil aufgebrochen hatte. Den radikalsten Eingriff in Hegels Gesamtsystem stellt denn auch die ausschließlich negativ gewendete Dialektik dar, wie er sie in seinem Hauptwerk Negative Dialektik (1966) zum Programm erhob: »Die Formulierung Negative Dialektik verstößt gegen die Überlieferung. Dialektik will bereits bei Platon, daß durchs Denkmittel der Negation ein Positives sich herstelle; die Figur einer Negation der Negation benannte das später prägnant. Das Buch möchte Dialektik von derlei affirmativem Wesen befreien […].« Adorno sah in der Versöhnungsambition Hegels (damit in der Verzweckung der Dialektik zum Systemerhalt) einen totalitären Zug und bürstete Hegel gegen den Strich, um den seiner dialektischen Philosophie inhärenten Destruktionsgestus als Aufklärungsprogramm zu retten. »Kaum irgendwo ist seine Philosophie aktueller, als wo sie den Begriff Sein demontiert«. Denn: »Prozess nämlich ist die Wahrheit selber«. Der Prozessgestus von Adornos Philosophie transferierte Hegels Denken in das 20. Jh., sodass mit ihm der Diskurs der Moderne eröffnet schien. Die Diskrepanz zwischen Hegels dynamistischem Werkzeug auf der einen und der angesteuerten statischen Systemambition auf der anderen Seite war auch von anderen Philosophen der Zeit erkannt worden. Ernst Bloch karikierte das Hegelwort von der Eule der Minerva, die »erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug« beginnt, indem er kommentierte: Dahinter stecke »Hegel, der Antiquar, mit der Betrachtung nach ihrer am meisten defätistischen Seite. Die postume Minerva reimt sich nicht mit der tätig-frischen, die die Ägis, ihren Schild, ergreift, mit der wachen Taggöttin. Die Entstehung von Hegels eigener Philosophie widerspricht der Spät-Eule, um vom prozeßlustigen Inhalt zu schweigen.« Dass sich hier etwas nicht zusammenreimte, traf auch Marx, dessen Denken den zweiten Pol der Frankfurter Schule ausmachte. Marx, der immerhin in seinen Thesen über Feuerbach den Prozessaspekt gegen Feuerbachs vulgär-statischen Materialismus einklagte, war gerade noch dazu gut, diese antinomische Aufklärung gesellschaftlich zu erden, aber sicher nicht mehr für die Chimäre eines endgültigen Abschlusses der Geschichte. Das hatte bereits Engels gegen Marx formuliert. Engels nahm die Aufklärungsambition der Frankfurter geradezu vorweg: »Und so wird im Lauf der Entwicklung alles früher Wirkliche unwirklich, verliert seine Notwendigkeit, sein Existenzrecht, seine Vernünftigkeit; an die Stelle des absterbenden Wirklichen tritt eine neue, lebensfähige Wirklichkeit – friedlich, wenn das Alte verständig genug ist, ohne Sträuben mit Tode abzugehen, gewaltsam, wenn es sich gegen diese Notwendigkeit sperrt.« Engels fühlte sich Hegel verpflichtet. Er habe nichts weniger getan, als »der Endgültigkeit aller Ergebnisse des menschlichen Denkens und Handelns ein für allemal den Garaus gemacht.« Um jedes Missverständnis auszuschließen, ließ es Engels – allerdings erst nach dem Tod von Marx – nicht an Deutlichkeit fehlen: »Ein allumfassendes, ein für allemal abschließendes System der Erkenntnis von Natur und Geschichte steht im Widerspruch mit den Grundgesetzen des dialektischen Denkens […].« Neben dem Prozesshegel ging es auch um die Rekonstruktion des individuellen Subjekts. Hegels totalitäre Anmutung zeigte sich in der Aufhebung des Individuel-

Adorno 1963, 255 VIII.5.1.

Adorno 1966a, 9

Adorno 1963, 278/282 Habermas 1985, 65 VIII.5.3.1. Prozess gegen System

Hegel 1821, 28

Bloch 1951, 246

VIII.6.1.1.

Engels 1886, 266/267

Engels 1878, 24

182

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Habermas 1985, 55

Adorno 1966a, 10

Adorno 1963, 263 Ebd., 12

Adorno 1931, 326

Adorno 1932, 354

Wellmer 1985, 135

Adorno 1951a, 55

len in den absoluten (kollektiven) Geist. Die Reflexionsarbeit des Subjekts bei Kant, Fichte und Hegel war die Voraussetzung für das moderne Subjekt und wurde nicht selten für ein Freiheitsprogramm fruchtbar zu machen versucht. Aber bei Hegel enthüllte sich dem auf sich selbst bezogenen Reflexionsvermögen immer »auch das Negative einer verselbständigten, absolut gesetzten Subjektivität.« Für Adorno war dies ein wichtiger Schritt der Korrektur: »Seitdem der Autor den eigenen geistigen Impulsen vertraute, empfand er es als seine Aufgabe, mit der Kraft des Subjekts den Trug konstitutiver Subjektivität [gemeint: Hegels Absolutes; BB] zu durchbrechen.« Adorno ortete die Herkunft dieses kollektiven Zuges in Hegels Geistphilosophie – ebenso wie in dessen materialistischer Variante bei Marx – in Kants Rücknahme des wissenschaftlichen Gegenstandsbezugs in die transzendentale Subjektivität: »Setzt daher die Bildung des Begriffs Transzendentalsubjekt oder absoluter Geist sich ganz hinweg über individuelles Bewußtsein schlechthin als raumzeitliches, woran er gewonnen ward, so läßt jener Begriff selber sich nicht mehr einlösen; sonst wird er, der alle Fetische demolierte, selber einer, und das haben die spekulativen Philosophen seit Fichte verkannt.« In der Tat hatte die Abschaffung des Dinges an sich »alles in den Stromkreis der Immanenz« hineingerissen. Adorno inszenierte Hegel als Philosophen der Moderne, indem er ihn von Kant her las und in dessen transzendentaler Wende das reflektierende Individuum als empirisches bewahrte. Damit machte er die Dialektik zum Werkzeug des sich aufklärenden Menschen, während bei Hegel das Individuum zum Werkzeug einer Dialektik des absoluten Weltgeistes instrumentalisiert worden war. Der Dialektik wird der Systemgehalt durch den Prozessanteil dieser Dialektik selbst ausgetrieben. Damit hat sich der Anspruch der autonomen Vernunft, der früher einmal war, »alle Wirklichkeit selber aus sich heraus zu entwickeln« in der »Krise des philosophischen Totalitätsanspruches« korrigiert. Modern ist also das Anrennen des dynamischen Aspekts gegen das Beharrende. »Jede Aussonderung naturhafter Statik aus der historischen Dynamik« sei eine falsche Verabsolutierung, meint er ganz im Geiste von Schellings Naturphilosophie. Modern ist auch das Anrennen des individuellen Subjekts gegen den Systemanspruch einer zum Absoluten stilisierten Subjektivität. Dass in der Moderne beide Aspekte dialektisch verschränkt bleiben und das eine das andere stets gefährdet, haben Adorno und Horkheimer in ihrer Dialektik der Aufklärung scheinbar zeitlos formuliert. Greifbar würden solche philosophische Abstraktionen in der Verwaltung der Welt – als Dominanz des Identischen. Diese Situation bezeichnen die Termini Kulturindustrie, Verdinglichung, instrumentelle Vernunft. Adorno, der »Anwalt des Nicht-Identischen«, spielte im Geiste destruktiver Negativität ständig den Prozess gegen das System Hegels aus. Adornos Denken verweigert sich damit jeder Identität. Das entspricht dem Festhalten an Hegels Vermittlung und der Ablehnung einer Unmittelbarkeit, in die Hegel mit der Konstruktion des Absoluten selbst geraten schien. Selbstverständlich blieb Adornos Denken eines der Metaphysik. Allerdings einer Metaphysik, bei der zentrale Begriffe nach einem Motto der Minima Moralia, »das Ganze ist das Unwahre«, dekonstruiert wurden. Das Abso-



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

lute wurde zum Nicht-Identischen und Antinomischen: »Das Absolute jedoch, wie es der Metaphysik vorschwebt, wäre das Nichtidentische, das erst hervorträte, nachdem der Identitätszwang zerging.« Da nach Adorno vor allem die Kunst gekennzeichnet ist von Nicht-Identischem, ist die Kunst auch der Ort einer solchen Metaphysik und damit letzten Endes auch ein Ort der (in diesem Sinn verstandenen) Wahrheit. Eine Folge für das Individuum ist, dass es seine befreiende Authentizität nicht in der (tendenziell kollektivierenden) Wissenschaft gewinnt, sondern in der Kreativität der Kunst. Eine Philosophie der Kunst war für Adorno daher nicht nur ein Anwendungsfall seiner Philosophie von mehreren, sondern die zentrale Gestalt seines Anliegens. Klar ist dabei auch, dass trotz dieser Option jede Aufklärung nur über den Begriff möglich ist. Eine ästhetische Anschauung bleibt ebenso ausgeschlossen wie jede andere denkbare Art der unvermittelten Identität. Metaphysik ist hier Pflege des Nicht-Identischen. War bei Heidegger die Technik noch der letzte negative Gipfel der Metaphysik, wurde diese Metaphysik als ständige Nichtidentität bei Adorno zu einem Ort der Hoffnung in der Kunst. Das Kunstwerk zielt nicht auf Nachahmung, sondern ist ein »Einspruch gegen die Verdinglichung.« Das ist auch eine Absage gegen den alten Realismus, der in der sozialistischen Version so arg ideologisiert und dogmatisiert worden war. Kunst richtet sich gegen die Dogmatisierung selbst.

Adorno 1966a, 398

Adorno 1970, 482

3.8.1.1. Die kunstphilosophische Ambition von Adornos Philosophie Anders als bei den meisten Philosophen, bei denen die Kunstphilosophie ein abgelegenes Neben- oder »Quotenthema« ist, kann man Theodor W. Adornos gesamtes Œuvre in gewisser Weise unter kunstphilosophischen Gesichtspunkten lesen. Bereits am Beginn seiner Laufbahn stand mit seiner Habilitationsschrift Kierkegaard – Konstruktion des Ästhetischen (1933) eine ästhetische Untersuchung. Adorno analysierte darin das Motiv des Scheins, der einerseits in das ästhetische Reich des Unwirklichen gehört, andererseits Ort der Wahrheit selbst ist. Der Wahrheitsbegriff war für ihn, anders als bisher, keine metaphysische Konstante mehr, sondern, wie beschrieben, aus der Antinomie des Begriffs zu verstehen. Das Resümee Hegels: »Der Gedanke und die Reflexion hat die schöne Kunst überflügelt« wurde hier aus fehlender Vertrauenswürdigkeit des Begriffs auf die Kunst zurückorientiert. Über diese Dialektik des Scheins stellt sich Kunst immer wieder selbst in Frage. Kunst ist Fragment, Rätsel, Ruine und Fehler einer scheinhaften Vollkommenheit. Adorno wiederholte Hegels Dialektik des Scheins mit anderen Bedeutungsinhalten. Die Wahrheit der Kunst lag für ihn nicht (wie bei Hegel) in der Verdinglichung einer »erscheinenden« geistigen Idee, sondern in der emanzipatorischen Kraft aus der Destruktion dieses Scheins durch das Kunstwerk. Dieses Programm lässt sich in der Kunst leichter durchführen als mit dem auf Identität ausgerichteten statischen Begriff. Das Ästhetische lebt hier fort in seinem permanenten Untergang! Mit seiner Ästhetischen Theorie »besiegelt er die Abtretung der Erkenntniskompetenz an die Kunst«, meint Jürgen Habermas. In der Tat kündigte Adorno den Konsens von Kant bis Hegel auf, dass nämlich »ästhetische Erfahrungen in erster Linie als bestätigende Erfahrungen verstanden« werden.

Antinomie des Begriffs

Hegel 1835, 24

Habermas 1985, 85 Bertram 2005, 136

184

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Aufklärung als Brucherfahrung

3.8.2.

Adorno 1970, 250 Ebd. Musiktheorie

4.5.2.

Diese in die Kunst übertragene Vision der Aufklärung als stetige Brucherfahrung funktioniere – und das ist ein gravierender Unterschied zu dem in dieser Frage konservativen Marcuse – freilich nur in der kritischen Avantgarde. Sie gelinge ausdrücklich nicht in der zeitgenössischen Massenkultur, die aus der Dialektik des Scheins eine (Konsum-)Ideologie des Scheins erzeugt. Adorno stand daher sogar gegen Benjamin, der in seiner Filmdeutung von Zerstreuung sprach und darin positiv den Zerfall der traditionellen Aura beschrieb. Adorno vermochte dem Film nichts mehr abzugewinnen als die Einstufung eines Mediums der Kulturindustrie. Gewissermaßen die andere Seite gegenüber der Massenkultur ist der aus Adornos Sicht fruchtlose Versuch, Gesellschaftskritik mit materialistischer Widerspiegelungstheorie zu betreiben. In diesem Punkt lieferte er sich einen heftigen Disput mit Georg Lukács. Politisch lagen die beiden ebenfalls weit auseinander. Adorno hieß Lukács einen bornierten Parteifunktionär und Lukács revanchierte sich mit dem Bonmot: Adorno habe das »Grand Hotel Abgrund« bezogen. Ein zentraler Topos in der Kunstphilosophie wurde die oben angemerkte Option für das Individuum: »Die Arbeit am Kunstwerk ist gesellschaftlich durchs Individuum hindurch […] Das je eingreifende einzelmenschliche Subjekt ist kaum mehr als ein Grenzwert, ein Minimales, dessen das Kunstwerk bedarf, um sich zu kristallisieren.« Besonders offenbar wird das in der Musik, wo das Wir aus dem »chorischen Ritual« stamme. Dass Adorno die Kunst über weite Strecken an der Musik exemplifizierte, ergab sich aus seiner musikalischen Ausbildung und seinem Faible für das Genre. In der zwanzigbändigen Gesamtausgabe umfassen acht Bände Schriften zur Musik. Die Musik changiere je nach Authentizität (dies treffe v.a. auf die Schönberg-Schule zu) zwischen Ware und Nähe zum Unmittelbaren. Auf die Ebene des Individuums heruntergebrochen bedeutet das: Das Individuum der Aufklärung darf nicht mit dem bürgerlichen Subjekt verwechselt werden, das Adorno in Wagners, aber auch Strawinskys Musik ausmachen zu können glaubte, wo es sich ins Archaische – in seine triebhafte Ausstattung – zurück barg. Anders in der Zwölftonmusik: In der neuen Musik zerfalle die ästhetische Subjektivität in die Dialektik zwischen naturhaftem Ausdruck und rationaler Verfügung. Auch diese Dialektik münde in die verwaltete Welt. In den Traktaten zur Musiktheorie unterstrich Adorno immer wieder sein Anliegen der Verweigerung einer falschen Einheit zugunsten des Vielen und wies damit auf die Lyotardsche Postmoderneversion voraus. Was in der Philosophie Identitätsverweigerung ist, ist in der Soziologie das Bekenntnis zu den gesellschaftlichen Brüchen und in der Musik die Dissonanz. Dass Adorno mit seinem gesellschaftspolitischen Credo, wonach es darum gehe, die Brüche in Mensch und Gesellschaft zu reflektieren und nicht emphatisch einen Versöhnungsgestus vorzutäuschen, wo es keinen gibt, in einer Zeit, wo aus der Zerrissenheit nach den Jahren des Gräuels Versöhnung gesucht wurde, auch Anstoß erregte, kann nicht überraschen. Aber gerade dieses Grauenhafte – symbolisiert durch Auschwitz – stand für Adornos Überzeugung, dass Kunst nach dieser Katastrophe nur noch als nichtidentische erlaubt ist. Denn es war die falsche Identität, die seiner



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

Meinung nach an der Wurzel der Verwerfungen stand. Allerdings ist Adorno keineswegs zu reduzieren auf das bloß Inkommensurable. Er kämpfte gegen eine unreflektierte Einheit, wie sie hinter den utopischen philosophischen Metaerzählungen stand. Indem Kunst jedoch auf höchstem Reflexionsniveau solche unreflektierte Versöhnung unterläuft, dient sie unausdrücklich dem Gelingen einer solchen Einheit. Dabei wurde sein Denken kleinteilig und detailliert. Er schied manche Genres als Produkte der Kulturindustrie aus der Kunst schlicht aus. Neben dem Film unterlag seinem Verdikt die Jazzmusik. Sie sei keine Kunst, sondern deren »falsche Liquidation.« Der Poststrukturalismus ist dieses Problem (übrigens mit dem von Adorno schwer angegriffenen Heidegger im Rücken) radikaler und überzeugender angegangen. Denn Adorno kam nicht umhin, sich in die Rolle eines Schiedsrichters von guter und schlechter Identität, damit auch von guter und schlechter Kunst, zu versetzen. Ein solcher Schiedsrichter steht freilich mitten auf dem Spielfeld der Metaphysik.

Adorno 1953, 137

3.8.1.2. Die Ästhetische Theorie Die Ästhetische Theorie Adornos – 1970 posthum veröffentlicht – ist ein epochales Werk. Das unabgeschlossene, völlig ungegliederte, »rhizomartige« Buch ist im Grunde eine Philosophie des Antinomischen. Es ist ein Ringen um einen vertretbaren Wahrheitsbegriff angesichts der im Namen der Aufklärung stets scheiternden Aufhebung in eine große Synthese – dargestellt an der Kunst. Das Kunstwerk lebt von einer dialektischen Dynamik – aus einer Dialektik des Kristallinen und Flüssigen sozusagen, welches Ringen sein philosophisches Anliegen prägte. Durch diese allgemeine Theorie zieht sich das dialektische Verhältnis des Scheins. Wahrheit wurde von Adorno nicht verabschiedet, sondern neu positioniert. Sie ist weder diskursiv noch unmittelbar erreichbar, sondern in einen ambivalenten, ja antinomischen Kontext eingebunden. »Paradox hat sie [die Kunst; BB] das Unversöhnte zu bezeugen und gleichwohl tendenziell zu versöhnen; möglich ist das nur ihrer nicht-diskursiven Sprache.« Dass Sprache nicht diskursiv sich in statischen Begriffen bewegen darf, darin stimmten Adorno und Heidegger überein. Aber gerade diese Nähe mag Adorno veranlasst haben, sich von Heidegger in unmissverständlicher Polemik abzusetzen. Versuchte Heidegger aus dem Identischen mittels eines neuen Sprachgestus und einer darin implizierten Unmittelbarkeit auszubrechen (was Adorno als Jargon der Eigentlichkeit verspottete), ging es Adorno um Aufklärung, um das Subjekt und um das Verhindern einer solchen (von ihm als mystisch denunzierten) Unmittelbarkeit. Dazu setzte er auf die Form. Denn durch die Form der Kunstwerke schwindet ihre Unmittelbarkeit. Form ist ein Medium der Vermittlung und zwangsläufiger Teil am Kunstwerk. »Form widerlegt die Ansicht vom Kunstwerk als einem Unmittelbaren. Ist sie das an den Kunstwerken, wodurch sie Kunstwerke werden, so kommt sie ihrer Vermitteltheit gleich, ihrem objektiven Reflektiertsein in sich.« Form ist als Verhinderung des Unmittelbaren geradezu das Signum des Nicht-Identischen. Glaubte

Sonderegger 2011, 417

Kunst bezeugt das Unversöhnte

Adorno 1970, 251

Ebd., 216

186

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ebd., 216f/184

Welsch 1990, 144–148 Avantgardekunst

Adorno 1970, 180/340

Ebd., 191 Kunst und P ­ hilosophie

Ebd., 197

Heidegger, in der Kunst mit der Ausschaltung des Diskursiven einen Ort des Erscheinens von Wahrheit beschreiben zu können, sah Adorno in der Kunst eine antinomische, nicht-diskursive Sprache der Verhinderung einer solchen Utopie von Unmittelbarkeit. Die Form in der Kunst entspricht dem, was in philosophischen Kategorien Reflexion und Vermittlung ist. Sie macht das Spiel der ständigen dialektischen Selbstkorrektur aus. Kunst, die Unmittelbarkeit beansprucht, ist für Adorno – gemessen sowohl an den Standards der Aufklärung wie auch an jenen der Kunst selbst – inakzeptabel: »Die gepriesene Naivetät der Kunstwerke enthüllt sich unter diesem Aspekt als das Kunstfeindliche.« Und: »Kunstwerke, die der Betrachtung und dem Gedanken ohne Rest aufgehen, sind keine.« Wolfgang Welsch entdeckt in dieser von Adorno behaupteten konstitutiven Unversöhnlichkeit der Kunstwerke eine Beschreibung des Erhabenen und eine Nähe zu Lyotard, zu welchem Verhältnis sich »Konvergenzen und Divergenzen« feststellen lassen. Es kann nicht überraschen, dass Adorno (gegenteilig zu Heidegger) sein Anliegen an der Avantgardekunst abarbeitet, welche die Brüche gegenüber der Tradition vollzieht und sich jeder eindeutigen Entzifferbarkeit entzieht. Anders gesagt: In der Kunst gibt es eine ständige »Doppelbewegung des Geistes«. Ihr kommt Autonomie zu und (nach einem von Emile Durkheim übernommenen Ausdruck) fait sociale. Kunst ist immer eigenständiges Kunstwerk und Ware. Sie konnotiert aufklärerische Antinomie und den falschen Schein der Versöhnung. Positiv kann man sagen, dass Kunst eben ins Leben gehört und nicht als tote bloß im Museum hängt. Zuletzt gilt das auch für die Paarung Intention und Wahrheit. Kunstwerke sind intendiert, aber damit erschöpfen sie sich nicht, ebensowenig wie im Gegenteil, in einer reinen Mimesis, sondern zu ihnen gehört eine jede Intentionalität übersteigende Eigenständigkeit und Autonomie. Dies alles steht selbstredend in diametralem Gegensatz zu jeder spirituellen und anagogischen Funktion von Kunstwerken, die im Augenblick des gelungenen Bezugs der meditativen Anschauung ihre Form durchstreichen. Mystische Intuitionen sind dann das andere Extrem gegenüber der vermeintlichen Eindeutigkeit des Diskursiv-Begrifflichen. Kunstwerke bleiben offen in einem dialektischen Schweben: Die Kunstwerke sprechen »wie Feen in Märchen: du willst das Unbedingte, es soll dir werden, doch unkenntlich. Unverhüllt ist das Wahre der diskursiven Erkenntnis, aber dafür hat sie es nicht; die Erkenntnis, welche Kunst ist, hat es, aber als ein ihr Inkommensurables.« In dieser Spannung bleibt jede Versöhnung eine Schimäre. Und aus dieser spannungsvollen Ambivalenz leben die kritische Kraft und der Aspekt von Wahrheit. Und weil diese Ambivalenz die Ambivalenz des gegen sich selbst gestellten dialektischen Begriffs ist, konvergieren Kunst und Philosophie, ohne dass freilich das eine das andere in seinen vermeintlich eindeutigen Begriffsdiskurs zwänge. Das kann schon aus der dynamischen Architektur von Adornos Philosophie nicht passieren. »[…] genuine ästhetische Erfahrung muß Philosophie werden oder sie ist überhaupt nicht.« Man kann bei Adorno nicht sagen, dass Kunst ihren Sinn von daher bezöge, dass sie eine der Philosophie analoge Aufgabe erhielte; dass es sie nicht bräuchte,



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wenn sich etwas philosophisch darstellen ließe. Vielmehr ist die Kunst gleichsam die philosophische Sprache, der sich Adorno bediente. Das wertet Kunst zwar als Darstellung von Wahrheit auf und überträgt ihr eine gewaltige Aufgabe. Sie soll es besser machen als die durch die Dialektik der Aufklärung desavouierte Philosophie. Ob der Einwand, hier würde Kunst auf eine Werkästhetik eingegrenzt, zutrifft, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Karl Heinz Bohrer hielt dagegen und meinte, Adorno habe eine Ästhetik des Plötzlichen vorbereitet, aber sie nicht zulassen können. Schwerwiegender scheinen Einwände zu sein, die auf ein inhärentes Bilderverbot verweisen, sowie auf eine normative Funktionalisierung, die sich aus der von Adorno durchgeführten strengen Unterscheidung von »richtiger« und »falscher« Kunst ergibt. »Ästhetik, die nicht in der Perspektive auf Wahrheit sich bewegt, erschlafft vor ihrer Aufgabe; meist ist sie kulinarisch.« Wahrheit im Sinne Adornos kann sich nur in der Stimmigkeit des Werks selbst ausdrücken: »Die immanente Stimmigkeit der Kunstwerke und ihre metaästhetische Wahrheit konvergieren in ihrem Wahrheitsgehalt.« Das, was unter ästhetischen Gesichtspunkten gelungen ist, ist unter philosophischen wahr. Das bedeutet nun auch, dass es in der Kunst einen Fortschritt gibt, der zugleich ein Weg zur Wahrheit ist, und dass über die Qualität von Kunst philosophisch gerichtet werden kann – sowohl in formaler als auch materialer Gestaltung. Vom Jazz und vom Film als Formen falscher Kunst war bereits die Rede. Grundsätzlich führt aus der Sicht Adornos – zum Unterschied von jener Benjamins – die Reproduktion nicht zu Demokratisierung, sondern zu neuer Fetischisierung, Verdinglichung und zu einer Regression des Hörens, zu einem Sekundärbetrieb von Geschäft und neuem Star-Kult auf Kosten der Qualität von Kunst. Solche Techniken förderten eine neue Abhängigkeit und führten zur Infantilisierung der Gesellschaft. Was Benjamin unter dem Titel Zerstreuung positiv sehen wollte, ist für Adorno Zeichen der Verdinglichungstendenz und der Konsumideologie, die zum Atomismus neigt und den Blick für das Ganze verliert. Die normative Beurteilung reicht bis zur realen Kunstpraxis. Otto Neumaier erwähnt Adornos Kritik an der Aufführungspraxis von Beethovens Missa Solemnis durch Herbert von Karajan. Karajan, so der Einwand Adornos, würde das Werk nur wohlklingend spielen lassen und dabei seine Abgründigkeit verschleiern. Ähnliches gilt für den Impressionismus, der erst auf dem Weg eines an Hegel erinnernden Durchgangs der Natur durch den Verstand wertvoll wird: »Aber je weniger die Objekte, so wie sie sind, in ihrer Zufälligkeit, mehr über das Bild herrschen, um so freier werden sie zur Konstruktion: das Gemalte läßt ganz sich organisieren erst in dem Augenblick, in dem nichts ihm Äußerliches mehr darüber gebietet. Erst wenn die Sache vollends durchs Subjekt hindurchgegangen ist, vermag sie abermals Objektivität zu gewinnen. Die Versöhnung mit dem Objekt gelingt, wenn überhaupt, bloß durch dessen Negation.« In den Kunstwerken löst sich der Widerstreit von Subjekt und Objekt zugunsten des Subjekts auf. Qualität entspricht also in etwa der Hegelschen Vorgabe der Auflösung der Natur in den Geist. Mit diesem Raster schrieb Adorno das Kapitel vom Naturschö-

Menke-Eggers 1988 Bohrer 1981, 8

Adorno 1970, 517

Ebd., 420

Neumaier 1999, 83f

Adorno 1958, 323

VIII.5.3.2.1.

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Baumeister 2012, 357 Wimmer 1989, 231

Adorno 1970, 114/113

Wellmer 1985, 15

Adorno 1970, 428/130

nen, das manche für eine gegen Hegel gerichtete »unbefangene Anknüpfung an die Gedankenwelt der deutschen Frühromantik« halten, andere dagegen für die »Möglichkeit ›nichtbegrifflicher Erkenntnis‹«. Mag der Hinweis auf die Romantik ein origineller Blick und angesichts der Ambivalenzen der Romantik durchaus nachvollziehbar sein, ist das mit der behaupteten Gegnerschaft zu Hegel nicht so klar. Zwar spricht Adorno ungeniert Naturerscheinungen an, aber es ist letztlich die Vernunft, die den Menschen aus seiner Unfreiheit und Ohnmacht gegenüber der Natur befreit. Als bloß Erscheinendes ist das Naturschöne nicht abbildbar, es verkäme zum Kitsch. Das Naturschöne kann das Nicht-Identische allenfalls im Übergang zum Kunstschönen retten, weil im Naturschönen »die Spur des Nichtidentischen an den Dingen im Bann universaler Identität« existent ist und an der Natur aufblitzt, »was schön ist, […] um sogleich zu verschwinden vor dem Versuch, es dingfest zu machen.« Kunst ahmt nicht die Natur, sondern das Naturschöne nach. »Das Kunstwerk, als Nachahmung des Naturschönen, wird so zum Bild einer beredten, aus ihrer Stummheit befreiten, einer erlösten Natur, ebenso wie zum Bild einer versöhnten Menschheit.« So wie die Wahrheit stets einen antinomischen Charakter hat, gilt das auch für die Schönheit – egal, ob an der Kunst oder an der Natur. »Schönheit ist der Exodus dessen, was im Reich der Zwecke sich objektivierte, aus diesem.« Was in der Kunst erscheint, »ist nicht länger Ideal und Harmonie; ihr Lösendes hat einzig noch im Widerspruchsvollen und Dissonanten seine Stätte.«

3.8.2. Walter Benjamin 627 Walter Benjamin

Walter Benjamin wurde 1892 in Berlin/Charlottenburg in eine jüdische Großbürgerfamilie hineingeboren. Sein Vater betrieb einen Antiquitäten- und Kunsthandel. Benjamin studierte in Berlin und Freiburg Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte. 1915 begann eine für beide einflussreiche lebenslange Freundschaft mit Gershom Scholem. In Bern promovierte Benjamin mit einer Arbeit über den Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik. Nach der Promotion arbeitete er als freischaffender Schriftsteller, Publizist und Übersetzer. Eine geplante Habilitation in Frankfurt mit einer Untersuchung zum Ursprung des deutschen Trauerspiels scheiterte. Das 1925 erschienene, zunächst nur zögernd rezipierte Buch wurde schließlich zu einer wegweisenden Studie zum Barock. In Frankfurt fand Benjamin Kontakt zu Adorno und Siegfried Kracauer und trat in den Kreis der Frankfurter Schule. Es folgten Aufenthalte in Paris mit Übersetzungsarbeiten an Werken von Marcel Proust sowie in Moskau, wo er sich Studien zum Kommunismus widmete. Obwohl Benjamin sich nicht zuletzt durch den Einfluss von Bertolt Brecht zunehmend einer materialistischen Methode näherte, hielt er stets kritischen Abstand von der kommunistischen Orthodoxie. 1933 ging er ins Exil nach Paris, unterstützt von Hannah Arendt. In der französischen Metropole ­entstanden der Hauptteil seines fragmentarisch gebliebenen Passagenwerks (1927– 1940) und der Kunstwerk-Aufsatz (Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit; 1935–1939). Nach Ausbruch des Krieges wollte er dem bereits in Amerika befindlichen Institut für Sozialforschung folgen. 1940 nahm er sich im spa-



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

nischen Grenzort Port Bou aus Angst vor einer Auslieferung an die Nazis das Leben. Über die Motive und genauen Umstände des Todes herrscht keine letzte Klarheit. Es ist verführerisch, Benjamins philosophischem Anliegen bereits in seiner Arbeit als Übersetzer nachzuspüren. Bei dieser intensiven Tätigkeit an der Sprache sah er in der Trennung von Nennen und Benanntem einen ursprünglichen Sündenfall, den und dessen Heilung er geradezu religiös überhöhte. Übersetzen verstand er als Arbeit an der Wiederherstellung von Ganzheit. Das galt für Literatur ebenso wie für die Kunst. Der Begriff der Übersetzung gewinne seine volle Bedeutung darin, dass »jede höhere Sprache (mit Ausnahme des Wortes Gottes) als Übersetzung aller anderen betrachtet werden kann.« Schon Benjamins weit ausholende historische Kontextualisierung von Sprache legt eine solche Aufladung mit Bedeutung nahe. Sprache war für ihn eine elaborierte Stufe eines mimetischen Verhaltens. Das Lesen habe in der Geschichte nämlich als mimetisches Handeln in Eingeweideschau, Sterndeutung und Tanzritualen seinen Ursprung. Darauf folgten bildorientierte Schriften wie Runen und Hieroglyphen. Auf diese Weise seien magische Praktiken in Schrift und Sprache eingeflossen. Diese spezifische Deutung des Topos Übersetzung hilft zum Verständnis des Zentralbegriffs von Benjamin: der Aura als Begriff, der auf Ganzheit abhob. Bereits in seiner Untersuchung über das deutsche Trauerspiel ging es um den Blick auf Einheit und Gebrochenheit. Die zwei zentralen Begriffe Melancholie und Allegorie bezeichnen die (sich aus dem neuzeitlichen Verlust transzendenter Ordnung ergebende) Gestimmtheit des barocken Subjekts und die Bedeutungsstiftung durch dieses. »Was da in Trümmern abgeschlagen liegt, das hochbedeutende Fragment, das Bruchstück: es ist die edelste Materie der barocken Schöpfung.« Die Allegorisierung der Reste der Natur löst in dieser Deutung gleichsam die Nachahmung der Natur ab: »Demnach wird die profane Welt in allegorischer Betrachtung sowohl im Rang erhoben wie entwertet.« In seiner Barocktheorie entwickelte Benjamin »eine wirkliche ästhetische Alternative zu einer idealistischen Tradition, die in Klassik und Romantik ihren bifokalen Höhepunkt findet.« Ähnlich wie die Zerstreuung in den neuen Medien die Geschlossenheit der Aura zerstört, löst die Allegorie mit ihrer instabilen Signifikation Ganzheiten auf. Die Allegorien von Schicksal, Tod und Melancholie lassen sich für eine Ästhetik der Moderne in Anwendung bringen und schließen beim Barock an. Benjamin bewältigte mit diesem Konzept »the seventeenth-century baroque, the nineteenth century of Baudelaire (not Balzac), the literary avant-garde of the twentieth century as times when allegory represents a resistance in Western history.« Die Allegorie stellt er dem Symbol gegenüber. Die Romantiker hätten mit ihrer göttlich-totalitären Ästhetik die Verherrlichung des Symbols betrieben, indem sie die Brüche im Symbol eliminierten und es ganzheitlich anlegten. Der Allegorie demgegenüber wohne eine kritische Potenz inne, eine »Mortifikation der Werke«, die an die Stelle der (idealistischen) Kontemplation tritt. Das ist eine Parallele zum Schock, den der Film leistet, wie wir gleich sehen werden. Benjamin grundierte seine Kulturphilosophie und Kunsttheorie, wie angedeutet, zunehmend materialistisch. Manchmal spricht man von einer Entwicklung ei-

Benjamin 1916, 151

Allegorie

Benjamin 1925, 354

Ebd., 351 Moser Walter in ÄGB 1, 600

VII.3.3.

Hills 2011, 24

Benjamin 1925, 357

190

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Passagenwerk

Bubner 1989, 28

Aura

Benjamin 1939, 475

Ebd., 479

Eden Tania/Polti Adolf in ÄKPh, 94

Habermas 1985b, 21 Schneider 1996, 185

Benjamin 1939, 477

nes womöglich sogar religiös angehauchten Frühwerks zu einem analytischen und materialistischen Spätwerk. Sein spätes fragmentarisches Passagenwerk ist eine eindrückliche Kulturanalyse, die – formal als montageartige Sammlung von Zitaten, Fragmenten und Notizen – vor allem auf die Dynamik kultureller Prozesse, die Benjamin als Durch- und Übergänge charakterisiert, abhebt. Entstanden ist es aus Eindrücken eines Paris der Moderne, das er in seinem Exil von 1933 bis 1940 intensiv erlebte (Paris, die Hauptstadt des XIX. Jahrhunderts; 1935). Benjamin thematisierte dabei die für die Jahrhundertwende so typischen Beschleunigungsphänomene, die Urbanisierung und Industrialisierung, den Warenfetischismus und die Verdoppelung der Wirklichkeit durch die reproduzierenden Medien. Er untersuchte dies vor allem unter dem Gesichtspunkt des Technischen. Innerhalb einer marxistischen Theorie bot ihm dieser Blickwinkel den Vorteil, dass sich Ästhetik »von allen Spekulationen über Wesenswiderspiegelung und […] vom starren, für die Kunsttheorie offenbar hinderlichen Überbaumodell« befreien kann. Diesen Wandlungen unterliege nicht nur die Kultur generell, sondern auch die künstlerische Produktion im engeren Sinn. Dies war der Stoff seines sogenannten Kunstwerkaufsatzes, dessen vier Fassungen zwischen 1935 und 1939 entstanden: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Dieses Werk wurde zum eigentlichen kunstphilosophischen Vermächtnis Walter Benjamins. Er schreibt darin dem traditionellen Kunstwerk eine quasireligiöse Aura, ein »einmaliges Dasein an dem Orte, an dem es sich befindet«, zu und sieht – vergleichbar mit der historischen Kontextualisierung beim Übersetzen – seinen Ursprung im Ritual. Die Bestimmungen der Aura – an anderer Stelle heißt es etwa, Aura sei die »einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag« – sind nicht scharf definiert, sondern ihrerseits auratisch. Was gemeint sein dürfte ist, dass die Aura Einmaligkeit und Ganzheit ausdrückt und dass ein auratisches Werk nach Distanz und Respekt heischt und eine kontemplative Rezeption einfordert. Wenn eine solche Ferne in die Nähe tritt, könnte man sogar eine Brücke zum Erhabenen schlagen und interpretieren, dass das durch die Aura ausgelöste Gefühl der Ehrfurcht einer Rezipientin nahe kommt. »[…] die Aura eines Gegenstands wahrzunehmen bedeutet, mit dem Gegenstand zugleich dessen Geschichte und die Spuren, die diese Geschichte an ihm hinterlassen hat, mit-wahrzunehmen.« Weil bei der Aura eines Werks ein authentischer Augenblick das übliche Zeitkontinuum unterbricht, sah Jürgen Habermas darin eine eigenwillige Symbiose von (jüdischer) Mystik und surrealistischen Motiven. Norbert Schneider wiederum will in Benjamins früher Sprachphilosophie Motive der kabbalistischen Tradition erkennen. Wenn man Aura mit Originalität/Original oder gar Echtheit verbindet, geht in der technischen Reproduktion, aber auch in neueren Kunstformen, etwa beim Film, zugleich mit dem Original auch die Aura verloren: »[…] was im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerks verkümmert, das ist seine Aura.« An ihre Stelle tritt nach Benjamin eine demokratische und emanzipatorische Funktion der Kunst. Die religiöse Aura wird gewissermaßen durch eine demokratische Politik abgelöst.



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

Dass Film und Fotografie dafür die geeignetsten Medien sind, liegt auf der Hand. Das macht Benjamin zu einem Medientheoretiker. Da der Film nur in Kopien existiert, verändert sich jeder auratische Wert des Originals zum Wert einer einzelnen Aufführung. Dass es hier zu einem Kompensationsereignis im Aufbau eines pseudo-auratischen Star- und Premierenkultes, also dessen, was man heute Event-Kultur nennt, kommt, sah Benjamin freilich auch. Alles strebe zur »personality außerhalb des Ateliers.« Das methodische Besteck, das uns Benjamin hier hinterließ, scheint durchaus brauchbar zu sein, sowohl für diese zeitgenössische Inszenierungsambition als auch für die Herausforderung des Ready-Made. So gesehen wäre Benjamins Aura-Verständnis mit Dieter Mersch nicht sosehr als Unterscheidung zwischen Original und Kopie zu deuten, sondern als jene zwischen dem »›Aisthetischen‹ und seiner Singularität einerseits und der Flut von Dingen andererseits, in deren Überfluss sie förmlich unterzugehen drohen. Systematisch verstellt nämlich die Überproduktion der Bilder und Abbilder den Blick fürs Einmalige und tilgt dessen Wert.« Die Deutung ist nicht zuletzt deshalb interessant, weil sie das leidige Thema des Originals vermeidet, das in der Kunst des 20. Jh.s ohnehin kaum mehr eine Rolle spielt. Benjamin bewertete jedenfalls den behaupteten Verlust der Aura positiv, besser vielleicht: ambivalent, denn er sah auch die Verluste. Deshalb erwartete er, anders als die Theoretiker der Frankfurter Schule, in den neuen Medien eine Befreiung von religiös-mythischer Kontemplation und die Emanzipation der »Massen« hin zu kultureller Kreativität. Aura war stets an religiöse Kontexte gebunden. Wenn die (Massen) Produktion jede Echtheit beendet, gilt: »An die Stelle ihrer Fundierung aufs Ritual tritt ihre Fundierung auf eine andere Praxis: nämlich ihre Fundierung auf Politik.« Die Beendigung der alten Aura geschieht durch Reproduktion und die neuen Medien, genauer durch den durch sie ausgelösten Schock. Der Film als nicht-auratische Kunst bringe Choc und Zerstreuung anstatt Kontemplation. Der Film, dessen Vorführung weder an eine bestimmte Zeit noch an einen bestimmten Raum gebunden ist, suggeriert nicht mehr wie die alte Buchwelt eine Ferne, sondern die Nähe einer radikal zerstreuenden Rezeption. Damit passt die durch den Film erzeugte Wahrnehmung in die moderne Welt der Reizüberflutung und Beschleunigung. »Der Film ist die der betonten Lebensgefahr, in der die Heutigen leben, entsprechende Kunstform. Er entspricht tiefgreifenden Veränderungen des Apperzeptionsapparats – Veränderungen wie sie im Maßstab der Privatexistenz jeder Passant im Großstadtverkehr, wie sie im weltgeschichtlichen Maßstab jeder Kämpfer gegen die heutige Gesellschaftsordnung erlebt.« Die Wahrnehmung von Kunst sollte – nach dem Muster des Films – jener der Architektur ähnlich werden, die immer schon durch Wahrnehmung und Gebrauch ausgezeichnet war. Die Änderung der Rezeption gehört zu einem veränderten Publikum. War die auratische Kunst noch eine Sache von Eliten, geht es bei der reproduzierten und reproduzierenden Kunst um die »Masse«. »Die technische Reproduzierbarkeit des Kunstwerks verändert das Verhältnis der Masse zur Kunst.« Vielfach benützt man diese Überlegungen zur Kritik an einer Elitärkultur zugunsten populärer neuer Richtungen wie Pop-Art, Dada, Happening, Arte Povera.

Ebd., 492

Mersch 2000, 95

X.3.5.1.5.

Benjamin 1939, 482; im Orig. kursiv Choc und ­Zerstreuung

Benjamin 1935, 464

Benjamin 1939, 496; im Orig. kursiv

192

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Benjamin 1935, 463

Habermas 1985b, 21

2.2.6. Benjamin 1939, 508

Liessmann 1993, 117

Eden Tania/Polti Adolf in ÄKPh, 96

So hätte die Dadaisten eine »rücksichtslose Vernichtung der Aura ihrer Hervorbringungen, denen sie mit den Mitteln der Produktion das Brandmal einer Reproduktion aufdrücken«, betrieben. Dass Benjamin ansehen musste, wie ausgerechnet diese neuen Medien von der nationalsozialistischen Ideologie in Gebrauch genommen wurden, hat zu seiner Erschütterung beigetragen, wie das Nachwort seines Kunstwerkaufsatzes andeutet. Angesichts dieser Umstände verkümmerte seine marxistisch-utopische Zukunftshoffnung. Seine Geschichtsphilosophie sah das Glück weniger in einem zu erreichenden zukünftigen Endzustand als vielmehr in der Projektion eines vergangenen Paradieses. Damit wurde die Pflege der Erinnerung zu einem Teil der Geschichtsphilosophie. »Die Erwartung des künftigen Neuen erfüllt sich allein durch das Eingedenken eines unterdrückten Vergangenen.« Bis zu einem gewissen Grad entsprach die Verehrung des Vergangenen der alten Verehrung des Originals, andererseits fing er dies mit den Schlüsselbegriffen Anamnesis und Mnemosyne auf, wie er sie von Aby Warburg kannte. Zu diesem Paradies der Erinnerung gehörte auch die Pflege der Natur, der Schutz vor ihrer Ausbeutung. Das war eine Grundlage seiner späten Technikkritik, die sich vor allem aus einer Erinnerungsleistung speiste. Theoretisch ist bei Benjamin vieles entfaltet, was bei den Expressionisten, in der russischen Avantgarde und vor allem im Umkreis des italienischen Futurismus als künstlerisches Programm vorliegt. Letzteres diente Benjamin als Folie der Ästhetik des Faschismus und er gab sich der (wohl trügerischen) Hoffnung hin, dass die Zerstreuung in der reproduzierten Kunst die dort betriebene Ästhetisierung des Politischen beendet. In Marinettis Futuristischem Manifest – entworfen zum Krieg Mussolinis in Äthiopien – als Kunstprogramm des Faschismus erkannte Benjamin die »Ästhetisierung der Politik«. Dieser stellte er den Kommunismus als »Politisierung der Kunst« entgegen. Die Einschätzung dürfte richtig sein, dass wir bei Benjamin vor dem Dilemma stehen, dass »seine Diagnose bezüglich der ästhetischen Inszenierung der Menschenund Menschheitsvernichtung durch die rasante Entwicklung der medialen Technologien nicht nur treffend ist, sondern noch verschärft werden müßte, während seine Zuschreibung dieses Prozesses in das saubere politische Koordinatensystem Faschismus/Kommunismus schlicht obsolet geworden ist.« Allerdings mag auch gelten, dass mit dem Projekt des Passagenwerks, das letztlich die Geschichtsphilosophie entfalten sollte, Benjamins Interesse an Kunst nur mehr instrumentell war: »Die Interpretation von Kunst […] dient hier der Rekonstruktion einer Zeit, die als Urgeschichte der Gegenwart verstanden wird; das Ziel ist damit nicht mehr Erkenntnis der Kunst selbst, sondern, durch sie vermittelt, historische Erkenntnis.«

3.9. Sprachphilosophie und Analytische Philosophie Der Blick der Philosophen auf das vordergründigste Medium der eigenen Disziplin, auf die Sprache, ist so alt wie die Philosophie selbst – erinnert sei in diesem Zusammenhang an den Streit um Mündlichkeit und Schriftlichkeit bei Platon oder an den mittelalterlichen Universalienstreit, eine der ersten sprachphilosophischen Kon-



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

troversen. Im 19. Jh. gewann die Untersuchung von sprachlichen Ausdrücken etwa bei Johann Gottfried Herder und Wilhelm von Humboldt erheblich an Bedeutung. Humboldt sah einen Zusammenhang zwischen der Grammatik einer Sprache und einer bestimmten Sicht der Welt. Als eine ausdrückliche und bevorzugte Methode begann der Durchbruch der Sprachphilosophie im 20. Jh. mit dem sogenannten Wiener Kreis des Logischen Empirismus mit Kurt Gödel, Moritz Schlick, Rudolf Carnap, Otto Neurath, Gustav Bergmann. Bergmann schreibt man den Begriff linguistic turn zu, der einen Paradigmenwechsel in der Philosophie ankündigte und den Richard Rorty später populär machte. Dabei ging es darum, die Sprache zum primären Gegenstand der Philosophie zu machen und umgekehrt die Philosophie ihrerseits mit einer formalen Sprache auszurüsten mit dem Ziel, die Irrtumsanfälligkeit, die sich durch die alltägliche Verwendung von Begriffen einstellt, auszumerzen. Der linguistic turn ist nicht nur ein Wendebegriff, er ist zugleich ein Verabschiedungsbegriff gegenüber den alten »seinsgestützten« philosophischen Systemambitionen (Gott, Metaphysik, Idealismus, Bewusstseinsphilosophie). Der Begriff versprach auch eine »durchschlagende Reduktion von Komplexität in Theorieangelegenheiten.« Die Philosophen des von der angeblichen Klarheit der Naturwissenschaften faszinierten Wiener Kreises verfolgten den ebenso alten wie utopischen Traum von Leibniz einer exakten, logisch eindeutigen Sprache. Da sich damit zwangsläufig der Gegenstand der Philosophie veränderte, ging dies einher mit massiver Kritik an metaphysischen Aussagen (als sehr weit gefasster Begriff), die grundsätzlich als sinnlos galten. Die Konzentration des Philosophierens auf ihr eigenes Medium hatte indes lange mit großen Problemen zu kämpfen. Einerseits ist die implizit vertretene Gleichung, Denken sei gleich Sprechen, eine erhebliche und in der Tradition ungewöhnliche Einengung, die die philosophische Beschäftigung mit Außersprachlichem ausschließt. Das noch größere Problem war, ob sich die Reflexion auf eine allgemeine ideale Sprachgestalt (damit auf ein übergeschichtliches sinnstiftendes Subjekt) bezieht oder auf die reale Vielfalt von Sprachen mit ihren unterschiedlichen Grammatiken. Letztes hatten Wilhelm von Humboldt und auch Friedrich Nietzsche im Auge. Betrachtet man alle Bemühungen, philosophisch mit Sprache umzugehen, sind die »Architekturen« von Sprachphilosophien sehr unterschiedlich. Wird Sprache als Möglichkeitsbedingung der Welterkenntnis rekonstruiert, bewegt man sich in den Bahnen der Transzendentalphilosophie. Steht die kommunikative Funktion im Vordergrund, fließt in die Untersuchung ein sozialer Aspekt ein. Wenn man der Meinung ist, dass Sprache der Welt eine Struktur gibt, kommt ein idealistischer und konstruktivistischer Aspekt ins Spiel. Hält man sprachliche Grammatik für einen Niederschlag einer in sich geschlossenen Systemphilosophie und steht dieser kritisch gegenüber, wird man mit Fragment und Aphorismus arbeiten. Sieht man hingegen in der Figur des Begriffs den Aspekt einer statischen Metaphysik, wird man sich um neue Sprachformen bemühen, die Dynamik und Zeitlichkeit ausdrücken, wie dies der späte Heidegger unternahm. Schließlich kann Sprache als ein Apriori

V.7.2.2.1.

linguistic turn

Hörisch 2004a, 134

194

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ordinary Language Philosophy

Gumbrecht 2019

der Lebenswelt angesehen werden, die damit grundsätzlich auf ein Verstehen ausgelegt ist, wie es die Hermeneutik Gadamers entfaltete. Gleichsam Ausläufer erreichten auch die Kunstgeschichte. Ernst Gombrich war von der methodischen Stringenz und der Rationalität des kritischen Rationalismus von Karl Popper angetan – freilich sind wir dabei von der klassischen Sprachphilosophie schon ein Stück weit entfernt. In diesem Sinn betrieben Sprachphilosophie in der neueren philosophiegeschichtlichen Tradition so unterschiedliche Denker wie Friedrich Nietzsche, Ernst Cassirer, Hans-Georg Gadamer, Alfred North Whitehead, Theodor Adorno, Martin Heidegger, Michel Foucault, Jacques Derrida, Jürgen Habermas und eben auch Logiker wie Gottlob Frege, Bertrand Russell oder Ludwig Wittgenstein, der schließlich die Chimäre von einer streng formalen Sprache in der Philosophie durchbrach und seine im Tractatus vertretene Meinung änderte. In seinem späten Werk Philosophische Untersuchungen (1953) näherte er sich der von George Edward Moore so genannten Ordinary Language Philosophy und propagierte die Untersuchung der Alltagssprache. Das bedeutete den eigentlichen Durchbruch für die Sprachphilosophie, die sich jetzt als universelle philosophische Methode verstehen konnte. Eine Reihe von Philosophen, Gilbert Ryle, John L. Austin, Peter Strawson, Willard Van Orman Quine folgten diesem Paradigma. Die Kritik am logischen Positivismus ließ nichts an Deutlichkeit vermissen. Man denunzierte die Positionen der Vertreter als Dogmatismus. Im Folgenden soll nur jene Linie der Sprachphilosophie weiter verfolgt werden, die im Kontext der Analytischen Philosophie betrieben wird und aus der kunstphilosophische Theorien erwuchsen. Die Analytische Philosophie, als deren engere Gründungsväter meist George E. Moore und Bertrand Russell genannt werden, begann mit einer rigorosen Unterscheidung von logisch präzise formulierbaren philosophischen Problemen auf der einen und bloßen (metaphysischen) Scheinproblemen auf der anderen Seite. Einige Vertreter der Analytischen Philosophie blieben dieser Linie treu und versuchen, komplexe Begriffe auf einfachere zurückzuführen, um dadurch die Bedeutung beschreiben zu können. Ihr verbreitet zur Schau gestelltes Selbstbewusstsein darüber, dem philosophischen Handwerk eine neue Qualität gegeben zu haben, wird nicht selten durch kritische Distanzierung konterkariert. Noch unlängst bezeichnete der Literaturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht mit einer Portion Ironie die Analytiker als jene Berufsintellektuelle, »die seit dem frühen zwanzigsten Jahrhundert die westliche Denktradition des freien (und nicht immer produktiven) Spekulierens durch Konzentration auf gleichsam technische, allein den wissenschaftlichen Spezialisten zugängliche Detailprobleme ersetzt haben. Sie opfern die Möglichkeit breiter Resonanz dem Gefühl (oder der Illusion), gewisse Arbeitsergebnisse für den kleinen Kreis ihrer Peers zu produzieren«. Die Konsequenz dieser engen Sicht war, dass weite Bereiche der philosophischen Literatur (in Geschichte und Gegenwart) als unphilosophisch ausgeschlossen und in die Literatur abgeschoben wurden. In einem im Gestus an Heidegger erinnernden epochalen Anspruch wurde die Welt der Philosophie in die neue der analytischen und die alte der kontinentalen Tradition eingeteilt. Als besonderes Feindbild galt der alte Idealismus, zu dem man mit



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

Freude die Brücken abbrach. Das umfasste nicht nur alles, was mit Metaphysik zu tun hatte, sondern auch die unexakt erscheinenden ästhetischen Fragen. Zur Initiationsformel für die neue philosophische Welt wurde die enervierende Frage George Edward Moores: »What exactly do you mean?« Die andere, offenere Linie verlief, wie gesagt, über den späteren Wittgenstein zur Untersuchung der Alltagssprache oder noch genauer: des Sprachverhaltens der Sprechenden. Die Änderung der Position erfolgte nicht zuletzt durch die sogenannte Sprechakttheorie von John L. Austin. Immer dort, wo nicht nur erzählt wird, sondern etwa ein Versprechen abgegeben oder ein Schwur geleistet wird, wird mit dem Sprechen gleichzeitig eine Handlung gesetzt. Eine Sprachhandlungen wie etwa: »Ich eröffne diese Ausstellung« nennt man einen performativen Sprechakt. Dass mit der Sprache auch Handlungen verbunden sind, war ein neuer Aspekt (einer alten Sache) und hat die Analytische Sprachphilosophie auf ein breiteres und weniger ideologisches Fundament gestellt. Austin hat diese Untersuchungen übrigens zur gleichen Zeit publiziert als in der Kunst die Performance weite Verbreitung fand, sodass man auch schon von einem performative turn spricht. Erst über solche Wege konnte sich die Sprachphilosophie den philosophischen Fragen der langen Tradition (der philosophia perennis) stellen. Die Analytische Philosophie mit ihrer Methode der sprachphilosophischen Untersuchung des alltagssprachlichen Verhaltens von Menschen erhebt inzwischen sogar den Anspruch, eine universelle Methode der Philosophie geworden zu sein. Einerseits ergab sich das aus der ausdrücklich gepflegten Frontstellung gegen das alte idealistische oder hermeneutische Philosophieren. Demnach ist auch die Geschichte der Analytischen Philosophie (im Besonderen dann der analytischen Kunstphilosophie), wie das bei den meisten schulähnlichen Engführungen der Fall ist, tatsächlich »die Geschichte einer philosophischen Familienfehde.« Sie ist jedenfalls auch ein Generationenkonflikt, ein Aufstand gegen die philosophischen Väter aus »Überdruß an den pretentiösen [sic!; BB] essentialistischen Ansprüchen der traditionellen Theorie.« Andererseits gibt es ein starkes Element, das diesen Anspruch rechtfertigt, nämlich die schwer zu bestreitende Tatsache, dass jede Beziehung zwischen Menschen und der Welt sprachlicher Natur sei. Eine Analyse der Sprache käme damit gleichsam einer Analyse der Welt (auf der Ebene der Sprachverwendung) gleich, ganz im Sinne des berühmten Satzes, mit dem Ludwig Wittgenstein seinen Tractatus beginnt: »Die Welt ist alles, was der Fall ist.« Es gerät dabei manchmal aus dem Blick, dass Sprachanalyse nicht von Entitäten der Welt redet, sondern bloß davon handelt, wie Menschen darüber sprechen. Insofern bleiben die auf dieser Ebene gewonnenen Antworten auf die großen Fragen, die man an Philosophen stellt, häufig enttäuschend. Der hohe Anspruch vieler Sprachphilosophen darf zudem nicht verdecken, dass es auch innerhalb der Analytischen Philosophie eine Reihe von Positionen gibt, die sich durchaus kritisch begegnen. Eher empirisch ausgerichtete Positionen (als Fortsetzung des alten logischen Positivismus) kollidieren mit solchen, die sich mehr an den Intentionen des Sprechenden orientieren. Es gibt die Lebenswelt, die (im Sinne des späteren Wittgenstein) den Ausgangspunkt der Untersuchung bildet oder bei dem vor allem von Willard Van O.

Sprechakttheorie

Werntgen 2016, 38

Lüdeking 1988, 11/194

Wittgenstein 1921, 4

196

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

VIII.8.2. ästhetische Fragen

Lüdeking 1988, 50

X.2.1.

Quine inaugurierten Naturalismus die physikalischen und biologischen Grundlagen des Menschen. Solche Reduktionen auf Physik und Biologie werden vor allem gegen Relativierungen in Stellung gebracht, nach denen viele Sprachen auch viele Welten abbilden. Manche analytischen Philosophen wie der auch für die Kunstphilosophie wichtige Nelson Goodman operieren mit einem hohen Anteil an Konstruktivismus, der bei anderen ausdrücklich verpönt ist. Eine weitere, häufig gebrauchte Unterscheidung von Untersuchungsmethoden ist jene zwischen Semantik und Pragmatik. Semantik fragt nach der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke, Pragmatik nach ihrem Gebrauch. Die meisten Sprachphilosophen konzentrieren sich in der Regel auf die Semantik, während die Pragmatik einen eher schlechten Ruf besitzt und als Sammelbecken all jener Probleme gilt, die sich semantisch nicht lösen lassen. Trotz dieser internen Differenzen ist das gemeinsame methodische Dach der Analytischen Philosophie durchaus intakt. Sie konzentriert sich auf den Sprachgebrauch und versucht dabei, die Geschichtsvergessenheit ihrer Anfänge zu überwinden, indem sie in einer Neulektüre der Philosophiegeschichte an allen möglichen Orten die Arbeit am Begriff entdeckt. Danach sei bei Parmenides, Platon oder Thomas von Aquin die Methode eine ähnliche gewesen wie bei modernen analytischen Philosophen. Sie scheut auch nicht mehr vor metaphysischen Fragestellungen zurück. Kurioserweise sind viele der konservativsten Erneuerer neuscholastischer kirchlicher Philosophie analytische Philosophen. Aus diesem Geist gehört auch die Ästhetik zu den vielen philosophischen Problemen, die eine offene analytische Sprachphilosophie behandelt. Das war keineswegs immer so. Über viele Jahrzehnte zeigten die analytischen Philosophen wenig Interesse an ästhetischen Fragen: »Obwohl die Ästhetik niemals von besonderem Interesse für analytische Philosophen war, […].« Es galt dafür dasselbe Verdikt Rudolf Carnaps und des logischen Positivismus, wie es auch für philosophische Probleme galt, die mit Metaphysik oder allgemeinen Werfragen zu tun hatten. Ästhetik bedeutet ein Philosophieren, das nicht den strengen Wissenschaftskriterien des logischen Positivismus folgte und damit als Dichtung abqualifiziert wurde. Kunst sei ein Geschäft, das nichts zur Erkenntnis der Welt beitrage. Diese Haltung stand im Widerspruch zu einem bei vielen Vertretern schon des Neopositivismus, dann auch der Analytischen Philosophie durchaus vorhandenen persönlichen Interesse an Kunst. Im Grunde und etwas grob gesprochen ging es der analytischen Kunstphilosophie zunächst vordringlich um eine Kritik an den traditionellen Theorien, die eine Gemeinsamkeit in den Kunstwerken ausfindig zu machen versuchten, um Kunst von Nicht-Kunst unterscheiden zu können. Ein Anspruch, der nicht nur durch das Fortschreiten der Kunst noch immer widerlegt wurde, sondern der auch philosophisch unzulässig ist. Man nennt solche Theorien essentialistisch. Essentialistische Theorien sind aus der Sicht der Analytischen Philosophie auch dort, wo sie sich empirisch verkleiden, normative Theorien, die eine bestimmte Vorschrift darüber beinhalten, was als Kunst gelten darf und was nicht. Es gibt einen kämpferischen Anti-Essentialismus, der freilich nicht selten ebenso in Sackgassen führt. Allerdings scheint es



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

bisweilen der Kraft der Kunst zu gelingen, viele analytische Philosophen von einer allzu engen Methode abzubringen und ihnen eine breitere Anschlussfähigkeit an andere Sichtweisen zu ermöglichen. In diesen aufgeklärten Chor mischten sich einige »Anarchisten« der Szene wie Richard Rorty oder Paul Feyerabend, die sogar eine Brücke zur Postmoderne schlugen. Naturgemäß kämpft auch die Analytische Philosophie, wie andere Methoden, die Phänomenologie, der Idealismus, der Konstruktivismus etc., mit ihrer begrenzten Reichweite. Der Anspruch, eine universelle Theorie der Philosophie zu sein, lässt sich nur aufrecht erhalten durch das Ersetzen von Inhalten durch Bedeutungen. Die Lösung der Frage nach der Bedeutung sollte dann gleich auch die Lösung der Sache sein, denn ein über das Sprachliche hinausweisender Inhalt rückt bei einer Sprachanalyse naturgemäß nicht mehr in den Blick. War in weiten Bereichen der Philosophie Sprache Mittel und Medium, um ein philosophisches Problem zu umkreisen, geht es jetzt um den sprachlichen Ausdruck selbst und er verliert manchmal den Inhalt, den man damit »umkreisen« könnte. Inzwischen hat die philosophische Szene die Erwartungen, die von der Analytischen Philosophie ausgelöst wurden, deutlich zurückgeschraubt. Viele Differenzierungen verlaufen sich im Dickicht des Akademischen – gemeint hier im Sinne einer Lebensferne. Man hat eingesehen, dass es viele Bereiche gibt, die sich eben nicht oder nur teilweise sprachlich abbilden lassen. So schwankt der Zugang zur Kunst zwischen dem alten Versuch, aus Kunst einen Begriff von Kunst zu machen im Sinne von Morris Weitz auf der einen Seite: »Aesthetic theory – all of it – is wrong in principle in thinking that a correct theory is possible because it radically misconstrues the logic of the concept of art.«/»The problem with which we must begin is not ›What is art?,‹ but ›What sort of concept is ›art‹?‹.« Auf der anderen Seite kann man im Hinblick auf die Kunstphilosophie konstatieren, dass dort, wo Analytische Philosophie wirklichen Gewinn abwirft und sich nicht in Sackgassen verirrt, sich eine enge analytische Methode längst wieder auf traditionellere Konzeptionen hin geöffnet hat, etwa auf Konstruktivismus und Symboltheorie im Sinne Cassirers, wie bei Nelson Goodman oder Charles W. Morris. Das geschieht dort, wo sich die Analytische Philosophie wieder auf die notorisch vernachlässigte Geschichtsdimension und die unterschätzte kulturelle Prägung von Sprache und Denken einlässt. Der Schritt dieses linguistic turn ist ein Schritt hin zur wichtigen Untersuchung des Mediums menschlichen Denkens und Kommunizierens. Aber eben nur ein Schritt, der durch die Ausdehnung auf das gesamte Repertoire von Zeichen und Symbolen, der nächsten Wende, dem symbolic turn, vervollständigt werden muss. Erst die Beachtung der zahlreichen Symbolwelten, in denen Menschen sich artikulieren, neben der Sprache eben Bild, Architektur, Musik, Tanz, Körpersprache, religiöse Symbolik, führt zur »Auffassung darüber, was Denken ist: nämlich Konstitution, Konstellation und Zusammenspiel mehrerer und unterschiedlicher Zeichen- und Symbolsysteme.« Diese neuerliche Wende wurde von Kulturphilosophen wie George H. Mead, Ernst Cassirer, Alfred N. Whitehead oder Susanne K. Langer durchgeführt. Medienphilosophisch Interessierte erweitern den bei den genannten Philosophin-

4.2.

Weitz 1956, 27f/30

symbolic turn

Margreiter 2007, 31

198

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ebd., 32; Margreiter 2018

II.5.0.

628 Ludwig ­Wittgenstein (1930)

nen vorliegenden Kulturbegriff gerne zum Medienbegriff und sprechen von einem »media turn«. Dabei kann man sich insbesondere auf Eric A. Havelock berufen, der davon ausging, dass Kommunikationstechnologien (einschließlich der Oralität und der Schriftlichkeit) den Stand des kulturellen Bewusstseins (state of mind), Wissen und Erkenntnis (noetics) prägen. Bleiben Havelocks Analysen im Einzelnen nicht immer überzeugend, ist kaum zu bezweifeln, dass Literalität die Begriffsarbeit verstärkt und dass reines narratives Assoziieren sich einer hierarchisierenden Organisation eines Satzbaus unterwerfen muss. Auch ist nachvollziehbar, dass ein solches Organisieren zur Stabilisierung eines Ich führt. Ich erinnere an den Vergleich zwischen dem Übergang von der Oralität zur Literalität mit dem achsenzeitlichen Paradigmenwechsel zur Perspektive, wie er von Emma Brunner-Traut beschrieben worden ist, also ein Wechsel von einem additiven zu einem organisierenden Paradigma. Im Folgenden werden einige Positionen der Analytischen Philosophie der Kunst dargestellt. Weil es sich dabei um wichtige Positionen der zeitgenössischen Debatte handelt, wird die systematische Vertiefung dazu im nächsten Abschnitt X ausführlicher diskutiert. Die folgenden Beiträge sind daher mit zahlreichen Verweisen auf die systematischen Fragen ausgestattet, sodass man die detailliertere Theorie dort ergänzen kann.

3.9.1. Ludwig Wittgenstein Der 1889 als jüngstes von acht Geschwistern geborene Sohn eines wohlhabenden Wiener Industriellen und großen Kunstmäzens war ein bedeutender Sprachphilosoph, der über die angelsächsische Welt nachhaltig die Analytische Philosophie beeinflusste. Ein Blick auf sein Werk ohne die sprachphilosophische Brille offenbart indes durchaus auch einen Kulturphilosophen mit großem Interesse an kunstphilosophischen Fragen – freilich ohne ausdrückliche kunstphilosophische Position und mit begrenzter Wirkung auf ästhetische Theorien. Er legte keine größeren Arbeiten zu kunstphilosophischen Themen vor, sondern äußerte sich an verschiedenen Stellen zu einschlägigen Fragen, meist eingebunden in allgemeine sprachphilosophische Interessen. Berührungsängste mit Künstlern gab es keine, gingen in seinem Elternhaus doch Maler, Architekten und Musiker ein und aus. Nach dem Tod des Vaters führte Wittgenstein die familiäre Tradition der Kunstförderung engagiert weiter, indem er einen Teil des riesigen Erbes für Künstler stiftete. Dazu suchte er die Nähe des Herausgebers der Kulturzeitschrift Der Brenner, Ludwig von Ficker. Ficker hatte die Halbmonatszeitschrift 1910 nach dem Vorbild der Zeitschrift Die Fackel von Karl Kraus gegründet. Sie erschien bis 1954 in Innsbruck und wollte den provinziellkonservativen Kulturbetrieb Tirols aufmischen. Sie war schließlich ein Sprachrohr deutschsprachiger Autorinnen weit über die Landesgrenzen Tirols und Österreichs hinaus. Auf diese Weise kamen angesehene Literaten und Künstler, unter ihnen Rainer Maria Rilke, Georg Trakl, Else Lasker-Schüler, Oskar Kokoschka, zu materieller Hilfe aus dem Vermögen Wittgensteins.



199

Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

Er selbst begeisterte sich für Musik und Architektur. Zusammen mit dem LoosSchüler Paul Engelmann entwarf er sogar ein Haus für seine Schwester Margarethe Stonborough in der Reduziertheit der modernen Bauhaus-Ästhetik, das sich durch eine von allen Seiten attestierte und von Wittgenstein selbst eingeforderte Präzision auszeichnete. Hanno-Walter Kruft bringt die nicht widerspruchsfreien Gedankensplitter von Loos auf den Punkt, wenn er meint, dass der »konsequenteste Loos-Bau nicht von Loos stammt, sondern von dem mit ihm befreundeten Philosophen Ludwig Wittgenstein […].« Darin kommt zum Ausdruck, dass Engelmann und Wittgenstein die Widersprüchlichkeiten in Loos’ Moderne-Auffassung beseitigten – wohl unter der Federführung Wittgensteins. Wittgensteins Kunstverständnis war allerdings – durch die Familie geprägt – eher rückwärtsorientiert und öffnete sich kaum der zeitgenössischen Moderne. »In der kulturellen Welt der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts fühlte sich Wittgenstein zu Hause, […].« Bernhard Leitner meint, dass er, »ein großer Musik-Kenner, offensichtlich nicht an der Debatte um die Neue Musik im Wien des frühen 20. Jahrhunderts teilgenommen hat.« 1912 ging Wittgenstein auf Anraten Freges ans Trinity College in Cambridge, um bei Bertrand Russell zu studieren, obwohl er sich an der Kaderschmiede, die über 70 Nobelpreisträger hervorbrachte, nicht wohl, sondern vom Ort »abgestoßen« fühlte. Wittgenstein konnte sich nie für die läppisch anmutenden Rituale der College-Studenten, die vielen überflüssigen Diskussionszirkel, die offen betriebene Homosexualität anfreunden. Umgekehrt wurde an Wittgenstein Humorlosigkeit und Arroganz konstatiert. Im gleichen Jahr 1912 reiste der damals 22jährige Student, der ursprünglich mit dem Studium des Maschinenbaus begonnen und erst dann Logik, Philosophie und Mathematik studiert hatte, nach Island. Auf der Überfahrt sollen er und sein Kollege David Pinsent an Bord am Piano Schubertlieder gespielt haben. 1914 ließ er sich über dem Ort Skjolden am Ende des Sognefjords in Norwegen eine Holzhütte errichten. In dieser Klausur entstanden grundlegende Gedanken für seinen während des Ersten Weltkriegs geschriebenen Tractatus logico-philosophicus (1921). In Skjolden war er immer wieder anzutreffen, ein letztes Mal 1950. Auch Wittgenstein meldete sich wie viele andere Künstler und Intellektuelle freiwillig zum Kriegseinsatz. 1.2. Immerhin gehörte er zu den wenigen Glücklichen, die das Gemetzel überlebten. Allein am Trinity-College waren von 1000 Studenten 600 auf den Schlachtfeldern geblieben. In den Zwanziger- und Dreißigerjahren erfasste Cambridge eine linke Mode. Etliche Angehörige des Colleges wurden Mitglieder der Kommunistischen Partei. Auch Wittgenstein war »im Herzen ein Kommunist« und konnte sich sogar über Stalins Säuberungen in der UdSSR »nicht empören.« Wenn man den Philosophen Wittgenstein im Auge behält, wird man sagen können, dass sich sein Denkgestus im Grunde nahtlos in die Fin de siècle-Stimmung Wiens um die Jahrhundertwende fügte. So wie in anderen Genres auch, seien es die schnörkellosen Arbeiten Erwin Schrödingers zur Quantenmechanik (im Gegensatz zu dem zu philosophischen Höhenflügen neigenden Werner Heisenberg), sei es die

Kruft 1985, 422 Kapfinger 1989 Veigl 2004, 8ff Schulte 1989, 38 Leitner 1989, 171

Veigl 2004, 4

Ebd., 132

Ebd., 188

200

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ebd., 90 Traum einer ­Idealsprache

Wittgenstein, zit. nach Schulte 1989, 59

Sprachspielkultur

Wittgenstein 1953, 24/§18

österreichische Schule der Nationalökonomie von Friedrich August von Hayek, die schlichte und egalitäre Zwölfton-Musik Arnold Schönbergs, die journalistischen Polemiken von Karl Kraus oder der »hygienische« Architekturdiskurs von Adolf Loos, ging es um eine neue Bescheidenheit gegenüber den großen Gesten. Die Stimmung dieser Zeit hat das famose Buch Wittgenstein’s Vienna (1973) von Allan Janik und Stephen Toulmin eingefangen. In der Philosophie waren die Feindbilder die großen Systemgebäude des deutschen Idealismus und die darin eingebetteten komplexen Konstruktionen der kritischen Vernunft. Der Kampf gegen diese philosophische Vergangenheit lag ganz auf der Linie Russells und des Philosophen George Edward Moore, der kräftig gegen den Idealismus austeilte. »Hier nun wurde abgerechnet mit dem Deutschen Idealismus zugunsten eines neuen, lebensfrohen Realismus, der zur heimischen Tradition, zu Empirismus und Logik zurückführen sollte. Allein das Denken in historischen Begriffen oder die Historizität ontologischer Kategorien mussten nun ihren Abschied nehmen und blieben für lange Jahre aus dem philosophischen Diskurs verbannt.« Im Tractatus logico-philosophicus, der Anregungen vieler Köpfe, darunter der Philosophen Frege, Russell, Schopenhauer und des Physikers Heinrich Hertz, aufgriff, verfolgte Wittgenstein noch den vom Wiener Kreis inspirierten Traum einer Idealsprache. Auch wenn er Ludwig von Ficker gegenüber sogar von literarischen Ambitionen sprach – mit dem Zusatz: »es wird aber doch nicht darin geschwefelt« – kann man nicht, wie manche Kommentatoren aus der Not eine Tugend zu machen versuchen, von der Form des Aphorismus sprechen. Dafür reichte die literarische Qualität dann doch nicht aus. Der Traum von der Idealsprache platzte bald und Wittgenstein räumte die versuchte Anpassung der Philosophie an die Sprache der Naturwissenschaft als Fehler ein. Dies machte einem Zugang zur Analyse der Alltagssprache Platz, ausgeführt in Philosophische Untersuchungen (1953), die den Charakter des Unvollendeten an sich tragen und deren zweiter Teil vom Herausgeber zwei Jahre nach Wittgensteins Tod ohne dessen ausdrückliche Intention hinzugefügt wurde. Es war jedenfalls ein Paradigmenwechsel, den Wittgenstein hier durchführte. War die frühe Philosophie universalistisch, operierte mit der Abbildtheorie der Sprache und eliminierte jede kulturelle Kontextgebundenheit, erschien die späte Philosophie beinahe als das Gegenteil. Jetzt ging es um Lebensformen, Familienähnlichkeit und Sprachspielkultur und nicht mehr um Universalismus. Das aber ist ein Eintauchen in die Metaphorik der Sprache. Selbst bei Wittgenstein könnte Hans Blumenbergs Forderung der Metaphernpflichtigkeit der Philosophie greifen, obwohl die Metapher in der Sprachphilosophie wegen ihrer schwer zu kontrollierenden Vieldeutigkeit immer berüchtigt war und bekämpft wurde. In diesem teilweise in Dialogform verfassten Buch betrieb Wittgenstein Sprachphilosophie in einem solchen Sinn. Er verglich die Sprache mit einer Stadt: »Unsere Sprache kann man ansehen als eine alte Stadt: Ein Gewinkel von Gäßchen und Plätzen, alten und neuen Häusern, und Häusern mit Zubauten aus verschiedenen Zeiten; und dies umgeben von einer Menge neuer Vororte mit geraden und regelmäßigen Straßen und mit einförmigen Häusern.« Wittgenstein



201

Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

wollte nicht mehr die Stadt per Kahlschlag verändern und ihr ein geometrisches Ordnungsraster implementieren. Vielmehr verstand er sich jetzt als ein Führer durch die bestehende Stadt. Denn – wieder auf die Sprachphilosophie gemünzt: »Einerseits ist klar, daß jeder Satz unsrer Sprache ›in Ordnung ist, wie er ist‹. D.h., daß wir nicht ein Ideal anstreben: […].« So weit der philosophische Befund, der für Gottfried Boehm nichts Geringeres war als ein Durchbruch in der Geschichte des iconic turns, insofern »es die Befragung der Sprache war, welche der ihr innewohnenden Bildpotenz Nachdruck verschaffte, den linguistic turn in einen iconic turn überleitete.« Wie schon gesagt, ist Wittgensteins Beitrag zu kunstphilosophischen Fragen überschaubar. Dies schon deshalb, weil seine Positionen von anderen prägnanter und origineller vertreten wurden. War Wittgenstein anfangs noch von einer Beziehung zwischen dem Bild und dem, was dieses abbildet, überzeugt, löste er sich – analog zu seiner Sprachphilosophie – später von dieser überkommenen Auffassung und orientierte das Bild an dessen Gebrauch. Der Gebrauch des Bildes – vergleichbar mit dem Sprachspielbegriff – hat immer noch Bezüge zu den Lebensformen. Das haben indes Denker von Saussure über Barthes bis zu Derrida wesentlich konsequenter und nachhaltiger formuliert. Den vor allem im Poststrukturalismus angedachten Kontrollverlust über die Sprache hätte Wittgenstein vermutlich nie akzeptiert. Wenn man retrospektiv nicht nur auf die wichtigen philosophischen Publikationen Wittgensteins schaut, sondern auf das, was die Befindlichkeit des sensiblen Denkers abbildet, seine Tagebucheinträge etwa, erscheint auch die Philosophie in einem anderen Licht. Wittgensteins Tagebücher zeigen einen Liebhaber der Musik und Kunst und einen sensiblen Philosophen, der vor den Gefahren naturwissenschaftlicher Erklärungen warnt und an der Unlösbarkeit der philosophischen Probleme litt; ein Philosoph, der um das »erlösende Wort« rang – bis an den Rand des Wahnsinns. Schon die Sprache, sein philosophisches Leibgericht, diente ihm manchmal als Chiffre für das Gefühlsleben. Wittgenstein, der einen Hang zur Synästhesie hatte, empfand »sprachliche Sätze wie Musik, Melodien in Farben, Bauwerke als Gesten.« Grundsätzlich hatten Farben es Wittgenstein angetan. Sie regen sogar zur Philosophie an, wie er meinte. Die Bezüge zwischen Musik und Farbe sprach er häufig an. Da ist schon einmal Bruckner färbig, Brahms hingegen farblos und im Anfangsakkord des zweiten Satzes der 7. Symphonie von Beethoven fand er die gleiche Farbe, wie sie der Himmel hat. Dass sich zwischen philosophischem Anspruch und realem Leben eine Schneise zeigte, mag die berühmte Bemerkung in den Kriegstagebüchern vom Oktober 1914, also in existenziell herausfordernder Zeit, dokumentieren: »Im guten & schönen zu leben bis das leben von selbst aufhört […].« Doch all dieser und zahlreicher ähnlicher Äußerungen zum Trotz zog eine solch lebenspraktische Sehnsucht kaum eine kunstphilosophische oder ästhetische Spur in seiner Philosophie. Aussagen wie »Architektur verewigt & verherrlicht etwas. Darum kann es nicht Architektur geben, wo nichts (zu verewigen &) zu verherrlichen ist« oder: »Und ich bin im Grunde doch ein Maler, & oft ein sehr schlechter Maler«, mögen als Tagebuch-Notizen hingehen,

Ebd., 75/§98

Boehm 1994, 14

Somavilla 2013, 282

Ebd., 288 Kunst als richtiges Sehen der Welt

Wittgenstein, zit. nach Somavilla 2016, 239

Wittgenstein, zit. nach Somavilla 2013, 284/295

202

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Wittgenstein 1921, 175

Wittgenstein, zit. nach Somavilla 2016, 241

Somavilla 2016, 241

Majetschak Stefan in ÄKPh, 829

Leitner 1989, 167

Kiel/Toopeekoff 2016

als kunstphilosophische Einsichten sind die vielen verstreuten Bemerkungen in diesem Sinn kaum fruchtbar zu machen. Gräbt man dort nach Themen, tauchen einzelne Episoden auf. In seiner frühen Zeit schrieb er der Philosophie analoge Fähigkeit wie der Kunst zu, das richtige Sehen der Welt zu lehren, als Voraussetzung eines glücklichen Lebens. Das Kunstwerk zwinge uns zur richtigen Perspektive auf die Welt. Denn, so fällt ihm 1916 ein: »Das Kunstwerk ist der Gegenstand sub specie aeternitatis gesehen; und das gute Leben ist die Welt sub specie aeternitatis gesehen. Dies ist der Zusammenhang zwischen Kunst und Ethik.« Diese Verbindung des »guten & schönen« schaffte es aus den Tagebüchern in den Tractatus. Da mag eine Portion Schopenhauer im Spiel gewesen sein und eine nicht unübliche Gleichsetzung von Ästhetik und Ethik, verbunden mit fehlendem Optimismus, ästhetische Begriffe dingfest machen zu können. In der späten Philosophie wich der große Sprachphilosoph vor einer Definition des Begriffs der Schönheit zurück. Wie metaphysische seien auch ästhetische Begriffe nicht zu fassen. Darin sah Wittgenstein kein Problem, denn ästhetische Begriffe würden kaum für die Beschreibung von Kunstwerken gebraucht, vielmehr ginge es dabei in aller Regel um technische Begriffe. 1938 hielt er in Cambridge Vorlesungen zur Ästhetik, behandelte dabei aber den Gebrauch von Wörtern und entwarf nicht eine Theorie der Ästhetik: »Man könnte glauben, Ästhetik sei eine Wissenschaft, die uns sagt, was schön ist – beinahe zu lächerlich für Worte.« Wittgensteins Verständnis »führt weit von der traditionellen Ästhetik im Sinne einer wissenschaftlichen Disziplin weg. Wittgenstein beginnt nicht mit bestimmten Wörtern, sondern mit bestimmten Handlungen, Gelegenheiten; er verweist darauf, dass Wörter wie ›schön‹ oder ›hinreißend‹ eher als Ausrufe benutzt werden, oder auch durch Zeichnungen, Musikstücke oder Bilder ausgedrückt werden können.« Er empfiehlt also die Beschreibung von Lebensweisen, denn ästhetische Begriffe seien besonders in Sprachspiele eingeschrieben. »Im Falle ästhetischer Begriffe kann dies beispielsweise dazu führen, daß man Ästhetik nicht länger als Theorie des ›Schönen‹ konzipiert, weil man bemerkt, daß die Grammatik ihres Gebrauchs angemessen unter dem Gesichtspunkt ›ästhetischer Richtigkeit‹ betrachtet werden muß.« Eher schon können seine Fragmente bei Künstlerinnen als Anregungen auf fruchtbaren Boden fallen. Der österreichische Klangkünstler Bernhard Leitner, der mit Klängen architektonische Räume erzeugt, findet Anregungen in Wittgensteins spezifischer Art, mit Dynamik und Statik umzugehen. »Erst ein Bewegen durch das Raum-Gebilde offenbart den vollen Sinn, selbst wenn jeder Raum für sich eine ausgewogene, in sich ruhende Architektur ist […].« Nicht selten wird Wittgenstein ein Einfluss auf die amerikanische Kunst der Sechzigerjahre nachgesagt. Namentlich genannt werden Jasper Johns und Joseph Kosuth. Allerdings scheint dies eher überschätzt zu werden, wie neuere Studien zeigen. In der Tat mag man beim österreichischen Philosophen von einer »Begegnung zwischen Kunst und Philosophie sprechen, genauer gesagt, von einem ›Scheideweg‹: indem die Philosophie an der Grenze des Sagbaren stehen bleiben muss, übernimmt



203

Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

die Kunst die Aufgabe, das Unsagbare – jenseits der Grenze – zu vermitteln bzw. auszudrücken, ohne es auszusprechen.« Das ist als Resümee über einen Sprachphilosophen wie Ludwig Wittgenstein ungewöhnlich genug, aber es darf nicht davon ablenken, dass das hier gemeinte »Zeigen« des Unsagbaren nichts zu tun hat mit den kunstphilosophischen Ansprüchen bei idealistischen, phänomenologischen oder auch nur hermeneutischen Konzeptionen. In Wittgenstein zeigt sich ein zutiefst an Kunst interessierter Philosoph, der weder der Sprache noch der Kunst allzu viel Kredit einräumt und weder mit metaphysischen noch mit ästhetischen Begriffen viel anfangen kann. Die lebenspraktische Zuneigung zur Kunst bleibt in gewisser Weise belanglos. Insofern lässt sich ein resümierender Schlusssatz in einem Aufsatz von Ilse Somavilla auch als Resümee dieses knappen Blicks auf Wittgenstein verwenden: »Seine Sehnsucht, einmal eine Melodie zu komponieren – das ›Höchste‹, was er zu erreichen wünschte –, ist im Grunde dieselbe wie seine Sehnsucht nach dem ›erlösenden Wort‹, die seine Philosophie durchdringt.«

Somavilla 2013, 296

Ebd., 296

3.9.2. Nelson Goodman Eine kreative Fortsetzung der Ideen der Analytischen Philosophie bot Nelson Good­ man. Der 1906 in Somerville, Massachusetts, geborene Goodman griff auf das Repertoire von Nominalismus, Konstruktivismus und – zumindest indirekt – der Symboltheorie Cassirers zurück, um der Sackgasse einer allzu einfach gestrickten Sprachphilosophie zu entkommen. Die Struktur der Begriffe sei heute »durch die Strukturen der verschiedenen Symbolsysteme der Wissenschaften, der Philosophie, der Künste, der Wahrnehmung und der alltäglichen Rede zu ersetzen«. Goodman interpretierte das Kunstwerk ähnlich wie Cassirer als Symbol- und Zeichensystem, das – als Sprache interpretiert – Welt erzeugt. Er wurde mit solchen Überlegungen zu einem der prononciertesten Vertreter der Zeichentheorie der Kunst. Das bedeutet unter anderem, dass Goodman mit konstruktivistischem Zungenschlag Kunst und Wissenschaft auf eine Ebene hob, ein Unterfangen, das in den Anfängen der Sprachphilosophie und Analytischen Philosophie noch undenkbar gewesen wäre: »[…] ein Kosmos menschlicher Vermögen, die ungeordnete Welt zu Welten zu ordnen und zu verstehen, tut sich vor uns auf.« Ähnlich wie Paul Feyerabend, wenn auch in anderer Weise, sah Goodman in der Kunst ein kognitives Geschäft, während andererseits die Wissenschaft nur dann einen Wert hat, wenn sie mit ihren Ergebnissen weitere wichtige Fragen aufwirft oder beantwortet. Freilich hielt auch er die ästhetischen Symbole für reicher als jene der Wissenschaft. Goodman, der an verschiedenen Universitäten in den Vereinigten Staaten Philosophie lehrte, war nebenbei Galerist und Sammler. Sein 1968 erschienenes Werk Languages of Art. An Approach to a Theory of Symbols hatte eine nachhaltige Wirkung. Das Buch offenbart eine deutliche Distanz, um nicht zu sagen einen Bruch zu den anfangs von ihm vertretenen strengen analytischen Positionen, die noch in der Nähe des Neopositivismus angesiedelt waren. Immerhin blieb so viel von seinem alten Engagement erhalten, dass er sich gegen jede Ästhetik wandte, die auf Emotion und auf dem Prinzip des L’art-pour-l’art aufbaut, wozu auch die Einstellung eines in-

Goodman 1978a, 10 IX.3.3.1. X.3.4. Konstruktivismus

Schlaeger Jürgen in Goodman 1968, 284

204

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

X.2.2.1.

X.1.4.1.

Zeichentheorie

X.2.2.2.

III.2.3.1.

Kunst als Sprache

X.2.6.1.

teresselosen Wohlgefallens gehört. Darin witterte er eine objektivistische Weltsicht, während seine epistemologischen Forderungen an eine Ästhetik mit konstruktivistischen Aspekten verbunden waren. Diese Aspekte seiner Ästhetik vertiefte er in Ways of Worldmaking (1978). Grundsätzlich ging Goodman davon aus, dass wir Welten erzeugen durch Symbolsysteme, die zugleich die Beziehung zur Welt sichern. Insofern ist jede ästhetische Erfahrung nicht bloß rezipierend, sondern aktiv und konstruktiv. Während die traditionelle Analytische Philosophie den Kampf gegen einen Essentialismus aus Gründen eines vermeintlich versteckten Platonismus führte, stand bei Goodman bereits die Nähe zum Konstruktivismus einem essentialistischen Kunstbegriff im Wege. Wahrnehmen ist niemals ein jungfräulicher Akt. Es wird stets begleitet von Wissen und von Interessen. Im Kontext der Zeichentheorie gesprochen gibt es für Goodman keine reine Kunst, sie ist stets symbolgeladen, entweder durch Repräsentation oder durch Ausdruck. Mimesis allein reiche niemals aus, denn selbst gegenständliche Kunst sei stets auch Zeichen. Noch viel mehr gilt dies für ungegenständliche Kunst oder Kunst ohne Werk, wo keine Ähnlichkeitstheorie greift. Kunst als Symbol- und Zeichensystem zeigt etwas in der Welt über das hinaus, was unmittelbar abgebildet ist. Ein griechischer Kouros stellt vordergründig einen nackten jungen Mann ab. Der Sinn dieses Kunstwerks ist aber der zeichenhafte Verweis auf Kraft und Tugendhaftigkeit des Stadtstaats. Ein barockes Stillleben ist nicht nur das, was es abbildet, sondern verweist etwa auf den Kreislauf von Leben und Tod. Ebenso verhält es sich mit Bauwerken. Es geht weniger darum, was ein Bauwerk bedeutet, als darum, wie es bedeutet. Man kann daher sagen, dass auch Kunst nicht nur, wie das analytische Philosophen durchaus akzeptieren, mit einer Sprache vergleichbar ist, sondern dass Kunst eine Sprache ist. Nicht die Analyse des Sprachspiels Kunst steht bei Goodman im Vordergrund, sondern die Beachtung der Kunst als Sprache. Die überkommene picture theory of language müsse durch eine language theory of pictures abgelöst werden. Kunst ist ein riesiges Zeichensystem und sie ist daraufhin zu befragen, was sie sagt und welche Welt sie erzeugt. Insofern kommt die Zeichenhaftigkeit den Kunstwerken als notwendige, wenngleich nicht hinreichende Bedingung zu. Der Unterschied von Kunstwerk als Zeichen und anderen Zeichen ist schwierig festzumachen. Eines der Kriterien ist, dass bei einem Kunstwerk auch die materiellen Merkmale eine konstitutive Rolle spielen, was außerhalb des Kunstwerks nicht gilt: Für Kunstwerke ist es essentiell, wie es um Farbauftrag, Farbintensität, Bildgröße, Material, Liniendicke, Klangfarbe, Melodieführung etc. bestellt ist. Zudem stehen Kunstwerke in Bezügen: Jedes Bauwerk zitiert zustimmend oder sich abhebend ein anderes Bauwerk und die Umwelt. Das Kunstwerk als Zeichen ist demnach wesentlich umsichtiger und aufwendiger gestaltet als ein übliches Zeichen. Letztlich sind Kunstwerke unbegrenzt deutbare Zeichen. Dass Goodman über weite Strecken bei der Diskussion um die ästhetische Erfahrung Kunstwerke im Auge hat, ist zweifellos unbefriedigend und wird im Kapitel X.1.4.1. noch zu problematisieren sein. Über solche Unschärfen verschwindet jedenfalls der Anspruch, das, was ein Kunstwerk ist, endgültig in den



205

Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

Griff zu bekommen. »Ein Kunstwerk bedeutet bezeichnenderweise auf vielfältige, gegensätzliche und wechselhafte Weisen und ist offen für viele gleichermaßen gute und aufschlussreiche Interpretationen.« Daraus zog Goodman die Konsequenz, dass die Frage »Was ist Kunst« durch die Frage »Wann ist Kunst« zu ersetzen sei. Damit kommt man mit Goodman der Frage näher, ab wann ein gewöhnlicher Flaschentrockner Kunst ist. Es kann sein, dass »ein Objekt zu gewissen Zeiten ein Kunstwerk ist und zu anderen nicht.« Der Unterschied liegt in der Symbolfunktion eines Gegenstands. Das aber ist eine notwendige, keine hinreichende Bedingung, denn ein Stein hat für einen Geologen auch eine Symbolfunktion, indem er auf ein erdgeschichtliches Zeitalter verweist. Die Frage der Verschiedenheit der Künste ging Goodman mit einer gängig gewordenen Unterscheidung an: Er trennte autographische von allographischen Küns­ ten. Im Sinne von Benjamins Begriff der Aura komme den Originalen der autographischen Kunstwerke, in aller Regel physisch-materielle Entitäten, eine besondere Würde zu. Autographisch ist Kunst dann, »wenn selbst das genaueste Duplikat nicht als echt zählt.« Ganz im traditionellen Sinn zeichnet das Original gegenüber den Reproduktionen eine ästhetische Differenz aus, die einen Dignitätsgewinn ausmacht. Aber es kommen auch nichtästhetische Aspekte ins Spiel. Jedenfalls seien Original und Kopie durch viele Unterschiede gekennzeichnet, die nach Goodman auch die ästhetische Wahrnehmung beeinflussen: »in der Urheberschaft, im Alter, in den physischen und chemischen Merkmalen und im Marktwert […].« Es ist das Wissen um diese Unterschiede, das eine ästhetische Wahrnehmung verändert. Goodman hält an einem ästhetischen (!) Unterschied zwischen Original und Kopie fest auch dann, wenn der Unterschied augenscheinlich nicht erkennbar ist. Erkennbar wird er erst durch das Wissen um die genannten Attribute. Wir rühren hier an eine grundsätzliche Frage, die auch bei Richard Wollheim ähnlich beantwortet wird, dass nämlich die ästhetische Wahrnehmung an Wissen und Erfahrung gekoppelt ist. Damit ist nicht gemeint, dass man mit der Ausstattung eines Wissens das Kunstwerk philosophisch einholen kann. Das wäre ein Abgleiten in einen Essentialismus. Doch solches verhindert bereits das oben angesprochene Ersetzen der Was-Frage durch die Wann-Frage der Kunst. Ein Gegenstand ist letztlich dann ein Kunstwerk, wenn es eine ästhetische Funktion ausübt und in eine ästhetische Praxis involviert ist. In den allographischen Künsten sichern Notationssysteme (Partitur, Handschriften, Computerausdrucke) die Identität eines Werks angesichts vieler Realisationen (Aufführungen, Bücher). Das gilt für Literatur, Musik und Architektur. »Wir haben gesehen, daß eine musikalische Partitur in einer Notation steht und ein Werk definiert; daß eine Skizze oder ein Bild nicht in einer Notation steht, aber selbst ein Werk ist; und daß ein literarisches Skriptum sowohl in einer Notation steht als auch selbst ein Werk ist. So ist ein Werk in den verschiedenen Künsten unterschiedlich lokalisiert. In der Malerei ist das Werk ein individuelles Objekt; in der Radierung eine Klasse von Objekten. In der Musik ist das Werk die mit einem Zeichen kompatible Klasse von Aufführungen. In der Literatur ist das Werk, wie wir hinzufügen können, eine individuelle Realisation.« Die Probleme dabei liegen auf der Hand und

Ebd., 137 Wann ist Kunst

Goodman 1978a, 86f X.2.8. Ebd., 86f

autographische und allographische Künste

Goodman 1968, 122f X.2.6. Ebd.

Ebd., 110

X.3.5.1.5.

X.3.5.1.4.

Ebd., 214

206

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

X.3.5.1.5.

3.8.2.

werden im folgenden Abschnitt ausführlich zur Sprache kommen. Wie viele falsche Töne bei einer Aufführung von Beethovens Tripelkonzert dürfen vorkommen, um die Aufführung noch mit der Notation verbinden zu können? Eine Liste von strukturalen Anforderungen für Notationen syntaktischer und semantischer Art soll genau das sicherstellen. Goodmans Theorie erklärt die Ausdifferenzierung von Notationssystemen in der Kunst als einen historischen Prozess. Demnach habe sich die Tatsache, dass eine größere Zahl von Menschen für die Aufführung eines Werks oder die Umsetzung einer Architektur notwendig sei, in der Geschichte verstärkt. Das wiederum habe das Kunstwerk von seiner Beschränkung auf die Zeit- und Individuums-Gebundenheit – damit auch von seiner Aura – abgehoben. Das ist eine andere Überlegung im Hinblick auf allographische Kunst als jene Walter Benjamins, der die Bedrohung der Aura in der Möglichkeit der technischen Reproduzierbarkeit sah.

3.9.3. Arthur C. Danto

die Kunstwelt

X.2.8.

Der 1924 in Ann Arbor in Michigan geborene Danto war ein analytischer Philosoph, aber durch seine kontinentaleuropäische Bildung mit der europäischen Philosophie- und Kunsttradition gut vertraut. Bei einem Aufenthalt in Paris hörte er unter anderem bei Maurice Merleau-Ponty. Er wollte ursprünglich selbst Künstler werden und betrieb sogar ein Studium der Malerei. Daran schloss er ein Philosophiestudium an der Columbia-Universität an. Seiner Alma Mater in New York blieb er als Professor bis zu seiner Emeritierung 1992 ein Leben lang treu. Zunächst interessierten Danto Fragen der Geschichtsphilosophie und der Repräsentationstheorie, dann vorwiegend solche aus seinem Spezialgebiet Kunstphilosophie. Daneben war er als Kunstkritiker in verschiedenen Zeitschriften, vor allem in der Wochenzeitschrift Nation, engagiert, schrieb Künstlermonographien und Katalogbeiträge. Die meisten dieser Beiträge sind in Sammelbänden publiziert. 1981 erschien sein Hauptwerk The Transfiguration of the Commonplace, dem er 1986 die Aufsatzsammlung The Philosophical Disenfrachisement of Art folgen ließ. Mit Danto assoziiert man reflexartig seine Antwort auf die Frage, was einen Gegenstand zu einem Kunstwerk macht: die Kunstwelt (artworld)! Der entsprechender Aufsatz (The Art World) erschien 1964 im Journal of Philosophy, ausgelöst durch eine Ausstellung in der New Yorker Stable Gallery, wo Andy Warhol seine Brillo Boxes zeigte. Die handelsüblichen Behälter für Topfreiniger waren von Warhol immerhin aus Sperrholz nachgebaut und bedruckt worden. Aber dieser Herstellungsprozess spielte für Danto keine Rolle. Er behandelte die Boxes wie Ready-Mades. Mit seiner These von der Art World gilt Danto neben George Dickie, der den Ausdruck von Danto übernahm, als Vertreter der Institutionentheorie der Kunst. Allerdings gibt es nicht unerhebliche Unterschiede in den Positionen der beiden und Dantos Anregungen liegen eher anderswo. Während Dickie die Kunstinstitutionen im engeren Sinn meinte, hatte Danto ein komplexeres Verständnis der Kunstwelt. Sie umfasste bei ihm einen Wissenspool und ein Theorieverständnis um die Kunst. Mehrmals sprach er in diesem Zusammenhang von einem institutionalisierten Diskurs von



207

Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

Gründen. Danto kann daher für die Institutionentheorie der Kunst nur teilweise in Anspruch genommen werden. Noch in anderer Hinsicht ist Dantos Institutionentheorie keineswegs zwingend. Er schrieb nämlich dem Kunstwerk durchaus Eigenschaften zu. Selbst dem Ready-Made! Dieses sei durch Respektlosigkeit und Witz gekennzeichnet. »Qualitäten wie die, witzig oder geistreich zu sein, können gewöhnlichen Dingen aber nur zuwachsen, wenn sie eine Funktion in einem intentionalen Kontext übernehmen. In diesem Sinne hat Danto […] gezeigt, daß ein banaler Gegenstand, der in ein Kunstwerk ›transfiguriert‹ wird, nicht nur seine Umgebung wechselt, sondern ganz neue Qualitäten annimmt, die auf einer völlig anderen Ebene liegen als Eigenschaften, die man mit Wahrnehmungsprädikaten beschreiben kann.« Das Problem Ready-Made (mit Blick auf Warhols Brillo Boxes) ging Danto in The Transfiguration of the Commonplace (dt. Die Verklärung des Gewöhnlichen) an. Er rang um eine Lösung für das Problem, dass Gegenstände des Alltags plötzlich als Kunstwerke angesehen werden, ohne dass ein Unterschied im sinnlichen Erscheinen erkennbar wäre und ohne dass es (wenn man von Respektlosigkeit und Witz einmal absieht) einen Bezug zu vermeintlich immanenten Eigenschaften gibt. Danto zog daraus den Schluss, dass sich die zeitgenössische Kunst von der seit Jahrhunderten bestehenden (für ihn zufälligen!) Verklammerung mit der Ästhetik (i.S. des sinnlichen Wahrnehmens) getrennt habe. In diesem Sinn machte Danto einen Unterschied zwischen Ästhetik und Kunstphilosophie. Während sich Ästhetik mit Sinnlichkeit beschäftige, sei die Kunstphilosophie dafür zuständig, den Unterschied zwischen einem gewöhnlichen Urinoir in einem Geschäft für Badzubehör und Duchamps Fountain zu erklären. Ähnlich wie Hegel konstatierte auch Danto aus diesen Gründen ein Ende der Kunst. Dieses Ende aber ist eines der zeitgenössischen Kunst, ausgelöst vor allem durch das Ready-Made, in dem jede sinnliche Komponente als kunstbestimmend zugunsten einer geistigen Intention endet. Kunst wurde aus der Sicht Dantos von der Philosophie abgelöst, bzw. wie er im einschlägigen Buchtitel drastisch formuliert: sie wurde von der Philosophie entmündigt. Positiv gewürdigt: »Entsprechend sieht Danto die eigentliche Leistung des Readymades darin, dass es den Ballast sinnlichen Brimboriums abgeworfen und die Kunst in ein Stadium des Bewusstseins ihrer selbst überführt hat, das Danto zugleich (im Sinne der Hegel’schen Geschichtsphilosophie) als das Ende der Kunst deutet: Die Kunst, vom Readymade endlich zur Reinheit einer rein ideellen Existenz geläutert, sei zu ihrer eigenen Philosophie geworden und damit an das Ende ihrer Entwicklung gelangt.« Den Anfang dieser Ablösung der Kunst durch die Philosophie sah Danto bei Platon. Er habe bereits den Weg der europäischen Kunstphilosophie abgesteckt: »Und da Platons Kunsttheorie im Grunde genommen mit seiner Philosophie gleichzusetzen ist und da die Philosophie jahrhundertlang nichts anderes getan hat, als das Testament des Platonismus um kleine Zusätze zu ergänzen, ist die Philosophie selbst möglicherweise mit der Entmündigung der Kunst gleichzusetzen.« In der Tat entmündigte Platon die Kunst als eine mimetische poiesis und kolonisierte sie durch ein

Lüdeking 1988, 179

Ende der Kunst

Rebentisch 2013, 123

Danto 1989, 154

208

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

III.2.4.3.2.6.

aboutness

Danto 1981, 192

Ebd., 87f

Ebd., 207

Liessmann 1993, 170

Danto 1981, 314

avanciertes philosophisches Konzept. Für Danto war dies der Anfang einer epochalen Entmündigungsstrategie der Kunst durch die Philosophie. Mit diesem Gestus im Rücken reichte Danto die Kunst an die Philosophie weiter. Was macht nun den Unterschied zwischen Kunst und Nicht-Kunst aus? Danto sah diesen in der aboutness. Kunstwerke reden über die Welt (about) anders als Alltagsobjekte. Es geht also genauer um den jeweiligen Inhalt der aboutness, die aboutness als solche ist kein Unterscheidungskriterium (wie manchmal in kritischen Anmerkungen missverstanden wurde). Dieser Inhalt ist der Bezug zur Semantik der Kunstwelt. Dazu gehört nicht nur, aber auch (sogar als wichtiges Element) die Intention der Künstlerin. Diese Veränderung der Bezogenheit sei es, welche einen Alltagsgegenstand zu einem Kunstwerk »verklärt«. Verklärung entspricht dem »Übergang vom Bereich bloßer Dinge zu einem Bereich der Bedeutung.« Kunst ist daher immer Repräsentation, aber nicht mimetische Repräsentation, sondern eine Repräsentation der Intention der Künstlerin. Eine von Picasso blau angemalte Krawatte habe zum Unterschied von einer von einem Kind angemalten Krawatte ausdrücklich semantische Bezüge auf die Kunstgeschichte und auf das eigene Werk Picassos selbst. Damit beantwortete Danto auch die berüchtigte Polemikfigur gegenüber zeitgenössischen Kunstwerken, dass sie auch Kinder zustande brächten. Handwerklich könne dies durchaus der Fall sein, aber es fehle am notwendigen Kontext, weshalb man dann nicht von Kunst sprechen könne. Intentionalität und der Kontext der Kunstgeschichte waren Dantos Kriterien, um Kunstwerke von Alltagsobjekten abzuheben. Kunstwerke beziehen sich auf irgendetwas in der Kunstgeschichte, heben sich von anderen Kunstwerken und -richtungen ab oder provozieren durch Kommentierung von etwas. »Etwas überhaupt als Kunst zu sehen, verlangt nichts weniger als das: eine Atmosphäre der Kunsttheorie, eine Kenntnis der Kunstgeschichte. Kunst ist eine Sache, deren Existenz von Theorien abhängig ist; ohne Kunsttheorien ist schwarze Malfarbe einfach schwarze Malfarbe und nichts anderes […] es [kann] keine Kunstwelt geben ohne eine Theorie, da die Kunstwelt von Theorie logisch abhängig ist.« Kunst ist nach ihrem Ende im Sinne Dantos grundsätzlich von Kommentaren und Intentionen abhängig. Das kann bis zu einem im Gedankenexperiment kon­ struierten Extremfall reichen, dass zwei Bilder haargenau gleich aussehen, die Künstlerinnen jedoch völlig Unterschiedliches damit intendierten. Nach Danto hat es keinen Sinn, »über Kunstwerke ohne Rücksicht auf das zugrundeliegende Sujet, seine Verarbeitung und seine Deutbarkeit zu reden.« An anderer Stelle nahm Danto für das, was es zu zeigen gilt, den Begriff der Metapher zu Hilfe. Ähnlich wie der Inhalt der aboutness die Gegenstände verändert, steht die Metapher für eine Abweichung vom ursprünglichen (meist physikalischen) Sinn. Man könnte von da her das Kapitel Arthur Danto auch überschreiben mit: Das Kunstwerk als Metapher. Denn das Verständnis des Kunstwerks entspricht de facto dem Verstehen der Metapher. Daher kann man die Sache am Verstehen der Metapher durchspielen. Das Verständnis für die Metapher »Brillo-Karton-als-Kunstwerk« setzt eine Entwicklung der Kunst voraus und auch sie markiert nach Danto



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

die Entmündigung der Kunst durch die Philosophie. Die Metapher wird (wie ein Kunst­werk) erst verständlich, wenn man den Bezugsrahmen kennt. Für die Kraft der Metapher ist nur empfänglich, »wer um deren intendierte Konnotationen weiß.« Damit werden Kunstwerke eine »Weise, die Welt zu sehen.« Gegen die Gleichsetzung der Kunst mit der Metapher wurde eingewandt, dass von Danto »die Freiheit und Produktivität der Interpretation, die Bedeutungen an den Werken freisetzen mag, die von den ursprünglichen Künstlerintentionen und Entstehungskontexten nicht gedeckt sind oder sich sogar gegen sie wenden«, unterschätzt werden. Sowohl die Künstlerintention als auch das Kontextwissen reiche nicht aus, die Wirkungsmacht eines Kunstwerks auszuloten. Dantos Überlegungen auf die ästhetische Wahrnehmung angewandt, bedeutet, dass diese nur mit einer Kenntnis von Kunst funktioniert: »Um folglich ästhetische Qualität zu erkennen, bedarf es der Kenntnis der Kultur sowie der Kunstgeschichte, die das jeweilige Kunstwerk verarbeitet.« Dass Danto auch die Moral ins Spiel brachte, verkomplizierte seine eingängigen Überlegungen erheblich. Man könne nicht, meinte er, in Polizisten, die mit Knüppeln auf Demonstranten losgehen, ein Ballett sehen. Ist die Abgrenzung zwischen Kunst und Nicht-Kunst schon eine Herausforderung, bleibt die Frage nach Ästhetik und Moral noch schwieriger und sie wurde von Danto letztlich nicht ernsthaft angegangen. Der Bezug zur Kunstgeschichte, in der ein Kunstwerk zwangsläufig steht, eröffnet einen Blick auf die Selbstreferentialität der Kunst. Selbstreferentialität ist eines der hervorstechendsten Merkmale der modernen Kunst. Man kann Selbstreferentialität nie ohne Künstlersubjekt denken, denn Kunst erzeugt sich ja nicht von selbst, aber ihre Kontextualisierung ist stark genug, um der Künstlerin gewissermaßen Leitlinien vorzugeben, nach denen Kunst auf Kunst bezogen wird. Von da her ließe sich ein interessanter Ausgleich zwischen dem Fortschritt der Kunst und ihrer zwangsläufigen Verhaftung in der Tradition weiterdenken. Danto spielte sogar mit dem Stilbegriff, der sowohl Ausdruck der Künstlerpersönlichkeit als auch verdichtender Ausdruck einer Epoche sein kann. Wenn oben am Gebrauch der Metapher kritisiert wurde, dass Danto die Rolle der Rezeption übersah, trifft das letztlich doch nicht ganz zu. Denn die Rezeption gehört wie die Intention der Künstlerin zu dem, was Danto unter Kunstwelt verstand. Es handelt sich insgesamt um einen Verbund von Personen, die im Diskurs den Kunstwerk-Status verleiht. Kunst wird etwas durch Interpretation. Erst kunsttheoretische Theorien machen aus einem Allerweltsgegenstand ein Kunstwerk. Jede neue Interpretation sei eine »kopernikanische Revolution« und konstituiere ein neues Werk, »auch wenn das anders konstituierte Objekt bei der Transformation ebenso unverändert bleibt wie der Himmel.« Freilich bleibt die Frage durchaus offen, was genau passiert, wenn die Rezeption grundlegend anders verläuft als die Intention es beabsichtigte oder sie gar die Intention annulliert. In der späteren Spezifizierung The Art World Revisited: Comedies of Similarity (1992) verdichtete er das auf einen institutionellen Diskurs von Gründen. Es ging ihm demnach nicht nur um systematische Begründungen, sondern um eine histo-

Rebentisch 2013, 127 Danto 1981, 315

Rebentisch 2013, 129

X.1.4.1. Betzler Monika in ÄKPh, 191

Danto 1981, 47

Ebd., 192

210

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Koppelberg Dirk in Majetschak 2005, 300ff

rische Dimension. In diesen Kontext vermochte Danto das sperrige Problem der Nachahmung einzubauen. Das Kunstwerk ahmt ein Objekt der Wirklichkeit nach, gleichzeitig bezeichnet es diese Wirklichkeit im Sinn einer künstlerischen Aussage ohne visuelle Ähnlichkeit. Eine Brillo Box ist die Nachahmung einer Brillo Box im Supermarkt. Ist sie als Kunstwerk erkannt, tritt eine ästhetische Differenz auf, die diese Box etwa zu einer Aussage über die Konsumwelt macht. Einen visuellen Unterschied gibt es nicht. Man könnte versucht sein, bei dieser Argumentation an die Transsubstantiationslehre der Kirche zu denken, wo sich die substantielle, aber nicht die visuelle und akzidentelle Seite verändert. Damit verändern sich Metaphorik und Bedeutung von alltäglichem Brot und Wein zu Leib und Blut eines Erlösergottes. Dantos Kunstphilosophie changiert zwischen einer Enmündigungserklärung samt der Beendigung von Kunst und deren Rettung. Rettung deshalb, weil sich Kunst von zwei epochalen Entmächtigungsstrategien befreien konnte: einmal dort, wo Kunst als reines Vergnügen genommen wurde, und dort, wo Kunst ein Geschäft der Erscheinungen blieb. Indem Kunst durch das Ready-Made zur Philosophie geworden ist, habe sie sich vor einer sie stets abwertenden Ästhetik gerettet. Angesichts der Entmündigung bleiben freilich Zweifel, ob die Philosophie solche Fragen überhaupt beantworten kann und mehr noch, ob sie diese Frage überhaupt beantworten soll. Das wird in der scientific community verschieden gesehen. Die meiste Kritik fing sich Danto ausgerechnet von analytischen Philosophen ein, denen die Behandlung der Bedeutung keinesfalls ausreichte und die kritisch anmerkten, dass das Kriterium der aboutness die Unterscheidung zwischen Kunst und Nicht-Kunst nicht leisten kann, weil auch die Brillo-Schachtel im Supermarkt eine aboutness aufweist. Das ist das erwähnte Missverständnis. Es ging Danto um den Inhalt der aboutness, nicht einfach um diese als solche. Dieser Rest einer Bedeutung des Kunstwerks unterscheidet Danto von Dickie, der Experten die Auszeichnung Kunstwerk verleihen lässt. Da es Danto auf zumindest geschichtliche Aspekte ankam (nämlich auf Bezüge zu anderen kulturellen Erzählungen), wird von dieser Seite seine Kunstphilosophie kurzerhand als essentialistisch qualifiziert, obwohl es Danto gerade darum zu tun war, eine inhärente Bedeutung des Kunstwerk zurückzuweisen. Aber Danto ging es eben nicht um Bedeutungstheorie, sondern tatsächlich um narrative Theorien und das ist durchaus kein schlechter Ansatz, um den Kunstwerkstatus eines Ready-Mades zu erklären. Empfindlicher trifft vielleicht das Argument, dass die Geschichte voll von Duchamp-Effekten ist. Es gibt immer wieder Werke, für die es noch keine Kunsttheorie und keinen Konsens in der Kunstwelt gibt, die erst im Laufe der Zeit als Kunstwerke akzeptiert werden, wenn ihnen Theorien und Kunstwelt nachfolgen.

3.9.4. Richard Arthur Wollheim Der 1923 in London als Sohn einer Schauspielerin geborene Richard Wollheim studierte kein künstlerisches Fach, sondern Philosophie, Politik- und Wirtschaftswissenschaften. Er lehrte Philosophie zunächst in seiner Geburtsstadt an verschiedenen Universitäten, bis er aus Protest gegen die Politik Margaret Thatchers in die USA ging, nach New York und Berkeley. Von Anfang an interessierten ihn Fragen der



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

Kunstphilosophie, an die er mit den methodischen Instrumenten der Analytischen Philosophie heranging, dabei aber viele andere Einflüsse berücksichtigte, darunter jene von Sigmund Freud. Als Kunstphilosoph wurde Wollheim mit seinen Hauptwerken Art and its Objects (1968), Painting as an Art (1987) und On Painting and the Self (1992) bekannt. Sein Anliegen war die Frage nach der Identität von Kunstwerken. Es ging um den Kunstcharakter von Kunstwerken, zugleich um Fragen nach dem Gehalt an Mimesis und Expression. Worum es ihm ausdrücklich nicht ging, war eine »allgemeine Methode zur Identifikation von Kunstwerken«, denn wer eine solche Ambition hat, der verkennt die »Grenzenlosigkeit der Aufgabe […].« Voraussetzung für die Identifizierung von Gegenständen als Kunstwerke ist eine ästhetische Einstellung. Wie bereits bei Danto koppelte auch Wollheim die ästhetische Einstellung an ein Wissen. Man muss wissen, ob etwas als Kunstwerk intendiert worden ist, um es als ein solches zu erkennen. Dazu gesellt sich ein Wissen über Entstehungskontexte und das von der Künstlerin behandelte Anliegen. Zu diesem Wissensvorrat gehört auch die Expression, denn Wollheim trennte die beabsichtigte Expression eines Kunstwerks von Gefühlszuständen sowohl der Künstlerin als auch der Rezipientin. Anders gesagt: Kein Kunstwerk löst in einer Betrachterin genau diesen emotionalen Zustand aus, in dem das Bild von der Künstlerin gemalt worden ist. Man kann Bilder oder Musikstücke demnach in ihrer Ausdruckskraft auch beschreiben, ohne dass man sich in genau diesen Zustand an Emotion versetzen muss. Immer wieder vergleicht Wollheim bildende Kunst mit der Sprache. In diesem Vergleich kommt die Kunst nicht schlecht weg, denn sie ist nicht etwa in einem höheren Maß vage und unscharf als die Sprache. Die eigentümliche Unbestimmtheit der Kunst muss vielmehr positiv gesehen werden. Der Künstler wirkt »typischerweise am Schnittpunkt mehrerer Intentionen […] Es wäre deshalb seinem Zweck ganz fremd, wenn es in der Kunst Regeln gäbe, die ihm Werke zu konstruieren erlaubten, die unzweideutig mit einer ›Bedeutung‹ korreliert werden könnten: […].« Das Verstehen von Kunstwerken hat deutlich mehr Aspekte, vor allem solche des historischen Kontextes, als das Verstehen einer Sprache. Das ist die Botschaft des analytischen Philosophen Wollheim, die konsequent in eine Auffassung mündet, dass das Verständnis von Kunst über eine sprachphilosophische Ebene hinausreicht und neben begrifflichen auch gesellschaftliche und historische Aspekte umfasst. »Damit verbindet W. die These, daß die Mittel zur künstlerischen Artikulation ähnlich wie sprachliche Zeichen von einer Gemeinschaft bereitgestellt werden und daß jede Manifestation künstlerischer Intentionen das Vorhandensein gesellschaftlich anerkannter künstlerischer Praktiken und Ausdrucksformen voraussetzt.« Kunst ist demnach von gesellschaftlichen Kontexten, sogar von Institutionen abhängig. Diese Einsicht macht Wollheim allerdings nicht zu einem Vertreter der Institutionentheorie in dem Sinn, dass die Kunstwelt einen Gegenstand ohne jede weitere Begründung zum Kunstwerk »verklärt« (Danto). Grundsätzlich ist es ein schwieriges Unterfangen, irgendwelche Gründe für einen Kunstwerkstatus anzu-

ästhetische ­Einstellung und Wissen

X.2.2.ff. Wollheim 1968, 136f X.1.4.ff.

X.2.2.3.

Ebd., 133 X.2.3./X.2.7.

Schumacher Ralph in ÄKPh, 832

212

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

geben, denn das wäre nach Wollheim nur die Feststellung von Eigenschaften des Kunstwerks, aber keine Begründung des Kunstwerkstatus. Type-Token-­ Ein wichtiges Kapitel Wollheims ist die Adaption der Type-Token-Theorie von Theorie Peirce auf die Kunstphilosophie. Diese Theorie wird unter X.3.5.1.4. detailliert dargestellt, deshalb sei hier nur der Sukkus angesprochen. Die Type-Token-Theorie unterscheidet abstrakte Spracheinheiten (types) von ihren konkreten Umsetzungen (tokens). Wollheim wandte diese Differenzierung auf die Künste an, indem er zwischen dem abstrakten Kunstwerk (z.B. La Traviata von Giuseppe Verdi) von deren Vorkommnis oder Instantiierung unterschied: den konkreten Aufführungen oder den Tonträgern der Traviata. Diese Unterscheidung ist vor allem für sogenannte alX.2.6.2. lographische Künste wie Musik, Literatur, Theater (im Unterschied zu den autographischen Künsten Malerei, Bildhauerei und Architektur) fruchtbar, weil die Frage nicht trivial zu beantworten ist, was bei einer konkreten Oper oder einem Roman das eigentliche Kunstwerk ist: handschriftliches Manuskript, Partitur, gedrucktes Buch, Aufführung, Lesung oder die Compact-Disc der Oper oder des Romans. Die wichtige Botschaft ist: Auch wenn Kunstwerke keine materiellen Objekte sind – die Wollheim 1968, 83 Traviata von Giuseppe Verdi ist kein materielles, sondern ein abstraktes Kunstwerk –, »hindert sie dies nicht daran, materielle Eigenschaften zu haben.« Wollheims Vorschlag ist durchaus hilfreich, aber ebenfalls nicht frei von Schwierigkeiten und Tücken, man denke etwa an die Einordnung von druckgraphischen Werken, zu deEbd., 159 ren Bewältigung Wollheim die Offenlegung der Herstellungsgeschichte voraussetzt. Naturgemäß stand Wollheim der These von der materiellen Ausstattung von Kunstwerken (er nannte das »materielle Objekthypothese«) ablehnend gegenüber. X.3.5.1.1. In einer eigenwilligen Unterscheidung hob Wollheim von jedem materiellen Objekt ein ästhetisches Objekt ab: »Wir sagen vom Heiligen Georg, er sei von Leben erfüllt (Vasari). Doch der Marmorblock ist unbelebt. Deshalb kann der Heilige Georg nicht Ebd., 23 dieser Marmorblock sein.« Damit sind wir weit in systematische Zusammenhänge eingedrungen, die im nächsten Abschnitt ausführlicher und in größerem Zusammenhang dargestellt werden.

3.9.5. Morris Weitz

X.2.1.

Weitz 1956, 28

Der amerikanische Philosoph Morris Weitz war, wie in den Kreisen der Analytischen Philosophie üblich, zuletzt ein heftiger Kritiker eines jeden Essentialismus beim Kunstbegriff. Dass sich Eigenschaften angeben lassen, die Gegenstände als Kunstwerke auszeichnen, scheint Weitz ein aussichtsloses Unterfangen zu sein. Nur in einem solchen Fall wäre aber ein sinnvoller Gebrauch des Terminus Kunst möglich: »Its attempt to discover the necessary and sufficient properties of art is logically misbegotten […].« Allerdings war Weitz nicht immer so pessimistisch. In seinem Werk Philosophy of the Arts (1950) versuchte er selbst noch, ein solch generalisierendes Merkmal zu benennen. Die Erfahrung damit trieb ihn schließlich zu einer deutlichen antiessentialistischen Position. In dem Aufsatz The Role of Theory in Aesthetics (1956) zog er die Konsequenzen aus diesen Einsichten für den Kunstbegriff. Die Problematik um die Bestimmung des Kunstbegriffs wird im nächsten Abschnitt



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

aus systematischer Sicht ausführlich dargestellt. An dieser Stelle geht es darum, die Position von Weitz zusammenzufassen. Aus seiner Sicht basiert jeder Versuch einer Bestimmung von Kunst auf einem normativen Urteil. Zu der Kunst schlechthin wollte er daher gar keine Aussagen mehr machen, sondern nur mehr über den Begriff der Kunst reden, wie in 3.9. bereits zitiert. Anregung für sein Unterfangen fand Weitz bei Wittgensteins Spielbegriff und seiner Vorstellung von »Familienähnlichkeit«. Wittgenstein versuchte, mithilfe dieses Begriffs zu erklären, warum wir ein und dasselbe Wort zur Bezeichnung verschiedener Dinge verwenden, obwohl es offenbar keine Gemeinsamkeit zwischen den Dingen gibt. Weil sich in Kunstwerken nicht durchgängig Gemeinsamkeiten ausfindig machen lassen, sondern allenfalls Ähnlichkeiten im Sinne der Wittgensteinschen Familienähnlichkeit, sei Kunst ein offener Begriff (open concept). Diese Festlegung war eine Konsequenz aus der Dynamik der Kunst, ihrem »very expansive, adventurous character […]«. Ihre ständigen Veränderungen machen einen endgültigen Begriff aussichtslos. Von geschlossenen Konzepten demgegenüber könne man dann sprechen, wenn notwendige und hinreichende Bedingungen für die Anwendung eines Begriffs vorlägen. Das aber gäbe es nur in der Logik oder der Mathematik. Im Falle der Kunst »makes it logically impossible to ensure any set of defining properties.« Die Überlegungen von Morris Weitz zeigen zugleich aber auch, wie schwierig und vielleicht auch realitätsfern eine strikte antiessentialistische Linie in der Kunstphilosophie ist. Nicht nur eine Aussage wie die eben zitierte, auch Behauptungen, dass ein strenger Begriff von Kunst unmöglich sei, weil sich Kunst stetig verändere, sind letztlich Generalisierungen und stricto sensu essentialistisch. »Auch seine Theorie läuft also auf eine (getarnte) Empfehlung hinaus, den Begriff ›Kunstwerk‹ in einer bestimmten Weise zu verwenden. Der Kunstbegriff soll immer wieder neue Fälle einschließen können.« Die Botschaft eines Widerspruchs bei der Festlegung von spezifischen Eigenschaften, von denen sich ein Kunstbegriff ableiten ließe, wog hier schwerer als die Tatsache, dass sich der Umfang dieses offenen Begriffs nicht genauer angeben ließ. Dazu kommt, dass der Begriff der Familienähnlichkeit schon bei Wittgenstein zu keinen befriedigenden Ergebnissen führt und auch seine Anwendung auf die Kunst nicht wirklich erfolgreich ist, wie in X.2.1. näher dargelegt wird. Weitz griff aus diesem Grund auf die Expertise von Kunstkritikerinnen zurück, die zur Festlegung solcher Bedingungen der Ähnlichkeit herangezogen werden. Die Offenheit des Kunstbegriffs bezieht sich bei Weitz auch auf die Tatsache, dass der Kunstbegriff nur deskriptiv und klassifizierend sein soll und nicht mehr wertend (wie der alte). Wenn wir sagen: »dies ist ein Kunstwerk« sei dies eine bloß deskriptive und nicht eine evaluative Aussage. Weitz veränderte seine Haltung von einer ursprünglichen Nähe zu essentialistischen Konzepten (wie jenes von Monroe C. Beardsley oder Harold Osborne) zu einer anti-essentialistischen Richtung. Aber er bemühte sich immerhin, den Kunstbegriff so weit zu gestalten, dass er für die aktuelle Herausforderung angesichts der zeitgenössischen Kunst vertretbar bleibt. Ein solches kunstphilosophisches Konzept richtete sich gegen die traditionalistische und normative Einschätzung der Kunst.

open concept

3.9.1.

Weitz 1956, 32

Lüdeking 1988, 64

Weitz 1956, 32

214

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Lüdeking 1988, 74

»Was für einen Traditionalisten wie Osborne eine morbide Schreckensvision ist, daß nämlich jeder beliebige Gegenstand zum Kunstwerk werden könnte, ist für Weitz aber umgekehrt gerade der positive Grund dafür, die Anwendungsbedingungen des Kunstbegriffs so elastisch zu konzipieren, daß dies möglich wird.« Das Dilemma wird hier ganz deutlich. Will man die Dynamik der Kunst abbilden, muss man den Begriffsumfang (in diesem Fall unter dem Terminus offener Kunstbegriff) so weit wählen, dass er nichtssagend wird. Die Alternative für viele analytische Philosophen ist dann das Verfolgen eines bestimmten Einzelfalls in nominalistischer Manier. Weitz lässt es sich schließlich nicht nehmen, doch einige Charakteristika zu sammeln, die ein Kunstwerk als solches bezeichnen sollten. Dies muss zwangsläufig scheitern, zumal sich diese Charakteristika meist auf Äußerlichkeiten beziehen. Trotzdem öffnet er damit ein Tor für die zahlreichen Kritiker. Diese wenden ein, dass es unzulässig sei, Regeln für den Gebrauch des Terminus open concept offen zu lassen, dass er die visuellen und äußerlichen Eigenschaften von Kunstwerken überbewerte und dass er die Suche nach inneren strukturellen Merkmalen äußerlich unterschiedlicher Kunstwerke gar nicht erst aufgenommen habe. Zudem sei das Ausweichen auf die Kunstwelt letztlich nichts anderes als ein Scheitern des methodischen Ansatzes.

3.9.6. George Dickie

Institutionen­ theorie der Kunst

X.2.1.ff.

Dickie George in Kivy 2004, 47

Der 1926 in Palmetto in Florida geborene George Dickie entwickelte in seinen Hauptwerken Art and the Aesthetic. An Institutional Analysis (1974) und The Art Circle, A Theory of Art (1984) eine Institutionentheorie der Kunst. Er kam zu seiner Theorie vor allem durch die Auseinandersetzung mit den traditionellen ästhetischen Theorien, vor allem jener der ästhetischen Wahrnehmung von Monroe Beardsley. Dickie ist davon überzeugt, dass sich Kunstwerke weder durch mentale Zustände noch von der Wahrnehmungsseite her erklären lassen. Auch lehnte er das Paradigma der Mimesis ebenso ab wie jenes der Expression, aber auch alle anderen traditionellen Theorien der Kunst, die sich seiner Meinung nach immer nur auf einen Aspekt der Kunst beziehen. Sie seien letztlich essentialistisch und funktionierten nicht. Hintergrund dabei war seine ziemlich waghalsige Platondeutung, nach der Platon versucht hätte, das Wesen der Dinge sprachphilosophisch zu rekonstruieren. Das sei im Falle der Kunst nicht möglich und daher eine Herausforderung für den Platonismus. Die antiessentialistische Ambition der Analytischen Philosophie hat in diesem Punkt zweifellos nicht unrecht, dass eine Bestimmung der Kunst in ihrem Wesen scheitert. Denn das setzt voraus, dass es Kennzeichen gibt, in denen einzelne Kunstwerke übereinkommen. »Since there are works of art, the similarity conception as the whole story is wrong, and there would have to be some non-similarity ur-work or ur-works of art that have priority over ›similarity‹ art.« Auch hier lautet die Bestandsaufnahme, dass solche die traditionellen Theorien sichernden Urteile normativ sind. An ihre Stelle müsse eine klassifikatorische, rein beschreibende Theorie treten. Es geht um die Bestimmung einer Klasse von Kunstwerken, völlig unabhängig vom Gelingen oder Misslingen eines Kunstwerks.



215

Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

Kunstwerke sind für Dickie Artefakte, und zwar materielle und nicht-materielle wie Gedichte, Romane, Musikstücke, Tänze. Letztlich sind Kunstwerke von der Intention getragen, sie einer Öffentlichkeit, der Kunstwelt (artworld), zu präsentieren. Ein Kunstwerk ist ein »artifact of a kind created to be presented to an artworld public.« Die Kunstwelt beschreibt zugleich die Regeln, denen ein Kunstwerk folgen muss. An die Stelle von inhärenten Eigenschaften, die ein Artefakt zu einem Kunstwerk machen, tritt bei Dickie eine kulturelle und soziale Dimension: »Der Bestimmung von Kunst entspricht somit eine Definition, die keine Aussagen über die Eigenschaften von Kunstwerken beinhaltet, sondern kontextuellen, d.h. sozialen Charakter aufweist.« Dickie bemüht das Beispiel eines vom Boden aufgelesenen Astes, der als Gehstock oder als Waffe benützt werden kann. So wie dieser Ast zu dem Artefakt der als-Gehstock-verwendeten-Art werden kann, kann er auch als Kunstwerk fungieren. Das ist eine Argumentation, die sich auch auf das Ready-Made anwenden lässt. Um als Kunstwerk zu fungieren, wird nicht auf inhärente Eigenschaften geschaut, vielmehr verleihen Personen einem Artefakt im Namen der Institution den Status eines Kunstwerks. Die Rede vom »Status verleihen« nahm Dickie nach Einwänden von Kritikern zurück und ersetzte ihn durch »Status erlangen«. Die Institution, von der hier die Rede ist, ist die Kunstwelt (artworld). Sie ist »the totality of all artworld systems.« Dickie erwartet keine spezielle Kompetenz der Personen dieser Kunstwelt. Es reicht, wenn sie in diese Welt involviert sind. Sie müssen auch nicht formell organisiert sein, wie das Beardsley vorsah. Dickie entschärft in The Art Circle sein Sprechen von »im Auftrag von« (acting on behalf of). Es reicht ihm eine Teilnahme am Kunstbetrieb und sei es auch nur als betrachtendes Publikum. Jeder, der sich selbst zur Kunstwelt zählt, gehört auch dazu. Das ist wichtig festzuhalten, weil Dickie häufig an dieser Stelle kritisiert wurde. Er versteht die Art World aber ausdrücklich nicht als »legislative body – with meetings and decisions, and with declarations and proclamations. […] I have always understood the artworld to be a background for the practice of creating and experiencing art […].« Da Kunstwerke nicht durch inhärente Eigenschaften definiert werden können, bleiben auch Beschreibungen von Kunstwerken eher schmal. Dickie unterscheidet nur einfache und komplexe Objekte. Einfache Objekte sind unverändert, komplexe Objekte liegen dann vor, wenn einfache Objekte eine Veränderung durch die Institution (der auch die Künstlerin angehört) erfahren hat. Das Ready-Made ist für Dickie sogar ein doppeltes Artefakt (double artifact), weil es als Designprodukt gegenüber einer reinen Zweckhaftigkeit bereits eine Veränderung erfahren hat und nun durch die Erklärung zum Kunstwerk eine weitere erfährt. Das Ready-Made ist tatsächlich eine Herausforderung für die Institutionentheorie. Denn in diesen Fällen war die Kunstwelt gespalten. Duchamps Einreichung wurde abgelehnt, während der Fotograf Alfred Stieglitz es als Kunstwerk adelte. Kann die Kunstwelt eine solche Einschätzung auch wieder zurückziehen? Wie verhält es sich mit Fälschungen? Diese völlig offene Struktur der Kunstwelt – Danto nahm demgegenüber auch die

Ebd., 59

Roten Bernhard in ÄKPh, 271

Dickie George in Kivy 2004, 58

Beardsley 1976

Dickie 1974, 36 Dickie George in Kivy 2004, 51

2.2.10.

216

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

X.2.8.

Kunstgeschichte und Kunsttheorie für die Transformation eines Gegenstandes zum Kunstwerk mit herein –, war ebenfalls Gegenstand der Kritik. Eine ganze Menge von Fragen systematischer Art tun sich hier auf und ihre eingehende Besprechung wird im nächsten Abschnitt X erfolgen. Aufgrund der Kritik, die ihn traf, dass z.B. auch Feuerwerke oder ein billiger Armreif »candidates for appreciation« seien, ließ Dickie diesen Teil der Definition fallen, sodass er nur noch auf die Institution setzte. Gerade beim Urinoir zeige sich, dass der einzige Unterschied zwischen dem einen und dem anderen der institutionelle Rahmen sei. Der Kunststatus ist damit einzig und allein eine äußerliche institutionelle Angelegenheit. Interessant bleibt jedenfalls, dass hier eine ziemlich praxisnahe, auf jede normative Vorgabe verzichtende Theorie formuliert wurde, welche die Wichtigkeit des sozial-kulturellen Umfeldes der Kunst berücksichtigt.

3.9.7. Monroe C. Beardsley

3.9.8.

X.3.1.

Der an mehreren amerikanischen Universitäten lehrende Monroe C. Beardsley gehörte zu der Mitte des 20. Jh.s in den USA verbreiteten Bewegung des New Criticism. Diese unscharfe Strömung der amerikanischen Literaturtheorie vor allem der Nachkriegszeit bis gegen 1980 setzte sich für die Autonomie des literarischen Kunstwerks ein und verfolgte eine werkimmanente Betrachtung, die in historischen Kontexten und Intentionen von Autorinnen sowie in der Wirkung auf den Rezipienten (Wirkungsästhetik) nur einen Störfaktor sah. Die Sprache ist dieser Anschauung zufolge in ihrer ästhetischen Verwendung nicht funktionalisiert von Alltags- und Wissenschaftszwängen, kann frei mit der Metapher spielen und muss keine begriffliche Schärfe und Eindeutigkeit aufweisen. Es geht dabei um Funktions- und Interesselosigkeit, wie sie als ideales Kennzeichen für Kunst angesehen wurde. Die Bewegung galt als eher konservativ. Dass Beardsley überhaupt in diesem Kapitel genannt wird, mag überraschen, zumal ihn die Sprachphilosophen heftig kritisierten. Nichtsdestoweniger ist seine Position in den sprachanalytischen Schuldiskurs eingeschrieben. Beardsley lieferte in seinem Hauptwerk Aesthetics: Problems in the Philosophy of Criticism (1958) sehr traditionelle, an Harold Osborne erinnernde ästhetische Beschreibungen des Kunstwerks durch Bestimmungen der Einheit durch Vollständigkeit und Kohärenz. Wie Wollheim sah er in den Kunstwerken zwei Gegenstände: den materiellen, raum-zeitlichen und den Wahrnehmungsgegenstand. Nur als Wahrnehmungsgegenstand, der sich von seinem physikalischen Dasein abhebt, könne ein Kunstwerk existieren. Denn nur an einem Wahrnehmungsgegenstand könne man spezifische ästhetische Eigenschaften festmachen. Im besten Fall könnte man diese Verdoppelung von Gegenständen als starke Rezeptionsästhetik akzeptieren, wobei sogar Kriterien für die Bewertung von Kunstwerken gewonnen werden sollten. Für die Identifizierung von ästhetischen Eigenschaften zog Beardsley die Kunstkritik heran, damit durchaus evaluative Aussagen. Einer der wichtigen Gesichtspunkte dabei ist die Ganzheitlichkeit des Kunstwerks angesichts seiner Teile. Ein Kunstwerk muss vollständig und in sich stimmig erscheinen und durch eine Intensität in der Synthese dieser Teile gekennzeichnet sein. Das ist ein von analytischen Philosophen kritisch



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

betrachteter Versuch einer Auflistung von inhärenten Eigenschaften und es ist eine wertende Beschreibung von ästhetischen Eigenschaften des Kunstwerks. Ein wichtiges Kapitel war ihm die ästhetische Erfahrung, bei deren Beschreibung es allerdings zu einigen zirkelhaften Argumenten kommt. Es sind die Kunstwerke, die eine ästhetische Erfahrung ermöglichen. Diese wird aber durch deren ästhetische Eigenschaften ausgelöst. Solche Eigenschaften gehören zu den Beurteilungskriterien, ausdrücklich nicht andere, etwa solche, die auf irgendwelche Kontexte verweisen. Zusammen mit dem amerikanischen Literaturtheoretiker William K. Wimsatt (The intentional fallacy, 1946; The Affective Fallacy, 1949) zählt man Beardsley zu den ­Anti-Intentionalisten und zu den Formalisten, welche die Bedeutung der Intention der Autorin/Künstlerin – neben historischem Kontext und materiellen Eigenschaften – für das Kunstwerk bestreiten. Wer das »unschuldige Auge« der Rezipientin nicht irritieren will, der muss vergessen, »was er über seine physikalischen Bedingungen weiß, oder lernen, von diesem Wissen zu abstrahieren.« Ebenso falsch sei eine ausdrückliche Expressionstheorie in dem Sinn, dass es bei Kunstwerken darum gehe, Emotionen bei der Rezipientin auszulösen. Stein des Anstoßes bei den Kollegen aus der sprachanalytischen Schule ist besonders die weitgehend klassische Deutung von Kunstwerken als Produkte menschlichen Handelns und Objekte der Wahrnehmung. Der Kunstkritik kommt nach Beardsley dabei die Aufgabe zu, jene wahrnehmbaren Eigenschaften zu benennen, die als ästhetische ein Kunstwerk definieren. Ganz anders lesen sich freilich seine Äußerungen zum Kunstwerk selbst. Hierbei kommt nun doch eine kontextgebundene Intention ins Spiel: »An artwork is something produced with the intention of giving it the capacity to satisfy the aesthetic interest.« Beardsley geht dabei so weit, dass er auch einem Fälscher eine ästhetische Intention unterstellt, sodass er nicht nur ein Kunstwerk blind kopiert, sondern mit seiner Kopie ein Kunstwerk erzeugt (ein anderes wohlgemerkt als jenes, dessen Kopie er anfertigt). Denn, so meinte er, es ist schwer zu glauben, dass ein Kopist nur auf eine ununterscheidbare Kopie achtet, ohne jede ästhetische Rührung: »[…] it is far more likely that he will paint with an eye to capturing the peculiar quality of the empty, lonely, ominous space in the Chirico in order to make sure the forgery is good enough as a painting to fool a connoisseur. In that case the forger is producing an artwork.«

ästhetische Erfahrung

X.3.2. Beardsley, zit. nach Lüdeking 1988, 35

Beardsley 1983, 58

Ebd., 61

3.9.8. Weitere kunstphilosophische Positionen der Analytischen Philosophie Der in 3.9. zitierten Bemerkung von Karlheinz Lüdeking über das weitgehende Desinteresse analytischer Philosophinnen an der Kunstphilosophie zum Trotz, gibt es heute in diesen Kreisen eine rege Debatte zu den einschlägigen Themen. Wichtige Positionen dazu wurden in den letzten Kapiteln vorgestellt. In diesem Kapitel werden weitere Positionen zusammengefasst. Auf spezielle Aspekte der systematischen Relevanz der Positionen werde ich im nächsten Abschnitt zurückkommen. Die 1895 in New York geborene Philosophin Susanne K. Langer begann ihren philosophischen Weg mit der logischen Analyse von Bedeutung. Menschliches Ver-

Susanne K. Langer

218

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

3.3.1.

X.1.3.2.3.

Graeser Andreas in ÄKPh, 485 3.9.1. 3.9.5. Bryce Gallie William E. Kennick

X.2.1. Wittgenstein 1953, 59f

Gallie 1948, 313

3.9.5./X.2.1. Harold Osborne

stehen wiederum interpretierte sie als Symbolisierung (Philosophy in a New Key; 1942), nicht unähnlich wie Ernst Cassirer, der neben Wittgenstein und Alfred North Whitehead ein wichtiger Anreger für das Denken Langers war. Aus dieser Motivlage sieht sie in Feeling and Form. A Theory of Art Developed from Philosophy in a New Key (1953) in der Kunst eine Erzeugung von Formen, die Gefühle symbolisieren. Die Form ist für die einem Naturalismus nahe stehende Langer wichtig, es geht nach ihr bei der Kunst nicht um reine Emotion, also Ausdruck, sondern um Bedeutung. Allerdings trug sie selbst zur Einschätzung bei, sie sei eine Anhängerin der Expressionstheorie, weil sie mit dem Ausdruck expressive form spielt, den sie der significant form, mit welchem Ausdruck sie das Kunstwerk meint, gegenüberstellt. Jedenfalls kann die Kunsttheorie Langers, ähnlich wie bei Charles Morris, auch als Zeichentheorie gelesen werden. Die Frage nach einer näheren Bestimmung einer solchen Bedeutung ist es, was Langer umtreibt. Sie unterscheidet Darstellung (representation) und Vorstellung (presentation). Kunstwerke sind für Langer – im Gegensatz zur Sprache – nicht-diskursive, vorstellende Symbole, Kunst also ein nichtdiskursives Symbolsystem. »Kunstwerke beschreiben nach L. also nicht einfach etwas, sie bringen vielmehr etwas zur Anschauung.« Das geht so weit, dass sie die Kunst für nicht in Sprache übersetzbar hält. Bei der Kunst gehe es um Einsichten (insight). In diesem Ringen mit dem nicht mehr Sagbaren könnte man eine Parallele zu Wittgenstein sehen. Zu den älteren sprachanalytischen Ästhetikern gehören neben dem oben ausführlicher behandelten Morris Weitz Walter Bryce Gallie und William E. Kennick. Nicht überraschend stehen sie für eine Skepsis gegenüber allgemeinen Aussagen über Kunst. Ein solcher Essentialismus wäre nur denkbar, wenn sich Eigenschaften angeben ließen, die Alltagsgegenstände eindeutig von Kunstwerken unterscheiden ließen. Das aber ist unmöglich, weshalb der Kunstbegriff ein verschwommener Begriff bleibt – ähnlich wie Wittgenstein es für das Spiel und die Zahl annahm. Es wurde bereits oben berichtet, dass Weitz anfangs an eine solche Möglichkeit noch glaubte, er wurde dann aber zum Kritiker dieser Position. Demgegenüber war es bei Gallie eher umgekehrt. Seine späten Überlegungen lassen die Vermutung begründet erscheinen, dass er doch etwas annahm, worin sich verschiedene Kunstwerke gleichen. Zwar ist richtig, dass man zuerst auf die Eigenart eines Kunstwerks achten solle, aber man darf durchaus vermuten, dass es etwas gibt, worin sich Werke gleichen. Kunstästhetik sei mehr als bloße Kunstkritik! Wie genau man sich das vorzustellen hat, ist weniger klar. Gallie operiert ebenso wie Weitz mit dem Terminus eines open concepts für die Kunst, was jedenfalls bei Weitz mit Wittgensteins Familienähnlichkeit zu konstruieren versucht wurde. In größerer Distanz zu den Üblichkeiten der Analytischen Philosophie stand der bereits im Zusammenhang mit Morris Weitz erwähnte Londoner Philosoph und Altphilologe Harold Osborne. Er beschäftigte sich in mehreren Schriften mit Kunstphilosophie und Ästhetik. In Aesthetics and Art Theory (1968) stand die Bemühung im Vordergrund, die Ästhetik zu einem eigenständigen philosophischen Fach zu machen. Für die wissenschaftliche Grundierung dieses Unternehmens ging es ihm



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Die philosophischen Positionen des 20. Jahrhunderts in i­ hrer kunstphilosophischen Bedeutung

abseits empirischer oder psychologischer Fundierungen um die Identifizierung von Prinzipien, die Kunstwerke als solche kennzeichnen. Mit Berufung auf den Kunstkritiker Clive Bell fand er ein solches Qualitätsmerkmal in der Schönheit (Theory of Beauty; 1952). Schönheit meint hier eine Auszeichnung, die Kunstwerken zukomme und ihnen eine spezifische Qualität vermittle. Das fällt selbstverständlich unter das Verdikt des Essentialismus und nährt jedenfalls den Verdacht einer Tautologie. Denn eine genauere Spezifizierung des Begriffs unternahm Osborne nicht, außer dass er die Ästhetik insofern eng an die Kunstkritik band, als Kritik an Kunstwerken eben an jenen Qualitäten anknüpft, die einen Gegenstand zum Kunstwerk machen. Eine der ebenso altbewährten wie kryptischen Antworten, auf die Osborne kam, war (gegenüber anderen Ordnungen, die er aufzählt) die Bedingung der »organischen Einheitlichkeit« von Kunstwerken der verschiedensten Art. »Der Grad von Schönheit, der sich in einem Kunstwerk manifestiert, ist eine Wirkung des Reichtums, der Komplexität und Subtilität der gestalthaften Organisation sowie der Vollständigkeit oder Dichte der Organisation für die Wahrnehmung.« Mit diesem ausdrücklichen Erbe aus der Antike glaubte Osborne in The Art of Appreciation (1970) sogar, eine Basis für ein objektives ästhetisches Urteil gefunden zu haben. In diesem Punkt verortete er sich in der Tradition Kants. Dass in der Praxis das nicht beobachtet werden kann, liegt nach Osborne an der fehlenden Sensibilität der Wahrnehmung der Rezipientinnen. Schließlich änderte er die Bedingung für Kunstwerke ab, schrieb ihnen die Funktion zu, Artefakte zu sein, die der ästhetischen Wahrnehmung dienen, was wiederum in einen argumentativen Zirkel führt, zumal ästhetische Wahrnehmung für ihn organisch strukturiert ist. Dass sein Konzept spätestens bei der Nachkriegskunst nicht mehr funktionierte, sah er sogar selbst. Aus der Sicht analytischer Philosophen mag so etwas – wenn man unwirsch darauf reagiert – tatsächlich anmuten, als versuche man, »das altersschwache Gebäude der traditionellen Ästhetik mit unnützer hermeneutischer Auslegware zu verkleiden.« Trotz vieler Einwände, vor allem aus dem Lager der Analytischen Philosophie, knüpfte unter anderem Monroe C. Beardsley an Osborne an. Der aus Denver stammende Charles W. Morris kam aus der Schule von George Herbert Mead. Mead vertrat eine wiederum an John Dewey anschließende pragmatische, handlungstheoretische Ästhetik, die er in The Nature of Aesthetic Experience (1925) ausführte. Dies, indem er zweckgebundene Wahrnehmung und Praxis der Wissenschaften zueinander ins Verhältnis setzte. Ästhetik als ästhetische Erfahrung wird zu einem kommunikativen Prozess. Morris, der in die Strömung der Semiotik eingeordnet wird, versuchte eine Synthese von logischem Empirismus, Pragmatismus und der Semiotik Peircescher Prägung. In seinem Buch Esthetics and the Theory of Signs (1939) versuchte er, auf semiotischer Ebene für die Diskurse der Ästhetik, der Wissenschaft und der Technologie eine gemeinsame Grundlage zu finden. Ästhetik ist für ihn ein Bereich der Semiotik, ebenso wie die anderen erwähnten Genres. Morris gebührt das Verdienst, die moderne Zeichentheorie in die Ästhetik eingeführt zu haben, obwohl es ihm weniger um eine ausformulierte ästhetische Theorie ging als vielmehr – wie dies im

X.1.3.2.1.f.

Esser Andrea in ÄKPh, 608

Lüdeking 1988, 23 3.9.7. 3.2.2. Charles W. Morris

220

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

X.3.4.

Frank N. Sibley

Peter Kivy

X.2.8.

Diskurs der Philosophen nicht selten der Fall ist – darum, die Universalität seiner Zeichentheorie eben auch an ästhetischen Fragestellungen zu demonstrieren. Allerdings ist sein Versuch nicht unbedingt überzeugend. Er ging von einer Abstufung von Ähnlichkeit zwischen Bild und Abgebildetem aus, die sich auf einer Skala der Ikonizität eines Zeichens abbildet. Nicht nur kommt man mit einer solchen Analyse mit ungegenständlicher Kunst nicht weit, auch der Zeichencharakter von Bild und Kunstwerk ist hier sehr vereinfacht aufgefasst. Trotzdem erlangte er im 20. Jh. in der semiotischen Kunstanalyse, von Film bis Architektur, eine große Bedeutung. Der britische analytische Kunstphilosoph Frank N. Sibley zog in sprachphilosophischer Üblichkeit aus der fehlenden Definierbarkeit von Kunst die Konsequenz, das Augenmerk auf die Verwendung der Sprache in einem solchen Kontext zu legen. Er sah als einzig mögliches Abgrenzungskriterium von Kunst und Nicht-Kunst den Gebrauch von ästhetischen Begriffen. Das ist ein Beispiel für die in 3.9. erwähnte Ablösung einer Semantik (die beim Kunstbegriff ziemlich aussichtslos erschien) durch die Pragmatik. Während Beschreibungen wie kniende Figur, dunkler Hintergrund, aufgehende Sonne, weißer Kreidefelsen auf Alltagszusammenhänge deuten, die jederzeit auch abseits von Kunstwerkbeschreibungen gebraucht werden könnten, erschließen Termini, die Geschmacks- und Empfindungsvermögen ausdrücken – Beispiele wären: kraftvoll, harmonisch, spannungsreich, tragisch – ästhetische Zusammenhänge. Freilich entgeht auch er nicht einer Zirkelhaftigkeit, denn diese Ausdrücke sind deshalb Ausdrücke des Geschmacks, weil Geschmack genau so definiert ist. Zudem haben auch solche Ausdrücke keineswegs bloß eine ästhetische Funktion. Sibley räumte das insofern ein, als er für ästhetische Eigenschaften nicht-ästhetische voraussetzte, aber nicht umgekehrt. Ihn interessierten daher sowohl Unterschied als Übereinstimmung zwischen diesen Termini. Nicht-ästhetische Eigenschaften seien nach Sibley mit einer normalen Auffassungsgabe zu identifizieren, während ästhetische Eigenschaften eine geschärfte Sensitivität und Wahrnehmung voraussetzen. Dabei kommt Sibley aber auch nicht darum herum, die Voraussetzungen zu definieren, die Menschen haben müssen, damit diese Wahrnehmung auch gelingt. Der sich vor allem musiktheoretischen Fragen widmende Peter Kivy nahm diesen Gedanken auf, veränderte ihn aber, indem er im Geschmack eine Fähigkeit sah, ästhetische Begriffe nach bestimmten Kriterien anzuwenden und nicht einfach als Ergebnis einer besonderen Schulung dieses Geschmacks. Ein Schlüssel dabei war ihm der Begriff der Einheitlichkeit. Um eine solche beispielsweise in einem musikalischen Werk zu konstatieren, reiche der Geschmack nicht, vielmehr sei Einheitlichkeit das Resultat einer intensiven Untersuchung. Damit könne man Kriterien finden, die eine solche Beschreibung bei einem Musikstück (und in Analogie dazu auch in einem Bauwerk bzw. einem Werk der bildenden Kunst) zulässig mache. Rahmenbedingung dafür war für Kivy eine Konvention von einschlägigen Sprecherinnen, also letztlich der Kunstwelt. Um Zuschreibungen von inhärenten Eigenschaften an ein Kunstwerk anzunehmen, spielt die Konventionalität in der Frage des Kunstwerkcharakters, aber auch in der Bestimmung einer numerischen Einheit eine große Rolle. Dazu wird im systematischen Abschnitt ausführlicher zu reden sein.

221

Moderne und Postmoderne

Viele Probleme sind letztlich der Tatsache geschuldet, dass die meisten Philosophinnen keine normativen Aussagen und Urteile zulassen. Das war der Aufhänger, an den Karlheinz Lüdeking anknüpft. Er sieht im Kunstbegriff grundsätzlich einen Wertbegriff mit urteilenden Subjekten und einer evaluativen Basis bei jeder Deskription. Mit dieser Einschätzung ist Lüdeking nicht allein. Es gibt einige Vertreter der Analytischen Philosophie, unter ihnen Peter Strawson, die davon ausgehen, dass Kunstwerke durch eine spezifische Wertschätzung ausgezeichnet sind. Lüdeking vermutet die eigentliche Ursache dafür, dass es für die Verwendung ästhetischer Begriffe keine hinreichenden nicht-ästhetischen Bedingungen gibt, genau in ihrer evaluativen Charakteristik: »Wenn es aber möglich ist, ästhetische Urteile als Begründung dafür anzuführen, daß man etwas als Kunstwerk bezeichnet, dann muß man daraus schließen, daß der Kunstbegriff ein Wertbegriff ist.« Ein Wertbegriff ist der Kunstbegriff schon deshalb, weil er von verschiedenen Sprechern »aufgrund verschiedener Kriterien und mit verschiedenen Extensionen« verwandt wird. Für Lüdeking ist folglich Kunst ein positiv besetzter Urteilsbegriff. Kunst wird ein »Ehrenstatus« zugesprochen. Ein Kunstwerk wird »als ein Gegenstand präsentiert, der es verdient, eine angesehene Rolle in unserer Kultur zu spielen, […] Der Begriff ›Kunstwerk‹ bezeichnet also einen Ehrenstatus.« Diese Bestimmung ist freilich kein Kriterium, um ein Kunstwerk deskriptiv als solches zu identifizieren. Als »Wertbegriff« richtet sich der Kunstbegriff nach einzelnen Subjekten, er ist nicht intersubjektiv und nicht objektiv. Der Kunstbegriff muss nach Lüdeking zwar für alle Sprecher die gleiche Bedeutung haben, aber es mag durchaus umstritten sein, welche Dinge Kunstwerke sind, also unter den Kunstbegriff fallen. Dass das nur eine sehr weite Bedeutung sein kann, liegt auf der Hand, aber sie muss zumindest ausreichen, um darüber streiten zu können, ob ein Gegenstand ein Kunstwerk ist oder nicht.

4.0. Moderne und Postmoderne Wer an der Wende von der zweiten in die dritte Dekade des 21. Jh.s auf die Paarung Moderne-Postmoderne samt dem in den Siebziger- und Achtzigerjahren des 20. Jh.s tobenden heftigen Streit um die vermeintliche Gefährdung der Aufklärung durch die poststrukturalistische Dekonstruktion blickt, dem erscheint diese Konfrontation trotz des geringen historischen Abstands einerseits sonderbar antiquiert und abgehoben, andererseits mag man nostalgische Begeisterung entwickeln angesichts des hohen intellektuellen Niveaus der damaligen Debatte. Geradezu naiv mutet das enorme Vertrauen an, das Karl Otto Apel und Jürgen Habermas in die Vernünftigkeit des Diskurses als »Schauplatz kommunikativer Rationalität« setzten. Diese dem Überschwang der Nachkriegsaufklärung und der sprachphilosophischen Wende entspringende Theorie kommunikativen Handelns wurde bereits von Michel Foucault auf ihre inneren Machtstrukturen decouvriert. In der Zwischenzeit scheint diese Art demokratischer Konsensfindung weite Teile der Bevölkerung nicht mehr zu erreichen. Die mit der Befreiung des Subjekts zu seinem eigenen Vernunftgebrauch

Karlheinz ­Lüdeking

Lüdeking 1988, 157f/199f

Ebd., 201

222

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Bauer 2004, 99

Bergmann 1970

1.2. 1.4.

verbundenen Folgen der Aufklärung: Entwurzelung von nationalen und werthaltigen Identitäten, scheinen angesichts einer anonymen globalen Dynamik schmerzlich spürbar geworden zu sein. Ängste vor Unübersichtlichkeit und dem Verlust von verbindlichen Wertcodices ließen die Nachfrage nach neuen Orientierungspunkten wachsen. Diese bewirtschaften politische Anbieter, statt mit neuen und zukunftsorientierten, mit althergebrachten nationalistischen und identitären Programmen und versprechen davon neues Seelenheil. Es werden damit, genau zum Zeitpunkt des Abtretens der letzten überlebenden Augenzeugen der Shoah, jene ideologischen Ingredienzen wieder salonfähig, die Intellektuelle nach dem Zweiten Weltkrieg für die Kriegsgräuel und die Abgründe von Rassismus und Fremdenhass im 20. Jh. verantwortlich gemacht und bekämpft haben. Dieses ebenso erstaunliche wie besorgniserregende Umfeld, für das bisweilen auch der sogenannten »Postmoderne« eine Mitverantwortung angelastet wird, bildet sozusagen die Aussichtsplattform, von der aus man heute den Blick auf die Konfrontation von Moderne und Postmoderne in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werfen muss. Immerhin haben geschichtliche Betrachtungen immer die Tröstungen des Schon-Dagewesenen im Gepäck, was die Einmaligkeit dieser Aussichtsplattform deutlich relativiert. Das »Leiden an der Moderne« brach in der Geschichte immer wieder auf, zuletzt um die Wende vom 19. ins 20. Jh. Die objektiven Verhältnisse hatten sich schon damals in der Wahrnehmung der Menschen schneller verändert, als »die Menschen dies in ihren subjektiven Einstellungen, ihren mentalen Prägungen, ihren Verhaltensnormen und Wertekanones, kurz: in der Anpassung ihrer ganzen kulturellen Ausstattung, welche die Orientierung in der Welt ermöglicht und regelt, auffangen und nachvollziehen konnten.« Vor allem die laute und vulgäre Stadt als atomisierter Kosmos ohne soziale Bindungen, in der man zwangsläufig an »Neurasthenie« erkrankte, wurde zum Ziel der modernekritischen Angriffe, was vice versa die romantische Verehrung des ländlichen Raums nach sich zog. Damals fand diese Stimmung Ventile in der Jugendbewegung und Zurück-zurNatur-Nostalgie. Im Geiste des im Rahmen dieser Sehnsucht nach der vorindustriellen Zeit entstandenen Wanderliedes Aus grauer Städte Mauern imaginierte man ein Zurück aus vermeintlich autoritärem Zwang zur Ungebundenheit des Körpers und zur Scholle der eigenen Verwurzelung. Was damals – nicht ursächlich, aber zumindest atmosphärisch – folgte, war die unter 2.1.3. beschriebene pathologische Kehrseite der Moderne samt der positiven Sicht auf den Krieg als Reinigung der verdorbenen Atmosphäre. Vor dieser erschreckenden Vision war auch ein Teil der intellektuellen Elite und der künstlerischen Avantgarde nicht gefeit. Dass solches Regredieren letztlich den fruchtbaren Humus für die Saat des Nationalsozialismus abgab, wurde ebenfalls bereits angesprochen. Die zwei Katastrophen des 20. Jh.s haben der philosophischen Arbeit an der Vernunft nach dem Krieg höchste Dringlichkeit eingeräumt. Sie wurde in Kunst und Architektur (Bauhaus, Werkbund) ebenso betrieben wie in der Philosophie mit einem massiven Impuls für das – wie Habermas es in seiner Adorno-Preis-Rede nannte – unvollendete Projekt der Moderne, das immer auch ein Projekt der Aufklärung war. Diese Arbeit war von der Kunst nicht nur lange

223

Moderne und Postmoderne

vorgespurt, sondern die Kunst spielte, namentlich in den Überlegungen Adornos, auch eine tragende Rolle bei dieser Kommunikation von Aufklärung. Im Folgenden soll in groben Strichen die Architektur der modernen Vernunft zu rekonstruieren und das Verhältnis von Moderne und Postmoderne auszuloten versucht werden – nicht zuletzt im Hinblick auf die Rolle der Postmoderne, die in der Diskussion höchst unterschiedliche Einschätzungen erfuhr.

4.1. Die Architektur der modernen Vernunft Die »Moderne der Neuzeit«, die in der Mitte des 19. Jh.s in der Kunst anhob, stand auf den Schultern der Aufklärung des 18. Jh.s. Abseits der bloßen Programmatik eines sapere aude war diese Aufklärung – wie oben gerade angedacht – philosophisch grundiert von der Perspektivierung des Blicks des Subjekts auf seine eigenen Fähigkeiten und seine (konstruktive) Wahrnehmung der Welt, vorgespurt durch die Entdeckung der Perspektive in der Kunst der Renaissance, philosophisch epochal umgesetzt durch die transzendentale Wende bei Kant und thematisiert in künstlerischer Sprache im Impressionismus. Man mag von einem transcendental turn in Kunst, Philosophie und Wissenschaft sprechen. Es dauerte nahezu ein Jahrhundert, bis die Architektur dieser Vernunft aus der Sicht einer aufgeklärten Moderne eine philosophische Beschreibung erfuhr. Dass daneben die Moderne auch tief im fruchtbaren Humus der Romantik wurzelte, wurde samt der damit verbundenen Problematik – namentlich mit Seitenblick auf die Kunst der Avantgarde – bereits dargestellt. Dieses Erbe der Romantik samt der statischen Systemseite der Dialektik speiste eine hartnäckige Perseverationstendenz in den Diskurs der Moderne ein. Die Künstler zelebrierten zwar den aufklärerischen Ausbruch aus den vorgegebenen Ordnungsmustern, aber sie waren nicht zufrieden mit einer bloß destruktiven Seite einer rationalen Dialektik. Es gab die Faszination einer Moderne, die – vollgestellt mit Utopien –mit allerhand phantasievollen Gewächsen bevölkert war. Zwar waren diese Gewächse dafür gedacht, ein gelobtes Land zu besiedeln, in das nur geblickt, aber das nicht betreten werden durfte. Wie schon bei Hegel, wo die Dialektik nur aus den Widersprüchen ihre Kraft erfuhr, spielten diese Utopien auch in den abstrakten Überlegungen der Philosophen als kontrafaktischer Motor in der Dialektik der Aufklärung eine zentrale Rolle. Doch die Versuchung der realen Umsetzung solcher Utopien war vor allem bei den Künstlern groß und brachte mit sich, dass sich die aufklärerische Moderne durch diese Kehrseiten desavouieren lassen musste. Diese Finalisierungen der philosophischen Erzählungen aus dem Geist einer aufklärerischen Moderne beseitigt zu haben, war das unstrittige Verdienst der Postmoderne. Der Terminus Moderne als Substantivierung eines jahrhundertelang benützen adjektivischen Begriffs wird dem deutschen Germanisten Eugen Wolff zugeschrieben, der 1886 einen entsprechenden Essay publizierte. Seitdem wird der Terminus in verschiedenen Kombinationen in Literatur, Kunst und Architektur (nur in der Musik wurde der Begriff zunächst nicht aufgenommen) inflatorisch gebraucht. Entscheidende Begriffsarbeit im Kontext ihrer Arbeit an der Aufklärung wurde vor allem von Theodor Adorno, Max Horkheimer und Jürgen Habermas geleis-

VIII.9.0.ff. VII.7.0.ff.

VI.5.0.ff. VII.6.1./VIII.9.2.2.

2.1.3.

224

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

VIII.5.3.f.

3.8.1. Adorno 1963, 282

Ebd., 263

Habermas 1985b, 55

3.8.1. Klinger Cornelia in ÄGB 4, 134

Adorno 1970, 41

tet. Für sie war wiederum Hegel der philosophische Leitstern. Damit dieser für das Gebäude der Vernunft der Moderne, auf den Fundamenten des transcendental turn errichtet, verwandt werden konnte, musste er inszenatorisch zugerichtet werden. Hegels Philosophie ist erst dann modern, wenn der Gedanke vom utopischen Abschluss der Geschichte im Erscheinen des Weltgeistes dekonstruiert wird. Dies gelang mit den eigenen Werkzeugen Hegels, der destruktiven Kraft seiner Dialektik. Wie Adorno Hegels Philosophie gegen sich selbst stellte und seine Dialektik »benützte«, um »den Begriff Sein« zu »demontieren«, wurde ebenso bereits dargestellt wie die Tatsache, dass dieser ganze moderne Hegel nur der halbe historische Hegel ist. Denn der Prozess ist in Hegels Systemphilosophie Mittel zum Zweck (der Erzeugung des Ganzen) und nicht »die Wahrheit selber«, wozu ihn Adorno machte. Dass Adorno die Dialektik offen entwarf, als negative, bar jeder Versöhnung, zeigt die Unversöhnbarkeit von Moderne und Aufklärung mit jeder Statik und Identität. Identität – und das ist wieder guter Hegel – ist immer in der Schwebe von Identität als Identität und Nicht-Identität. Nun war die Demontage des (statischen) Begriffs des Seins, von der Adorno sprach, eine Formel, in der sich Moderne und Postmoderne durchaus trafen – bis hin zu Derridas differance. Auch beim zweiten Punkt wurde aus einem halben ein ganzer moderner Hegel gemacht: bei der Rolle des autonomen Subjekts. Adorno deckte auf, dass Hegel in der Fortschreibung Kants dessen Transzendentalsubjekt zu einem metaphysischen Fetisch aufblies, dass er also die Individualität dieses Subjekts und Kants Beschränkung der Erkenntnis auf Gegenstände empirischer Erfahrung veruntreute. Wer vom absoluten Geist schwadroniert, setzt sich hinweg über »individuelles Bewußtsein schlechthin als raumzeitliches, woran er gewonnen ward […].« Jürgen Habermas sekundierte dieser Leseart: »Dem auf sich selbst angewendeten Reflexionsvermögen enthüllt sich freilich auch das Negative einer verselbständigten, absolut gesetzten Subjektivität.« Modern ist also das Anrennen des dynamischen Aspekts gegen das Beharrende, des individuellen Subjekts gegen den Systemanspruch einer zum Absoluten stilisierten Subjektivität. Modern ist das Nicht-Identische, das ständige Auflösen von fetischartigen Verkrustungen und Sedimentierungen der Vernunft, wie sie – unter anderem – aus der romantischen Erbschaft virulent blieben. Dass in der Moderne beide Aspekte dialektisch verschränkt bleiben und das eine das andere stets gefährdet, haben Adorno und Horkheimer in ihrer Dialektik der Aufklärung scheinbar zeitlos formuliert. Vor dem Hintergrund solch abstrakter Erörterungen spielte das kulturelle Szenario ganz generell: »Die Moderne, die die Revolution verfehlt, macht sie permanent, sie implementiert die Tradition des Bruchs mit der Tradition und stößt sich in der Folge fortgesetzt von sich selbst ab.« Moderne setzt nicht auf Identität, sie ist transitorisch: »Die Male der Zerrüttung sind das Echtheitssiegel von Moderne; das, wodurch sie die Geschlossenheit des Immergleichen verzweifelt negiert; Explosion ist eine ihrer Invarianten. […] Insofern ist Moderne Mythos, gegen sich selbst gewandt, […].« Genau das aber, ihr Programm des Nicht-Identischen, verleiht der Moderne, die gegen eine mehrtau-

225

Moderne und Postmoderne

sendjährige teleologische Geschichtsphilosophie opponiert, einen so schwer in die Breite zu vermittelnden Gestus. Octavio Paz hat darüber räsoniert: »Als eine Bewegung, die dazu verurteilt ist, sich selbst zu negieren, da das einzige, was sie bejaht, die Bewegung ist, ist der Modernismo ein leerer Mythos, eine unbewohnte Seele, Sehnsucht nach der wahren Präsenz.« Karl Heinz Bohrer formulierte seine Affirmation der Moderne als »Abschied« und »Theorie der Trauer« und versuchte, diesen Abschied ohne das Netz einer ihn ständig auffangenden Geschichtstheorie zu formulieren. Unter anderem setzte er auf Baudelaire, den er gleich jeder teleologischen Deutung (etwa durch Walter Benjamin) entkleidete. Was übrig bleibt, ist ein jeder idealistischen Reflexionsfigur entgleitendes Wort Baudelaires aus L’horloge: »Jetzt: Ich bin das Ehemals.« Bohrer weiß um die Radikalität dieser Zumutung: »Was denn statt dessen? Ein Brevier zum nihilistischen Überwintern? Über die lebenspraktischen Konsequenzen, über nihilistische Literatur aufgeräumt weiter sprechen zu können, wäre ein anderes Thema.« In dieses »andere Thema« wollen auch wir uns nicht vertiefen, aber zumindest in Erinnerung rufen, wozu das alles in die Wege geleitet wurde. Es ist dies aus unserem speziellen, eingangs dieses Kapitels beschriebenen Standort der Rückschau mehr denn je begründungspflichtig. Es ging um die Selbstermächtigung des Subjekts in einer Zeit, die unter der schockierenden Erfahrung von zwei katastrophalen Kriegsereignissen und des Wahnsinns des Holocaust stand. Im Blick nach vorne, wie ihn Horkheimer und Adorno in ihrer Dialektik der Aufklärung tätigten, ging es ebenso zutreffend um die Bedrohung dieser Souveränität durch Rationalisierung und Technisierung – unter dem Stichwort Marcuses von der Eindimensionalität der instrumentellen Vernunft, zeitgemäß adaptiert vielleicht: durch globale Digitalisierung. Von da her leitet dieses Bestehen auf Ermächtigung des Subjekts (als eine Formel, unter der ich oben auch die Romantik interpretiert habe), seine Berechtigung ab. Der Verlust der Selbstmächtigkeit droht nicht nur in der Auflösung des Subjekts im virtuellen Raum, sondern ebenso in der politischen Umsetzung jener antimodernen Identitäten, die Menschen aus Angst vor Unsicherheit und der Relativierung von Wertsystemen einfordern. Wir erleben schmerzlich, wie selbst alte Konstanten rechtsstaatlicher demokratischer Ordnung: Gewaltenteilung, Freiheit von Presse und Rede, Minderheiten- und Oppositionsrechte, Schutz von Kriegsflüchtlingen, mit leichter Hand außer Kraft gesetzt werden. Wir erleben eine neue Staats- (einschließlich seiner Überwachungskompetenz) und bedarfsweise sogar Religionsmächtigkeit, was mit Blick auf die Erfahrungen in der europäischen Geschichte nicht anders denn als düstere Vision interpretiert werden muss. Diese neue Staatsmächtigkeit richtet ihr Verdikt konsequent auch gegen die Kunst. Denn Kunst war – das haben Adorno und Habermas gleichermaßen richtig erkannt – immer das produktiv Andere gegenüber einer sich sedimentierenden rationalen Vernunftkonstruktion. Jede philosophische Beschäftigung mit der Kunst ist daher gut beraten, das Widerständige der Kunst nicht in den philosophischen Begriff aufzuheben. Kunst mit den widerständigen Ingredienzen des Materiellen, Individuellen, Leiblichen, könnte das Einzige sein, was der Vernunft in einem globalisierten ver-

Paz 1984b, 159

Baudelaire, zit. nach Bohrer 1996, 139 Bohrer 1996, 605

VIII.7.4.1.

X.1.1.

226

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Habermas 1985b, 219

Menasse 1995

Hörisch 2004a, 299

netzten Cyberspace noch ihren ständigen Widerspruch ermöglicht, sie gar Wunden schlagen lässt. Denn das bleibt nach Habermas das Merkmal der Aufklärung: »Das gegen sich gekehrte identifizierende Denken wird zum fortgesetzten Selbstdementi genötigt. Es läßt die Wunden sehen, die es sich und den Gegenständen schlägt.« Robert Menasse fasste dazu vor längerer Zeit den originellen Gedanken, aus »sinnlicher Gewißheit« Hegels Dialektik wie in einem rückwärts laufenden Film in einer Phänomenologie der Entgeisterung vom Absoluten zur Sinnlichkeit zurück zu buchstabieren. Damit ist ein Gedanke formuliert, der mancher Deutung der Postmoderne entspricht. Die Postmoderne ist nicht angetreten, um die Moderne zu zerstören, sondern um ihre Pathologien offenbar zu machen. Denn für die Philosophen dieser Postmoderne stimmt die Bemerkung: »Etwas Besseres als die Moderne haben wir nicht. Ihre Pathologien sind mit bestürzender Regelmäßigkeit von militant antimodernen Bewegungen zu verantworten.«

4.2. Die Wege in die Postmoderne

Engelmann 1990, 10 Habermas 1985a 4.6.f.

Martini Fritz in RLW II, 414

Welsch 1987, 45

Die Einschätzung der Postmoderne hat eine große Spannweite. Sie reicht vom Lob eines in der Postmoderne angestrebten Vorstoßes zu einer angemesseneren »Form, Gesellschaftlichkeit unter Wahrung des Grundwertes der europäischen Zivilisation, der Freiheit des Individuums, zu denken und zu gestalten« und einer Pluralisierung als sowohl politischer wie ethischer Wert, bis zur Denunziation als »neue Unübersichtlichkeit« und als Verrat am Ideal der rationalen Vernunft. Diese so unterschiedliche Bewertung der Postmoderne ist auch eine Folge der unklaren Nomenklatur. Der Begriff, der eine ältere Karriere hat, wird umstandslos auf das Denken von Strukturalisten, Poststrukturalisten und von Verkündern der Posthistoire angewandt. Das ist jedoch ein sehr grobschlächtiges Schema, denn namentlich der Strukturalismus begann bereits an der Wende ins 20. Jh., also weit vor dem üblichen verbreiteten Gebrauch des Terminus Postmoderne. Richtig ist allerdings, dass die Intentionen sowohl des Strukturalismus als auch des Poststrukturalismus, ihre Kritik an Subjektivitätsphilosophie, Metaphysik, Identität und Universalismus, denen der Postmoderne ähneln, sodass man retrospektiv alles unter dem Stichwort Postmoderne abheftet und den Begriff damit zusätzlich verunklart. In den folgenden Kapiteln wird zuerst der Strukturalismus, dann der Poststrukturalismus und schließlich die Postmoderne in ihrer engeren Bedeutung dargestellt. Vorher sei aber noch das Verhältnis von Moderne und Postmoderne im weiten und umfassenden Sinn traktiert. Es ist ja so, dass nicht nur der Postmoderne-, sondern auch der Modernebegriff nie eine allgemein akzeptierte Spezifik erhielt und bloß »zur allgemeinen, farblosen histor. Allerweltsbezeichnung« taugt. Daher legen manche Philosophen nahe, ihn in wissenschaftlichen Kontexten zu vermeiden. Doch das scheint ein allzu bequemer Weg zu sein und man begibt sich dabei einer Fülle spannender kulturgeschichtlicher Motive und Einsichten. Anders als in philosophischen Kontexten findet der Begriff in Soziologie, Literatur, Kunst und Architektur heute ein vielfältiges Echo – ausgelöst nicht zuletzt durch das Reüssieren des Postmodernediskurses: »Wer von Postmoderne redet, redet auch von Moderne.«

227

Moderne und Postmoderne

Die sogenannte Postmoderne rührt insofern besonders empfindlich an das Selbstverständnis der Modere, als diese sich durch die Verabschiedung der Tradition stabilisiert. Die Moderne verstand sich stets als Höhe- und Endpunkt einer Entwicklung. »Mit anderen Worten, die moderne Idee des Fortschritts macht aus der Gegenwart den zwar nicht definitiven, aber ultimativen Höhepunkt der Geschichte, auf den immer ein neuer, anderer, aber dennoch kein grundlegend andersartiger Zustand folgen können soll.« Die Postmoderne stellte dieses Selbstverständnis zunächst in Frage und setzte mit bisweilen unverhohlener Sympathie zum Historismus die Geschichte wieder in Kraft. Daneben entdeckte sie ihre philosophischen Reibebäume bei der Verabsolutierung des (cartesianischen) Subjekts und dem rationalen Letztbegründungsuniversalismus, der als instrumentelle Vernunft und eindimensionale Sedimentierung aufgefasst wurde. Als Antidot dagegen dienten Pluralisierung und Differenz im Sinne der Nicht-Identität, wie im vergangenen Kapitel dargestellt. Das freilich sind Formeln der Moderne, wie Wolfgang Welsch mit Rückgriff auf Adorno unüberhörbar einforderte, wenn er meinte: »Die Postmoderne beginnt dort, wo das Ganze aufhört.« Allerdings darf diese Pluralität nach Welsch nicht auseinanderfallen, sondern die verschiedenen Sprachen müssen »miteinander kommunizieren«, aber ohne eine dominierende Metasprache. Nach diesem Befund wäre die Postmoderne nichts weiter als eine Fortsetzung des Projekts der Moderne. Daher wurde oben auch pointiert von »Post-Neuzeit« gesprochen. Gegen beide Aspekte, welche die neuzeitliche Wissenschaftsambition stützten, den Universalismus jeder wissenschaftlichen Begründung und das Subjekt als Instrument, »um über die phänomenale Vielheit der Menschen hinwegzukommen und sicherzustellen, daß die Wahrheit für alle Menschen gleichermaßen verbindlich ist«, ging nicht nur die Postmoderne vor, sondern auch andere Philosophen, welche auf diese Weise der Postmoderne das Feld bereiteten. Dazu gehörten die pointierten Positionen von Friedrich Nietzsche und Martin Heidegger. Interessanter ist freilich jene Kritik, die bereits innerhalb der einschlägigen, auf dem linguistic turn basierenden scientific community formuliert wurde. Einige Beispiele dazu seien hier aufgeführt. Der französische Philosoph und Wissenschaftshistoriker Gaston Bachelard bestritt in seinem Hauptwerk La formation de l’esprit scientifique (1938) die kontinuierliche und rationale Entwicklung der vermeintlich »exakten Wissenschaften«. Vielmehr verlaufe deren Geschichte krisenhaft und mit ständigen Umwälzungen des Bestehenden. In seiner La philosophie du non (1940) optierte er für ein dynamisches Denken, das nicht nach Gewissheit und Einheit strebt, sondern die Betrachtung des jeweils Anderen sucht. Als Elixier des wissenschaftlichen Fortschritts fungiert der Irrtum. Anstelle der Ambition nach der einen Wahrheit in der Wissenschaft habe ein methodischer Pluralismus zu treten. Bachelard verstand das als massiven AntiCartesianismus. Nach einem solchen Verständnis gibt es eine Ähnlichkeit zwischen Wissenschaft und der künstlerischen Imagination. Aber beide Genres entfalten ihre Wirkung doch auf verschiedene Weise. Manchmal tauchen dabei Widersprüche auf, etwa wenn eine ästhetische Beschreibung von Naturerscheinungen alten und überholten

Klinger Cornelia in ÄGB 4, 147

Welsch 1987, 39 Ebd., 119

VII.2.f.

Engelmann 1990, 14

Gaston Bachelard

228

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Thomas S. Kuhn

Paul Feyerabend

Feyerabend 1984, 69

naturwissenschaftlichen Konzepten ähnelt. Solche Vorstellungen bauen Brücken zu den Urerfahrungen der Menschen mit der Natur und werden zu Impulsen für den Fortschritt der Wissenschaften. Bachelards Einfluss war stark. Sein Denken beeindruckte unter anderem auch Louis Althusser, einen seiner Schüler, sowie Michel Foucault und Roland Barthes. Ganz im Geist Bachelards dachte der 1922 in Ohio geborene Wissenschaftstheo­ retiker Thomas S. Kuhn, der mit seinem Standardwerk The Structure of Scientific Revolutions (1962) für Furore sorgte. Auch er attackierte die alte Vorstellung von einer kontinuierlich-kumulativen Entwicklung der Wissenschaften. Wissenschaftlicher Fortschritt geschieht demgegenüber in Form von Revolutionen und von Paradigmenwechseln. Paradigmen sind Komplexe von in der Fachwelt anerkannten theoretischen Annahmen, Methoden und Problemlösungen. Paradigmen brauchen einen Konsens in der scientific community und dieser wird lange Zeit erbittert verteidigt, denn die aus der Sicht Kuhns überholte Vorgehensweise der Wissenschaften (»normale Wissenschaft«) geschieht stets innerhalb eines oder mehrerer konkurrierender Paradigmen. Treten Anomalien auf, welche das Paradigma erschüttern, wird es durch Zusatzhypothesen »gerettet«. Kuhns Behauptung, dass ein solch anerkanntes Paradigma deshalb weitgehend immun gegenüber Falsifikationen von Theorien sei, war eine Kritik an Karl Popper und dessen Falsifikationstheorie. Echter wissenschaftlicher Fortschritt führe jedoch zu einem neuen Paradigma, wie dies nach Kuhn bei der Kopernikanischen Wende oder der Relativitätstheorie passiert sei. Solche Paradigmenwechsel haben demnach weniger mit begründungsorientiertem wissenschaftlichem Diskurs als vielmehr mit Generationenkonflikt und Glaubenskampf zu tun. Auch wenn namentlich Kuhns Paradigmenbegriff kritisiert und ihm – wenig überraschend – Relativismus vorgeworfen wurde, blieb er eine starke Stimme in der Dynamisierung und Relativierung wissenschaftlicher Methodik. Die schärfsten Pfeile schoss der 1924 in Wien geborene Paul Feyerabend gegen den saturierten Wissenschaftsbetrieb ab. Man bezeichnete ihn, seine eigene lustvolle Zuschreibung aufgreifend, als wissenschaftstheoretischen Anarchisten. In seinem Bestseller Against Method. Outline of an anarchistic Theory of Knowledge (1975) bestritt er jede Möglichkeit einer universellen überhistorischen wissenschaftlichen Methode und plädierte für einen offenen Methodenpluralismus. Theorien sind nicht wahr oder falsch, sondern wie Stilformen in der Kunst einfach plural – und sie haben wenig mit Vernunft zu tun: »Erfolge treten ein, nicht weil man sich an die Vernunft gehalten hat, […] sondern weil man vernünftig genug war, unvernünftig vorzugehen.« Feyerabend brachte seine Ansicht mit einem alten sophistischen Slogan auf den Punkt, der mit ihm assoziiert bleibt: anything goes. Er verstand seine Ansichten durchaus universell, sowohl politisch im Sinne der Freiheit von Bürgern als auch als Anwendung für Kunst. Philosophen aus dem Kreis des Neo-Pragmatismus wie Richard Rorty oder Hilary Putnam, die den Abschied von Vorstellungen von Wahrheit und Objektivität empfahlen, wären ebenfalls an dieser Stelle zu nennen. Ihre Kritik an dem Optimismus der Sprachphilosophen, durch Konstruktion einer Idealsprache oder durch

229

Moderne und Postmoderne

das Verstehen der Alltagssprache relevante philosophische Probleme lösen zu wollen, wirkt zersetzend auf die Ambition, mit philosophischen oder wissenschaftlichen Theorien die Wirklichkeit abbilden zu können. Eine andere Variante der Kritik trägt ein medienphilosophisches Vorzeichen. Norbert Bolz sah in der Letztbegründungsphilosophie ein Geschäft der alten »Gutenberggalaxis« als ein Echo der stabilen kausalitätsbasierten, cartesianischen und hierarchischen Medien und ein Geschäft, das immer noch das Ideal einer erreichbaren Wahrheit verfolgt. Doch in Wirklichkeit sei alles Denken mediale Konstruktion. Es gibt keine Instanz, die über die Wahrheit von Konstruktionen entscheiden kann. Mit Hartmann Frank – typisch postmodern – ausgedrückt: »It’s all Jazz.« Auch wenn sich die meisten der erwähnten Autoren nicht mit postmodernen, gar neostrukturalistischen Positionen anfreunden konnten, war die hier veranstaltete Relativierung von Wahrheitsansprüchen und die Dynamisierung der Theorien eine Vorlage für das Anliegen der Postmoderne. Dass die kritische Sicht auf den Universalismus der Moderne durch die Bewegung der Achtundsechziger und den Ökologiediskurs der Zeit zusätzliche Aspekte erhielt, wird nochmals Thema sein. Dazu kommt, dass diese kritische Anti- oder Post-Neuzeit noch vor der Philosophie in der Kunst artikuliert wurde. Nicht nur begann die »Moderne der Neuzeit« in der Kunst. Es gab auch wegweisende Interventionen der Kunst im Sinne des eben Gesagten, etwa im Ready-Made, das eine letzte einheitliche Sinngestalt der Kunst destruierte und als Vorwegnahme der Destruktion der einheitlichen Vernunft angesehen werden kann. Dass die Moderne in der Kunst mit einiger Ambivalenz zu sehen ist und sie nicht frei von Pathologien war, ist dabei das Problem und wurde bereits ausführlicher dargestellt. Ist die Postmoderne dann die Avantgarde der Moderne? Und was bedeutet Avantgarde in diesem Zusammenhang?

Norbert Bolz

Hartmann 2000, 329 Margreiter 2007, 81

5.1.1.

2.1.3.

4.3. Die Avantgarde zwischen Moderne und Postmoderne Der aus der Militärsprache stammende Begriff der Avantgarde (Vorhut) fand über die Sozialutopien der französischen Frühsozialisten (Charles Fourier, Claude Henri Saint-Simon) Eingang in die Kunst. Vor dem Ersten Weltkrieg war schon wegen der zahlreichen Positionsbezüge französischer Künstler und Literaten die Avantgarde in Paris zuhause. Zahlreiche zeitgenössische Zeitschriftentitel spiegeln diesen Befund. Gemeinhin wird als wichtigste Charakteristik der Avantgarde die Verbindung von Kunst und Politik sowie dem Fortschritt der Wissenschaften genannt. In der Tat lebte die Avantgarde, wie bereits in 2.1.1. kurz angerissen, ihren utopischen Traum, was sie schließlich in die Kritik brachte. »Es scheint, daß der Avantgardebegriff in seinem utopischen Kern auf Dauer diskreditiert ist.« Avantgarde stand gegen den Zeitgeist, gegen Ästhetizismus und künstlerische Bohéme (zwar auch ein Frontbegriff der Moderne, aber an Politik nicht interessiert) und für den Bruch mit dem Hergebrachten. Es sei – so Clement Greenberg 1939 – kein Zufall, dass »die Geburt der Avantgarde chronologisch – und auch geographisch – mit der ersten, kühnen Entwicklung des wissenschaftlichen revolutionären Den-

Barck Karlheinz in ÄGB 1, 546

230

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Greenberg 1939, 31

Barck Karlheinz in ÄGB 1, 560

Brüderlin 1996, 295

5.2.1. X.2.5. Greenberg 1939, 35

Bürger 1974, 29

kens in Europa zusammenfiel.« Das hinderte viele Intellektuelle freilich nicht, eigene Entwürfe von Avantgarde zu entwickeln, ob Apollinaires esthétique nouvelle, die er in Impressionismus und Kubismus sah, ob die ausdrückliche Verbindung von Kunst und Technik durch den italienischen Maler Gino Severini oder das Eintreten für den Salon des Indépendants als Gegenentwurf gegen die Gesetze des Kunstmarktes. Abseits von individuellen Vorschlägen stand der Avantgardegedanke schlicht für stetige Erneuerung: »Avantgarde meint keine Stilepoche (wie tendenziell noch im Verständnis der Vorkriegsavantgarden), sondern konnotiert militant ein Prinzip der Aktualisierung und der Selbstaufhebung in Permanenz.« Das ist freilich eine Beschreibung, die in wörtlichem Sinn generell auf die Moderne angewandt werden kann. Das beinhaltet auch, dass die Kunst stets radikale Selbstreflexion betrieb. In der zeitgenössischen Kunst findet man diese Ambition zugespitzt bei der appropriation art. »Die Appropriation Art der achtziger Jahre ist also engstens mit dem kritischen Diskurs über das Projekt der Moderne und mit der Infragestellung des Innovationsgedankens der Avantgarde verknüpft.« Wie sehr der utopische Gehalt und die politische Ambition der Avantgarde die Moderne tangierten, war bereits in 2.1.3. Thema. Dabei richtete sich die Speerspitze der Avantgarde politisch in beide Richtungen. Der der Kommunistischen Partei Italiens angehörende, in Venedig geborene Luigi Nono kämpfte mit seiner »politischen Musik« gegen den Faschismus und für eine ideale Gesellschaftsordnung. Auf der anderen Seite okkupierte der Faschismus Avantgardeströmungen. Um den sich daraus ergebenden politischen Eskapaden auszuweichen, flüchtete man sich in Unterscheidungen von politischer und künstlerischer Avantgarde oder von Vor- und Nachkriegsavantgarde. Zudem siedelte man die Avantgarde in harmloseren und ästhetisch eingehegten Gefilden an. Für Harold Rosenberg bot bereits das amerikanische Action-Painting im Malakt eine Verbindung von Kunst und Leben. Einen ähnlichen Weg ging engagiert der eben erwähnte Clement Greenberg, der 1939 in Avantgarde und Kitsch die Avantgarde, abgelöst von revolutionär-utopischen Ansprüchen der Politik, mit ihrer Tendenz zur Abstraktion in Malerei, Literatur, Musik als Gegenbewegung zur bürgerlichen Kultur adelte. Dabei hatte er, was die Malerei betraf, den Abstrakten Expressionismus im Auge. Avantgarde wurde in Greenbergs Händen zu einem Plädoyer für die Selbstreferentialität der Kunst. »Picasso, Braque, Mondrian, Miró, Kandinsky, Brancusi, auch Klee, Matisse und Cézanne beziehen ihre hauptsächliche Inspiration aus dem Medium, in dem sie arbeiten.« Dagegen bezog Peter Bürger in seiner Theorie der Avantgarde (1974), die mehr als ein Dutzend Auflagen erlebte, deutlich Stellung und exponierte einen genau gegensätzlichen Avantgardebegriff. Autonomie der Kunst war für ihn nichts weiter als ein Ausdruck der Abgehobenheit der bürgerlichen Gesellschaft von der konkreten Lebenspraxis. »Die Avantgarde wendet sich gegen beides – gegen den Distributionsapparat, dem das Kunstwerk unterworfen ist, und gegen den mit dem Begriff der Autonomie beschriebenen Status der Kunst in der bürgerlichen Gesellschaft.« Bürger, deutlich radikaler als Greenberg, sprach lieber von avantgardistischen Manifestationen als von avantgardistischen Werken, weil in Avantgardeströmungen wie

231

Moderne und Postmoderne

Dadaismus, Surrealismus oder den Ready-Mades der Werkcharakter aufgelöst wurde. Diese zwei sich widersprechenden Positionen zeigen, wie unscharf der Avantgardebegriff ist. Will man jedoch mit ihm arbeiten, muss man sich doch auf das Charakteristikum des Politischen einlassen. Denn dass Zweckfreiheit, Ökonomisierung, Event-Kultur und das postmodern verkündete Ende der großen Systemerzählungen das Avantgarde-Konzept nach dem Zweiten Weltkrieg unter Druck brachten, wird kaum verwundern. Es löste geradezu einen Abgesang auf die einstige Speerspitze der Moderne aus, wie ihn exemplarisch Fausto Curi, Mitglied der gruppo 63, formulierte: »Neo-capitalist society has accepted the Avantgarde poet. The Avantgarde poet has accepted neo-capitalist society.« Neuere Reanimationsversuche schlagen den Salto rückwärts und wollen Kunst nach ihrem vermeintlichen Rückzug auf die Selbstreferentialität als Neoavantgarde wieder zurück ins Leben holen. Peter Bürger hielt auch hier aufgeregt dagegen und klassifizierte die Neoavantgarde in allen ihren möglichen Strömungen als eine ästhetische Veranstaltung, die keine gesellschaftsverändernden Ambitionen mehr verfolge. »Die Neoavantgarde institutionalisiert die Avantgarde als Kunst und negiert damit die genuin avantgardistischen Intentionen.« Das gelte auch für den Begriff der Transavantgarde, die – dem entgegen – das »Ende der Avantgarde und ihrer sozialutopischen Ansprüche im Namen affirmativer Kunstideologien« proklamiere. Bürger ließ seinem Buch über die Avantgarde 2014 ein weiteres folgen (Nach der Avantgarde), in dem er auf die Kritik an seinen Ansichten einging und sich nochmals aktualisiert mit der Frage auseinandersetzte. Einer der Hauptkritiker Bürgers war der amerikanische Kunsthistoriker, Archäologe und Kunstkritiker Hal Foster. Foster versuchte, mit Berufung auf die Nouveaux Réalistes, mit dem Schweizer Maler und Bildhauer Jean Tinguely, dem in Rumänien geborenen Schweizer Installationskünstler Daniel Spoerri und dem französisch-amerikanischen Künstler Arman sowie mit Strömungen wie der Minimal Art, eine Neoavantgarde zu retten. Demgegenüber hielt Bürger an seiner Polemik gegen ein Aufwärmen der Avantgarde fest. Die Manifeste des Kunstkritikers Pierre Restany zu den Nouveaux Réalistes richteten sich nach Bürger zwar gegen den Kunstbetrieb, aber nicht gegen die ihn bedingende gesellschaftliche Situation. Es bleibt also die Frage, ob die künstlerischen Strömungen nach dem Zweiten Weltkrieg, die zwar mit maximaler Provokation gegen die Tradition der Kunst vorgingen, aber kaum einen weitergehenden gesellschaftspolitischen Anspruch hatten, mit dem Begriff der Avantgarde geadelt werden dürfen. Man könnte dem politisch engagierten und einer materialistischen Theorie zuneigenden Peter Bürger allenfalls entgegenhalten, dass dies nicht unbedingt ein Nachteil für die Kunst sein muss. Denn ob die Formulierung utopischer Gesellschaftsentwürfe bei Künstlern in guten Händen liegt, daran darf man – gerade aus der Erfahrung mit den Strömungen am Beginn des 20. Jh.s – durchaus auch seine Zweifel haben. Diese und andere Gründe sind es, aus denen sich heute Künstler vom alten Selbstverständnis der Avantgarde abwenden. Der polnische Aktionskünstler Artur Zmijewski betont in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung, dass er – mit

2.2.10.

Curi, zit. nach Barck Karlheinz in ÄGB 1, 572

Bürger 1974, 80 Barck Karlheinz in ÄGB 1, 573

232

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Zmijewski 2018

Blick auf die heutige, sich massiv nach rechts verlagernde Dimension der Politik – nichts sosehr fürchte wie die Vereinnahmung der Kunst durch die Politik: »Subversive Strategien der Künste werden heute von Populisten missbraucht: Tabubrüche, Skandale, aber auch subtilere Methoden. […] Dass die Politik, gerade die gewaltsame, wieder in alle Bereiche des Lebens vordringen kann, ist nicht zuletzt eine Folge der Ansicht, dass alles politisch ist. Wenn das Private politisch ist, kommt das einer Einladung an Politiker gleich, in unser Privatleben einzudringen. Und das ist das Wesen des Totalitären.«

4.4. Der Strukturalismus – Ferdinand de Saussure 629 Ferdinand de Saussure (1909)

Ferdinand de Saussure, Schweizer Indogermanist und Sanskritforscher, legte in seinem 1916 posthum erschienenen, aus Notizen und Mitschriften kompiliertem Hauptwerk Cours de linguistique général (Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft) das Gründungsbuch des Strukturalismus vor. Der Strukturalismus entsprang, genau genommen, der Sprachphilosophie, auch wenn die Sprachphilosophen mit dem Strukturalismus wenig zu tun haben wollen. Das lag daran, dass Saussure nur an der inneren Struktur der Sprache interessiert war und nicht an deren Referenz, also am Bezug der Sprache zur Wirklichkeit. Untersuchungsgegenstand für Saussure war die Sprache einmal als vom Einzelnen unabhängiges Zeichensystem (langue) und zum anderen als von Individuen gesprochene (parole). Seine Idee war, die Sprache von den Beziehungen zwischen den einzelnen Phonemen her zu definieren und nicht aus den Beziehungen zwischen der Sprache und der von ihr vermeintlich bezeichneten Wirklichkeit. Ein Phonem, also eine Lautform, lässt sich nicht aufgrund ihrer speziellen akustischen Form definieren, sondern einzig durch den Unterschied zu einem anderen Phonem. Saussure ging davon aus, dass diese Verbindung von Laut und Vorstellung auf einer Konvention beruht. Er nannte sie System. Bekannt geworden ist sie dann unter dem Ausdruck Struktur. Eine Struktur ist demnach ein Ordnungsprinzip einer Sprache, nach dem jedem Bezeichnenden ein Bezeichnetes zugeordnet wird. Innerhalb dieser Struktur sind Unterscheidung und Rekombination möglich, weil sich der Wert eines Zeichens nicht von einer Relation auf eine außersprachliche Wirklichkeit ableitet, sondern aus der Stellung im Sprachsystem. Sprachliche Zeichen sind nach Saussure arbiträr (willkürlich im Sinne von nicht-notwendig). Das heißt, Zeichen für sich genommen bedeuten nichts. Sie verweisen nur auf einen Unterschied der Bedeutung zu einem anderen Zeichen. Woher kommen die sprachlichen Zeichen dann? Und wer organisiert die Zuordnung von Bezeichnendem (signifiant) zum Bezeichnetem (signifié) im Zeichen (signe)? Dazu gab es viele Vorschläge, die von angeborener Determiniertheit (in anderer Leseart: einer wesensmäßig-metaphysischen), also von einer biologistischen Lösung, bis zu einer menschlichen (konventionellen) Setzung reichen. Saussure blendete also die Beziehung zwischen Zeichen und dem Referenten außerhalb der Zeichen aus. Es ging ihm schlicht um die Beziehungen innerhalb der Zeichen. Sprache bezieht sich nicht auf reale Objekte, sondern auf vom Menschen erzeugte Vorstellungen. Es geht

233

Moderne und Postmoderne

einzig um die Beziehung zwischen Bezeichnendem (Signifikant) und Bezeichnetes (Signifikat), zwischen einem Laut und der Vorstellung. Wenn wir den Laut Baum (Signifikant) hören, haben wir eine Vorstellung (Signifikat) eines Baums. Ein möglicher darüber hinausgehender Bezug zu einer Entität, also einer sprachunabhängigen Sache (Referent), ist aus dieser Sicht auf der Ebene einer Sprache nicht einzuholen. Ein Sprachzeichen vereinigt nach Saussure »nicht einen Namen und eine Sache, sondern eine Vorstellung und ein Lautbild.« Die Sprache ist Form und nicht Substanz und sie ist nicht durch Mimesis organisiert, sondern durch Beziehungen. Oder anders: »Sprache beklebt nicht vorgefundene Gegenstände mit neutralen Etiketten, sondern liefert Bilder, wie sich der Mensch die Gegenstände vorstellt.« Sprache ist demnach kein neutrales Medium, sondern schafft uns einen Zugang zur Wirklichkeit, indem sie »Bildnisse, die sich eine Sprechergemeinschaft von der Wirklichkeit macht«, verwaltet. Die Leistung Saussures war es nun, darauf aufmerksam zu machen, dass der Mensch mit seiner Sprache ein Bild der Welt entwirft, die Welt deutet, aber sie als Welt selbst nicht trifft. Er führte uns die Falle des Mediums Sprache vor, die eben kein neutraler Mittler ist, sondern selbst bereits ein Weltentwurf. Und es bedarf einer bedeutenden Sinnsetzung durch das sprechende Subjekt, um diesen Weltentwurf sozusagen lebendig zu machen. »Sprache versorgt uns mit Deutungsbausteinen, deutet aber nicht selbst.« Auch in dieser verschärften und auf die sprachliche Ebene reduzierten Theorie ist die moderne kantische Gnoseologie mit konstruktivistischer Schlagseite als Hintergrund unübersehbar. Eine von Strukturalisten verschieden beantwortete Frage war, ob eine solche sprachliche Struktur universell zu verstehen ist und für alle Sprachsysteme gilt oder ob verschiedene Sprachkulturen auch verschiedene Ordnungsprinzipien haben. In diesem Fall wäre eine Verständigung mit anderen Kulturen schwierig. Von Seiten der Literaturtheorie wird immer wieder eingewandt, dass die Konzentration auf eine rein sprachliche Ebene unter Verzicht auf einen außersprachlichen Kontext kaum praktikabel ist. Der »Gegensatz zwischen ›schön‹ und ›hässlich‹ wird so nur schwer zugänglich.« Der Strukturalismus, wie er hier angedacht wurde, zeitigte zumindest zwei folgenschwere Konsequenzen, die von der Moderne in die Postmoderne weisen: Neben der erwähnten fehlenden Repräsentation einer außersprachlichen Wirklichkeit entfällt das Subjekt der Sinnstiftung. Könnte man beim ersten Punkt noch Analogien zu einer idealistischen Konzeption herstellen, weist der zweite Aspekt in die Richtung einer Überwindung eines jeden metaphysischen Rests, wozu auch die abendländische tradierte Subjektzentriertheit zählt. Dem Subjekt kommt im Prozess von Sprache und Erkenntnis keine sinnstiftende Rolle zu. Es bleibt ein untergeordneter Akteur im Spiel von Konventionen. Inwieweit man die Ablösung eines sinnstiftenden Subjekts durch eine anonyme Struktur bereits postmodern nennen soll, ist umstritten. Jedenfalls bildete es das Motiv für die Abkehr vom Strukturalismus durch den Poststrukturalismus. Aus der anonymen Struktur folgt konsequent eine Autonomisierung des Zeichens. Das wiederum erschließt eine (semiotische) Kulturthe-

Saussure 1916, 77 Sexl Martin in Sexl 2004, 174

Hansen 2011, 61

Ebd., 69

Sexl Martin in Sexl 2004, 177

4.5.

234

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ebd., 163

orie, die sich ohne Rücksicht auf eine außersprachliche Realität wissenschaftlich beschreiben lässt. Analoges gilt für das Feld des Ästhetischen, wobei die Luft für Theorien an dieser Stelle freilich dünn wird. Denn Urteile über ästhetische Fragen (hier vornehmlich im Hinblick auf die Literatur) sind im Kontext von Strukturen reichlich obsolet. Im gleichen Moment, in dem sich der Strukturalismus von positivistischen, marxistischen und biographischen Literaturtheorien absetzte, rückte er die Selbstreflexivität ästhetischer Zeichen in den Vordergrund. Das Kunstwerk ist unter solchen Vorzeichen als ein autonomes Gebilde anzusehen, wobei die Autorin keine Rolle mehr spielt. Interessant ist von diesem methodischen Ansatz her einzig die ästhetische Komposition der Struktur der textuellen Zeichen, die sich vom Alltagsgebrauch unterscheidet. Die Ansätze Saussures wurden vom tschechischen Strukturalismus und vom russischen Formalismus rezipiert. Einer der wichtigsten Vertreter war Roman Jakobson. Die beiden Strömungen trafen sich mit marxistischen Theorien in der Überzeugung, dass Literatur und Kunst nicht durch Genies, sondern durch überindividuelle Strukturen hervorgebracht werden, auch wenn diese hier sprachlich und dort ökonomisch-sozial verstanden wurden. Einflüsse entdeckt man außerdem in den Bewegungen des Symbolismus und Futurismus. Dort stand das Spiel mit Formen vor jedem Inhalt. Ein hermeneutisch einholbarer Sinn fehlte ebenso wie ein Kontext. »SchriftstellerInnen arbeiten mit dem Material Sprache wie MalerInnen mit Farbe und MusikerInnen mit Tönen. Dass bei Sprachgebilden immer auch Bedeutungen und nicht nur klangliche Eigenheiten assoziiert werden, war den Formalisten klar.« Dieses Spiel mit Formen kannte bereits die Romantik. Dort war es jedoch der Evokation von Emotionen oder Weltentwürfen geschuldet, hier wurde es zu einem interesselosen Spiel.

4.4.1. Claude Lévi-Strauss

Thomä 2009 630 Claude LéviStrauss (2005)

Frank 1984, 53

Der 1908 in Brüssel geborene Ethnologe, Anthropologe und Kulturtheoretiker Claude Lévi-Strauss gilt offiziell als Begründer des Strukturalismus. Er studierte in Paris, lehrte 1935 in Sao Paolo in Brasilien und, nach seiner Emigration 1941 in die USA (im gleichen Schiff fuhren Andrè Breton und Anna Seghers), in New York. Dort pflegte er Kontakte zur Surrealistenszene, zu Max Ernst, aber auch zu Roman Jakobson, dem russischen Strukturalisten und Formalisten. 1949 kehrte er nach Paris zurück. Lévi-Strauss machte den Strukturalismus durch die Erweiterung auf ein nichtlinguistisches Feld zu einer fruchtbaren Theorie, ja durch einige den Geist der Zeit treffende Bücher zu einer Modetheorie der Sechzigerjahre. Auch soziales Leben sei durch die Sprache und durch eine Struktur organisiert und weder durch das schöpferische Subjekt noch durch materielle gesellschaftliche Bedingungen, das war die Botschaft. Gedanken und Handlungen von Menschen hängen zusammen wie Signifikant und Signifikat in der Zeichentheorie, »nicht durch ein ›lien naturel‹, sondern durch differentielle Beziehungen zwischen Ausdrucksträgern […].« Die Linguistik war – angereichert mit Psychoanalyse und Ethnologie – zu einer Leittheorie für zahlreiche Geisteswissenschaften geworden.

235

Moderne und Postmoderne

Seine Strukturanalyse, die eine historisch und ontologisch ausgerichtete Untersuchungsweise ablöste, wandte Lévi-Strauss in den Dreißigerjahren bei seinen Expeditionen zu den Eingeborenen in den Urwäldern von Brasilien an. Bereits sein autobiographischer Bericht über diese Kulturstudien an sogenannten primitiven Völkern, Traurige Tropen (Tristes Tropiques; 1955), wurde ein Bestseller. 1962 erschien Das wilde Denken (La pensée sauvage), ein nicht minder zeitgeistiges Werk, das nicht zuletzt auf die Bewegung der Achtundsechziger inspirierend wirkte. In diesem Buch operierte Lévi-Strauss mit dem Terminus der bricolage. Bricolage bedeutet soviel wie Bastelei und sollte die Entstehung von Mythen als willkürliche Organisation von Zeichen und Ereignissen zu neuen Strukturen charakterisieren. Der »Mythenbastler« steht in einem kulturellen Kontext, wo jedes Bedeutungselement Bezüge zu anderen Bedeutungselementen hat. Der Entstehung von Texten liegt keine zielgerichtete Planung zugrunde. Es handelt sich um vernetzte Strukturen, wo immer wieder neue Texte, auch vergangene, in das rezente System eingespeist werden. Ein solches Verfahren fand unter dem Titel Intertextualität Eingang nicht nur in die Literaturwissenschaft, sondern aus dieser Sicht funktioniert auch die Kunst nach diesem Muster. Man kann das Vorgehen nach einem solchen Konzept mit einem Palimpsest vergleichen, wo ältere Texte im aktuellen Text verborgen sind und in diesem dann ausdrücklich wirksam bleiben. Nach Julia Kristeva, die den Ausdruck Intertextualität geprägt hat, und Roland Barthes ist ein Text niemals für sich selbst abgeschlossen. Vielmehr ist er ein Schauplatz von unzähligen anderen Texten, womit es zwangsläufig auch nicht mehr eine Autorenintention für einen Text geben kann. Jeder Text (d.h. auch jedes Kunstwerk) weist über die Intention der Autorin hinaus. Lévi-Strauss fasste seine Anthropologie im Hauptwerk Strukturale Anthropologie (1958–1973) zusammen. Wissen kann – so hatte es Saussure in seiner Semiotik vorgespurt – nur in einem Netz von Beziehungen und Unterscheidungen gewonnen werden. Es erinnert an Kants Schematismus, wenn Lévi-Strauss – eine Bemerkung Saussures aufgreifend – sagt, dass »die unbewußte Tätigkeit des Geistes darin besteht, einem Inhalt Formen aufzuzwingen.« In der Tat bezeichnete sich Lévi-Strauss gerne als »ganz gewöhnlichen Kantianer.« Kant hatte das Schema als »Vorstellung von einem allgemeinen Verfahren der Einbildungskraft« verstanden, »einem Begriff sein Bild zu verschaffen.« Anders als bei Kant war hier allerdings ein unspezifisches amorphes Subjekt gemeint, eines, das dann eher mit dem Verweisungszusammenhang im Sinne von Heideggers Dezentrierung des Subjekts in Zusammenhang gebracht werden kann. Ein Text spricht hier gleichsam selbst, ohne einen ordnenden Autor. Lévi-Strauss betonte immer wieder, dass er die Idee eines Ich und die damit verbundene Idee der Freiheit für eine Illusion hält. Paul Ricœur sprach mit Blick darauf von einem »Kantismus ohne transzendentales Subjekt«. Natürlich spielte Lévi-Strauss diesen Ansatz auch am Bestand der Mythen durch (Mythologiques; 1964–1971). Das große Thema dabei war das Verhältnis von Natur und Kultur, angedeutet im Titel des berühmten und populären ersten Bandes Das Rohe und das Gekochte. Feuer und die umfangreichen Tauschtätigkeiten des Menschen (hier kamen Einflüsse der soziologischen Schule von Marcel Mauss zum Tra-

Bricolage

Lévi-Strauss 1958, 35 Thomä 2009 Kant 1781, B 179f

Frank 1984, 53 Ricœur, zit. nach Frank 1984, 70 Natur und Kultur

236

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Lévi-Strauss 1964, 26

Frank 1984, 56

I.3.4.

gen) markieren den Schritt zur Zivilisation. Der Übergang von der Natur in die Kultur ging nach Lévi-Strauss zwangsläufig einher mit einem Bruch der Verbindung von Erde und Himmel. Hinter den die Natur deutenden kulturellen Erzählungen lauert daher der Nihilismus, eine Feststellung, die Lévi-Strauss in Konfrontation mit der Hermeneutik brachte. Der Blick auf die Brüchigkeit kultureller Erzählungen machte ihn übrigens zu einem Konservativen, der zur Enttäuschung vieler der in den Sechzigerjahren politisch Engagierten die bestehenden Strukturen verteidigte. Auf der mythentheoretischen Ebene sind Mythen ideale Beispiele dafür, wie Erzählungen ohne Autor auskommen. Es geht nicht darum, »wie die Menschen in den Mythen denken, sondern wie sich die Mythen in den Menschen denken, und zwar ohne ihr Wissen.« Die Kritik richtete sich gegen die übliche Auffassung, Mythen seien Ausdruck einer verborgenen Wirklichkeit (z.B. einer kosmologischen Weltdeutung). Es ist die Arbeit des unbewussten Geistes, die »Ähnlichkeiten zwischen den Mythen der Völker hervorbringt, welche im übrigen, was ihre Inhalte betrifft, ex­ trem unterschieden sein können.« Arbeit am Mythos bedeutet dann Feststellung von Korrelationen innerhalb der Struktur. Eine konkrete Anwendung einer strukturalistischen Textdeutung wurde bei der Deutung paläolithischer Höhlenkunst durch André Leroi-Gourhan vorgestellt.

4.4.2. Roland Barthes Mit dem französischen Kulturtheoretiker Roland Barthes erreichte der Strukturalismus vor allem aus kunstphilosophischer Perspektive einen Höhepunkt, zugleich auch seinen Abschluss. Barthes, Jahrgang 1915, zeichnete sich durch ein umfassendes Tätigkeitsfeld aus: Gymnasiallehrer, Universitätslaufbahn (ohne je einen universitären Abschluss gemacht zu haben), Arbeiten in Literaturtheorie, Semiotik, Soziologie und Philosophie. Barthes suchte die Nähe zu Marxismus, Existenzialismus und später zum Strukturalismus. In einem französischen Lungensanatorium, wo er eine Tuberkuloseerkrankung auskurierte, entdeckte er beim Ordnen der Hausbibliothek seine Liebe zur Literatur, zu Michelet, Gide, Sartre, Camus. Er hatte sich nie mit letzter Konsequenz einer bestimmten philosophischen Richtung verschrieben, sondern suchte als geistig unabhängiger Hommes de Lettres eklektizistisch methodische Hilfen zum Verständnis des Diskurses der spätkapitalistischen Gesellschaft. Er bezeichnete sich selbst einmal als einen Neugierigen, der alles durchstreifen möchte. Was das Feld der Kunst betraf, schrieb er Abhandlungen zu Robert Schumann, Cy Twombly (L’Obvie et l’obtus; 1982) und zur Fotografie (La Chambre Claire. Note sur la photographie; 1980). Selber musizierte er und malte – zwei Ausstellungen fanden zu seinen Lebzeiten statt. Am 25. Oktober 1977 traf ihn mit dem Tod seiner Mutter Henriette Barthes, mit der ihn eine tiefe Beziehung verband, ein schwerer Schicksalsschlag. Schon am Tag danach begann er ein Tagebuch der Trauer zu schreiben und sein wichtiges Werk zur Fotografie, zugleich sein letztes Buch, Le Chambre Claire, stand ganz im Zeichen des Versuchs, diesen Verlust zu bewältigen.

237

Moderne und Postmoderne

Bevor er 1980 durch einen Autounfall abrupt sein Leben verlor, schwamm der Philosoph, der auch in Zeitungen und Zeitschriften publizierte, auf einer Welle der Popularität. Seine letzten Werke errangen Bestsellerstatus. Barthes changierte – in der Tradition eines literaturtheoretischen Kritizismus stehend – zwischen Strukturalismus und dem aufkommenden Poststrukturalismus. Seine Kunsttheorie hatte einen ebensolchen Patchworkcharakter wie seine anderen Abhandlungen. Ein Schwerpunkt seiner kunstphilosophischen Arbeiten war die Literatur. Daneben ging es um Theater, Film Fotografie und Malerei. In seinem Erstlingswerk Am Nullpunkt der Literatur (Le degré zéro de l’écriture; 1953) – bezeichnenderweise in der Zeit seiner verheerenden Tuberkuloseerkrankung geschrieben – entwarf Barthes eine eigene Konzeption des Schreibens. Über die Sprache als Allgemeingut und den individuellen Stil der Autorin hinaus gibt es etwas, was Barthes écriture, Schreibweise, nannte. Die Schreibweise verbindet den Schriftsteller mit der Gesellschaft bzw. der historischen Epoche. Vergleichbar mit den flächendeckenden Kunststilen herrschte nach Barthes bis zum 19. Jh. – Barthes nahm die Französische Revolution als Trennlinie – eine einheitliche Schreibweise vor. »Es ist bekannt, daß die Sprache ein allen Schriftstellern einer Epoche gemeinsamer Corpus aus Vorschriften und Gewohnheiten ist. […] mit einem Wort: der beruhigende Bereich einer Struktur.« Diese zerbrach mit der Kritik an der bürgerlichen Ideologie in den Revolutionsjahren um 1848 und stellte den Schriftsteller in die freie Wahl einer bestimmten Schreibweise. Dies sei ein Nullpunkt der Literatur und zugleich eine Befreiung von den im alten Klassendenken verhafteten Utopien gewesen. Es ging Barthes um ein unabschließbares Schreiben, das wiederum – vergleicht man es mit klassischen politischen Orientierungen – auf ein Dilemma verweist: »Die Tragik des Schriftstellers im Sinne Barthes’ entsteht aus der Unhintergehbarkeit der Tatsache, daß jede Revolution, will sie Neues schaffen, notwendig gerade auf jenes Material zurückgreifen muß, das sie zerstören will. Eine creatio ex nihilo ist ausgeschlossen.« Das ist freilich kein postmodernes Dilemma, sondern bereits eines der Moderne. Aus einer solchen Position sind Transformationen von festgefahrenen Begriffen möglich. Politisch wirksame existenzialistische Begriffe wie Engagement, Solidarität, können aus ihrem utopischen Umfeld in die neue écriture, also in das offene Spiel der Differenzen, transformiert werden. Und aus diesem Kontext war es konsequent, den »Tod« des Autors (Tod des Autors; 1967) zu verkünden, also das sinnstiftende Subjekt seiner dominierenden Rolle zu entheben. Mit der Rückweisung des Subjekts in der Kunst waren auch die Rückweisung des Künstlerindividuums und gleichzeitig die Rückweisung des abgrenzbaren, autonomen Kunstwerks verbunden. Damit lieferte Barthes Grundlagen für ein neues Kunstverständnis. Das Kunstwerk ist nicht mehr an ein Künstlersubjekt gebunden, sozusagen als dessen greifbare Erscheinung. Anstelle dieses alten identifizierbaren Kunstwerks interessierte jetzt – unabhängig von der individuellen Praxis – die Struktur. Ein mit einem Künstlersubjekt korrespondierender (zentripetaler) Werkbegriff weicht dabei einem diskursiven Werkbegriff, der sich nicht mehr in einer kontemplativen Betrachtung, sondern in einer gesellschaftlichen Praxis oder schlicht performativ erschließt. Das Kunstwerk löst

Nullpunkt der Literatur

Barthes 1953, 15

Ette 1998, 81

X.3.5.3.

238

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Barthes, zit. HW, 1166 Text als Gewebe

Barthes 1973, 94

Barthes in Fotis 2000, 190f

Pleynet Marcelin in Stemmrich 1995, 424

Lüdeking 1994, 358

Zweifel 2003

Mythen des Alltags

Barthes 1957, 85

Geimer 2015, 25

sich auf in die ständige Interaktion zwischen Produktion und Rezeption als Neuproduktion. »Heute hat bekanntlich die postserielle Musik die Rolle des ›Interpreten‹ grundlegend verändert und ihn zum Ko-Autor der Partitur gemacht, einer Partitur, die er nicht mehr ›ausdrückt‹, sondern vervollständigt. Der Text ist in etwa eine Partitur dieser neuen Art: Er verlangt von seinem Leser praktische Mitarbeit.« Texte sind für Barthes keine geschlossenen Einheiten, feste Werke oder Ob­ jek­te, auch nicht feste Strukturen. Texte sind vielmehr offene Prozesse stetiger Strukturierung und Neuschaffung. Zudem ist jeder Text im oben beschriebenen Sinn intertextuell, verweist auf andere Texte und braucht keine Autorin mehr. Er bemühte für Texte die Gewebemetaphorik und löste den Autor, »das Subjekt auf wie eine Spinne, die selbst in die konstruktiven Sekretionen ihres Netzes aufginge.« Der Text stammt nicht von einem »Autor-Gott«, er ist vielmehr »ein Gewebe von Zitaten aus unterschiedlichen Stätten der Kultur. […] Ein Text ist aus vielfältigen Schriften zusammengesetzt, die verschiedenen Kulturen entstammen und miteinander in Dialog treten, sich parodieren, einander in Frage stellen.« Bei Überlegungen wie diesen kippte der Strukturalismus von Roland Barthes in den Poststrukturalismus. Das alles hatte auch für die bildende Kunst Konsequenzen. Ähnlich wie bei der Repräsentationskraft von Texten ging es hier um die Verknüpfung von Malerei mit der Realität. Das Problem der Mimesis wurde hier erstmals in der Geschichte anders befragt. Extrem gesprochen ging es im Falle des Bildes um eine »Transkription des Ikon in einen sprachlichen Code«. Wie dies gemeint war, lässt sich nicht zuletzt an der Fotografie festmachen. Fotografien sind scheinbar eindeutige Abbildungen. Nach Barthes ist das jedoch nicht so. Fotografien sind Teile eines instabilen Zeichensystems, wo die Zeichen jeweils anders kombiniert werden können. Karlheinz Lüdeking verweist auf das Werbefoto eines Einkaufsnetzes mit Teigwaren einer Firma, das verschiedene Konnotationen auslösen kann: Stereotype Italiens, Tradition des Stilllebens, Fischzug Petri: »Barthes zeigt an diesem Beispiel, wie eine banale Photographie Resonanzen in verschiedenen semantischen Feldern erzeugt, wie sie in das Gewebe zahlloser Codes eingebettet ist, wie sie sich immer neuen Lektüren anbietet […].« Aus dieser Semiotik, dem Spiel mit Bedeutungen, zauberte der »Zeichenmagier« Barthes eine Mythologie. Ähnlich zur Deutung von fremden Kulturen durch Ethnologen legte er Mythen im selbstverständlich gewordenen Alltäglichen der aufgeklärten zeitgenössischen Gesellschaft frei. In seinem Bestseller, den an ein größeres Publikum gerichteten Mythen des Alltags (1957), versammelte er vierundfünfzig vorwiegend in der Zeitschrift Les Lettres Nouvelles erschienene Essays über aktuelle Gegenstände und Ereignisse der Alltagskultur des Stadtlebens. Ein Mythos ist für Barthes eine »Botschaft«, eine »Weise des Bedeutens«. Barthes dekonstruierte dabei das scheinbar zu historischer Faktizität Aufgestiegene. »Mit den ›Mythen des Alltags‹ hatten die Erscheinungen ihre Unschuld verloren: Wohin der Semiologe auch schaute, die Botschaften waren immer schon da.« Denn in der Tat ist es so, dass alles in der Welt Zeichen ist und etwas bedeutet. »Der moderne Mensch, der Stadtmensch, liest ununterbrochen: Er liest zunächst und hauptsächlich Bilder, Gesten, Verhaltensweisen: Dieses Auto unterrichtet mich über den gesellschaftlichen Status

239

Moderne und Postmoderne

seines Besitzers, dieses Kleidungsstück unterrichtet mich genauestens über das Maß an Konformismus oder Extravaganz seines Trägers, dieser Apéritif […] über den Lebensstil meines Gastgebers.« Es kam Barthes entgegen, dass beim Ausdruck Mythos unterschwellig Primitivität und Archaisches mitschwingt. Barthes unterstellte im Menschen eine psychische Schicht, die als Macht des Begehrens und der Lust stärker ist als der Intellekt und sich den Verführungen öffnet. Derart kann alles zum Mythos werden. Und diese Mythen lassen sich mündlich, schriftlich und bildlich darstellen. Barthes, der sich für die Alltagskultur interessierte, rechnete auch die Werbung dazu. »Es sind also mentale Systeme, die sich verbal oder visuell kodifizieren können und so zu einer Sprache, einem Diskurs werden.« Die Frage klingt berechtigt: »Ist dies Marxismus, so als fröhliche Wissenschaft.« Mit seiner Mythentheorie hatte Barthes noch etwas anderes im Sinn. Mythen sah er als Umwandlungen von Geschichte in Natur. Jede Mythensteuerung versucht, etwas, was geschichtlich-kulturell entstand, als naturgegeben auszugeben. Barthes’ Mythologies sind dann nichts weniger als Arbeiten an der Aufklärung. Das vermeintlich Naturgegebene soll wiederum in Geschichte aufgelöst werden. Solche Aufklärung war im Kontext des Strukturalismus selten unpolitisch. Insofern war die Aufklärung über die Mythen auch ein Angriff auf die (klein-)bürgerliche Gesellschaft und auf die die Mythen normierenden Machteliten. »Mit anderen Worten: Die Mythologien signalisieren den Stolz auf die Fortsetzung der Ideologiekritik mit anderen, strukturalistischen Mitteln […].« Wahr ist dabei freilich auch, dass sich Barthes in den kaum auflösbaren Kreis von These und deren Immunisierung begab. Wie die Legitimation des Mythenkritikers zwangsläufig misslingen muss, produzierte auch der Mythenkritiker Barthes neue Mythen. Von da her wird in einer übercodierten Welt, in einer Welt ständiger Sinnproduktion, nicht nur eine Sehnsucht, sondern auch eine intellektuelle Notwendigkeit nach dem absoluten Nullpunkt, nach Bedeutungsleere, verständlich. Er suchte sie in der Malerei Cy Twomblys, in Japans »leeren« Zentren der Städte und in dessen minimalistischer Kunst des Haiku. Es war ihm das Gegenmodell zur Bedeutungsproduktionsmaschine des Westens. Aus der Leere, die er in Japan kennen lernte, »gehen die Züge aus, in denen der Zen in völliger Sinnbefreiung die Gärten, Gesten, Häuser, Blumengebinde, Gesichter und die Gewalt schreibt.« Was die Fotografie, Malerei und Musik betrifft, unterschied Barthes drei Ebenen des Sinns: eine der Kommunikation (niveau informatif), eine der Bedeutung (niveau symbolique), beides vom Autor bewusst gesetzt und einer verbreiteten Lexik folgend. Gegen diesen »entgegenkommenden Sinn« gibt es als dritte Ebene einen »stumpfen Sinn« (sens obtus). Dieser entzieht sich dem Verstand, leistet ihm Widerstand. (Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn. Kritische Essays; 1982) Barthes entfaltete hier ein zeichentheoretisches Faktum, das – expliziert an der Fotografie – bedeutet, dass es sich dabei sowohl um ein Zeichen als auch um ein Objekt sui generis handelt. In seiner Philosophie der Fotografie (Le chambre claire; 1980) setzte er die Fotografie von der Malerei insofern ab, als zum Unterschied von der Fiktionalität der

Barthes, zit. nach Geimer 2015

Schneider 1996, 246 Meyer 2003

Ette 2011, 55

Barthes 1970, 100 Ebd., 47–50; 94–99 Ebd., 16

Philosophie der Fotografie

240

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Barthes 1980, 126

Ebd., 35

Ebd., 35f

Kapust 2009, 261 Barthes 1980, 92/99

Ebd., 17 X.2.2.2.

Ette 2011, 158

Malerei das Objekt der Fotografie »sehr wohl existiert hat und dort gewesen ist, wo ich es sehe.« Besonders beim Amateurfoto, wo nichts inszeniert und codiert ist, gibt es noch eine klare und unverstellte Referenzbeziehung. Barthes unterscheidet zwischen studium und punctum. Wendet sich beim studium – er sprach von »Hingabe an eine Sache, das Gefallen an jemandem, eine Art allgemeiner Beteiligung« – die Betrachterin dem Bild zu, um das, was man wissen kann, zu studieren, dreht sich bei der Auffassung des punctum die Sache um. Das Element »schießt wie ein Pfeil aus seinem Zusammenhang hervor, um mich zu durchbohren. […] Das punctum einer Photographie, das ist jenes Zufällige an ihr, das mich besticht (mich aber auch verwundet, trifft).« Eine solche Sicht reduziert letztlich auch in diesem Genre der Kunst die Intention des Autors, also der Fotografin, und nimmt ihr jede Macht darüber, wie das Bild sich der Rezipientin bemächtigt. Dieser dynamische Aspekt, fern einer wissenschaftlichen Kontemplation, entspricht der Hauptthese von Barthes’ Theorie der Fotografie. Demnach ist eine Fotografie kein Zeugnis eines Daseins, sondern Zeugnis eines einmaligen Dagewesen-Seins (ça a été). Der Referent war für den Fotografen leibhaftig wahrnehmbar, allerdings im Augenblick dieser Wahrnehmung bereits woanders. »Die Photographie zeigt die Einzigartigkeit und Unvertretbarkeit des Anderen, aber diese in seiner Mortalität, wenn auch in einer konstitutiven Unbestimmtheit zwischen ›das ist er‹ und ›ist er nicht‹.« Die Abwesenheit des Fotografen treibt Barthes so weit, dass er die Fotografie mit dem byzantinischen Acheiropoieton vergleicht und die Fotografie als Magie bezeichnet. Fotografie hat immer zu tun mit Erinnerung und Imagination an das gerade Verlorene, weshalb sich auch in einem Text zur Fotografie die Trauerarbeit über den Tod der Mutter einschreiben kann. Barthes selbst sprach von einem »etwas unheimlichen Beigeschmack« einer jeden Fotografie: »die Wiederkehr des Toten.« Gemeint war auch die Eigenart der Repräsentation bei der Fotografie, die sich weniger auf das Objekt als auf die Zeit beziehe. Der Porträtierte wird im Augenblick der Aufnahme zu einem Objekt und erfährt dabei einen Moment des Todes (mit Blick auf die heutigen Selfie-Orgien verflüchtigen sich solche Überlegungen ihrerseits in Momente eines philosophie-theoretischen Todes). Die helle Kammer als eine Arbeit am Gedächtnis und – mit Ottmar Ette – eine »Form der Vergegenwärtigung, die unbestreitbar auf Zukunft zielt.« Ein solcher Blick tauschte das traditionelle Wissen, mit dem man bisher Fotokunst dechiffrierte (studium), mit dem Wissen, das von der Spur des Lebens nicht mehr abstrahierte, sondern diese selbst als Ausgang nahm (punctum). Bei Barthes war dies ein Wissenstausch, aber nicht unbedingt eine Polemik gegen ein Wissen, das von Machtfaktoren geprägt ist. In diesem Punkt scheint Barthes gelassener gewesen zu sein als Foucault. Gerade an diesen Stellen, die so eng verwoben sind mit dem Tod der Mutter, wird auch klar, dass die Subjektkritik bei Barthes sich auf Beziehungen von Autor und Rezipient beschränkte. In seiner späteren Zeit brachte er das Subjekt sogar wieder stärker ins Spiel – als gespaltenes und plurales Subjekt, von emotionalen Energien gesteuert.

241

Moderne und Postmoderne

Barthes Anliegen lässt sich treffend so zusammenfassen: »Im Herzen« seines Werks »stehen stets die Zeichen des Lebens […]. Roland Barthes hat diesen Zeichen dank der hohen Frequenz und Intensität, die das Wörtchen ›Leben‹ in seinen Schriften besitzt, immer wieder neue Wendungen, neue Verwendungen gegeben.«

Ebd., 169

4.5. Der Poststrukturalismus Der Poststrukturalismus ist nicht – wie der manchmal gebrauchte Ausdruck Neostrukturalismus (den auch Manfred Frank für sein wegweisendes Buch benützte) andeuten könnte – eine Weiterführung oder gar Neuaufnahme des Strukturalismus, sondern vielmehr eine Kritik daran. Der Übergang vom Strukturalismus zum Poststrukturalismus hat zu tun mit der Einschätzung der Stabilität und Universalität der Struktur. Schon beim späten Levy-Strauss ortet man in der wissenschaftlichen Literatur eine Erosion der eine Struktur organisierenden, stabilen Mitte. Wenn ein ordnendes Subjekt aufgegeben wird, ist die Stabilisierung einer Struktur nur mehr schwer zu einsichtig zu machen. Eine Struktur ist ein artifizielles Produkt und trägt, wenn man so will, als ihre eigene Konsequenz ihre Auflösung bereits in sich. Manfred Frank beschrieb die für jede Struktur zwangsläufig notwendige Stabilität anschaulich so: »Es würde sich eine Struktur wissenschaftlich gar nicht exakt beschreiben und analysieren lassen, deren Elemente gleichsam um ihren Platz wanderten und ausschwärmten, statt schön stille zu sitzen und zu bleiben, wo sie sind.« Der klassische Strukturalismus musste sich aus diesem Grund dem Vorwurf aussetzen, dass er wegen seiner notwendigen Stabilität immer noch ein Geschäft der klassischen Metaphysik sei, auch wenn er das ordnende Subjekt durch die Struktur ersetzt hat. Gegenüber der ziemlich abstrakten Sterilität des Strukturalismus griff der Poststrukturalismus wieder verstärkt auf Positionen der Philosophie zurück, namentlich auf Hegel, Nietzsche, Heidegger, Freud. Erst die Auflösung der Struktur, also jeder festen Relation von Signifikant und Signifikat, in einem frei flottierenden Spiel von Differenzen, beendet nach Meinung der Poststrukturalisten endgültig die Metaphysik und das (transzendentale) Subjekt. Diesen Verlust eines Ordnung stiftenden Zentrums umschreibt der Poststrukturalismus als Dezentrierung und – insbesondere im Bereich der Literaturkritik – als Dekonstruktion. Dezentrierung könnte man allenfalls noch mit einer Kritikfigur verbinden, die sich eher gegen die neuzeitliche Subjektdominanz richtete. Das wäre ein vergleichbares Anliegen, wie es die Avantgarde vertrat. Die Dekonstruktion lässt sich schwieriger fassen. Sie ist keine schematisch anwendbare Methode, nicht zuletzt deswegen, weil aus der Sicht des Poststrukturalismus Theorie und Literatur nicht mehr durch deutliche Grenzen voneinander getrennt sind. Dekonstruktion markiert ein subversives Prinzip bei der Behandlung von Texten. War der Strukturalismus noch an Bedeutungszuschreibungen und an Dichotomien (männlich/weiblich, Kultur/Natur, Vernunft/Wahnsinn) interessiert, versucht die Dekonstruktion, jede Konstruktion von Sinn und Bedeutung, aber auch von Subjekt, kritisch zu unterwandern. Da dies aber nicht vom Orientierungspunkt, der Subjekt heißt, unternommen werden kann, bleibt nur mehr ein offenes Feld von Differenzen und Verweisungen.

Frank 1984

Frank 1984, 75

Sexl 2004, 84

242

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

631 Jaques Derrida (1994)

Der Abschied von einem souveränen Subjekt wurde anfangs als Schlag gegen die Aufklärung verstanden und sowohl von marxistischer Seite, aber auch von Autoren einer aufgeklärten Hegeltradition scharf abgelehnt. Im Laufe der Debatte hat sich dies in dem Moment verändert, als klar wurde, dass manche Anliegen des Poststrukturalismus durchaus ein aufklärerisches Potenzial besitzen. Denn letztlich ging es auch den Poststrukturalisten um ein Ende eines Beherrschungs- und Verfügungswissens über die Natur. Jenseits der Literaturtheorie liegt in der Auflösung von ontologischen Substanzbegriffen zugunsten sprachlicher und sozialer Diskurse die Bedeutung des Poststrukturalismus für die Kunstphilosophie. Er war Impuls für eine neue Architektur und für ein neues Verständnis des Kunstwerks.

4.5.1. Jacques Derrida

Derrida 1967, 423

Logozentrik

Der 1930 in einem Vorort von Algier geborene, seit 1949 abwechselnd in Frankreich und in den USA lebende und lehrende Derrida war der für Literaturwissenschaft und Philosophie eindrucksvollste Vertreter des Poststrukturalismus. Besonders ­seine drei im gleichen Jahr 1967 erschienenen Werke De la grammatologie, L’écriture et la différence und Le Voix et le phénoméne führten zu einem in der Szene seltenen Durchbruch und machten ihn unter anderem zum Begründer der Dekonstruktion. Bei Ferdinand de Saussures Zeichentheorie anknüpfend setzte Derrida auf den differentiellen Charakter der Zeichen. Saussure selbst sei in die Metaphysik zurückgefallen, indem er bei der langen Tradition der Philosophiegeschichte, die eine »Reihe einander substituierender Zentren« gewesen sei, angeknüpft habe und einer starren Struktur verhaftet blieb. Derrida ging es demgegenüber um die Öffnung der Struktur, indem er nicht auf die Identität von Zeichen, sondern auf die Differenzen setzte und damit Zentrum und Statik überwand. Aus der starren Struktur wurde ein dynamisches Spiel des Bezeichnens. Als Ursache für das Präsenzdenken der Metaphysik formulierte Derrida eine ungewöhnliche medienphilosophische Überlegung. In der Saussureschen Theorie der Zeichen war noch die Rede von Bedeutung (Lautund Schriftbild). Bedeutung meinte hier geistig Intendiertes. Diese Bedeutung basiert nach Meinung Derridas wie jedes starre Zentrum der Struktur auf der Grundlage des Phonischen, sei also Folge des Wortes. Das wiederum sei der Ursündenfall in die Sinnsetzungen der Metaphysik. Ähnlich wie Heidegger griff auch Derrida zu einer Epochengeste, um die Geschichte der Metaphysik zu desavouieren. Bei ihm ging es nicht um Seinsvergessenheit, sondern um den Phono-Logo-Zentrismus, der Stimm- und Wortdominanz, oder umgekehrt, in Abwandlung der Terminologie Heideggers: der Schriftvergessenheit. Nach Derrida wurde mit der Sprache stets die transzendentale Präsenz eines Zentrums verteidigt. In ihr spiegle sich das Machtverhältnis der logosgetragenen Vernunft, damit die gesamte Last der klassischen, metaphysischen Tradition. Sprache stand bei Derrida für die Institutionalisierung von Bedeutung. Wo Sinn gestiftet wird, herrscht Logozentrik, die Dominanz des Wortes. Das muss nun doch überraschen, gilt doch gemeinhin eher die Verschriftlichung als Schritt in eine Rationalisierung und Metaphysik. Derrida rekurrierte jedoch auf eine

243

Moderne und Postmoderne

Urschrift (archi-écriture). Was er damit meinte, ist nicht einfach zu rekonstruieren. Diese Urschrift ist – zum Unterschied von einer in der alten Hermeneutik vorausgesetzten Uridentität – eine Metapher für eine jeder sekundären Schrift vorausgehenden Differenz oder eine Urmaterialität. »Die Urschrift nimmt den Platz eines subjektlosen Erzeugers von Strukturen ein, die dem Strukturalismus zufolge jedes Autors entbehren.« Jede gestiftete (geistige = logozentrische) Bedeutung muss sozusagen unlesbar gemacht werden und die Texte müssen in einer reinen »bedeutungsfreien« Form (das heißt hier: »materiell«) genommen werden. »Der Logozentrismus des abendländischen Denkens basiert auf der Denkfigur einer letztlich a-historischen, zeitlosen Metaphysik der Präsenz, einer immer schon anwesenden Selbstgegenwart oder Identität des Geistes, die, ihrem Selbstverständnis nach als Ursprung (arché) wie als Ziel (telos) der Geschichte bestimmt, im Glauben befangen ist, sie sei dem differentiellen Austausch von Zeichen, der jedwedes Zentrum verschiebt und aufschiebt, enthoben.« Positivität, Präsenz sind erst nachträglich und erodieren sofort wieder. Präsenz im Sinne von in der Sprache gegenwärtiger Realität und Identität von Zeichen und (gestifteter) Bedeutung sind hinfällig. Die »Selbstpräsenz des Bewußtseins, auf der das Cartesische Cogito beruht, [ist] eine Fiktion.« Umgelegt auf die Bewusstseinsphilosophie heißt das, dass sich das Bewusstsein nie in seiner Totalität vergegenwärtigen lässt (wie dies Husserl gehofft hatte), sondern nur unter einer jeweiligen Perspektivität, als Spur (trace). Sowohl für dieses Faktum als auch für die grundlegende Bezeichnung griff Derrida zum Kunstbegriff différance, was eine Differenz meint, die zum Unterschied vom Differenzbegriff der idealistischen Tradition (différence) nicht zur Versöhnung führt. Die falsche Identität gehe auf den Logozentrismus zurück. Mit der Unhintergehbarkeit der Schrift hingegen lässt sich das Netzwerk aufeinander bezogener Zeichen nicht mehr zu einem »sinnvollen« Abschluss bringen. Schon bei Saussure wurde der sprachliche Signifikant nicht durch seine stoffliche Substanz, sondern nur durch die Differenzen, die sein Lautbild von anderen trennen, gebildet. »Bedeutung« ist daher nur »verstreut« auf der gesamten textuellen Kette zu finden und kann nicht auf ein Zeichen eingeschränkt werden. Derrida stellte die traditionelle transzendentalphilosophisch gesteuerte Metaphysik auf den Kopf. Die Differenz geht nun der Identität voraus und setzt keine immer schon vorauslaufende Einheit als Möglichkeitsbedingung jeder Differenz voraus. Ebenso obsolet wurde das Vertrauen der Metaphysik in die Abbildungskompetenz einer Wirklichkeit außerhalb der Sprache. Das sollte endlich ohne »Nostalgie« gedacht werden, »jenseits des Mythos von reiner Mutter- oder Vatersprache, von der verlorenen Heimat des Denkens. Das muß im Gegenteil bejaht werden, wie Nietzsche die Bejahung ins Spiel bringt, als Lachen und als Tanz.« Die von Derrida vertretene Rolle der Schrift wurde keineswegs überall in der Kulturgeschichte so gesehen. Hatten schon frühe ägyptische Priester die Neuerung der Schrift sehr skeptisch beurteilt und das kulturelle Gedächtnis dadurch in Gefahr gesehen, wiederholte Platon in seinem Phaidros eine entsprechende Kritik an der Schriftlichkeit. Er meinte damit freilich die formalisierte, durchkomponierte, damit starre (und geschriebene) Rede (vor allem der Sophisten) gegenüber der innovativen

Habermas 1985b, 212f

Tholen Georg Christoph in Majetschak 2005, 310

Bürger 2014, 63

différance

Derrida 1968, 110

III.2.4.3.2.6.

244

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Dekonstruktion

3.7.

II.3.2.4.

Derrida, zit. nach Engelmann 1990, 21

Lebendigkeit des Dialogischen. Platon meinte also eigentlich eine »Schriftrede«. Die freie dialogische Rede wurde stets als geistiger angesehen als die Schrift. Für Derrida hingegen, auf dessen jüdisches Erbe der Schrift- und Buchkultur man hinweisen darf, bleibt dem Fluss, dem Spiel der Differenzen, nichts entzogen. Kodierung und Enkodierung lassen sich nicht normieren. Jede Kommunikation ist ein offenes textuelles Geschäft, zu dem neben Literatur auch Kunst und Musik gehören. Alles ist Text (gramma) und jeder schreibt sich selbst im und mit dem Text weiter. Man könnte die Dekonstruktion auch als radikalisierte Hermeneutik betrachten, wo der Rezipient in einer gleichsam totalen Verschmelzung der Horizonte völlig in das Rezipierte eingeschrieben ist. Freilich nicht im Sinn einer Synthese der Differenzen und auch nicht mit dem in der Hermeneutik zentralen Ziel eines gelingenden Verstehens, sondern in einem dynamischen Spiel der Differenzen, die weiter getrieben werden. Das ist der große und entscheidende Unterschied zu der noch in die Metaphysik gebetteten Hermeneutik. Die Dekonstruktion wurde, angeregt durch Martin Heideggers »Destruktion« der abendländischen Metaphysik, zu einer Methode der Literaturwissenschaft. Verschärft als Dekonstruktivismus fand sie Eingang in Kunst und Architektur. Bernhard Waldenfels unterscheidet ein dekonstruktives Verfahren von einer dekonstruktivistischen Position. Gegen den Dekonstruktivismus hat sich Derrida stets gewehrt. Die Dekonstruktion hingegen verstand er als ein produktives Leseunternehmen, eine ans Paradoxe rührende Doppellektüre, bei der man auch schon auf eine Ähnlichkeit mit der Technik des Talmudlesens verwies, bei dem die Mischna von autorisierten Kommentaren (Gemara) und weiteren Gelehrtenkommentaren eingerahmt wird. Die Dekonstruktion ist ein extrem (post-)modernes Verfahren und lebt vom Palimpsestcharakter der gesamten kulturgeschichtlichen Tradition. Als Methode der Literaturkritik wurde sie gefördert von einer Gruppe von Literaturwissenschaftlern an der Yale-Universität in New Haven. Derrida selbst sprach lieber von einer »Haltung« statt einer Methode, um jeden metaphysischen Rahmen eines normierten Regelwerks zu umgehen. Grundlage sind der weite Textbegriff (gramma) Derridas und die différance, also die Unauflöslichkeit des Differenten bzw. die fehlende Eindeutigkeit von semantischen Zeichen. Sie lehrt, einen Text »instabil« zu lesen, in ihm die verschiedenen Ebenen zu betrachten, beispielsweise diese, die etwas darstellt und jene, die auf die (Hinter-)Gründe und Strategien genau dieser Darstellung eingeht und sie ebenso aufzeigt. Sie lehrt, einen Text von hierarchischen Bedeutungsoppositionen zu befreien. Jeder Text artikuliert zudem seine Verflechtung mit anderen Texten, auch solchen aus der Geschichte (Intertextualität und Interkulturalität). Es ist dies gleichsam eine »differentielle[n] Verweisung einer Spur auf die andere. Eine Spur ist weder eine Anwesenheit noch eine Abwesenheit.« Jeder Text erzeugt sich letztlich selbst und liest sich in jeder Rezeption weiter. Kein Text lässt sich endgültig und als abgeschlossenes Korpus stabilisieren. Die entscheidende These dazu ist, dass es nichts außerhalb des Textes gibt. Das ist weder radikale Sprachphilosophie, noch idealistischer Formalismus, sondern eine relativistische Position, die kein absolutes funda-

245

Moderne und Postmoderne

mentum in re außerhalb des offen und different gedachten Sprachlichen mehr akzeptieren will. Mit Derridas Verweis auf die unversöhnbare Differenz lässt sich eine Lektüre von Kunst generieren, die auf die Leerstellen setzt: auf die Zwischenräume zwischen den Farben im Bild, auf die Wortzwischenräume in Texten, auf die Übergänge und stillen Phasen zwischen den Tönen in der Musik. »Dieser Riß (trait) zwischen dem Buchstaben, dem Diskurs und der Malerei ist vielleicht alles, was in Die Wahrheit in der Malerei passiert oder sich einschleicht.« Solche Leerstellen machte er in Die Wahrheit der Malerei (1978) auch grafisch ausdrücklich sichtbar. Es geht um Rezeptionscharakteristik und nicht um wahre und falsche Auslegung, nicht einmal mehr um das »Verstehen« eines Kunstwerks. Autor, Werk und Rezipientin lassen sich nicht mehr trennen und sind damit als eigenständige Größen aufgelöst. Auch dekonstruktivistische Verfahren führen deshalb in gewisser Weise in die Selbstreferentialität der Kunst. Darin liegt ein Oszillieren von Bedeutungskonstruktion und der eigenen Destruktion derselben. In der Zwischenzeit hat die Dekonstruktion als isoliertes Verfahren viel von ihrem anfänglichen Reiz verloren. Sie erhält ihre Attraktivität sozusagen durch den jeweiligen »Spin«, unter dem Texte betrachtet werden: z.B. feministisch, psychoanalytisch, postkolonial. Dadurch wurde die Anwendung der Methode auf die politische und soziale Sphäre erleichtert, und auch für Kunst und Architektur war dieses Prinzip fruchtbar. Der Beitrag Derridas dabei lag in der Anwendung des für die Literatur Gesagten auf andere Kunstgenres. Ein geschlossenes kunstphilosophisches Konzept kann man naturgemäß nicht erwarten. Aber Derrida selbst förderte diese Übergänge von Philosophie und Kunst in Randgänge der Philosophie (1972) und in der Aufsatzsammlung Die Wahrheit der Malerei (1978) sowie in den Lectures (1985), einer von Roland Barthes angeregten Auseinandersetzung mit der Fotografie, sowie einigen Arbeiten zu Künstlern. Die wichtigsten Punkte dabei sind die Ablehnung eines stiftenden Künstlersubjekts und das Aufgeben jedes Anspruchs auf ein Verstehen bzw. auf Wahrheit der Darstellung der Wirklichkeit im Medium der Kunst, also auf ein authentisches Entschlüsseln von Kunstwerken. Auch der Kunstdiskurs wird von Begrifflichkeit und Kommunizierbarkeit »befreit« und Kunst eher unter dem Gesichtspunkt eines performativen Ereignisses gesehen. »Seine skeptische Haltung gegenüber allen Effekten erfüllter Präsenz und das Interesse an kryptisch verborgenen, aber mitschwingenden Nebenbedeutungen bewirken eine kritische Lesart neuzeitlicher Ästhetik als Verdrängung der Rand- und Rahmenbedingungen des Kunstwerkes bis hin zu den Aporien des künstlerischen Sehens, dessen Sichtbarmachung gerade auf eine bedingende Blindheit dem Objektiven gegenüber zurückgeführt wird.« Derrida hat diese Dissemination, die Zerstreuung und Verstreutheit, in einem Filmporträt über ihn von Safaa Fathy (Derrida anderswo; 1999) selbst zelebriert, indem er den nomadischen Philosophen mimte, der dekonstruierte Bruchstücke seiner Heimat(en) in den Film einspielen ließ. Man kann trefflich mutmaßen, ob hier jüdischer Diasporagedanke und poststrukturalistische Dissemination und gar noch die Kolonial-, Orient- und Religionsgeschichte verdichtet werden sollten, wenn er

Kunstphilosophie

Derrida 1978, 23

Wetzel Michael in ÄKPh, 207

246

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

4.5.4.

im Film erzählt, dass eine Moschee in seinem algerischen Geburtsort El-Biar in seiner Kindheit in eine Synagoge und dann wieder zurück in eine Moschee verwandelt worden war. Dieses Bauwerk steht als Palimpsest, an dem die Spuren der Zerstreutheit ablesbar sind! Die Kunst, auf die Derrida Bezug nimmt, ist hauptsächlich serielle Kunst, aber auch Videokunst, die sich gut mit dem Begriff der Nichtabschließbarkeit verträgt. Bekannt ist Derridas Liebe zum Film. Fasziniert dabei hat ihn nach eigener Aussage das Eigenleben, das Stimme und Körper im Film erhalten. Aus dem Topos der fehlenden semantischen Eindeutigkeit lassen sich einige Quisquilien ableiten, wie die Bedeutung von Vorarbeiten und Skizzen im Werkprozess als Manifeste des Offenen und Prozesshaften sowie die Gleichwertigkeit von Original und Kopie. Interessanter vielleicht ist Derridas sich aus der Kritik am metaphysischen Präsenzbegriff ergebendes Spiel mit der Abwesenheit. Anlässlich einer Ausstellung im Louvre 1990/91 überlegt er in Mémoires d’aveugle die Frage der Blindheit, des Unsichtbaren und der Abwesenheit. Unsichtbarkeit wird zur Voraussetzung der Sichtbarkeit, die damit sekundär und erzeugt ist. Das hat neben der ontologischen Komponente heute auch eine soziale im Sinne des Batailleschen Verfemten. Besonders in der Kommentierung dekonstruktivistischer Architektur (z.B. von Daniel Libeskind, Peter Eisenman und Bernard Tschumi) unterstreicht er den Gedanken der Abwesenheit, des Nichts und der Textur. Die disseminativen (zerstreuenden) Texturen gelten auch für Städte. Sie bieten den Gegenentwurf zur alten Ökonomie der Tauschverhältnisse und sind nicht-kalkulierbar und nicht-äquivalent.

4.5.2. Jean-François Lyotard Jean-François Lyotard, 1924 in Versailles geboren, war vor seiner Universitätslaufbahn Gymnasiallehrer, davon mehrere Jahre in Algerien, wo er sich im Algerienkrieg auf der Seite des algerischen Widerstands engagierte. Sein geistiges Koordinatensystem wurzelte in der Phänomenologie Husserls, im Marxismus, bei Freud und Heidegger. Er lehrte an verschiedenen Hochschulen in Frankreich, den USA und in Saas-Fee in der Schweiz. Mehr noch als Derrida hatte er Interesse an ästhetischen Fragen und an der Kunst. Äußerungen dazu finden sich verstreut in seinen Schriften und konzentriert in zwei größeren Werken: Les TRANSformateurs DUchamp (1977) und Leçons sur l’Analytique du sublime (1991), einer Untersuchung des Erhabenen in Kants Kritik der Urteilskraft. Einige kleinere Werke handeln über verschiedene Künstler. Schon früh misstraute Lyotard den Intellektuellen mit ihren Weltanschauungsambitionen. Er schrieb ihnen allen, die noch von den alten metaphysischen Erzählungen zehrten – das schloss ausdrücklich die bedeutenden französischen Existenzialisten ein – ein »Grabmal« (Tombeau de l’intellectuel; 1984). Herausragende Bedeutung erhielt sein für den Universitätsrat der Regierung von Québec 1979 verfasster Bericht über die Bedingungen des Wissens im ausgehenden 20. Jh., Das postmoderne Wissen (La condition postmoderne, Rapport sur le savoir). Das Herzstück dieses Buches, mit dem Lyotard unversehens den Epochenbegriff postmodern prägte, war die Verabschiedung der drei seiner Meinung

247

Moderne und Postmoderne

nach führenden philosophischen Erzählungen metaphysischer Sinnstiftung: jene der Aufklärung, der Teleologie des Geistes und der Hermeneutik. Wie bei Begriffen mit solcher Konjunktur nicht unüblich, wurde der Begriff postmodern durch einen Wust aufgeladener Bedeutungen in kurzer Zeit völlig verunklärt. In der Tat erhielt der Begriff eine »durch die schnelle Vermarktung verflachte[n] Form […].« Lyotards Anliegen war ursprünglich nur gewesen, darauf hinzuweisen, dass in der gesellschaftlichen Situation des späten 20. Jh.s, wo namentlich die Zirkulation des Wissens ebenso rasant verlief wie jene von Menschen, Waren und Medien, die Mittel der traditionellen Moderne, damit auch ihre Wissensparadigmen, zur Legitimation der Gesellschaft nicht mehr ausreichten und revidiert gehörten. Mit den üblichen philosophischen Universaltheorien ließen sich die Probleme der fragmentierten Gesellschaft nach Lyotards Überzeugung nicht mehr lösen. Legitimationsansprüche einer universell verbindlichen Rationalität sind ebenso wie am Fortschritt oder an einer Gesellschaftsutopie orientierte philosophische Erzählungen nichts anderes mehr als haltlose Narrative – das war die Botschaft! Weil letztlich auch die Moderne an solchen Erzählungen festhielt, sei die neue Ausrichtung postmodern zu nennen. Der Kern des Anliegens war, dass an die Stelle solch überholter monokausaler kultureller Erzählungen eine Vielfalt von Diskursen treten muss. Besser gesagt: Die ohnehin existierende Vielfalt von Diskursen darf nicht zugunsten einer Leiterzählung eliminiert werden. Mit Rückgriff auf Wittgenstein sprach Lyotard von Sprachspielen. Weil sich keine auf einem »Metadiskurs« basierende Synthese realisieren lässt, bleibt ein Widerstreit. Die Konsequenz aus dieser von ihm so genannten postmodernen Sicht müsse es sein, die Gesellschaft zu lehren, mit Widerstreit und Pluralität umzugehen und nicht diese aufzulösen. Diese Position vertiefte Lyotard in seinem 1983 erschienenen Hauptwerk Le Différend (Der Widerstreit). Das Anliegen fasste er in den ersten Zeilen des Buches prägnant zusammen: »Im Unterschied zu einem Rechtsstreit [litige] wäre ein Widerstreit [différend] ein Konfliktfall zwischen (wenigstens) zwei Parteien, der nicht angemessen entschieden werden kann, da eine auf beide Argumentationen anwendbare Urteilsregel fehlt. Die Legitimität der einen Argumentation schlösse nicht auch ein, daß die andere nicht legitim ist. Wendet man dennoch dieselbe Urteilsregel auf beide zugleich an, um ihren Widerstreit gleichsam als Rechtsstreit zu schlichten, so fügt man einer von ihnen Unrecht zu […].« Blickt man auf die heutigen politischen Diskurse, die mit dem von Jürgen Habermas seinerzeit mit guten Gründen formulierten idealisierten Programm des rationalen Diskursverfahrens nachgerade inkompatibel erscheinen, sind solche Vorschläge geradezu von erschreckender Aktualität. Lyotard gab die faktenbasierte Ordnung keineswegs auf, vielmehr verlangte er von den Menschen ein hohes Maß an Selbstverantwortung, statt ihre Lebensentwürfe an die vermeintliche Sicherheit eines ideologischen Sinngebildes, eines sich perpetuierenden Narrativs, zu delegieren. Demokratie sei eine Organisationsform für den Dissens und nicht für einen von Lyotard als latent totalitär gebrandmarkten Konsens. Philosophie und Politik sollten sich als Anleitungen verstehen dafür, mit dem Widerstreit heterogener Diskursformen zu leben, nicht – gemäß dem jahrhundertealten Selbstverständnis der Philosophie: der

4.6.ff. Engelmann 1990, 7

der Widerstreit

Lyotard 1979, 39

Lyotard 1983, 9

248

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Lyotard 1987, 26

Engelmann 1990, 8

Habermas 1985a

Adorno 1966a, 45

Lyotard 1983, 12

Welsch/Pries 1991, 4

Suche nach Einheit – diese aufzuheben. Hinter den eben erwähnten rationalen Gesellschaftstheorien vermutete Lyotard einen verkappten Einbruch des Religiösen. Die Motivation für das Ganze scheint auch in der die Aufklärergeneration umtreibenden Frage nach der Möglichkeit von Kunst nach Auschwitz gelegen zu haben. Es ging – mit Adorno gesprochen – um den Vorwurf, dass die in einer mythen- und religionsbasierten instrumentellen Vernunft stets präsente Gewalt durch die verordneten metaphysischen Versöhnungskonstruktionen nur scheinbar beseitigt wird. Kaum je haben philosophische Erzählungen der Vielheit und den Widersprüchen eine so deutliche Vorrangstellung eingeräumt, wie das bei Lyotard geschah. Zusammen mit der ähnlichen Ambition bei Derrida gilt dies als Markenzeichen der Postmoderne, obwohl in Wahrheit die Postmoderne hier nichts weiter tat, als der aufklärerischen Spur der Moderne zu folgen. Daher verstand Lyotard postmodern nicht unbedingt als Gegenbegriff zur Moderne, sondern eher – analog zur Bedeutung des Nicht-Identischen bei Adorno – als dessen Speerspitze: »So gesehen bedeutet der Postmodernismus nicht das Ende des Modernismus, sondern dessen […] permanente Geburt.« Peter Engelmann unterschied zwischen dem Begriff und den Werten der Moderne (Aufklärung, Humanismus, Emanzipation). Folgt man dieser Terminologie, kann der Begriff der Postmoderne »als Versuch zur Realisierung der Inhalte der Moderne« verstanden werden. Die Rezeption dieses »Post-Begriffs« lief jedoch in eine ganz andere Richtung, wie ich in 4.6.f. ausführlicher darstellen werde. Lyotards Beendigung der Verbindlichkeit der Erzählungen öffnete scheinbar einen Raum für ein buntes Spiel von Diskursen. In Literatur, Architektur und Kunst wurde die Gleichwertigkeit von Hoch- und Trivialkultur zelebriert. Der fehlende ordnende Metadiskurs verleitete die Kritiker rasch zur Diagnose einer »neuen Unübersichtlichkeit«. Das Problem des Kontrollverlustes über Gedanken, wenn man sie von Ordnungsrastern befreit, hatte hellsichtig bereits Adorno erkannt: »Gegens Risiko des Abgleitens ins Beliebige ist der offene Gedanke ungeschützt: nichts verbrieft ihm, ob er hinlänglich mit der Sache sich gesättigt hat, um jenes Risiko zu überstehen.« Lyotard griff in mehreren Publikationen, darunter vor allem in Le Différend, in die entgleisende Rezeption ein. Er beklagte die »›Theorie‹-Müdigkeit und die elende Erschlaffung, die sie begleitet (Neo-dies, Neo-das, Post-dieses, Post-jenes).« Auf der Suche nach einem Kontext, in dem sich die Intention seines Widerstreits buchstabieren ließ, stieß Lyotard auf die Kunst und das Ästhetische. Dieser Kontext erhielt eine Markierungsfunktion für die Inkommensurabilität verschiedener Diskurse, sei es jener von Geschmack und Gefühl oder jener von Moralität und Politik: »Man könnte die Kunst geradezu als eine Art Schulungsfeld in Sachen Pluralität betrachten. An ihr läßt sich lernen, daß Pluralität das Gegenteil von Beliebigkeit bedeutet, daß es vielmehr darauf ankommt, jeweils der Spezifität der unterschiedlichen Paradigmen und ihrer eigentümlichen Gestaltungslogik Rechnung zu tragen.« Im 1974 erschienenen Buch Économie libidinale setzte Lyotard das Genre der Kunst mit einer üppigen Bildersprache gegen die Repräsentationstheorie der alten Rationalität ein. Lyotard baute dabei – ein wenig an Nietzsche erinnernd – auf Freud

249

Moderne und Postmoderne

in der Brechung des Anti-Ödipus (1972) von Deleuze und Guattari. Der statische Begriff wird dekonstruiert durch das alte Konzept der Entgrenzungen durch Sexualität, Rausch, Wahn. »Intensivierung« stand dabei sozusagen gegen Affirmation und Sicherung durch die Institution. Zwar exerzierte Lyotard das vordergründig am Kapitalismus, aber er öffnete zugleich ein Feld für die Kunst: Zerstörung des Sinns und einer vermeintlich eindeutig enkodierbaren Repräsentation, Entgrenzungen statt Eindeutigkeit der Identität, Ende der Form zugunsten der Darstellung des Undarstellbaren. Aus diesem Interesse ließ sich die zeitgenössische Kunst als Sondierungs-, Explorations- und Unterwanderungsinstrument des Sinnes zum Einsatz bringen. Das vielleicht interessanteste Kapitel dazu schrieb Lyotard 1991 in einer Rückwendung zu Kants Kritik der Urteilskraft und dem darin traktierten Thema des Erhabenen: Die Analytik des Erhabenen. Er griff mit ausdrücklichem Rückgriff auf Burke, Boileau und Longinus die lange Tradition dieses Begriffs auf und interpretierte das Erhabene von der poststrukturalistischen Seite her als Erfahrung von Differenz und Widerstreit. Auf diese Weise diente neben dem Widerstreit selbst die unauslotbare Abgründigkeit des Erhabenen als eine weitere Spitze gegen die metaphysischen Systeme. Lyotard trieb Kants Gedanken vom Übersteigen des Fassungsvermögens der Vernunft weiter und sah im Erhabenen die Möglichkeit der Darstellung des Nichtdarstellbaren. Sein Blick richtete sich dabei auf das Materielle unter Verzicht auf die Form. Genau das fand er in der zeitgenössischen Kunst. Eine der Vorbedingungen dafür war der Rückgriff seines Ästhetikbegriffs auf die alte Bedeutung der Aisthesis. Denn die Ästhetik des Nichtdarstellbaren war zugleich ein Kapitel einer Wahrnehmungslehre. »Indem die Kunst sich dem Undarstellbaren zuwendet, problematisiert sie die Wahrnehmung.« Das Erhabene wird derart zu einer Demarkationslinie zwischen Ästhetik und Anästhetik oder auch zwischen ernsthafter Postmoderne und modischem Postmodernismus. Zum Unterschied von Kant, für den das Erhabene ein subjektives, durch Natur­ erscheinungen ausgelöstes Gefühl war, trat das Erhabene hier an die Stelle des Versöhnung imaginierenden Schönen wie die Materie an jene der Form und markierte damit das Unvereinbare und Inkommensurable. An den Grenzen der Diskursarten, wo ein Widerstreit auftritt, weil es keine diesen Sprachspielen übergeordnete und sie schlichtende Metasprache mehr gibt, kommt es zum Ereignis des Unerwarteten: eben des Erhabenen. Diese Grenzlinie zwischen Sprache und Außersprachlichem hatte bei Michel Foucault eine deutlich buntere Ausstattung. Im Erleben des Erhabenen gedenkt die abendländische Systemmetaphysik sozusagen ihrer Widersprüche, welche Voraussetzung für die Systembildung waren, während die Widersprüche jetzt wie bei Adornos negativ gewendeter Dialektik ein aufklärerisches Potential erhalten. In der zeitgenössischen Kunst hatte Lyotard namentlich die Arbeiten Barnett Newmans im Blick. Über die Semantik von »Transzendenz« bei Newman, die viel eher als profane Expression, also immanent zu verstehen ist, wird an anderer Stelle berichtet. Vorweg kann man jedenfalls darauf hinweisen, dass bei Lyotard, der mit Enthusiasmus die alten Erzählungen eliminierte, ein Sprechen von Transzendenz kaum angemessen sein kann: »Horizontalität und strikte Immanenz bei Adorno ste-

4.5.6.

Analytik des ­Erhabenen

VII.6.3.3.

Welsch/Pries 1991, 9

4.5.3.

5.2.1./X.2.2.3.

250

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Welsch 1990, 147

Newman 1990, 179

VII.6.3.3.

Lyotard 1991, 89/90

Lyotard 1982, 200 zeitgemäße ­Erinnerungskultur

Lyotard 1988, 143/145 5.2.1.

Ebd., 165

hen Motiven von Vertikalität und Transzendenz bei Lyotard gegenüber.« Wolfgang Welsch räumt (als kritische Bemerkung zu Martin Seel) immerhin ein, dass man Lyotard keine »Anbetung des Numinosen« unterstellen darf. Trotzdem hält er am Begriff der Transzendenz für das Undarstellbare fest. Newman gab in einem Aufsatz für die Zeitschrift The Tiger’s Eye, den er 1948 publizierte, The Sublime is now, über den Sinn der Kunst Auskunft: »Wir bekräftigen unser natürliches menschliches Verlangen nach dem Erhabenen, nach absoluten Emotionen. […] Anstatt Kathedralen aus Christus, dem Menschen oder dem ›Leben‹ zu machen, schaffen wir die Bilder aus uns selbst und aus unseren eigenen Gefühlen. Das Bild, das wir hervorbringen, ist das Selbstverständnis einer Offenbarung, einer realen oder konkreten; […].« Lyotard beschränkte sich bei der zeitgenössischen Kunst freilich nicht auf die ungegenständliche Kunst, vielmehr sondierte er – in Fortführung der zwei Arten des Erhabenen bei Kant – zwei Ästhetiken: eine »figurale Ästhetik des ›Vielzuviel‹, die den Begriff überfordert und wo »durch eine Überfülle von ›Bildern‹« ein »Taumel der Begeisterung (délire)« herrscht, und eine »abstrakte oder minimale Ästhetik des ›Beinahe-Nichts‹, die die Form überfordert.« Bei der ersten Ästhetik führt ein exzessives Spiel der Einbildungskraft mit Formen und ästhetischen Ideen zum Versagen der begrifflichen Rekognition. Man darf dabei an Manierismus oder den Barock denken. Die zweite Ästhetik bildet den Rahmen für die erwähnte Darstellung des Undarstellbaren, was nun allerdings offenbar nur im Formlosen gelingen kann. Die erhabene Malerei vermeide alles Gegenständliche, sie sei »›weiß‹ wie ein Quadrat von Malevitsch, sie würde nur sichtbar machen, indem sie zu sehen verbietet […].« Lyotard legte aus der Ästhetik Kants theoretische Muster vor, wie eine zeitgemäße Erinnerungskultur, also eine ästhetische Darstellung des Undarstellbaren, auszusehen hat. Die Darstellung des Undarstellbaren wäre nur bei Werken möglich, die keinen Repräsentationscharakter besitzen, somit auf nichts außerhalb des Werkes verweisen. »Ein Bild von Newman hat nicht das Ziel zu zeigen, daß die Dauer über das Bewußtsein hinausgeht, sondern es will selbst Ereignis (occurence) sein, der Augenblick, der geschieht.« Lyotard geht in diesem Punkt ausdrücklich auf Barnett Newman ein. Die Botschaft seiner Kunst ist »die Präsentation, aber von nichts, das heißt von der Präsenz.« Newmans Bilder stellen nichts dar, was außerhalb ihrer Erscheinungen stünde. Das ist der große Unterschied zur Ikone, in deren Tradition sich die Maler des Abstrakten Expressionismus gerne stellen. Es stellt ihre eigene Präsenz dar und da sich diese eigene Präsenz erst im (erhabenen) Gefühl der Betrachterin erschließt, gibt es hier tatsächlich eine Parallele zur Ikone, aber auf einer rein immanenten, selbstreferentiellen Ebene. Daher widerspricht auch Lyotards Konnotation des Mystischen dem Gesagten nicht, die durchklingt, wenn er The Sublime is now nicht mit Das Erhabene ist nun, sondern mit Nun, das ist das Erhabene übersetzt haben will. Übersetzt in eine postmoderne Philosophie, die nach Welsch aus dem Geist der modernen Kunst (mit ihrer Pluralität) entstanden sei, heißt das, dass nicht mehr wie bei Adorno das Scheitern, die Male der Zerrüttung, moderne Kunst ausmachen, sondern dass in postmodernem Umfeld die Möglichkeiten der Sprachspie-

251

Moderne und Postmoderne

le des Pluralismus entscheidend sind. Die Kunst bewahrt ihm die »Koexistenz des Heterogenen […] Während Chronos seine Kinder frißt, bleiben die Töchter der Kunst am Leben.«

Welsch 1989, 144

4.5.3. Michel Foucault Der 1926 in Poitiers geborene Philosoph, Historiker und Psychologe Michel Foucault lehrte an mehreren französischen Universitäten und arbeitete an verschiedenen Kulturinstituten. In den Literaturwissenschaften wird er als Begründer der Diskursanalyse gehandelt, ohne dass er selbst Literaturtheorie betreiben wollte. Es geht nach ihm nicht wie in der klassischen Hermeneutik um die Suche nach dem (verborgenen) Sinn eines Textes, sondern um die Untersuchung der Struktur, wo sich Bedeutung allenfalls aus Differenzen generiert. Was die Kunst betraf, war Foucault an Malerei und Literatur interessiert, weniger an der Musik. Er hinterließ aber kaum Äußerungen kunstphilosophischer oder ästhetischer Art. Auf die Kunst griff er bisweilen allenfalls zur Illustration philosophischer Thesen zurück. Mit René Magritte unterhielt er einen Briefwechsel, der zur Studie Dies ist keine Pfeife (1968) geführt haben soll. In der Philosophie warf man Foucault Zersetzung der Weltbilder und damit die Aushöhlung gesellschaftlicher Orientierung vor. Diese Kritikfigur, die sich sowohl gegen Aufklärung als auch gegen die Postmoderne richtet, trifft im Grunde eigentlich zu, denn in der Tat ging es wie bei Lyotard um das Ende der Systemphilosophien. Sein kongenialer Biograph Paul Veyne fasste dies so zusammen: Foucault »ist ein entfernter Nachfahre der Aufklärung und ein Schüler des freidenkerischen Nietzsche, des Verfassers der Morgenröthe und der Fröhlichen Wissenschaft. Er analysiert die Irrtümer, Illusionen und Trugbilder mit einer Klarheit, die vernichtend ist.« Foucault hatte vier Illusionen im Visier: »die Adäquation, das Universale, das Rationale und das Transzendentale.« Aber er machte das nicht im Kontext klassischer linker Kritik. Wie viele andere hatte sich auch Foucault mit einem heftigen Bruch von seinem dogmatisch-linken Engagement verabschiedet. Mag sein, dass in dieser Enttäuschung eine Motivation lag, die der sogenannten Neuen Philosophie (Nouvelle Philosophie) im Frankreich der Siebzigerjahre zu ihrem raschen, wenngleich kurz dauernden Erfolg verhalf. Der Rahmen, in dem Foucault arbeitete, war der Strukturalismus, auch wenn er sich gegen eine solche Einordnung zur Wehr gesetzt hat. Foucault, dessen Vorlesungen im Collège de France gesellschaftliche Ereignisse waren, war trotz dieser Etikettierung keineswegs unpolitisch. Im Gegenteil: Die Verabschiedung der alten Erzählungen war nicht Selbstzweck, sondern diente dazu, die Kritikfigur zeitgemäß weiter zu entwickeln. Verstand Kant seine kritische Philosophie als Begrenzung der Vernunft auf Gegenstände möglicher Erfahrung, ging es Foucault um Begrenzung politischer Macht. In der Spur der Dialektik der Aufklärung von Horkheimer und Adorno machte Foucault die Spannung zwischen Freiheitsrechten und Disziplinierungstechniken ebenso zum Thema wie die Pluralität der Rationalitätsformen und Geschichten (anstelle einer homogenen Geschichte).

Burtscher-Bechter Beate in Sexl 2004, 257–266

632 JMichel Foucault (1997)

Veyne 2009b, 145/102

Habermas 1985b, 302f

Lemke 2010

252

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Geschichte von Ordnungen

Thurnwalder 2011, 47

Sexualität und Wahrheit

Foucault 1976, 120/125

Ebd., 149

Im Sinne der Strategie des Strukturalismus ersetzte Foucault die Geschichte einzelner Ideen durch eine Geschichte von Ordnungen des Denkens und der Machtverhältnisse, durch – wie er es nannte – Dispositive. Die darin implizierte Rückstufung des Subjekts als Zentrum des sprachlichen und geschichtlichen Sinns lief bei Foucault aber nicht – wie sonst im Strukturalismus üblich – auf sprachlicher Ebene, sondern über den Körper. Der Körper steht in der langen Protestlinie gegen die Dominanz der Rationalität in der Philosophie, die von Diogenes aus Sinope über die materieorientierte Mystik des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit bis zu Schlegels Roman Lucinde und zur Body Art des 20. Jh.s reicht. »Foucaults Theorien über den Körper und die Diskursivierung des sexuellen Begehrens dienen daher auch als wesentliche Grundlage seiner Subjektkritik.« Foucault entfaltete die Themenfelder von Macht, Sexualität und Körper in seinem dreibändigen Werk Sexualität und Wahrheit (Histoire de la sexualité; 1976–1984). Es handelt sich nicht um eine Geschichte der Sexualität, sondern um die Untersuchung der diskursiven Praktiken um die Sexualität. Abseits von den in diesem Kontext üblichen Repressionsthesen ging es Foucault – eher gegenläufig und kontrafaktisch – darum, zu zeigen, dass Sexualität durch die ständige Produktion von vermeintlich vernünftigen und wissenschaftlichen Diskursen domestiziert wurde. Er sah im 18. Jh. ein Ende der Verzichtsmoral und die Entdeckung seiner Ausstattung mit Körper und Sexualität durch den Menschen. Dagegen sei postwendend in der Gesellschaft ein ganzes Sexualdispositiv erstellt worden, um den sexualisierten Gesamtkörper zu regulieren. Foucault hielt den Umgang mit dem Körper, einschließlich der psychoanalytischen Variante, für ein gesellschaftliches Machtspiel. »Der Sex ist das spekulativste, das idealste, das innerlichste Element in einem Sexualdispositiv, das die Macht in ihren Zugriffen auf die Körper, ihre Materialität, ihre Kräfte, ihre Energien, ihre Empfindungen, ihre Lüste organisiert.« Diese Machttheorie grundierte Foucaults Kritik der Logozentrik, die er – politisch aufgeladener als Derrida – als Kritik an der Macht institutionalisierter Vernunft las. Körper und Sexualität sind mithin immer mit Geschichten und Diskursphänomenen durchsetzt. Dieses Gebilde nannte Foucault ein »Dispositiv« und unterschied es von Formationsregeln traditioneller Diskurse. Diese Ebene der Diskurse kann nicht auf einen übergeordneten Standpunkt überstiegen werden. Diese Nähe zur antimetaphysischen Position des Strukturalismus war bei Foucault nach vielen Beobachtern nicht völlig stabil. Unter dem Einfluss Nietzsches lässt sich ein metaphysischer Kern des Denkens und des Willens zur Wahrheit identifizieren. Ähnlich wie bei Bataille gab es an dieser Stelle den Versuch, sich an die Grenze der Sprache vorzuwagen und sich der jenseits davon dräuenden Leere auszusetzen. Bataille mobilisierte hier die Überschreitung und den Exzess, während für Foucault die Sprache eine unüberwindbare Grenze setzt und mit dem Aporetischen spielt. Bereits in dem 1961 erschienenen Werk Wahnsinn und Gesellschaft (Folie et déraison), vordergründig eine Studie zur Geschichte der Psychiatrie, das Foucault den philosophischen Durchbruch brachte, ging es um die Deutung des Wahnsinns

253

Moderne und Postmoderne

als Gegenphänomen zur Vernunft. »Wie R. Barthes nach dem Nullpunkt der Literatur, so fragt Foucault nach dem Nullpunkt einer Geschichte des Wahnsinns.« Die üblichen Kategorien Geisteskrankheit und Wahnsinn seien nach Foucault nichts anderes als eine Ausschließung von etwas Verfemtem und Heterogenem durch die institutionalisierte Macht subjektiver Vernunft. In diesem Sinn hat Foucaults Philosophie eine erhebliche wissenschaftskritische Komponente, insbesondere was die »Wissenschaft vom Menschen« betrifft, da es kein Gebilde des Menschen gibt. Demgegenüber lösen die »Gegenwissenschaften« Psychoanalyse, Ethnologie und Linguistik das Subjekt auf. Die Auseinandersetzung mit der Institution der Psychiatrie lieferte Foucault die Metapher der geschlossenen Anstalt. Sie gehört als »anderer Ort« (griech. hetero-topos) zu den Orten für Extremsituationen und Orten, die abseits der üblichen Logik des Funktionierens stehen. Solche Nicht-Orte kehren in vielen Varianten bei Marc Augé oder bei Michel de Certeau wieder. Naturgemäß verbirgt sich darin ein Impuls für Soziologie und Architektur, wie Foucault durchaus bewusst war. Zentrales Motiv all dieser Überlegungen war Foucaults wichtigster Begriff bei seinen geschichtsphilosophischen Analysen: jener der Macht. Da die gesellschaftliche Macht die Revolte von 1968 überlebte, muss nach Foucault ihre Verfassung wesentlich komplexer sein, als man dies in der neomarxistischen Analyse vermutete. Der Mensch ist nach Foucault ein Lebewesen, das einer alle Lebensbereiche durchdringenden Macht unterworfen ist, sich dagegen zwar auflehnen, aber sich davon nicht erfolgreich befreien kann. Das eigentlich subversive Potenzial gegen diese Macht sah er im Wahnsinn. Wie Platon in seinem Phaidros vermutete auch Foucault hinter der Maske des Wahnsinns eine Wahrheit, die gleichsam von der reglementierenden Vernunft kaserniert wurde, die man aber zum Sprechen bringen könne. Ähnlich wie einer seiner Lehrer, Gaston Bachelard, beschrieb er in Die Ordnung der Dinge (Les mots et les choses. Une archéologie des sciences humaines; 1966) und der Archäologie des Wissens (L’Archéologie du savoir; 1969) die abendländische Denkgeschichte als Ablösung von epistemologischen Ordnungen hin zur Diskontinuität. Geschichte wird nicht von autonomen Subjekten gemacht, sondern ist die Abfolge von Strukturen und Diskursen. Sie ist »eine dezentrierte, zerstreute, geteilte und differenzierte Menge von Ereignissen, für die verschiedene Regeln zuständig sind.« Konnte in den alten kosmologischen Weltbildern die Ordnung der Dinge noch durch Abbildungsähnlichkeiten aufrechterhalten werden, haben sich seit dem 17. Jh. die Zeichen von den Dingen getrennt. Sie wurden arbiträr und in einer Ordnung einander zugeordnet. Indem Foucault das Denken aus der »transzendentalen Unterwerfung« befreien wollte, tat er das unter den Bedingungen des Strukturalismus, und sowohl Bedeutung als auch Subjekt wurden verabschiedet. Mag sein, dass Foucault, wie die meisten Historiographen meinen, den »Tod des Autors« und des Künstlersubjekts niemals revidiert hat. Allerdings gibt es eine späte Wende zum Subjekt, die Philipp Sarasin mit Foucaults Erfahrungen in Zusammenhang bringt, die er in den Siebzigerjahren in Teheran angesichts der islamischen Revolution machte, wo er vom Aufstand der Subjekte gegen den Machtapparat tief beeindruckt war. Für die Thematisierung des Subjekts diente ihm abermals die ars

Waldenfels 1987, 518

Foucault 1984b Macht und ­Wahnsinn

Waldenfels 1987, 530

das Subjekt

Sarasin, 2005

254

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

III.2.5.2.

Foucault 1981/82, 16

Früchtl Josef in ÄKPh, 287

Schmid 2004, 184 VIII.2.2.2. Schmid 1987, 109

erotica. Aber diesmal nicht, um institutionelle Machtstrategien gegen die Sexualität aufzudecken, sondern um die Sexualität gegen die Machtstrukturen ins Feld zu führen. Sexualität und Lust sollen eine Identität des Subjekts durch Überschreitung zum Anderen konstituieren. Dieses Feld fand Foucault in der Philosophie als Lebenskunst der griechischen Antike, genauer in den hellenistischen Philosophenschulen, die er – nicht frei von Idealisierungen – nahezu kritiklos rezipierte. Der größere Zusammenhang ist, dass aus Foucaults Sicht die antike Praxis der Selbstsorge durch das cartesianische Paradigma ersetzt wurde. Der wichtigste Terminus dazu war die schon existenzialistisch klingende Sorge um sich selbst (epimeleia heautou). Er begann seine einschlägigen Vorlesungen am Collège de France 1981 mit diesem Programm: »Die Frage, die ich in diesem Jahr behandeln möchte, lautet: Zu welcher geschichtlichen Gestalt haben sich im Abendland die Beziehungen dieser beiden Elemente, ›Subjekt‹ und ›Wahrheit‹, die üblicherweise nicht Gegenstand der historischen Praxis oder Analyse sind, verknüpft? Ausgehen möchte ich dabei von einem Begriff […]: die ›Sorge um sich selbst‹.« Um die Praktiken der Individuen, sich selbst zu achten und sich als Subjekte des Begehrens anzuerkennen, geht es im zweiten Teil der Archäologie des Wissens (Der Gebrauch der Lüste). Abseits von einem Moralsystem der Gebote und Verbote werden Sexualität und Lust im Rahmen von ethisch problematisierten Praktiken beschrieben und bilden eine Ästhetik der Existenz. »Mit Hilfe gewisser ›Selbsttechniken‹ versuchen die Subjekte demnach, aus ihrem Leben eine Art Kunstwerk zu machen.« Ähnlich wie Bataille sah auch Foucault in der Rolle der Sexualität ein Verhältnis des Subjekts zur Wahrheit, einer Wahrheit freilich, die einer Philosophie der Differenzen entspringt. Nicht eine Philosophie des cogito kommt dabei heraus, sondern eine Kunst des existo, einer »heimatlos gewordenen philosophischen Lebenskunst.« Gegen die bereits erwähnte Hygienevorstellung am Beginn der Neuzeit, der sterilen entzaubernden Rationalisierung, könnte man in Lust und Sexualität – wie oben angedeutet – die Auferstehung des Körpers als postmodernes Konzept der Philosophie sehen.

4.5.4. Georges Bataille Georges Bataille schrieb in seinem originellen Œuvre ein Kapitel der Vernunftkritik. Schon früh mit dem Werk Nietzsches vertraut, wurde der 1897 in Billom (Auvergne-Rhône-Alpes) geborene Philosoph vom französischen Schriftsteller und Ethnologen Michel Leiris in den Kreis der Surrealisten eingeführt, denen er allerdings nur lose verbunden blieb. Dort interessierte ihn das Heterogene, das, was das gesellschaftlich Normierte überformt: das Rausch- und Traumhafte oder das, was sich dem Subjekt im Moment des Erschreckens offenbart. Dabei ging es ihm um das ästhetische und das soziale (bei den Außenseitern der Gesellschaft) Element. Mit Breton trübte sich das Verhältnis bald ein. Später wandte sich Bataille der Geistesgeschichte, Ethnologie und der Kunst zu und entfaltete eine rege publizistische Tätigkeit. Unter den zahlreichen Zeitschriftenprojekten, an denen er beteiligt war, waren die Künstlerzeitschrift Documents (1929–1931) und das berühmte, 1946 von ihm selbst

255

Moderne und Postmoderne

gegründete Organ Critique, in dem unter anderem Derrida, Foucault, Barthes und Maurice Blanchot publizierten. Seine frühe marxistisch dominierte Sicht auf die Vernunftphilosophie und die Gesellschaft wich einer breiter unterlegten Analyse. Bataille interessierten die dionysischen, bacchantischen Züge eines orgiastischen Willens zur Macht. Ähnlich wie Nietzsche sah er darin die durch die Rationalität verdrängten Bereiche des Menschen, die nur mehr negativ, in den Tabus, anwesend sind: der nackte Körper, der Leichnam, Kannibalismus, Menstrualblut, Inzest. Diese in der Kultur weitgehend ausgerotteten heterogenen Kräfte erscheinen nicht wie bei Nietzsche oder Heidegger als mystischer Horizont der Hoffnung oder als Geschick. Sie entladen sich unkontrolliert. Solche Entladungen sah er in diversen Kunstgestalten, etwa in Picassos Auflösung der Form, was er als »Zersetzen des Denkens« empfand. Schließlich übt der Gedanke »über den Menschen die gleiche erniedrigende Gewalt wie das Geschirr übers Pferd: ich kann schnauben, ich kann röcheln: trotzdem gehe ich nach rechts und nach links […]. Von Mogeleien abgesehen, deckt sich das menschliche Leben stets mehr oder weniger mit dem Bild des zum Exerzieren befohlenen Soldaten. Die plötzlichen Umstürze, die großen Wahnsinnstaten eines Volkes, die Aufstände, die ungeheuren Metzeleien der Revolutionen geben einen Begriff von den unvermeidlichen Kompensationen.« Was Bataille hier in einem Beitrag in den Documents formulierte, war Kritik an den unterdrückenden Aspekten der Vernunft. Zum Unterschied von Heidegger ging es Bataille nicht um eine neue und ausgreifende Fundierung, sondern um Dezentrierung, um Einforderung des im klassischen Diskurs Übersehenen und Verdrängten. »Hier müssen sich jene verschütteten, wegrationalisierten Erfahrungen identifizieren lassen, die die Ausdrücke des ›Seins‹ und der ›Souveränität‘ mit Leben erfüllen können.« Dieses Andere der Vernunft soll der Moderne gleichsam ihre blinden Flecken aufzeigen. In La part maudite (Der verfemte Teil; 1949) verwies Bataille gegen die Ökonomie der Knappheit auf die Ökonomie des Überschusses, wie sie in Wahrheit von der Natur praktiziert wird. Wie die Sonne unbeschränkte Energie spendet, rahmt der Überschuss das Leben zwischen der grenzenlosen Verschwendung von Fortpflanzung und Tod geradezu ein. Aber nicht nur in der Natur, auch in der menschlichen Gesellschaft herrschen Formen der Verschwendung: Unfälle, Katastrophen, Kriege passen nicht zur bürgerlichen Ökonomie vermeintlicher Knappheit – obwohl alle diese (auch destruktiven) Ereignisse in unserer realen Wirtschaft durchaus gepflegt werden. Solche Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden – Bataille nennt sie »verfemte Teile« – werden nämlich in das Bruttosozialprodukt von Staaten hineingerechnet und können daher als eigentliche Grundlage der Kultur angesehen werden. Bataille schrieb letztlich auch ein Kapitel über die verschwenderische Ökonomie der scheinbar zwangsläufig auf Populismus und Quote ausgerichteten Demokratie, wenngleich seine Inspirationsquelle die marxistische Analyse der Verwertung von Überschusskapital war. Ohne der Anarchie das Wort reden zu wollen, optierte er für das Unmaß und den Rausch als Bedingung für das Wiederfinden des Menschen in seiner Souveränität. Vernunfttheoretisch ist dieser verfemte Teil das Andere der

Bataille, zit. HW, 589

Habermas 1985b, 127

256

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Bataille 1957, 10

Vernunft und durch die Entgrenzung des Selbst im Überschwang ein Gewinn für das Ich. Inwieweit es reine Verschwendung unabhängig von Zweckrationalität und Machtanspruch überhaupt gibt, ist eine philosophische Frage, die im Umkreis von Batailles Œuvre zu stellen, für unser Thema aber weniger von Interesse ist. Souverän sein bedeutet dabei das nutzlose Verzehren in allem, was gefällt, sei es unproduktiver Konsum, erotischer oder religiöser Exzess. In Der heilige Eros (1957) sezierte Bataille eine Analogie zwischen religiösen Opferhandlungen und dem Sexualakt. Er findet ein (schon im Surrealismus beackertes) Feld von Ekel, Entsetzen, Sadismus – eine Ästhetik des Schreckens. Widerwille und Abscheu verschmelzen beim religiösen Opfer und beim Geschlechtsakt mit Verlangen, Entzücken und Gier. Darin erschließen sich Orte, in denen das Subjekt von seiner Ichbezogenheit weg zu einer »Kontinuität des Seins« gelangt. Gegen diesen Exzess richten sich die domestizierenden und ordnenden Kräfte der Moral, gegen die er mit dem Werk Atheologische Summe (1954–1961) polemisierte. Es ist ein Aufbegehren gegen den Gott der Philosophen und – auch auf dem Feld der Religion – ein bei Pascal anknüpfendes Plädoyer für die Leidenschaft und die sprachliche Ergriffenheit an Stelle der theologischen Knappheit.

4.5.5. Jacques Lacan

Sexl Martin in Sexl 2004, 83

Pagel Gerda in ÄKPh, 479

Jacques-Marie Émile Lacan, 1901 in eine streng katholische Familie in Paris hineingeboren, mutierte von einem Jesuitenschüler zu einem enfant terrible der Philosophenszene, der dieses Image ausdrücklich pflegte. Zu dieser Selbstvermarktung gehörte, dass er manche seiner eigenen Aufsätze als unlesbar qualifizierte – ein unschätzbarer Trost für die bisweilen überforderte Leserin. Von Hause aus Neurologe, Psychiater und Psychoanalytiker, der Bücher über Paranoia und Narzissmus schrieb, wurde er zu einem Magneten der Intellektuellenszene in Paris, vor allem für die Surrealisten. Salvador Dalí, der sich mit Lacan angeregt austauschte, machte die Einsichten der Psychoanalyse in seiner Kunst fruchtbar. Lacan entzifferte das Unbewusste, indem er »Freud unter den Vorzeichen des linguistic turn« las, als Sprache. Diese »Sprache« bildet keine Ideen oder Dinge ab, sondern die Bedeutung ergibt sich aus der Stellung der Zeichen im Gesamtsystem und zwar nicht durch Repräsentation einer Wirklichkeit außerhalb der Zeichen, sondern durch Differenz dieser Zeichen. Das stellt Lacan in den poststrukturalistischen Kontext. Gegenüber Saussures Koppelung von Signifikat und Signifikant in einer Struktur sei es vielmehr so, dass der Signifikant kein Signifikat repräsentiert, sondern in diesem Sinne »bedeutungs-los« bleibt. Zeichen repräsentieren keine Sache (im Sinne einer Bedeutung), sondern eine Differenzbeziehung zu anderen Zeichen. Angewandt auf die Kunst heißt das, dass Kunst keine Repräsentation ist, nichts erzählt, keinen »Sinn« vermittelt, sondern »›differentielle Artikulation‹, in der der Sinn – das Signifikat – immer ein nachträgliches Produkt darstellt, das aus der Bewegung und Wirksamkeit des Signifikanten hervorgeht.« Auch die »Sprache« des Unbewussten bleibt einem kontrollierenden Zugriff des Subjekts entzogen. Dennoch wirken ihre Effekte auf das Subjekt. An die Stelle

257

Moderne und Postmoderne

der absoluten Selbstversicherung eines transzendentalen Subjekts tritt ein Ich, das sich gleichsam im Spiel mit dem Spiegelbild befindet, ähnlich wie der Identifikationsprozess eines Kindes mit seinem zunächst als anderes seiner selbst wahrgenommenen Spiegelbild. Für Lacan gilt: »Das Kind wird dann zu einem sozialen Subjekt, wenn es sich von der Mutter löst und Sprache erlernt, wenn es sich in die symbolische Ordnung, in das ›Gesetz des Vaters‹ einfügt.« Was sich konstituiert, ist ein begehrendes und ein in den Differenzen der Signifikanten flanierendes, dezentriertes Subjekt, aber nicht eines, das sich auf einen rationalen, zielgerichteten Reflexionszirkel stützen kann. Das Subjekt verliert durch das psychoanalytische Besteck, mit dem ihm Lacan zu Leibe rückt, seine Homogenität und Souveränität durch die Instanz des unkontrollierbaren Begehrens. Dies führt zu einer Spaltung des Subjekts, die sich auch in der Spaltung des Blicks fortsetzt: »[…] ich sehe nur von einem Punkt aus, bin aber in meiner Existenz von überall her erblickt.« Lacan pflegte einen angeregten Gedankenaustausch mit Merleau-Ponty. Dessen Reflexionen über Auge und Blick erfuhren bei Lacan eine neue Ordnung. »Der Mensch sieht sich auf eine primordiale Weise angeblickt. Es wäre, im Sinne Lacans, völlig mißverständlich, wenn man Sehen, Wahrnehmung oder Auge mit dem Blick gleichsetzen würde. […] Das Subjekt wird unter dem Blick selbst zum tableau, in das sich verschiedenste Sichtbarkeiten einschreiben können.« Dieses Modell der Blickverschränkung als Teil der conditio humana hat Konsequenzen für den künstlerischen Akt. Bei diesem funktioniert das alte Schema, eine Idee im Material umzusetzen, nicht mehr. Der künstlerische Akt unterliegt vielmehr denselben Einschränkungen wie das Subjekt als Ganzes. Zum Wesen des künstlerischen Aktes gehört gleichsam seine Gebrochenheit. Es gibt weder eine eingrenzbare und identifizierbare Autorin, noch einen entsprechenden Rezipienten. Lacan rekonstruierte das durchaus als eine Ordnung im Sinne von Derridas Textbegriff, der Kunst, Literatur, Mythen gleichermaßen umfasst. Daher markiert auch diese Strategie eine symbolische Ordnung im Sinne Cassirers und stiftet Kultur an der Stelle einer bloßen Natur. Das dezentrierte Subjekt, dem keine Realität und keine Repräsentation mehr möglich sind, steht einem Kunstwerk gegenüber, das nicht »verstanden« werden kann, sondern das betroffen macht. Das ist zugleich eine Version einer ästhetischen Erfahrung, die nur so lange funktioniert, solange ein Verstehen misslingt. Die Auflösung der alten hermeneutischen Struktur erforderte das Ersetzen des alten Begriffsreservoirs wie Sinn oder Verstehen. Lacan griff dazu in einem psychoanalytischen Kontext (im Gefolge von Lévi-Strauss ist für Lacan das Unbewusste strukturiert wie eine Sprache) auf die Begriffe der Metapher und Metonymie zurück. Die Metapher (Freud sprach von Verdichtung) ist eine Stilfigur auf der paradigmatischen Sprachebene. Es geht um assoziative Ähnlichkeitsrelationen und um bildliches Sprechen (»Feuer der Liebe«). Die Metonymie (Freud sprach von Verschiebung) ist auf der syntagmatischen Ebene zu verorten, auf der Ebene von Zeichenkombinationen. Die Metonymie ersetzt den »eigentlichen« Ausdruck durch einen anderen, der zum ersetzten in einer Beziehung steht (»Lacan lesen«; »das Stadion tobt«).

Sexl Martin in Sexl 2004, 183

Lacan, zit. nach Boehm 1994, 23 3.5.2.

Boehm 1994, 23

3.3.1.

X.1.4.f.

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ohne an dieser Stelle auch nur einen Blick auf die umfangreiche Metapherntheorie zu werfen, sei festgestellt, dass bei Lacan die beiden Stilfiguren der Metapher und der Metonymie zu verschwimmen scheinen. Sie sind schlichtweg ein Ausdruck für die Signifikantenverschiebung in Lacans Sprachphilosophie und gelten damit ganz allgemein für das Genre der Kunst im Sinne des oben Gesagten. Darüber hinaus werden Metapher und Metonymie Lacans auch gerne für eine kunstphilosophische Beschreibung mancher Kunstformen wie Kubismus und Surrealismus eingesetzt.

4.5.6. Gilles Deleuze und Félix Guattari VII.2.2.1.

Vogl Joseph in ÄKPh, 200

Ebd., 201

Auf den 1925 in Paris geborenen Philosophen Gilles Deleuze wurde bereits im Hinblick auf seine originelle Leibniz- und Barockdeutung verwiesen. An dieser Stelle geht es um seine Einordnung in die poststrukturalistische Philosophie. Sein philosophisches Suchen begann mit der Beschäftigung mit David Hume, über den er 1953 sein erstes Buch (Empirisme et subjectivité) verfasste. Der Empirismus begleitete Deleuze bis in die Ästhetik, die für ihn eine Wissenschaft des Sinnlichen war und er genau darin ihre Stärke sah. Empirie verstand Deleuze, mit starken Anklängen an Michel Foucault (mit dem er eine Nietzsche-Ausgabe besorgte), als nicht durch Begriffe vollständig einholbar. Eine empirische Ebene bleibt vielmehr durch ihre Kontingenz grundsätzlich offen. Der durch die Versuche Alexander Baumgartens, Ästhetik als Aisthesis zu rekonstruieren, aufmerksame Blick erkennt hier eine ähnliche Bemühung, das Sinnliche in seiner Eigenheit zu retten, ohne die kreative und konstruktive Rolle des Denkens (etwa im Sinne einer vulgärmaterialistischen Position) aufgeben zu müssen. Seine Theorie des Sinnlichen zeigt gleichsam den Weg »von einem ›sentiendum‹, von etwas, das nur empfunden werden kann und vom empirischen Standpunkt aus zugleich das Unsinnliche ist, zum ›cogitandum‹, das gedacht werden muß, zum Denken nötigt und dennoch undenkbar bleibt.« Damit wäre Heterogenität und Pluralität gewonnen, zugleich die Repräsentation aufgelöst und dennoch das Denken nicht verloren. Gemeinsam mit dem 1930 in Villeneuve-les-Sablons geborenen Psychoanalytiker Félix Guattari, mit dem er die wichtigsten Schriften verfasste, versuchte Deleuze diese Sinnverschiebung – durchaus auf den Spuren Jacques Lacans – in Mille plateaux (1980), dem zweiten Band von Capitalisme et schizophrénie, kritisch zu rekonstruieren. Sprache erschöpft sich danach nicht in den Regeln der Alltagssprache. Sie bildet nicht ab, sondern bezieht sich stets im Sinne des Poststrukturalismus auf die Differenz zu anderen Zeichen – das passiert fragmentiert gleichsam auf tausend Plateaus. Auch hier verliert die Sprache ihre Rolle als mächtiges Verfügungsinstrument von Subjekten. Sie wird unabschließbar und prozesshaft: »So vollzieht die literarische Schreibweise keine Mimesis, sondern eine Pluralisierung der Zeichenformen selbst, die nicht nur verschiedene Interpretationsweisen provozieren, sondern die Intentionalität des Subjekts selbst hintergehen (Proust et les signes).« In manchen neueren Philosophen, unter ihnen Kierkegaard und Nietzsche, sah er ein Ende einer auf Repräsentation der Zeichen beruhenden Philosophie zugunsten eines philosophischen Theaters, in dem Schwingungen, Rotationen, Tänze den Geist unmittelbar berühren.

259

Moderne und Postmoderne

Die Vorstellungen werden noch angereichert durch psychoanalytische Aspekte, die auf die Brüchigkeit des Individuellen verweisen. Deleuze und Guattari prägten dazu die berühmt gewordene Metapher vom Rhizom. Es ist das Bild eines Wurzelgeflechts, das unter der sichtbaren Oberfläche wuchert und sich in stets verändernden Vernetzungen organisiert. Die Metapher steht gleichsam gegen den in tiefen Gründen wurzelnden und hierarchisch wachsenden Baum einer cartesianischen Rationalität. Im Buch Tausend Plateaus unterscheiden die Autoren einen nomadischen glatten Raum, die ebene Fläche und das offene Meer, vom gekerbten Raum, Ort dauerhaften Wohnens und Siedelns. Rhizomartig sind auch unterirdische libidinöse Strömungen. Diese beschrieben Deleuze und Guattari in L’Anti-Œdipe (1972), dem zum Bestseller gewordenen ersten Band von Capitalisme et schizophrenie. Das Rhizom wird konsequent auch gegen die Buchmetapher, die im späten Mittelalter und in der Neuzeit als die Wissensmetapher schlechthin fungierte, in Stellung gebracht. An die Stelle einer rationalen hierarchischen Logik tritt Vernetzung und schleifenartige Rekursivität. Vielleicht waren es die Gedanken über das Rhizom, die Guattari in einer späten Schrift (Vers une ère post-média; 1990) anregten, über Medien nachzudenken. Mit feinem Gespür sagte er die Ablösung der »Hypnotik« des Fernsehens durch eine interaktive Vereinigung von Fernsehen, Telematik und Informatik voraus. »Mit diesem Text schrieb Guattari ein Manifest für den Medienaktivismus der 1990er-Jahre und danach; für Hacker, Open-Source-Verfechter und aktivistische Netzkünstler.« Ein treffendes Beispiel dafür ist der amerikanische Künstler Mark Lombardi. Er ließ sich in seiner Arbeit von der Rhizomidee leiten. Auf der Grundlage ausufernder Recherchen fertigte er großformatige Grafiken über internationale Verflechtungen des Finanzkapitals, von mafiösen und terroristischen Netzwerken an. Am bekanntesten wurde die Arbeit BCCI-ICIC & FAB (1972–1991) über die pakistanische Bank BCCI, die in alle möglichen kriminellen Machenschaften verstrickt zu sein schien. Die Arbeit hatte nicht nur eine ästhetische Komponente, sondern auch eine derart explorative Kompetenz, dass eine Mitarbeiterin des FBI einige Wochen nach dem Terror­ anschlag auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001 das Whitney-Museum in New York aufsuchte, um etwas über die globalen Geldflüsse des Terrornetzwerks zu erfahren. Das Panorama (in der Tat verwies Lombardi in einem unveröffentlichten Manuskript neben der Nähe zum Poststrukturalismus auch auf die Tradition des Panoramas) entfaltet seine Macht »nicht anhand von Einzelinformationen, sondern als Zeugnis der politisch-ökonomischen Realität globaler Machtverhältnisse, asymmetrischer Konflikte, und von Skandalen im Zeitalter des Spätkapitalismus.« Das Interesse von Deleuze an der Kunst bezog sich – kaum überraschend – auf jene Aspekte, die von jeder Repräsentation frei sind. Das bezog sich keineswegs, wie man meinen könnte, nur auf gegenstandslose Kunst, sondern auf jene, die zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion changiert. Es sollten sozusagen der Malakt, die Farbe, Form und Figuration noch erkennbar sein, um Dekonstruktion und Dynamik überhaupt sichtbar zu machen. Deutlicher als in der bildenden Kunst lässt sich das im Film aufzeigen, mit dem sich Deleuze ausführlich beschäftigte (Das Bewegung-Bild. Kino I, 1983; Das

Cramer 2016, 61

Irrgang/Hoppenstedt 2016

260

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Zeit-Bild. Kino II, 1985). Kino und Film seien eine philosophische Praxis und die Regisseurin eine Philosophin, die mit Bildern statt mit Sprache arbeitet, wobei die Praktiken der Montage und des Schnitts anstelle der Linearität der Sprache ideale Möglichkeiten für Konstruktion und selbstbezügliche Dynamik bieten. Abbildeffekte und Erzählgestus werden durch das Spiel mit der Zeit überholt. Wie in VII.2.2.1. ausführlicher dargelegt, übte die Verbindung des Denkens von Leibniz mit dem Barock eine besondere Faszination auf Deleuze aus. Er übernahm die Barockdeutung des Kunsthistorikers Henri Focillon in einem sehr weiten Sinn und sah im Barock einen Anwendungsfall für seine philosophische Position. Das Thema Barock rollte er von der Falte (Le pli) her auf. Die »barocke Falte« wurde ihm gleichsam zu einem Passepartoutbegriff für schöpferisches Chaos und Ordnung, für Übergänge und Überschneidungen, die sich nicht nur in der (vornehmlich barocken) Kunst, sondern auch in den Wissenschaften (darunter vor allem Chaosforschung, Katastrophentheorie, Kybernetik samt Anregungen aus der Theoriendynamik eines Gaston Bachelard) finden lassen. Weit mehr als bloße Ornamentfigur definiert diese Falte eine spezifische Weise des Denkens.

4.6. Die Postmoderne

4.7.4.

Frank 1984, 7

Die in den letzten Kapiteln behandelten Positionen vorwiegend französischer Philosophie, die unter dem Dach des Strukturalismus und Poststrukturalismus firmieren, gelten gemeinhin als postmodern. So gesehen sind Lévi-Strauss’ Strukturalismus, Derridas Dekonstruktion, die Barocktheorie von Deleuze oder die Posthistoire Jean Baudrillards postmoderne Positionen. Das ist freilich begrifflich äußerst unpräzise und trägt zur Verunklärung des Terminus Postmoderne in erheblichem Ausmaß bei. Begrifflich sauberer wäre es, bei den Bezeichnungen der französischen Philosophie zu bleiben, denn der Ausdruck postmodern hat eine längere Vorgeschichte und eine spezifische Bedeutung, die bei aller Nähe keineswegs völlig deckungsgleich mit Strukturalismus oder Poststrukturalismus ist. Weshalb es zu diesem Durcheinander der Begriffe gekommen ist, ist nicht mehr einfach zu rekonstruieren. Vielleicht ist einer der Gründe dafür tatsächlich das von Manfred Frank in den Achtzigerjahren des 20. Jh.s konstatierte stockende »inter-kulturelle[n] Gespräch« jenseits einer bloß sentimentalen Verklärung »eines wirtschaftlich-politischen Zweckbündnisses« der deutsch-französischen Freundschaft, nicht zuletzt angesichts der damaligen Dominanz der angelsächsischen Analytischen Philosophie. Die Autorinnen, die sich als erste im deutschen Sprachraum mit dem Phänomen der Postmoderne beschäftigt haben, waren Wolfgang Welsch mit seinem verdienstvollen Buch Unsere postmoderne Moderne (1987), der darin vor allem die Postmoderne in dem in diesem Kapitel gemeinten Sinn beschrieb, Manfred Frank mit seinen Vorlesungsnachschriften Was ist Neostrukturalismus (1983), der dabei den Schwerpunkt auf die französischen Schulen legte, Christine Pries als Herausgeberin und Übersetzerin von Quellentexten und Jürgen Habermas mit einer kritischen Abrechnung mit der Postmoderne in seiner Adorno-Preis-Rede von 1980 (Die Moderne – ein unvollendetes Projekt). Während Manfred Franks Meinung zur Postmoderne in der Folge eher kritischer

261

Moderne und Postmoderne

geworden ist, ist Habermas’ Stellung zur Postmoderne ambivalenter. Er befürchtete eine Liquidation der Vernunft und des vernünftigen Argumentierens – darin sah er eine Renaissance des Neokonservativismus – und versuchte demgegenüber, seine Modernekonzeption stark zu machen. Dazu brachte er das Konzept der »kommunikativen Vernunft« gegen den Ausstieg der Postmoderne aus der Subjektivitätsphilosophie in Stellung. Eigenartig bleibt dabei, dass sich Habermas zwar mit Nietzsche und Heidegger, mit Adorno und Foucault, also mit Positionen, die nur teilweise als postmodern bezeichnet werden können, auseinandersetzte, aber nicht mit Lyotard, der wiederum kaum Habermas’ Postmodernedeutung entspricht: »Lyotards Denken ist ersichtlich weder vernunftfeindlich noch irrational noch subjektphilosophisch noch neokonservativ.«

4.6.1. Die Theorie der Postmoderne Wolfgang Welsch ortet das erste Auftreten des Begriffs postmodern bereits um 1870 beim englischen Salonmaler John W. Chapman, der einen postmodernen Malstil propagierte, womit er die Überwindung des französischen Impressionismus beabsichtigte. Rudolf Pannwitz gebrauchte den Begriff in seinem kulturphilosophischen Werk Die Krisis der europäischen Kultur (1917). Ganz im Gefolge von Nietzsches Übermenschidee wurde dort der »postmoderne Mensch« als Lösung eines negativ gesehenen Weltalters der Krise propagiert. Federico de Onís benannte mit postmodernismo eine von 1905 bis 1914 reichende kurze Phase einer rückwärtsgewandten Korrektur der hispano-amerikanischen Dichtung des modernismo, die von einem ultramodernismo (1914–1932) nochmals überboten worden sei. In den lateinamerikanischen Ländern stand der Ausdruck modernismo für Romantik und Symbolismus. Er ist daher nicht vergleichbar mit dem Modernebegriff in dem hier gemeinten Sinn. Arnold Toynbee schließlich nannte in seiner Study of History (1947) die Phase der Kultur nach 1875, gemeint: nach dem Übergang von nationalstaatlichem zu globalem Denken, postmodern. Solche eher verwaschene Epochenkartierungen finden sich auch in der Soziologie. Der amerikanische Soziologe deutscher Herkunft Amitai Etzioni sprach in den Sechzigerjahren von der postmodernen Gesellschaft. Er meinte damit, dass Technologien weniger zu einer Steigerung der technischen Kultur führen als vielmehr zu deren Relativierung und Pluralisierung. Besser als postmodern träfe solches der Ausdruck postindustriell. Postmodern (im Sinne Lyotards) zu nennen wäre am ehesten Etzionis Bekenntnis zu einem pluralistischen Werteprofil. Der unscharfe Begriff wurde schließlich in den Literaturwissenschaftsabteilungen einiger amerikanischer Universitäten auf die gegenwärtige Bedeutung hin zugespitzt. Die amerikanischen Literaturwissenschaftler Irving Howe und Harry Levin bezeichneten eine Konsolidierungsphase nach der großen Literatur der Moderne mit T.S. Eliot, Ezra Pound und James Joyce mit dem Ausdruck postmodern. Schwang hier noch ein tendenziell negativer Unterton mit, wandte sich das bei Leslie Fiedler zu einer positiven Bewertung. Er nahm nicht mehr Maß an der klassischen Moderne, sondern feierte die Überschreitung der traditionellen Grenzen zwischen Hoch-

Welsch 1987a, 164

262

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Cross the Border – Close the Gap

Fiedler, zit. nach Welsch 1988, 59

Jencks 1987, 22

4.6.2. Verabschiedung der Erzählungen

und Massenkultur. 1968 hielt Fiedler an der Universität Freiburg einen Vortrag mit dem Titel Cross the Border – Close the Gap, in dem er das Ende der Moderne und den Beginn der Postmoderne ausrief. Im gleichen Jahr erschien eine überarbeitete Version in Christ und Welt und ein Jahr später im Playboy. Die zwei doch ziemlich inkommensurablen Erscheinungsorte waren vielleicht ganz bewusst im Sinne des Titels gewählt. Der Aufsatz gilt als Inauguration des Postmodernebegriffs in der Literaturdebatte und gehört neben Lyotards Das postmoderne Wissen zu den Gründungstexten der Postmoderne. Die neue Kritik soll ästhetisch und poetisch in Form und Inhalt sein, aber auch »komisch, respektlos und vulgär.« Neben Lyotards Pluralisierungs- und Widerstreitthese gehört die Gleichwertigkeit von Hoch- und Trivialkultur zum Kodex der Postmoderne, was – wenn man das Programm verkürzt auffasst – nicht unbedingt dazu angetan war, eine Trivialisierung der Postmoderne hintanzuhalten. »Eine solche Vermischung von Kategorien und Genres wurde zum Stil der Postmoderne der 70ger Jahre in allen Kunstbereichen. In diesem Zeitalter des Eklektizismus wurde die Vergangenheit konsultiert (und geplündert), liebevoll wiederbelebt (und verspottet). Es war oft schwierig zu sagen, ob der Künstler oder der Architekt einen ernsthaften Versuch unternahm, Traditionen zu kombinieren, ob er sie kritisch gegenüberstellte oder ob er einfach nur verwirrt war.« Der postmoderne Roman sollte, dem Gleichklang von U- und E-Kultur entsprechend, eine Mehrfachkodierung aufweisen. Dafür wird häufig Umberto Ecos Im Namen der Rose genannt und Eco teilweise in die Postmoderne eingemeindet. Ihab Hassan, ein amerikanischer Theoretiker der Postmoderne, schrieb 1971 den Essay POSTmodernISMUS, eine parakritische Bibliographie. Er gilt vielen als Namensgeber, obwohl er keine weitere Bestimmung der Postmoderne nachlieferte. Sein Beitrag beschränkte sich auf einen Vergleich der neuen Medien mit der Gnosis. Dies deshalb, weil seiner Meinung nach die gegenwärtigen Informationstechnologien Materie wieder in den Geist auflösen. Zudem hielt er James Joyce’s Finnegan’s Wake für ein Initialwerk der Postmoderne. Auch in der Architektur gibt es ein Beispiel, das als ideale Umsetzung der Postmoderne gilt: James Stirlings Stuttgarter Staatsgalerie, worauf zurückzukommen sein wird. Ab 1979 prägte die Postmodernedeutung Lyotards die Diskussion und seine Vorgaben, die Verabschiedung der philosophischen System-Erzählungen zugunsten radikaler Pluralisierung, das Ende des Ideals des Konsenses zugunsten des Widerstreits, wurden neben der Verwischung von Hoch- und Trivialkultur zu den Leitplanken der einschlägigen Diskussion. Von ihrem Selbstverständnis her musste die Postmoderne vermeiden, eine Epoche auszurufen, denn damit hätte sie den von ihr kritisierten Fehler der Moderne wiederholt. Das ist der Grund, weshalb es so viele Vorschläge gibt, die Moderne an einzelnen Kennzeichen postmodern zu korrigieren. Um diese Korrekturambition nachvollziehen zu können, muss man erkunden, gegen welche Moderne die Postmoderne sich eigentlich richtete. Nach den üblichen philosophischen Kriterien wäre auf die Instrumentalisierung der Vernunft zu verweisen, wie man sie im Anschluss an die Vorgaben etwa der Bauhaus- und Werkbundbewegung erleben

263

Moderne und Postmoderne

musste. Die Kritik richtete sich gegen die Eindimensionalität der Moderne, ihren rationalen Universalismus, dem aus postmoderner Sicht geradezu totalitäre Züge inhärieren. Die Postmoderne ist damit vernunft- und subjektkritisch, verabschiedet beides aber nicht völlig. Um die Postmoderne zu rechtfertigen, musste man die Moderne jedenfalls äußerst zuspitzen, »in der Einseitigkeit ihres technokratischen Fortschrittsdenkens, im Rigorismus und Monopolismus ihrer funktionalen Doktrin, in ihrem Widerspruch von Dekret und Praxis […].« Und man musste vor allem der Moderne ihren stets beanspruchten Selbstkorrekturmechanismus absprechen. Charles Jencks brachte die kritische postmoderne Sicht auf die gealterte Moderne so auf den Punkt: »Genau der Erfolg der Moderne als Stil und Ideologie, ihre Übernahme bürokratischer Machtstrukturen und ihre fatale Ausrichtung auf das Modernisierungsprogramm machten sie moralisch schwach und ästhetisch langweilig. Die moderne Bewegung, die in den 20er Jahren radikal, kritisch und lebendig gewesen war, war nun von der Pax Americana und vom gemeinsamen Leben hinzugewählt worden. Die Architektur dieser Zeit macht diesen Kompromiß deutlich sichtbar: mit Walter Gropius, der das brutal kommerzielle Pan-Am-Gebäude in New York entwirft, Le Corbusier, der am laufenden Band grobe unmenschliche Wohneinheiten für West-Berlin und andere heikle Orte produziert, und den Nachfolgern Mies van der Rohes, die in jeder westlichen Stadt das Äquivalent zur Madison Avenue erbauen.« Die große Ambition vieler Autorinnen war es, die Postmoderne – über eine bloße Zeitdiagnose hinaus – als kritische Korrektur der Moderne zu verstehen. Postmoderne plädiert für Offenheit, Pluralität, Mehrfachkodierung und Resemantisierung und nimmt massiv die Ausstattung des (eher neuzeitlichen als explizit »modernen«) Subjekts ins Visier. Was bei Descartes als Befreiung von das Subjekt unterdrückenden Strukturen gedacht war, erschien inzwischen als Anmaßung einer Sinnsetzung durch das Subjekt selbst. »Wie sehr Kunst und Architektur der Postmoderne noch den Schmerz enthalten, das ›Projekt der Moderne‹ nicht ungebrochen fortsetzen zu können, hätte als eine der Voraussetzungen exemplarischer Werke der Postmoderne erkannt werden müssen. Daß diese den Bruch nicht freudig zelebrierten, sondern als Brechung ästhetisch zum Thema erhoben haben, ist eines ihrer besonderen Merkmale.« Den eigentlichen Durchbruch in einer größeren Öffentlichkeit erlebte der Begriff Postmoderne auf dem Gebiet der Architektur. Sporadisch tauchte der Begriff bereits vor den Siebzigerjahren auf, etwa bei Joseph Hudnut, der 1949 über »the post-modern house« schrieb, ohne dass klar geworden wäre, was er darunter verstand. Der Architekturtheoretiker Nikolaus Pevsner verwandte den Begriff polemisch gegen Abweichler von der modernen Architektur. Die interessantere Karriere machte der Begriff hingegen in seiner positiven Verwendung. Charles Jencks wurde mit seinem 1977 erschienenen Werk The Language of Post-Modern Architecture zum wichtigsten Theoretiker der postmodernen Architektur. Dem war bereits 1975 der Aufsatz The Rise of Post-modern Architecture vorausgegangen. Jencks übertrug das von Fiedler formulierte Bekenntnis zur Mehrfachkodierung und zur Auflösung des Gegensatzes von Hoch- und Tri-

2.2.8.

Welsch 1987a, 101

Jencks 1987, 17 kritische Korrektur der Moderne

Klotz 1994, 11

Welsch 1987a, 18 Mehrfach­ kodierung und ­Resemantisierung

264

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Jencks 1977, 6f

Jencks 1987, 7

VII.7.1.

vialkultur in die Architektur. Die Architektur der Moderne sei elitär und es gelte, »eine verständlichere Sprache zu verwenden, einen lokalen und traditionellen Symbolismus.« Wichtig sei, lokale Traditionen zu betonen und das »Banner des […] ›kritischen Regionalismus‹« hoch zu halten. Damit war ein Grundsatz formuliert, den viele Architekten und Architekturtheoretiker aufnahmen. Einerseits ging es nun darum, die globale Einseitigkeit der modernen Architektur, ihre Neigung zum geometrischen Universalismus und die damit verbundene semantische Einförmigkeit, ihr rationalistisches Einerlei, den Verlust sozialer Kommunikationsfähigkeit und auch die ökologische Problematik der großen Glasbauten (so z.B. Paolo Portoghesi) zu kritisieren und es durch ein Bekenntnis zum Formenreservoir der Geschichte, zur regionalen Erkennbarkeit und eben zur Doppelsprachigkeit elitär-trivial zu ergänzen. Andererseits barg das die Gefahr eines oberflächlichen Eklektizismus der Beliebigkeit. Ihr ist postmoderne Architektur auch häufig erlegen und hat einen negativen Gehalt des Begriffs hervorgerufen. In einem großangelegten Überblickswerk über die gesamte bildende Kunst und Architektur (Post-Modernism; 1987) arbeitete Jencks klassizistische Strömungen in der bildenden Kunst und Fundamentalismus, Historizismus und Eklektizismus in der Architektur heraus. Es geht hier also nicht um eine der ständigen Reflexion des Vernunftbegriffs vergleichbare Ambition, auch nicht um Verabschiedungsgesten gegenüber der Metaphysik im Sinne Heideggers oder Nietzsches, sondern um die Formulierung einer Alternative, durchaus auf der Grundlage der Vernunft, ja sogar des alten Humanismus. Postmoderne, so Jencks, sei eben keine bloße Negation der Moderne, sondern ein »Neuverspinnen dieser Tradition mit Strängen des westlichen Humanismus.« Dieses Neuverspinnen blieb nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten, wenn es um die konkrete Umsetzung ging. Denn der Spagat zwischen hochartifizieller dekonstruktivistischer Lektürepraxis und einer sich in manchem Architekturtraktat nahelegenden Kritik des rationalen Universalismus könnte größer nicht sein. Die Postmoderne schien den im aufklärerischen Universalismus zu Ironikern und Zynikern Gewordenen gleichermaßen ein Refugium zu bieten wie den sich vor dieser Kulisse als entwurzelt und heimatlos Empfindenden. Sie bot dem sophistischen »alles fließt« einen Echoraum – genauso wie dem Ruf »Zurück zur Natur«, den Rousseau gegen Voltaire anstimmte. Beides wollte sich nicht als Prägung der Postmoderne durchsetzen, sodass die einen die Postmoderne verabschiedeten und eine »Zweite Moderne« (Ulrich Beck) oder eine »Moderne nach der Postmoderne« ausriefen (Odo Marquard), um wieder in sichere Gewässer der Aufklärung einzubiegen, während andere im Schutz eines anfangs tadellosen Brandings Postmoderne zu einem Crossover verkommen ließen, von Hotelarchitektur im Tiroler Almhütten-Stil verbunden mit Tempelsäulen und Aphroditestatuen im Spa-Bereich. Insofern ist die Überlegung nicht von der Hand zu weisen, den Postmodernebegriff zugunsten der präziseren Bezeichnungen Strukturalismus, Poststrukturalismus, Dekonstruktion, Dekonstruktivismus aufzugeben. Eine unmissverständliche Charakterisierung des Begriffs ist nie wirklich gelungen.

265

Moderne und Postmoderne

4.6.2. Postmoderne Kunst und Architektur Auf der theoretischen Ebene vermag man den Absichten der postmodernen Autorinnen aus Philosophie, Kunst und Architektur weitgehend zu folgen. Viel schwieriger indes ist die Identifizierung von postmoderner Kunst und Architektur. Der Kunstkritiker Craig Owens sieht in seiner Theorie der Postmoderne (The Allegorical Impulse: Toward a Theory of Postmodernism; 1980) die Eigenheit der postmodernen Kunst darin, »ihre eigene Kontingenz zu erzählen, ihre Insuffizienz und ihren Mangel an Transzendenz.« Eine solche Formel, die an die moderne Ästhetisierungswende bei Hegel erinnert, ist ähnlich schwammig wie die Beschwörung von Pluralismus und Mehrfachkodierung, die eigentlich in verschiedenen Genres der Kunst, beispielsweise in der Literatur, auch abseits postmoderner Vorstellungen, zum Qualitätsstandard gehört. Dennoch setzt Wolfgang Welsch mit Blick auf Lyotards Widerstreits- und Pluralisierungsthese vor allem auf diese Mehrfachkodierung in allen künstlerischen Genres. Auf Ecos Im Namen der Rose als literarisches Idealbeispiel wurde ebenso bereits hingewiesen wie auf das Beispiel aus der Architektur, James Stirlings Neue Staatsgalerie in Stuttgart. Stirling, der – ähnlich wie Frank Lloyd Wright – gegen die »Schachtelform« des Wohnhauses zu Felde zog, beklagte, dass die »Kastenarchitektur [hat] mehr als alles andere die Städte nach dem Krieg zerstört« hat, Stirling habe in Stuttgart demgegenüber eine »Kommunikation von Gegensätzen mit Erläuterungen, Ironisierungen und Widerstreit« gebaut. Der Bau sei »eklatant polyglott; er verwendet allenthalben verschiedene Kodes: traditionelle und moderne, konstruktivistische und darstellende, elitäre und populäre.« Schließlich betreibe Stirlings Galerie diese Pluralisierung ernsthaft und sei deswegen das Gegenbeispiel zur unernsten verspielten Variante, wie Welsch sie in Charles Moores Piazza d’Italia in New Orleans erkennt, die er als »Italoburger mit Hollywood-Dressing« verspottet. Hanno-Walter Kruft gab noch vor Welsch den Tonfall vor und sprach von einem »dreidimensionale[n] Werk der Pop Art, das sich als Architektur ausgibt.« Dass Charles Jencks ausgerechnet dieses Beispiel dagegen als »das wirklich ›große Denkmal‹ der Postmoderne bezeichnet, zeigt das Fehlen auch nur einigermaßen akzeptierter Identifikationsmerkmale von postmoderner Architektur. Idealerweise geht es also um »Mehr-Sprachigkeit, nicht Applikations-Unwesen und Zitate-Salat […].« Dass Charles Moore eine Breitseite der Ablehnung erfährt, ist insofern pikant, als er ehrenwerte theoretische Überlegungen anstellte. In dem mit dem Bildhauer Kent C. Bloomer verfassten Werk Body, Memory, and Architecture (1977) beschreiben die Autoren eine am Menschen orientierte Architektur, wie sie in der Renaissance so meisterhaft vorformuliert worden war. Das Buch ist geradezu eine Anthropologie und M ­ oore plädiert für eine Rückgewinnung von Architektur für die Menschen, ihre Erinnerungen und ihre Gefühle: »The feeling of buildings and our sense of dwelling within them are more fundamental to our architectural experience

Owens, zit. HW, 1309 Pluralisierung

2.3.3. Stirling, zit. nach Ta­schen/Taschen 2016, 604 Welsch 1989, 147 Welsch 1987a, 21

Welsch 1989, 147 Kruft 1985, 514 Jencks 1977, 133 Welsch 1987a, 105

633 Piazza d’Italia von Charles Moore; New Orleans

266

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Moore, zit. nach Kruft 1985, 513

Klotz 1994, 128

Ebd., 130 Robert Venturi

5.3.1.

than the information they give us.« 1976 publizierte Moore zusammen mit Gerald Allen das Buch Dimensions. Space, Shape & Scale in Architecture. Darin lässt sich jener spielerische Umgang mit Architekturzitaten herauslesen, den er – offenbar auch angeregt durch die Villa Hadriana in Tivoli – in der Piazza d’Italia schließlich rea­ lisierte. Die vielleicht entscheidende Scheidelinie scheint zu sein, wie »wörtlich« man die historisierenden Zitate nimmt. Heinrich Klotz spricht von einem Atavismus, »wenn Kritiker die historisierenden Formen Moores und Venturis wörtlich nehmen […].« Die historisierenden Zitate kamen ins Spiel, um einen gesichtslosen Funktionalismus zu überwinden und um – so Heinrich Klotz – erstmals den Ernst der Architektur zu brechen, weil sie sich von jedem Repräsentationsbedürfnis von Auftraggebern befreite. Für das Publikum indes seien die historischen Formen ihres ursprünglichen Sinnes längst beraubt. Ob nur ein Rückgriff auf historisierende Elemente Architektur aus einem ästhetisch blinden Funktionalismus führt, ist freilich mehr als fragwürdig: »Aus dem Bauwerk nicht nur ein Behältnis der Funktionserfüllung zu machen, sondern es als Medium fiktiver Darstellung ästhetisch bedeutsam werden zu lassen, gelingt auch ohne den Rückgriff auf historische Vorgaben.« Der führende postmoderne Architekt und Architekturtheoretiker Robert Venturi wiederum streicht die Komplexität der postmodernen Architektur gegenüber der Einfachheit der Moderne heraus. Einfachheit bedeutet für ihn Universalismus, Rationalität, strenger Funktionalismus. Komplexität wiederum bedeutet vor allem, dass Architektur wieder eine Sprache (eben war vom Ideal der Mehrsprachigkeit die Rede) zu sprechen habe. Das Remedium gegen Funktionalismus hieß im Kontext der Postmoderne Resemantisierung. Dass auch Architekten der Moderne dem Funktionalismus zunehmend kritisch gegenüberstanden, verwischt die Abgrenzung von moderner und postmoderner Architektur erheblich. Robert Venturi wird deshalb neuerlich Thema sein, wenn es um die Kritik am Funktionalismus vonseiten der Moderne geht. In der postmodernen Funktionalismus-Verabschiedung wurde dieser gleichgesetzt mit sozialer Unverträglichkeit. Der »offizielle« Beginn der postmodernen Architektur hatte genau mit diesem Tatbestand zu tun. 1972 erfolgte die Sprengung der von Minoru Yamasaki 1955 gebauten modernistischen Wohnanlage Pruitt-Igoe in St. Louis (USA) wegen Unbewohnbarkeit. Einzelne Architekten griffen solche Erfahrung auf und entwarfen – mit dem Anspruch einer Soziologie und Anthropologie – Musterbücher einer Besinnung auf die Grundlagen der Architektur und des Bauens. Darin beschrieben sie das, was sie für unabänderliche anthropologische Konstanten des Bauens hielten. Christopher Alexander, der in der Architektur mit der Entwicklung von Entwurfsmustern die Architektursoftware vorbereitete, schrieb 1977 A Pattern Language. A Timeless Way of Building. Das Buch erhielt große Aufmerksamkeit, den Geist progressiver Modernität atmet es kaum. Ähnlich wie Jencks Beharren auf einer Sprache der Architektur leisteten solche Ambitionen einem Historismus, damit einer Regression der Architektur, durchaus Vorschub. Denn jede Erzählung bedeutet Fiktion und dreht das Entfiktionalisierungsprogramm der Moderne geradewegs wieder um. Die

267

Moderne und Postmoderne

Schwierigkeit war, zwischen der Geschichtslosigkeit des Funktionalismus auf der einen und einer historisierenden Regression auf der anderen Seite die rechte Mitte zu finden. Solches scheint in theoretischer Absicht dem norwegischen Architekturtheoretiker und Architekten Christian Norberg-Schulz (Genius Loci; 1982; Vom Sinn des Bauens; 1979), auch unter modernen Vorzeichen betrachtet, ebenso gelungen zu sein wie beispielsweise dem Wiener Hans Hollein in der Praxis des Bauens. Holleins berühmte Geschäfte (Schullin, Retti) in der Wiener Innenstadt erregten seinerzeit ebensolches Aufsehen wie sein Haas-Haus am Stephansplatz, in dem sich der romanisch-gotische Dom wunderbar spiegelt. Das in Mönchengladbach 1982 realisierte Museum Abteiberg Holleins löste (zum Unterschied von Stirlings Museum in Stuttgart, das ein Solitär blieb) eine neue Sicht auf Museumsbauten aus. Der Bau selbst wurde zu einem sprechenden Kunstwerk, eine postmoderne architecture parlante gewissermaßen, die viele Nachfolger fand, auch außerhalb enger postmoderner Ambition. Eine nochmals eigene Richtung ist jene, die von der dekonstruktiven Lektürepraxis in Philosophie und Literatur im Gefolge Derridas beeinflusst war, der Dekonstruktivismus. Er soll im Kontext der zeitgenössischen Architekturströmungen im Kapitel 5.3.2. vorgestellt werden. Es liegt vermutlich an der kaum lösbaren Identifikationsmöglichkeit von postmoderner bildender Kunst, dass dort der Begriff postmodern vernachlässigbar ist. Jede in diese Richtung ambitionierte Bewegung lässt sich unschwer in die bunte Vielfalt der modernen Malerei und Skulptur einordnen. Gelegentlich spricht man im Zusammenhang mit der vom italienischen Kunsttheoretiker und Kurator Achille Bonito Oliva 1979 geprägten Bezeichnung Transavantgarde für eine Gruppe von italienischen Künstlern, die sich hemmungslos aus dem Reservoir der Moderne bedienten, von postmoderner Kunst. Ausgehend von Joannis Kounellis zeichnete sich diese Gruppe durch einen Eklektizismus aus, der mythologische und heroische Stoffe kitschig und verrätselt in klassischer Tafelbildmalerei präsentierte. Die Vertreter setzten sich bewusst von rationalen Strömungen wie der Konzeptkunst oder der Minimal Art ab. Sie setzen sich aber auch von dem in der Moderne und vor allem in der Avantgarde üblichen sozialen Anspruch auf Gesellschaftsutopie ab, weil – so Oliva – Kunst keine Versöhnung bringe, sondern eine »Produktion von Differenzen« sei. Zur Qualität dieser Kunst gibt es zurückhaltende Kommentare: »Die Diskrepanz zwischen grandiosem Anspruch und bescheidenem Ergebnis stellt eines der auffallendsten Merkmale der transavantgardistischen und ganz allgemein aller postmodernen Kunst dar«, meine etwa Sandro Bocola, der der Postmoderne jede gestaltende Innovationskraft abspricht. Aber – wie die Topographie der Moderne lehrt – auch solche Kunst gehört in den weiten Rahmen der Moderne. Charles Jencks, der sich nicht scheute, ein großes Buch über die postmoderne Malerei zu schreiben, tastete sich dabei an klassizistischen Formen entlang und versammelte einen bunten Reigen von Strömungen der bildenden Kunst unter der Überschrift Postmoderne, was nichts daran ändert, dass »die Postmoderne in der Kunst eine diffuse Serie von Trends blieb, […].« Ganz anders Robert Venturi, der beim Manierismus Maß nahm, zu dem er auch Michelangelo zählte. Allerdings woll-

architecture parlante

bildende Kunst

Oliva, zit. nach Welsch 1987a, 24

Bocola 1994, 585

Jencks 1987, 26

268

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

VI.8.0.f.

Maiorino 2001, 368/370

Holzwarth Hans Werner in Holzwarth/Taschen 2016, 610ff

4.3./6.2.1.

te er dabei nicht wahrhaben, dass der Manierismus immer noch von einem zugrundeliegenden Ordnungsraster geprägt war, das es zu konterkarieren galt. »Die michelangeleske Komplexität war zweifelsohne ideologisch fundiert und wohldurchdacht. Venturi dagegen sah aufgrund seiner neomanieristischen Geisteshaltung auf dem Kapitolshügel manieristische Gesten.« Venturi neigte sich dann aber dem Gewöhnlichen zu, »es war ein unverblümt populärer lower class-Neomanierismus, der da im Kielwasser der Popkultur auftauchte.« Gerne werden Künstlerinnen, die sich Einordnungen in die üblichen Kunstströmungen widersetzen, als postmodern abgelegt, seien es Cindy Sherman, Martin Kippenberger, Julian Schnabel, ja auch Anselm Kiefer, Andreas Gursky, Damian Hirst, Neo Rauch, Ai Weiwei. Ein gemeinsames Charakteristikum dieser Positionen lässt sich nicht wirklich finden. Als solches gilt manchmal ein Spiel mit Vergangenheit und Erinnerung, wie man das im weitesten Sinn bei Jeff Koons verorten könnte, oder Postmoderne wird mit Dynamik und Bewegung assoziiert. Dabei ruft entweder das Kunstwerk eine Bewegungsillusion hervor oder es bewegt sich tatsächlich. Die sogenannte Op-Art (optische Kunst) bringt eine Bewegungsstruktur in die Gemälde und operiert mit optischen Täuschungen und irritierenden Effekten des Flimmerns und der Dreidimensionalität auf einer Fläche, wie es Victor Vasarely umsetzte. Alexander Rodtschenko war der Erste, der Mobiles erzeugte, die Alexander Calder zu großer Meisterschaft entwickelte. Schließlich passen in das Charakteristikum des Cross the Border Kunstströmungen wie die Pop Art oder die Street Art. Die vielleicht interessanteste Variante, an der man die kritischen Ambitionen der postmodernen Kunst festmachen könnte, ist die appropriation art.

4.7. Die Thematisierung der Medialität An der Schnittstelle von Moderne und Postmoderne war naturgemäß auch das Thema der Medien ein häufig traktiertes Thema. Gerade an den neueren Medien lassen sich die Fragen nach Pluralität, Vernetzung, Repräsentation, Verhältnis von Sender und Empfänger durchdeklinieren. Insofern schließt dieses Thema nicht ohne Konsequenz den Komplex Moderne-Postmoderne ab. Darüber hinaus sind Medien eine der wichtigen künstlerischen Ausdrucksformen der zeitgenössischen Kunst. Aus diesem Grund werden vier exemplarische Positionen näher vorgestellt.

4.7.1. Marshall McLuhan Gutenberg-Galaxis

VI.2.0.

Marshall (ursprünglich: Herbert) McLuhan wurde mit seinem Schlagwort von der Gutenberg-Galaxis bereits im Zusammenhang mit dem Buchdruck erwähnt. Der 1911 im kanadischen Edmonton geborene Medientheoretiker bezeichnete damit die Kultur des gedruckten Buches, die um 1900 von der Herrschaft der – wie er sie nannte – »elektrischen Medien« (auch: Marconi-Galaxis) abgelöst wurde. Seine Überlegungen dazu lassen sich über weite Strecken auf die digitale Revolution anwenden, die er nur mehr in ihren Anfängen kennen gelernt hat. Ein weiteres populäres, mit der globalen medialen Vernetzung im Zusammenhang stehendes Schlagwort war jenes vom Global Village.

269

Moderne und Postmoderne

In den Sechziger- und Siebzigerjahren stießen seine wenig systematischen, eher assoziativen Bücher auf große Vorbehalte. Viele sahen darin eine andere Version des anything goes-Anarchismus Paul Feyerabends. Bisweilen schob man McLuhan in Anspielung auf seine Beschäftigung mit der Popkultur in den Fünfzigerjahren in diese Schublade. Dabei hatte er, der seine Inspirationen lieber aus dem Fundus von Levi-Strauss’ La pensée sauvage bezog, seine Argumentationsweise nur den neuen Medien angeglichen. Diese funktionieren nicht mehr nach der Logik des Buchdrucks, linear, hierarchisch, klassifizierend und systematisierend, sondern mosaikartig assoziativ mit schwachen Geltungsansprüchen. Er verglich die klassischen linearen Wahrheitsmethoden mit der überholten Zentralperspektive in der Kunst, die er für einen konsequenten Effekt der Buchdruckkultur hielt. Die Perspektive sei mit einer unnatürlichen Fixierung des subjektiven Blicks und einer ebensolchen Fixierung der Gegenstände ein Anzeiger dafür, wie die neuzeitliche Wissenschaft mit ihrem starren hierarchischen und geometrischen Theoriekonzept funktioniert. Insofern ortete McLuhan in den neuen Medien eine Rückkehr vom Visuellen in eine Hörkultur. Die Untersuchung der neuen Medien unternahm er in seinen wichtigsten Werken: The Gutenberg Galaxis: The Making of Typographic Man (1962); Understanding Media: The Extension of Man (1964) und The Medium is the Massage: An Inventory of Effects (1967). Viele der darin formulierten Einsichten gehören heute zum Allgemeingut der Beschreibung einer mediengeprägten Gesellschaft. Etwa die Feststellung, dass Medien die Wissenskultur und im Weiteren auch die soziale und politische Kultur prägen. In einem im Sog der Postmoderne populär gewordenen Schlagwort spitzte McLuhan das mit der Gleichung zu: The medium is the message. Medien sind nicht neutral, sie strukturieren oder konstruieren die Botschaft, die sie verkünden, und erzeugen die nächste Botschaft gleich selbst. Eine spätere bewusst gewählte Schreibung von message als massage ist ein Stück postmoderner Ironie (angeblich lag der Ursprung dieser Pointe in einem Druckfehler). Das Medium knete sozusagen wie bei einer Massage den menschlichen Sinnesapparat weich. Aber, abseits von ironischen Spielereien, ging es um mehr: Medien sind für McLuhan eine Ausweitung des Sinnesapparats. Er verwies auf technikphilosophische Theorien wie jene des Hegelianers und Freidenkers Ernst Kapp. Dieser deutete technische Geräte als Verlängerung und Nachahmung von Körperteilen und Körperfunktionen. Sigmund Freud (der Mensch als »Prothesengott«) oder Arnold Gehlen (der Mensch als »Mängelwesen«) griffen solche Gedanken in der einen oder anderen Form auf. Die Idee der Sinneserweiterung durch technische Produkte, im Speziellen durch Medien (wozu McLuhan auch Kleidung oder das Haus zählte), was der Untertitel Extension of Man meinte, trieb McLuhan noch weiter, indem er auf die Erfahrungen von Selbstamputation und Anästhesie verwies. Durch die Extension über technische Möglichkeiten gerät das Gesamtgleichgewicht aus den Fugen und der Körper versuche sich dagegen so lange zu schützen, bis sich die gesamte Gesellschaft an die Konsequenzen der neuen Technik angepasst habe. Diese Überlegungen, auch wenn sie sehr pauschal und wenig differenziert entwickelt wurden, boten eine Erklärung für die verbreiteten Widerstände gegen neue Techniken, insbesondere

VI.5.1.

the medium is the message

Extension of Man

McLuhan 1968, 51

270

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

global village

VI.2.0.

Margreiter 2007, 140f

Ebd., 145

neue Kommunikationstechniken, und für die Schocks, die durch medienkünstlerische Arbeiten ausgelöst werden können. Es geht darin nicht nur um die transportierte Botschaft, sondern auch um die Rolle des Transportmittels selbst. Wenig überzeugend ist McLuhans Einteilung der Medien in, wie er es bezeichnete, kalte und heiße. Heiße Medien sprechen mehrere Sinne an, lassen dadurch der Kreativität der Rezipientinnen wenig Raum und fördern eine passive Konsumierung. Kalte Medien hingegen, etwa die Sprache, sind eindimensional und fordern ein aktives Engagement des Rezipienten. Dass nun ausgerechnet das Fernsehen ein kaltes Medium sei, weil das Auge ständig eine große Zahl von Bildpunkten zu einem Bild vereinigen und daher eine große Leistung erbringen müsse, ist eine sehr technische Sicht und schwer nachvollziehbar. Zustimmungsfähiger hingegen ist McLuhans bereits erwähnte Beobachtung, dass es bei den neuen Medien um eine Wiederannäherung an die Oralität geht. Freilich nicht mehr in der alten individuellen Dialogform, sondern in einer durch Literalität geprägten Allgemeinheit, McLuhan spricht von einer »sekundären Oralität.« Weil sich diese Kommunikation durch die technischen Geräte weltweit ausgedehnt hat, prägte er den Ausdruck global village. Anders als in der alten linearen und logischen Ordnung böten die neuen Medien ein globales Netzwerk, in dem sich Menschen bewegen wie in alten Stammesgesellschaften. McLuhan sah diese Entwicklung durchaus mit positiven Konnotationen. Das globale Dorf verwandle sich nach der Überwindung des typographischen Zeitalters durch eine neue Oralität in eine bessere Welt mit einem aufklärerischen und freiheitlichen Impuls. Das war eine andere Bewertung, als sie die Mehrzahl der Medienphilosophen durchführte, die eher einem Kulturpessimismus zuneigten. Ähnlich eigenständig war, dass McLuhan historisch den großen Medienumbruch nicht im Übergang von der Oralität zur Literalität festmachte, sondern im Zeitalter des Buchdrucks. Dort sei die soziale Wende von der Wärme und Nähe einer oralen Stammesgesellschaft zur visuellen Kultur der Distanz, Lebensferne und Entfremdung der neuzeitlichen Gesellschaft geschehen, wie sie sich dann in Nationalismus und Individualismus niederschlug. McLuhan fasste in einer geschichtsphilosophischen Sicht eine spiralförmige, von der ursprünglichen oralen Stammeskultur über Literalität und Buchdruck bis zur sekundären Oralität der neuesten Medienkultur des Global Village reichende Entwicklung zusammen. Reinhard Margreiter qualifiziert McLuhans Theorie wegen eines solchen geschichtsphilosophischen (neben die sich noch eine anthropologische Theorie mit ähnlicher Mächtigkeit gesellt) Systemanspruchs als »modern«. Mit Blick auf die einer neuzeitlich-modernen Methodenlehre geradewegs entgegengesetzte Vorgehensweise wird McLuhan demgegenüber auch verbreitet der postmodernen Szene zugerechnet. Die beiden Sichtweisen versöhnend, könnte man von einer kreativen Ambivalenz von Moderne und Postmoderne sprechen.

271

Moderne und Postmoderne

4.7.2. Vilém Flusser Der 1920 in Prag geborene Sohn eines Mathematikprofessors ist nicht nur als Medientheoretiker und als Philosoph der Beschleunigung bekannt geworden, sondern hat auch eine kunstphilosophische Bedeutung. 1939 floh Vilém Flusser vor den Nazis. Er ging zuerst nach London, dann nach Brasilien, wo er bis 1972 in São Paulo wirkte. Konflikte mit der dortigen Militärregierung brachten ihn zurück nach Europa, nach Südtirol und später in die Provence. Der vielsprachige Generalist in den unterschiedlichsten Disziplinen, der 1991 bei einem Autounfall ums Leben kam, hinterließ einen großen Nachlass, darunter auch eine Theorie der Fotografie (Für eine Philosophie der Fotografie; 1983). Er verarbeitete zahlreiche Einflüsse, die von Hegel über Husserl bis in die Analytische Philosophie reichen. Auch Flusser spannte eine geschichtsphilosophische Großtheorie auf, die kunsthistorisch und kunstphilosophisch unterfüttert war. In vier Etappen verlor seiner Meinung nach die Menschheit sukzessive den Bezug zur Gegenständlichkeit. Der Mensch des Altpaläolithikums lebte noch in einem unmittelbaren Bezug zur gegenständlichen Welt, was das Überleben sicherte. Im Jungpaläolithikum stellte er sozusagen das erste Medium zwischen sich und den Gegenstand, das Bild (der Höhlenmalerei), mit dem er sich auf ein Spiel von Nähe und Distanz einließ. Die dritte Etappe war die Literalisierung. Dieser Abstraktionsschub führte zu einem eindimensionalen und linearen Denken. Das (immer noch mimetische) Bild verlor an Bedeutung und wich dem begriffsgestützten Weltbezug, der seinerseits in einer vierten Etappe der Telematik Platz macht. Die Telematik (die digitale Lebensform universeller Vernetzung) sorgt heute für technische Bilder, die keine Abbildhaftigkeit mehr aufweisen, sondern nur noch abstrakte Zusammensetzungen sind. Flusser spricht von Nulldimensionalität und meint damit ein referenzfreies Subjekt, ein Subjekt ohne gegenüberstehende Realität, ein Subjekt, dessen Autonomie in einer Vernetzung aufgeht. Das Subjekt wird nach Flusser zu einer bloßen »Schnittstelle im Medienverbund« und steht in einer spannungsvollen Ambivalenz von Mensch und Maschine. Dieser Tatbestand wirbelt die alte Gleichung von Natur und Kultur durcheinander. Natur im ursprünglichen Sinn gibt es nicht mehr. Sie ist längst zu einer technischen Kultur – »Kühe sind effiziente Maschinen zum Verwandeln von Gras in Milch« –, damit zur einer »zweiten Natur« geworden. In einem der Verabschiedung der Gutenberg-Galaxis bei McLuhan ähnlichen Gestus endet für Flusser hier die Lesbarkeit der alten Welt, einer Welt der Relationen von Zeichen. Damit endet auch die Geschichte. Sowohl Bestandsaufnahme als auch Kritik ist immer noch aus humanistischer Perspektive gesprochen, sodass Flusser trotz der Verabschiedung der Geschichte nur bedingt in die Bewegung der Posthistoire eingeordnet werden kann. Abseits der alten (Un-)Gleichung Natur-Kultur werden Informationen, die der binäre Code der Rechenmaschinen liefert, zu einer neuen Welt gestaltet, zu einer Art von »Konkretheit«, die uns zwar erleben und handeln lässt, aber längst nur mehr ein Artefakt von Welt darstellt. Wiederum wird hier ein Ende des Subjekts ausgerufen. An seine Stelle tritt die Mensch-Maschine-Apparatur. »Dasein gilt als die Kunst

Flusser 2000, 44

272

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Knöfel Thomas in ÄKPh, 281

Margreiter 2007, 148

Flusser 1983, 13

Ebd., 48f

Ebd., 50

überindividuellen, selbstvergessenen Spiels mit und für den ›anderen‹ und gegen die entropische Tendenz und blinde Aleatorik natürlicher Prozesse.« Wie schon mehrfach festgestellt, spielt die Anthropologie der neuen Medienwelt mit einer neu-alten Raumauffassung, einer der Distanzlosigkeit und Gleichzeitigkeit. Allerdings eben nicht vis-à-vis zu einer alten Realität, sondern einer medial vermittelten Pseudorealität. »Der telematische Mensch, der hier – teils beschreibend, teils als utopische Projektion – dem Leser vorgeführt wird, ist der Typus des kreativen Spielers, wobei das telematische Spiel für den Spieler selbst – genauso wie für seine Mitspieler – zwangsläufig undurchschaubar, abgründig und in gewisser Weise bedrohlich bleibt. […] d.h. die Menschen benutzen Armaturen (= Apparat-Oberflächen), ohne dass sie die darunter liegenden bzw. ablaufenden Strukturen und Prozesse sonderlich wahrnehmen und verstehen.« Nach Flussers Theorie schiebt sich zwischen Mensch und Welt das mediale Bild, das schließlich selbst zur Welt wird, die den Menschen immer schon miteinbezieht. Eine solche Konzeption erinnert an Hegel, ohne dass bei Flusser deutliche Spuren einer Hegellektüre festzustellen wären. Vielmehr ist das neue Bild durch die Literalisierung hindurchgegangen. Es ist daher kausal und technisch. Fotografie, Film, Computer »abstrahieren aus Texten, die aus traditionellen Bildern abstrahieren, welche ihrerseits aus der konkreten Welt abstrahieren.« Flusser expliziert das schwierige Verhältnis von Mensch und Apparat an der Fotografie. In seiner dazugehörenden Reflexion verfolgt er die zunehmende Autoritätsverschiebung von der Fotografin zum technischen Apparat. Auch bei der Fotografie zeigt sich der aktuelle Prozess der Digitalisierung: »Das Fotouniversum und alle apparatischen Universen robotisieren den Menschen und die Gesellschaft. Die neuen, robotisierten Gesten sind bereits allerorts zu beobachten: an Bankschaltern, in Ämtern, in Fabriken, in Supermärkten, im Sport, beim Tanz.« Es gehe hier nicht um eine mechanische Struktur, »wie dies nach der Industrierevolution der Fall war, sondern um eine kybernetische Struktur, wie sie in den Apparaten programmiert ist.« Die Kamera steht als jener Apparat, der unser gesamtes Leben »robotisiert«. Die verbreitete Kritik an dieser neuen Welt des Fotouniversums (das wiederum nur »eines unter zahlreichen apparatischen Universen« ist) versucht »Interessen hinter den Apparaten zu demaskieren. […] Interessen der Kodak-Aktionäre, der Inhaber der Werbeagenturen, der Drahtzieher hinter dem amerikanischen Industriepark, ja, der Interessen des gesamten amerikanischen Ideologie-, Militär- und Industriekomplexes.« Doch eine solche »humanistische Apparatkritik«, so Flusser, greift leider zu kurz. Bei den Apparaten gehe es um deren »Automatizität«: »Apparate wurden erfunden, um automatisch, das heißt autonom von künftigen menschlichen Eingriffen, zu funktionieren.« Bereits 1983 formulierte Flusser im Kleid einer Philosophie der Fotografie eine überraschend zutreffende Analyse der digitalen Revolution des ersten Drittels des 21. Jh.s. Dabei wusste er noch nichts vom heutigen Funktionieren digitaler Fotoapparate, die permanent aus dem Netz mit Updates versorgt werden und den Fotografen hinter dem Sucher nicht mehr aus dieser digitalen Vernetzung loslassen.

273

Moderne und Postmoderne

4.7.3. Paul Virilio Auch der 1932 in Paris geborene Architekt, Städteplaner, Ausstellungskurator und Philosoph Paul Virilio beschäftigte sich mit dem Thema Geschwindigkeit. Der Sohn eines italienischen Kommunisten und einer bretonischen Mutter lehrte viele Jahre an der École Spéciale d’Architecture in Paris und gab seinem Forschungsinteresse, der Sondierung der Beziehungen von Politik und Geschwindigkeit, den Namen Dromologie. Virilio vertrat über weite Strecken eine »humanistische Kritik« an den neuen Entwicklungen, die Vilém Flusser als irrig und zu kurz gegriffen ablehnte. Diese Kritik entfaltete Virilio am Thema Stadt, das ihn als Städteplaner auch in der Theorie beschäftigte. Alle seine philosophischen Überlegungen gruppierte er um das Paradigma des Militärischen. Dort sah er die treibende Kraft für jede Entwicklung zur Geschwindigkeit. In den Medien wiederum sah er eine Brücke zum Realen. Im Gefolge von Harold Innis und ähnlich wie Friedrich Kittler verstand Virilio auch die Medien als Transportmittel und Waffen. Medien transportieren Menschen, Güter und Informationen und sie wurden in der Geschichte immer schneller. Als treibende Kraft hinter dieser Entwicklung identifizierte er das militärische Interesse. Virilios ungewöhnliches Paradigma und die Koppelung der Medien mit der Militärgeschichte wurzelt in seiner Biographie. Als Kind musste er die Erfahrung des Kriegs machen, erlebte den »Blitzkrieg« 1940 und den Bombenhagel auf Nantes. Das prägte ihn nachhaltig und veranlasste ihn zu Äußerungen, dass der Krieg sein Vater, seine Mutter und seine Universität gewesen sei. Auch Raum und Visualität ordnete er der militärischen Geschichte von Aufklärung und Spionage unter. Besonders der Bunker wurde ihm zu einer zentralen Metapher für Architektur und Städtebau. Ab 1958 inventarisierte er fotografisch die Bunker des Atlantikwalls. Der Bunker, den er dem weiten Horizont des Meeres entgegen setzte, gab eine Chiffre ab für eine dem Optimismus McLuhans und dem Realismus Flussers entgegen gerichtete pessimistische Sicht. Die neuen Medien seien keine Erweiterungen der Sinne, sondern Ausgrenzungen und Verbunkerungen des Körpers vor der Außenwelt. Der Bunker als Symbol der Dauer und Langsamkeit (der die Landung der Alliierten überdies nicht verhindern konnte) konterkariere den Geschwindigkeitswahn von Technik und Medien. Denn überall greife der Mensch zur Steigerung der Effizienz zu schnelleren Medien, die nun, anders als bei McLuhan, nicht positiv gesehen werden, sondern als feindliche Substitute, die den Menschen letztlich versklaven. Virilios Ästhetik ist ein Beispiel dafür, wie ungehemmt subjektiv und funktional im 20. Jh. Ästhetikkonzepte formuliert worden sind. Im Sinne einer Verbindung von Ästhetik und Ethik wächst der Ästhetik nun die Aufgabe zu, zu sensibilisieren im Hinblick auf Kontrolle und Entäußerung der Wahrnehmung durch und an die Maschine. Mit den Auswirkungen der sukzessiven Erhöhung der Geschwindigkeit in der Geschichte der Wissenschaft, Technik und der Medien, vor allem seit dem

das Militärische

Lagaay/Lauer 2004, 167

634 Bunker in der Bretagne

274

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

dromokratische Revolution

Theorie der ­Fotografie

Meynen Gloria in ÄKPh, 805

Beginn des 19. Jh.s, auf den Menschen beschäftigt sich die Dromologie (griech. dromos/Wettlauf; andere Bedeutung: Korridor zu Tempel oder Grab). In seinem Buch Geschwindigkeit und Politik (1980) beschrieb er, wie sich jede Kulturstufe durch eine je eigene Geschwindigkeit auszeichnete, die wiederum Abbild der Technik der Kriegführung darstellt. Weil, wie schon erwähnt, die Medien Ausdruck dieser Geschwindigkeit sind, nannte Virilio die Verbindung von Medium und Macht, in der es auf die Schnelligkeit ankomme, Dromokratie. Der Übergang in die Moderne war demnach eine dromokratische Revolution, ein Übergang vom Zeitalter des Bremsens, gemeint war damit die dem Lebendigen angemessene Geschwindigkeit, zum Beispiel der Transportmittel Pferd oder Esel, in eines der Beschleunigung durch die diversen technische Erfindungen von Transportarten. Der nachgerade apokalyptische Endzustand wäre nach Virilio permanente Überwachung und totale Kontrolle des menschlichen Lebens. Virilios Essayistik, die ebenfalls im postmodernen Klima Kultstatus erhielt, war bisweilen vom Geruch des Sektiererischen geprägt. Er inszenierte alle beschriebenen Vorgänge als Manifestationen einer großen Verfallsgeschichte, indem er seine Beobachtungen durch einen kulturpessimistischen Filter einer imaginären vergessenen heilen und schönen Welt laufen ließ. Die Stärke seiner Überlegungen wiederum liegt in der Zuspitzung von gesellschaftlichen Entwicklungen, die man in der Tat als Defizite bilanzieren könnte. Sie liegt weniger in einer kreativen umsetzbaren Vision für eine zukünftige Entwicklung. Vor solchem Hintergrund steuert auch Virilio wie Flusser eine Theorie der Fotografie bei (Ästhetik des Verschwindens; 1980). Bei der Fotografie ereignet sich für ihn – und das mag überraschend klingen – der sichtbarste Bruch mit der visuellen Wahrnehmung, weil sie mit der Zerstörung der Zeitlichkeit einhergeht. Die Fixierung einer Szene auf dem belichteten Film stiftet eine Ästhetik des Verschwindens. Die Fotografie gehört in den Kontext der Geschwindigkeit, was sich zusätzlich im Film noch verschärft. Virilio hatte dabei noch nicht einmal die neueren Filmtechniken im Blick, die selbst bei Dokumentarfilmen mit schwankender Kamera und einem atemlosen Bildwechsel dem betrachtenden Auge einen Rausch von Dynamik zumuten, was bisweilen bei an Kontemplation gewöhnten Rezipientinnen Übelkeit auslöst. Es sind Techniken für den »motilen« Rezipienten, der sich in Gesten des Zappens erschöpft. Für solche durchaus extremen Entwicklungen bietet Virilio ein praktikables Erklärungsmuster, wenngleich seine auch hier getätigte Parallelisierung zur Kriegstechnik und Kriegspropaganda nur bedingt nachvollziehbar ist. Immerhin – und bei dieser Feststellung unterscheidet sich Virilios Sicht von jener Flussers – bleibt insgesamt bei den Medientechniken ein Restbestand von Realität gewahrt. Ähnlich wie Roland Barthes gibt es das Gewesensein der Realität als einen Tatbestand, der erst bei reiner digitaler Technik verschwindet. »Das Medium der binären Bilder ist die Geschwindigkeit.« Virilio arbeitete mit dem von dem Physiker und Philosophen Ilya Prigogine für die Theorie dissipativer Strukturen, also einer Physik nicht-statischer, sondern dynamischer Art, verwandten Begriff der Trajektorien. Der Ausdruck bezeichnet in der Physik die Flugbahn von Körpern. Virilio

275

Moderne und Postmoderne

nennt nun die Wahrnehmung selbst ein Trajekt. Er hebt sie sozusagen in die Dynamik auf. 1993 erschien Virilios Buch Die Eroberung des Körpers: Vom Übermenschen zum überreizten Menschen (L’art du moteur). Darin setzt er sich mit den neuesten Entwicklungen in den Biotechnologien auseinander. Nach der Eroberung der Dromosphäre setze sich in der Virtualisierung und Dynamik durch digitale Transplantationstechniken und durch Gentechnik die Technisierung des Körpers weiter fort. Auch diese Überlegungen zeigen, dass wie bei Flusser auch bei Virilio die Fotografie bloß der Sonderfall einer großen technischen Entwicklung ist.

4.7.4. Jean Baudrillard Der Philosoph, Soziologe und Medientheoretiker Jean Baudrillard wurde 1929 in Reims geboren. Er lehrte an verschiedenen Institutionen in Paris. Sein Denken entsprang dem in den Sechzigerjahren üblichen Koordinatensystem von Marxismus, Poststrukturalismus und soziologischen Thesen, in diesem Fall jenen von Marcel Mauss und Georges Bataille. Auch Marx’ Kapitalismuskritik war ihm nicht fremd, die er auf der Grundlage der Zeichentheorie und der Theorie der Tauschverhältnisse modernisierte. Die Arbitrarität der Zeichen entspricht der Arbitrarität des Tauschwerts, auf dem sich der Kapitalismus gründet. Anders als bei den meisten Vertretern des Poststrukturalismus sind Baudrillards Thesen wenig konzise, eher provokativ, polemisch und subversiv, teilweise widersprüchlich. Er pflegt die Ironie und die Übertreibung, als wolle er ganz bewusst die wütende Reaktion der auf dem Boden des rationalen Diskurses stehenden Kritiker auslösen. Dies ist eine literarische Form, die durchaus zum Inhalt dessen passt, was Baudrillard transportieren will. Seine kompromisslose Darstellung und der Verzicht auf jede positive Utopie machte ihn eher zu einem typischen Vertreter der Posthistoire als des Poststrukturalismus. Andere vermuten eine Kapitulation vor den auf verschiedene Weise verloren gegangenen Steuerungen und Maßeinheiten im Leben: »Weil er nicht glaubt, daß man dem ›obszön‹ wuchernden System noch etwas entgegensetzen könne, plädiert er für die umgekehrte Strategie: Man müsse die Dinge beschleunigen, potenzieren, die Entwicklung ins Extrem treiben – bis zum finalen Kollaps.« In seinem Werk Der symbolische Tausch und der Tod (1976) griff er auf die Tauschtheorie von Marcel Mauss und Georges Bataille zurück und »entlarvte« jedes Tauschverhältnis als mediale Illusion. Mit der in der Philosophie stets behaupteten Widerständigkeit des Realen gegen das Subjekt sei es nämlich längst vorbei. Baudrillard sprach angesichts der Zerstörung des Geheimnisses des Realen von Obszönität: »[…] die sichtbaren Dinge enden nicht im Dunkel oder im Schweigen, sondern sie verflüchtigen sich in dem, was sichtbarer als das Sichtbare ist: in der Obszönität.« Zum Unterschied von der üblichen Verdrängung des Todes als Voraussetzung der Kreisläufe des Tausches ging es Baudrillard geradewegs um den Tod als letzte Schranke des Widerstands. Aus dem Scheitern des alten Mechanismus von Subjektivität und ihrem Sich-Abarbeiten am Widerständigen der Realität könnte man auch ein Scheitern der Moderne ableiten oder besser eine Verschiebung des Modernebegriffs im Kontext der zeitgenössischen Medientechniken im Sinne einer Moder-

Welsch 1987a, 152 Groys 1986, 178

Schmitt 1991, 71 Zerstörung des Realen

Baudrillard 1983, 12

276

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Baudrillard 1987, 10/14

Baudrillard 1978, 9

Medienphilosophie

Baecker Dirk in MPL, 78

ne, die jedenfalls utopiefrei verstanden wird. Zentraler Topos dabei ist die Theorie der Aufhebung jeder Realität in die Simulation und das Simulakrum. »Heute gibt es weder Szene noch Spiegel mehr, sondern Bildschirm und Vernetzung. […]/ Unsere Privatsphäre selbst ist kein Schauplatz mehr, auf der sich eine Dramaturgie des Subjekts abspielt, […] wir existieren darin nicht mehr als Dramaturg oder Akteur, sondern als Terminal, in dem zahlreiche Netze zusammenlaufen.« Es sei nicht sosehr eine Folge der Medienentwicklung, dass die Realität an die Simulation verloren geht, vielmehr deckt der Stand der Medien eine jahrhundertelange Verschleierung auf, nach der Realität schon immer künstlich geschaffen wurde. Baudrillards Simulationsthese gründet im Sinne Saussures im Verlust des Subjekts als Knotenpunkt gelingender Referenz. In Wahrheit löst es sich auf in einer – über Saussures Struktur hinaus – frei flottierenden Pluralität von Zeichen. Dasselbe gilt für die Wahrheitstheorien (ähnlich wie Nietzsches Rede vom beweglichen Heer der Metaphern). Dies soll sich am Wandel des Simulakrums über die von Baudrillard postulierten drei Zeitalter historisch nachvollziehen lassen. Am Beginn – mit dem Höhepunkt in der Renaissance – stand die Nachahmung auf der Grundlage des Vertrauens in die Referenz mit der Gegenstandswelt – für Baudrillard bloß Ausdruck eines Macht- und Verfügungswillens des Menschen. Mit dem Aufkommen der industriellen Serienproduktion brach das zweite Zeitalter des Simulakrums an. Es war jenes der Entindividualisierung und der Abstraktion von jeder sinnlichen und körperlichen Subjektivität. Dies beendete endgültig die Vorstellung von einer realen Wirklichkeit zugunsten einer medialen Wirklichkeit, was schließlich die dritte Stufe des Simulakrums bedeutete. Zeichen haben sich von Referenten abgelöst und bilden ihre eigene Wirklichkeit, eine Hyperrealität. Das beginne bei den Konsumgütern, wo nicht primär der Gebrauch, sondern das Lebensgefühl im Vordergrund stehe. Aus den frei flottierenden Zeichen, der Liquidierung aller Referentiale und der »Substituierung des Realen durch Zeichen des Realen« entsteht ein totales Tauschwertsystem, das er in Mode, Design sowie in der Kunst sich verwirklichen sah. Die Reduktion des geistigen auf den digitalen Raum in der künstlichen Intelligenz lässt nach Baudrillard auch jede Architektur verschwinden. Vor diesem Hintergrund baute Baudrillard seine Medienphilosophie auf, die weit über eine übliche Medienkritik an Manipulationsstrategien der machtvollen Medienindustrie hinausging. Im Sinne von McLuhans The medium is the massage deutete Baudrillard Medien als Orte der Simulation. Er demonstrierte dies an der Gleichzeitigkeit der TV-Berichterstattung mit der (vermeintlichen) Realität im ersten Golfkrieg und es reichte bis zu der heftig kritisierten Äußerung, dass der Golfkrieg kein reales, sondern bloß mediales Ereignis gewesen sei. Seine pessimistische Sicht konnte keine positive demokratiefördernde Wirkung der Medien entdecken. Angesagt seien deshalb fatale Strategien. Die Dinge »rächen sich an den Zumutungen des Subjekts, ihnen einen Sinn, einen Wert, eine Geschichte zu diktieren und winken mit fatalen Strategien der Verführung, die den Zufall gegen den Sinn, den Tod gegen den Wert und die Überraschung gegen die Geschichte ausspielen.« Aber solche Strategien richten sich nicht mehr in die Zukunft, weil wir nach Baudrillards

277

Moderne und Postmoderne

Meinung am Ende der Geschichte angekommen sind. Das war eine klare Position der Posthistoire. Konsequenterweise muss man nach Baudrillard auch die Felder der Kunst in diese Richtung interpretieren. An die Stelle der alten Referenzen und Realitäten treten derealisierte, selbstreferentielle mediale Zeichen, »Simulakren der Simulation«. Es ist klar, dass vor solch radikalem Hintergrund die Struktur der Kunst in kein bisher gängiges Schema eingefügt werden kann. Nach dem Totalverlust jeder Realität erübrigt sich die mögliche Frage, ob Kunst Realität imitiert oder korrigiert, ob Werks- oder Rezeptionsästhetik und es ist sinnlos geworden, über eine Aura von Werken nachzudenken. Ästhetik wird für Baudrillard ein universaler, gesellschaftsmedialer »Verblendungszusammenhang, in dem die Kunst in einem semiotisch überformten fraktalisierten Kulturpluralismus historisch dem Verschwinden ausgesetzt ist.« Die Frage ist ja, ob Kunst dann wenigstens die Form von Simulakren widerspiegelt oder ob nicht jede Hierarchisierung von Entitäten sinnlos geworden ist, Baudrillard sprach einmal von einer »ästhetischen Prothese«. Damit radikalisierte er einerseits McLuhans These von der Konvergenz von Botschaft und Medium, er radikalisierte aber auch Hegel. Nicht nur hat Kunst die religiöse Magie verloren, auch ihre Ersatzästhetik, Form und Schein, ging verloren. So wie eine Religion überflüssig wird, die sich der Welt assimiliert, ist auch die Kunst überflüssig geworden, »weil sie sich immer mehr mit der objektiven Banalität vermischte und daher aufhörte, sich vom Leben zu unterscheiden.« Das Gleiche gilt für das Bild, das im unerbittlichen Übergang vom Analogen ins Digitale verschwunden ist. Insbesondere die Möglichkeit in der Fotografie, das Bild zu löschen und wieder zusammenzusetzen oder das Ende des Zeugnisses des Negativs in der digitalen Fotografie sind Zeichen für das ständige Verschwinden. Das digitale Bild »fällt in den Bereich des Fließenden und ist dem automatischen Funktionieren des Apparats unterworfen. Wenn […] das Programm über den Blick triumphiert, kann man dann noch von Photographie sprechen?« Das analoge Bild zeugte noch von einer Präsenz des Subjekts gegenüber dem Objekt. Zwar war auch dort bereits die Referenz ein Problem, aber man konnte im Bild noch das Negative gegenüber einem Objekt sehen, in der digitalen Auflösung lässt sich nicht einmal mehr das Nichts retten. Digitale Fotografie ist nach Baudrillards drastischen Worten ein »Mord am Bild.« Aber auch Baudrillard wollte sich letzten Endes nicht vor das Nichts stellen lassen. Vielmehr zelebrierte er das dauernde Verschwinden, das gleichsam zum Wesen der Kunst oder allgemeiner: des Ästhetischen wird: »Zum einen verschwindet die Kunst als ästhetisches Simulakrum in der Verdinglichung zirkulärer Zeichenspekulation, zum anderen hat sie zugleich im ›ästhetischen Mehrwert des Zeichens‹ ihre phantasmatische Dimension.«

4.7.5. Das göttliche Google und eine neue Aufklärung Die in den letzten Kapiteln angesprochenen medientheoretischen Positionen haben eine große Bedeutung auch für die Kunst. Nicht nur bedienen sich viele Künstlerinnen der neuen Medien als Instrumente ihrer Kunst, fast noch wichtiger ist die

Fuder Dieter in ÄKPh, 67

Baudrillard 2007, 20

Ebd., 26

Ebd., 40

Fuder Dieter in ÄKPh, 69

278

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

medial turn

Lund 2016, 125

Margreiter 2007, 254

medienphilosophische Buchstabierung der künstlerischen Praxis ganz grundsätzlich. Nun ist der zeitgenössische Stand der Medientechnik inzwischen naturgemäß auf einem ganz anderen Niveau angelangt als das, was für die in den letzten Kapiteln vorgestellten medienphilosophischen Erörterungen die technische Basis bot. Darauf reagierte die Kunst schneller und ruft bereits seit zwanzig Jahren das postdigitale Zeitalter aus. Damit will man ausdrücken, dass die digitale Revolution (mit Betonung auf Revolution) vorüber und die digitale Welt längst zum Alltag geworden ist. Diese Sicht bestimmt eine lebendige Kunstszene, die im Kontext der Gegenwartskunst im Kapitel 6.2.3. ausführlicher vorgestellt wird, ein Kapitel, das inhaltlich hier anschließt. Die medienphilosophische Ebene eröffneten die Medientheoretiker im Zuge des medial turn. Er bedeutete auch die Ablösung der Realität durch ein sich verselbständigendes Medium, das zunächst die Illusion einer neutralen Schnittstelle zwischen Realität und Rezipienten aufrechterhielt. Diese Illusion haben anfangs auch viele Künstler für bare Münze genommen, wie rückblickende Äußerungen zeigen: »Als ich meine ersten Online-Kunstwerke machte, war das wie eine frische Frühlingsbrise, keine Verpflichtungen, nicht viel Hierarchie, wenige Referenzen auf die Vergangenheit […] – es war daher die totale Freiheit. […] wenn das Werk fertig ist, brauchst du niemanden, der es für gut genug befindet, um es an die Galeriewand zu hängen – du veröffentlichst es und jeder kann es unmittelbar sehen.« Aber es war ebenso von Anfang an ein Anliegen der Künstlerinnen, welche sich der Medienkunst verschrieben haben, eine solche Illusion zu destruieren. Auch bei dieser Problematik, der Reflexion über die Eigenart des Mediums, ging die Kunst der Philosophie voraus. Man darf bei diversen aktualitätsheischenden Besprechungen zeitgenössischer Medienkunst nicht aus dem Auge verlieren, dass medienphilosophische Innovationen alt sind. Die Trompe-l’œil-Malerei des Zweiten Pompejanischen Stils gehört ebenso dazu wie die Konstruktion der Perspektive und die Thematisierung der Illusionsmalerei am Beginn der Moderne. Angesichts dieser Tatsache und angesichts der engeren Beziehung von Philosophie und Kunst im späten 20. Jh. spricht Reinhard Margreiter mit Blick auf die Medienästhetik von einer »Schlüsseldisziplin für eine sich als Interdiskurs bzw. als kulturellen Grundlagendiskurs verstehende Medienphilosophie [erklären]. Der medienästhetische Gegenstand – Wahrnehmung – ist nämlich Beginn aller Erkenntnistheorie, Ausgangspunkt für alles weitere Denken und alle weitere Erfahrung.« Insofern scheinen auf den ersten Blick und angesichts der Herausforderung, welche der gegenwärtigen Gesellschaft ins Haus steht, die medienphilosophischen Konzepte des 20. Jh.s beinahe anrührend. Trotzdem muss man feststellen, dass bei genauerem Hinsehen etliche der auftretenden Probleme bereits im Kontext der frühen Auseinandersetzung mit der neuen digitalen Welt angesprochen wurden. Noch am wenigsten dürften zukünftige Problemfelder in der schwindenden Arbeit für die Menschen liegen. Solches wurde bereits bei der ersten Digitalisierungswelle der Siebzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts befürchtet, sodass sogar ein Verbot des – wie es damals hieß – »Mikroprozessors« gefordert wurde. Die Forderung ver-

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Moderne und Postmoderne

stummte bald, als man sah, dass dieser »Mikroprozessor« zur bislang größten Jobmaschine der Geschichte wurde. Es geht bei dieser Entwicklung viel eher um andere Fragen, die tatsächlich bereits von den vorgestellten Medienphilosophen in ihrer Grundstruktur erkannt worden sind. Nicht nur die dramatische Geschwindigkeit der technologischen Veränderungen und die mit ihr verbundene Entwurzelung wurden artikuliert. Deren politische Konsequenzen werden heute allenthalben schmerzlich spürbar. Besonders treffend ist Neil Postmans Buchtitel von 1985 Wir amüsieren uns zu Tode. Ausgangspunkt für dieses Buch waren falsche Behauptungen des damaligen amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan, die offenbar niemanden besonders aufregten. Wahrheit und ernsthafte Faktenrecherche scheinen in Zeiten, wo alles nach dem Showbusiness funktioniert, einen schweren Stand zu haben. Selbst dass ein ungebildeter destruktiver Clown und Moderator einer TV-Reality-Show Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden kann, hat Postman erschreckend treffend vorhergesehen. Auch die völlige Aufhebung jeder Realität in ein »apparatisches Universum« (Flusser) oder ein reines Simulakrum (Baudrillard) entspricht der tatsächlichen Entwicklung. Bei einem solchen Stand der Technologie ist ein früher häufig gebrauchter Vergleich mit analoger Technik oder die Referenz zu einer Realität obsolet geworden. Das Ende von miteinander konkurrierenden analogen Medien hat auch die zumindest einigermaßen funktionierenden informationstechnischen checks and balances beendet. Auch hier sah Flusser weit voraus, wenn er bei der medialen Monokultur die Interessen der Konzerne ins Spiel brachte. In der Tat ist das Verhältnis von Politik und Programmierer, um es einmal so auszudrücken, ein großes Thema. Denn über den Zugang zu den smart cities der Zukunft bestimmen die Internetfirmen durch ihr Monopol beim technischen Design der Oberflächen der neuen Stadttore, der smart tablets. Das digitale Utopia ist ein Entwurf einer globalen Stadtkultur, die als riesige durch Algorithmen sich selbst regulierende Maschine funktioniert. Der Eindruck, dass die Technologiekonzerne gewiss nicht Liberalität und individuelle Selbstbestimmung stärken und damit kaum einen Beitrag für Aufklärung und Freiheit leisten, setzt sich mittlerweile fest und gebiert den Begriff des Silicon-Valley-Sozialismus. Hatte der Cyberspace am Anfang zumindest bei den Optimisten das Versprechen eines herrschaftsfreien Diskurses auf einer weltweiten Agora evoziert, scheinen heute die sozialen Netzwerke durch Hassbotschaften und Fake-News ins Gerede zu kommen. Henry Kissinger hat jüngst in einem Beitrag für die Zeitschrift The Atlantic unter dem wenig verheißungsvollen Titel How the Enlightenment Ends ein vorläufiges Resümee darüber gezogen, das naturgemäß nicht unwidersprochen blieb. Anders gesagt: Das dem alten Humanismus entlehnte Bild von Freiheit und Selbst­bestimmung erfährt gerade gleichsam ein philosophisches und pseudotheologisches Update, das zwischen Utopie und Skurrilität changiert. Erstaunlich ist, dass dabei die alte Terminologie keineswegs aufgegeben, sondern munter von Religion, Gott und ewigem Leben gesprochen wird. Gemeint sind hier die Berichte aus dem Silicon Valley, wo neue Religionen, geoffenbart aus der Unendlichkeit des Cyberspa-

Foer 2018

Kissinger 2018 Cyberspace – ­Religionen

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

II.2.2.1.

Richard 2000, 73

ce, gestiftet werden. 2009 gründete Matt McPherson als Religionsimitat die Church of Google (churchofgoogle.org). Sie liefert Gottes-, sprich: Google-Beweise, verfasst Gebete (Our Google, who art in cyberspace […]) und Gebote (Thou shalt have no other Search Engine before me […]) und verspricht ein ewiges Leben ([…] our knowledge lives on in Google’s cache even after our death). Die allwissende Suchmaschine Google wurde schon (vom früheren Vorstand von Cisco-Systems Inc. Alan Cohen) wegen ihrer Omnipräsenz und Allwissenheit als Gott bezeichnet. Was als Allmächtigkeit Googles dargestellt wird, ist Teil der großen Vision der Erlösung der Menschheit von jeder Arbeit durch die AI. Heute heißt diese neue Kirche »Way of the Future« und ihre Religion Digitalismus und künstliche Intelligenz. Es ist eine Vision einer vollkommen digitalen Welt, wo Produktionen von selbst produzieren (an dieser Stelle ist an den alten Begriff zu erinnern: cheper/aus sich selbst), Cyber-Spaces uns zu jeder Zeit in jede Traumwelt expedieren, wo unser Körper durch Überführung in den Geist obsolet wird. Natürlich wurzeln solche atemberaubende Ideen im materiefeindlichen Platonismus und die autopoietischen Algorithmen erscheinen als avancierte Version des demiurgischen Projekts. All das referiert auf eine lange Tradition. Der Philosoph Nikolai Fjodorow entwarf im zaristischen Russland des 19. Jh.s Ideen eines kosmischen Bewusstseins, das – wie es Platons Weltseele-Konzeption längst vorgedacht hatte – die Sterblichkeit überwindet. Solche Ideen wurden sowohl vom Futurismus als auch vom Suprematismus weitergetragen. Nun irrt, wer das ausschließlich für absurden Science Fiction-Klamauk hält. Nicht nur gehören Meditation Rooms, Reflection Rooms, Interfaith Rooms heute als geistige Wellness-Oasen zu Google, Facebook und Co. und vermitteln die verborgene Ambition, die Welt durch Technik und Kommunikation zu erlösen. Es ist auch so, dass Leute aus den Internetfirmen viel Geld in die Hand nehmen, um die Visionen menschlicher Unsterblichkeit umzusetzen. Namhafte Wissenschaftler lassen sich vom Thema elektrisieren und gründen in Cambridge (USA), Berkeley, Oxford (UK) Institute und Denkfabriken, welche den Weltuntergang durch vagabundierende künstliche Intelligenz verhindern wollen. Dabei geht es darum, den Körper in den Geist künstlicher Intelligenz aufzulösen. Nach Inkarnation und Inverbation nun also die Inpneumation, die Geist-Werdung im Digitalen. Larry Page, Internetmilliardär und Google-Mitbegründer, hausiert überall mit der Idee, menschliches Bewusstsein in digitale Form zu überführen und unsere Galaxie damit zu fluten. Die Vision ist platonisch: den Menschen von der lästigen und kohlenstoffbasierten materiellen Hülle zugunsten des Geistes zu befreien. Transhumanistische Unsterblichkeit durch boundless expansion artifiziell-körperlicher und geistiger Fähigkeiten durch virtuelle Technologie. Projekte, die auf der Entnahme der DNA aus den nach dem physischen Tod noch einige Minuten lebenden Zellen basieren, erfreuen sich zur Zeit des Zuspruchs auch von seriösen Wissenschaftlern und der Zuwendungen zahlreicher finanzstarker Geldgeber. »Trans- und Posthumanität besteht in einer unsterblichen, leistungs- und widerstandsfähigen menschlichen Wetware, Hard- und Software getuned, die man updaten und upgraden kann, um sie immer wieder auf den neuesten Entwicklungsstand zu bringen.«



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Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

Das Analoge entspricht dem negativen Bild des Körpers. Es geht um Aufhebung in das Digitale, upgegraded mit soteriologischem Anspruch. Das Einfrieren von Leichen samt Haustieren, was an Bestattungsriten der alten Hochkulturen erinnert, ist längst ein Konzept von gestern. Heute verschreibt man sich der Vision, mit dem Neurowissenschaftler Randal Koene sein Bewusstsein digitalisiert auf eine Festplatte hochzuladen (rak.minduploading.org). Platons demiurgisches Projekt hat hier noch einmal eine ganz neue Qualität. Der Körper spielt bei diesen Überlegungen keine Rolle mehr. Es geht um ein radikales und universelles Update des Menschen zu einem anthropoiden Kunstkörper. Wenn Transhumanisten vor der Firmenzentrale von Google in Mountain View in Kalifornien demonstrieren, steht auf ihren noch sehr analogen Transparenten nichts mehr von Proletariern, die sich vereinigen mögen, sondern Sprüche wie: »Unsterblichkeit jetzt« oder »Google, löse den Tod«, wobei hier in geradezu gnostischer Ambition das Fortleben des Geistes gemeint ist und die einschlägigen Exponenten sich vor der Transfiguration/Metamorphose in einen Cyborg wähnen. Die Zeit des homo sapiens geht zu Ende. Was übrigbleiben wird, ist ein trans­ humanes Geschlecht – gleichsam das Erscheinen des neuen Herrn. Zur Erstellung einer allenfalls noch notwendige Hardware kommt einem das Wort Platons in den Sinn, wonach sich der Geist die Körper webt, denn die Geistseele »verbraucht viele Körper, wenn sie viele Jahre lebt.«

5.0. Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg In den letzten Kapiteln wurden bereits etliche Brücken in die Gegenwart geschlagen. Damit sind wir bei der letzten in diesem Werk zu besprechende Zeitperiode, jener vom Zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart, die man in bildender Kunst und Architektur auch als zeitgenössisch (contemporary) bezeichnet. Wie immer, wenn man über die jüngste Vergangenheit oder gar die Gegenwart reflektiert, machen die fehlende Distanz und der fehlende einschlägige Fachdiskurs jedes Ordnungsraster schwierig und vorläufig. Daher ist die Diskussion der Kunsthistorikerinnen über Beginn und Eigenart der Gegenwartskunst noch unstrukturiert und sie liefert viele divergierende Antworten. Was den Beginn betrifft, flanieren die Jahreszahlen 1945, 1965 oder 1989 durch die Literatur. 1945 ist selbsterklärend und nachvollziehbar, scheint aber inzwischen, im bald dritten Jahrzehnt des 21. Jh.s, doch bereits zu weit entrückt, um noch als Gegenwartskunst durchgehen zu können. 1965 bezieht sich auf die Bewegung der Achtundsechziger. Diese war zwar vor allem ein politischer und gesellschaftlicher Paradigmenwechsel, der allerdings auch eine markante Wende in der Kunst markiert und in dessen Umfeld sich zahlreiche Kunstströmungen gebildet haben. Trotzdem scheint nicht nur eine exakte Jahreszahl schwierig, auch die Gestalten der damals entstandenen Kunstströmungen haben sich jeweils erheblich verändert. Und für 1989 muss man sich schon sehr in ideologische Abgründe ver-

Platon Phaid. 87e

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Cuauhtémoc 2010, 17

steigen, um den Zusammenbruch des realen Kommunismus in Europa als Beginn einer NATO-Kunst und neoliberalen Kunst zu kennzeichnen. Ich schlage demgegenüber zwei andere historische Markierungen vor: die documenta 5 1972 als Inventur über den Stand der damaligen zeitgenössischen Kunst und die Documenta11 2002 als Eröffnung der internationalen Contemporary. Das ist naturgemäß aus der Sicht am Ende des zweiten Jahrzehnts des 21. Jh.s formuliert, denn dem Begriff des Zeitgenössischen ist seine Verschiebung auf der Zeitachse inhärent.

5.1. Kontexte

5.1.1.

1.3.

Am Ende des Krieges lag Europa in Trümmern. Es wurde mit erstaunlicher Willensleistung und mit viel finanzieller Unterstützung aus den USA (European Recovery Program, kurz: Marshallplan, nach dem amerikanischen Außenminister, Karls- und Friedensnobelpreisträger George C. Marshall) wieder aufgebaut. Das beherzte Anpacken löste einen Boom aus, der rasch zu Wohlstand und wirtschaftlicher Prosperität führte. Die Einrichtung der nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft (NATO) im Jahre 1949 und der Aussöhnungs- und Integrationsprozess Europas (Europäische Union) sicherten die bislang längste Friedenszeit auf diesem geschundenen Kontinent. Wesentlich schleppender ging die moralische Aufarbeitung der Verstrickung der »Kriegsgeneration« in die Hitler-Diktatur vor sich, ein Tatbestand, der heftige Reaktionen der jungen Nachkriegsgeneration auslöste, die ein überaltert erscheinendes Wert- und Autoritätssystem mit der nationalsozialistischen Katastrophe verband. Ebenso wie der Aufschwung erfasste auch diese Revolution an Aufklärung und Demokratisierung nur eine Hälfte des Kontinents. Der Osten profitierte nicht von der Friedensdividende. Ein Eiserner Vorhang zerriss Europa und trennte zwei unvereinbare Weltanschauungen voneinander: freiheitliche Ordnung gegen kommunistische Diktatur. Es begann die Zeit des sogenannten Kalten Kriegs mit einer Spirale konventioneller und atomarer Aufrüstung und etlicher Stellvertreterkriege, z.B. in Indochina (Korea, Vietnam, Kambodscha). Nach dem Tod Stalins 1953 leitete der neue Generalsekretär der KPdSU Nikita Chruschtschow auf dem deshalb berühmt gewordenen XX. Parteitag eine Entstalinisierung ein. Dieser vorsichtige Luftzug durch die starre ideologische Doktrin wurde begleitet von Aufständen in der DDR, in Polen, Ungarn und der damaligen Tschechoslowakei. 1961 begann in einer Nacht- und Nebelaktion der Bau der Mauer quer durch Berlin. In der Sowjetunion waren nicht nur Gesellschaft und Wirtschaft einer rigorosen staatlichen Lenkung unterworfen, sondern auch Kunst und Architektur. Der Sozialistische Realismus würgte mit seinen ideologischen Vorgaben jede Freiheit in Kunst und Architektur ab, indem er sich gegen eine ideelle Kunst zugunsten der Darstellung der materiellen Basis stellte. Die Kunst musste die herrschende totalitäre Staatsdoktrin glorifizieren. Die Architektur changierte im Niemandsland zwischen einem Neoklassizismus und einem undefinierbaren Zuckerbäckerstil. In den Achtzigerjahren, als der Niedergang der Ostblockländer bereits im Gange war, errichtete man Wohnsilos in billiger Plattenbautechnik. Nur ganz vereinzelt finden Architek-



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turhistorikerinnen vorsichtige Versuche einer qualitätsvollen Architektur und vereinzelte Bestrebungen, am westlichen Funktionalismus anzuknüpfen. Das genaue Gegenteil passierte im Westen. Dort erhob der Internationale Stil (der ursprünglich von der russischen Avantgarde mitgestaltet worden war) den Anspruch einer demokratischen und durch das Vermeiden jeder regionalen Färbung zugunsten eines mathematischen Universalismus weltanschauungsfreien und jedem Nationalismus abschwörenden Baukunst. In dieser Hinsicht setzten sich die Programme von Bauhaus und Werkbund in erneuerter Form auch nach dem Krieg fort. In der Sowjetunion kam in die von Gerontokraten gelenkte Politik Bewegung, als 1985 der damals vierundfünfzigjährige Michail Gorbatschow Generalsekretär wurde. Seine Reformambitionen unter den Titeln Glasnost (Transparenz) und Perestroika (Umstrukturierung) führten zugleich mit einer heftigen Wirtschaftskrise und Freiheitsbestrebungen in den Satellitenländern zum Zusammenbruch des Sowjetimperiums. 1989 fielen im August der Eiserne Vorhang zwischen Österreich und Ungarn und im November die Berliner Mauer. Erste freie Wahlen fanden in verschiedenen osteuropäischen Ländern statt. In Polen gewann die Gewerkschaft Solidarność die ersten zumindest weitgehend demokratischen und freien Wahlen. Die im ersten Teil dieses Abschnitts vorgestellten künstlerischen Schulen, die das 19. mit dem 20. Jh. verbanden, überlebten beinahe ausnahmslos die Zäsuren der beiden Kriege nicht. Mit dem Neustart, vor allem inauguriert in den unruhigen Sechzigerjahren, bildeten sich in der zweiten Jahrhunderthälfte Strömungen, welche die »moderne Kunst« in die zeitgenössische Kunst führten. Diese bilden das nächste Themenfeld, bevor die eigentliche Gegenwartskunst skizziert werden soll. Zur Eigenart dieser Nachkriegskunst gehört, dass sie sich noch in identifizierbare Strömungen zusammenfassen lässt. Zudem hatten Künstlerinnen noch verbreitet die Ambition, ihr Tun auch theoretisch zu reflektieren. Die Identifizierung ist jedoch keineswegs trivial und man kann viele Einzelpositionen mehreren dieser Strömungen zuordnen. Um die Jahrtausendwende lösten sich auch diese Strömungen weitgehend auf und es traten sowohl in der bildenden Kunst als auch in der Architektur künstlerische Positionen an ihre Stelle, die individuellen Künstlerpersönlichkeiten eingeschrieben waren und nur mehr vage und retrospektiv mit den verloren gegangenen Strömungen verglichen werden können. Es macht Sinn, erst von da an von zeitgenössischer Kunst zu sprechen. Naturgemäß gibt es für diese Entwicklung kein festes Datum. Insofern könnten die vorgeschlagenen Daten 1972 und 2002 einen plausiblen Rahmen bieten. Die erwähnte von Harald Szeemann kuratierte documenta 5 verfolgte die Ambition, mit einem Überblick über die Strömungen der Nachkriegsmoderne nichts weniger als ein künstlerisches Resümee über das 20. Jh. zu ziehen. 2002 öffnete der nigerianische Kurator Okwui Enwezor bei der Documenta11 den Blick auf internationale Positionen, die inzwischen den Ton angaben und sich nicht mehr in einzelne Strömungen sortieren ließen. Die Kunst war international geworden, teilweise noch von europäischen Ideen und Vorbildern geprägt, teilweise auf eigenes kulturelles Repertoire abhebend und die europäische Tradition kreativ umgestaltend oder sich kritisch davon abhebend. New York löste Paris als Hauptstadt der Avant-

2.2.8.f./2.3.1.

5.2.1.–5.3.2. 6.0.

documenta 5 und Documenta11

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

garde endgültig ab. Um die Jahrtausendwende rückten dann andere Weltgegenden in den Fokus des nun international gewordenen Kunstgeschäfts. Insofern ist bereits seit den Sechzigerjahren die in dieser Untersuchung vorgegebene Beschränkung auf Europa nicht mehr möglich. Die Kunstentwicklungen an der Schwelle ins 21. Jh. zeigen neben Amerika auch im Fernen Osten und in Afrika aufregende Dynamiken, die hier allerdings keinesfalls ausführlicher dargestellt werden können, zumal es sich ohnehin vorwiegend um ein Thema der Kunstgeschichte und Kunstkritik handelt. Denn die kunstphilosophischen Aspekte bleiben auch bei dieser außereuropäischen Kunst stark dem europäischen Diskurs verhaftet. Es scheint, dass die Welt derzeit eine Abkehr der vielen Jahrzehnte an Aufklärung und Emanzipation erlebt. Rechtsnationalistische Parteien erfreuen sich eines verstärkten Zulaufs, ziehen in viele Parlamente und Regierungen ein. Parteien der Mitte rücken nach rechts. Damit gerät auch eine freie und kritische Kunst selbst in Ländern der Europäischen Union in atemberaubender Weise unter Druck. Regierungen und Parteien mischen sich bei Museen in die Gestaltung von Ausstellungen und bei Theatern in die Spielpläne ein. Missliebige Intendanten werden entlassen. Auch die freie Presse gerät unter Druck.

5.1.1. Die Revolution der Sechzigerjahre An der renommierten University of California in Berkeley erfasste Anfang der Sechzigerjahre ein politischer Aktivismus die Studierenden. Sie setzten sich für Bürgerrechte, Meinungs- und Forschungsfreiheit ein, für die Abschaffung der Todesstrafe und andere allgemeinpolitische Anliegen. Ein anfänglicher repressiver Kurs der Universitätsleitung gegen solches Engagement brachte das Fass zum Überlaufen und führte 1964 zu Massenprotesten, was die Universität zum Einlenken bewog und zur Solidarisierung weiter Teile des Lehrkörpers mit den Studierenden führte. Der Funken sprang in den USA auf etliche andere Universitäten und Bewegungen, unter ihnen die Bürgerrechtsbewegung und die Bewegung gegen den Viet­ namkrieg, über und erreichte schließlich Europa, wo er die legendäre 68er-Bewegung entflammte. Eine große Zahl von Impulsen vermischte sich in dieser politisch linksgerichteten Protestbewegung. Sie war antifaschistisch, antikapitalistisch, antikolonialistisch, pazifistisch, von Revolutionen in Südamerika, namentlich in Kuba (Fidel Castro, Che Guevara), und in Algerien inspiriert. Dieses Aufbegehren geschah in einem weltweiten Klima der Erneuerung und Aufklärung, das sogar der katholischen Kirche mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) und dem von Papst Johannes XXXIII. ausgerufenen Stichwort aggiornamento (ital. Heutigwerden) einen Reformschub ermöglichte, der noch heute von fortschrittlichen Katholiken regelmäßig gefeiert wird. Ein wesentliches Ingrediens der Achtundsechziger war – eine knappe Generation nach dem Ende der Nazidiktatur – die Abrechnung mit der Vätergeneration, die man der Kollaboration mit dem Naziregime bezichtigte und von der viele ehemalige Nationalsozialisten nach dem Krieg in hohe Positionen in Politik, Wirtschaft und Rechtsprechung gelangten. Diese Abrechnung der Jugend war nicht ein-



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fach eine zwar lautstarke, aber übliche Ablösung der Jungen von den Eltern, wie sie sich in jeder Generation wiederholt. Es war eine Abrechnung mit einer aus der Sicht der Nachkriegsgeneration tief im Morast von Schuld, Mitläufer- und Duckmäusertum verstrickten Generation. Nichts fasst die Angelegenheit spektakulärer zusammen wie die Ohrfeige, die die französisch-deutsche, in der Aufklärung von Naziverbrechen engagierte Journalistin Beate Klarsfeld dem deutschen Bundeskanzler und ehemaligen NSDAP-Mitglied Kurt Georg Kiesinger beim CDU-Parteitag in Berlin am 7. November 1968 verabreichte. Natürlich waren solche Aktionen nicht frei von Selbstgerechtigkeit einer durch den neuen Wohlstand gesicherten und mit dem Privileg der späten Geburt ausgestatteten Jugend. Aber das Aufbegehren war ein wichtiger gesellschaftlicher Impuls für eine Nachkriegskatharsis, die viele Jahrzehnte in Anspruch nahm, und es war ein Impuls, der der europäischen Gesellschaft letztlich einen neuen Aufklärungsschub verpasste und sie – nicht zuletzt dank der in Europa und Amerika neu entstandenen Strömungen in Kunst und Architektur – in die Moderne führte. Eben dieser eingeschränkte Blick auf die Konsequenzen dieser Bewegung auf das kulturelle Nachkriegseuropa mag für unseren Zweck genügen, das Thema selbst ist in seinen Licht- und Schattenseiten in zahlreichen fundierten Untersuchungen gut dokumentiert. Zu letzteren gehörten Momente der Gewalt und Radikalisierung. Paris erlebte 1968 im Umkreis der Sorbonne, dem Quartier Latin einen unruhigen Mai (Pariser Mai). In Deutschland erschoss am 2. Juni 1967 ein Polizist den Studenten Benno Ohnesorg bei einer Demonstration gegen den Staatsbesuch von Schah Reza Pahlavi. Und am 11. April 1968 feuerte ein Hilfsarbeiter mit Kontakten zur Neonazi-Szene in einem von der Springer-Presse aufgeheizten Klima drei Schüsse auf Rudi Dutschke ab, dem charismatischen Gesicht und Sprachrohr der 68er-Bewegung in Deutschland. Dutschke überlebte das Attentat nur knapp und kämpfte bis zu seinem Tod 1979 an den Folgen der schweren Verletzungen. Diese Geschehnisse gehören zu den Ursachen für die Bildung terroristischer Zellen wie der Roten Armee Fraktion (RAF), die sich nach dem Vorbild südamerikanischer Guerilla-Verbände und, vernetzt mit italienischen, französischen, palästinensischen Gesinnungsgenossen, dem bewaffneten Kampf gegen das bundesrepublikanische politische System verschwor. Über dreißig Morde und eine große Zahl von Verletzten legt man der Gruppe zur Last. Mit ihrem Agieren fiel in den Siebziger- und Achtzigerjahren, die als Deutscher Herbst bezeichnet werden, ein langer Schatten über das Wirtschaftswunder Deutschland. Bei den gemäßigteren und kreativeren Teilen der Bewegung entlud sich die aufgestaute Wut gegen alte Autoritätsstrukturen, Hierarchie- und Moralvorstellungen mit anderen Mitteln. Schon die politischen Ikonen der weltweiten Aufbruchsstimmung, mit denen man der muffigen Provinzialität ordentlich Schrecken einjagte, waren eher abgehoben: Che Guevara, Mao Zedong, Hô Chí Minh. Die Namen eigneten sich schon deshalb als provozierende Chiffren, weil sich der Kalte Krieg nach dem Mauerbau in Berlin 1961 und der Kubakrise 1962, die dem 20. Jh. beinahe einen dritten Weltkrieg beschert hätte, auf dem Höhepunkt befand. Nach der 1954 vom damaligen US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower verkündeten Dominotheorie

Radikalisierung

weltweite Auf­ bruchsstimmung

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Kulturrevolution

führten westliche Alliierte Krieg gegen den Kommunismus in Korea und Vietnam und unterstützten rechtsgerichtete Regime in Lateinamerika in ihrem Abwehrkampf gegen linke Befreiungsbewegungen. Die Formel der marxistischen Revolutionäre vom »Freiheitskampf« wurde von der aufbegehrenden Studentengeneration bereitwillig übernommen. Die Grausamkeit des Vietnam-Krieges, die Bilder von Napalm-Angriffen und sterbenden Kindern waren konkret und eindrucksvoller als die abstrakten Reden von strategischer Eindämmung der dominoartigen Ausbreitung des sowjetischen Machtanspruchs. Ebenso blieben die brutale Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes 1956 und die blutige Beendigung des »Prager Frühlings« 1968 durch sowjetische Panzer und einer halben Million Soldaten des Warschauer Pakts ohne große Reaktion. Auch die Kulturrevolution in China tat aus dem doch sehr einseitigen Blick dem Mythos des Guerillakämpfers Mao keinen Abbruch. Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas hatte am 8. August 1966 unter dem Vorsitzenden Mao Zedong, der damit seine angeschlagene Machtposition sicherte, eine Offensive gegen alles ausgerufen, was unter Revisionismusverdacht stand. Die Verfolgung betraf vor allem die Intellektuellen, darunter das Lehrpersonal an höheren Schulen. Akademiker und Intellektuelle wurden denunziert, erniedrigt, gefoltert und ermordet, Bibliotheken, Werke der Kunst und Architektur von unschätzbarem Wert zerstört. Ein aufgehetzter jugendlicher Mob verwüstete den Geburts- und Sterbeort des Konfuzius, Qufu. Die Barbarei berief sich vage auf eine permanente Revolution und Heraufkunft eines sozialistischen Paradieses durch Zerstörung des Alten. Historiker gehen von zwei Millionen Toten und Gefolterten allein durch Maos Kulturrevolution aus. Diese systematische Zerstörung der chinesischen Kultur rief keineswegs einen ähnlichen Protest im Westen hervor wie das Engagement der USA in Vietnam, vielmehr wurde ein kleines rotes Büchlein, in dem kuriose »Weisheiten« Maos gesammelt waren, man nannte es Mao-Bibel, zu einem Kultsymbol der aufbegehrenden Jugend. Die Sechzigerjahre waren ein Jahrzehnt der Hypes genannten Massenhysterien, egal ob es sich um die Verehrung der zahlreichen Pop- und Rockstars oder eben um so weit entfernte Ideale wie die 1966 zur Umsetzung der Kulturrevolution gegründeten Roten Garden. Sie, die gegen die »alten Ideen, Kultur und Bräuche« zu kämpfen hatten und dies selbst als Roten Terror beschrieben, schienen vorbildhaft aus jeder Autorität ausgebrochen zu sein. Demgegenüber tat man die Berichte über die unendlichen Grausamkeiten (Historiker operieren mit Zahlen zwischen 40 und 80 Millionen Toten, die Mao zu verantworten hat) als antikommunistische Propaganda ab. Amerika war nicht nur durch die militärischen Einsätze in Indochina strapaziert, im Inneren rang es mit dem Rassenkonflikt, der mit der Ermordung des Bürgerrechtlers Martin Luther-King 1968 einen traurigen Höhepunkt erreichte. Hinzu kamen ein veritables Drogenproblem, das zu einer neuen Herausforderung der gesamten westlichen Hemisphäre wurde, sowie der desolate Zustand der großen Städte samt hoher Kriminalität. Bereits 1963 war der große Hoffnungsträger und Reformer, der trotz seiner zahlreichen Krankheiten jugendlich wirkende John F. Kennedy in Dallas ermordet worden.



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Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

In dieser Unübersichtlichkeit bildete sich in Amerika auch eine sanfte Variante des Protestes gegen die alten Autoritäten. Es war eine gegenkulturelle alternative und pazifistische Jugendbewegung. Man nannte ihre Protagonisten Hippies (engl. hip/angesagt) oder Blumenkinder. Die Bewegung ging von San Francisco aus, dessen »Sommer der Liebe« von 1967 ebenso legendär wurde wie das Festival in Woodstock (eigentlich in Bethel, etwa 70 Kilometer von Woodstock entfernt) 1969. Die Bewegung war weniger politisch. Sie erinnerte vielmehr an die Lebensweise der Bewohner auf dem Monte Verità. Man propagierte das gemeinschaftliche, von allen bürgerlichen Zwängen befreite Leben mit der Utopie einer neuen, jede ökonomische und auf Leistung orientierte Logik ablehnenden Lebensweise. Es versammelten sich Pazifismus, Konsumverweigerung, Kommunenwesen, freie Liebe, Halluzinations-Erfahrungen durch Drogenkonsum und die Faszination an fernöstlichen Religionsformen. In diesen Jahren demonstrierten Hippies vor allem gegen den Vietnamkrieg mit dem berühmt gewordenen Motto: »Make love, not war.« Anfang der Sechzigerjahre wurde die Antibabypille eingeführt, ursprünglich als Mittel zur Behebung von Menstruationsbeschwerden entwickelt. Das Präparat revolutionierte letztlich auch das Geschlechterverhältnis im Sinn einer selbstbestimmten Sexualität und ermöglichte darüber hinaus ein vom Korsett alter Scheinmoral befreites neues Körpergefühl. Man sprach von der sexuellen Revolution. Dieses neue Lebensgefühl fand seinen Niederschlag in der Musik der Zeit. Stellvertretend seien der Song All You need is Love der Beatles und das esoterische Hippie-Musical Hair (1967) erwähnt. Diese Alternativkultur stand nicht nur an der Wiege der in den Siebzigerjahren entstandenen Ökologiebewegung, ihre Ausläufer reichen bis heute. Vielleicht die interessanteste ist das kreative Amalgam von Zen-Anhängern, Stoa-Verehrern, Vegetariern, Transhumanisten, Yoga-Treibenden und Anarchisten im Silicon Valley, wo sich diese schräge und unkonventionelle Lebensart mit Technik-Euphorie, die bis zu den oben referierten Erlösungsphantasien reicht, paart. Mit Blick auf diese neuen Formen der Pop- und Rockmusik bürgerte sich der Ausdruck Popkultur ein. Die Popkultur stand am Anfang von nachfolgenden Jugendkulturen wie Hip-Hop, Graffiti und Street-Art, Rap, Breakdance. Das alles war ein Anschlag auf die zutiefst bürgerlichen Institutionen Museum, Theater, Konzertsaal zugunsten des öffentlichen Raums und neuer Kunsthäuser, mehr Veranstaltungsort als museale Einrichtung. »Entscheidend war, daß sich ein Protestverhalten nicht primär mit den politischen Inhalten der Songtexte verband, sondern mit einem neuen Körpergefühl, einem rauschhaften Erleben, das ganz auf das Individuum ausgerichtet war. […] ganz auf eine gefühlsbetonte Grenzüberschreitung und imaginative Welterweiterung abzielend.« Solche Grenzüberschreitungen wurden auch in der bildenden Kunst zelebriert und es entstand eine Reihe von Kunstströmungen, die die zweite Hälfte des Jahrhunderts prägten und bis heute ihre Bedeutung behielten. Dabei ging es vielfach um bewusste Provokation. Die teilweise heftige und körperbetonte Aktionismus- und Performancekunst sollte schockieren und die alten Ordnungsstrukturen

Hippies

2.2.2.

4.7.5. Popkultur 5.2.2.

Hickethier 2003, 16

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

5.2.6.ff.

Pfütze 1989, 245

verhöhnen, weshalb man auch gerne die Grenzen des Strafrechts testete und sie überschritt. Die Zerstörung des alten Tafelbild-Illusionismus, vorbereitet von manchen Strömungen, welche der erste und zweite Krieg unterbrachen, in der Thematisierung von Prozessen, Abläufen und des Eigenwerts des Materials führte zur Concept Art, Minimal Art, Land Art, Pop Art, die alle mit mehr oder weniger direktem Bezug zu den Anliegen der Achtundsechziger in diesem Jahrzehnt entstanden. Im Theater experimentierte man mit einer Defiktionalisierung. Peter Handkes Publikumsbeschimpfung (1966), von Claus Peymann am Frankfurter Theater am Turm inszeniert, ist dafür vielleicht die auffälligste Episode. Dass diese Revolution nicht die anfangs angestrebte Unterstützung durch die Arbeiter erhielt, lag am elitären intellektuellen Anspruch. Klassische marxistisch-leninistische Floskeln von der Revolution und der weltweiten Vereinigung der Proletarier wurden von einem weitgehend unverständlichen philosophisch-soziologischen Jargon der kritischen Gesellschaftsanalyse der Frankfurter Schule mit Theodor Adorno und Max Horkheimer aufgerüstet. Dazu kamen die Technikkritik und Analysen der instrumentellen Vernunft eines Herbert Marcuse und die Versatzstücke des Existenzialismus von Jean-Paul Sartre und Albert Camus. Die einstigen Proletarier waren an einer Vereinigung nicht interessiert, denn die Boomjahre schenkten ihnen einen wachsenden Wohlstand. Fortschritt und Zukunft waren positiv besetzte Begriffe und dies wollte man angesichts eines eher dürftig scheinenden philosophischen Konzepts und unverständlicher Kunstaktionen nicht in Gefahr bringen. Bei der Frage nach dem, was blieb, ist die Bewertung ebenso differenziert zu betrachten wie es das Phänomen selbst war. Es ist unbestritten, dass abseits der oben angesprochenen Schattenseiten ein gesellschaftlicher Aufklärungs- und Demokratisierungsschub, eine unglaubliche kreative Kulturszene zu den Verdiensten dieses Jahrzehnts gehören. In den folgenden Gedenkjubiläen wurde die Revolution der Achtundsechziger sukzessive verklärt, worauf eine Aktion von Joseph Beuys bereits Anfang der Siebzigerjahre instinktsicher kritisch aufmerksam machte: Beuys fegte nach einer Demonstration mit Symbolen des Kampfes des Proletariats am 1. Mai 1972 auf dem Hermannplatz in Berlin-Neukölln den Platz und machte damit darauf aufmerksam, dass die Symbole einer Ideologie, rote Nelken, Flugblätter, Transparente, letztlich zu Müll wurden, damit entsymbolisiert waren (Aktion Ausfegen 1972). Dass Beuys damit selbst einen Beitrag zur Musealisierung des Entsymbolisierten leistete, ist wohl der in diesem Jahrzehnt häufig bemühten List der Geschichte geschuldet: »Spätestens seit der Müll vom 1. Mai in einer Vitrine ausgestellt wird und der Eindruck sich aufdrängt, daß er jedesmal wieder zurechtdrapiert wird, damit die Betrachter noch einen Zipfel eines Flugblatts lesen können, wird der Demonstrationsmüll selbst zum Symbol der symbolischen Aktion. Beuys’ Aktion geriet so im nachhinein in eine Konkurrenz symbolischen Tuns, statt nur das Tun der Demonstration zu entsymbolisieren.«



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Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

5.1.2. Zwischen Technikeuphorie und Zukunftsangst – Apollo 11 und Club of Rome Am 21. Juli 1969 um 02.56 UTC hüpfte Neil Armstrong als erster Mensch von der Sprosse der Leiter des Landemoduls Eagle des Raumschiffs Apollo 11 auf den staubigen Mondboden. Dabei sprach er seine auf historische Nachhaltigkeit angelegten Worte (mit einem ebenso historischen Versprecher): »That’s one small step for [a] man, one giant leap for mankind.« Es liegt viele Seiten in diesem Werk zurück, dass ich über die Mondgöttin Nanna, die auf der Spitze der Zikkurat von Ur ihren Sitz hatte, berichtete. Nun reisten die Menschen mit einem Feuer speienden Fahrzeug zu ihr und ersetzten die kulturelle Erzählung einer beschützenden Göttin durch eine des technischen Fortschritts und der Überlegenheit des Menschen. Der Flug zum Erdtrabanten beendete ein Jahrzehnt, das John F. Kennedy mit einer aufrüttelnden und von Zukunftsoptimismus getragenen Rede eingeleitet hatte. Als eines seiner Ziele versprach er, die im Wettlauf um die Erforschung des Weltalls führende Sowjetunion, die am 4. Oktober 1957 mit Sputnik 1 den ersten Satelliten auf eine Erdumlaufbahn geschossen und damit das Raumfahrtzeitalter eingeleitet hatte, zu überholen und vor Ablauf des Jahrzehnts Amerikaner auf den Mond zu bringen. Der Mensch feierte sich als homo faber. Der Optimismus strahlte auf alle kulturellen und politischen Genres aus, auch auf die Ökonomie, wo man auf den berechenbaren homo oeconomicus und die Feinsteuerung der Ökonomie durch die verschiedenen mikroökonomischen Instrumente vertraute. Vor allem in den USA stand der Optimismus im Vordergrund, was sich unter anderem in einer Abkehr von der alteuropäischen Kunsttradition und deren Neujustierung ausdrückte. Intellektuelle und Künstler, etwa die Vertreter des Minimalismus, sahen in einer technischen Kultur und Kunst Bollwerke gegen ideologische und politische Instrumentalisierung. »Technologischer Rationalität schuldete man Dank, während europäische humanistische Kultur spätestens durch die Naziherrschaft diskreditiert war.« Robert Smithson schrieb in A Sedimentation of the Mind: Earth Projects im Jahr 1968: »Als Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre ›Technologie‹ und ›Industrie‹ in der New Yorker Kunstszene zur Ideologie wurden, brachen die ateliermäßigen Vorstellungen vom ›Handwerklichen‹ in sich zusammen. Industrie- und Technologieprodukte begannen, Künstler zu faszinieren, die wie ›Stahlschweißer‹ oder ›Labortechniker‹ arbeiten wollten.« Auf beiden Seiten des Atlantiks war die Städteplanung auf verkehrstechnische Erschließung der Innenstädte ausgerichtet, die durch Kauf- und Bürohäuser entvölkert und von Schlafsiedlungen in den Außenbezirken satellitenartig umgeben wurden. Diese waren stilistisch häufig an die Bauhaus-Moderne angelehnt, aber nach ökonomischen Gesichtspunkten industriell durchgezogen. »Die Geschichte der Moderne nach dem zweiten Weltkrieg ist die Geschichte ihrer globalen Verbreitung und schließlich ihrer bauwirtschaftlichen Korrumpierung.« Man sprach ziemlich unscharf von Funktionalismus oder bisweilen – vermutlich nach einer Bezeichnung von Hans Asplund für ein Bauen mit »nacktem Beton« (beton brût), – von Bruta-

5.2.

Held Jutta in Stemmrich 1995, 459

Smithson, zit. HW, 1058 Städteplanung

Klotz 1994, 111

290

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

5.3.ff. 5.3.2. Ebd., 143

Konsum- und Wegwerfgesellschaft

3.8.f./5.0.

6.1.2. 2.3.5.

Grenzen des Wachstums

lismus. Dazwischen mischten sich skurrile Architekturfiktionen wie Trichter-, Kapsel- und Turmstädte, Utopien von so innovativen Denkfabriken wie Archigram, die dann allerdings schlagartig in den Siebzigerjahren verschwanden. »Da brach ein Fortschrittsdenken in sich zusammen, das die Vision einer anderen, schönen neuen Welt eindimensional technoid formuliert hatte.« Denn diese aus heutiger Sicht erstaunlich verfehlten Prioritäten riefen bei Architekten, Soziologen und Psychologen erhebliche Kritik hervor. Die Einschätzung der neuen technisch-industriellen Welt schwankte ohnehin in der Rezeption in Europa und Amerika. Die europäischen Intellektuellen, mit dem Erbe der alten Ambivalenz von Fortschritt und Beharrungstendenz und den Utopien der Systemphilosophie, erschraken vor der heraufkommenden Massenkultur, der ungehemmten Konsum- und Wegwerfgesellschaft. Adorno und Horkheimer geißelten in ihrem epochalen Buch Dialektik der Aufklärung diese Industrialisierung der Kultur und vermochten darin nichts anderes als einen Rückfall gegenüber der Aufklärung zu erkennen. Auch gegen die rein funktionale Stadt richteten sich die Einsprüche. Man beklagte die Unwirtlichkeit unserer Städte, so ein Buchtitel von Alexander Mitscherlich aus dem Jahr 1965. Anonymisierung, Ghettoisierung mischten sich mit Baumängeln wegen schlampiger Ausführung oder fehlender technischer Reife. Abseits dieser Massenbauweise nahm in den Sechzigerjahren allerdings auch eine Nachkriegsavantgarde Anlauf. Frei Otto baute nach Naturvorgaben (Algen, Spinnennetze, Seifenblasen) die Zeltdächer des Olympiastadions in München (1968–1972) und wurde zu einem führenden Visionär einer neuen, sich an den Formen der Natur orientierenden Architektur. Diesen Zwiespalt in der architektonischen Ambition kann man an Le Corbusier festmachen, der beides machte: Haus und Stadt nach der Maschinenmetapher und Orientierung an den Formen der Natur. Dass mit technischen Entwicklungen immer Verluste und Gewinne auftreten, ist eine triviale Feststellung. Die Sechziger- und Siebzigerjahre mit ihren grundlegenden Veränderungen der kulturellen Erzählungen, die sich von religiösen, nationalen, traditionsorientierten weg und zu fortschrittlichen, aufgeklärten hin orientierten, sind ein historisches Beispiel dafür, wie eine Fortschritts- und Technikbewertung innerhalb weniger Jahre kippte. Denn der Einbruch dieses Optimismus folgte auf dem Fuß. 1972 legte der Club of Rome, der 1968, ein Jahr vor dem Mondflug von Apollo 11, von Aurelio Peccei und Alexander King gegründet worden war, den Bericht Die Grenzen des Wachstums vor. Dieser Bericht (dem viele weitere Berichte folgten) markierte in einer Zeit, in der zugleich die Kritik der Postmoderne an der Rationalität der Moderne kursierte, einen Paradigmenwechsel. Er beendete die revolutionäre Sechzigerjahre-Euphorie und warf einen neuen, sorgenvollen Blick auf das Ökosystem des – wie man durch die eindrucksvollen Fotografien der Astronauten und Kosmonauten nun wusste – blauen Planeten. Die Berechnungen des Berichts erwiesen sich bald als Makulatur. Man hatte nicht nur die Rohstoffressourcen dieser Welt gewaltig unterschätzt, sondern auch das Innovationspotential der Menschen, zu dessen Aktivierung solche pessimistischen Berichte freilich beitrugen. Unabhängig von den Zahlenspielen blieb indes die Bot-



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Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

schaft gültig, dass nämlich die Ressourcen des Planeten endlich sind und dass das Überleben der stetig wachsenden Weltbevölkerung an ressourcenschonender, nachhaltiger und sozialer Entwicklung hängt. Der Bericht des Club of Rome, den andere ähnliche Bestandsaufnahmen begleiteten, hatte Konsequenzen: Politisch wurden die Ideen vor allem durch die sich bildenden ökologisch ausgerichteten Parteien in der Diskussion gehalten. Die Wurzeln der grünen Parteien reichen sowohl in den außerparlamentarischen Widerstand der Achtundsechziger zurück, als auch in die pazifistische Hippie-Bewegung. Was sich da politisch verdichtet hatte, war keine Eintagsfliege, sondern wurde zu einer weltweiten Konstante der Politik. Dieser Paradigmenwechsel hinterließ auch in der amerikanischen Kunst seine Spuren. Auch wenn der amerikanischen Kunst das utopische Potential der Gesellschaftskritik der europäischen Kulturgeschichte abgehen mag, thematisierte sie auch dort die gesellschaftliche Situation: das ungelöste Rassenproblem, den in den Siebzigerjahren eklatanten Zerfall der großen Städte, die ökonomische Rezension. »Die Party war vorüber. […] Während ihre Vorgänger der Pop und der Minimal Art in den 1960er Jahren New York als Emblem des amerikanischen Traums und des Fortschrittsglaubens zelebriert hatten, rückten die Künstler um 1970 ihren Fokus ab von den Hochhäusern und Autos, den schimmernden Oberflächen neuer Konsumgüter und hin zum Boden, zu den Details des ausgerissenen Straßenbelags, zur Misere, zum Abfall. […] Andy Warhol hatte 1964 in Empire die sublime Schönheit des Monopolkapitalismus beschworen. Im Gegensatz dazu bewegte sich der Performer in Trisha Browns Man Walking Down the Side of a Building (1970) steil abwärts […].« Mit den Club of Rome-Berichten setzte sich ein Krisenbewusstsein fest, das möglicherweise auch einen fruchtbaren Humus für den gegenwärtigen Populismus darstellt, der seine Erfolge auf Angst und Spaltung der Gesellschaft aufbaut. Diese Ambivalenz von Fortschrittseuphorie und Untergangssemantik gehört zur Signatur der ersten Jahrzehnte des 21. Jh.s. In der Tat ist das Reden vom halbvollen oder halbleeren Glas selten so zutreffend wie in der Gegenwart. Den Klagen über den von der Spezies Mensch verursachten Raubbau an der Natur stehen weltweite Erfolgsmeldungen von den medizinischen, bildungspolitischen und auch ökologischen Fronten gegenüber. Die alte Weisheit des delphischen Orakels, wonach dasjenige, was die Wunden schlägt, sie auch wieder heilen kann, scheint auch für Wissenschaft und Technik zu gelten.

5.1.3. Das Friedens- und Aufklärungsprojekt der Europäischen Union und die Bedrohung durch den Nationalismus Am 10. November 2018 um 16.00 Uhr (rund um das Gedenken an das Ende des Ers­ten Weltkriegs vor 100 Jahren) wurde auf über 100 Balkonen von Theatern, Konzerthäusern, Kunsteinrichtungen und auf öffentlichen Plätzen in ganz Europa die Europäische Republik ausgerufen. »An die Stelle der Souveränität der Staaten tritt hiermit die Souveränität der Bürgerinnen und Bürger« hieß es auf einem Flugblatt. Diese Aktion war eine Kunstaktion (The European Balcony Project) des European Democracy Lab (Berlin) von Künstlerinnen und Intellektuellen, die damit ein Ausrufe-

Ursprung 2010, 39 Fenske/Hülk/Schuhen 2013

292

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

III.2.4.3.

zeichen gegen den aufkommenden Neonationalismus und eine grassierende Verunglimpfung der Europäischen Union setzten. Es handelt sich um eine Performance im besten Sinn des Wortes, nämlich um eine utopische Hoffnung auf baldige Einlösung eines performativen Sprechakts. Die Geschichte um das Vereinigte Europa begann am 25. März 1957. Damals unterzeichneten im Palazzo dei Conservatori am Kapitol in Rom die Staatslenker von Italien, Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden die Römischen Verträge, mit denen 1958 unter anderem die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), das Europäische Parlament und der Europäische Gerichtshof errichtet wurden. Im Nacken saß ihnen der Schrecken der Katastrophen auf diesem Kontinent und es vereinte sie der feste Wille, so etwas nie wieder geschehen zu lassen. Dieser erste Schritt zu einer europäischen Aussöhnung und Integration ist einer der Gründe, weshalb die Generation der heute Siebzigjährigen das historische Privileg hat, das noch keiner Generation vor ihr zukam, dass sie ihr gesamtes Leben – jedenfalls auf dem Gebiet der heutigen Europäischen Union (mit Ausnahme der neuen Mitglieder Slowenien und Kroatien und terroristischer Konflikte wie in Nordirland und im Baskenland) – in Frieden und (auch wenn die Militärdiktaturen in Griechenland erst 1974 und in Spanien 1975 endeten) Freiheit verbringen durften. Dass sich Europa nach dem Krieg zudem wirtschaftlich und militärisch starken Großmächten gegenübersah, die rasant fortschreitende Globalisierung kleine Nationalstaaten zu überrollen drohte, verstärkte den Willen zur europäischen Integration. Den Römischen Verträgen folgten viele andere, unter ihnen 1992 der Vertrag von Maastricht, der den bislang größten Integrationsschritt für die Europäische Union (EU) brachte, und 2007 der Vertrag von Lissabon. Wegfallende Grenzbalken, eine gemeinsame Währung nicht aller, aber vieler EU-Staaten, ein sich zunehmend vom Rat der Staats- und Regierungschefs und von der Kommission emanzipierendes Europäisches Parlament und der Versuch gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik schaffen tatsächlich einen institutionellen Rahmen für einen der faszinierendsten Kulturräume der Welt. Zur Beschreibung der Eigenart dieses Kulturraums könnte man die vielen in den vergangenen Abschnitten aufgelisteten kulturellen Erzählungen, die Europa aus dem Orient übernommen und kreativ weitergedacht oder selbst hervorgebracht hat, auf drei Charakteristiken fokussieren: (1) Da ist die alte Ambivalenz von Dynamik und Beharrung, die tief in Mythologie und menschliche Urerfahrungen hineinreicht und daher bereits am Anfang der sich bildenden kulturellen Erzählungen stand. Sie wurde in den großen Systemphilosophien, wo der Prozess auf das Erreichen eines statischen Systems funktionalisiert wurde, in die avancierteste Form gebracht, etwas, was für alle kulturellen Genres, von der Politik bis zur Kunst und Architektur ein Muster bildete. (2) Zu Europa gehört eine lange Geschichte der Aufklärung. Bereits im antiken Athen wurden die Positionen von Moderne und Aufklärung formuliert. Das Mittelalter mit dem hart ausgetragenen Investiturstreit und der Akademisierung der christlichen Religion an den neuen Universitäten in der Scholastik, die Renaissance



Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

und schließlich die Aufklärung des 17. und. 18. Jh.s sind große kulturelle Leistungen, die letztlich zur Formulierung von Menschenrechten, zu partizipativen Regierungsformen und zu einer Domestikation der Religion zu einer sozialverträglichen und mit einer liberalen Gesellschaft kompatiblen Form geführt hat. Dazu kommen die Beiträge der Nachkriegskunst und -architektur für Freiheit, Demokratie und globale friedliche Verständigung, die nicht hoch genug einzuschätzen sind. Wie brüchig diese Errungenschaften selbst noch heute sind, zeigen die Verfolgungen (bis hin zu Mord) von Oppositionellen, Journalisten und Kunstschaffenden in vielen (auch hochentwickelten) Ländern der Erde. (3) Schließlich kennzeichnet Europa während seiner gesamten Geschichte, aufbauend auf diese aufklärerische Tradition, eine große Neugierde, Weltoffenheit und ein geistiger Kosmopolitismus, der sich Anregungen aus allen Teilen der Welt holte – leider aus heutiger Einschätzung nicht immer mit fairen Mitteln. Auch innerhalb Europas war der Austausch lebendig. Man staunt, angesichts der Beschwerlichkeit des damaligen Reisens, über die Omnipräsenz von mittelalterlichen Herrschern, Theologen und Kunsthandwerkern, von Renaissancehumanisten und Wissenschaftlern der frühen Neuzeit. Europa hat über viele Jahrhunderte vorgelebt, wie es grenzenlos sein konnte, ohne das jeweilige Lokalkolorit zu verlieren. Immer wieder, namentlich nach Kriegen, formulierten Intellektuelle die Vision eines friedlichen, toleranten Europa. Ob es die Institutio principis Christiani des Erasmus von Rotterdam war, sein Karl V. gewidmetes Handbuch für die Erziehung eines christlichen Weisen und friedfertigen Fürsten, oder das Plädoyer des Philosophen und Aufklärers Abbé Charles Irénée de Saint-Pierre für einen dauerhaften Frieden in Europa (Projet pour rendre le paix perpétuelle en Europe) am Anfang des 18. Jh.s oder die ersten neuzeitlichen Ideen einer Union europäischer Staaten von Rousseau und Kant. Die Idee der Nationalstaaten stand am Ende der langen Geschichte Europas und diese Idee verfestigte sich, als der Staat in die Rolle des Wohltäters schlüpfte und von einer zunehmend auf demokratische Partizipation ausgerichteten Bevölkerung für das persönliche Wohlergehen verantwortlich gemacht wurde. Er versuchte dieser Erwartung durch die Kontrolle von Güter- und Warenverkehr gerecht zu werden, ein Unterfangen, das der gleichzeitig anlaufenden Globalisierungstendenz diametral zuwiderlief. Ab der Mitte des Jahrhunderts erschienen Grenzen angesichts der offenen Verkehrs- und Kapitalmärkte im Zuge der Globalisierung als überflüssige und wohlstandsgefährdende Hemmnisse. Im Gegenzug dagegen scheint eine Bedrohung besorgniserregende Dimensionen anzunehmen und zur Signatur der unmittelbaren Gegenwart zu werden: die drohende Rückabwicklung wichtiger Errungenschaften der Aufklärung, demokratischer und rechtsstaatlicher Standards und die Bewirtschaftung von Pessimismus und Zukunftsangst durch politische Akteure, anstatt den Fortschritt zu stimulieren, zu gestalten und ihn für die vermeintlich Abgehängten attraktiv zu machen. Und dies nicht nur in ohnehin zu totalitären Strukturen neigenden Ländern, sondern mitten in Europa. Das Wiedererstarken von Nationalismen, religiösem Fundamentalismus,

293

294

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

VIII.7.1.2.

Baumann 2017

ja imperialistischer Attitüden, geschieht in einem Ausmaß, das man kaum mehr für möglich erachtet hätte. Freilich mag einem hier der gelassene Blick des Historikers helfen, der lehrt, dass solche Ambivalenzen in der Geschichte eher eine Konstante als die Ausnahme sind. Es gab sie bereits im antiken Rom und richtete sich damals gegen die Modernisierung (Hellenisierung) von Kunst und Philosophie. Näher an der heutigen Form häuften sie sich im schnelllebigen und nervösen 19. Jh. und wurden nicht zuletzt von Literaten und Künstlerinnen reichlich bewirtschaftet. Zu erinnern ist an die Empfehlung Goethes, gegen das »Veloziferische« der Zeit die antike Gemütsruhe als Entschleunigungsstrategie zu setzen. Ernst Ludwig Kirchner malte seine expressionistischen nervösen Großstadtbilder mit der ganzen Dekadenz und Vulgarität und er malte gleichzeitig die an Südsee-Paradiese erinnernden Ostsee-Veduten einer Naturszenerie und scheinbar unschuldiger (wenngleich damals ebenso anstößiger) Nacktheit. Für die Kunst war diese Ambivalenz freilich ein Exerzierfeld für Gesellschaftskritik, für einen aus Sicht der Künstler missgeleiteten Fortschritt und für eine neue Freiheit, die man bis an die Grenzen auskostete. Auf keinen Fall war damit ein Appell an einen Rückschritt verbunden. Die Weltlage im ausgehenden zweiten Jahrzehnt des 21. Jh.s widerspricht dem aufgeklärten, sich dem Fortschritt öffnenden Europa und Amerika diametral. Teile der mit Wohlstand und Sozialfürsorge gesättigten Bürger projektieren keine Zukunft mehr, sie wollen angesichts einer bedrohlich empfundenen Globalisierung und supranationaler Entscheidungsebenen vorwiegend Besitzstände sichern und sehnen sich an die nostalgisch verklärte, vermeintlich große Vergangenheit der kleinen nationalen Einheiten zurück. Überraschenderweise unterstützen die neuen digitalen Medien mit ihrer globalen Reichweite nicht etwa Toleranz und einen abgeklärt-weiten Blick auf die Welt. Sie ermöglichen vielmehr das Einigeln in die je eigene Filterblase, die alles, was nicht die eigene Meinung bestätigt, aussperrt und über das Trommelfeuer der Likes nur die eigene Weltsicht bestätigt. Die krudesten »alternativen Fakten« lassen sich aus der Google-Welt zusammenschustern. Zygmunt Baumann nennt einen solchen Zustand Retrotopia, gleichsam eine rückwärtsgewandte Utopie.

5.2. Die Kunst zwischen Adornos moralischem Moratorium und D11

Ruhrberg Karl in Walther 1998, 269

Sartre, zit. HW, 736

Die Kunstszene unmittelbar nach dem Krieg stand unter dem Eindruck der erlebten Gräuel und des Versuchs einer ideologischen Katharsis der Moderne. Die Verunsicherung war groß und der Blick auf die Kunst geschah immer aus der Perspektive des Erlebten. »Desillusionierung und Zerstörung der letzten schönen Täuschungen durch den totalen Krieg schlossen jedes naive Pathos für lange Zeit aus. Wir finden nach 1945 keine tönenden Programme und nur wenige schwärmerische Manifeste.« Eine Ausstellung 1948 mit den abgemagert erscheinenden, archaisch anmutenden Figuren Alberto Giacomettis kommentierte Jean-Paul Sartre (Die Suche nach dem Absoluten; 1948) so: »Auf den ersten Blick glauben wir es mit den ausgemergelten Märtyrern von Buchenwald zu tun zu haben. Doch im nächsten Augenblick ändern wir unsere Meinung: diese zarten, gelösten Gestalten steigen gen Himmel, in jeder von ihnen erleben wir eine Himmelfahrt, eine Entrückung; sie tanzen […].«



295

Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

Insofern ging es zunächst reflexartig einerseits um strikte Ideologieabstinenz in der Kunst und andererseits um Wiedergutmachung, das heißt um die Rehabilitierung der von den Nazis als entartet verworfenen Kunst, der bereits in der ersten Jahrhunderthälfte ein destruktiver Gestus gegenüber den traditionellen Formen von Bild und Skulptur und gegenüber dem Kunstbetrieb inhärent war. Denn der tief sitzende Schock war, dass gegenüber der Ungeheuerlichkeit des Geschehenen sämtliche Systeme der Aufklärung, der Rationalität, damit auch der Kunst und Architektur, versagt hatten. Nur aus einer solchen Enttäuschungserfahrung ist der Satz Theodor Adornos im Aufsatz Kulturkritik und Gesellschaft zu verstehen: »Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch […].« Ein solches moralisches Moratorium mochten indes nicht alle Intellektuellen teilen. Hans Magnus Enzensberger hielt mit unverbrüchlichem Optimismus dagegen. Er verstand die Literatur trotz alledem als Bollwerk gegen eine Wiederholung solcher Barbarei. Der Künstler und Kunsthistoriker Arnold Bode gründete 1955 die documenta (die genauen Abläufe der Gründungsgeschichte sind unklar), die sich zur bedeutendsten Weltausstellung der modernen Kunst entwickelte. Nicht Resignation, sondern Neustart war auch seine Devise. Zwangsläufig stand am Anfang eine Suchbewegung, wie dieser Neustart in der Kunst zu bewerkstelligen sei. Die documenta II (1959) verordnete beinahe mit dem Anspruch eines kirchlichen Lehrschreibens die abstrakte Kunst als universale Weltkunst. Eine gleichsam von Illusionismus purifizierte Kunst sollte auch immun gegen Ideologien sein und stattdessen der Aufklärung dienen. Der Neuanfang wurde von kritischen Kommentaren der amerikanischen Künstler über die alteuropäische humanistische Tradition begleitet, die ihrer Ansicht nach die historischen Katastrophen auf dem europäischen Kontinent nicht nur nicht verhindern konnte, sondern wo sogar einzelne Vertreter, welche noch dazu die Kunst emphatisch an Wahrheit und Moral banden, als Mitläufer des Nazi-Systems agierten. Die Entgrenzung des Kunstwerks und die Ablehnung jeder philosophischen Utopieambition, wie sie durch das Ready-Made vorgespurt war, waren die konsequente Folge. Denn das radikal offene Kunstwerk entzieht sich jeder abschließenden Deutung. Anders gesagt: Ästhetische Erfahrung kommt nie an ein endgültiges Ziel. Rüdiger Bubner beschrieb 1989 in einem vielbeachteten Buch (Ästhetische Erfahrung) diese Neuausrichtung für die Kunstphilosophie und rechnete mit der alten Wahrheitsästhetik ab. Das trifft sich mit der Neuformulierung der Moderne als ein offenes Projekt durch Jürgen Habermas und es trifft sich mit der Absage von Wahrheitsansprüchen in der Philosophie im Diskurs von Moderne und Postmoderne. Am Beginn der Sechzigerjahre, wo man besonders heftig die vermeintliche oder tatsächliche Verantwortlichkeit der Kriegsgeneration aufspießte, schrieb der Pop Art-Künstler Jim Dine bei einer Performance 1960 auf eine große Papierfolie: »I love what I’m doing«. Dazu trank er einen Eimer roter Farbe (in Form von Tomatensaft), schüttete sich Farbe über den Körper und sprang durch die Papierfolie. Dass diese neue Form von Kunst verwirrte und legitimationsbedürftig war, versteht sich

moralisches ­Moratorium

Adorno 1951b, 30

Entgrenzung des Kunstwerks

X.3.3.

X.1.4.

4.0.ff.

296

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Schneckenburger Manfred in Walther 1998, 509

5.2.3.f. Kunst und P ­ hilosophie

De Duve 1993, 54

X.3.5.3.

Internationali­ sierung

Greenberg 1948, 147

Chave 1989, 2

von selbst. »Eine halbe Generation durchstöbert jetzt Schrotthalden, Müllkippen, Alteisenhandlungen, Trödelläden, Spielzeuggeschäfte, Baustellen, Supermärkte, montiert Straßenschilder ab oder nagelt abgegessene Teller auf Brettern fest.« Die Zerstörung der Kunst, die sich aus der europäischen Tradition mit Wahrheit, Ethik oder zumindest mit Bedeutung verschwägert hatte, indem man auf Bilder schoss, sie aufschlitzte, Klaviere zertrümmerte, eine Galerie mit Erde anfüllte, einen Pinkelwettbewerb zur Kunst erklärte, menschliche Exkremente in Dosen verpackte, beinhaltete auch die Zerstörung der Verbindung von Kunst und Philosophie im Sinn der alten Hermeneutik. Doch dieser destruktive Gestus war wenig nachhaltig. Durch den konzeptuellen Anspruch der Kunst bei den Strömungen von Concept Art oder Minimal Art wurde erst recht wieder die Ablösung der Kunst durch die Philosophie postuliert. Auf diese Weise entstand die paradox anmutende Situation, dass sich gerade im 20. Jh. das Verhältnis von Kunst und Philosophie schwierig gestaltete, obwohl in keinem Jahrhundert vorher so viel philosophische Reflexion über Kunst betrieben worden war. Eine der daraus resultierenden Herausforderungen ist jene, die Begriffe Kunst, Kunstwerk, Ästhetik angesichts dieser Problematik philosophisch zu bewältigen. Thierry de Duve brachte das ungeschminkt auf den Punkt: »›Kunst‹ [ist] ein Eigenname. Das ist eine theoretische Definition, die einzige, die man vom Wort ›Kunst‹ geben kann. Damit haben wir eine Theorie, die zudem extrem einfach und unerträglich dürftig ist.« Da jeder Anspruch auf Wahrheit auch in der Philosophie erodierte und in der Periode nach dem Krieg der Werkcharakter der Kunst unter Druck geriet, verlagerte sich die ästhetische Theoriebildung von den philosophischen Abteilungen zu den Kunstschulen, den Kunst- und Ausstellungshäusern und in die gewichtigen Begleitkataloge großer theorieaffiner Ausstellungen wie der Documenta-Protokolle. Dazu kam die einsetzende Internationalisierung der Kunstszene gegen Ende des Jahrhunderts. Das alles hat die europäische Kunst nach dem Totalausfall durch die Kriegsjahre ruckartig aus ihrer Nabelschau gerissen und die trüben Gedanken Adornos schnell vertrieben. Der Blick richtet sich nicht mehr zurück, sondern in die Zukunft. Zunächst waren der neue Impulsgeber die Vereinigten Staaten von Amerika. Zu den großen alten Kunstzentren in Europa, Paris, London, dann Berlin, München, Wien gesellte sich New York. Diese Wende hat Clement Greenberg in einer berühmt gewordenen Bemerkung 1948 nachdrücklich festgezurrt: »[…] dann drängt sich […] der Schluß auf, daß sich das Zentrum der westlichen Kunst letztlich […] in die Vereinigten Staaten verlagert hat.« Zu Recht sprach Greenberg von westlicher Kunst, denn die Impulse, die damals von Amerika ausgingen, waren ihrerseits aus der europäischen Avantgarde-Tradition der ersten Jahrhunderthälfte gespeist und inauguriert. Die Mitglieder der New Yorker Schule waren »numerous immigrants and sons of immigrants.« Es war ein von jeder Last der europäischen Tradition freier Blick, der die europäischen Einflüsse in Amerika in eine neue Kunst verwandelte. Keineswegs geht es darum, die amerikanische Kunst der Moderne auf die europäische zu reduzieren, sondern auf die europäischen Einflüsse hinzuweisen, die einerseits in Amerika die Moderne und die Abgrenzung von der europäischen Tradition angeregt ha-



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ben und die deshalb deutlich anders weitergesponnen wurden: »If the central staging ground for the avant-garde moved from one continent to another after the Second World War, then the cast of characters remained more or less an international one.« Dass Amerika nach dem Krieg noch in einer künstlerisch provinziellen Geisteshaltung verharrte, zeigte eine landesweit kuratierte Wettbewerbsausstellung 1950 im Metropolitan Museum in New York mit dem Titel American Painting Today. Preisträger waren heute kaum mehr bekannte Künstler mit traditionellen und vorsichtig kubistischen Werken. Daneben gab es jedoch eine lebendige junge Szene, die gegen einen solchen Provinzialismus opponierte. Es war die Gruppe der abstrakten Expressionisten, die unter der Bezeichnung Die Jähzornigen ihren Protest artikulierten. Diese Sache war Teil der Entstehungsgeschichte der Avantgarde in den USA. Amerika war für einen Neustart der internationalen Kunst geradezu prädestiniert. Neben den begierig aufgesogenen europäischen Einflüssen war dies der relativen Unversehrtheit durch den Krieg geschuldet. Es gab viel Geld, gute Künstlerinnen, Kunstschulen, Museen und Sammler. Dennoch setzten die USA keinesfalls allein die Maßstäbe. Die neuen Formen künstlerischen Ausdrucks: Performance, Event, Fluxus, Pop Art, Concept Art, Body Art, Land Art entstanden vielmehr in einem internationalen Netz, das Nord- und Südamerika, Japan und Europa umfasste und gerne in New York medial präsentiert wurde. Von Anfang an war das Interesse der Kunst in Amerika anders pointiert. Es ging um die Kunst, die vorwiegend mit Formfragen rang und wenig bis gar nicht utopische und gesellschaftsverändernde Ansprüchen aufbaute, wie sie die europäische Avantgarde interessierte. Die amerikanischen Künstlerinnen »wollten nicht die Gesellschaft mittels Kunst verbessern, sondern vielmehr ihre Kunst dadurch verbessern, dass sie sie der Komplexität der Gesellschaft und den rasanten Veränderungen aussetzten.« Daher ging es auch darum, die Form der noch eng an den europäischen Traditionen hängenden Künstlergeneration, also der Tafelbild-Tradition samt expressionistischer Attitüde, zu sprengen – dazu gehörte schließlich auch noch der Abstrakte Expressionismus. Neben der Form wurde auch die Ambition der Erzählung durch die Kunst destruiert. »In den letzten etwa 200 Jahren hat sich die Kunst von der Verpflichtung befreit, Sachen über die Welt sagen zu müssen, die eigentlich in den Bereich der Wissenschaft fallen. Einige jüngere Künstler, Robert Smithson zum Beispiel, haben diesen absterbenden Anthropomorphismus wiederbelebt, indem sie wissenschaftliche Ideen und Begriffe in ihre Kunst einbeziehen. Diese anthropomorphistische Sentimentalität ist so stumpfsinnig wie Landseers Hunde.« Diese dekonstruktive Arbeit am Tafelbild funktionierte durch völlig neue Kunstformen, was den Bild- und Skulpturenbegriff schließlich erheblich erweiterte und damit die Grundlage für die Contemporary Art legte. Es gibt dafür ein passendes, aktionistisch angehauchtes Ereignis: 1953 entstand das Bild Erased de Kooning Dra­wing von Robert Rauschenberg. Rauschenberg radierte ein (noch) expressionistisches Sujet von Willem de Kooning aus (angeblich brauchte er vier Wochen dazu, weil de Kooning ihm ein schwer zu eliminierendes Bild gegeben hatte). Das war gleichsam eine feine und vornehme Art der Verabschiedung »alteuropäischer« Kunst. An an-

Ebd., 2

Ursprung 2010, 18 Sprengung des Tafelbildes

5.2.1.

Judd Donald in ­Stemmrich 1995, 85

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

5.2.6.

X.2.5.

Schneckenburger Manfred in Walther 1998, 407

I.4.3.2.

Honnef Klaus in Ebd., 671 Fotografie Reißer/Wolf 2003, 282

derer Stelle geschah dies mit Provokationen und Tabubrüchen, wie sie in den Aktionskünsten am nachhaltigsten durchgeführt wurden. Eine solch destruierende Arbeit am Bild betrieben auch Jackson Pollock mit seinem Action-Painting, das – immer noch die anagogische Sprengung des Tafelbildes zitierend – den Weg wies in die Erweiterung des All-Over auf die gesamte Umgebung (Environment) und Allan Kaprow in den Spuren Pollocks, der dieses Tun zudem theoretisch beschrieb. Er hielt die Malerei für die experimentierfreudigste unter den Künsten, weil sie im traditionellen Bildformat einen Reibepunkt fand, der sie zu kreativen Höchstleistungen anspornte: neben dem All-Over das Drip-Gemälde, das Aufschlitzen der Leinwand und die Überführung des Bildes durch Collage und Assemblage in die reale (nicht nur illusionierte) dritte Dimension und schließlich in die Dynamik der Performance. Die Zerstörung des Tafelbildes war nichts weniger als die Entleerung der Kunst von philosophischen Erzählungen. Dies öffnete einerseits den Raum für eine neue Historisierung durch die Postmoderne, andererseits führte das – besonders betrieben durch Clement Greenberg – zur Vorstellung einer autonomen, selbstreferentiellen Arbeit am Kunstwerk. Greenberg sah den Paradigmenwechsel deutlicher als beim Bild in der neuen Skulptur vollzogen, auch wenn die Formfindung in der Skulptur parallel zu jener in der Malerei lief. In allen im Folgenden erwähnten Richtungen arbeiteten die meisten Künstlerinnen sowohl im Bild als auch in der Skulptur. Die Grenzen der Genres waren (und sind bis heute) kaum mehr zu ziehen: »Identitätskrisen sind im 20. Jahrhundert das eigentlich produktive Prinzip bei der Expansion des Plastikbegriffs. Alltagsprodukte, objets trouvés, die Assemblage, das Triviale samt den Ikonen der Konsumwelt, eroberten den Raum der Bildhauerei. Und sie gewannen in der Land Art gigantische Dimensionen. Die Grenzen öffneten sich auch auf die Architektur, wo – wie an ihrem Beginn – das Spiel von Abstraktion und Figuration, von Architektur und Skulptur gespielt wurde. Der Skulpturcharakter der Architektur wurde für die bildende Kunst interessant. Bernd und Hilla Becher, die eine analytische Industriefotografie etwa im Sinne Albert Renger-Patzschs betrieben, nannten ihre fotografierten Gegenstände anonyme Skulpturen (Anonyme Skulpturen; 1970). »Mit bestechender Sachlichkeit und unter Verzicht jeglicher Dramatisierung im stets gleichmäßigen neutralen Licht und stereotypem Ausschnitt des Rahmens der Plattenkamera vergegenwärtigten sie aus genau festgelegten und gleichbleibenden Blickwinkeln die architektonischen Zeugnisse der Industriekultur, Förder- und Wassertürme, Hochöfen und Fabrikhallen, industriell fabrizierte Fachwerkhäuser und ganze Zechenanlagen.« Sie präsentierten ihre Fotografien im Rahmen der Konzeptkunst und Minimal Art. Die Fotografie wurde im 20. Jh. ein selbstverständlicher Teil der Kunst und dermaßen vertraut, »dass man sie als eigenes Medium kaum mehr wahrnimmt.« Noch in einem anderen Punkt unterschied sich die Fotografie nicht mehr von der bildenden Kunst: Man billigt ihr längst keinen höheren Objektivitätsgrad mehr zu als der Malerei. In der zweiten Jahrhunderthälfte begann in großem Stil das Sammeln von Fotokunst. Der Kurator Sam Wagstaff, ein Förderer des Fotokünstlers Robert Map-



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plethorpe und Sammler von Fotokunst, war dafür ein wichtiger Anreger. Angesichts der zunehmenden Technisierung der Fotografie kamen alte Techniken wie die Daguerreotypie oder das Arbeiten mit der Lochkamera wieder ins Spiel. In der Form löste sich die klassische Skulptur ab den Sechzigerjahren völlig auf: »Gattungsgrenzen von Bild, Objekt und Plastik werden überspielt, hinterfragt, schließlich negiert, Skulptur im engeren klassischen Sinne, folgt man der traditionellen Definition des Etwas-Wegnehmens, ist so gut wie nicht mehr vorhanden.«  Auch die Frage nach dem Raum veränderte sich. War es bislang ein Kriterium, dass man um eine Skulptur herumgehen können muss, dass sich die Skulptur gleichsam in den Raum erweitert, stellt die zeitgenössische Plastik – so sie daran überhaupt interessiert ist – einen Bezug zum Raum für die Rezipientin her. »Der traditionelle Sockel wurde aufgegeben, und jedes Stück beherrscht ein bestimmtes Territorium und verändert die Reaktion des Betrachters auf den umgebenden Raum.« Die Skulptur wurde gleichsam instabil und sie definiert bei der Rezeption den Raum der Umgebung neu. Mit David Smiths abstrakten Arbeiten »verlor die Skulptur ihren Kern: Sie greift in den Raum hinein und definiert ihn. […] Smith führte den Beweis, daß die Skulptur sich endgültig von der Malerei unabhängig gemacht hat. Als in den realen Raum projizierte Realität bringt sie unsere Bewußtseins- und Wahrnehmungsmuster ins Wanken.« Auf diesen Punkt weisen alle Kommentatorinnen hin. Plastiken im öffentlichen Raum »verändern Wahrnehmungsbedingungen, erschaffen einen Platz als Plastik und eine Plastik als Platz.« Es gehört zur Gegenwartskunst, dass sich das Ikonische anders zeigt als im klassischen Bild. Bildnerische Ausdrucksformen »rechnen z.B. damit, daß vermittels eines Feldes von Metallstäben in der Wüste von Neu-Mexico (Walter de Maria), mit einer ritualisierten Begegnung zwischen dem Künstler und einem Coyoten (Joseph Beuys) oder mit einem kalkulierten Farbfeld auf dem Fußboden (Ellsworth Kelly) doch ikonische Kontraste entstehen, die in aller Zerstreuung Dichte kumulieren, etwas Unabweisbares vermitteln.« Skulptur oder Plastik erhält auf diese Weise einen völlig neuen Sinn. Wenn Richard Long so lange auf einer Wiese auf und ab läuft, bis sich eine Spur zeigt, hat er die erste durch Wandern entstandene (horizontale) Plastik erzeugt (A Line Made by Walking; 1967). Neben dem Umgang mit Techniken werden auch neue Materialien für die neuen Ambitionen eingesetzt. Die Skulptur erscheint als Assemblage von industriell gefertigten Teilen. Jean Tinguelys schweißte bei seinen zwischen Konstruktivismus und Dada changierenden Skulpturen Zahnräder, Achsen, Kolben, Schienen zu metaphorischen Assemblagen zusammen, die ganze Anordnung manchmal mit Elektromotoren angetrieben. Diese Dynamik unterminierte die alte Funktion der Beständigkeit, gar des Ewigkeitsgestus der Skulptur. Man sprach auch von kinetischer Kunst, um darauf hinzuweisen, dass es nicht mehr nur um den Raum, sondern auch um die Zeit ging. Die Auflösung dieses alten Gestus der auf dem Sockel ruhenden Skulptur durch Dynamisierung ist eine Möglichkeit, man kann sie aber auch – wie in der Tradition der anagogischen Kunst – als Auflösung jeder Materialität durch das Licht betreiben. Carl Frederik Reuterswärd wollte 1972 über dem Centre Beau-

Ebd., 18

zeitgenössische Plastik

Lucie-Smith 2014, 139

Daval Jean-Luc in SK IV, 208 Schneckenburger Manfred in Walther 1998, 543

Boehm 1994, 37

300

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Arns 2016a, 79

Institutionen der Kunst

bourg im Sinne einer temporären Skulptur eine Laseraureole schweben lassen. Die japanische Künstlerin Chiharu Shiota spielt mit dem Licht in ihren Wollfäden-Installationen. Was hier aufgeschlagen wird, ist zudem ein neues Kapitel der Mimesis. Die lange Tradition der Naturnachahmung kam in der zweiten Jahrhunderthälfte an ein Ende. Dieses Ende war insofern konsequent, als es spätestens seit dieser Zeit keine unberührte Natur mehr gibt. Was jetzt betrieben wird, ist eher ein kommentierendes Ausloten des Natur-Kultur-Technik-Verständnisses. Auch von Seiten der Aktionskunst – wiederum ein Impuls der Sechzigerjahre – flossen Anregungen in eine Neudefinition der Skulptur ein. Der in Cremona geborene Piero Manzoni signierte 1961 in Mailand Personen einschließlich eines Echtheitszertifikats für die Signatur und verwandelte sie damit in lebende Skulpturen (Sculture Viventi). Schließlich erklärte er die gesamte Welt zum Kunstwerk und hob sie symbolisch auf einen Sockel. Ein Jahr vorher hatte er Luftkörper (Corpi d’aria) zu Preisen pro Liter in einen Ballon geblasener Luft verkauft, je nachdem, ob die Luft vom Künstler selbst stammte oder nicht. Gilbert & George »erfanden« ebenfalls, diesmal ausdrücklich mit viel Witz und Ironie, 1969 als Singing Sculpture und Living Sculpture die Skulptur neu. Kunstgeschichtliche Reminiszenzen lassen sich mit Performances als lebende Skulpturen nachstellen und aktualisieren. Sogenannte Tableaux Vivants vermischen Skulpturen oder Bilder aus unbelebtem Material mit menschlichen Darstellungen und sind eine Art eingefrorene Performance. Ernst und als historische Erinnerungsarbeit gemeint sind die Reenactments, das Nachstellen historischer Ereignisse. Gerne passiert dies bei umstrittenen und mythenumrankten Ereignissen. Die Künstlergruppe T.R. Uthco and Ant Farm stellte 1975 das Attentat auf John F. Kennedy am Originalschauplatz nach (The Eternal Frame). Es ging dabei nicht nur um die Erinnerung an Historisches, sondern um die »Befragungen der Gegenwart mittels des Rückgriffs auf historische Ereignisse, die sich dem kollektiven Gedächtnis unwiderruflich eingeschrieben haben. Künstlerische Reenactments sind immer auch Befragungen der medialen Bilder, denn das kollektive Gedächtnis ist vor allem ein vermitteltes (mediales) Gedächtnis.« Auch das ist nichts Neues. Man pflegte diese Usance bereits mit lebenden Bildern bei den großen Festen der Renaissance und des Barock. Zusätzlich zu Form und Material änderte sich auch die Institution, in der Kunst stattfand. Museum, Galerie, Atelier, Kunsthaus sprengten ihre Grenzen. Dazu kamen die Orte der Kunstevents an den Biennalen und Triennalen. Es war die Geburtsstunde der Kuratorin, die Kunst im öffentlichen Raum inszenierte, was das anfängliche Zögern der musealen Einrichtungen, sich der zeitgenössischen (eben noch nicht musealen) Kunst zu öffnen, kompensierte. Harald Szeemann war einer der ersten, der diese Entwicklung höchst kreativ beförderte. 1969 gab er seine Abschiedsvorstellung als Leiter der Kunsthalle Bern mit einer legendären Ausstellung, Live in your head. When Attitudes Become Form, die 2013 von der Fondazione Prada in Venedig nachgebaut wurde. 1972 kuratierte Szeemann die documenta 5 in Kassel. Sie gehört – wie oben kurz erwähnt – zu den Meilensteinen der Kunst des 20. Jh.s. Szeemann nützte die ihm gebotene Chance, um die Kunst des späten 20. Jh.s auf die große Bühne zu



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heben. Er versammelte erstmals in Kassel das Who is Who der Performance-, Happening- und Fluxus-Kunst, der Concept Art, des Fotorealismus; dazu die soziale Plastik von Joseph Beuys und zog ein Fazit über die Kunst der Nachkriegs-Moderne, bevor die Kunst endgültig globalisiert wurde. Dreißig Jahre später, durch die von Catherine David kuratierte documenta X vorbereitet, öffnete Okwui Enwezor 2002 bei der Documenta11 den Blick auf internationale Positionen, die inzwischen den Ton angaben und sich nicht mehr in einzelne Strömungen sortieren ließen. Dazu kam ein intensiver Anteil von Reflexionen, Vorträgen, Diskussionen und Symposien auf Plattformen, die über den Globus verteilt waren (Lagos, St. Lucia, Wien, Neu-Delhi, Berlin). Mit der D11 stehen wir in der Contemporary Art, über die am Ende dieses Abschnitts ein Resümee gezogen wird. Vorher sollen die Nachkriegspositionen in einem Überblick mit ihren theoretischen Gehalten kurz skizziert werden. Sie bilden die Ausgangssituation für die Contemporary Art. Es gibt für diesen Übergang selbstverständlich keine Grenzbalken. All die im Folgenden behandelten Strömungen haben ein Fortleben in der Contemporary Art, auch wenn sie selbst nur mehr bedingt zur Klassifizierung taugen mögen. Dazu kommt, dass die Nachkriegsströmungen selbst ihre Ränder auflösten und auf dem Weg zur zeitgenössischen Kunst als einzelne identifizierbare Strömungen zugunsten von Einzelpositionen praktisch verschwanden. »Das Eindringen avantgardistischer Ismen in den Kunstbetrieb ist nicht länger möglich. sie wurden durch Ideen du Kontexte abgelöst. Klar ist zu sehen, dass Ereignis und Environment, Poetik und Performance – alles in einem – an ihre Stelle treten.

Bianchi 2000a, 56

5.2.1. Abstrakter Expressionismus und Informel Der Abstrakte Expressionismus entstand in den späten Vierzigerjahren in den USA. Er war ein Meilenstein auf dem Weg in die ungegenständliche Kunst in einer Zeit, in der in Europa der Weg der Avantgarde durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten und den Zweiten Weltkrieg unterbrochen worden war. Wie bereits gesagt, hatten viele Vertreter des Abstrakten Expressionismus europäische Wurzeln. Dazu kam der wichtige Einfluss des bayerischen Malers und Kunstlehrers Hans Hofmann, der nach einem zehnjährigen Aufenthalt in Paris 1932 nach New York emigrierte, wo er eine Kunstschule gründete und vor allem Kubismus und Fauvismus vermittelte. Er selbst stellte erst in höherem Alter bei Peggy Guggenheim aus. Teilnahmen an der II. documenta (1959), der Biennale von Venedig 1960 und weitere Ausstellungen folgten. Hofmann gilt als eine »wirkliche Vaterfigur der New Yorker Malschule in den Nachkriegsjahren

635 Otto Zitko, Ohne Titel; ThF

5.1.

302

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Lucie-Smith 2014, 25

Robert Motherwell

Polcari 1991, XVIII/3

Ebd., 33/368

Guilbaut 1997

VII.1.5.3.

[…].« Daneben gab es weitere Bezüge. Der 1920 nach Amerika gekommene Armenier Arshile Gorky baute eine Brücke vom Surrealismus zum Abstrakten Expressionismus. Abseits der künstlerischen Vorbilder gehörten zu den anregenden europäischen geistesgeschichtlichen Konzepten Nietzsche (Mark Rothko erkor in seiner Jugend Nietzsches Geburt der Tragödie als eines seiner Lieblingsbücher), Sartre, C. G. Jung, James Joyce, T. S. Eliot, der schottische Ethnologe und Religionsphilosoph James Frazer und Karl Marx. Es gab freilich auch Künstler, die heftig gegen die europäische Moderne polemisierten, unter ihnen Clyfford Still, der für die Farbfeldmalerei das große Format populär machte. Sucht man eine ausdrückliche Gründerfigur für den Abstrakten Expressionismus, wird man bei Robert Motherwell fündig, der 1948 mit William Baziotes, Barnett Newman und Mark Rothko eine Kunstschule (Subjects of the Artists) ins Leben rief, die ein Kern der Bewegung war. Der gebildete und mit der europäischen Kunst gut vertraute Motherwell pflegte in Mexiko einige Monate lang Kontakte mit dem österreichischen Surrealisten und Kunsttheoretiker Wolfgang Paalen, einem wichtigen philosophischen Impulsgeber im Umkreis Bretons. Die Bewegung wirkte in den USA außerordentlich anregend und nachhaltig: »As a result, it has been seen to be a style with postwar themes such as existentialism, alienation, individuality, freedom and universality.« Es ging letztlich auch darum, die düstere Stimmung der langen Kriegsjahre zu überwinden; »overcoming nihilism« nennt Stephen Polcari das. Zu den erwähnten Stoffen hauptsächlich aus dem europäischen Repertoire gesellten sich Motive der indianischen Malerei und esoterische Konzepte der Theosophie. Beides war für die Vertreterinnen des Abstrakten Expressionismus, zusammen mit den Forschungen C. G. Jungs, von größerer Bedeutung. Man kann das Anliegen des Abstrakten Expressionismus kaum besser verdichten als es Stephen Polcari gelang: »It drew on an understanding of mythic and religious symbols and metaphors of the primitive and prehistoric origins of mankind, of man’s instinctual and animal nature, of the history of human and inner conflict, of the struggle of man’s desires and his spiritual life, of the eternal need for continuity with others and for repeated new beginnings.« Und viele Seiten weiter doppelte er nach: »Abstract Expressionism thus constitutes a sacred and profane allegorical epic, a biblical and ritual drama and romance for the modern age.« Die Deutungen Polcaris sind von Seiten diskursanalytischer Zugänge heftig unter Beschuss geraten, die ihrerseits wieder – orientiert an gruppenspezifischen Merkmalen statt an individueller Werkanalyse – das politische Anliegen in den Vordergrund rückten. Abseits solcher Streitigkeiten ist demnach festzustellen, dass es den Künstlern um Inhalte ging, nicht einfach nur um die selbstreferentielle Form. Abgesehen von den erwähnten Quellen blicken die bildenden Künstler auf ihr Umfeld: zur neuen Skulptur oder zur gerade sich abspielenden Revolution im Tanz, die Martha Graham in der von ihr 1926 gegründeten Martha Graham School of Contemporary Dance in Manhattan unternahm. Die Choreographin und Tänzerin stand am Anfang des Modern Dance, der sich nicht mehr nach den im 17. Jh. entstandenen klassischen Formen ausrichtete, sondern Emotion und Bewegung in den Vordergrund rückte.



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Auch sie war inspiriert von den Ritualen der Ureinwohner und beschrieb ihre Anregungen 1973 in The Notebook of Martha Graham. Der bedeutendste Vertreter des Abstrakten Expressionismus war der 1905 als Kind polnisch-russischer jüdischer Eltern in New York geborene Barnett Newman. Newman fand zu seiner Color-Field-Malerei nicht zuletzt durch seinen Lehrer Josef Albers und durch den Künstlerkollegen Piet Mondrian, der einschlägige Überlegungen 1943 in einem Buch (Interaction of Colour) niederlegte. Newman war es angesichts seiner monochromen Bildtafeln wichtig, dass er als Maler wahrgenommen wurde, dass er paintings und nicht etwa pictures erzeuge, wie er immer wieder betonte. Er legte Wert darauf, dass seine Malereien nicht als Ornamentik anzusehen sind. Es ging ihm um den Transport von Inhalten. Ein großes Thema dabei war der Mythos der Wiedergeburt. Dabei bediente sich Newman aller möglichen Motive, von der Höhlenkunst der Steinzeit und der Erzählung vom kosmischen Ei bis zur Figur der Erdmutter Gaia und dem Osiris-Mythos. Dieses Thema war auch für andere Künstler der Gruppe wichtig, etwa für Willem De Kooning (die Bilder Woman I-VI konnotieren Erdgottheiten). Newman war elektrisiert von der langen Geschichte der Kunst, vor allem von Michelangelo, den er geradezu als seinen Gesprächspartner bezeichnete. In seinen an Giacometti erinnernden Skulpturen spielte er mit dem Licht und schrieb sich damit in das große Repertoire der kulturellen Erinnerung zu diesem Thema ein. Newman stellte seine Malerei, namentlich die großformatigen Bilder, in die Nähe der Tradition des Erhabenen und verfasste einen Aufsatz (The Sublime is now; 1948), in dem er programmatisch das Selbstverständnis der amerikanischen Kunst absteckte: »Ich glaube, daß einige von uns hier in Amerika, befreit vom Ballast der europäischen Kultur, die Antwort finden, indem unsere Kunst das Problem des Schönen konsequent ausklammert, […] Wir bekräftigen unser natürliches menschliches Verlangen nach dem Erhabenen, nach absoluten Emotionen. […] Wir entledigen uns des Ballastes der Erinnerung, der Assoziation, Nostalgie, Legende, des Mythos oder was auch immer die Werkzeuge der westeuropäischen Malerei waren.« An die Stelle der Stile und »Ismen« der europäischen Kunst trat das Erhabene im Sinne Burkes als einziges Charakteristikum, das er noch gelten ließ. Um dieses Gefühl des Erhabenen wirken zu lassen, gab Newman in seinem Essay Anweisung zur Betrachtung seiner Bilder. Man müsse sich den Bildern so weit nähern, dass man sie nicht mehr als Ganze zu überschauen vermag, sondern die Orientierung verliert und auf diese Weise eine Erfahrung des Erhabenen macht. Es ist das große Format, das besonders gut die Möglichkeit der intimen Selbsterfahrung bietet. »Das große Format hat nahezu alle abstrakten Expressionisten geradezu magisch angezogen.« Es ging darum, »den Betrachter gleichsam ins Bild zu ziehen und ihn dort festzuhalten.« Das galt für Newman genauso wie für Mark Rothko: »Rothko stated explicitly that he painted large canvases because ›I want to be very intimate and human … However you paint the large picture, you are in it. It isn’t something you command.‹« Neben der Größe ist der fehlende Rahmen bei den Bildern eine wichtige Voraussetzung: »The frameless canvas is a modernist strategy for forging an unimpeded exchange between viewer and a transcendent reality.«

Barnett Newman

I.3.3.f./III.2.1.3.1.

VI.6.4.3.

Newman, zit. HW, 701

Zweite 1997, 94 Chave 1989, 7 Peers 2004, 1

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

X.2.2.3.

Punin, zit. nach Krieger 1998, 42 Selz, zit. nach Chave 1989, 32 Adorno 1970, 365 Zweite 1997, 26

Ebd.

Ebd., 27

Rothko, zit. nach Chave 1989, 180

III.2.4.3.2.4.

Die »Bedeutung« dieser Kunst liegt nicht etwa in dem künstlerischen Gegenstand, sondern in dem Erlebnis, das sich bei der Betrachtung des Bildes machen lässt – sie liegt allein aufseiten der Rezeption. Es geht nicht um ein Deuten des Kunstwerks, sondern um ein Erleben. Newmans Kunst ist derart ein ideales Beispiel einer profan expressiven Kunst mit einer durchaus inhaltlichen Absicht. Dass eine solche Erfahrung auch als bedrohlich wahrgenommen werden kann, war Newman offenbar klar, sonst wäre der Titel Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue (vier Versionen; 1967–1970) kaum verständlich. In der Tat könnte man die zwei Anschläge (Berlin 1982; Amsterdam 1986) auf die Varianten IV und III dieses Bildes als Konsequenz einer erheblichen Bildmacht deuten. Zwar redete Newman anfangs vom Weltmysterium und von metaphysischen Geheimnissen (eine Diktion, von der er sich Anfang der Sechzigerjahre verabschiedete), aber die »Transzendenzerfahrung« einer Betrachterin im Sinne der Behältermetapher Nikolaj Punins ist ein rein immanentes Geschäft. Punin verwandte diese Metapher im Hinblick auf die Ikone: »[…] ein Behälter besonderer geistiger Werte von gleichermaßen schöner wie ausdrucksvoller Form.« Der deutsch-amerikanische Kunsthistoriker Peter Selz beschrieb mit der Metaphorik des Spiegels die Bilder von Mark Rothko in ähnlicher Weise: Seine Bilder seien »mirrors, reflecting what the viewer brings with him.« Armin Zweite sieht in dieser expressiven Struktur von Kunst bei Barnett Newman eine Nähe zu Adornos Wahrheitsanspruch der Kunst: »Die subjektive Erfahrung wider das Ich ist ein Moment der objektiven Wahrheit der Kunst.« Wenn Zweite nun konstatiert, dass »bei Newman [wird] das Ich von einem Bewußtsein ergriffen« wird, »das den ästhetischen Schein zerbricht«, entbirgt sich hier allerdings, auch wenn in der Tat ein ästhetischer Schein im Akt der Betrachterin zerbricht, eine andere »Wahrheit« als jene, die Adorno anstrebte. Bei diesem ging es um Aufklärung und Emanzipation des Individuums durch die Kunst, bei jenem um eine spirituell angehauchte Selbsterfahrung. Insofern bräuchte es einige gutmeinende Konstruktionen, um die Behauptung Zweites zu untermauern: »[…] Adorno beschreibt in seiner philosophischen Diktion Erfahrungen, die der Betrachter vor Werken Newmans machen kann.« Zweite selbst hat dies denn auch gleich relativiert und resümiert plausibel: »Wie immer man es wenden mag, Adornos Begriff des Erhabenen ist für das Verständnis von Newmans ästhetischer Konzeption nur begrenzt fruchtbar zu machen.« Die Exponenten dieser Richtung machten aus einer religiösen Transzendenzerfahrung eine immanente Erfahrung, eine Erfahrung des eigenen Selbst. Sie hatten die Expression zwar profaniert, aber ihre Werke weiterhin mit spiritueller Bedeutung aufgeladen. Mark Rothko sagte das in einem Zeitschrifteninterview ganz klar: »If people want sacred experiences, they will find them here. If they want profane experiences, they’ll find those too. I take no sides.« Wenn man aber bei der traditionellen Bedeutung des Transzendenzbegriffs bleibt, kann bei Newman so etwas, auch wenn es ihm erklärtermaßen um die Darstellung des Undarstellbaren geht, ausgeschlossen bleiben. Vielleicht hatte Newman



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sogar genau das im Sinne bei einer Bemerkung, die er in eine Antwort auf Clement Greenberg einstreute: »Philosophisch betrachtet, beschäftigt sich der Europäer mit der Transzendenz der Dinge [transcendence of objects], während sich der Amerikaner mit der Realität der transzendentalen Erfahrung [reality of the transcendental experience] beschäftigt.« In einer Bemerkung zu den indianischen Erdwällen in Ohio gab er einen weiteren Hinweis auf die Entschlüsselung seines Werks. Nicht um den Raum ginge es primär (man könnte die anagogische Gotteserfahrung genau so, als Erfahrung eines Raums, deuten), sondern um die Zeit: »Die Zeit hingegen ist persönlich, eine individuelle Erfahrung. […] Jede Person muss sie für sich selbst fühlen. […] Ich bestehe auf meinen Erfahrungen mit den Empfindungen in der Zeit – nicht auf den Sinn der Zeit, sondern die physische Empfindung von Zeit.« Armin Zweite findet in der Bewertung dieser Zeilen den richtigen Ton und zieht die zutreffenden Schlüsse, was die »Mechanik« des Erhabenen bei Newman angeht, die oben berichtete Unterscheidung nun doch deutlich relativierend: »So auf sich selbst zurückgeworfen, erfährt der Betrachter vor allem eines – sich selbst als anderen.« Seine Gedanken führten Newman dazu, »innerhalb des Gefühls des Erhabenen den Akzent auf die Selbsterfahrung des Subjekts zu legen. So besehen verwandelt sich die Kunst aus einer metaphysischen Übung in einen transzendentalen Akt.« Es ist offensichtlich, dass für Newman die Farbe wichtig war. Aber er reflektierte über die Farbe nie so, wie etwa Kandinsky dies tat, und er schrieb ihr auch keine psychische Wirkung zu. Er sah die Farbe als neutralen Stoff, der sich erst mit der Arbeit und auf der Leinwand mit Bedeutung anreichert und eine Fülle erzeugt. Bei Newman ist das Subjekt die »ausschließliche Instanz im kreativen Prozeß. Es ist das Ich des Malers, das der unartikulierten Materie von Leinwand und Farbe jenen emotionalen Impuls verleiht, der das flache, farbige Objekt zum Kunstwerk macht. […] Es ist Newman, der Leere in Fülle verwandelt, der aus Farben Farbe macht, der den Raum definiert, der Metaphysik in Präsenz ummünzt und das Spirituelle in Erfahrung verwandelt – mit einem Wort, der toten Stoff mit Leben erfüllt. Ein ungeheurer Anspruch, der dem Künstler, mitten im 20. Jahrhundert, noch einmal göttliche Eigenschaften zuschreibt.« Bei Betrachtung dieser Verneigung vor der philosophischen, literarischen und künstlerischen Tradition Europas und der metaphysischen Aufladung des Œuvres sowie der dominanten Rolle des Künstlersubjekts wird klar, dass der Abstrakte Expressionismus einen Paradigmenwechsel zu etwas Neuem nur in der Form, aber nicht im Inhalt vollzogen hat. Das war es, was Clement Greenberg daran so störte und was seine Polemik gegen den Abstrakten Expressionismus nährte. Der bereits mehrmals erwähnte Mark Rothko wurde 1903 als Marcus Rothkowitz im lettischen Daugavpils (damals russ. Dwinsk) als viertes Kind eines jüdischen Apothekers geboren. Die Familie wich vor der progromartigen antisemitischen Stimmung und ging zwischen 1910 und 1913 in die USA zu Verwandten nach Portland. Nach dem frühen Tod des Vaters wechselte Rothko (den Namen Rothko trug der Künstler ab 1940) nach New York. 1935 war er Mitbegründer der Künstlervereini-

Newman 1990, 157

Ebd., 181f

Zweite 1997, 55f

Ebd., 138

4.3. Mark Rothko

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Rothko, zit. nach Polcari 1991, 117

Chave 1989, 13

Polcari 1991, 140

Chave 1989, 8

Boehm 1994, 342 IV.8.2./X.4.2.ff. Ad Reinhardt

Ad Reinhardt, zit. nach Hess Barbara in Holzwarth 2016, 432

gung The Ten und schließlich einer der prominenten Vertreter des Abstrakten Expressionismus. Malen war für ihn mehr als visuelle Aktion, nämlich »means of philosophic thought.« Das sei anders als bei Picasso, bei dem schon wegen der materiellen Farben keine tiefe Philosophie und schon gar keine Transzendenz zu finden sei. Auch er gehörte zum Color-Field Painting wie Newman, Ad Reinhardt, Frank Stella und Ellsworth Kelly, dessen oft strenge und harte Farbfelder (man spricht von Hard-Edge-Malerei) in den Minimalismus eingeordnet werden können. Der expressive Farbwert ist wichtig und sollte nicht durch einen sichtbaren malerischen Duktus gestört werden. Aber die Farbe war wie bei Newman Mittel zum Zweck: »Color, he explained, was nothing more than an ›instrument‹ for expressing something larger: the all-important ›subjects‹ of his pictures.« Wie Zeitgenossen berichteten, hatte Rothko wenig Sympathie für Fernöstliches, auch nicht für Mystik, er hatte seine Heimat in der jüdisch-christlichen Tradition, in deren Fundus er sowohl philosophische Stoffe als auch Mythen anziehend fand. Den Schwenk zu den abstrakten Formen machte Rothko ab etwa 1950. »His paintings are ideographic signifiers or totems of the eternal inner tradition and not ›abstract‹ paintings, that is, mere abstractions of natural forms and phenomena for their own sake.« 1959 war er in Italien und stand vor den Fresken der Villa misteri in Pompeji, bewunderte die Bilder Fra Angelicos und die Ostwand der Kirche Santa Maria Assunta in Torcello in der Lagune von Venedig. Das alles floss ab 1965 in die großformatigen Lichtbilder seiner Ecumenical Chapel for Human Development in Houston ein, ein spiritueller Raum für alle Religionen. Angesichts dieser neuen Oberflächen, die in der Tat dem Lichtglanz der Ikonen-Tradition ähnlich waren, sprach Anna Chave von »evocative surfaces«. Auch Gottfried Boehm, der unter anderem an Rothko die modernen Spielarten des Bildes exerziert, benützt in der Beschreibung von Rothkos Bildern Charakteristika der Ikone: »Gemäß der Logik der Farbe präsentiert sich das Bild insgesamt als etwas, das sich gleichermaßen verhüllt und enthüllt. Assoziationen von Vorhängen oder Lichtwänden kommen auf. […] Nimmt man einen Gedanken lang die Metapher vom Numinosen wörtlich, so meint sie jedenfalls einen gestaltlosen, fast atmosphärischen Gott, der sich im Wehen der Farbe bekundet. Er ist damit so ungreifbar und verborgen wie Jahwe, – im Unterschied zu ihm besitzt er zugleich aber eine sinnliche, eine ästhetische Existenz. Rothko gelingt es mithin das ikonoklastische Gebot mit einer angemessenen und einer starken Bildpraxis zu versöhnen.« Die Vorlage der Ikone spielte auch bei dem 1913 in Buffalo geborenen Ad Reinhardt eine wichtige Rolle. Er stand zu den Künstlern des Abstrakten Expressionismus in kritischem Abstand und warf ihnen (wie übrigens der gesamten Kunst) das Fehlen einer klaren Linie vor: »Die Spannung zwischen den abstrakten Malern und den Surrealisten war in den 1930ger Jahren deutlich. Der abstrakte Expressionismus hat alles durcheinander gebracht.« Dass sich ein zeit seines Lebens der Abstraktion verpflichteter Maler gegen eine Vereinnahmung wehrte, gilt es zu respektieren.



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Trotzdem hatte seine Kunst einiges mit dem Abstrakten Expressionismus gemein. Er begann, angeregt von der Kunst des Orients, mit zeichenhafter Kalligraphie, wandte sich in den Fünfzigerjahren dem Color-Field Painting zu. Das entsprach seiner kunstphilosophischen Ansicht eines Reduktionsvorganges in der Kunst, der alle Elemente der bisherigen Kunst wie Symbol, Stil, Komposition, ja jeden Inhalt, eliminierte. Was übrig blieb, waren Ultimate Paintings (auch Black Paintings), die er durch ein der Ikonentechnik verwandtes Übereinanderlegen von zahlreichen Farbschichten erreichte. Das Ergebnis waren in der Tat scheinbar schwarze Bilder, die bei näherer Betrachtung eine erstaunliche Raumtiefe erzeugen und geradezu eine Sogwirkung auf die Rezipientin ausüben. Es ist ein Tiefenraum, der völlig anders als der perspektivische Illusionismus funktioniert. 1962 schrieb er in einem Zeitschriftenbeitrag (Art as Art): »Kunst-als-Kunst ist nichts als Kunst. Kunst ist nicht, was nicht Kunst ist. Der eine Gegenstand von fünfzig Jahren abstrakter Kunst ist, Kunst-als-Kunst vorzustellen und als nichts anderes, aus ihr nur das eine zu machen, das sie ist, indem man sie mehr und mehr absondert und definiert, sie reiner und leerer macht, absoluter und ausschließlicher – nicht-gegenständlich, nicht-darstellend, nicht-figurativ, nicht-imagistisch, nicht-expressionistisch, nicht-subjektiv. Der einzige und eine Weg, zu sagen, was abstrakte Kunst oder Kunst-als-Kunst ist, liegt darin, zu sagen, was sie nicht ist.« Ad Reinhardts Kunst kann man auch unter die Überschrift Minimal Art einordnen, wo sie sich dann mit jener Yves Kleins traf. Der mit Newman befreundete Jackson Pollock vertrat mit seinem Action-Painting (den Ausdruck prägte Harold Rosenberg) neben dem Color-Field Painting die zweite Stilrichtung des Abstrakten Expressionismus. Es handelt sich um eine gestische Malerei, die auch Willem de Kooning und Robert Motherwell prakti­ zierten. Pollock könnte man als den »ame­ rikanischsten Künstler« dieser Bewegung ansprechen. Pollock wurde 1912 in Cody, Wyoming, geboren. Die Familie übersiedelte bald nach Arizona und dann Kalifornien. Durch den Aufenthalt in diesen Gegenden war Pollock mit Formen des Totemismus, mit Ritualen und Masken der indigenen Bevölkerung vertraut. In diesen Formenrepertoires entdeckte er, wie berichtet, einen künstlerischen Ausdruck des Lebenszyklus und der Lebensfreude. »Pollock’s art is an optimistic art. His classic paintings recreate primal vitality as the wellspring of human life.« Pollock entwickelte nach gegenständlichen, vom Kubismus Picassos beeinflussten Anfängen einen dynamischen Malstil. Die Entstehung seiner Bilder durch Tropfen, Schütten und Schleudern von Farbe auf die Leinwand war gleichsam ein Stück

Ad Reinhardt, zit. HW, 994 Jackson Pollock

636 Jackson Pollock, Number 1 (1950); NGA Polcari 1991, 262

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Pollock, zit. nach Lucie-Smith 2014, 21ff

Clarke 1992, 685

Pollock, zit. HW, 703

Informel

Pollock, Ebd., 702

Aktionskunst, wie er selbst es beschrieb: »Meine Malerei kommt nicht von der Staffelei. […] Auf dem Boden fühle ich mich wohler. Ich fühle mich näher, bin mehr Teil des Gemäldes, da ich auf diese Weise […] buchstäblich in dem Gemälde sein kann. […] Wenn ich im Bild bin, weiß ich nicht, was ich tue. Lediglich nach einer gewissen Phase des ›Vertrautwerdens‹ sehe ich, wo es lang geht. Ich habe keine Angst, Änderungen vorzunehmen, das Bild zu zerstören etc., denn das Bild hat ein Eigenleben. Ich versuche, es zum Vorschein zu bringen.« Pollocks Drip-Paintings sind nicht nur eine Auflösung des Tafelbildes bis zum All-Over, sie konnotieren darüber hinaus die alte Tradition der Ornamentik, allerdings jetzt in völlig kontingenter Dynamik und ohne jede Konstruktion. Sie sind gleichsam ein Übergang in Prozesskunst, Aktionismus und Performance. Insofern ist es konsequent, wenn Rudolf Burckhardt und Hans Namuth Aktionen Pollocks 1950 fotografierten und filmten. Das filmische Protokoll wurde ein Jahr später im Museum of Modern Art gezeigt. Bei der Rezeption dieser Arbeiten benötigt man aber nicht zwingend eine filmische Unterstützung. »Im Fall Pollocks ist der Prozeß des Sehens (zumindest teilweise) ein Versuch, die Aktivität des Erschaffung zu rekapitulieren. […] Die Bilder verlangen eindeutig Zeit, […].« Es ist ein Missverständnis, wenn manchmal vertreten wird, dass das Zufallsmoment in der Kunst eine absichtsvolle Handlung von Künstlerinnen aufhebt. Jackson Pollocks Drip-Paintings sind durchaus absichtsvoll geschaffen, aber dem Zufallsprozess ist bewusst Raum gegeben: »[…] den Zufall gebrauche ich nicht – weil ich den Zufall leugne« sagte der Künstler selbst. Das gilt für alle informelle und aleatorische Kunst. Es gilt auch für Kunst, die die Rezipientin selbst verändert. Rauschenbergs Sounding (1969) wird zwar von der Rezipientin formal verändert, aber nur in einem vom Künstler beabsichtigten vorgegebenen Rahmen. Man spricht bei dieser (nicht-geometrischen) ungegenständlichen Kunst allgemein von Informel. Die informelle Kunst (franz. art informel) meint keine abgrenzbare Kunstrichtung, sondern ist ein Sammelbegriff für die abstrakte Nachkriegskunst mit malerischem und dynamischem Gestus. Die in den Vierziger- und Fünfzigerjahren in Paris wurzelnde Kunst destruiert Formprinzipien, Kompositionsvorgaben, aber auch und vor allem geometrische Figuration. Den Begriff hat Michel Tapié 1951 mit dem Ausstellungstitel Signifiants de l’informel in Paris geprägt. Er wurde ausdrücklich gegen die geometrische Abstraktion und Gegenstandslosigkeit ins Feld geführt. An die Stelle der geometrischen Konstruktion trat die künstlerische Spontaneität samt einem freien Umgang mit Material und Malprozess. Die Kunstrichtung, welche die europäischen Informel-Künstler spezifisch im Auge hatten, war der Abstrakte Expressionismus in den USA. Überschneidungen gab es mit dem Tachismus (franz. la tache/Farbfleck), eine gestische, farbintensive Malerei, und der Art Brut mit Jean Dubuffet. Es war Jackson Pollock, der ausdrücklich die Pointe der informellen Malerei ansprach. Man solle dort nichts suchen, sondern man »soll auf sich wirken lassen, was das Gemälde zu bieten hat, und sich möglichst nicht nach vorgefaßten Inhalten und Ideen darin umschauen.« So wie in der Musik: »nach einiger Zeit springt etwas über oder nicht.« Michel Tapié hatte bei seiner Begriffswahl durchaus auch



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die Plastik im Auge. Man könnte von einer informellen Skulptur sprechen, »die ihr Material zwischen Rohzustand und Prozeß nicht überformt, sondern wie Zellteilungen, Korallenriffe, Rostfraß wuchern läßt? […] Eine Skulptur, die in vielem ihrem klassischen Begriff als Körper und fest umrissenes Volumen widerspricht und nicht zufällig besonders das malerische Relief auf einen Höhepunkt führt?« Wenn David Smith eine gestisch-expressive Komponente ins Spiel bringt, könnte man noch treffender von Abstraktem Expressionismus in der Plastik sprechen. Informel ist dann schlicht der weiter gespannte Begriff. Es ging hier meist nicht um Anagogie, aber doch um einen wie immer gearteten Symbolismus. Der Spanier Antoni Tàpies schafft unter Einsatz der verschiedensten Materialien, von Zement, über Stoff und Leinen, Sand, bis zu Lehm und Erde, Bildoberflächen, die wie zufällig entstanden aussehen. »Sie ergeben kein Bild im herkömmlichen Sinn, sondern ein Stück anonymer Wirklichkeit: Sie sind das ernste und verschwiegene, stumme Zeugnis eines unbekannten, geheimnisvollen Geschehens.« Etwa auch in der Verletzung der Oberfläche bei dem in Argentinien geborenen italienischen Künstler Lucio Fontana, dessen Bilder »im Gegensatz zu den Meditationsbildern der Post Painterly Abstraction« eine »exhibitorische Geste« zeigen. Es ging hier weniger um das »vermeintliche Sakrileg, die Leinwand zu schänden«, als vielmehr um »den Bruch mit der Tradition.« Fontana, der sein Konzept Spazialismo und seine Arbeit concetto spaziale (Raumkonzept) nannte, damit andeutete, dass er im Bild einen Raum erzeugt, der kein Illusionsraum im herkömmlichen Sinn ist, beschrieb in einem Interview 1968 den Sinn seiner Schlitzaktionen: »[…] ich entfliehe im symbolischen, aber auch im materiellen Sinne dem Gefängnis der glatten Oberfläche.« Die Oberfläche wurde bei Fontana schließlich so rau, dass sie in die dritte Dimension wuchs. Die Arbeit mit fünf aufgebrochenen Bronzekugeln auf einer Wiese (Concetto spaziale Natura; 1959/60) experimentiert mit den Grenzen von Natur und Kunst. Sie sind Plastiken in der Natur ebenso wie ein Land Art-Projekt mit der Natur. In Japan inspirierte das Informel eine erste Gruppe nach dem Krieg, die von Shozo Shimamoto und Jiro Yoshihira Gutai (jap. konkret) genannt wurde – frei übersetzt und auf das Material gemünzt: Es ist, was es ist! Es ging diesen Künstlern um die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks in Bezug auf Material und Form in einem Crossover von Moderne und Tradition und den verschiedenen Weltkulturen. Die Tätigkeit der Gruppe war auf globale Wirkung angelegt. 1956 schrieb Yoshihira das Gutai-Manifest, in dem er im Sinne der Arte Povera und von ZERO der Ehrlichkeit des Materials das Wort redete, in dem Sinn, dass man dem Material keine andere (illusionistische) Bedeutung zuschreibt. Auch hier ging es um Destruktion und Zerstörung, aus der sich eine neue Schönheit ergäbe. Kazuo Shiraga wälzte sich in einer Performance und Action Painting verbindenden Aktion in Lehm und hinterließ die Spuren seines Tuns als Fuß- und Körperabdruck auf einer Leinwand (Challenging Mud; 1955). Im gleichen Jahr und zur selben Zeit, als Fontana seine Leinwände aufschlitzte, sprang Saburo Murakami durch Papierleinwände. Ausdrücklich betrieben wurde das Informel von der Gruppe Cobra (auch CoBrA), 1948 in Paris gegründet. Ihre Gründungsmitglieder stammten aus Kopenhagen,

Schneckenburger Manfred in Walther 1998, 491f

Bocola 1994, 494)

Ebd., 495 Reißer/Wolf 2003, 102

Fontana, zit. nach Ebd., 103

Gutai

310

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Reißer/Wolf 2003, 83

Brüssel und Amsterdam, aus deren Anfangsbuchstaben sich die Gruppenbezeichnung zusammensetzte. Es ging um Restitution eines Expressionismus mit den Mitteln des Informel. »Farbe wird, wie etwa bei Karel Appel, zentimeterdick aufgetragen, auf die Leinwand gekleckst mit der Intention, jede reflektierende gestalterische Kontrolle zu vermeiden und nur Emotion, Improvisation und Farbe in der Malerei sprechen zu lassen.« Es gab auch eine gestische Malerei, wo Farbe auf Leinwand geschleudert wurde und damit Prozess und Spontaneität im Vordergrund standen. Das Selbstverständnis war ausdrücklich avantgardistisch und suchte den Bruch mit der klassischen Ästhetikkonzeption. Die informelle Malerei setzte sich in der Art brut fort. Der Begriff fand im Folgenden auch Anwendung auf assemblageartige Plastiken, wie sie John Chamberlain mit seinen bunten assemblierten Autoteilen durchführte (Johnny Bird; 1959).

5.2.2. Pop Art – Funk Art – Nouveau Réalisme

Pop Art

Jencks 1987, 14

Es mag als harter Schnitt erscheinen, wenn auf die Vorstellung der mit Mystik und Transzendenz spielenden Kunst des Abstrakten Expressionismus ausgerechnet jene der Pop Art folgt. Dieser erste Anschein trügt allerdings. Denn zwischen Abstraktem Expressionismus und Pop Art gibt es, abseits einer völlig verschiedenen Form, eine kunstphilosophische Brücke. Sowohl die Lichtwände der Color-Field Paintings als auch die Drip-Bilder waren eine Beendigung des klassischen Tafelbildes. Allerdings – und darin liegt der Unterschied – noch weitgehend im Rahmen des europäischen philosophischen Diskurses. Die Pop Art brachte den Abschied von den europäischen Traditionen in Philosophie und Kunstgeschichte. Zugleich war sie über weite Strecken dennoch keine Affirmation des Fortschritts- und Technikoptimismus. Wie bei den meisten neuen Kunstströmungen ist auch die Ursprungserzählung der Pop Art unklar. Manche verweisen auf eine Diskussionsreihe von Künstlern und Intellektuellen am Institute of Contemporary Art in London im Schoß der Independent Group in den frühen Fünfzigerjahren. Es ging bei diesen Symposien um eine Standortbestimmung der zeitgenössischen Kunst angesichts der neuen Massen- und Konsumkultur, die man mit dem Begriff Popkultur versah und mit zeitgenössischer Popmusik, den neuen Medien (auch Marshall McLuhan war bei einigen Treffen dabei), Film- Fernseh- und Werbeindustrie kennzeichnete. Aus auf Pinnwänden ausgebreiteten Analysen entwickelte sich »auf recht natürliche Weise die Kunstform der Pop-Collage.« Ob die Pop Art angesichts ihrer Verflechtung mit der Kultur der Zeit, ihrer Neigung zur Vermarktung und der (postmodernen) Ambition der Eliminierung des Unterschieds von Hoch- und Populärkultur als Avantgarde durchgeht, ist bei den Kunsthistorikerinnen umstritten. Manche sehen in ihr einen Markennamen neben der Populärkultur. Vielleicht ist eine zureichende Antwort, die gesamte Strömung betreffend, auch nicht zu geben, sondern nur mit Blick auf die einzelnen Vertreter. Der Ausdruck Pop Art taucht jedenfalls in der zweiten Hälfte der Fünfzigerjahre in den USA auf. Wer genau die Bezeichnung aus der Taufe hob, ist nicht mehr rekonstruierbar, wer gemeint war, ist leichter zu sagen: Roy Lichtenstein, Claes Olden-



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Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

burg, James Rosenquist, Jasper Johns, Robert Rauschenberg, Edward Ruscha, David Hockney, der seit 1961 in New York lebende Schwede Öyvind Fahlström, vor allem aber Andy Warhol, der »wichtigste, weil konsequenteste Vertreter der Pop Art […].« Dies waren die bekanntesten Vertreter einer Strömung, die den Jargon der Straße aufgriffen und, inspiriert von der Popkultur, eine respektlose Art von Kunst entwickelten. Der britische Maler Richard Hamilton verlangte von der neuen Kunst, dass sie »populär, vergänglich, für den Verbrauch bestimmt, witzig, sexy, verspielt und glamourös […] billig, ein Massenprodukt, jung und lukrativ« sein soll. Man bediente sich bei den Accessoires der glitzernden Shopping-Malls, türmte aber auch die Abfallprodukte der schmutzigen Peripherie der Städte zu Environments. Pop Art (mit dem Grenzfall Realismus) ist bisweilen ein Abbild der Stadtsoziologie ohne jeden moralisierenden Gestus. Gefragt war eher die Ironie. Symbolisch könnte als zeitlicher Beginn das oben erwähnte Bild Erased de Kooning Drawing (1953) von Rauschenberg angenommen werden. Was Rauschenberg tatsächlich mit der expressionistischen Zeichnung de Koonings (mit dessen Einverständnis) ausradierte, war die alte Tafelbild-Tradition ebenso wie jede Bedeutung von Kunst. Damit markiert diese Aktion – philosophisch überhöht – auch den Abschied aus jeder Metaphysik. Was an postmetaphysischen Strukturen übrigbleibt, erhebt die Pop Art zu einem Fest der Ästhetisierung. Die von Rauschenberg bewusst kenntlich gemachten Spuren des Auslöschungsvorgangs erinnern freilich, aller Gestik des Auslöschens zum Trotz, an Traditionen europäischer Kunst, beispielsweise an Dada. Einen radikalen Neubeginn zu setzen, ist stets ein aussichtsloses Unterfangen. Rauschenberg sei ein »Schwitters, der die Erfahrung des Abstrakten Expressionismus hinter sich hat«, hieß es gleich von Edward Lucie-Smith und Manfred Schneckenburger attestierte ihm, dass niemand »sich so leidenschaftlich dem Abfall zugewandt« hat wie er. Anfänglich kursierte sogar unter mehreren auch der Ausdruck Neo-Dada. Angesichts des unkonventionellen Habitus war der Widerstand gegen die neue Kunst anfangs groß. Die wichtigsten Kritikpunkte waren das offensichtliche Desinteresse an der Unabdingbarkeit der Aufklärung und der schlichte Reproduktionsmodus von banalen Vorlagen (Comics, Suppendosen), was sowohl ästhetischen wie politischen Anspruch vermissen ließ. Es wurde, so schien es, das Zeichenrepertoire der kapitalistischen Gesellschaft einfach übernommen, eine kritische Reflexion darauf war nirgends zu entdecken. Pop steht für populär und eine der zentralen Stoßrichtungen war die in der Postmoderne geforderte Gleichbewertung von Hoch- und Massenkultur. Die Pop Art stellte sich spielerisch in eine Dialektik von Kritik und Affirmation von Massenkultur und Kommerz, wobei die Kritik nicht das vordergründige Anliegen war. Deshalb war sie kein kritisches Korrektiv, eher verhalf sie der Kultur der Zeit zu ihrem Recht auch in der Kunst. Zudem nutzte sie die Mechanismen der Konsumkultur für die Vermarktung der eigenen künstlerischen Positionen. Die Kunst hatte nicht nur Massenprodukte zum Thema, sondern wurde selbst zu einem Konsumund Massenprodukt. Wie sehr der Abstrakte Expressionismus die unmittelbare Reibefläche war, die zur Neuausrichtung der Kunst anregte, demonstriert Lichtensteins Brushstroke-Se-

Honnef Klaus in Holzwarth/Taschen 2011, 467

Lucie-Smith 2014, 109

2.2.3.

Lucie-Smith 2014, 101; Schneckenburger Manfred in Walther 1998, 510

4.6.ff.

312

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Bocola 1994, 450

3.8.1.f. Osterwold 1989, 21 Ebd. 88

Greenberg 1939, 47

rie Mitte der Sechzigerjahre, die kaum anders denn als Ironisierung des Abstrakten Expressionismus und mit ihm der alteuropäischen Last der Metaphysik gelesen werden kann: »Lichtenstein, Warhol und Oldenburg übernahmen von ihren ›Gegnern‹ eine ganze Reihe entscheidender Qualitäten: die Eindeutigkeit und Konsequenz des bildnerischen Konzepts, den grandiosen Auftritt des großen Formats und den Anspruch auf universale Geltung; doch stellten sie diese Werte in den Dienst einer neuen Geisteshaltung. Statt sich für das eigene Innenleben zu interessieren, richten sie ihren Blick nach außen, auf die sichtbare Wirklichkeit ihrer kulturellen Umwelt.« Der 1929 in Stockholm geborene und in den USA aufgewachsene Claes Oldenburg gilt als jener, der noch am ehesten eine zumindest kritische Ironie gegenüber der Konsumgesellschaft erkennen ließ. Mit Anklängen an Dada und Surrealismus ließ er Geräte und Symbole des modernen Lifestyles schmelzen und verfremdete sie in ihrem Härtegrad (soft-machines). Pepsi-Cola-Kronkorken lösen sich auf. Er formte aus drahtverstärktem Gips Konditorwaren und stellte sie in eine Vitrine (Pastry Case 1; 1961). Neben der Ironie ist es verführerisch, Zitate aus der Stillleben-Tradition zu vermuten, aber gegen eine derartig tiefschürfende kunsthistorische Quellenforschung der europäischen Kunstphilosophen hat sich Oldenburg stets gewehrt. Vielmehr ließ er die klassischen Werke der Bildhauerei verschwinden, sei es, weil sie sich auflösten oder weil sie durch ihre Banalität als Tabubruch aufgefasst werden mussten. Härter konnte der Widerspruch nicht sein zwischen dieser Affirmation und Ironisierung der amerikanischen Massenkultur und jener zutiefst europäisch-humanistischen kritischen Exploration der amerikanischen Konsumkultur, die Theodor Adorno und Max Horkheimer unmittelbar nach dem Krieg in ihrem Buch Dialektik der Aufklärung durchgeführt hatten. »Gegenstände der Konsumwelt werden zu Symbolen einer Epoche; sie machen Geschichte, sie sind ein Teil einer neuen Massenkultur.« Wenn Ironie an die Stelle von Gesellschaftskritik tritt, stellt sich folgende Frage wohl nur mehr rhetorisch: »Inwieweit kann Kunst selbst trivial werden, um Trivialität zu entlarven?« Trivialität zu entlarven war eben vermutlich den wenigsten ein Anliegen. Dieses Anliegen hingegen verfolgte die Avantgarde und diese zu stützen empfand der New Yorker Kunstkritiker Clement Greenberg als seine Lebensaufgabe. Er polemisierte engagiert gegen die Pop Art, die für ihn in die Abteilung Kitsch gehörte. »Wenn die Avantgarde die Verfahrensweisen der Kunst nachahmt, dann ahmt der Kitsch […] ihre Wirkungen nach. Diese exakte Antithese […] spiegelt und definiert den ungeheuren Abstand zwischen zwei solchen zeitgleichen Kulturphänomenen, […].« 1964 erhielt Robert Rauschenberg, der am Black Mountain College in North Carolina noch beim Bauhaus-Maler Josef Albers in die Schule gegangen war, auf der Biennale in Venedig den großen Preis für Malerei. Das Datum markiert den ersten großen Erfolg der Pop Art in Europa. Im gleichen Jahrzehnt stellten die Künstler in den renommierten Galerien in Manhattan aus und schafften, nicht zuletzt durch ein Symposium zur Pop Art im Museum of Modern Art 1962 (wo es anhand der erwähnten Fragen darum ging, ob es sich bei der Pop Art überhaupt um Kunst handelt), den



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Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

Durchbruch zu einer anerkannten Kunstströmung. Das interessierte amerikanische Publikum war mit der Pop Art bald vertraut und wurde unversehens von abstrakten und reduzierten Formen der Minimal Art überrascht. Das künstlerische Vokabular der Pop Art-Künstler war durchaus unterschiedlich. Auf der einen Seite arbeitete man an beinahe intellektuell anmutenden Serien und Reihungen, auf der anderen Seite an »barocken« großformatigen Leinwand-Installationen und Panoramen wie etwa James Rosenquist, der seine Leinwände mit Fertigteilen ergänzte. Andere bedienten sich aus Vorlagen von Comics und dem Reservoir des Surrealismus. Neben der bildenden Kunst im engeren Sinn samt Cartoons, Assemblage und Collage, griff man auch neuere Kunstformen wie Happening und Performance auf. Robert Rauschenberg arrangierte Assemblagen aus Alltäglichem und Abfall. Bei Bed (1955) machte er aus Bestandteilen eines Bettes eine Plastik. Aus den verschiedenen Kunstgenres Fotografie, Tanz, Musik (gerne der seines Freundes John Cage), Malerei, Skulptur gestaltete er interdisziplinäre Installationen. Es gab unübersehbar Zitate von Dada und Surrealismus. Die affirmative Bestätigung der neuen Popund Großstadt-Kultur darf ohne weiteres als prononcierte Kritik an der europäischen Kunsttradition, wie sie sich in Amerika im Abstrakten Expressionismus spiegelte, gelesen werden. An die Stelle der alten trat eine neue Kunst, welche die Grenzen der einzelnen Genres durchbrach. Freilich stößt man auf das zwangsläufige Paradoxon, dass selbst eine ausdrückliche Anti-Kunst sich zumindest darin, wogegen sie steht, der Tradition nicht völlig verschließen kann. David Hockney soll von der ägyptischen Kunst fasziniert gewesen sein, weil diese frei von jedem Individualismus war, wie er zutreffend feststellte. Jasper Johns wiederum malte seine Flaggen-Bilder (teilweise in der antiken Ikonen-Technik der Enkaustik, aber gegen ihre mystische Aufladung) als reine Oberfläche, ohne jede (mystische) Tiefe. Er machte sie zum Objekt und stellte sie derart gegen die (ähnlich wie die Ikone Tiefe assoziierenden) Lichttafeln der abstrakten Expressionisten. Der große Vermarkter der Pop Art, aber auch seiner eigenen Künstlerpersönlichkeit, war der 1928 in Pittsburgh geborene Andy Warhol. Seine Kunst hatte ausdrücklich keinen metaphysischen Mehrwert. Sie war eine Absage an jede Bedeutung hinter dem Bild zugunsten eines Realismus und Pragmatismus. Warhol folgte scheinbar den aktuellen Gesetzen der Medialisierung, die Marshall McLuhan mit der Formel versehen hatte, wonach das Medium bereits selbst die Botschaft sei, und auf die die Losung passte, mit der Sol LeWitt die Minimal Art charakterisierte, dass das, was man sieht, das ist, was man sieht (und eben nicht mehr). Die von ihm bevorzugt verwandte Serienproduktion sollte allenfalls die Konsum- und Medienkultur evozieren und eventuell auf die technische Reproduzierbarkeit verweisen. Wichtig war, dass damit jede subjektive »Künstlerhandschrift« obsolet geworden war (wie sie Lichtenstein mit seinen Brushstroke-Bildern ironisierte). »Bei aller gestalterischen

5.2.3.

5.2.6.ff.

637 Jasper Johns, Flag (1954/55); MoMA

II.2.6.

X.4.2.2.f.

4.7.1.

314

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Bocola 1994, 439

Reißer/Wolf 2003, 136

Imdahl zit. HW, 972

Imdahl, zit. Ebd., 973

Warhol, zit. nach Lucie-Smith 2014, 130 Funk Art

Anonymität, die Warhol immer wieder demonstrativ zur Schau stellt, entwickeln die mechanischen Verfahren und Prinzipien, die er einsetzt, eine ihnen eigene Ästhetik. […] Der Betrachter führt die ästhetische Lust, die er empfindet, nicht mehr auf die künstlerische Gestaltung des Werkes zurück, sondern versteht sie als inhärente Funktion der anonymen Drucktechnik und des vorgegebenen Bildmaterials.« Deshalb konnte Warhol auch ganze Ausstellungen mit nur einem einzigen Sujet, x-fach reproduziert, bespielen. »Er produzierte den Inbegriff einer kommerziellen Kunst und griff damit zentrale Fragestellungen des Medienzeitalters auf.« Dass all dies auch ein Angriff auf Institutionen, welche die Tradition verwalten, also Akademien und Museen, war, versteht sich von selbst. Warhol nannte sein Atelier Factory, in dem er Arbeit und Freizeit verschmelzen ließ und seine seriellen Siebdrucke nach industriellem Vorbild produzierte. In diesem Punkt gibt es eine Nähe zu den seriellen Arbeiten der Künstler der Minimal Art, die ihrerseits damit ebenfalls Kritik an der Bild- und Kompositionsvorstellung der europäischen Tradition übten. Mit der Minimal Art trafen sich die Pop Art-Künstler auch in der (gegenüber dem Abstrakten Expressionismus) objektiven Form. Gemalte Brillo Boxes standen den Ready-Mades näher als Gemälden von Barnett Newman. »In der PopArt geht es nicht darum, den Baum unmittelbar zu reproduzieren, sondern es wird die Reproduktion eines Baumes reproduziert.« Das heißt: Thema der Pop Art ist nicht die Wirklichkeit und nicht die künstlerische Abbildung dieser Wirklichkeit, sondern die Spiegelung der künstlerischen Abbildung in den diversen Reproduktions- und Vermarktungsformen und Massenmedien. Die Pointe dabei ist die Promotion künstlerischer Abbildungen zu modischen Ikonen und Eventgrößen. Die beliebtesten Sujets der Konsumwelt und des American Way of Life waren Coca-Cola, eines der häufig bearbeiteten Themen von Andy Warhol, die Dollar-Note, die amerikanische Flagge, Porträts von Marylin Monroe, Elvis Presley, aber auch der elek­ trische Stuhl und der Atompilz eines Atomversuchs auf dem Bikini-Atoll. Für diese kommunikativen Signale, als Beispiel hier Marilyn Monroe, gilt: »Die Reproduktion, das Plakat, das Klischee ist gewissermaßen die notwendige Bedingung dafür, daß überhaupt die Dargestellte zum Idol werden kann; […].« Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass schlicht die Bereitschaft des Kunstbetriebes getestet werden sollte, was man noch als Kunst durchgehen ließ. Warhol gab dazu zu Protokoll: »Es war schwer, ein Bild zu finden, das so abstoßend war, dass es niemand aufgehängt hätte – es wurde doch alles aufgehängt.« Eine eigenwillige Richtung innerhalb der Pop Art wurde nach einer Musikbezeichnung, einer Mischung aus Soul, Jazz und Blues, Funk Art genannt. Im multikulturellen Umfeld Kaliforniens positionierte man sich mit figuraler Kunst gegen die Abstraktion des Abstrakten Expressionismus und stellte persönliche Emotionen und Gefühle an die Stelle von philosophischen, gesellschaftskritischen oder sozialen Absichten. Humor, Ironie, Vulgäres, Krankes, Schmuddeliges, Bizarres – alles fand thematisch Platz unter diesem flexiblen Schirm. Die Brücke zur Pop Art boten gebrauchte Objekte der Konsumkultur und Abfall, die zu dreidimensionalen Assemblagen arrangiert wurden. Bruce Conners zeigte im verstörenden Werk Couch



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Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

(1963) ein zerstückeltes Mordopfer aus Wachs auf einem vergammelten viktorianischen Canapé. Die Vorbehalte, wie sie von amerikanischen Kunstkritikerinnen geäußert wurden, gab es selbstverständlich auch in Europa. Sie fielen dort, wenig überraschend, heftiger aus, allerdings tat man sich mit der Einordnung etwas leichter. Denn einerseits konnte man an eine vertraute Sprache in Dadaismus, Surrealismus und Futurismus erinnern. Andererseits sammelte sich zur gleichen Zeit, als in Amerika die Pop Art entstand, um den französischen Kunstkritiker Pierre Restany eine Bewegung, die sich Les Nouveaux Réalistes nannte. Die Gruppe verständigte sich auf der Grundlage eines Manifests von Restany, das in einem Katalog einer Mailänder Gruppenausstellung erschien. Darin beschrieb Restany das Anliegen der Gruppe damit, sich mit einer neuen Wahrnehmung auf die Wirklichkeit zu richten. Das Manifest, dem 1961 ein zweites und 1963 ein drittes folgte (die Europäer arbeiteten immer noch mit programmatischen Manifesten), wurde ganz offiziell unterzeichnet. Es trägt unter anderem die Unterschriften von Yves Klein, Daniel Spoerri, Arman, Jean Tinguely. Zu dieser Bewegung der Neuen Realisten gehörten auch Niki de Saint-Phalle, die eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft mit Tinguely unterhielt, und Christo (allerdings nie als formelles Mitglied). Die Spannweite des konzeptuellen Verständnisses reichte weit, bis zu einer nostalgischen Rückwendung, beinahe im Sinne der Präraffaeliten, etwa bei Peter Blake. 1962 nahmen an einer großen Ausstellung in New York 54 Künstlerinnen teil, die bereits im Wettbewerb mit den Kolleginnen der Pop Art standen. Niki de Saint Phalle ließ auf Farbbeutel schießen, sodass die Farbe über weiße Flächen spritzte, und setzte damit ein performatives Spektakel gegen die magische Erhabenheit der Farbe im Abstrakten Expressionismus. Solche Aktionen relativierten die Front zwischen Neuer und Alter Welt. Hier platzten Farbbeutel einer europäischen Intervention gegen die alteuropäische Tradition einer amerikanischen Kunstrichtung. In den Siebzigerjahren produzierte Niki de Saint Phalle ihre Nanas, überdimensionierte bunte weibliche Figuren, welche das erotisch gestylte Frauenbild der Illustrierten aufspießten. Versuchten europäische Augen, in der Pop Art einen philosophischen und gesellschaftskritischen Mehrwert festzumachen, druckten die Amerikaner Restanys programmatischen Beitrag zum Katalog nur in einer Kurzfassung ab. Man sah in seinen Ausführungen keinen Sinn. 1970 endete in Mailand die aktive Zeit der Gruppe. Ähnlich wie die Pop Art gewann diese Bewegung den Sinn aus der Abkehr von der alten auratischen und erhabenen Kunst, ebenso wie von der Abstraktion und Selbstbezogenheit des Informel. Letztlich inszenierte diese Destruktion einer jeden utopischen Hoffnung auf eine durch Kunst und Architektur erzeugbaren neuen Gesellschaft nichts weniger als den Abschied von den philosophischen Großerzählungen in der Postmoderne. Es ging hier eben doch nicht nur um die Motive von Konsum und Werbung, sondern um die Verankerung der Kunst im realen (nicht

Nouveaux Réalism

638 Niki de Saint Phalle, Les Baigneurs (1984); Martigny

4.5.2.

316

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Reißer/Wolf 2003, 123 Spoerri, zit. nach Daval Jean-Luc in: SK IV, 233

Reißer/Wolf 2003, 229

Ebd.

idealisierten) Leben – auch und vor allem dort, wo das Leben Abfälle, Über- und Ausschüsse erzeugt. Bei manchen Künstlern kann man geradezu von der Rückseite der Hochglanz-Konsumprodukte reden. Das mag an Aspekte der Funk Art erinnern, wurde aber in Europa immer in einen größeren politischen Horizont gestellt. Der in Nizza geborene Arman (Armand Fernandez) fügte benutzte Gegenstände zu Accumulations in Glasvitrinen, Abfälle zu Poubelles und verkohlte und verbrannte Gegenstände zu Combustions. Es sind Gegenstände in einem durch Gewalt oder durch Vernutzung verfremdeten Zustand, arrangiert wie beim Ready-Made. Eine Vernutzung zeigt auch Daniel Spoerri in seinen Tableaux pièges und Christo verpackt Gegenstände, Gebäude und Landschaft. Spoerri thematisiert die Spannung von Kunst und Konsum, indem er reale Gegenstände zu Assemblagen versammelt. In seiner späteren Schaffensperiode formte er diese Assemblagen, welche jede Aura des Kunstwerks aufhoben, in klassischen Materialien der Kunst, Bronze und Stein nach und verlieh ihnen »in Form einer zweiten Mimesis die Aura des Kunstwerks« gleichsam aufs Neue. Für Leute, die seine Arbeiten als Kunst adeln, formulierte er selbst eine Warnung: »Sehen Sie meine Fallen-Bilder nicht als Kunstwerke an. Sie sind Information, Provokation, Hinweis für das Auge, Dinge zu betrachten, die es gewöhnlich nicht beachtet. Nichts weiter.« Christo konnotiert hingegen etliche klassische Assoziationen, von dem Geschehen einer Katharsis, einer rite de passage, bis zum ästhetischen Erlebnis des Erhabenen. »Das verpackte Objekt ist nicht nur Anverwandlung eines banalen Alltagsgegenstandes in Skulptur, die im Kunstwerk aufscheinende Wirklichkeit wird durch den Problemüberhang von Verhüllen und Entbergen in eine surrealistische Rätselthematik überführt, […].« Man kann darin geradewegs die Kehrseite und eine Gegenstrategie zur völligen Offenlegung der Konsumwelt in der Pop Art sehen. »Die Verpackung gibt dem verhüllten Objekt eine Aura zurück, macht das Verborgene letztlich inhaltlich wieder relevant.« Besonders gelungen scheint dies bei der Verhüllung des Reichtags in Berlin (Wrapped Reichstag; 1995) zu sein, wo die Verhüllung in der Tat einen historischen Paradigmenwechsel der Bundesrepublik Deutschland nach der Wiedervereinigung von der »Bonner« zur »Berliner Republik« begleitete. Zu diesem Kunstwerk Christos und Jeanne-Claudes sind auch die engagierten und hochstehenden Debatten um die Aktion im Plenarsaal des damals noch in Bonn befindlichen Bundestags selbst zu zählen. Mit vielen Arbeiten, die spielerisch und ironisierend wirken, gehört Christo auch in die Abteilung Land Art, während Jean Tinguely wiederum mit seinen kinetischen Maschinen und absurden Mobiles und Stabiles eher in dadaistischer Tradition steht. Auch nach dem Ende der organisierten Gruppe selbst gibt es eine Fortsetzung der Anliegen bis in die Gegenwart. Der erweiterte Kunstbegriff mit der »sozialen Plastik« von Joseph Beuys gehört ebenso hier erwähnt wie die Arbeiten von Tracey Emins (My Bed; 1998) oder Damian Hirsts.



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5.2.3. Minimal Art Die Minimal Art, auch als Minimalismus bezeichnet, wird häufig als erste amerikanische Kunstrichtung gehandelt, zu der »es keine europäische ›Parallele‹ gab.« Ob Concept Art oder Minimal Art als eng umrissene Kunstströmungen früher benannt worden sind, ist unklar. Für unseren Zweck kann man von einer engen Verschränkung der beiden Strömungen ausgehen. Über weite Strecken war auch die Minimal Art der Concept Art verpflichtet. Diese ging allerdings noch einen deutlichen Schritt weiter, nämlich bis zur Eliminierung des Kunstwerks als materiellem Gegenstand und – philosophisch gesprochen – zu einem mentalistischen Konzept des Kunstwerks. Die ersten Ausstellungen dieser minimalistischen und sehr konzeptuellen Kunst in New York und Los Angeles lösten beim amerikanischen Publikum, das mit Contemporary Art die magischen Farbtafeln des Abstrakten Expressionismus verband und das sich auf der anderen Seite des emotionalen Spektrums gerade an die Pop Art zu gewöhnen begann, Verstörung aus. Der weit gefasste Ausdruck war einer von mehreren Versuchen von Kunstkritikerinnen, diese neue Kunst begrifflich zu fassen. Richard Wollheim verlieh der Minimal Art 1965 aus kritischer Distanz einen publizistischen Schub und der Begriff dürfte sich gerade wegen der scheinbar nichtssagenden Weite und der daraus resultierenden breiten Anwendbarkeit auf die Phänomene zeitgenössischer Kunst durchgesetzt haben. Dass Wollheim hier im Spiel ist, ist aller kritischen Distanz zum Trotz nicht unpassend, war der Minimalismus doch besonders ambitioniert darin, einen essentialistischen Kunstwerkbegriff aufzuheben, etwas, das die Concept Art dann kompromisslos betrieb. Zum Kern der Bewegung werden Carl Andre, Dan Flavin, Donald Judd, Sol LeWitt, Robert Morris gezählt. Bei den Kunsthistorikerinnen scheinen auch Robert Rauschenberg und Ad Reinhardt auf, die auch mit der Pop Art beziehungsweise dem Abstrakten Expressionismus verbunden wurden, sowie James Turrell, Walter de Maria und Robert Smithson, deren Land Art-Projekte man als überdimensionierte Minimal Art ansehen oder sie in die Konzeptkunst einordnen kann. Die Strömung entwickelte sich in den frühen Sechzigerjahren als Reaktion auf die haptische, farbintensive und subjektbezogene Malerei des Abstrakten Expressionismus. Besonders ablehnend stand man dessen Transzendenz-Anmutungen gegenüber. Das Veto gegen eine Wirklichkeit hinter dem Bild, das auch die Pop Art (mit anderen Mitteln) betrieb, kann man am Beispiel Frank Serras so beschreiben: »Serra bietet keinen Moment der Schließung, nur die endlose Aufschiebung des ungesättigten Schauens.« Ein »ungesättigtes Schauen« setzt voraus, dass der Blick nicht mehr in eine imaginäre Tiefe ging, sondern an der Oberfläche blieb. Bei Jasper Johns Flag Paintings und seinen Bronzeabgüssen von Gegenständen des Alltags (Zwei Dosen Ballantine; 1960) lässt sich keine Erfahrung des Erhabenen mehr machen und er konterkariert eine Aussicht auf mystische Sättigung. Treffend fasste Frank Stella die Eigenart der neuen Kunst mit seiner berühmt gewordenen Formel zusammen: »What you see is what you see.« Das ist eine empiristische Losung, die alles, was sich »hinter« dem materiellen Werk verbergen könnte, negiert. Kunst verliert derart jede Art von spirituell konnotiertem Verweischarakter.

Stemmrich 1995, 11

X.3.5.1.2.

X.3.5.3.

»What you see is what you see.«

Clarke David in Stemmrich 1995, 692 5.2.2.

X.4.2.2.f.

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Schneckenburger Manfred in Walther 1998, 529

3.8.1.

VI.7.2.

IV.8.2.

Held Jutta in Stemmrich 1995, 459 Foster Hal in Ebd., 604 4.4.2.

X.1.3.2.3.

Besonders schön lässt sich das Gemeinte an Dan Flavins Arbeit mit dem Licht explizieren. Die Initiation dafür war The Diagonal of May 25 (to Robert Rosenblum) (1963). Ausgangspunkt war nichts weiter als eine diagonal an seine Atelierwand gehängte fluoreszierende Leuchtstoffröhre. Der von diesem »Zufallsfund« beeindruckte Flavin arrangierte von da an handelsübliche Leuchtstoffröhren. Dass es dabei zu berückenden Erlebnissen mit dem Licht kommt und die Arrangements an die Licht-Leinwände Marc Rothkos erinnern, darf nicht dazu verleiten anzunehmen, Flavin ginge es um eine wie immer geartete Mystik des Lichts. Vielmehr ist das ein entschiedener Abschied von einer Jahrhunderte andauernden Tradition, die Licht mit Mystik und Transzendenz verband – aus dem Geiste einer Industrie-Leuchtstoffröhre. Nichtsdestotrotz bleibt das Muster des Transzendenten für Kunsthistoriker verführerisch: »Die kargen Strategien der Minimal Art transzendieren, ohne vordergründige Phantasmagorie, in Bravourstücke einer präzisen Lichtregie.« Die Stellung gegen Transzendenz und (hermeneutische) Bedeutung entspricht jedoch auch nicht, wie man meinen könnte, philosophischen Konzepten aus dem Reservoir des Positivismus oder Materialismus, auch wenn unwillkürlich, angesichts der beanspruchten kunstimmanenten Autonomie, Hegels Autonomieerklärung und Wittgensteins Sinnloserklärung metaphysischer Sätze ins Bewusstsein dringen. Ebenso könnte man sich erinnert fühlen an die Destruktion des europäischen Systemdenkens in der anti-utopischen Intention von Philosophie in Theodor Adornos Negativer Dialektik. Aber es gab auch keine Absicht, philosophische Kontroversen in der »Sprache der Kunst« zu führen. Es genügte, mit dem Kunstwerk selbst das Ende der großen Erzählungen zu demonstrieren. Daher wurden die Objekte dieser Kunst nicht mehr aus dem üblichen (Alltags-)Raum in einen eigenen (Kunst-)Raum überführt, was vor allem als eine Errungenschaft der perspektivischen Konstruktion der Renaissance gelten darf und ihren Reiz bis hin zur Architektur ausübte, die, gedanklich (und nach Leonardo da Vincis Vorstellung ganz real) auf ein Podest gestellt, skulpturale Anmutungen erhielt. Vielmehr folgte ein konsequentes Streben nach Objektivierung, Klarheit und nach Eliminierung subjektiver Spuren im Werk. An die Stelle des gemalten Bildes trat das Arrangement industrieller Produkte. Die »Hand« des Künstlers war zu eliminieren, geradezu im Sinne eines nun profanen und industriellen Acheiropoieton. Um die Spuren der künstlerischen Arbeit eines Künstlersubjekts zu tilgen, übergaben manche Künstler die Ausführung einer technischen Werkstatt. Die Minimalisten betonten, dass »es diese technisch durchorganisierte Welt ist, von der sie gelernt haben, nicht von künstlerischen Traditionen Europas.« Zwei Jahre vor Roland Barthes’ einschlägigem Buchtitel arbeitete Robert Morris am Tod des Autors und zugleich an der Geburt des Lesers. Die Vertreter der Minimal Art verbanden mit dieser objektiven Welt der technischen Kultur gegenüber der ideologieanfälligen humanistischen Position des alten Europa sogar einen ethischen Anspruch. Es durfte jetzt nicht einmal mehr vorkommen, dass man dem Material gleichsam nach dem aristotelischen Form-Materie-Schema eine Form aufzwingt. Am Beispiel Carl Andres expliziert: »Indem And-



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re darauf verzichtet, die verwendeten Grundstoffe durch traditionelle Techniken des Schweißens, Gießens oder Schnitzens in eine endgültige Form zu zwingen, kommt nicht zuletzt die Ablehnung einer ihre Materialien transzendierenden Skulpturkonzeption zum Ausdruck. Im Werk Carl Andres bleibt ein bestimmtes Material, was es ist, und weist nicht über sich hinaus.« Robert Morris warnte vor »sinnlichem Material« und intensiver Oberflächenbehandlung wie glänzender Politur sowie vor der Betonung der Farbe. Das allein würde genügen, das Material zu ästhetisieren, ihm einen auratischen Mehrwert zu verleihen. Was hingegen durchaus ein Anliegen dieser Kunstkonzeption blieb, war die Schärfung der Wahrnehmung. Es gab für die Minimal Art kein Jenseits von Raum und Zeit, vielmehr wurde die Betrachterin dazu gebracht, »sich mit den Folgen eines bestimmten Eingriffs an einem gegebenen Ort auf die Wahrnehmung auseinanderzusetzen.« Die konzeptuelle Arbeit der Rezipientin – weitab von einer Bedeutung oder einem verborgenen Sinn – wurde bald wichtiger als das Werk selbst, weshalb die Concept Art auf das materielle Kunstwerk gleich ganz verzichtete. An dieser Verwandlung der Kunst, deren Konsequenz letztlich die Verabschiedung des traditionellen Werkbegriffs war, entzündete sich durchaus Kritik. Der Minimalismus sei Anti-Kunst und beschäftige sich nur mehr mit Alltäglichem, waren die Einwände der profiliertesten Kritiker, neben Richard Wollheim auch Clement Greenberg (Neuerdings die Skulptur; 1967), der im Minimalismus die Wiederkehr der Kunstzertrümmerung durch das Ready-Made sah, und Michael Fried (Kunst und Objekthaftigkeit; 1967), der das minimalistische Kunstwerk aus der Kunst überhaupt verbannen wollte. Die Kritik lief freilich ins Leere, weil die Vertreterinnen genau dies wollten, was die Kritiker einwandten, nämlich die Destruktion eines überkommenen Kunstbegriffs. Produktionsästhetisch kann man hier von Entgrenzung sprechen, rezeptionsästhetisch verlängerte diese Kunst eine bereits mit den Ready-Mades eröffnete neue kunstphilosophische Linie, die eine ästhetische Erfahrung nicht mehr von einem Kunstwerk abhängen ließ. Fried und Greenberg hingegen wollten den Qualitätsbegriff nicht aufgeben und ihn, wenn schon nicht am realen Kunstwerk, dann doch an Geschmacksnormen oder an einem Urteil orientieren. Man kann dieser Kritikfigur eventuell das Etikett alteuropäisch umhängen, was kaum überraschend deutliche Gegenkritik auslöste: »Kurzum, über den Respekt vor dem Decorum der Künste hinaus verlangt Fried eine andächtige Verehrung der Kunst; in den Worten ›Überzeugung erwirken‹ werden die disziplinären und religiösen Grundlagen seiner Ästhetik bloßgelegt.« Nach Hal Foster ging es Greenberg um Umcodierung der (anarchischen) Avantgarde (gemeint: Dada, Surrealismus) in einen Ästhetizismus. Ziel der klassischen Avantgarde sei es aber nicht, »Kunst im Leben aufzuheben, sondern die Kunst vom Leben zu reinigen. […] Diese formalistische Avantgarde strebte also mit anderen Worten danach, genau das zu erhalten, was die Grenzen überschreitende Avantgarde zu verändern oder zu zerstören suchte: die institutionelle Autonomie der Kunst.« Insofern steht die Minimal Art, ähnlich wie die Concept Art, für eine Neuausrichtung der Kunst, was die oben erwähnten zentralen kunstphilosophischen Fragen beinhal-

Marzona Daniel in Holzwarth/Taschen 2011, 540f Morris Robert in Stemmrich 1995, 104 Verzicht auf das materielle Werk

Foster Hal in Ebd., 592

X.3.5.1.2.

Ebd., 608

Ebd., 611

320

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

X.2.5.

Judd Donald in Stemmrich 1995, 76

Baer Jo in Ebd., 134

Ebd., 137

Stella Frank in Ebd., 45f

Permutation und Serielles

tet, jene nach dem Kunstwerk, dem Künstlersubjekt, dem Bruch mit dem System zugunsten der Selbstreferentialität von Kunst. Spätestens bei solchen Ansprüchen wird offensichtlich, was im letzten Kapitel bereits eingemahnt wurde, dass jede Destruktion von kulturellen Erzählungen selbst eine Erzählung ist, die mit den einschlägigen Stoffen hantiert. Solche Absetzbewegungen gibt es nur unter der Voraussetzung, dass die alte Folie, in diesem Fall jene der europäischen Kunstgeschichte, in irgendeiner Form noch präsent ist. Daher findet man genau solche Spuren des Abgelehnten in den Äußerungen der Künstler. Beispielsweise ließ sie das alte Schema des disegno-colorire nicht los: »Ich kann mich nicht mehr an die vielen Male erinnern, wo die Priorität zwischen Rot und einer Idee wechselte«, notierte Donald Judd. Dass damit auch gleich das gesamte Genre der Malerei wegen der ihr inhärenten Farbe und dem Illusionismus als veraltet abgetan wurde, löste Widerspruch aus. Die in Seattle geborene minimalistische Malerin Jo Baer kritisierte die implizite Voraussetzung, ein Gemälde sei stets ein Bild von etwas. Diese Meinung verkennt, dass auch in der Malerei eine Autonomie wie in der Skulptur möglich sei. »Manche neuere Gemälde sind keine Bilder.« Die Diskussion verhedderte sich gelegentlich in reichlich akademischen Spitzfindigkeiten. Yves Kleins blaue Tafeln, die für Judd wegen der fehlenden Räumlichkeit als Malereien noch akzeptabel waren, werden von Baer gar nicht als Gemälde akzeptiert (»weil ihren Oberflächen die Artikulation fehlt«), sondern als »Artefakte einer intellektuellen Position« tituliert. Formal ist die Minimal Art also insgesamt ein Abschied von der Tafelbild-Tradition, damit ein Abschied von Rahmen, Komposition, von der Spur des Künstlers und jeder Art der Illusionsmalerei. Es ging aber weniger um Lust an der Destruktion als vielmehr um das Eingestehen eines weiteren Endes der Kunst, wie es Frank Stella im Interview mit Bruce Glaser ausdrückte: »Nun ja, man hat da einen Pinsel, und man hat Farbe auf dem Pinsel, und man fragt sich, warum man das tut […] Und ich fand, daß ich einfach nichts hatte, was in dieser Art zu sagen wäre.« Das Wort Frank Stellas »What You See Is What You See«, war als Ausdruck einer radikalen Autonomie der Kunst zu lesen. Diese Kritik an einer Kunst, die darstellt, ebenso wie an einer Kunst, die etwas auslöst (also Mimesis und Expression), bedeutet aber nicht, dass es hier nicht auch um hochästhetische Gebilde ging. Letztlich kommen bei aller Kritik an der traditionellen Kunst auch die Künstler der Minimal Art der Aura des Künstlerischen nicht aus, in jedem Fall schon deshalb, weil sich in den Preisen für ihre arrangierten industriellen Produkte keineswegs nur Material- und Produktionskosten wiederfinden. Mit dem mehrfachen Documenta-Teilnehmer Dan Graham kamen die komplexeren Formen Permutation und Serielles in die Minimal Art. Er interessierte sich in seinen theoretischen Überlegungen für das institutionelle Umfeld und die dortige Bedeutungsstiftung. In einem Aufsatz Homes for America (1966/67) ließ sich Graham über die Eigenart der neuen Architektur der Reihenhäuser aus: »Sie stehen außerhalb jedes früheren Standards von ›guter‹ Architektur. […] Der Besitzer war für die Herstellung des Produktes völlig nebensächlich, sein Heim nicht wirklich im alten Sinne ›besitzbar‹; […] außerhalb seines Zusammenhanges im ›Hier und Jetzt‹ ist es



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nutzlos, entworfen, um weggeworfen zu werden. Sowohl die Architektur als auch die Handwerkskunst als Werte sind aufgelöst durch die Abhängigkeit von vereinfachten und leicht zu multiplizierenden Techniken der Herstellung und der standardisierten Einheitsentwürfe. Die Zufälligkeiten der Technologie der Massenproduktion und die Ökonomie der Bodennutzung bestimmen die endgültigen Erscheinungen und verneinen das einst ›unumschränkte‹ Recht des Architekten. […] Es gibt keine organische Einheit in einer Verbindung zwischen landschaftlichem Ort und Haus. Beide sind entwurzelt – separate Teile in einer größeren, vorausbestimmten synthetischen Ordnung.« Das Ausgreifen der Künstler auf das Genre der Architektur ist eine konsequente Folge des übergreifenden Blicks der Exponenten der Minimal Art. Graham schiebt die Frage nach guter oder schlechter Architektur beiseite und sieht in den Reihenhäusern die Verwirklichung des seriellen Prinzips der industriellen Produktionsweise. Serielle Arbeiten wiesen einen besonderen ästhetischen Reiz auf. Es überrascht daher nicht, dass die Künstler bedacht waren, nicht die Assoziationen von Symmetrie und Harmonie aufkommen zu lassen. Besonders Robert Morris empfand bei seriellen Arbeiten und Progressionen stets das Unbehagen, in diese alten Symmetrievorstellungen zu schlittern. Vielmehr müsste über den seriellen Arbeiten Adornos Wort vom Ganzen als dem Unwahren stehen. Im Sinne der antiidealistischen Stoßrichtung der Minimal Art verweisen serielle Arbeiten nicht auf Totalitäten, sondern auf Gegenstände derselben Ebene und thematisieren bewusst eine industriell-technische Reproduzierbarkeit – genau in dem Sinne, wie Dan Graham die Architektur der Reihenhäuser interpretierte. Donald Judd unterstrich im Interview mit Bruce Glaser, dass es ihm weder um Komposition noch um Symmetrie ging. Die Symmetrie stellt sich sozusagen zwangsläufig hinterher ein: »Meine Dinge sind symmetrisch, wie Du schon sagtest, weil ich die Kompositions-Effekte loswerden will, und die offensichtliche Methode dafür ist Symmetrie.« Diese Abneigung gegen jede Komposition ist eine Abneigung gegen den europäischen philosophischen Überbau, was er beispielshaft an Eigenschaften der Arbeiten Vasarelys festmacht: »Judd: Die Eigenschaften der bisherigen europäischen Kunst. Das sind unzählig viele und komplexe, aber hauptsächlich würde ich sagen, daß sie mit einer Philosophie in Verbindung stehen – Rationalismus, rationalistische Philosophie. […] Glaser: Und Sie wollen sagen, daß Ihre Arbeit sich vom Rationalismus losgelöst hat? Judd: Ja. All diese Kunst beruht auf im voraus errichteten Systemen, apriorischen Systemen; sie drücken eine gewisse Denkweise und eine Logik aus, die heute ziemlich diskreditiert ist, wenn es darum geht, herauszufinden, wie die Welt wirklich ist.« Es ginge ihm darum, Teile niemals in Beziehung aufeinander zu setzen, weil das eine vorlaufende Ganzheit voraussetze, wie sie eben idealerweise vom Rationalismus formuliert wurde. Es mag müßig erscheinen, an dieser Stelle auf die alte Säulenordnung zu verweisen, aber diese war genau jenes Gegen-Paradigma, das nun regelrecht destruiert wurde. Wenn das Kunstwerk sowohl die mimetische als auch die expressive Funktion verliert, stellt sich die Frage nach dem Ort des Kunstwerks

Graham, zit. HW, 1050

Glaser Bruce, Judd Donald in Stemmrich 1995, 38/39

322

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

X.3.5.1.ff.

Glaser Bruce, Stella Frank in Ebd., 52

3.5.1.ff.

Krauss Rosalind in Ebd., 269

Lippard 1978, 27 X.2.5.

Krauss Rosalind in Stemmrich 1995, 271

(Konzept oder konkretes Werk) als ein großes Thema der Ästhetik und sie macht auf die Beziehung der Minimal Art zur Konzeptkunst aufmerksam. Bruce Glaser stellte Frank Stella genau diese Frage: »Glaser: Sie sagen, daß Sie ein Bild fast vollständig konzeptualisiert haben, bevor Sie es tatsächlich malen, daß Sie in Ihrem Kopf ein Diagramm entwerfen können und es dann auf die Leinwand bringen. Vielleicht wäre es angemessen, dieses Bild einfach zu verbalisieren und es so dem Publikum zu übergeben, anstelle des Bildes? Stella: Ein Diagramm ist kein Bild; so einfach ist das. Ich kann aus einem Diagramm ein Bild machen, aber können Sie das auch? Kann das Publikum es? Wenn ich nur das Diagramm mache, kann es nur ein Diagramm bleiben, oder wenn ich es verbalisiere, kann es nur eine Verbalisierung bleiben. […].« Das Gemeinte lässt sich an Sol LeWitts Variations of Incomplete Open Cubes (1974) vorführen. Es handelt sich um eine Serie von 122 würfelförmigen Modulen mit einer Seitenlänge von je 20 cm. Diese »Würfel« sind in verschiedenen Vollständigkeitsgraden dargestellt. Sie reichen von rudimentärer Information von drei rechtwinklig sich treffenden Kanten bis zu einem 11-kantigen, nahezu vollständig ausgeführten Würfel. Die Kritik dieses Werks kommt in der Deutung überein, dass die Betrachterin die fehlenden Teile der Würfel im Geist vollende und damit stets eine Spannung von idealem, gedachtem Würfel zum fragmentierten materiellen Würfel vor sich habe. Was Sol LeWitt in Wahrheit demonstrierte, war demnach das Funktionieren der Rationalität, und zwar seiner konstruktivistischen transzendentalen Variante – eventuell in Husserlschem Sinn. Hier geht es einerseits sowohl darum, dass Betrachterinnen den Raum eines Kunstwerks extrapolieren, den Verweischarakter von Kunst also auf den je umgebenden sehr diesseitigen Architekturraum beziehen. Es geht aber auch darum, den konzeptuellen Anteil eines jeden Kunstwerks offensichtlich zu machen. »Der Künstler, endlich davon befreit, Bilder von Dingen in der Welt machen zu müssen, bildet den kognitiven Moment als solchen ab.« Es ist schwer zu vermitteln, wie man hier philosophischen Erzählungen auskommen möchte, die eher alt sind und jedenfalls bis zu Descartes zurückreichen, auch wenn man apriorischen Systemansprüchen des Rationalismus eine Absage erteilt. Descartes ist nicht nur Pate für metaphysische Metaerzählungen, sondern auch für offene rationale Konzepte. Das muss man jenen Kommentatoren in Erinnerung rufen, die zu einem Erklärungsmuster neigen, das der Theorie Suzi Gabliks von einem kognitiven Fortschrittsprozess in der Kunst nahe steht. Sie feiern in Konzeptkunst und Minimalismus einen Triumph der reifen, will heißen zeitgenössischen Rationalität. »LeWitt, however, was overtly interested in Cartesian order, […] Such order is expressed […] by what Suzi Gablik […] has called the ›formal-operational stage,‹ a move toward propositional thought and ›away from the grip of the image.‹« Inwieweit Gabliks These überzeugt, soll an anderer Stelle getestet werden. Rosalind Krauss hält eine solche Ansicht jedenfalls für überzogen und polemisiert gegen Sol LeWitts 122 Würfel: »Das Gestammel von LeWitts seriellen Reihenentwicklungen hat nichts von der Ökonomie der mathematischen Sprache. Es hat die Geschwätzigkeit, mit der Kinder und sehr alte Menschen reden; […].« Das mag nun freilich der Sache wenig angemessen sein, aber Fakt ist, dass auch eine solche



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Kunst letztlich eine Geschichte erzählt. Insofern bietet diese Kunst den Rezipientinnen ein größeres Reflexionsfeld als das Exerzitium einer transzendentalen Subjektivität. »Die Aporie ist ein weitaus legitimeres Modell für LeWitts Kunst als der Geist, vielleicht nur aus dem einen Grund, daß die Aporie ein Dilemma ist und kein Ding.« Ob und inwieweit der Minimalismus auch eine politische Ambition hatte, ist umstritten. Immerhin erlebte die Kunstrichtung ihren Höhepunkt in den späten, politisch brisanten Sechzigerjahren. Dass man in dieser Frage eher unschlüssig ist, liegt eher an der konzeptuellen Verborgenheit der politischen Botschaft als daran, dass es sie nicht gegeben hätte. Im Vordergrund stand die Institutionenkritik auch und vor allem, was die Kunst betrifft, aber es gab auch Arbeiten, die das Körperliche thematisierten und feministische Ambitionen verfolgten. Gerade beim Thema Körper berührt sich Minimal Art mit der Performancekunst, etwa bei Bruce Nauman, der komplexe Anordnungen ersinnt, mit mehreren Reflexionsebenen und einem gleichzeitigen Körpererlebnis. Die Körper-Abdrücke und -Abgüsse, Videoprotokolle seiner eigenen körperlichen Ausdrucksformen spannen bei Nauman das Diskursfeld des alten philosophischen Themas von Körper und Geist bzw. Bewusstsein auf. Körper und Geist bis hin zu aktuellen Themen des Klonens werden geradezu zum Forschungsobjekt und variantenreich durchexerziert.

Ebd.

5.2.6.ff.

5.2.4. Concept Art Mit der Concept Art oder Konzeptkunst (manche bevorzugen den exakteren Ausdruck Conceptual Art) betreten wir endgültig neues Gelände, das spezifisch ist für den Übergang der Nachkriegskunst in die Contemporary Art. Dem Vernehmen nach entstand die Concept Art (der Ausdruck flaniert seit Anfang der Sechzigerjahre durch die Literatur) in der Bar Max’s Kansas City in der Park Avenue in Manhattan, ein bekannter Künstlertreff der Sechziger- und Siebzigerjahre (das Lokal schloss 1981). Wem genau man die Entstehung zuschreiben soll, ist unklar. Zum philosophischen Hintergrund des Paradigmenwechsels gehörten gleichermaßen der linguistic turn, in dessen Gefolge zunächst jeder metaphysische Aspekt als sinnlos erklärt wurde, wie auch die postmoderne Verabschiedung von Systemansprüchen, namentlich der Strukturalismus und die Semiotik von Roland Barthes. Dazu kamen die provozierenden Aktionen von Duchamp bis zu Dada, Fluxus und die gleichzeitig auftretenden Pop Art und Minimal Art, allesamt mit Spitzen gegen die alte Kunsttradition mit ihren Harmonieansprüchen, damit auch gegen das alte Schönheitskonzept. Der entscheidende Punkt der Concept Art bleibt indes die Diskussion um den Werkbegriff. Braucht Kunst die Materialität des Kunstwerks? Eine britische Gruppe namens Art & Language mit Terry Atkinson, Michael Baldwin und anderen erklärte Mitte der Sechzigerjahre, dass Konzepte von Objekten, Ideen und Events als Kunstwerke zu gelten haben. In solchen philosophischen Reflexionen, welche in diesem Fall die künstlerische Praxis unmittelbar beeinflussten, lag das Neue dieser Strömung. Künstler-Theoretiker wie Joseph Kosuth riefen ähnlich wie Arthur Danto, aber mit anderer Pointierung, eine Ablösung der zeitgenössischen Kunst durch die

Smith 2011, 36

Kunstwerk als Idee

324

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Kosuth, zit. nach Marzona Daniel in Holzwarth/ Taschen 2011, 571 X.3.5.1.2.

Kosuth, zit. HW, 1034

Ebd., 1030

Reißer/Wolf 2003, 167

X.2.0.

Philosophie aus, was durchaus als generelles Plädoyer für die zeitgenössische Kunst gewertet werden kann: »Alle Kunst (nach Duchamp) ist (wesenhaft) konzeptuell, weil Kunst nur konzeptuell existiert.« Kunst spielt sich unabhängig von einem materiellen Werk im Kopf ab und das Kunstwerk ist ein mentaler Gegenstand. Es mag kurios anmuten, dass seit dem Ready-Made und ausdrücklich seit der Pop Art der Abschied von philosophischen Erzählungen propagiert wurde, nur um nun die Kunst zugunsten der Philosophie abzuschaffen. Das Ganze ist freilich eine Frage der Betrachtung. Was abgeschafft wurde, ist die künstlerische Umsetzung von metaphysischen Erzählungen, also die Instrumentalisierung der Kunst auf Anagogie, transzendentale Selbsterfahrung, Subjektivismus, aber auch Mimesis und Illusion. Damit geriet auch das Kunstwerk selbst unter Druck, das bislang eine Aura verbreitete und Spuren eines Künstlersubjekts zeigte. So gesehen ist es geradezu konsequent, wenn das Kunstwerk aufgegeben und auf das geistige Konzept eingedampft wurde. Aus werkorientierter Kunst wird Philosophie. Für Kosuth war, ausgehend vom Ready-Made Duchamps, der Fokus vom Erscheinen zum Konzept gewandert. »Dieser Wandel – von der ›Erscheinung‹ zur ›Konzeption‹ – war der Beginn der ›modernen‹ Kunst und der Beginn der ›konzeptuellen‹ Kunst.« Wenn die Kunst der Gegenwart in Philosophie verwandelt ist, war für ihn allerdings nicht die Kunst, sondern die Philosophie der Kunst im Sinn der alten Erzählungen an ein Ende gekommen. Kunst nach dem Ende der Philosophie hat nach Kosuth nichts mehr mit Ästhetik zu tun. Kunst, so beschrieb er das in Art after Philosophy (1969), bringt vielmehr eine Proposition zum Ausdruck, also eine Idee, egal mit welcher materialen Erscheinung diese gepaart wird. »Das 20. Jahrhundert führte eine Zeit herauf, die ›das Ende der Philosophie und der Beginn der Kunst‹ heißen könnte.« Das Ende der Kunst (als Metaphysik, also als Systemphilosophie) sei mit Wittgenstein eingetreten, der Beginn des Konzepts (als Konzeptkunst und damit letztlich als Philosophie) mit Duchamps Ready-Made. Kosuth, der als Künstler und Sprachphilosoph arbeitete, brachte diese beiden Genres in ein gegenseitiges Verhältnis. »Seine Analyse der Sprache der Kunst geht über in eine Kunst mit der Logik der Sprache.« Mit dem Wechsel von der Erscheinung zum Konzept wurde jedes ästhetisch-formale Kriterium und auch jeder institutionelle Rahmen bei Kunst obsolet. Beides lieferte das Ready-Made. Legitimation erhält die Kunst nur mehr aus sich selbst. Für den Kunstphilosophen ist das eine interessante Botschaft, denn damit ist die Kunstphilosophie jeder Mühe einer definitorischen Bestimmung von Kunst enthoben. Im letzten Kapitel sprach ich pointiert von einem Industrie-Acheiropoieton, ein Begriff, der ganz bewusst Bezüge zum Platonismus konnotiert. Denn auch in der platonisch-neuplatonischen Kunstwerkkonzeption (wie im Fall der Ikone) sollte der materielle Gehalt des Kunstwerks und seine mimetische Illusion beseitigt werden, um sich auf das geistige Konzept zu reduzieren. Freilich ging es damals – hoch aufgeladen mit kulturellen Erzählungen – um einen anagogisch-spirituellen Inhalt, der nun natürlich entfällt zugunsten einer in die Immanenz gebogenen reinen Selbstreferentialität.



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Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

Für Kosuth ist die Konzeptkunst nicht eine Kunstströmung von vielen, sondern sie entspricht am Ende der Kunstgeschichte, soweit sie als Geschichte materieller Objekte verstanden wird, dem Stand der Kunst, und ist zugleich ihre eigene Definition. Allfällige materielle Objekte sind demnach nichts weiter als Tautologien. Es gibt eine reizvolle Verbindung zwischen Stellas »What you see is what you see« und Kosuths »A work of art is a tautology in that it is a presentation of the artists’ intention, that is, he is saying that that particular work of art is art, which means, is a definition of art.« Kosuths schuf ein Werk, das genau diesen Zusammenhang darstellte: One and Three Chairs (1965/66) artikulierte die Formen der Repräsentation noch an einem konkreten Objekt, wobei die Aktion unwillkürlich die Abwertung des materiellen Kunstwerks bei Platon evozierte. Neben den natürlichen Stuhl positionierte Kosuth eine Fotografie des Stuhls und eine Definition des Stuhls aus dem Lexikon. Schließlich reduzierte Kosuth dieses noch schulmeisterliche Arrangement weiter und blieb bei Lexikon-Definitionen, die er auf Fotopapier vergrößerte, auch eine Art Ready-Made, dessen Sinn sich erst konzeptuell erschließt. Selbst diese Art eines materiellen Objekts ging ihm noch zu weit und er schaltete die Definitionen im Anzeigenteil von Zeitschriften. Mit One and Three Chairs illustrierte er einerseits drei Rezeptionsweisen von Kunst, spielte mit dem Abbildungsbegriff, mit dem Konzeptuellen, und spannte einen großen Bogen zu reiner Selbstbezüglichkeit der Kunst, die nichts mehr braucht außer sich. Der in New York geborene Robert Barry reichte 1969 für eine Ausstellung in Leverkusen Textabschnitte ein: Something Which Is Unknown to Me, But Which Works upon Me. Ein solcher Text beansprucht keinen objektiven Sinn, sondern löst in Rezipientinnen ganz verschiedene Assoziationen aus, was verschiedenen »Kunstwerken« entspricht. Eine solche Auffassung des Kunstwerks nennt man rezeptionsästhetischen Mentalismus, der die Herausforderung enthält, dass in jeder Rezipientin ein je eigenes Kunstwerk entsteht. Barry arbeitete zudem mit Radiowellen im nicht hörbaren Bereich und mit nicht sichtbaren Edelgasen (Inert Gas Series), in welchen Arbeiten er die Grenzen des materiellen Werks auslotete. Neben Kosuth, Robert Barry, Douglas Huebler, Sol LeWitt war der in der New Yorker Bronx geborene Lawrence Weiner ein führender Vertreter der Concept Art. Weiner postulierte, dass eine künstlerische Arbeit nicht ausgeführt werden müsse, aber ausgeführt werden könne. Wenn sie ausgeführt wird, dann löse sie in der Rezeption geistige Signale zur Welt aus. Im Fall Weiners handelt es sich um geschriebene Worte, die mentale Inhalte in der Rezipientin und damit neue Räume im Kopf gegenüber den die Schriftzüge tragenden realen Räumen von Ausstellungshäusern erzeugen. 1969 war Weiner nach Inuvic, einem kleinen Ort nördlich des Polarkreises, geflogen und hatte dort den Lauf eines kleinen Bächleins durch das Arrangieren von Steinen verändert. Die fotografisch festgehaltene Aktion lebte von der Vorstellung der Auswirkung dieses Eingriffs (im Sinne der Chaos-Theorie) auf der hunderte Kilometer langen Laufstrecke des zum Fluss anschwellenden Bachs (A natural water course diverted reduced or replaced; 1969). »Die Konstruktivität dieser Arbeit umfaßt einen halben Erdteil.«

Kosuth, zit. nach Lewicka 2005, 26

X.3.5.1.2. X.3.5.3.

Gappmayr 1990, 152

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Weiner, zit. nach Marzona Daniel in Holzwarth/ Taschen 2011, 574

LeWitt, zit. HW, 1027

Marzona Daniel in Holzwarth/Taschen 2011, 572

Ebd., 576f

Dass mit dieser neuen Sicht – etwa zum Unterschied von Pop- und Minimal Art – der kommerzielle Warencharakter der Kunst obsolet wird, ist klar. Weiner: »Leute, die meine Sachen kaufen, können sie überall mit hinnehmen und sie neu anfertigen, wenn sie möchten. Wenn sie sie nur in ihrem Kopf aufbewahren, ist das ebenso gut. Sie müssen sie nicht kaufen, um sie zu besitzen – sie können sie besitzen, indem sie sie kennen […].« Anders als der auf Schriftkunst fixierte Weiner (der freilich bis gegen 1976 Bilder schuf, die der Minimal Art zugerechnet werden), waren die Arbeiten Sol LeWitts bildende Kunst. LeWitt, den wir bereits als Vertreter der Minimal Art kennen lernten, zog die philosophischen Konsequenzen aus seiner künstlerischen Praxis und wurde ein engagierter Verfechter der Concept Art. Er schrieb mehrere theoretische Abhandlungen darüber. In seinen Sentences on Conceptual Art (1969) hält er unter Nr. 10 fest: »Ideen allein können Kunstwerke sein. Sie sind Teil einer Entwicklung, die irgendwann einmal ihre Form finden mag. Nicht alle Ideen müssen physisch ver­wirklicht werden.« Die neue Art von Kunst erforderte auch eine neue Art der Präsentation, Vermarktung und Rezeption. »Mit einem Mal wird Kunst als eine spezielle Form von Information aufgefasst, die oftmals in der Kombination von Fotografie und Text präsentiert wird. Der Betrachter ist nun endgültig aufgefordert, aktiv – häufig unter erheblichem Aufwand – an der Kunst teilzunehmen.« In dieser Hinsicht berührte sich Konzeptkunst mit der Performancekunst. Dem amerikanischen Konzeptkünstler Douglas Huebler ging es am Ende der Sechzigerjahre in Location und Duration Pieces darum, räumliche und zeitliche Ereignisse erst in einer Dokumentation erkennbar machen zu lassen. Er ließ etwa ein im Eingangsbereich einer Ausstellung mit Sägespänen aufgezeichnetes Quadrat von einer jungen Kollegin über sechs Stunden lang in regelmäßigen Abständen fotografieren. Die Fotos wurden nicht-chronologisch an die Galeriewand geklebt, wobei die Betrachterinnen den Prozess der Veränderung dieses Quadrats in verschiedener Weise rezipieren konnten. Naturgemäß gab es Einspruch gegen die faktische Aufgabe des Werkaspekts in der Kunst. Ein völlig alternativer Entwurf zu dieser zentralen Konsequenz der Concept Art ist die Bewahrung einer (wie der bewusst gewählte Titel zeigt) Ästhetik des Erscheinens durch Martin Seel. Eines der Argumente, das Seel gegen Kosuth ins Treffen führt, ist, dass man auch in der Konzeptkunst nicht um sinnliche Aspekte herumkomme und sei es nur in der Form der Präsentation. Ohne auf die nur schwer auszugleichende Differenz in den Auffassungen näher einzugehen, kann sich das Argument jedenfalls darauf stützen, dass die Schriftzüge etwa bei den Arbeiten Weiners durchaus einer Ästhetik folgen. Sie haben Symmetrie, spielen mit einer gewissen Eleganz der Typografie, verweigern sich nicht der Farbe und konnotieren sogar die archaischen Materialien wie Wasser, Erde, Luft, Licht. Die Buchstaben verselbständigen sich womöglich gegenüber ihrer Funktion als textuelle Botschaft. Demnach sei Konzeptkunst kein Ende der Geschichte der Kunst, sondern eine Möglichkeit, Begriffen neu zu begegnen gegenüber den üblichen Alltagsweisen (Lexika), mit denen wir diese Bestände sonst verwalten. Wenn wir diesen Hinweis in ein Fazit ein-



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Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

fließen lassen, kann man sagen, dass die Konzeptkunst gerade wegen ihrer inszenierten Medialität und ihrer teilweise auch haptischen Ästhetik keineswegs jedem sinnlichen Niederschlag entkommt und nur mehr kognitive Potentiale verwaltet, dass sie aber das Diskursfeld des Kunstwerks als materiellem Gegenstand oder reinem Konzept weit öffnete.

X.3.5.1.

5.2.5. Zero und Land Art Ende der Fünfzigerjahre probte wieder eine Gruppe den Bruch mit dem Alten und einen radikalen Neuanfang. 1958 gründeten Heinz Mack und Otto Piene in Düsseldorf die Gruppe Zero (inklusive einer in drei Ausgaben erscheinenden Zeitschrift mit demselben Titel). Drei Jahre später stieß Günther Uecker dazu. Die Zero-Künstler, die sich bald europaweiter Resonanz erfreuten, suchten einen Nullpunkt der Kunst ohne Tradition und Akademie-Vorgaben. Heinz Mack plädierte für eine puristische Ästhetik: reine Farbe und reines Licht ohne jede Illusionswirkung. Zero sollte einen Zustand des Nichts oder des unvermittelten Übergangs, vergleichbar mit dem Moment des Umschlags neuplatonischer Provenienz (to exaiphnes), ausdrücken. »Zero ist die Stille. Zero ist der Anfang. […] Zero ist schön, dynamo, dynamo, dynamo.« So begann ein Manifest aus dem Jahr 1963. Erst unter diesen Voraussetzungen erreiche Kunst Freiheit und eine intensive Wirkung. Die Protagonisten waren ebenso fasziniert von den monochromen Farbtafeln von Yves Klein oder Piero Manzoni wie von der Dynamik der Performancekunst. Im Umkreis der Gruppe wurde mit allen möglichen Materialien gearbeitet. Man ließ Leinwände durch Feuer verkohlen (Arman), schlug tausende Nägel in Holzplatten (Günther Uecker), veranstaltete Performances, schlitzte Leinwände auf (Lucio Fontana), verpackte Gegenstände, Häuser und Brücken (Christo), schoss auf Bilder (Niki de Saint Phalle) und stellte Reste von in die Luft gesprengten Klavieren, Kühlschränken und Sportwagen in das Museum (Arman). Besonders liebte man die Stoffe der Natur: Feuer/Licht, Erde, Wasser, Luft, was zu Anknüpfungspunkten für Earthwork und Land Art wurde. 1959 verhalf eine Ausstellung in Antwerpen (Motion in Vision – Vision in Motion) der Gruppe zum Durchbruch. Es ging um kinetische Kunst mit Verweis auf Jean Tinguely, dessen Arbeiten man sehr schätzte. 1964 wurde die Gruppe durch eine Ausstellung in New York auch in den USA bekannt. 1966 ließ man in Bonn nach einer letzten gemeinsamen Ausstellung einen brennenden Wagen in den Rhein stürzen und besiegelte mit dieser Aktion offiziell das Ende der Gruppe Zero. Einschlägige Ausstellungen gab es aber noch mehrere Dutzend. Die Kritik entzündete sich am vorwiegend destruktiven Gestus, etwa von Seiten des neuen Realismus. Nach dem offiziell inszenierten Ende gingen die Künstler mit ihren Arbeiten in die Landschaft und schlugen spätestens so eine Brücke zur Land Art. Piene, inzwischen Lehrer am MIT (Massachusetts Institute of Technology), entwickelte Sky-art-Projekte, Heinz Mack 1968 in Tunesien Sahara-Projekte, in den Siebzigerjahren wechselte er von der Wüste ins andere Extrem, nach Grönland. Es ging dabei vor allem um Lichtarbeiten (Lichtsäulen, Lichtfontänen, Lichtreflektoren), regelrechte

Gruppe Zero

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Land Art

Smithson, zit. nach Rose Barbara in: SK IV, 275

Land Art-Arbeiten also. Kinetische Lichtarbeiten waren für alle drei eingangs erwähnten Künstler ein Thema. Für die Land Art, die in den Sechzigerjahren zugleich in Europa und in den USA begann, standen viele Richtungen Pate: Minimal Art, Concept Art, Pop Art, auch abstrakter Expressionismus und Aktionskunst. 1968 füllte Walter de Maria die Räume einer Galerie in München mit Erde (aus statischen Gründen eigentlich Torf), sodass sie nicht mehr betreten werden konnte (1977 gab es eine weitere Version des Erdraums in einer Galerie in New York). Im gleichen Jahr präsentierte Virginia Dawn in ihrer Galerie in New York Arbeiten unter dem Titel Earthworks. Spätestens als sich die Arbeiten in die Landschaft verlagerten, wurde der Ausdruck Land Art gebräuchlich. Die Werke waren durch ihre Größe und Vergänglichkeit nicht mehr ausstellbar und konnten nicht käuflich erworben werden. Der Begriff selbst dürfte auf den Titel eines Films zurückgehen, mit dem der deutsche Filmemacher Gerry Schum 1969 Arbeiten von acht Land Art-Künstlern ins Abendprogramm eines Fernsehsenders brachte. Die Land Art wurde in den späten Sechzigerjahren zwar in Amerika groß, aber sie ist keine amerikanische Erfindung. Auf die Frage nach der Motivation der Land Art gibt es mehrere Antworten. Man verwies auf die dem Anliegen der Aktionskunst vergleichbare kritische In-Frage-Stellung der alten Kunstinstitution, man sah im Gigantismus der Projekte ein künstlerisches Echo auf die Mega-Ereignisse der Sechzigerjahre und führte schließlich wenig überraschend ein ökologisches Anliegen ins Treffen. Dass es dieses jedenfalls auch gab, offenbaren die pessimistischen Töne Robert Smithsons: »Diese ganzen Sünden. Und dabei steht 2000 vor der Tür. Sünde allüberall. Der tote Fluß mit seinem schwarzen Öl und Schmier. Der gekreuzigte Fluß statt des Gekreuzigten. Wann man wohl damit anfängt, Umweltsünder auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen?«. 1982 realisierte die in Budapest geborene amerikanische Konzept- und Land Art-Künstlerin Agnes Denes ein Getreidefeld im Battery Park neben dem Financial District in Lower Manhattan (Wheatfield – A Confrontation). Eine treffendere kulturgeschichtlich aufgeladene Metapher hätte die Künstlerin kaum finden können. Getreide, das Symbol der Sesshaftwerdung, steht hier auch für Welthandel, Rohstoff-Spekulation, Hunger, Ökologie und setzt ein Ausrufezeichen zum Verhältnis von Ressourcen erzeugendem Land und Ressourcen verbrauchender Stadt. Bei den Arbeiten fungierte die Landschaft zunächst gleichsam als ins Unendliche vergrößerte Leinwand. Darüber hinaus ging es darum, dass nicht Objekte in der Landschaft standen, sondern vielmehr die durch Künstler veränderte Landschaft selbst das Werk bildete, wobei auch akustische Aspekte Berücksichtigung fanden. Es entstanden Soundscapes einer Stadt oder einer Landschaft. Walter de Maria steckte auf einer Hochebene in New Mexiko 400 polierte Edelmetallstäbe in den Boden (Lightning Field; 1977), die, als erwünschter Nebeneffekt, Blitze bei Gewittern anziehen und damit als Gesamtanlage das Erhabene evoziert. Bei der documenta 6 in Kassel realisierte er ein länger geplantes Werk, indem er einen aus mehreren Edelmetallstäben zusammengesteckten, einen Kilometer langen Stab in die Erde ver-



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Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

senkte (Vertikaler Erdkilometer). James Turrell kaufte 1974 in den San Francisco Peaks einen erloschenen Vulkan. In den Krater baute Turrell Räume und Gänge mit Lichtöffnungen nach oben (Roden Crater). Lichteinfall und Spiegelungen sind so konstruiert, dass Räume aus Licht und Klängen entstehen. Der Besuch der Anlage kostete mehrere tausend Dollar. Michael Heizer durchschnitt einen ganzen Berg in Nevada, wobei er über 240 000 Tonnen Gestein bewegen ließ (Double Negative; 1970). Noch monumentaler ist seine Arbeit Displaced-Replaced Mass (1969). Es ließ bei Reno, Kalifornien, drei Granitblöcke aus einem Felsmassiv sprengen und zu einer Ebene in der Nähe transportieren, um sie dort in drei vorbereitete, mit Beton ausgegossene Gruben zu versenken. Heizer wollte damit einen Beitrag zur Umkehr der urzeitlichen Auffaltung des Gebirges leisten. Dass er zugleich Monolithen, die man über viele Jahrtausende aufstellte und in den Himmel zeigen ließ, wieder dem Schoß der Erde zurückgab, also das solare Paradigma in das chthonische zurückverwandelte, ist eine weitere mögliche Assoziation. Man kann auch auf einer streng selbstreferentiellen Ebene bleiben und von einer negativen Skulptur oder – in anderen Fällen – einer horizontalen Plastik sprechen. Die Land Art kann kaum anders gesehen werden als im Kontext des uralten Spiels von Natur und Kultur. Sie ist damit einerseits Gegenpol einer romantischen Verherrlichung der Natur als ur-paradiesischer Zustand, andererseits zeigen Land Art-Projekte auch Anklänge an romantische Naturmalerei, etwa bei den poetischen Arrangements von Andy Goldsworthy. Womit man hier bereits seit Jahrhunderten konfrontiert war, fasst ein bereits in VII.4.2.1. vorgetragenes Zitat zusammen, das auf die klassizistische Programmatik abhob, insofern nämlich »die doctrine classique Natur mit Vernunft gleichsetzte und sie überdies noch mit dem bon sens identifizierte.« Sowohl die Regelästhetik als auch die Kritik daran berief sich auf die Natur und die entscheidende Frage war, was man unter Natur verstand: idealisiertes harmonisches Ordnungsmuster (des Rationalismus) oder faktisch empirische Gegebenheit (des Empirismus). Die Land Art verfolgte solche Fährten des Verhältnisses von Mensch und Natur oder Landschaft in allen Aspekten. Einerseits ging es um das Thema des Verschwindens der Spuren des Menschen in der Natur, andererseits holte man die Natur zurück in das Museum. Walter de Maria zog Endloslinien in den Boden der Mojave-Wüste in Kalifornien, die er abschritt, bis er am Horizont verschwand, eine Land Art-Arbeit, die mit einer Performance verschmolz. Robert Smithson schüttete auf einem Salzsee in Utah Spiralen aus Steinen und Erde auf (Spiral Jetty; 1970), die langsam der Erosion zum Opfer fallen – als Beispiel für das physikalische Gesetz der Entropie. Dabei galt sein Interesse gar nicht so sehr den Salzseen und Wüsten, sondern alten Industriebrachen und abgewirtschafteten Landstrichen, »nicht etwa eindrucksvolle geologische Naturdenkmäler, sondern Ruinen einer post-industriellen Trümmerlandschaft.« Das lässt sich durchaus als Angriff auf romantische Naturverehrung sowie auf das Prinzip des Erhabenen interpretieren. Ihm ging es um Verfall und Rückkehr des Menschengemachten in die Natur. Mit den geometrica schemata und dem damit verbundenen Triumph des Menschen über der Natur habe ich diese Erzählung über die Ideen hinter der Kunst be-

Dieckmann 1964, 31

Reißer/Wolf 2003, 223

330

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Kaiser Philipp, Kwon Miwon in Kat. 2012e, 17

Rebentisch 2013, 212

Smithson, zit. HW, 1167

gonnen. Das Verschwinden solcher in die Landschaft geritzter Figuren, wenn sie sich die Natur wieder zurückholt, ist scheinbar einer der Endpunkte dieser langen Geschichte. Aber das Verhältnis ist noch einmal komplizierter, denn indem die Werke in die Landschaft eingeschrieben werden, wird offenbar, wie sehr die Landschaft selbst eine kulturelle Konstruktion und Projektion ist. Man kann die Land Art weder allein unter dem Gesichtspunkt der Nachahmung noch unter jenem des Erhabenen völlig erschließen, wenngleich beides vorhanden ist. Es geht um das ambivalente Verhältnis von Natur und Kultur. Daher wurde auch der umgekehrte Weg beschritten und die Natur wieder ins Museum geholt. Land Art in Ausstellungsräumen zu zeigen, ist für jede Kuratorin denn auch eine nicht geringe Herausforderung. »How can you bring monumental artworks that are continuous with the earth in remote locations such as the deserts of Nevada, Utah, or New Mexico into a gallery space?« Richard Long legte Steinkreise und -spiralen (engl. alignments/Absteckungslinien) in Ausstellungsräumen aus, applizierte Schlammarbeiten (Mud-Works) auf die Wände und ließ die Natur gleichsam von dieser menschlichen Institution Besitz ergreifen – freilich im Sinn Hegels durch die Verstandesarbeit zur Skulptur geadelt. »Tatsächlich nimmt die Land Art hier eine besondere Position ein, weil sich in ihrer Erfahrung der flüchtige Charakter der erscheinenden Natur mit dem des Kunstwerks so überkreuzt, dass beides kaum voneinander zu unterscheiden ist.« Robert Smithson unternahm dieses Zurückholen der Natur in die Institution mit noch mehr konzeptuellem Anspruch. Die im Museumsraum präsentierten Skulpturen hatten bloß eine verweisende Funktion. So nebenbei schrieb die Land Art ein Kapitel am Thema des neuen Verständnisses von Skulptur, einerseits in ihren gigantischen Dimensionen als veränderte Landschaft, andererseits als konzeptueller Verweis im Kunstraum. Man sprach in diesem Fall von einer Non-site-sculpture. Smithson stellte Fotografien aus oder in Stahlboxen verpackte Steine (non-site), was auf den eigentlichen Ort des Kunstwerks in der Landschaft verwies (sites). Sie bleiben trotz ihrer materiellen Identität bloß das Konzept der in der Natur getätigten Arbeit (falls es dort real umgesetzt wurde, was nicht immer der Fall war). Die philosophische Position in Smithsons Arbeiten erinnert an Adornos von Hegel (Natur muss durch die Vernunft gehen) und Marx (Natur als das noch nicht Versöhnte) inspirierten Umgang mit der Natur. Das Bewusstsein von der kulturellen Vermitteltheit der Natur umfasst zugleich die Naturverfallenheit der Kultur. Man kann der Natur nicht durch abstrakte Repräsentation entfliehen. Smithson schrieb in einem Beitrag zur documenta 5: »Im Galerieraum verliert ein Kunstwerk seine Brisanz und wird zum tragbaren Objekt, das von der Außenwelt abgeschnitten ist. […] Die Aufgabe des Wärter-Kurators besteht darin, die Kunst vom Rest der Gesellschaft zu isolieren. […] Sobald das Kunstwerk neutralisiert worden ist, sobald man es unwirksam, abstrakt und ungefährlich gemacht und politisch lobotomisiert hat, ist es zur Konsumtion durch die Gesellschaft geeignet.« Ähnliches gilt für Parkanlagen, die nichts weiter als Idealisierungen der Natur seien und die Natur zu Objekten der Ergötzung degradierten.



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Ein wenig umspannt die Land Art, die ja unverkennbar Minimal Art, Concept Art und auch einige Aspekte der Pop Art versammelte, eine weite Problematik der Kunst des 20. Jh.s. Aus ihren traditions- und institutionskritischen Anfängen ergaben sich spektakuläre und riesige Arbeiten von Michael Heizer, Robert Smithson und Walter de Maria. Sie sind schwer zugänglich und dementsprechend mythenumrankt. Der komplexe körperliche Aufwand, den man auf sich nehmen muss, um überhaupt in Konfrontation mit den Kunstwerken zu kommen, gibt diesen Land Art-Projekten einen performativen Charakter, stellt sie also zusätzlich noch in die Reihe der Aktionskünste. Dass sich mit den zu diesen Kunstwerken gehörenden Dokumentationen und einem Kunst-Pilgerwesen schließlich doch auch gutes Geld machen ließ – etwas, was anfangs verpönt war –, sei hier der Vollständigkeit halber angemerkt.

5.2.6. Aktionskünste: Performance – Happening – Fluxus – Body Art In diesen Kapiteln über die bildende Kunst vor der resümierenden Besprechung der ausdrücklichen Gegenwartskunst, wird die Abgrenzung der verschiedenen Strömungen schwierig. Bei Pop Art, Concept Art, Minimal Art, Land Art sind die Übergänge fließend und es können verschiedenen Künstlerinnen verschiedene Positionen zugesprochen werden. Geradezu aussichtslos werden solche Abgrenzungen bei den sogenannten Ereignis- oder Aktionskünsten. Sie umfassen ein schier uferloses Spektrum, sowohl was die Form als auch was Inhalt und Intentionen betreffen. Es fallen unter diesen Titel jene an die Leere und das Nichts rührenden Arbeiten von John Cage, Robert Rauschenberg oder Yves Klein, welche an den meditativen und spirituellen Gestus des Abstrakten Expressionismus erinnern, sowie die berückend poetischen Arbeiten von Anish Kapoor. Aber zu den Aktionskünsten gehören auch die Orgien eines Hermann Nitsch und die körperbetonten, bisweilen gefährlichen Aktionen vieler Künstlerinnen, ob sich Chris Burden von einem Freund durch den Oberarm schießen ließ (Shooting Piece; 1972) oder Rudolf Schwarzkogler sich lebensgefährliche Selbstverletzungen zufügte, sodass sogar das Gerücht entstand, sein früher Tod durch einen Fenstersturz sei selbst eine Aktion oder eine Folge seiner Aktionen gewesen. Marina Abramović ließ sich 1974 in einer Galerie in Neapel mit allen möglichen Geräten misshandeln (Rhythm 0). Erst als ein Teilnehmer eine geladene Pistole auf ihren Kopf richtete, schritt jemand ein und beendete die Performance. Wollte man eine einheitliche philosophische Grundierung solch ganz verschiedener Ansätze suchen, stößt man am ehesten auf eine Absicht, den Fortschritts- und Technikoptimismus des Abstrakten Expressionismus, der Minimal und Concept Art (wenn man diesen Strömungen denn einen Technikoptimismus überhaupt unterstellen will) und die Affirmation der Pop-Kultur-Ikonen, samt einer ausgeklügelten Vermarktungsstrategie in der Pop Art, durch eine radikale Verbindung der Kunst mit dem Ausgesetztsein des Lebens grundlegend zu konterkarieren: »Anstelle der farbenprächtigen und grellen Bilderwelt der Pop Art, des verführerischen Hedonismus’ der Farbfeldmalerei oder der aggressiven Kargheit der Minimal Art entwickelte sich allmählich eine neue Sensibilität, die in der Kunst wie im Leben die Betonung

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Rose Barbara in SK IV, 270

auf Eigenschaften wie Verletzlichkeit, Zerbrechlichkeit und Kurzlebigkeit legte. […] Und er war ein Angriff auf die Rolle des Kunstobjekts als Ware im spätkapitalistischen Wirtschaftssystem. So sah man die Kunst zuweilen eher als ›gerahmte‹ Manifestation einer Einstellung denn als unveränderlichen, statischen Gegenstand.« Es scheint aber auch der Eindruck nicht falsch, dass in den Aktionskünsten sich noch lange jener in den Sechzigerjahren ausgebrochene provozierende Furor hielt, mit dem man eine Generation der Verbrechen des Nationalsozialismus bezichtigte, deren Vertreter sich nun weitgehend unbehelligt im Nachkriegs-Wohlstand eingerichtet hatten, womöglich der Gesellschaft noch ihre alten (und offensichtlich gescheiterten) Moralvorstellungen aufdrängten und Affirmation der sie schützenden Institutionen betrieben. Adornos Verflüssigung sämtlicher Systemanmutungen betreibt die Aktionskunst bis heute mit Provokationen und Skandalen: Andres Serrano ertränkt Kruzifixe in Urin (Piss Christ; 1987), Orlan rezitiert philosophische Texte, während ihr Gesicht unter Spinalanästhesie von einem Chirurgen operativ verändert wird, und zeigt ihr »Fleisch« in »Reliquienschreinen« (1993), Elke Krystufek masturbiert öffentlich bei einer Performance in der Kunsthalle Wien (Satisfaction; 1994), das Schwulenpaar Gilbert & George schockiert mit Geschlechtsverkehr und Körperflüssigkeiten (Naked Shit Pictures; 1995), Maurizio Cattelan lässt eine hyperrealistischen Skulptur, Papst Johannes Paul II. darstellend, von einem Meteoriten getroffen zu Boden sinken (La Nona Ora; 1999), Stuart Brisley präsentiert (präparierten und geruchlosen) Menschenkot (Collection of Ordure; 2002). Ebenso unterschiedlich wie die Inhalte und Anliegen waren die künstlerischen Formen. Sie umfassen das gesamte Repertoire der Kunst: Malerei, Skulptur, Theater bis hin zum Kabarett, Fotografie, Film, Video und neue Medien. Herzstück der Aktionskunst ist der mit Installationen oder Assemblagen verbundene körperbetonte Live-Auftritt. Dieses Ausfransen von Form und Inhalt und die damit verbundene buchstäbliche Aktionsbreite der Ereigniskünste bedeutet, dass uns dieses Kapitel nahtlos in die Gegenwartskunst führt. Ein großer Teil der zeitgenössischen Kunst lässt sich am ehesten unter die Generalüberschrift Aktionskunst einordnen. Weitere Positionsbezeichnungen nach der Jahrtausendwende haben sich nicht mehr durchgesetzt, Spezifizierungen sind eher geographischer Natur.

5.2.6.1. Der performative Charakter der Kunst Ist ein Ende dessen, was man manchmal in systematischen Abhandlungen Ereigniskünste nennt – ich verwende den Ausdruck Performancekunst oder Aktionskunst für das Gemeinte und Begriffe wie Happening, Fluxus, Body Art als weitere Spezifizierungen – also nicht in Sicht, gibt es in den einschlägigen kunstgeschichtlichen Abhandlungen einen ziemlich genau definierten Anfang, nämlich im Umkreis von Dada, Surrealismus und Futurismus. Bevor dieser Anfang beschrieben wird, soll in Erinnerung gerufen werden, dass im Grunde jede Kunst einen performativen Charakter hat. Damit ist nicht nur das mit jeder Kunst zwangsläufig verbundene handling gemeint, das Hängen eines Bildes



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oder das Einpassen eines Gebäudes und einer Skulptur in die jeweilige Umgebung; auch nicht nur die Tatsache, dass Skulpturen und Gebäude die Prozesse von Licht und Schatten und die Veränderungen des Umfelds nützen. Gebäude werden »not as objects but as actors in the city, which perform with and among people in the small improvisations of urban life« betrachtet. Der Architekt wird zum Theaterregisseur. Architektur ist immer ein set und ein »player in the ongoing theater of social life. « Gemeint ist darüber hinaus, dass sich zahlreiche Kunst- und Architekturwerke in letzter Konsequenz überhaupt nur performativ erschließen. Die eizeitliche Höhle ist (vermutlich!) Ort und Medium einer Initiation, der Libationstisch Teil des Mysterienkults. Zum ägyptischen Tempel, zur Kultbarke im Sanktuar und zur Sphingenallee gehört die Prozession. Die Säulenstraße der frühchristlichen Basilika, der mittelalterliche Flügelaltar sind Teile eines Rituals. Das liturgische Zeigen, Sprechen und Tun macht aus dem alltäglichen Zeigen, Sprechen und Tun Kunst und es macht aus Rezipienten Mit-Akteure. Der Fleisches- und Körperkult der spätmittelalterlichen Kirche mit stigmatisierten Mystikerinnen, dem Kult um das Herz Jesu, dem zur Schau gestellten Genital Jesu, das alles ist im Grunde nichts anderes als Aktionskunst und Body Art von hohem Standard. Den Koran nennt Angelika Neuwirth »kein Buch, sondern ein Event«. Die Barockkirche mit ihrem Deckengemälde, das unter Umständen mehrere Fluchtpunkte aufweist, ist ebenso eine hochdynamische Veranstaltung wie die skulpturale Darstellung mystischer Verzückung. Man muss also keineswegs über die Grenzen Europas und Nordamerikas hinausschauen, um zu sehen, dass sich das Selbstverständnis von Kulturen »vorrangig in performativen Prozessen formuliert.« Demnach bezieht sich der konstatierte performative turn eher auf die Metaebene eines ausdrücklichen Konstatierens einer solchen Wende als auf die Sache selbst. Das gilt es auch zu beachten, wenn man eine »radikale Transformation der Kunst vom Werkhaften zum Performativen« ausruft. Weder Performance noch Körpereinsatz sind neu, selbst die Intentionen sind vergleichbar. Wenn frühe Mönche, die mit enormem Körpereinsatz auf meterhohen Säulen lebten, ihr Gesicht in das erdhafte Material Ton drückten und die Scherbe den Pilgern mitgaben, taten sie dies als Reaktion auf die Abstraktion des Gottesbildes durch die Theologen und das konnte in Zeiten des Bilderstreits durchaus zur gefährlichen Provokation werden. Bei vielen dieser Aktionen und Perfomances könnte man überdies das aus der Gestik-Kultur des Mittelalters bekannte Problem des Ritualmissverständnisses beklagen. Da die heutigen künstlerischen Performances unendlich viele Themen bespielen und nicht auf eingeübten Konventionen wie im Mittelalter beruhen, sind sie erklärungsbedürftig. Werden solche Erklärungen verweigert, tappen auch Kunsthistoriker im Dunklen, wie Edward Lucie-Smith beispielshaft über Werke von Robert Gober resümiert: »Womöglich symbolisieren Gobers Arbeiten tatsächlich das, was man ihnen zuschreibt, aber dafür gibt es keinen Beleg […].« All das gilt auch für die moderne Kunst und Architektur. Zu den typischen freien Grundrissen des Ludwig Mies van der Rohe merkt Hildegard Kretschmer an, typisch für Mies sei der »offene fließende Raum, der sich nicht mehr statisch, sondern

Read Gray in Feuerstein/ Read 2013, 1

IV.3.3.

VII.3.3. Fischer-Lichte 2000, 62

Mersch 2000, 94

IV.4.4./IV.8.1.

V.6.1.

Lucie-Smith 2014, 195

334

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Kretschmer 2013, 157

Kounellis, zit. nach Goldberg 2014, 169

nur im Durchschreiten, in der Bewegung, in einem zeitlichen Ablauf erfassen lässt, […].« Das gilt indes nicht nur für die Gebäude des Mies van der Rohe, sondern für jedes Gebäude. Es geht dabei sowohl um körperliche als auch um mentale Prozesse, weshalb Aktionskunst auch Berührungen mit der Concept Art hat. Mit sehr viel Sachverstand erklärte Jannis Kounellis den Parthenonfries zu einem Snapshot einer Performance (»eingefrorene Performance«). Die Aktionskunst wird hier zur Normalität erklärt, während das, was wir in der Kunstgeschichte als Kunstwerk ansehen, in der Regel einem statischen Screenshot ähnelt, der dynamisch-performative Teil fällt dabei unter den Tisch. Selbstverständlich bildete sich im 20. Jh. die Kunstform der Performance in ganz neuer Weise heraus und muss in dieser Hinsicht auch gewürdigt werden.

5.2.6.2. get involved!

Partizipation

Blunck 2003 Fried Michael in Stemmrich 1995, 334-374

Glauner 2016, 38

Über die Motivation zu grübeln, die zu diesen ausdrücklichen dynamischen und aktionistischen Formen der Kunst geführt hat, scheint angesichts der Kontinuität seit dem Beginn der Kunst und der Bandbreite der Kunstformen – abseits der bereits erwähnten Motive – eher müßig. Allerdings erhielt die Debatte um die Aktionskunst in den vergangenen Jahrzehnten einen neuen Schwung durch den vom Kurator Nicolas Bourriaud eingeführten Begriff Relational Art. Der Ausdruck bezieht sich auf die neue Mode der zeitgenössischen Kunst, die sich umstandslos an den im letzten Kapitel geschilderten performativen Charakter der Kunst anschloss. Das Zauberwort hieß Partizipation. Aus der Rezipientin sollte eine Akteurin und damit die institutionell erstarrte Kunst überwunden werden. Allan Kaprow und Wolf Vostell trugen den Begriff participation happenings nach. Der Partizipationsaspekt wurde in den verschiedensten Formen realisiert. Er reicht von den das passive Publikum aktivierenden Beschimpfungen wie jener epochalen von Peter Handke (Publikumsbeschimpfung; 1966) über die Zufallsgeräusche in Cages 4’33’’, Valie Exports Tapp und Tastkino bis zur Performance von Marina Abramović und Ulay, wo sich Besucher ihrer Ausstellung in Bologna durch die beiden sich nackt am Eingang Gegenüberstehenden hindurchzwängen mussten (Imponderabilia; 1977). Ein rasch vorgebrachter Einwand gegen eine solche Art von partizipativer Kunst war, dass man diese Kunst als »Mitmachtheater« desavouierte. Eine tiefere theoretische Sichtung, die die Unterschiede zwischen Aktionskunst und Partizipation schärft, fehlt bislang. Die Diskussion dreht sich um die Reichweite der Partizipation, die von aktiver Intervention bis hin zu Reflexionen mit künstlerischer Prokura reicht. Von Partizipation könne man reden, wenn »der Betrachter direkt und unmittelbar körperlich involviert wird, seine Position verlässt und zum aktiven Teilnehmer der Kunstproduktion beziehungsweise der Aufführung wird, eine Stimme und Widerspruchsrecht erhält. In letzter Konsequenz wird hier die Sphäre der Kunst verlassen. Sie dient lediglich als Instrument der Aktivierung einer neuen, kritischen Gemeinschaft politisch Handelnder […].« Kurioserweise kehrt Partizipationskunst im Extremfall die von Hegel nachhaltig formulierte Ästhetisierung der Kunst geradewegs in ihr Gegenteil um. Der Schwei-



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zer Künstler Christoph Büchel realisierte auf der 56. Biennale von Venedig 2015 als Länderbeitrag seiner Wahlheimat Island das Projekt The Mosque. Er richtete dazu in einer außer Betrieb befindlichen Kirche im Cannaregio-Viertel von Venedig einschließlich komplizierter Behördenverfahren und nicht unerheblicher Umbauten eine Moschee ein. Die Idee war, auf die Inkongruenz aufmerksam zu machen, dass den in Venedig ansässigen Muslimen ausgerechnet in jener Stadt, die jahrhundertelang respektvolle und einträgliche Beziehungen zur muslimischen Welt unterhielt, keine Moschee zur Verfügung steht. Nach Eröffnung für die Biennale mischten sich unter die Besucherinnen auch die ansässigen Muslime, die dort begannen, ihre Gebete zu verrichten. Der Aufschrei vor allem aus dem rechten Parteienspektrums war programmiert und erfolgte prompt und in der dort üblichen pöbelhaften Heftigkeit. Der Raum der Kunst – zugleich isländischer Pavillon, der einer des Gebets geworden war – wurde von den Behörden nach vierzehn Tagen mit der Begründung geschlossen, dass sich ihre Genehmigung zwar auf ein Kunstkonzept, aber nicht auf eine Moschee bezogen habe. »Als Teil eines partizipativen Clusters erfreuten sich die einen des schönen Raums, während die anderen ihr Haupt gen Mekka neigten.« Allgemeiner stellt sich die Frage, was passiert, wenn Museumsbesucher des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum etwa vor dem gotischen Altar von Schloss Tirol bei Meran niederknien und ein Gebet verrichten. Wenn über get involved die Rede ist, setzt das noch einen anderen Markierungspunkt. Es kommt einem die erwünschte und unerwünschte Partizipationsstrategie der zeitgenössischen sozialen Netzwerke in den Sinn. Das Smartphone dient als Schnittstelle und Eintrittstor in eine globale geschwätzige Kommunikationsgemeinschaft, bei der über weite Strecken an die Stelle realer Kommunikationspartner Algorithmen treten. Eine solche Dimension macht der gegenwärtigen Kunstszene durchaus zu schaffen und lässt diese lange als wünschenswert erachtete Programmatik in anderem Licht erscheinen. Es geht um die kritische Sicht auf solche mediale Vernetzung und darum, keinerlei Affirmation solcher kapitalistischer digitaler Strategien zu betreiben. Im Sinne einer Problematisierung bietet sich das Thema hingegen an. Die !Mediengruppe Bitnik zeigte 2014/15 in der Kunst Halle Sankt Gallen eine Installation anlässlich der Ausstellung The Darknet – From Memes to Onionland, bei der per Zufallsgenerator ein Algorithmus mit Bitcoins illegale Produkte im Darknet einkaufte und in die Kunsthalle liefern ließ, wo sie Teil der Installation wurden. Nach Ablauf der Ausstellung konfiszierte die Staatsanwaltschaft die Installation vorübergehend. Kunst stellt hier kritische Fragen an die zeitgenössische Technologieentwicklung, wo wir an der Schwelle autonomen Handelns von Maschinen zu stehen scheinen.

5.2.6.3. Performance und Fluxus – die Auflösung der Kunstgenres Die Anfänge der Performancekunst im Dadaismus, Surrealismus und Futurismus am Beginn des 20. Jh.s waren von einem hohen Protest- und Provokationspotential gekennzeichnet, das damals Aufführungen außerhalb der Institution Theater mit ihrem normierten Rahmen schon grundsätzlich zukam. Die prozessorientierte Kunst erzeugte kein handhabbares käufliches Kunstwerk mehr, was sowohl für Institutio-

Ebd., 53

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Goldberg 2014, 8

X.2.6.3. Sanio 2016, 90

Lucie-Smith 2014, 132

Klotz 1994, 9

nen als auch für Sammler eine neue Erfahrung war. Sie bot hingegen die Möglichkeit, Verfestigungen zu lösen, besaß also von Haus aus ein destruktives Momentum sowohl gegen überkommene Kunstformen als auch gegen traditionelle Institutionen. Nicht nur Dadaismus, Surrealismus und Futurismus wussten diese Aspekte zu nutzen, auch eine so konzeptionell entworfene Bewegung wie das Bauhaus bediente sich phantasievoller Performances: »Die Geschichte der Performancekunst im 20. Jahrhundert ist die Geschichte eines permissiven, offenen Mediums mit endlosen Variablen, das von Künstlern eingesetzt wurde, die mit den Beschränkungen besser etablierter Formen unzufrieden und entschlossen waren, ihre Kunst direkt in die Öffentlichkeit zu tragen. Daher liegt ihr stets ein anarchischer Zug zugrunde.« Mit Blick auf die Identität der Künste boten die Aktionskünste die Möglichkeit Grenzen überschreitender Interaktion aller nur denkbaren Kunstgenres und entzogen sich einer Definition. »Die derart konzipierten offenen Prozesse umfassen musikalische, visuelle, szenische Phänomene, die Musik erweitert sich zu musikalischem Theater und nähert sich damit der Komplexität der Wirklichkeit weiter an.« In den Siebzigerjahren gewannen Performance und Happening eine allgemeine Akzeptanz als eigenständige Kunstformen, sodass Performances ohne weiteres in Museen und Galerien durchgeführt wurden, an Orten also, gegen die sich diese Kunstformen anfangs kritisch richteten. Ursprüngliche Absicht war, die Kunst in den Alltag zu erweitern: »Das Happening führte zu einer Erweiterung dessen, was als ›Kunst‹ aufgefasst wurde – oder, genauer, zur Bereitschaft, sich dem ›Environment‹ zu öffnen, einer Situation, die aus Geräuschen, bestimmten Zeitrahmen, Gebärdenspiel, Eindrücken und sogar Gerüchen bestand.« Man sprach deswegen von Live Art oder Living Art. Das trifft eine Eigenart der späten oder gar »inzwischen ermüdeten Avantgarde, nämlich der Kunst eine andersartige Wirksamkeit zu verleihen als nur eine ästhetische. Das wesentliche Antriebsmoment der Avantgarde bestand darin, die Kunst in etwas zu verwandeln, was sie nicht war: in Leben.« Zwar entstand die Performance im Schoß der europäischen Kunstströmungen, aber die Geschichte im 20. Jh. ist nicht ohne den amerikanischen Beitrag zu schreiben, denn populär wurde die Performance in den Dreißigerjahren in Amerika. Eine Vorreiterrolle dabei spielte das Black Mountain College, das 1933 in Asheville, North Carolina, mit interdisziplinärer Ausrichtung gegründet wurde und sich weniger der praktischen Künstlerinnen-Ausbildung als mehr dem Grundlagenstudium widmen wollte: Raum, Zeit, Farbe, Licht, Klang, Bewegung waren Themen, die es abzuhandeln galt. Gleich am Anfang kam Josef Albers an das College, der wie viele Bauhaus-Lehrer in die USA emigriert war. Trotz der Theorielastigkeit öffnete man sich dem Experiment und die Form der Performance sollte sich besonders eignen, zwischen Kunst und Wissenschaft eine Verbindung zu schaffen. New York war in den Sechzigerjahren zum Mekka der Performancekunst geworden und viele europäische und japanische Künstlerinnen holten sich dort Anregungen. Robert Rauschenberg inszenierte 1963 in Washington seine erste Performance (Pelican), John Cage (Variations IV und Variations V; 1963/1965) und Claes Oldenburg (Moviehouse; 1965) folgten. Die Presse nannte diese Ereignisse nach ei-



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nem Werktitel von Allan Kaprow (18 Happenings in 6 Parts; 1959) Happenings. Einen stichhaltigen begrifflichen Unterschied zwischen Performance und Happening gibt es nicht, zu unscharf sind die Ränder der Aktionen, die Künstlerinnen inszenierten und mit den beiden Begriffen benannten. Es geht jedenfalls stets darum, in prozesshafter Weise, also im Sinne einer künstlerischen Praxis, das Publikum aktiv oder durch das Auslösen von besonderen Emotionen und Schockwirkungen einzubeziehen. In der alten Dichotomie von Mimesis und Expression könnte man von einer intensiven Neuformulierung des Expressionsmomentums sprechen. Performance und Happening, die mit Malerei ebenso zu assoziieren sind wie mit dem Theater, zu dem wiederum Musik und Tanz gehören, wurden zudem als Neudefinition der Skulptur angesehen. Weil Performance und Happening so viele Genres der Kunst versammelten, gesellschaftliche Themen ansprachen und weil ihnen ein hohes Maß an Zufall immanent ist, lassen sie die Grenzen der Kunstgenres ebenso verschwimmen wie jene von Rezeption und Produktion, ja ganz grundsätzlich ist die Identifikation als Kunstwerk ein Problem. Das war ein Aspekt, der freilich durchaus zum Kalkül der Aufführungspraktiken gehörte. Es gab Festnahmen und Gerichtsverfahren, was den Aktionen ein hohes Maß an Publizität verlieh. Nicht nur der Kunstcharakter, auch die Dokumentationsmöglichkeit der Aktionskunst bot Stoff für Kontroversen. Manche Künstlerinnen weigern sich, Live-Aktionen zu filmen, weil diese durch Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit ausgezeichnet sind, was durch mediale Abbildung und Speicherung verloren gehe, ebenso wie das performative Element der Kunst, also das Auslösen unmittelbarer Betroffenheit. Künstlerinnen wollen in ihren Werken nicht mehr bloß erzählen, sie wollen – als ob sie sich vom magischen Zauber der Wandlungsworte von Priestern fangen ließen – in der Aktion diese Betroffenheit selbst erleben, zeigen und rezipierbar machen. Wer bisher eine Gewalttat in traditionellen Kunstformen darstellte, war als Künstlerin, geschweige denn als Rezipientin, davon nicht direkt betroffen. Eine Künstlerin, die sich im Rahmen einer Performance in den Arm schießen lässt, ist hingegen – ebenso wie die an der Aktion teilnehmende Rezipientin – höchst betroffen von dem, was sie performativ darstellt. Wie von einer neuen Variation der Expression kann man von einer Aktualisierung der aristotelischen Katharsis sprechen. Dieser performative Aspekt der Kunst spielt eine große Rolle in der Medienkunst, wo sich ein Spiel über mehrere Reflexionsebenen nahelegt. Das Anliegen der Verbindung von Kunst und Leben (das ja bereits für die Avantgardeströmungen am Beginn des Jahrhunderts leitend war) verfolgten – neben einer dynamischen Form ihrer Kunst – Künstlerinnen, die unter dem Begriff Fluxus-Kunst subsumiert wurden. Es ging um Aktionen von Dick Higgins, Al Hansen, George Maciunas, Yoko Ono, John Cage, Robert Filliou, dem Stockhausen-Schüler Nam June Paik und anderen. Der aus Litauen stammende Künstler, Architekt und Musikwissenschaftler George Maciunas hatte den Ausdruck Fluxus-Kunst (lat. fluere/fließen) 1960 für eine Anthologie der Künstlerinnen gewählt. In die Reihe der Fluxus-Bewegung im weitesten Sinn zählt man auch Positionen von Joseph Beuys und Christoph Schlingensief. Die Bewegung stand der Konzeptkunst insofern nahe, als es

Happening

5.2.7.

Fluxus-Kunst

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Fricke Christiane in Walther 1998, 585

Goldberg 2014, 123 Cage, zit. nach Ebd.

Jackson 1998, 79f

Paik, zit. nach Fricke Christiane in Walther 1998, 588

ihr vor allem um die Idee des Kunstwerks ging. »Fluxus ließ sich auf keinen Begriff bringen: nicht Malerei oder Skulptur, nicht Theater, Literatur, Film oder Musik, wenngleich es im Umfeld der musikalischen Avantgardeszene geboren wurde und ohne Cage nicht denkbar wäre. […] Es war die erste intermediale, gattungsübergreifende bzw. -verschmelzende Kunstform nach Dada.« Der Name von John Cage stand für die in dieser Zeit anhebende, dem Ready-Made in der bildenden Kunst vergleichbare Revolution in der Musik. Cage war fasziniert von den Alltagsgeräuschen und verhalf ihnen zu ihrem Recht. 1943 kam es im Museum of Modern Art in New York zu einem Konzert, wo »mit Kieferknochen geklappert, auf Kuhglocken geschlagen und mit chinesischen Suppenschälchen geklimpert […]« wurde. Cage selbst wies auf die Verbindung zu Duchamp hin: »[…] ein Weg, Musik zu schreiben: sich mit Duchamp befassen.« Zum Ready-Made-Vorbild mischte sich Verehrung des Zen-Buddhismus und östlicher Philosophien. 1952 wurde Cages Stück in drei Sätzen 4’33, das ohne einen einzigen Ton auskommt, von einem Pianisten in Woodstock uraufgeführt. In diese Stille – oder sollte man besser sagen: in das Nichts (der östlichen Philosophie) – sollten sich die Umweltgeräusche des Alltags einschreiben. Bei der Uraufführung zog ein kurzer, aber heftiger Gewittersturm über das Auditorium, dessen Ablauf sich, fast wie geplant, in den Ablauf des Stückes einfügte. Cage hat angeblich vier Jahre an diesem Stück gearbeitet und darüber nachgedacht. Wie er in einem Interview meinte, bilden die umgebenden Geräusche eine spannendere Musik als jedes übliche Konzert in einem Konzertsaal. Robert Rauschenberg schuf das Analogon in der bildenden Kunst: völlig weiße Leinwände, auf denen sich Schatten, Spiegelungen, Staub der Umwelt zeigen. Bill Viola wiederum dehnte in seinen Video-Installationen kurze Handlungen mit Zeitlupe und Endlosschleife bis zum Beinahe-Stillstand in die Länge. Im September 1962 fanden in Wiesbaden die Fluxus Internationale Festspiele Neuester Musik statt, die für Aufregung sorgten. Eine Oper von Emmett Williams erschöpfte sich in einem 45-minütigen Klopfen auf eine Pfanne. La Monte Young steuerte eine Komposition bei, die aus einem einzigen Ton bestand. Philip Corners Stück Piano Activities bestand aus den Klangereignissen, die sich aus der Zerstörung eines Klaviers ergaben, dessen Teile dann versteigert wurden. Fluxus berührte mit solchen Aktionen eng die Dada-Experimente und es ging wie damals um die provokante Verhöhnung der bürgerlichen Wert- und Weltordnung: »… unser altes kulturmöbel klavier als vehikel für ein ziemlich totales spektakel.« Damit darf Fluxus als adäquate Kunstform der Sechzigerjahre angesprochen werden. Auch wenn diese inszenierte Exzentrik auf eine enge Gruppe beschränkt blieb, sind die institutionenkritischen und gesellschaftsverändernden Impulse nicht zu unterschätzen. Trotzdem blieb den Fluxus-Kunstwerken wie den Ready-Mades nicht erspart, bald von der bürgerlichsten Kunstinstitution, die sich denken lässt, dem Museum, geadelt worden zu sein. Damit war gleichsam besiegelt, was Joseph Beuys mit seinem erweiterten Kunstbegriff meinte und jeden Menschen zum Künstler erklärte. Wie das bereits seit Bauhaus-Zeiten der Fall war, gewinnt die Performance ihren Reiz auch davon her, dass Künstlerinnen der verschiedensten Genres in dieser Form



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arbeiteten und sich der verschiedensten Themen annahmen, Maler wie Rauschenberg, Oldenburg oder Yves Klein, Bildhauer wie Robert Morris, Medienkünstler wie Nam June Paik, Fotografen wie Olivo Barbieri, Musiker wie John Cage, Leute aus dem experimentellen Theater wie Robert Whitman, Tänzerinnen wie Trisha Brown. »Deren gemeinsamer Nenner war die gleichberechtigte Verwendung von Klang, Objekt, Bewegung und Sprache, was die traditionellen Grenzen zwischen den Künsten radikal in Frage stellte.« Besonders zur Tanzszene gab es enge Berührungen. Merce Cunningham kreierte  neue Tanzformen durch natürliche Bewegungen, gepaart mit Zufallsmomenten. Die Szene etablierte sich neben New York vor allem in San Francisco. 1955 entstand dort die Dancer’s Workshop Company, eine interdisziplinäre Veranstaltung mit Musikern, bildenden Künstlern und Architekten. Im traditionellen Begriffsrepertoire könnte man vom Zurückdrängen jeder Regel zugunsten von Spontaneität und Improvisation sprechen, bis hin zur Selbstreferentialität der Kunst: »Freie Assoziationen waren ein zentraler Bestandteil der Arbeit: Birds of America or Gardens Without Walls zeigte ›nicht darstellerische Aspekte von Tanz und Bewegungen, die sich frei von Musik oder interpretativen Gedanken‹ gemäß ihrer eigenen Prinzipien entwickelten. […] Five-Legged Stool (1962), Esposizione (1963) und Parades and Changes (1964) entwickelten sich um aufgabenorientierte Bewegungen, wie etwa vierzig Weinflaschen auf die Bühne zu tragen, Wasser aus einer Kanne in die andere zu gießen, Kleider zu wechseln.« Schon durch die Nähe zu Dada war klar, dass der Humor in der PerformanceSzene eine erhebliche Rolle spielte. Gilbert & George »erfanden« mit viel Witz die Skulptur neu. Mit ihren Parodien reizen sie »zum Lachen und dienen einer Gesellschaft, die im Allgemeinen darauf erpicht ist, ihre unangenehmeren und schmutzigeren Aspekte zurückzuhalten oder zu verbergen, als Abführmittel.« Was humorvoll und ironisch daherkam, hatte indes auch einen dem Achtundsechziger-Geist entsprechenden Ernst. Es war schlicht eine Verweigerung des Schöpferischen, weil, wie die posthistorische Version lautete, der Kunst nichts mehr hinzugefügt werden könne. Sich selbst und ihr Leben zu einer Skulptur zu erklären, ist daher die logische Folge dieser Haltung. David Hockney bezeichnete das Künstlerpaar als »wunderbare Surrealisten«. Künstler quittierten bewusst den Ernst von Kollegen mit Ironie statt mit reflektierter Kunstkritik. Der Humor, zunächst Teil der Kunst, gewann bisweilen ein Eigenleben, sodass bei Teilen der Performancekunst zu konstatieren ist, dass sie genau in jenem Medium, mit dem sie die traditionelle Kunst kritisierte, wieder zur Unterhaltung wurde. »Um 1979 entwickelte sich die Performance so umfassend Richtung Popkultur […] mit anderen Worten war der, gegen das Establishment gerichtete, Idealismus der Sechziger und Siebziger kategorisch ausgemustert worden. Eine völlig andere Stimmung von Pragmatismus, Unternehmergeist und Professionalität, die der Geschichte der Avantgarde völlig fremd war, begann sich abzuzeichnen.« Die Achtzigerjahre brachten eine Kommerzialisierung der Kunstform, die sich der Pop- und Medienkultur bediente und die postmoderne Losung vom Schleifen

Sanio 2016, 91

neue Tanzformen

Goldberg 2014, 140 Humor

O’Reilly 2012, 27

Hockney, zit. nach Goldberg 2014, 167

Goldberg 2014, 188

340

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

der Schranken zwischen Kunst und Leben, Hoch- und Trivialkultur nur allzu gerne bediente. Es gab eine Unschärfe zwischen Performern und Kabarettisten. Schließlich ging die Form der Performance ins Theater, besonders das Tanztheater über. Namhafte Regisseure wie Achim Freyer (Satyagraha; 1982; Akhnaten; 1984; beide von Philip Glass) oder Sängerinnen wie Jessye Norman (Great Day in the Morning; 1982) wirkten bei solchen Projekten mit.

5.2.6.4. Gegen den Körper – mit dem Körper: Body Art

I.2.0./I.3.1.

VIII.7.3. X.1.2.1./X.2.6.1.

O’Reilly 2012, 17

Wenn sich namentlich bildende Künstlerinnen für den Körper interessieren und ihn in die Performance zentral einbeziehen, setzen sie auf ein Thema, das die Kunst vom Beginn an begleitete. Die ersten Figursteine bezogen sich ebenso auf den Körper wie die eiszeitlichen Venusfiguren. Möglicherweise waren beide Figurengruppen nicht nur Abbildungen, sondern wurden performativ-magisch für Rituale eingesetzt. Ebenso zentral war der Körper beim Prozessieren und – in genau umgekehrter Pointierung – bei der Anagogie-Erfahrung in byzantinischen Kirchen und beim Betrachten der (körperlosen) Ikone, wo es gerade darum ging, den Körper zu überwinden. Der Körper diente der performativen Verstärkung des Rituals, er diente aber auch als Medium des Protests gegen Abstraktion und Vergeistigung. Der Körpereinsatz bei den Performances des Kynikers Diogenes von Sinope gegen Platons Ideenlehre unterscheidet sich in dieser Hinsicht kaum vom Einsatz der verwahrlosten Körper frühchristlicher Mönche gegen die Abstraktionen des Gottesbildes in Theologie und Kunst. Das gilt auch für die Mystikerinnen der Neuzeit, die ihre Einswerdung (Henosis) mit Christus mit heftigem Körpereinsatz grundierten. Friedrich Schlegel richtete seinen erotischen Roman Lucinde gegen die Systemphilosophie Hegels und die Wissenschaftslehre Fichtes. Schließlich ließe sich die Architektur als Spielfeld der Körperkunst verstehen, denn in wohl keinem Kunstgenre ist der Körper so unmittelbar angesprochen wie beim Rezipieren eines Gebäudes. Trotz dieser langen Vorgeschichte stellte das Verhältnis zum Körper in der Kunst des 20. Jh.s durchaus eine umstürzende Veränderung sowohl auf Seiten der Künstlerin als auch der Betrachterin dar: »Diese Entwicklung ging hauptsächlich von Passivität hin zu aktiver Teilnahme, sodass der Körper nicht mehr länger ein statisches, optisches Phänomen ist, sondern die Verkörperung dynamischer menschlicher Beziehungen und darüber hinaus sogar ein Mittel für Veränderung und Einfluss des Kunstwerks selbst.« Wird der Körper zu einem wesentlichen Thema der Kunst, spricht man von Body Art. Sally O’Reilly hebt aus ihrem besonderen Interesse an der zeitgenössischen Body Art die Veränderung gegenüber der Tradition der Kunst pointiert hervor. Die kurz erwähnten Beispiele aus der gesamten Geschichte der Kunst zeigen indes, dass der Körper keineswegs nur ein statisches und optisches Phänomen war. Wahr ist allerdings auch, dass dieser Körpereinsatz häufig außerhalb des engen Genres der Kunst, vorwiegend in der Religion, spielte. Die Body Art des 20. Jh.s lebt aus exakt dieser Spannweite, die die Tradition vorgibt. Während Yves Klein in seinen blauen Bildern den Körper zugunsten des Geistes geradezu aufheben wollte, wird bei Nitschs Mysterienspiel der Körper wie bei den



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antiken Mysterien als bodenständige Botschaft gegen die Abstraktion in Medialität und Digitalisierung eingesetzt. Künstlerinnen, die sich Schmerzen und Verletzungen zufügen, beschwören damit nicht nur kathartische Wirkungen, sondern stellen eine Ästhetik der Aisthesis, der körperlichen Wahrnehmung, gegen eine – aus ihrer Sicht – verbreitete Anästhetisierung. Wollte man Ordnung in diese Ambivalenz bringen, müsste eine genauere Definition der Körperkunst beispielsweise klären, ob die Haut die Grenze des Körpers zur Außenwelt bildet oder ob auch der psychische Bereich eine Rolle spielt. Die gerade angesprochene Anästhetisierung kann als Resultat des Zivilisationsprozesses angesehen werden, wie das Norbert Elias eindrucksvoll geschildert hat (Über den Prozeß der Zivilisation; 1939). Elias steht in der Kulturwissenschaft für die Überwindung einer statischen zugunsten einer prozessualen Sicht auf soziale Prozesse. Dass Elias’ Ansatz angesichts der Vorwürfe einer allzu teleologischen und positivistischen Schlagseite zunehmend nachjustiert wird, braucht uns hier weniger zu interessieren als der Blick auf die inhaltlichen Veränderungen, die im Prozess der Zivilisation auftraten: sukzessives Absinken der Gewaltbereitschaft (namentlich gegenüber Mitgliedern der eigenen Gesellschaft) bei der Konfliktbewältigung, zunehmende Kontrolle und Tabuisierung der Sexualität, Entwicklung feinerer kultureller Techniken beim Essen und Trinken, Tabuisierung und Abschottung von allem, was mit Ausscheidung zu tun hat. Wie alle sozialen Prozesse ist auch der Zivilisierungsprozess zwar gerichtet, aber nicht geplant und auch nicht unumkehrbar. Es gibt »Entzivilisierungsschübe«. Als einen solchen wollte Elias später den Nationalsozialismus verstanden wissen (Studien über die Deutschen. Machtkämpfe und Habitusentwicklung im 19. und 20. Jahrhundert). Damit sind die Themen für die Body Art eigentlich gesetzt. Es ging einerseits darum, das Spannungsfeld von Körper und Geist in allen Facetten auszuloten – und dies nicht in einer distanzierten Erzählung, sondern performativ –, andererseits darum, den »Verlust des Körpers« im Zivilisationsprozess zu konterkarieren. Bereits Jackson Pollocks Malaktionen können klar als Performance und Body Art durchgehen. Dabei zählen seine auf diese Weise entstandenen Bilder zum Abstrakten Expressionismus, also zu einer Strömung, die mit dem Habitus von Mystik und Kontemplation ausgezeichnet ist. Auch Yves Kleins Aktionen fungierten unter der Generalüberschrift Informel. Er verband geistige, fast schon konzeptuelle Kunst mit kräftigem Körpereinsatz, indem er versuchte, »ein Gefäß für einen ›spirituellen‹ Bildraum zu finden, was ihn zu seinen Live-Aktionen führte.« In einer solchen Aktion 1960 warfen und rollten sich mit blauer Farbe beschmierte nackte Frauen auf weißer Leinwand, während Musiker Kleins einziges musikalisches Werk, die Symphonie Monoton-Silence, spielten. Sie bestand aus einer einzigen Note, die zwanzig Minuten lang gehalten wurde, worauf weitere zwanzig Minuten Stille folgten. Bereits 1958 hatte er in eine leere, an den Außenseiten blau gestrichene Galerie eingeladen (Galerie Clert, bekannt als Le Vide/Die Leere), um Stille und

639 Yves Klein, ANT 109 (o.J.)

Yves Klein

5.1.1.

Goldberg 2014, 144

342

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ebd.

X.3.5.3.

Bocola 1994, 497 Klein, zit. nach Ebd.

breite Palette von Themen

Leere zu präsentieren. Nach Klein war die Galerie mit blauer Sensibilität gefüllt: »Während das physische Blau an der Tür, draußen auf der Straße, verblieben wäre, sei ›das wahre Blau innen‹.« Diese konzeptuelle Aktion war so erfolgreich, dass es wegen des Andrangs von 3000 Besucherinnen (unter ihnen Albert Camus) zu tumultartigen Szenen kam. Schließlich verkaufte Klein die von ihm beseelten immateriellen Zustände gegen Blattgold, das er in der Seine versenkte. Diese Aktion war nicht nur eine Ironisierung des Kunstmarkts, sondern eine völlige Aufhebung des Werkaspekts. Yves Klein machte das patentierte Farbpigment seines Ultramarin mit maximaler Leuchtkraft, das ihn an den Himmel über Nizza erinnerte, zu einem Branding. Das I.K.B. (International Klein Blue) soll gleichsam jede Stofflichkeit aufheben. Es war zugleich aber auch Teil seiner gekonnten Selbstinszenierung. »Klein geht es nicht um die Syntax einer künstlerischen Sprache, sondern um die Exhibition seiner eigenen Großartigkeit und Autonomie.« Klein, der auch über die Kunst des Judo ein Buch geschrieben hat, erlebte diese Selbstversicherung offenbar intensiv: »Hier bin ich: ich selber! Indem ich monochrom male, bin ich zum ersten Mal glücklich.« Caeruleo pingo, ergo sum (ich male blau, also bin ich), könnte man dazu anmerken. Um die Jahrtausendwende reagierte die Aktionskunst, bei der sich Unterscheidung in Informel, Concept Art, Minimal Art und Performance auflöste, auf eine breite Palette von Themen. Dabei wurde auch die alte subversive Ambition des Körpereinsatzes reaktiviert. Es ging um die Situation von Randgruppen, um Probleme bei der medizinischen Versorgung, die vor allem in den Achtzigerjahren aufbrechende Aids-Katastrophe. Vor den Eingängen von Pharmaunternehmen wurden die-ins veranstaltet. Der HIV-positive farbige Iran-stämmige Künstler Reza Abdoh engagierte sich mit mehreren Performances (Quotations from a Ruined City; 1994) in dieser Frage ebenso engagiert wie Felix Gonzalez-Torres (Untitled; 1991). Gewagte Projekte im Spannungsfeld von Konzept-, Performance- und Körperkunst sowie politisch-sozialer Kritik realisierte der Spanier Santiago Sierra. Um sein Thema Arbeitslosigkeit und Ausbeutung drastisch Aufmerksamkeit zu gewinnen, bezahlte er vier drogenabhängigen Prostituierten einen Schuss Heroin dafür, dass sie sich eine Linie tätowieren ließen (160 cm Line Tattooed on 4 People; 2000). Es ging um die Vermarktung von Pornographie und Sex, vor allem im Zusammenhang mit dem Feminismus. Aber auch die Politik war ein wichtiges Thema. Vor allem in den osteuropäischen Ländern hatten nach dem Krieg einerseits unter den kommunistischen Regimen, andererseits nach der Wende bei den ersten Versuchen an Demokratie und deren Rückdrehung durch rechte und nationalistische Regierungen politische Themen eine hohe Relevanz. 1979 führte Sanja Ivekovic in Zagreb eine 18minütige Performance durch (Triangle). Während die Wagenkolonne mit dem jugoslawischen Präsidenten Josip Broz Tito am Balkon ihrer Wohnung vorbeifuhr, saß Ivekovic mit einem T-Shirt bekleidet, auf dem das Wort Amerika stand, auf ihrem Balkon. Sie las, an amerikanischem Whiskey nippend und Gesten einer Masturbation andeutend, in einem Buch des britischen Soziologen Tom B. Bottomore. Dabei wurde sie von einem Scharfschützen auf dem Dach des gegenüberliegenden



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Gebäudes beobachtet, der das Geschehen einem Polizisten auf der Straße meldete, der schließlich an ihrer Wohnung läutete und sie vom Balkon vertrieb. 1997 säuberte die in Belgrad geborene Marina Abramović bei der 47. Biennale von Venedig vier Tage lang unter dem Absingen von jugoslawischen Volks- und Totenliedern einen Haufen blutiger Rinderknochen, um auf die ethnischen Säuberungen in den Balkankriegen aufmerksam zu machen (Balkan Baroque). Das Thema Feminismus handelte man in allen seinen Facetten ab, gerne über die Androgynität, um mit dem Tausch der Geschlechterrollen spielen zu können. Gleichsam als Propädeutik des Themas weiblicher Körper kann die legendär gewordene Aktion von Valie Export (Tapp- und Tastkino; 1968) an verschiedenen Orten in München angesehen werden. Sie forderte Passanten auf, ihre Brüste durch eine vor dem Körper befestigte, mit einem Vorhang verdeckte Schachtel zu berühren. Im Mittelpunkt solcher Arbeiten steht üblicherweise die Unterscheidung zwischen Geschlecht (Sex) und Gender, also zwischen dem biologischen Unterscheidungsmerkmal und dem sozialen und kulturellen. Diverse philosophische Theorien, prominent formuliert von Judith Butler, die sich in der Tradition von Simon de Beauvoir verstand, beendeten die alte Geschlechterdifferenz und unterstrichen die kulturelle und gesellschaftliche Konstruktion von Gender. Dementsprechend eignet sich der Körper dazu, die Geschlechterschranken zu relativieren. Ähnliches gilt für Rassenschranken. Die Performance von Carolee Schneemann, Interior Scroll (1975), bei der sie eine Textrolle aus ihrer Vagina zog und den Text vorlas, sollte der Umcodierung eines »phallischen Symbolismus« in einen vulvic space dienen. Viele dieser Performances trieben die Erotik des weiblichen Körpers auf die Spitze, um die scheinbare objektive Rationalität der Geschäftswelt, von der inzwischen auch der Kunstbetrieb ein Teil geworden war, zu unterminieren. Es wurde hier zunächst der reale Körper ganz allgemein thematisiert, darüber hinaus aber spezifisch der weibliche Körper. Auch eine ökologische Perspektive wurde einbezogen und die Entfremdung von Natur und Körper aufgezeigt. Dabei erschien der weibliche Körper als Abdruck in der Erde (Ana Mendieta: Serie Siluetta), nur eine von mehreren Konnotationen der archaischen Verbindung von Erde und Frau. Damit wurde der Bogen gespannt von Yves Kleins konzeptuellen und spirituellen Aktionen und informellen blauen Farbtafeln hin zu einem exzessiven Einsatz des Körpers. Ein besonderes Kapitel zu diesem Thema war der Wiener Aktionismus. In den Sechzigerjahren veranstalteten Otto Muehl, Hermann Nitsch und Adolf Frohner aktionistische Happenings als, wie man das nannte, Feste eines »psycho-physischen Naturalismus«. Es waren rauschhafte und hemmungslose Aktionen, obszön, provokant und gepaart mit exzessiver Sexualität. Bei Günter Brus und Rudolf Schwarzkogler trat bei den Performances die Verletzung des Körpers in den Vordergrund. Eine Reihe von Aktionen von Körperbemalung und Selbstverstümmelung bis zu jener berüchtigten, die im Revolutionsjahr 1968 an der Wiener Universität stattfand: Kunst und Revolution. Sie ging wegen eines öffentlichen Wetturinierens als »Uniferkelei« in die Annalen ein. Manche Aktionen hatten ein gerichtliches Nachspiel und

Wiener ­Aktionismus

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

640 Muehl-Happening 1967; Wien

Hermann Nitsch

Schneckenburger Manfred in Walther 1998, 556 Kot, Schmutz und Abfall

wurden teilweise durch das Einschreiten der Polizei verhindert. Brus, Muehl und der ebenfalls beteiligte Oswald Wiener erhielten Haftstrafen. Im Jahr 1970 gründete Otto Muehl eine Kommune in Wien, in der alternative Lebensformen pra­ ktiziert wurden. Sie war auch ein Betätigungsfeld Muehls als Psychoanalytiker, der mit Anleitungen zu therapeutischer Körperarbeit aufwartete. Die Kommune wuchs stark und übersiedelte ins Burgenland. In vielen europäischen Städten entstanden ab Mitte der Siebzigerjahre ähnliche Einrichtungen. Der Psychoanalytiker und Sexualforscher Wilhelm Reich, einer der geistigen Anreger Muehls, bezeichnete die Familie als Brutstätte aller Geisteskrankheiten. Ende der Achtzigerjahre löste sich die Kommune nicht zuletzt wegen des autoritären Auftretens Muehls auf. Gegen ihn selbst wurde Strafanzeige wegen Kindesmissbrauchs eingebracht. 1991 wurde er zu sieben Jahren Haft verurteilt. Auf einen anderen Aspekt, auch einen aus der langen Tradition, griff Hermann Nitsch bei den Performances zurück, nämlich auf Mysterienkulte und dionysische Kulte. Er machte auf die Nähe dieser Rituale zum Christentum aufmerksam. Bis in die Gegenwart veranstaltet Hermann Nitsch das mehrere Tage dauernde Orgien-Mysterien-Theater auf dem Gelände seines Schlosses Prinzendorf in Niederösterreich. Diese Happenings, die ihm anfangs einige Haftstrafen einbrachten, sind inzwischen Klassiker in der einschlägigen Szene. Sie verstehen sich als Projekte gegen die Abstraktion der Kultur, aber auch gegen die Machtanmaßung staatlicher und kirchlicher Institutionen. Das Schlachten und Ausweiden von Tieren, das Schütten von Innereien und Blut über Menschen evoziert die Frage nach Aggression und ist Erinnerungsarbeit an den alten blutigen Opferkulten, beklagt aber auch schlicht den kulturellen Verlust des Bezugs des modernen Menschen zur Sicherung seiner Lebensgrundlagen. Bei Nitsch verschwimmen die Grenzen von Performance und Action-Painting, namentlich bei seinen teilweise mit großem Körpereinsatz entstehenden Schüttbildern und Collagen, in die er zum Zeichen eines liturgischen Anspruchs auch Priesterornate mischt. Diese mit einem weit entlegenen Erbe der Kulturgeschichte korrespondierenden Aktionen sind stark existenzialistisch und psychologisch aufgeladen. Kein Symbol kann Körperlichkeit derart nachhaltig demonstrieren wie die Körperflüssigkeiten und -ausscheidungen. Sie zeugen von der Lebendigkeit eines Körpers. 1961 verpackte Piero Manzoni seine berüchtigten neunzig Dosen Merda d’artista (Künstlerscheiße) »made in Italy« und verkaufte sie – bald waren sie begehrte Sammlerstücke. Es war in der Tat »die deftigste Entmystifizierung des romantischen Künstlergenies.« Das Hantieren mit Kot, Schmutz und Abfall hat nicht nur mit Körperausscheidungen zu tun – der Stuhl sozusagen als Spiegel der Kultur (weshalb Archäologen zur Rekonstruktion der Lebensweise alter Kulturen besonders gerne Abfallhäufen und Latrinen detailliert untersuchen) –, sondern auch mit



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dem Thema Sauberkeit und Hygiene, das als gesellschaftliche Konstruktion angesehen wurde. Es ist die Fortsetzung des Hygiene-Themas des 19. Jh.s, das jetzt gegenläufig gelesen wurde. Ging es im 19. Jh. noch darum, eine übercodierte Welt zu entrümpeln, Ornamentik zu kriminalisieren und Bakterienherde zu sterilisieren, entpuppte sich im 20. Jh. Reinheit als zutiefst ideologisches Konzept. Man musste mitansehen, wie das Konzept der Reinheit auf Volkskörper und Religion übertragen wurde, indem man das Andere und Fremde als Schmutz, aussätzig und parasitär denunzierte. Nicht mehr der Schmutz wurde jetzt eliminiert, sondern angesichts der repressiven Hygiene und der politischen Denunziation des Anderen sowie einer gläsernen Welt reizte der Schmutz als vermeintlich letztes Refugium der Freiheit und Unberührtheit.

VIII.2.2.2.

5.2.6.5. Soziale Plastik und die Heteronomie der Kunst Joseph Beuys wird mit seinem Werk gerne als Solitär in der Kunstlandschaft angesehen. Das hat jedoch eher mit seinem Gestus der Vermarktung zu tun als mit seinem Anliegen. Anregungen erhielt Beuys aus der Fluxus-Kunst und vereinigte in seinem Aktionismus und der Objektkunst sowohl kunsthistorische In-Frage-Stellungen als auch politische Anliegen, das Ganze verkleidet in den Gestus des Schamanen, der durch seine Aktionen performativ Welt verändert. Beuys Performances waren in der Regel komplex und mit viel Symbolik aufgeladen. Am 20. Juli 1964 fand im Audimax in Aachen ein Festival der neuen Kunst statt. Bazon Brock eröffnete die Veranstaltung mit einer Rede über Hegel und Marx, die er im Kopfstand hielt (vielleicht das Bonmot des Vom-Kopf-auf-die-Füße-Stellen paraphrasierend), dann führte Beuys ein amorphes Klavierstück auf, indem er das Klavier mit Bonbons, Majoran, Eichenblättern, einer Ansichtskarte des Aachener Doms und Waschpulver füllte, sodass es gerade noch spielbar blieb. Er wollte damit »das heilsame Chaos veranschaulichen, die heilsame Amorphisierung in eine gewußte Richtung, die bewußt eine erkaltete, erstarrte Vergangenheitsform, gesellschaftliche Konvention durch Auflösung erwärmt und zukünftige Gestalt erst möglich macht.« Während Beuys Fettblöcke zum Schmelzen brachte, drang aus einem Lautsprecher eine Rede Goebbels. Die Aktion endete vorzeitig in einem Tumult, bei dem Beuys durch einen Faustschlag eines Studenten, den er versehentlich mit Salzsäure bespritzt hatte, aus der Nase zu bluten begann, welcher Vorfall den Künstler buchstäblich schlagartig berühmt machte und seinen weiteren Aktionen größte Aufmerksamkeit sicherte. Manche Auftritte erinnern an Aktionen des Kynikers Diogenes, etwa als er 1965 mit honigverschmiertem Gesicht, auf dem Goldblättchen klebten, in einer Düsseldorfer Galerie einem toten Hasen seine dort aufgehängten Bilder erklärte (Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt). Die Assoziationen und Deutungen solcher für jede Museums-Kunstvermittlerin albtraumhaften Aktionen sind vielfältig. Einen gemeinsamen Grund finden sie jedenfalls in der Auflösung des traditionellen Kunstund Institutionenbegriffs in allen denkbaren Facetten: von der Rezeptionsarbeit über die Material- und Formfrage bis zur Spannung von Sinnlichem und Geistigem.

Joseph Beuys

Beuys, zit. nach Bocola 1994, 505

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Arte Povera

Daval Jean-Luc in SK IV, 278

VIII.10.1.

VI.8.1.f.

Lucie-Smith 2014, 173

Berühmt wurde seine Performance 1974 in New York Coyote: I like America and America Likes Me, in deren Rahmen er mehrere Tage lang (21. bis 25. Mai) mit einem wilden Coyoten, einem für die Ureinwohner Amerikas heiligen Tier, im Raum einer Galerie zusammenlebte. Auch hier lassen sich viele Assoziationen anknüpfen: Ausgleich zwischen dem Wilden und Menschlich-Zivilisierten (in der Tat gelang es Beuys, Vertrauen zu dem Tier herzustellen und dessen anfängliche Aggressivität abzubauen), Verweis auf das Verhältnis von Kultur und Natur, besonders zwischen dem naturverbundenen Leben der Ureinwohner und dem Zwang der Technisierung, bis hin zum Verhältnis von Ideologie und Wahrheit im Vorurteil über Tiere und Ureinwohner. An die Stelle der Naturnachahmung trat die kritische Absetzung von der Entfremdung der Zivilisation. Die Objekte von Beuys fallen aus jedem Rahmen und lassen sich selbst mit Kategorien des Ready-Made nicht mehr einholen. Die einfachen und organischen Materialien, mit denen auch andere wie Louise Bourgeois, Ann Hamilton oder Rebecca Horn arbeiten, stellen Bezüge zur Arte Povera (ital. arme Kunst) her. Diesen Begriff prägte im Jahr 1967 der italienische Kunstkritiker Germano Celant nach einem Ausstellungstitel in Genua für die Kunst von Jannis Kounellis, Mario Merz, Luciano Fabro. Er entlehnte ihn der Theatertheorie. Celant wurde zum engagiertesten Verteidiger dieser Kunst, bei der es nie eine feste Gruppe gab. Die Arte Povera positionierte sich zwischen den Eskapaden der Pop Art und dem radikalen Reduktionismus der Minimal Art, dem sie nahe stand. »Arm« (und häufig auch vergänglich) waren die Materialien, aus denen die Kunstwerke gemacht wurden: Erde, Glasscherben, Holz, Zeitungspapier, Watte, Feuer, Rauch, Reisig, gebrauchte Gegenstände, Abfall und Gegenstände aus der Natur. Arm bedeutete auch das Fehlen jeder Materialhierarchie und die Ferne von jedem Konsuminteresse. Es ging wie bei der Land Art und großen Teilen der Aktionskünste um eine Kritik der Fortschritts- und Wohlstandsgesellschaft. Die Arte Povera »fordert zu einer neuen politischen und ästhetischen Einstellung gegenüber Müll und Abfall auf und beantwortet die schillernden Bilder der Utopie mit konkreten Experimenten am Realen.« Der in Griechenland geborene und seit 1956 in Italien lebende Jannis Kounellis inszenierte 1973 eine Apollo-Aktion. Gipsabdrücke von Teilen einer Apollo-Statue lagen auf einem Tisch, auf denen ein ausgestopfter Rabe saß, ein Flötist spielte Mozart und Kounellis selbst stand mit einer Maske vor dem Tisch. Es ist schwer, hier nicht an Nietzsches Spiel von Dionysischem und Apollinischem zu denken. An anderer Stelle band er in einer mit Senza Titolo bezeichneten Arbeit 1969 zwölf Pferde an die Wände einer römischen Galerie und evozierte unwillkürlich die Malereien des Giulio Romano im Palazzo del Te in Mantua. »Die Arte Povera kann weniger als eine in sich geschlossene ›Kunstströmung‹ angesehen werden, die ähnlich funktionierte wie andere Kunstströmungen derselben Zeit (die späten 1960er und frühen 1970er Jahre), sondern vielmehr als der Beginn des Versuchs, das Wesen der Kunst und ihre Beziehung zum Publikum zu ändern.« Man mag zwischen der typischen Arte Povera und Beuys einen Unterschied in der Behandlung des Materials sehen. Für Beuys war das Material nicht ein Stoff, den der Künstler gestaltete, vielmehr sprach das Mate-



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rial aus sich selbst. Kannte die Architektur seit langem den »Baustoff« Licht, erweiterte Beuys die Material-Palette der Kunst mit vergänglichen und abstrakten Materialien: Energie, Wärme und Kälte, auch das Spiel von kristallin und amorph, was in anderer Form in der biomorphen Kunst und Architektur eine wichtige Rolle spielte. Die Erweiterung des Kunstbegriffs nannte Beuys eine »soziale Plastik«. Darunter verstand er die gestaltete Einheit von Kunst und Gesellschaft. Kunst hier keineswegs als elitäre Praxis einer Künstlerelite gedacht, sondern als Praxis des Lebens selbst; gleichsam die Praktiken des guten Lebens und guten Sterbens der hellenistischen Philosophenschulen zum Kunstwerk geadelt – erweitert auf eine sozialkritische Dimension. »Jeder Mensch ist ein Künstler, das Leben ein Kunstwerk.« Beuys’ »erweiterter Kunstbegriff« umfasste neben Aktionen und Objekten schließlich auch rein mentalistische Konzepte: »Mit meiner künstlerischen Sprache habe ich verschiedene Stadien durchlaufen: im ersten Stadium drückte ich mich mit Objekten aus, im zweiten Stadium durch Aktionen und im dritten Stadium des Gedankens und der Konzepte, in dem ich mich jetzt befinde, durch das Wort und durch das Grafische.« Zur »sozialen Plastik« gehörten mithin auch menschliche Gedanken, ja der Mensch selbst wurde zum »Material« der Kunst. Ihn gilt es zu formen. Diese Formung hatte bei Beuys selbst eine schrille politische Begleitmusik. Als Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie sprach er sich gegen jedes Aufnahmeverfahren von Studentinnen aus und nahm 142 abgewiesene Bewerberinnen in seine Klasse auf. Zusammen mit Studierenden besetzte er zwei Mal das Sekretariat der Akademie und wurde schließlich 1972 unter Protesten der Studierenden entlassen, worauf Beuys harsch reagierte: »Der Staat ist ein Untier, das bekämpft werden muß. Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, dieses Untier zu zerstören.« Bei Beuys blieb das eigentlich zu gestaltende Objekt der Mensch, weshalb mit ihm der Begriff des Schamanen verknüpft wurde, der »so schwer vom Künstler, Hochschullehrer, Wissenschaftstheoretiker oder Politiker zu trennen« war. Auf den Spuren von Beuys verwirrte auf der documenta 13 2012 der in Chicago geborene Theaster Gates das Publikum mit einem von Arbeitslosen instand gesetzten Haus, das man durchstreifen konnte, ohne dass klar wurde, war hier Kunst und was normale Realität war (12 Ballads for Huguenot House). Auch Gates arbeitet mit armen Materialien, verbindet Kunst mit dem Alltag und »spinnt Fäden zwischen dem Wandel der materiellen Welt, ihren sozialen Orten und unseren gegenwärtigen kulturellen Projektionen.« Seine Arbeiten kreisen um soziale Probleme im Kontext der Rassenfrage und um die afroamerikanische Kultur. Als Metapher für den amerikanischen Rassismus verwendet Gates gerne Feuerwehr-Accessoires, die auf die Straßenkämpfe in den Sechzigerjahren verweisen. Gerne kauft der Künstler leerstehende Häuser und verwandelt sie in soziale Orte, Abfallprodukte des Umbaus verkauft er als Kunstwerke und investiert das damit gewonnene Kapitel wieder in neue Hausprojekte. Gates errichtet damit einen perfekten Marketing- und Verkaufszyklus – auf der der glitzernden Konsumwelt entgegengesetzten Seite. Das Werk Theaster Gates setzt sich aus drei Komponenten zusammen: »[…] erstens der kontrolliert partizipatorische Prozess im konkreten urbanen Raum, zwei-

6.1.2. soziale Plastik

III.2.5.2. Bocola 1994, 512

Beuys, zit. nach Ebd., 512

Ebd., 514

Reißer/Wolf 2003, 188

Ventura 2016, 113

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ebd., 120

tens die Ästhetisierung dieses Prozesses und seiner Requisiten, und drittens die Vermarktung der daraus entstehenden Artefakte im Kunstbetrieb. […] Wir haben es also mit einer zirkulären Heteronomie zu tun, die meilenweit entfernt ist vom Begriff einer autonomen Kunst.« Beispiele solch sozialer Kunst sind in der Tat das extremste Gegenbeispiel der Selbstreferentialität von Kunst und weil die Avantgarde stets Wert auf den Bezug der Kunst zum Leben legte, tut man sich grundsätzlich schwer mit dem Paradigma der völligen Autonomie von Kunst. Aus der Perspektive anderer Erdteile erhält der Abfall der reichen ersten Welt nochmals eine eigene Konnotation. Der chinesische Künstler Chen Zhen arbeitete in den Neunzigerjahren in Paris mit dem Abfall der westlichen Welt, wozu er originellerweise auch die veraltete Information zählte.

5.2.7. Zwischen Videokamera und Spam Bots: Medienkunst

Grau 2001, 13

X.3.5.1.3./X.3.5.3.

Die zuletzt aufgeführten künstlerischen Positionen stellen nur ein grobes Raster der Einordnung dar. Denn es ist ein Kennzeichen der Nachkriegs- und zeitgenössischen Kunst, dass einzelne künstlerische Arbeiten verschieden klassifizierbar sind. Noch schwieriger ist es, Fotografie, Video und Medienkunst als eigenes Genre zu führen. Die documenta 6 (1977) setzte einen diesbezüglichen Schwerpunkt, wobei sie nicht nur die zeitgenössische Fotografie in den Mittelpunkt rückte, sondern gleich ihre ganze Geschichte mit betrachtete. Das Problem dabei ist, dass es sich bei Fotografie, Film, Video nicht um Kunstrichtungen handelt, sondern um künstlerische Techniken, mit deren Hilfe man Minimal Art, Concept Art, Pop Art, Performance- oder andere Kunstrichtungen umsetzen kann. Trotzdem sei hier ein eigenes Kapitel der speziellen Eigenart solcher Kunst gewidmet, weil selbstverständlich das Instrument auch die Umsetzung prägt. Dieses Kapitel steht zwischen dem in 4.7.5. versuchten Fazit über medienphilosophische Fragestellungen mit Blick auf die gegenwärtige Diskussion und dem in 6.2.3. zu unternehmenden knappen Hinweis auf die Gegenwartssituation, was unmittelbar hier anschließt. Die Aufmerksamkeit auf die spezifischen Instrumente der Medienkunst zu richten, scheint nicht zuletzt deshalb angebracht, weil die Sammlungspolitik der meisten Museen diese Entwicklung über weite Strecken verschlafen hat. In der Tat ist bei diesem Genre »mittlerweile eine Lücke entstanden, die nur mit großem Aufwand […] wieder zu schließen sein wird.« Spätestens im Oktober 2018 sollte endgültig klar sein, dass mit Algorithmen als Mitspieler im Kunstgeschehen zu rechnen ist. Im Auktionshaus Christie’s in New York wurde um sagenhafte 432 000 Dollar (ein Vielfaches des Schätzpreises von 10 000 Dollar) das erste von einem Algorithmus erzeugte Kunstwerk der bildenden Kunst (ein Porträt eines fiktiven Edmond Bellamy, eine Synthese aus 15 000 in den Computer gefütterten Porträts der europäischen Kunstgeschichte) versteigert. Das Bild, für das das französische Kunstkollektiv Obvious die Rechner bereitstellte, ist signiert mit der Formel des angewandten Algorithmus: »min G maxD Ex [log D (x))] + Ez[log (1-D(G(z)))]«. Diese Intervention mit einer so eigenwilligen Autorensignatur provoziert etliche systematische Fragen zur Kunst und zum Kunstwerk, auf die an entsprechender Stelle zurückzukommen sein wird.



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Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

Bleiben wir zunächst bei Entwicklung und Eigenart der Medienkunst. Medienkünstlerinnen arbeiten mit Fotoapparat, Video- und Filmkamera und – in den letzten Jahren – mit dem Computer im Kontext des Internets. Wie so viele andere künstlerische Innovationen erhielt die Videokunst entscheidende Impulse in den Sechzigerjahren. Seit damals gibt es tragbare Videokameras. 1965 oder 1968 (die Angaben differieren) verkaufte Sony die erste Videokamera (Portapak). Der deutsche Filmemacher Garry Schum, den wir als »Erfinder« des Begriffs Land Art kennenlernten, betrieb 1971 eine erste Video-Galerie in Düsseldorf. Für die Erstausstattung des Equipments hatte Schum den Gegenwert eines durchschnittlichen Einfamilienhauses hingelegt und musste seine Galerie gewinnbringend betreiben. Dies widersprach im Grunde einem Aspekt der Videokunst, nämlich aus der Logik des Kunstmarktes mit seinen handhabbaren Kunstwerken ausgestiegen zu sein. Nam June Paik sah in der Medienkunst die große Zukunft der Kunst: »Wie die Collage-Technik die Ölmalerei verdrängt hat, wird die Kathodenstrahlröhre die Leinwand ersetzen.« Er spielte damit nicht bloß auf die Möglichkeit der Dokumentation von Aktionskünsten an – Performances ließen sich in Endlosschleifen auf Monitoren »ins Museum stellen« –, sondern er nahm Videokunst durchaus als eigenständige Kunstform. Zum Unterschied vom Film, der aus einer Sequenz von Einzelbildern zusammengesetzt ist, besteht die Videotechnik aus abstrakter elektromagnetischer Information, die ständig anders gruppiert wird. Dass viele Videokünstlerinnen anfangs ihre Videos nach dem Vorbild des Films in einzelne Stills zerlegten und diese wie ein Bild zeigten, ist zunächst eine bewusst gewählte Option. Umgekehrt inszenieren Maler ihre Werke wie Filmstills. Zu den faszinierenden Möglichkeiten der Videokunst gehört, durch Aggregation einer größeren Zahl von Bildschirmen zu einem großformatigen Tableau mit dem Bildformat der Malerei zu spielen, es zu vervielfachen, zeitversetzte Reflexionsebenen einzuziehen oder gleich von einer neuen Art von Skulptur zu sprechen. Die Verbindung mit Projektoren erlaubt die Generierung von Bewegungsmustern und Lichteffekten. Schließlich ist die Computer-Kunst, wenn sie sich auf Internet-Plattformen erweitert, ein Ort interaktiver, partizipativer Effekte. Der Generierung neuer weltweiter Skulpturbegriffe ist damit keine Grenze gesetzt. In dieser sogenannten Netzkunst verschwimmen nicht mehr nur die Grenzen der Kunstgenres und jene von Produktion und Rezeption, sondern auch jene von Realität und Virtualität. Peter Weibel konstatierte 2006 in einem Buch, dessen Titel Die Postmediale Kondition Lyotards Epochenwerk in Erinnerung rief, die doppelte Praxis des Mediums: einmal als Kommunikationsinstrument und zum anderen als Ausdrucksmittel der Künste. Zentrale Schaltstelle dabei ist der Computer, dessen binärer Code der eigentliche Code aller Kunstformen sei. Diese Sicht mag gespeist sein von einem Entwicklungsdenken von den haptischen Künsten hin zu digitalen

Videokunst

Paik, zit. nach Fricke Christiane in Walther 1998, 592

641 Maurizio Bonato, denkmalen (1999); Eingangstor ThF

Netzkunst

350

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

6.2.3.

III.3.3.3./VI.4.3.

Tragatschnig 2014, 204 VI.4.2.1. virtueller Bildraum

Grau 2001, 212 6.2.3.

Smith 2011, 62

Hill 1990

dynamische Skulptur

Künsten in einer digitalisierten Welt. Eine solche Sicht wird indes in der aktuellen Diskussion unter dem Stichwort Postdigitalismus nicht mehr geteilt. Wollte man auch hier wieder – und im vorliegenden Werk geht das gar nicht anders – den Bezug zur Geschichte aktuell halten, darf man daran erinnern, dass es den medialen oder besser: virtuellen Blick schon lange gab. Die Trompe-l’œil-Malerei beispielsweise bei den Pompejanischen Stilen eröffnete in besonderer Weise jenen illusionären Raum, der durch die Perspektivenkonstruktion, die generell unter Mediengesichtspunkten gesehen werden kann, aufgespannt wurde. Besonders treffend scheint in diesem Zusammenhang der Hinweis auf die Mehrzahl der Fluchtpunkte in der barocken Deckenmalerei, die die Betrachterin in ständige Bewegung versetzen. »Steil nach oben blickend verliert der Betrachter vielmehr seinen Standort in der Welt, wird zu einem schwebenden Auge.« Die Worte erinnern an das Emblem Albertis, sein geflügeltes Auge. Der virtuelle Bildraum, den der Computer eröffnet, ist eine Weiterentwicklung mit neuen technischen Mitteln, aber keine völlige Neuerfindung in der Sache: »Der scheinbar geschichtslose Gedanke der Virtuellen Realität fußt vielmehr auf einer dezidiert kunsthistorischen Tradition, eine diskontinuierliche Suchbewegung nach illusionären Bildräumen, die zwar den zeitspezifischen Medien unterworfen war und auch zur Vermittlung disparater Inhalte eingesetzt wurde, in ihrer Idee jedoch bis in die Antike zurückreicht […].« Genau mit dieser Schnittstelle von Medial-Virtuellem und der alten analogen Welt experimentiert eine neue Generation, die mit diesem Werkzeug aufgewachsen ist und Post-Internetkunst betreibt. Das ist der heutige Diskussionsstand. Anfangs erweiterte die Medienkunst zunächst einmal nur die Palette der bildenden Kunst, wo man die üblichen Themen auch medienkünstlerisch behandelte und neben Pinsel, Spachtel eben auch zur Video-Kamera oder zum Computer griff. Der Reiz der Sache lag eher darin, die alten Genres der bildenden Kunst, Tafelbild und Skulptur, neu zu interpretieren und die alten Themen mit den neuen Instrumenten zu bewältigen. Gary Hill evozierte mit seiner Arbeit Inasmuch As It Is Always Already Taking Place (1990) ein großes kubistisches Gemälde. Er zeigte auf 16 Bildschirmen verschiedener Größe samt etlichen Lautsprechern und DVD-Playern verschiedene Ansichten seines Körpers. Die Deutungen reichen neben der Evokation des Kubismus von der Demonstration postmoderner Dezentrierung des Subjekts in einer fragmentierten Gesellschaft über die Assoziation mit der Kategorie Stillleben bis zur Deutung der Video-Installation als Metapher dafür, was als Verbindendes zwischen den Körperteilen fehlt: die Seele – so die Beschreibung des Werks im MOMA in New York durch den Künstler selbst. Zwei Jahrs später reihte er 30 Monitore nebeneinander (Suspension for Disbelief /for Marine; 1992), auf denen ein männlicher und ein weiblicher nackter Körper in ätherischen Bildern miteinander kommunizieren, ohne dass der Eindruck eines Films aufkommt. Marie-Jo Lafontaine baute 1987 auf der documenta 7 mit 27 Monitoren eine dynamische Skulptur (Les Larmes d’acier; 1985). Mit der neuen Technik konnte man in gewisser Weise den Skulpturen jenes Leben zurückgeben, das sie in Marmor oder



351

Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

Bronze stets nur als eingefrorener Screenshot andeuten. Insofern löst sich hier in überzeugenderer Weise ein, was bereits im Kontext der Fotografie angedeutet wurde, als die Fotografen Hilla und Bernd Becher auf der Biennale von Venedig 1993 ausgerechnet mit dem Preis für Skulptur ausgezeichnet wurden. Es ging aber nicht nur um Bild und Skulptur, vielmehr vermischten sich Fotografie, Malerei, Musik, Skulptur, Ready-Made zu einem intermedialen Tableau (was namentlich die Schweizer Performerin und Video-Künstlerin Pipilotti Rist besonders faszinierte), was dazu führt, dass sich in der Gegenwartskunst die einzelnen Kunstgenres kaum mehr eigenständig verfolgen lassen. Aus den technischen Besonderheiten dieses künstlerischen »Materials« fanden sich schließlich jene Themenstellungen, für deren künstlerische Abhandlung sich die spezifischen Instrumente der Medienkunst besser eigneten als die Farbpalette und die einfache Fotokamera. Zu diesen Besonderheiten gehört, dass Medienkunst – besser als andere Kunstgenres – nicht nur eine Darstellungsebene eröffnen, sondern auch noch eine Reflexionsebene über dieser einführen kann, um beispielsweise die Spannung von Unmittelbarkeit der performativen Körperaktion zur medialen Ebene zu demonstrieren. Solches eignet sich für Themen der Subjektivität und des Körpers. Bill Viola oder Bruce Nauman waren darin große Meister. Der bereits im Kapitel über die Minimal Art erwähnte New Yorker Künstler Dan Graham steuerte performative Betrachtungen zur Rolle der Subjektivität und des Medialen bei. In der Arbeit Present-Continous-Past (1974) betrat die Rezipientin einen winzigen, auf zwei Seiten verspiegelten Raum. Sie wurde von einer Videokamera aufgenommen und das Bild zeitverzögert auf einem Monitor gezeigt. Das Spiegelbild davon wurde neuerlich aufgenommen und erschien abermals zeitverzögert. »Während der Spiegel die Präsenzqualität des Subjekts andauernd untermauert, entzieht ihm das zeitverzögernd wirkende Videobild die Identität.« Vor allem bei der Anwesenheit mehrerer Personen im Raum, wurde die Situation völlig unübersichtlich und Fragen nach der Identität des Subjekts traten ebenso auf wie jene nach Kontrolle und Überwachung. Die Assoziationen mögen bis zu Jaques Lacans Arbeiten zur Identitätsbildung und Subjektwerdung nach dem Muster der Selbstwahrnehmung im Kleinkindstadium reichen. Dies alles nun aber nicht mehr im sicheren Abstand vis-à-vis eines geometrisch organisierten und mit abgrenzendem Rahmen versehenen Gemäldes, sondern in der Betroffenheit dessen, der in das Geschehen selbst involviert ist. Auch die Rollen von Performer und Rezipient wurden unscharf. Graham »verwendete Spiegel und Video-Equipment, damit der Performer Zuschauer seiner eigenen Handlungen werden und das Bewusstsein für jede Geste schärfen konnte.« Christa Sommerer und Laurent Mignonneau ermöglichten in einer Installation 1993/94 (A-Volve) den Rezipientinnen die Erzeugung virtueller Lebewesen, mit denen sie interagieren konnten. Naturgemäß ist in medienkünstlerischen Arbeiten das Thema Geist-Materie häufig präsent und artikuliert die Problematik der künstlichen Intelligenz, wie sie in 4.7.5. beschrieben worden ist. Man könnte so weit gehen, solche Arbeiten als eine zeitgemäße Auseinandersetzung mit der Gnosis zu betrachten. Das Beispiel zeigt, wie sehr die neuen Kunstformen in der Kontinuität der

5.2.

Medium und Subjekt

Reißer/Wolf 2003, 212

Goldberg 2014, 159

352

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Reißer/Wolf 2003, 216

Honnef Klaus in Walther 1998, 674

Ebd., 675

Thematisierung von Illusion und Unwahrheit der Kunst stehen, wie sie am Beginn der Moderne von den Künstlern des Impressionismus betrieben wurde. Bei einer ähnlichen Arbeit Grahams, zweier verspiegelter und durch Glasflächen geöffneter Pavillons (z.B. Two Adjacent Pavilions; 1982 documenta 7), changiert die Wahrnehmung im Erleben von Innen und Außen, Fremd- und Eigenwahrnehmung. In solchen Arbeiten verbindet sich Minimal Art mit performativer Kunst. »Der verspiegelte Pavillon macht Mechanismen der Kontrolle und Desorientierung transparent und scheint als historisches, utopiebefrachtetes Modell das Thema der gesellschaftlichen Beziehungen untereinander auf architektonischer Ebene zu aktualisieren.« Elke Krystufek nützt ihre Videokamera, um die Reaktion der Rezipienten auf ihre Körperaktionen mit ins Spiel zu bringen. Dieses reflektierende Moment führte schon die Fotografie in die Gegenwartskunst. Für die Künstlerinnen ist die Fotografie »nicht länger das Vehikel, sich die Bruchstücke der sichtbaren Wirklichkeit anzueignen und in entsprechender Gestalt wiederzugeben, sondern sie erkannten in ihr einen eigenen Bestandteil des Wirklichen, dessen Beschaffenheit es zu befragen galt.« Das bezog sich auch auf die Tätigkeit in der Dunkelkammer bzw. am Computer, denn es ging auch um Dekonstruktion der materiellen Basis. »Damit wurde zwischen autonomer Malerei und fotografischer Gegenständlichkeit von neuem eine konfliktreiche, einsichtsfördernde Korrespondenz begründet; zu Lasten freilich des genuin Fotografischen, das seines scheinhaften Authentizitätsanspruchs allmählich entkleidet wurde.« Bietet die Medienkunst mit ihren Reflexionsebenen die Möglichkeit, bei Narrationen aus dem üblicherweise vorgegebenen zeitlichen Hintereinander auszusteigen, lässt sich mit ihrer Hilfe auch die Grenzziehung zwischen Künstlerin und Rezipientin interaktiv durchbrechen. Besonders attraktiv ist für die Medienkünstlerinnen der Körper, denn Körperkunst will in aller Regel geradewegs das Gegenteil medialer Abstraktion und eröffnet damit ein reizvolles Spannungsmoment. Nam June Paik stellte in einer Installation 1963 in Wuppertal die Bebilderung der Welt durch das Fernsehen mit manipulierten und gestörten TV-Geräten bloß. In TV Buddha (1974) ließ er eine hölzerne Buddha-Statue vor einem TV-Gerät meditieren, das – durch eine Video-Kamera aufgenommen – genau diese Situation auf dem Bildschirm zeigte. Das ist ein starkes Bild, das eine Reihe von Assoziationen auslöst, von der Narziss-Geschichte bis zur östlichen Meditation vor einem Statussymbol der westlichen Konsumgesellschaft (das im Fernen Osten kostengünstig und effizient produziert wird) und natürlich wiederum die Spannung von Realem und Medialem. Die Buddha-Figur ist ein Topos, mit dem Paik öfters arbeitete. Mit Video lassen sich also Installationen zeigen oder selbst durchführen. Der berühmteste Künstler dafür ist wohl Bill Viola, der religiöse Bewusstseinszustände in der Rezipientin auslösen will, eine zeitgemäße Form der alten Anagogiefunktion der Kunst. In The Messenger (1996), eine Video-Arbeit, bei der ein nackter Mann an der Wasseroberfläche erscheint und wieder in den Tiefen verschwindet, wird, die christliche Taufe evozierend, das alte Thema von Tod und neuem Leben bespielt. Die Allegorien bei Viola türmen sich und sie haben die gesamte Kulturgeschichte im Blick.



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Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

In der Regel ist die Medienkunst aber kaum mehr mit den alten philosophischen Themen wie z.B. Gesellschaftsutopien oder mit pädagogischen Ambitionen und mit Ansprüchen auf Katharsis zu korrelieren. Die Achtundsechziger-Utopien sind einer postmodernen Dekonstruktion und Beendigung der Erzählungen gewichen. Es geht aber immer noch um – manchmal schonungslose – Offenlegung der gesellschaftlichen Situation. Das passiert unter Einsatz der äußersten technischen Möglichkeiten interaktiver, dreidimensionaler virtueller Räume. Zugleich bleibt der Blick gerade neuerer aufrüttelnder Arbeiten genau auf die Kehrseiten der neuen Technologien, nämlich auf das Problem zunehmender Einflussnahme von Algorithmen und Bots auf das Leben der Menschen, gerichtet. Mehr als für die linear erzählte Geschichte interessieren sich Künstlerinnen aus diesem Grund für die Konstruktionen des Hypertexts, die an die Struktur der Enzyklopädie erinnern, gleichzeitig Elemente der Dekonstruktion enthalten, und spüren dem vagabundierendem Leben von Bots nach. Letztlich ist das wieder ein reflektierendes Umgehen mit den »Illusionsinstrumenten« einer neuen künstlerischen Technik, wie man im 19. Jh. die Perspektive und den Illusionismus der Farben hinterfragt hat. Hat man jahrzehntelang in philosophischer Abstraktion den Tod des Autors zelebriert, wird genau das jetzt zum Dilemma, dass anonyme Algorithmen die Stelle des alten identifizierbaren Autors einnehmen. Die Identitätsfrage stellt sich demnach deutlich differenzierter. Es geht weniger um die simple Frage nach dem (cartesianischen) Subjekt, sondern um das notwendige Rollenspiel der Menschen in der Gesellschaft, wie es eindrucksvoll von Cindy Sherman vorgeführt wird. Performances um die Jahrtausendwende, die die Interaktion zwischen Mensch und Computer zum Thema hatten, die über den damals neuen Touch-Screen erfolgten, nahmen die Entwicklung von Expertensystemen, die gegenwärtig zur großen Vision in Wissenschaft und Medizin geworden sind, vorweg. Die Motive reichen von der Schilderung der Gefühlswelt von intelligenten Kühlschränken (Mark Leckey, GreenScreenRefrigeratorAction; 2010) bis zu den beängstigenden Silicon-Valley-Utopien der Vereinigung von Mensch und Maschine. Cécile B. Evans lässt einen digitalen Avatar aus dem Jenseits zu uns sprechen und vermischt ihn mit einem Spam Bot und einem YouTube Star (Hyperlinks or It Didn’t Happen; 2014), Ernesto Neto macht auf die Problematik der Cyborg-Epoche aufmerksam (Humanóides; 2001). Auf Arbeiten der !Mediengruppe Bitnik wurde im Hinblick auf das Schlagwort des get involved oben verwiesen. Mit ausdrücklichem Bezug zu Johan Huizingas Kultur als Spiel entwickeln Medienkünstlerinnen sogenannte pervasive games. Es handelt sich um Spiele im Schnittfeld von digitalem und realem Leben. Im Unterhaltungsbereich erlebte das Spiel Pokémon Go nach seiner Einführung 2016 einen kurzen, aber heftigen Hype. Im Kunstbereich entwickelte die britische Künstlergruppe Blast Theory ein Spiel für Mobiltelefone, an dem Hunderte von Mitspielern auf der ganzen Welt teilnahmen (Day of the Figurines; 2006). Ausgangspunkt war eine imaginäre Stadt unter erheblicher politischer, wirtschaftlicher, ökologischer Veränderungsdynamik. Die Teilnehmerinnen, die sich in dieser Stadt zunächst selbst verorteten, mussten 24 Tage lang über

4.7.5.

5.2.6.2.

354

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Matt Adams, zit. nach Smith 2011, 307 Grau 2001, 165

jeweils 24 Stunden Wege suchen, mit diesen Veränderungen umzugehen, indem sie miteinander kommunizierten, um sich zu unterstützen. Das mehrfach ausgezeichnete Projekt wurde in Zusammenarbeit mit einschlägigen englischen und deutschen Forschungszentren erarbeitet. Einer der beteiligten Künstler stellt die rhetorisch gemeinte Frage: »Can art exist on your mobile phone? Can it exist in your pocket rather than in a gallery or a museum or a theater?« Man könnte die Frage zuspitzen darauf, ob Kunst ohne Autorin existiert. Virtuelle- und Postinternet-Kunst revolutionieren nicht nur aufs Neue den Werkbegriff, sondern machen »die Auflösung des exklusiv autorbestimmten Werkes möglich.«

5.3. Strömungen der Nachkriegsarchitektur

642 Lois Welzenbacher, Hotel Seeber (1931) im internationalen Stil, links: Erweiterungsbau durch Henke/Schreieck (2003); Hall in Tirol 2.2.8.

Der Weg in die moderne Architektur, der Ende des 19. Jh.s begann und in der ersten Jahrhunderthälfte des 20. Jh.s einem ersten glanzvollen Höhepunkt zustrebte, wurde im letzten Teil des VIII. und im ersten Teil dieses Abschnitts, auch anhand von diesen Weg prägnant charakterisierenden Vertretern, beschrieben. Absicht dieser Beschreibung war, aufzuzeigen, wie sich die moderne Architektur gegen den Historismus mit den Schlagworten Moderne, Ehrlichkeit von Konstruktion und Material, Hygiene sowie klare geometrische Form im Sinne der Aufklärung, durchsetzte. Bereits innerhalb der Architekten von Bauhaus und De Stijl gab es erhebliche Spannungen um die Radikalität dieses International Style, ausgetragen vor allem an der Frage nach dem Stellenwert von neuen Materialien und der industriellen Produktionsweise. Nun ist die Koppelung von Form und Funktion in der Architektur keineswegs neu und keine ausschließliche Besonderheit der Moderne. Funktionalität war von Anfang an ein wichtiges Kennzeichen der Architektur und sie wurde bereits in den Traktaten der Antike und der Renaissance unter den Begriffen utilitas und eventuell auch integritas und concinnitas (in dem Sinne, dass alle Teile funktional auf ein gemeinsames Ganzes ausgerichtet sind) aufgelistet. Allerdings hat der Funktionsbegriff eine große Spannweite und er hat in allen kulturellen, wissenschaftlichen und ökonomischen Feldern eine je eigene Bedeutung. Das Problem auf dem Gebiet der Architektur war, dass der Begriff im 20. Jh. zu einem »Ismus« in dem Sinn wurde, dass er dominant in den Vordergrund trat und alle anderen Aspekte der Architektur zurückdrängte (sinngemäß gilt dies analog für das Design und mit Einschränkungen für bildende Kunst). Damit war schnell die Grenze zwischen der Funktionalität im Sinne des Nützlichen und der Funktion im Sinne des Lebensfernen erreicht, verschärft durch die neuen industriellen Materialien und Produktionsbedingungen, durch die Funktionalität vor allem ökonomischen Interessen unterworfen wurde. Der Funktionalismus im 20. Jh. wird meist mit dem CIAM-Kongress 1933 in Athen verbunden, wo es um die funktionelle Stadt ging. 1932 war das Buch von Al-



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berto Sartoris Gli elementi dell’architettura funzionale erschienen, mit dem der Ausdruck Funktionalismus größere Verbreitung fand. Trotzdem gab es nie eine eindeutige Definition. Der Begriff der Funktion blieb schillernd und vielschichtig. Mit dem klassischen Funktionalismus der Moderne ist jedenfalls ästhetische Autonomie verbunden, also die Ablehnung von heteronomen Einflüssen und von sozialen und bildhaft-repräsentativen Aspekten. Genau das wurde in der Kritik am Funktionalismus sowohl von modernen als auch von postmodernen Architekten und Theoretikern dann eingefordert. Manche interpretieren Funktion als Synonym für Zweck und leiten daraus ein Verständnis von Funktionalismus ab, »in dem es um das Verhältnis von Zweck und Form geht.« Zwischen dem Zweck und der daraus resultierenden Form bleibt allerdings selbstredend ein großer Interpretationsspielraum. Darauf machte unter anderem Jürgen Joedicke aufmerksam (Anmerkungen zur Theorie des Funktionalismus in der modernen Architektur; 1965), der einen »naiven«, der von einem solchem Kausalkonnex ausgeht, von einem »realen« Funktionalismus unterschied, welcher davon ausgeht, die Beziehung zwischen Zweck und Form sukzessive zu entfalten. Jedenfalls muss eine solche Beziehung, will sie als funktionalistisch gelten, mit rationalen Kriterien, ohne ornamentalen Überschuss und ohne Ambition auf ausschweifendes Erzählen im Sinne einer architecture parlante, gestaltet werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Klima für die funktionalistische Moderne grundsätzlich nicht schlecht. Europa war zerstört, man benötigte schnellen und preiswerten Wohnraum und jede Menge von Zweck- und Funktionsbauten. Die Aufklärung, Technik- und Wissenschaftsgläubigkeit, der Wunsch nach Internationalisierung, um den Mief von Nationalismus und Heimattümelei zu vertreiben, war weit verbreitet. Dazu kam, dass der Funktionalismus, der vom Historismus und vom Neoklassizismus befreite, eine von den Nationalsozialisten geächtete Kunstform war, die selbst einen pompösen Neoklassizismus gepflegt hatten. Schließlich musste man auch die Stadt als Architekturraum wieder zurückgewonnen werden. 1951 verhandelte der 8. CIAM-Kongress unter dem Titel »The Heart of the City« das Problem der Städte, die im Krieg ihr Zentrum, also die Agora, die Piazza als ihr Herz, verloren hatten. Das Anliegen war, die Stadtzentren, die von den einschlägigen Parteiarchitekten mit allen Ingredienzen der antiken Agora als imperiale Manifeste des Faschismus okkupiert waren, zu entnazifizieren und die Deutungshoheit über diesen sozialen Raum zurück zu gewinnen. »Das Problem des popularisierten Modells der europäischen Stadt ist, dass Piazza, Forum und Agora als Ursprung demokratischer Öffentlichkeit in Anspruch genommen werden, dass historische Prozesse der sozialen Inklusion und Exklusion aber nicht gleichermassen thematisiert werden. […] In pittoresken Narrativen europäischer Stadtplätze sind diese Zusammenhänge weitgehend ausgespart.« Die zeitgemäße Identifikation von städtischen Mythen geht daher nicht, ohne die Problemgeschichte der Stadt präsent zu halten. Heutige Piazza ist wohl das soziale Netzwerk, während die Agora schlicht der geographische Ort der Spaßkultur geworden ist. Aber die internationale Debatte brachte den Funktionalismus bald unter Druck: »Der Verlust von Identität durch Uniformität und Zeilenbau ohne innerstädtische

Poerschke 2014, 10

Sölch 2016

356

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Kretschmer 2013, 289

4.0.f./4.6.2.

VIII.3.3.2.f.

5.1. 2.3.5. Jodidio 1995, 47

Bereichsabgrenzungen, die Negierung menschlicher Bedürfnisse, die über das Funktionieren von technischen Abläufen hinausgehen, das Ignorieren der bestehenden Bau-Umgebung, die ästhetische Verwahrlosung, der Verlust von Kontinuität, die Geschichtsferne und die Zerstörung kultureller Werte riefen Widerstand hervor.« Damit sind die zahlreichen Vorbehalte zusammengefasst, welche gegen den Funktionalismus von Vertretern der Moderne, aber auch – praktisch gleichlautend – von solchen der Postmoderne ins Treffen geführt wurden. Natürlich gab es eine durch das gewaltige Bauvolumen nach dem Krieg ausgelöste typische Vulgarisierung des Funktionalismus. Es kam zu Kommerzialisierung und zu einer öden Uniformität, was letztlich zur Klage der Postmoderne über den Verrat an der Avantgarde führte. Man verstand unter Funktionalismus nur mehr die globale Uniformität des Kubus und der Linie. Die Kritik der Postmodernen war ehrlich gemeint, ihre Auslegung ließ sich aber ebenfalls nicht mehr einhegen und verkam zum pluralisierenden Spiel. Man darf es als Zeichen eines intellektuellen Aufbruchs verstehen – und sich an die Pluralisierung der Stile im 19. Jh. erinnern –, wenn sich ab den Sechzigerjahren – neben einer Weiterentwicklung dieser modernen Linie, die es auch gab – die Kritik am Funktionalismus der Moderne verstärkte. Während für die bildende Kunst zumindest noch einigermaßen identifizierbare Strömungen festgezurrt werden können, fällt die Architektur in die Positionen einzelner Architekturbüros auseinander. Manchmal geschahen Positionswechsel innerhalb einer Architektenbiographie, wie es sich im Leben Le Corbusiers abspielte. In der Gegenwartsarchitektur gibt es in Europa »so viele Stilrichtungen wie kreative Architekten – oder so viele Stile wie es historisch bedeutende Umgebungen gibt, die bebaut werden können.« Noch ausgeprägter als bei den Stilrichtungen der bildenden Künste ist es daher in der Architektur kaum mehr möglich, solche Einzelpositionen durch gemeinsame Attribute zu gruppieren, denn sie lassen sich meist unter mehreren kennzeichnenden Überschriften einordnen.

5.3.1. Die Kritik am Funktionalismus Bereits vor dem Krieg gab es kritische Anmerkungen zum Funktionalismus nicht nur von rückwärts gewandten Traditionalisten. Das in 2.3.1. erwähnte Buch von Henry-Russell Hitchcock und Philip Johnson war eine solche differenzierende Klarstellung, wonach beim International Style zum Unterscheid vom reinen Funktionalismus ein Gestaltungs- und Formwille der Architekten im Spiel war. Besonders nach dem Krieg sah sich der Funktionalismus, der eine so wichtige Etappe auf dem verschlungenen Weg der Moderne war, einem heftigen Gegenwind ausgesetzt. Er kam aus verschiedenen Ecken und es traf sich eine Kritik an der Moderne mit der Kritik am Verrat der Moderne in einer vulgarisierten Form des International Style. Gerne wird die Klage Ernst Blochs zitiert: »Heute sehen die Häuser vielerorts wie reisefertig drein. […] Im Innern sind sie hell und kahl wie Krankenzimmer, im Äußeren wirken sie wie Schachteln auf bewegbaren Stangen, aber auch wie Schiffe. Haben flaches Deck, Bullaugen, Fallreep, Reling, leuchten weiß und südlich, haben als Schiffe Lust,



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Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

zu verschwinden.« Bloch sieht zwar durchaus auch den Fortschritt: »Gewiß, dergleichen gab sich als Reinigung vom Muff des vorigen Jahrhunderts und seinem unsäglichen Zierat.« Aber letztlich sei die funktionalistische Architektur ein Eingeständnis, dass einem nicht mehr einfiel, dass »zwischen Plüsch und Stahlsessel, zwischen Postämtern in Renaissance und Eierkiste kein Drittes mehr in die Phantasie greift.« Er nennt wörtlich Loos, Wright, Le Corbusier, Gropius und resümiert: »Seit über einer Generation steht darum dieses Stahlmöbel-, Betonkuben-, Flachdach-Wesen geschichtslos da, hochmodern und langweilig, scheinbar kühn und echt trivial, voll Haß gegen die Floskel angeblich jedes Ornaments und doch mehr im Schema festgerannt als je eine Stilkopie im schlimmen neunzehnten Jahrhundert.« Nun steht Bloch ideologisch in der ungemütlichen Zwickmühle zwischen einem ungeliebten 19. Jh. und dem von ihm als Ausgeburt des Kapitalismus gebrandmarkten Funktionalismus. Blochs Tiraden gegen die moderne Architektur sind eher der Ausdruck eines Marxisten, der zwar revolutionäres Pathos versprüht, in den eigenen vier Wänden jedoch durchaus bürgerliche Behaglichkeit zu schätzen weiß, und der Aufklärung nicht mit einer Reduktion auf den rechten Winkel und die gerade Linie verbinden will, die damit keinen Raum für utopische Visionen mehr lässt. Adorno bezweifelt – vor allem mit Blick auf Loos – das Ideal reiner Zweckfreiheit der Formen, »keine Form ist gänzlich aus ihrem Zweck geschöpft.« Und er zeigt Verständnis für die Kritik an der industriellen Produktion mit einer an Ernst Bloch erinnernden Volte, indem er dem Menschen eine Kindheitserfahrung »nach dem Schloß mit langen Zimmerfluchten und seidenen Tapeten« zugesteht, die er gegen eine »positivistische Kunst« stellt. »Spitze Kanten, karg kalkulierte Zimmer, Treppen und Ähnliches« versetzen dem Menschen »sadistische Stöße«. In den aufgewühlten Sechzigerjahren griff der bereits erwähnte Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich zu der, wie er im Vorwort schreibt, »in Vergessenheit geratenen Gattung der Pamphlete« und polemisierte gegen die moderne Stadt des Wiederaufbaus, die ohne Charakter und Herz, mit zu geringem Wohnraum (um mehrere Generationen unter einem Wohnungsdach zu versammeln) funktionell entmischt entworfen werden. Solche funktional geplante Städte störten jedes Sozialverhalten und zerstörten die Natur. Sie basieren auf einem »Nebeneinander von Rationalität und Selbstsucht […] Ja, noch schlimmer: Rationalität und Selbstsucht sind oft eins, weil Rationalität sich in unserer Gesellschaft meist nur auf unmittelbare, begrenzte Zwecke bezieht, nicht auf die Stimmigkeit des Ganzen.« Die Schuld für die ausgemachte Misere sah Mitscherlich nicht in den Architektur-Planungen, sondern in der Geldgier der Besitzer von städtischem Grund und Boden. Rudolf Arnheim unternahm mit Rückgriff auf das Buch von Larry Ligo, The Concept of Function in Twentieth-Century Architectural Criticism (1984) eine Erweiterung des Funktionsbegriffs. Man müsse auch psychologische, kulturelle und existenzielle Funktionen berücksichtigen. Ligo und Arnheim rückten – mit ausdrücklichem Rückgriff auf Vitruv – die alte utilitas (Brauchbarkeit) in den Vordergrund und konterkarierten damit in Wahrheit den Funktionalismus in der üblichen Bedeutung.

Bloch 1977c, 858f/860

Adorno 1965/66, 378/380f

Mitscherlich 1965, 17

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Klotz 1994, 111

Reißer/Wolf 2003, 339

Lupfer Gilbert in ATh, 782 Aldo Rossi

4.6.2.

Partsch 2002, 27f

Der Kunsthistoriker Heinrich Klotz wiederum verwies auf die Vulgarisierung des Funktionalismus durch die vermeintlich ökonomische Praktikabilität: »Die Geschichte der Moderne nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Geschichte ihrer globalen Verbreitung und schließlich ihrer bauwirtschaftlichen Korrumpierung.« Klotz nahm den Funktionalismus der Moderne als eine Ästhetik, die auf Repräsentation verzichtet, gegen den schlechten Funktionalismus der Gegenwart in Schutz. Der rechte Winkel und die gerade Linie verleiteten allzu leicht zur bauwirtschaftlichen Ökonomisierung, was den Funktionalismus in ein schiefes Licht rückte. »Doch Funktionalismus verkümmerte rasch zum Vulgärfunktionalismus, Modernität erstarrte zur dogmatischen Elementargeometrie, Fortschritt schien identisch mit weitgehend schmuck- und ornamentlosem Rationalismus, jedes unpuristische, ›unsachliche‹ Architektursymbol schien Verrat am Programm der Moderne.« Die Architekten, die sich vom Funktionalismus distanzierten, begründeten ihren Schritt ausführlich auch mit theoretischen Überlegungen und sie schlugen dabei in ihrer konkreten Arbeit mehrere Strategien ein: Mit ausdrücklichem Gestaltungswillen betonten sie gegen einen reinen Funktionalismus die materielle und stoffliche Qualität, eine natürliche und biomorphe Formensprache und eine kommunikative Funktion von Architektur, angelehnt an Konzepte der architecture parlante. Von den zahlreichen Traktaten zu dieser Frage von Philip Johnson (The Seven Crutches of Modern Architecture; 1954), Christopher Alexander (A Pattern Language; 1977), Paolo Portoghesi (Dopo l’architettura moderna; 1980), ragen jene von Aldo Rossi (L’architettura della città; 1966) und Robert Venturi (Complexity and Contradiction; 1966) heraus. Sie gelten als einflussreichste Traktate der Sechzigerjahre. »Beide wollten den Funktionalismus in der vulgarisierten, kommerzialisierten Form der 60er Jahre (nicht gleichzusetzen mit der modernen Architektur generell) widerlegen, und zwar durch eine weit ausholende historische Beweisführung.« Aldo Rossi war von der Architektur der Sechzigerjahre so enttäuscht, dass er sich wissenschaftlich vom seiner Meinung nach theorielosen Funktionalismus distanzieren wollte. Rossi gab seiner Variante einer anspruchsvollen modernen Architektur mit seiner Schrift L’architettura razionale (1973) einen Namen: Rationalismus. Dieses Bekenntnis macht es schwierig, ihn, wie dies häufig geschieht, in die Postmoderne einzugemeinden. Auch Rossi lehnte den Funktionalismus nicht in Bausch und Bogen ab, sondern dessen Entartung überall dort, wo Ästhetik heteronom wurde. Im Grunde ging es um ein Prinzip, das die Antike mit Vitruv und die Renaissance auf breiter Front bereits formulierten, dass das Haus der Stadt gleiche und umgekehrt. »Die reine, geometrische Architektur, die letztlich von der Antike abgeleitet war, sollte politische Modernität, Dynamik und Macht demonstrieren.« Der wichtige Punkt dabei war, dass diese italienische Linie der rationalen Architektur ein Beitrag zur Aufklärung sein und sich keineswegs als Erbe einer faschistischen Architektur verstehen wollte. Diese Stigmatisierung hat der italienische Razionalismo deshalb, weil viele dieser Bauwerke zur Zeit Mussolinis errichtet wurden. Wegen der universellen rationalen Gesetzmäßigkeiten der Architektur steht die Form an erster Stelle und lässt sich nicht von einer vorweg definierten Funktion ab-



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Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

leiten. Unterstützung für diese Position ließ sich aus der Tatsache gewinnen, dass sich bei genauer Betrachtung auch bei den Bauhaus-Architekten der ästhetische Mehrwert der Gebäude nicht einfach aus der Funktion ergab. In der Stadtplanung kritisierte Rossi die Sicht der Stadt als Maschine und die aus seiner Sicht abstrusen Überlegungen, wie sie Le Corbusier vertrat, der ganze Innenstädte platt machen wollte, um eine ideal konzipierte Stadt neu zu errichten. Im Gegensatz dazu nahm Rossi die Stadt als Resultat ihres historischen Wachstums. Rossis gelehrter, weit in die Geschichte der Stadtentwicklung ausholender, aber auch die Theorie vom kollektiven Gedächtnis von Maurice Halbwachs berücksichtigender Traktat war eine komplette Abkehr von der Vorstellung einer am Reißbrett geplanten Idealstadt. Rossi orientiert sich an Baukörpern der Architekturgeschichte und analysierte den Palazzo della Ragione in Padua, an dem sich zeigen lässt, wie sich verschiedene Funktionen einer architektonischen Form anzupassen vermögen. Gerade dieses Beispiel verweist letztlich auf die verschiedenen Funktionen, die beispielsweise die antike Basilika innehatte und mühelos meisterte. »Mit seiner Entdeckung der historischen Stadt, ihrer dauerhaften Werte, ihrer Entwicklungspotentiale hat Rossi jedenfalls der Städtebau- und Denkmalschutzdebatte entscheidende Impulse gegeben, genauso wie er mit seinen rigorosen und disziplinierten, narrativen und pathetischen Bauten unübersehbare Akzente gesetzt hat.« Robert Venturi, den ich im Kapitel 4.6.2. bereits als Vertreter der postmodernen Architektur erwähnte, bekannte sich ausdrücklich zu einer spielerischen Freiheit im Entwurf, was ihn unter anderem dazu brachte, in dem für seine Mutter gebauten Wohnhaus eine Treppe an die Wand führen zu lassen. Den Spruch Mies van der Rohes »Weniger ist mehr« (Less is more) ironisierte er (More is not less) und betrieb bewusst Regelverletzung. Paolo Soleri, der das Kunstwort Arcology (architecture and ecology) prägte und unter diesem Titel ein Buch über humanen und naturnahen Städtebau schrieb, drehte die andere berühmte Formel des International Style um, jene Sullivans: Aus form follows function wurde nun function follows form. Soleri entwarf 1970 in der Wüste von Arizona mit einigen Anleihen an Wright eine ökologisch nachhaltige Musterstadt (Arcosanti). Die unvollendet gebliebene Anlage verfolgte auch eine esoterisch angehauchte sozialutopische Ambition. An Venturi ließe sich eine Neuauflage der alten querelles von Genie und Regel festmachen. Das verband ihn mit der Pop Art und zeigt seine Sympathie mit der postmodernen Losung vom Crossover von Hoch- und Alltagskultur. Diese Sympathie formulierte der Pritzker-Preisträger (zusammen mit Denise Scott Brown und Steven Izenour) in dem Buch Learning From Las Vegas. The Forgotten Symbolism of Architectural Form (1972). Das, was Horkheimer und Adorno noch schockierte, wurde für Venturi geradezu ein Muster für die Versäumnisse der modernen funktionalistischen Architektur. Allerdings zog Venturi Schlüsse, die nur schwerlich als ernsthafte Alternative zu akzeptieren waren: »Doch der von Venturi eingeschlagene Weg auf der Suche nach einer neuen Architektur-Symbolik besteht in einer Affirmation und ästhetischen Überhöhung einer gegebenen Alltagswelt, deren banale

X.1.3.2.3.

Lupfer Gilbert in ATh, 784 Robert Venturi

VIII.9.2.3.3.

VI.4.2.2.

360

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Kruft 1985, 512/513

Lupfer Gilbert in ATh, 792

Kruft 1985, 514

Klotz 1994, 118/122

Oscar Niemeyer

Hess 2006, 32

Niemeyer, zit. nach Ebd.

Zeichen er mit historischer Architektur-Symbolik auf eine Stufe stellt. […] Hier erscheint fun als mehr oder minder ernstgenommenes Architekturkriterium.« Hanno-Walter Kruft lobt zwar Venturis tatsächliche Baukunst, aber er ist verstört über die Botschaft, die Venturis Buch aussendet, und sieht in ihm das »Gründungsmanifest der sogenannten ›postmodernen‹ Architektur.« Eine postmoderne Ambition ist es auch, der Architektur wieder ihre Sprache und Kommunikationsfähigkeit zurückzugeben nach ihrem vermeintlichen Verlust im reinen Funktionalismus. »Die Architektur als Zeichenträger wieder zu entdecken, wurde zum zentralen Anliegen Venturis als Theoretiker und als Architekt.« Als eine ernst zu nehmende Alternative wurde die postmoderne Architektur Venturis von vielen Seiten nicht mehr akzeptiert: »Eine solche jahrmarktsartige Architektur kann nicht die Alternative einer berechtigten Funktionalismus-Kritik sein. Der Rückgriff auf die Geschichte und auf historische Vorbilder ist leichtfertig und oberflächlich.« Weniger streng urteilt Heinrich Klotz, der Venturis Anliegen darin sah, »den Zeichen und Symbolen einer Architektur Recht widerfahren zu lassen, mit denen ein Durchschnittsamerikaner die Vorstellung des Zuhauses, des ›home‹, verband.« Klotz vergleicht Venturi mit Roy Lichtenstein und meint, dass es ihm nicht um »historistische Trotzzitate« ging, sondern um »populäre Metaphern. […] Das Geschichtszitat kam also vermittelt durch die Populärkultur in die Architektur zurück und wurde sogleich von Venturi in seinem Geltungsanspruch ironisch gebrochen: […].«/»Das Haus ist nicht – wie Le Corbusier gesagt hatte – eine Wohnmaschine, also ein dienender technischer Apparat, sondern eine poetische Fiktion.« Aber es gab auch eine um Ernst und Tiefgründigkeit bemühte Kritik am Funktionalismus. Der Architekturtheoretiker Brent C. Brolins (The Failure of Modern Architecture; 1976) ist dabei ebenso zu nennen wie Peter Blakes Form Follows Fiasco. Why modern Architecture hasn’t worked (1977). Es werden sämtliche Grundlagen der modernen Architektur, einschließlich der Reinheitsvorstellung, in Frage gestellt, ohne allerdings wirklich praktikable Alternativen aufzuzeigen. In diesem Punkt sind Autoren wie Charles Jencks und Christopher Alexander weitaus kreativer. 1954 fand die CIAM-Konferenz in Brasilien statt und sie war unter anderem konfrontiert mit dem Werk des Le Corbusier-Schülers Oscar Niemeyer. Der 1907 in Rio de Janeiro geborene Architekt wirbelte die Szene der funktionalistischen Architektur durcheinander. Namentlich sein eigenes Haus, das Haus Canoas, »war nicht der erste Stein, der auf den Glaskasten im Bauhaus-Stil geworfen wurde, aber der Werfer war zum ersten Mal ein renommierter Vertreter der Berufsgruppe.« Auf die Kritik der Größen in der Szene, von Gropius bis Mies, konterte Niemeyer: »Mich ärgerte die systematische Kampagne gegen die freie und kreative Form, die mir so gefiel, die andere aber als unnötig und überflüssig verachteten. Sie sprachen von ›Purismus‹, von der ›Maschine zum Wohnen‹, von ›weniger ist mehr‹, von ›Funktionalismus‹. Aber sie verstanden nicht, dass all das im Vergleich zu der plastischen Gestaltungsfreiheit, die der Stahlbeton gewährt, gar keine Rolle spielt. Die moderne Architektur verlor sich selbst in ihren reproduzierbaren Glaswürfeln.« Solche Worte markieren den Aufbruch der Architektur von der klassischen Moderne in die Ge-



361

Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

genwart. Auf diesem Weg gingen endgültig übergreifende Positionen verloren. Jedes Architekturbüro kreiert gleichsam seine je eigene Position. Neben der verbreiteten Kritik gab es freilich auch eine Fortsetzung der funktionalen Moderne, die unter der Flagge Minimalismus die Klarheit der Formen verteidigte. Was am Beginn der Moderne Aufsehen erregte, wirkt heute eher unscheinbar, weil solcher reduzierter Arbeit inzwischen das Spektakuläre abgeht. Tadao Ando schafft minimalistische Bauwerke, darunter spirituell anmutende Kapellen, Tempel und Museen. Ganz ähnlich übt sich der Schweizer Peter Zumthor mit seinen Sakralräumen, Thermen und Museen in zurückhaltender, klarer Formensprache. Es flossen in eine solch reduzierte minimalistische Bauweise, die man auch als »Neomoderne« bezeichnet, neben den rationalen Aspekten auch expressive Zitate, skulpturale Ambitionen und konstruktive Elemente ein. Neben Günther Behnisch, den wir im Kapitel über biomorphe Architektur wiederfinden werden, vor allem Mathias Ungers, der theoriebeflissen und sogar metaphysisch veranlagt war. »Die Metaphysik von Raum und Zeit im Sinne von Giorgio de Chiricos ›Pittura metafisica‹ und eine Ideengeschichte der Architektur sind seine Hauptanliegen für eine neue Ethik der Moderne.« Ein Feld, auf dem der Funktionalismus besonders unter Druck geriet, war der Städtebau, wo lange die Vision der Stadt als funktionale technische Maschine verfolgt wurde. Oscar Niemeyer und Lúcio Costa hatten den Auftrag zum Bau der 1960 eingeweihten neuen Hauptstadt Brasilia erhalten. Es war eine der wenigen realisierten Stadtutopien der Moderne, eine Stadt des Lichtes der Vernunft, der Zukunft – und des Autos, angelegt in einem geometrischen Raster. Es war eine Stadtanlage »schön – doch von Anfang an steril, abstrakte Urbanistik, utopisches Resultat politischen Ehrgeizes.« Neben dieser kompletten Anlage vom Reißbrett gab es Neufassungen bestehender Städte: Kenzo Tange wirkte in Tokio, Oswald Mathias Ungers in Berlin – alles weitgehend mit technologischem »Charme«. Auch dagegen stand Aldo Rossi, der die Stadt als Resultat der Geschichte interpretierte und sie gleichsam mit dem Blick eines Archäologen als Summe von historischen und sozialen Schichtungen verstand. In der Tat ist das Bild der Stadt als Palimpsest, als ein mehrfach überschriebener Text, bezwingend. Auch der gegenwärtigen Stadtplanung wird von Kritikern eine rein funktionalistische Vorgehensweise unterstellt. Der Architekt des Jüdischen Museums in Berlin, Daniel Libeskind, schrieb sich seinen Ärger über die aus seiner Sicht konservative Generalplanung (konservativ bedeutet hier die uninspirierte funktionalistische Moderne auf der einen und Erhaltung von möglichst viel alter Bausubstanz auf der anderen Seite) der Bebauung des von der Mauer befreiten Berlin von der Seele: »Bedeutsame Architektur zu schaffen heißt nicht, Geschichte zu parodieren, sondern sie neu zu artikulieren, heißt nicht, Geschichte auszulöschen, sondern sich mit ihr auseinanderzusetzen.« Resümierend kann man festhalten, dass die Kritik den Funktionalismus an drei Fronten angriff: »zum Ersten auf der Architektenseite, also im Entwurf, zum Zweiten

Minimalismus

Amsoneit 1994, 15

Reißer/Wolf 2003, 311

Libeskind, zit. nach Jodidio 1996, 23

362

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Poerschke 2014, 215

auf Seiten der Bauwirtschaft, also der Produktion, und zum Dritten auf der Nutzerseite, also bei der Rezeption. Dabei bezog sich die erste Kritik auf den Monofunktionalismus, die zweite auf den Bauwirtschaftsfunktionalismus (Profitmaximierung) und die dritte auf die Kritik an mangelnder Bildhaftigkeit.«

5.3.2. Die »Ismen« in der Architektur

Perrault, zit. nach Jodidio 1996, 48

Expressionismus

2.2.8.

Die Abkehr von der einheitlichen Formensprache des Funktionalismus, der sich großer Teile des International Styles bemächtigt hatte, ermöglichte eine vielfältige Öffnung der Architekturszene. Zahlreiche Architektinnen entwickelten Sympathien für einzelne Positionen der renommierten Kunstrichtungen und der philosophischen Konzepte des Jahrhunderts. Viele der Beteiligten empfanden, dass die Architektur der Kunst hinterherhinkte. Zwanzig Jahre nach dem Höhepunkt der Nachkriegs-Kunstströmungen meinte Dominique Perrault, es sei höchste Zeit »für die Architektur, sich der Kunst unserer Zeit anzugleichen.« Perrault, der sich in der Nähe zur Minimal Art verortete, hätte nach eigenem Bekunden seine Bibliothèque nationale de France in Paris (1996) gerne Donald Judd vorgeführt. Es ging also nicht etwa nur um Begegnungen von Architektur und Skulptur, wie sie schon Schwitters’ Merz-Bau zugrunde lag oder vom Wiener Bildhauer Fritz Wotruba (in der nach seinen Entwürfen gebauten Kirche in Mauer bei Wien) ebenso wie vom Südtiroler Bildhauer und Architekten Walter Pichler verkörpert wurden, sondern nun war auch in der Architektur die Rede von Expressionismus, Kubismus, Rationalismus, Brutalismus, Strukturalismus, Minimalismus, Pop Art, Postmodernismus, Dekonstruktivismus. Verschwimmen bereits in der bildenden Kunst Zuordnungen einzelner Künstlerinnen zu solchen allgemeinen Positionsbezeichnungen, wird deren Gebrauch in der Architektur noch unzuverlässiger, wenn man einmal vom Megathema Funktionalismus absieht, welcher Begriff freilich, wie gerade berichtet, die unterschiedlichsten Bedeutungen annahm. Wie in 2.3.2. bereits angesprochen, war besonders der Expressionismus ein bildenden Künsten und Architektur gemeinsamer fruchtbarer Grund. Man spricht in den Zwanzigerjahren von einer expressionistischen Architektur, wenn sie gegen die rationale Logik eine gefühlsbetonte Bauweise einforderte. Aus Dynamik, Farbe, Licht sollte ein Kunstwerk entstehen, die Funktionalität kam an zweiter Stelle. Man suchte die Motive in der Ägypten- und Orientbegeisterung und beim Jugendstil. Bruno Tauts Visionen, von denen bereits im Zusammenhang mit dem Bauhaus die Rede war, zählte man ebenso zu den expressionistischen Projekten wie manches Gebäude von Mies und die biomorphen Arbeiten von Hermann Finsterlin. Das Verwaltungsgebäude der Farbwerke Hoechst von Peter Behrens wird expressionistisch genannt und der sogenannte Einsteinturm in Potsdam von Erich Mendelsohn. Mendelsohn, der sowohl in Jerusalem als auch in Amerika zahlreiche Aufträge erhielt, ist ein an Bauhaus und De Stijl geschulter Architekt, bei dem sich ein anderer Geist in seine Gebäude mischte: »Ihre zumindest in der ersten Schaffensphase ausgesprochen expressive Formensprache dominierte über das Funktionale, ja war manchmal fast



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Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

selbstzweckhaft. Mit diesem Denken fand Mendelsohn keinen Platz in der damaligen Avantgarde.« Die Ideen des Expressionismus, das Zeigen von Gefühl und Emotion, Ausdruckskraft in Form und Farbe, blieben auch für viele Nachkriegs-Architekten reizvoll. Formal bringen manche den Expressionismus auf die schnelle Formel: Kurve statt rechter Winkel. Welches Beispiel eignete sich dafür besser als Jørn Utzons Oper von Sydney (1973), ein emotionales Kommunizieren, eine architecture parlante im besten Sinn des Wortes! Von Bruno Taut beeinflusst war Hans Scharoun, dem wir unter anderem die zeltartige Berliner Philharmonie (1963) verdanken. Eero Saarinen charakterisierte seinen Baustil als »funktionalen Expressionismus«. Aber Saarinen war zugleich ein Architekt, der projektorientiert sehr unterschiedliche »Sprachen« entwickelte und dem man nur schwer einen persönlichen Stil zusprechen und ihn schon gar nicht als typischen Expressionisten bezeichnen kann. Von der postmodernen Architektur war bereits die Rede. Anfang der Siebzigerjahre kam dazu der Begriff Strukturalismus in der Architektur-Szene auf. Er hatte dort eine dem philosophischen Strukturalismus analoge Bedeutung und wurde auf Bauwerke angewandt, bei denen einzelne Elemente größerer Aggregate nach einem bestimmten Ordnungsmodus organisiert sind (Kenzo Tanges Yamanashi-Kulturzentrum in Kofu). Allerdings wurde er nicht so streng gehandhabt wie in der Philosophie und Literaturwissenschaft, sondern war eher als Gegenentwurf zum Funktionalismus definiert und verschwamm nicht selten mit dem weiteren Begriff des Postmodernismus. Mit dem Strukturalismusbegriff arbeitete eine jüngere Architektengeneration vor allem im Städtebau. Sie, an erster Stelle eine Gruppe (1953–1981), die sich Team Ten nannte, richtete sich gegen die rationalistischen Überlegungen der CIAM-Charta von Athen. Am letzten CIAM-Kongress 1959 (CIAM XI in Otterlo, Niederlande) obsiegte der sogenannte Strukturalismus gegen die rationalistische und funktionalistische Tradition der CIAM-Programmatik. Neben dem Japaner Kenzo Tange, der sich zu einer strukturalistischen Herangehensweise gegenüber einer funktionalistischen bekannte, den Niederländern Jacob Bakema und Herman Hertzberger (einem der Theoretiker des Architektur-Strukturalismus), war Louis Kahn ein Vertreter des Strukturalismus. Der 1901 in Estland (damals Russland) geborene Kahn war einer der bedeutendsten amerikanischen Architekten der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Er fand den Weg vom klassischen internationalen Stil zu einer eigenen Formensprache bei einem Aufenthalt in Rom und dem Studium der Tradition dort. Kahn schuf Monumentalbauten mit moderner und nicht mehr neoklassischer Formensprache. In theoretischen Reflexionen bekannte er sich zu dieser Monumentalität, die Zeiten überdauern soll. »Kahn brach mit der Geschichtsfeindlichkeit der Moderne, ihrer puristischen Unterkühlung und ihrer oft geradezu austauschbaren Universalität.« Dieser Beschreibung von Hildegard Kretschmer könnten auch postmoderne Autoren vollinhaltlich zustimmen. Kahn wollte nach eigener Aussage nicht Volumen, sondern Räume schaffen, wobei ihm vor allem das Licht und die Licht-Schatten-Wirkung wichtig waren, gleichsam als Chiaroscuro in der Architektur.

Kretschmer 2013, 223

4.6.2. Strukturalismus

Ebd., 251

364

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

VIII.3.2.3.

Johnson, zit. nach Jodidio 1996, 7

Norberg-Schulz 1982, 5

Neorationalismus und Neoklassizismus

Kretschmer 2013, 278

Die Strukturalisten trafen sich in ihrer Ablehnung des Funktionalismus in der Annahme einer anthropologischen Grundlage des Bauens mit dem Postmodernismus. Die Beachtung der Bedürfnisse des Menschen bedeutete zugleich, dass Architektur den Menschen nicht mehr zu Logik und Rationalität erziehen, sondern ihm im Leiden am Fortschrittsprozess eine kulturelle Stabilisierung ermöglichen solle. Diese Art von Postmoderne wurde bisweilen vermengt mit Pop-Kultur und Symbolismus und knüpfte manchmal an die Revolutionsarchitektur des 19. Jh.s an. Philip Johnson, der Architekt des historisierenden AT&T Buildings (1984) in New York: »Die ›Moderne‹ haßte die Geschichte, wir lieben sie. Die ›Moderne‹ haßte Symbole, wir lieben sie. Die ›Moderne‹ baute an den verschiedensten Orten immer auf die gleiche Weise, wir suchen den Geist eines Ortes, den genius loci, als Inspiration und Abwechslung.« Genius Loci, Landschaft, Lebensraum, Baukunst war der Titel eines höchst erfolgreichen Buches von Christian Norberg-Schulz, den man gemeinhin der postmodernen Szene zurechnet, und er zitierte am Beginn einen Satz aus Frank Kafkas Prozess: »Die Logik ist zwar unerschütterlich, aber einem Menschen, der leben will, kann sie nicht widerstehen.« Allerdings konnte Johnson auch ganz anders. Sein eigenes Haus, das deutliche Anregungen von Mies van der Rohe zeigt, für den er 1947 im Museum of Modern Art in New York eine Ausstellung organisiert hatte, war ein Glashaus, das nur den Sanitärbereich verbarg (Glass House; 1949). Einen ähnlichen Weg, den man neben Postmodernismus auch mit den Vokabeln Neorationalismus und Neoklassizismus oder kritischer Manierismus belegt, schlugen in Japan der Kenzo Tange-Schüler und Pritzker-Preisträger 2019 (die Jury hob hervor, dass er allen stilistischen Kategorien trotze) Arata Isozaki, in Italien der im letzten Kapitel erwähnte Aldo Rossi, der in seinem Traktat L’architettura della città (1967) eine Übersetzung von Boullée einarbeitete, in den USA der Architekt und Architekturprofessor Michael Graves (Clos Pegase Winery, Napa Valley, Kalifornien; 1987), in Luxemburg und Deutschland Léon Krier, in Spanien Ricardo Bofill mit seinen bunten verschachtelten Wohnanlagen und sein Schüler Manolo Nuñez Yanowsky ein. Junge englische Architekten gründeten 1960 eine Gruppe und publizierten unter dem Namen ihrer subversiven Zeitschrift Archigram (architecture+telegram) ihre Programmatik. In einer Ausstellung 1963 am Londoner Institute of Contemporary Arts trat die Gruppe an die Öffentlichkeit: »Großformatige comicartige Zeichnungen zeigten eine neue Welt von morgen: naturfeindliche, technoide Weltraumstädte, frei wuchernde maschinengleiche Megastrukturen, die an Ölraffinerien erinnern.« Archigram orientierte sich an Vorbildern wie Antonio Sant’Elia und Buckminster Fuller sowie am Metabolismus der japanischen Architektur (eine Zusammenarbeit mit Kenzo Tange anlässlich der Expo 70 in Osaka mit einer Archigram Capsule war eine der wenigen ausgeführten Arbeiten). Und selbstverständlich gründete in solchen Ideengespinsten die Vorstellung eines Crossover. Peter Cook entwarf 1964 eine Plug-in-City, wo sich in einen riesigen Turm Wohnkapseln einhängen ließen, die man bei einem Umzug mitnehmen oder wegwerfen konnte, 1968/69 folgte eine In-



365

Die Entwicklung von bildender Kunst und Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg

stant City, während Ron Harron eine Walking-City (1964) projektierte, die als gesamte Stadt wie eine futuristische Arche Noah auf riesigen Stelzen über eine zerstörte Erde wandelt. Archigram war Ausfluss der Technik- und Fortschrittsgläubigkeit der Sechzigerjahre, gleichsam zwischen Futurismus und den heutigen im Silikon Valley ausgebrüteten Hirngespinsten stehend. Gedacht waren alle diese Projekte für kurze Zeiträume, Nachhaltigkeit war kein Thema. Es ging aber auch nicht primär um konkrete Umsetzung solcher Projekte, sondern um ideelle Anregungen für die zeitgenössische Architektur. Der Dekonstruktivismus in der Architektur knüpft bei den philosophischen Ideen Jaques Derridas an, seiner Kritik am Strukturalismus, seiner Methode der Dekonstruktion und seiner differance. »Der Dekonstruktivismus, der die Postmoderne als Suchbewegung Mitte der achtziger Jahre – durch eine Verwirrung der Geometrie – ergänzt und die Architekturdiskussion der letzten Jahre bestimmt hat, erscheint in dieser Sicht als eine Reprise des Konstruktivismus.« 1988 rückte eine von Philip Johnson organisierte Ausstellung über dekonstruktivistische Architektur in New York diese Position einer größeren Öffentlichkeit ins Bewusstsein. In der Übersetzung in die Architektur ging es eher um den Abschied von statischen Aspekten, für die der Begriff Metaphysik stand. Wie immer, wenn Dynamik gegen Statik ausgespielt wurde, ob im Hellenismus gegen die Klassik, im Manierismus und Barock gegen die Statik der Renaissance, die Genie- gegen die Regelästhetik in der Neuzeit, äußert sich das im konkreten Kunstwerk in einem überraschend unlogischen Aufbau, im Zerlegen von Ordnungsmustern in einzelne Komponenten und in einer dynamischen Formensprache. Frank O. Gehry, Coop Himmelb(l)au, Peter Eisenman, Zaha Hadid, Daniel Libeskind, Bernhard Tschumi sind einige der bekanntesten Vertreter.

5.1.2. 2.2.6./4.7.5.

Dekonstruktivismus

4.5.1.

Amsoneit 1994, 11

643 / 644 Zaha Hadid Architects, Wirtschaftsuniversität Wien

Coop Himmelb(l)aus UFA-Palast in Dresden (1998) ist ein kippender Glaskristall, der von einem Betonriegel durchstoßen wird. Daniel Libeskinds Jüdisches Museum in Berlin (1999) stellt einen eingefrorenen Blitz dar. Anders als die spielerisch und ironisch angelegte Architektur von Coop Himmelb(l)au ist Libeskind ein Beispiel dafür, dass Dekonstruktivismus keineswegs geschichtsvergessen sein muss. Im Ge-

366

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

IV.8.4.

Derrida in Eisenman 1995, 166

Brutalismus

genteil: die Auseinandersetzung mit Geschichte, und im Fall des Holocaust kann das für einen jüdischen Architekten keine ironische sein, ist hier sogar ein zentrales Element der Überlegungen. Seine Museumsbauten sind voller symbolischer Metaphern, die bis zum Versuch reichen, in der Architektur etwas »sichtbar« zu machen, was sich nicht mehr darstellen lässt. Insofern erscheint es konsequent, dass bereits in das leere Gebäude, ohne jedes Objekt der Ausstellung, in kurzer Zeit Tausende von Besuchern pilgerten. Während viele der Postmoderne zuzurechnende Architekten die Erzählungen der Architektur austauschen, gehen die Dekonstruktivisten massiver ans Werk. Peter Eisenman ist wohl jener Architekt, der am überzeugendsten die in der Literaturwissenschaft ausgearbeitete Dekonstruktion in die Architektur umsetzte. Eisenman nimmt die Architektur als Text und möchte sie von jeder Referentialität, sei sie vernünftig oder wahrnehmungsästhetisch, von jeder Anthropozentrik und von jeder ihr aus kulturellen Traditionen zugeschobenen Bedeutung befreien. Architektur verrät keine Intention, sie ist ein Gewebe, das sich bei jeder Interpretation weiterschreibt. Die Bedeutung eines Gebäudes soll seiner Erzeugung nicht konstitutiv vorausliegen, sondern Effekt des textuellen Prozesses dieser Erzeugung sein. Vor allem der Untertitel seiner gesammelten Schriften bringt sein Anliegen auf den Punkt bringt: Aura und Exzeß. Zur Überwindung der Metaphysik der Architektur (1995). Eisenman spielt mit der Darstellung des Undarstellbaren, etwas, das in seinem Berliner Holocaust-Mahnmal ziemlich überzeugend umgesetzt wurde. Über die theologischen Gehalte solcher Ambition entspann sich eine rege Diskussion mit Jaques Derrida: »Meine Frage hat jedoch nicht nur mit der Abwesenheit oder der Gegenwart der Abwesenheit zu tun, sondern mit Gott. […] Was unterscheidet Deinen architektonischen Raum, ob es sich nun um Wohnhäuser, Museen oder Forschungslaboratorien für Universitäten handelt, von jenem des Tempels und besonders von der Synagoge […]?« Dekonstruktivistische Architektur verlässt endgültig die alte Gleichung von Aufragen und Lasten. Philosophisch betrachtet dekonstruiert sie Metaphysik, bleibt aber zwangsläufig selbst eine Erzählung. Sie erzählt von der Dekonstruktion der (statischen) Metaphysik, denn schließlich benötigt es einen erheblichen Aufwand an statischen Berechnungen, damit die Gebäude von Zaha Hadid oder Frank O. Gehry nicht wirklich kippen, explodieren oder zusammenbrechen. Legt man einen Metaphysikbegriff zugrunde, der nicht auf einem statischen Seinsbegriff ruht, sondern als Erzählung über das Sein und das Seiende verstanden wird, zeigt gerade eine dekonstruktivistische Kunst die Unüberholbarkeit von Metaphysik – jetzt im Sinne einer kulturellen Erzählebene verstanden. Auch nach Lyotards Bericht über die Verabschiedung der großen Erzählungen bleiben dekonstruktivistische Architektinnen Erzählerinnen. Scheinen dekonstruktivistische Bauwerke von der Erde abzuheben, erscheinen Architekturen des Brutalismus extrem geerdet. Im Sinne von Ehrlichkeit und Transparenz in der Architektur wurden einerseits die Trägerstrukturen offen gezeigt, andererseits das Material nicht mehr durch Verputz verborgen, auch wenn es Stahlbeton war. Kritiker bemängeln, dass ein Verzicht auf jede Eleganz und Formambition als



367

Contemporary – Tendenzen der Gegenwart in Architektur und Kunst

Ehrlichkeit des Bauens verkauft wird. Es soll der schwedische Architekt und Professor an der Technischen Hochschule in Lund, Hans Asplund, gewesen sein, der für solche Sichtbetonbauten und die vage Vermischung von Ästhetik und Ethik den Ausdruck Brutalismus prägte. Andere schreiben ihn dem Architektenpaar Alison und Peter Smithson zu, die ihn in einer Architekturzeitschrift 1953 erstmals verwandten. Ob die Verwendung des Begriffs béton brût für Sichtbeton beim späteren Le Corbusier oder Anklänge an die von Jean Dubuffet geprägte Art Brut, die einen neuen Primitivismus in der Kunst (hier nicht in Beton, sondern in den neuen Kunststoffen wie Polyester) meinte, den Ausschlag gegeben haben, ist nicht bekannt. Dubuffet suchte eine Kunst abseits der akademischen Vorstellungen und sympathisierte mit der Kunst von Geisteskranken, mit primitiver Kunst und der Kunst von Kindern. Er gründete 1948 mit Breton und Tapié eine Compagnie de l’Art brut und organisierte Ausstellungen. Zu der Balance von Form und Formlosigkeit und dem Verwischen der einzelnen Kunstgenres kamen unkonventionelle Materialien, Beton, Sand, Teer, Stroh. Es gibt solche Beispiele von vielen Architekten wie Robert Venturi, der mit Saarinen und Louis Kahn zusammengearbeitet hat, den italienisch-argentinischen Architekten Testa Clorindo, Paolo Mendes da Rocha, Paul Rudolph oder Oswald Mathias Ungers. Der oben erwähnte Louis Kahn, ein Bewunderer von Ledoux und Boullée, realisierte archaische geometrische Beton- und Ziegelbauten, gleichsam die Gegenstrategie zur Glasarchitektur. Neuerdings gelten brutalistische Bauten als vom Aussterben bedroht und werden dementsprechend in Ausstellungen und Literatur gewürdigt.

Kat. 2017c 645 Peter Kogler, Rauminstallation (2018/19); Galerie Widauer, Innsbruck

6.0. Contemporary – Tendenzen der Gegenwart in Architektur und Kunst In den letzten Kapiteln wurde die Entwicklung der modernen Kunst an vielen Stellen bereits bis zur Gegenwart ausgezogen. Terminologisch haben sich für die Kunst der Gegenwart die Ausdrücke zeitgenössische Kunst, Gegenwartskunst oder Contemporary Art eingebürgert. Die Frage nach der sowohl zeitlichen als auch inhaltlichen

368

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Brüderlin 1991, 75

Smith 2011, 8

Ebd., 79/79/45

Unterscheidung der Contemporary Art von der Avantgarde und den Nachkriegspositionen wird sehr unterschiedlich beantwortet. Die zeitliche Einordnung ist naturgemäß im Fluss. Der hier unterbreitete Vorschlag, (spätestens) ab der Documenta11 2002 von zeitgenössischer Kunst zu sprechen ist eher symbolisch, jedenfalls vorläufig und unterliegt einer ständigen Revision. Er lässt sich ebensowenig an der Kunstproduktion festmachen wie andere Vorschläge, die meist ein oder zwei Jahrzehnte früher ansetzen. Die Motivation für den hier unterbreiteten Vorschlag ergibt sich aus der Globalisierung von Kunst und Architektur, wie sie ab den Neunzigerjahren die Kunstszene mehr und mehr bestimmte und mit der Documenta11 publikumswirksam dargestellt wurde. In diesem Fall bedeutet das nicht bloß, dass neue Spieler in die Kunst- und Architekturszene drängen, sondern dass Kunst tatsächlich global geworden ist, sowohl was die Form als auch was die Inhalte betrifft. In einer genaueren Differenzierung mag man Internationalismus als »Ausdruck einer emanzipierenden Bewußtseinsgeschichte, die von einem ästhetisch-geistigen Weltbürgertum der Avantgarde, die durch einen mehr oder weniger gemeinsamen Schatz von Utopien und Ideen verbunden war, aufgebaut werden mußte«, vom Globalismus als »rein kommunikationstechnologisch und ökonomisch bedingte[r] Vernetzung bestimmter Weltpunkte« unterscheiden. Sondierungen »des Europäischen« in der Kunst oder die Zuschreibung dieser oder jener Strömung der neuen Leuchttürme in Amerika haben sich weitgehend erledigt. »Contemporary art is – perhaps for the first time in history – truly an art of the world. It comes from the whole world, and frequently tries to imagine the world as a differentiated yet inevitably connected whole.« Interessanter ist, ob sich jenseits des zeitlichen Aspekts mit der Globalisierung inhaltlich Unterscheidungsmerkmale zur auslaufenden Avantgarde feststellen lassen. Solche Abgrenzungen wurden verschiedentlich versucht. Ich sehe aber nicht, dass man dabei über Gemeinplätze hinauskam. Auch Brüderlins Unterscheidung ist bei aller Plausibilität nur bedingt gültig, denn es gibt durchaus auch in der globalisierten Kunstszene versprengte Reste von Utopie und energisch vertretene Aufklärungselemente, Motive, die man gewöhnlich europäischen kulturellen Erzählungen zurechnet. Es mag große Teile der zeitgenössischen Kunst und Architektur zwar charakterisieren, aber kaum definieren, wenn man auf ihren Event-Charakter verweist: »Thus museums, artists, galleries, auction houses, and collectors have sought a brand image, an iconic form to distinguish themselves from competitors – others in the visual arts, in the culture industry in general, and within the broader spectrum of leisure and tourism. For museums, the stylishness of their architecture has become a primary element of identification.« Demnach habe die Neuinterpretation der künstlerischen Imperative der Avantgarde und die Feier der populären und kommerziellen Kultur der Kunst einen Spektakel-Charakter verliehen: »In these two senses, official Modern Art has become official Contemporary Art; only the name has changed.« Der Übergang von der modernen zur zeitgenössischen Kunst wäre dann denkbar unspektakulär: »By the 1990s, contemporary art had come to replace modern art as the dominant art movement.«



Contemporary – Tendenzen der Gegenwart in Architektur und Kunst

Auch die offensichtlich scheinende Charakteristik, dass sich in der Gegenwartskunst keine eng eingrenzbaren Strömungen mehr ausfindig machen lassen, muss sich erst noch aus historischem Abstand bewähren und setzt eine Entwicklung fort, die spätestens nach dem Krieg anhob. Gleichwohl gibt es die eine oder andere Generalpause. 1972 gestaltete Harald Szeemann mit der documenta 5 ein viel beachtetes Fazit über die Kunst der Avantgarde, exakt zu einem Zeitpunkt, wo sich der Aufbruch der Sechzigerjahre mit vielen anspruchsvollen Utopien auf der einen und destruktiven Momenten, die sich gegen die Vergangenheit richteten, auf der anderen Seite erschöpft hatte. Mit Szeemanns Kuratierung der Documenta begann – wie oben bereits bemerkt – das Zeitalter der Kuratorinnen, was letztlich auch eine neue Dimension der Museumsarchitektur unterstützte, weil Museen in den urbanen Räumen zu Orten von Events wurden. Äußere Erscheinung und innerer Raum fallen auseinander. Zum Unterschied von einer reich codierten Außenansicht ist der Innenraum in der Regel ein steriler, nicht-codierter Raum, für den Brian O’Doherty 1976 als Symbol der Gegenwartskunst den Ausdruck White Cube prägte und darüber vielfache Reflexionen anstellte (Inside the White Cube: The Ideology of the Gallery Space; 1986). Analog dazu bleibt die Frage nach weltanschaulicher oder philosophischer Grundierung der Kunst, so sehr eine solche dem postmodernen Verdikt über die Erzählungen zum Opfer gefallen scheint, einer resümierenden Analyse erst aus einigem Abstand offen. In aller berechtigten Fragwürdigkeit kann man terminologisch von Moderne in der Kunst ab der Mitte des 19. Jh.s sprechen und ihr aus heutiger Sicht bereits einen musealen Wert zuerkennen. Der Begriff der Avantgarde steht für die Strömungen am Beginn des 20. Jh.s, die einen deutlichen Aufbruch in eine neue Zeit anstrebten, welcher Aufbruch durch zwei Kriege schmerzhaft unterbrochen wurde. Die Suchbewegungen der Kunst nach dem Krieg markierten dann den Übergang von den noch einigermaßen prägnant identifizierbaren Avantgarde-Strömungen zu deren Fortsetzung in den Positionen der Gegenwart. Es ist daher nicht falsch, den Begriff Contemporary abzurüsten auf das, was er schlicht bedeutet: Zeitgenössisches, das an die Strömungen der Moderne anschließt und sich in einer erheblichen künstlerischen Vielfalt mit den Themen der Zeit auseinandersetzt. Vor diesem Hintergrund scheint es angeraten, zum Abschluss dieser ausführlichen historisch-systematischen Darstellung ihre in die Zukunft weisenden Tendenzen der Gegenwartskunst in groben Zügen zu umreißen. Dies gelingt ganz gut hinsichtlich der in den letzten Kapiteln dargestellten Strömungen, denn kontextuell lassen sich um die zweite Jahrtausendwende keine derart umstürzenden Entwicklungen festmachen wie am Beginn der Moderne mit Industrialisierung, Säkularisierung, globalem Kapitalismus und dem Aufblühen von Mega-Städten. Selbst wenn es auch um die großen Themen der Gegenwart geht: Globalisierung, Klimaproblem, Migration, Nationalismus, dominiert die Thematisierung der konkreten Lebensbedingungen in einer mit Problemen der Zeit befassten globalisierten Welt. Die Megatrends der Gegenwart sind nicht dazu angetan, große utopische Gesellschaftsentwürfe an sie zu knüpfen. Es geht eher darum, mit den aktuellen Lebensbedingungen

369

370

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ebd., 296/9

Marzona Daniel in Holzwarth/Taschen 2011, 582 Schneckenburger Manfred in Walther 1998, 575 VIII.3.2.2.f.

Klotz 1994, 24

Schneckenburger Manfred in Walther 1998, 562

umzugehen. Für die zeitgenössischen Kunstströmungen mag daher gelten: »Impermanent, unrepeatable, transitional, they reflect the occasional character of contemporary life.« Sieht man es so, kann man weniger vom Anbruch einer Periode der Contemporary Art sprechen als vielmehr von einer Veränderung bisheriger Strömungen. Ob man das gar einen »Herbst der Moderne« nennen sollte, wird erst die Zukunft zeigen. Momentan scheint es verfrüht, bereits von »simply the latest manifestation of modern art« zu sprechen. Oftmals wird ab den Neunzigerjahren in resignativem Ton in der Gegenwartskunst Richtungslosigkeit, Ironie und Unernst konstatiert: »Blickt man auf die Gegenwart, lässt sich feststellen, dass die Ernsthaftigkeit und Verantwortlichkeit, mit der die frühen Konzeptkünstler die Grundlagen aller Aspekte der Kunst einer kritischen Revision unterzogen, heute einer weitgehend ironisch-spielerisch[en], distanziert[en] und ideologiefreien Kunstpraxis gewichen sind, sei sie nun konzeptuell oder nicht.« Das alles ist naturgemäß der Blick der Gegenwart, der aufgrund des fehlenden Abstands nicht sondiert und keine Ordnungsmuster ausmachen kann, mit denen man zeitgenössische Kunst einordnen könnte. Es stellen sich dabei bemerkenswerterweise ähnliche Fragen, wie sie sich bei der Stilvielfalt des 19. Jhs gestellt haben: »Ob daraus ein Gefühl der Ratlosigkeit, Resignation oder Freiheit resultiert, hängt vom Blickpunkt ab.« Nun besteht die Gegenwartskunst nicht nur aus postmodernem Neohistorismus und Ironisierung, was man noch als »Neokonservativismus« (Habermas) abhandeln konnte und wo gelten mochte: »Die Geschichte als Paradigma wieder zuzulassen heißt, das frische, zukunftsweisende Potential des aus der Selbstbegründung gewonnenen Neuen zu verraten, heißt Fortschritt anzuzweifeln und die ahistorische Reinheit der Moderne regressiv zu besudeln.« Die Fragen, die an die Kunst und Architektur der Gegenwart zu stellen sind, sind indes andere: Arbeitet sich Kunst jenseits eines nostalgischen Neohistorismus wieder an der kulturellen Erinnerung ab oder begnügt sie sich mit der Ironisierung? Bleibt sie der Idee der Selbstreferentialität verhaftet oder versteht sie sich wieder als gesellschaftskritischer und/oder philosophischer Beitrag? Was bedeutet Raum? Geht es um Orte, geht es um einen inneren Erlebnisraum, geht es um die Zerstückelung des Raums wie im Konstruktivismus? »Viele Skulpturen lassen sich jetzt eher in den Kategorien von Weg und Richtung, Platz und Mitte, Feld und Ära, Innen und Außen als in traditionellen Begriffen wie Material, Masse, Volumen, Komposition und Rhythmus verstehen.« Das sind Leitfragen, mit denen die Positionen in den folgenden Kapiteln vorsichtig und vorläufig ausgemessen werden sollen. Es wird sich zeigen, dass in vielen Fällen dem flüchtigen Charakter der Zeit eine temporäre und vergängliche Form der Kunst und Architektur entspricht. Dazu kommt, dass Kunst und Architektur zu einem Megatrend der globalen Gesellschaft geworden sind, wobei trotz dieses Tatbestandes die Abteilung Gegenwartskunst mit ihrer vermeintlich schwer verständlichen Formensprache weitgehend auf eine Elite ausgerichtet bleibt. Es geht im Folgenden nicht mehr um historisch oder sachlich abgeschlossene Strömungen, sondern um Tendenzen. Beispielsweise ist die Street Art gewiss nicht die aktuellste Form der



371

Contemporary – Tendenzen der Gegenwart in Architektur und Kunst

Kunst, aber sie ist eine verbreitete und Aufmerksamkeit erregende Tendenz, ebenso wie das Crossover, das es aussichtslos macht, in der zeitgenössischen Kunst noch eine scharfe Trennung der einzelnen Kunstgenres durchzuführen. Ebenso ist die Medienkunst keine eigenständige Kunstform mehr, sondern ist ein Material- und Formprinzip, das sich in allen Genres zeigt. 646 Renzo Piano, NEMO-Science Center (1997); Amsterdam

6.1. Die Architektur zwischen Funktionalismus und Crossover Günter Behnischs und Frei Ottos Zeltdachkonstruktion des Olympiageländes in München (1972), Jørn Utzons Oper von Sydney (1973), Minoru Yamasakis World Trade Center in New York (1974–2002), Richard Rogers und Renzo Pianos Centre National d’Art et de Culture Georges Pompidou in Paris (1977), Frank O. Gehrys Guggenheim Museum in Bilbao (1997), Norman Fosters Swiss Re Tower in London (2004), Ole Scheerens China Central Television Headquarters in Peking (2009), Herzog und de Meurons Elbphilharmonie in Hamburg (2017), Jean Nouvels Louvre Abu Dhabi (2017) übernehmen als Ikonen der Architektur des späten 20. und beginnenden 21. Jh.s die Funktion von globalen Massenmedien, wie sie bereits die Zikkurats im Alten Orient erfüllten, und verbinden die Welt zu einem Global Village im besten Sinn. Diese Solitäre stechen nicht zuletzt wegen ihres skulpturalen Charakters hervor. Eigentlich handelt es sich um Skulpturen, die in gigantischer Größe in die Landschaft gestellt wurden. Natürlich gab es ein solches Bauen immer, aber bei der zeitgenössischen Architektur ist die Verweigerung, sich noch in irgendwelche Stiloptionen pressen zu lassen, besonders offensichtlich. Stil wird hier zum Branding eines Architekturbüros oder einzelner Namen von Architektinnen und Architekten. Überlappende Ordnungsmuster ergeben sich allenfalls noch aus den Gemeinsamkeiten in den theoretischen Metatexten der einzelnen Büros. Bauen sie nach dem Maschinen-Vorbild, nach biomorphem Formenrepertoire, streng minimalistisch und funktionalistisch oder experimentieren sie mit neuen Materialien und testen sie temporäre Architektur? Wie sehr die zeitgenössische Architektur von der Handschrift einzelner Architekturbüros geprägt ist, zeigen die seit 2000 jährlich wechselnden temporären Serpentine Pavilions auf dem Gelände der Serpen-

II.1.2.4.

372

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

647 Brücke von ­Santiago Calatrava (2008); Jerusalem

VIII.3.2.3.1.

5.3.1. Sigel Paul in ATh, 814

2.3.2.

V.7.4./VIII.3.2.3.2.2.

tine Gallery in den Kensington Gardens in London. Es sind geradezu Musterhäuser einer vom jeweiligen Büro kreierten Formensprache, die sich auch in den anderen Bauten dieser Firma findet. Die Motivation zum Experimentieren und zu ungewöhnlichen, skulpturalen Lösungen liegt in der Tatsache, dass der Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg wiederum neue Aufgaben zugewachsen sind. Das verbreitete Diktat des Designs verlangt, dass neben Häusern, Museen, Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Konzertsälen, Flughäfen, Industriegebäuden, Sportstätten, auch kleiner Bauaufgaben in den Aufgabenbereich von Architekten und Künstlern fallen: Feuerwehrhäuser (Zaha Hadid, Feuerwehrhaus der Firma Vitra, Weil am Rhein; 1993), Brücken (Santiago Calatrava, Puente del Alamillo; 1992; davon inspiriert: Ben van Berkel, Erasmus Bridge, Rotterdam; 1996), bis hin zu Stellwerken (Herzog & de Meuron, Signal Box, Basel; 1995), Fernmeldetürmen (Sir Norman Foster, Torre de Collserola, Barcelona; 1992), Lüftungsschächte (Ito Toyo, Turm der Winde, Yokohama; 1986) und Aussichtsplattformen (Anish Kapoor/Cecil Balmond, ArcelorMittal Orbit, London; 2012). Solche Aufzählungen zeigen zudem, dass sich in der Gegenwart die klassische Architektur und die Ingenieursleistung nach ihrer Trennung im 19. Jh. wieder zugunsten einer künstlerischen, ja sogar bildhauerischen Ambition versöhnt haben. Die Architektur beschreitet einen neuen, vielgestaltigen Weg zwischen Funktionalismus und Historismus. Ein wichtiger Theoretiker und Architekt im Zusammenhang mit diesem Anliegen ist der 1944 in Rotterdam geborene Rem Koolhaas. Seine Traktate Delirious New York: A Retroactive Manifesto for Manhattan (1978) und S, M, L, XL (1995) – allesamt Bestseller – wiesen einen Weg in eine neue Moderne, die den eindimensionalen Funktionalismus überwand, aber nicht in einen Historismus zurückfiel. Manhattan ist für Koolhaas das urbane Beispiel einer »Kultur der Dichte«, also einer Verdichtung von Lebensformen, Kulturen, Weltanschauungen, wie es für urbane Zentren heute weltweit gilt. Diese Verdichtung der Kultur prägt auch die Bauwerke, deren äußere Form Ausdruck der Qualität des Bauwerks ist, aber nicht der sich ständig wandelnden inneren Funktion. Wie bei Paolo Soleri ist das eine klare Ablehnung der modernen Parole von der Form, die sich aus der Funktion ableite. »Jeder Block kann zu einer eigenen, in sich abgeschlossenen und gleichzeitig hochflexiblen Welt werden, […].« Nicht nur Architekten und Ingenieure arbeiten zusammen. Zu ihnen stoßen bildende Künstlerinnen, Marketing- und Werbefachleute, Philosophen und schließlich Computer- und Softwarespezialistinnen. War um die Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jh. der Stahlbeton ein neues Material, das auch die Formensprache beeinflusste, kam um die letzte Jahrhundertwende Computer-Software ins Spiel, mit der man eine völlig neue Art von komplexen kurvigen Strukturen erzeugen kann. Wieder, wie in der Ornamentik des arabischen Mittelalters, verhilft eine mathematische Entwicklung zu neuen Formen in der Kunst. Aber auch hier gilt dasselbe, was bereits im Mittelalter und im 19. Jh. angemerkt wurde, dass hinter der technischen Möglichkeit Ideen und Erzählungen stehen. Zaha Hadids Bauten entstanden nicht, weil es so fortgeschrittene Computer-Programme gibt (wenngleich ohne diese die



373

Contemporary – Tendenzen der Gegenwart in Architektur und Kunst

Realisierung vieler Projekte nicht möglich wäre), sondern weil sie den Ideen des Dekonstruktivismus anhing und ihre Gebäude gleichsam gefrorene Explosionen sind, die einen hohen Rechen- und Designaufwand besitzen.

6.1.1. Maschine und Utopie Dass sich die Nike von Samothrake dem Vergleich mit einem Rennwagen (Marinetti) stellen muss, ein Wohnhaus dem mit einer Maschine (Meyer, Le Corbusier), ein griechischer Tempel dem mit einem Automobil (Le Corbusier) und dass Motoren, Maschinen und Schlachtschiffe als Kunstwerke des Jahrhunderts bezeichnet werden und sich die Architektur daran misst (Le Corbusier), all das entspricht nicht gerade den gängigen Erwartungen in der Begegnung mit Kunst und Architektur. Aber es zeigt die Faszination, die die Maschine vom Beginn des 20. Jh.s bis in die Gegenwart ausstrahlt. Im Geist von Karl Marx verband man bereits im russischen Konstruktivismus und im Bauhaus Industrie und Maschine mit einer utopischen Erzählung über die Gesellschaft der Zukunft. Konrad Wachsmanns legendäres Buch Wendepunkt im Bauen, 1959 verfasst, beschrieb die Geschichte des modernen Bauens als eine Entwicklung der Technologien. Es bildete auch einen Resonanzraum des Technikoptimismus der Sechzigerjahre: »[…] nun wird es nicht mehr nötig sein zurückzublicken, um aus dieser großen Vergangenheit zu lernen, […] Es kommt nicht darauf an zu wissen, wohin der Weg führen wird. […] Die Arbeit selbst im Sinne technologischer und soziologischer Gegenwartsbedingungen wird die Richtung weisen.« Dennoch blickt Wachsmann zurück und stellt in seinem Buch – ganz im Sinne einer technischen Gotik-Deutung – ein System gotischer Gewölberippen (etwa des Hradschin in Prag) Stahlkonstruktionen (Eiffelturm in Paris) gegenüber. Und es war ihm wichtig, für die standardisierte industrielle Fertigbauweise eine qualitätsvolle Architektur einzufordern. »Die wissenschaftlich technologische Perfektion ist die Voraussetzung, das Ziel aber bleibt das Ringen um die Erkenntnis und die Kunst des Bauens.« Die Maschinenmetapher kann sich sowohl als architecture parlante als auch als technischer Rahmen für ­Transparenz und luzide Struktur bewähren. Der Wiener Architekt und Karikaturist (Pseudonym Ironimus) Gustav Peichl ließ in den Achtzigerjahren die Landesstudios der hochtechnischen Medienmaschine des Österreichischen Rundfunks (ORF) als Zwi­schenwesen von Schiff und Industrieanlage in den Landeshauptstädten gleichsam vor Anker gehen – Ent- und Beladestationen von Information und Unterhaltung. Viollet-le-Duc dechiffrierte seinerzeit die Gotik als Metapher einer ungeschmin­ kten Transparenz der Konstruktion. Das Centre Pompidou von Richard Rogers und Renzo Piano ist ein offener Bau, der seine Konstruktion samt Erschließungseinrichtungen und Versorgungsleitungen nach außen kehrt. Weil er dabei auch seine Raum-

648 Renzo Piano, Richard Rogers, Centre Pompidou (1977); Paris

2.2.7.f.

Wachsmann 1959, 231

Ebd., 232

649 Gustav Peichl, Landestudio Tirol des ORF; Innsbruck

374

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Smith 2011, 76

VIII.3.2.3.1./2.2.8.

Balmond 2013, 21

Ebd., 8 III.2.4.2./III.3.4.3.

grenzen auflöst, kommt ihm die zusätzliche Eigenheit zu, die Schwelle von Alltag und musealer Kulturverdichtung zu beseitigen. Auch bei dieser Container-Maschine mag man einen Aspekt einer architecture parlante erkennen, sollte die Intention der Architekten gewesen sein – vielleicht mit Anleihen an die Visionen von Archigram –, den Kunstbetrieb mit dem Funktionieren einer Maschine zu vergleichen. Jedenfalls weckt der Blick auf die spektakuläre Hülle hohe Erwartungen, was den Inhalt angeht: »In truth, the structure was more contemporary than its contents.« Die Maschinenmetapher war in der zweiten Jahrhunderthälfte ein zentrales Motiv auf dem gesamten Globus, ob bei Norman Fosters Hongkong-und-Shanghai-Bank (1986) oder Richard Rogers Lloyd-Zentrale London (1986). Der Titel für dieses Kapitel deutet letztlich auch an, dass im späten 20. Jh. die ein Jahrhundert vorher erfolgte Trennung der kreativ-künstlerischen Architektur von der technischen und pragmatischen Ingenieurskunst – ebenso wie die säuberliche Unterscheidung der Genres der Künste – gründlich überwunden wurde. Leute wie Buckminster Fuller oder der britische Künstler und Designer Cecil Balmond zeigen das eindrucksvoll. Balmond schreibt über eine Arbeit, die er mit Anish Kapoor 2002 in der Tate Modern realisierte (Marsyas): »Art, architecture and engineering emerge in one precision.« Bei fortgeschrittener Ambition solcher Projekte spricht man mittlerweile von Forschungsleistungen und evoziert damit die alten wissenschaftlichen Ansprüche an den Architekten, wie sie am strengsten von Pytheos, weniger streng, aber dennoch energisch von Vitruv vertreten wurden: »[…] the author of the building is not an artist, more a researcher: an attitude that keeps one focused on the material at hand, its shaping connections, its innate mystery.« Richard Buckminster Fuller war einer der bekanntesten Experimentalarchitekten, deren Tätigkeitsbereich bis zur Konstruktion von Autos reichte. Eine seiner besonderen Leidenschaften war – mit viel Anregungen aus dem Phantasie-Repertoire von Bruno Taut – das Experimentieren an der archaischen Form der Kugel und an riesigen Kuppeln aus Metall, Kunststoff oder Holz, halbkugelförmig oder in Polyederform (z.B. amerikanischer Pavillon für die Expo 1967 in Montreal). Seit der Wende ins 21. Jh. verliert die Maschine als Symbol einer analogen-mechanischen Welt an Glanz. Die Konstruktion von Gitternetzen, Seifenblasen, Luftstrukturen setzt nicht nur gefinkeltes technisches Know How voraus, sondern hoch entwickelte Computer-Programme. Dabei steht nicht mehr das Technische im ­Vordergrund, sondern biomorphe Formen und die Herausforderung der Nachhaltigkeit.

6.1.2. Biomorphie und Metabolismus – physical vs. digital

2.3.5.

Es wäre eine schöne Geschichte, hätte tatsächlich die magische Begegnung Le Corbusiers mit einem Krebspanzer auf Long Island seine Konversion von der Maschinenmetaphorik zur biomorphen Form ausgelöst. Jedenfalls stiftete das, was hier in eine Architekten-Biographie hineingelesen wird, in der Architekturgeschichte nachhaltig wirkende Vorlagen für das zeitgenössische Bauen, über die im letzten und in diesem Kapitel berichtet wird.



375

Contemporary – Tendenzen der Gegenwart in Architektur und Kunst

650 Helmut Jahn, Kuppel aus Glas und Stahl, Sony-Center (2000); Berlin 651 Wolfgang Buttress, Kuppel des Pavillons für die Expo 2015; Mailand

Während die Maschinenmetaphorik vor allem ein Echo der Wissenschafts- und Technikeuphorie des 19. und beginnenden 20. Jh.s war, durchzieht die biomorphe Form die Architekturgeschichte seit den Megalithen, den Mastabas und der Urhütte Vitruvs von Anfang an. Dabei ging es nicht einfach um Naturnachahmung in der Architektur, sondern darum, dass Architektur als Resonanzraum für die (zusätzlich religiös überhöhten) kosmischen Naturzusammenhänge verstanden wurde. Das gilt für Zikkurat, Pyramide, Obelisk, den griechischen Tempel, der mit der Landschaft verwoben wurde wie eine Skulptur, aber auch für einzelne Formen wie Kuppel, Treppe, Säulenstraße oder Tor. In der Renaissance schoben sich die menschlichen Proportionen in den Vordergrund – nur teilweise Niederschlag des Humanismus, denn der Mensch wurde als Brennglas und Abbild kosmischer Ordnung betrachtet. Ab dem späten 19. Jh., besonders in der Jugendstil-Ornamentik, wurde die Pflege der Formen der Natur zu einer Kritik am Funktionalismus und zu einem Protest gegen die geometrische Form des Internationalen Stils. Selbst Kritiker des Funktionalismus in Bauhaus und De Stijl wie Friedrich Kiesler plädierten für biomorphe Formen. Die Entwürfe von Frank Lloyd Wrights Präriehäuser und sein Haus Fallingwater waren ebenso Gegenpole zum Funktionalismus aus dem Geist der Naturnähe wie Oscar Niemeyers Bauten, bei denen »Garten, Wald und Haus ineinander übergehen.« Bereits die runde, geschwungene Form galt als antifunktionalistisch und biomorph, der Natur ähnlich, sodass sich bald »bunte Vögel« in diese Positionen mischten, die auf eher kuriose Weise gegen die gerade Linie und den rechten Winkel käm­pften und eine phantasievolle bunte und pralle Welt der Natur in die Bauwerke einschleusten. Der Maler und Architekt Friedensreich Hundertwasser formulierte auf den Spuren Antoni Gaudís 1958 ein verschimmelungs-manifest gegen den rationalismus in der architektur. In seinem architektonischen Beitrag kam er allerdings kaum über eher skurrile und äußerliche »Behübschungsaktionen« hinaus. An biomorphen Formen steht alles, was die Natur vorgibt, zur Disposition: Wasser und Erde, geologische Formationen, tierische- und Pflanzenstrukturen, Mikrostrukturen, die nur unter dem Elektronenmikroskop sichtbar werden. Die Baummetapher wurde angewandt beim basilikalen Hypostyl des Karnak-Tempels und in der Gotik. Sie kommt wieder bei zeitgenössischen Bauwerken wie beim Vordach des Marriott-Hotels in Frankfurt am Main (2011): »The canopy not only mimics the appearance of tree branches, but also implements their structural capabilities. Finite

2.2.8. 2.3.3. Hess 2006, 30 2.3.2.

652 Karnak-Tempel: Blick auf eine Palmengruppe VIII.9.2.3.3.

376

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Agkathidis 2017, 81 6.1.4.

Lebedew 1983, 19

Reißer/Wolf 2003, 378

6.1.4.

Harries 2017, 87

element analysis was used to help optimize form: curvature was added to the steel lattice structure and columns, offering a more efficient structural behaviour, thereby minimizing material usage and construction costs.« Dabei geht es nicht in erster Linie um ökologisches und nachhaltiges Bauen, sondern, wie schon in der bildenden Kunst von Picasso über Hans Arp bis Henry Moore, um das ins Abstrakte gleitende Arbeiten mit Formen, wie man sie in der Natur findet. Frank O. Gehry errichtete 1992 eine goldene Fischskulptur (El Paix) in Barceloneta, Santiago Calatrava gestaltete 1994 den TGV-Bahnhof Lyon-Satolas in der Form eines Vogels. Jean Nouvel entwarf sein National Museum of Qatar in Doha (2017) nach dem Vorbild der Sandrose (auch Wüstenrose), ein bizarres Gebilde aus Sand und Gips. In der zeitgenössischen Kunst und Architektur ergibt sich der Reiz der Biomorphie aus dem Umsetzen der Naturformen in die Geometrie und Zahl. Es ist ein demiurgisches Projekt im besten Sinn des Wortes. In den Sechzigerjahren entstand dazu der Begriff der Bionik, der die Übertragung von Phänomenen der Natur auf die technische Ebene meinte. Es geht stets auch darum, Analogien »zwischen den Entwicklungsgesetzen der organischen Natur und der gebauten Umwelt bewußt zu machen.« Bereits den Pionieren der biomorphen Architektur, von Frei Otto über Buckminster Fuller, Greg Lynn, Hani Rashid, Jeffrey Kipnis (Theoretiker) bis zu Hernán Alonso Diaz, ging es um die Verbindung von technischer und formaler Faszination. Solche komplexen Formen der Natur, von Mikrostrukturen bis zur fraktalen Geometrie, umzusetzen, ist keineswegs trivial. Kunst und Architektur benötigen dazu interdisziplinäre Projektarbeit. Beispielshaft sei die Forschungsgruppe Biologie und Natur erwähnt, die Frei Otto mit einem befreundeten Biologen gründete. Es ging um die Untersuchung von Strukturen bei Pflanzen und Algen, von denen sich Entwurfsvorlagen für ein biomorphes Bauen ableiten ließen. Otto war Partner von Günter Behnisch für die zeltartige Überdachung der Sportstätten im Münchener Olympiastadion. »Günter Behnisch und der Konstrukteur Frei Otto verwirklichten […] im Olympiagelände und dem großen Stadion als dessen Mittelpunkt eine Vision, in der sich soziale Transparenz, konstruktive Kühnheit und landschaftliche Offenheit verband.« Otto dachte auch ökologisch und experimentierte mit Lösungen für die Sicherung akzeptabler Lebensbedingungen in Gebäuden in klimatisch extremen Gegenden. Biomorphes Bauen rührt hier an Gedanken der Nachhaltigkeit und an soziale Verantwortung. Im Grunde steht die zeitgenössische Architektur vor zwei Herausforderungen, die eine kreative Spannung herstellen: »One has to do with the way the inevitably limited resources provided by this small planet have to collide with a still increasing humanity and demands for a higher standard of living. The other with the way an ever developing technology, and today especially the digital revolution, have opened up our everyday existence in ways that will continue to transform our lives in ways we cannot quite foresee.« Der 1969 in Buenos Aires geborene Hernán Alonso Diaz arbeitet genau an dieser Schnittstelle und erstellt mittels avancierter Computertechnik vegetabile und ornamentale organische Formen. Wenn es geht, gruppiert er mehrere Bauwerke in diesem



377

Contemporary – Tendenzen der Gegenwart in Architektur und Kunst

Sinn zu einem Gesamtsystem, ein Tun, das in der Kritikerszene für großes Aufsehen sorgt: »[…] in diesem Lob seines ›holistischen Architekturverständnisses‹ wird von ›Mutationen‹ über ›Evolution‹ bis zum ›Hybrid‹ ein Begriffsarsenal aufgefahren, das Architektur als zweite Natur und den Architekten als genialischen alter deus in terris erscheinen lässt.« Ein solcher genialischer Zweitschöpfer war auch der im letzten Kapitel erwähnte Buckminster Fuller mit seinen archaischen sphärischen Formen. Fuller wird das Kunstwort Tensegrity (engl. tension/Zugspannung + integrity/Ganzheit) zugeschrieben. Damit beschrieb er ein Gebilde, in dem einzelne Stäbe nicht direkt, sondern durch Zugelemente miteinander verbunden werden. Die Idee selbst war nicht neu, schon im russischen Konstruktivismus wurde damit experimentiert, aber ins Bewusstsein der Architekten rückte dies erst jetzt. Die Anordnungen versprechen Leichtigkeit und Stabilität, unabhängig von äußeren Bedingungen, aber sie sind schwierig zu beherrschen und in der Praxis immer noch im Stadium des Experimentierens. Die Verbindung von Biomorphie mit hochentwickelten technischen Instrumenten ist das architekturphilosophische Konzept des Metabolismus, das 1960 von Kisho Kurokawa propagiert wurde (Metabolism 1960 – A Proposal for a New Urbanism). Es handelt sich um ein Konzept, das sich an den Naturzyklen orientiert und diese mit der Metaerzählung des Buddhismus anreichert. Kurokawa setzt eine solche organische Idee um, indem er beispielsweise Wohnkapseln aggregiert (Nakagin Capsule Tower, Tokio; 1972). Sie erinnern an das »Bild einer Synthese von fiktiver Weltraumarchitektur und biologischen Organismen.« In einem Manifest 1960 wurden solche Analogien zwischen Lebensvorgängen von Geburt, Wachstum, Tod und der Architektur ausdrücklich thematisiert. Kenzo Tange entwarf utopische Stadtkonzepte, auf dem Meer schwimmend (ebenso Donna Goodman: Floating Cities) oder an einem riesigen Turm hängend. Wenn Architekten Ozon-Sammler (Ozon-maker; Jeffrey Miles) entwerfen, wird klar, wie sehr solche theoretischen Konzepte nicht selten in Techno-Spielereien ausarten. Man mag darin ein Echo der Postmoderne sehen, eine »architektonische Synthese von ›high‹ und ›low‹, von Theorie und Pop-Kultur […].« Ito Toyo, der sich seine Inspiration aus der japanischen Philosophie und der Nomadenmetapher bei Gilles Deleuze holt, baut eine Anlage transparenter Lüftungsschächte und nennt sie ironisch nach dem späthellenistischen Vorbild seines Kollegen Andronikos von Kyrrhos auf der Agora Athens Turm der Winde (Yokohama; 1986). Er gestaltet die Fassade von Tod’s in Tokio (2004) in Form von Baumkronen und versieht das Mikimoto-Building in Tokio (2005) mit Fenstern die den Eindruck fallender Blätter oder – wie der Volksmund meint – Emmentaler-Käse erzeugen.

Maak 2010, 21

653 Toyo Ito, Museo Internacional del Barroco (2016); Puebla (Mexiko) Metabolismus

Sigel Paul in ATh, 776

654 Ito Toyo, Mikimoto-Building (2005); Tokio Ebd., 778

378

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Biomorphie als High-Tech

V.7.3.1./V.7.1.

Agkathidis 2017, 153



655 Estudio Carme Pinós S. L. Barcelona, Tetris-Fassade; Wirtschaftsuniversität Wien Balmond, zit. nach Becker 2009 Becker 2009

Waren am Anfang – wie oben gesagt – bereits die geschwungenen Formen Niemeyers und Le Corbusiers Kirche in Ronchamp Aufsehen erregende Impulse dieser Überzeugungen, geht es heute um ganz andere Ansprüche an eine biomorphe Architektur. Ihre Anregungen stammen aus mathematischen Simulationen von komplexen nicht-linearen Prozessen und aus der Chaostheorie mit ihren fraktalen Strukturen. Der Reiz an der Entwicklung der Mathematik verbindet sich mit Anregungen aus Postmoderne und Dekonstruktion. Was im Mittelalter die Fortentwicklung des Hebezuges und die Entwicklung der Architekturzeichnung war, ist jetzt die Verbindung von Biomorphie mit High-Tech, die durch die digitale Technologie ermöglicht wird. Neue Software für Computergrafik (CAD) wie beispielsweise die Non-uniform rational Basis-Splines (NURBS), die CAD-Applikationen (Rhinoceros 5, Grasshopper etc.) unterstützt, ermöglicht das Modellieren aller denkbaren Formen von Kurven und Flächen. Die Übertragung von der Natur auf die architektonische Anwendung basiert nicht mehr auf mimetischer Formübertragung, sondern auf der Basis mathematischer Modelle (z.B. Voronoi-Diagramme), mit denen auch in Biologie, Chemie, Mineralogie, Meteorologie gearbeitet wird. »Emerging computational tools and design techniques, such as generative, algorithmic and parametric design, in combination with digital technologies like CNC fabrication and 3D printing, are embracing nature as a source of inspiration, and will allow promising new synergies between biology and architecture in the years to come.« Diese neuen Techniken sind Teil der Digitalisierung des Bauens. Man arbeitet inzwischen erfolgreich mit digitalen Duplikaten von realen Gebäuden im sogenannten BIM-Verfahren (Building Information Modeling), dessen Vorteile im Effizienzund Kostengewinn liegen, schon weil die Schnittstellen der verschiedenen Gewerke und das Gebäudemanagement optimiert werden können. Allerdings sind die meisten Behörden in ihren Genehmigungsverfahren noch eine sehr analoge Bremse der Digitalisierung. Aber das ist nur die eine, organisationstechnische Seite. Man muss nämlich staunend in dieser neuen Ästhetik, die zugleich einer aktualisierten Form der Naturnachahmung entspricht, die Umsetzung der Natur in die Zahl konstatieren, wie das Platon in seinem demiurgischen Projekt vorgezeichnet hat. Es tritt nicht einfach eine neue Algorithmen-Architektur an die Stelle einer alten. Es ist vielmehr die alte Überzeugung angesprochen, dass die Natur aus Zahlen besteht – oder mit Cecil Balmond: »Numbers provide the structure that gives order to the universe.« Demnach ist auch der Tanz nichts anderes als ein »algorithm of movement.« Ich verwies bei der Gegenüberstellung der philosophischen Konzeptionen von Platon und Aristoteles auf das generative Potenzial von Platons Diale­ktik und Prozessphilosophie. Mittlerweile werden Algo­rithmen auf ihr generatives Potenzial und ihre iterative Kreativität getestet. Sie sind selbstorganisierend, ima­ginieren Wachstum und Formveränderung wie die Natur. Man benennt diese ­neuen, faszinierenden Möglichkeiten der Formgenerierung mit Aus­drücken wie generative design, parametric design, algo-



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Contemporary – Tendenzen der Gegenwart in Architektur und Kunst

rithmic design. Einmal mehr lösen sich die materiellen Grundlagen auf, sodass die alten physischen Modelle für Architekten und Designer vor allem den Sinn erhalten, noch einen haptischen Bezug zu den gestalteten Objekten zu haben. »[…] designing with digital tools makes gravity and materiality disappear. Physical modelling helps designers and students to reconnect with these two key elements, […].« Oberflächen von Flüssigkeiten mit verschiedener Dichte lassen sich ebenso nachmodellieren wie verwitterte Steinoberflächen, Netze und Kokons. Von den Figuren, die in verschiedenen Flüssigkeiten gespritzte Tinte hinterlässt, kann man feste Modelle ausdrucken. Wer den Pavillon Großbritanniens für die Expo 2015 vom englischen Künstler Wolfgang Buttress in Mailand betrachtet, dem kommen unwillkürlich die Mashrabiyyas der islamischen Ornamentik in den Sinn, die ebenfalls als biomorphe Form auf mathematischer Grundlage entwickelt wurden. Die gleiche Assoziation hat man bei der sich an Bienenstöcken orientierenden bezwingenden Skulptur The Hive (2016) in den Key Gardens, London. Greg Lynn entwarf Embryological Houses, die nie gebaut wurden. Bei Lars Spuybroek (Son-O-House; 2004) finden sich ähnliche Projekte, die zudem manchmal interaktiv ausgelegt sind. Besucher lösen optische und akustische Vorgänge im Gebäude aus. Das Haus wird selbst zu einem Organismus und der Mensch zu einem Teil davon. Mittels neuer computergesteuerter Fertigung über den 3-D-Druck, CNC-Fabrikation (digitale Fabrikation) und mit sogenannten smarten Materialien erhält Architektur nochmals eine neue Dimension. Selbstreinigende, sich wie Kopffüßer farblich an die Umgebung anpassende, auf Temperaturänderungen reagierende, sich roboterartig selbst vernetzende Strukturen sind die Materialien der Zukunft. Man kann regelrechte Metamorphosen in der Natur nachbauen. Das aktuellste Kapitel der Naturnachahmung heißt Biomimesis: »A key element of biomimetic study is not just to observe independent organs performing a deployable action, but regard this as the combination of several parameters including a central system that initiates the deployment. This can be especially significant when looking to biomimetics for actuators of deployable mechanisms.« Die Visionen reichen schließlich zu vollkommen mit der Umwelt in Dialog tretenden Strukturen: »But responsive parameters can be used to enable a deployable structure to enter into a dialogue with life around.« Die Aufgabenstellung, nicht nur Naturvorlagen nachzuahmen, sondern die dynamischen Aspekte nachzubauen, wie beispielsweise das Aufbrechen einer Blüte in eine sich selbst entfaltende Konstruktion, führt zu interdisziplinärer Zusammenarbeit: Architekten, Ingenieurinnen, Kybernetiker, AI-Experten, Biologinnen, Psychologinnen, bildende Künstlerinnen arbeiten an Strukturen, die auf die Umwelt reagieren und diese mitgestalten. Der englische Kybernetiker Gordon Pask drückt das so aus: »The fundamental thesis is that of architecture as a living, evolving thing … The role of the architect here, I think, is not so much to design a building or a city as to catalyse them; to act that they may evolve.« Ich begann diesen Überblick über die Geschichte der Kunstphilosophie mit den geometrischen Figuren, die als Zeichen des Menschen in die Natur geritzt wurden.

Agkathidis 2015, 8

Ebd., 149

Agkathidis 2017, 59–67

656 Wolfgang Buttress, Pavillon für die Expo 2015; Mailand

Adrover 2015, 128/146

Pask, zit. nach Ebd., 147

380

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Adrover 2015, 150

Schließlich hat der Mensch das Buch der Natur selbst als Buch der Zahl entziffert. Am Ende dieser langen Geschichte steht nun der Nachbau der Welt nach der Naturvorlage. Es ist das aktuellste Kapitel der Mimesis, das nun nicht auf die vordergründige Form abhebt, sondern auf den algorithmischen Bauplan der Naturform. Eine sinnenfälligere Umsetzung des demiurgischen Projekts Platons und der Bildphilosophie Hegels ist kaum denkbar. »The premise that architectural studies can be useful even at the cellular and molecular level is the ultimate evidence of the syntegration that connects architecture with all life.«

6.1.3. Blasen – Blobs – Schäume

Sloterdijk 1998, 72

657 Dominique Perrault, Nord-Eingang Rathaus-Galerie mit Spiegelung von Gebäuden und der Nordkette; Innsbruck kinetische A ­ rchitektur

»Das morphologische Leitbild der polysphärischen Welt, die wir bewohnen, ist nicht länger die Kugel, sondern der Schaum. Die aktuelle erdumspannende Vernetzung – mit all ihren Ausstülpungen ins Virtuelle – bedeutet daher strukturell nicht so sehr eine Globalisierung, sondern eine Verschäumung. In Schaum-Welten werden die einzelnen Blasen nicht, wie im metaphysischen Weltgedanken, in eine einzige, integrierende Hyper-Kugel hineingenommen, sondern zu unregelmäßigen Bergen zusammengezogen.« Die Ansprüche biomorpher Formen in Kunst und Architektur sind angesichts der Möglichkeiten von Berechnungs- und Produktionsverfahren sowie neuer Verbund- und Hybridmaterialien enorm angewachsen. Es geht mittlerweile um die Dimensionen des Prozesshaften: lineare Bewegung, Wachstum, Metamorphose, Selbstentfaltung, Mimikry. Biomorphie und High-Tech vereinigen sich zu originellen und kreativen Lösungen. Eine konsequente Digitalisierung in der Architektur führt, vergleichbar mit einer Buchproduktion zu einem File-to-Factory-Verfahren, wo die computergenerierten Formen direkt auf den 3-D-Drucker geschickt werden. 2018 wurden die Gewinner eines von der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA ausgelobten Architekturwettbewerbs für die Besiedelung des Mars bekanntgegeben. Die Vorschläge der Erstplatzierten kommen darin überein, dass die biomorphen Habitats (Waben- oder Kokonstruktur) von Robotern im 3-D-Druckverfahren aus dem vorgefundenen Material des Mars erstellt werden. Andere Unternehmen experimentieren mit Baurobotern und optimierten Verfahren, wo beispielsweise die durch Roboter hergestellte Schalung von Betonwänden gleichzeitig die Bewehrung darstellt (Mesh Mould-Verfahren). Bei der kinetischen Architektur verändern sich die Bauwerke auch im gebauten Zustand in Form und Funktion. Einfache Lösungen sind vollständige Verspiegelungen der Fassade, sodass sich das Gebäude buchstäblich in der sich ständig ändernden Umgebung auflöst oder farbliche Veränderungen der Außenhaut wie in der Allianz Arena von Herzog & de Meuron in München. Bei der Expo 2010 in Shanghai schufen das Atelier Brückner und Tamschick Media+Space für den Pavillon des chinesischen Netzbetreibers State Grid eine Oberfläche mit 16 Millionen LEDs, die am Tag die Umgebung spiegelten und in der Nacht gleichsam als Pixel für Visua-



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lisierungen einer Geschichte bereit standen. »The LED facade visualised energy in all its states and forms of transmission. Shifting, illuminating, spinning, spreading, sweeping, stimulating, growing. The facade became a translucent membrane, communicating the inside to the outside of the pavilion […].« Das Atelier Brückner realisierte mit etlichen Partnern bei der Expo 2012 in Yeosu, Korea, einen Pavillon für den koreanischen Ölkonzern GS Caltex. Die Anlage bestand aus 380 18 Meter hohe Fieberglas-Stäbe, davon 20 interaktive. Die Stäbe bewegten sich im Wind und leuchteten in verschiedenen Farben. In der Mitte dieses Feldes lag ein verspiegelter Pavillon, in dessen erstem Stock eine multimediale Panoramaprojektion mit dem Thema nachhaltiger Energienutzung zu sehen war. Peter Sloterdijk vermaß mit Raummetaphern (Blasen, Globen, Sphären Schäume) eine kulturanthropologische Menschheitsgeschichte (Sphären I bis III). Dabei entfaltete er den Gedanken des Schaums anstelle der überholten Vernetzung: »Im Netzdenken gibt es nur Schnittstellen, Interfaces und Punkte, die vom Modell zweier oder mehrerer sich schneidender Geraden oder Kurven her gedacht werden. Man bekommt somit ein Weltbild, dessen konstituierendes Element der Punkt ist. […] Ich setze dagegen auf den Begriff der Schaumblase oder der Zelle, meinetwegen der Kapsel, um zu zeigen, daß auch das Einzelelement bereits eine Eigenausdehnung hat. […] Bei der Gewebe- und Netzmetapher gelangt man bestenfalls zu winzigen Knoten, doch Knoten kann man nicht bewohnen. Dagegen wird mit der Schaummetapher die mikrokosmische Eigenräumlichkeit jeder einzelnen Zelle hervorgehoben.« Ein solches Paradigma lässt sich übersetzen in digitale, kinetische und parametrische Architektur, in fluid architecture und in Blobs. Darunter lassen sich Herstellungsprozeduren ebenso subsumieren wie Formen. Unter Blob (binary large object) versteht man fließende (biomorphe) Formen, die auf der Grundlage von Algorithmen entworfen werden. Der Architekt bestimmt die Parameter, der Computer erzeugt die Lösung. »Computerprogramme generieren gefaltete Räume und ein übergangsloses Ineinanderfließen von Boden und Decke, also Endlosräume.« Bei dieser Gegenarchitektur gegen den rechten Winkel und die gerade Linie ist philosophisch die Unterscheidung von Moderne und Postmoderne kaum mehr sinnvoll. Zweifellos mögen Inspirationen aus der Dekonstruktion, etwa bei Zaha Hadid, im Spiel sein, aber es geht um ein hochkomplexes Know-how, sowohl die mathematische Behandlung als auch die Materialverarbeitung betreffend, und es geht um klare Formen mit dem Verzicht auf jede ornamentale Behübschung. Selbst die Unterscheidung zwischen Biomorphie und Maschinenästhetik ist kaum mehr möglich, zu sehr verschwimmen Bauwerke und Funktionsobjekte. Bereits Vorläufer wie Heißluftballons, Zeppeline oder Visionen, wie jene von Archigram ersonnene auf Stelzen laufende Stadt, umranken Norman Foster kolportierten Spruch, der Jumbo-Jet sei sein bevorzugtes Gebäude.

Tamschick/Tamschick 2015, 127

Sloterdijk 2004b, 21

Kretschmer 2013, 342

658 Zaha Hadid, Station der Hungerburg­ bahn; Innsbruck

382

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

659 Aufblasbare temporäre Tennishalle; Hall in Tirol

McLean/Silver 2015 Adrover 2015, 7

III.3.3.2. III.2.5.4.

Stephenson 2011

Gethmann/Wagner 2013 IV.7.3.

In der Gegenwart wird viel Gedankenarbeit aufgewandt, um bewegliche, veränderbare Architektur zu entwickeln. Die japanische Papierfaltkunst Origami (jap. ori/ falten + kami/Papier) steht Pate für Versuche, die Kunst, aus einem zweidimensionalen Papierblatt ein dreidimensionales Gebilde zu falten, auf die Architektur zu übertragen. Das Arbeiten an veränderlichen Strukturen reicht von extrem kleinen Strukturen wie den sich entfaltenden (auxetischen) Stents in der Medizin, bis zu riesigen Sonnensegeln, die sich an Satelliten und an der Raumstation in der Umlaufbahn der Erde zur Energiegewinnung entfalten. Zelte bauen sich von selbst auf, Rettungsinseln entfalten sich bei Berührung mit dem Wasser, Wohnmobile lassen sich hydraulisch vergrößern, Tennishallen aufblasen. Der Outdoor-Ausrüster North Face entwickelt Produkte auf der Grundlage von Buckminster-Fullers geodätischen Prinzipien mit ultraleichten Materialien. Dante Bini gelang eine Technologie (Binisystems), Kuppelkonstruktionen aus Beton pneumatisch aufzublasen. Die Geschichte von fester und temporärer Architektur reicht weit zurück. Erinnert sei an die temporären Theaterbühnen in Rom, ehe Pompeius den ersten festen Theaterbau errichten ließ. Prunkwagen und Zelte für Feste und Umzüge waren spätestens seit dem Hellenismus in größerem Stil Thema der Architektur und sind es bis heute. Der Dirigent und Produzent Mark Stephenson initiiert mit Hilfe eines technischen Teams (darunter BFLS-Architects und ARUP-Acoustics) mobile Bühnenbauten (Mobile Acoustic Performance Shells; MAPS) mit idealen akustischen Bedingungen für Open-Air-Events. In der Vermarktungsbroschüre heißt es dazu: »The project will deliver the on-stage acoustics of a world-class concert hall, in a different league from what is usually possible on an average open-air concert stage, offering significant improvements for live broadcast relay and recorded performances.« Es gibt sie in den Größen Large, Medium und Small, je nachdem, ob es sich um eine Jazz-Gruppe oder ein Symphonieorchester handelt. An deren vorläufigem Ende der Zeitskala experimentierten Elizabeth Diller und Ricardo Scofidio bei der Expo 2002 in Yverdon (Schweiz) mit einem Gebäude aus versprühtem Nebel (Blur Building). Nebel besteht aus Wassertröpfchen um einen Staubkern – bereits im 19. Jh. für den schottischen Physiker John Aitken ein Untersuchungsgegenstand. Schon von da her darf die unübliche Anordnung nicht übersehen lassen, welch bedeutende Rolle der Staub in der Architektur spielt. Wir lernten ihn als Medium der Raumwahrnehmung bereits in der anagogischen Architektur der spätantiken Basilika kennen. Erst der Staub macht das Licht sichtbar. Was als geodätische Kugel bei Buckminster Fuller begann (die erste Kuppel brach unmittelbar nach Abschluss der Arbeiten zusammen), wird nun zu Blasen und Schaum. Wiederum ist der Pritzker-Preisträger Toyo Ito zu nennen. Gemeinsam mit Cecil Balmond experimentierte er bei dem nach außen eher konventionell scheinenden Opernhaus von Taichung (2015) in Taiwan mit einem fluiden Raum mit ausschließlich gekrümmten Flächen, bei dem sich Wände und Decke nicht mehr unterscheiden lassen. Der deutsche Bauingenieur und Architekt Werner Sobek arbei-



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tet mit Schäumen im Hinblick auf aufschäumbare Gebäudestrukturen, die sich dann gleichsam als Flüssigkeiten in Kanistern an die Einsatzorte bringen lassen. Darunter der MycoFoam, ein kompostierbarer Schaum aus dem Wurzelgeflecht von Pilzen. Sobek geht es nicht nur um neue Formgenerierung, sondern auch um Nachhaltigkeit, um ein energie- und ressourcenneutrales Bauen. Man kann sich Schäume auch extrem vergrößert vorstellen, in deren Hohlräume die Wohn- und Arbeitsbereiche untergebracht werden. Wie bereits im Hinblick auf Biomorphie und Metabolismus stellt sich die Frage nach dem Raum und jene nach dem Verhältnis von Außen und Innen immer wieder neu.

6.1.4. Sustainability und Co-Working. Der social- und ecological turn in der ­Architektur Biomorphes Bauen, wie es eben Gegenstand der Erörterung war, ist in erster Linie von der Faszination der Form und vom Arbeiten mit mathematischen Algorithmen angetrieben. Es ist nicht zwangsläufig ein ökologisches und schon gar nicht ein soziales Bauen, auch wenn solche Aspekte durchaus eine Rolle spielen. Nichtsdestoweniger ist in der zeitgenössischen Architektur Nachhaltigkeit im Hinblick auf Energiebilanz und Materialeinsatz ein zentrales Thema geworden. Im Zuge der ökologischen Wende und angesichts der Tatsache, dass der ProKopf-Verbrauch an Baumaterial in den Industrieländern auf nicht weniger als 335 Tonnen geschätzt wird, schlug sich das Anliegen der ökologischen Nachhaltigkeit in verschiedenen Initiativen und Programmen nieder. 1996 wurde von zahlreichen Architekten eine Europäische Charta für Solarenergie unterzeichnet, unter ihnen Norman Foster, Juhani Pallasmaa und Renzo Piano. Darin wurde die Forderung erhoben, dass »Städte, Bauten und ihre Teile […] als komplexes System von Stoff- und Energieflüssen interpretiert werden.« Es geht um Ressourcen- und Energieeffizienz, um Zusammenführung von Alltag und Arbeitswelt und natürlich um energie­ neutrale Bauweise (Passiv- oder Aktivhäuser) sowie um Nachhaltigkeit, was den Lebenszyklus der Gebäude und die Rückführung der Baumaterialien in den Kreislauf anbelangt. Weil die Ökobilanz von Beton durch die reichlich CO2-freisetzende Produktion von Zement bislang schlecht ist, gibt es eine Reihe von Vorschlägen zur technischen Verbesserung: Ersatz von Stahl durch Carbonfasern, Zumischung von Altbeton und andere Brennverfahren für Zement. Besonders ambitionierte Architekten experimentieren mit anderen Werkstoffen: Isolierungen aus Altpapier, Fußbodenbeläge aus recycelten Softdrinkflaschen, Wandfliesen aus Altglas, mit Flugasche aus Rückständen verbrannter Kohle angereicherter Zement. Nachhaltiges Bauen setzt naturgemäß beim Planungsprozess an: Umlenkung von Sonnenlicht, Mehrfachbenützung der Ressource Wasser, natürliche Kühlung durch intelligente Beschattung und die Nutzung der vorherrschenden Windrichtung. Zahlreiche Anregungen entsprechen immer Zitaten aus dem Reservoir der Häuser Frank Lloyd Wrights, wenngleich bei Wright die Natur eher unter dem Gesichtspunkt eines angenehmen Ambientes gesehen wurde und nicht unter ökologischem Interesse.

ökologische Wende

zit. nach Poerschke 2014, 238

Wines 2000, 168

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ebd., 70

Nachhaltiges energieeffizientes Bauen gehört heute zum selbstverständlichen Rüstzeug jeder Planung. Von eher gängig gewordenen Lösungen wie sie auch eine ausgeklügelte Belüftung darstellt (Sir Norman Foster, Commerzbank Headquarters; Frankfurt a. M. 1997), heben sich spektakuläre Planungen ab. Für das in Abu Dhabi geplante Zayed National Museum sieht Sir Norman Foster fünf falkenflügelartige Solartürme vor (Scheich Zayed, der Gründungspräsident der Vereinigten Arabischen Emirate, war begeisterter Falkner und die Falknerei gehört in den Emiraten zum Weltkulturerbe), die bis zu 100 Meter in den Himmel ragen und durch eine komplexe Technik als Energielieferanten und Windfänge dienen, um heiße Luft abzuleiten und das Gebäude gleichzeitig mit kühler Luft zu versorgen. Beim ökologischen Bauen geht es darum, die Natur nicht bloß als ein das Gebäude umgebendes Ambiente zu verstehen, sondern ihren Eigenwert in der Architektur zur Geltung kommen zu lassen und diese nach den Gesetzen der Natur auszurichten. Der argentinische Designer Emilio Ambasz ist ein Vorkämpfer für den »Einsatz von Landschaft, Symbolik, Umwelttechnik und visionäre[r] Theorien. […] Während Wright Bäume und Pflanzen eher als kompositorische Akzente in oder neben seinen Gebäuden und das Habitat als Erweiterung des angrenzenden Geländes sah, ist Landschaft für Ambasz ein rituelles Erleben.« Das ist ein Beispiel für ein bei den einschlägigen Architekten verbreitetes Interesse an den alten philosophischen Erzählungen von der Mutter Erde und dem Zyklus der Natur, einschließlich des Narrativs von der Wiedergeburt. Auch das Mikrokosmos-Makrokosmos-Prinzip findet sich im Theoriepaket. Im Geiste von John Ruskin und William Morris ist manchmal auch wieder das Handwerkliche und Authentische ein Ziel. Konsequenterweise wird das, was für einzelne Gebäude gilt, auf den Entwurf von grünen, energieneutralen Städten übertragen. Das Architekturbüro Ingenhoven-Architects (Düsseldorf), eines der Pioniere für grünen Städtebau, realisierte mit dem Hochhauskomplex Marina One (2017) in Singapur gleichsam eine grüne Stadt in einem einzigen Gebäude, in dem 20 000 Menschen arbeiten und wohnen. Das Architekturbüro AS+P (Albert Speer und Partner) in Frankfurt wiederum entwirft Generalpläne für ökologische grüne Städte mitten in der Wüste, unter anderem für Ägypten, Saudi-Arabien, Libyen und Nigeria. Schon der globale Klimawandel und der Verlust der Biodiversität erfordert ein Umdenken in der Stadtarchitektur. Vertikale Fassadenbegrünung ist ein Mittel, um die Hitzeinseln (Heat Island Effect) zu reduzieren. Ein anderes ist das Bauen in die Tiefe, das zur Zeit einige Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die in 6.1.2. referierte Zusammenarbeit mit Biologen dient jetzt nicht mehr nur einer formalen Faszination, sondern wird auf ökologische Nachhaltigkeit hin fruchtbar gemacht. Die an der Universität in Innsbruck arbeitende Claudia Pasquero entwickelt etwa mit digitalen Techniken biologische Strukturen von Mikroalgen, die CO2 in Sauerstoff verwandeln und die als »biodigitale Vorhänge« für Gebäude zur Beschattung, in weiterer Folge auch als Energie- und Nahrungsmittelressource dienen. Es geht um die Simulation von dynamischen Schnittstellen zwischen Natur und Technik, die die Entwicklung von anpassungsfähigen Mechanismen ökologischer Nachhaltigkeit ermöglichen.



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Was den Städtebau in den hochindustrialisierten Ländern betrifft, gibt es längst eine Debatte darüber, ob die Verlangsamung der Stadt durch den weitgehenden Ausschluss die Individualverkehrs aus den Zentren nicht auch eine Änderung der Hausarchitektur nach sich ziehen muss. War in der ersten Hälfte des 20. Jh.s die Stadt noch auf den Verkehr ausgerichtet und passte sich durch die »karge, dekorationslose Architektur des neuen Bauens« dem schnellen Blick an, müsse die entschleunigte Stadt anders aussehen. »Die Hausfassaden können wieder, wie es die historischen getan haben und immer noch tun, Aufmerksamkeit erregen, Geschichten erzählen, Augen- und Tastsinn erfreuen.« Ob solche Konsequenzen zwingend sind, bleibe dahingestellt, und ob die heutige Stadt überhaupt langsamer ist als jene vor einem Jahrhundert, kann man auch an anderen Parametern messen, als am damaligen gemächlich fließenden Individualverkehr. Mit der bewussten Nachhaltigkeit beim Bauen nähern wir uns einer imaginären, weil nirgends exakt identifizierbaren Schnittstelle zum sozialen Aspekt der Architektur. Vielleicht markiert das sogenannte Urban Mining eine solche Schnittstelle. Der aus dem Bergbau abgeleitete Begriff meint eine Wiederverwertung von wertvollen Rohstoffen bei Abrissen. Urban verweist in diesem Zusammenhang auf die städtischen Agglomerationen, wo ein solcher Rohstoff-Kreislauf besonders Sinn macht. Doch das soziale Bauen umfasst wesentlich mehr. Claire Bishop prägte 2006 im Artforum dazu den Begriff social turn. Eine Ausstellung 2010 im Museum of Modern Art in New York mit dem Titel »Small Scale, Big Change. New Architectures of Social Engagement«, brachte eine neuere Standortbestimmung zum Thema, und versuchte die bewusste Profilierung einer Alternative zur global gefeierten, monolithischen und spektakulären Stararchitektur. Letztlich haben wir es hier mit nichts anderem zu tun als mit einer Fortsetzung der die Architektur immer begleitenden sozialen und pädagogischen Funktion. Die Aktualisierung des Themas wurde nicht zuletzt durch das im Rahmen der Globalisierung der Kunstszene gestiegene Interesse an den sozialen Diskrepanzen zwischen Erster und Dritter Welt stimuliert. Die Rahmenbedingungen einer solchen sozialen Architektur sind dabei stets ähnlich: lokale Materialien, kostengünstige Bauweise, einfache, ohne Einsatz komplexer Maschinen durchführbare Konstruktionen. Der amerikanische Architekt Samuel Mockbee bezog sich bei seinem Engagement für eine sozial verantwortete Architektur auf die Ermüdung der postmodernen Architektur, die seiner Meinung nach den Kontakt zur Bevölkerung verloren hat. Mockbee betonte dabei immer auch den ästhetischen Anspruch einer sozialen Baukunst, denn ein ästhetisch ansprechendes Gebäude stärke das Selbstbewusstsein der Gemeinschaft. Ähnliche Anliegen vertreten eine ganze Reihe von Architekten. Beispielshaft seien der in Burkina Faso geborene deutsche Architekt Francis Kéré, die Südafrikaner Jo Noero und Peter Rich, die mehrfach ausgezeichnete deutsche Architektin Anna Heringer oder der in Monza geborene Emilio Caravatti erwähnt. Sie arbeiten an Projekten in Afrika, Lateinamerika und Asien in entwicklungsarmen und in von Naturkatastrophen betroffenen Regionen und bemühen sich um lokale Materialien und Formen. Eines der Anliegen ist zudem, mit nachhaltigen und kostengünstigen Bauweisen Alternative zum brachialen Abriss

Lampugnani 2019

Urban Mining

social turn

Bishop 2006

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Kullmann 2012

Co-Working

reduce, reuse und recycle

von Slums und deren Gentrifizierung aufzuzeigen. Zur ökologischen und sozialen Komponente gehört – gerade mit Blick auf die Gegenwart – auch ein demokratiefördernder Aspekt. Es gibt nämlich im Schatten der großen, sich wie Krebsgeschwüre ausbreitenden Mega-Cities auch die shrinking cities, die sterbenden Städte. Sie haben den Strukturwandel verpasst und ihre Ressourcen verloren, damit die mittelständischen Schichten als Arbeitgeber. Zurück bleiben Arbeitslose und nicht selten extremistische Horden. Das Design moderner Städte muss daher auf Slums und Favelas setzen, die Menschen dort legalisieren und sie abholen, und im Sinn der alten Stadtidee zu Jobs und zur demokratischen Partizipation verhelfen. Der solchen Vorgaben folgende chilenische Architekt Alejandro Aravena wurde für seine Wohnanlage Quinta Monroy in Iquique (Chile; 2004) 2016 sogar mit dem Pritzker-Preis geadelt. Die halbfertigen Wohnungen konnten von den Bewohnern in Eigenregie fertiggestellt werden. Die Auszeichnung Aravenas war ein Signal für die Sättigung des Publikums mit dem Star-Architekten-Rummel rund um den Globus. Allerdings zog die ungewöhnliche Preisvergabe auch viel Kritik auf sich. Die Idee sei nicht neu, dementsprechend wenig originell. Schließlich wurde die Kritik persönlich. Man warf Aravena vor, dass sein Lebensstil nicht mit seinem sozialen Anspruch kompatibel sei. Inzwischen baut Aravena auf der ganzen Welt mit unverkleideten Materialien, haptisch im Sinne des Brutalismus, und zugleich nach strenger Geometrie. Einen anderen Aspekt des social turn verwirklichen Architekten in Einklang mit den Bauherren bei manchen Firmengebäuden. Anders als die historisierenden Hüllen, die man im 19. Jh. über die Industrieanlagen stülpte und anders als am Beginn des Jahrhunderts, wo erste Designerbauten als Unternehmens-Ikonen mit hierarchischer Etagenaufteilung entstanden, gibt es heute eine neue Arbeitskultur, das sogenannte Co-Working. Die nach Prinzipien der Offenheit, Vernetzung, Kommunikation und Transparenz gebauten Firmensitze erinnern an Marktplätze. Netzwerke ersetzen Hierarchien. Im Merck Innovation Center in Darmstadt (Architekturbüro Henn; 2018) lösen sich kreuzende Brücken jede Etagenanmutung auf und vermitteln den Eindruck einer einzigen Arbeitsebene. Den Standard der Architektur flacher Hierarchien haben Kaliforniens Start Ups geliefert und viele europäische Unternehmen ziehen nach. Das heißt für die Architektur, dass sie innerhalb eines Gebäudes einen Teil des sozialen Lebens, von der Kita über Restaurants, Fitness-Bereiche, offene Kommunikationsinseln bis zu Flanierzonen, zu organisieren hat. Corporate Architecture setzt ihren Anspruch an die Seite von Maschinen- oder Macht-Architektur selbstredend erst glaubwürdig um, wenn sowohl Firmenkultur als auch die Produkte den sozialen und ökologischen Ansprüchen entsprechen. Von manchen Theoretikern wird das Nachhaltigkeitskonzept in die Funktionalismus-Debatte integriert. Dieser organische Funktionalismus berührt sich mit dem alten Zyklus der Natur. Der Verfahrenstechniker Michael Braungart und der amerikanische Architekt William McDonough verfassten 2002 das Buch Cradle to Cradle. Darin plädieren sie mit Blick auf die Kreisläufe der Natur für die drei Prinzipien der Nachhaltigkeit: reduce, reuse und recycle. Sie definieren die Materialien als »techni-



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schen Nährstoff«, der »in den technischen Kreislauf zurückkehren kann, in den industriellen Metabolismus, dem es entstammt.« Auch sie greifen zum Vokabular des omnipräsenten Funktionalismus und formulieren Form folgt Evolution. Auch wenn man in Entwicklungsgebieten weitgehend mit Naturmaterialien und einfachen Techniken das Auslangen findet, führt sowohl der ökologische Pfad als auch jener der Nachahmung der Natur in hochentwickelten Industrieländern in der aktuellen Anforderung – ähnlich wie wir das beim Bauen nach biomorphen Formen sahen – zu einem hohen Aufwand technischer Hilfsmittel. Im einen Fall braucht man komplexe digitale Steuerungs- und Systemtechnik, im anderen Fall Entwurfsprogramme und Produktionstechniken. Man verwendet für die sich selbst kybernetisch regulierenden und sich mit der Umwelt austauschenden Architektur den Begriff Performanz (high-performance-architecture) und fügt gleich eine neue Funktionalismus-Variante hinzu: form follows performance, so der Titel einer Ausgabe der Zeitschrift Arch+ im Jahr 2008.

Braungart/McDonough 2002, 142/178

6.2. Bildende Kunst In der Gegenwartskunst stehen nicht mehr die Erweiterung des Kunstbegriffs und die Frage nach dem Künstlersubjekt im Vordergrund und schon gar nicht die Formfrage. Solche Themenstellungen scheinen abgehakt. Wenn man überhaupt Tendenzen ausmachen will, dann geht es um Projektkunst. Künstlerinnen argumentieren – so stand es vor einiger Zeit auf einer Einladung zu einer Ausstellungseröffnung – für dieses und jenes. Als künstlerische Form ist dabei nach wie vor die Performance beliebt, die auf eine zumindest hundertjährige Geschichte (ab dem Futuristischen Manifest gerechnet) zurückblickt. Das hat zu tun mit der Eignung für ein riesiges Themenrepertoire, aber auch mit der Kurzlebigkeit, welche die Performance etwa in Ländern mit die Kunst unterdrückenden Regimen beliebt macht. Und es hat zu tun mit den zeitgemäßen Zutaten Dynamik, Medien, Digitales, wobei es trotzdem auf die ältesten Medien der Kunst zurückgreift: Körper und Ritual. Die Möglichkeit der digitalen Verbreitung ist ein besonderer Vorteil. Performances sind im Netz abrufbar und weltweit verbreitbar. Dass viele Künstlerinnen die Performance inzwischen professionell perfektionieren, ist der Vermarktungs- und Eventkultur der Gegenwart geschuldet: »Die Phantasten des frühen 21. Jahrhunderts, Vanessa Beecroft, Mariko Mori oder Yasumasa Morimura, näherten sich Live-Performances, Videoprojektionen und Fotografie mit der Professionalität kommerzieller Art-Direktoren an – sie benutzten Maskenbildner ebenso wie Lichtdesigner, um Performances oder Performancefotografie zu schaffen, die zu der Konvergenz mit Mode und Kunstgeschichte Stellung nehmen.« Die Themenpalette solcher künstlerischer Kommunikation hat sich enorm vergrößert. Zwar werden weiterhin die großen Fragen Gewalt, Sexualität, Körper, Feminismus, Krieg bedient. Die amerikanische Künstlerin Martha Rosler ist eine Kämpferin gegen den Krieg (Bringing the War Home) und arbeitet sich am Thema Kolonisierung ab (The Colonies). Dabei projiziert sie in ihren C-Prints Szenen aus dem Leben auf dieser Welt auf andere Planeten. Die Kolonisierungs-Idee erstreckt sich auch auf den digitalen Raum, auf eine körperlose Plattform, auf der

5.2.6.

Goldberg 2014, 222

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Spampinato 2015, 7 X.3.5.3.

Algorithmen das Kommando übernehmen. In Fortsetzung von Arte povera, sozialer Plastik und Body Art stellt die Londoner Künstlerin Sarah Lucas 2019 im New Museum, Lower East Side in New York, ihre Nuds aus, mit Baumwolle und Drähten gefüllte Nylonstrümpfe, die Körper und Körperteile darstellen, die man beliebig verbiegen kann. Es lassen sich gleichsam alle Unbilden von Lebenssituationen nachstellen. Daneben liegen Penisse und über all dem prangt der Titel Penetralia. Lucas inszeniert das Hässliche bis hin zum Thema Sex abseits der geschönten Versionen der Hochglanz-Magazine. Ihre Botschaft kennt keinen moralischen Zeigefinger mehr, sondern eine humorvolle, bisweilen beißende Ironie. Jenseits dieser großen klassischen Themen geht es jedoch schlicht um den Status des gesellschaftlichen Umgangs, um Strategien von Bewusstseinsbildung, um gesellschaftliche Zensur und Unterdrückungsregime. Es werden die Momente der Übergänge oder der Aufbrüche im Leben sondiert, es wird über Selbst- und Fremdverfügung berichtet und es werden kulturelle Räume und ihre Identifikationsmuster vermessen und Kommunikationskanäle ausgelotet. Dazu sucht man die Zusammenarbeit mit einschlägigen Wissenschaften, gerne mit Natur- und Humanwissenschaften. Die Gruppenarbeit ist temporär und projektbezogen. Es steht nicht mehr, wie in den Kollektiven der Avantgarde, die gesamte Gesellschaftsordnung auf dem Prüfstand, sondern es geht um situationsbezogene konkrete Probleme in der globalisierten Welt und der conditio humana. Der Künstler Ibrahim Mahama aus Ghana verhüllte bei der documenta 14 2017 die Torwache in Kassel mit zusammengenähten Jutesäcken aus aller Welt. Die gebrauchten Säcke stehen für den Welthandel einschließlich der Asymmetrie und Ungerechtigkeit und die Gebrauchsspuren auf den Säcken sind gleichsam die Spuren von Schmutz (im Sinne der alten Performanceund Körperkunst) der schweißtreibenden Arbeit ausgebeuteter Arbeiter. Zu dieser Arbeit gehören zentral auch die vielen Helfer, Studenten, Flüchtlinge, welche die einzelnen Säcke zu einer ganzen Decke zusammengenäht haben. Die Arbeit verweist damit auf eine zeitgenössische Variante des Verlustes des Autors. »In its place new forms of cultural production are emerging: open, collective, horizontal, and participatory. […] What emerges is a common desire to transform viewers into producers, making them aware of their potential as agents of change.« Auch in der Gegenwartskunst leben die oben aufgelisteten Strömungen weiter. Sie globalisieren sich und rufen durch ihre Rezeption in anderen Kulturkreisen neue Spannungselemente hervor. Es gibt Pop-Art, Concept Art, Konstruktivismus, Expressionismus, Environment und Performance in Afrika, Japan, Indien und China. Dabei ironisieren die Künstlerinnen teilweise auch ihre europäischen Vorbilder. Der chinesische Künstler Wenda Gu kommentierte die chinesische Bevölkerungsentwicklung 1993 in Oxford mit einer Installation, die kalligraphische Zeichen, Kinderbetten und getrocknete Plazentas versammelte. Der japanische Künstler Yukinori Yanagi ließ bei der Biennale in Venedig im gleichen Jahr in der Installation Union Flag Ant Farm Ameisen über eine in Sand gezeichnete Sammlung verschiedener Landesflaggen laufen, sodass die Flaggen mehr und mehr verwischten. Es wollte damit die Hinfälligkeit des Nationalismus zeigen.



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Eine solche Weiterentwicklung des get involved der Performancekunst, wo auch die Bedingungen der Entstehung thematisiert werden, wurde context art (Peter Weibel), connective aesthetics (Suzi Gablik) oder relational aesthetics (Nicolas Bourriaud) genannt. Die österreichische, in Kalifornien lebende Künstlerin Beatrix Salcher interessiert sich für die Vorgänge im Gehirn, die große Gestalten der Geschichte dazu motiviert haben, zu ihren Projekten aufzubrechen. Dazu interviewte sie Hirnforscher und Motivationspsychologen. Für ihre komplexen Kunstobjekte griff sie auf die Unterstützung der National Science Foundation zurück. In den Nanofabrikationsräumen der Universität von Kalifornien in Sta. Barbara ließ sie das klassische Medium der Zeichnung als Ausgangskunstwerk in einem komplexen Verfahren unter dem Einsatz von Elektronenstrahlschreiber und Plasmaätzmaschine in Computerbilder und Mikroprints transformieren, die dann mit dem optischen und mit dem Elektronenmikroskop fotografiert und damit in veränderter Form wieder konventionell lesbar gemacht wurden. Dass solche mehrfach transformierten Kunstobjekte, wo jeder Fabrikationsschritt einer künstlerischen Aussage gleichkommt, extrem erklärungsbedürftig sind, versteht sich von selbst. Die »Argumentation« der Künstlerin ergibt sich erst aus dem Blick auf den gesamten Entstehungsprozess des »Kunstwerks«, das man jetzt unter Anführungszeichen setzen muss, weil auch dieses neu justiert gehört. Ein wichtiger Aspekt bei solchen Arbeiten ist die Kommunikation. Je mehr sich Kunst einem get involved verschreibt und damit von der klassischen Autor-Rezipient-Hermeneutik abrückt, desto mehr schiebt sich der Aspekt einer kommunikativen Praxis in den Vordergrund, insbesondere dann, wenn eine konkrete Wirkung der Kunstaktion beschränkt bleibt. Denn was solche Kunstaktionen von einem Sozialarbeiter-Projekt unterscheidet, ist manchmal gar nicht mehr leicht anzugeben. Eine Möglichkeit wäre, das, was für die Aktionskünste ganz allgemein galt, dass der Diskurs um die Performance kalkulierter Teil des Kunstwerks ist, in den Vordergrund zu rücken und eine möglichst große Kommunikationsgemeinschaft mit der Botschaft anzusprechen. Hier entsteht gewissermaßen ein Schutzraum eines kommunikativen Handelns, das Jürgen Habermas für eine vernünftige Kommunikationsgemeinschaft generell vorgeschlagen hat, das jedoch an seinen utopischen Vorgaben dort zwangsläufig scheitern muss. Ausgeweitet wird dieser Raum in den vielfältigen Plattformen der Internet-Medienkunst. An dieser Stelle kommt der Werkbegriff der Kunst von einer noch einmal neuen Seite unter Druck. Die alte postmoderne Forderung der Egalisierung von Hoch- und Trivialkultur, ist inzwischen längst eine Selbstverständlichkeit. An ihre Stelle tritt die Gleich-Gültigkeit oder eben das Crossover.

660 Beatrix Salcher vor einem ihrer Objekte, ThF 2014

X.2.7.

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

6.2.1. Crossover: Sampling – Switching

Strunk 2000, 126 Sampling

VI.8.2. 4.6.2.

Switching

Man kann keine besonderen Methoden identifizieren, welche zeitgenössische Kunst oder Architektur allgemein charakterisieren. Dazu sind die Ideen und Vorgangsweisen zu vielfältig und noch von keinem nachfolgenden Ordnungsraster kunst- und architekturtheoretisch eingeordnet. Was aber auffällt, ist jedenfalls, dass sich die Sichtund Vorgangsweisen bei bildenden Künstlern und Architekten weitgehend gleichen. Viele Künstlerinnen bewegen sich zwischen Architektur und bildender Kunst im Sinne von Installation, Montage, Event Design sowie der Produktion von öffentlichen Diskursen. Statt von Strömungen oder Schulen spricht man eher von Trends und Positionen. »Das ästhetische Objekt ist das Projekt. Networking. Die Methoden sind Switching, Sampling, Morphing. Auswahl und Verknüpfung. Copy, Cut & P ­ aste. Mode ist Kunst und Kunst ist Mode. Netzwerk statt Kunstwerk. Künstlerinnen und Künstler installieren Bars, kochen und forschen, exponieren sich als Stars und schlafen im Museum […] denn die Gruppen gründen sich im losen Plural, unideologisch, stillos, vorübergehend und auf jeden Wechsel gefasst.« Der Ausdruck Sampling für Kunst und Architektur leitet sich aus der Musik ab, wo sich vor allem der Hiphop als Musikrichtung versteht, die Soundfragmente neu zusammensetzt und in neue Kontexte überträgt. Seit den Achtzigerjahren stehen dafür auch digitale Sampler zur Verfügung. Das Sampling von Musik hat zu einer neuen Gruppe von Künstlern geführt, den DJs, die anfänglich aus Tonträgern neue Musik kreierten. Der Hiphop-DJ, der den Plattenspieler gleichsam als Musikinstrument benützt, steht irgendwo in der Mitte zwischen Komponistin und Interpreten. Typische Szeneausdrücke wie Scratching (die Erzeugung neuer Töne durch das Bewegen einer Schallplatte bei aufgelegter Nadel bzw. das Kratzen von Graffiti in Oberflächen) oder Writing (Klänge oder Bilder und Zeichen werden aus verschiedenen Kontexten genommen und neu arrangiert) werden auch in der Graffito-Kunst verwandt. Im übertragenen Sinn kann man Kunst aus Kunst und Architektur aus Architektur als Sampling (sample-based architecture) verstehen. Trotz des trendigen neuen Namens ist die Sache älter. In der Musik gab es solche Tendenzen in der sogenannten konkreten Musik. In der Architektur bediente sich bereits der Manierismus, älterer Architekturzitate, in der Postmoderne wurde das Spiel mit solchen Zitaten als Unübersichtlichkeit verspottet. Schließlich gab es bereits seit längerer Zeit – bereits im Bauhaus – die künstlerischen Techniken der Montage und Assemblage, die durchaus vergleichbar sind. Das zeitgenössische Sampling ist freilich darauf bedacht, eine neue Geschlossenheit und innere Logik zu erreichen. Der Ausdruck Switching wiederum steht in der Sprachwissenschaft für den Sprachwechsel innerhalb einer Sprechsituation (Code-Switching). In der Kunst geht es um den Wechsel von akustischen, visuellen und semantischen Codes. In der Regel geschieht das in Performances und Video-Arbeiten. Es geht dabei nicht einfach um Referenzen verschiedener Kunstgenres, sondern durchaus um Aussagen, die Künstlerinnen über Lebensbedingungen und persönliches Erleben treffen wollen. Selbst bei diesen avancierten künstlerischen Techniken steht nicht etwa reine Selbstreferentialität im Vordergrund. Sehr wohl aber ist immer auch eine Neukontextualisie-



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rung im Spiel. Man kann Switching daher auch mit dem Sampling kurzschließen. Man nennt solches nach einer Funktion von Textverarbeitungsprogrammen auch Copy & Paste. Die Pointe dabei ist, dass man die verschiedenen Codes neu und irritierend verbindet, um neue Wahrnehmungen bei den Rezipientinnen auszulösen. Insofern geht diese Technik über das hinaus, was in der Literaturgeschichte durchaus nichts Ungewöhnliches war. Ob die Texte unter dem Namen Homer, die Metamorphosen Ovids, die Märchen der Brüder Grimm oder die Montagen zeitgenössischer Schriftstellerinnen, viele der großen Texte sind kompiliert und arrangiert. Bei den neuen Arrangements werden die Techniken indes offen gezeigt. Es wird Sprache in einzelne Phoneme zerlegt und Fotos in Morpheme (Foto-Morphing) und neu zusammengesetzt. Solche Effekte, die in die Wunderkammer der digitalen Spezialeffekte Eingang gefunden haben, können auch einen ständigen Prozess der Veränderung zum Ausdruck bringen. Wir bewegen uns hier wieder in der Abteilung Medienkunst, aber eher die Technik betreffend, nicht das Medium thematisierend. Spezialisten dieser künstlerischen Techniken sehen im Morphing eine Anwendung in ökonomischen Bereichen des Films und der Werbung, während die klassische Montage und das Sampling doch eher Projekte subkultureller Art sind. »Morphing gehört nun auf genau einen solchen digitalen Rummelplatz, dessen Wachgeküsst-Werden für ein künstlerisches, selbstreflexives Durcheinander noch aussteht.« Es geht bei diesen Werken nicht um die Sammlung von Ursprungszitaten, sondern um die Gestaltung eines neuen Kunstwerks. Dieses Kunstverständnis ist damit auch ein Spiel der Zerstörung der klassischen Illusionsanmutungen einschließlich der Position der Autorin – und der gleichzeitigen Neuformierung. Naturgemäß gab und gibt es eine lange Debatte über Copyright und Plagiat, aber die Sampler und Montierer sehen hier die Technik am Werk; man lässt anonyme Algorithmen mit ins Spiel und erreicht gleichsam eine aktualisierte Version der alten poststrukturalistischen Text-Dekonstruktivisten und Bricolage-Aktivisten. Der Dekonstruktivismus fände dann in der Kunst ein besseres (und immer noch aktuelles) Spielfeld als in der Philosophie, wo sich die Szene davon bereits wieder abgewandt hat. Das ist ein philosophischer Blick auf Copy & Paste, den Akteuren geht es aber nicht um Theorie, sondern durchaus auch um soziale und gesellschaftliche Anliegen, um das Arbeiten mit Instrumenten der Subkultur. Für das Umgestalten und Überarbeiten (dem Editing) von »Material-Treibgut« im Internet hat sich der Ausdruck Appropriation Art (engl. Aneignung) eingebürgert. Der Begriff stammt eigentlich aus der traditionellen zeitgenössischen Kunst, die sich Positionen der klassischen Avantgarde aneignet und kommentiert. Es ist ein »nachträgliche[s] Behandeln des schon Dagewesenen […].« Hier erinnert die Vorgehensweise an die alte Technik der Collage, aber durch das Material, dem neue Subtexte gegeben wird oder das neu kontextualisiert wird, verwischt sich völlig die Frage nach Original und Kopie und jene nach der Autorin. Es geht, wie Jesse McLean zu ihren Arbeiten meint, nicht mehr um Originalität, sondern um das Konzept und die Intention einer kritischen Kunst, die zum Beispiel das Rezipieren selbst abhandelt. Kunsthistorikerinnen ordnen appropriation art deshalb gerne in die Konzeptkunst

Diedrichsen 2003, 17

Appropriation Art

Stöhr 1996, 316

McLean 2016, 133ff

392

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Brüderlin 1996, 295

tamschick.com/profil (06/2018) Tamschick/Tamschick 2015, 8

ein. Dass sich in diesen Massen an Treibgut auch einzelne Vertreter treiben lassen, denen es einzig um destruktive Gesten im Sinne eines Angriffs auf die alte Kreativund Autorenkultur geht, wobei sie selbst als namentlich genannte Kompilationsund Plagiierungskünstler auftreten, versteht sich von selbst. Appropriation Art ist aber, wie in 4.3. bereits bemerkt, eine Institution radikaler Selbstkritik der Kunst. Ihre Künstler »brachten das gesamte ›Betriebssystem Kunst‹ auf den Prüfstand und untersuchten nicht nur die formalen, sondern auch die historischen, ökonomischen, rezeptionstheoretischen und soziologischen Rahmenbedingungen für die Herstellung, Verbreitung und Präsentation von Kunst.« Im professionellen Kreativbereich sind diese neuen Instrumente künstlerischen Arbeitens dermaßen spezialisiert, dass in vielen Fällen die Kompetenzen gebündelt werden müssen. Wie bereits seit längerem Architekturbüros interdisziplinäre Orte von Künstlern, Ingenieuren, Statikern, Landschaftsplanern, Kommunikationsfachleuten sind, arbeiten Agenturen und Medienbüros mit Künstlern, Architekten, Programmierern, Multi-Media-Experten, Kommunikations- und Marketingexpertinnen, um ihre Projekte, die zwischen Kunst und kommerziellen Aufträgen changieren, zu realisieren. Tamschick Media+Space (TMS) preist sich auf seiner Webseite als »interdisziplinäres Atelier für mediale Szenografie, das architektonische Räume und deren Inhalte durch den Einsatz von Medien narrativ inszeniert«. Der Anspruch ist, sowohl Kunst zu betreiben als auch architektonische Räume zu bespielen: »The architectural space is filled with media and changed interactively by people.« Gemeinsam mit anderen Ateliers und der Kommunikationsabteilung der Firma Panasonic realisierte TMS eine Installation mit 52 Projektoren und einer Projektionsfläche von 1200 m2 für die IFA 2001 in Berlin. Als Pendent einer solch kommerziellen, aus der Zusammenarbeit zahlreicher Büros entstandenen Arbeit, sei eine hochdynamische Videoprojektion von Gitterstrukturen computergenerierter Röhren erwähnt, die der in Tirol lebende Künstler Peter Kogler im Jahr 2000 im Kunsthaus Bregenz präsentierte. Auch er suchte die Zusammenarbeit mit einem anderen Künstler, Franz Pomassl, der ein für diese Installation konzipiertes Soundkonzept beisteuerte. An einem anderen Ort im Ausstellungshaus konnte die Besucherin interaktiv durch einen dreidimensionalen virtuellen Raum navigieren.

6.2.2. Street Art – Space Invading Im Jahr 2016 fand im Historischen Museum in Bologna eine der bislang wenigen Ausstellungen zur Street Art mit über 300 Werken statt. Teilweise mit großem Aufwand wurden großformatige Wandbilder von Wänden abgelöst und ins Museum verfrachtet. Da dies ohne Einwilligung der Künstler passierte, entspann sich eine heftig geführte Diskussion. Einerseits gab es Genugtuung über die Anerkennung von etwas als akzeptierte Kunstform, das bis vor kurzem als Vandalismus verrufen war. Andererseits wurde heftig über Fragen gestritten, wem die Kunstwerke und (manchmal auch) die Mauern, auf denen sie gesprayt wurden, gehören. Darüber hinaus ging es um die grundsätzliche Frage, ob Street Art und Graffiti-Kunst ins Museum



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gehören. Der als Blu international bekannte und tätige, in Bologna lebende Künstler ließ aus Protest seine Arbeiten in der Stadt grau übermalen. Bologna war nicht die erste museale Schau. 2008 zeigte die Tate Modern in London Street Art-Kunst; Paris, Los Angeles, New York folgten. 2017 öffnete in Berlin das Urban Nation Museum for Urban Contemporary Art, das sich besonders für diese Kunst einsetzt. 2018 wurde der südafrikanische Street Art-Künstler Robin Rhode mit dem Zurich Art Price ausgezeichnet. Verbunden war damit eine Ausstellung seiner Murals im Haus Konstruktiv in Zürich. Für die wohl spektakulärste Aktion in diesem Zusammenhang sorgte der berühmteste Star unter den Street Art-Künstlern: Banksy. Im Oktober 2018 kam bei Sotheby’s eines seiner Werke, eine Darstellung des 2002 mühsam von der Hauswand abgelösten und damals für eine halbe Million Pfund verkauften Balloon Girl, unter den Hammer (jetzt als Love is in the Bin). Pünktlich mit dem Hammerschlag, der einer Sammlerin das Bild um eine Million Pfund zusprach, begann sich das Bild selbst zu schreddern. Der Prozess brach allerdings nach zwei Dritteln ab und das Bild wurde von der Ersteigerin auch in diesem halbzerstörten Zustand übernommen. Gerüchte wollen wissen, dass Banksy selbst das Bild eingebracht habe und das Auktionshaus an der Aktion beteiligt gewesen sein muss. Banksys genialer Coup, der aufzeigen sollte, dass man Street Art nicht in Auktionshäusern versteigert, hat seinen Marktwert in ungeahnte Höhen getrieben. Street Art und Graffiti-Kunst sind uralte Genres der Kunst. Wir finden sie zu allen Zeiten. Sie haben medial-kommunikativen Charakter und meist subversive und gesellschaftskritische Ambitionen. Sie sind in aller Regel Künste im öffentlichen Raum und zu ihrer Eigenheit gehört, dass die Künstlerinnen meist anonym bleiben oder sich hinter phantasievollen Künstlernamen verbergen. Ebenso die Regel ist ihr grundsätzlich nicht-kommerzieller Aspekt. Es gibt aber auch Künstlerinnen, die in einer gemeinsamen Sache mit Werbe-, Musik- und Freizeitindustrie damit gutes Geld machen. Eine der aus dieser Kunstform entlehnte Praktik der Werbeindustrie ist das Verteilen von Stickern, eine andere ist das wilde Plakatieren von einschlägigen Sujets (Guerilla-Marketing). Der Begriff Street Art selbst ist eher jung. Er stammt, je nach Autorin, aus den Zweitausenderjahren, die Sache reicht freilich einige Jahrzehnte zurück und begann auf U-Bahn-Wagons, in Hinterhöfen, Industrieruinen und bevorzugt an Betonwänden in Bahnhofsbereichen. Vorläufer, die es, wie gesagt, immer gab, wurden 1933 vom französischen Fotografen Brassaï (im Minotaure, dem Zentralorgan der Surrealisten) zustimmend als »Bastardkunst der zwielichtigen Straßen« tituliert. Dass die Street Art (manchmal kursiert auch der Ausdruck Urban Art) Züge der Pop Art weiterführt, ist unschwer zu erkennen. Sie passt zudem sowohl zur postmodernen Forderung der Überwindung der Kluft zwischen Hoch- und Trivialkultur, als auch in die Jugendkultur des Hiphop, Rap, der DJs, des Breakdance, Punk und PunkRock. Über den Hiphop kamen auch afroamerikanische Motive in die Kunst. Zum

661 Mural von HNRX; Hall in Tirol

Brassaï, zit. nach Stahl 2009, 7

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

662 The Walled Off Hotel; Bethlehem

Stahl 2009, 249

Smith 2011, 266

Unterschied von den anderen Strömungen der Kunst, im besonderen hier der Pop Art, aber auch der Performance- und Fluxus-Kunst, hat sich die Street Art bislang allen Domestikationsversuchen entzogen. Die meisten Werke sind nach wie vor illegal angebracht, ohne Wissen und Einverständnis der Eigentümer der Bildträger, von Mauern, Wagons, Abfallbehälter, Laternen bis zu diversen Schildern. Weil diese Freiheit der Street Art ein hohes Gut ist, reagieren viele Künstler so empfindlich, wenn ihre Werke nun vom Establishment in Museen versammelt werden. Die Motive der Künstler sind vielfältig. Zweifellos handelt es sich um ergänzende und spaßvolle Kreativität der Jugendkultur, es geht aber auch um ernstere Anliegen wie politische Kritik (in Berlin war bis 1989 die Mauer eine beliebte Folie für solche Arbeiten), Kritik an der Konsumkultur und am Kapitalismus. Street Art bietet einen Artikulationsraum für Randgruppen und versteht sich als Statement gegen die Gentrifizierung in den modernen Großstädten. Der Franzose Blek le Rat, der ein Kunststudium absolvierte, interessiert sich in seinen häufig mit Schablonen erzeugten Arbeiten für die sozialen und kulturellen Hintergründe von Personen, die er darstellt. Zu den ganz Großen der Szene gehört der bereits erwähnte britische Street-Art-Künstler Banksy, der noch mit anderen Aktionen aufhorchen lässt als mit seinen Murals. 2017 eröffnete er in Bethlehem das von ihm ausgestattete The Walled Off Hotel unmittelbar an der Grenzmauer zwischen Israel und dem Westjordanland, das mit der »schlechtesten Aussicht der Welt« bei israelischen Touristen wirbt. Banksy’s Interventionen werden überall auf der Welt entdeckt und es bleibt stets ein Rest von Unsicherheit, ob er dahintersteckt. 2018 wurden ihm sechs Werke in Paris zugeschrieben, die offenbar die Flüchtlingspolitik der französischen Regierung kritisierten. Dass es ihm (oder ihr, wie manche mutmaßen) bis heute gelungen ist, seine/ ihre Identität zu verbergen, obwohl er/sie zahlreiche Rechtsgeschäfte tätigt, deutet auf eine hervorragende Organisation und eine regelrechte Firmenkonstruktion hin. Häufig gibt es Übergänge zwischen Street Art und Performances, wie sie etwa Zevs mit Firmen wie Lavazza, H&M und Yves Saint Laurent durchführte. Auch das sogenannte Space Invading hat eine performative Komponente. Der britische Künstler Invader hängt auf der ganzen Welt Mosaikbilder auf, die er dem Computerspiel Space Invader entlehnt. »Als inhaltliche Strategie bleiben sie Invasoren, ungerufene Eindringlinge, die im elektronischen Bereich Viren oder Trojaner heißen würden. Genau wie Letztere verabreichen sie eine Botschaft, die immer wieder eine Hintertür im Bewusstsein öffnet: Ihr werdet beobachtet.« Das ist eine aktualisierte Form der Kunstintervention im öffentlichen Raum, die bereits seit einiger Zeit zum Repertoire des Contemporary gehört. Der Schweizer Künstler Thomas Hirschhorn, intervenierte mit einfachen Materialien (er wolle »arme« Kunst machen, aber nicht Arte Povera) auf der Straße, in besetzten Gebäuden, in U-Bahn-Stationen, in privaten Wohnungen als »subversive art installations and public anti-monuments.« Allerdings geht es Hirschhorn, anders als den meisten Street Art-Künstlern, um politische Kritik und es geht ihm um das Ausloten des Kunstwerkbegriffs. Außerdem kommuniziert



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er mit den Anwohnern jener Orte, an denen er seine Künstlern, Schriftstellerinnen (darunter Ingeborg Bachmann) und Philosophen (Bataille) gewidmeten Kunstaktionen – er spricht von Altären – aufbaut. Die Verbreitung der Street Art geschieht heute vor allem im Internet über die sozialen Medien. Dort existieren Plattformen mit Dutzenden Millionen von Einträgen. Zwar sind die Kunstwerke dort digital aufbereitet, aber sie sind in der Tat im öffentlichen Raum, im Global Village im besten Sinne des Wortes, angekommen. Für viele Cities gibt es inzwischen eigene Street Art-Apps.

6.2.3. Post-Digital – Post-Internet Im Jahr 1998 verkündete der amerikanische Informatiker Nicolas Negroponte, dass die digitale Revolution vorüber sei (»Face it – the digital revolution is over«). Was er damit meinte ist, dass die digitale Welt nichts mehr mit Revolution zu tun hat, sondern den Alltag darstellt. Die in der Kunstwelt kursierenden Modebegriffe Post-Digital oder Post-Internet sind in diesem Sinn zu verstehen. Sie meinen weder einen Retro-Trip der Wiedereinführung einer analogen Welt noch den Glauben, dass das digitale Zeitalter vorüber sei. Die Postdigitalität zeigt »eher die wechselseitige Durchdringung der beiden Stadien an als dass damit ein posthumer Standpunkt benannt wäre.« Abgesehen von einzelnen Stimmen, die einer kompromisslosen Offline-Welt das Wort reden (vielleicht am bekanntesten Heath Bunting), drücken die Begriffe Befindlichkeiten einer jungen Künstlerinnengeneration aus, die mit dem Internet aufgewachsen und umstandslos und selbstverständlich damit vertraut ist. Performances werden auf sozialen Netzwerken zu Geschichten, die Follower für real halten. Genau auf diese Schnittstelle von Digitalem und Real-Analogem zielt die sogenannte postdigitale Kunst. Der Begriff postdigital stammt aus der Musikszene und war ein Protestbegriff gegen die geglättete Oberfläche der zeitgenössischen Notebook-Musik und die damit verbundene Verehrung eines digitalen Fortschritts. Es ging aber nicht um Rückwendung zur analogen Musikkultur, sondern um die Wertschätzung der Fehlstellen, Störungen und Zufallsklänge der digitalen Musik. Man spricht von Glitch-Musik (engl. goof/Panne + hitch/Störung) oder sogar Glitch-Ästhetik. Die Fehler werden auch für bildende Künstlerinnen »Grundlage der Arbeit. Ohne die Fehler würde die Arbeit nicht existieren.« Die Experimentalfilmerin Hito Steyerl legt Wert auf die Übergänge von Digitalem und Materiellem und auf jene der verschiedenen Genres der Kunst, insbesondere die Nähe von digitalen Produktionsweisen und Musik: »Insofern glaube ich, dass sich digitale Produktion wahrscheinlich eher mit musikalischen Begriffen fassen lässt, als mit anderen.« Die Abgrenzung solcher Kunst von »normaler« Medienkunst mag bemüht erscheinen, aber sie folgt diesem verkündeten Ende der digitalen Revolution. Sie hebt darauf ab, dass nicht das Medium verlassen, sondern mit dem Medium gearbeitet wird. »Anstatt das Internet hinter sich zu lassen, wie ihr Name suggeriert, ist sie ganz im Gegenteil Kunst unter den heutigen bildkulturellen und aufmerksamkeitsökonomischen Verhältnissen, die das Internet schuf. Im Gegensatz zur Videokunst der 1970er-Jahre und zur net.art, die in den 1990er-Jahren entstand, experimen-

Höller 2016, 68

Glitch-Musik

Steyerl 2016, 127

Ebd., 127

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Cramer 2016, 57

4.7.ff.

Postdigitale Kunst

663 Flanierende Bots werden sichtbar gemacht: Thomas Feuerstein, Daimon; TLMF 2007 Lund 2016, 129

Goodiepal 2016, 116

Kwastek 2016, 75

tiert ›Post-Internet‹ nur selten mit den Konfigurationen ihres Mediums, sondern nimmt es so hin, wie es von Google, Facebook, Instagram, Tumblr und sonstigen Unternehmen formatiert wurde.« Eine solche Sicht der Dinge verändert auch viele Theorien der ersten Generation der Medienphilosophen, die den Untergang der Gutenberg-Welt vorhersagten. Der Zeitschriftenverleger und Künstler Alessandro Ludovico korrigiert in einem Buch Postdigital Print: The Mutation of Publishing Since 1894 (2012) solche Prophetien und sieht alte und neue Medien in einer analog-digitalen Kombination. Insofern ersetzen viele Autoren den Begriff der Neuen Medien durch post-digital. Postdigitale Kunst arbeitet also genau im Schnittpunkt von analoger und digitaler Welt, visualisiert digitale Bildgebung, bildet Menschen aus Googles Street View lebensgroß auf Plakaten ab (Paolo Cirio), platziert Ortsmarkierungen aus Google Maps im öffentlichen Raum (Aram Bartholl) und vermischt diverse Kommunikationsströme, Online-Kampagnen und Hashtags mit eigenen Interventionen – dies nicht selten in analoger Form. Materiell darstellen lassen sich auch »Seinszustände« der digitalen Welt, wie totes Pixel oder von einem Filter eingefangenes Spam-Sein. Jonas Lund bringt Rechner und Browser zum Absturz (Blue Crush; 2011), setzt interaktive Websites auf, mit denen Rezipientinnen Bilder gestalten, drucken und verkaufen können (The Paintshop.biz; 2012), und dokumentiert die Wege von Kunstwerken, indem er sie mit GPS-Equipment ausstattet (Flip City; 2014). »Die Arbeit funktioniert durch den Akt des Kaufens und Verkaufens, sie enthält viele kritische Ansatzpunkte, aber eben auch Opportunismus.« Der dänisch-faröische Musiker Goodiepal zieht eine andere Bilanz, indem er im Netz nicht mehr einen Ort der Freiheit, sondern einen der »Bindungsstruktur« sieht. Denn nicht nur widerspricht die fixe Verortung einer IP-Adresse der völligen Auflösung in Mobilität, sondern man müsse ja auch »regelmäßig einchecken, für Facebook oder um Deine E-Mails zu lesen […].« Der Reiz dieser bisweilen ins Kuriose abgleitenden Arbeiten liegt genau in der Rückführung digitaler Zusammenhänge in das Materielle, die nicht nur, wie manchmal eingewandt wird, Platz greift, um solche Arbeiten ausstellbar zu machen, sondern um »die komplexen Interaktionen von zunehmend globaler Politik, digitalen Kommunikationstechnologien und menschlichen Akteuren zu reflektieren.« Dass sich künstlerische Arbeiten im Kontext digitaler Medien auch ganz traditionell der Malerei bedienen können, dafür ist die in Wien geborene Agnes Fuchs ein Beispiel, die in ihren Bildern technische Geräte – medial vermittelt, indem sie eher Funktionsanleitungen und Diagramme malt, als die Geräte selbst – analysiert und in Installationen Labor-Situationen nachbaut. Digital und Post-Digital könnten als passendes Muster des vor einigen Jahren ausgerufenen »Anthropozäns« angesehen werden, des Zeitalters der Gestaltung des



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Contemporary – Tendenzen der Gegenwart in Architektur und Kunst

Globus beinahe einzig durch den Menschen. Doch inzwischen verkünden manche Propheten nicht inkonsequent den Anbruch der Post-Anthropozän-Zeit, die durch die autonomen digitalen Systeme gekennzeichnet sein wird, wo der Mensch seine führende Rolle eingebüßt hat. Militärtechnik schwappt auf den Kulturbereich über und man experimentiert mit Algorithmen, die komponieren, Bilder gestalten und selbsttätig Filmmaterial zu Filmen schneiden. Ebenso sind autonome Tracking-Techniken in Erprobung, also Techniken, wo die Kamera automatisiert einem bewegten Ziel folgt. Sie funktionieren ähnlich wie die selbststeuernden smarten Waffen aus dem Arsenal der avancierten Kriegstechnik. Gerade der Blick, der noch immer in der analogen Welt beheimatet ist, exponiert Fragen nach Original und Kopie und nach der Repräsentation. Beim Bezug des digitalen Bildes zu einem anderen ist nicht »Übernahme, Reproduktion, Kopie oder ›Referenz‹ auf anderes Material« entscheidend, sondern »die maschinelle Transformation, die dabei vonstatten geht.« Es gibt hier keine Referenzbeziehungen mehr, sondern allenfalls rhizomartige Vernetzungen. Hinzu kommt, dass es sich beim Netz und beim Computer um prozesshafte Strukturen handelt, die sich schwer abbilden lassen und daher jeder statischen Referenz buchstäblich den Boden entziehen.

Höller 2016, 70

6.2.4. Kunst – Event – Markt Mit dem letzten Kapitel dieses historisch orientierten Teils wird gleichsam eine Klammer geschlossen, die ich in der Einleitung geöffnet habe. Es ging dort um die Motivation, dieses Werk über Kunst und Kunstphilosophie zu schreiben, die letztlich auch mit einem Megatrend der heutigen Zeit zu tun hat: der Kunst. So erfreulich man die Tatsache bewerten darf, dass Kunst – und das gilt nicht nur für die Gegenwart, sondern für einen großen Teil der Geschichte – als wichtiger Bestandteil in der Gesellschaft angesehen werden kann, gibt es dabei naturgemäß auch Schattenseiten. Auch sie wurden in der Einleitung bereits angesprochen. Die Klagen über Anästhetisierungsphänomene und über die Macht des Kunstmarktes sind heute laut. Die Zeiten scheinen weitgehend dahin, als Künstlerateliers und kleine Galerien in großen Städten noch als Speerspitze der Eroberung der Szeneviertel funktionierten. Künstler ließen sich in Wohn-Ateliers in den preiswerten Vierteln nieder. Die Szenebildung zog das Kapital der Investoren nach, sodass die Künstler weiterzogen und auf diese Weise mithalfen, die Segregation der Gesellschaft zu überwinden (auch wenn das unter dem Titel Gentrifizierung negativ gesehen wird). Die Klagen übersehen nicht selten, dass Kunst immer mit Event, Vermarktungsphänomenen und Geschäftsinteressen verbunden war. In den Abschnitten dieses Werks war von begnadeten Selbstvermarktern die Rede. Der Bogen spannt sich von Praxiteles über Lorenzo Ghiberti, Albrecht Dürer, Rembrandt, bis zu den Malerfürsten des 19. Jh.s, allen voran Hans Makart. Es war auch die Rede davon, wie Kunstwerke als begehrte Statussymbole gehortet wurden, im Hellenismus, bei den wohlhabenden Römern, die Kunstwerke aus Griechenland orderten und deren Nachfrage eine ganze »Kopierindustrie« auslöste, um die Stadtpaläste in Rom und die Landsit-

664 Lorenzo Quinn, Support, Biennale von Venedig 2017

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Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Rauterberg 2008, 11

ze in den Vesuvstädten mit Kunstwerken zu möblieren. Es war nicht anders in der Renaissance, in der die Humanisten ihre Villen von Stararchitekten erbauen und von Starkünstlern ausmalen ließen und in der Neuzeit, in der Reisende auf ihrer Grand Tour Kunstschätze zusammenrafften und sie in ihre geräumigen Wohnzimmer stellten. Insofern ist der beklagte Dreiklang von Kunst, Event und Markt keineswegs eine neue Problematik. Wenn nun hier zum Abschluss des historischen Teils noch kurz und knapp diese Seite des Kunstbetriebs angesprochen wird, soll das nicht die erzählte Geschichte desavouieren. Vielmehr geht es einerseits darum, die gesellschaftlichen Bedingungen des zeitgenössischen Kunst- und Architekturschaffens zu thematisieren, andererseits soll eine Brücke zum nächsten Abschnitt geschlagen werden, in dem die Fragen nach Kunst und Kunstwerk, aber auch jene nach der Rolle der Kunstinstitution in eben diesen gesellschaftlichen Kontexten unter systematischem Blickwinkel gestellt werden. Wenn von Schattenseite die Rede ist, muss das ohnehin cum grano salis genommen und überlegt werden, ob jede Klage ihre Berechtigung hat. Soll man wirklich Anstoß daran nehmen, dass 2004 zwei Werke (in einer Auflage von je 10 000 Stück) des Documenta-Künstlers Felix Droese bei Aldi Süd um gerade einmal 12,99 Euro (gerahmt!) zum Kauf angeboten wurden, zumal Droese diese Aktion sogar als bewussten Protest gegen die Ökonomisierung der Kunst verstand? Droese reagierte damit auch auf die Tatsache, dass heute Kunst vielfach nicht durch das Werk (das kritisierbar ist), sondern durch die erzielten Preise auf dem Kunstmarkt (die ein vermeintlich objektives Urteil zulassen) ihre Auszeichnung erhält. Bestimmt demnach die Kunstwelt, was ein Kunstwerk ist? In der Tat sind Kunstdestinationen nicht durch die Zahl und die Qualität der dort arbeitenden Künstlerinnen solche, sondern durch den Umsatz der Galerien, der Kunstmessen und Auktionshäuser vor Ort. Die Art Basel Miami Beach, die Fine Art Fair in Frankfurt am Main, die Frieze Art Fair in London, die ebenso schnell verglühte wie vorher am Kunstfirmament erschienene Art Stage Singapur und die vielen anderen Kunst-Events funktionieren genauso wie die auf dem Globus verteilten Treffen der Haute Couture. Natürlich darf man kritisch fragen, was denn Miami Beach mit Kunst zu schaffen hat außer eben diese umsatzstarke Kunstmesse? Hongkong wird in den Feuilletons von Tageszeitungen auch schon als »Kunst-Hub« bezeichnet, weil sich dort um das neu entstehende großzügige Museum M+ von Herzog & de Meuron eine Reihe großer internationaler Galerien ansiedeln. Diese operieren wie globale Konzerne mit Zentralen und weltweiten Niederlassungen. Auch Museen, einstmals Orte der Kontemplation vor der reinen Kunst, haben inzwischen wenig Berührungsängste mit Vermarktungsstrategien. Das Guggenheim-Museum betreibt eine solche »Diversifizierungsstrategie« bereits seit langem. Auch eine bislang über jedem Zweifel erhabene Einrichtung wie der Louvre in Paris kann sich offenbar angesichts lockender astronomischer Summen, in diesem Fall aus Abu Dhabi, dem Trend nicht verschließen. Diese Bemerkung muss freilich vor der auffälligen Veränderung des Museums im späten 20. Jh. gelesen werden. Sie wandelten sich in den letzten Jahren zunehmend von Behältern



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(den White Cubes) für Kunstwerke zu Zentren der Kunstindustrie, »von Orten, wo die Kunstgeschichte wissenschaftlich geordnet wurde, zu Bühnen […], auf denen Ereignisse stattfinden, […].« Dass von Ausstellungen und musealen Schauen heute Inszenierungen und Events erwartet werden, kann auch mit der auf der Linie der Rezeptionsästhetik liegenden Verstärkung des Topos der ästhetischen Erfahrung zu tun haben. »Der Betrachter als Teilnehmer muß hier seinen Zuschauerstatus aufgeben, um in eine Interaktion mit dem Kunstwerk zu treten.« Immerhin könnte solche Diversifikation die Museen bei der Globalisierung der Kunst unterstützen. Alle großen Museen – gerade das macht ihre Attraktivität aus – bilden einen Querschnitt internationaler Kunst ab. Dieses Konzept ist neuerdings stark unter Druck geraten durch die merkwürdige Begründung, dass Kunst jenem Land gehört, in dem sie entstand. Dabei geht es nicht um gestohlenes oder unrechtmäßig enteignetes Kulturgut, wofür Provenienzforschung und Gerichte zuständig sind, sondern es geht um legal im Besitz von Museen befindliches Kulturgut. Nun waren Kunstwerke aber immer Objekte des Kulturtransfers, nicht wenige verdanken ihr Überleben dem Enthusiasmus von Sammlern und der Sorgfalt von Kunstwissenschaftlern. Dass es sich dabei letztlich um Kulturgut der Menschheit handelt, egal wo auf dem Globus es sich gerade befindet, muss in Zeiten eines aufkommenden Neonationalismus eigens betont werden. Aber vielleicht ließe sich die Frage an manchen Stellen entschärfen, wenn mit den Kunstgegenständen gleich auch Dependancen der Institution in die Herkunftsländer verlegt werden. Ähnlichen Praktiken wie Museen und Galerien haben sich auch international tätige Künstlerinnen verschrieben, die nicht mehr ohne weltweitem Vertrieb und Marketing auskommen. Die Firma Zaha Hadid ist genauso eine Marke wie jene Ai Weiweis, der seine Kunstinstallationen in gigantischem Maßstab von Betrieben fertigen lässt (an seinen 10 Millionen Sonnenblumen aus handbemalten Porzellan für die Installation Sunflower Seeds 2010 in der Tate Modern arbeiteten 1500 Personen in einer Porzellanmanufaktur in Jingdezhen zweieinhalb Jahre lang), wobei man eine überzeugende künstlerische Sprache bisweilen nur mehr mit großem Wohlwollen feststellen kann. Daher wollen manche Ai eher als Menschenrechtsaktivisten sehen, denn als Künstler. Bisweilen scheint die Selbstvermarktung performativ zum Kunstwerk selbst zu gehören bzw. ist die Selbstvermarktung das Kunstwerk. Jeff Koons spielte mit der »Nobilitierung des Banalen« und mit seiner eigenen Person wie kein anderer auf dieser Klaviatur. 2013 erreichte seine Plastik Balloon Dog bei Christie’s in New York den damaligen Rekordpreis von 58,4 Mio. Dollar. Vorher wurde die Plastik (von der 5 Exemplare existieren) an werbeträchtigen Orten, MOMA (New York), Palazzo Grassi (Venedig), Schloss Versailles (Paris) aufgestellt. Erfolgreiche Vermarktung läuft immer noch am besten über Skandale und die stetige Präsenz auf dem Boulevard. Zu Koons Vermarktung gehörte auch seine Heirat mit der ungarischen Pornodarstellerin Ilona Staller (Cicciolina) 1991, die in den Siebzigerjahren einige Jahre im italienischen Parlament saß und mit zahlreichen Skandälchen auf sich aufmerksam machte. Koons stellte sich in Skulpturen und großformatigen Bildern, un-

Ursprung 2010, 57

X.1.4. Stöhr 1996, 248

Daval in SK IV, 300

400

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Reißer/Wolf 2003, 133 Bianchi 2000, 57

Földényi 2016b

Saehrendt 2018 5.2.7.

Rauterberg 2018, 59

ter anderem in einem Arrangement bei der Biennale von Venedig 1990, mit Staller beim Sex dar (Made in Heaven). Diese Expositionen sollten ein Kommentar zu Masaccios Vertreibung aus dem Paradies sein und spielten mit der Erzählung von der Erbsünde. Ein Jahr nach Eheschließung wurde die Verbindung wieder aufgelöst, der gemeinsame Sohn, von Koons als biologische Skulptur und als sein größtes Kunstwerk vermarktet, wurde bereits nach der Trennung geboren. »Was zählt, ist allein der Erfolg, das Medienspektakel, die schnelle Gunst des Publikums. Im Sinnvakuum fühlt er sich am wohlsten.« In der Tat ist es auch für Künstler »chic geworden, wie ein Rebell zu leben und wie ein Banker zu denken. […] Die neue Kunstform heißt Self-Performance-Art.« Solche Vermarktungsstrategien gehören zu den Aufgaben, manchmal Hauptaufgaben, von regelrechten Firmen mit Finanzberatern, Anlagestrategen, Werbe- und Marketingfachleuten, welche die alte Ateliermannschaft abgelöst oder jedenfalls ergänzt haben. »Jeff Koons hat auf dem allerhöchsten Niveau eine neue, bis dahin unbekannte Methode entwickelt, die im Kern darin besteht, die Kunst von aller subversiven Energie zu befreien, allerdings so, dass sie dennoch den Eindruck ›höchster‹ Kunst erweckt.« Bei Koons »wird jede Geste von vorneherein von den Gesetzen des Marktes gelenkt – deshalb entbehren seine Werke jeder Überraschung.« Gerade das Beispiel Koons, wo unklar ist, ob sein dargestellter Kitsch eine kritische Reflexion bedeuten soll, oder eben nur erfolgreiches Marketing, macht die Schwierigkeit deutlich, über der Selbstvermarktung ein künstlerisches Anliegen auszumachen. Ähnliche Fragen stellen sich bei Damian Hirst. Zwar ist seine Zeichensprache originell, wenn er auf Schaukästen in antiquierten naturhistorischen Museen, damit auf die alte Musealisierung der Kunst, rekurriert und mit seinen in Formaldehyd eingelegten Tieren das Thema der Sterblichkeit thematisiert, also eine zeitgemäße Umsetzung des vanitas-Motivs. Aber die dazu laufende Vermarktung lässt den Kunstcharakter vor dem Geschäftssinn scheinbar zurücktreten. Letztlich haben sich die Strategien der Aufmerksamkeitserregung seit Jahrhunderten kaum verändert: Pornographie, Darstellung von Gräuel, ekelhafte und wertvolle Materialien, monumentale Formate. Schließlich geht es immer um den erzeugten Hype, wo selbst ein Unfug wie das KI-Kunstwerk Portrait of Edmond Bellamy einem Sammler 400 000 Dollar Wert ist. Die paradoxe Kehrseite der Medaille ist eine grassierende neue Prüderie unter den Titeln political correctness und Sexismus, nach der Gedichte nicht mehr mit sozialer Gerechtigkeit vereinbar seien, Bühnenstücke Shakespeares antisemitisch und rassistisch, Gemälde von Balthus Mädchen zu Sexobjekten machen usw. Sollte diese Art von Puritanismus Schule machen, droht hier eine ebenso lächerliche wie mächtige Front gegen die Freiheit der Kunst. Dass der digitale Filter von Facebook, der darauf achtet, dass auf den Seiten keine Nacktbilder auftauchen, eine Abbildung der Venus von Willendorf und wegen der nackten Brüste auch das Bild Die Freiheit führt das Volk an von Eugène Delacroix zensiert hat, ist schon aufgrund der Komik berichtenswert. Kunst fungiert heute wie seit je her als Statussymbol, aber – und das ist ein neuerer Aspekt – auch als Wertanlage. Fachleute halten allerdings Kunst als Anla-



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Contemporary – Tendenzen der Gegenwart in Architektur und Kunst

gestrategie nur in Ausnahmefällen für erfolgreich. Dennoch ist die horrende Preisentwicklung auf dem Markt anders nicht zu verstehen. Neben den in der Einleitung erwähnten völlig überzogenen 450 Millionen für den Salvator Mundi, vermutlich (!) von Leonardo da Vinci, erzielen Bilder von Van Gogh regelmäßig Höchstpreise. 2011 gingen Paul Cézannes Die Kartenspieler (1892/93) um 250 Millionen und 2007 die restituierte Adele Bloch-Bauer I (1907) von Gustav Klimt um 135 Millionen an Käufer. 2018 wurde bei Christie’s (das Auktionshaus hat seinen Hauptsitz im Rockefeller Center in New York) die Kunstsammlung David Rockefellers versteigert. Die 1500 Lose erbrachten das Rekordergebnis von knapp 650 Millionen Dollar und damit das höchste je erzielte Ergebnis einer privaten Kunstsammlung. Darunter war ein kleines Aquarell Picassos, das der Künstler einst Gertrude Stein anlässlich eines Weihnachtsfestes geschenkt hatte, dann in den Besitz Rockefellers kam. Es brachte bei der Auktion allein knapp 4 Millionen Dollar ein. Man darf getrost mutmaßen, dass hier nicht nur Kunstliebe im Spiel ist, zumal die so erworbenen Schätze in aller Regel bei spezialisierten Dienstleistern in klimatisierten, dunklen und gut bewachten Depots lagern. Die Gründe für diesen Hype liegen wohl auch darin, dass es sich beim Kunstmarkt angesichts der zunehmend ausgetrockneten Steuerparadiese und regulierten Aktienmärkten um eines der letzten Instrumente zur Steuervermeidung handelt. Die Berichte über den Kunstmarkt ähneln inzwischen jenen vom Aktienmarkt, an dessen Auf- und Abschwünge der Kunstmarkt gekoppelt scheint. 2008 verkaufte Sotheby’s in London über 200 Werke von Damian Hirst für insgesamt 200 Millionen Dollar. Einen Tag später brachen der New York Stock Market und mit ihm die Börsen weltweit ein – Folge der Lehman Brothers-Katastrophe –, was eine globale Rezession auslöste und auch den Kunstmarkt für einige Zeit lähmte. Besonders dramatisch im internationalen Kunstbetrieb sind die Fälschungs­ skandale und die hohe Dunkelziffer von gefälschten Werken. Pessimisten unter den Experten sprechen von 20 bis 50 Prozent gefälschter Werke auf dem Markt. Allein die Expertisen-Erstellung ist ein eigener Geschäftszweig und wie spätestens seit Wolfgang Beltracchi klar ist, auch ein äußerst delikates Unternehmen. Die spezialisierten Firmen arbeiten mit hochtechnisierten Verfahren, wo sowohl Arbeitsweise als auch das verwandte Material untersucht wird. Ein von Beltracchi gefälschter Campendonk überstand zwei detaillierte Laboruntersuchungen. Erst eine dritte Einrichtung (Art Analysis & Research; London) konnte den Nachweis einer Fälschung liefern, weil das Titanweiß jünger war, als die Datierung des Campendonk-Bildes. Besonders betroffen von Fälschungen ist die russische Avantgarde. Dafür etablierte sich nach dem Anziehen der Preise für diese Sparte in den Siebzigerjahren geradezu eine Fälscherindustrie. Die Unsicherheit ist inzwischen so groß, dass Auktionshäuser Spezialauktionen für russische Moderne vermeiden. Der Spitzenreiter unter den gefälschten Werken scheint heute Amedeo Modigliani zu sein, von dem sich bis zu 1000 gefälschte Bilder im Umlauf befinden sollen. Ziemlich hart fasste René Scheu in einem Gespräch mit dem Meisterfälscher Beltracchi die Situation des gegenwärtigen Kunstbetriebs zusammen: »Sie haben die

Adam 2018

402

Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Scheu René in Beltracchi 2018, 23

de Duve 1988, 193

Mechanismen und Protagonisten des Kunstmarkts dekonstruiert. Die Sammler sind oftmals Mitläufer, die Händler sind Dilettanten, die Experten sind Ignoranten, die Preissetzer sind Metaphysiker.« Auch Thierry de Duve blickt pessimistisch auf die Kunstszene. Seiner Beobachtung nach besteht der Zugangscode zur Welt der Kunst heute nicht mehr in Geburt und Reichtum wie in der aristokratischen Welt oder in religiösen Ritualen und auch nicht in handwerklichem Können, sondern in sozialen Stichwörtern. Heute müsse man »die unschätzbar wertvolle Fähigkeit des ›Name-dropping‹ besitzen, sich nach der neuesten Mode kleiden, Vernissagen besuchen und die Kunst des Kunstgeschwafels beherrschen.« Dieses nun doch ziemlich ernüchternde Urteil soll nicht als Resümee stehen bleiben, sondern überleiten zu den Fragen nach dem, was unter Kunst und Kunstwerk eigentlich zu verstehen sein soll.

K­ unstphilosophie X und Ästhetik – eine ­systematische Sichtung

404 ◀ 665 Was ist das Kunstwerk La finta giardiniera von Mozart? Regiearbeit von Tatjana Gürbaca

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Was nun hinter uns liegt, ist ein historisch-systematischer Überblick über kunstphilosophische und ästhetische Positionen, eingebettet in kulturphilosophische Kontexte und konzentriert auf bildende Kunst und Architektur der europäischen Kultur- und Ideengeschichte. In diesem Überblick wurde bereits eine große Zahl von systematischen Problemen abgehandelt, namentlich bei den Vorstellungen der Positionen einzelner Philosophen und Künstlerinnen. Was jetzt noch bleibt, ist einerseits die Aufarbeitung von Fragen, die bisher keinen rechten Ort der Darstellung gefunden haben, wie allgemeine Fragen nach der Kunst, dem Kunstwerk, dem Schönen oder nach Kunstphilosophie und Ästhetik generell. Andererseits sollen die Enden der vielen losen Fäden in die Hand genommen und im Hinblick auf diese theoretischen Reflexionen verknüpft werden. Diese Absicht verleiht dem folgenden Abschnitt über weite Strecken den Charakter einer Zusammenfassung des historischen Teils unter einem die gesamte Geschichte übergreifenden systematischen Blickwinkel. Was die systematischen Konzepte selbst anbelangt, so ist es auch an dieser Stelle das Anliegen, die wichtigsten der unüberschaubar gewordenen Bemühungen zur Klärung der kunstphilosophisch und ästhetisch relevanten Probleme vorzustellen und sie im Hinblick auf das in den vorausgegangenen Kapiteln besprochene historische Material aufzubereiten. Darüber hinaus soll mit Seitenblicken auf die vielen Positionen ein Pfad plausibler Antworten auf die Fragen einer philosophischen Ästhetik in systematischer Absicht ausgeschildert werden, wie er sich in den zurückliegenden neun Abschnitten bereits angedeutet hat. Es ist hier weder der Ort noch gibt es die Absicht, eine bis ins Detail gehende systematische Position zu vertreten. Die systematischen Reflexionen in diesem Abschnitt stehen trotzdem nicht in luftleerem Raum. Sie können nun großzügig auf die historischen Positionen von Künstlerinnen und Philosophen bezogen werden, die in den vergangenen Kapiteln besprochen wurden. Dieser Abschnitt wird daher mit vielen Querverweisen ausgestattet sein, die die Leserin und den Leser, falls gewünscht, rasch zu den passenden Ergänzungen führen. Zudem ist es unausweichlich, dass um der besseren Lesbarkeit und um der Vollständigkeit der Argumentation willen hier und da manche vor allem im Abschnitt IX ausführlicher beschriebenen Positionen in ihrer systematischen Einbindung nochmals knapp und konzentriert wiederholt werden.

1.0. Kunstphilosophie und Ästhetik Wie bereits in der Einleitung festgestellt, sind Kunstphilosophie und Ästhetik, aller scheinbaren Konjunkturen zum Trotz, Stiefkinder der Philosophie. Sie wurden bis herauf zu Alexander Baumgarten von anderen Genres der Philosophie überdeckt und sie haben trotz der Inauguration der Ästhetik durch ihn bis heute ein unscharfes Profil. Neben anderem mag das nicht zuletzt an mangelndem Interesse vieler Philosophinnen der Kunst gegenüber liegen, sind sie doch an rationale Argumentationsketten gewöhnt und misstrauen der Metapher und der Sinnlichkeit, wie sie das

405

Kunstphilosophie und Ästhetik

Geschäft der Kunst zu prägen scheinen. »Ausgesprochen amusisch Veranlagte werden eher andere philosophische Forschungsrichtungen bevorzugen«, meinte Wilhelm Perpeet. Ähnlich Clive Bell: »Without sensibility a man can have no aesthetic experience, and, obviously, theories not based on broad and deep aesthetic experience are worthless.« Dieter Jähnig blickte auf das »Ganze der Philosophie«, um zu konstatieren: »Ästhetik gibt es zwar, aber von Seiten der Philosophie aus brauchte es sie nicht zu geben.« Immerhin stellte er dann mit »Blick auf Hegel« auch fest, dass »der Inhalt der Ästhetik, das Schöne und die Kunst [!], nicht nur ein spezielles Thema der Philosophie ist […], sondern auch noch so etwas wie eine Alternative zur Philosophie sein könnte, […].« Die Konfrontation mit der Institution der Kunst scheint durchaus ein Einschüchterungspotential zu besitzen, zumal die Kunstphilosophie, anders als bei den anderen Abteilungen des Fachs, wo der Erkenntnisgegenstand aus den philosophischen Erzählungen selbst generiert wurde, auf einem weitgehend eigenständigen (eventuell sogar als konkurrierend wahrgenommenen) Weltdeutungssystem mit emanzipierten Akteuren aufruht. Das schafft ein ausladendes und sehr grundsätzliches Diskursfeld über das Verhältnis von Kunst und Philosophie. Zwar gibt es dazu Parallelen, etwa in der »Philosophie der Naturwissenschaften« oder auf dem Feld der Wissenschaftstheorie. Während sich dort aber eine praktikable Aufgabenteilung eingespielt hat, scheinen die Ambitionen der Künstlerinnen bzw. der Institution Kunst deutlich weiter gespannt zu sein und sie füllen mit eigenen Unterteilungen, von der Kunstgeschichte bis zur Kunsttheorie, ihren eigenen Kosmos scheinbar problemlos aus. Dies ist der Grund dafür, dass in den vergangenen Jahrzehnten die einschlägige philosophische Theoriebildung, kaum begann man sie in den philosophischen Abteilungen zu akzeptieren, bereits wieder in die Literaturdepartments und neuerdings in die Kunstinstitutionen ausgewandert ist. Das evoziert die Frage, wie weit sich eine Kunstphilosophie und eine Ästhetik jeweils mit Bezug auf konkrete Beispiele aus der Kunst darstellen müssen. Ein derartiger Rahmen wurde jedenfalls immer wieder gefordert und Kunstphilosophie auf Fragen um die konkreten Künste eingegrenzt bzw. wurde energisch auf der Beschäftigung mit Kunst als Voraussetzung einer jeden Kunstphilosophie beharrt: »Weil es Kunst nur und ausschließlich als Kunstwerk gibt, liegt wohl die Chance, des einen und wahren Kunst-Seins ansichtig zu werden, nur bei einem Operationsverfahren, das dem Denken ein Maximum an konkreten Anschauungserfahrungen seiender Kunstwerke sichert.« Die Voraussetzung, dass es Kunst nur als Kunstwerk gibt, wird an späterer Stelle und im Lichte der zeitgenössischen Kunst noch zu hinterfragen sein. Auf der anderen Seite wiederum wurde die Ferne zur konkreten Kunst als Vorteil herausgekehrt: »Wer über Kunst philosophiert, darf gerade nicht, wie es erst jüngst wieder gefordert worden ist, ›die Erfahrung einzelner Werke zum Ausgangspunkt seiner Theorie […] machen‹.« Dies ist die Position eines Philosophen, der auf einen Unterschied zur Kunsthistorikerin bedacht ist, die sich in der Regel mit ein-

Perpeet 1970, 10 Bell 1914, 3

Jähnig 1980, 231/236

Perpeet 1970, 40 3.5.3.

Schmücker 1998, 10; gemeint ist Scheer 1997, 113

406

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Dessoir 1906, 3

Pochat 1986, 15

Pöltner 2008; Reicher 2005; Scheer 1997; Gethmann-Siefert 1995; Sheppard 1987; Tatarkiewicz 1979; Saw 1972 Bertram 2005, 14 Ritter Joachim in HWPh 1, 555 Bubner 1989; Marquard 1989; Beardsley 1982; Schmidt 1970

zelnen Werken auseinandersetzt, und der demgegenüber die Universalität philosophischer Überlegungen einmahnt, die er im Falle einer zu großen Nähe zur Kunst bedroht sieht. Beide Positionen bringen Probleme mit sich. Wird Kunstphilosophie nur in Bezug auf das konkrete Kunstwerk betrieben, sind in der Tat universalistische Ansprüche bedroht. Wer hingegen diesen Bezug von sich weist, läuft Gefahr, dass die Kunst von der Philosophie okkupiert wird. Darüber soll im folgenden Kapitel ausführlicher die Rede sein. Die Unklarheit des Verhältnisses von Philosophie und Kunst spiegelt sich auch in der Unübersichtlichkeit der Nomenklatur vor allem am Beginn des 20. Jh.s wider. Damals brachten Teilbereiche dessen, was man allgemein als »Kunstwissenschaft« bezeichnete (Kunstgeschichte, Poetik, Musikwissenschaft, Kunst- und Architekturtheorie etc.), den Begriff der Kunstphilosophie zusätzlich unter Druck. Max Dessoir riet – in ausdrücklicher Abhebung von der Ästhetik – zu einer Kunstwissenschaft, deren Pflicht es ist, »der großen Tatsache der Kunst in allen ihren Bezügen gerecht zu werden. Die Ästhetik vermag diese Aufgabe nicht zu lösen, wenn anders sie einen bestimmten, in sich geschlossenen und deutlich abgrenzbaren Inhalt besitzen soll. Wir dürfen nicht mehr die Unterschiede der beiden Fächer wegtäuschen, […].« Der Kunsthistoriker Götz Pochat unterscheidet vier Abteilungen jenseits der klassischen Kunstgeschichte mit vergleichbarer Fragestellung und unter Einbezug der Kunstphilosophie. Die Kunstwissenschaft beschäftige sich mit Werk, Künstler, Auftrag und Wirkung. Die Kunsttheorie kläre die Rahmenbedingungen und die Prinzipien des Kunstschaffens. Die Kunstphilosophie interessiert sich seiner Ansicht nach ebenso für die Fragen nach den Prinzipien des Kunstschaffens, fragt aber genauer nach Wesen und Wahrheit der Kunst, nach dem Schöpferischen sowie nach der Begründung von Wesen und Wirkung der Kunst. Kunstphilosophie erhält bei Pochat eine metatheoretische Ausrichtung. Der Ästhetik gehe es schließlich um das Geschmacksurteil, um Fragen der Kunst und Schönheit und um die Funktion der Kunst im gesellschaftlichen Leben. Solche Einteilungen sind Legion und ihre Diskussion sprengte den hier gesetzten Rahmen. Wenn man an den Begriffen Kunstphilosophie und Ästhetik festhält, bewegt man sich jedenfalls im Umfeld von philosophisch relevanten Disziplinen der Kunst- und Architekturtheorie. Aus diesen und anderen (wie historischen) Gründen gibt es bis heute also viel Konfusion um die Terminologie. Wenn wir uns auf die Begriffe Kunstphilosophie und Ästhetik beschränken, fällt auf, dass die Mehrzahl der für unser Interesse einschlägigen Darstellungen keinen Unterschied macht zwischen Kunstphilosophie und Ästhetik. Auch viele Einführungswerke verwenden generalisierende Ausdrücke wie »philosophische Ästhetik« oder geben einen ebenso großzügigen wie diffusen Definitionsrahmen: Ästhetik nennt man jene »philosophische Disziplin, in der Fragen der Kunst zu Hause sind.« Das nimmt die analoge Definition auf, die Joachim Ritter im Historischen Wörterbuch der Philosophie vorschlägt: Demnach umfasse Ästhetik jenen Zweig der Philosophie, »in dem sie sich den Künsten und dem Schönen in der Allgemeinheit zuwendet […].« Auch in zahlreichen, sich Spezialfragen widmenden kunstphilosophischen Abhandlungen wird ein solcher Unterschied nicht gemacht.

407

Kunstphilosophie und Ästhetik

Demgegenüber wird hier vorgeschlagen, die Begriffe und Gebiete der Kunstphilosophie und Ästhetik getrennt zu beschreiben im Sinne der Mahnung von Reinold Schmücker: »Kunstphilosophie und Ästhetik sind nicht dasselbe, auch wenn es immer noch üblich ist, beide Begriffe als Synonyme zu verwenden.« Dass sich in der jüngeren Geschichte (von den zahlreich vorgeschlagenen) keine auch nur einigermaßen akzeptierte Kurzformel für Ästhetik bzw. Kunstphilosophie durchsetzen konnte, hat Gründe: Das Problem beginnt mit dem Gründungsdilemma der Ästhetik als philosophischer Disziplin bei Alexander Baumgarten im 18. Jh. – falls dies nicht überhaupt ein Missverständnis war und eigentlich nur eine Erkenntnislehre angedacht wurde, sodass man Baumgartens Aesthetica unter dem Stichwort Erkenntnistheorie einordnen müsste. Die Gründungsgeschichte geschah im Umkreis ähnlicher Interessen bei David Hume, Baltasar Gracián, Charles Batteux, William Hogarth, Étienne Bonnot de Condillac, Edmund Burke. Jedenfalls bewegte sich Baumgartens Aisthesis-Begriff näher an der scholastischen Terminologie als an der Bedeutung der in der Moderne erfolgten Ästhetisierung der Kunst. Insofern hing seine Ästhetik angesichts des sich zur gleichen Zeit oder nur wenig später faktisch vollziehenden Paradigmenwechsels in der Kunst, etwa bei Goethe oder im Rokoko, merkwürdig in der Luft. Das bedeutet, dass Baumgarten für die Klärung der einschlägigen Begriffe nur bedingt hilfreich ist. Dass diese Unklarheit scheinbar bis heute die Etablierung eines konsensualen Kunstphilosophie- und Ästhetikbegriffs verhinderte, hat zudem damit zu tun, dass die pausenlos unterbreiteten diversen kunstphilosophischen Positionen von ihrer dahinterliegenden philosophischen Theorie her kritisch gegengelesen werden. Da heißt es etwa, dass sich die deutschsprachige Kunstphilosophie an dem von Hegel erhobenen Anspruch orientiert habe, sie »als eine der diskursiven Vernunft kommensurable Weise menschlichen Welt- und Selbstverstehens« zu deuten. Annemarie Gethmann-Siefert, die Hegel-Kennerin, fordert schroff, dass Kunstphilosophie als »Wissenschaftstheo­rie« aufzutreten habe. Brigitte Scheer argumentiert geradewegs in die Gegenrichtung, wenn sie dazu anregt, mit dem kritischen Potenzial der Kunst das logozentrische Konzept der Rationalität zu attackieren. Und Nelson Goodman ist optimistisch und stellt die Künste an die Seite der Philosophie und Wissenschaft, insofern nämlich »die Künste als Modi der Entdeckung, Erschaffung und Erweiterung des Wissens – im umfassenden Sinne des Verstehensfortschritts – ebenso ernst genommen werden müssen wie die Wissenschaften und daß die Philosophie der Kunst mithin als wesentlicher Bestandteil der Metaphysik und Erkenntnistheorie betrachtet werden sollte.« Ein aus den erwähnten Gründen bislang nicht erreichter standardisierter Begriff scheint auch heute außerhalb jeder Reichweite. Insofern kann »die Konstruktion eines Kunstbegriffs« heute nicht mehr »das oberste Ziel der Kunstphilosophie« sein. Umgekehrt kann die Etablierung des Faches Kunstphilosophie auch nicht an die Voraussetzung gebunden sein, einen hieb- und stichfesten Kunstwerkbegriff formulieren zu können, wie Harold Osborne das vorschwebte. In vielen Fällen wird jeder Kunstphilosophie- oder Ästhetikbegriff auch aus einem in der Philosophie nicht unüblichen »Methoden-Chauvinismus« hintertrieben,

Schmücker 1998, 47

VII.5.2.3. VII.5.1./VII.2.2.2. VII.5.2.1. VII.5.1./VII.5.2.4.

VIII.4.2./VII.3.6.

Ebd., 61 Gethmann-Siefert 1995, 24 1.1. Scheer 1997, 1

Goodman 1978a, 127

Lehnerer 1987, 97 IX.3.9.8.

408

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Schmücker 1998, 17

V.5.3.ff.

Nida-Rümelin Julian/ Betzler Monika in ÄKPh, XII

indem eine Begriffsbestimmung gleich als eine Begriffsokkupation für eine besondere Schulmeinung missverstanden wird. Demgegenüber haben andere philosophische Genres abseits der Kunstphilosophie den Vorteil, dass sie bereits über viele Jahrhunderte oder gar seit der ersten Einteilung der Philosophie in verschiedene Gebiete durch Redaktoren des Œuvres von Aristoteles einen akzeptierten Ort haben, auch wenn sie jeweils mit gänzlich unterschiedlichen Inhalten und Methoden gefüllt werden. Nach dem zwangsläufigen Scheitern der verschiedenen Definitionsansprüche sei Kunstphilosophie, so eine andere Meinung, kurzerhand in die Ästhetik »aufgehoben« worden. Doch damit habe man – nach Schmücker – die Quellen für eine Bestimmung der Eigenart von Kunst abgeschnitten, für die spezifisch die Kunstphilosophie zuständig zeichne. Eine Theorie ästhetischer Erfahrung und ästhetischer Rationalität könne die kunstphilosophische Reflexion nicht ersetzen. Nun ist, nach so vielen Seiten von Erörterungen unter dem Titel Kunstphilosophie, dem Anspruch kaum auszukommen, auch an dieser Stelle einen Vorschlag zur Bestimmung von Kunstphilosophie und Ästhetik zu unterbreiten. Die im vorliegenden Werk (ganz bewusst) praktizierte Breite von Kunstphilosophie greift weit über das hinaus, was Götz Pochat Kunstphilosophie nennt. Es ist nur konsequent, im resümierenden Schlussteil dieses Werks zur Geschichte der Kunstphilosophie ein Plädoyer abzugeben für die Etablierung der Kunstphilosophie als philosophisches Fach und einer davon zu unterscheidenden Ästhetik im weitesten Sinne. Zur Kunstphilosophie gehören dann auch kunstwissenschaftliche, kunsttheoretische sowie zusätzlich philosophiegeschichtliche und sogar kulturphilosophische Zusammenhänge. Zu den Aufgaben der Kunstwissenschaft werden üblicherweise auch – mit der Hilfe anderer Wissenschaften – die Ausbildung von Begriffen gerechnet, mit denen sich Stile beschreiben lassen. Doch was hinderte es, die fundamentalen Einsichten, die wir Schmarsow, Riegl oder Panofsky in dieser Hinsicht verdanken, als kunsttheo­retische oder eben auch als kunstphilosophische Arbeiten einzustufen? Schmarsow etwa hielt die Kunstwissenschaft für einen Teil der Kulturphilosophie. Letztlich wird man die einschlägigen Bücher der genannten Autoren in der Abteilung Kunstgeschichte zu suchen haben und es sollte kein Problem darstellen, dass es auch in kunstgeschichtlichen Bibliotheken eine Unterabteilung für Kunstphilosophie gibt. Damit würden auch offensichtliche Unsinnigkeiten beseitigt wie die Tatsache, dass man bei heutigem Diskussionsstand nicht von einer »Ästhetik der Antike« oder von einer des Mittelalters sprechen darf, auch wenn sowohl in der Antike als auch im Mittelalter Fragen zur Kunst und Schönheit traktiert wurden. Julian Nida-Rümelin und Monika Betzler haben das kurz und bündig zusammengefasst: »[…] die Künstler der Antike und des Mittelalters wollten zweifellos meist nicht mehr sein als gute Handwerker, die nach etablierten Kriterien ein gutes Stück ablieferten. Aber das Ergebnis ihrer Bemühungen wurde zu einem Bestandteil kultureller Verständigung; das gilt für die ikonographische Tradition ohnehin, aber es scheint mir doch für jede, auch die abstrakte Kunst des 20. Jahrhunderts, zu gelten.« Mein Vorschlag lautet also, umstandslos das Fach Kunstphilosophie zu etablieren, von der ein Teilgebiet die Ästhetik ist.

409

Kunstphilosophie und Ästhetik

1.1. Kunstphilosophie Eine Etablierung des Faches Kunstphilosophie in diesem Sinne bedeutet, dass dem Terminus eine umfassendere Bedeutung gegeben werden muss als dem Terminus Ästhetik. Im einfachsten Fall könnte man mit Kunstphilosophie die jahrhundertelange Beschäftigung mit einschlägigen Fragen verbinden und die oben zitierte Ästhetikdefinition von Georg W. Bertram auf die Kunstphilosophie anwenden: Sie sei eine »philosophische Disziplin, in der Fragen der Kunst zu Hause sind.« Die zurückliegenden Buchseiten sollten dazu Argument genug sein und eine besondere Akrobatik in der Legitimationsfrage überflüssig erscheinen lassen. Dem oben vorgetragenen Argument der fehlenden exakten Begriffsbestimmung geht schon deshalb Überzeugungskraft ab, weil sich dies auch bei anderen, längst etablierten philosophischen Genres genauso verhält. Wenn man darauf blickt, welch unterschiedliche inhaltliche und methodische Zugänge sich unter den Titeln Metaphysik und Ontologie versammeln, dürfte das Gemeinte verständlich sein. Georg W. Bertram schlug eine solche Projektierung von Kunstphilosophie vor, indem er Ausdrücke wie »kunstphilosophisches Denken« und »kunstphilosophische Positionen« bei verschiedenen philosophischen Autoren verwendet und ein spezifisches Interesse damit implizit von ethischen, ontologischen oder erkenntnistheoretischen Interessen und Positionen derselben Autoren unterscheidet. Die Probleme mit dem Terminus Kunstphilosophie scheinen, wie im vorangehenden Kapitel bereits kurz erwähnt, zumindest drei Ursachen zu haben: (1) den in der kurzen Geschichte der Kunstphilosophie hochgerüsteten Wissenschaftsanspruch, (2) einen überdehnten Anspruch auf methodische Regulierung und (3) das schwierige Verhältnis zwischen Philosophie und Kunst. (ad 1) Probleme ergeben sich, wenn man sich in der Geschichte und im dort formulierten Wissenschaftsanspruch verfängt. Gunter Scholtz exponiert das Problem im Historischen Wörterbuch der Philosophie in dieser Weise: »Die Bedingungen für die Prägung des Begriffes ›Kunstphilosophie‹ […] und für die Ausbildung der [Kunstphilosophie] als eigener philosophischer Disziplin erfüllte erst das 18. Jh.« Eine solche Behauptung ist jedoch im Sinne des im vorhergehenden Kapitel Gesagten zumindest zweifach zu hinterfragen: Einmal stimmt das allenfalls im Blick auf eine Kunstphilosophie als eigene und streng definierte philosophische Disziplin. Das aber ist angesichts der Unschärfe der Vorlage bei Baumgarten in dieser Weise weder im 18. Jh. noch später gelungen. Zum anderen sollte man für eine Situierung der beiden Begriffe (Kunstphilosophie/Ästhetik) vom vielfachen Gebrauch des Ästhetikbegriffs in der Geschichte (als ein Thema der Kunstphilosophie!) jetzt absehen und von einem modernen Ästhetikbegriff, der sich nach der Ästhetisierung der Kunst bei Kant und Hegel ergab, ausgehen. Das relativiert die scheinbare Koppelung der Ästhetik mit dem Begriff des Schönen. Denn solange das Schöne eine ontologische Bedeutung hatte, mag man zwar auf den Terminus Ästhetik verzichten, aber das Schöne war stets Thema kunstphilosophischer Erörterungen. Im Deutschen Idealismus, bei dem die Philosophie der Kunst die ausdrücklich metaphysische Aufgabe erhielt, Darstellung des Absoluten zu sein, sollte die Kunst-

Bertram 2005, 14

Ebd., 13f

Wissenschafts­ anspruch

Scholtz Gunter in HWPh 4, 1449

1.2.

VIII.5.0.ff.

410

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

methodische ­Regulierung

Philosophie und Kunst

Bertram 2005, 299

Dessoir 1906, 4

philosophie die Aufgabe der Philosophie schlechthin übernehmen. Hegels Rückstufung der Kunst hinter die Religion (welche derselben Funktion dienen sollte) und der Philosophie ist als Binnendiskurs des Idealismus zu betrachten und für eine gegenwärtige Positionierung obsolet. Es geht hier nicht darum, die Zulassung einer Kunstphilosophie von irgendwelchen in der Philosophiegeschichte traktierten Wissenschaftskriterien abhängig zu machen, sondern umgekehrt: Die Behandlung von Kunst und Ästhetik betreffenden Fragen mit spezifischen Methoden und Inhalten durch die verschiedenen Philosophen ist das Thema der Kunstphilosophie. Darüber einen Überblick zu geben, war Absicht dieses Werks. (ad 2) Was im vorangehenden Kapitel als Okkupation des Terminus durch die verschiedenen philosophischen Schulen bezeichnet wurde, äußert sich in einer jeweiligen Überdehnung des Anspruchs, wonach eine Kunstphilosophie nur als methodisch regulierte und streng definierte philosophische Disziplin auftreten dürfe. Einen solchen Anspruch erfüllt indes keine der anderen Disziplinen der Philosophie. Metaphysik, Ethik, Naturphilosophie, Anthropologie, politische Philosophie sind zulässige und problemlos verwandte Ausdrücke, die eine Vielfalt von Methoden, empirische wie spekulative, Untersuchungsfelder und Erkenntnisinteressen subsumieren. Genau dasselbe darf auch für die Kunstphilosophie gelten, sodass die hier geführte Diskussion als Binnendiskurs der Kunstphilosophie angesehen werden kann. Sie kann in ihrer methodischen Vorgangsweise idealistisch, phänomenologisch, strukturalistisch, sprachphilosophisch oder sonst wie geprägt sein. (ad 3) Der dritte Punkt erscheint schwerwiegender und macht die Kunstphilosophie doch zu einem speziellen, mit anderen Disziplinen nur bedingt vergleichbaren Genre. Wie im vorangehenden Kapitel kurz erwähnt, trifft die Philosophie bei der Begegnung mit der Kunst auf eine kulturelle Erzählung, die nicht ausschließlich von der Philosophie selbst generiert wurde, wie es bei den anderen philosophischen Genres der Fall ist. Vielmehr sorgen eigenständige Akteure nicht nur dafür, dass Kunst »von einem ständigen Nachdenken über Kunst begleitet« ist, sondern sie schreiben sogar an einem Kapitel Weltdeutung und treten damit in unmittelbare Konkurrenz zu den Philosophinnen. Wie hoch sich der Philosoph aus der Perspektive des Künstlers die Latte dabei legt, hat Max Dessoir bereits vor über einem Jahrhundert eindrucksvoll formuliert: »Zwar scheint nach allgemeiner Ansicht der Philosoph berechtigt, Ästhetik im engeren Sinn zu treiben, aber seine Befugnis, über allgemeine Kunstwissenschaft sich auszusprechen, dürfte angefochten werden. Der Philosoph, der über alles und jedes mitreden will, mag wie ein berufsmäßiger Dilettant ausschauen, wie ein Schwätzer und Besserwisser, ohne rechte Vorstellung und gründliche Kenntnis von den Dingen, über die er phantasiert.« Doch Dessoir beruhigt und meint, dass »vorläufig wenigstens« der Philosoph durchaus berufen ist, die Probleme, die das »künstlerische Schaffen und der Ursprung der Kunst, die Einteilung und die Funktion der Künste dem Nachdenken stellen«, zu verwalten. Diese Probleme scheinen manchen Autoren so stark, dass sie, nach 200 Seiten kunstphilosophischer Fragen, das erstaunliche Resümee ziehen, dass die »Sinnhaftigkeit einer philosophischen Thematisierung von Kunst schlechthin« dahingestellt blei-

411

Kunstphilosophie und Ästhetik

ben müsse. Dass dieser Aspekt einen empfindlichen Nerv vieler Philosophinnen zu treffen scheint, dürfte zumindest zwei Gründe haben: (a) die Angst vor einer Auflösung der philosophischen Deutungshoheit samt ihrer rationalen Standards und (b) die gegenteilige Sorge vorschneller philosophischer Domestikation der kritischen Potentiale der Kunst. In gewisser Weise geht es um die Mahnung Adornos, der in seiner Ästhetischen Theorie einen Spruch Friedrich Schlegels zitierte: »In dem, was man Philosophie der Kunst nennt, fehlt gewöhnlich eins von beiden: entweder die Philosophie oder die Kunst.« (ad a) Die Beschäftigung mit Kunstphilosophie bedeutet zugleich eine Beschäftigung mit Kunst, damit mit einem konkurrierenden Weltdeutungssystem, das in großen Teilen anders funktioniert als die Philosophie. Das könnte dazu führen, dass sich im Fachgebiet Kunstphilosophie zwangsläufig philosophische Stringenz auflöst. Die Kunst scheint hier ein größeres »Bedrohungspotential« zu bieten als etwa die verschiedenen Wissenschaften in Disziplinen wie Wissenschaftstheorie oder »Philosophie der Naturwissenschaften«. Kunst, die ja weder allein ein Geschäft des Verstandes (Erkenntnismetaphysik) noch allein ein Geschäft der Praxis (praktische Philosophie) ist, erweist sich der Philosophie gegenüber als sperrig. »Aesthetics alone has no recourse to any established system of evaluations or of knowledge.« In der Tat dürfte das in der verbreiteten philosophischen Diskussion einer der wichtigsten Vorbehalte gegenüber einer Ästhetik – und im weiteren Gefolge eben auch einer ausdrücklichen Kunstphilosophie – als philosophischem Geschäft sein. Die Sinnlichkeit der Kunst, ihre Metaphorik, ihr scheinbar zweckfreies und interesseloses Spiel, die Subjektivität der Kunsterfahrung und die Aufhebung des Werkcharakters des Kunstwerks scheinen für die Philosophie unbeherrschbar, wenn nicht überhaupt eine anmaßende Provokation. Wenige teilen die Meinung, dass Metaphern ein »Mittel zur Ordnung der Welt« sind. Eher halten sie es mit Richard Wollheim, der meint, davor warnen zu müssen, dass Kunstphilosophen »im Zusammenhang mit dem schöpferischen Prozeß, oder allgemeiner mit dem geistigen Leben von Künstlern, traditionsgemäß epistemologische Probleme von einer Ordnung zulassen, die sie in einer allgemeinen Untersuchung nicht billigen würden.« Einen solchen Satz würde Wollheim vermutlich auch bei der philosophischen Beschäftigung mit Nietzsche oder Lacan zum Besten geben. Er ist ein Beispiel dafür, dass das Ausmaß der Anstößigkeit letztlich auch von der bevorzugten philosophischen Schulrichtung abhängt, der man folgt. Freilich gibt es auch für eine solche Ansicht kein einfaches Muster. Denn philosophische Konzepte, die sich scheinbar mit Kunst ziemlich gut in Verbindung bringen lassen, wie der Platonismus und Neuplatonismus, der Idealismus oder die Phänomenologie, funktionalisieren die Kunst weitgehend im Sinne des Programms von Heinrich Lützeler: »Die Kunst ist objektivierter Geist, […].« Damit ist Kunst philosophisch domestiziert, Teil der Philosophie, aber nicht mehr Kunst. Einen kräftigen Bruch bewirkte der in großen Teilen der Philosophie vollzogene metaphysikkritische Paradigmenwechsel zur Philosophie als Wissenschaftstheorie an der Wende vom 19. ins 20. Jh. mit den Höhepunkten in Positivismus und beginnen-

Liessmann 1994, 245

Schlegel, zit. nach Adorno 1970, 544

Saw 1972, 13

Schlaeger Jürgen in Goodman 1968, 281

Wollheim 1968, 175

Lützeler 1934, 5

412

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

IX.3.9.

IX.3.9.

1.0.

Gethmann-Siefert 1995, 18

Ebd., 24

Mothersill 2004, 165

2.1.

der Sprachphilosophie. Fasziniert von der vermeintlich exakten Naturwissenschaft und Mathematik, wurden deren Methoden zu einem Vorbild für die Philosophie. Werturteile, Normen, rhetorisch eingesetzte Metaphern hatten in einer philosophischen Welt, die von der Utopie einer idealen verbindlichen Wissenschaftssprache geplagt wurde, keinen Platz mehr. Sie galten als sinnlose Scheinprobleme. Der Vorteil eines solch klaren Schnitts, den eine »wissenschaftliche Philosophie« im Hinblick auf die Kunst macht, wäre die radikale Befreiung der Kunst aus den Fängen jeder sie instrumentalisierenden Philosophie. Seit sich die Analytische Philosophie aus ihrer anfänglichen »Destruktionsmentalität« und der gescheiterten Utopie einer mathematischen Idealsprache befreit hat, zeigt sie mit ihren Analysen der Verwendung von Begriffen kaum mehr Berührungsängste zur Kunst als speziellem Sprachspiel. Im Gegenteil: Sie ist nun eher bemüht, mit solchen Themenfeldern die universelle Kompetenz ihrer Methode zu unterstreichen. Wohl aber bekundet sie Probleme mit konkreten Inhalten und besonders mit der konkreten Kunstpraxis. Daher neigt vor allem die Analytische Philosophie zur oben von Reinold Schmücker konstatierten Kunstferne der Kunstphilosophie. Annemarie Gethmann-Siefert versucht, die Kunstphilosophie, in ihrer Diktion: die »philosophische Ästhetik«, anhand der beiden philosophischen Pole Erkenntnislehre und Praxisphilosophie zu bewältigen. Der Kunstphilosophie komme neben anderem auch die Aufgabe zu, »das Phänomen Kunst mit Hilfe adäquater Kategorien und treffender Begriffe dem Verstehen zugänglich zu machen.« Sie spricht im Hinblick auf den Bereich besonderer Seiender von einer »Ontologie der Kunst«. Eine solche liefere die Wesensbestimmung der Kunst und grenze den Gegenstandsbereich der Ästhetik ein. Die Fähigkeit, Kunst von Un-kunst zu unterscheiden, komme der philosophischen Ästhetik allerdings nicht zu. Mit der kritischen Prüfung der Begrifflichkeit der Kunsttheorie daraufhin, ob sie »das Phänomen Kunst zureichend erschließt«, schlüpfe Kunstphilosophie gar in die Rolle einer »Wissenschaftstheorie.« Zu guter Letzt hängt aus dieser Sicht die Unmöglichkeit einer Kunstphilosophie an der Undefinierbarkeit der Kunst: »Since there is no non-question-begging definition of ›work of art‹, there can be no such things as the ›philosophy of art‹, unless one accepts Hegel’s good idea that the philosophy of art is identical with the history of art.« Das ist ein klassisches Beispiel für die oben unter (2) erwähnte methodische Überdehnung des Kunstphilosophiebegriffs. Als Fazit dieser Schwierigkeiten präsentieren manche Autoren Ersatzvorschläge für den Terminus Kunstphilosophie, etwa Kunstwissenschaft oder Kunstkritik. Doch es ist nicht einzusehen, warum eine Diversifizierung von kunstphilosophischen Fragen (ontologischer Status von Kunstwerken, ihr Verhältnis zur Natur, Fragen nach Produzenten und Rezipienten und vor allem der Wechselwirkung von Kunst mit dem kulturellen und philosophischen Umfeld) nahelegen sollte, Kunstphilosophie in benachbarte Genres, Geschichtswissenschaft, Technikkunde, Psychologie oder Soziologie, auszulagern. Dass eine derart strenge Unterordnung der Kunst unter das Kuratel der Philosophie nur begrenzte Zustimmung in der Szene der Kunstphilosophie (von jener der Kunst ganz zu schweigen) erfährt, dürfte nicht überraschen.

413

Kunstphilosophie und Ästhetik

Mir scheint ein solcher methodischer Zugang auch wenig hilfreich zu sein, um die vielfältigen kulturellen Erzählungen, welche die Geschichte der Kunst begleiten und sie steuern, in den Blick zu bekommen. (ad b) Gegen (a) richtet sich die gegenteilige Sorge, nämlich die Warnung vor einer dermaßen gründlichen und vorschnellen Domestizierung der kritischen Potentiale der Kunst durch die Philosophie. Als großen Theoretiker eines solchen Szenarios haben wir Arthur Danto kennen gelernt. Nach ihm hat sich die zeitgenössische Kunst ohnehin in Philosophie aufgelöst und ihren sinnlichen Widerstand eingebüßt. Die Alternative wäre, dass Kunst entweder als gleichsam externes Korrektiv eine philosophische Aufgabe wie in der Ästhetik Adornos erhält. Dabei unterliegt sie jedoch neuerlich einer Instrumentalisierung durch die Philosophie, fiele also streng genommen in das unter (a) Gesagte. Der andere Zugang achtet darauf, in der Kunst ein wirkliches Korrektiv des Sinnlichen gegenüber der Rationalität der Philosophie zu sehen, was einen kunstphilosophischen Diskurs der beiden Partner selbstverständlich weiterhin möglich macht. In diese Richtung haben viele, von Adorno über Odo Marquard bis Rüdiger Bubner, in verschiedener Intensität Plädoyers abgegeben. Denn Autonomie ist ein hohes Gut und muss die Kunst in ihrem Eigenwert sowohl gegen eine Instrumentalisierung durch philosophische Interessen auf der einen als auch gegen ihre Vernutzung als Artikel einer Unterhaltungsindustrie auf der anderen Seite absichern. In diesem Sinne meint auch Brigitte Scheer, man müsse darauf achten, dass die Kunst ihr kritisches Potential behalte, um »das zentrale Paradigma abendländischer Philosophie, nämlich das traditionelle logozentrische Konzept der Rationalität und dessen Verabsolutierung«, attackieren zu können. Wenn man die Ästhetik nicht zu einer Wissenschaftstheorie einengt, sondern sie mit Sinnlichkeit verbindet, läge hier eine Grundlage für einen entsprechenden Ästhetikbegriff. Deckte die Kunstphilosophie demnach jene philosophische Disziplin ab, in der sämtliche die Kunst betreffenden Fragestellungen, vom Wesen der Kunst über den Sinn von Schönheit, Rezeptionsfragen bis zur Eigenart der ästhetischen Urteile, abgehandelt werden, böte die Ästhetik Raum für jenes Geschäft, bei dem irgendeine Form von Sinnlichkeit und Erfahrung der Kunst die Philosophie affiziert. Philosophie könnte in einem solchen Diskursfeld zu einer ihrer ureigensten Aufgaben finden, nämlich Ort menschlicher Kulturtechniken zu sein, wo man sich für die Grenzverläufe und Tragweiten rationaler Argumente interessiert. Denn solche Grenzverläufe werden besonders an einem Genre wie der Kunst sichtbar. Wer daran zweifelt, ob »die Philosophie in Sachen Kunst ein guter Ratgeber ist«, der könnte doch zumindest in der Philosophie der Kunst die Aufgabe sehen, »die mit der Kunst verbundene mangelnde Selbstverständlichkeit und ihren Wert als Selbstverständigung explizit zu machen.« Ich bin in der Einleitung von einer selbstbewussten These ausgegangen und habe diese mit einem charmanten Zitat von Ruth Saw unterstrichen. Es sei an dieser Stelle (um den charmanten Teil verkürzt) wiederholt: »Still I wish to make a positive – and more controversial – claim. It is that the study of aesthetics is of the utmost human utility.« Gemeint ist, dass die Künste Ausdruck von Weltdeutungen

IX.3.9.3.

Scheer 1997, 1 1.2.

Bertram 2005, 53f

Saw 1972, 20

414

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

sind, zur Klärung von Problemen beitragen und damit Aufgaben erfüllen, die auch der Philosophie zukommen. Das bedeutet, dass man sich nicht über Strategien den Kopf zerbrechen sollte, dieses scheinbare Konkurrenzverhältnis zugunsten des eigenen Geschäfts zu überwinden, sondern die Chance eines doppelten Blicks auf die Lebenswelt zu nützen.

1.2. Ästhetik

Dessoir 1923, 7

Reicher 2005, 9 Barck Karlheinz in ÄGB 1, 308 Neumaier 1999, 4

VII.5.2.3.

VIII.10.1.

»Der Ästhetik ist es nie gut ergangen. Als nachgeborene Schwester der Logik spät zur Welt gekommen, wurde sie von Anfang an mit Geringschätzung behandelt: sei es als Lehre von einer niederen Erkenntnis, sei es als Wissenschaft von der sinnlichen Verhüllung des Unbedingten; sie blieb immer etwas Untergeordnetes und Nebensächliches. Mag es nun hieran gelegen haben oder an einer Dunkelheit der Sache selbst – jedenfalls kann die Ästhetik bis heute weder ein scharf umgrenztes Gebiet noch eine sichere Methode ihr Eigentum nennen.« Was Max Dessoir in der zweiten Auflage seines Werks 1923 konstatierte, passt heute immer noch an den Beginn einer Erörterung über die Ästhetik. Es wird dabei nicht überraschen, dass schon angesichts der oben geschilderten terminologischen Konfusion die Vorbehalte gegenüber dem Ästhetikbegriff jenen gegenüber dem Kunstphilosophiebegriff ähnlich sind. Nahezu alle dazu bereits unter 1.1. genannten Kommentare und Vorschläge kursieren meist unter dem Titel einer philosophischen Ästhetik. Die verbreitete Unklarheit hat Autorinnen dazu verleitet, die Ästhetik als »eine ziemlich unordentliche Disziplin« zu bezeichnen und die Frage zu stellen, ob »ein strenger Begriff von Ästhetik in gewisser Hinsicht eine contradictio in adiecto« sei. Und nähme man noch die spätestens seit 1900 von vielen betriebene Ablösung der Ästhetik durch andere Disziplinen der Philosophie und der Kunstwissenschaft ernst, wäre die Ästhetik eine »›schöne Leich‹ oder (nicht ganz so ›ästhetisch‹ ausgedrückt) eine Totgeburt […].« Zwar ist der Ausdruck Ästhetik griechisch und analog gebildet wie Logik (griech. episteme logike/Wissenschaft der Logik), nämlich: episteme aisthetike (Wissenschaft der Wahrnehmung). Aber der Begriff wurde erst durch Alexander Baumgarten als Aisthesis (Sinnenlehre) in den philosophischen Kanon eingeführt. Um einerseits konsequent an den Vorschlag des Kunstphilosophiebegriffs anzuknüpfen und andererseits Probleme, wie ich sie in V.5.3.1. schilderte, zu vermeiden, schlage ich vor, den Terminus in zweifacher Bedeutung zu verwenden: (1) In einer weiten Bedeutung meint Ästhetik das Nachdenken über die Kunst und das Schöne. Das ist unscharf und auch unklar, aber dem verbreiteten Gebrauch des Begriffs (der an dieser Stelle eher mit dem Begriff Kunstphilosophie abzudecken wäre) geschuldet. Akzeptiert man das, ist es legitim, von einer »Ästhetik« der Antike und des Mittelalters zu sprechen, obwohl der Terminus erst in der Neuzeit offiziell in die philosophische Nomenklatur eingeführt wurde. Unter diese weite Bedeutung könnte man auch das verbreitete Sprechen von einer Ästhetisierung der Lebenswelt abspeichern, wo Nietzsches Rechtfertigung des Daseins als ästhetisches Phänomen ebenso Platz findet wie – noch näher an der üblichen Bedeutung des Ausdrucks – die von Carl

415

Kunstphilosophie und Ästhetik

Schmitt kritisierte Ästhetisierung der »Gebiete des geistigen Lebens« und andere Ästhetisierungsphänomene. (2) Unter systematischen Gesichtspunkten soll Ästhetik nun in einem engeren Sinn gefasst werden. Dies ist freilich erst sinnvoll nach der Ästhetisierung der Kunst im Kontext einer Subjektivitätsphilosophie am Beginn der Moderne. Zwar wird dieser Beginn meist gebetsmühlenartig bei Alexander Baumgarten festgelegt, aber auch das ist keineswegs so scharf, wie es gemeinhin zum Ausdruck kommt. Denn Baumgarten selbst und das Umfeld, in dem der Begriff etabliert wurde, kann man noch bei weitem nicht zu jener nachmetaphysischen Moderne zählen, in der der Ästhetikbegriff eigentlich zu situieren ist. Eine moderne Ästhetik setzt die Verabschiedung der Metaphysik voraus, eine endgültige Verabschiedung allerdings, nicht bloß eine Substitution der Metaphysik durch Ästhetik, von der Cornelia Klinger spricht: »In dem Projekt, sich an die Stelle der unmöglich gewordenen Metaphysik zu setzen, ist ein Bewußtsein am Werk, das an einer metaphysischen Konzeption festhält und damit an einer ungültig gewordenen Vision der Welt, und diese auf einer ästhetischen Grundlage gleichsam wiederholt.« Klinger fügt aber gleich hinzu, dass es ihrer Ansicht nach wichtig ist, der Ästhetik eine eigene Sphäre neben jenen von Wissenschaft, Recht, Moral zu bewahren.

Schmitt 1919, 17

Klinger 1990, 34

1.2.1. Die historischen Wurzeln und ihre gegenwärtige Revitalisierung Kunst rückte als techne/ars bereits sehr früh, nämlich in der Antike, in den Bereich der Wissenschaften. Sie war, seit über sie reflektiert wurde, stets als mit Wissen verbundene Fertigkeit gedacht. Das gemeindete Kunst in die große Familie von wissensbasierten Praktiken ein und es legte die Basis für eine regelgeleitete Kunst, die über viele Jahrhunderte heftig gegen jede subversive Unterminierung verteidigt wurde. Dies wurde in den vergangenen Abschnitten ausführlich verfolgt (der Weg lässt sich über das Sachverzeichnis unter den Stichworten Regel und Genie verfolgen). Auch bei Baumgarten dominierte ebenso die Regel wie bei Batteux, der die Rede von den Schönen Künsten einführte. Aber mit der neuzeitlichen Inauguration der Ästhetik als philosophisches Fach und der damit einhergehenden Ästhetisierung der Kunst traten die Wissenschaft der Ästhetik und die Kunst als Praxis auseinander. Die Kunstphilosophie wird durch die Distanz zur Praxis »zur denkenden Betrachtung von Gattungen und Werken, zu einer Anschauung, die in der philosophischen und theologischen Anschauung der Natur ihre Parallele hat, […].« Das ist einer der Gründe, weshalb bei strenger Betrachtung die Benützung des Ästhetikbegriffs für die antike und mittelalterliche Kunst unzulässig erscheint. Ein solcher »Missbrauch« wird von einigen zeitgenössischen Philosophen und Historikern ausdrücklich beanstandet. Dieser etwas kleinlichen Mahnung begegnen andere, indem sie mit ähnlich kleinlicher Begriffserfindung von Protoästhetik sprechen. Hermann Schmitz, der diesen Begriff aufgreift, unterscheidet eine idealistische von einer rhetorischen Protoästhetik. Die eine gehe auf Platon und seine Idee des Guten (in der Deutung von Schmitz gleichzeitig die Idee des Schönen) zurück, die andere auf Aristoteles, wo es um Dichtung und Musik, um Katharsis und Mimesis, ging.

Scholtz 1990, 17

V.5.3.1.

416

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Schmitz 1980, 393

Ebd., 388/389

Marquard 1962, 22 Bohrer 1981, 8

Am Beispiel Horaz meint Schmitz, dass dieser die »Suggestionskraft des Dichters« gegen das »Ideal der Schönheit« ausgespielt habe, dass also das eine gegen das andere Paradigma stand. Schmitz greift mit dieser Unterscheidung eine ältere von Alfred Baeumler auf, der sein schmales Bändchen Ästhetik (1934) in zwei Abschnitte einteilte: »Die Idee des Schönen« und »Der Begriff der Kunst«. Das erste stand im Zeichen Platons und Plotins, das zweite im Zeichen des Aristoteles. Zweifellos liegen mit den kunstphilosophischen Konzepten von Platon und Aristoteles zwei Paradigmen vor, die sich in wichtigen Aspekten widersprechen. Allerdings sind die Konzepte doch komplexer angelegt, als dass sie sich so einfach gegeneinander stellen ließen. Namentlich Platons Konzept des Schönen geht weit über eine idealistische Ästhetik hinaus und reicht bis zu einer Technikphilosophie. Das wurde in den einschlägigen Kapiteln der vergangenen Abschnitte ausführlich dargelegt und sei an dieser Stelle nur in Erinnerung gerufen. Was einen zeitgemäßen Ästhetikbegriff betrifft, so ist wie beim Terminus Kunstphilosophie auch hier die späte Inauguration dieser philosophischen Disziplin eine der Ursachen ihrer Verunklärung, wenn nicht gar Verhinderung. Auch das bringt Hermann Schmitz, der in der im 19. Jh. gegründeten Ästhetik im Wesentlichen einen Beitrag »zur hochbürgerlichen ›Kultursynthese‹ des Zeitalters« sieht, ungeschminkt auf den Punkt: »Im labil ausbalancierten Gebäude der Ästhetik und ihres Schönen dürfte also noch viel mehr zum Einsturz reif sein, als dem Standard-Intellektuellen von heute trotz seines Einspruchs gegen jene schon klar geworden ist.« Nun ist zwischen 1980, als Schmitz diese Gedanken zu Papier brachte, und heute zu diesem Thema viel passiert. Die Vorschläge zur Beschreibung einer zeitgemäßen Ästhetik sind uferlos, weshalb sie hier nur in ihren hauptsächlichen Typen gerafft referiert werden können. Vier Kennzeichen scheinen in der Diskussion häufiger als andere gebraucht zu werden: Demnach sei Ästhetik (1) eine Theorie der sinnlichen Wahrnehmung (im Sinne Baumgartens), (2) eine Philosophie/Theorie der Kunst, (3) – besonders prominent – eine Theorie des Schönen und (4) die Formulierung eines Geschmacksurteils. Anzumerken bleibt, dass sich viele Positionen kaum eindeutig den Antworten (1) bis (3) zuordnen lassen. Sie vermischen sich in der Regel, während (4) eine relativ eigenständige und abgrenzbare Antwort ist. Neben diesen vier Typen gibt es spezifische Sonderformen von Ästhetiken, die von einzelnen Autorinnen als besondere Markenzeichen verwandt werden, deshalb nur partiell anschlussfähig und kaum universalisierbar sind. Viele von ihnen haben im Abschnitt IX bereits eine gesonderte Besprechung erfahren. Zu ihnen gehören auch originelle Sichtungen, wie die Kompensationsthese von Odo Marquard, der in der Ästhetik – seit dem 18. Jh. für ihn die »diensthabende Fundamentalphilosophie« – zudem ein Störpotenzial der Philosophie gegenüber sieht. Oder Karl Heinz Bohrers aus der Tradition Adornos gesprochene »Ästhetik des Plötzlichen«. Trotz vieler zweifellos reizvoller Aspekte kann das unüberschaubare Angebot an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. In einer schnellen Qualifizierung scheint die erste der erwähnten Definitionen aus heutiger Sicht zu eng, die zweite zu weit, die dritte angesichts der Entwicklung

417

Kunstphilosophie und Ästhetik

der Kunst nicht mehr zutreffend und die vierte nicht auf dem Stand der aktuellen Rationalitätsdiskussion zu sein. (ad 1) Die historische Grundlegung der Ästhetik als philosophische Disziplin durch Alexander Baumgarten wurde schon mehrmals erwähnt. Sie verband sich bereits bei ihm mit der Kunst. Mit seiner Ästhetik generierte Baumgarten eine sinnliche Erkenntnis, die an die Seite der logischen Erkenntnis rückte. Die Schwierigkeiten einer solchen auf einer sinnlichen Erkenntnislehre basierenden Ästhetik wurden sowohl in diesem Abschnitt als auch im historischen Teil mehrfach angesprochen. Das berührte auch die Tatsache, dass eine derart entworfene Theorie nur bedingt und für ausgewählte Fälle als Grundlage einer zeitgemäßen Ästhetik dienen kann. In ähnlichem Rahmen bewegten sich die auf Baumgarten folgenden Auslegungen dieser frühen Ästhetik. Sie operierten in der Regel als Wissenschaft des Sinnlichen und als Umschreibung von Schönheit im Sinn einer Vollkommenheit. Zudem fehlten nur selten moralische Komponenten im Gefolge der Vorstellung von Kunst als moralischer Anstalt bei Schiller. Eine wichtige Wende in der neueren Debatte vollzog Kant, der Baumgartens Bemühung, »[…] die kritische Beurteilung des Schönen unter Vernunftprinzipien zu bringen und die Regeln derselben zur Wissenschaft zu erheben«, wegen ihres empirischen Anteils kritisch sah. An ihre Stelle sollte eine »Wissenschaft von allen Prinzipien der Sinnlichkeit a priori« treten, eine »transzendentale Ästhetik«. Damit war nicht nur Ästhetik subjektiviert, es tat sich zudem das Spannungsfeld von Sinnlichkeit (und im Gefolge davon jenes von Kunst) und Philosophie auf. Dieses wurde im Kontext der alten Regel- und Geniediskussion zu einem Diskurs über die Freiheitspotentiale des Subjekts, das sich nun nachhaltig von der »schulfüchsische[n] und düstere[n] Creatur« des Logikers befreite. Kant modernisierte zwar einerseits mit der Subjektivierung des Geschmacksurteils die Ästhetik gegenüber Baumgarten, er machte aber andererseits Ästhetik zu einem Teilbereich seiner Wissenschaft der reinen Vernunft, koppelte sie daher von Sinnlichkeit und von Kunst ab. In diesem Sinn bleiben Kants Überlegungen für die Verwendung von ästhetischen Urteilen historisch interessant, kaum aber für ein zeitgemäßes Ästhetikkonzept. Zwar sind die restaurativen Tendenzen, die Ästhetik wieder metaphysisch zu buchstabieren, bei Schelling und Hegel philosophisch (!) höchst anregend, taugen aber ebenso wenig für eine moderne Ästhetik. Demgegenüber hat die Variante, die Ästhetik mit Wahrnehmung verbindet, in der zeitgenössischen Diskussion, vor allem nach dem Glaubwürdigkeitsverlust von rationalen Letztbegründungsansprüchen, wieder an Aktualität gewonnen. In solchem Kontext erhält die Hinwendung zu Sensibilität und Wahrnehmung eine ausdrücklich ethische Komponente. An der Grenze zwischen Körper und Welt »artikulieren sich Objekt- und Subjekt-Sein des Körpers. Beide werden zur Voraussetzung der Erfahrung des Anderen, für die Kunst, Literatur, Musik die äußerste Möglichkeit bieten […] Dadurch leistet die ästhetische Erfahrung einen Beitrag zur Offenheit für das Fremde und zur Sorge für das Andere und damit zu einer Ethik der menschlichen Existenz.« Besonders ausdrücklich vertrat der in diesem Zusammenhang bereits mehrmals erwähnte Wolfgang Welsch eine Position, die Ästhetik als Wahrnehmung interpre-

sinnliche ­Erkenntnislehre

VII.5.2.3.

VIII.4.1.

Kant 1781, B 35 VII.6.3.ff.

Meier 1748, 9 VII.5.2.3.

Wulf/Kamper/­ Gumbrecht 1994, Xf

418

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Welsch 1987b Welsch 1993a, 25

Welsch 1990, 9f

Brock 1977, 6

Brock 2012

2.6.1.

Böhme 2006a, 18

Böhme 2006b, 105 Hahn 2017, 332

tiert. In einer umfangreichen Rekonstruktion der aisthesis aus dem Geiste Aristoteles’ zählte er sie zur »Grundschicht von Erkenntnis und Wirklichkeit«: »Ich möchte Ästhetik genereller als Aisthetik verstehen: als Thematisierung von Wahrnehmungen aller Art, sinnenhaften ebenso wie geistigen, alltäglichen wie sublimen, lebensweltlichen wie künstlerischen.« Die von Welsch vertretene Sache kann sich auf eine lange Tradition berufen, die bei Aristoteles wurzelt und in der Tradition des Empirismus weitergeführt wurde. Solche Ästhetiken entfernen sich weit von jeder metaphysischen Anmutung und halten sich damit auch von philosophischen Eingemeindungsversuchen fern. Für Bazon Brock ist die Ästhetik »aus der Obhut der Philosophie entlaufen«, weil sie praktisch ist. Sie ist gerade »keine eigenständige wissenschaftliche Fachdisziplin, sondern Praxis der Vermittlung oder Praxis der Aneignung.« Sie hat mit »Objekten und Objektfigurationen zu rechnen, die als Vergegenständlichungen abstrakter Aussagen hergestellt wurden. 1965 übernahm Brock in Hamburg eine Professur für »nicht-normative Ästhetik«. Gemeint war dabei ausdrücklich eine Rückführung der Ästhetik auf die alte aisthesis, wie er auf Spiegel-Online 2012 unterstrich: »Bevor Max Bense, Max Bill und ich das übernahmen, war Ästhetik eine Disziplin der Philosophie, in der man sich mit dem Begriff des Schönen beschäftigte. Wir haben gesagt, Schluss mit dem Geschnatter, und haben die Ästhetik wieder auf den Begriff der Aisthesis zurückgeführt, also Wahrnehmung.« In diesen Rahmen sind auch die umfangreichen Arbeiten von Gernot Böhme zu zählen, dessen Ästhetik man mit den Schlagworten Sinnlichkeit, Leiberfahrung und Atmosphäre verbindet. Er beschreibt Ästhetik in einer Reihe von Schriften vor phänomenologischem Hintergrund mit ökologischen Metaphern. Ausgangspunkt dafür ist eine Körpererfahrung. Sie spannt ausdrücklich einen oikos (griech. Haus-, Wirtschaftsgemeinschaft, Familie, nähere Umgebung) auf. Böhme verpasst Richard Sennett, der in seinem Buch Fleisch und Stein (1994) die Stadtarchitektur von den Lebensbezügen der in dieser Stadt lebenden Menschen her aufrollt, einen Leibbegriff für eben diese Menschen. Er macht einen ausdrücklichen Unterschied zwischen Körper und Leib. Steht Körper für die Fremderfahrung einer sich damit befassenden externen Wissenschaft, ermöglicht der Leib die Selbsterfahrung als Mensch. Mit dieser Leiberfahrung entfaltet er auch seine Architekturphilosophie. Dabei spielt er mit den Termini leiblicher Raum, der den geometrischen Raum der Architektur ablösen sollte, und Atmosphäre als etwas – noch undifferenziert – zwischen Subjekt und Objekt Befindlichem, als etwas, das einen Raum erfüllt, in den man eintritt: »Der Raum leiblicher Anwesenheit ist immer ein gestimmter Raum, es herrscht in ihm eine Atmosphäre – und sei es auch nur die Atmosphäre öder Langeweile.« Böhme sucht keine begrifflichen und definitorischen Bestimmungen des Ästhetischen, sondern deutet die ästhetische Wahrnehmung als eine synästhetische Erfahrung: »Diese Erfahrung ist das leibliche Spüren. Und in diesem Spüren wird jener Raum aufgespannt, den wir den leiblichen Raum – im Gegensatz zum körperlichen – nennen.« Es gibt ein atmosphärisches Spüren, ein nosing around, also eine Art von ganzheitlicher Wahrnehmung, was übrigens sogar Architekturtheorie zur »Erfahrungswissenschaft« macht.

419

Kunstphilosophie und Ästhetik

Für Böhme ist Architektur keine visuelle Kunst, sondern Raumgestaltung. Eine solche kann man nicht sehen, sondern nur spüren. Ein gestimmter Raum, den man wahrnimmt, ist nichts anderes als Atmosphäre. »Schönheit ist nur eine unter vielen Atmosphären, und Kunst ist nur eine besondere Art, mit Atmosphären umzugehen.« Daraus ergibt sich eine Beschreibung von Schönheit: »Das Schöne ist nicht irgendeine Eigenschaft an dem schönen Gegenstand, sondern eine Atmosphäre, und zwar die Atmosphäre deutlicher Präsenz, die uns anzieht und das eigene Lebensgefühl steigert.« Die Frage nach dem Raum ist freilich eine der wichtigeren Fragen der letzten Jahre geworden, sodass Bernhard Waldenfels gar von einem spatial turn spricht und die »Vielfalt räumlicher Aspekte […] um meinem Leib« gruppiert sieht. Eine solche Gestimmtheit tritt nach Böhme in fünffacher Weise auf: (a) in Stimmungen wie ernst, heiter, gemütlich, (b) in Synästhesien wie kalte Farbe, warmes Licht, (c) in Bewegungsanmutungen wie Massigkeit, Enge und Weite des Raums, (d) in kommunikativen Charakteren wie aggressiv, verbindlich und (e) in gesellschaftlichen Charakterisierungen wie kleinbürgerliche Atmosphäre oder machtvoller Ausdruck. Böhme dekliniert seine Ästhetik bis hin zu Atmosphärenwahrnehmung in Dämmerung, Dunst, Smog, Licht und Sound und plädiert schließlich für eine pädagogische Anstrengung zur Ausbildung einer »atmosphärischen Kompetenz«. Trotz der hohen Aktualität und der weitgehend überzeugenden Konsequenzen ist eine Ästhetik, die sich mit Sinnlichkeit verbindet, alles andere als trivial. Denn sinnliche Wahrnehmung weist über eine ästhetische Erfahrung und über Kunsterfahrung hinaus. In dieser Allgemeinheit wäre dieser Vorschlag für eine Ästhetikdefinition zu weit. Das Verhältnis von ästhetischer Erfahrung und Sinnlichkeit ist zwar ein anregendes Konzept, benötigt jedoch eine aufwendige Feinabstimmung. (ad 2) Nach der im Kapitel 1.0. zitierten Definition von Joachim Ritter umfasst Ästhetik alle philosophischen Fragen, die mit den Künsten und dem Schönen zu tun haben, samt der begleitenden Theorien. Es ist offensichtlich, dass diese Definition, die ich mit dem Terminus Kunstphilosophie verbinde, mit unterschiedlichsten Inhalten gefüllt werden kann. Vielfach wird in diesem breiten Sinn Ästhetik undifferenziert als Theorie der Kunst verstanden. Das gilt auch für viele jener Autorinnen, die keinen Unterschied zwischen Kunstphilosophie und Ästhetik machen. Es ist müßig, die Entstehung dieses weiten Verständnisses von Ästhetik rekonstruieren zu wollen. Dass eine solche Vermischung von Ästhetik und Theorie der Kunst eher Ausdruck einer Verlegenheit und kaum hilfreich in der Sache ist, wurde bereits festgestellt. Hier liegt zugleich ein Grundstein für die erwähnte Auslagerung ästhetischer Theoriebildung aus den philosophischen in literarische und künstlerische Abteilungen. Insofern ist dieser Vorschlag für die Formulierung eines abgegrenzten Ästhetikbegriffs wenig hilfreich. (ad 3) Den prominentesten Rahmen spannt der in der neueren Geschichte wurzelnde Vorschlag, Ästhetik als ein Geschäft zu bestimmen, das sich um das Schöne kümmert – nach den bekannten Worten Hegels, der »vom weiten Reich des Schönen« schwadronierte, oder mit Herders Überzeugung: »Schönheit ist das Hauptwort aller Aesthetik.« Angesichts der Popularität der Verbindung von Ästhetik und

Böhme 2006a, 20

Ebd., 23 Waldenfels 2017, 277

Ebd., 51f

1.4.ff. Theorie der Kunst

Theorie des ­Schönen

Herder 1769, 283

420

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Sulzer 1771, 20; Scheer 1997; Rentsch 1991; Ritter 1971 Osborne 1955, 24

Pöltner 2008, 20f 1.3.2.2.

Mothersill 2004 Kutschera 1988

Rosenkranz 1853, 12f VIII.6.1.3.

VIII.5.3.2.3. VIII.10.1. Brod 1913, 19

Schönheit stützen sich trotz dem längst erfolgten Einbruch der »nicht mehr schönen Künste« auch zeitgenössische Autorinnen nach wie vor auf die schon von Johann Georg Sulzer eingeführte Definition, Ästhetik sei die »Philosophie der schönen Künste, […]«. Harold Osborne sah sich zu einer »Apologia for Aesthetics« genötigt, die er so eröffnet: »Aesthetics is that branch of philosophy whose function is to investigate what is meant to be asserted when we write or talk correctly about beauty.« Günther Pöltner platziert seine philosophische Ästhetik sogar um die Marginalisierung des Schönen. Seiner Meinung nach liegt darin »das vordringlichste Problem einer philosophischen Ästhetik […] Nicht das Verhältnis von Philosophie und Kunst, sondern das gegenwärtige Schicksal des Schönen ist die Gretchenfrage der Ästhetik.« Thomas Rentsch hält in seiner Ästhetik das Schöne für deren »Kernbestand«. Verschärfend kommt hinzu, dass Schönheit dabei in den meisten Fällen, wie wir etwa von Moses Mendelssohn in seinen Philosophischen Gesprächen wissen, nur als Schönheit hinter dem Sinnlichen gerechtfertigt sei, sodass sie nicht mit den Sinnen, sondern mit der Vernunft begriffen werden könne. Selbst in der analytischen Ästhetik ist diese vergleichsweise schlichte und ziemlich verstaubte Beschreibung des Aufgabenfelds der Ästhetik weit verbreitet. Bereits der Begriff der Schönheit legt der Sache indes hohe Hürden in den Weg. Die Bewertung von Schönheit ist relativ und hat zu tun mit der Vertrautheit mit einer Kultur, mit einer Epoche samt deren philosophischen Konzepten und mit subjektiver Gewandtheit in Sachen der Kunst. Darüber hinaus kann sich die Tatsache, dass auch das Hässliche Teil der Ästhe­ tik (wenn auch nicht Teil der Schönheitsauffassung) ist, mühelos auf eine lange Tradition berufen. Karl Rosenkranz sah jede Ästhetik »gezwungen, mit der Beschreibung der positiven Bestimmung des Schönen irgendwie auch die negativen des Häßlichen zu berühren.« Freilich begann die große Zeit der »nicht mehr schönen Künste« erst in der Moderne. Denn bei Rosenkranz (wie auch bei Lessing) war das Hässliche schlicht der Gegenbegriff zum Schönen. Insofern war die traditionelle Ästhetik des Hässlichen nur die Kehrseite der Ästhetik des Schönen. Die Grenzen einer Ästhetik des Schönen werden daher weniger durch eine solche des Hässlichen überschritten als vielmehr durch eine Kunst, auf die beide Attribute schlicht nicht mehr anwendbar sind. Das gilt besonders für weite Teile der modernen Kunst. Das Ready-Made konfrontierte mit der Situation, dass Ästhetik heute nicht mehr nur ein mit Kunstwerken verbundenes Geschäft ist. Die Interventionen von Dada, Surrealismus und Futurismus waren genauso wie die Drip-Gemälde des Abstrakten Expressionismus, Pop Art, Concept Art und weite Bereiche der Aktionskunst ganz bewusste Bemühungen, Zuschreibungen von Schönheit oder Hässlichkeit obsolet werden zu lassen. Insofern ist die Kunst der Moderne in aller Regel nicht »zufällig« hässlich, vielmehr ist die Hässlichkeit eine aktivierte Folge von Hegels »Ende der Kunst« und eine ausdrückliche Dekonstruktion der idealisiert klassizistischen und romantischen Schönheitsästhetik. Philosophisch hat Friedrich Nietzsche das geradezu zelebriert. Und Max Brod sagte: »Sie sind so eindeutig, so vollkommen, so häßlich … die schönen Bilder.«

421

Kunstphilosophie und Ästhetik

Weil Schönheit kein zutreffendes Kriterium ist, könnte man so weit gehen, daraus zu folgern, dass im Extremfall die Kunst »keinen Teilbestand des Ästhetischen« mehr bildet. Dass dieses auch für die Kunst der Antike und des Mittelalters gelten soll, wie manchmal zu bedenken gegeben wird, ist nur schwer nachvollziehbar. Dort lag nämlich ein anderer Schönheitsbegriff zugrunde, kein ästhetischer, sondern ein ontologischer! Die aktuelle Ästhetik muss inzwischen mit der Tatsache umgehen, dass auch Landschaft, Gerüche, Allerweltsgeräusche oder Prozesse wie Blitze, Regen oder das Rosten eines Schiffswracks Gegenstände ästhetischer Wertschätzung sein können. Solche Gegenstände sind frei von jeder Formung durch ein Künstlersubjekt. Es lässt sich daher die These nicht mehr vertreten, dass Ästhetik mit Schönheit korreliert sei. »Insofern hat die Ästhetik also mit mehr zu tun als nur mit dem ›Schönen‹ […].« Jenseits von Positionen, für die das gegenwärtige Schicksal des Schönen die Gretchenfrage der Ästhetik ist, gibt es einen breiten Konsens darüber, dass der Begriff der Schönheit durch den einer ästhetischen Erfahrung zu ersetzen sei. Ästhetik ist »nicht entweder Kunstphilosophie oder Aisthetik, sondern nichts anderes als die Theorie der ästhetischen Erfahrung, die deren Differenz zur alltäglichen Aisthesis bestimmt.« Die Schönheitsfrage ist in der zeitgenössischen Ästhetik daher weitgehend obsolet. Sie bleibt aber ein spannendes Thema der Kunstphilosophie. (ad 4) Ausgehend von Kants Formulierung des ästhetischen Urteils, mit dem er einschlägige frühere Versuche zu klären unternahm, spielt die Variante, Ästhetik mit dem Geschmacksurteil zu verbinden, auch noch in der zeitgenössischen Diskussion eine nicht unerhebliche Rolle. Über die Wurzeln eines solchen Urteils in der Formulierung des Geschmacks (goût) und der darin ausgedrückten Subjektivierung hängt dieser Punkt mit der Schönheitsdiskussion in (3) zusammen. Auf der anderen Seite steht man angesichts der Kritik an Letztbegründungsansprüchen und der Verabschiedung der großen rationalen Legitimationsgeschichten, wie sie von François Lyotard am pointiertesten durchgeführt wurden, eher vor der Krise eines solchen Urteils. An die Stelle eines versöhnenden Urteils tritt als Folge der Auflösung von Letztbegründungen der Widerstreit. Als Resümee der Punkte (1) bis (4) kann gelten: Ästhetik als Formulierung des Geschmacksurteil ist eine zu enge, auf ein spezifisches Problem zugeschnittene Sicht. Ästhetik als eine Theorie des Schönen ist angesichts der realen Entwicklung der Kunst überholt und Ästhetik als Theorie oder gar Philosophie der Kunst resultiert aus einer Vermischung der Aufgabenfelder Ästhetik und Kunstphilosophie und sollte für letztere reserviert bleiben. Zudem »verlor« die Ästhetik im 19. Jh. das Schöne und im 20. Jh. das Kunstwerk! Ästhetik als Theorie der sinnlichen Wahrnehmung wiederum ist im Sinne Baumgartens und Kants überholt. Es lässt sich aber aus der darin formulierten generellen Hinordnung auf Sinnlichkeit eine interessante Konzeption von Ästhetik ableiten. Denn ein moderner Ästhetikbegriff muss breiter aufgestellt werden, um im Diskurs der zeitgenössischen Kunst noch nützlich zu sein. Wenn er sich von einer vermeintlichen Benchmark eines gelingenden ästhetischen Urteils frei spielt, kann er eher die Komponente der Wahrnehmung und eines sinnlichen Zu-

Kliche Dieter in ÄGB 1, 379

Neumaier 1999, 140

1.4.

Schmücker 1998, 64 Geschmacksurteil

VII.6.3.1.f.

IX.4.5.2.

1.3.1./3.5.3.

422

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Reicher 2005, 19; im Orig. kursiv

gangs stark machen. Notwendig dazu ist die Frage nach dem ästhetischen Gegenstand und der ästhetischen Erfahrung. Eine derart aufgebaute Ästhetik reicht in den Bereich der Kunst. Denn in Abhebung vom Konzept einer Kunstphilosophie würde sie sich dann – darin stimme ich Maria Reicher zu – mit »ästhetischen Eigenschaften, mit ästhetischen Gegenständen (das heißt: mit Gegenständen, die ästhetische Eigenschaften haben) und mit ästhetischen Erlebnissen (das heißt: mit Erlebnissen, die das Erfassen ästhetischer Eigenschaften einschließen)« beschäftigen.

1.2.2. Ästhetik als Perspektive auf Kunst und Wahrnehmung

3.5.1.2.

Bubner 1989, 7

Reicher 2005, 16

Ebd., 92

Seel 1985, 314

Am Beginn jeder ästhetischen Äußerung steht eine sinnliche Wahrnehmung. Gewöhnlich neigen die Anhänger des Mentalismus dazu, eine solche Aussage zu bestreiten. Aber auch mentalistische Ästhetikkonzeptionen, zumal wenn sie sich auf künstlerische Praktiken wie Concept Art berufen, kommen um den Ausgangspunkt einer sinnlichen Erfahrung nicht herum. Insofern kann man Wolfgang Welschs Vorschlag, Ästhetik als Thematisierung von Wahrnehmungen aller Art zu verstehen, zum Ausgangspunkt nehmen für die gegenwärtige Debatte und seinen Begriff der aisthesis als ästhetische Erfahrung aktualisieren. Eine Ästhetik als Theorie der ästhetischen Erfahrung würde sich um alle Aspekte, die mit ästhetischer Wahrnehmung zu tun haben, kümmern, darunter auch um den Unterschied zwischen ästhetischer und Alltagwahrnehmung. Mit Rüdiger Bubner gesprochen: »Aufgabe der Ästhetik ist es also, nicht bloß hinzunehmen, was als Kunst unmittelbar auftritt, oder was als Werk ex post klassifiziert wird, sondern zu begreifen, was in der ästhetischen Erfahrung geschieht.« Maria Reicher fasst ein solches Konzept so zusammen: »Ästhetik ist die Theorie der ästhetischen Erfahrung, der ästhetischen Gegenstände und der ästhetischen Eigenschaften.« Da sich für Reicher kunstphilosophische Fragen weitgehend in diesen drei Aspekten erschöpfen, reicht für sie der Ästhetikbegriff weiter als jener der Kunstphilosophie. Denn Kunstphilosophie als Teilbereich der Ästhetik stelle die Frage nach Kunst und Kunstwerk. Dies wiederum sei eine »ontologische« Frage. Mit der engen Bedeutung von Ontologie, wie sie bei analytischen Philosophinnen üblich ist, geht es dann um die Frage, »was für eine Art von Gegenständen jene Gegenstände sind, die wir als Kunstwerke bezeichnen.« Da im vorliegenden Werk der Problembereich der Kunstphilosophie weitaus breiter gefasst wird, wie in 1.1. vorgeschlagen, bleibt die Ästhetik deren Teilgebiet und konzentriert sich auf die ästhetische Wahrnehmung. Auch mit einer solchen Beschränkung tut sich eine Reihe von Aspekten auf, denen im Einzelnen nachgegangen werden kann, etwa im Sinn der Überlegungen von Martin Seel: »Ästhetisch ist das Verhalten, das sich zur Welt seiner Erfahrung erfahrend zu verhalten sucht. Rational ist dieses Verhalten, sofern es begründbar ist – wenn die ästhetisch Wahrnehmenden gegebenenfalls begründen können, warum sie an diesen und nicht jenen Objekten ein ästhetisches Interesse nehmen.« Eine wichtige Konsequenz aus der Bindung des Ästhetikbegriffs an die Wahrnehmung ist, dass diese sich gegenüber reiner Vernunft- und Sprachorientiertheit

423

Kunstphilosophie und Ästhetik

als widerständig erweist. Sie bleibt in dem oben diskutierten Sinn nahe an der konkreten Kunst und steht quer zu einer widerstandslosen Aufhebung in den Begriffsapparat der Philosophie. Ästhetik in diesem Sinn stellt sich dann eindeutig gegen die »schulfüchsische und düstere Creatur« des Logikers. Der rumänischstämmige amerikanische Komparatist Virgil Nemoianu spricht von einer »aesthetic world-view« und sieht die Ästhetik als »guiding science in a general epistemology of the modern age« und als Antwort »to the growing complexity of the systems of knowledge […]« unserer Zeit. Was Nemoianu damit beschreibt, kann man als einen neuerlichen Paragone interpretieren, diesmal einen in der Philosophie: linguistic turn contra pictural turn! Dass die von uns rezipierte Wirklichkeit weitgehend sprachabhängig ist (woraus die Sprachphilosophie und im Gefolge die Analytische Philosophie ihre Legitimation schöpfen), ist nicht zu bestreiten, aber man kann eventuell darüber mutmaßen, dass jeder sprachlichen Form ein Bild vorausgeht. Jede Wirklichkeit ist vermutlich in der Regel längst schon als Bild entworfen, bevor sie sprachlich rekonstruiert wird. Jede vernunftbasierte Rekonstruktion setzt ein Bild der Wirklichkeit voraus. Wenn das so ist, eröffnet die Kunst einen Zugang zu dieser Wirklichkeit, der jedenfalls nicht nach dem sprachlichen Zugang liegt, sondern mit ihm parallel geht, sodass man mit Dieter Henrich den Schluss ziehen kann: »Dieser Entdeckung zufolge gibt es eine nicht in Begriffen und somit auch nicht über Argumente organisierte Erkenntnisweise, die nichtsdestoweniger legitim ist und die eine eigene Erschließungskraft hat.« Dass Nemoianu damit einen geradezu universellen ästhetischen Lebensentwurf verbindet, ist wieder eine andere Sache, die allerdings einen weiten Bogen von den gegenwärtigen Konzeptionen zurück bis zum Beginn der Kunst schlägt, wo sich mit ziemlicher Sicherheit ästhetische Lebensvollzüge in diesem Sinn ausmachen ließen. Dass sich zum Unterschied von damals, wo solche Lebensvollzüge mit religiöser Weltdeutung oder performativ-mystischer Beschwörung gepaart waren, heutige ästhetische Lebensvollzüge sowohl affirmativ als auch widerständig zeigen, zielt genau auf jene Sinnspitze, die Ästhetik behandeln sollte. Das trifft wieder das Anliegen von Wolfgang Welsch, der, im Gefolge von Lyotards Ästhetik als Wahrnehmung, in der Ästhetik ein Geschäft sieht, die Wahrnehmung für eine Wirklichkeit zu schärfen, die anästhetisch bedroht ist. Es geht ihm darum, dass »die ästhetische Erfahrung nicht in Ästhetizismus abgleitet, sondern in aisthetisches Erkennen umgesetzt wird. Dann kann Kunsterfahrung geradezu als Modell ästhetischen Denkens fungieren.« Einen solchen Gedanken greift auch Julian Nida-Rümelin auf. Im knappen Vorwort der mit Monika Betzler organisierten Sammlung Ästhetik und Kunstphilosophie beschreibt er das Verhältnis von Kunst und Philosophie (unter ausdrücklicher Ausklammerung der künstlerischen Perspektive auf die Philosophie) und stellt dabei eine vage Definition von Ästhetik in den Raum: »Die Perspektive der Philosophie auf die Kunst und auf das Medium der Wahrnehmung, die sinnliche Erkenntnis (Ästhetik im weitesten Sinn), […].« Er tut dies mit ausführlichem Verweis auf die spezifische Bedeutung der Aisthesis-Lehre bei Baumgarten und kommt zum Schluss, dass eine so verstandene Ästhetik »Korrektiv und Komplement einer rati-

1.0.

Nemoianu 1989, 76

IX.3.9.

Henrich 1989, 162

Welsch 1989, 144

424

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Nida-Rümelin Julian in ÄKPh, X

onalistischen Philosophie [ist], die meint, Logik und Vernunft allein erlaubten die Erkenntnis sicherer Wahrheiten.« Eine solche Ästhetik »ist nicht primär Kunstphilosophie« und, wenn man an Baumgartens Aisthesis und Welschs Rekonstruktion des Aristoteles erinnert, kann man über sie zu Recht sagen: »Ästhetik nicht in dem besonderen, durch Rationalismus und Deutschen Idealismus geprägten Sinne, sondern als Philosophie der sinnlichen Wahrnehmung ist jedoch fast genauso alt wie die uns bekannte abendländische Philosophie.« Die hier vorgeschlagene Ordnung der Begriffe würde in dem eben diskutierten Sinn die meisten Vorschläge für eine philosophische Ästhetik der Kunstphilosophie zuweisen und Ästhetik auf eine Behandlung der Frage im Umkreis der sinnlichen und ästhetischen Wahrnehmung beschränken. Ästhetik in diesem Sinn hat nicht mehr ausschließlich zu tun mit dem Schönen und nicht mehr unbedingt mit Produkten der Kunst. Sie ist ein Geschäft ästhetischer Erfahrung, wo immer eine solche gemacht wird. Im Folgenden wird diese Frage ausführlicher zur Sprache kommen. Da ästhetische Erfahrung den Schönheitsdiskurs in der Ästhetik abgelöst hat, betrachten wir zunächst dieses in der Geschichte der Kunstphilosophie so zentrale Thema.

1.3. Schönheit

666 Kunst und Schönheit – ein schwieriges Verhältnis: Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen, Apple Core (1992); IM

IV.8.0.ff./VII.3.0.ff. VIII.5.3.2.3./VIII.6.1.3. IX.2.2.10. IX.5.2.6.2.

Eagleton 1990a, 372 Welsch 1993a, 16

Dass Schönheit der zentrale Begriff einer jeden Ästhetik ist, schien lange als Selbstverständlichkeit. Der Blick auf die Geschichte offenbart einen viele Jahrhunderte währenden prominenten Auftritt dieses Begriffs. In aller Regel hatte Schönheit zu tun mit harmonischen Proportionen oder mit angenehmer mimetischer Nachahmung (die Darstellung eines blutenden Christus mag zwar auch mimetisch sein, ist aber eher unangenehm und Grauen erregend). Ebenso lange wurde nicht nur Kunst, sondern auch Schönheit mit Wahrheit verbunden, wobei die philosophische Gestalt dieser Verbindung sich durchaus veränderte. Sie oszillierte von der Bedeutung göttlicher und kosmischer Ordnung (Alter Orient, Antike, Mittelalter) zu systemphilosophischer Utopie (Hegel) bzw. Anti-System (Adorno) und dem Sich-Zeigen des Seins selbst (Heidegger). Die Kunst der Moderne verabschiedete den Begriff der Schönheit weitgehend aus ihrem Vokabular, unbeschadet der Tatsache, dass Vorkommnisse dieser Kunst manchmal »ästhetisch« sind – im Sinne von angenehm rezipierbar oder eben: schön. Diese Abkehr von der Schönheit wurde auf mehreren Ebenen betrieben. Sie bedeutete Abkehr von der idealen Symmetrie (Manierismus, Barock), das Ende der ontologischen Verbindlichkeit (Hegel), den Einbruch des Hässlichen, die Ausweitung der Kunst auf Alltagsgegenstände, die Verbindung der Kunst mit dem Leben und die Konzentration auf das ungeschminkt Materielle im Kunstwerk in der Avantgarde des 20. Jh.s. Heute kursiert der Schönheitsbegriff statt in der Ästhetik im Design und anästhetischen Lifestyle-Gefilden, von der Städtebehübschung über die Hochglanzmagazine der Mode und des Modern Life bis zur Werbeindustrie. Terry Eagletons Ironie dazu liest sich so: »[…] beauty is a naked woman advertising perfume«. Schönheit bedient den »Hedonismus als neue[r] Matrix der Kultur.« Im Zuge eines

425

Kunstphilosophie und Ästhetik

solchen Lifestyle-Designs erhielt selbst der Ausdruck »Ästhet« einen negativen Beigeschmack und ist im Kontext der zeitgenössischen künstlerischen Praxis nicht mehr zu gebrauchen. Dieser anästhetische Schönheitsbegriff scheint das extremste Resultat der historischen Relativierung dieses Begriffs zu sein. Allerdings wird die Neuigkeit dieser Entwicklung gewöhnlich überschätzt. Egon Friedell konstatierte bereits 1912, dass wir »große Formen und Linien heute nicht mehr in Stein und Erz, sondern nur noch auf Plakaten« haben. Ebenso wie die Anästhetisierung der Schönheit sind auch die Verletzungen der harmoniebestimmten Schönheit Legion und in den vergangenen Kapiteln immer wieder dargestellt worden. Man denke – um nur an einige Beispiele zu erinnern – an die Subjektivierung von Schönheit bei den Sophisten im antiken Athen, das Kippen der Renaissance in Manierismus und Barock, den Streit um Regel und Regelverletzung sowie die Diskussion um die Naturnachahmung. Ebenso zeigt sich das bei der Nachahmung und Rehabilitierung von Kunststilen oft erst Jahrhunderte nach deren Auftreten. Das 19. Jh. mit seinem Stileklektizismus ist das paradigmatische Beispiel dafür. Auch der Blick der Intellektuellen des 19. Jh.s etwa auf die Veränderungen der Kunst im antiken Griechenland von der Archaik zur Klassik offenbart die Relativität der Bewertungen. Wenn man von der Dialektik, ja Relativität des Schönheitsbegriffs spricht, geht es demnach keinesfalls um eine postmoderne Mode oder gar Beliebigkeit. Im Gegenteil: Gerade an dieser Frage wird deutlich, dass sich sowohl der Poststrukturalismus als auch die Postmoderne im weiteren Sinn reiner Beliebigkeit verweigern. Jean-François Lyotard versuchte deswegen, die Anästhetisierung des durch die Verabschiedung der großen Erzählungen heimatlos gewordenen Schönen durch sein Plädoyer für das Erhabene zu verhindern. Er griff dabei einen ähnlichen Gedanken auf wie Theodor Adorno, der dem Schönen als Widerständigem gegen dessen konsumideologische Glättung einen Stachel verlieh. Schönheit (und damit Ästhetik) umfasse mehr als das bloß Angenehme für die Sinne – oder mit Adornos sprachlicher Eleganz ausgedrückt: »Auch um des Schönen willen ist kein Schönes mehr: […].« Dass es sich unter Umständen gar um für unsere Sinne ausgesprochen unangenehme Erfahrungen, nämlich Erfahrungen von etwas – wie Lyotard das nannte – »Unkonsumierbaren« handelt, gilt für viele Kunstwerke bildnerischer oder musikalischer Art der Gegenwart. Allerdings gibt es an ganz anderer, unerwarteter Stelle eine erstaunliche Beständigkeit des Schönheitsbegriffs, nämlich in der Naturwissenschaft. Nicht nur Methoden gelten als elegant, vielmehr entbirgt sich die Natur als Wundertüte harmonischer Zahlenverhältnisse, des Goldenen Schnitts, der Fibonacci-Reihen, der Formen fraktaler Geometrie. Mit Blick auf das Paradigma des »demiurgischen Projekts« kann die Nähe von Naturwissenschaften und Schönheitsästhetik – ich sprach an der entsprechenden Stelle von der »Geburt der Technik aus dem Geiste der (platonischen)

667 Der letzte Ort der Schönheit? Kaufhaus-Werbung; Tel Aviv

Friedell 1912, 167

III.2.4.3.1./VI.8.0./ VIII.3.2.1.1./VII.4.2.1.f.

VIII.3.2.2.ff. III.2.4.

IX.4.5.2. IX.3.8.1.

Adorno 1970, 85 Lyotard Jean-François in Pries 1989, 340

Fischer 1997

426

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

III.2.4.3.2.5.f.

Hossenfelder 2018

Bildphilosophie – indes kaum überraschen. In einem höchst originellen Buch hat die Physikerin Sabine Hossenfelder die mit der Teilchenphysik beschäftigten Kollegen heftig gescholten, dass sie bei der Ausarbeitung ihrer Theorien nicht selten der Ästhetik vor dem Experiment den Vorzug geben und damit die Physik der Elementarteilchen in eine Krise führen.

1.3.1. Der Schönheitsbegriff in der Tradition

I.4.2.

II.1.2.5./II.1.3./II.2.2.2.

III.2.4.3.2.5.

II.5.0.

IX.2.2.6. Reschke Renate in ÄGB 5, 402

III.2.4.1.

Die Abschnitte des historischen Teils thematisierten ausführlich den Schönheitsbegriff in seiner historischen Veränderung. An dieser Stelle geht es daher nur mehr um eine resümierende Zusammenschau zu diesem Thema. Bis in die heutige Diskussion um Schönheit hinein ist diese von den zwei zentralen Paradigmen der über Jahrhunderte verwandten Schönheitsauffassung geprägt: (1) Schönheit im Sinn von (ursprünglich kosmisch-göttlicher) Harmonie und (2) Schönheit als sinnliche Empfindung (das Sensitive im Sinne Baumgartens). Im Alten Orient war das Göttliche nach der Überwindung des Chthonischen und seiner erfolgreichen Solarisierung aufgeladen mit den Bedeutungen von Licht, Glanz, Strahlen und Geist anstelle des Materiellen. Diese Kennzeichen des Göttlichen waren zugleich Kennzeichen des Schönen. Es mag wenig dagegen sprechen, dies als Grundstruktur eines möglichen Weltbildes bereits des Neolithikums anzusehen. Die Sonne bestimmt jedem Augenschein nach den Takt der Fruchtbarkeit der Erde, bringt also Ordnung in die Welt. Die Gleichsetzung des Gottes mit der Sonne machte Gott zum »schönen Stifter« der Ordnung, eine Kompetenz, die auf König und Pharao übertragen wurde. Damit war auch der von Gott gesegnete König schön. Schönheit war deshalb von Anfang an verbunden mit Ordnung und Harmonie, die in der weiteren Abstraktion schließlich in den Vordergrund trat und in Platons Demiurgen-Motiv in eine wirkmächtige philosophische Erzählung verwandelt wurde. Das verklammerte kosmische Schönheit/Ordnung mit wissenschaftlicher und mit politischer Schönheit/Ordnung. Unter ausdrücklichem Einbezug der soziologischen Seite kann sich die spätere Ästhetisierung der Politik (durchaus im Sinne der Achsenzeit-Theorie Voegelins) auf die Anfänge des Ästhetischen überhaupt berufen. Dieses Paradigma reichte von der positiven Konnotation altorientalischer und antiker Könige bis zur Ästhetisierung der Politik in der Moderne, wie sie in extremer Weise der Futurismus vertrat und bis zur totalitären Anmaßung ausreizte. Von Anfang an war die göttliche Schönheit eine Strategie zur Mediatisierung der Affekte. Denn »Vernunft und Schönheit gehören weit mehr zusammen als Schön­heit und Leidenschaft (passion), Phantasie (imagination) und Empfindung (sentiment).« Von Platon wurde diese Strategie als Erstem bewusst verfolgt, denn er reagierte unmittelbar auf eine sensualistische und rezeptionsseitige Ästhetikkonzeption der Sophisten und auf eine Vorliebe der zeitgenössischen Künstler für spektakulären Illusionismus (Bühnen- und Schattenmalerei) und für den anzüglichen Reichen Stil. Im Timaios ging Platon die Bewältigung der Materieseite an und erklärte das All als Verbindung aus Feuer und Erde. Die Erde erfuhr damit ihre Nobilitierung durch die Liaison mit dem Glanz oder – weiterentwickelt – dem Geist, was Platon schließlich

427

Kunstphilosophie und Ästhetik

in seinem demiurgischen Programm der Aufhebung der Natur in die Kultur, der Materie in den Geist – im Sinne eines Schönwerdens der rohen Natur – philosophisch umsetzte. Die Bedeutungsverschiebung dieses Demiurgen-Konzepts von einem göttlichen in eines des Menschen wurde im historischen Teil ausführlich verfolgt. Der Reiz der Aufhebung des Materiellen in das Geistige hielt sich über jene die Leere und das weiße Licht verehrenden Asketen in Mittelalter und Renaissance – dort buchstabiert in der Dichotomie von disegno und colorire – bis zum Ringen zwischen Regelästhetik im Klassizismus und deren Auflösung. Bei Hegel und Marx erlebten wir die bislang letzte Umdeutung des Demiurgen-Mythos auf die industriell-technische Weltaneignung und damit auf die gegenwärtige Globalisierungsdynamik. Das Schön-Werden der Natur im industriellen Prozess wird dabei erhöht zu einem utopischen Potential eines neuen Ordnung-Schaffens in der Welt, jetzt durch den Menschen und nicht mehr durch einen Gott. Solche Dynamiken sind immer noch von der Utopie eines Maßstabes ungebrochener Ganzheit motiviert: Die Dynamik der Kulturwerdung durch Wissenschaft und Industrie als solche muss Stabilität generieren. Marx vertrat seine politische Utopie zu einer Zeit, wo auf dem Feld der Kunst die Vorstellung einer »Ganzheits-Schönheit« bereits verloren gegangen war. Schon für Schlegel bedeutete Schönheit – so schrieb er in Über das Studium der Griechischen Poesie 1797 – nur mehr eine »unbefriedigte[r] Sehnsucht«. Diese Folie diente mir als Deutungshilfe der Romantik als einer Periode, die Sehnsucht nach Ganzheit und den aufklärerischen Bruch dieser gleichzeitig verwaltete. Noch deutlicher war der Bruch in der Bewirtschaftung des Erhabenen und des Hässlichen. Um das Hässliche klein zu halten, war es zunächst nichts anderes als die Kehrseite des Schönen. So gesehen zerbrach das Paradigma des Schönen als kosmische Harmonie erst in dem Moment, in dem weder Schönheit noch Hässlichkeit als Attribution von Kunstwerken hilfreich und passend waren. Das Schönheitskonzept wurde stets von den Anfechtungen desselben begleitet. Selbst in der Gegenwart ringen Destruktionsstrategien gegenüber dem Schönen mit dem Reiz der Symmetrie und des Geistigen in den asketischen Strömungen der Kunst des 20. Jh.s, wie Minimal Art und Concept Art. Im 20. Jh., das in einigen Positionen noch Schönheit und Wahrheit verklammerte, ging schließlich neben der Schönheit auch der Werkcharakter des Kunstwerks verloren. Zu diesem ursprünglichen Paradigma der Schönheit gehört tendenziell die Produktionsseite. Dort konnte Schönheit als Harmonie und Identität reüssieren, egal ob platonisierend als Harmonie hinter der materiellen Hülle oder aristotelisch und später, vom Empirismus geleitet, als materielles Kunstwerk. Es war eher die Rezeptionsästhetik, die jede Objektivität von Harmonie und Symmetrie unterminierte. Das Spiel einer Rettung der ontologischen Schönheit gegen deren Ästhetisierung ging in der Kulturgeschichte noch öfters hin und her, bis schließlich Kant Schönheit als Eigenschaft der Objekte kompromisslos im transzendentalen Verfahren beseitigte und ausschließlich als subjektives Urteil über Gegenstände rekonstruierte. In der Konsequenz deckt sich das mit der Position eines Antirealismus, wonach die Aus-

VI.4.1.2.f. VII.4.2.4.3.

VIII.7.1.ff. VII.5.2.4./VII.6.3.4.

IX.5.2.4.f.

3.1.

VII.6.3.ff.

428

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Reschke Renate in ÄGB 5, 403

Adorno 1970, 428

sage »Dieses Bild ist schön« kein Urteil, sondern Ausdruck einer Werthaltung ist. Es wird also nicht festgestellt, dass irgendetwas tatsächlich schön ist oder gar die Eigenschaft der Schönheit trägt, sondern dass jemand einen Gegenstand so bewertet. »Aus der Fähigkeit des Geistes erklärt, wird das Schöne dem metaphysischen Konsens entzogen, als ästhetisches Phänomen etabliert. Es gründet jetzt im Subjekt und bestimmt sich aus seiner Konkurrenz zum Absoluten und zur Subordination unter die Verfestigung zum Begriff.« In einer fortgeschrittenen Version will das heißen, dass nur im Nicht-Identischen, also hinter dem Schönen, die ästhetische Kraft liegt, welche die Botschaft des Schönen rettet: »Schönheit ist der Exodus dessen, was im Reich der Zwecke sich objektivierte, aus diesem.«

1.3.2. Systematische Anmerkungen zum Schönheitsbegriff Die nach wie vor starke Präsenz des Schönheitsbegriffs in der Kunstphilosophie und Ästhetik bedingt eine große Vielfalt von systematischen Kennzeichnungen und Problembeschreibungen, die an dieser Stelle systematisch zugespitzt werden sollen. Dazu gehört auch die vermutlich wenig überraschende Tatsache, dass es immer noch Ambitionen gibt, Schönheit als Basis auch einer zeitgemäßen Ästhetik zu begründen.

1.3.2.1. Charakteristika des Schönheitsbegriffs

Aristoteles Eth. Nic. B 5, 1106b

VII.5.2.3.

VII.4.2.4.ff.

Im zeitgenössischen Diskurs um die Schönheit lassen sich mindestens fünf Felder ausfindig machen, in denen es um den Schönheitsbegriff geht: (1) Der Schönheitsdiskurs wird mit verschiedenen Termini ästhetischer, aber auch bewusst nicht-ästhetischer Qualitäten geführt: Eleganz, Anmut, Reiz, Ansehnlichkeit, Ausgewogenheit, Harmonie. Solche Zuschreibungen ergeben sich bereits aus dem Wortfeld von schön. Gemessen an der tradierten Definition können in weiterer Folge auch unharmonische Verhältnisse als schön bezeichnet werden. Insbesondere im Theater können Verzweiflung, Kampf, Streit und Zwietracht, generell: Hässliches auf eindrucksvolle, gelungene, bewundernswerte, damit »schöne« Weise dargestellt werden. (2) Immer wieder wurde in der Tradition Schönheit als eine einfache Qualität/ Vollkommenheit definiert. Aristoteles bezeichnete etwas als schön, »wenn nichts zu ihm hinzugefügt und nichts von ihm weggenommen werden kann.« Diese weit verbreitete Bestimmung reichte von den Anfängen der ontologischen Auffassung von Schönheit, die mit Einheit statt mit Vielheit kompatibel sein musste, bis zu Baumgartens Bestimmung der Schönheit als Verbindung von Vollkommenheit und Erscheinen (perfectio phaenomenon). Dazwischen lag der Klassizismus, dessen Programm Johann Joachim Winckelmann zusammenfasste, wonach höchste Schönheit im Sinn der alten Tradition mit dem höchsten Wesen Gottes zusammenfiel und sich im schönen Menschen in sinnlicher Vollkommenheit spiegelte. (3) Wenn Schönheit eine einfache Qualität und Vollkommenheit ist, stellt sich die Frage, wie Schönheit bei zusammengesetzten Gegenständen zu verstehen ist. Schließlich ist es so, dass die meisten Gegenstände, eben auch die ästhetischen, nicht als reine Einheiten zu haben sind und insbesondere ästhetische Gegenstände nicht »in vacuo, sondern in einer Umgebung, mit der sie in Beziehung stehen und die ihre

429

Kunstphilosophie und Ästhetik

Erscheinung mitbestimmt«, vorkommen. Die sowohl für Architektur als auch für die Bildhauerei so wichtige Entdeckung des Raums, sei es die Orientierung an der Umgebung beim römischen Tempel oder die Freistellung der Skulptur aus der Gebundenheit der Fassade in Spätmittelalter und Renaissance, sind griffige Beispiele dafür. Noch mehr gilt dies für den überwiegenden Teil der Gegenwartskunst. Gelöst wurde dieser Umstand in der Tradition in aller Regel durch das Anlegen des unter (2) erwähnten Kriteriums der Einheit. Bereits Basilius von Cäsarea ging mit dem Problem behände um und verlangte Harmonie und Ebenmaß der Teile. Es ist ein neuplatonischer Gedanke, der eine Wiederherstellung einer verloren gegangenen Einheit projektiert. Diesen Gedanken fasste allerdings auch Aristoteles, der festhielt, dass eine Ganzheit mehr ist als die Summe der Teile. Von da her speiste sich der integritas-Gedanken des Thomas von Aquin. Ob für Alberti oder Palladio in der Renaissance, es war lange Zeit ein gängiger Topos nicht nur in der Kunst, sondern auch in der Architektur, dass die Teile eines Bauwerks vollständig sein und zusammenstimmen müssen (concinnitas). Besonders ausgeprägt lässt sich dieser Gedanke in der Kunstphilosophie Schleiermachers finden. Wenn Otto Neumaier mit Blick auf Aristoteles auf die Eigenschaft von Systemen verweist, die in der Regel mehr darstellen als bloß eine Summe der Teile des Systems, die für sich selbst meist auch wieder Systeme sind, ist er gar nicht weit entfernt vom Organismusgedanken Schleiermachers, der wiederum einen Hintergrund für den modernen Funktionsbegriff (der bereits bei Horatio Greenough anhob) abgibt. Harold Osborne ist eine Stimme, die den Ansatz, die organische Einheitlichkeit zu einem ästhetischen Prinzip zu machen, strikt ablehnt. Nicht nur sei von Aristoteles bis zum Idealismus nie eine zureichende Bestimmung dieses Prinzips gelungen. Zudem sei dieses Kriterium insofern realitätsfern, weil es in der Anwendung bei ästhetischen Objekten nichts einbringt. Denn nur bei großen Eingriffen in die Teile ästhetischer Objekte, ob Bild, Symphonie oder Bauwerk, ließe sich eine Änderung tatsächlich feststellen. Gegenüber kleinen Eingriffen erweise sich die Einheit des Kunstwerks als sehr widerstandsfähig. »[…] an aesthetic object with any high degree of organic unity acquires a stability which renders it unusually resistant to changes and modifications of its parts. […] A melody […] has a stability and persistence which renders it highly resistant to changes in its parts.« Schließlich könne niemand angeben, ab welchem Maß an Veränderung und Verfälschung (badness) eine Melodie als eine bestimmte verschwindet. Seiner Meinung nach übernimmt bei großen Kunstwerken im Sinne des pars pro toto-Gedankens jeder Teil die Dignität des Ganzen. Daher verehren wir Torsi wie jene der Venus von Milo so sehr und geben auch bei Scherben antiker Tongefäße ein Urteil über deren Schönheit ab. Ein Torso »will remain a thing of beauty and its beauty will be in a very definite sense the same beauty which once characterized the statue complete.« (4) Ein prominentes Kennzeichen, das mit Schönheit einhergeht, ist die Zweckfreiheit. Schön ist ein Gegenstand, wenn seine ästhetischen Merkmale um seiner selbst willen lobenswert sind. Diese ebenfalls weit zurückreichende Charakterisierung, die manchmal, wie etwa im Fall des Ornaments, zu engagierten Diskussionen

Neumaier 1999, 112

IV.4.2.1. IV.7.2. Aristoteles, Met. 1023b 26–34 V.7.2.2.6.2.

VIII.6.1.5.

VIII.9.2.3.3.

Osborne 1955, 241

Ebd., 242

430

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Kant 1790, B 15 Ebd., B 16 VII.6.3.2. 2.5.

Kambartel 1991, 23

1.4.

führte, hat Kant nachhaltig normiert, indem er das Schöne als ein »uninteressiertes und freies Wohlgefallen« bezeichnete, »denn kein Interesse, weder das der Sinne, noch das der Vernunft, zwingt den Beifall ab.« Schön heißt damit der Gegenstand eines Wohlgefallens »ohne alles Interesse«. Das reine ästhetische Urteil ist interesseloses Wohlgefallen. Meist wurde dieses Konzept der Zweckfreiheit des Schönen auf die ganze Kunst übertragen und dort ihre Autonomie und Selbstreferentialität eingehängt. Inwieweit dies trägt, wird an anderen Stellen auszuloten sein. (5) Die in (2) erwähnte Bestimmung der Schönheit als abstrakte Qualität, Einheit, Vollkommenheit stand stets in produktiver Spannung mit dem Augenscheinlichen, nämlich damit, dass Schönheit an sinnlichen Gegenständen festzumachen sei. Allerdings hilft der Blick auf Aristoteles, der die Sinnlichkeit gegen Platon zum zentralen Unternehmen seiner Ontologie gemacht hat und diese auch in seiner Kunstphilosophie ins Treffen führte, für diese Kennzeichnung kaum weiter. Denn in der Regel folgte die Tradition der vom Platonismus gezeichneten Spur. Die Skepsis gegenüber jeder Materialität und Sinnlichkeit im Platonismus (einschließlich die Pneuma-Seite der christlichen Tradition) lehrt, dass die Schönheit zwar am materiellen Gegenstand erscheint, aber nicht die materielle Sinnlichkeit selbst betrifft, sondern die zugrundeliegende geistige Harmonie. Aber nicht nur aus diesem Grund, sondern auch angesichts der Tatsache, dass wir längst Produkte, Ereignisse oder Zustände der Natur in eine ästhetische Perspektive gerückt haben, »ist der ästhetische ›Naturalismus‹ ein grammatischer Irrtum.« Dazu kommt noch, dass der Einsatz des Materiellen bisweilen, etwa bei Art Brut, ZERO, Gutai, ein ausdrückliches Destruktionsunternehmen gegenüber der traditionellen Kunst- und Schönheitsauffassung war. Ob der Schönheitsbegriff in den zumeist gebrauchten Kennzeichnungen ein Fortleben hat, ist daher zu bezweifeln. Auch aus diesem Grund wurde er durch die ästhetische Erfahrung abgelöst.

1.3.2.2. Begründungsversuche von Schönheit

Hölderlin 1795, 166

In der gegenwärtigen ästhetischen Diskussion akzeptiert die große Mehrheit von Künstlerinnen und Kunstphilosophen den erfolgten Abschied von der Kategorie der Schönheit – oder betreibt diesen sogar ausdrücklich. Dennoch bereitet auch in unseren Tagen die Klage Hölderlins über den Verlust der Schönheit, gesprochen im Herbst des Klassizismus, immer noch Schmerzen: »Attika, die Heldin ist gefallen […].« Es gibt deshalb eine Fülle von Plädoyers für die Schönheit, vorgetragen mehr von Philosophen als von Künstlerinnen. Dabei kann man eine Unterscheidung treffen zwischen (1) Zeugnissen, die sich – vielleicht aus der Erfahrung des Verlustes – hemmungslos dem Lob der Schönheit hingeben und in ihrem Licht die wunderbaren Seiten menschlicher Hervorbringungen preisen, und (2) Versuchen, die zeitgenössische Ästhetik als Rettungsunternehmen von Schönheit zu verstehen, wobei die Kategorie der Schönheit hier ausdrücklich philosophisch zu begründen versucht wird. (ad 1) Aus der Fülle seien einige wenige Beispiele des Gemeinten angeführt. Der Althistoriker Michael Stahl schrieb 2008 ein Wohlfühl-Buch zur Kulturgeschichte

431

Kunstphilosophie und Ästhetik

der Antike, dem er den Titel gab: Botschaften des Schönen. Im Sinne Gadamers ist sich Stahl sicher, dass ein Bedürfnis nach Schönheit, danach, »wie selbstverständlich von der sinnlichen Evidenz überwältigt zu werden«, eine anthropologische Konstante des Menschen sei. Seine wunderbaren Geschichten über die antike Kunst, Architektur, Geschichte, Polis klammert er mit Lobpreisungen Winckelmanns und Schinkels ein. Natürlich muss man sich daran stoßen, dass das Grausame, Kriegerische, Hass und Hässlichkeit, man kann auch sagen: die realistische Seite des Lebens, die auch in der Antike nicht verborgen blieb, ausgespart wird. Aber es ist ein Blick auf ein ausdrücklich reizvolles Ideal, ohne dass dabei mit philosophischer Begründungsambition das Ideal zur Norm erhoben wird. Einen ähnlich großen Bogen schlägt der klassische Philologe und Religionswissenschaftler Wolfgang Speyer über die – mit Max Scheler gesprochen – Stellung des Menschen im Kosmos. Mit großzügigem Blick über die Bruchkante von Aufklärung und Moderne hinwegsehend, konstatiert er, dass der Mensch gemäß seiner göttlichen Abkunft wesensmäßig dem Schönen und der Liebe näher stehe als der Hässlichkeit und Zwietracht. Dass die vermeintliche Unbehaustheit des heutigen Menschen komplex ist, zeigen Speyers Analysen der Kunst oder auch der Institution der Kirchen – beide Institutionen sollten seiner Meinung nach Refugien des Schönen sein – durchaus offen und ungeschminkt. Nicht immer kommen die Bekenntnisse zur Schönheit mit solcher Leichtigkeit daher. Sie waren und sind bisweilen beschwert mit ideologischer Last. Fjodor M. Dostojewski hielt in slawophiler Verklärung und in geradezu phobischer Abneigung gegenüber einem als westlich gebrandmarkten Materialismus am höchsten Ziel der Schönheit (im Sinne der Zweckfreiheit) fest: »Der Mensch dürstet nach Schönheit und er akzeptiert sie bedingungslos, ohne zu fragen, wozu sie nutzt und was man dafür kaufen kann, […].« Für Nicolai Hartmann bleibt die Schönheit der zentrale Gegenstand der Ästhe­tik und in einer für das 20. Jh. nicht mehr typischen Weise distanziert sich sein Schön­ heitsverständnis von jeder historischen Bedingtheit und nähert sich der Schönheit im Sinne einer platonischen Idee an. Immerhin sieht Hartmann keine Chance, Schönheit in einem philosophischen Zugriff einer Letztbegründung zu unterziehen. Eine mittlere Position nimmt Harold Osborne ein, der ebenfalls im letzten Abschnitt bereits vorgestellt wurde. Er versucht Schönheit über den Organismusgedanken und aufgrund von Vollständigkeit und Dichte für die Wahrnehmung zu definieren. Er hofft sogar, mit Hilfe der Transzendentalphilosophie zu einem objektiven ästhetischen Urteil zu finden. Mit ganz großer Geste ordnet Harald Seubert die historische Vielfalt ästhetischer Erscheinungen, wobei er als Philosoph durchaus die diversen Theorien im Hintergrund im Blick hat. Dies mit dem Anspruch, einem »metaphysische[n] Urphänomen des Schönen als Grunddimension der Ästhetik« auf der Spur zu sein. Grundlage eines solchen Anliegens bleibt bei aller ausufernden Breite, in der der Autor durch die Geschichte des ästhetischen Scheinens mäandert, dass »das Kunstwerk in seiner sinnlichen Präsenz zugleich auf die nicht-sinnliche Sphäre diaphan

Stahl 2008, 14

Speyer 2016; Speyer 2014

Dostojewski, zit. nach Smolik 1992, 100

IX.3.3.2. IX.3.9.8.

432

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Seubert 2015, 483

Ebd.

V.7.2.2.6.1. Hans-Georg Gadamer

IX.3.7.

Gadamer 1974, 109

Gadamer 1960, I, 486

Thomas Rentsch

Rentsch 1991, 28

wird. Akzentuiert wird dabei sowohl eine Richtung auf Transzendenz, die über die Naturverfasstheit hinausführt, wie die physische Materialisierung. Schönheit, das ›ekphanestaton‹, in dem im Sinn der Platoniker die Logoshaftigkeit des Seienden zur Sichtbarkeit kommt, verdeutlicht die Steigerung der Formen und Gegensätze.« Genau das wollen Positionen wie Arte Povera, ZERO, Gutai, Brutalismus und andere nicht mehr hinnehmen und destruieren mit dem penetranten Einsatz des Materials solche platonisierenden und idealistischen Anmutungen und machen damit den Begriff der Schönheit obsolet. Das ist etwas grundlegend Anderes als dass das Erscheinen bloß im »Schatten des Schrecklichen« stünde und das Schöne mit dem »Stachel des Schmerzens« verschwägert sei. (ad 2) Neben solchen Festen zu Ehren des Schönen riskieren andere Autoren komplexere philosophische Begründungen von Schönheit, indem sie diese als Proprium jeder Ästhetik festschreiben. In der Regel stammen solche Versuche aus dem Repertoire der Hermeneutik, Transzendentalphilosophie und Phänomenologie und meist berufen sie sich auf die Schönheit als ein vermeintliches Seinsuniversale. Über Hans-Georg Gadamers Die Aktualität des Schönen (1974) wurde bereits berichtet. Im Schoße der Hermeneutik, die den alten Anspruch auf Verstehen von Texten im 20. Jh. noch einmal einem Höhepunkt zuführt, verteidigt Gadamer den Wahrheitsanspruch der Kunst mit Nähe zu Heidegger und unterwirft die Bedingungen des Autonom-Werdens der Kunst einer kritischen Analyse. Über allem bleibt die Schönheit das eigentliche Kriterium jeder Kunst. Sie muss aus reiner Subjektivierung herausgeholt und nach der Forderung Kants (»Um mich mit Kant auszudrücken: ich ›sinne jedermann Zustimmung an‹«) auf breiterer Basis als metaphysisch verstandenes Scheinen, das etwas ein Erscheinen ermöglicht, verstanden werden. Sie ist von der Art des Scheinens: »Scheinen aber heißt: auf etwas scheinen und so an dem, worauf der Schein fällt, selber zum Erscheinen kommen.« Schönheit sei wie das Licht, das Anderes sichtbar mache. Neben den Wurzeln bei Hegel und Heidegger geht Gadamer zurück auf den griechischen Kosmosgedanken und preist den Aufstieg der Seele zum Schönen und Wahren, wie er in Platons Phaidros geschildert wird. Thomas Rentsch hält das Schöne (auch unter dem Vorzeichen des Gegenteils, des Hässlichen) unverdrossen für einen »Kernbestand« der Ästhetik. Er denkt dabei nicht an mythische, kosmologische, theologische, naturalistische, psychologische und andere Bestimmungen des Schönen, sondern möchte es transzendental-anthropologisch begründen. Es geht ihm um die Formulierung von conditiones sine qua non für ein Urteil »x ist schön«. Solche Bedingungen sind die Formen des menschlichen Lebens, die ein ästhetisches Weltverhältnis ermöglichen. Schönheit »erwiese sich als einer der Grundzüge einer (überhaupt möglichen) menschlichen Welt.« Rentsch folgt einem klassischen transzendentalphilosophischen Vorgehen, das dann auch ermöglicht, die Kunst als Praxisform zu bestimmen, in der das grundgelegte Weltverhältnis explizit wird. Eine transzendentalphilosophische Grundlegung erhebt einen Universalitätsanspruch unabhängig von geschichtlichen Lebenswelten. Die Frage nach einer möglichen kulturrelativen Bestimmung von Schönheit hat sich dann erledigt. Konstituenten für ein ästhetisches Weltverhältnis sind nach Rentsch:

433

Kunstphilosophie und Ästhetik

Totalität (beim Kunstwerk geht es um eine nicht-beliebige Gestalt), Singularität (das Kunstwerk als unsagbare Einmaligkeit), Nicht-Instrumentalität (das Kunstwerk ist für sich selbst und nicht um anderes willen), Erfüllungscharakter (das Kunstwerk erfüllt ein Bedürfnis zum ästhetischen Glück, zu Bewunderung und Glanz) und ästhetische Konsubjektivität (Kunstwerke leisten eine Art der Kommunikation ohne Worte, damit treffen sie sogar eine ästhetische Gemeinsamkeit der Menschen). »Die Universalität, die sich durch die ästhetische Konsubjektivität herstellt, ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, daß die Subjekte im Medium des ästhetischen Weltverhältnisses eine Beziehung zu den anderen Subjekten einnehmen können, in der sie zwanglos sie selbst als Individuen bleiben können, und in der sie dennoch mit den Anderen auf eine tiefe Weise vergemeinschaftet sind.« Schönheit ist nicht nur ganz selbstverständlich an das Kunstwerk gebunden, sondern als anthropologisches Universale verstanden, unabhängig von jedem zeitgebundenen kulturellen Umfeld. Einwände, die darauf verweisen, dass zeitgenössische Kunst in der Regel den aufgestellten Kriterien entgegengerichtet und fragmentarisch, bewusst instrumentell und identitätsverletzend agiert, werden kontrafaktisch saniert. Abgesehen von einer möglichen Detailkritik an den von Rentsch aufgelisteten Konstituenten, setzen sich transzendentalphilosophische Begründungsversuche generell dem Einwand der Ungeschichtlichkeit und der Aufhebung von kontingenten sozialen Kontexten in anthropologische Konstanten aus. Reinhard Löw schrieb 1994 ein Buch mit der dezidierten Absicht, »das Schöne in einer Zeit des Grausamen, des Schrecklichen und des Gottlosen zu rehabilitieren.« Dabei sieht er das Schöne nicht nur im Dienst der Menschen, sondern er vermutet darin dasjenige, »das, indem es herrlich ist, über sich selbst hinausweist nicht nur auf die Schönheit, sondern auf die Herrlichkeit.« Löw prügelt kräftig auf die zeitgenössische Kunst und die vermeintliche Verspottung des Christentums ein, zählt minutiös alle kulturellen Verluste auf und plädiert engagiert für den pädagogischen Auftrag der (schönen!) Kunst. Die Schönheit selbst, die er in einem gefälligen Überblick über alles Schöne in der Philosophiegeschichte umkreist, findet ihre Möglichkeitsbedingung schließlich im Göttlichen, sodass sich aus einem Schönheitsbeweis geradezu ein Gottesbeweis herauslöst. »Das Nachdenken über das Schöne wird heute lieber preisgegeben, als daß ein Transzendenzbezug der Schönheit eingeräumt würde.« In einem phänomenologisch-transzendentalphilosophischen Exerzitium, das geradezu an die Konfrontation des platonischen Sokrates mit den aufgeklärten Sophisten erinnert, versucht Günther Pöltner eine Begründung von Schönheit als aus seiner Sicht zentralem Element einer jeden Ästhetik. Dabei stehen nicht die üblichen Alltagserfahrungen im Fokus, sondern die »hohen und intensiven« Erfahrungen: »Weder im Alltag noch in der Wissenschaft haben wir es mit dem ursprünglichen Phänomen zu tun.« Pöltner geht es – analog zu Heideggers Seinsphilosophie – um die »Neuformulierung der ontologischen Frage nach dem Schönsein des Schönen.« Es geht also nicht um Schönes im Plural, sondern um das Schönsein schlechthin. Damit geht es weder um Kriterien des Schönen, noch um Vorstellungen des Schönen, noch um empirische Feststellungen, was als schön empfunden wird. Der Anspruch

Ebd., 32

Reinhard Löw

Löw 1994, 11

Ebd., 10

Ebd., 146 Günther Pöltner

Pöltner 2008, 214/216

434

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Ebd., 221 IV.7.2.

Ebd., 222/223

bleibt, das »Schönsein des Schönen« zu erreichen. Dabei verharrt Pöltner nicht in einem statisch-platonischen Ideenrealismus, nicht in einer »metaphysische[n] Hinterwelt«, sondern er traktiert die Frage nach seinem »Anwesen, Sich-Zeigen, nach seinem Gegebensein.« Die Dynamisierung, die durch die phänomenologischen Anleihen hier ins Spiel kommt, verweist eher auf einen dynamischen neuplatonischen Rahmen zur Lichtung einer Ur-Schönheit hinter der materiellen Schönheit. Die Umsetzung eines solch hohen und im späten 20. Jh. nur mehr selten angestrebten Anspruches geht davon aus, dass uns die ästhetische Erfahrung (Pöltner spricht von Widerfahrnis) überkommt und unverfügbar bleibt. Es ist also (im Sinne Heideggers) »die Sache, die sich von ihr selbst her entbirgt« – gebrochen stets durch unseren Erfahrungshorizont und dem Maß, wie weit wir uns diesem Widerfahrnis öffnen. Damit ist auch gleich die Verteidigungslinie abgesteckt gegen Kritiker eines solch aufwändigen Begründungsverfahrens: »Menschen können sich in vielerlei Formen Erfahrungen verschließen – in Form der Besserwisserei, der Informationsgier, der Wissenschaftsgläubigkeit […].« Zu einem Fazit über die Geschichte der Schönheit gehört, dass Schönheit zweifellos eine Bereicherung des Lebens darstellt. Man könnte sogar zustimmen, dass es eine anthropologische Konstante sein mag, dass sich Menschen zu Angenehmem und Schönem hingezogen fühlen und es anstreben. Damit ist jedoch noch nicht einmal die Frage geklärt, ob Schönheit als universelle Kategorie oder kulturrelativ zu verstehen ist (worauf in der Geschichte der Kunst alles hindeutet), denn es ist kaum ein vermeintliches ursprüngliches Handeln von Menschen denkbar, in dem man nicht auch schlicht die Anwendung von angelernten Kulturtechniken erkennen könnte. Ebenso sicher ist allerdings, dass Schönheit gewiss kein Kennzeichen der Kunst der Moderne mehr ist und eine Ästhetik, die sich auf die Begründung des Schönen einschränkt, kaum den Anspruch erheben kann, Relevanz für die Kunst zu besitzen. Trotzdem bleibt Schönheit ein Thema der Kunstphilosophie und der Ästhetik. Daher soll noch ein Aspekt besprochen werden, der auch in der zeitgenössischen Kunst ein Rolle spielt: der Zusammenhang von Schönheit und Form.

1.3.2.3. Schönheit als Form

Fried 1967, 339

1969 schleuderte Richard Serra flüssiges Blei in die Ecken der Räume des New Yorker Whitney-Museums, ließ es erstarren und legte die Brocken am Boden aus (Casting). Es ging ihm bei dieser an Jackson Pollock erinnernden Aktion jedenfalls auch um die Thematisierung des Verhältnisses von Material und Form. Dazu gehörte, dass Serra die Formen nicht zu einer »Komposition« zusammenfügte, sondern einfach nebeneinander legte. Es war eine Aktion, die aufzeigte, dass man – ähnlich wie mit dem bloßen Material – auch mit der bloßen Form gegen den Illusionismus in der Kunst Stellung beziehen kann. Es geht dabei um den »Konflikt zwischen der Form als einer grundlegenden Eigenschaft von Gegenständen und der Form als einem Medium der Malerei […].« Freilich gilt das nicht nur für die Malerei, sondern auch für Bildhauerei

435

Kunstphilosophie und Ästhetik

und Architektur. Donald Judd meint daher konsequent: »Für mich ist das Stück mit dem Messing und den fünf Vertikalen vor allem diese Form.« Diese Instrumentalisierung der Form gegen die Kunst der schönen Illusion ist allerdings eine neuartige Interpretation, auch wenn sie in die Ursprünge der Moderne zurückreicht. Bereits der Vertreter der österreichischen Moderne, Albin Egger-Lienz, äußerte, dass er keine Menschen, sondern Formen male und damit in der Form den Abschied von der Schönheit sah. Allerdings war es eher so, dass die Form für die Schönheit stand, so wie ursprünglich das Material die alten Narrative unterstützte: Stein stand für Dauer und Beständigkeit, das Mosaik und glänzende Materialien für Aufhebung der Materie in den Geist. Die Geschichte um die Form ist deshalb lang. Am Anfang gab es höchstwahrscheinlich den Impuls, die Natur als bloßes Material zu formen, um etwas roh Gegebenes mit einem Mehrwert auszustatten und damit der Kultur gegenüber der Natur gewissermaßen zum Durchbruch zu verhelfen. Der Mehrwert der Kultur gegenüber der natürlichen Materie lag offensichtlich im kreativen Geist des Menschen, der sich in der Formung eines Materials ausdrückte. Als Quelle der Vergeistigung der Materie war die Form letztlich der Aspekt der Schönheit. Es ist eine ebenso reizvolle wie gewagte und spekulative These, dass sich auch die ersten philosophischen Erzählungen von einer vielleicht magisch inspirierten, vielleicht auch nur spielerischen künstlerischen Praxis der Formung von Materie leiten ließen und auf diese Weise die Ablehnung der Materie schon früh zu einer kulturellen Konstante wurde. Eine solche Konstante durchzieht jedenfalls platonische und idealistische Kontexte. In der langen Geschichte des Paragone der Künste diente die Form im Sinne des Klassizismus, etwa eines Winckelmann, dazu, die früher als schweißtreibend abgewertete Bildhauerei zur ersten, weil geistvollsten Kunst zu machen. Die Ikone und die mit dem Mosaik ausgekleidete Zentralbaukirche sind Beispiele, wie eine geistig-anagogische Bewegung von der materiellen Basis »befreien« sollte. Ein weiteres herausragendes Beispiel ist das Ornament, das – weit über eine dekorative Funktion hinaus – anagogische und kathartische Funktionen entwickelt und bei dem es bloß um Oberfläche und Form, aber nicht um Materie geht. Abgesehen davon, dass Geist meist mit Schönheit konnotiert wurde, stand beim Formgebrauch dieser Beispiele eher die anagogische Funktion und nicht die Schönheit im Vordergrund. Ein nachhaltiger Ausläufer einer solchen Sicht zeigt sich in der Hochschätzung der Form in Klassik und Klassizismus, wo diese nach dem Verlust ihrer religiös-magischen Funktion zu einer dogmatischen Hülse wurde und der »Bedrohung« durch Materie, Farbe, das Malerische und Effektvolle in bildender Kunst und Architektur Paroli bot. Neuzeitliche ästhetische Theorien pochten auf die Form der Vielheit (Hutcheson) und sahen in der formlosen Materie schlicht Hässlichkeit (Shaftesbury). Dies gehört zu der die Kunstgeschichte durchziehenden Dichotomie von disegno und colorire. Form erhielt hier sogar moralische Qualitäten wie bei Leo Tolstoj. Noch im 20. Jh. beklagte der deutsche Architekt und Städtebauer Hans Schwippert elastische und leicht verformbare Stoffe (wie den seinerzeit von Gottfried Semper noch deshalb gefeierten Gummi) gleichsam als charakterschwach, als »in einem Maße will-

Judd, zit. nach Ebd., 338

5.0.

2.6.2. IV.8.2./IV.5.2.2.

V.3.3.3./V.4.1.

VII.3.2./VII.4.2. VII.5.2.1. IX.3.2.4.

436

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Schwippert, zit. nach Moravánszky 2017, 123

Moravánszky 2017, 123 VII.4.2.2./VIII.3.2.1.ff.

Schiller, zit. nach Seubert 2015, 214

Kant 1790, A 38

Fiedler 1991a, 179 VIII.10.2.

IX.2.2.8.

Leitner 1989, 171 Kapfinger 1989, 223

IX.5.3.1.

fährig und gegenüber, wie wir das bisher nicht gekannt haben […].« Man kann dies in der Tat als Angst des Gestalters interpretieren, »mehr Verantwortung für die Form übernehmen zu müssen, weil der Stoff seine Wünsche nicht mehr äußert […] Die Klebrigkeit ist zur Metapher der allgemeinen Auflösung der festen Werte, einer zunehmenden Plastifizierung der Welt geworden.« Die Erosion dieser Regelästhetik, eine lange Querelle, schob den aufklärerischen Teil in der Diskussion um Form und Materie in den Vordergrund. Friedrich Schiller schrieb in den an Gottfried Körner gerichteten Kallias-Briefen: »Ich bin wenigstens überzeugt, dass die Schönheit nur die Form einer Form ist und dass das, was man ihren Stoff nennt, schlechterdings ein geformter Stoff sein muss. Die Vollkommenheit ist die Form eines Stoffes, die Schönheit ist hingegen die Form dieser Vollkommenheit, die sich also gegen die Schönheit wie der Stoff zu der Form verhält.« Das bedeutet, dass Stoff und Materie ohne reflexive Seite des Geistes (also Form) nicht schön sein können. Selbst ein Pantheismus wie jener Goethes verzichtete nicht auf die Form. Nur war diese der Materie immanent und kam nicht von außen. Das gilt nicht nur für Kunst und Architektur, sondern auch für Literatur, Musik und Tanz. Schönheit der Kunst könne einzig in der Form liegen, während die Farbe bloß für den Reiz stehe – so lautete die Überzeugung Kants. Konrad Fiedler sah in der Kunst die Fertigkeit, ganz allgemein einen Inhalt in eine richtige Form zu bringen. Inhalt und Form verschmelzen dabei untrennbar miteinander: »[…] das, was das Kunstwerk als solches zum Ausdruck bringt, ist nicht nur unauflöslich an die Form gebunden, sondern ist eben dasjenige Gebilde, als welches sich die Form darstellt; der ganze künstlerische Inhalt, Gehalt des Kunstwerkes, besteht in dem erweiterten Entwicklungsgrad der Form; […].« Ein zeitgenössisches Refugium für Formanmutungen ohne jede relativierende Ambition ist das Design. An der Schwelle vom 19. ins 20. Jh. wurde im Gefolge des Jugendstils und nach der Programmatik von Arts and Crafts Movement, Werkbund und Bauhaus immer mehr als nur das Kunstwerk dem Formwillen unterzogen, ein Trend, der bis heute anhält. Walter Gropius war mit seiner Forderung nach dem Durchtränken des technischen Dinges mit geistiger Idee, mit Form, einer der Väter des Designs. Funktion und Nützlichkeit standen im Werkbund und im Bauhaus umstandslos auch für Schönheit. Jeder Gebrauchsgegenstand, jedes Briefpapier unterliegt dem Formwillen der Designerin. In der Architektur umfasst der Formwille auch die Seilbahnstation, das Stellwerk und die Ladentheke. Bernhard Leitner sieht bei Ludwig Wittgenstein eine Verbindung von architektonischer Ambition und einer solchen beim detaillierten Design, hinter der es diese Ambition vermutet: »Er zwingt das Material in sein Denk-Gebäude. Sein Form-Wille ist das Maß.« Zudem war Wittgenstein beim Palais Stonborough darauf bedacht, Oberflächen durch Glätte und polierten Glanz unstofflich zu machen. Eine neuere Querelle ist jene zwischen Form und Funktion. Sie bewegt sich zwischen den Polen ihrer Instrumentalisierung auf die Funktion (form follows function) und der exakt umgekehrten Anmutung, wie sie Aldo Rossi und Paolo Soleri zu ihrem Programm erhoben (function follows form).

437

Kunstphilosophie und Ästhetik

Während für Bert Brecht die Form eines Kunstwerks »nichts als die vollkommene Organisierung eines Inhalts [ist], ihr Wert daher völlig abhängig von diesem«, ließe sich die Wendung zum modernen Blick an dem in die Form vernarrten Clive Bell festmachen. Er hält repräsentative Kunst für eine Schwäche und ein Versagen des Künstlers bei der Formfindung: »Very often, however, representation is a sign of weakness in an artist. A painter too feeble to create forms that provoke more than a little aesthetic emotion will try to eke that little out by suggesting the emotions of life.« Selbst beim Blick auf ein Landschaftsbild will Bell nur die Formen wahrnehmen: »For once, instead of seeing it as fields and cottages, he has felt it as lines and colours.« Der aufklärerische Geist wird im 20. Jh. eingesetzt, um den alten Geist der Mystik, einer durch die Elimination der Materie möglichen unmittelbaren Schau, zu destruieren. Er kann anknüpfen bei ähnlichen Interessen bereits im 19. Jh., etwa bei Manets flächig gemalter Olympia. Form wird bei Theodor Adorno zur Garantin des aufgeklärten Subjekts, das vor jeder Unmittelbarkeit bewahrt werden muss: »Form widerlegt die Ansicht vom Kunstwerk als einem Unmittelbaren. Ist sie das an den Kunstwerken, wodurch sie Kunstwerke werden, so kommt sie ihrer Vermitteltheit gleich, ihrem objektiven Reflektiertsein in sich.« Dieses Spiel, das Hegel als Philosophen der Reflexion stark macht, spielt auch Dieter Henrich, der die Modernität Hegels hochhalten will, indem er Hegel gegen sich selbst in Position bringt. Bei ihm wird die Form zu einer dialektischen Kraft, die Kunst Kunst sein lässt, aber jede Versöhnung torpediert, wobei er sich aber auch nicht scheut, Kunst und Wahrheit in eine Nähe zu rücken. Moderne Kunst kann »sich in ihrer Wahrheit nur halten, indem sie sich als Kunst zurücknimmt und doch nicht aufhört, Kunst zu sein. Sie muß die Konnotationen von Form innerhalb ihrer dementieren. Würde sie formlos werden und somit Vermittlung durchaus bestreiten, so würde sie ebensosehr die ganze Wahrheit verspielen, wie wenn sie die selbsthafte Vermittlung in ungebrochener Form beschwören wollte. Sie muß Form und Formbruch in einem sein und durch diese Einheit ihre beiden Bedeutungselemente gegeneinander oszillieren lassen.« Mit solchen Strategien brachten Künstlerinnen und Architekten im 20. Jh. den Formbegriff von erheblicher Flughöhe zur Bodenhaftung durch die Nobilitierung des Materials zurück, sei es bei Gutai, Brutalismus und Arte Povera, bei Body Art oder durch Filz und Fett, mit denen Beuys arbeitete und das sich jeder Formung widersetzt. Materie und Form dienen beide vice versa zur Konstitution von Schönheit oder zu ihrer Destruktion. Im Sinne der Losung Frank Stellas »What you see is what you see« ist heute der Verzicht auf Formung eines der Kriterien der Kunst. Es ist durchaus nicht trivial, denn ein gewisses Arrangieren und Anordnen von Gegenständen und Material muss doch sein. »Indem Andre darauf verzichtet, die verwendeten Grundstoffe durch traditionelle Techniken des Schweißens, Gießens oder Schnitzens in eine endgültige Form zu zwingen, kommt nicht zuletzt die Ablehnung einer ihre Materialien transzendierenden Skulpturkonzeption zum Ausdruck. Im Werk Carl Andres bleibt ein bestimmtes Material, was es ist, und weist nicht über sich hinaus.«

Brecht, zit. nach Mittenzwei 1968, 136

Bell 1914, 28/53

VIII.9.2.2.

Adorno 1970, 216 IX.3.8.1.2.

Henrich 1966, 30

Marzona Daniel in Holzwarth/Taschen 2011, 540f

438

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Lyotard 1988, 47 Eaton Marcia Muelder in Kivy 2004, 69

Bell 1914, 17/20

Balmond 2013, 25

Balmond, zit. nach Becker 2009

Agkathidis 2015, 17

Im zeitgenössischen Design hat man sich mit der Materie ausgesöhnt; man schätzt ihre Haptik, Oberflächenstruktur, ihre ungeformte Rohheit – jetzt ist auch Materie schön. Für François Lyotard ist für die moderne Kunst – hier gemünzt auf Cézanne – die »Beherrschung von Formen nicht mehr die vorrangige Aufgabe; im Gegenteil, das Ziel besteht darin, von dem ›Stoff‹ abhängig zu werden, der in den ›Daten‹ verborgen ist.« Ready-Mades oder Konzeptkunst lassen sich mit dem Formaspekt nicht mehr beherrschen. »Formal properties matter far less than the properties that emerge from theories and practices within that world [the artworld; BB].« Der Formaspekt bietet demnach viele Anknüpfungsmöglichkeiten für alle möglichen kunstphilosophischen Themenfelder, aber er eignet sich gewiss nicht als Unterscheidungsmerkmal von Kunst und Nicht-Kunst, wie Clive Bell das gerne haben möchte: »Of course many descriptive pictures possess, amongst other qualities formal significance, and are therefore works of art: but many more do not. They interest us; they may move us too in a hundred different ways, but they do not move us aesthetically. According to my hypothesis they are not works of art.« Dass ein solches Kriterium jedenfalls bei der modernen Kunst nicht greift, ist eine Konsequenz, die Bell selbst am Beispiel der Futuristen schonungslos zieht: »Like the Royal Academicians, they use form, not to provoke aesthetic emotions, but to convey information and ideas. Indeed, the published theories of the Futurists prove that their pictures ought to have nothing whatever to do with art.« Auch wenn die Form ihre Zuordnung zur Schönheit längst verloren hat, bleibt sie auch in der zeitgenössischen Diskussion ein häufig traktiertes Thema. Cecil Balmond unterscheidet die englischen Ausdrücke shape und form: »Shape has no depth trapped to its outward layer but form has shadows of deep structure, more to do with instinct than visualisation. Yet the search begins with shapes as they are the descriptors. Only later do the codes and attributes of form arise, and the judgements one makes as to whether the idea is robust or trivial.« Beim Entwurf beginnt man also mit dem Umriss, der Oberfläche, und vertieft sich dann in die eigentliche Form. »Form is dynamic. It’s not about shape – that’s literal. Form has something to do with the configuration in space of connectivity. It is the rhythm of those connecti­vities that provoke deeper resonances, the feeling of deeper archetypes. Form is very complex because it has different layers; it’s never a one statement thing.« Form wird etwas, was man nicht mehr gestaltet, sondern in der Natur findet: »Form is no longer being made, but found, based on a set of rules or algorithms, in association with mainly digital, but also physical, tools and techniques.« Aber natürlich findet man Formen, die die Menschen in uralten kulturellen Erzählungen zu solchen designiert haben. Im Sinne Clive Bells, der in einem Landschaftsbild keine Landschaft, sondern Formen sehen will, wird in der zeitgenössischen Diskussion der Formalismus als Garant für Autonomie und Zweckfreiheit der Kunst ins Treffen geführt. Das gelinge eben nur dann, wenn die Kunst auf Inhalte (moralisch, politisch, etc.) verzichte und sich auf die formale Seite konzentriere. Bell behauptet für diesen Verzicht auf jede Kontextualisierung eine eigene ästhetische Emotion aufgrund einer besonde-

439

Kunstphilosophie und Ästhetik

ren Form (significant form) der Beziehung von Linie und Farbe: »For, to appreciate a work of art we need bring with us nothing from life, no knowledge of its ideas and affairs, no familiarity with its emotions. Art transports us from the world of man’s activity to a world of aesthetic exaltation.« Auch Susanne Langer treibt die Frage nach dem Stellenwert der Emotion um. Langer versucht, spezifisch ästhetische Emotionen mit Verweis auf die Dominanz der formalen Seite der Kunst zu umgehen. Emotionen will sie im Formaspekt unterbringen. Sie spricht von expressive forms. Anne Sheppard rückt aus diesem Grund Langers Theorie etwas rasch in die Nähe eines Expressionismus. Ein ausdrücklicher Formalist war Monroe Beardsley. Für ihn erfüllt jedes wahre Kunstwerk eine ästhetische Funktion, erzeugt demnach eine ästhetische Erfahrung. Für Beardsley ist Kunstwerk ein Wertbegriff, nicht unähnlich der Handhabung des Begriffs durch Karlheinz Lüdeking. Als Kunstwerke bezeichnet man Gegenstände deshalb, weil sie einen bestimmten Wert haben und weil sie eine (ästhetische) Erfahrung auszulösen vermögen. Das sei nach Beardsley sogar empirisch nachweisbar. Form entscheidet nicht über Schönheit, aber über das Gelingen der Umsetzung einer künstlerischen Idee. Auf der Rezipientinnenseite ist die Kategorie der Form der Ausgangspunkt für Expression und ästhetische Wahrnehmung.

Bell 1914, 25

IX.3.9.8. Sheppard 1987, 48f IX.3.9.7.

IX.3.9.8.

1.4. Ästhetische Erfahrung statt Schönheit

VII.4.2.2./VIII.6.1.3.

668–670 Objekte ästhetischer Wahrnehmung? Lager von Fischerutensilien vor Pellestrina; Vorführung der Frecce Tricolori in Grado; rostende Wracks in Polis; Zypern



Der Stand der Überlegungen ist, dass Schönheit jedenfalls für die Kunst schon seit längerem kein zentrales Kriterium mehr ist, sodass sie allenfalls noch für Liebhaber ein zureichendes Charakteristikum für eine Ästhetik abgibt. Kunstphilosophisch wurde dieser Tatbestand durch die Würdigung des Hässlichen in Kunst und Kunstphilosophie vorbereitet (Caravaggio, Rosenkranz). In der künstlerischen Praxis ist der Tatbestand spätestens durch die Entgrenzung des Kunstwerks nach dem Zweiten Weltkrieg ein Faktum. Die Kunstphilosophinnen reagierten auf diese Situation mit dem Ersetzen der Kategorie der Schönheit durch jene der ästhetischen Erfahrung. Eine anregende und wichtige Stimme für diese Wende war Rüdiger Bubners Intervention 1989 gegen die alte Wahrheits- und Schönheitsästhetik, die im 20. Jh. jedenfalls in Heidegger, Gadamer und – in anderer Weise – Benjamin und Adorno noch Vertreter gefunden hat: »Dem erstaunlichen Phänomen eines permanent umgestaltenden und darin gerade Kontinuität stiftenden Einflusses der Kunst auf die Wirklichkeit wird nur eine Ana-

440

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Bubner 1989, 7 Küpper/Menke 2003, 7 Reicher 2005, 13

Dessoir 1923, 2

Stöhr 1996, 248

Reicher 2005, 16

lyse ästhetischer Erfahrung gerecht, während systematische Ästhetiken des klassischen Typs dem historischen Prozeß gegenüber notwendig ins Hintertreffen geraten und deshalb ihren Gegenstand verfehlen.« In der zeitgenössischen Diskussion wurde der Begriff der ästhetischen Erfahrung geradezu zum »Leitbegriff der gegenwärtigen Ästhetik« und zum »zentralen Thema der Ästhetik«. Der große Vorteil dieser Neuorientierung ist, dass damit prinzipiell jeder Gegenstand und jedes Ereignis Gegenstand und Ereignis der Ästhetik sein kann und nicht nur eine bestimmte Gruppe von Gegenständen und Ereignissen, nämlich Kunstwerke. Ästhetische Erfahrung lässt sich auf schöne wie nicht schöne Kunst, auf Kunst und Nicht-Kunst anwenden. Letztlich wurde diese Einsicht bereits vor einhundert Jahren formuliert: »Unsere bewundernde und liebende Hingabe an Naturerscheinungen trägt alle Merkmale des ästhetischen Verhaltens und braucht dennoch von der Kunst nicht berührt zu sein. […] diese Erzeugnisse, die keine Kunstwerke sind, werden ästhetisch genossen.« Diese Stimme ist bereits knapp hundert Jahre alt. Der eigentliche Durchbruch der ästhetischen Wahrnehmung verdankt sich allerdings der Wende zur Rezeptionsästhetik. »Vom Rezipienten wurden poietische Eigenleistungen erwartet, die über eine kontemplative Passivität hinausgingen. […] Ihr hermeneutisches Diktum, daß das Werk nicht ohne seine Wirkung verstanden werden kann, steigert sich in den siebziger und achtziger Jahren in neuen Formen ästhetischer Erfahrung zur inszenierten Steuerung des Ausstellungsbesuchs.« Weniger Übereinstimmung als mit dem Begriff an sich gibt es mit dessen Inhalt. Sosehr diese Alternative zur Schönheit plausibel sein mag, das Erfassen von ästhetischen Erlebnissen an einem Gegenstand oder Ereignis, das die ästhetische Erfahrung ausmacht, ist ein schwieriges Unterfangen. Insofern sind Definitionsversuche wie: »Ästhetik ist die Theorie der ästhetischen Erfahrung, der ästhetischen Gegenstände und der ästhetischen Eigenschaften« in ihrer Zirkularität mehr eine pointierte Programmatik einer Ästhetik als eine nutzbare Definition. Es geht jedenfalls darum, eine eigenständige ästhetische Erfahrung vom Begriff der aisthesis, die als generelle Sinnestätigkeit ausgeschildert wird, abzusetzen. Diese schließt die Schönheit (und alle verschwägerten Begriffe wie Harmonie, Eleganz etc.) als Kriterium zwar nicht aus, reicht aber wesentlich weiter.

1.4.1. Ästhetische Wahrnehmung

Bätschmann 1996

So einleuchtend eine Abkehr vom alten Schönheitsbegriff zugunsten des Begriffs einer ästhetischen Erfahrung im Hinblick auf eine Bestimmung der Ästhetik auch erscheinen mag, eine Beschreibung dessen, was ästhetische Erfahrung oder ästhetische Wahrnehmung ist, ist alles andere als trivial. Dementsprechend viele Vorschläge werden in der Literatur dazu unterbreitet. Am nachvollziehbarsten lässt sich eine ästhetische Wahrnehmung am Involviertsein einer Rezipientin bei diversen Performances oder Kunstaktionen mit »Erfahrungsgestaltung« festmachen, wie sie etwa Oskar Bätschmann beschreibt. Doch das ist ein zu vordergründiges Konzept. Als allgemeine und auf den Ausgangspunkt irgendeines sinnlichen Ereignisses für die Wahrnehmung verweisende Beschreibung kann man mit Rüdiger Bubner festhal-

441

Kunstphilosophie und Ästhetik

ten: »Die ästhetische Erfahrung fühlt sich zunächst durch ein sinnliches Objekt angesprochen, indem sie darin mehr zu erkennen meint, als was in die Erkenntnis irgendeines sinnlichen Erfahrungsgegenstandes eingeht. Sie sieht beispielsweise kein Ding, sondern ein Bild.« Nun wäre es allzu trivial, bereits vom Sehen eines Bildes statt einer Ansammlung von Material und Form eine ästhetische Erfahrung abzuleiten, zumal im letzten Kapitel gerade die Rede davon war, im Bild kein Bild, sondern das verwandte Material zu sehen. Das Sehen eines Objekts (ob nun »Bild oder Material«) muss begleitet sein von irgendeiner Form einer gegenüber einem rein empirischen Sehen sich einstellenden Empathie. Bubner siedelt ästhetische Erfahrung in der Spannung »zwischen sinnlichem Angerührtsein und schöpferischem Leisten […]« an. Hans Robert Jauß operiert mit dem Begriff des Genießens, den er auf Interesselosigkeit beim Betrachten zuspitzt: »Insofern ästhetisches Genießen vom praktischen Zwang der Arbeit und den natürlichen Bedürfnissender Alltagswelt freisetzt, begründet es eine gesellschaftliche Funktion, durch die sich ästhetische Erfahrung von Anbeginn ausgezeichnet hat.« In einer ihrer berührendsten Performances saß Marina Abramović 2010 im Museum of Modern Art in New York acht Stunden lang täglich schweigend an einem Tisch. An der gegenüberliegenden Seite des Tisches stand ein leerer Stuhl, auf dem Menschen aus dem Publikum Platz nehmen und in Augenkontakt mit der Künstlerin treten konnten. Es kam bei diesen Situationen höchster Verletzlichkeit sowohl der Künstlerin als auch der »Rezipientinnen« (die selbst zu Akteurinnen wurden) zu außergewöhnlichen Reaktionen. Das Angerührtsein, das man unter den Überbegriff der Einfühlung subsumieren könnte, ist ein wichtiges Element in der Rezeptionsästhetik. Der Schweizer Germanist Emil Staiger vertrat ein textnahes Interpretieren (man sprach von »werkimmanenter Interpretation«) des dichterischen Wortes (»begreifen, was uns ergreift«). Eine Interpretation gelinge demnach erst, wenn wir von einem Werk angerührt sind. Man kann dieses Angerührtsein, mit anderen Worten: eine Kontemplation auf der Rezipientenseite, verbinden mit Zweckfreiheit auf Seiten der Produktion. Dass schon mehrmals das Ideal Zweckfreiheit von Kunst problematisiert wurde, bedeutet nicht, dass ihr nicht eine wesentliche Bedeutung und besonders bei einer ästhetischen Wahrnehmung unter bestimmten Umständen auch Gültigkeit zukommt. Darauf werde ich gleich und nochmals unter 2.5. zurückkommen. Angerührtsein und Kontemplation könnten in allgemeinster Weise einfach eine mögliche Reaktion auf ein Sich-Einlassen auf ein ästhetisches Objekt bedeuten. Ein solches Sich-Einlassen ist die Voraussetzung dafür, dass man überhaupt eine Kommunikation mit einem solchen Objekt aufbaut. Man muss dieses Angerührtsein und diese Kontemplation angesichts manch einer Realität heutiger Kunstproduktion durchaus in einem weiten Sinn verstehen. Spektakuläre Arbeiten der zeitgenössischen Medienkunst, die architektonische Räume durch medial erzeugte narrative Strukturen neu erlebbar machen, erzeugen zwar nachhaltige ästhetische Erfahrungen, der Ausdruck Kontemplation scheint hier aber nicht zutreffend zu sein: »Even with more complex to-

Bubner 1989, 42

Ebd., 38

Jauß 1972, 20

442

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Tamschick/Tamschick 2015, 8 IX.3.9.7.

3.5.1.1.

Sheppard 1987, 72 IX.3.9.2.

Goodman 1968, 242f

Goodman 1978a, 88f

pics, emotions are generated, creating unique experiences. Such experiences have a long-term effect, allowing the spectator to internalise what has been seen, heard and learned.« Monroe Beardsley, der im letzten Abschnitt ausführlicher vorgestellt wurde, sah in den Kunstwerken zwei Gegenstände: einen materiell-zeitlichen und einen der Wahrnehmung. Nur an letzterem lassen sich ästhetische Eigenschaften festmachen und von da aus ästhetische Wahrnehmungen ableiten. Eine solche prominent auch von Richard Wollheim durchgeführte Aufspaltung eines Gegenstandes ist ziemlich problematisch und wird uns unten ausführlicher beschäftigen. Davon unberührt bleiben Beardsleys Beschreibungen einer ästhetischen Erfahrung durch mehrere Kennzeichen: Sie ist (1) auf heterogene, aber zu einer Einheit versammelte Komponenten gerichtet, (2) eine Erfahrung von hoher Intensität, (3) als Erfahrung kohärent und (4) in sich abgeschlossen. Abgesehen von einer Zirkelhaftigkeit in der Argumentation, dass eine ästhetische Erfahrung von Eigenschaften des Kunstwerks ausgelöst wird, welche dieses als Kunstwerk definieren, stieß Beardsley noch an andere Grenzen. Er exponierte sich mit dieser Beschreibung nicht nur dem Widerstand der Kollegen aus der Analytischen Philosophie, die keine Beschreibung immanenter Eigenschaften von Kunstwerken dulden, sondern er lief auf die Klippen der zeitgenössischen Kunst, an der er (ähnlich wie Clive Bell) keine ästhetische Erfahrung mehr ausmachen konnte, sondern nur die Verwirrung des Geistes. Mit einer solchen normativen Strategie der Qualifikation von Kunst ist letztlich ihre Einstufung als solche für weite Bereiche der Nachkriegs-Kunst obsolet. Nun kann man grundsätzlich einwenden, dass ein ästhetischer Disput immer durch die Reaktionen auf ein Werk der Natur oder der Kunst ausgelöst wird und nicht durch die Charakteristik der Dinge selbst. Ich möchte jemanden überzeugen, dass er auf ein Kunstwerk so reagiert wie ich. Ein Beispiel für einen solchen Zugang bietet Nelson Goodman. Ästhetische Wahrnehmung ist aus seiner Sicht mehr als passives und kontemplatives Rezipieren und Genießen. Es ist ein aktives Geschehen. Denn eine ästhetische Einstellung »erfordert feine Unterscheidungen und das Erkennen subtiler Beziehungen, eine Identifizierung von Symbolsystemen, von Zeichen innerhalb dieser Systeme und eine Identifizierung dessen, was diese Zeichen denotieren und exemplifizieren; sie erfordert Interpretation von Werken und Rekonstruktion der Welt von den Werken her und der Werke von der Welt her. […] Die ästhetische ›Einstellung‹ ist ruhelos, wißbegierig, prüfend – sie ist weniger Einstellung als vielmehr Handlung: Schöpfung und Neuschöpfung.« Dieser Beschreibung Goodmans mit der ihm eigenen konstruktivistischen Pointe kann man grosso modo zustimmen. Sie muss allerdings von der über weite Strecken bei Goodman vorherrschenden Einschränkung auf das klassische Kunstwerk befreit werden. Denn es ist gerade die Pointe der ästhetischen Wahrnehmung, dass eine solche auch bei Alltags- und Naturereignissen Platz greift. Goodman versucht, mehrere Kennzeichen für eine ästhetische Erfahrung zu benennen, die zur Unterscheidung von Symbolen dienen. Viel mehr als Hinweise sind diese Kriterien kaum, zu einer wirklichen Definition einer ästhetischen Erfahrung helfen sie nicht.

443

Kunstphilosophie und Ästhetik

Otto Neumaier, der sich in seinen ästhetischen Prolegomena einer Ästhetik auf einer aristotelischen Basis verpflichtet weiß, holt Aristoteles zwar beim Gegenstandscharakter der Kunstwerke ab, er spielt sich dann aber von einer solch engen Ausgangslage frei, indem er in einer Erweiterung des Bereichs auf grundsätzlich alle Gegenstände den traditionellen Schönheitsbegriff in den einer ästhetischen Wahrnehmung transformiert: »Wenn wir ganz bestimmte Merkmale eines Gegenstandes (wie Proportionen, Strukturen, Harmonien, Kontraste usw.) um ihrer selbst willen betrachten, dann folgt daraus nicht notwendigerweise, daß wir den Gegenstand als ›schön‹ (im Unterschied zu anderen ästhetischen Gegenständen) beurteilen; was daraus folgt, ist jedoch, daß wir ihn überhaupt in ästhetischer (und nicht in physikalischer, ökonomischer, moralischer oder anderer) Hinsicht beurteilen.« Ein ästhetischer Zugang hängt nach dieser Überlegung vom Gesichtspunkt ab, unter dem wir einen Gegenstand betrachten. Und an dieser Stelle kommt die oben erwähnte Zweckfreiheit ins Spiel. Prinzipiell kann jeder Gegenstand ästhetisch relevant sein, wenn Merkmale wie das Verhältnis wahrgenommener Elemente zueinander oder zur Umgebung und wenn Merkmale um ihrer selbst willen (und nicht wegen des Preises oder anderer Hinsichten) betrachtet werden. Eindrücke im Hinblick auf ökonomischen oder moralischen Nutzen von Kunstwerken sind daher kein Aspekt ästhetischer Wahrnehmung, ebenso wenig wie subjektive psychische Erlebnisse, die wir nicht zu verbalisieren vermögen. Wie schon erwähnt, findet der Komplex ästhetischen Wahrnehmens in der einschlägigen Forschungsliteratur schon aufgrund der Aktualität große Resonanz. Um das Terrain zu sondieren und das Spezifische einer ästhetischen Wahrnehmung herauszustreichen, wird meist der Wahrnehmungsbegriff auf seine verschiedenen Aspekte aufgedröselt. An dieser Stelle sei dies nur beispielshaft durch einige knappe Hinweise bei verschiedenen Autoren angedeutet und dann auf die Eigenheit ästhetischer Wahrnehmung eingegangen. Reinold Schmücker, der wie Neumaier die ästhetische Erfahrung auf alle Gegenstände anwendet, erweitert die übliche Wahrnehmung, bei der er einen (1) identifizierenden (etwas als etwas), (2) verstehenden (etwas als Zeichen für etwas), (3) existenziellen (konvertiert Sinneseindrücke in Empfindungen), (4) evaluativen (konvertiert Sinneseindrücke in Werturteile) Aspekt unterscheidet, um einen (5) ästhetischen. Natürlich räumt Schmücker ein, dass sich diese Aspekte nicht streng trennen lassen. Damit werden auch bei der ästhetischen Wahrnehmung identifizierende und einige andere Aspekte mittransportiert. Im Vordergrund der ästhetischen Wahrnehmung steht aber eine besondere ästhetische Wertschätzung, die sich auf alle möglichen Phänomene beziehen kann, nicht nur auf Kunstwerke: »Denn ästhetisch können wir alle Phänomene erfahren – also auch Alltagsdinge, menschliches Verhalten und die Natur –, genauso wie wir alle Phänomene identifizierend, existenziell oder evaluativ wahrnehmen können.« Otto Neumaier wiederum rückt spezifische ästhetische Aspekte in den Vordergrund, spricht vom ästhetischen Erfassen und unterscheidet mit Blick auf seinen Leitstern Aristoteles jeweils (1) eine sinnliche (aristotelisch: aisthesis), (2) eine emo-

Neumaier 1999, 127

Schmücker 1998, 53

444

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Neumaier 1999, 141

Ebd., 165

Welsch 1990, 70

Kermani 1999, 12

Saw 1972, 40

Klinger Cornelia in ÄGB 4, 152

Kambartel 1991, 21

tionale (aristotelisch: phronesis [eigentl. Klugheit]) und (3) eine geistige (aristotelisch: noesis) Wahrnehmung von Objekten durch die Subjekte. Das ästhetische Erfassen wird auch hier nicht mit einer generellen Sinneswahrnehmung gleichgesetzt, sondern es wird auf die ästhetischen Merkmale eines Gegenstandes gerichtet: »Für die Ästhetik ist also mehr wesentlich als nur das, was an einem Gegenstand sinnlich wahrnehmbar ist.« Ohne Neumaier eine Trennung der Gegenstände in materielle und ästhetische wie bei Beardsley und Wollheim zu unterstellen, erinnert das Fazit ein wenig daran, insofern es eben auch andere als nur sinnlich wahrnehmbare Elemente gibt. Aber es bleibt ein sinnlicher Ausgangspunkt und die Möglichkeit, Sinnlichkeit selbst ästhetisch zu erfahren. Das ist ein Punkt für Wolfgang Welsch. Er dreht den Zusammenhang in gewissem Sinn um, wenn er, von der Pluralität ausgehend, eine reflektierende Rezeption einfordert, die das Wahrnehmungsrepertoire erweitert: »Dann können ästhetische Phänomene zu Modellen aisthetischer Erfahrung werden.« Auch Navid Kermani spielt in seiner Untersuchung zur Ästhetik des Koran mit der Sinnlichkeit in der ästhetischen Wahrnehmung: »Eine ›ästhetische Rezeption‹ ist eine Rezeption, die sich zuvörderst auf die sinnliche Erscheinungsweise eines Gegenstandes richtet, also auf dessen optischen, akustischen, haptischen, geruchlichen, geschmacklichen Eigenschaften oder auch auf seine expressiven Qualitäten. Eine ›ästhetische Erkenntnis‹ ist demnach eine Erkenntnis durch die Sinne, […].« Grundsätzlich bleibt eine wie auch immer konzipierte sinnliche Wahrnehmung im weitesten Sinn der Ausgangspunkt jeder ästhetischen Erfahrung. Denn das Erfassen ästhetischer Merkmale ist eine sinnliche Tätigkeit, auch wenn solche Merkmale geistiger Natur sind. In jedem Fall ist – wie auch für jede andere Wahrnehmung – für die ästhetische Wahrnehmung eine spezifische Einstellung Voraussetzung – also das, was ich oben als Sich-Einlassen bezeichnet habe, das in Angerührtsein und Kontemplation mündet. Schmücker nennt sie ästhetische Wertschätzung, Neumaier spricht von ästhetischem Erfassen und Ruth Saw umschreibt sie (in diesem Fall: das Kunstwerk) so: »›This is a work of art‹ implies ›Look, listen, attend carefully, you will find it worthwhile.‹« Bleibt bei diesen Beispielen die Zweckfreiheit auf ästhetisches Erfassen beschränkt, tritt die Problematik des Begriffs dann in den Vordergrund, wenn man seine Bedeutung voll ausschöpft: »Ästhetische Erfahrung bedeutet Teilhabe am freien eigengesetzlichen Spiel der Kunst, ohne daß daraus Unterhaltung, Belehrung, Verbesserung oder irgendein anderer nicht-ästhetischer Nutzen gezogen werden dürfte.« Eine solche Aussage mutet mit Blick auf die Gegenwartskunst, die unterhält, Abscheu und Ekel hervorruft, uns über ökologische, wirtschaftliche und politische Katastrophen belehrt oder uns gar in ein Geschehen völlig involviert und gesetzesübertretende Interventionen verlangt (Heath Buntings Offline-Projekte), eher seltsam an. Insofern bleibt der Vorschlag einer eigenen Betrachtungsweise, einer »ästhetische[n] Einstellung«, mit der wir in »reiner, nicht funktional geleiteter, aufmerksamer Wahrnehmung« betrachten, interessanter. Etwas kompliziert ausgedrückt: »Äs­thetische Erfahrung ist eine kontemplative, auf einen bestimmten Wahrneh-

445

Kunstphilosophie und Ästhetik

mungsgegenstand gerichtete Aufmerksamkeitskonzentration, die um der Gewahrung der Eigenheit dieses Gegenstandes willen erfolgt und der evaluativen ebenso wie der existentiellen Wahrnehmung eine neue Perspektive auf ihn eröffnet.« Auch wenn bei solchen bemühten Definitionen manche Aspekte und Verweise kritisch hinterfragt werden könnten, bleibt die Grundbotschaft auch vor der Herausforderung zeitgenössischen Kunstgeschehens zustimmungsfähig, dass bei der ästhetischen Erfahrung die Zuneigung zum Gegenstand bzw. zu einem Ereignis in seiner Eigenheit im Vordergrund steht und der jeweils vorherrschende Alltagskontext (zumindest kurzzeitig) sistiert wird. »In der Eigenart dieser besonderen Wahrnehmungsweise manifestiert sich deshalb die ästhetische Differenz, durch die die ästhetische Erfahrung als eine besondere Form der Aisthesis ausgewiesen ist.« Denn bei der ästhetischen Wahrnehmung lassen wir uns zum Unterschied von einer gewöhnlichen auf einen Gegenstand »um der Gewahrung seiner Eigenheit willen« ein. Wir sehen im Moment einer ästhetischen Erfahrung von der Nutz- und Gebrauchbarkeit, der reinen Funktionalität und der physikalischen Ursache eines Gegenstandes oder einer Naturerscheinung ab. Das heißt in der Folge, dass wir uns, zumindest einen Moment lang, vom Alltagskontext, also vom »Handlungsdruck, dem wir in Alltagskontexten unterliegen, […]« distanzieren. Mir gefällt ein Regenbogen, ohne dass ich das Wissen abrufen muss, dass die Schönheit von Regenbögen mit der Lichtbrechung in Wassertropfen zu tun hat. Verstehen kann ich das Phänomen Regenbogen aber nur mit diesem Wissen aus der Physik. Für die ästhetische Erfahrung gilt: »Science and morality are irrelevant.« Es geht – pointiert nun umgekehrt gesprochen – bei der ästhetischen Wahrnehmung aber keineswegs nur um Alltagsereignisse, sondern auch um Kunstwerke. Ein Antiquitätenhändler sieht die Ikone des 16. Jh.s vielleicht bloß als Ware und taxiert Erhaltungszustand, Alter, Herkunft, das abgebildete Sujet und den daraus resultierenden Geldwert, aber er nimmt die Ikone nicht ästhetisch wahr. Insofern ist die ästhetische Anschauung ein probates Instrument, den Unterschied zwischen Kunstwerk und Alltagsgegenstand einzuebnen. Dass dies viele Kunstphilosophinnen nicht befriedigt, wird nicht überraschen. Daher ist die Versuchung groß, die ästhetische Wahrnehmung der beiden Gegenstands-Gruppen zu unterscheiden. Vorschläge dazu liefen neben der erwähnten Charakteristik der Zweckfreiheit bei Kunstwerken darauf hinaus, im Fall von Kunstwerken einen zusätzlichen Reflexionsbedarf und ein besonderes Verstehen einzufordern. »Ästhetische Kunsterfahrung kann und will in ein Verstehen einmünden, die ästhetische Erfahrung anderer Gegenstände kann und will dies nicht.« Suppendosen in der Galerie kann ich ästhetisch betrachten, unabhängig davon, ob es Suppendosen aus der Galerie-Küche sind oder ob sie als Kunstwerke dort stehen. Um sie als Kunstwerke zu begreifen, muss ich wissen, dass dahinter eine menschliche Intention steht, sie als Kunstwerke im Galerieraum zu platzieren. »Wenn aber der ästhetischen Erfahrung von Kunst die Möglichkeit eigentümlich ist, in die Frage einzumünden, wie ihr jeweiliger Gegenstand zu verstehen sei, ist das Potential ästhetischen Erfahrens, das uns Kunstwerke eröffnen, erst dann ausgeschöpft, wenn sich der Wahrnehmende diese Frage stellt.«

Schmücker 1998, 55; im Orig. kursiv

Ebd., 54

Ebd.

Eaton Marcia Muelder in Kivy 2004, 65

Schmücker 1998, 59; im Orig. kursiv

Ebd., 58

446

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Bubner 1989, 43

Ich werde in 2.7., wo es um das Verstehen von Kunst geht, darauf zurückkommen, denn das Problem ist, dass es ein aussichtsloses Unterfangen wäre, zu glauben, dass Kunstwerke endgültig verstanden werden könnten: »[…] die Unmöglichkeit endgültigen Zugriffs gehört demnach zur ästhetischen Erfahrung ebenso, wie die anfängliche Ahnung des ästhetischen Gegenstands, die den Verstehensakt initiiert.«

1.4.2. Ästhetische Eigenschaften und ästhetische Gegenstände

Seel 1985, 181

Reicher 2005, 60

»Denn ästhetisch ist, was ästhetisch besehen wird. Und es gibt nichts, was nicht ästhetisch aufgefaßt werden könnte; jeder Gegenstand, der einmal das Objekt eines flüchtigen ästhetischen Interesses war, ist für die Dauer dieses Interesses zum ästhetischen Gegenstand geworden; […] Der ästhetische Gegenstand muß kein ästhetisch relevanter, geschweige denn gelungener Gegenstand sein.« Ästhetische Wahrnehmung ist eine sinnliche Erfahrung und sie richtet sich auf Gegenstände. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, ob für die ästhetische Wahrnehmung Eigenschaften eines Gegenstandes zuständig sind oder ein Rezeptionserlebnis. Die Frage ist in diesem Kontext vor allem deshalb relevant, weil die Tatsache, dass jeder beliebige Gegenstand Gegenstand einer ästhetischen Wahrnehmung sein kann, eher zu einem rezeptionstheoretischen Ansatz passt. In einer ersten schnellen Qualifizierung kann man sagen, dass sowohl die werkästhetische als auch die rezeptionsästhetische Theorie bei der Bestimmung von ästhetischen Eigenschaften eine Rolle spielen. Bei der Betrachtung eines Gegenstandes, der uns ästhetisch interessiert, sind wir meist in der Lage, objektive Kennzeichen zu benennen, warum das so ist. Andererseits fällt auf, dass ein und derselbe Gegenstand nicht immer die gleichen Reaktionen bei verschiedenen Betrachterinnen auslöst. Das gilt sogar für unstrittig als Kunstwerke anerkannte Gegenstände, wie Maria E. Reicher am Beispiel eines monochromen blauen Bildes von Yves Klein vorführt: »In Bezug auf die Farbqualität herrscht also Übereinstimmung. Doch in Bezug auf die ästhetischen Qualitäten desselben Gemäldes muss in diesem Fall nicht Übereinstimmung herrschen. Es kann sein, dass der eine Betrachter das Gemälde schön findet und nicht langweilig, während der andere es nur langweilig findet und nicht schön. Daran zeigt sich, dass ästhetische Qualitäten – wie Schönheit oder Langweiligkeit – keine reinen sinnlichen Wahrnehmungsqualitäten sein können.« Aus dieser zweifellos unstrittigen Tatsache muss man den Schluss ziehen, dass ästhetische Eigenschaften nicht objektiv existieren, sondern dass diese in der Wahrnehmung durch ein ästhetisches Erfassen im Subjekt generiert werden. Ästhetische Eigenschaften können vielfältig sein, nicht nur Schönheit und Hässlichkeit sind solche, sondern auch Gefühlsqualitäten wie fröhlich oder traurig, formale Qualitäten wie harmonisch, symmetrisch oder andere Qualitäten, die man mit phantasievollen Begriffen bezeichnet: langweilig, spannend, realistisch, abstrakt, erhaben, flach, intensiv. Die Liste, die beliebig verlängert werden könnte, zeigt allerdings, dass Eigenschaften, die wir als Beschreibungen einer ästhetischen Erfahrung verwenden, sich nicht von nicht-ästhetischen Eigenschaften abgrenzen lassen. Insofern schienen Versuche wie jener Frank Sibleys, über den Gebrauch ästhetischer

447

Kunstphilosophie und Ästhetik

Begriffe ein Unterscheidungskriterium zwischen Kunst und Nicht-Kunst zu gewinnen, so wenig überzeugend. Es ist nämlich zwecklos, einen Pool von spezifisch ästhetischen Eigenschaften identifizieren zu wollen. Vielmehr handelt es sich dabei um Metaphern, also um Attribute, die aus anderen Zusammenhängen stammen und sich zur Bezeichnung von ästhetischen Wahrnehmungen eignen. Ob ein Bild wirklich düster ist, kann von Betrachterin zu Betrachterin durchaus unterschiedlich gesehen werden. Besonders deutlich wird das, wenn bei den Eigenschaften Wertungen mitschwingen. Das grundsätzliche Problem jeder Rezeptionsästhetik gilt auch hier, nämlich, dass sie jede objektive Vorgabe grundsätzlich unterminiert. Ein Ausweg aus dem Problem scheint mir nicht darin zu liegen, bemüht eine Parallelwelt von ästhetischen gegenüber alltäglichen Eigenschaften konstruieren zu wollen, sondern zu akzeptieren, dass sich in einer ästhetischen Erfahrung die Sprache bzw. die Metaphorik verändert. Der Ausdruck »flach« hat verschiedene Bedeutungen, je nachdem in welchem Sprachspiel ich ihn verwende. Eine Landschaft kann flach sein, ein Wein flach schmecken, einem Musikstück die Tiefe fehlen und eine Malerei kann flach erscheinen. Trotz dieser verschiedenen Bedeutungen desselben Wortes kann jede Sprachkundige mit der Eigenschaftsbezeichnung in den jeweiligen Sprachspielen etwas anfangen. Anders mag es mit der objektiven Feststellung von Sinnesqualitäten stehen, also Farben oder – in eingeschränktem Maß – Geschmack. Dass eine frische Wiese grün ist, scheint eine objektive Eigenschaft zu sein, unabhängig von der Befindlichkeit der Subjekte. Die Bewertung der Sache beginnt dort, wo aus einer Sinneserfahrung eine ästhetische Erfahrung wird. Insofern erscheint die Frage, ob solche Objektivität auf ästhetische Eigenschaften übertragen werden kann, eher reizlos. Trotzdem gibt es eine Position, die an objektiven ästhetischen Eigenschaften festhält, den ästhetischen Realismus. Das ist zugleich die der Alltagserfahrung am nächsten kommende Position schon deshalb, weil sie dem verbreiteten Urteil: ein Gegenstand ist schön (oder hässlich), am ehesten entspricht. Dass es zu solch pointierten Positionsbezügen überhaupt kommt, hängt damit zusammen, dass Kunstphilosophinnen solche Positionen oft so kompromisslos vertreten, wie es das Leben niemals vorgibt. Wer hinter jeder mentalistischen, transzendentalphilosophischen oder konstruktivistischen Theorie gleich einen Subjektivismus wittert und daraus folgert, hier werde jede Existenz ästhetischer Eigenschaften geleugnet, der wird zwangsläufig das massive Geschütz eines ästhetischen Objektivismus dagegen auffahren. Doch die Wahrheit dürfte, wie so oft, auch hier in der Mitte liegen. Ausgehend von einem fundamentum in re konstruiert die ästhetische Wahrnehmung entsprechende ästhetische Eigenschaften. Otto Neumaier macht den Vorschlag, die Fragestellung bei ästhetischen Gegenständen aufzutrennen: Es gehe einmal um eine ontologische Frage (sie betrifft die Existenzweise ästhetischer Gegenstände) und zum anderen um eine erkenntnistheoretische Frage (also die Weise, wie wir ästhetische Gegenstände erkennen). Der Vorschlag ist deshalb produktiv, weil die beiden Fragen nicht die Spaltung in eine objektivistische und eine subjektivistische Sicht bedeuten, vielmehr verläuft die Grenze zwischen diesen Sichtweisen quer durch die Unterscheidung hindurch.

IX.3.9.8.

3.1.

Neumaier 1999, 31f

448

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

3.5.1.ff./3.9.3./IX.3.9.4.

3.5.1.1.

Ebd., 47

Letztlich soll damit auch ein paradoxes Resultat verhindert werden, das bereits im letzten Kapitel angesprochen wurde, nämlich dass sich ästhetische Gegenstände von dem eine ästhetische Wahrnehmung auslösenden Kunstwerk unterscheiden. Ein Bild Barnett Newmans kann mich aufwühlen, meine Partnerin hingegen beruhigen oder noch pointierter: mich – je nach meiner gerade vorhaltenden Seelenstimmung – an einem Tag aufwühlen, am anderen Tag beruhigen. Das physische und objektiv vorhandene Bild Barnett Newmans wäre das Kunstwerk, der ästhetische Gegenstand hingegen meine spezifisch ästhetische (im Subjekt erzeugte) Wahrnehmung dieses Gegenstandes. Es gäbe dann mehrere ästhetische Gegenstände, die sich vom physischen Bild Newmans unterscheiden. Solche Überlegungen gab es sowohl in der philosophischen Richtung der Phänomenologie bei Husserl, noch pointierter bei Roman Ingarden, und sie fanden von dort aus Eingang in die Analytische Philosophie, wo sie von Richard Wollheim aufgenommen wurden. Bei einem weiten Gegenstandsbegriff, der alles umfasst, was wahrgenommen, gedacht und worüber gesprochen werden kann, kann man begrifflich von mehreren Gegenständen sprechen, auch wenn es sich eher um perspektivische Sichtweisen auf, wie im obigen Beispiel, ein physisches Objekt handelt. Trotz der schwierigen Handhabbarkeit einer solchen ontologischen Spezialität, deren Tücken weiter unten ausführlicher besprochen werden, ist es wichtig, in der Ästhetik einen breiten Gegenstandsbegriff zu akzeptieren, um überhaupt über die zeitgenössische Kunst handeln zu können, wo ein Steinwurf des Vorarlberger Aktionskünstlers FLATZ ein Kunst-Gegenstand ist und der Abschuss einer Cruise Missile ebenso wie der Terroranschlag auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 (den Karlheinz Stockhausen als Kunstwerk bezeichnete) eine ästhetische Erfahrung auszulösen vermag. Ein ästhetischer Gegenstand (das gilt für Alltagsgegenstände wie für Kunstwerke) ist daher etwas, »was für ein Ding unter einer bestimmten (und zwar der ästhetischen) Betrachtungsweise wesentlich ist. […] sofern wir ein Ding in ästhetischer Hinsicht betrachten, erscheint es uns als ästhetischer Gegenstand.« An diesem Beispiel wird auch klar, dass es objektive Eigenschaften am Bild Newmans gibt, über die alle Betrachterinnen übereinstimmen: Format, Farben, Malweise. Diese helfen jedoch kaum, diesen Gegenstand Barnett Newmans zu einem ästhetischen Gegenstand zu machen. Dazu bedarf es weiterer Bedingungen: individuelle Erfahrungen, soziale und historische Kontexte bis hin zur jeweiligen emotionalen Gestimmtheit. Es ist hier nicht der Ort, die philosophischen Hintergründe von Gegenstandsbeschreibung und Realismusproblem durchzuexerzieren. Vielmehr soll auf die Plausibilität abgehoben werden, beides, objektive ästhetische Eigenschaften im Gegenstand und die Leistung des Subjekts, das ästhetische Gegenstände erzeugt und entdeckt, anzunehmen. Otto Neumaier verweist auf Alexander Baumgarten, den er gegen Angriffe einer allzu großen Engführung der Ästhetik auf das Schöne in Schutz nimmt und betont, dass »die ›Schönheit‹ eines Gegenstandes laut Baumgarten davon abhängt, wie vollkommen bzw. wie klar wir ihn sinnlich erkennen.« Dies sei kein Subjektivismus, sondern eher ein Realismus, weil es um eine »möglichst vollkommene Entsprechung

449

Kunstphilosophie und Ästhetik

zwischen den Eigenschaften eines Objekts und dem, was einem Subjekt davon bewußt ist«, geht. Neumaier sieht das ästhetische Empfinden und Urteilen als Angelegenheit eines Gemeinsinns (sensus communis) im Sinne der Ganzheit der Sinneswahrnehmungen. Beim ästhetischen Erfassen sind eben alle Sinne im Spiel und nicht nur die »höheren Sinne« Auge und Ohr, die in der Tradition, vor allem in der materiefeindlichen platonischen, die bevorzugten Sinne für die Künste waren. Gegenstände ästhetischen Erfassens sind Gegenstände aller Erfahrungsbereiche, also ebenso geistiger wie emotionaler, die zwangsläufig auch durch die Eintrittspforte irgendeiner sinnlichen Empfindung zum Rezipienten gelangen. Neumaier schlägt vor, alle diese Spielarten unter dem Begriff aisthesis zusammenzufassen, was seiner Meinung nach durchaus mit Baumgartens Interesse an der Integration der Sinne bei der aisthesis konvergiere, also eine Vollkommenheit der sinnlichen Erkenntnis. Ein ästhetischer Gegenstand ergibt sich demnach aus dem Zusammenspiel von einem eine Rezeption auslösenden Gegenstand mit der Erfahrung dieser Rezeption. Es gibt weder eine scharfe Grenze zwischen Kunst und Nicht-Kunst noch zwischen Kunstwerk und Rezeption. Eine ästhetische Erfahrung gilt eben auch für entgrenzte Situationen, bei denen die klassische Trennung von rezipierender Betrachterin und in-sich-ständigem Kunstwerk nicht mehr gültig ist. Paradigmatisch kann dafür eine performative Theatersituation herangezogen werden, bei der neben den Grenzen von Zuschauer und Bühne auch jene von Realität und Fiktionalität überschritten werden. Auf diese Weise werden »die Grenzen des ästhetischen Gegenstands – in diesem Fall der Aufführung oder Performance – im Unklaren gehalten [werden], wodurch eine Zone der Unbestimmtheit entsteht, die auf die Situation ausgreift, in der das Ereignis stattfindet.« Performances und Aktionen haben unter anderem den Sinn, bestimmte Erfahrungen aus ihrem Kontext zu isolieren und sie so intensiver erlebbar zu machen. Damit werden solche Erfahrungen ausdrücklich ästhetische Erfahrungen. Eine weitere längst vorbereitete Außer-Kraft-Setzung, jene zwischen Ästhetik und Moral, also die traditionelle Gleichung vom Wahren, Guten und Schönen, erfährt hier eine weitere Bestätigung.

1.4.3. Ästhetik zwischen ästhetisch und künstlerisch Nach den Überlegungen in den letzten Kapiteln über die ästhetische Wahrnehmung lässt sich der Ästhetikbegriff, wie er in 1.2.2. vorgeschlagen wurde, nochmals schärfen. Zum Unterschied von dem in meinen Überlegungen sehr breit veranschlagen Kunstphilosophiebegriff changiert der Ästhetikbegriff zwischen den Termini ästhetisch und künstlerisch. Er behandelt somit genau jenes Gebiet, das sich zwischen einem (weit verstandenen) Gegenstand, der keineswegs immer ein Kunstwerk sein muss, vielmehr auch Alltagsgegenstand oder Naturerscheinung sein kann, und einer daran anknüpfenden ästhetischen Erfahrung auftut. Demnach kümmert sich eine Ästhetik genau um diese hier aufgeworfenen Fragen: Fragen nach der ästhetischen Wahrnehmung, nach ästhetischen Gegenständen und Eigenschaften und nach dem Unterschied zwischen Alltagsgegenständen und Kunstwerken unter dem Gesichts-

Ebd., 167 Ebd., 178

Ebd., 191

Rebentisch 2013, 74

450

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

1.4.1.

punkt dieser ästhetischen Wahrnehmung. Ästhetik hat derart stets den Blick auf eine Wahrnehmung gerichtet, Ästhetik, so könnte man den Bogen zur Tradition (und zum letzten Kapitel) schlagen, als Aisthesis im weitesten Sinn. Die in der Geschichte gängige Meinung, dass jedes künstlerische Objekt auch ein ästhetisches ist und umgekehrt, entspricht heute ganz offensichtlich nicht mehr dem Stand der Diskussion. Es gibt ästhetische Objekte, die keine Kunstobjekte sind: die »Flugkünste« der Stare über der abendlichen Skyline von Rom, das Meeresrauschen an der Nordsee, die Kondensstreifen der unzähligen Jets am blauen Himmel über dem Tiroler Inntal. Ebenso überzeugt das Umgekehrte, dass jedes Kunstobjekt auch ein ästhetisches Objekt ist, in der zeitgenössischen Kunst kaum mehr. Es gibt Kunstwerke, die ausdrücklich keine ästhetische Erfahrung auslösen, sondern als Kunstwerke nur verstanden werden wollen. Mit Blick auf die ästhetische und künstlerische Wahrnehmung kann man davon ausgehen, dass sich eine ästhetische Erfahrung von Alltagsgegenständen, Naturerscheinungen und Kunstwerken weniger unterscheidet als eine ästhetische Wahrnehmung von einer künstlerischen. Für eine künstlerische Wahrnehmung, also eine Wahrnehmung von etwas als Kunstwerk, wird meist ein zusätzliches Wissen eingefordert, wie oben am Beispiel der Suppendosen in einer Galerie angemerkt wurde. Weil das Kunstwerk aber auch gefallen kann, wenn man von den Umständen um es nichts weiß, geht es eher darum, dass man ein Kunstwerk als solches wertschätzt. Dann aber steht man vor der Frage, was ein Kunstwerk von einem Alltagsgegenstand unterscheidet. Darüber, ob ein physischer Gegenstand, der unter welchen Kriterien auch immer als Kunstwerk akzeptiert ist, auch ein ästhetischer Gegenstand ist, entscheidet keine intrinsische Eigenschaft dieses physischen Gegenstands – auch nicht ein bisschen (a whit), wie dies Marcia Muelder Eaton stellvertretend für viele ähnliche Meinungen vorschlug. Bevor aber die Frage nach dem Kunstwerk gestellt wird, soll jene allgemeinere nach der Kunst gestellt werden.

2.0. Was ist Kunst

Davies 1991, 63 Gethmann-Siefert 1985, 18

»Artists and philosophers have offered many characterizations of the distinctive nature of art. To mention just a few famous examples: for Plato art is imitation (or representation); for Wordsworth it is emotion recollected in tranquility, and for Tolstoy it is the expression of emotion; for Kant it is the interplay of forms, and for Clive Bell and Roger Fry it is significant form; Susanne Langer sees it as an iconic symbol of the forms of feelings.« Stephen Davies hat einige der Interpretationen von Kunst, von denen in den vergangenen Abschnitten ausführlich die Rede war, in einen Satz verdichtet und er hat nicht unrecht, wenn er resümiert: »Each of these theories seems plainly to fail as a definition.« Der generalisierende Blick fasst weitgehend unbestritten Kunst (wie vieles andere) als »eine Weise des Weltvollzugs«. Daraus ließe sich die Aufgabe der Kunstphilosophie ableiten, die Besonderheit dieses Weltvollzugs herauszuarbeiten. Das ist allerdings, was die Frage nach Kunst und Kunstwerk angeht,

451

Was ist Kunst

keine triviale Aufgabe. Vielmehr ist diese zentrale Frage zugleich die größte Herausforderung der Kunstphilosophie. Denn die handliche werkimmanente, also werkästhetische Bestimmung von Kunst hat ihre Gültigkeit längst verloren (wenn sie eine solche überhaupt je beanspruchen konnte). Dies gilt, auch wenn diese Zugangsweise eine der verbreitetsten Annäherungen an die Kunst sein dürfte. In der einschlägigen Literatur wird häufig geklagt, dass die Frage nach dem Kunstwerk bzw. die Abhebung von Kunst und Nicht-Kunst in der Gegenwart gegenüber den vergangenen Perioden schwieriger geworden sei. Nun ist zweifellos richtig, dass nach Ready-Made, objet trouvé, Happening, Land Art, Body Art, Street Art inzwischen alles Kunst sein kann und dass jede Regel einer spezifischen Unterscheidung von Kunst und Nicht-Kunst außer Kraft gesetzt worden ist. Die Aufgabe wird nicht einfacher angesichts einer vor allem im Poststrukturalismus betriebenen Absage an eine kreative Künstlerpersönlichkeit. Im aktuellen Diskurs gehen neben der Schönheit, dem Werk, auch Autor und Autorin verloren. Aus diesen Gründen gibt es in der zeitgenössischen Forschung sowohl im deutschen als auch im englischen Sprachraum kaum noch jemanden, der den Optimismus aufbrächte, eine auch nur einigermaßen handhabbare Definition von Kunst oder Kunstwerk in Aussicht zu stellen: »[…] a general answer to the question, what is art? is hazardous.« Selbst wer (nur) eine »allgemeine Methode zur Identifikation von Kunstwerken« sucht, sollte sich nach Richard Wollheim der »Grenzenlosigkeit der Aufgabe« bewusst sein. Donald Judd macht aus der Not dieser scheinbaren Aussichtslosigkeit eine Tugend: »Vielleicht lohnt sich die Mühe eines Versuchs, Kunst zu definieren, aber mir scheint dies fast unmöglich und außerdem eher langweilig. Warum eine Arbeit gut, mittelmäßig oder schlecht ist, ist viel interessanter.« Angesichts von so viel Abgesang auf eine praktikable Definition von Kunst darf gleichzeitig nicht übersehen werden, dass es in Wahrheit in der gesamten Kunstgeschichte nie ein Abgrenzungskriterium zwischen Kunst und Nicht-Kunst oder auch nur zwischen Kunst und Handwerk gegeben hat. Erst die Provokationen im 20. Jh., verbunden mit der Theorielastigkeit des Kunstbetriebs, haben diese Frage in das Scheinwerferlicht der Debatten gerückt. Da man angesichts der zeitgenössischen Kunst jedenfalls ein intrinsisches Unterscheidungskriterium ausschließen muss, scheint zum Thema mit der Erörterung der ästhetischen Erfahrung alles Mögliche gesagt. Andererseits gibt es im Kontext einer systematischen Untersuchung eine Fülle von Fragen und Aspekten im Umkreis von Kunst und Kunstwerk. Dazu gehören Fragen nach dem Generalbegriff Kunst, nach Unterscheidungen bei der Funktion von Kunst: Nachahmung oder Expression – oder keines von beiden, nach dem Begriff des Kunstwerks mit den Implikationen von Gegenständlichkeit, Original und Reproduktion. Themen wie diese sollen im Folgenden besprochen werden. Es ist auch eine Folge des Austestens der Grenzen von Kunst in der künstlerischen Praxis, dass die Frage nach der Kunst (schlechthin) als eine sinnvolle Frage ausdrücklich legitimiert werden muss. Vor allem in den Kreisen der Analytischen Philosophie mit ihrer Phobie gegen jeden Essentialismus tut man sich schwer mit

Aldrich 1963, 4 Wollheim 1968, 136f

Judd Donald in Stemmrich 1995, 79

452

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Otto 1993, 108

3.5.1.

Lange 1901, I, 8 VIII.10.2. Bohrer 1994, 130

Schmücker 1998, 17f; 78f

VI.6.0.ff.

einem Sprechen über die Kunst: »Mit dem Kunstbegriff (oder einer allgemeinen Berufung auf die Klasse der Kunstwerke) ist theoretisch kein Staat zu machen. […] Was – in einem gehaltvollen Sinn – Kunst ist, ist umstritten und unbestimmt.« Die Skeptiker berufen sich dabei auf die Tatsache, dass den unterschiedlichen Gegenständen keine Gemeinsamkeit zugesprochen werden kann, mit der der Begriff Kunst begründbar wäre. Auch abseits und außerhalb der Analytischen Philosophie gibt es Vorbehalte gegen das Reden von der Kunst. So meinte bereits Konrad Lange, dass die Kunstgeschichte bisher keine Antworten auf die wichtigen Fragen der Kunst habe geben können, weil »sie das Wesen der Kunst immer als bekannt voraussetzte, […] An die Stelle der Kunst setzen wir viele verschiedene Künste, […].« Konrad Fiedler plädierte für eine Pluralisierung der Künste anstelle der einen Kunst. Karlheinz Bohrer meinte schließlich, dass die Kunstphilosophie »nur als ausdifferenzierte Kunstund Literaturwissenschaft die relevanten Fragen stellen kann.« Die größeren Fragen nach Kunst, Kunstwerk und ähnliche werden als nicht mehr fragwürdig erachtet und auf die Untersuchung einzelner Redesituationen reduziert. Es ist eines jener Probleme, die den Status von Ästhetik und Kunstphilosophie so schwierig machen. Aus diesem Grund wird immer wieder, wie oben bereits erwähnt, der Ersatz von Kunstphilosophie und Ästhetik durch Spezialwissenschaften vorgeschlagen. Wer demnach diese Frage ernsthaft zum Thema einer kunstphilosophischen (!) Erörterung macht, macht sich automatisch eines Essentialismus verdächtig und zieht zwangsläufig entsprechende Kritik auf sich. Dabei sollte freilich nicht übersehen werden, dass der Preis dafür, überhaupt nur mehr Individualaussagen zu erlauben, hoch ist und letztlich das Ende jeder Wissenschaft bedeutet. Eine differenziertere Diskussion darüber ist Absicht des nächsten Kapitels. Innerhalb dieser komplexen Gemengelage gibt es schließlich trotz aller Vorbehalte einen verbreiteten common sense, die Frage nach der Kunst als legitim zu erachten, zumal der Kunstbegriff in der Geschichte wie im Alltagsdiskurs unbekümmert verwandt wurde und wird. Es scheint schon so zu sein, dass eine kunstphilosophische Theorie nicht ohne Prämissen auskommt, »die man – wenn auch nicht im herkömmlichen Sinn des Begriffs – essentialistisch nennen kann: Sie muß annehmen, daß von Kunst als solcher sinnvoll die Rede sein kann.« Andernfalls landet man in einer bloßen Kunstkritik, die sich nur für ein jeweils singuläres Werk interessiert. Es bleibt allerdings ein schwacher Essentialismus, denn weder wird von den einzelnen Artefakten so etwas wie eine Kunsthaftigkeit ausgesagt, noch dem Begriff der Kunst eine abgehobene Existenz zugesprochen. Es gibt abseits solch essentialistischer Anmutungen aber eine Vielzahl von Charakterisierungen und Fragestellungen, die das betreffen, was man umgangssprachlich mit Kunst bezeichnet. Kunst hat von zwei Seiten Abstand zu halten: (1) einmal vom Handwerk und zum anderen (2) von der Philosophie. (ad 1) Aus dem Ringen um artes liberales und artes mechanicae im Mittelalter erwuchs in der Renaissance die Ambition der Wissenschaftlichkeit der Kunst. Die Unschärfe, nach der die Kunst nicht selten im Sinne der Parrhasios-Zeuxis-Legende nach dem Maßstab des handwerklichen Könnens und der Geschicklichkeit bewer-

453

Was ist Kunst

tet wurde, hielt sich durch die Jahrhunderte. Erinnert sei an die Rehabilitierung des praktischen und technischen Anteils der Kunst in der Wende von der Akademieästhetik zu den technisch ausgerichteten Kunstschulen im 19. Jh. Für den Gebrauch des Terminus Kunst ist es selbst noch in der heutigen Diskussion wichtig, auf den Unterschied zwischen einer ästhetischen Kunst und einer Kunst des Zimmermanns, der Kochkunst oder jener des Windsurfens zu unterscheiden. Reinold Schmücker macht beim Wortgebrauch (anders gesagt: bei verschiedenen syntagmatischen Kontexten) von Kunst ein interessantes Kriterium aus. Es scheint tatsächlich so, dass ästhetische Kunst immer dann gemeint ist, wenn das Wort Kunst absolut gebraucht wird, d.h. wenn das Wort als Nomen ohne Artikel oder Attribut auftritt (»Ich schätze Kunst«). Mechanische Kunst zeige sich hingegen, wenn das Wort Kunst indefinit, d.h. mit unbestimmtem Artikel (»Das ist ja wirklich eine Kunst«) gebraucht wird. Als weiteren Unterschied zwischen diesen beiden Verwendungen des Ausdrucks Kunst kann man festhalten, dass mechanische Kunst meist mit Handlungskompetenz zu tun hat, während ästhetische Kunst aus Artefakten besteht, also aus »Hervorbringungen menschlicher Subjektivität, die uns durch sinnliche Wahrnehmung zugänglich sind.« Dabei muss es sich nicht unbedingt um Gegenstände handeln, es können auch Ereignisse sein. »Das bedeutet, daß das Wort ›Kunst‹ hinsichtlich ästhetischer Kunst artefaktbezeichnende, hinsichtlich einer mechanischen Kunst jedoch handlungskompetenzbezeichnende Kraft besitzt.« Das Ergebnis dieser Betrachtung könnte sein, dass ästhetische Kunst nicht auf Fähigkeit und Können zu reduzieren ist. Eine andere Konsequenz ist, dass immer dann, wenn man von Kunst und vom Kunstbegriff redet, implizit auch das Kunstwerk mitgemeint ist, weil Kunst eben eo ipso auf Artefakte (oder zumindest in Kunstkontexten aufgerufene Gegenstände) bezogen ist. Insofern ist die Trennung in Kunst und Kunstwerk in der vorliegenden Untersuchung etwas künstlich, aus systematischen und wohl auch didaktischen Gründen aber zu rechtfertigen. Nur unter ästhetischen Rahmenbedingungen ist Kunst ein Synonym für Kunstwerk, wobei das in 1.4.3. Gesagte nicht in Vergessenheit geraten darf, dass nämlich ein Kunstwerk als physischer Gegenstand nicht gleichbedeutend mit einem ästhetischen Gegenstand sein muss. In der Theorie ist nachvollziehbar, dass mechanische Künste Fertigkeiten sind, die für die ästhetischen Künste zwar Voraussetzung sein können, aber nicht mit ihnen zusammenfallen. Trotzdem bleibt ein Graubereich. Die Meinungen darüber, ob ein Schnitzer von Christusfiguren aus dem Südtiroler Grödental ein guter Handwerker oder bereits ein Künstler ist und ob die geschnitzte Figur gutes Handwerk oder bereits Kunst ist, mögen auseinandergehen und, wie bei einem rein sprachphilosophischen Vorgehen nicht weiter verwunderlich, bleibt auch die Unterscheidung eines Kunstwerks von einem handwerklichen Gegenstand (also Nicht-Kunstwerk) auf dieser Ebene unbefriedigend. (ad 2) Die andere Distanz betrifft die Nähe der Kunst zur Philosophie. Es ist keineswegs so, dass erst Arthur Danto oder George Dickie und auch nicht Hegel die Ablösung der Kunst durch die Philosophie entdeckten. Es war bereits Platon, der auf

VIII.3.2.3.1. 671 Milchschaumkunst eines Barista in Wien

Ebd., 67ff

Ebd., 70/71; im Orig. kursiv

672 Kunst, Kunsthandwerk oder Kitsch? Schnitzwerke aus dem Grödental im Ausverkauf

454

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

die technische Mimesis mit einem philosophischen Konzept für die Kunst reagierte. Dieses Verhältnis ist ungleich schwieriger zu beschreiben als jenes und wird uns deshalb an anderen Stellen noch begegnen.

2.1. Kunstbegriff und Essentialismus

IX.3.9.8.

Bevor wir diverse Aspekte der Kunst beleuchten, soll das Problem vertieft werden, ob und wie wir den Ausdruck Kunst überhaupt verwenden dürfen. Zwar gibt es in weiten Teilen der einschlägigen Literatur einen unkomplizierten Umgang mit diesem Allgemeinbegriff, welcher Umgang auch keineswegs in erwähnenswerte Verständigungsprobleme führt. Dennoch nehmen manche Philosophinnen, üblicherweise aus den Reihen der Analytischen Philosophie, an diesem Begriffsgebrauch Anstoß. Für solche Philosophinnen ist der Hauptkritikpunkt an traditionellen philosophischen Theorien und ästhetischen Theorien im Besonderen, dass sie einen Hang zu generalisierenden Aussagen haben und den Einzelfall vernachlässigen. Das führt schließlich zur Meinung, dass jede Definition des Kunstbegriffs sinnlos sei, weil Kunstwerke keine Klasse von Dingen bildeten, bei denen sich eine gemeinsame Eigenschaft finden lässt. Die Analytische Philosophie hat die Sache faktisch umgedreht, sodass bei ihren sich ins kleinste Detail verästelnden Untersuchungen letztlich der Einzelfall im Fokus bleibt. Der Vorbehalt gegenüber essentialistischen Theorien besagt, dass diese auch dort, wo sie sich empirisch verkleiden, normative Theorien sind, insofern sie eine wie auch immer geartete Vorschrift beinhalten, was als Kunst gelten darf und was nicht. In der Tat scheitert jede essentialistische Theorie, also jede Theorie, die streng generalisierende Aussagen über die Klasse der Kunstwerke macht, dort, wo sie einen Universalitätsanspruch erhebt. Beispiele dafür gäbe es zuhauf. Der schon mehrfach erwähnte Philosoph Harold Osborne meinte, ein Qualitätsmerkmal für Kunst in der Schönheit gefunden zu haben. Damit war aber nicht der übliche Schönheitsbegriff angezielt. Vielmehr definierte er Schönheit tautologisch als besondere Auszeichnung, die Kunstwerken zukomme. Eine tiefergehende Bestimmung dessen, was mit diesem Terminus gemeint ist, gab er nicht an. Das ist seiner Meinung nach nicht die Aufgabe philosophischer Theoriebildung, sondern die Aufgabe empirischer Untersuchungen. Die daraus resultierenden Fakten sollten die ohnehin vorhandene Sprachkompetenz, die es erlaube, von wenigen strittigen Fällen abgesehen, Kunstwerke zu identifizieren, unterstützen. Die Bedingung der »organischen Einheitlichkeit«, die er schließlich anführte, erfüllt heute bei weitem nicht mehr die strenger gewordenen Anforderungen und sieht sich einer heftigen Kritik aus den Reihen der Analytischen Philosophie ausgesetzt. Grundsätzlich ist Kritik an solchen Bemühungen, Kunst als Allgemeinbegriff zu halten, nicht unberechtigt. Es ist allerdings, so viel sei vorweggenommen, auch analytischen Philosophinnen nicht gelungen, überzeugende Alternativen zu formulieren. Hinzu kommt, dass in der Kunst der Moderne die Experimente der Künstlerinnen die strittigen Fälle signifikant erhöhten. Es türmen sich angesichts des dynamischen Wandels der Kunstwerke – neben der Sinnfrage eines solchen Unternehmens – schier unüberwindliche Schwierigkeiten auf, Kriterien zu finden, die uns

455

Was ist Kunst

den Kunstwerkstatus der Stufenpyramide von Sakkara, von Leonardos Mona Lisa, Bachs Weihnachtsoratorium, Dantes Göttlicher Komödie, Duchamps Flaschentrockner, des Steinwurfs von FLATZ und der Müllbücher von Daniel Knorr bei der documenta 14 in Athen erklären. Trotz solcher Vorbehalte geben manche Philosophinnen die Hoffnung nicht auf, über irgendeine Form von gemeinsamen Kennzeichen den Kunstbegriff zu retten. Jene, die die Einwände ernst nehmen, versuchen es mit einem möglichst offenen Kunstbegriff. Aus diesem Grund wurde etwa von Morris Weitz und Walter Price Gallie der Vorschlag eines open concept unterbreitet. Der so gewonnene Begriff soll weder leer noch sinnlos sein. Zwar sei die Identifikation einer kunstspezifischen Eigenschaft unmöglich, aber es ließen sich bei den verschiedenen Kunstwerken immerhin Ähnlichkeiten festmachen. Weitz versucht, zwischen Kunstwerken eine sogenannte Familienähnlichkeit zu begründen, die ein open concept für die Kunst ermöglichen sollte. Damit setzte er auf eine Idee Wittgensteins. Wittgenstein versuchte mit dem Begriff der Familienähnlichkeit zu erklären, warum wir ein und dasselbe Wort zur Bezeichnung verschiedener Dinge verwenden, obwohl es offenbar keine Gemeinsamkeit zwischen den Dingen gibt. Unsere Alltagssprache operiert, anders als in den empirischen Wissenschaften, wo Begriffe auf der Grundlage gemeinsamer Merkmale bestimmt werden, mit (unvollständigen) Ähnlichkeiten. Wittgenstein demonstriert das beispielsweise am Begriff des Spiels in seiner vielfachen Bedeutung, vom Kartenspiel, Brettspiel bis zum Kampfspiel. Man wird niemals Begriffe finden, deren Bedeutung exakt allen gemeinsam ist, wohl aber Ähnlichkeiten: »Wie gesagt: denk nicht, sondern schau! […] Und das Ergebnis dieser Betrachtung lautet nun: Wir sehen ein kompliziertes Netz von Ähnlichkeiten, die einander übergreifen und kreuzen. […] Ich kann diese Ähnlichkeiten nicht besser charakterisieren als durch das Wort ›Familienähnlichkeiten‹; denn so übergreifen und kreuzen sich die verschiedenen Ähnlichkeiten, die zwischen den Gliedern einer Familie bestehen: […].« Wirklich erfolgreich ist dieses Argument freilich nicht. Es lässt sich mit vielen Gegenbeispielen widerlegen, vor allem im Kernbereich der Kunst, in der mimetischen Kunst. Zwar gibt es eine Familienähnlichkeit zwischen dem Gemalten und dem natürlichen Gegenstand, aber der natürliche Gegenstand ist eben nicht Kunst. Andersherum offenbart sich die Schwäche des Vorschlags, weil es kaum denkbar ist, dass sich nicht für jeden Gegenstand irgendein Gesichtspunkt ausfindig machen lässt, in dem sich nicht auch eine Ähnlichkeit mit irgendeinem anderen Gegenstand auf der Welt konstruieren ließe. Die diversen Anläufe, im Sinne von Wittgensteins Vorschlag Ähnlichkeiten von Kunstwerken feststellen zu wollen, führen in bodenlose Abgründe, weshalb das an dieser Stelle nicht vertieft, sondern nur mit einigen wenigen Bemerkungen die Richtung der Argumentation aufgezeigt werden soll. Das Grundproblem dabei ist, dass Ähnlichkeiten sich auf ein Referenzobjekt beziehen müssen. Aber genau das, ein Kunstwerk, kann gemäß dieser Theorie nur durch Angabe einer Familienähnlichkeit bestimmt werden. Während Weitz die Frage, in wie vielen Phänomenen eine Ähnlichkeit vorliegen muss, um einen Kunstbegriff zu rechtfertigen, an Experten delegierte und da-

IX.3.9.5./IX.3.9.8.

Wittgenstein 1953, 57/§66f

456

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

IX.3.9.5. IX.3.9.8.

Kambartel 1991, 20f/22

Bertram 2005, 103

1.3.

mit einen ersten Schritt zur Institutionentheorie der Kunst formulierte, die andere, vor allem George Dickie, weiter entwickelten, versuchte Gallie solche Kennzeichen zu identifizieren. In der zeitgenössischen Diskussion wird dieser Streit gewöhnlich überschrieben als Auseinandersetzung zwischen Essentialisten und kunstästhetischen Skeptikern. Das ist grob und lässt die Tatsache unscharf werden, dass sich auch unter den sogenannten Essentialisten analytische Sprachphilosophen befinden. Die Kritik an der Familienähnlichkeits-These für die Kunst kam nicht nur von Seiten jener, die diese für wenig hilfreich erachteten, sondern auch von Vertretern, die unverdrossen auf ein aller Kunst gemeinsames Kennzeichen setzten. Maurice Mandelbaum etwa postulierte als Kriterium eine relationale Eigenschaft, die dann allerdings eher schmal ausfiel und darauf hinauslief, dass jemand (eine Künstlerin) ein Werk für ein mögliches Publikum schafft. Friedrich Kambartel knüpft an anderer Stelle bei Wittgenstein an. Er hält weniger von einer positiven Kennzeichnung von Kunst, sondern versucht den Kunstbegriff durch ein semantisches Urteil zu retten. Mit anderen Worten: Die Frage nach der Kunst soll durch eine Rekonstruktion der Alltagssprache ersetzt werden. Auf die Frage nach dem spezifischen Wert all dessen, was als Kunst bezeichnet wird – etwa im Unterschied zu dem, was als Wissenschaft bezeichnet wird –, antwortet Kambartel mit Verweis auf die Kunstpraxis. Nach Kambartel setzt das Meisterwerk den Maßstab aus sich selbst, ein allgemeines, benennbares Kriterium gibt es nicht. Damit gibt es auch keine Möglichkeit einer Philosophie der Kunst, wenn sie nicht auf der Ebene der Rekonstruktion des Sprechens bleibt. »Wir können so die Unterschiede zwischen den Meisterwerken und den bloß kunstgerecht hergestellten Produkten beschreiben; aber kein Kriterium (für alle anderen Fälle) daraus machen.« Unsere ästhetische Einstellung lässt uns Kunstwerke als einzigartig, großartig oder auch als schön beschreiben, aber die Frage nach dem Warum solcher Urteile ist nicht begründungsorientiert zu lösen. Wir erfahren allenfalls, »was das Einzigartige ist, nicht ›warum‹ es dies ist […]« Man mag dieser Position positiv zubilligen, dass sie der Kunstpraxis einen Sitz im Leben gibt, aber auch hier geht es um die Grundüberzeugung, dass man in nominalistischer Ambition jede Allgemeinheitsaussage hintanhält. Georg W. Bertram wagt sich an ein inhaltliches Kriterium, nämlich »dass Literatur, Musik und andere Künste nur dadurch Künste sind, dass sie Verfahrensweisen miteinander teilen und dass ihre Medien zusammenhängen.« Eine solche Verfahrensweise wäre der Rhythmus, den es sowohl in der Literatur als auch in der Musik und Architektur braucht. Das ist letztlich eine Anleihe an der alten Harmonielehre, die hier eine große Klammer der Einheit der Künste bildet. Ob das überzeugt, mag fraglich erscheinen, wenn man bedenkt, dass Rhythmus und Harmonie auch in der Physik ein wichtiges Kriterium ist. Reinold Schmücker versucht, Ordnung durch Schärfung der Terminologie in die verworrene Situation zu bringen. Er nennt den Kunstbegriff extensional-exemplarisch und unterscheidet ihn von intensional-kriterialen Begriffen. Die Meinung, die Cheops-Pyramide sei (keine) Kunst, lässt sich zwar begründen und kritisieren, aber

457

Was ist Kunst

niemals widerlegen. Anders gesagt: »Der Kunstbegriff ist immanent urteilsbezogen; Art- und Gattungsbegriffe sind immanent eigenschaftsbezogen.« Als Fazit kann man festhalten, dass sich der Kunstbegriff weder (in essentialistischer Manier) durch die Definition dessen, was Kunst schlechthin ist, noch (in nominalistischer Manier) durch Aufzählung sämtlicher Kunstwerke eingrenzen lässt. Eine Konsequenz aus diesem Ergebnis ist, dass es damit auch keine endgültige Antwort auf die Frage geben kann, was Kunst sei. Letztlich wird man zur Kenntnis nehmen müssen, dass der Kunstbegriff kein Gattungs- oder Artbegriff im üblichen Sinn ist, woraus Reinold Schmücker den Schluss zieht: »Wo sich die Kunstästhetik darauf verlegt, der Verwendung des Kunstbegriffs aus eigenem Recht Grenzen zu setzen, mißachtet sie deshalb sträflich ihre eigene Grenze. […] Ziel der Kunstästhetik ist demnach weder das Identifizieren noch das Evaluieren von Kunst, sondern das Begreifen und Erklären ihrer eigentümlichen Natur.« Die Diskussion um den Essentialismusverdacht des Kunstbegriffs bleibt ähnlich akademisch, wie wir es beim Vorwurf des Gebrauchs des Ästhetikbegriffs in Antike und Mittelalter erlebten. Der Hinweis auf die Problematik des Allgemeinbegriffs Kunst (die es übrigens auch für unzählige andere umstandslos benützte Allgemeinbegriffe gibt) ist zwar wichtig, aber das darf nicht so weit gehen, einen alltagstauglichen Kommunikationsverlauf zu blockieren. Fruchtbarer scheint es zu sein, über die Eigenheiten und Probleme der Kunst zu reden.

Schmücker 1998, 136

Ebd., 76f

2.2. Kunst – Nachahmung oder Ausdruck Offenbar erzählte man sich im Venedig der Renaissance die Geschichte, dass die (inzwischen verlorenen) Skulpturen von Adam und Eva, die der Bildhauer Tullio Lombardo angefertigt hatte, vom Grab des Dogen Andrea Vendramin in der Servitenkirche (heute in Santi Giovanni e Paolo rekonstruiert) entfernt werden mussten, weil sie die Gläubigen wegen ihrer naturgetreuen sinnlichen Nacktheit zu sehr ablenkten. Die Geschichte verweist auf die gängigste Deutung der Kunst: Kunst sei Nachahmung der Natur. Die Anekdote von Zeuxis und Parrhasios gehört zum paradigmatischen Urbild der Kunst. Spätestens mit Aristoteles kann man zwischen einer Mimesis von Gegenständen und einer solchen von Handlungen unterscheiden. Der genaue Blick auf die Kunst, wie er in den historischen Kapiteln betrieben wurde, zeigt aber, dass die Nachahmung von Anfang an einen Mehrwert gegenüber einer reinen Mimesis hatte. Denn: »Die Vorstellung, daß Bilder die reale Welt gleichsam naturgetreu abbilden sollen oder können, wäre freilich naiv.« Das umkreist die mächtigste Frage in diesem Zusammenhang, jene nach Wurzeln und Funktion der Kunst. Waren die frühesten künstlerischen Äußerungen der Menschheit bloße Abbildungen der Natur oder Ausdruck von irgendetwas, sei es der Niederschlag einer Magie oder Zeichen eines intensiven Erlebens von Weltbildern? Die Kunst begann mit ersten objets trouvés, die von Vorläufern des homo sapiens gesammelt wurden, und gleichzeitig mit der Ornamentierung von Stein- und Knochenwerkzeugen. Das deutet darauf hin, dass anfangs auch abstrahierende Akte im Spiel waren. Die Menschen der Steinzeit schienen im Gleichklang ihrer durch

III.2.5.4. III.2.4.3.3.3.

Wuketits 2009, 23

I.2.0.

458

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

I.3.2.

Giedion 1964, 2 Gadamer 1974, 120 673 Kunst ohne Betrachter! Grab des Sennefer (18. Dyn.); Theben West

Saw 1972, 106

VI.4.1.2.

Baudelaire, zit. nach Pochat 1986, 558 VIII.3.1.2.

Wyss 1993a, 9

die Evolution verliehenen Möglichkeiten Erscheinungen der Natur mit Deutungen überlagert zu haben. Es gibt eben, wie Nelson Goodman das ausdrückte, kein unschuldiges Auge. Es gibt demnach gute Gründe anzunehmen, dass Kunst von Anfang an nicht nur starre Verdoppelung der Welt war, ebenso wenig wie reine spielerische Behübschung, denn gerade die aufwendigste und anspruchsvollste Kunst verbarg sich im Dunkel der Sanktuare: »The statues […] were placed in eternal darkness or in inaccessible locations.« Insofern hat Hans Georg Gadamer richtig gesehen, dass bloße Mimesis kaum je im Vordergrund bedeutender Kunst stand: »Es ist sicherlich niemals das Wesen eines großen Kunstwerkes gewesen, daß es der ›Natur‹ voll und getreu zum Abbild, zum Konterfei verhalf.« Parrhasios und Zeuxis taugen daher mehr für einen Jahrmarkt-Wettbewerb als zur Demonstration einer hohen Qualität von Kunst. Einen solchen Wettbewerb akrobatischer Fertigkeiten gab es auch in der Musik. Musiker wie Antonio Lolli, Biago Marini oder Nicolò Paganini ließen sich als virtuose Zauberer auf ihren Instrumenten in ganz Europa feiern, ein Unternehmen, das bereits bei den Zeitgenossen umstritten war. Das virtuose Ausreizen der Möglichkeiten der Violine stand gegen den Auftrag der Musik, die Menschen zu berühren. Schon ganz grundsätzlich dürfte der menschlichen Kreativität geschuldet sein, dass der Versuch, Kunst als bloße Mimesis zu erklären, nicht befriedigt. Ruth Saw hat die Sache originell in eine rhetorische Frage gekleidet: »If art is imitation, why is it worth doing?« Kunst müsste zumindest eine »imitation of appearances« sein, damit ihr ein Wert zukommt. Sie griff damit eine Stimmung auf, aus der häufig gegen den Zwang zur Naturnachahmung polemisiert wurde. Nicht selten zitierte man dafür den Affen, zu dem der sich rigoros an der Natur orientierende Künstler degradiert wird. Baudelaire schrieb in der Salonbesprechung von 1846: »Die Natur ist nichts als ein großes Lexikon – jene Maler, die ihrem Einbildungsvermögen folgen, suchen in diesem Wörterbuch jene Elemente heraus, die ihrer Vorstellung entsprechen […] Jene, die keine Phantasie haben, kopieren nur das Lexikon. Daraus entsteht eine sehr große Sünde, nämlich die der Banalität.« Ebenso war das »geistlose Nachzeichnen und Nachpinseln« ein heftig diskutiertes Thema am Anfang der Fotografie. Es wäre daher entschieden zu kurz gegriffen, wenn man meint, Ästhetik habe der Kunst das Ziel vorgeschrieben, »möglichst täuschend Natur wiederzugeben, indem sie gleichzeitig deren real existierende Mängel im schönen Schein aufhob.« Man kann die Sache allenfalls sanieren, indem man der Natur einen weiten Begriffsumfang zubilligt: »Mit ›Natur‹ meine ich den Inbegriff für die allgemeine Weltanschauung einer Zeit – buchstäblich aufgefaßt: die Art und Weise, wie die Welt zeitgenössisch angeschaut wird. Die Natur ist alles, was für eine bestimmte Zeit der Fall zu sein scheint.« Das lange Ringen um die Naturnachahmung, der Streit um Regel und Regellosigkeit sind dafür beredte Beispiele – ausgetragen unter der Überschrift der Geniediskussion. Das Ringen um das Genie war eine Spezialität des Westens und

459

Was ist Kunst

es war ein Kapitel der Aufklärung. Blieb der Künstler im arabischen Orient unter Plagiatsverdacht und im byzantinischen Osten dem göttlichen Auftrag unterworfen, wurde er im Westen sukzessive zum Demiurgen hochgerüstet, der – anfangs freilich durch die Vorgabe göttlicher Harmonieordnung entmächtigt – die Realität veredelte. Grundsätzlich war also auch im Westen das Genie durch die Harmonie mittels göttlicher Inspiration gelenkt, welche vorgegebene Ordnung schließlich (gegen den vermeintlichen Wildwuchs der Regellosigkeit) zum klassizistischen Code profaniert wurde. Über Aufklärung und Humanismus rang sich das Genie schließlich zur Selbstermächtigung durch. Aus dieser Gemengelage wird verständlich, dass die Unterscheidung zwischen Mimesis und Ausdruck schließlich dafür taugte, um Kunst von Alltagstätigkeit – und sei sie noch so gekonnt – abzugrenzen. Nur mit dieser Relativierung der Homologie sind auch die Abweichungen vom Naturvorbild etwa in der byzantinischen, romanischen und islamischen Kunst verständlich zu machen. Man muss darin eine ausdrückliche Absicht vermuten und nicht ein Unvermögen der Künstler. Schwierig in die Nachahmungstheorie zu integrieren waren naturgemäß Künste wie Architektur, Literatur und Musik. Allerdings spielt auch in diesen Künsten die Mimesis eine nicht zu unterschätzende Rolle. Nach Henry Wotton ist jede Architektur geprägt von Klima und der jeweiligen Region. Der klassische Regelkodex sah in der Architektur eine Naturnachahmung, sei es die Baum- und Waldmetaphorik in ägyptischen Säulenhallen oder gotischen Kathedralen, sei es allgemeiner, dass man wie Richard Lethaby die Gebäude als kosmische Symbolsysteme interpretiert. Dass spätestens mit dem legendären Krebspanzer, den Le Corbusier auf Long Island fand, eine Architektur biomorpher Formen anhob, wurde bereits ausführlich dargestellt. Die aktuellste Form der Naturnachahmung in der Architektur ist die Nachahmung des algorithmischen Bauplans. In Theater und Literatur gibt es die Natur und die menschliche Handlungen abbildenden Darstellungen und Schilderungen. In der Musik bildet die Programmmusik (darstellende Musik) die Natur ab. Man hört das Zwitschern der Vögel, das Rauschen des Baches, Kanonendonner und das Summen der Hummel im Flug. Als man im 17. Jh. aus der Fidel die Violine entwickelte, liebte man am neuen Instrument, dass es die menschliche Stimme und andere Musikinstrumente nachahmen konnte. Marco Uccelini ahmte mit seiner Geige gerne die Trompete nach. Manchmal erschließt sich der nachahmende Effekt erst aus der Interpretation. Bei Vivaldis Vier Jahreszeiten ist das auf den Compact Discs als Nr. 11 ausgeschilderte Largo bei einer meiner Aufnahmen eine getragene Weise mit einer Spieldauer von 2’20’’. Erst seit der Interpretation durch die Gruppe Il Giardino Armonico hört man 1’47’’ lang das Hufgetrappel einer winterlichen Schlittenfahrt. Janine Jansen hat es mit dem Largo (das als Vortragsbezeichnung nicht unbedingt langsam, sondern akzentuiert meint) noch eiliger und benötigt für die kurze Reise nur 1’32’’. Schwieriger wird es, wenn man auf gegenstandslose Kunst trifft oder auf Gegenstände außerhalb der Kunst blickt, die Anspruch auf ästhetische Wahrnehmung haben: Landschaft, Gerüche, Prozesse. Hier hilft die Nachahmungstheorie nur sehr

VII.4.2.4.3.1.

VIII.3.2.3.2.3. IX.2.3.5. IX.6.1.2.

460

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

VIII.9.2.1.

bedingt weiter. Auch das ist freilich eine Erfahrung, die man in der Kunstgeschichte schon öfters machte, etwa bei den damals neuen Sujets des Realismus im 19. Jh. Im Kapitel V.3.3.1. stellte ich die These Alexandre Papadopoulos’ vor, der in der islamischen Ästhetik einen dargestellten – in unserer Terminologie mimetischen – und autonomen – in unserer Terminologie expressiven – Anteil der Kunst unterschied und damit elegant diese beiden Aspekte einer jeden Kunst in Beziehung setzte.

2.2.1. Mimesis als Produktion

Goodman 1968, 19

Salmann 1994, 210

Baumeister 2012, 53

Goodman 1968, 44 IX.3.9.4. Neumaier 1999, 235

Seit es Kunst gibt, stand sie in der Spannung von Mimesis und Ausdruck. Diese Spannung gehört zu den Konstanten der Kulturgeschichte. Mimesis und Ausdruck bilden allerdings keinen unvermittelbaren Gegensatz, sondern der Ausdrucksaspekt wächst aus der Mimesis heraus. Denn wie für jede kulturelle Erzählung bildet die Natur auch für die Kunst den Ausgangspunkt. Jede Nachahmung setzt im Sinne der Überhöhung der Natur zugleich eine kreative Erfindung in Gang. Denn in der Tat gibt es kein unschuldiges Auge, »[…] es ist immer ein Auge, das von seiner eigenen Vergangenheit und von alten wie neuen Einflüsterungen des Ohrs, der Nase, der Zunge, der Finger, des Herzens und des Gehirns beherrscht wird. Es agiert […] als pflichtbewußtes Glied in einem komplexen und unberechenbaren Organismus. […] Es wählt aus, weist ab, organisiert, unterscheidet, assoziiert, klassifiziert, analysiert, konstruiert.« Mimesis ist kein seelenloses Kopieren, sondern stets ein Konstruieren, eine Produktion, bei der die Naturvorgabe mit Bedeutungen aufgeladen wird. Kunst ist das Labor der Entstehung kultureller Erzählungen, und beides, Kunst und kulturelle Erzählung, sind eine »Gestaltwerdung von Weltperspektiven, wobei sie der Differenz von Dargestelltem und Darstellung inne sind und genau diese vor-stellen, sich selbst als Bild und Vorstellung also noch einmal durchstreichen oder wenigstens relativieren.« Künstlerische Darstellungen haben daher stets den »Mehrwert« der Bedeutung neben dem (dann unter Umständen schematisch und zeichenhaft gewordenen) Naturvorbild. Man kann dies im Hinblick auf die Unterscheidbarkeit der Künste bei einem Bild, einer Skulptur, einer Kathedrale oder bei Musik und Tanz durchspielen, die alle – mit mehr oder weniger mimetischem Anteil – einen expressiven Aspekt haben. Mimesis ist daher immer zu sehen in der kreativen Spannung zwischen der Fertigkeit des Kopierens und dem Kommunizieren dessen, was man als typisch und wesentlich auswählt. Sie impliziert »Abstraktion und Selektion, die Wahl eines bestimmten Gesichtspunktes […].« Mit einer solchen Faktenlage sind wir nun unversehens ganz woanders, als es die übliche Wahrnehmung der Kunst suggeriert. Es geht jetzt plötzlich darum, den Mimesisbegriff retten zu müssen. Die erfolgreichste Strategie dazu mag sein, ihn im Sinne des oben Gesagten mit Nelson Goodman zu einem Konstruktionsbegriff umzudeuten: »Daß die Natur die Kunst nachahme, ist eine allzu furchtsame Redeweise. Die Natur ist ein Produkt der Kunst und der Sprache.« Mimesis sei demnach nichts weniger als die »Produktion einer symbolischen Welt.« Wie Otto Neumaier

461

Was ist Kunst

geht auch Rüdiger Bubner beim Werkbegriff von Aristoteles aus, wonach das Werk eine zweite, die Natur nachahmende Wirklichkeit sei. Beide haben alle Hände voll zu tun, um den Mimesisbegriff des Aristoteles reicher zu fassen. Dabei kommt Bubner rasch auf ein anderes Paradigma der Kunsttheorie: »Diese ontologische Vorentscheidung steht am Beginn der aristotelischen Poetik und beherrscht von da an die europäische Tradition der Ästhetik. An die Vorstellung einer gemachten Wirklichkeit vermag die christliche Schöpfungstheologie anzuschließen, der schon in der Patristik die Auffassung von Gott als oberstem artifex geläufig war. Die Umkehrung in der Lehre von der Gottebenbildlichkeit des Menschen etwa seit Augustin schafft dann die Voraussetzung eines neuen Kunstverständnisses. Das Werk des Künstlers ist nicht mehr bloß nachgeahmte Natur, sondern stellt eine Weltschöpfung im kleinen dar.« Bubners Verweis auf das Löffelschnitzer-Gleichnis von Cusanus hätte ihn eigentlich in die Nähe Platons bringen können, der den Aspekt des artifex in Gestalt des Demiurgen ausdrücklich formulierte. Gerade angesichts der zentralen Frage einer produktiven Mimesisdeutung zeigt sich die Fruchtbarkeit des Paradigmas Platons mit dem generativen Aspekt des »demiurgischen Projekts«. Grundsätzlich ist diese Dehnung des Mimesisbegriffs eine Möglichkeit, damit umzugehen. Diese Theorie hat ihre Stärken im Blick auf den Beginn der Kunst, auf das, was Kunst treibende Menschen gleichsam automatisch schaffen. Ein anderer, diese Theorie ergänzender Zugang wäre, den Begriff der Mimesis für die kopierende Nachahmung zu reservieren und die Produktion einer symbolischen Welt der Kunst zuzuschreiben, insofern man sie als kulturelle Erzählung ansieht. Denn die oben erwähnte Geringschätzung einer mimetischen Kunst bei vielen Künstlern und Philosophen quer durch die Geschichte spiegelt die Ablehnung jedes Kopierens als reine »Handarbeit«, die Geringschätzung des (geistlosen) Materials und sie unterstützt vice versa die Tendenz zu einem mentalistischen Kunstkonzept. »The work done with the hands is the non-essential, what is done in the imagination is what really matters.« So gesehen könnte man die Mimesis eventuell als Abgrenzungskriterium der Kunst von anderen menschlichen Hervorbringungen einsetzen. »Mimetische Kunst verschafft uns eine Wiederbegegnung mit dem, was wir eigentlich schon kennen, aber so nie sahen.« Beschreibt die These der Mimesis als Produktion einer symbolischen Welt das faktische Funktionieren künstlerischer Tätigkeit, ergänzen die kulturellen Erzählungen die (negative) Bewertung rein mimetischer Kunst. Dieser Hinweis soll an dieser Stelle nicht weiter entfaltet werden, nämlich dahingehend, wie der zweite Blickwinkel vom ersten abhängt, inwieweit also diese kulturellen Erzählungen aus der anfänglichen faktischen Kunsttätigkeit entstanden sind. Wie im letzten Kapitel bereits in Erinnerung gerufen, lässt sich die ganze Frage nach der künstlerischen Mimesis nicht vollständig abbilden, ohne dass man die Rolle des Künstlers berücksichtigt. Jede Natur bricht sich im Subjekt wie dies Parmigianino in seinem Selbstporträt 1523 so genial vorgeführt hat. Steht dieser Künstler im Geheiß einer höheren Macht oder produziert er aus eigenem Antrieb und als origineller Entwerfer? Die Geniefrage erscheint so einerseits als Spielart der Behandlung

III.2.4.3.3.3.

Bubner 1989, 32

III.2.4.3.2.5.

Saw 1972, 144

Bubner 1989, 124

VI.8.1.

462

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

des Verhältnisses von Natur und Kultur, andererseits als Variante der Ambivalenz von religiöser und profaner Deutung von Mimesis und Ausdruck.

2.2.2. Mimesis und Repräsentation

VI.5.3. Boehm 1994, 337f

674 Der ideale Herrscher: Berruguete, Federico III. da Montefeltro (1477); GNM

In den letzten Kapiteln wurde die Paarung Mimesis und Ausdruck behandelt und die Verbindung beider Aspekte auszuloten versucht. Um die Differenz abzumildern, neigen Kunstphilosophinnen dazu, die Mimesis zur Produktion von Symbolsystemen hochzurüsten. Eine andere Strategie ist es, sie als Nachahmung im engeren Sinn eines bloßen Kopierens von der Repräsentation zu unterscheiden. Bei der Nachahmung ähneln sich Abbild und Abgebildetes (nicht unbedingt nur materiell, es kann sich auch um topologische oder strukturelle Ähnlichkeit handeln), bei der Repräsentation geht es um eine Vergegenwärtigung von etwas im Bild. Die Unterscheidung basiert auf der Einsicht, dass letztlich eine strenge Nachahmung schon daran scheitert, dass ein dreidimensionaler Gegenstand nie exakt auf einer zweidimensionalen Leinwand abbildbar ist. Bereits aus dieser physikalischen Zwangsläufigkeit erschließt sich die Deutung der von der Künstlerin konstruierten Perspektive als Symbolsystem. Das führt konsequent in die scheinbar widersprüchliche Situation, dass man, um mimetisch zu malen, nicht-mimetisch malen muss, dass man also für die perspektivische Illusion Falschheit in Kauf nimmt. Bei aller scheinbar mimetischen Ähnlichkeit mit dem Abgebildeten ist grundsätzlich nur eine Repräsentation, aber keine exakte Nachahmung möglich. Der Kunsttheoretiker des 19. Jh.s, Quatremère de Quincy, gab in seinem Essai sur la Nature, le But et les Moyens de l’Imitation dans les Beaux-Arts (1823) eine für einen Klassizisten ausgewogene Beurteilung der Nachahmung ab: Im Sinne Ciceros, bei dem er ein einschlägiges Zitat dazu fand, gehe es nicht um die strenge Nachahmung der Sachen, sondern um die Ähnlichkeit damit. In der kunstphilosophischen Literatur tut sich hier ein weites Feld von Untersuchungen auf. Denn man kann über zahlreiche Zwischenstufen bei der Repräsentation zwischen totaler Ähnlichkeit und reiner Zeichenhaftigkeit changieren. Beispiele dazu wären auf der einen Seite die Trompe-l’œil-Malerei, auf der anderen Seite die Üblichkeit, Heilige durch einen Heiligenschein oder den Evangelisten Markus durch einen Löwen zu kennzeichnen. Die Pointe der Debatte um die Repräsentation, die ja – in strengem Sinn – eine Verfälschung der Vorlage verlangt, mündet letztlich in jene um die Mimesis als Produktion. Künstler bilden Objekte nicht einfach nur ab, sie stellen sie her, indem sie sie zwangsläufig interpretieren. Nelson Goodman unterscheidet Denotation und Repräsentation (beide Ausdrücke kann man mit Zeigen übersetzen) in der Weise, dass ein Bild zwar ein Einhorn zeigen kann, damit ein Einhorn-Bild im Sinne einer Repräsentation ist, aber naturgemäß kein reales Einhorn denotiert, weil es Einhörner nicht gibt. Seiner Meinung nach denotieren die meisten Bilder nichts bzw. tragen unbestimmte, für uns nicht nachprüfbare Denotationen. Besonders deutlich wird das Auseinanderfallen von Denotation und Repräsentation, wenn man bei einem Bild die Frage stellt, als was zum Beispiel ein denotierter Mensch repräsentiert wird. Pedro Berruguete hat

463

Was ist Kunst

Herzog Federico da Montefeltro von Urbino als Idealfigur eines Renaissance-Fürsten gemalt und Christus wurde als Auferstandener, als Geschundener, als Kyniker und Christkönig und in vielen anderen Weisen repräsentiert. Aus der konstruktivistischen Schlagseite einer solchen Sicht ergibt sich die Folgerung, dass ein Realismus nichts anderes ist als eine Verwechslung der Repräsentation mit dem Repräsentierten. »Täuschung ist weniger ein Maßstab für Realismus als vielmehr ein Beweis für magische Fähigkeiten; sie ist ein höchst untypisches Mißgeschick.« So gesehen ist Repräsentation eine Beziehung auf der Ebene des Symbolischen, »die relativ und variabel ist.« Der Schritt von der kopierenden Nachahmung zur Repräsentation wäre damit bereits ein Schritt in Richtung Ausdruck. Denn die Konstruktion der Wirklichkeit bedeutet eine bestimmte Sichtweise dieser. Ein eigenes Register der Repräsentationsfrage eröffnet die Fotografie. Hier kommt zu einem vermeintlich statischen Bild ein temporaler Effekt. Das geht so weit, dass Roland Barthes die »Zeugenschaft« der Fotografie (also wenn man will: die Repräsentation) nicht im Objekt, sondern in der Zeit sieht. Denn in diesem Fall bestätigt das Bild, »dass die Abgebildeten im kurzen Augenblick der Aufnahme existiert haben.« Solche Sichtungen öffnen eine Reihe von Themenfeldern, mit denen die Theorie der Fotografie umgeht. Am Beispiel Sigfried Karacauers lassen sich diese Themenfelder abzählen: »Kracauer ist wohl einer der Ersten, die Abbildung und Vernichtung, Dauer und Verschwinden als gleichzeitige Bestandteile der Fotografie zusammengedacht haben.« Die Frage der Repräsentation spitzt sich noch weiter in der Aktionskunst und der ungegenständliche Kunst zu: »Repräsentierende Malerei und präsentierende Performance besitzen offensichtlich völlig unterschiedliche Eigenschaften, aber dennoch durchziehen beide ähnliche ideologische, theoretische und ästhetische Strömungen.« Letztlich lässt sich Aktionskunst ähnlich interpretieren wie Multiplikatkünste. Mit Blick auf die abstrakte Kunst der Moderne sieht Clement Greenberg die Eigenständigkeit der Malerei in Flächigkeit und Zweidimensionalität, also im Verzicht auf jede Raumillusion. Der Raum gehört seiner Meinung nach zur Skulptur. »Um ihre Autonomie zu gewinnen, mußte sich die Malerei vordringlich all dessen entledigen, was sie mit der Skulptur gemeinsam hat; und in diesem Bestreben […] wurde die Malerei abstrakt.« Nach Greenberg gibt es diese Entwicklung seit der Renaissance. Sie zeigt sich überall dort, wo auf die Farbe (also das colorire) gesetzt wurde. In der Moderne verlagere sich die Paarung von Zeichnung und Farbe zu jener von rein optischer Erfahrung und einer »von taktilen Assoziationen überlagerten oder modifizierten optischen Erfahrung. Als die Impressionisten das Schattieren und Modellieren und alles andere in Frage stellten, was in der Malerei an das Skulpturale erinnerte, geschah dies nicht im Namen der Farbe, sondern im Namen der rein und ausschließlich optischen Erfahrung.«/»Der erste Pinselstrich auf einer Leinwand zerstört bereits deren faktische vollständige Flächigkeit, und selbst aus den Pinselstrichen eines Künstlers wie Mondrian entsteht immer noch eine gewisse Illusion, die eine Art dritter Dimension suggeriert. Nur handelt es sich jetzt um eine strikt bildliche, strikt optische dritte Dimension.« Die Tendenz der Nachkriegskunst des

VI.3.3.

Goodman 1968, 46/53

IX.4.4.2. Barthes 1980, 93

Geimer 2009, 129

O’Reilly 2012, 15

Greenberg 1960, 270

Ebd., 271/273

464

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

IX.5.2.2.

2.5.

Bertram 2005, 180

675 Sveti Dorde – Vorbild für Böcklins Toteninsel?

Lyas 1997, 43/45

20. Jh.s bemühte die Flächigkeit und Materialität genau in diesem Sinn. Aus dieser empfindlichen Sensibilität, das, was reine Malerei sein soll, von dem Skulpturalen abzurücken, möchte Greenberg zudem den Repräsentationscharakter einer selbstreferentiellen Kunst zurückschrauben. Falls man, jenseits solcher spezieller Überlegungen, den Bemühungen der meisten Philosophinnen folgt und einen konstruktiven Mehrwert bei jeder Mimesis annimmt, sind Mimesis und Expression keine sich ausschließenden Alternativen, sondern nur die verschiedene Betonung einer kulturellen Erzählung, die stets beide Pole besitzt. Jede Nachahmung ist bereits eine Erzählung, die selbst wiederum neue Erzählungen generiert. Sieht der Repräsentationalismus in der Kunst einen Widerschein der Außenwelt, begreift der Expressivismus Kunst am Koordinatensystem der inneren Welt der Gefühle und Emotionen. Kunst schafft eigene Formwelten. »Beide haben denselben Gegenstand: Formen und Strukturen der äußeren Welt.« Arnold Böcklins Toteninsel (urspr. fünf Versionen) könnte ein reales Vorbild haben (vielleicht Sveti Dorde in der Bucht von Kotor oder doch Castello Aragonese auf Ischia?), zeigt uns also eine bekannte Realität in pointierter Weise und ist gleichzeitig ein Bild höchster Ausdrucksgestalt. Selbstverständlich wendet sich zwischen Repräsentation und Ausdruck gleichsam der Referenzpunkt. Wo es hingegen zweifellos Unterschiede gibt, ist die Belegung der Expression mit religiösen, mystischen oder schlicht profanen Inhalten.

2.2.3. Religiöse und profane Expression Angesichts von Ready-Made, Performances, Happenings und anderen Kunstformen der Moderne, die den Werkbegriff unterminieren, gilt weitherum die Gleichung von Kunst gleich Mimesis als gescheitert – immer gedacht als Globaltheorie zur Erklärung von Kunst. Diese Tatsache bewirkt, dass der Aspekt der Expression in der theoretischen Betrachtung von Kunst gegenüber dem vergleichsweise unfruchtbaren Blick auf die Mimesis in den Vordergrund rückt. Bei der Expressionstheorie lässt sich auf der in den vergangenen Kapiteln beschriebenen zwangsläufigen Doppelcodierung jedes Kunstwerks aufbauen. Wir sehen in einer Landschaftsszene eben eine Landschaft und nicht bloß Formen und Farben auf einer Leinwand. Die Frage ist also: »How is it that pigment on a two dimensional surface can be seen as a horse or a dog?« Oder anders ausgedrückt: Ich höre niemals nur ein Trommeln, sondern ein ärgerliches Trommeln. »I am required to go beyond a substratum to what is signified in it.« Unter diesen Umständen ist die Expression in der Ästhetikdebatte des 20. Jh.s nicht nur das bevorzugte Thema geworden, sondern nicht wenige Philosophinnen sehen darin einen theoretischen Ansatz, um Kunstwerke als solche zu erklären und sie gar zu bewerten. Wenn man sich mit der Expressionstheorie der Kunst beschäftigt, ist man mit einer langen Tradition konfrontiert, die sowohl religiös-magische als auch nicht-metaphysische Expression kennt. Die im Kontext religiöser Erzählungen auftauchende

465

Was ist Kunst

Expression einschlägiger Kunst- und Architekturwerke ist weitgehend gleichbedeutend mit dem, was in diesem Werk an vielen Orten unter dem Titel der anagogischen Funktion abgehandelt wurde. Kunstwerken kommt in solchem Kontext ein performativer Charakter zu. Sie sind dazu da, um in der Betrachterin eine Erfahrung auszulösen. Das Wesen einer solchen metaphysischen Kunst ist »in seinem Ursprung Religion, Vollzug der Religion, Ereignis der religiösen Verwandlung der profanen Wirklichkeit in den heiligen Schein […].« Der Übergang von der religiösen zur profanen Expression setzte ein Ästhetisch-Werden der Kunst voraus. Dieser erstaunlich lange Weg seit der Renaissance über den Streit um die Regelästhetik in der Neuzeit, bis zu Kant und Baumgarten, wurde im historischen Teil detailliert verfolgt. Der Durchbruch zur (profanen) Ausdruckskunst erfolgte schließlich im 19. Jh. Die Bilder der Expressionisten in der beginnenden Moderne eliminierten bewusst den Habitus einer Naturabbildung. Vielmehr sollten die Art des Sehens und die emotionalen Stimmungen zum Ausdruck gebracht werden. Kunst wurde Ausdruck fernab jeder religiösen Konnotation. Der Abstrakte Expressionismus im 20. Jh. wiederum ist ein Beispiel einer zwar immer noch mit spirituellen Gehalten spielenden, aber auf konfessionsfreie profane Richtung orientierten Expression gegenstandsloser Kunst. Anders als der Blick auf die Mimesis beinhaltet die Orientierung auf den Ausdruck eine Tendenz der Abwertung des materiellen Kunstwerks und setzt von da her den Schwerpunkt auf die Rezipientenseite. Kunst wird zum Erlebnis in der Rezipientin. In idealistischer Leseart wäre der Gegensatz von Darstellung und Ausdruck »im Begriff des Ausdrucks als Offenbarung und Selbstdarstellung des Menschen« aufgehoben. Die Nähe zum Idealismus und Mentalismus ist offensichtlich: »Das verhüllte Innere der Seele wird offenbar, das Verborgene kommt zu sinnlicher Erscheinung.« Von den prägnantesten Theoretikern der Expression, neben Leo Tolstoj vor allem Benedetto Croce und Robin G. Collingwood, war bereits die Rede. Beide einem idealistischen und mentalistischen Konzept nahestehenden Autoren machen einen Unterschied zwischen dem konzeptuellen Gedanken und der Intuition (Croce) bzw. Imagination (Collingwood), und sie sondern ästhetische Erkenntnis als selbständige Erkenntnisweise von logischer Erkenntnis ab. Dabei gibt es bei den Autoren eine Stufenfolge dieser Erkenntnis. Das grundlegende sinnliche Wahrnehmen ist mit Gefühlen und Körperreaktionen verbunden. In einem zweiten Schritt erhalten diese Emotionen in der Imagination sozusagen eine Stimme, indem man beispielsweise singt und tanzt und damit dem Glück auch körperlichen Ausdruck verleiht. Das (physische) Kunstwerk spielt dabei als Externalisierung eines geistigen Ausdrucks nur mehr eine untergeordnete Rolle. Nun ist Expression nicht einfach nur die Evokation von Emotionen durch ein Kunstwerk. Der Begriff selbst, der in der hier verwandten Bedeutung eines medialen Transports (etwas drückt etwas aus) im 18. Jh. entstand, wenngleich die gemeinte Sache älter ist und bereits an anderen Stellen wie in der Encyclopédie Diderots abgehandelt wurde, hat mehrere Bedeutungen. Sie reichen von der Anagogie als religiöse und profane Expression über die Einfühlungstheorie bis zur Zeichentheorie der

Halder 1964, 86

VIII.9.1.2.

IX.5.2.1.

Scholtz 1990, 23/22 IX.3.2.4.f.

VII.5.2.2.

466

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Anati/Anati 2015, 230

Osborne 1955, 141

Le Corbusier/Ozenfant, zit. nach HW, 282

Kunst (das Kunstwerk steht für etwas). Da man bei der Expression nicht zwischen richtig und falsch unterscheiden kann, lassen sich allenfalls deskriptiv Arten der Expression auflisten. Dies haben Kunstphilosophinnen reichlich betrieben: (1) Eine verbreitete Variante ist, dass ein Kunstwerk jenen emotionalen Zustand ausdrückt, in dem sich die Künstlerin bei der Produktion des Kunstwerkes befand: »Art is a means of expression and of communication. It reflects the language of its maker.« Noch weiter ging Harold Osborne, der das Maß an Übereinstimmung eines Kunstwerks mit dem Gefühl der Künstlerin zum Kriterium für die Schönheit dieses Kunstwerk machte: »[…] any work of art is beautiful in accordance with the adequacy with which it communicates the inner life or experience of the Artist […].« Mit einer solchen Übereinstimmung ist in die Expression sogar eine Mimesis (des emotionalen Zustands) eingeschleust. Osborne hat Recht, wenn er die Inkompatibilität einer solchen Sicht mit der Tradition der mittelalterlichen und der islamischen Kultur feststellte. In beiden Fällen ging es ausdrücklich nicht um die Kommunikation von Gefühlen des Künstlers. Außerdem räumt er ein, dass Expression weiter reicht als nur bis zur Darstellung von Gemütszuständen der Künstlerin. Nun ist der Version, ein Kunstwerk kommuniziere genau die Gefühlswelt der Künstlerin, aus verschiedenen Gründen schwer zu folgen. Es scheint nicht nur aussichtslos, dass sich der Gemütszustand der Künstlerin in der Rezeption exakt decodieren ließe, auch ist nicht gesagt, dass die Künstlerin ihren Gemütszustand für ihr Werk als zentral erachtet und nicht ein völlig anderes Interesse verfolgt als den Transport ihrer emotionalen Befindlichkeit. Es ist durchaus denkbar, dass ein Komponist aus Genugtuung über seine kreativen Einfälle in aufgeräumter Stimmung an einem Requiem arbeitet, in dem er in schwerer Moll-Tonart ein düsteres Szenario entfaltet. In welchem Gemütszustand die Künstlerinnen, Komponisten, Architektinnen waren, als sie dieses oder jenes Werk schufen, wissen wir nicht. Expression ist sicherlich kein Durchläufer von Emotionen von der Autorin bis zur Rezipientin, sondern möglicherweise sogar eine bewusst gestaltete Charakteristik eines Kunstwerks. (2) Daher gibt es die andere Ansicht, dass ein Kunstwerk eine Stimmung ausdrückt, welche von der Künstlerin intendiert wurde. Le Corbusier und Amédée Ozenfant legten in Après le Cubisme (1918) Wert darauf, dass das Kunstwerk ein künstlich geschaffener Gegenstand ist, »der es erlaubt, den Betrachter in einen vom Schöpfer des Werks bestimmten geistigen Zustand zu versetzen; […].« Vermutlich würden die meisten Musikfreunde zustimmen, dass Giuseppe Verdi in seiner Oper La Traviata die Stimmung der todkranken Violetta durch seine Musik meisterhaft auszudrücken vermochte. Wir haben in den vergangenen Kapiteln gesehen, welch enorme Wirkung von Bauten, welche die Macht eines Herrschers oder einer Institution ausdrücken, ausgeht. Der scheinbar schlichte Palazzo Pitti in Florenz entfaltet schon durch den ansteigenden Vorplatz eine geradezu einschüchternde Wirkung, was auch willfährigen Architekten totalitärer Regime nicht entgangen ist. Auf einer Skala von Stimmungen würde man demgegenüber nicht zögern, das Bundeskanzleramt in Berlin von Axel Schultes und Charlotte Frank als offenes und optimistisches Gebäude zu bezeichnen und auch so mancher Marktplatz kann fröhlich sein,

467

Was ist Kunst

wie Henry-Russel Hitchcock findet: »The Karlsruhe Marktplatz stands as one of the happiest ensembles of the early nineteenth century, happy […] even more because that first conception dated back to the most vigorous period of the architectural revolution in Germany and was not notably diluted by the more pedestrian standards of later days.« Das funktioniert selbstredend nur in einem metaphorischen Sinn, weil ein Marktplatz genauso wenig wie ein Gemälde und ein Gebäude Gefühle hat. Einer solchen, gleichsam konstruierten Expression bedienten sich vor allem religiöse Werke der bildenden Kunst und Architektur unter dem Titel Anagogie. Die These einer konstruierten Expression scheint daher die Sache nicht schlecht zu treffen und führt uns zurück zur ursprünglichen Behauptung, dass jedes Kunstwerk neben mimetischen auch expressive Aspekte hat. Damit ist selbstverständlich kein zwingender Befund verbunden. Es mag »religiös unmusikalische« (und in diesem Fall trifft diese Wendung von Jürgen Habermas genau ins Schwarze) Menschen geben, die beim Anblick eines Mandylions gar nichts empfinden. Trotzdem bleibt hier immer noch die Tatsache bestehen, dass eine Ikone eben exakt auf einen solchen Ausdruck hin gemacht ist. Sieht man sie wie ein Landschaftsbild der Renaissance, ist sie in ihrer eigentlichen Dimension verkannt. (3) Eine dritte Variante der Erklärung von Expression nimmt solche Probleme ernst und bleibt bewusst vage und allgemein. Ein Kunstwerk ist expressiv, weil es in der Rezipientin einen bestimmten emotionalen Zustand hervorruft. Das trifft sich mit dem allgemeinsten Ergebnis, dass jede Kunst »in einem nichtmetaphysischen Sinn anagogisch« ist. Dabei wird der Optimismus ausdrücklich nicht geteilt, die Gefühlslage der Autorin decodieren zu können, und es wird auch nicht davon ausgegangen, dass Autorinnen den Ausdruck beliebig konstruieren können. Diese Offenheit gegenüber der Expression entspricht dem grundsätzlichen Problem des Verstehens, dem man in der Philosophie mit der Hermeneutik zu Leibe zu rücken versucht. Heruntergebrochen auf unseren Zusammenhang setzt jede Rezeption (im weiteren Sinn: jedes Verstehen) jedenfalls eine Bereitschaft voraus, sich darauf einzulassen und das Objekt der Rezeption in seiner Eigenart (ein philosophischer Text ist anders zu rezipieren als ein Gedicht) zu würdigen. Grundsätzlich gilt, dass der mimetische Anteil umso weniger und vice versa damit der expressive Anteil umso mehr überzeugt, je mehr wir uns von der bildenden Kunst zu darstellenden Künsten

Hitchcock 1958, 22 676 / 677 Fröhliche und bedrohliche Architektur: Kanzleramt (2001) in Berlin, Palazzo Pitti (um 1450) in Florenz

678 Pantokrator; Hosios Lukas

Waibl 2004

IX.3.7.

468

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Wollheim 1968, 42

3.5.1.1.

Ebd., 63

Bell 1947, 22

wenden. Bei Theater, Oper oder beim Film ist von vorneherein klar, dass die Szene nicht real ist, wenngleich die Aufführung einen Anspruch auf Repräsentation erheben kann. Dafür ist der Ausdrucksaspekt dort erheblich. Richard Wollheim überlegt, ob wir »Dinge, die wir als expressiv sehen, auf irgendeine andere Weise sehen können oder könnten«, und verneint dies teilweise (»es trifft nicht immer zu«). Zwar wird es in den meisten Fällen wohl möglich sein, in einem zweiten und dritten Blick von der Ausdrucksform Abstand zu nehmen und sich dem materiellen Gegenstand selbst zuzuwenden, aber für einige Fälle mag die Meinung Wollheims gelten. Wollheim macht diese These stark, um sie gegen die sogenannte materielle Objekthypothese zu stellen. Am interessantesten an diesem Vorschlag mag sein, dass der Aspekt in den Vordergrund rückt, dass Expression unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit verändert, dass Kunst durch Expression gleichsam zu ihrer ureigensten Aufgabe findet, eine ästhetische Wahrnehmung zu ermöglichen. So gesehen hat diese Theorie, mit Expression umzugehen, eine nicht geringe Überzeugungskraft. (4) Eine vierte Variante schließt Expression kurz mit dem Verstehen von Kunst. Einen Ausdruck verstehen und einen Ausdruck erleben sind zwei sehr unterschiedliche Dinge. Wenn man den Ausdruck eines Kunstwerks (und das gilt, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, generell für die Kunst) verstehen will, ist es plausibel, wenn Ernst Gombrich dafür ein hohes Maß an Kenntnissen verlangt. Damit ein Ausdruck überhaupt als solcher wahrgenommen wird, kommt es auf die Vertrautheit mit dem Kontext an. Eine Dissonanz bei Haydn fällt auf, während dieselbe Dissonanz bei Wagner kaum wahrgenommen würde. Man könnte daraus mit Wollheim folgern: »Die Kenntnis des Repertoires ist eine Voraussetzung für die Fähigkeit des Betrachters, zu verstehen, was der Künstler ausdrückt: […].« Ebenso richtig ist aber, dass man für den Ausdruck von Kunst keineswegs nur durch Kenntnisse sensibel wird. Man muss keine intime Kennerin von Giuseppe Verdis Opern, seiner Biografie und der geschichtlichen Kontexte sein, um bei einer zufälligen Begegnung bei einer Open-Air-Aufführung nicht zu erfassen, ob hier Leid und Schmerz, Wut oder Glück und Freude in den gespielten Takten ausgedrückt werden. Auch ein barockes Stillleben kann in uns etwas auslösen, das weit über die vordergründig einfach zu entschlüsselnde Darstellung einer natürlichen Gegebenheit hinausgeht. Will man ein solches Bild verstehen, muss man freilich um die Codes dieser höchst symbolisch aufgeladenen Kunst wissen. Insofern ist gegenstandslose Kunst, die sich weitgehend in der Wirkung auf die Rezipientin erschöpft, bei weitem leichter »lesbar« als ein Bild aus dem Barock. Das Gleiche gilt auch für die sogenannte »primitive« Kunst. Für Clive Bell, den engagierten Verfechter der Form, ist solche Kunst ein gelungenes Beispiel für die ästhetische Kraft der Form und (für ihn damit auch) des Ausdrucks: »In primitive art you will find no accurate representation; you will find only significant form. Yet no other art moves us so profoundly.« Richard Wollheim hat daher recht, wenn er auf die verschiedene Bedeutung von Verstehen bei Text und Kunst hinweist und davor warnt, »[…] die Parallelisierung von expressiven und semantischen Eigenschaften

469

Was ist Kunst

zu weit [zu] treiben, […].« Expression kann nicht das Gleiche sein wie das Verstehen von Kunst. (5) Schlankt man die Expressionsdeutung von Kunst aufs Äußerste ab, dann kann man die Expressionstheorie als Zeichentheorie von Kunst interpretieren. Dazu genügt die simple Feststellung, dass ein Kunstwerk für etwas steht. Freilich ist eine solche Deutung ziemlich überdehnt, denn eine Zeichentheorie hat viele Aspekte; die besondere Pointe des Ausdrucks kommt dabei in jedem Fall deutlich zu kurz. Eine Zeichentheorie der Kunst sollte deshalb nicht mehr unter dem Titel Ausdruck firmieren. Viele Kunstphilosophinnen arbeiten die Dichotomie von Kunst als Mimesis und Kunst als Ausdruck ab und kommen zum Schluss, dass weder der eine noch der andere Ansatz alle Probleme der philosophischen Betrachtung von Kunst löst. Insofern ist einer Aussage wie dieser nicht zu widersprechen: »Die Ausdruckstheorie liefert keine adäquate Definition der Kunst.« Allerdings geht es darum auch gar nicht, sondern darum, dass mit der Expression jedenfalls ein Teil der »great story of the power of art« erzählt wird. Und es geht um den Hinweis auf einen entsprechenden Mehrwert, der eine notwendige (aber nicht hinreichende) Bedingung dafür ist, dass etwas als Kunstwerk angesprochen werden kann. Die Suche nach der einen Erklärungstheorie für Kunst, für Schönheit, für das Kunstwerk ist genauso fruchtlos wie die analoge Lösungssuche für andere philosophische Probleme. In der Kunstphilosophie spitzt sich die Sachlage insofern sogar noch zu, als das Kunstwerk durchaus unterschiedliche Funktionen hat, die sich mit verschiedenen Theorien erklären lassen. Wie oben bereits angedeutet, war für die Frage nach der Expression die Wende in die Ungegenständlichkeit der Kunst ein entscheidender Paradigmenwechsel. Wo bereits von vorneherein jeder mimetische Anteil ausfällt, übernimmt die formale Seite eine expressive Funktion. Am deutlichsten formulierten diese Konsequenz die Minimalisten. Carl Andre meinte in einem Interview mit Phyllis Tuchman: »Also, zu sagen, daß Kunst eine Bedeutung hat, ist falsch […] Ja, Kunst ist expressiv, aber sie drückt aus, was man auf keine andere Art sagen kann. Man kann also nicht behaupten, daß Kunst eine Bedeutung hätte, die man von ihrer Existenz in der Welt trennen kann.« Bei einer Kunst ohne Bedeutung, wohl aber mit Ausdruck stellt sich die Frage, was denn ausgedrückt wird, nicht mehr vordringlich. Expression wird hier radikal profaniert und es bleibt ein horizontaler Verweis auf den umgebenden Raum, auf das Licht, auf die Proportion oder die Auflösung der Materie. Diese zwei Zugänge zur Kunst, Mimesis und Ausdruck – nochmals sei daran erinnert –, stiften nicht zwei Beurteilungskriterien. Man kann nicht die repräsentative Kunst nach ihrer Form und die Ausdruckskunst nach dem (komplizierter zu beurteilenden) Ausdruck bewerten. Die Grundannahme ist, dass es beide Aspekte kaum je (wenn überhaupt) streng getrennt gegeben hat.

Wollheim 1968, 65 2.7.

Reicher 2005, 147 Lyas 1997, 59

Andre Carl in Stemmrich 1995, 151f

470

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

2.3. Wahrheit und Unwahrheit der Kunst

Safranski 2009a, 225

VII.5.2.3.

Wenn wir im Zusammenhang mit Kunst als Mimesis und/oder Ausdruck zwangsläufig mit der Frage nach dem Verstehen von Kunst und ihrer Wahrheit konfrontiert werden, treffen wir auf ein bekanntes Thema. Die Paarung von Kunst und Wahrheit hat uns im historischen Teil an vielen Stellen beschäftigt und dieser Zusammenhang nahm in der Geschichte sehr verschiedene Gestalten an. Zunächst gilt, dass faktisch in der gesamten Tradition der metaphysischen Kunstauffassung Kunst mit der Wahrheitsfrage gekoppelt war. Die Grundlage dafür bot, wie wir in den historischen Kapiteln sahen, nicht etwa – im Sinne einer Adäquationslehre – die Mimesis, sondern das demiurgische Paradigma einer Verbesserung der Realität in der Kunst nach dem Maßstab »der Wahrheit«. »Kunstwahrheit ist gesteigerte, verwandelte Natur, also nicht nur nachgeahmte Natur.« Die Paarung von Kunst und Wahrheit wurde erst mit dem Ästhetisch-Werden der Kunst fragwürdig. Das Ende des Wahrheitsanspruchs der Kunst war damit aber keineswegs eingeläutet. Der »Erfinder« der Ästhetik, Alexander Baumgarten, räumte der Ästhetik (als Aisthesis) eine eigene Logizität ein. Nicht nur im Deutschen Idealismus des 19. Jh.s – wobei Hegel die Kunst schließlich energisch der Philosophie unterordnete –, auch in etlichen Positionen des 20. Jh.s blieb die Wahrheitsfrage ein Thema. Sie galt für die Tradition der Hermeneutik Gadamers und Heideggers genauso wie für das Anliegen Benjamins und Adornos, mit Hilfe der Kunst hinter den Schein der bürgerlichen Ideologie zu gelangen. Historisch steht hinter dieser Tatsache die schwierige Konstellation der Romantik, wo Kunst einerseits von Regeln befreit, andererseits der Philosophie als der eigentlichen Instanz von Wahrheit und Unwahrheit untergeordnet wurde. Aus heutiger Betrachtung ging es hier nie um die eine Wahrheit, sondern um jeweils spezifische Bedeutungen von Wahrheit. Diese reichten von der Erscheinung des Göttlichen im Kunstwerk bei Hegel (idealistische Version) bis zum Sich-Offenbaren der Wahrheit (des Seins) bei Martin Heidegger. Die Wahrheitsfrage stellt sich abseits avancierter philosophischer Überlegungen manchmal ganz praktisch und nahe. Vor allem in Literatur und Filmkunst ist diese Frage immer wieder eine Herausforderung, naturgemäß besonders dort, wo historische Ereignisse dramatisiert werden. Unlängst wuchs sich ein veritabler Streit um den vielfach preisgekrönten (darunter ein Oscar) Film Das Leben der Anderen von Florian Henckel von Donnersmarck zu einem regelrechten Kulturkampf aus. Der DDR-Dissident und Schriftsteller Christoph Hein, der sich in der Hauptfigur des Films wiedererkennen will (was andere Akteure bestreiten), wirft in einem 2019 erschienenen autobiographischen Buch dem Film schwere historiographische Fehler vor. Letztlich geht es um die Konfrontation von Kunsterzählung und Lebenserzählung, eine von Schriftstellerinnen und Regisseuren x-fach traktierte Paarung, die im Zeitalter des sorglosen Umgangs mit Fakten neue Sprengkraft erhält. Eine andere Bedeutung hat der Ausdruck Wahrheit in der Kunst und Architektur der Moderne. Dort reicht er von der von jeder naturalistischen Figuration freien autonomen Kunst bis zur Material- und Werkgerechtigkeit der Architektur. Wahrheit ist hier eher im Sinne von Selbstreferentialität in der bildenden Kunst und

471

Was ist Kunst

von Ehrlichkeit des Materials und Transparenz der Konstruktion in der Architektur zu verstehen. Eine ähnliche Bedeutung von Wahrheit verbarg sich im Paradigmenwechsel vom Kunstwerk als Kultobjekt zum Kunstwerk als ästhetischem Gegenstand, wie er vor allem für die Ende des 18. Jh.s aufkommende Idee des Museums konstitutiv wurde. Das entschiedene Abrücken von Wahrheitsansprüchen der Kunst ist sehr jungen Datums und fügt sich in das Abrücken der Kunst von der Autorin, vom Werkbegriff und schließlich sogar von der Bedeutung. Trotz dieser Entwicklungen ist auch heute die Paarung von Wahrheit und Kunst bei den Philosophinnen noch immer ein Thema. Abgesehen von einigen eher wundersam rückwärtsgewandten Beharrungsversuchen, wird an dieser Paarung die Ambition der Philosophie offenbar, (jedenfalls auch!) an der Kunst ihre wahrheits- und bedeutungstheoretischen Instrumente zu entfalten. Dabei zeigen sich allerdings nicht unerhebliche Probleme. Eine Kunst, die auf Wahrheitsansprüche hin funktionalisiert ist, kann man mit Fug und Recht nicht mehr als autonom bezeichnen. Für Kunst und, analog dazu, auch für Ästhetiken, die von philosophischen Wahrheitsansprüchen majorisiert werden, ist typisch, dass »sie die Theorie der Kunst nicht autonom aufbauen, sondern von Anfang an einer Fremdbestimmung durch einen Vorbegriff von Philosophie, von deren Aufgabenstellung und Terminologie unterwerfen.« Nach Bubner braucht Wahrheit ein Werk. Das aber passt nicht mehr in die moderne Kunstlandschaft. Ein weiteres Problem stellt sich dadurch, dass Kunst- und Kulturbegriffe in aller Regel aus bildhaften Ursprüngen entstanden sind. Dabei spielt die Metapher eine zentrale Rolle. Mit der Metapher »wird der Sinn nicht länger in einzelne, verwendete Worte zurückbuchstabiert, es geht nicht darum, ihn ›unverblümt‹ sagen zu wollen.« Weil Kunstwerke geradezu Prototypen des Gebrauchs von Metaphern sind, unterliegen sie zwangsläufig der Uneindeutigkeit. Schon an diesem grundlegenden Faktum scheitert beispielsweise eine strenge sprachphilosophische Sondierung, weil diese mit der unbeherrschbaren Vieldeutigkeit der Metapher nur schwer umgehen kann. Kunstwerke sind nicht in mathematischer Sprache verfasst, die Bildhaftigkeit des Kunstwerks hat eine andere Funktion: »Sie gibt affektiven Resonanzen Raum, evoziert Sinn, indem sie Spuren legt, Allusionen erzeugt, paradoxe Zirkularitäten in Gang setzt usf. […] Das eigentliche ›Wunder‹ der Metapher ist die Fruchtbarkeit des gesetzten Kontrastes. Er fügt sich zu etwas Überschaubarem, Simultanem, etwas, das wir ein Bild nennen.« Den Philosophen bleiben, wollen sie den Wahrheitsbegriff in der Kunst nicht völlig aufgeben, nur Rückzugspositionen, wie sie etwa Reinold Schmücker oder Nelson Goodman formulieren. Voraussetzung sei, dass Kunst und Philosophie nicht nur »kommensurable Formen menschlichen Welt- und Selbstverstehens sind, sondern unterschiedliche Präsenzformen ein und derselben metaphysischen Wahrheit.« Goodman wiederum verweist auf das Charakteristikum der Kunst: Schärfung der Wahrnehmung. Die Wahrheit der Kunst müsse anders organisiert sein als nach der üblichen Adäquationstheorie, nach der die Darstellung dem ähnle, was sie abbildet. Ebenso wenig kann sie verstanden werden als Übereinstimmung der Rezeption mit der Intention der Künstlerin. Wahrheit der Kunst reduziere sich da-

2.4.

Bubner 1989, 31

Boehm 1994, 28

Ebd.

Schmücker 1998, 32

472

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Goodman 1978a, 166f

Unterbietunsgs­ theorie VIII.5.3.ff.

IX.3.9.3.

Überbietunsgs­ theorie

Schmücker 1998, 38

rauf, uns Sichtweisen auf die Wirklichkeit zu bieten, die wir vorher so nicht hatten: »Als Degas eine Frau malte, die nahe am Bildrand sitzt und aus dem Bild schaut, verstieß er zwar gegen traditionelle Kompositionsregeln, bot aber anhand eines Beispiels eine neue Weise des Sehens an, eine neue Weise, unsere Erfahrung zu organisieren.« Kunst offenbart uns keine ontologische Wahrheit mehr, die den Rahmen der Kunst überstiege: »Kurz gesagt, die Wahrheit von Aussagen und die Richtigkeit von Beschreibungen, Darstellungen, Exemplifikationen, Ausdrücken – der Komposition, der Zeichnung, der Diktion, des Rhythmus – ist also vor allem eine Sache des Passens: Passen auf das, worauf in der einen oder anderen Weise Bezug genommen wird, oder Passen auf andere Wiedergaben, auf Arten und Weisen der Organisation.« Wenn man, wie es in der einschlägigen Literatur meist geschieht (obwohl die zeitgenössische Philosophie dafür kaum noch herangezogen werden kann), Wahrheitsansprüche als Proprium der Philosophie betrachtet und gleichzeitig der Kunst solche Ansprüche abspricht, lässt sich der Themenkomplex systematisch zumindest in vier Hinsichten behandeln: (1) Philosophie geht der Kunst voraus, (2) Kunst überbietet die Philosophie, (3) Kunst verlangt nach einem ästhetischen Urteil und (4) Annäherungen an die Kunst gelingen durch diversifizierte Rationalitätsformen. (ad 1) Der Prototyp für die Position, welche die Kunst der philosophischen Begriffsarbeit unterordnet, ist Hegel. Reinold Schmücker nennt Hegels Konzept eine »Unterbietunsgstheorie«, die er von einer »Überbietunsgstheorie« etwa Schellings, wo die Kunst der Philosophie zu Objektivität verhilft, unterscheidet. Die Pointe dieser Unterbietungstheorie ist der Primat begriffsgestützter Philosophie, die in weiterer Folge der Kunst keine eigene Rationalität zubilligt. Im 20. Jh. hat dies Arthur Danto engagiert vertreten. Nach Danto löst sich Kunst durch das Ende einer kunstbestimmenden Sinnlichkeit im Ready-Made in Theorie und Philosophie auf. Kunst sei in einem langen historischen Prozess durch die Philosophie völlig entmündigt worden. Letztlich ist der Wahrheitsbegriff in der modernen und zeitgenössischen Kunst nur mehr eine Resonanzfläche von sozialen, politischen oder ästhetischen Interessen der Künstlerin oder der Rezipientin, die selbst zwar mit ihren Kunstwerken »argumentieren« (so stand es wörtlich in einer Ausstellungseinladung, die ich kürzlich erhielt) wollen, aber kaum einen Anspruch auf Wahrheit erheben. (ad 2) Der alternative Zugang ist jener, der in der Kunst eine erfolgversprechendere Abbildung von Wahrheit sieht als in der Philosophie. Die Palette dieser Ansicht reicht von Schelling bis zu den erwähnten Positionen im 20. Jh., Schopenhauer, Heidegger, Adorno, Gadamer. Die Pointe dieser – mit der Bezeichnung Schmückers – »überbietungstheoretischen« Wahrheitsästhetik ist das tiefe Misstrauen gegenüber der philosophischen Begriffsarbeit im Hinblick auf Wahrheit. Das Problem dabei bleibt, wie anders man ein Kunstwerk aus seiner »monadischen Stummheit erlöst«, als durch den Begriff. Kunst bedarf der Deutung und Narration. Reinold Schmücker legt den Finger auf die grundsätzliche Frage nach der Berechtigung von Sekundärdiskursen. Diese Frage prallt unübersehbar an die Klippen der (sekundären!) literaturwissenschaftlichen Bücher von George Steiner, in denen dieser dafür plädiert, jeden Sekundärdiskurs und jede deutende Metaebene zugunsten des primären Ausdrucks

473

Was ist Kunst

(damit der »Wahrheit«) von Literatur und Kunst zu eliminieren. Vor dem Hintergrund solcher Ansprüche müsste man einen notwendigen Unterschied machen zwischen schlichter Begrifflichkeit, um Kunstwerke per se zum Sprechen zu bringen, und dem viel weiter gehenden Anspruch, diese Begriffsarbeit auf eine letztlich begriffliche Wahrheit hin zu fokussieren. Letzteres gilt jedenfalls für Adorno, der glaubte, dass die Wahrheit der Kunst durch philosophische Reflexion (und eben nur durch eine solche) sichtbar gemacht werden könne. Stimmte das, hätte die »Überbietungstheo­ rie« eine schlechte Überlebenschance: »Tatsächlich entpuppt sich der Wahrheitsgehalt, den sie der Kunst zuspricht, bei näherem Hinsehen als ein von der Philosophie (welcher auch immer) stets schon Gewußtes oder Vermeintes, das diese an die Kunst delegiert, um es sodann als ein Objektives an ihr ablesen zu können.« Dass ein ähnliches Resümee auch bei Heidegger und Gadamer zu ziehen wäre, zeigt, dass in dieser Frage bei Philosophen kaum eine Zurückhaltung in ihrer ureigenen Ambition zu erwarten ist. Genau das ist es, was Danto ungeschminkt zur Sprache brachte. (ad 3) Der Klassiker in der Frage nach der Wahrheit von Kunst ist naturgemäß die lange und im historischen Teil ausführlich verfolgte Geschichte um das ästhetische Urteil in allen seinen Varianten. Der Weg zum Geschmacksurteil führte über den bon goût, wie er in Frankreich und in Spanien bei Baltasar Gracián, in Deutschland bei Christian Thomasius, in Italien bei Ludovico Antonio Muratori als Fähigkeit, immer die richtige Wahl zu treffen, beschrieben worden ist. Es gab im 17. und 18. Jh. ein Schwanken darüber, ob man das, was man mit bon goût, bon sens oder delicatesse bezeichnete, als sinnlich-ästhetisches Urteil werten oder ob man den Anspruch auf ein Erkenntnisurteil erheben solle. Im ersten Fall wäre das, wie bei Père Dominique Bouhours oder Du Bos, eine Leistung der individuellen Urteilskraft, im zweiten Fall steht man mit Boileau, La Rochefoucault und Christian Gottsched vor der schwierigen Frage eines am Erkenntnisurteil orientierten Geschmacksurteils. Es gab zwei Varianten eines solchen Geschmacksurteils: Einmal wurde es im Geist des Empirismus empirisch-allgemein formuliert, etwa bei David Hume, zum anderen wurde es im Geist des Rationalismus vorstellungsmäßig-allgemein verstanden, wie bei Baumgarten, »damit in größerer Abstraktion von der Einbettung in eine Le­­ bensform«. Bei Immanuel Kant, dem Vermittler von Empirismus und Rationalis­ mus, wurde der Versuch eines ästhetischen Urteils am weitesten ausgereizt und gerade diese Überdehnung des Anspruchs zeigte, dass zwischen einem Erkenntnisurteil und einem Geschmacksurteil eine letztlich nicht überbrückbare Differenz bleibt. (ad 4) Als Fazit der bisherigen Ergebnisse kann man das Hauptproblem bei der Gleichung Kunst und Wahrheit in den verschiedenen Ebenen der Begegnung sehen. Entweder werden Wahrheitskriterien der Philosophie auf die Kunst oder Wahrheitsansprüche der Kunst auf die Philosophie projiziert. Aber Kunst ist nun einmal keine Instanz eines philosophischen, begrifflichen Urteils. Insofern könnte man mit Marcus Felsner resümieren: »Dass Kunst wahr zu sein habe, ist indes eine durchaus überraschende Behauptung, die kaum zu rechtfertigen ist.« Das Reden über Wahrheit und Unwahrheit der Kunst ist vielmehr selbst metaphorisch, denn Kunstwerke widersprechen sich nicht so, wie philosophische Thesen dies tun, und Kunstwerke

Steiner 1989

Schmücker 1998, 39

das ästhetische Urteil

VII.2.2.2.

VII.5.2.

Gethmann-Siefert 1995, 40

VII.6.3.1.

Felsner 2010, 231

474

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Seel 1985, 10/180

Schmücker 1998, 46

Seel 1985, 314/29 Klinger 1990, 49

Rebentisch 2013, 43 3.5.3.

sind auch nicht so referierbar wie diese. Die Fruchtlosigkeit dieser Situation lässt sich allenfalls dadurch abmildern, dass man Philosophie und Kunst in ihrer jeweiligen Eigenart bewusst gegeneinander und nebeneinander stellt. Um etwa Kunst als Korrektiv gegen die Eindimensionalität der Rationalität und die Rationalität als Kommunikationsinstrument für die Kunst fruchtbar zu machen, müsste man den Rationalitätsbegriff, damit auch den Wahrheitsbegriff diversifizieren. Das ist grundsätzlich in der Philosophie nichts Ungewöhnliches und es war vor einigen Jahrzehnten geradezu Mode, eine Pluralität von Rationalitätstypen und -formen zu bewirtschaften. Darum ist es heute ruhiger geworden, wenn man nicht sogar von einer laufenden Gegenoffensive gegen eine vielerorts als Bedrohung empfundene Pluralisierung von Rationalität und Wahrheit reden muss. Ausgehend von verschiedenen Rationalitätsformen hat Martin Seel Vorschläge zum Thema unterbreitet. Er sieht zwischen Ästhetik und Rationalität ein labiles Verhältnis. Weder eine ästhetische Entmächtigung der Vernunft noch ein Rationalitätsverlust des Ästhetischen dürfe sein: »[…] die Sprache ästhetisch artikulierter Zeichen ist weder das eigentliche Sprechen noch wider die Sprache der Vernunft gesprochen.« Ästhetische Rationalität komme nicht den Kunstwerken selbst zu, sondern dem ästhetisch wahrnehmenden Verhalten, das Kunstwerke in ihrer Gelungenheit erkennt. »Ein ästhetisches Objekt verstehen, heißt beurteilen, inwiefern es schön oder gelungen ist.« Wenn sich eine solche Rationalität in ästhetischen Diskursen entfaltet, in denen über das Gelingen von Kunst gesprochen wird, wird »[D]ie alte kunstphilosophische Idee einer Wahrheit der Kunst [wird] so ›gerettet‹, indem sie aufgegeben wird.« In Seels Modell ist die ästhetische Rationalität der diskursiven Vernunft nicht mehr unterlegen (wie bei Baumgarten und Hegel), nicht gleichrangig (Schelling) und nicht überlegen (Heidegger, Adorno), sondern sie tritt im Rahmen einer diskursiven Praxis zu einer theoretischen und praktischen Rationalität hinzu. Dabei liegt der Anspruch nicht mehr in einer Begründung eines ästhetischen Urteils, sondern die Rationalität der ästhetischen Praxis »zeigt sich in der Fähigkeit, Bereitschaft und nicht zuletzt der Lust an ästhetischer Kritik.« Wenn nun gilt: »Vernunft, die nicht ästhetisch ist, ist noch keine; Vernunft, die ästhetisch wird, ist keine mehr«, mag es sein, dass die positive Bestimmung des Ästhetischen »blaß und blutlos […]« bleibt. Dennoch gehört die Kunst für Seel, auch wenn er die rationalitätskritische Kompetenz der Ästhetik bestreitet, auf die Seite von Emanzipation und Aufklärung. Das Thema der Wahrheit im Zusammenhang mit Kunst scheint daher tatsächlich von so vielen anderen Fragen überlagert, dass Wahrheit kaum mehr eine ernsthafte Relevanz besitzt. »Angesichts der vielfältigen Verfahren zur Destabilisierung der Grenze zwischen Kunst und Nichtkunst, künstlerischer Repräsentation und empirischer Realität, verliert die wahrheitsästhetische Auszeichnung des Werks als einer von aller übrigen Realität abgehobenen zweiten Wirklichkeit ihre Grundlage.« Die Situation verschärft sich weiter durch die Auflösung des Werkcharakters des Kunstwerks. Rüdiger Bubners Vorschlag, Kunstphilosophie als Theorie der ästhetischen Erfahrung zu rekonstruieren, war letztlich auch von dieser Einsicht gespeist.

475

Was ist Kunst

In diesem Sinn spricht etwa Otto Neumaier (wie von ästhetischer Wahrnehmung statt Schönheit) lieber von ästhetischer Gültigkeit statt von Wahrheit. Wahrheit ist in diesem Fall kein Geschäft für Sätze und Urteile. »Mit Bezug auf das ästhetische Bedeuten (insbesondere von Kunstwerken) hieße ›Wahrheit‹ dann, daß ein (Kunst-) Gegenstand etwas durch seine ästhetischen Merkmale richtig bedeutet (z.B. adäquat repräsentiert).« Wer über Wahrheit in der Kunst redet, wenn auch nur in dieser abgeschwächten Version, muss zwangsläufig auch zulassen, dass es dann auch Unwahrheit gibt, also dass Kunst auch lügen kann. Neumaier sieht darin einen Schlüssel für die Bewältigung des schwierigen Themas Kitsch und wohl auch dessen – so kann man ergänzen –, was Odo Marquard das Anästhetische genannt hat. Ästhetische Gegenstände erheben den Anspruch, etwas Bestimmtes zu bedeuten, obwohl die ästhetischen Merkmale eine andere Deutung nahelegen. Dass dieser Gedanke nicht neu ist, zeigen die scharfen Polemiken, die im 19. und beginnenden 20. Jh. um das Ornament geritten wurden. Clement Greenberg hat aus seiner Überzeugung die Grenze zum Kitsch an der Grenze der materiellen Eigenart des jeweiligen Kunstgenres festgemacht. Malerei (die für Greenberg ihr Charakteristikum in der Flächigkeit hat) ist dann Kitsch, wenn sie einen überbordenden Gebrauch illusionistischer Raumerzeugung macht. Damit ist sie – mit anderen Worten – unwahr. Auch dem ist freilich widersprochen worden, etwa vom Gegenspieler Greenbergs, Meyer Schapiro, der die Flächigkeit für die Malerei ablehnt, unter anderem mit Verweis auf den Bildträger bei Höhlenmalereien der Steinzeit. Was den Kitsch betrifft, ist damit noch wenig gesagt zur Motivation. Kitsch kann als Ausdruck einer regressiven Moderne gesehen werden, die »sich unverdrossen auf die Natur und ihr heiles Bild […] berief […].«

2.4. Deskriptiver und normativer Kunst- und Kunstwerkbegriff In aller Regel nähert man sich der Kunst mit Wertungen. Bereits in der berühmt-berüchtigten Frage »Soll das Kunst sein?« schwingt eine Wertung mit. Dabei sollte man auf diese Frage eine beschreibende Antwort erwarten, denn sie lässt sich kurz und bündig mit Ja oder Nein abhandeln. Ob etwas Kunst ist oder nicht, ist nun freilich keine einfache Frage und es gibt darauf keine letztgültige Antwort. Trotz dem Vorherrschen von Wertungen ist freilich auch ein deskriptives Sprechen über Kunst ge­läufig, etwa wenn sich beim Aufräumen eines Archivs die Frage stellt, ob es sich bei einem bestimmten Objekt um einen alten Einrichtungsgegenstand oder um ein Kunstwerk handelt. In weiten Bereichen des Alltagslebens greifen dazu alte und neue Konventionen, die eine solche Unterscheidung durchaus möglich machen. Schwierig sind hier einzig die Grenzfälle. Vor etwa drei Jahrzehnten gab es an der Universität in Innsbruck eine Diskussionsveranstaltung mit Joseph Beuys. Die Tafel, auf der Beuys Notizen und Zeichnungen machte, wurde in der folgenden Nacht abmontiert und aus dem Hörsaal entwendet. Tauchte bei einer Entrümpelungsaktion diese Tafel irgendwo wieder auf, wäre die Frage, ob es sich dabei um ein Kunstwerk handelt oder nicht, vermutlich nicht einfach zu beantworten.

Neumaier 1999, 292

VIII.9.2.3.3.

Greenberg 1939

I.3.3.

Michalski 2015, 129

476

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

lexikalischer Gebrauch

intentionalistisches Verständnis

Schmücker 1998, 115

Ebd., 116f

Geht man die Frage systematisch an, wird man festhalten, dass man in vielen Fällen Kunst wertfrei identifizieren kann, etwa wenn man sagt, dass Sophokles’ Antigone ein Kunstwerk ist. Man kann aber zudem eine Wertung abgeben und Sophokles’ Antigone als ein herausragendes Stück Weltliteratur bezeichnen. Diese Unterscheidung in ein (1) deskriptives und (2) normatives oder evaluatives Sprechen über Kunst sollte nicht aus den Augen verloren werden, denn jede Evaluation von Kunst setzt eine deskriptive Identifikation von Kunst voraus. Dass eine schlicht deskriptive Beschreibung von Kunst komplex ist, ist Inhalt dieses gesamten Abschnitts. Dessen ungeachtet ist auch eine evaluative Beschreibung alles eher als trivial und dieser Aspekt soll in diesem Kapitel im Vordergrund stehen. Bevor wir uns mit dem Wertbegriff auseinandersetzen, seien einige begriffliche Klärungen vorgeführt. Denn zur einfach klingenden Unterscheidung von deskriptiv und normativ gibt es verschiedene Zuordnungen: Man könnte beide Weisen des Gebrauchs jeweils – wie es im philosophischen Jargon heißt – (a) lexikalisch oder (b) intentionalistisch verstehen. (ad a) Ein lexikalischer Gebrauch würde die beiden Charakterisierungen auf die Unterscheidung von ästhetischer (deskriptiv) und mechanischer (normativ) Kunst zurückführen. Sophokles’ Antigone ist Kunst, der von mir fabrizierte Streuselkuchen ist gut. (ad b) Beim intentionalistischen Verständnis richten sich deskriptiver und eva­ luativer Begriffsgebrauch nicht auf Unterscheidungen von Kunstgenres, sondern auf bestimmte Sprecherintentionen: Eine Kunsthistorikerin qualifiziert (deskriptiv) ein Bild von Franz Marc als Kunstwerk. Wenn hingegen der Verkäufer am Souvenir-Stand vor der Geburtskirche in Bethlehem sein geschnitztes Jesus-Kind als besonders gelungenes Kunstwerk preist, handelt er evaluativ und will damit den hohen Preis des Artefakts – als Ausgangsforderung für ein langes Feilschen – rechtfertigen. Für die in unserem Zusammenhang benötigte Unterscheidung deskriptiv-normativ gilt, dass weder der deskriptive Gebrauch auf ästhetische Kunst, noch der evaluative auf mechanische Kunst beschränkt werden darf. Vielmehr muss sich von jedem Artefakt »jederzeit sowohl deskriptiv als auch evaluativ prädizieren lassen, es sei Kunst.« Das aber setzt voraus, dass der Begriffsgebrauch durch ein Wissen konstituiert ist, das den Intentionen der individuellen Sprecherin vorausliegt. Ein solches Wissen ist naturgemäß nicht beliebig abrufbar. Als Reservoir desselben könnte die Sprechergemeinschaft dienen. Diesen Vorschlag macht Reinold Schmücker: »Der Bezugspunkt der Unterscheidung zwischen deskriptivem und evaluativem Gebrauch […] ist das intersubjektive Kunstverständnis derjenigen Sprachgemeinschaft, in deren Sprache über die Kunsthaftigkeit eines Artefakts befunden wird.« Das ist freilich ein höchst instabiles Kriterium. Zwar mag es in den meisten Fällen nicht allzu schwierig sein, Abweichung und Übereinstimmung beim Urteil »Das ist ein Kunstwerk« vom und mit dem gängigen (intersubjektiven) Konsens festzustellen. Das gilt bestimmt für Sammlungen wie jene des Metropolitan Museums of Art in New York, aber wer die Abteilung der Installationen im Whitney Museum of American Art im Meatpacking District in Manhattan aufsucht, für den ist die Sprechgemeinschaft kaum mehr eine Hilfe. Unterstützung bei dieser heiklen Frage

477

Was ist Kunst

bietet an diesem Ort nur die Institution des Museums und die daran geknüpfte Erwartungshaltung, hier Kunstwerke anzutreffen. Wenn Schmücker meint, dass sich nur bei Grenzfällen das Problem der Begründungspflicht für das eine oder das gegenteilige Urteil stellt, spricht er gerade jene Fälle an, wo eine Hilfe zur Identifikation von Kunstwerken am nötigsten wäre, denn über die Einschätzung des David von Michelangelo in Florenz als Kunstwerk wird es kaum einen erwähnenswerten Dissens geben. Ein Sonderfall dieses Themas ist der von Hegel philosophisch kommentierte und von Hans Belting kunsthistorisch nachgezeichnete Übergang von Kult- zu Kunstobjekten. Friedrich Schiller stellte in Maria Stuart das Abendmahl auf der Bühne dar. Das löste damals einen Skandal aus und bei den ersten Aufführungen wurde die Szene gestrichen. Das Beispiel lässt sich auf die Situation des Anhebens der Museumsidee am Ende des 18. Jh.s übertragen. Das Museum wurde zum White Cube, wo sakrale Gegenstände, Altäre zum Beispiel, als Kunstwerke (also deskriptiv) und nicht in ihrer Dignität als Kultgegenstände (also normativ) ausgestellt werden. Eine sich daraus ergebende Verwirrung kommt selbst heute noch gelegentlich vor, wie das in IX.5.2.6.2. geschilderte Kunstprojekt des Schweizer Künstlers Christoph Büchel (The Mosque; 2015) zeigt. Dass die Sache um den normativen und deskriptiven Gebrauch in der Philosophie ein größeres Thema wurde, liegt nicht zuletzt an der Abneigung der Analytischen Philosophie normativen Aspekten bei der Bestimmung von Kunstwerken gegenüber. Sie macht um die Behandlung evaluativer Kriterien einen Bogen. Manche, wie Karlheinz Lüdeking, sehen darin ein Problem. Lüdeking geht davon aus, dass es kein echtes deskriptives Urteil über Kunst geben kann, weil es kein objektives Kriterium gibt, das Kunst eindeutig definiert. Zwar basiert auch seiner Meinung nach die Bestimmung eines Kunstwerks auf einer großen Zahl von übereinstimmenden (evaluativen) Urteilen. Aber anders als Schmücker geht er von vorneherein von einem Wertbegriff aus: »Ästhetische Urteile sind wesentlich normative Urteile, die unsere Beistimmung zwar fordern, aber nicht erzwingen können.« Für Lüdeking ist Kunst ein positiv besetzter Urteilsbegriff. Der Kunst wird als solcher ein »Ehrenstatus« zugesprochen. Das ist eine allgemeine und normative Bestimmung jeweils eines Kunstwerks, die sich nicht universalisieren lässt, und es ist kein Kriterium, um ein Kunstwerk auch deskriptiv als solches zu identifizieren, was aber einen üblichen Sprachgebrauch nicht ausschließt. »Obwohl nun aber die Klassifizierung von Kunstwerken in jedem einzelnen Fall unabdingbar auf normativen Kriterien beruht, gibt es trotzdem auch die Möglichkeit, den Kunstbegriff zur Feststellung der simplen Tatsache zu verwenden, daß ein bestimmter Gegenstand faktisch die Position eines Kunstwerks innehat, ohne daß man dabei irgendeinen speziellen Wertmaßstab unterstellen muß.« Diese Überlegung erinnert wegen ihrer antiessentialistischen Ambition an empiristische Konzepte wie jenes von David Hume. Der englische Empiriker ging pragmatisch von einem Konsens aus, der induktiv an Gegenständen gewonnen werden kann, die in einem außergewöhnlichen Raum (suitable situation and disposition)

vom Kult- zum Kunstobjekt

VIII.4.1.

Ehrenstatus

Lüdeking 1988, 156

Ebd., 206

478

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

VII.5.1.

Ebd.

Schmücker 1998, 128

Ebd., 149

Beurteilungs­ begriff

und bei verbreiteter Bewunderung (der Lüdeking’sche Ehrenstatus) als Kunstwerk erzeugt wird. Die faktische Verwendung des Kunstbegriffs (und das gilt auch für den Kunstwerkbegriff) in der Alltagssprache bezieht sich seiner Meinung nach auf einen zeitbedingten, willkürlichen normativen Standard, denn die Unterscheidung von Kunst und Nicht-Kunst leiste nicht der Begriff, sondern eine ihm vorhergehende jeweilige Evaluation durch die Sprecher. Nach Lüdeking ergibt sich aus der Summe der subjektiven Gebrauchsweisen des Kunstbegriffs sein intersubjektiver Gebrauch. Es ist ein »Resultat der Vielzahl von unkoordinierten Verwendungen des Kunstbegriffs durch zahllose individuelle Sprecher.« Was ist mit einer solchen Analyse gewonnen? Das ist nicht einfach zu beantworten, denn es bleiben viele Fragen offen: Was genau sind die Referenzobjekte? Denn: »Weil es keine objektiven Anwendungsbedingungen des Kunstbegriffs gibt, gibt es auch keine über die spontane Wahrnehmung erhabene Begründungsinstanz, auf die wir uns im Streitfall berufen könnten.« Dann kann es aber auch keine Stabilität auf der historischen Zeitachse geben! Wie geht man mit Relativierungen und Widersprüchen um? Was ist überhaupt unter Wert zu verstehen? In diese Richtung zielen auch die Einwände. Reinold Schmücker will einen allgemeinen Kunstbegriff nicht (zugunsten einer nominalistischen Pluralisierung) völlig aufgeben und sieht deshalb Lüdekings normativen Kunstwerkbegriff kritisch. Er beharrt auf einem Kunstbegriff, der alle konsensualen zeitbedingten Festschreibungen übersteigt, ansonsten ließe sich keine kulturelle und historische Relativierung des Kunstbegriffs als eine solche festmachen (etwas, wofür schließlich auch Lüdeking selbst plädierte). Natürlich sieht auch Schmücker, dass die »Nichtrelativität der Bedeutung des Kunstbegriffs« nicht so verstanden werden darf, »als sei damit die Universalität ästhetischer Kunst behauptet.« Denn solches wäre ein kaum zu realisierender Anspruch. Daher zeichnet Lüdeking – der Institutionentheorie in diesem Punkt nicht allzu fern – einen faktischen Sprachgebrauch des Kunstbegriffs nach. Wenn er diesen als Wertbegriff nobilitiert, erzeugt das die Frage nach der Bedeutung von Wert. Wert ist in diesem Zusammenhang nicht viel Anderes als eine Zuschreibung des Kunstaspekts an diverse Gegenstände. Allerdings gibt es Gegenstände, denen wir im Sinne der oben beschriebenen ästhetischen Wahrnehmung Wert zuschreiben, die aber offensichtlich keine Kunstwerke sind, und umgekehrt verweigern wir diese Zuschreibung manchmal Gegenständen, obwohl sie Kunstwerke sind. Als Abgrenzung von Kunst und Nicht-Kunst taugt der Wert an sich nicht, er funktioniert nur mehr im Sinn Lüdekings als Auszeichnung durch eine große Zahl von gleichlautenden Urteilen. Ein Kunstwerk als Wertbegriff setzt demnach eine andere Bedeutung von Wert voraus, als wir diesen Begriff von anderen Anwendungsfeldern kennen, nämlich eine identifikatorische. Reinold Schmücker siedelt den Kunstbegriff zwischen Wert- (Werturteile bilden die Basis für die Deskription) und Klassifikationsbegriff (Art- und Gattungsbegriff) an und nennt ihn einen Beurteilungsbegriff. Das heißt, dass sein deskriptiver Gebrauch in evaluativen Akten wurzelt. Es geht uns bei dieser Frage ein wenig wie bei einem Hausbau ohne Fundament, denn wir haben keine begriffsspezifische Bedeu-

479

Was ist Kunst

tung des Kunstbegriffs als solchem gewonnen. Wir reden von einer lebensweltlich gewonnenen Auffassung dessen, was Kunst ist. Dabei geht es nicht um ein über einen spezifischen Kulturraum hinausreichendes Universale, vielmehr ist für die Gewinnung eines solchen Begriffs Voraussetzung, dass ein Begriff der (ästhetischen) Kunst in einer Sprachgemeinschaft überhaupt vorkommt. Damit gilt: »Die Zugehörigkeit eines Artefakts zur Klasse der Kunstwerke […] trägt denselben Kultur- und Zeitindex wie der evaluative Konsens, auf dem sie beruht.« Dementsprechend vage bleibt das, was Kunst ausmachen soll: Wer nach der Bedeutung des Kunstbegriffs fragt, fragt danach, »wie oder als was Artefakte, denen wir das Prädikat ›Kunst(werk)‹ zuerkennen, sich uns präsentieren und von uns wahrgenommen werden.« Der Terminus Beurteilungsbegriff bedeutet hier, dass sich die Identifikation auf der Ebene der Kunstwerke selbst abspielt, aus der sich allerdings keine Definition der Kunst als solcher ableiten lässt. Wie bereits angedeutet, lassen sich auch hier zwei Diskurse unterscheiden: In artefaktkritischen Diskursen wird darüber »entschieden«, ob ein Artefakt ein Kunstwerk ist, während in kunstkritischen Diskursen über die Gelungenheit eines Kunstwerks »entschieden« wird. Mit anderen Worten: Diese hier angestellten Überlegungen zum deskriptiven und normativen Gebrauch sind ein legitimes Thema der Ästhetik, aber in der Kunstphilosophie und Ästhetik stehen deskriptive Aussagen im Vordergrund, evaluative Urteile gehören eher zum Geschäft der Kunstkritik. Warum man überhaupt den Umweg über (möglichst konsensuale) Werturteile wählt, liegt an den Vorbehalten der analytischen Philosophinnen gegenüber der Gefahr eines induktionistischen Fehlschlusses und an ihrem antiessentialistischen Reinheitsgebot. Werner Strube greift zur Sprachspieltheorie Wittgensteins und zur Sprechakttheorie John Searles, um ästhetische Wertäußerungen zu verstehen. Er unterscheidet idealtypische Sprachspiele der Kunstliebhaberin, Stilkritikerin, Kunsthistorikerin usf. Jede tut dabei etwas anderes (illokutionärer Akt), meint etwas anderes (propositionaler Gehalt) und begründet es anders. Damit vermeidet Strube jede Verallgemeinerung eines ästhetischen Werturteils. Der Preis dafür ist eine monadische Aufsplitterung, wo jeder faktische Zusammenhang der einzelnen Urteile ebenso verloren geht wie die spezifische Anwendung auf Kunst, denn auch wenn einem das alles im Rahmen des Kunstbetriebs bekannt und plausibel vorkommt, gilt auch andernorts, zum Beispiel für die Beurteilung von Weinen.

Ebd., 150/157

Kambartel Friedrich in Koppe 1991, 383

2.5. Zweckfreiheit und Selbstreferentialität der Kunst Das Schöne bezeichnet ein »uninteressiertes und freies Wohlgefallen [sei]; denn kein Interesse, weder das der Sinne, noch das der Vernunft, zwingt den Beifall ab.« So steht es bei Immanuel Kant zu lesen. Die Charakterisierung, die Kant für die Schönheit verwandte, nämlich ihre Freiheit von jeder Verzweckung, wurde bereits von Zeitgenossen aufgegriffen, beispielsweise von Schiller in seinem Begriff des Spiels. Aber auch in der neueren Kunstphilosophie wird bis heute die Zweckfreiheit immer wieder als Charakteristikum nicht nur der Schönheit, sondern der Kunst schlechthin gelistet. Nach Jerome Stolnitz kann man die moderne ästhetische Theorie nur ver-

Kant 1790, B 15 VII.6.3.2. VIII.4.1.

480

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Stolnitz 1961b, 131 1.4.ff.

Neumaier 1999, 118

Gablik 1976, 8

Ebd., 147

Ebd., 85

stehen, wenn man das Konzept der Interesselosigkeit versteht. Ich habe die Anmutung, dass Kunst kein spezifisches Interesse verfolgt, bereits mehrmals, zuletzt im Zusammenhang mit der ästhetischen Wahrnehmung erwähnt. Dort war der ausgezeichnete Zugang zu einem Kunstgegenstand gemeint, der ausdrücklich nicht auf die üblichen Alltagsinteressen hin instrumentalisiert ist. In der Zweckfreiheit liege eine »Chance der Kunst und der Ästhetik, indem diese nämlich zeigen, daß es in unserer weitgehend auf ökonomische Zwecke ausgerichteten Lebensform einen Bereich gibt, der keinem unmittelbaren Zweck (außer sich selbst) dient.« Neben dem gut nachvollziehbaren Versuch, Kunst durch Interesselosigkeit auszuzeichnen, gibt es einen anderen Zugang zum Thema. Er baut auf einen Fortschritt in der Kultur, der zwangsläufig von interessensbasierter Kunst zu selbstreferentieller Kunst führt. Eine solche Theorie vertritt etwa die in IX.2.1.3. bereits erwähnte Suzi Gablik. Sie orientiert sich an Piagets Entwicklungsmodell und verteidigt einen Fortschritt, den die meisten Menschen in den Wissenschaften akzeptieren, auch in der Kunstgeschichte. Die zeitgenössische Kunst, Abstraktion und Konzeptkunst, lässt das Werk obsolet werden: »what matters is the idea.« Gablik sieht diesen Fortschritt in drei Epochen. Die erste lebte aus der visuellen Repräsentation, die zweite begann mit der Renaissance und war durch die Beherrschung der Perspektive gekennzeichnet, die dritte Epoche begann mit der Abstraktion in den diversen Strömungen der Moderne. Darin zeigen sich, so Gablik, »principles of mental growth […].« Diese stark fortschrittsorientierte Sicht auf die Kunstgeschichte funktioniert unter dem Generalschlüssel eine zunehmenden Selbstreferentialität. Um das für die Kunst zu reservieren, muss Gablik ein Kriterium identifizieren, das die über viele Jahrhunderte praktizierte Ornamentik von der abstrakten Formensprache der Gegenwartskunst unterscheidet. Die Dekoration sei bloß eine »decoration to objects of use, whose purpose is always over and beyond the purely aesthetic. What is both unique and exceptional in modern art is that the aesthetic impulse emerges to consciousness as a thing of its own; […].« Das ist nun freilich eine sehr eingeschränkte Sicht der Ornamentik, die beispielsweise ihre Funktion in der islamischen Kunst keinesfalls trifft. All dieser Anläufe zum Trotz ist die Behauptung der Interesselosigkeit der Kunst nicht nur mit Blick auf die Geschichte, sondern auch mit Blick auf die Gegenwart in dieser Ausschließlichkeit bloße Idealisierung. Sie lässt sich (1) historisch nicht stützen und sie wurde (2) in neuerer Zeit von verschiedener Seite sogar als nicht wünschenswert erachtet. (ad 1) Der Blick in die Geschichte, wie er in den vergangenen Abschnitten getätigt wurde, zeigt, dass die Interesselosigkeit der Kunst spätestens bei Kant eine Strategie der Befreiung der Kunst von mannigfachen Verzweckungen in die Autonomie war. Ursprünglich hatte die überwiegende Zahl der Kunstwerke, bildende Kunst wie Architektur, entweder eine sakrale Funktion oder sie dienten der Verherrlichung von Auftraggebern, von Städten und Ländern und schließlich den Künstlern zu ihrer Selbstvermarktung. Aber auch die Kunst nach der Verabschiedung der metaphysischen Funktionalisierung wurde verbreitet für philosophische oder gesellschaftspolitische Interessen eingesetzt. Auch wenn der Begriff der Zweckfreiheit zweifellos

481

Was ist Kunst

zur Emanzipationsgeschichte der Kunst der Moderne gehört, war damit stets eher das Statement verbunden, Kunst von der Instrumentalisierung durch gesellschaftliche Interessensgruppen frei zu spielen. Interesselosigkeit kann demnach bestenfalls als Chiffre dienen, einerseits für einen Bruch mit der ontologischen Bedeutung von Kunst (und Schönheit) und andererseits für die Befreiung der Kunst aus einer fremdgesteuerten Instrumentalisierung hin zu einem selbstbestimmten Einsatz, der aber politische oder gesellschaftliche Interessen keineswegs ausschließt. Insofern könnte man auch jenen Philosophen und Künstlern des 20. Jh.s, die weit nach der ästhetischen Wende mit der ontologischen Kunstauffassung arbeiten, zubilligen, dass sie ihre (gegenaufklärerisch zu nennende) Kunst-Ontologie als aufgeklärte Philosophen und Künstler selbstbestimmt durchführen. Dabei ist an den Einsatz der Kunst als Ort des Sich-Zeigens von Wahrheit bei Heidegger oder Merleau-Ponty zu denken. Selbst bei Aufklärungsphilosophen wie Adorno dient die Kunst als das noch einigermaßen funktionierende Instrument der Aufklärung. Auch die praktische »Anleitung«, die Barnett Newman für die Betrachtung seiner Werke gibt, weist auf das Interesse einer Rezipientin hin, Selbsterfahrung als »Transzendenzerfahrung« zu verstehen. Und wenn Brillo-Boxes als Kunstwerke tatsächlich eine Kritik an der Konsumideologie sein sollten, verfolgen auch sie ein Interesse. Man kann auf die schwer zu durchbrechende Paradoxie verweisen, dass sich in der Absicht einer selbstreferentiellen Kunst eben auch ein Interesse äußert. Je mehr sich die Kunst in Richtung Gegenstandslosigkeit bewegt, desto überzeugter scheinen Interesselosigkeit und Selbstreferentialität zu greifen (auch wenn der eben erwähnte Abstrakte Expressionismus etwas anderes lehrt). Nach Nelson Goodman darf ein Werk der reinen Kunst weder etwas darstellen, noch etwas ausdrücken: »[…] alle Eigenschaften, die es hat, sind seine eigenen Eigenschaften.« Aber auch eine noch so reine Kunst kann sich nicht der Tatsache entziehen, dass sie als Symbol gelesen werden kann, womit ihr eine Bedeutung aufgeladen wird. Ein puristisches Bild stellt Eigenschaften zur Schau. Es konzentriert sich auf diese, Goodman nennt das exemplifizieren. »Wenn ich damit recht habe, symbolisiert auch das puristischste Gemälde des Puristen. […] Ein Kunstwerk, so frei von Darstellung und Ausdruck es auch sein mag, ist immer noch ein Symbol, selbst wenn das, was es symbolisiert, keine Dinge, Menschen oder Gefühle sind, sondern bestimmte Muster der Gestalt, der Farbe und der Textur, die es vorzeigt.« Es scheint reichlich aussichtslos, dass man der Bedeutungsgeschichte der Kunst jemals entkommen kann. »Wer also nach einer Kunst ohne Symbol Ausschau hält, wird keine finden – sofern alle die Weisen berücksichtigt werden, in denen Kunstwerke symbolisieren. Kunst ohne Darstellung oder ohne Ausdruck oder ohne Exemplifikation – ja; Kunst ohne alle drei – nein.« (ad 2) Gerade in der Moderne, wo die Entgrenzung des Kunstwerks dieses auf den sozialen Kontext öffnet, scheint die Interesselosigkeit ihrerseits ein Problem darzustellen. Kritiker sehen darin eine Isolierung der Kunst von jeder gesellschaftlichen Kontextualisierung. Für den französischen Soziologen Pierre Bourdieu muss die Kunst aber notwendig die sozialen Kontexte ihres Entstehens mitreflektieren. Kants

Goodman 1978a, 81

Ebd., 85/86

482

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Bürger 1974, 72f

IX.2.2.10.

Ebd., 79

IX.3.5.1.2.f.

Waldenfels 2004, 225

Bestimmung der Interesselosigkeit sei nichts anderes als ideologische Geschichtslosigkeit. Bourdieu kann nichts mehr mit der Ambition der Empiriefreiheit beim subjektiven Blick anfangen, wie sie Kants Transzendentalphilosophie strikt verfolgte. Jeder Blick sei nämlich stets sozial vermittelt und die Ausblendung dieser Tatsache sei eine der negativen Folgen einer angestrebten Autonomie des Kunstwerks. Autonomie und Interesselosigkeit der Kunst sind für Bourdieu gleichbedeutend mit Weltverneinung. Peter Bürger argumentiert in seiner Theorie der Avantgarde (1974) ähnlich. Ihm geht es um das zentrale Kennzeichen der Avantgarde: ihren Brückenschlag zum Leben und das damit verbundene Interesse an einer Veränderung der Lebensbedingungen. De facto sei es hingegen so, dass die Avantgarde zwar die Autonomie der Kunst aufgegeben, aber letztlich nicht wirklich politisches Potential erreicht habe. Bürgers Kritik richtet sich somit auch gegen den Kunstbetrieb, insofern dieser sich zwar politisch geriere, aber politisch nichts verändere: »Zusammenfassend können wir festhalten, daß die historischen Avantgardebewegungen die für die autonome Kunst wesentlichen Bestimmungen negieren: die Abgehobenheit der Kunst von der Lebenspraxis, die individuelle Produktion und die davon getrennte individuelle Rezeption. Die Avantgarde intendiert die Aufhebung der autonomen Kunst im Sinne einer Überführung der Kunst in Lebenspraxis. Diese hat nicht stattgefunden und kann wohl auch innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft nicht stattfinden, es sei denn in der Form der falschen Aufhebung der autonomen Kunst.« Politische Ambitionen müssen eine Kritik der Institution beinhalten. Darunter fällt das White Cube-Konzept des alten Museums, das auf die gesellschaftliche Kontextualisierung zu öffnen sei. Aber indem die zeitgenössische Kunstphilosophie gar eine Institutionentheorie entwickelt, zeigt sie, wie sehr die Avantgarde, die seinerzeit angetreten war, um die Kunstinstitutionen als von der Lebenspraxis abgehobene zu zerschlagen, bereits historisch ist. Zudem sieht Bürger eine Wiederkehr der Werkkategorie. Das objet trouvé sei heute als Kunstwerk akzeptiert und habe seinen kritischen Charakter als Antikunst verloren. »Selbstverständlich gibt es auch heute Versuche, die Tradition der Avantgardebewegungen fortzusetzen […] aber diese Versuche, wie z.B. die Happenings – man könnte sie als neoavantgardistisch bezeichnen –, vermögen den Protestwert dadaistischer Veranstaltungen nicht mehr zu erreichen, […].« Könnte man die hier geschilderten Vorbehalte im weitesten Sinn noch unter den Verdacht materialistischer Theoriekonzepte stellen, greift der im Kontext der Phänomenologie formulierte Einspruch weiter. Er macht auf die zwangsläufige Leibvermitteltheit jeder Begegnung mit Kunst aufmerksam. Bernhard Waldenfels ist bewusst, dass man mit einer solchen Haltung regressiver Tendenzen verdächtigt werden könnte, aber er besteht darauf, dass zur Genealogie der Bilder »die Geburt des Bildes aus dem Pathos« gehört. Ansonsten enden Bilder im »Sehvergnügen, in der Dekoration, im Design.« Diese Leibvermitteltheit jeder Kunst spielt – weit abseits schwerfälliger phänomenologischer Diktion – auch in der heutigen Debatte um die Leistungen der künstlichen Intelligenz eine Rolle: »Nimmt ein Mensch etwa einen

483

Was ist Kunst

Rhythmus wahr, dann geht dieser Rhythmus in seinen Körper über, er lässt ihn unterschwellig tanzen […] und verändert so auch den Lauf der Gedanken. […] Eine heutige Software indes kann den Rhythmus nur qua Sensor eingespeist bekommen und ihn analysieren, doch er wird die Funktion ihrer Programme nicht verändern.« Angesichts der schwierigen Handhabung dieser vermeintlichen Auszeichnung der Kunst als zweckfrei und selbstreferentiell, unterscheiden manche Autorinnen zwischen absoluten und funktionalen Kunstwerken. Friedrich Kambartel nennt absolute Kunstwerke (nach dem oben gebrauchten Terminus Kunstwerke einer reinen Kunst) solche, die in reiner, völlig zweckfreier Einstellung betrachtet werden. Ein absolutes Kunstwerk »teilt nichts mit.« Es »vergegenwärtigt seine Einzigartigkeit (als Gegenstand).« Er setzt diese ab von funktionalistischen Kunstwerken, die unterhalten oder eine anagogische Funktion haben. Bei absoluten Kunstwerken entsteht gleichsam ein Formgebungsrestproblem. Dieser Formüberschuss, Franz Koppe spricht von »funktionslos überschüssige[r] Formgebung«, wird bei absoluten Kunstwerken gleichsam verselbständigt. Man stünde dann sozusagen vor dem reinen Ästhetischen und hätte an solchen Beispielen den seltenen Idealfall einer Selbstreferentialität der künstlerischen Formen. Selbstreferentialität der Kunst ist gleichsam eine Ausdehnung der Autonomie auf ihre Form, die sich selbst generiert. Eine ausdrückliche Ambition in dieser Hinsicht hatte der Suprematismus, namentlich das Quadrat in der Kunst, das unter anderem eine von mystischen und religiösen Bezügen gereinigte Tradition der Ikone hinter sich wusste. Aber eben deshalb war auch der Suprematismus letztlich nicht frei von Anspielungen auf die Kunstgeschichte und von utopischen Ansprüchen. Dass die russische Avantgarde, einschließlich des Konstruktivismus, den Blick vieler Minimalisten auf sich zog, ist gut dokumentiert. Robert Morris sah in Tatlin den ersten, der »die Skulptur von der Darstellung« befreite und »sie als autonome Form« etablierte, »und zwar sowohl durch die Art von Bildhaftigkeit oder eigentlich Nicht-Bildhaftigkeit, wie er sie einsetzte, wie auch durch seinen direkten Gebrauch des Materials.« Eine der wichtigsten Stimmen, die Selbstreferentialität der Kunst betreffend, war der wohl einflussreichste Kunstkritiker der USA, Clement Greenberg. Er bemühte sich Zeit seines Lebens um eine Normierung der Moderne, die prominent ein Bekenntnis zur Selbstreferentialität der Kunst beinhaltet. Greenberg rechtfertigte die Autonomie der Kunst durch die Charakterisierung einer besonderen Identität in den spezifischen medialen Mitteln der jeweiligen Künste, indem sie »darauf verzichten, das zu behandeln oder nachzuahmen, was außerhalb des Gebietes der ausschließlich ihnen eigenen Effekte liegt. […] die moderne Sensibilität fordert dagegen den Verzicht auf jede dem Medium der jeweiligen Kunst äußerlichen Realität – das heißt, den Verzicht auf ein Sujet.« Das führe in die jeweils reine Kunst. Kunstwerke lassen sich demnach nur durch die Darstellungsmittel von anderen Objekten abgrenzen: Das Medium der Malerei bestehe aus der Konfiguration von Pigmenten, jenes der Dichtung aus der rhythmischen Konfiguration von Wörtern. Malerei müsse sich daher – wie bereits im Zusammenhang mit dem mimetischen Anteil der Kunst dargestellt wurde – zu ihrer zweidimensionalen Fläche bekennen und die Illusion der

Söffner 2019

Kambartel 1991, 25

Koppe 1991, 305

IX.2.2.7./IX.5.2.3.

Morris Robert in ­Stemmrich 1995, 94) IX.2.1.1.

Greenberg 1949, 164

484

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

IX.4.3. Ebd., 165 VI.5.0.ff.

IX.5.2.1.

Ebd., 168f

Ebd., 165

Cramer 2016, 60

Zweite 1997, 230

dritten Dimension (die ausschließlich zur Bildhauerei gehöre) aufgeben. Jede Perspektive wird aus dieser Sicht zu einer mimetischen und funktionalistischen Verfälschung der Malerei – ebenso wie »die Fiktion der gegenständlichen Darstellung, die so wenig zum eigentlichen Bestand der Malerei gehört wie zu dem der Musik […].« Diese Analyse Greenbergs widerspricht jedem mimetischen Aspekt der Malerei und erklärt de facto Abstraktion und Gegenstandslosigkeit zum eigentlich medialen Wesen von Malerei und skulpturalem Werk. Die historische Zwangsläufigkeit dieser Entwicklung führt er auf den vermeintlichen Blick ungegenständlich arbeitender Künstler auf die immanente Formentwicklung zurück. Selbstreferentialität wird bei Greenberg ein Kennzeichen der Moderne, die aus seiner Sicht von jeder Anmutung eines Massengeschmacks und anderen nicht kunstimmanenten Themen Abstand hält. Eine der naheliegendsten Bedrohungen ungegenständlicher Kunst ist das Abgleiten in die Ornamentik. Nicht umsonst haben sich die Vertreter des Abstrakten Expressionismus gegen solchen Verdacht sofort zur Wehr gesetzt. In dieser Hinsicht traut Greenberg der Skulptur mehr Entwicklungspotential zu als der zeitgenössischen Malerei. Aber auch dort gilt, dass sie sich von jeder mimetischen Naturabbildung ebenso freihalten muss wie von historischen Assoziationen, um »den Monolithen bis zu einem solchen Extrem zu treiben, ihn auf eine solche archetypische Einfachheit zu reduzieren, daß er sich damit als Formprinzip mehr oder minder erschöpft hat.« Es gibt mehrere Dilemmata, die Greenberg bewältigen muss. Eines davon zeigt sich an seiner Arbeit selbst. Greenberg ist als Kunstkritiker auf Werturteile angewiesen, für die es angesichts der Reduktionstendenz gegenstandsloser Kunst keinerlei Regeln gibt. Seine Einschätzungen trifft er daher auf der Grundlage seines Geschmacks. Und es ist ihm (wie auch anderen, wie wir oben sahen) nicht verborgen geblieben, dass die Zeichenhaftigkeit der Kunst diesem Ideal stets unüberwindbare Hürden entgegen stellt: »Die Tendenz zur ›Reinheit‹ oder absoluten Abstraktion existiert nur als eine Tendenz, als eine Zielsetzung, nicht als deren Verwirklichung.« Weil für viele schon diese Zielsetzung aus den gerade erwähnten Gründen der daraus resultierenden Konsequenzlosigkeit von Kunst nicht wünschenswert ist, geriet Greenberg unter Beschuss: »Greenberg kanonisierte damit seinen eigenen abstrakt-expressionistischen Kunstgeschmack zu einer l’art-pour-l’art-Formel, in der ›Medium‹ für reine Malerei stand und damit das Gegenteil medienexperimenteller Kunst bedeutete.« Selbst in seinem Umkreis begann ein Absetzungsprozess, der auch seine Schülerin Rosalind Krauss einschloss. Ein anderes Dilemma ist, dass der Zeichencharakter der Kunst praktisch mit jeder, auch ungegenständlicher, Figuration Assoziationen verbindet. »Der senkrechte Pfahl hat immer auch die Bedeutung einer ›axis mundi‹ und gilt in vielen Kulturen als abstraktes Symbol der menschlichen Präsenz.« Ganz zu schweigen von Arbeiten wie dem Broken Obelisk von Barnett Newman, dessen Deutungen von Kriegsmonument bzw. Revolutionsmetapher (Stephen Polcari), Metapher des Zyklus des Lebens (Thomas B. Hess) bis hin zum Ausdruck von Chaos und Sublimem (Harold Rosenberg) reicht. »Einer Skulptur mit derart symbolisch vorgeprägten Formen wie

485

Was ist Kunst

Pyramide und Obelisk keine definierte Bedeutung zuschreiben zu können, schien unbefriedigend«, resümiert Armin Zweite, und: »›Broken Obelisk‹ ist wie so viele Zeugnisse der Moderne ein offenes Kunstwerk.« Armin Zweite transferiert diese prägnante Skulptur von allzu engen Deutungen weg und schlägt eine Sichtweise vor, die sich möglichst exklusiver ästhetischer Kriterien bedient. Demnach sei Broken Obelisk »eine außerordentliche Skulptur, die die Imagination stimuliert, das Raum­empfinden aktiviert, den Gleichgewichtssinn irritiert, das geschichtliche Erinnerungsvermögen herausfordert und diesen weiten Assoziationsrahmen unmittelbar an die visuelle und physische Erfahrung des Betrachters koppelt, der in der Fragilität der Konstruktion, der Labilität der Balance, der Präsenz und der Vertikalität des Gebildes, das in seiner Autonomie den Horizont bestimmt, auch eine Metapher für sich selbst sehen und erfahren kann.« Der Gedanke einer Selbstreferentialität der Kunst ist nicht nur mit dem Problem des tief verwurzelten Archetypenschatzes konfrontiert, sondern auch damit, dass Theorien, welche die Kunst von jeder historischen und gesellschaftlichen Kontextualisierung abschotten wollen, in weiten Belangen der Intention von Künstlerinnen widersprechen. In aller Regel haben Künstlerinnen nicht nur die Absicht, Kunst zu schaffen, sondern sie verbinden mit dieser Kunst auch inhaltliche Intentionen. Stellvertretend sei eine Bemerkung Mark Rothkos dazu zitiert: »I’m not interested in relationships of color or forms or anything else […] I’m interested only in expressing basic human emotions – tragedy, ecstasy, doom, and so on – and the fact that lots of people break down and cry when confronted with my pictures shows I communicate those basic human emotions.« Auch Barnett Newman kritisiert am Beispiel Mondrian eine Abstraktion, die seiner Meinung nach bloß auf Formen und nicht auf Inhalte ausgerichtet ist. Ich wiederhole hier eine Bemerkung, die bereits in IX.2.1.2. zitiert wurde: »Auf diese Weise kann abstrakte Kunst persönlich werden, voller Emotion, und ist imstande, den tiefsten menschlichen Erkenntnissen Form zu verleihen, anstatt plastische Gegenstände zu schaffen, gegenständliche Formen, die nur als solche betrachtet werden können, weil sie ihr Dasein zwischen den kümmerlichen Grenzen ihrer Ausdehnung fristen.« Der Symbol- und Zeichencharakter der Kunst soll damit ausdrücklich gewahrt bleiben: »Die Wirkung dieser neuen Bilder besteht darin, dass die Formen und Farben als Symbole auftreten und so seitens des Betrachters eine einfühlsame Anteilnahme an der Vision des Künstlers bewirken.« Es sei eben zu wenig, wenn abstrakte Maler »die Malerei auf eine Kunst der Interpretation reduziert [haben], mit der sie virtuos auf der malerischen Klaviatur herumspielen.« Das Resümee über die beiden Problemfelder fällt durchzogen aus. Zwar bleibt der Blick auf die Selbstreferentialität in der Moderne schon deshalb ein beachtenswerter Topos, weil es passendere Anwendungen dafür gibt als in der bildenden Kunst, etwa in der absoluten Musik, dem Gegenteil der Programmmusik. Wollte Greenberg Kunst auf sich selbst gestellt wissen und sie von allen heteronomen Bestimmungen abschotten, tun zeitgenössische Künstler ebenso wie die philosophischen Theoretiker das genaue Gegenteil. Sie zelebrieren die Expansion auf die NichtKunst, sie diskutieren die Bestimmungsmacht der Institution, sie spielen mit der

Ebd., 282ff 3.3.

Ebd., 288

Rothko, zit. nach Polcari 1991, 144

Newman 1990, 115

Ebd., 115/116

486

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Ebd., 115

alten Konstante der Natur, aber jetzt nicht mehr mit mimetischer Ambition, sondern mit der Ambition der Artikulation der sozialen und technischen Manipulation der Natur. Kunst bewegt sich zwangsläufig innerhalb der kulturellen Erzählung, welche Natur längst als kulturell überformt interpretiert. Zwar sollte sich Kunst von allzu vordergründigen polit-propagandistischen und ökonomischen Funktionalisierungen frei halten, eine Interesselosigkeit und Zwecklosigkeit im besten Sinne würden der Kunst aber in letzter Konsequenz ihr ureigenstes Aufgabengebiet der Deutung von Welt berauben. Weniger problematisch ist, dass Kunst ihre Form jeweils auch aus der Selbstbezüglichkeit des Formenrepertoires gewinnen kann. Der Künstler müsse sich für seine zu transportierenden Inhalte »notgedrungen [sic!; BB] abstrakter Symbole bedienen, Symbole, die er aus der reinen Sprache, die die Malerei heute ist, holt.«

2.6. Die Vielfalt der Künste

III.2.6.2. V.2.1.f. VI.6.1.

VII.4.2.4.2.

Es versteht sich von selbst, dass wir es beim Parthenon von Iktinos und Kallikrates, beim Moses von Michelangelo, der Rüstem Pascha-Moschee von Sinan, der Aktion Ausfegen (1972) von Beuys, der Geschichte Piazza d’Italia von Antonio Tabucchi, der Regiearbeit am sogenannten Jahrhundertring von Patrice Chéreau 1976, der Choreographie Kreatur von Sasha Waltz (2017) und dem Musikstück UNK.RUFE. FUER FUENF OPTIMISTEN UND EINEM TENOR von Bertl Mütter mit sehr verschiedener Kunst und sehr verschiedenen Kunstwerken zu tun haben. Aus diesem Grund bemühte man sich von alters her, eine Ordnung in die Vielfalt der Künste zu bringen, denn seit der Antike traten nicht nur die einzelnen Künstler, sondern auch die verschiedenen Künste selbst miteinander in einen Wettstreit. Bereits im Hellenismus versuchte man eine Einteilung der Künste in freie, gemeine und solche, die mit geistiger oder physischer Arbeit verbunden sind. Die spätere, im frühen Mittelalter getroffene Unterscheidung zwischen artes liberales und artes mechanicae begleitete uns im historischen Überblick über viele Jahrhunderte. In der Renaissance wurden vor dieser Folie die Künste zu Wissenschaften, sodass sich der Künstler als Wissenschaftler von den Handwerkern emanzipieren konnte. In der Neuzeit unterschied Gotthold Ephraim Lessing Raum- und Zeitkünste. Während die Raumkünste statisch und starr sind, transportieren die Zeitkünste Handlungen und vermögen die Einbildungskraft eher in Bewegung zu setzen. Die bildenden Künste und die Architektur sind Raumkünste, Musik und Literatur, die sich erst im Verlauf einer Zeitspanne erschließen, Zeitkünste. Nach Johann Gottfried Herder erzeuge die Malerei ein Werk, während Musik und Dichtung energisch seien, sie entfalten eine Kraft auf die Seele. Selbst bei dieser auch in der Gegenwart gerne verwandten Einteilung zeigt sich, dass letztlich jede Diversifizierung zwangsläufig vergröbert. Zwar kann ich Produkte der Architektur, Bildhauerei und Malerei anfassen, sie teilweise sogar umhertragen, während ich kaum das Kunstwerk I due foscari von Giuseppe Verdi durch mein Haus trage, wenn ich die entsprechende CD in meinen CD-Player einlege. Andererseits lebt jedes Werk der Architektur und Bildhauerei nicht nur aus einem definierbaren Raum, es lebt auch vom Wechsel des Lichts im Verlauf des

487

Was ist Kunst

Tages und von der Zeit, welche die Betrachterin benötigt, um ein solches Kunstwerk ähnlich wie ein verdichtetes Stück Literatur »zu lesen«. Umgekehrt benötigt jedes Theaterstück für seine Wirkung einen Raum und schafft ein großes Orchesterwerk einen gewaltigen Klangraum, in den hinein es sich entfaltet. Raum und Zeit lassen sich demnach, wenn man genau zusieht, kaum an den Grenzen der Künste trennen. Richard Wagner stellte das für die Musik fest, wenn er dies in seinem Parsifal in die Zeile verdichtet: »Zum Raum wird hier die Zeit.« John Dewey, der von der Harmonie her denkt, kann nichts mit der Unterscheidung von Raum- und Zeitkünsten anfangen, weil Kunstwerke sich in harmonischen Systemen organisieren und bei ihnen der Raum- und Zeitaspekt immer mitgegeben ist. Dazu kommt, dass die Grenzen zwischen Musikwerk, Performance, Schauspiel und bildender Kunst manchmal verschwimmen: »Aber das ist kein Unglück, denn erstens sind diese Grenzen ohnehin noch nie wirklich scharf gewesen, und zweitens (und vor allem): Es gibt keinen triftigen Grund, eine scharfe Abgrenzung verschiedener Kunstgattungen anzustreben.« Man mag Maria Reicher darin Recht geben, trotzdem kommt man solchen Einteilungsversuchen nicht aus, wenn man sich für die Frage nach dem Kunstwerk interessiert. Und dabei tun sich gewiss genügend Schwierigkeiten auf: »Einige [Kunstwerke; BB] sind temporal, so wie Romane, Filme, Musik- und Theaterstücke, und nicht atemporal wie die meisten Statuen und Gemälde. Die meisten Gebäude sind singulär wie gemeißelte Statuen, und nicht multipel wie Romane und Symphonien.« Dazu kommt die Ausdehnung des Kunstwerkbegriffs auf Alltagsobjekte und Natur­ erscheinungen. Die Vereinigung verschiedener Künste in einem Kunstwerk, wie es bei der klassischen Oper und der zeitgenössischen Installations- und Performance­ kunst geschieht. Das macht differenziertere Vorschläge nötig, ganz zu schwiegen von den komplexen Fragen nach Original und Kopie. Je nach der interessierenden Fragestellung gibt es inzwischen passende Einteilungen der Künste. Eine grobe Unterteilung scheidet darstellende von den klassischen bildenden Künsten. Während die bildenden Künste Malerei, Bildhauerei und Architektur (die klassischerweise, wie schon in der Einleitung zu diesem Werk gesagt, zu den bildenden Künsten gezählt wird) scheinbar klar identifizierbare Künstler und physische Objekte aufweisen (wir werden bald sehen, dass in einer differenzierenden Analyse das nicht mehr klar und eindeutig bleibt), brauchen darstellende Künste Interpretinnen: Musik, Theater, Tanz, im Weiteren auch Performance und Happening, auch wenn es sich bei den Darstellerinnen in diesen Fällen meist um die Schöpferinnen der Kunstwerke handelt. Hier stellen sich Fragen nach dem Gegenstandscharakter der Kunstwerke und nach dem Stellenwert des Künstlersubjekts. Denn bei den darstellenden Künsten treten die Interpretinnen meist als eigenständige Künstlerinnen auf. Auf dem Cover des Tonträgers ist in aller Regel der Name der Pianistin, des Dirigenten und auch noch des Orchesters größer verzeichnet als jener des Komponisten eines Konzerts für Klavier und Orchester. Das hat natürlich keine kunstphilosophischen, sondern geschäftliche Ursachen. Verkauft wird eher eine Sängerin und ein Ensemble als der jeweilige Komponist. Nicht anders verhält es sich bei großen Schauspielern und Tänzerinnen. In der Oper fungieren neben dem Komponisten eine gan-

IX.3.2.2.

Reicher 2005, 113

Davies 1994, 42

darstellende und bildende Künste

3.5.1.

488

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Unikatkünste und Multiplikatkünste

Davies 1994, 47

autographische und allographische Künste

ze Reihe von anderen Künstlern: Dirigent, Orchester und Chor die Dramaturgin, Regisseurin, der Bühnenbildner, der bisweilen ein renommierter bildender Künstler sein kann, die Kostümbildnerin und andere. Viele dieser Genres, Regiearbeit oder Bühnenbild zum Beispiel, gelten als eigenständige Künste. Um diese angesprochenen Probleme leichter behandeln zu können, sprechen manche von transitorischen Künsten, die sie nochmals von sekundärtransitorischen Künsten unterscheiden. Bei jenen, etwa Schauspiel und Oper, liegen Partituren und Dramentexte vor. Sekundärtransitorische Kunstwerke wiederum sind eigenständige Interpretationen von transitorischen Werken, der Ring von Patrice Chéreau beispielsweise. Vor allem, wenn es um die physische Existenz von Kunstwerken, um Originalität und Kopie oder Fälschung geht, bewährt sich die Unterscheidung in Unikatkünste und Multiplikatkünste. Zu den Unikatkünsten werden die klassischen bildenden Künste gezählt. Sie treten uns in Gestalt jeweils eines (physischen) Kunstwerks gegenüber. Das gilt auch dann, wenn ein Künstler mehrere Versionen eines bestimmten Kunstwerks anfertigt. Und es gilt auch dann, wenn, wie bei der Architektur, mit dem Bauplan eine Notation vorliegt, die eine mehrfache Umsetzung ermöglicht. Solches kommt bei Supermärkten oder Bahnstationen nicht selten vor, trotzdem bleibt der einzelne Supermarkt meist durch landschaftliche Vorgaben, die Anbindung an die Straße, durch variable Größe etc. eine singuläre Angelegenheit. »Gebäude sind nicht nur an einem bestimmten physikalischen Ort, sondern auch in einem sozial-historischen ›Raum‹ situiert. Ihre Identität und einige ihrer ästhetisch relevanten Eigenschaften rühren von ihrer in dieser doppelten Hinsicht spezifischen Lage.« Bei Multiplikatkünsten wie Musik und Literatur sieht die Sache deutlich komplexer aus. Was ist das Kunstwerk im Fall der Missa Solemnis von Beethoven: der handschriftliche Originalautograph, die in hoher Zahl gedruckte Partitur, die Uraufführung, jede konkrete Aufführung, die vielen Tonträger oder das Hörerlebnis dieser? Bei Musik und Literatur (einschließlich dem Theater), Tanz, Film und unter gewissen Umständen auch Fotografie spricht man deshalb von Multiplikatkünsten. In einer schnellen Einschätzung könnte man vermuten, dass jede Kopie im Fall von Unikatkünsten eine Fälschung genannt werden müsste, während jede Kopie, sprich: Aufführung, im Fall von Multiplikatkünsten ein konkretes Ereignis (denn das Kunstwerk schlechthin ist eine konkrete Aufführung augenscheinlich nicht) des Kunstwerks Missa Solemnis wäre. Dass auch dies nicht ganz so einfach ist und sich weitere Fallstricke auftun, wird uns noch im Kapitel 3.5.1.5. beschäftigen. Um diese Fallstricke beherrschen zu können, schlug Nelson Goodman vor, die Künste in autographische und allographische einzuteilen. Autographische Künste entsprechen in der gerade getätigten Einteilung den Unikatkünsten. Solche Kunst kann nicht reproduziert werden, ohne die Authentizität des Werks in Mitleidenschaft zu ziehen. Jede Kopie eines Malewitsch-Quadrats (das als ein Werk von Malewitsch ausgegeben wird) ist eine Fälschung. Autographische Kunst baut auf das Original mit seiner Aura. Allographische Kunst entspricht weitgehend den Multiplikatkünsten. Es gibt eine bestimmte Information (Manuskript, Partitur), die beliebig reproduzierbar ist und die es ermöglicht, das Werk von unterschiedlichen Interpretinnen verwirk-

489

Was ist Kunst

lichen zu lassen, ohne dass es dabei aufhörte, als Werk identifizierbar zu sein. Nach dieser Überlegung gäbe es bei allographischen Künsten keine Fälschung. Jede neue Ausgabe von Dostojewskijs Die Brüder Karamasow ist eine erlaubte Erscheinung des originalen Kunstwerks, auch wenn es sich um eine Übersetzung handelt und wenn es in modernisierten Rechtschreibvarianten gedruckt wird. Diese Unterschiede in den Künsten haben bereits früh zu einem Streit um die Rangordnung der Künste geführt, wobei es immer auch um das Bestreben ging, eine Einheit der Künste zu vertreten, was vor allem in der Moderne eine schwierige Aufgabe geworden ist. 679 Ist Architektur Kunst? Fresko am Campo Santo; Pisa

2.6.1. Ist Architektur eine Kunst? Wer in Ephesos vor der Celsius-Bibliothek, in Istanbul vor dem frühen Meisterwerk Sinans, der Rüstem-Pascha-Moschee oder in Abu Dhabi vor Jean Nouvels Louvre Abu Dhabi (2017) steht, dem mag die als Überschrift für dieses Kapitel gewählte Frage seltsam erscheinen. Die Einteilung der Architekturgeschichte in Baustile und Schulen sowie die unzähligen Monografien über gefeierte Architekten lassen wenig Zweifel aufkommen, dass wir es bei der Architektur mit einer Kunst zu tun haben. Auch die meisten Künstler und Architekten hegten und hegen daran nicht den geringsten Zweifel. Als 1845 John Ruskin auf dem Markusplatz Daguerreotypien von den Bauten Venedigs erwarb, ging er davon aus, dass Architekten »die Fähigkeiten zum skulpturalen Entwerfen« auch an Fotografien lernen können. Und wer heute die Skyline von Doha in Katar genießt, wird kaum zögern, sie aus der Ferne mit einer Ansammlung von faszinierenden Skulpturen zu vergleichen. Der Vergleich der Architektur mit der Skulptur hat – neben jener von Architektur und Musik – ohnehin weit zurückreichende Referenzen. Doch es gab und gibt immer wieder Einwände zu dieser Gleichung Architektur = Kunst. Hermann Muthesius konstatierte am Beginn des 20. Jh.s: »Es herrscht heute wohl allgemeines Einverständnis darüber, dass von allen Künsten die Architektur die am wenigsten verstandene ist […]. Ja, man kann heute in Deutschland ernstlich darüber streiten hören, ob die Architektur überhaupt zu den Künsten gehöre, ob der Architekt ein Künstler sei oder nicht.« In der gegenwärtigen Diskussion ist der wenn nicht einzige, dann jedenfalls wichtigste Einwand, dass Architektinnen Zweck- und Funktionsinteressen folgen müssen: Wohnungsbau, Bau von Gebäuden für Industrie, Verwaltung, Infrastruktur, Massenveranstaltungen scheinen eher eine technische denn künstlerische Aufgabe zu sein. Diese Spannung, als zweckdienliches Unternehmen der Zweckfreiheit der Kunst diametral zu widersprechen, begleitete

Ruskin, zit. nach Kat. 2011b, 15

I.4.3.2.

Muthesius 1902, 7

490

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

I.4.3.

VIII.3.2.3.1.

die Architektur von ihrem Beginn an. Auch die Weichenstellung von der künstlerischen Akademiearchitektur zur Ingenieursausbildung, die eine Folge der sich im 19. Jh. abzeichnenden Präferenz von Bauten für Infrastruktur und Produktion war, erschließt sich aus diesem Horizont. Eine ausgewogene Sicht auf dieses Problem ist, dass Architektur nicht eo ipso eine Kunstform ist, dass es aber Werke der Architektur gibt, die Kunstwerke sind und dass diese Architektinnen als Schöpferinnen haben müssen. Die Behauptung ist schon deshalb nicht unvernünftig, weil sie für alle anderen Kunstgenres ebenso gilt. Schreiben an sich ist keine Kunstform und die allerwenigsten Schriftstücke sind Kunstwerke. Das ist beim Malen, Töpfern, Tanzen, Musikmachen, Fotografieren nicht anders. Es hängt also vom Einsatz der Mittel und von der jeweiligen Intention ab, ob Menschen aus Schreiben, Tanzen, Bauen Kunstwerke machen wollen. Die Frage, was sie tatsächlich zu Kunstwerken macht, ist – wie dieser Abschnitt zeigt – eine nochmals ganz andere Geschichte. Ob man nun im Hinblick auf solche Fragenstellungen eine eigene Architekturphilosophie kreieren will, ist Geschmackssache. Ein solches Vorhaben entspricht vielleicht eher der Ambition eines vollständigen, alle Themenbereiche abdeckenden Diskurses auf dem Campus von Architekturfakultäten. Denn es geht dabei um Fragen, die in analoger Weise zur Kunst ganz allgemein abgehandelt werden: Was macht ein Bauwerk zu einem Kunstwerk? Was bedeutet Ästhetik im Zusammenhang von Bauwerken? Gibt es eine Ethik der Architektur und vieles andere mehr. Dazu kommt, dass in zahlreichen gegenwärtigen Abhandlungen zum Thema kaum ein Unterschied zwischen Architekturphilosophie und Architekturtheorie gemacht wird. Unter diesen Titeln wird alles Mögliche zusammengefasst, was nicht ausdrückliche Architekturgeschichte auf der einen und Architekturkritik auf der anderen Seite ist. In der Regel werden unter Architekturphilosophie allgemeinere Fragestellungen subsumiert als unter Architekturtheorie, die häufig mit Stilen und Schulen operiert, als Grundlage weiterer Erörterungen – immer gedacht als leitende Theorien für die Praxis des Bauens. Viele dieser Fragen wurden und werden in den Kapiteln dieses Abschnitts behandelt, stets mit gleichberechtigtem Blick auf die Architektur. Zudem wurden im historischen Teil architekturphilosophische Positionen vorgestellt und damit die in der Geschichte wirkmächtigsten Autoren dazu erwähnt. Dabei wurde auch klar, dass man bei jeder Vertiefung des Themas die Differenzierung der Architektur, Innen-, Landschafts-, Hochbau-, Städtebauarchitektur, noch einmal eigens berücksichtigen müsste. An dieser Stelle sei daher nur schlaglichtartig auf die spezifische Diskussion um Architektur als Kunst eingegangen. Wenn man diese Frage angeht, sticht zunächst die Eigenart hervor, dass der zugehörige Künstler, also die Architektin, anders als eine Malerin oder ein Bildhauer, aber ähnlich einem Komponisten, bloß eine Notation, den Bauplan, schafft, nach dem andere, die (anders als bei der Aufführung von Musik- und Theaterstücken) nicht als Künstler gelten, das »Kunstwerk« – meist in nur einfacher Ausführung und nicht in vielen »Aufführungen« – herstellen. Hier greifen die Theorien, die entweder im materiellen Bauwerk oder im geistigen Konzept das eigentliche Kunstwerk sehen,

491

Was ist Kunst

etwas, das auch in der Architektur durchaus umstritten ist. Es wurde oben bereits darauf hingewiesen, dass die kreative Ambition von Architektinnen sich durchaus in Entwürfen erschöpfen kann und eine Realisierung, die Techniker und Bauprofis durchführen, nicht zwingend zur Reputation notwendig ist. Zaha Hadid war bereits eine gefeierte und mit Preisen ausgezeichnete Architektin, Gewinnerin etlicher Ausschreibungen, noch ehe sie auch nur ein Gebäude realisiert hatte. An ihrem künstlerischen Anspruch bestand nie der geringste Zweifel. Hadid ist auch ein Beispiel für das inzwischen zur Selbstverständlichkeit gewordene Faktum, dass Architektur als Kunst keineswegs nur klassische Gebäude umfasst, sondern auch Zweckbauten wie Feuerwehrhäuser, Sportstadien, Skisprungschanzen, Bahnstationen, Brücken. Derart haben im 20. Jh. die Künstlerarchitektinnen und Ingenieure wieder zueinander gefunden. Die Komplexität der zeitgenössischen Baupraxis verlangt geradezu eine umfangreiche Teamarbeit zur Realisierung der Aufgabe. Alle diese Bauwerke erfüllen jedenfalls eine bestimmte Funktion und sind mit einer gewissen Dauerhaftigkeit für einen längeren Gebrauch ausgerichtet. Künstlerisch ambitionierte Architekten überschreiten diese Grenze bisweilen und experimentieren mit temporären und kaum nutzbaren Objekten. Das begann mit Prunkschiffen und Festzelten im Hellenismus, war so in der sogenannten Revolutionsarchitektur, im Futurismus, russischen Konstruktivismus und bei manchen in ihrer Kreativität überschäumenden Proponenten, die von laufenden Städten träumten und die Alpen mit einem Glasdach bedecken wollten. Es mündet in der Gegenwart in Wände und Kapitelle aus Licht bei Axel Schultes und in Gebäude aus Wasser und Staub und Räume aus Klängen, wie sie vom österreichischen Künstler Bernhard Leitner gestaltet werden. Bei der Fülle der Materialien war noch immer das Licht der beliebteste »Baustoff« der Architekturgeschichte. Wir verfolgten eine Lichtarchitektur vom Grab-Tempel der Hatschepsut über die anagogischen Lichträume der frühchristlichen Kirchen bis zur Lichtarchitektur der Gotik und des Barock. Die Künstler-Architektin braucht zur Gestaltung ihres Kunstwerks eine Reihe von Kenntnissen, angefangen von solchen über die zahlreichen Materialien, über Fragen statischer Möglichkeiten, bis hin zu Kenntnissen historischer Motive und der Beachtung der topographischen Gegebenheiten sowie der Funktionen des Bauwerks. Grundsätzlich lässt sich das durchaus mit den Rahmenbedingungen eines bildenden Künstlers im engeren Sinn vergleichen. Denn es geht bei der Architektur nicht einfach nur um den ästhetischen Mehrwert eines Gebäudes, sondern um das Kreieren von Zeichen und Symbolen, eigentlich um Anthropologie. Die existenzielle Notwendigkeit der Architektur als Klimahülle »geht immer schon einher mit dem Bauen als Bedeutungsträger im gesellschaftlichen Raum. Bauten sind nicht nur Volumina, sondern Symbole. Sie dienen dem Leben, aber auch der Ausdeutung.« Architektur machen bedeutet nichts Geringeres als »to interpret a landscape, a city.« Wenn wir die Frage traktieren wollen, was Bauwerke zu Kunstwerken macht, münden wir in jene allgemeinen Antworten auf die Frage, was Gegenstände zu Kunstwerken macht. Nun hat man solche Antworten auf die Architektur hin zugespitzt. Vier von ihnen seien an dieser Stelle herausgegriffen: Demnach müssten (1)

3.5.1.1.f.

IX.6.1.

III.2.5.4.

IX.2.2.8./IX.3.9.1. II.2.5.

Matzig 2018 Harries 2017, 73

492

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

680 Zweckbau oder Kunstwerk? Celsius-­ Bibliothek in Ephesos

Scruton 1979, 67

Ebd., 67/87

Ebd., 89f

1.2.1.

Bauwerke eine ästhetische Erfahrung ermöglichen, (2) als Symbol fungieren, (3) in Form und Funktion übereinstimmen oder (4) ihnen müsse eine (künstlerische) Intention der Schöpferin zugrunde liegen. Alle diese Vorschläge werden in ihren Stärken und Schwächen in den entsprechenden Kapiteln dieses Abschnitts (im Hinblick auf Allgemeinheit eines Kunstwerks) diskutiert, dennoch seien sie hier in ihrer speziellen Relevanz für die Architektur zusammengefasst: (ad 1) Auch in diesem Genre ist die vermutlich eleganteste Lösung der Frage die ästhetische Erfahrung. Ebenso wie Objekte der Natur kann ein Gebäude eine ästhetische Erfahrung auslösen oder eben nicht. Die komplexen Fragen: »Ist Architektur Kunst?« und »Ist ein Gebäude ein Kunstwerk?«, die nach all dem, was in den Kapiteln dieses Abschnitts besprochen wird, ohnehin nicht befriedigend beantwortet werden können, erübrigen sich dann. Was aber ist ästhetische Erfahrung in der Architektur? Nicht ganz überzeugend schlägt Roger Scruton vor, zwischen Architektur und anderen Künsten einen Unterschied in der Art der ästhetischen Erfahrung zu machen. Scruton, der dem alten Klassizismus mit mehr Sympathie begegnet als der Moderne, hebt speziell für die Architektur ab auf den Genuss, den Bauwerke bei der Betrachterin auslösen: »Die Aufgabe des Architekten besteht folglich darin, etwas zu erschaffen, was angenehm anzuschauen ist und gleichzeitig eine bestimmte Funktion erfüllt.« Um ein Werk der Architektur von einem anderen Gegenstand zu unterscheiden, hebt Scruton ästhetischen Genuss (in der Architekturbetrachtung) von sinnlichem Genuss ab: »Ästhetischer Genuss ist nicht so unmittelbar wie sinnlicher Genuss, sondern von gedanklichen Vorgängen abhängig und beeinflusst.« Er stützt seine Meinung auf eine ausführliche Analyse der Wahrnehmung und sieht in der Architekturbetrachtung stets eine Erfahrung mit einem gewissen rationalen Charakter, insofern »man Gründe für oder gegen eine bestimmte Sichtweise angeben kann […].« Letztlich münde kunstphilosophisch der Blick auf die Architektur als Kunst in eine ästhetische Wahrnehmung, die imaginativ im Sinne der Einbildungskraft Kants sei. In der spezifischen Beschreibung der Wahrnehmung greift Scruton auf ein phänomenologisches Register zurück: »Wir hören Bauwerken auch zu, lauschen den Echos, dem Gemurmel, der Stille, und all das kann zu unserem Gesamteindruck beitragen. […] Man kann also viel mehr sehen, wenn das Ziel der Wahrnehmung nicht auf ein bloßes Erfassen beschränkt ist, sondern ohne Einschränkung jede Schöpfung der Einbildungskraft umfasst!« Scruton verschränkt mit seiner Wahrnehmungsästhetik in gewisser Weise die Konzepte von Gernot Böhme und Nelson Goodman. Gernot Böhme sieht im Sinne seiner Atmosphären-Ästhetik in der Architektur den Umgang mit dem Raum. Für ihn ist Architektur nicht primär eine visuelle Kunst (erst der Zwang, Bauwerke abbilden zu müssen, um sie weltweit zu kommunizieren, macht sie zu einer solchen), sondern eine Kunst des Raums, wodurch eine

493

Was ist Kunst

ästhetische Erfahrung möglich ist. Raum als das, »worin Körper ihre Lage finden und durch das hindurch sich Körper bewegen.« Raum aber kann man nicht sehen, sondern nur spüren. »Wir spüren, was das für ein Raum ist, der uns umgibt. Wir spüren seine Atmosphäre.« Daher setze das Erfahren von Architektur die leibliche Anwesenheit und vice versa ein materielles Bauwerk voraus. Architektur erschöpft sich demnach nicht in einem Bauplan oder einer Werkskizze. Für Christian Norberg-Schulz, der vor allem die Symbolisierungsleistung der Architektur beschreibt, hat Architektur gerade deswegen »mit existentiellen Sinngehalten zu tun.« Das ist ein Ansatz, den Böhme ausdrücklich aufgreift. Auch für Hans Georg Gadamer erschließt sich Architektur nur im körperlichen Erleben: »Da muß man hingehen und hineingehen, da muß man heraustreten, da muß man herumgehen […]« Auf ähnliche haptische und synästhetische Erfahrungen als Elemente der ästhetischen Erfahrung in der Architektur berufen sich im Gefolge Merleau-Pontys Fred Rush (On Architecture; 2009) und Juhani Pallasmaa (The Eyes of the Skin. Architecture and the Senses; 2005), und auch Nelson Goodman sind solche Anmutungen nicht fremd. Wenn das so ist, nähert sich Architektur geradezu einer Performance- oder zumindest einer darstellenden Kunst an. Dann hätte Reinold Schmücker Recht, wenn er Architektur als allographische Kunst bezeichnet. (ad 2) Nach Nelson Goodman ist – analog zu seiner Kunstwerk-Beschreibung – ein Bauwerk dann ein Kunstwerk, wenn es symbolisiert und dabei Merkmale von Denotation, Exemplifikation, des Ausdrucks und der Anspielung aufweist. Er fasst Architektur als ein Zeichensystem auf. In der Spezifizierung dessen, was Bedeuten meint, ist Nelson Goodman von einem Verständnis, wie es bei Böhme beschrieben wird, nicht weit entfernt. Wahrnehmen von Architektur ist auch für ihn eine »heterogene[n] Ansammlung visueller und kinästhetischer Erfahrungen […] Ansichten aus unterschiedlichen Entfernungen und Winkeln, Herumgehen im Innern, Treppensteigen und den Hals verrenken, Fotografien, Miniaturmodelle, Skizzen, Pläne und tatsächliche Nutzung.« Als Zeichensystem ist Architektur ebenso weit für Bedeutungen offen wie jeder Text. Ebenso wie für Texte kann man auch für die Architektur verschiedene Symbol- und Zeichenwelten ausfindig machen. Man kann beispielsweise beim Symbol eine »strukturelle Ähnlichkeit« des Bedeuteten mit der Bedeutung sehen (die Form der Elbphilharmonie folgt der musikalischen Melodie oder der Meereswelle), man kann das Symbol konventionell interpretieren (ein Museum als Schachtel für den Inhalt) oder man kann das Symbol singulär sehen (Libeskinds Jüdisches Museum in Berlin). (ad 3) Wenn man die drei Kriterien Vitruvs, Festigkeit, Bequemlichkeit, Schönheit in Erinnerung ruft, passen diese scheinbar nur ausschnittsweise auf andere Künste. Insbesondere die Bequemlichkeit (utilitas) ist als das, was man Funktionalität und Bewohnbarkeit nennt, ein Grundpfeiler der Architektur und scheint für keine andere Kunst zu gelten. Wenn Stephen Davies versuchte, Architektur durch Ähnlichkeiten und Unterschiede zu anderen Künsten zu beschreiben, scheint sich daher die Kategorie der utilitas besonders zu eignen. Aber in der Frage von Form und Funktion, die in der Entstehung der modernen Architektur eine große Rolle

Böhme 2006a, 105ff Böhme 2006b, 101 Böhme 2006b, 98

Norberg-Schulz 1979, 5 Böhme 2006a, 149f

Gadamer 1974, 135f IX.3.5.2.

3.5.1.5. 2.5./2.8./IX.3.9.2.

Goodman 1988, 137

Dreyer 2017, 35ff III.3.4.3.

494

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

3.2.

IV.6.2.2

VI.7.2.

VIII.3.2.1.1./ VIII.3.2.3.2.1./ VIII.9.2.3.3.

IX.3.2.3.

spielte, gibt es verschiedene ästhetische und funktionalistische Zugänge. Manche Theoretiker (Roger Scruton, Edward Winters) schließen die praktische Funktion bei der Betrachtung von Architektur aus und achten allein auf die ästhetische Form. Für andere muss ein Bauwerk seine Funktion auch ausdrücken (Gordon Graham) oder erfüllen (Glen Parsons, Allen Carlson). (ad 4) Auch bei der Frage nach der Intention bleibt, wie bei Kunstwerken ganz generell, vieles unklar. Wollten Anthemios von Tralleis und Isidor von Milet beim Bau der Hagia Sophia eine funktionale Kirche bauen oder hatten sie die Ambition, ein Kunstwerk zu realisieren? Oder waren die beiden Architekten ohnehin nur ausführende Organe des Kaisers? Dann müsste man die Frage weiter ausdehnen: Welche Intention verfolgte Justinian mit diesem Prachtbau? Freilich gelten solche Überlegungen genauso für die bildende Kunst. Vermutlich sollte die Ikone in der Absicht ihrer Schöpfer ein Medium der Gotteserfahrung sein und weder ein Bild noch ein Kunstwerk. Noch schwieriger wird es mit Blick darauf, wie sich die Errichtung eines Bauwerks über Jahrhunderte hinzog und viele Auftraggeber, Architekten, Künstler und diverse Gremien, die wichtige Grundsatzentscheidungen trafen, beteiligt waren. Als Beispiele dafür eignen sich der Bau der Petersbasilika in Rom oder des Mailänder Doms, wo die zuständigen Gremien über den zureichenden Baustil, Gotik oder Renaissance, stritten. Man kann solche Gremien und Entscheide vergleichen mit dem Corpus von Bauvorschriften, welche bei der Kunstform Architektur die Charakteristika Freiheit und Interesselosigkeit doch weitgehend einschränken. Unter diesem Gesichtspunkt gibt es wenig Zweifel, dass sich Architektur von den anderen Künsten unterscheidet, auch wenn mancher Bildhauer sich bei Auftragsarbeiten mit ähnlichen Beschränkungen konfrontiert sieht. Im historischen Teil wurde sichtbar, dass Architektur in der Geschichte immer wieder eine ethische und moralische Komponente hatte. Beispiele sind die Auseinandersetzung um Längs- und Rundform oder der Streit um Regel und Regellosigkeit. Sie finden sich auch in Pugins Verehrung der Gotik und Ruskins moralischer Auszeichnung der Handarbeit und reichen bis zu Loos’ massiver Gleichsetzung von Ornament und Verbrechen. Für den Architekturhistoriker Geoffrey Scott waren das alles Trugschlüsse (fallacies), vor denen er in The Architecture of Humanism. A Study in the History of Taste (1914) eindringlich warnte, denn sie führen die Architektur in die Irre: romantic, mechanical, ethical und biological fallacy. Damit hatte er die romantischen Naturund Mittelalterdiskurse (John Ruskin) ebenso im Visier wie den Funktionalismus dort, wo das Ergebnis mechanischer Gesetzmäßigkeiten bereits als Architektur gilt. Ebenso abwegig erschienen ihm die Projektion von Moralvorstellungen und Narrativen von biologischem Wachstum und Absterben auf Architekturstile. Scott bekannte sich zu Lipps’ Einfühlungstheorie und plädierte für eine Architektur, die sich nicht von außerarchitektonischen Kriterien bestimmen lässt, sondern von den Kategorien Lipps’: Masse, Raum, Linie, Kohärenz, Kategorien, die sich (daher sein Titel) vor allem in der Antike und Renaissance finden. Insofern vertrat Scott eine bemerkenswerte und ziemlich singuläre kunstphilosophische Position. »Scott’s Buch beinhal-

495

Was ist Kunst

tet daher nicht nur eine tiefgreifende Kritik an fast allen architekturtheoretischen Positionen des 19. Jahrhunderts, sondern antizipiert entscheidende Einwendungen gegen die Theorien der ›Moderne‹.« Auf der Basis, dass zumindest einige Werke der Architektur Kunstwerke sind, kann man die Frage nach der Architektur als Kunst in ähnlichem Sinn bejahen, wie dies für alle anderen Kunstgenres gilt, und damit die weitere Systematik gemeinsam mit den allgemeinen Fragen nach der Kunst behandeln.

Kruft 1985, 396

2.6.2. Die Rangordnung der Künste Der in Kapitel 2.6. angesprochene Paragone der Künste gehört als ihr lebendiges Elixier zentral zu ihrer Geschichte. Dabei hat die Entstehungsgeschichte der Kunst noch am wenigsten Einfluss auf den Verlauf des Paragone. Man darf davon ausgehen, dass bildende Kunst, Architektur und Musik am Anfang der Künste standen. Die Rangordnung der Künste ist indes nicht aus der Genese, sondern aus gesellschaftlichen Zusammenhängen und den konstruierten kulturellen Erzählungen erklärbar. Diese entschieden darüber, ob man das Hören oder das Sehen als höherwertig einschätzte und ob zwischen den Künsten eher ein integratives oder konfrontatives Klima herrschte. Es gibt in dieser Frage keine »Entwicklung«, sondern die Reihenfolge variiert bis heute, je nach kulturgeprägtem Blick auf die Künste. Die antike, von Plutarch dem Simonides von Keos zugeschriebene Losung ut pictura poesis war integrativ und hob auf die gemeinsamen Ausdrucksmöglichkeiten der Künste ab. Nicht erst Goethe beendete mit Blick auf Lessing in Dichtung und Wahrheit diese großzügige Gleichwertigkeit von Malerei und Literatur: »Das so lange mißverstandene ut pictura poesis war auf einmal beseitigt, der Unterschied der bildenden und Redekünste klar, die Gipfel beider erschienen nun getrennt, wie nah ihre Basen auch zusammenstoßen mochten.« Blühte in der Antike noch der Künstlerwettstreit innerhalb eines bestimmten Kunstgenres und zwischen den Genres, haben wir kaum Kenntnisse von einem solchen Ringen im Mittelalter, was angesichts der damaligen Stellung der Künstler kaum überrascht. Die Aufwertung der Handwerkskünste oder angewandten Künste erfolgte bis ins 19. Jh. mit Jugendstil, Arts and Crafts Movement und deutschem Werkbund. Das eindrucksvollste Kapitel eines neuen Wettbewerbs der Künste, bei dem auch die Künstler um ihre soziale Stellung rangen, schrieb die Renaissance. Die Künstlerpersönlichkeit fand erst in der aufbrechenden Neuzeit die passende Metaerzählung des Humanismus, um sich aus dem Handwerker-Status des Mittelalters zu emanzipieren. Der Renaissance-Humanismus schloss an die Kultur der Antike an und begann mit der Verehrung der klassischen antiken Literatur. Cristoforo Landino hob diese über alle anderen freien Künste hinaus. Doch die bildenden Künstler fundierten ihre Tätigkeit durch Wissenschaftlichkeit. Auch wenn manche Praktiker wie Michelangelo darüber spöttelten, eroberten sich die Künstler innerhalb einer Generation eine führende Stellung. Wog man am Anfang noch ab, dass die Malerei dem Betrachter ein Ganzes im Sinne der Gleichzeitigkeit aller Teile darzubieten vermöge, während die Literatur Bewegung und Unsichtbares in der Sprache darstelle, wurde

III.3.4.2.

Goethe 1811–1814, Bd. 12, 350

VIII.3.2.3.2.3./­ VIII.9.2.3.2.f.

VI.3.0. VI.4.1.–VI.4.1.3. VI.6.4.3.

496

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

VI.4.1.3.

VII.2.2.1.

VII.4.2.2.

VI.7.3.4.

VI.7.1.

der Anspruch bald unbescheidener. Die Malerei zeige uns – so Leonardo – die Schöpfung Gottes, die Literatur sei hingegen reine Erfindung. Das sahen noch die empirisch orientierten Enzyklopädisten so, nämlich, dass die Malerei die Seele durch die Sinne unmittelbarer zu berühren vermöge als die Dichtung. Die Literatur sei zudem an eine zeitliche Abfolge gebunden, vergänglich und ermüdend. In der 1563 in Florenz gegründeten Accademia del Disegno sollten die drei »Töchter« des (»Vaters«) disegno, Malerei, Bildhauerei und Architektur, unterrichtet werden. Der Paragone gegen die Literatur war gewonnen. Medienphilosophisch betrachtet könnte man in der im Schoß der mittelalterlichen Hörkultur wurzelnden Buchkunst eine Unterstützung des Visuellen sehen. Insofern hätte ausgerechnet die Entwicklung des Buches, auch noch des gedruckten Buches, den Aufstieg des bildenden Künstlers gegenüber der anfänglichen Dominanz des Dichters gefördert. In der weiteren Geschichte wurde der Wettbewerb zwischen Dichtung und bildender Kunst immer wieder aufgegriffen. Moses Mendelssohn reihte die Dichtkunst unter die belles lettres. Sie geht mit Sprache und Allegorie, mit willkürlichen oder »künstlichen« Zeichen um, denen eine schwächere Wirkung zukomme (sekundäres Zeichensystem) als sinnlichen oder natürlichen Zeichen. Dafür ist sie freier als die übrigen Künste, die auf das Sinnliche, auf Formen, Farben und Töne, eingeschränkt sind. Demgegenüber setzte Roger de Piles die Malerei vor die Dichtung, weil die Malerei universell sei, während die Dichtung die Kenntnis der jeweiligen Sprache voraussetze. Zudem sei die Malerei sofort verständlich, während das bei der Dichtung einen längeren zeitlichen Prozess verlange. Innerhalb der bildenden Künste wiederum setzte sich in der Renaissance die Malerei vor die Bildhauerei, die als schweißtreibend und (wegen der Nähe zur Materie) als geistlos galt. Das disegno, also das Geistige (oder wie in 3.5.1.2. übersetzt: das mentale Konzept), hatte eine Mutter und diese war nach Palladio die Geometrie, die wiederum als Kern der Architektur verstanden wurde. Da Geometrie mathematischer Ausdruck der Harmonie war, gab es einen Wettbewerb zwischen Architektur und Musik, den die Musik bei Giacomo Barozzi da Vignola oder bei Gioseffo Zarlino gewann. Eine wichtige Scheide für das Ansehen der Kunst verlief demnach zwischen dem Geistigen und Materiellen – in abgeschwächter Form zwischen der Form und der Farbe (disegno-colorire), zwischen den »Wissenschaftler-Künstlern« in Florenz und den emotional-intuitiven Kollegen in Venedig. Dies hatte seine Nachwirkung noch im 20. Jh. in der vergleichbaren Front zwischen Minimalismus und Gegenstandslosigkeit auf der einen und Informel und Performance- und Körperkunst auf der anderen Seite. Aber dieser Frontverlauf mit der Dichotomie von Platonismus und Aristotelismus im Hintergrund war instabil, denn augenscheinlich ist die Literatur geistiger als das Auftragen von Farbe auf eine Leinwand oder das Bearbeiten eines Marmorblocks. Hegels Bevorzugung des Geistigen gegenüber dem Materiellen brachte ihn deshalb zu einer klaren Rangordnung: An erster Stelle standen für ihn die geistigen Genres von Literatur und Musik, weit über der materiebestimmten Architektur. Aber Hegel ging schließlich davon aus, dass das Geistige das Materielle

497

Was ist Kunst

zu seiner Erscheinung benötige. Er schätzte Winckelmanns Idealisierung und sah in der Bildhauerkunst die ideale Ergänzung von materieller Form und geistigem Inhalt. Eine Geist-Materie-Dichotomie ließ sich nämlich mühelos mit Berufung auf eine solche Idealisierung der Antike durchbrechen. Denn was war geistvoller als eine idea­lisierte Regel? Goethe stellte aus solchem Kontext die Bildhauerei vor die Malerei, weil sie die Natur (nach ihrem klassizistischen Ideal!) durch ihre Dreidimensionalität besser nachahmen könne. Auch Théophile Gautier war aus denselben Gründen dieser Meinung. Die schweißtreibende, schmutzige Bildhauerei war über die Idealisierung des Klassizismus (also über die Form) zur geistvollsten Kunst geworden. Die zeitgenössische Skulptur knüpft in weiten Bereichen genau dort an. Nach Clement Greenberg ist die mimetische Ambition, die der Bildhauerei viele Jahrhunderte lang die Kennzeichnung eingetragen habe, dass die Abbildung der dreidimensionalen Natur in ein entsprechendes Medium weniger Abstraktionsvermögen benötige als die Arbeit an der Leinwand, heute obsolet, weil sich die Bildhauerei längst von der mimetischen Naturabbildung befreit habe. Sie sei heute eine »Skulptur als Zeichnung im Raum und als Einschließung von Raum, die sich nicht mehr auf die kompakte Masse und auf Menschen- und Tierformen beschränkt.« Vor solchem Hintergrund hat Clement Greenberg in seinem engagierten Eintreten für die Selbstreferentialität der Kunst die Skulptur innerhalb der bildenden Kunst wieder in den Vordergrund gerückt, deren aktuelle Veränderung »ihr nun offenbar ein größeres Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten für die moderne Sensibilität verleiht, als es die Malerei gegenwärtig besitzt.« / »Die neue Skulptur ist auch, was nach dem eben Gesagten klar sein sollte, von den Anforderungen der nachahmenden Darstellung befreit. Und genau hierin liegt, hinsichtlich der Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten, ihr Vorteil gegenüber der modernen Malerei.« Entgegen der Trennung bei Greenberg, gehen in der zeitgenössischen Skulptur, die man besser als dreidimensionale Assemblage oder als Plastik bezeichnet, faktisch Malerei und alte Skulptur ineinander. »Im Rahmen des mehrere Jahrhunderte andauernden Streits über den Vorrang von Malerei oder Skulptur und um die Abgrenzung zwischen diesen beiden Künsten wurde hier eine Kunstform gefunden, die endgültig beweist, daß eine solche kategorielle Ästhetik sinnlos ist.« Das reicht vom Kubismus über den Konstruktivismus bis zu Dada. Legt man der Kunst eine Zeichentheorie zugrunde, wie sie etwa du Bos eingeführt hat, stellt sich die Sachlage so dar: Die bildenden Künste, Architektur und Tanzkunst setzen Zeichen, die der Natur ähnlich, aber nicht mit ihr identisch sind. Das können Abbildungen ebenso sein wie Gebärden. Letztlich lassen sich auch Choreographen mit Bildhauern vergleichen. Sie haben eine Idee, welche die Tänzerinnen umsetzen. Daran arbeitet der Choreograph wie ein Bildhauer an seiner Skulptur.

VIII.5.3.2.1.

Greenberg 1949, 168

2.5.

Ebd., 167/170

Hohl Reinhold in SK IV, 147

498

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

2.6.3. Die Interaktion der Künste – ihre Einheit

Jones 2014, 159

Rothko, zit. nach Polcari 1991, 145

Giedion 1964b, 296

VII.3.4.

VI.7.1. IX.2.3.5.

Balmond 2013, 67

Der eben geschilderte Paragone der Künste, der eine Rangordnung der Künste zur Folge hatte und nicht selten ein Ausschließungskriterium für einzelne Künste war, entwickelte stets eine zentrifugale Kraft. Demgegenüber gab es aber ebenso von Anfang an eine gegenläufige, zentripetale Bewegung, die auf die Einheit der Künste abhob. Besonders die Architektur bündelte in aller Regel eine Reihe von Künsten. »The borderlines between architecture and other disciplines are more permeable than preconceptions tend to suggest.« Grundsätzlich begleitet die Künste ein scheinbar unproblematisches Sprechen, welches die einzelnen Kunstgenres miteinander vermischt, die eine mit der anderen erklärt. Man spricht vom Klangkörper und von Klangskulpturen, vom Lesen von Bildern, Schreiben von Ikonen, vom Rhythmus des Pinselstrichs, vom Klingen der Farben. Solche begriffliche Synästhesien sind seit dem 20. Jh. nicht selten zur Entzifferung abstrakter Kunst als nützlich erachtet worden. Für Piet Mondrians Umschlag abstrakter Bäume in den »Klang« eines Boogie-Woogie (Broadway Boogie Woogie; 1943) gilt dies ebenso wie für die synästhetische Malerei Kandinskys, zum Beispiel beim Zusammenwirken mehrere sinnlicher Erfahrungen in seinem Werk Der gelbe Klang von 1912. Mark Rothko, der selbst gerne Musik hörte, vornehmlich Mozart, sagte einmal: »I became a painter because I wanted to raise painting to the level of poignancy of music and poetry.« Dieses Reden zeugt von einer umstandslosen Voraussetzung einer Interaktion von Künsten. Auch in metaphysisch beschwerteren Zeiten als heute war eine solche Interaktion gängig. Sie bestand etwa – besonders häufig angewandt – zwischen Skulptur und Architektur und zwischen Musik und Architektur. Sigfried Giedion konstatierte für die Bauwerke in Deir el Bahari: »Die Synthese von Architektur und Plastik […] hat in Ägypten nichts ihresgleichen. Weder bedrängt die Architektur die Plastik, noch die Plastik die Architektur.« Die gemeinsame Basis von Architektur und Musik waren die Verhältnisse von Harmonie und Symmetrie, ein Thema, das in Antike, Mittelalter, Renaissance und Neuzeit gleichermaßen aktuell war. François Blondel »las«, ähnlich wie Bernardo Antonio Vittone und Charles-Etienne Briseux, die Fassaden Palladios von den musikalischen Konsonanzen her. Sein Cours war geradezu eine Abhandlung zu musikalischen Proportionen in der Architektur. Ein solcher Impuls ging von Architekten ebenso aus wie von Musiktheoretikern, die eine Überlegenheit der Musik über die Architektur konstatierten und versuchten, die Architektur durch Übernahme der musikalischen Proportionen ihr ebenbürtig zu machen. Noch Le Corbusier meinte nach dem Erlebnis der tanzenden nackten Josephine Baker, Bauwerke sollten einer Tänzerin gleichen. Der von Toyo Ito, Pritzker-Preisträger 2013, und Cecil Balmond entwickelte Serpentine Gallery Pavilion 2002 in London hat nicht nur einen hochkomplexen Algorithmus zur Grundlage, sondern verfolgte auch ein Crossover von architektonischer Struktur und musikalischem Rhythmus: »Different thicknesses give magnitudes to the vector lines differentiating structural needs and embedding rhythm.« Hinter

499

Was ist Kunst

Architektur, Ingenieurskunst und Musik wiederum steckt Mathematik: »Geometric algorithms are Balmond’s essential tool for generating form.« Abgesehen von solchen weitum akzeptierten Interaktionen gab es in der Geschichte, was die Einheit der Kunst betrifft, zwei widersprechende Ambitionen: In der Renaissance neigte man eher zur Trennung der Künste. Bei dem in VI.7.0. berichteten Zerwürfnis zwischen Brunelleschi und Donatello beim Bau der Alten Sakristei von San Lorenzo ging es darum, dass sich der Bildhauer dem Architekten unterzuordnen hatte. Noch konsequenter wurde die Malerei aus der Architektur ausgeschlossen, eine Sache, bei der Palladio schmerzliche Kompromisse eingehen musste, weil seine Auftraggeber eine Freskierung ihrer Landhäuser wünschten. Die Wände waren in der Renaissance als weiße Lichtflächen und nicht als Malgründe gedacht. Dieses Vorgehen galt als von der Antike »beglaubigt«. Demgegenüber hatten die liturgischen Feiern im Mittelalter sämtliche Sinne zu einem synästhetischen religiösen Theater verbunden. Allerdings blieb im Mittelalter die Skulptur lange an die Architektur gebunden, weil sich die Bildhauerei noch nicht als eigenständige und erlaubte Kunstform etabliert hatte. Die echte Synthese aller Kunstgattungen gelang schließlich im Barock. Damit war keine bloß additiv erzeugte Summe gemeint, sondern eine qualitative Synthese zu einem Gesamtkunstwerk. Im Schoß dieser Verbindung der Künste entstand in Italien (genauer um die Florentiner Camerata) um 1600 eine neue Kunstgattung, die Dichtung (Theater), Musik, Schauspiel, Tanz, Kostüm und Architektur (Bühnenbild) vereinte: die Oper. Inwieweit man dem Barock berechtigt eine Gesamtkunstwerks-Ambition unterstellt oder ob es sich dabei bloß um eine spätere Projektion handelt, wurde in den entsprechenden Kapiteln bereits diskutiert. Faktum ist jedenfalls, dass der Gedanke einer solchen Einheit der Künste bis weit ins 19. Jh. faszinierte. Er wurde von Hegel philosophisch und von Richard Wagner künstlerisch reaktiviert. Aufklärerische Geister fanden das barocke Gesamtkunstwerk suspekt und forderten dessen Auflösung – so etwa bei Lessing als Folge der neu gedachten Autonomie der Kunst, nach der sich die einzelnen Künste auf ihre jeweilige Eigenheit zu besinnen hätten. Noch kritischer wandten sich die Intellektuellen des 20. Jh.s gegen die alten Konzepte des Gesamtkunstwerks, jedenfalls überall dort, wo diese auf philosophischen Systemabsichten gründeten. Für Antisystematiker wie Theodor Adorno, Odo Marquard oder die Vertreter der Postmoderne war das nicht nur ein Abschied von metaphysischen Systemansprüchen, sondern es ging auch und vor allem um ein neues Kunstverständnis. Insofern verschärfte sich die Frage um die Einheit der Künste bereits im 19., vor allem aber im 20. Jh., in zumindest zweifacher Hinsicht: (1) Zum einen ging es um die Ausweitung des Kunstbegriffs auf Alltagsgegenstände und -ereignisse, was bereits mit dem Aufkommen von Fotografie und Film anhob und im 20. Jh. die bekannte Zuspitzung erfuhr. (2) Zum anderen kam in der Metadiskussion im 20. Jh. die Vorstellung von Autonomie und Selbstreferentialität der Kunst auf. Kunst sei nicht von umgebenden philosophischen und gesellschaftlichen Kontexten beeinflusst, sondern schöpfe ständig aus dem eigenen selbstgenerierten Formenvokabular.

Becker 2009

VI.7.2.

VI.7.3.4.

VII.1.5.1. VII.3.3.

500

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Erweiterung des Kunstbegriffs

681 Kathedrale, Titelblatt für das Bauhaus-Manifest von Lyonel Feininger (1919) Rebentisch 2013, 101f/117

Gropius, zit. nach Partsch 2002, 205

Wyss 2004, 46

IX.6.2.1.

(ad 1) Kunst begann im 20. Jh., auf Gegenstände des Alltags, auf Industrie- und Massenprodukte auszugreifen. Mit der Losung der Avantgarde von der Einheit von Kunst und Leben wurde die Unterscheidung von Raum- und Zeitkünsten sowie von Produktions- und Rezeptionsästhetik obsolet. Seitdem erleben wir die Aufhebung des Werkbegriffs in den Prozess und das Unscharf-Werden der Trennung zwischen Künstler und Rezipientin. Die Musik bezieht Alltagsgeräusche ein, die Architektur experimentiert – der reinen Form verpflichtet – mit utopischen, nicht realisierbaren Visionen. Die Kunst seit den Sechzigerjahren »springt mit der Inszenierung von Alltagsdingen (Readymades) oder der Inszenierung von Ideen (Konzeptkunst) ganz aus dem System der Künste heraus, sie montiert aufgefundene Elemente der weiteren visuellen Kultur mit traditionellen Darstellungsformen, sie bedient sich außerkünstlerisch genutzter Technologien, und sie stellt intermediale Hybride her, bei denen sich nicht mehr angeben lässt, welche der angespielten Gattungslogiken und korrespondierenden Sinne die jeweils dominanten sein sollen.« Dabei greift Kunst nicht einfach auf Gebiete der Nicht-Kunst aus, vielmehr bezieht sie sich auf eine Weise auf nicht-künstlerische Dimensionen der Lebenswelt, »die ihren Begriff mit betrifft.« Gerade diese Erweiterung des Kunstbegriffs führte allerdings zu einem erneuerten Konzept einer Einheit der Künste, das man freilich nicht mehr als Gesamtkunstwerk bezeichnet. Im 19. Jh. begann mit dem Arts and CraftsMovement im Schoß des Jugendstils der großangelegte Versuch, die bildenden Künste mit Handwerk und Architektur zu verbinden. Dies wurde zum Programm von Werkbund und Bauhaus, symbolisiert durch den Holzschnitt auf dem Deckblatt des Bauhaus-Manifests von Lyonel Feininger. Abgebildet war eine gotische Kathedrale, auf deren Turmspitze sich die drei Strahlen von Malerei, Skulptur und Architektur trafen. Walter Gropius schrieb 1919: »Wollen, erdenken, erschaffen wir gemeinsam den neuen Bau der Zukunft, der alles in einer Gestalt sein wird: Architektur und Plastik und Malerei, der aus Millionen Händen der Handwerker einst gen Himmel steigen wird als kristallenes Sinnbild eines neuen kommenden Glaubens.« Eine neue und ausdrücklich respektlose Form erreichte diese Verbindung der Künste in der Pop Art. »Im Zeitalter von Pop ist der Künstler nicht mehr ein Schöpfer von Werken, sondern ein Regisseur visueller, akustischer und taktiler Erfahrung.« Für die neueren Kunstrichtungen wie Surrealismus, Fluxus, Körperkunst, Medienkunst wurde anstelle des alten Begriffs Gesamtkunstwerk der Ausdruck Intermedialität vorgeschlagen. Eine völlig neue Qualität erreicht die Interaktion von Künsten bei den zeitgenössischen Trends in Kunst und Architektur, dem Sampling und Switching. Dabei werden verschiedene Codes, visuelle, semantische und akustische aus ihren alten Kontexten gelöst und in neuen Kontexten gemischt mit dem Ziel, durch hervorgerufene Irritationen neue Wahrnehmungen auszulösen. Mit dem Aufkommen dieser Techniken verstärkte sich die Diskussion um den Werkcharakter des erzielten Ergebnisses, der durchaus den analogen Diskussionen bei Montagen und Assemblagen entspricht. Grundsätzlich gilt, dass die Assemblage als eigenständiges Kunstwerk betrachtet werden will und nicht als eine Versammlung von Ursprungs-

501

Was ist Kunst

werken. Die Bedeutung der in dieser Weise erzielten Interaktion liegt nicht in der Summierung der verwandten Zitate, sondern die Montage (oder eben das Sampling) kommuniziert eine eigene künstlerische Absicht und Aussage. (ad 2) Die skizzierte Meinung, Kunst sei von jeder externen Beeinflussung abzuschotten, wie dies etwa Paul Veyne und in gewissem Sinn auch Clement Greenberg anmahnten, scheint im Lichte der in den vergangenen Kapiteln geschilderten Kulturgeschichte wenig überzeugend. Den meisten Autorinnen geht es freilich weniger um eine derart rigorose Position. Wenn sie eine solche Meinung teilen, tun sie das aus zwei Gründen: (a) Einmal lässt sich damit Terrain gewinnen im nicht einfachen Verhältnis von Mimesis und Expression. (b) Zum anderen diente diese erklärte Autonomie der Künste letztlich auch dazu, ein Abgrenzungskriterium von Kunst und Nicht-Kunst zu schaffen. Dieses Anliegen, jenseits der bloßen Faszination einer Einheit der Künste bloß ein Abgrenzungskriterium von Kunst und Nicht-Kunst, aber auch von bildender Kunst und anderen Künsten zu gewinnen, spukt ebenfalls durch die Ideengeschichte. Moses Mendelssohn versuchte in einer Abhandlung zu Kunstfragen (Über die Hauptgrundsätze der schönen Künste und Wissenschaften; 1757) im Gefolge der Wahrnehmungslehre John Lockes und anders als Charles Batteux, der die Gemeinsamkeit der Künste in ihrem Bestreben der Naturnachahmung sah, das Anliegen aller Künste im Streben der Seele zur Vervollkommnung zu sehen. Der Künstler muss zwangsläufig an die Stelle der unvollkommenen Natur die (vollkommene) Kunst setzen. Das geriet bei Mendelssohn, wie im letzten Kapitel kurz erwähnt, zu einer veritablen Zeichentheorie. Denn die bildende Kunst setzt Zeichen, die der Natur ähnlich, aber nicht mit ihr identisch sind. Zum Unterschied von der in dieser Hinsicht freieren Dichtkunst bleibe die bildende Kunst auf das Sinnliche, auf Formen, Farben und Töne, eingeschränkt. Auch wenn sich im Grunde genommen die Künste inhaltlich kaum plausibel voneinander separieren lassen, heißt das im Umkehrschluss freilich noch lange nicht, dass man eine wie immer geartete Einheit von Künsten, gleichsam die Kunst, darstellen kann. Auf sprachphilosophischer Ebene steht der Ausdruck Kunst immer in der Spannung mit den vielen Künsten. Die Kunst gibt es nur in den verschiedenen Optionen der Künste. Sie entwickeln eine Spannung aus der Bindung an das ästhetische Material und einer Eigendynamik interpretativer Prozesse. Das führt uns zurück zur bereits behandelten Frage nach der Kunst. Zu zeigen war ja nur, wie die Unterschiedlichkeit der Künste zum allgemeinen Begriff der Kunst steht. Die Frage nach der Kunst und den Künsten hat, wie wir sahen, intensiv mit der Frage nach dem Kunstwerk zu tun.

Autonomie der Künste

2.5.

2.2.2.

2.1.

Bertram 2005, 108

2.7. Kunst als ästhetische Kommunikation und das Verstehen von Kunst Theo van Doesburg verstand die Kunst als eine universelle Sprache. Mark Rothko beschrieb diesen prominenten Aspekt von Kunst, ihre kommunikative, mediale Funktion damit, dass Kunst eine Sprache sei, mit der man »something about the world« kommunizieren kann. Bei Robert Venturi sahen wir, wie er die Kommunikationsfähigkeit der funktionalistischen Architektur bezweifelte und eine »andere Sprache«

IX.2.2.9. Rothko, zit. nach Chave 1989, 37 IX.2.1.2.

502

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

IX.4.6.2. Moser 2011, 30

II.4.0.

Schmücker 1998, 272

682 Der Schriftzug Allah Ebd., 283

Adorno 1970, 167

3.1. Jackson 1998, 40

forderte, jene der Konsumkultur, die leichter verständlich sei. Es scheint in der Tat so, dass jedes Artefakt, »sobald man über das interesselose Wohlgefallen hinausgehen wollte, unendliche Geschwätzigkeit hervorruft.« Diese kommunikative Funktion von Kunst reicht zurück in ihren Beginn. Bereits die Eiszeitmaler kommunizierten ihr Weltbild durch ihre Werke, die Zikkurat hatten wir als »Massenmedium« kennen gelernt, der arabische Schriftzug (Allah) fungiert bis heute als beinahe magisches Logo, ähnlich wie das Bild des die Feinde schlagenden Pharaos auf den Pylonen der ägyptischen Tempel. Kunst lässt sich kommunikationstheoretisch begreifen und man könnte eine ganze Kunstgeschichte primär unter diesem Aspekt schreiben. Dabei geht nicht verloren, dass ein Kunstwerk eine Bedeutung hat, nicht in absolutem Sinn, aber auch nicht nur nach dem subjektiven Belieben einer Rezipientin: »Ein Kunstwerk bedeutet also etwas, ohne daß seine Bedeutung objektiv im Sinne eines Anzeichens, absolut im Sinne einer metaphysischen Wahrheit oder subjektiv im Sinne beliebiger Projektionen des Rezipienten genannt werden könnte.« Ein Kunstwerk kommuniziert also! Es tut dies nicht in einem strengen, sondern in einem weiten Sinn, weil Kunstwerke nicht so der Verständigung dienen wie eine begriffliche Sprache, auch wenn man Kunst in dieser Hinsicht manchmal sogar als erfolgreicher ansehen kann als so manche philosophische Bemühung mit einer konstruierten Idealsprache. »Kunstwerke sind demnach kommunikative Zeichen in einem ganz bestimmten Sinn: Sie repräsentieren nicht, sondern teilen etwas Bestimmtes in der eigentümlichen Weise mit, daß der, dem die Mitteilung gilt, weil er das Werk ästhetisch erfährt, lediglich mitgeteilt bekommt, daß ihm eine bestimmte Mitteilung gilt, ohne daß er deren Inhalt definitiv zu bestimmen vermöchte. Ebendarin liegt, wie mir scheint, das Wesen der Kunst.« Kommunikation durch die Kunst ist demnach die eine, Verstehen von Kunst eine andere Geschichte. Was fängt man nun mit einem solchen Zugang zur Kunst an, etwa angesichts der von Adorno formulierten Überzeugung: »[…] kein Kunstwerk ist in Kategorien der Kommunikation zu beschreiben und zu erklären.« Kommunikation erschien Adorno als zu trivial, um als Bestimmung von Kunst zu gelten, denn dies lässt keine produktive Dialektik von Wesen und Erscheinung zu: »Das Wesen, das in die Erscheinung übergeht und diese prägt, sprengt sie stets auch […].« Nun geht es nicht darum, die Kommunikationsthese zur einzigen Bestimmung von Kunst zu machen. Aber es ist schwer zu bestreiten, dass Kunst immer zumindest auch einen Anspruch auf Kommunikation hatte. Man kann den Kommunikationsbegriff an verschiedenen Kennzeichen von Kunst andocken. Am naheliegendsten erscheint hierzu, wie gerade gesehen, die Zeichenhaftigkeit der Kunst als Charakteristikum ihrer Offenheit. In der modernen Theoriediskussion setzt das Sprechen von der Kunst als Medium der Kommunikation eine rezeptionsästhetische Sichtweise voraus. Man kann auch die Expressionsseite der Kunst kommunikativ interpretieren. Ein physisches Objekt wird auf diese Weise »a mode of language, an organ of expression and communication.« Der Vorteil, die kommunikative Funktion der Kunst in den Mittelpunkt zu rücken, ist, dass man sich weniger in den Fallstricken von wahrheitsästhetischen Ansprüchen

‫ﷲ‬

503

Was ist Kunst

und in solchen einer isolierten Autonomie der Kunst verheddert. Dagegen lässt sich eine kommunikative Praxis ins Treffen führen, in welche Kunst eingemeindet ist. Die Bestimmung der Kommunikation als Kriterium für ein Kunstwerk gründet nicht zuletzt darauf, dass ein Kunstwerk für eine Rezeption bestimmt ist: »Ein Artefakt, das sich darin erschöpft, ausschließlich für seinen Produzenten von Bedeutung zu sein, ließe sich schwerlich ein Kunstwerk nennen.« Kunstwerke haben damit »im weitesten Sinne eine kommunikative Funktion.« Das scheint nun wiederum Stellas Programm »man sieht, was man sieht« zu widersprechen. Doch für Lars Mextorf drückt sich darin nichts weiter aus als die Ablehnung des alten Illusionismus und schließt eine kommunikative Funktion keineswegs aus. Deswegen lässt sich diese auch auf die zeitgenössische Skulptur anwenden, die keinen Binnenraum abbildet und keine anthropomorphe Form mehr zulässt. Gerade weil solche Kunst (manche sprechen von literalism) keine eigene Wirklichkeit mehr ausbildet, ist die Betrachterin auf die Realität der faktischen räumlichen Situation verwiesen. In Hinblick auf eine solche Situation wird für Mextorf die Ikonik Max Imdahls wieder interessant, interessanter sogar als die Ikonologie. Ging es dort um die Betrachtung der Kunstwerke in ihrer Einbettung in die Kontexte der Zeit und der Gesellschaft, konzentriert sich die Ikonik auf das individuelle Werk und die immer wieder aktualisierte Erfahrung damit. Sogar die alte Hermeneutik, die bei jedem Verstehen im Spiel ist, wird wieder geschätzt, wenngleich es heute eher um die Strategien der Kommunikation geht als um das Einlösen eines Verstehensaktes. Trotzdem verzichtet auch Mextorf nicht völlig auf die Einbettung in Kontexte: »Die Einbettung eines Werks in seinen historischen Kontext erfordert eine Rekonstruktion derjenigen kulturellen, sozialen und politischen Faktoren, von denen angenommen werden kann, daß sie zu dessen Entstehungszeit auf den von ihm ausgehenden kommunikativen Prozeß zwischen Produzent und Rezipient Einfluß hatten.« Letztlich verwahrt er sich damit gegen eine Ablösung der Kunstgeschichte von der Sozialgeschichte, also gegen die Vorstellung reiner Selbstreferentialität. Nimmt man einen größeren ideengeschichtlichen Rahmen, dann versteht man die Kommunikationstheorie der Kunst die Kunst als Erzählung, die von anderen Er­zählungen beeinflusst ist und neue Erzählungen generiert und wo aus Fiktionen Realitäten werden. So gesehen umfasst eine solche Theorie einen konstruktiven Aspekt. »Ein Gedicht, ein Gemälde und eine Klaviersonate können buchstäblich und metaphorisch manchmal dieselben Eigenschaften exemplifizieren; jedes dieser Werke kann mithin Wirkungen haben, die sein eigenes Medium transzendieren.« Kunst erzeugt in ihrer Kommunikation Welten, die weit über den Gehalt des jeweiligen Kunstwerks (wie immer man diesen wiederum definieren will) hinausreichen. Das ergibt sich bereits daraus, dass an die Stelle eines isolierten Bezugs von Subjekten zu Kunstgegenständen eine Interaktion mit den Betrachterinnen tritt. Kunst ist dann Teil eines Feldes sozialer Beziehungen. Freilich geht es jetzt nicht mehr um die Ambition einer neuen utopischen Gesellschaftsordnung, sondern um einen »postutopischen« temporären Gemeinschaftsbegriff. Es geht um das, was Nicolas Bourriaud anspricht: »It seems possible, in our

2.3./2.5.

Mextorf 2011, 12

IX.3.7.

Ebd., 21/166

Goodman 1978a, 131

Rebentisch 2013, 61

504

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Bourriaud 1998, 46

Reicher 2005, 164 1.4.ff.

Ebd., 165

view, to describe the specific nature of present-day art with the help of the concept of creating relations outside the field of art […].« Man kann das Thema demnach mit wenigen Anleihen bei der alten gesellschaftsutopischen Funktion der Kunst und mit weniger Ambition gegenüber der Rekonstruktion von kulturellen Erzählungen durchdeklinieren, und auf den eben erwähnten Vorteil setzen, mit dem kommunikationstheoretischen Ansatz vielen Dilemmata der üblichen Kunstdefinitionen zu entkommen. Genau das scheint Maria Reicher zu verfolgen, wenn sie Kunst als eine spezielle Form der Kommunikation mit Sender (Produzent), Empfänger (Rezipient) und Medium deutet. Wenn man freilich einen solchen Ansatz systematisch konsequent zu Ende führt, verschiebt auch dieser Zugang zum Thema nur das grundsätzliche Problem. Denn zu fragen bleibt, was denn das Spezifische einer künstlerischen Kommunikation im Unterschied zu einer anderen Kommunikation ausmacht. Für Reicher liegt der Unterschied darin, »dass eine ästhetische Erfahrung (ein ästhetisches Erlebnis) vermittelt werden soll.« Damit sind wir wieder zurückgeworfen auf die Frage nach dem, was ästhetische Erfahrung ausmacht. Künstlerinnen haben nach Reicher stets das Ziel der Vermittlung einer ästhetischen Erfahrung. Daraus folgt, dass es gelungene und nicht gelungene Kommunikation gibt, je nachdem ob Rezipientinnen ästhetische Erlebnisse bei der Betrachtung der Gegenstände haben. Der Vorschlag umgeht trotz seiner augenscheinlichen Zirkelhaftigkeit einige der Probleme anderer Kunstwerk-Theorien und funktioniert auch bei Ready-Mades und objets trouvés: »Denn der Stein war ursprünglich nicht als Medium einer ästhetischen Erfahrung intendiert, aber er kann von einem Sammler als Medium der ästhetischen Erfahrung intendiert werden.« Zudem wird nicht ausgeschlossen, dass mit einem Kunstwerk auch noch andere Botschaften versandt werden als nur ästhetische (also etwa religiöse, politische, soziale). Das ist wichtig, denn – neben der Frage des »Verstehens« dieser Kommunikation – könnte man als eines der Hauptprobleme dieses Vorschlags festmachen, dass Kunst als Kommunikation zu sehr auf ästhetische Erfahrung eingeschränkt wird. Meist hatten Kunstwerke in der Geschichte jedoch andere Kommunikationsziele als ästhetische. Bei einer Ikone und anderen sakralen Kunst- und Bauwerken steht zweifellos eine spirituell-religiöse oder eine performativ-liturgische »Funktion« im Vordergrund, während der Palazzo Pitti in Florenz ein soziales und politisches Medium darstellt. Ästhetische Erfahrungen wurden hierbei vermutlich erst in zweiter Linie intendiert. Dies führt dazu, dass jedes Designprodukt, vom Kleidungsstück über das Billy-Regal von IKEA bis zur Knoblauchpresse eher eine ästhetische Erfahrung intendiert (und damit eher ein Kunstwerk ist, woraus sich die manchmal sperrige Benützbarkeit erklärt) als zum Beispiel ein gotischer Flügelaltar. Das räumt auch Reicher ein, weshalb Kunst eben auf andere Kommunikationsziele offen bleiben müsse. Die Sache gilt im Übrigen auch andersherum. Man kann manche Dinge des Alltags zumindest auch ästhetisch betrachten. Jede Seite der morgendlichen Tageszeitung (oder die Oberfläche des iPads) lässt sich nicht nur unter dem Gesichtspunkt ihres Informationsgehalts, sondern auch unter jenem der Ästhetik des Layouts betrachten, der Eierbecher des Frühstückseis im Hinblick auf die Qualität seines Designs.

505

Was ist Kunst

Wenn man von Kommunikation, gar von gelingender oder misslingender Kommunikation spricht, kommt man nicht um den Begriff des Verstehens herum. Konsequenterweise müsste man hier von einem sehr weitgespannten Verstehensbegriff ausgehen, geht es doch darum, die vielfältigen Funktionen der Kunst nachempfinden zu können. In der Tat wurde in den historischen Abschnitten über zahlreiche Verstehensbegriffe im Zusammenhang mit Kunst berichtet. Nach Ansicht der hermeneutischen Methode von Dilthey oder Gadamer sind künstlerische und literarische Werke Ausdruck von Erlebnissen und Lebensgefühlen. Auch für Theodor Lipps ist Ästhetik nicht ein Geschäft des ästhetischen Wertens, sondern des Verstehens des ästhetischen Wertens. Dies nannte er Einfühlung, die letztlich als ein Suchprogramm den Gesamtbestand der Ästhetik erschließt, inklusive Gesetzmäßigkeiten, aus denen eine normative Setzung hervorgehen soll. Dass wir überhaupt vom Verstehen im Zusammenhang mit der Kunst sprechen, zeigt bereits einen aufgeklärten Zug im Umgang damit, der unter Umständen in Konflikt mit dem Wahrheitsanspruch der Kunst gerät. Als extreme Variante kann Martin Heideggers Funktionalisierung des Kunstwerks auf das Sich-Zeigen der Wahrheit erwähnt werden. Kunst ist dann kein Verstehen mehr, das immer auch ein Missverstehen umfasst, sondern mehr: das Heraustreten der Wahrheit aus ihrer Verborgenheit. Doch unser geläufiger Umgang mit Kunst ist einer wie mit anderen von Menschen gemachten kulturellen Erzählungen. Der gerade angesprochene Palazzo Pitti sendet seine Botschaft einer machtvollen Architektur-Metapher auf empfindsame Rezipientinnen gleichsam automatisch aus, ohne dass man verstehen muss, welche architektonischen Kniffe den Palast so machtvoll erscheinen lassen. Man könnte demnach grob zwei Zugänge bei der Rezeption – besser müsste man jetzt von »Konsumation« von Kunstwerken sprechen (um eine eher passive Haltung gegenüber einer aktiven Rezeption auszudrücken) – unterscheiden: (1) Man kann auf ein Kunstwerk in einem rein emotionalen Sinn reagieren oder (2) man hat zumindest implizit das Bedürfnis, es »zu verstehen«. Auch bei einem emotionalen Zugang fehlen gewisse Verstehens- und Unterscheidungsprozesse nicht völlig. Wenn ich mich von der Farbexpression einer riesigen Tafelmalerei von Barnett Newman berühren lasse, habe ich »verstanden«, wie dieses Bild zu konsumieren und im Weiteren dann zu rezipieren ist. Ich verfolge seine Anweisung und nähere mich dem Bild so weit als möglich, habe also über die richtige Strategie einer »erfolgreichen« Rezeption nachgedacht. Und es mag sein, dass ich mich von einem Bild Newmans mehr als von einem anderen getroffen erlebe, ohne dass ich sagen könnte, warum das so ist. Wenn ich aber den (ästhetischen) Sinn der architektonischen Form des Palazzo Pitti verstehen möchte, reicht nicht mehr eine sensible Empfindung. Ich brauche ein entsprechendes Wissen von den Finessen der Baukunst und von der Psychologie der Wirkung diverser Architekturformen. Es scheint also, dass für das Verstehen von Kunstwerken ein mehr oder weniger umfassendes Wissen Voraussetzung ist. Solches hat Erwin Panofsky mit seiner Methode der Ikonologie eingefordert. Allerdings ging es dort um das kunsthistorische Behandeln von Kunstwerken und nicht einfach um das laienhaf-

IX.3.2.3.

2.3.

IX.5.2.1.

506

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

IX.3.4.2.

Carlson 1979, 269 Neumaier 1999, 338 1.4.1.f.

Bertram 2005, 214

Ebd., 226/235

IX.3.4.2.

te Verstehen einer ästhetischen Wahrnehmung. Es wäre zudem recht betrüblich, wenn man Kunst nur genießen könnte mit einem vollständigen Wissen über Schulen, Richtungen, Epochen, Kulturen sowie über »Sprachsystem« und Intention von Künstlerinnen. Denn dann wäre »das Verständnis im umfassenden Sinne ein nie ab­geschlossenes Projekt.« Auch mit der Einschränkung auf ästhetisches Verstehen, also auf das Verstehen eines Kunstwerks unter dem Aspekt der ästhetischen Erfahrung, bleibt das Verstehen durchaus mehrschichtig. Manche Studierende der Germanistik beklagen, dass das genaue Verstehen der Reim- und Rhythmusform, die Rilke für seine Duineser Elegien verwandte, den Zauber dieser wunderbaren Lyrik geradezu zerstört und damit auch ihre Motivation für die Wahl dieses Studienfachs. Daher ist es auch durchaus fraglich, ob ein Wissen um die Raffinesse der künstlerischen Gestaltung den Genuss beim Betrachten eines Kunst- oder Architekturwerks steigert. Schließlich kann auch eine mit dem Christentum nicht vertraute Betrachterin die Botschaft einer mittelalterlichen Pietà verstehen und eine ästhetische und emotionale Wahrnehmung machen, ohne zu wissen, um welche Personen es sich bei dieser Gruppe handelt und was genau der Plot dieses Screenshots ist. Es gibt also ein mehrfaches Verstehen. Ich kann verstehen, wie in Schuberts Forellenquintett das Wasser sprudelt und sich darin die Forellen tummeln, ohne den musikalischen Aufbau des Stückes zu verstehen. »Jede ästhetische Erfahrung ist von einer unüberschaubaren Vielzahl von Verständnissen begleitet. Verstehen ist ein unerlässlicher Aspekt der Auseinandersetzung mit einem Kunstwerk.« So unerlässlich irgendeine Art von Verstehen auch sein mag, ein Kunstwerk im Verstehen völlig auszuschöpfen, scheint unmöglich zu sein. Daher kommt man mit dem Verstehensbegriff als Abgrenzungskriterium zwischen Kunst und Nicht-Kunst nicht weit, weshalb es auch keine akzeptierte Theorie eines ästhetischen Verstehens gibt. Er hilft nicht wirklich weiter, Kunstwerke gegenüber anderen zeichenhaften Gegenständen als solche zu identifizieren. Hier ist auf einen nützlichen Hinweis Bertrams vorauszugreifen (über den erst in 3.4. berichtet wird), dass Kunstwerke Zeichen sind, die mit ihrer sinnlichen Gestalt zusammenhängen, und dass beim Kunstwerk zum Unterschied von anderen Zeichen der materielle Gehalt des Zeichens (Farbe, Oberfläche, Material) wichtig ist. »Eine wesentliche Eigenart des Verstehens in der Kunst ist genau, dass das Material als solches in die Reichweite des Verstehens rückt.« Analog zu Bertrams Zeichenverständnis ist auch seine Kopplung von Verstehen und ästhetischer Erfahrung zu interpretieren: Ästhetisches Erfahren, so meint er, ist demnach eine »Erfahrung spannungsreichen Verstehens […].« In diesem wenig präzisen Attribut verbirgt sich ein Unterschied zum üblichen Verstehen. Max Imdahl hat sich mit dem Ausdruck »erkennendes Sehen« beholfen, das er dem »sehenden Sehen« Konrad Fiedlers gegenüberstellte. Er wollte damit auf den ästhetischen Mehrwert der Erfahrung eines Gegenstandes hinweisen. Trotz aller Schwierigkeiten geben manche Autorinnen den Versuch nicht auf, einen Unterschied zwischen der ästhetischen Erfahrung von Kunstwerken und einer solchen von Alltagsobjekten zu machen. Werke der Kunst wären demnach gewisser-

507

Was ist Kunst

maßen der professionelle Fall einer ästhetischen Wahrnehmung, die zum Ausgangspunkt eines Verstehens wird. Auch hier ist der interessanteste Fall der Alltagsgegenstand, der zum Kunstwerk wird. Dabei werden Alltagsgegenstände unter anderen als den üblichen Gesichtspunkten auffällig. »Kunst zielt dann darauf, den gewöhnlichen Dingen ihre Vertrautheit zu nehmen, durch die sie unserer Wahrnehmung unauffällig geworden sind, um gewissermaßen unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle fortzuexistieren.« Das Reinigungspersonal, das versehentlich einen vermeintlichen Haufen Müll in der Ausstellungshalle beseitigte, der sich dann allerdings als Installation von Leonid Sejkas herausstellte, entwickelte ursprünglich – obwohl gewiss mit geschultem Blick ausgestattet – dafür keine ästhetische Wahrnehmung. Spätestens beim Aufschrei der Museumsdirektorin und des Künstlers treibt die Schuldigen die Frage um, warum man nicht »verstanden« hat, dass dies, was jetzt im Müllcontainer liegt, ein Kunstwerk war. Umgekehrt kann jemand, der für seine neue Wohnung ein Urinoir sucht, angesichts eines schönen Designerstücks zwar eine ästhetische Wahrnehmung entwickeln und sich deshalb genau dieses aussuchen, es stellt sich jedoch kaum die Frage nach einer tieferen Bedeutung jenseits der eindeutigen Zweckmäßigkeit. Denn der Kauf gilt einem Alltagsgegenstand, der nur kurzzeitig (neben dem Zweckinteresse) auch unter ästhetischem Gesichtspunkt betrachtet wird. Anders ist es, wenn ein x-beliebiges Standard-Urinoir plötzlich in einer Kunstausstellung steht und somit nolens volens Kunstwerkstatus annimmt. Da stellt sich rasch und intensiv die Frage nach Absicht und Sinn einer solchen Deklamation. Martin Seel brachte das prägnant auf den Punkt: »Kunst will verstanden sein, Natur ist nicht zu verstehen.« Dies ist letztlich bereits von Hegel so gesehen worden, wenn er das Kunstwerk als durch den menschlichen Geist veredelt ansah, während eine Naturerscheinung (in diesem Fall müssen wir den Alltagsgegenstand dazunehmen) niemals Kunst sein könne. Damit kommen wir zur vielleicht vornehmsten Funktion des ästhetischen Verstehens. Es geht dabei nicht darum, ein Kriterium zwischen Kunst und Nicht-Kunst zu finden, auch nicht darum, ein Kunstwerk einer objektiven kunsthistorischen Analyse zu unterziehen, sondern darum, neben anderen Verstehensarten einen eigenständigen Zugang zum Weltverstehen zu erschließen. Ästhetisches Verstehen gehörte dann unmittelbar zum ästhetischen Wahrnehmen. Wenn es diesen Anstoß einer neuen Sicht auf einen Aspekt der Welt gibt, kann man von einem ästhetischen Verstehen ausgehen und eine ästhetische Kommunikation als gelungen betrachten.

Rebentisch 2013, 133f

Seel 1991, 272; im Orig. kursiv

VIII.5.3.2.2.

2.8. Kunst als Kunstpraxis und als Institution Nicht nur die aussichtslos erscheinenden Anläufe, Kunst einer Definition zu unterziehen, sondern vor allem der Ready-Made-Schock haben zu Überlegungen geführt, Kunst weder durch die Produktionsseite, noch durch die Rezeptionsseite, und schon gar nicht durch intrinsische Eigenschaften, sondern durch die Praxis und die Institution zu bestimmen. Dass man damit auch der Essentialismus-Falle entgeht, ist ein weiterer Vorteil eines solchen Unternehmens. Über ein allfälliges Wesen von Kunst und Kunstwerk braucht man sich nicht mehr den Kopf zu zerbrechen.

3.1.

508

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

IX.3.9.5.f. Dickie 1984, 80 Goodman 1978a, 86f IX.3.9.2.

Ebd., 87

Ebd., 90

683 Die Verklärung des Gewöhnlichen, Inszenierung einer Replik von Duchamps Fountain; IM

Jetzt geht es darum, dass die »Kunstwelt« (der Ausdruck stammt von Arthur C. Danto), also die Mitarbeiter von Museen und Galerien, Kunsthistorikerinnen und Kunstkritiker, einschlägige Publikationen und Kunstzeitschriften, Festivals, Konzertund Opernhausleiter, Kunstsammler usw. darüber entscheiden, ob etwas Kunst ist oder nicht. George Dickie hat diese Gleichung, Kunst als das, was die Institution zur Kunst erklärt, in reinster Form vertreten und dabei erste Schritte in diese Richtung von Morris Weitz weiterentwickelt. Seiner Meinung nach wird ein Kunstwerk gemacht, »to be presented to an artworld public.« Für Nelson Goodman war die Geschichte um das Ready-Made der Impuls, die Frage »Was ist Kunst« durch die Frage »Wann ist Kunst« zu ersetzen. Ob etwas Kunst ist oder nicht, darüber entscheidet eine bestimmte institutionelle Praxis. Goodman geht aber nicht den einfachen Weg einer kurzfristigen Bestimmung durch die Institution, sondern verweist auf die Symbolfunktion, die jeder Kunst zukommt, also ihre Zeichenhaftigkeit. Der Stein auf der Straße hat eine Zeichenfunktion, die sich, ins Museum gestellt, ändert: »Auf der Straße erfüllt er gewöhnlich keine Symbolfunktion. Im Kunstmuseum exemplifiziert er einige seiner Eigenschaften – zum Beispiel Eigenschaften der Gestalt, der Farbe, der Oberflächenstruktur. […] Andererseits kann ein Gemälde von Rembrandt aufhören, als Kunstwerk zu fungieren, wenn es als Ersatz für eine zerbrochene Fensterscheibe oder als Decke gebraucht wird.« Letztes ist freilich nicht ganz so einfach, weil ein Gemälde von Rembrandt unabhängig von der Funktion als Kunstwerk normiert ist. Man würde entsetzt feststellen, dass jemand (offensichtlich ein übler Banause) sein Fenster mit einem Kunstwerk (oder noch auratischer: mit einem »echten Rembrandt«) abdichtet. Goodman erkannte die Schwäche dieses Umkehrarguments selbst: »Vielleicht ist die Aussage, ein Objekt sei dann und nur dann Kunst, wenn es als Kunst fungiere, eine Übertreibung oder eine elliptische Redeweise.« Goodmans Anliegen war es, zu zeigen, dass Kunstwerke erst zu solchen werden, wenn sie in eine Praxis involviert sind, wo sie – sozusagen institutionell angeleitet – ästhetische Erfahrungen auslösen. Das von Marcel Duchamp gekaufte Pissoir löst im Kofferraum seines Autos kaum eine ästhetische Wahrnehmung aus, im Centre National d’Art et de Culture Georges Pompidou in Paris hingegen – selbst als eine von mehreren Repliken –, mit Signatur versehen, sehr wohl (wenngleich für viele Betrachter vermutlich mehr zwangsläufig als spontan). Dabei sind sowohl die Praktiken als auch die Gegenstände insofern instabil, als sich Praktiken ständig verändern und auch Objekte eine ästhetische Erfahrung auslösen können, die gar keine Kunstwerke im klassischen Sinn sind, sondern beispielsweise Objekte der Natur oder der Technik. Man kann also eine Praxis nicht (essentialistisch) mit einem Bündel von Eigenschaften bestimmen. Es ist daher auch nicht ganz richtig, wenn behauptet wird, dass nunmehr »der museale oder galeristische Kontext« alles zum Kunstwerk transformiere, »was man in die ›Auratisierungskiste‹ trage […]«, und damit Ansätze wie die

509

Was ist Kunst

ästhetische Erfahrung »nachhaltig disqualifiziert« werden. Zwar muss man in der Tat einräumen, dass Kunst geradezu brutal von jeder ästhetischen Selbstbestimmung »gesäubert«, Kunst und Ästhetik (in einem engeren Sinn, wie dies die Kritiker sehen) getrennt werden. Andererseits hilft die »Auratisierungskiste«, sich Gegenständen mit einer ästhetischen Einstellung zu nähern, bei denen man das im Alltag nicht unternehmen würde. Die auf Danto gemünzte Aussage von Annemarie Gethmann-Siefert: »Die einzig hinreichende und notwendige Differenz zwischen Kunst und Alltagsdingen liegt also nicht in einer perzeptorischen Differenz, sondern in einem Überschreiten der Schwelle von der Alltagswelt zur Kunstwelt, im Übergang eines Dings aus der Alltagswelt in die Welt der Galerien und Museen« muss uns keineswegs in eine pessimistische Rede vom (neuerlichen) Ende der Kultur führen. Die Institutionentheorie der Kunst verfügt mit Blick auf die gesamte Kulturtechnik Kunst und namentlich mit Blick auf den häufig zitierten Kunsthandel durchaus über ein eindrucksvolles Erklärungspotenzial. Die ungeliebte Alternative wäre zwangsläufig, Kunst positiv bestimmen zu können. Man kann auch, deutlich entspannter, die Institutionentheorie der Kunst so nehmen wie jede andere, dass sie nämlich Aspekte der Kunst zu lichten vermag, ohne eine letztgültige Definition der Kunst daraus ableiten zu können. Denn selbstverständlich gibt es auch mit der Institutionentheorie der Kunst etliche Schwierigkeiten. Das beginnt bereits bei der in Abschnitt IX bei den Autoren dieser Theorie angemerkten Unklarheit über die Zusammensetzung der Kunstwelt. Ebenso unklar ist die Form des notwendigen Urteils. Muss ein Gegenstand offiziell zu einem Kunstwerk »erhoben« werden oder genügt eine Diskussion in einer Talk-Show eines TV-Senders? Ist der zur Diskussion stehende Gegenstand bereits ein Kunstwerk, wenn man über ihn streitet, oder hängt dieser Status vom Ausgang der Diskussion, gar von einer Abstimmung unter den Diskutanten ab? Ein Blick in die Geschichte macht erst recht unsicher. Immer wieder zogen Künstler aus den anerkannten Institutionen der Kunstwelt aus, weil ihre Werke nicht als Kunstwerke anerkannt wurden. Die Akademien, Sezessionen und zahlreichen Künstlervereinigungen sind genau aus diesem Grund einer Revolution gegen die Kunstwelt entstanden. Dabei fällt auf, dass die Kunstwelt nicht nur Kunstwerke zu solchen macht, sondern auch Künstler zu Künstlern. Wird ein Artefakt nicht als Kunstwerk anerkannt, ist seine Schöpferin auch keine Künstlerin. Wie geht man mit dem umgekehrten Fall um? Kann die Kunstwelt einen Irrtum korrigieren und einem Kunstwerk diesen Status wieder absprechen? Weiter ist unklar, wie genau eine Praxis ästhetischer Erfahrung zu verstehen ist. Hängt diese von der Einstellung einer Rezipientin ab, die etwa – so ein Beispiel von Georg W. Bertram – beim Einkaufsbummel ihre Konsumeinstellung in eine ästhetische Einstellung verändert, wenn sie für einmal der Hintergrundmusik von Mozart mehr Aufmerksamkeit widmet als den Produkten des Kaufhauses? Oder ist es nicht vielmehr das Kunstwerk, das die Rezipientin in ein ästhetisches Geschehen involviert? »Ein Kunstwerk spricht eine Rezipientin im Sinne einer Erfahrung an, die als solche zu machen sich lohnt.« Die ästhetische Erfahrung führt Bertram auf ein im letzten Kapitel besprochenes kommunikatives Geschehen (ein Kunstwerk spricht

Stöhr 1996, 308

Gethmann-Siefert 2013, 25

Bertram 2005, 37

510

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

eine Rezipientin an) zurück und nicht auf die Einstellung einer Rezipientin und auch nicht auf die Institution (in diesem Fall ein Kaufhaus). Trotz dieser Einwände ist grundsätzlich schwer zu bestreiten, dass der Institution eine größere Rolle zukommt, als man das gemeinhin vermutet. In einem Museum für zeitgenössische Kunst gehen Besucherinnen zweifellos mit erhöhter Aufmerksamkeit durch die Säle und nähern sich den Objekten mit der vorprogrammierten Einstellung, hier Kunstwerke anzutreffen, und bleiben aufmerksam und wissbegierig vor einem Haufen stehen, den sie, hätten sie ihn im Hafenviertel ihrer Stadt angetroffen, schlicht für Sperrmüll gehalten hätten, und sie versuchen, hinter das Geheimnis dieser Installation zu kommen, diese also – im Sinn des im letzten Kapitel Gesagten – zu »verstehen«. Eine solche Würdigung zieht aber nicht die Folgerung nach sich, dass von da an jeder ähnliche Haufen im Hafenviertel automatisch ein Kunstwerk ist. Und wie in IX.6.2.4. ausgeführt, generiert über weite Strecken erst der Kunstmarkt Kunst und Künstler. Umgekehrt ist freilich schwer nachzuvollziehen, dass ein Roman-Manuskript erst in dem Moment ein Kunstwerk wird, wenn es ein Verleger in sein Programm aufnimmt und es die Literaturkritikerinnen euphorisch feiern, während es vorher während einiger Monate in der Schublade der Autorin – oder gar nach abschlägigen E-Mails aus zwei Verlagen – kein Kunstwerk war. Die große Karriere der Bestimmung der Kunst durch die Institution resultiert nicht zuletzt aus dem Scheitern einer Bestimmung von Kunst durch die analytischen Philosophen. Diese waren die heftigsten Gegner jeder essentialistischen Bestimmung von Kunst. Sie geben mittlerweile Definitionsversuche grundsätzlich auf und verweisen auf den common sense. Wer mit der Kunstwelt vertraut ist, dem sei der Gebrauch des Kunstbegriffs geläufig und so jemand profitiere auch nicht von Definitionen. Ein solcher Zugang ist nicht nur zirkulär, er ist das Eingeständnis einer Kapitulation gegenüber jeder Bestimmungsmöglichkeit von Kunst. Von den hohen Ansprüchen der Sprachphilosophie bleibt hier ein einfacher Wahrnehmungsbegriff übrig, der womöglich auch noch die Kenntnis der Muttersprache voraussetzen muss, wenn es darum geht, Kunst von Nicht-Kunst zu unterscheiden. Spannend sind aber gerade die nicht eindeutigen Fälle, und genau dort hilft der common sense am wenigsten weiter. Mit der Institutionentheorie der Kunst verschiebt sich die Betrachtung von der Ebene der Kunst zu jener des konkreten Kunstwerks. Daher soll im Folgenden die Frage nach dem Kunstwerk präziser gefasst werden.

3.0. Was ist ein Kunstwerk

Schleiermacher 1831–33, 451

Wie wir in den vergangenen Kapiteln sahen, gehört zur Frage nach der Kunst zwingend jene nach dem Kunstwerk. Gäbe es eine eindeutige Antwort darauf, wäre auch die Frage nach dem Allgemeinbegriff Kunst lösbar. Bereits Friedrich Schleiermacher war in seiner Akademierede Über den Umfang des Begriffs der Kunst (1831) in jener Verlegenheit, die »oft im einzelnen [entsteht], wenn bestimmt werden soll, ob diese oder jene Leistung zur Kunst gehöre oder nicht.« An dieser Verlegenheit hat

511

Was ist ein Kunstwerk

sich wenig geändert und auch in diesem Fall wird sich zeigen, dass eine allgemein akzeptierte Lösung der Frage nach dem Kunstwerk illusorisch ist. Inzwischen gilt, dass alles, was von Menschenhand erzeugt oder gesammelt wurde und in irgendeiner Weise, der Intention der Künstlerin oder einer Institution nach, in einem Kunstkontext steht, auch ein Kunstwerk ist. Damit geht es einerseits darum, Konzepte eines solchen Kunstkontextes zu sichten, andererseits darum, verschiedene Theorien über das Kunstwerk zu referieren und sie auf ihre Stärken und Schwächen abzuwägen. Erst dann können sich weitergehende Fragen nach ästhetischen oder formalen Qualitäten, gar nach Inhalten, damit auch nach emanzipatorischen und politischen Anliegen, anschließen. Der Eindruck, dass sich in der Gegenwart die Frage nach dem Kunstwerkbegriff verschärft hat, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass dieser Begriff in der zeitgenössischen Kunstpraxis ausdrücklich getestet und seine vermeintlichen Grenzen ausgelotet werden. »Die Auflösung der traditionellen Werkeinheit läßt sich ganz formal als gemeinsamer Zug der Moderne nachweisen. Kohärenz und Selbständigkeit des Werkes werden bewußt in Frage gestellt oder gar planmäßig zerstört.« Die faktische Situation lehrt seit längerem, dass dort, wo eine heftige kunstphilosophische Debatte über den Kunstwerkcharakter entbrennt, die künstlerische Praxis diesen Stand gewöhnlich längst überschritten hat. Manchmal kann man sich gar des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich um einen sportlichen Wettbewerb zwischen der Kunstinstitution mit ihrer Definitionsmacht auf der einen und der Kunstpraxis mit ihrer Gestaltungsmacht auf der anderen Seite handelt, sodass der Diskurs über den Kunstwerk-Status interessanter geworden ist als das Kunstwerk selbst. Jedenfalls scheint dies für den spektakulären und gezielt inszenierten Angriff auf den von der Institution gepflegten Status des Kunstwerks durch Marcel Duchamp zu gelten. Dort zeigte sich besonders deutlich, dass die Praxis den theoretischen Bewältigungsversuchen zwangsläufig immer ein Stück voraus ist. In anderen Fällen mag es sich um Erweiterungen und Ausreizungen – provokant oder schlicht originell – handeln: bei den objets trouvés von Schwitters und dem Surrealismus, beim dadaistischen Aktionismus oder beim Happening der Pop-Art. Es geht hier um eine radikale (und ziemlich elitäre) Erweiterung des Kunstwerkbegriffs, was zwar die Frage nach der Unterscheidung von Kunst und Nicht-Kunst verschärft, aber den Kunstbegriff nicht aushebelt. Das passiert viel eher von der anderen Bedrohungsseite der Kunst her: von der billigen Anästhetisierung der Lebenswelt. Von den verschiedenen philosophischen Schulen ist die Frage nach dem Kunstwerk ganz verschieden angegangen worden und hat – namentlich in der Analytischen Philosophie – zu mannigfachen Differenzierungen geführt. Im Folgenden soll versucht werden, einen Überblick über die ausufernde Debatte zu geben.

3.1. Produktionsästhetischer und rezeptionsästhetischer Kunstwerkbegriff Der übliche und hergebrachte Zugang zu einem Kunstwerk geht von einem von der Rezipientin unabhängigen Kunstwerk aus. Konzentriert man sich bei der Bestimmung eines Kunstwerks darauf, spricht man von einem produktionsästhetischen

Bubner 1989, 19

IX.2.2.10.

512

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Rauterberg 2008, 19

Warning 1975, 9

Michalski 2015, 82

Eco, zit. nach Leiteritz 2004, 151 Leiteritz 2004, 146

oder werkästhetischen Zugang. Die ontologische Auffassung von Kunst und Schönheit orientierte sich ebenfalls in aller Regel an einem objektiven Kunstwerk, das beispielsweise als Darstellung des Wahren und Schönen verstanden wurde. Nun ist allerdings schon lange klar, dass beim Urteil über ein Kunstwerk der subjektive Anteil umfangreicher ist als eine bloße Widerspiegelung eines künstlerischen Gegenstandes. In der Tat kann Kunst nur gelingen, »wenn sie ein Gegenüber hat, das verweilt und das Auge ruhen lässt, das seine Eindrücke zu fassen und zu durchdenken sucht, das selbstbewusst und reflektierend dem Bild, der Skulptur, der Installation begegnet.« Spätestens mit Immanuel Kant sind wir über die Leistung des Subjekts bei jeder Gegenstandserkenntnis im allgemeinen und beim Kunstwerk im besonderen aufgeklärt. Steht der Anteil der Rezipientin beim Urteil »Das ist ein Kunstwerk« im Vordergrund, spricht man von einem rezeptionsästhetischen Ansatz. Ein solcher war immer auch gegen die alte und konservative Kunstwerksauffassung gerichtet. In diesem Sinn galt die Rezeptionsästhetik »als Überwinderin traditioneller Formen der Produktions- und Darstellungsästhetik, die sie der Perpetuierung längst überholter Substantialismen verdächtigt.« Jean-Baptiste Du Bos schrieb seinerzeit mit Rückenwind von Rousseau ein Kapitel über die Gefühlsästhetik des 18. Jh.s, die sich gegen die klassizistische Rationalität richtete, womit er zu den Vorbereitern einer Rezeptionsästhetik gehört. Die moderne Theoriediskussion wurde befeuert durch die Opposition gegen formalistische Theorien, die das Werk rein immanent und als autonomes Gebilde interpretierten. Bereits Hans-Georg Gadamer aus philosophischer Sicht und Reinhart Koselleck in der Geschichtswissenschaft haben auf diverse Horizonte, Zeit- oder Erwartungshorizonte der Leser, aufmerksam gemacht. Dem kunstphilosophischen Zusammenhang haben vor allem der Romanist Hans Robert Jauß und der Anglist Wolfgang Iser (als Vertreter der sogenannten Konstanzer Schule), zunächst als literaturwissenschaftlicher Forschungsrichtung, eine breitere Aufmerksamkeit gesichert. Für die Kunstgeschichte im engeren Sinn bleibt der in diesem Werk häufig herangezogene Wolfgang Kemp eine wichtige Stimme. »Die kunsthistorische Rezeptionsästhetik untersucht somit in erster Linie die innerbildlichen Mittel, mit denen ein Kunstwerk den Betrachter anspricht und dadurch bildimmanente Rezeptionsvorgaben kreiert. Für sie ist das Kunstwerk ein Medium, das strukturell immer auf einen virtuellen Betrachter […] bezogen ist.« Generell gesprochen löst die Rezeptionsästhetik eine werkimmanente Deutung ab. Abgesehen von den lebhaft diskutierten normativen und ethischen Aspekten der Rezeptionsästhetik, changieren faktisch die Auffassungen vom Kunstwerk zwischen produktionsästhetischer und rezeptionsästhetischer Ausrichtung oder – mit Umberto Eco zugespitzt – zwischen der Intention des Autors, der Intention des Werks und der Intention des Rezipienten. Denn für das Kunstwerk allgemein gilt, was auch für die Literatur gilt, dass es »als gleichermaßen ästhetisches wie historisches Gebilde aufzufassen« ist. Dies reicht bis zur zeitgenössischen Aktionskunst, bei der die Abgrenzung von Produktion und Rezeption besonders unscharf wird. Neigt die produktionsästhetische Auffassung zur Objektivierung der Künstlerintention oder eines

513

Was ist ein Kunstwerk

Sinnes des Kunstwerks, damit zum Ausschluss der Rezipientin, droht bei der rezeptionsästhetischen Auffassung die Gefahr der Subjektivierung und einer Vervielfachung des Kunstwerks in den zahlreichen Akten der Rezeption.

3.2. Kunstwerk als Intention Ein gängiger, scheinbar prägnant produktionsästhetisch orientierter Zugang ist es, ein Kunstwerk nach einem Vorschlag von Arthur Danto durch die Intention der Künstlerin als solches auszuzeichnen. Zum Unterschied von einem natürlich entstandenen Gegenstand steht hinter einem von einer Künstlerin geschaffenen (oder aus der Natur oder dem Alltagskontext bewusst ausgesuchten) Gegenstand die Intention, irgendeine Wirkung ausüben zu wollen (unabhängig davon, ob der Gegenstand dies dann real auch tut). Wollheim sieht in der Kunst generell eine »intentionale Tätigkeit.« Dies gilt unbeschadet der Tatsache, dass natürliche Gegenstände ebenfalls eine Wirkung auf die Betrachterin ausüben können. Aber diese Wirkung ist nicht von einem Menschen intendiert. Werden natürliche Gegenstände bewusst aufgelesen und so präsentiert, dass sie als Zeichen dienen, wie beispielsweise die Figursteine im Paläolithikum, darf man mit Fug und Recht dahinter eine Intention annehmen und sie könnten damit als Kunstwerke taxiert werden. Die Fragen einer solchen Intentionstheorie werden engagiert diskutiert. Dabei ist man zunächst mit einem Paradigmenwechsel konfrontiert von der selbstverständlichen Annahme einer Künstlerpersönlichkeit in hermeneutischen Theorien hin zu sozialen oder poststrukturalistischen Deutungen, für die Intentionen von Künstlerinnen und Autoren obsolet geworden sind. Genau betrachtet lassen sich auch im Umfeld von hermeneutischen und phänomenologischen Zugängen manche Unschärfen beim Künstlerbegriff herauspräparieren. Man denke an Martin Heidegger, bei dem der Künstler unter dem Geheiß einer sich zeigenden Wahrheit steht, wobei Brücken (mit manchen nicht zu übersehenden Differenzen) zur alten Genieauffassung sichtbar werden. Dem common sense entspricht allerdings bei jeder Betrachtung eines Kunstwerks die Erwartung, dass dieses von Autorinnen bewusst für Rezipienten gemacht worden ist. Solche Überlegungen sind auf einer philosophischen Metaebene angesiedelt. Die im Zusammenhang mit dem Status des Kunstwerks näher liegenden Fragen sind jene, ob die Intention einer Künstlerin eine Hilfe bietet, ein Kunstwerk als solches zu definieren, und ob sich eine solche Intention aus dem Kunstwerk ablesen lässt. Das wird von den Kunstphilosophen sehr unterschiedlich beantwortet. Während die Befürworter der Intentionstheorie diese durchaus als konstitutiv für den Kunstwerk-Status einsetzen, lehnen andere eine solche Möglichkeit ab. Da die Intention hinter einem Werk kaum vom Werk selbst ablesbar ist, müsste man umfangreiche Kenntnisse über den Lebenskontext einer Künstlerin besitzen. Anne Sheppard lehnt einen Zusammenhang von Intention und Verständnis eines Werks ebenso ab wie William K. Wimsatt und Monroe C. Beardsley. Während Sheppard im Hinblick auf den Erfolg eines Kunstwerks argumentiert, geht es Wimsatt und Beardsley (mit Blick auf literarische Kunstwerke) ausschließlich um

Wollheim 1968, 91

I.2.0.

Sheppard 1987 101f Wimsatt/Beardsley 1946

514

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Neumaier 1999, 207

3.5.1.2.

Krauss Rosalind in Stemmrich 1995, 479 IX.5.2.4. Kosuth, zit. nach HW, 1035

Ebd.

3.5.1.2.

interne Gehalte des Kunstwerks. Sie machen klar, dass man aus einem Werk niemals die genaue Intention der Künstlerin ableiten und bestimmen kann und damit auch nicht, wie viel von einem Werk der jeweiligen Lebenssituation geschuldet ist. Dieser Lebenskontext der Künstlerin kann nichtsdestoweniger bei Unklarheiten und Zweifel einer reinen Werk- und Textinterpretation zumindest eine zusätzliche Entscheidungshilfe sein. Die Schwierigkeiten mit der Intentionstheorie haben viele Autorinnen, die neben Danto oder Wollheim einen solchen Zugang wählten oder sich damit auseinandersetzten, bewogen, das, was mit Intention gemeint ist, durch zusätzliche Bedingungen zu spezifizieren. Stellvertretend referiere ich hier die drei Bedingungen, die Otto Neumaier aufzählt. Demnach muss (1) das, was einen Gegenstand zu einem Kunstgegenstand macht, von einer Person bewusst geschaffen werden. Genauer gesagt: Sie muss bewusst »dessen ästhetische Merkmale« schaffen. Daher muss (2) der Gegenstand bewusst so geschaffen werden, dass er »bestimmte ästhetische Merkmale aufweist«, ohne dass der Anspruch besteht, alle ästhetischen Merkmale zu schaffen. Schließlich sollten (3) die von der Person gewählten ästhetischen Merkmale dem Gegenstand nicht zufällig zukommen, sondern »für seine ästhetische Erscheinung« wesentlich sein. Mit solchen Bedingungen lässt sich zumindest eines der wenigen kaum bestrittenen Kennzeichen für Kunst konturieren, nämlich die Tatsache, dass nur Menschen ausdrücklich und bewusst Kunst erzeugen. Die Bestimmung der Intention als Charakteristikum eines Kunstwerks verträgt sich gut mit der Theorie des Mentalismus. »Das Kunstwerk ist somit ein Index eines Schaffensaktes, dessen Wurzeln in der Intention liegen, das Werk zu machen. Die Intention wird hier als eine Art vorgängiges mentales Ereignis verstanden, das wir nicht sehen können, von dem nun aber das Werk bezeugt, daß es stattgefunden hat.« Insofern kann auch eine Position wie jene Joseph Kosuths hier anschließen. Der Konzeptkünstler und Philosoph formuliert im Hinblick auf Duchamp eine pointierte Definition. Demnach komme es bei Kunstwerken nicht auf die physische Materialität an, sondern das Kunstwerk sei »eine Art Proposition [ist], die im Kunstzusammenhang als Kommentar zur Kunst präsentiert wird.« Es ist für Kosuth gar nicht möglich, mit einer Intention Werke zu schaffen, die keine Kunstwerke sind. Weil das so ist, ist Kunst in Wahrheit nichts anderes als eine Tautologie, woraus sich wiederum seine Wahrheit ableitet: »Ein Kunstwerk ist insofern eine Tautologie, als es die Intention des Künstlers aufzeigt; er sagt mithin, dieses bestimmte Kunstwerk ist Kunst, was bedeutet, daß es eine Definition von Kunst ist. Damit auch, daß Kunst a priori wahr ist […].« Versteht man das Kriterium der Intention als mentalistisches Konzept, mag Kosuths Tautologie- und Wahrheitsthese zwar zutreffen, allerdings kommt man dann den anderen Problemen, die sich mit dem Mentalismus zeigen, nicht aus, namentlich jenen, die sich auf der Rezeptionsseite zeigen.

515

Was ist ein Kunstwerk

3.3. Das offene Kunstwerk Am Anfang des neuen zeitgenössischen Kunstwerkbegriffs steht ein Klassiker: der Begriff des offenen Kunstwerks. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Bedürfnis nach einer solchen Sichtweise auf das Kunstwerk zumindest aus zwei Gründen gegeben: Einmal gab es in der ersten Jahrhunderthälfte immer noch herausragende kunstphilosophische Positionen, die einen Wahrheitsanspruch der Kunst hochhielten, gegen die sich das Konzept des offenen Kunstwerks richtete. Zum anderen erzwang das Ready-Made-Erlebnis eine solche Neusichtung des Kunstwerks. Der Begriff des offenen Kunstwerks eignet sich zur Unterscheidung des alten Kunstwerk-Verständnisses mit seiner geschlossenen Charakteristik und der Anmutung einer intrinsischen Beschreibbarkeit. Demgegenüber wird beim offenen Kunstwerk die Grenze zur Nicht-Kunst unscharf und es tritt die Rezeptions- gegenüber der Produktionsseite in den Vordergrund. War die Intentionstheorie eher auf die produktionsästhetische Seite ausgerichtet, kann man das offene Kunstwerk dadurch beschreiben, dass es erst von der Rezipientin vollendet wird. Das gilt für ein barockes Stillleben ebenso wie für das Action-painting und die Konzeptkunst. Aus zeitgenössischer Sicht wird kaum jemand zumindest einen Anteil der Rezeptionsseite bestreiten, auch wenn nicht alle damit eine Theorie des Kunstwerks verbinden mögen. Insofern stellt sich bei einer solch allgemeinen Definition berechtigt die Frage, ob nicht grundsätzlich jedes Kunstwerk zumindest einen Teil seiner Vollendung erst in der Rezeption erfährt, und damit, nochmals darüber hinausgehend, in seiner ästhetischen Erfahrbarkeit (oder im Verstehen) unabschließbar, eben offen bleibt. Über das Ausmaß dieser Offenheit entscheidet dann eher der theoretische Zugang zum Kunstwerk. Verfolgte die Hermeneutik die Ambition auf eine möglichst gelingende Verschmelzung der widerstreitenden Verstehenshorizonte, scheint einer bewusst deklarierten Offenheit des Kunstwerks bereits eine solche Anmutung als nicht wünschenswert. Die Offenheit eines Kunstwerks kann bei der Rezeption bis an den Rand seiner durchgängigen Identifizierbarkeit gehen. Der bekannteste Vertreter des Konzepts eines offenen Kunstwerks war Umberto Eco mit einem einschlägigen Buch (Opera aperta; 1962) und einer Fülle weiterer kunstphilosophischer Überlegungen, darunter auch solcher zu historischen Kunstepochen wie zum Mittelalter (Arte e bellezza nell’estetica medievale; 1987). Es handelt sich um essayistische Beiträge, eine konsistente kunstphilosophische Position strebte Eco nicht an. Sein Begriff des offenen Kunstwerks funktioniert im Kontext einer Zeichentheorie des Kunstwerks. Eco ging – offenbar stark unter dem Eindruck der in der zeitgenössischen Musik »dem Interpreten bei der Ausführung zugestandene[n] Freiheit« – von einem offenen Interpretationsprozess beim Kunstwerk aus. Offene Kunstwerke werden »vom Interpreten im gleichen Augenblick, in dem er sie vermittelt, erst vollendet […].« Für sein Anliegen brachte er mit Hilfe seiner Leib-Disziplin, der Semiotik, die prinzipielle Offenheit der Zeichen gegen den aus seiner Sicht (die er mit den Poststrukturalisten teilte) dogmatischen Strukturalismus in Stellung. »Das Kunstwerk wird als Zeichen verstanden, das nicht auf etwas referiert, sondern etwas bedeutet, was selbst ein Zeichen ist, das im Durchlauf

3.4.

Eco 1962, 27/29

516

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Mersch Dieter in ÄKPh, 258/259

Eco 1962, 47

VII.3.6. Eco 1972, 151ff

IX.4.4.2. 3.4.

1.1.

einer nicht vollendbaren Kette weiterer Interpretanten ständig neue Lesearten erzeugt.« Das beschreibt ein Fehlen jeder mimetischen Kunstauffassung, die ästhetischen Codes beziehen sich statt auf die Realität auf jeweils andere kulturelle Codes. »Kunst zeigt nicht etwas von sich her, sondern ist allein verständlich im Kontext von Kultur.« Ecos Verständnis des offenen Kunstwerks entfernt sich nicht nur von mimetischen Theorien, sondern höhlt auch die Künstlerintention aus. Damit steht Eco letztlich einer postmodernen Position näher, als sein strenges methodisches Arsenal der Semiotik vermuten lässt. Dafür spricht auch, dass Eco die Offenheit des Kunstwerks mit Dynamik und Prozess kurzschließt. Dafür verweist er auf den Barock, der mit dem Ersatz des Taktilen durch das Visuelle, mit Offenheit, Subjektivismus und Erscheinung (statt Sein) die »Heraufkunft eines neuen wissenschaftlichen Bewußtseins« bedeutet habe. Das ist eine schöne Beobachtung, die noch überzeugender wäre, würde man sie auf eine Differenz zwischen einem immer noch rationalistischen Systemaspekt im Barock und dem endgültigen Ausbruch aus den Regeln im Rokoko zuspitzen. Für Kunstwerke prägte Eco den Begriff Idiolekt. Er schreibt dem Kunstwerk im Sinne der oben besprochenen Kommunikationstheorie der Kunst eine eigene Sprache zu, die es von anderen Kunstwerken und von der restlichen Welt unterscheidet. Elemente dieser Sprache sind die Formen und Materialien dieses Kunstwerks in der je spezifischen Konstellation, die es zu genau diesem Kunstwerk gestalten. Da der Idiolekt keine erlernbare Sprache ist, bleiben Kunstwerke bzw. ästhetische Zeichen nach Eco unbegrenzt deutbar. Eco macht keinen Hehl aus der Tatsache, dass eine ästhetische Theorie für die Semiotik eine kaum zu bewältigende Herausforderung darstellt. Letztlich wird Kunst zu einem Spiel der Zeichen-Codes, die sich als instabil erweisen, etwas, was vor allem von Roland Barthes, dem Eco näher stand als einer engen strukturalistischen Deutung, fruchtbar gemacht wurde. Selbst zur Zeichentheorie von Peirce, namentlich dem dort formulierten ikonischen Zeichen, hielt er kritisch Abstand, weil ihn die Eindeutigkeit des Ähnlichkeitsbegriffs nicht überzeugte. Dass ästhetische Botschaften die klassischen Zeichenkonventionen aufbrechen, ist eine gute Nachricht für all jene, die eine Eigenständigkeit der Kunst gegenüber der Philosophie bewahren und ihr eine eigenständige Erkenntnisleistung zusprechen wollen. Bei Eco und seinem Entwurf eines offenen Kunstwerks haben diese einen Mitstreiter aus der Gilde der Philosophen selbst.

3.4. Das Kunstwerk als Zeichen Wer in Hamburg den Anblick der Elbphilharmonie von Herzog & de Meuron genießt, der kommt automatisch ins Sinnieren darüber, welche Symbolik dieses Gebäude kommunizieren will. Vermutlich fallen einem dazu (über die empirische Funktion als Konzerthaus gibt es wenig zu interpretieren) mehrere Assoziationen ein: Welle, Segelschiff, Kristall. Jede dieser Deutungen kann man mit der Umgebung des Baus und mit der Musik, der das Haus dient, in Verbindung bringen und jede wurde von Architekturkritikern bereits benützt. Dazu kommt die sich zusätzlich aufdrängende

517

Was ist ein Kunstwerk

Interpretation, das mächtige Gebäude sei ein kraftvolles Zeichen kulturelle Ambition und für finanzielle Potenz (vor allem, wenn man die wirtschaftlichen Umstände der Baugeschichte kennt) der Hansestadt. Was hier passiert, ist, dass man das Bauwerk Elbphilharmonie als Zeichen versteht, als etwas, das auf etwas anderes verweist. Bei einem Zeichen wird mehr (wenn es sich um eine Konvention handelt) und weniger (wenn ein Bezug zu einem Referenten zugrunde liegt) willkürlich einem Bedeutungsträger eine Bedeutung zugesprochen wie beispielsweise bei Verkehrszeichen. Manchmal wird ein Unterschied gemacht zwischen einem digitalen (konventionell; z.B. Fahrverbot) und analogen Zeichen (repräsentativ; z.B. Fußgängerweg) oder anders: zwischen Zeichen und Symbol. Die Kultur hat es, anders als die Verkehrszeichensetzung, mit unter komplexen Umständen entstandenen Zeichen und Symbolen zu tun, deren Entstehen kaum mehr im Detail nachzuvollziehen ist. Immer dann, wenn ein Gegenstand, in diesem Fall ein Kunstwerk, (zumindest auch) für etwas anderes steht, als für das, was er unmittelbar darstellt, spricht man in der theoretischen Betrachtung von Zeichenhaftigkeit dieses Gegenstandes. Man könnte sagen, dass erst die Zeichenhaftigkeit ein Kunstwerk zu einem Kulturträger macht. Symbole und Zeichen sind – jeweils innerhalb einer Kommunikationsgemeinschaft – die Bausteine der Kultur: »All human behavior consists of, or is dependent upon, the use of symbols. Human behavior is symbolic behavior; symbolic behavior is human behavior. The symbol is the universe of humanity.« Diese im Grunde triviale Beobachtung bedeutet nichts weniger, als dass Menschen von Anfang an kulturelle Erzählungen an Gegenstände und Naturerscheinungen knüpfen. Die Wissenschaft, die sich mit Zeichen beschäftigt, heißt nach dem griechischen Ausdruck für Zeichen (semeion) Semiotik. Die Zeichenlehre ist keineswegs neu. Sie reicht bis in die hellenistischen Philosophenschulen und in das Mittelalter zurück. Roger Bacon unterschied in seiner Zeichentheorie (De signis; 1267) natürliche Zeichen und solche, die von der Seele zum Bezeichnen bestimmt werden. Bei den natürlichen Zeichen wiederum differenzierte er (1) Zeichen auf der Grundlage eines logischen Schlusses, (2) Zeichen auf der Grundlage der Übereinstimmung mit dem Bezeichneten und (3) Zeichen aufgrund einer kausalen Abhängigkeit vom Bezeichneten. Zu (2) zählte Bacon gegenständliche (imagines, picturae) und geistige Bilder (species). Auch Leibniz und Baumgarten haben ihre frühen Beiträge, aus denen Baumgarten seine Ästhetik formulierte, als Zeichentheorie präsentiert. Mittlerweile gibt es eine uferlose und avancierte Debatte um die vielen Aspekte von Zeichen, die an dieser Stelle nicht einmal ansatzweise verfolgt werden kann, zumal sie reich bestückt mit Untiefen ist. »Wer sich der Malerei als einer Kunst der Zeichen statt der Perzepte nähert, betritt ein Gebiet, das von der heutigen Kunstgeschichte noch nicht erforscht ist und das nicht weniger Gefahren und Fallgruben bereithält als der Perzeptualismus.« Für uns ist die Sichtweise der Kunst unter dem Aspekt ihrer Zeichenhaftigkeit zunächst vor allem ein Hinweis auf die Offenheit eines jeden Kunstwerks. Dies, verbunden mit der Auffassung, dass Zeichen Bausteine der Kultur sind, führt zu dem paradox erscheinenden Umstand, dass es erst die Zeichenhaftigkeit des Kunstwerks

White 1949, 22

Bryson 1983, 20 3.3.

518

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Stegmaier 1999, 9

Stöppel 2014 Zeichen und Expression

I.5.0.

Borngässer Barbara in Toman 2002, 80 Goodman 1968, 17 ◀

684 Kreuz als Zeichen für Christus, S. Apollinare in Classe; Ravenna 685 Symbole auf einem Sarkophag; Ravenna 686 Mandalas auf armenischem Teppich (um 1900)

ermöglicht, dieses auf religiöse, politische oder andere Zwecke hin zu konnotieren. Andererseits befreit die Zeichenhaftigkeit der Kunst diese von den »traditionellen Bindungen einerseits an die Darstellung von Gegenständen, andererseits von moralischen Aufgaben und schließlich auch von Standards der ›Schönheit‹ […].« Die Avantgarde greift deshalb gerne auf ausdrückliche Zeichensysteme zurück, ob Verkehrszeichen oder Piktogramme, um den Bruch mit dem traditionellen Bildbegriff sichtbar werden zu lassen. Am Anfang der Überlegungen zur Kunst in diesem Abschnitt stand die Unterscheidung von Nachahmung und Expression. Es ging dabei darum, dass Kunstwerke nicht einfach nachahmen, sondern eine Ausdrucksfunktion haben. Die Expression ist ein Aspekt, nach dem ein Kunstwerk über das hinausgeht, was es zeigt. Trotz dieser der Zeichendefinition ähnlichen Beschreibung ist Expression nicht automatisch mit dem Zeichenbegriff gleichzusetzen, denn Expression bedeutet die Evokation einer inneren Emotion. Gleichwohl wird in der einschlägigen Fachliteratur die Paarung Erfahrung-Zeichen bisweilen in die Paarung Darstellung-Ausdruck übersetzt. Richtig ist, dass immer dann, wenn man ein Kunstwerk als Zeichen betrachtet, die mimetische Ambition zurückgestellt, während die Tatsache, dass es für etwas steht, in den Vordergrund gerückt wird. Mit anderen Worten: dass es etwas ausdrückt und nicht etwas abbildet. Der Sache nach ist das Kunstwerk als Zeichen daher ebenso alt wie die Kunst. Die maltesische Sleeping lady ist bei aller Unsicherheit der Rekonstruktion frühgeschichtlicher Artefakte mit Sicherheit keine Porträtskulptur einer existierenden Person, sondern ein Zeichen. Wofür genau dieses Zeichen stand, darüber lässt sich heute nur mehr spekulieren. Das Christusbild wurde im mittelalterlichen Bilderstreit von den Ikonoklasten durch das Zeichen des Kreuzes ersetzt. Die Ikone wiederum sollte selbst als Zeichen für eine Realpräsenz und gerade nicht als mimetisches Porträt gelesen werden. Und für das Schloss Versailles gilt, dass es Zeichen einer »perfekten Inszenierung absolutistischer Herrschaft […]« ist. Die Beispiele zeigen, dass etwas symbolisieren kann, auch wenn es keine Ähnlichkeit mit dem Bedeuteten hat: »beinahe alles kann für alles andere stehen.« Trotz dieser Parallelität bildet die Diskussion um die Zeichenhaftigkeit der Kunst keineswegs jene nach Ausdruck und Mimesis eins zu eins ab. Ein beliebtes Beispiel dafür, wo ein Künstler ausdrücklich auf die Zeichenhaftig­ keit der Kunst verwiesen hat, ist René Magrittes berühmtes Bild La trahison des images (Der Verrat der Bilder; 1929). Das Bild einer Pfeife trägt die Aufschrift: ceci n’est pas une pipe. Diese Aussage gibt einen Hinweis darauf, dass ein Bild stets ein Zeichen ist und niemals der Gegenstand selbst. Nach Meinung der meisten »schreibt« Magritte mit diesem Bild geradezu eine philosophische Abhandlung über das Wesen von Zeichensystemen und über die Beziehung von Gegenstand und Bild.

519

Was ist ein Kunstwerk

Worauf Magritte pointiert hinweist, ist, dass zur Existenz von Kunstwerken gehört, für etwas anderes zu stehen. Gernot Böhme bezweifelt die Richtigkeit dieser Deutung Magrittes und glaubt, in seinem Tun mehr zu erkennen, nämlich eine Auseinandersetzung mit Werbung und Geschäftspraktiken. Paul Klee, »wie um darauf aufmerksam zu machen, fügte traditionelle Zeichen (Pfeile, Strichmännchen, Buchstaben, Wörter) ins Bild ein, auch sie, ohne sie erkennbar mit einer bestimmten Bedeutung zu verbinden.« Ähnliches gilt für Vertreter der gegenstandlosen Kunst, die Form und Farbe keiner mimetischen Aufgabe mehr unterwerfen, sondern nur mehr auf sich selbst beziehen. Hier rühren wir an das Verhältnis von Zeichenträger und Zeichen. Keineswegs geht es dabei immer um die Beziehung, sondern manchmal steht auch der Zeichenträger selbst im Vordergrund. Das ist überall dort so, wo es bei der bildenden Kunst beispielsweise um die Materialität geht und (nach dem Wort Stellas) man nur das sieht, was man sieht. Entsprechende künstlerische Positionen wurden bereits des Öfteren erwähnt. Der Architekturtheoretiker Jörg Gleiter verweist auf eine solche Situation auch im Fall der Architektur. Dort dominiere grundsätzlich der Zeichenträger über die Zeichenhaftigkeit. Im Unterschied zum geschriebenen Wort »ist der Zeichenträger in der Architektur nicht nur eine Spur. So ist die Säule in ihrer Materialität Träger der Bedeutung Säule. […] Erst in zweiter Linie bezieht sich die Säule auf etwas Abwesendes, nimmt also Bezug zum Beispiel auf Serlios Säulenordnung oder auf ein konkretes historisches Vorbild […].« Für Gleiter sind Zeichen indexikalisch, d.h. sie haben einen kausalen Bezug zu Referenten. Triglyphen bezogen sich ursprünglich auf die Verbindung von Architraven mit den Pfetten des Dachstuhls. Unabhängig von dem in Diskussion befindlichen Ursprung der Triglyphe konnte sie sich von dieser Funktion befreien und verlor damit jede Kausalbeziehung. Sie wurde zu einem symbolischen Zeichen oder ein flottierender Signifikant. »Die Lösung des architektonischen Zeichens aus der konkreten, indexikalischen oder schwach indexikalischen Zeichenfunktion und die freie Kombination und Rekombination mit anderen Zeichen, das ist das große Thema der Postmoderne.« Die Bewertung dieser Sache ist eine andere Frage. Letztlich könnte man in der Schwäche der Indexikalität eine Kreativität der Architektur sehen. Um diese Probleme zu bewältigen, muss man sich in die philosophische Zeichentheorie vertiefen. Öffnet man jedoch diese Büchse, gerät man freilich in einen unüberschaubaren Dschungel. Charles Sanders Peirce, für den ein Zeichen in der Mitte zwischen dem Gegenstand und dem diesen repräsentierenden Geist steht, hat um die sechs Dutzend Arten von Zeichen unterschieden und damit dürfte das Reservoir noch bei weitem nicht erschöpft sein. Für unseren Zweck genügt es, die drei Hauptarten der Peirceschen Zeichen aufzulisten. Peirce unterschied (1) indexikalische (zwischen Zeichen und Bezeichnetem gibt es eine kausale Beziehung; Rauch als Zeichen für Feuer), (2) ikonische (Zeichen und Bezeichnetes werden durch optische oder akustische Ähnlichkeit verbunden; Zeichen auf Benutzeroberfläche eines Computers oder lautmalerische Wörter) und (3) symbolische Zeichen (zwischen

Moser 1994 Böhme 1999, 61–75

Stegmaier 1999, 9

Zeichenträger und Zeichen

687 Materialität oder Zeichen? Säule einer frühchristlichen Basilika (4. Jh.); Kourion, Zypern Gleiter 2017, 221

Ebd., 224 Charles Sanders Peirce

Peirce 1965, 241–245

520

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

IX.3.9.8.

Nöth 2009, 244 688 Symbol des Evangelisten Johannes, Domkreuzgang Brixen

Geimer 2009, 58

Icons

Neumaier 1999, 240/251

Zeichen und Bezeichnetem besteht eine Relation durch Übereinkunft/Konvention; z.B. Alphabetschrift). Anhänger von konventionalistischen Theorien misstrauen grundsätzlich Ähnlichkeitsbeziehungen und verstehen jedes Zeichen – auch ikonische Zeichen – als Konvention, also als Übereinkunft. In den einschlägigen semiotischen Untersuchungen verschwimmt eine klare Trennung von Ikon und Symbol immer mehr. Bei diesem Streit um Repräsentation oder Konvention pochen die »Repräsentationisten« auf verschiedene Arten von Repräsentation. Sie schwanken, wie in 2.2.2. beschrieben, zwischen totaler Ähnlichkeit und reiner referenzloser Zeichenhaftigkeit. Andere verweisen darauf, dass Bilder ihrer Ansicht nach nicht bloß ikonische Zeichen sind, sondern das gesamte Repertoire des Zeichenbegriffs umfassen. Man kann sogar Bilder unterscheiden in solche, »die in größerem Maße ikonisch, solche, die eher indexikalisch, und andere, die überwiegend symbolisch sind.« Ikonische Bilder sind zunächst einmal die traditionellen Bilder, dann aber auch abstrakte Malereien im Sinne eines selbstreferentiellen Bezugs. Freilich ist ein Zeichen, das nur auf sich selbst verweist, »ein Grenzfall der Zeichenhaftigkeit.« Indexikalisch wird im allgemeinen die Fotografie eingestuft, weil sie schon aus physikalischen Gründen in einer existenziellen Beziehung zum Abgebildeten steht. Diese physikalische Besonderheit der Fotografie ist in der Theorie der Fotografie die Grundlage für mannigfache Positionen, die von der Spur eines »Es ist so gewesen« bis zum Abdruck und der Einprägung (jeweils des Lichtes auf den Film) reichen. »Unhintergehbar ist nicht der mimetische Gehalt der Einschreibung, sondern die Gewissheit, dass eine Einschreibung stattgefunden hat.« Symbolisch könnte man eine ikonographisch kodifizierte Malerei nennen, wie etwa die Zeichenhaftigkeit der frühchristlichen Bildkunst, die man nur entschlüsseln kann, wenn man den Code kennt. Trotz solcher Spezifizierungen arbeiten die meisten Kunstphilosophen mit den unter (2) genannten Icons. Dies deshalb, weil nur bei Icons ästhetische Merkmale im Spiel sind. Icons bezeichnen etwas kraft ihrer ästhetischen Merkmale. Ein Icon ist ein Zeichen, das durch optische, akustische oder andere Ähnlichkeiten für ein bezeichnetes Objekt steht. Freilich lässt sich trotz dieser Ähnlichkeit ein Kunstwerk nie eindeutig dechiffrieren. Otto Neumaier geht deshalb pragmatisch vor, indem Kunstwerke seiner Meinung nach nicht im selben Sinn als Icons anzusehen sind wie Landkarten, »doch können wir ihnen [den Landkarten; BB] insofern eine wesentlich ikonische Komponente zuschreiben, als das, was an ihnen zeichenhaft ist, sich (stets auch) in ihren ästhetischen Merkmalen zeigt.« Kunst stellt eben keine Tatsachenbehauptungen auf, sondern entwirft mit ihren ästhetischen Zeichen »einen Spielraum möglicher Welten«. Aus diesem Grund steht die Unauslotbarkeit eines Kunstwerks für die angenehme Erfahrung, dass man in der Architektur eine Triglyphe in anderen als den ursprünglichen Kontexten erleben und auch noch bei der x-ten Inszenierung von

521

Was ist ein Kunstwerk

Wagners Ring des Nibelungen neue Abgründe entdecken kann. Anders gesagt und negativ ausgedrückt: An der Ambition eines endgültigen Verstehens eines Kunstwerks scheitert man grundsätzlich. Diese Tatsache wurde in zwei Richtungen fruchtbar gemacht: (1) Die Verbindung von Unüberschaubarkeit und Erfahrung bei den Zeichen kann man mit Georg W. Bertram zu einer zeichentheoretischen Rekonstruktion des Erhabenen nützen. Bei der Anweisung von Barnett Newman, sich seinen Bildern so zu nähern, dass man sie nicht mehr als Ganze zu überschauen vermag, geht es nicht darum, dass ein Kunstwerk aufgrund seiner Größe oder seiner besonderen Art nur ausschnittsweise erfasst werden kann, sondern dass dieses Kunstwerk gezielt darauf angelegt ist, die Urteilskraft versagen zu lassen. Bertram sieht zumindest einen Teil einer solchen Absicht (also das Auslösen des Gefühls des Erhabenen) in jedem Kunstwerk realisiert: »Da jedes Kunstwerk seine eigene Sprache mitbringt, bleibt alles Verstehen zuletzt ohne orientierenden Maßstab und erweist sich somit stets als anfällig für Abbrüche.« Es geht aber (2) nicht nur darum, das »Scheitern« vor dem Kunstwerk gleichsam zum Zweck zu erheben, sondern darum, das Scheitern als unabdingbares Element der Aufklärung fruchtbar zu machen. Für Theodor W. Adorno ist Kunst (ihrem aufklärerischen Wesen nach) grundsätzlich antinomisch. Ein anderes Diskursfeld neben der Ungleichung Zeichen ≠ Ausdruck und neben der Unauslotbarkeit des Zeichensystems Kunst ist jenes von Zeichen und Erfahrung. Erfahrungen erhalten durch die Form des Zeichens eine gewisse Richtung. Seit dem Anbruch der Moderne beinhalten Erfahrungen die Reflexion über den Wahrnehmungsakt selbst. Daneben gibt es stets die Erfahrungen mit der konkreten Welt. Als Beispiel dazu könnten die Aussagen von Nikolaj Punin und Lou-Andreas Salomé über die Ikone als »Behälter« der Selbsterfahrung dienen. Das knüpft an die Sicht des mittelalterlichen Menschen an, der die Ikone als Medium spirituell-religiöser Anagogie verstand. Auch aus der Sicht der Moderne stellt sich die Ikone als Zeichen mit Verweischarakter dar: einmal – jetzt aus einer distanziert-aufgeklärten Beobachterposition gesprochen – als Verweis auf eine kulturelle Erzählung von der Möglichkeit einer mystischen Erfahrung des Göttlichen und dann als Verweis auf eine besondere Art der Wahrnehmung, die von den erwähnten Vertretern als Selbstreflexion und Selbsterfahrung interpretiert wird. Es ist nicht falsch festzustellen: »Welt und Selbst stellen hinsichtlich der ästhetischen Selbstverständigung keine Alternative dar, sondern müssen miteinander vermittelt werden.« Daraus folgt, dass sich Zeichen und Erfahrung nicht streng voneinander trennen lassen, dass sich also »der Begriff von Kunst als einem Zeichengeschehen [lässt sich] nicht ohne den Begriff von Kunst als einem Erfahrungsgeschehen formulieren« lässt. Wie sehr eine scheinbar vor allem zeichenhafte Kunst auf Erfahrungen referiert, hat Stephen Polcari mit einer Äußerung zum Abstrakten Expressionismus eingefangen: »Abstract Expressionist Art is among the most powerful icons of these extreme feelings and human needs. In dramatizing the inner life and history of their era, Abstract Expressionists can be said to have built painterly monuments to common experiences and made symbols for its ideals.« Nach Georg W. Bertram könnte

Bertram 2005, 239–248

Ebd., 243f

IX.3.8.1.ff. Zeichen und Erfahrung

IX.5.2.1.

Ebd., 199/203

Polcari 1991, 367

522

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

IX.3.2.2./1.4.1.

Bertram 2005, 197

Ebd., 208 Stegmaier 1999, 8

Backhaus Hildegard in ÄKPh, 571

2.5.

man die Weltorientierung der Kunst mit dem Begriff des Zeichens auf der Grundlage von Goodman verstehen, die Selbstorientierung der Kunst, also ihren subjektiven Anteil, hingegen auf der Grundlage der Erfahrung im Sinne John Deweys. Dewey leistete mit seinem Buchtitel Kunst als Erfahrung, mit dem er bewusst gegen die Zeichentheorie der Kunst Front macht und für die Kunst als eine ins Leben eingebettete Erfahrung plädiert, einen Beitrag zur Bestimmung der ästhetischen Erfahrung. »Die ästhetische Selbstverständigung ist an der Welt orientiert, wenn sie zeichenhaft verfasst ist; sie ist hingegen am Selbst orientiert, wenn sie Formen des Erfahrens erfahrbar macht.« Der Zeichenaspekt von Kunstwerken hat eine kommunikative und eine objektive Dimension, weil Kunstwerke Botschaften versenden und verstanden werden wollen, während das Erfahren die Dimension eines subjektiven Erlebens ins Spiel bringt. Allerdings werden nicht nur Erfahrungen durch die Form des Zeichens gesteuert, sondern es ist auch so, dass Zeichen uns zwar »objektiv Aspekte der Welt zu verstehen geben«, dass sie aber nicht in dieser Objektivität entschlüsselt werden können. »Zeichen sind ihrerseits dadurch kommunikabel, daß sie Spielräume des Anders-Verstehens offenhalten.« Wenn man alle diese Aspekte zusammenfassend bewerten möchte, nützt ein Blick auf die Überlegungen von Charles Morris. Er macht auf die erhebliche Schwankungsbreite des Kunstwerks als ikonisches Zeichen zwischen großer und völlig fehlender Ähnlichkeit aufmerksam, je nachdem, ob es sich um mimetische oder abstrakte Kunst handelt. Er sieht zudem jedes Kunstwerk als zusammengesetzt aus einer Anzahl von Teilzeichen. Mit konstruktiver Arbeit generiert die Rezipientin aus diesem Verbund von Teilzeichen das Kunstwerk. »Ein Kunstwerk fungiert – da es ein Zeichen ist und diese nur in Zeichenprozessen existieren – ausschließlich im Prozeß der ästhetischen Wahrnehmung als ein solches. Daraus folgt, daß alles zum Gegenstand ästhetischer Wahrnehmung gemacht werden kann und einem Zeichenträger von verschiedenen Interpreten unterschiedliche Designate zugeschrieben werden können.« Eine schon mit Humor gemischte Feststellung von Morris ist, dass jeder, der Kunst als Zeichen entschlüsselt, den Glauben an die Illusion der Kunst verloren hat, denn auch eine vermeintlich eindeutige Abbildung muss als Zeichen für etwas verstanden werden. Diese Beobachtung lässt sich jedenfalls beispielsweise bei barocken Stillleben bestätigen. Sosehr sie auf ersten Blick einfach verständlich erscheinen, sind sie in Wahrheit eine Ansammlung von Zeichen und Symbolen und entsprechend schwierig zu entschlüsseln. Aus dieser Sicht ist das »Verstehen« von gegenstandsloser Kunst deutlich einfacher. Zeichenträger und das Bezeichnete ähneln sich, weil sich die Zeichen auf sich selbst beziehen, das Kunstwerk damit selbstreferentiell wird. Noch strenger gesehen könnte man dem entgegnen, dass unter den Auspizien der Zeichentheorie alles zum Zeichen wird, auch die allfälligen Referenten. Jedes Verstehen mündet dann in ein Gebrauchen von Zeichen und in einen begleitenden Konventionalismus. Für Beschränkungen in der Vielfalt der möglichen Bedeutungen von Zeichen sorgt allenfalls der Kontext anderer Zeichen. In Abwandlung eines bekannten Satzes von Gertrude Stein könnte man formulieren: Ein Zeichen ist ein

523

Was ist ein Kunstwerk

Zeichen ist ein Zeichen. Oder mit Erwin Panofsky: »Suchen wir jedoch das Fresko als ein Dokument der Persönlichkeit Leonardos oder der Kultur der italienischen Hochrenaissance oder einer bestimmten religiösen Einstellung zu verstehen, beschäftigen wir uns mit dem Kunstwerk als einem Symptom von etwas anderem, das sich in einer unabsehbaren Vielfalt anderer Symptome artikuliert […].« Zu guter Letzt kommt man nicht umhin, darauf zu verweisen, dass auch in diesem Fall versucht wird, auf der Grundlage der Zeichentheorie ein Unterscheidungsmerkmal von Kunstwerk und Alltagsgegenstand zu gewinnen. Wer dies tut, nützt die Tatsache, dass die materielle Form des Zeichens beim Kunstwerk eine zentrale Rolle spielt. »Kunstwerke sind Zeichen, deren Verständnis damit verbunden ist, dass die besondere Gestalt ihrer Zeichenmaterialität Berücksichtigung findet.« Georg W. Bertram nennt solche Zeichen konkrete Zeichen, zum Unterschied von abstrakten Zeichen wie beispielsweise der Sprache. Die sinnliche Intensität von konkreten Zeichen macht diese einzigartig. Kunstwerke unterscheiden sich von anderen Zeichen dadurch, »dass sie Bedeutung gewinnen, indem sie ihre Verfasstheit auffällig werden lassen.« Für das Verstehen von »gewöhnlichen« Zeichen sei die Oberflächenbeschaffenheit unwichtig, weil sie eine psychologische Ebene erschließe, die beim rein abstrakten Verstehensvorgang keinen Platz hat. Das Verstehen des Terminus Eiche gelinge unabhängig davon, was ich emotional mit einer Eiche verbinde. Bei Kunstwerken sei das anders: »Das Verstehen in der Kunst ist nicht in der gleichen Weise unabhängig von der spezifischen sinnlich-materialen Beschaffenheit der Zeichen.« Kunstwerke sind auf spezifische Weise Zeichen und mit dieser Definition ist die Weltorientierung der Kunst gesichert. »Die Malerei ist eine Kunst der Zeichen, aber zugleich eine, deren Zeichen, allem voran ihre Darstellungen des Körpers, sie als eine Kunst ausweisen, die in ständigem Kontakt mit bedeutungsbildenden Kräften außerhalb des Bildes steht […].« Nelson Goodman, einer der prononciertesten Vertreter der Zeichentheorie der Kunst, geht davon aus, dass Gegenstände – und in weiterer Folge gilt das auch für Kunstwerke – nur dann Zeichen sind, wenn sie als solche gebraucht werden. In der Hieroglyphenschrift oder in der arabischen Schriftkultur hatten wir Fälle, wo ein lesbares Wort auch als Ornament dechiffriert werden konnte. Bernhard Waldenfels spricht bei solchen Fällen von einer »pikturalen Mehrdimensionalität«. Ich habe neben meinem Hauseingang den arabischen Schriftzug ‫( بيت الحكمة‬bait al-hikma) stehen. Die mit Haus der Wissenschaft zu übersetzende Aufschrift bezieht sich auf die berühmte wissenschaftliche Bibliothek in Bagdad. Ich wählte diese Aufschrift, weil ich in meinem Haus seit vielen Jahren an diesem Buch arbeitete und den Besuchern eine verschlüsselte Warnung zukommen ließ, dass der Hausherr deshalb wenig Zeit für Konversation und divertimento besitzt. Doch natürlich können nur wenige meiner Besucher das Wort entziffern und nehmen es – überrascht darüber, so etwas in einem Tiroler Dorf anzutreffen – als Ornament, als Arabeske, die – orientalische Gastfreundschaft assoziierend – nichts anderes ausdrücken könne als einen originellen Willkommensgruß. Übertragen auf ein Kunstwerk kann man mit Goodman sagen, dass Kunstwerke durch eine bestimmte Zeichencharakteristik zu

Panofsky 1955, 41 IX.3.4.2.

Bertram 2005, 128f

Ebd., 191

Ebd., 212

Bryson 1983, 21

Waldenfels 1999, 116

V.3.4.2.2.

524

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

solchen werden. Diese Charakteristik beschrieb Goodman an fünf (außerordentlich unanschaulichen) Merkmalen, die ich im Kapitel IX.3.9.4. vorstellte. Wenn wir uns hier auf die Pointe beschränken, heißt das, dass im erwähnten Sinn eine Reihe von Merkmalen des Zeichens Kunstwerk konstitutiv für den Inhalt ist. Eine kleine Veränderung an der Form des Kunstwerks verändert dessen Inhalt. Solches gilt in zugespitzter Form speziell für die Lyrik. Die Veränderung von Worten, ja manchmal auch nur von Absätzen und Schrifttypus verändert das Kunstwerk deutlich, während solche Veränderungen bei einem Informationstext keine Rolle spielen. Die Wichtigkeit der Form des Zeichens steht geradezu in umgekehrtem Verhältnis zur Deutbarkeit.

3.5. Die Frage nach dem ontologischen Status des Kunstwerks

Schmücker 1998, 164

Strawson 1959, 9

2.1.

Schmücker 1998, 163

Analog zum Kunstbegriff unterziehen vor allem analytische Philosophen auch den Kunstwerkbegriff einer intensiven Analyse des ontologischen Status. Der Ausdruck Ontologie in diesem Zusammenhang hat sich dafür eingebürgert, wiewohl er hoch gegriffen ist, denn ursprünglich ist Ontologie ein anderer Ausdruck für Metaphysik und meint die Beschäftigung mit dem Sein und dem Seienden in seiner Gesamtheit. Die Analytische Philosophie hat den Ontologiebegriff auf die Seinsart von Gegenständen zugespitzt. Es geht um die Frage, was für ein Gegenstand (was für ein Seiendes) ein Kunstwerk ist. Die ontologische Frage nach Kunstwerken ist damit die Frage, »von welcher Art von Gegenständen die Rede ist, wenn von Kunstwerken die Rede ist.« Technisch betrachtet ist es in der Analytischen Philosophie üblich geworden, einen Gegenstand in ein System von Kategorien einzuordnen und ihm von da her den Status eines bestimmten Seienden zuzuordnen. Daher heißt ein solches Kategoriensystem ontologisch und die Tätigkeit des Kategorisierens Ontologie. Unter Ontologie wird de facto eine philosophische Analyse der Existenz und Realitätsform von Gegenständen verstanden. In diesem Fall spricht man von einer lebensweltorientierten und Strukturen beschreibenden deskriptiven Ontologie, die sich von einer revisionären Ontologie, die sich bemüht, »to produce a better structure,« unterscheidet. Diese Nachfrage nach dem ontologischen Status von Kunstwerken ist selbstredend verheißungsvoll, denn in der Tat interessiert uns, ob sich die vielen unterschiedlichen Kunstwerke in einem Gegenstandsbegriff abbilden, ob sie sich also kategorisieren lassen. Das Ergebnis einer ontologischen Analyse beim Kunstbegriff war allerdings eher bescheiden, geht diese doch über die Abwehr eines Essentialismus und die Frage nach dem semantischen Gehalt des Kunstbegriffs kaum hinaus. Trotzdem werden solche Klärungen gleich zum Inhalt einer »Kunstästhetik« erklärt, indem man diese als eine »Theorie über die Bedeutung des Kunstbegriffs« versteht. Bei der Frage nach dem Status des Kunstwerks scheint der analytische Ansatz hingegen interessanter, weil er die hohe Differenzierung der verschiedenen Kunstwerke minutiös nachzeichnet. Allerdings ist hier in letzter Konsequenz das Differenzieren ein direktes Abbilden der Diversität von Kunstwerken, sodass zum Schluss bisweilen abstrakte Definitionen stehen, die zwar akademische Bedürfnisse befriedigen mögen, denen man aber kaum mehr Alltagstauglichkeit und einen Sitz im Leben zusprechen kann.

525

Was ist ein Kunstwerk

Die meisten Autorinnen setzen für die Anwendung des Kunstwerkbegriffs voraus, dass es sich bei den einschlägigen Gegenständen um Artefakte handelt. Es gibt auch Artefakte, die keine Kunstwerke, sondern zum Beispiel technische Geräte sind, aber jedes Kunstwerk ist jedenfalls auch ein Artefakt. Daher hört sich die Fragestellung, um die es jetzt geht, bei Reinold Schmücker exakt so an: »Denn die Frage nach der Seinsweise von Kunstwerken als solchen erfragt nicht nur, in welcher Weise Kunstwerke existieren, insofern sie Artefakte sind. Sie fragt vielmehr auch danach, in welcher Weise Kunstwerke existieren, insofern sie […] Kunstwerke sind.« Ein Artefakt ist für Schmücker dann ein Kunstwerk, »wenn über seine Kunsthaftigkeit ein so weitreichender Konsens besteht, daß von ihm deskriptiv-klassifikatorisch ausgesagt werden kann, daß es ein Kunstwerk ist.« Das ist sauberes philosophisches Handwerk im Sinne der Analytischen Philosophie, das mit dem Interesse verbunden ist, einen drohenden Essentialismus (ginge man von einem inhärenten, das Kunstwerk als solches bestimmenden Merkmal aus) zugunsten einer Deskription und Klassifikation zu vermeiden. Kunstwerke sind in ihrem Kunstwerk-Sein letztlich von einem Werturteil (von einer hinreichend großen Zahl von Urteilenden) abhängig. Die Frage, wie es um den Kunstwerkbegriff bestellt ist, wenn kein solcher Konsens besteht (und das dürfte in der zeitgenössischen Kunst nicht selten der Fall sein), bleibt hier ebenso offen wie jene nach der Art des Publikums, das diesen Konsens erreichen sollte. Die Nähe solcher Überlegungen zur Institutionentheorie der Kunst und der Deutung der Kunst als Werturteil, zieht die Probleme nach sich, die mit solchen Theorien einhergehen. Dies wird im folgenden Kapitel vertieft, bleiben wir zunächst noch beim Thema Artefakt. Über die Frage, was ein Artefakt ist, gibt es in der einschlägigen Fachliteratur eine breite Diskussion. Praktisch zu jedem Teilaspekt lassen sich Spezifizierungen anbringen und Einwände formulieren. Christian Kanzian listet drei Spezifizierungen für Artefakte auf: (1) genetische Bewusstseinsabhängigkeit, (2) Konventionalität und (3) Artwechsel. (ad 1) Artefakte sind in ihrem Bestand genetisch (also von ihrem Entstehen her) von mindestens einem Bewusstsein abhängig. Im Gestrüpp der für die Analytische Philosophie keineswegs trivialen Frage, ob Artefakte über das Entstehen hinaus auch in ihrer weiteren Existenz von einem Bewusstsein abhängig sind, wollen wir uns hier möglichst nicht verheddern, zumal die Frage in hohe Komplexität ausartet. Sie erfordert nämlich eine genauere Spezifizierung dessen, was genau es ist, das an einem Artefakt von einem Bewusstsein abhängig ist. Das kann z.B. die Form des Artefakts sein. Eine solche ließe sich nach Christian Kanzian wiederum mit drei Charakterisierungen beschreiben: (a) Nutzen, (b) Funktion und (c) Anordnungsund Kompositionsprinzipien für die einzelnen Teile. Dass dies für technische Artefakte relativ trivial nachvollziehbar ist, sich aber für Kunstwerke (gar Ready-Mades) nicht sofort erschließt und mehrere Zusatzbedingungen notwendig sind, liegt auf der Hand. Ich werde in 3.5.1. deshalb noch einmal darauf zurückkommen, weil sich für Kanzian hier ein mögliches Differenzierungspotenzial zwischen technischem Artefakt und Kunstwerk auftut.

Kunstwerk als Artefakt

Ebd., 165

Ebd.

2.8.

Kanzian 2009, 126–136

Kanzian 2015, 899

526

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Ebd., 901

3.5.1.

Newman, zit. nach Zweite 1997, 279

(ad 2) Auch für Kanzian scheidet ein inhärentes Merkmal zur Identifikation von Artefakten aus, vielmehr handelt es sich um Dinge, »deren Identität konventionell festgelegt wird.« Übertragen auf Kunstwerke gelten bei einer solchen, konventionellen Zuschreibung des Kunstwerkstatus ähnliche Umstände und Probleme wie im Fall der Institutionentheorie in der schwachen Form Dantos und in der starken Form Dickies. Auch bei Bestimmungen wie jener nach der numerischen Einheit von Kunstwerken gibt es bisweilen keinen anderen Ausweg, als auf die Konvention zurückzugreifen. Wenn eine durch Regen unterbrochene Opernaufführung im Freien eine Stunde später im daneben liegenden Opernhaus fortgesetzt wird, kann man mit vernünftigen Gründen von der Aufführung einer Oper sprechen, obwohl eine solche Identität philosophisch nur mit großem Aufwand begründbar ist. (ad 3) Schon angesichts der konventionellen Bestimmungen der Identität sind Artefakte und Ereignisse zum Artwechsel fähig. Jan Böhmermanns Schmähgedicht auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vom 31. März 2016 fällt sowohl unter die Art Satire und (so definierte ein Gericht ausdrücklich) auch unter jene einer Beleidigung. Damit changiert dieses Ereignis zwischen zwei Arten der Klassifikation. Zu einer aus der Perspektive der Kunst erwünschten Entscheidung verhilft diese Einsicht freilich wenig und ob diese Charakterisierung im Bereich der Kunst generell hilfreich ist, sei dahingestellt. Denn auch bei Ready-Mades kommt man mit diesem Kennzeichen nicht weit. Der in diesem Zusammenhang auftauchende Hinweis, dass eine Schneeschaufel einmal als Schneeschaufel, dann aber als Kunstwerk fungieren kann, ist irreführend. Denn selbstverständlich bleibt die Schneeschaufel auch als »Kunstwerk« eine Schneeschaufel. Verschärfend kommt hinzu, dass Marcel Duchamp sogar nahelegte, dass seine Ready-Mades gar nicht als Kunstwerke intendiert seien. Diese Spezifikation legt eine weitere Diskussion jedenfalls nahe. Aber nicht nur Ready-Mades sind Herausforderungen an den Gegenstandsbegriff eines Kunstwerks. Es gibt eine Reihe von Beispielen, mit denen wir scheinbar behände umgehen, die sich aber bei genauerer Betrachtung als äußerst knifflig herausstellen. Sind verschiedene Exemplare eines Kunstwerks Exemplare desselben Kunstwerks? Was ist das Kunstwerk Symphonie Nr. 3 in d-Moll von Anton Bruckner? Bruckners Idee, der Autograph (es gibt von Bruckners Dritter Symphonie drei Fassungen mit jeweils unvollständigen Autographen), die vielen gedruckten Partituren, die Aufführung der Staatskapelle Dresden unter dem Dirigat von Eugen Jochum oder die Schallplatten und CDs dieser bzw. anderer Aufnahmen? Und wie viele Kunstwerke sind die zahllosen Buchexemplare von Dantes Göttlicher Komödie? Auch für materielle Objekte stellen sich solche Fragen. Barnett Newmans Broken Obelisk wurde von ihm selbst bei der Lippincott Inc. in North Haven (Connecticut) in zweifacher Ausführung in Auftrag gegeben (1966/67). Er bezeichnete sie als »eineiige Zwillinge«: »Ich lege Wert auf eine Auflage von zwei, weil ich nicht an das Einzelstück glaube, wenn die Skulptur gegossen oder angefertigt wird. Das plastische Einzelwerk gibt es nur beim bearbeiteten Stein.« Zwei weitere Exemplare folgten 1969 und 2005/06, überdies wurde ein Teil der Skulpturen nach Korrosionsschäden repariert und dabei um wenige Zentimeter in der Proportion verändert.

527

Was ist ein Kunstwerk

Weitere Fragen tun sich auf, wenn man vor die Wahl gestellt wird, ob das Kunstwerk ein materieller, sinnlich erfahrbarer Gegenstand ist oder etwas Abstraktes oder ob das Kunstwerk erst als emotionales Erlebnis erscheint. Wie steht es dann mit verschiedenen Ergebnissen eines solchen Kunstwerkbegriffs. Jemand kann bei einer Klaviersonate von Chopin fröhlich sein, eine andere wird dabei melancholisch. Sind das dann zwei Kunstwerke, damit gar zwei Gegenstände? Das sind Fragen, über die man sich selten den Kopf zerbricht, die aber bei verschiedenen Genres, von musikalischen Werken bis zu Performances, und angesichts der zeitgenössischen Herausforderungen an den Kunstbegriff wichtig sind. Sprachphilosophinnen mahnen uns daher dazu, als erstes den Gegenstandsbegriff ganz allgemein zu klären, und wir erhalten viel kompliziertere Antworten, als es die einfache Frage vermuten lässt.

3.5.1. Was für ein Gegenstand ist ein Kunstwerk Zunächst stellt sich die Frage, welche Gegenstandskonzepte die Philosophie überhaupt anbietet, wobei wir von einem sehr breiten Verständnis von Gegenstand in diesem Zusammenhang ausgehen. Demnach ist ein Gegenstand alles, was wir sinnlich wahrnehmen können und alles, was wir denken, kurz alles, worüber wir sprechen können. Das dazugehörige Repertoire (das sind die oben erwähnten Kategoriensysteme) ist keineswegs standardisiert, aber eine gewisse vergleichbare Terminologie hat sich in der Analytischen Philosophie herausgebildet. Nach dieser unterscheidet man zwischen Universalien und Partikularien. Universalien sind Allgemeinbegriffe wie der Mensch zum Unterschied vom singulären Bernhard Braun. Ein Universale »kann als dasselbe mehrmals, auch zu gleicher Zeit vorkommen.« Partikularien sind raum-zeitliche, also konkrete Individuen, singulär und nicht wiederholbar. Konkrete Dinge, also materielle Gegenstände, sind Partikularien, daneben aber auch individuelle nicht-materielle Gegenstände wie Gedichte, Musikstücke, Tänze, Performances. Denn auch Ereignisse und Zustände, mit denen wir in der Kunst jedenfalls konfrontiert sind, sind individuell, raum-zeitlich, einmalig und unwiederholbar, damit (nicht-dingliche) Partikularien. Ihre Eigenart und zugleich der Unterschied zu den materiellen Dingen ist, dass zu ihrer Raumdimension jene der Zeit dazukommt. Sie sind zu einem bestimmten Zeitpunkt niemals als ganze zu haben. Ihre Raumdimension erhalten sie nur durch jene Dinge, die in das Ereignis involviert sind. Die Aufführung der Barockoper Gli amori d’Apollo e di Dafne von Francesco Cavalli am 20. August 2018 hatte ihre räumliche Dimension im Hof der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck und in den Bühnenaufbauten. Ihre ganzheitliche Rezeption setzte allerdings die Anwesenheit über die gesamten zweieinhalb Stunden der Aufführung voraus. Damit sind Ereignisse von den Dingen abhängig, aber nicht die Dinge von den Ereignissen. Eine Opern-, Theater-, Tanzaufführung lebt wie eine Performance zwar von einem Prozess, der aber in einem konkreten Raum und mit konkreten Gegenständen stattfindet. Bei den Dingen interessieren uns an dieser Stelle die im letzten Kapitel eingeführten Artefakte. Artefakte sind Werkzeuge, Kunstwerke, aber auch Institutionen.

Universalien und Partikularien

Kanzian 2009, 31

Materie und Form

528

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Kanzian 2015, 898

3.5.1.1./IX.3.9.3.

IX.2.2.10. 3.5.1.2.

Ebd., 908

Dinge, damit auch Artefakte, haben – daran hat sich seit Aristoteles nichts geändert – jedenfalls eine materielle Beschaffenheit und eine bestimmte Form. Damit sind wir bei dem in 3.5. bereits vorbereiteten Thema der Form. Analytische Philosophen beziehen die jeweilige Form auf die (in diesem Fall niederste) Art (species infima), unter die das Ding zu subsumieren ist. »Alle Dinge nun gehören zu ein und demselben Zeitpunkt genau einer species infima an, die ihre Konstitution als Individuen oder ihre Identität […] bestimmt.« Aber es ist nicht so, dass man aus der Form (diese ließe sich in etwa mit einem Bauplan vergleichen) die materielle Verwirklichung in der Welt ableiten könnte. Der Formbegriff ist allerdings in der Analytischen Philosophie nicht unumstritten. Richard Wollheim unterscheidet zwischen dem materiellen Artefakt und dem abstrakten Kunstwerk in ein und demselben Gegenstand. Wenn wir nun die in 3.5. aufgelisteten Spezifizierungen für Artefakte, (1) (genetische) Bewusstseinsabhängigkeit, (2) Konventionalität und (3) Artwechsel, auf Kunstwerke anwenden, ergibt sich Folgendes: (ad 1) Bereits die Bedingung, dass zumindest ein Bewusstsein existieren muss, das ein Kunstwerk als solches wahrnimmt (kontinuierliche Bewusstseinsabhängigkeit), wirft viele Fragen auf. Dieses Dilemma hat es wohl bei Duchamps Fountain bereits faktisch gegeben (nochmals: dort ist nicht einmal klar, ob Duchamp selbst sein Urinoir als Kunstwerk intendiert hat), als die Annahme in der Société des Artistes Indépendants abgelehnt wurde. Trotzdem wurde dieses Artefakt über die Geschichte als Kunstwerk anerkannt. Ähnliche Probleme tauchen auf bei mentalistischen Konzepten, nach denen das Kunstwerk ein bloßes geistiges Konzept ist. Zumindest bei Kunstwerken, die materielle Dinge sind, könnte man in einem weiten Verständnis noch mit den oben angegebenen Bedingungen für Artefakte in ihrer Bewusstseinsabhängigkeit (Nutzen, Funktion, Kompositionsprinzip) operieren. Ein Nutzen mag von der Künstlerin jedenfalls intendiert worden sein, und sei es bloß ein neues Anordnen von bekannten Dingen, um ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit zu erzeugen. Das bedingt die Funktion und eine bestimmte Anordnung und Komposition, also die Form. Christian Kanzian möchte bei der inhaltlichen Differenz dieser Bedingungen den Unterschied zwischen Alltagsgegenständen und Kunstwerken festmachen: »Die Umsetzung des kunst-spezifischen ›Nutzens‹ in Anordnungsprinzipien von Teilen bzw. in bestimmte Anforderungen an die materiale Komposition hat nach ästhetischen Gesichtspunkten zu erfolgen.« Dem schließt sich die nächste Frage an, wie nämlich der Ausdruck »unter ästhetischem Gesichtspunkt« zu verstehen ist. (ad 2) Ziemlich analog dazu ließen sich die Probleme mit der Konventionalität beschreiben. Jemand hat eine ästhetische bzw. künstlerische Intention, um ein Kunstwerk zu schaffen. Was genau eine solche Intention ist, bleibt dabei (bewusst?) offen. Es ist – wie die Erfahrung zeigt – ja keineswegs so, dass von Künstlerinnen intendierte Kunstwerke automatisch eine konventionelle Bestätigung bei der Rezeption erfahren. (ad 3) Das Grundproblem einer solchen hoch differenzierenden Herangehensweise scheint mir zu sein, dass dem Kunstwerkbegriff dabei ein statischer, eben zu dinghafter Charakter eingeschrieben wird. Viele Kunstwerke »funktionieren« indes

529

Was ist ein Kunstwerk

nur in einer prozesshaften Sicht, was bei der Spezifizierung des Artwechsels zu einem grundlegenden Problem führt. Es ist nicht so, dass das Reichtagsgebäude in Berlin ein normales Regierungsgebäude ist und im von Christo und Jeanne-­Claude verpackten Zustand ein Kunstwerk. Vielmehr geht es beim Kunstwerk Wrapped Reichstag von 1995 um einen weitaus komplexeren prozesshaften Vorgang und um ein mentales Rezeptionsgeschehen mit sozialen und politischen Inhalten. Das Reichstagsgebäude bleibt ein Reichstagsgebäude vor, während und nach der Verhüllung. Das »Kunstwerk« ist ein paralleler Vorgang und ein Rezeptionsakt. Man sieht, dass man sich bei diesen Überlegungen nicht um inhaltliche Aussagen drücken kann, was letztlich dazu führt, dass man einem gewissen Zirkel in der Argumentation nicht auskommt. Nach der gängigen Einteilung von Kunstwerken in (1) materielle, raum-zeitliche Gegenstände im weitesten Sinn, (2) psychische Vorstellungen, also Überzeugungen und Emotionen und (3) abstrakte Gegenstände, die weder den Sinnen (wie (1)) noch der Introspektion (wie (2)) zugänglich sind, sondern dem Denken des Verstandes (z.B. Bedeutungen oder Zahlen), fragt sich, welche von diesen Versionen sich nun auf Kunstwerke anwenden lassen? Das hängt zunächst davon ab, welchen ontologischen Status von Gegenständen Philosophen zulassen. Hier gibt es keinen Konsens, sondern es teilen sich die Schulrichtungen der Philosophen mit durchaus verschiedenen Ergebnissen. Materialisten beispielsweise wollen nur Gegenstände im Sinne von (1) zulassen, Mentalisten solche von (2) und/oder (3). Die Frage, wie sich Theorien darstellen, die Kunstwerke aus materialistischer (oder in unserem Fall: physizistischer) oder mentalistischer Perspektive darstellen, sollen nun mit Blick auf mehr oder weniger brauchbare Hilfestellung durch die Methode der Analytischen Philosophie näher verfolgt werden.

3.5.1.1. Das Kunstwerk als materieller Gegenstand Beginnen wir mit der unter (1) aufgelisteten Version und fragen, was für Gegenstände Kunstwerke sind, wenn sie – in welcher Form auch immer – materielle Gegenstände sind. Richard Wollheim, der gegen diese Position kritisch zu Felde zog, nannte sie »materielle Objekthypothese« (physical object hypothesis). Es handelt sich dabei um eine grundlegende und im Sinne des common sense vertraute und verbreitete Ansicht und sie – soviel kann man ohne Weiteres einräumen – scheint für einen großen Teil von Kunstwerken zu passen, insbesondere für Kunstwerke aus dem Bereich der bildenden Kunst und der Architektur, um die es in dem vorliegenden Werk ging. Wie wir oben sahen, kann man im weiteren Sinn als physische Gegenstände auch Bücher, Lesungen, Tonträger, Partituren, Aufführungen, Erlebnisse beim Schreiben und Hören verstehen. Das macht die Anwendbarkeit der materiellen Objekttheorie nun nicht unbedingt plausibler. Richard Wollheim versuchte, die materielle Theorie zu entschärfen und zugleich dem Gegenstandscharakter des Kunstwerks näher zu kommen, indem er im Fall des Kunstwerks von jedem materiell-physischen Objekt ein weiteres »ästhetisches Objekt« unterschied, mit dem das Kunstwerk identifiziert wird. Man steht dann einem materiellen Gegenstand gegenüber, an dem nicht nur materielle von ästhetischen

materielle ­Objekthypothese

Wollheim 1968, 17

530

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Ebd., 167

Margolis 1977, 75

Wollheim 1968, 23

IV.8.2./IV.5.2.2.

Kutschera 1989

Kulenkampff 1983, 578

Eigenschaften zu unterscheiden sind, sondern der quasi zwei Gegenstände ist. Vom materiellen Objekt wird ein (imaginäres) ästhetisches abgehoben. Eine ähnliche Position vertritt Joseph Margolis, der sich damit gegen die Auffassung stellt, das Kunstwerk sei ein abstrakter Gegenstand. Für ihn ist vielmehr jedes Kunstwerk ein Partikulare (token-of-a-type) und kein abstrakter Gegenstand. Michelangelos Pietà ist in einen Marmorblock eingebettet, aber nicht mit ihm identisch: »My own suggestion is that (token) works of art are embodied in physical objects, not identical with them.« Auch wenn solche Unterfangen seltsam klingen mögen, scheinen sie einen scharfen Blick auf die gängige Praxis zu werfen, wie wir mit Kunstwerken umgehen. In der Tat schreiben wir dem Kunstwerk andere Eigenschaften zu als dem materiellen Objekt. »Wir sagen vom Heiligen Georg, er sei von Leben erfüllt (Vasari). Doch der Marmorblock ist unbelebt. Deshalb kann der Heilige Georg nicht dieser Marmorblock sein.« Marmorblock und Statue sind also keineswegs identisch. Eine Statue verträgt es, wenn man einen Finger durch ein anderes Material ersetzt. Der Ton als Material wiederum hält es aus, wenn aus einer Statue eine Kugel geformt wird, damit ist aber die Statue verlassen. Es gibt Beispiele in der Geschichte, wo die Praxis des Umgangs mit dem Kunstwerk einer solchen Unterscheidung tatsächlich nahe kam. Bei der Ikone und der Zentralbaukirche ging es primär um ihre anagogische Funktion, ihre Materialität war eine Zwangsläufigkeit und behinderte die dazugehörige kulturelle Erzählung sogar. In der Tradition der Ikone erfand man deshalb die Geschichte, dass Ikonen nicht von Menschenhand gemacht, sondern von Gott selbst vom Himmel auf die Erde geworfen wurden, und in frühchristlichen Kirchenbauten diente das Mosaik dazu, jede Spur an Materialität zu eliminieren. Auch für die gegenstandslose Kunst der Moderne hilft Wollheims Konstruktion, ist doch dort die Unterscheidung von materieller Basis und ästhetischer Absicht in vielen Fällen unübersehbar und entspricht der Unterscheidung von Darstellung (man kann statt Material bisweilen auch Mimesis sagen) und Ausdruck. Es scheint gar nicht so selten der Fall zu sein, dass die Materialität geleugnet werden muss, um das Kunstwerk als solches entschlüsseln zu können. Trotzdem ist diese Sicht seit langem umstritten und die Diskussion darüber nicht abgeschlossen. Sie hat Anhänger und Kritiker gefunden. Franz von Kutschera versucht, ein physizistisches Kunstwerkverständnis zu retten, indem er einwendet, man könne eine Aussage über ein (abstraktes) Kunstwerk auf den physischen Gegenstand übersetzen. Man könne berechtigt darüber sprechen, dass ein Bild eine Stimmung habe (und sie nicht nur ausdrücke). Eine haltbare philosophische Begründung muss er naturgemäß schuldig bleiben, weil es sie nicht zu geben scheint. Das gegenständliche Bild ist keine Identität, sondern eine Repräsentation. An solchen Beispielen wird klar, dass selbst bei vermeintlichen Unikatkünsten eine materielle Objekthypothese schwer zu halten ist. Jens Kulenkampff wiederum versucht das Problem zu lösen, indem er von verschiedenen Redekontexten ausgeht, wenn man sowohl ästhetische als auch physische Eigenschaften von einem Gegenstand (Werke der Unikatkünste sind für ihn mit dem physischen Original identisch) prädiziert.

531

Was ist ein Kunstwerk

Diese Lösung ist zweifellos entkrampfter, weil sie auf die eher seltsame Annahme mehrerer ontologischen Entitäten verzichtet, und sie liegt näher am common sense. Auch Christian Kanzian hält die Behauptung, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt gleichzeitig ein materieller »Bronzeklumpen« und eine Statue als Kunstwerk existierten, für unzulässig. Reinold Schmücker lehnt Wollheims Aufteilung in zwei ontologische Entitäten ebenso ab und geht im Sinne Kulenkampffs davon aus, dass man physische Objekte in mehrfacher Hinsicht beschreiben kann, ohne dass die Beschreibungsebenen gleich als eigene Entitäten definiert werden müssen. Es sei unbestreitbar, dass sich »keine Notwendigkeit ableiten läßt, so viele Entitäten anzunehmen, wie Hinsichten denkbar sind, unter denen der betreffende Gegenstand sich beschreiben ließe.« Jede Sicht der Menschen ist letztlich eine perspektivische Sicht. Auch ein Physiker betrachtet einen Kirschkuchen beim Kaffeekränzchen anders, als wenn er ihn unter dem Gesichtspunkt seiner physikalischen Materialeigenschaften untersucht. Deshalb hat er noch lange nicht zwei Kirschkuchen vor sich. Auch wenn man einer solchen Spezifizierung, wie sie Wollheim durchführte, folgen wollte, bleiben erhebliche Probleme, auf die oben bereits kurz hingewiesen wurde. Wie ließe sich eine exakte Trennung dieser zwei Eigenschaftsklassen bewerkstelligen? Wie geht man mit jenen zahlreichen Fällen um, wo das Material, anders als bei den hier gewählten Beispielen, eine tragende Rolle im Kunstwerk spielt? Nicht nur in der Architektur ist das gewählte Material meist wichtig, auch in den bildenden Künsten wurde das Material etwa als Garant der Unvergänglichkeit eingesetzt, wie der Stein in der ägyptischen Kunst, der Marmor in der Renaissance. Der Gegenentwurf zu dem Dauerhaftigkeit symbolisierenden Material ist die Zur-Schau-Stellung des Prozesses. In der neuen Kunst werden für das Motiv der Vergänglichkeit nicht mehr die alten Vanitas-Symbole verwandt, sondern es greifen andere Ideen: Fluxus-Kunst, Performance, Medienkunst, Land-Art lassen den Zeitverlauf das Material verändern und zeigen, wie in Damian Hirsts A Thousand Years (1997), das Werden und Vergehen von Leben. Bei einer solchen materiegestützten Prozesskunst spielt das Material zwar eine zentrale Rolle, aber es unterstützt die materiale Objekthypothese deswegen nicht. Denn die eigentliche Botschaft ist ja der Prozess, der durch das sich verändernde Material nur angedeutet wird, aber nicht dieses Material ist. Das eigentlich Ästhetische ist auch kaum das Material, sondern die spezifische Formung desselben. Otto Neumaier formuliert unversehens das demiurgische Programm Platons, wenn er schreibt, dass ein Kunstwerk nicht durch sinnliche Vorstellungen ein solches ist, sondern »durch die Art, wie die Materialeigenschaften des Mediums (Sprache, Klang, Licht, Farbe usw.) zu ästhetischen Merkmalen (Harmonie, Rhythmus, Proportion usw.) geformt sind […].« Mit einer originellen Performance trug 1967 Joseph Beuys zu einer Immatrikulationsfeier an der Kunsthochschule Düsseldorf bei. Zehn Minuten lang zischte, bellte, pfiff er unartikuliert vor dem Publikum. Er führte Sprache radikal auf ihr »Material« zurück und verwies darauf, dass dieses »akustische Material« erst von Geist und Körper geformt werden muss, um aus Natur Kultur zu machen. So gese-

Schmücker 1998, 204

3.5.

Materie und ­Zeitlichkeit

Neumaier 1999, 124

532

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

V.3.3.1.

VIII.3.2.3.2.3.

hen, spielt das Material auch bei Darstellungskünsten eine wichtige Rolle. Die ästhetisch-expressive Rezitation des Koran ist nicht zu trennen von der Sprachform, der Stimme des Vortragenden, damit von der sinnlichen Wahrnehmung im Moment der Rezeption. Der Klang von Originalinstrumenten mag einer Barockoper eine völlig andere Qualität verleihen als die gängige Instrumentierung. Aber natürlich kommen »dem Kunstwerk« andere Beschreibungen zu als beispielsweise der Mandora vom Wiener Lautenbauer Andreas Partl aus dem Jahr 1747, mit der bei der Aufführung gespielt wurde. Unabhängig von Wollheims Versuch, das Problem der Unvereinbarkeit von ästhetischer und materieller Beschreibung zu entschärfen, gelangt man bei genauer Betrachtung zum Schluss, dass selbst bei unverdächtig erscheinenden Werken der bildenden Kunst die materielle Objekttheorie in ihrer einfachen Form schwierig anwendbar ist. Ein zentrales Problem bei der Theorie ist der Aspekt der Zeitlichkeit. Da die materiellen Eigenschaften von Kunstwerken im Zeitverlauf erodieren, müsste man (falls diese Veränderung nicht ausdrücklich erwünscht und Teil des Kunstwerks ist) einen optimalen Zustand des Kunstwerks aussuchen und diesen Zustand als Kunstwerk definieren, der übrigens (je nach Künstlerintention) nicht unbedingt der Anfangszustand sein muss. In der Tat ist das ein heikler Punkt, der für vermutlich den größten Teil von Kunstwerken zutrifft: Bei einer bereits heftig verwitterten Madonna mit Kind aus dem 18. Jh. steht man bei einer notwendigen Restaurierung dieses Kunstwerks vor schwierigen Entscheidungen. Der ursprüngliche Zustand ist unwiederbringlich verloren und lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Deshalb sind meist Komplettrestaurierungen gar nicht erwünscht. Man begnügt sich etwa mit Erhaltungsarbeiten und verzichtet auf Rekonstruktionen von fehlender Krone und Szepter. Man trifft eine willkürlich scheinende Entscheidung, die reizvollen Spuren der Zeit, das Lichtspiel des Krakeels, den Blick auf frühere Farbschichten (alles Effekte, die es im Originalzustand nicht gab) sichtbar bleiben zu lassen. Die angedachten Restaurierungsschritte, damit letztlich das Kunstwerk selbst, sind – auch in seiner materiellen Verfassung – von den Projektionen von Rezipientin und Restauratorin abhängig. Selbst bei literarischen (und in Analogie musikalischen) Kunstwerken verhält es sich ähnlich. Frank Günther, der 2017 nach vielen Jahren mühsamer Arbeit eine Neuübersetzung der Werke Shakespeares vollendet hat, resümierte in einem Interview zufrieden, dass man auf diese Weise auch der jüngeren Generation, die das altertümliche Deutsch der bisherigen Übersetzung Schlegels nicht mehr versteht, Shakespeare erschließen könne. Demgegenüber müsse man in der englischsprachigen Gemeinde noch lange mit dem auch dort unverständlich gewordenen alten Englisch leben. Eine Übersetzung ist keine geistlose Kopie, sondern passt durch Veränderung des »Materials« ein literarisches Kunstwerk einer neuen Zeit an. Es erhält eine eigene ästhetische Qualität. Abseits des systematischen Problems um den materiellen Charakter des Kunstwerks sind solche Fragen elementar für Renovierungsprojekte alter Kulturgüter. Wir nähern uns hier – und das könnte Wollheim mit seiner Unterscheidung durchaus beabsichtigt haben – einem mentalen oder abstrakten Kunstwerkkonzept,

533

Was ist ein Kunstwerk

denn das in den Beispielen angesprochene Kunstwerk ist zu einem großen Teil von den Rezipientinnen geschaffen. Dessen materieller Gehalt hat (in meinem Beispiel der verwitterten Madonna) mit der ursprünglichen, von einem unbekannten Künstler geschaffenen Christkönigin mit (inzwischen verlorener) Krone und (inzwischen verlorenem) Szepter nur mehr wenig zu tun. Letztlich sind auch Dirigenten, Solistinnen, Übersetzerinnen und Rezipienten schöpferische Künstlerinnen. Jede Aufführung von Verdis Traviata ist entweder ein Versuch, dem in einer Projektion entworfenen Original nahezukommen, oder aber eine bewusste Ambition, durch Interpretationsvarianten ganz gezielt eine eigene Verdi-Deutung zu kreieren, damit einen gegenüber dem Komponisten nochmals eigenen Kunstanspruch zu erheben. Wollte man dieses Verhältnis von Idee und Realisierungen weiter strapazieren, lassen sich beide Seiten ohnehin nicht mehr sauber voneinander trennen. Unter Wollheims Händen ist die materielle Objekttheorie in ein mentalistisches Konzept gekippt, bei dem die Intention der Rezipientin die entscheidende Rolle spielt. Wollheim macht folgende Unterscheidung: »Denn wenn das Auftreten bestimmter Erlebnisse (zum Beispiel, wenn man sich selbst Wörter vorsagt) uns die Existenz eines bestimmten Gedichts anzunehmen berechtigt, heißt dies nicht, daß das Gedicht dieses Erlebnis sei. Eine angemessene […] Formulierungsweise wäre die, zu sagen, es sei das Objekt jener Erlebnisse. Und das Objekt eines Erlebnisses braucht nichts Innerliches oder Mentales zu sein.« Die Relativierung der materialen Objekthypothese durch Wollheim hat demnach einen interessanten Blickwinkel eröffnet. Doch kehren wir nochmals zu unserer Ausgangsthese der für Unikatkünste scheinbar passenden Gleichsetzung von Kunstwerk und materiellem Gegenstand zurück (allerdings hat das Beispiel mit der Madonnenskulptur gezeigt, dass dies keineswegs eine einfache Gleichung ist). Dabei ist immer noch unklar, was ein materieller Gegenstand eigentlich ist. Rilkes Duineser Elegien oder Verdis Traviata können nur mit Mühe als materielle Objekte angesprochen werden und die Frage ist: Was ist das materielle Werk bei den Duineser Elegien und was ist das materielle Werk bei Verdis Traviata, die an verschiedenen Opernhäusern in ganz verschiedenen Inszenierungen gezeigt wird? Natürlich wurde versucht, über solche Einwände hinweg die Objektthese zu retten, etwa mit Verweis auf das Originalmanuskript bzw. die Originalpartitur, wobei hier zusätzlich das Thema nach Original und Kopie oder Fälschung relevant wird, was einer eigenen Überlegung bedarf. Aber kann das Kunstwerk der Duineser Elegien von Rilke, das wir genießen, wirklich der Autograph Rilkes sein? Offenbar sind die Duineser Elegien nicht verschwunden, wenn das Originalmanuskript verloren geht. Die Komplexität nahm seit Anbruch des digitalen Zeitalters durchaus zu. Für viele literarische Kunstwerke gilt das Gleiche wie für dieses Buch, das gedruckt als eines von mehreren hundert Exemplaren vor Ihnen liegt: Sie kursieren in diversen Variationen auf Computern, auf Sicherungsfestplatten und Datensticks. Was ist das materielle Werk? Die wenigsten Menschen könnten etwas anfangen, wenn man ihnen die Originalpartitur einer Symphonie als das materielle Kunstwerk auf den

3.5.1.2.

Wollheim 1968, 48

3.5.1.4.f.

534

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

VIII.10.2.

z.B. Ebd., 70ff

Ebd., 30 IX.3.4.2.

Tisch legte. Kaum jemand verstünde eine Partitur zu lesen, geschweige denn aus ihr das Erlebnis einer überwältigenden Musik zu gewinnen. Selbst für den professionellen Musiker geht der Umsetzung einer Partitur in einer Aufführung ein ausgiebiges Quellenstudium und der Abgleich verschiedener Fassungen und Korrekturen voraus. Dazu gesellen sich Dirigent und Musikerinnen und eine ganze Palette von Musikinstrumenten, die von geschickten Instrumentenbauern mit dem Ehrgeiz gebaut worden sind, ihnen einen möglichst schönen Klang zu verleihen. Wir werden auf diese verzwickten Fragen zurückkommen, momentan sollen sie nur die Schwierigkeiten zeigen, in die man mit der materiellen Objekthypothese schlittert. Die Meinung, dass der Physizismus die Vielfalt dessen, was in der Gegenwart als Kunstwerk angesehen wird, nicht adäquat abbildet, tritt vor allem bei den Multiplikatkünsten in den Vordergrund, wo das Kunstwerk mit keinem jener physischen Objekte identisch ist, deren Wahrnehmung uns das Werk ästhetisch erfahren lässt. Richard Wollheim hat mit seiner Abhebung eines ästhetischen Objekts vom materiellen ein abstraktes Kunstwerk-Konzept vorgelegt. Auf dem Weg dorthin liegt der Versuch, Kunstwerke als mentale Gegenstände zu erklären. Auf eine andere Eigenheit dieser Position hat Wollheim unter Bezugnahme auf Konrad Fiedler hingewiesen. Fiedler passt insofern gut in dieses Paradigma, als er in phänomenologischer Manier zur Sichtbarkeit des Kunstwerks an ihm selbst gelangen will, durch alle Konventionen hindurch, die üblicherweise den Betrachterinnen im Weg stehen. Die Anschauungstheorie richtet ihr Augenmerk auf das Werk – und zwar ausschließlich! Kontextualisierungen wie Biographien, gesellschaftliche Umstände, Stile, würden den Blick auf das Kunstwerk an ihm selbst verstellen. Es wird hier eine Art Husserlscher Epochè verlangt. Dem Kunstwerk allein kommen die Eigenschaften zu, die uns in unserer Wahrnehmung direkt gegeben sind. Von hier ausgehend schärft Wollheim die Theorie insofern, als er alle Wahrnehmung am Kunstwerk, die nicht aus den manifesten Eigenschaften des Werks abgeleitet werden können, ausschließt. Zur Klärung bedient er sich des Intentionalitätsbegriffs Husserls, der nun so zur Anwendung kommt: Eine Intention bedeute, dass dasjenige, »als was wir die Zeichnung zu sehen geneigt sind oder wie wir sie sehen, völlig irrelevant wird gegenüber dem, wovon die Zeichnung eine Darstellung ist.« Unter dieses Verdikt fällt auch alles, was in den weiten Bereich des Stilbegriffs gehört, also namentlich das, wovon die Ikonologie Panofskys lebt. Die unmittelbaren Sinneseindrücke sollten im Idealfall rein empirisch und nicht subjektiv vermittelt sein. Das Problem dieser Zuspitzung entspricht den Problemen der Phänomenologie, die in IX.3.5.ff. diskutiert worden sind.

3.5.1.2. Das Kunstwerk als mentaler Gegenstand Die Alternative zur einer Position, die das Kunstwerk als materielles Objekt interpretiert, ist die Meinung, ein Kunstwerk sei ein geistiges Konzept. Zwar bestreitet der Mentalismus in der Regel nicht die Existenz physischer Gegenstände, die als Ausgangspunkt ästhetischer Erfahrung dienen, aber für den Mentalismus sind diese Gegenstände nicht identisch mit dem Kunstwerk. Die Idee ist alt und schließt an

535

Was ist ein Kunstwerk

die lange Tradition des materiefeindlichen Platonismus und Idealismus an. Der portugiesische Philosoph und Platoniker Ebreo polemisierte gegen den aristotelischen Kult sinnlicher Schönheit und mahnte, dass die Schönheit der Idee eines Künstlers durch die Umsetzung in den Stoff nur verliert. Und noch Cusanus sah in seinem Idiota den Handwerker als Umsetzer eines geistigen Konzepts und stellte ihn gegen jede vulgäre Naturnachahmung. Eine nachhaltige Wirkung hatte diese Sicht in der Ambivalenz der Renaissance von disegno und colorire. Das disegno stand für das geistige Konzept, das colorire für die Farbgebung, im übertragenen Sinn also für Materialität und Expressivität. In der Querelle des Anciens et des Modernes am Beginn der Neuzeit wurde dieser Streit neu buchstabiert. Nicolas Poussin sah in jedem Bild ein individuell gestaltetes, gelehrtes Konzept, das durch umfangreiche, geradezu wissenschaftliche Lektüre vorbereitet werden muss. Dass in der bildenden Kunst und Architektur die Werke nicht mit den materiellen Manifestationen identisch sind, entspricht einer platonischen, beziehungsweise in neuzeitlicher Diktion: einer rationalistischen und idealistischen Sichtweise. Man nennt eine solche Position Mentalismus. Sie wurde in 3.5.1. als Version (2) aufgeführt und ist die deutlichste Gegenposition zum Physizismus. Künstlerisch vertreten haben diese Position in neuerer Zeit neben anderen in besonderer Weise die Vertreter der Concept Art. Der Mentalismus geht davon aus, dass Kunstwerke keine physischen Objekte sind, sondern geistige Entitäten, unbeschadet der Tatsache, dass es durchaus materielle Abbildungen, wir sprechen jetzt von Vorkommnissen, geben kann. Es geht einzig darum, dass Kunstwerke sich nicht primär physisch realisieren müssen, sondern dass bereits den geistigen Konzepten eine solche Bestimmung zukommt, nach dem in IX.5.2.4. bereits zitierten Wort Sol LeWitts: »Ideen allein können Kunstwerke sein. Sie sind Teil einer Entwicklung, die irgendwann einmal ihre Form finden mag. Nicht alle Ideen müssen physisch verwirklicht werden.« Der kunstontologische Mentalismus existiert in zwei Varianten. (a) Er nimmt entweder eine geistige Entität im Künstler (produktionsästhetischer Mentalismus) an oder (b) eine solche in der Rezipientin (rezeptionsästhetischer Mentalismus). Um unser obiges Beispiel der Duineser Elegien aufzunehmen, könnte das Kunstwerk Duineser Elegien nun entweder im Bewusstsein Rilkes oder im Bewusstsein einer Leserin liegen. Letzteres mag verwundern, aber gehen wir die Sache Schritt für Schritt an. (ad a) Den produktionsästhetischen Mentalismus kennen wir als Position von Croce und Collingwood. Collingwood grenzt künstlerische Produktion von nichtkünstlerischer wie folgt ab: Nicht-künstlerische Artefakte haben immer einen zweifachen Entstehungsprozess. Einer mentalen Planungs- und Schöpfungsphase (creation) schließt sich eine Herstellungsphase (fabrication) an. Erst nach der zweiten Phase ist das technische Artefakt abgeschlossen. Ein Kunstwerk hingegen kommt mit dem ersten Teil dieser Herstellung aus. Künstler brauchen kein materielles Objekt herzustellen, sondern es genügt, wenn sie schöpferisch imaginierend tätig sind. Ein Kunstwerk ist für Collingwood eine imaginary experience: »The work of art proper is something not seen or heard, but something imagined.« Ruth Saw hat die Rolle

VI.4.2. VI.4.2.1. VI.4.1.2.f.

VII.4.2.2.

IX.5.2.4.

Sol LeWitt, zit. nach HW, 1027

produktions­ ästhetischer Mentalismus

IX.3.2.4.f.

Collingwood 1938, 142

536

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Saw 1972, 145

Collingwood 1938, 151

Schmücker 1998, 214

Wollheim 1968, 112

2.8.

Thomasson 2004, 81

des Künstlers – in der Sache nahe bei Collingwood – humorvoll umschrieben: »He is an artist when the picture is complete and finished in every detail in his imagination. He is a kindly man when he puts it on canvas and a man of business when he sells it.« Eine Künstlerin brauche demnach keine physische Umsetzung der Idee, eine solche ist aber durchaus möglich. Freilich kann eine Idee erst nach Umsetzung in ein physisches Werk in einer Rezipientin Imaginationen auslösen. Ein bloß im Bewusstsein der Künstlerin gedachtes Konzept nützt der Welt nichts. Welche Imaginationen das sind, ob sie den Intentionen der Künstlerin gleichen, ist für das Kunstwerk nicht konstitutiv. Es ist sogar so, dass das Kunstwerk durch die ausgelösten Emotionen gewissermaßen neu entsteht: »By creating for ourselves an imaginary experience or activity, we express our emotions; and this is what we call art.« An dieser Stelle haben wir freilich einen produktionsästhetischen Mentalismus im strengen Sinn bereits zugunsten eines rezeptionsästhetischen verlassen. Diese Frage einer Rezeptionsmöglichkeit eines produktionsästhetischen Mentalismus scheint mir der gewichtigste Einwand gegen diese Position zu sein. Selbst wenn es ein physisches Vorkommnis eines mentalen Kunstwerks gibt, tut sich der Bruch zur Rezeption auf, die niemals eine adäquate Enkodierung des Konzepts der Künstlerin ist, sondern Konstruktion und kreativer Akt. Dieser Einwand scheint mir jedenfalls gewichtiger zu sein als die verschiedentliche Kritik, dass diese Position inkompatibel mit der Erfahrung sei, weil nämlich Kunstwerke auch noch nach dem Tod der Künstlerin existieren. Ob diese Tatsache mit dem produktionsästhetischen Mentalismus wirklich »unvereinbar« sei, wie Reinold Schmücker meint, erschließt sich nur, wenn man die scharfen begrifflichen Abtrennungen auch in die Praxis überträgt. Die Theorie von Croce und Collingwood zeitigt dann in der Tat kuriose Folgerungen, etwa die, dass der Künstler »allein kraft seines Innenlebens« ein solcher bleibt. Man stelle sich einen Literaten, eine Musikerin und eine bildende Künstlerin vor, deren Köpfe voll von Ideen und Konzepten sind, die aber der Menschheit bis ans Ende der Zeiten verborgen bleiben, weil sie diese weder in der Sprache noch in einem anderen Medium ausdrücken. Wahrlich große Künstlerinnen, von denen niemand etwas weiß! Das ist das genaue Gegenteil von der Institutionentheorie, nach der Künstler nur ist, wer von der Institution entdeckt wird. Der fehlenden sinnlichen Erfahrung steht dafür eine seltsame Unzerstörbarkeit von Kunstwerken gegenüber: »On such imaginative views no work of art can be destroyed through destroying such entities as painted canvases, since the works themselves exist only in the minds of artist and audience.« Man kann solche Kunstwerke natürlich auch nicht kaufen und reproduzieren. Nun ist richtig, dass sich Kunstwerke in diesem Sinn nicht materiell zerstören lassen, man darf aber unterstellen, dass sie dennoch eine eher kurze Lebensdauer haben. Denn jedes dieser »Kunstwerke« existiert nur so lange, solange der entsprechende mentale Status in der Schöpferin anhält, und das umspannt in aller Regel nicht einmal die Restlebenszeit, vom Fassen dieses Gedankens an gerechnet. Menschliche Gehirne sind keine Speicher-Festplatten. Der produktionsästhetische Mentalismus scheint keine befriedigende Alternativtheorie zu einem physischen Kunstwerksbegriff zu sein, denn er entspricht nicht

537

Was ist ein Kunstwerk

dem Leben. Es gibt den von Ruth Saw für einen Künstler beschriebenen Zustand in der Realität nämlich nicht: »He is an artist when the picture is complete and finished in every detail in his imagination.« Man kann vermutlich ausschließen, dass selbst ein Genie wie Richard Wagner Die Meistersinger von Nürnberg je in der exakten Form als perfektes Konzept im Kopf hatte. Die Umsetzung der Idee eines Kunstwerks in die materielle Form ist in aller Regel ein Vorgang, der nie perfekt aufgeht. Stets wird die Künstlerin abwägen, in wie hohem Maß das materielle Erzeugnis die Idee, die es umzusetzen galt, widerspiegelt. So gesehen bleibt in einem materiellen Kunstwerk die Dokumentation einer Idee nach dem Tod der Künstlerin bestehen, die aber letztlich immer nur eine Annäherung an diese Idee ist, welche Idee selbst verschwindet. Dieses Verhältnis ist bereits zu Lebzeiten von Künstlern instabil und macht anderen Imaginationen Platz. Ein besonders wichtiges, aus der Praxis gegriffenes Argument ist, dass es beim Kunstschaffen immer ein Zwiegespräch zwischen Idee und Material gibt, sei es Ton, Holz, Stein, Beton, Metall, Leinwand, Klang oder Schrift. Jede Umsetzung einer Idee in eine materielle Form ändert die Idee selbst auch wieder, weil sich das Material als widerständig erweist (weshalb, wie in 3.5.1.1. geschildert, das Material häufig wenig angesehen war). »[…] gerade weil diese Materialien Schwierigkeiten bieten, die nur bei der aktuellen Bearbeitung behandelt werden können, sind sie als Ausdrucksprozesse so geeignet.« Nähme man den produktionsästhetischen Mentalismus beim Wort, existierten Kunstwerke nur – wenn überhaupt – in kurzen gelungenen Augenblicken im Geist der Künstlerin. (ad b) Der rezeptionsästhetische Mentalismus verortet das mentale Ereignis in dem geschilderten Sinn nicht im Bewusstsein der Künstlerin, sondern in jenem einer Rezipientin. Grundsätzlich tauchten solche rezeptionsästhetische Sichtweisen im weitesten Sinn seit der Renaissance immer wieder auf. Autorinnen, welche gestaltpsychologischen Methoden nahe stehen, sympathisieren naturgemäß besonders mit einer solchen Position. Sie sehen jede Form als Produkt visueller Kräfte der Rezipientin. Konsequent fortgedacht: »[…] ohne Betrachter kein Kunstwerk, oder, weniger affirmativ: erst der Betrachter vollendet das Kunstwerk.« Historisch war eine solche Position im Rahmen eines transzendentalphilosophischen, aber auch konstruktivistischen Kontextes außerordentlich bedeutsam, weil sie die Stärkung des Subjekts ausdrückte. Zur Befreiung der Kunst aus Abhängigkeiten und Funktionalisierungen gehörte notwendig eine rezeptionsästhetische Wende und sie reichte von der frühen Ästhetik der Sophisten bis zu Kant und Hegel. Eine ganz andere Frage ist es, ob sich über eine derartige methodische Schiene das Kunstwerk als solches identifizieren lässt. Die These gerät meist in ein subjektivistisches Fahrwasser und könnte verkürzt als Gleichung Kunstwerk = (subjektive) Wirkung im Rezipienten ausgedrückt werden. Das wäre indes ein Missverständnis. Die gerade angesprochenen philosophischen Konzeptionen verstanden sich durchaus nicht psychologisch-subjektivistisch, sondern hatten einen philosophisch-universalistischen Anspruch. Daneben gab und gibt es spezielle philosophische Kontexte, die einen rezeptionsästhetischen Menta-

Wollheim 1968, 49f

rezeptions­ ästhetischer ­Mentalismus

Brucher 1999, 11

538

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

IX.3.7.

IX.4.4.2.

Bubner 1989, 38

lismus zu unterstützen scheinen. Bereits die klassische Hermeneutik Gadamers ging von einer Horizontverschmelzung aus und spielte mit der Balance zwischen Autorin und Rezipient. Allerdings gilt es hier, einen Unterschied zu beachten, nämlich jenen zwischen dem ontologischen Status des Kunstwerks und seiner Bedeutung. Um diese geht es der Hermeneutik, während es dem Mentalismus um den ontologischen Kunstwerk-Status geht. Von Sartre bis zur postmodernen Szene wurde immer wieder die Auflösung des Begriffs der Autorin auf der einen und der Rezipientin auf der anderen Seite beschworen. In Weiterführung operiert die postmoderne Literaturtheo­ rie mit dem Begriff eines von unzähligen Teilnehmern gewebten Textes. Die Frage nach einem definitiven Werkbegriff stellt sich hier ebenso wenig mehr wie jene nach der Schöpferin. Doch der rezeptionsästhetische Mentalismus löst nicht Autorin und Rezipientinnen in ein anonymes textuelles Gewebe auf, sondern verortet das Kunstwerk als mentales Konzept der Rezipientin. Folgt man dem, gelangt man in unwegsames Gelände. Denn angesichts zahlreicher Rezipientinnen entschwindet ein identifizierbares Kunstwerk völlig. Demgegenüber existieren zahlreiche Kunstwerke mit dem Namen Duineser Elegien, die ständig entstehen und vergehen – immer dann, wenn jemand diese Elegien liest oder auch nur Teile davon bei einem Spaziergang zwischen Sistiana und Duino mit Blick auf die obere Adria memoriert. Damit wäre selbstverständlich auch die Rolle Rainer Maria Rilkes aufs äußerste reduziert. Diese Tatsachen erweisen den Weg des rezeptionsästhetischen Mentalismus – isoliert genommen – als Sackgasse, ganz zu schweigen davon, dass die Konzeption in keiner Weise hilft, Kunst von Nicht-Kunst zu unterscheiden. Denn jeder Gegenstand und jede Handlung dieser Welt lösen eine Imagination, also ein mentales Erlebnis aus. Es ist nicht abzusehen, wie Kriterien gefunden werden sollten, die eine mentale Konstruktion eines Kunstwerks von anderen mentalen Konstruktionen unterscheiden helfen sollten. Natürlich hat man auch hier versucht, den offensichtlich modernen Aspekt der Rezeptionsseite zu retten, ohne sämtliche Konsequenzen eines radikalen rezeptionsästhetischen Mentalismus mittragen zu müssen. Das wichtigste Anliegen dabei ist die Bewahrung eines die Rezeption auslösenden materiellen Kunstwerks. Jeder rezeptionsseitigen mentalen Konstruktion einer Duineser Elegie geht die reale Dichtung Rilkes voraus. Rüdiger Bubner mahnt dazu, wenngleich auch für ihn Kunst vor allem eine Leistung der rezipierenden Reflexion ist und er damit einem rezeptionsästhetischen Mentalismus durchaus nahe steht: »Es gibt Kunst offenkundig nur im Raume einer durch gewisse sinnliche Objekte ausgelösten Reflexionstätigkeit, […].« Auch Otto Neumaier sieht keine andere Möglichkeit als dass vor aller Diskussion über die Wirkung des Kunstwerks dem materiellen Werk eine Chance gegeben werden müsse. Anders gesagt: Menschen müssen sich auf ein Kunstwerk auch einlassen, um einer Wirkung überhaupt eine Basis zu geben. Nicht nur Desinteresse, reflexartige Ablehnung (wie sie häufig bei der Rezeption zeitgenössischer Kunst zu beobachten ist), sondern auch eine Verkürzung des Interesses auf eine nur ökonomische Bewertung oder die oft zitierte zeitgenössische Reizüberflutung sind

539

Was ist ein Kunstwerk

hier als Hindernisse zu nennen. Das gilt im Übrigen auch für natürliche Gegebenheiten und Gegenstände, die eine ästhetische Erfahrung auslösen. Auch hier muss eine entsprechend differenzierte Wahrnehmung die Bereitschaft für eine Wirkung bilden. Das klingt plausibel, allein es bringt uns in der Frage nach dem Kunstwerkbegriff nicht weiter, die ja der Ausgangspunkt der Überlegungen war. Bei solchen Relativierungen sind wir zurückgeworfen auf das Kunstwerk als materiellen Gegenstand und untersuchen dann bloß die Rezeptionsseite, wie dies bei der Untersuchung der ästhetischen Erfahrung bereits der Fall war. Das entspricht aber nicht mehr dem Anliegen des rezeptionsästhetischen Mentalismus. Festzuhalten bleibt also, dass man über einen rezeptionsästhetischen Mentalismus nur handeln kann, wenn es ein physisch-materielles Kunstwerk gibt. Ein rezeptionsästhetischer Mentalismus ist daher unvereinbar mit einem produktionsästhetischen. Außer der Einsicht in die konstruktive Rolle des Subjekts scheint daher kaum etwas gewonnen, denn auch diese Position zerbricht an seinen absurden Folgerungen. Reinold Schmücker fasst das Problem so zusammen: »Zwar trifft es zu, daß kein Artefakt unabhängig von seiner Wirkungsgeschichte ein Kunstwerk ist. […] Demnach kommt Artefakten der Status von Kunstwerken nur so lange zu, wie über ihre Kunsthaftigkeit ein hinreichend großer Konsens besteht. Kunstwerke sind deshalb aber noch keine mentalen (oder gar subjektiven) Entitäten, die als Erfahrungsgehalte dem Bewußtsein der Rezipienten bestimmter Artefakte zuzurechnen wären.« Abgemildert, aber nicht völlig beseitigt werden diese Probleme, Entfall eines identifizierbaren Kunstwerks und der Künstlerpersönlichkeit, durch das Ersetzen des Kunstwerkbegriffs durch jenen der ästhetischen Erfahrung. Dabei kann man unterscheiden zwischen der Grundlage eines ästhetischen Erlebnisses und diesem ästhetischen Erlebnis selbst. Es geht dann nicht um die Konstitution des Kunstwerks, sondern nur um die Konstitution der ästhetischen Erfahrung eines physischen Kunstwerks, deren Differenz zum Subjekt die Grundlage des ästhetischen Diskurses abgibt. Ein solcher Zusammenhang scheint deutlich plausibler, was das Konzept einer ästhetischen Erfahrung in der gegenwärtigen Debatte entsprechend attraktiv macht. Will man den großen Anspruch aufrecht erhalten, dass ein Begriff für alle Kunstwerke Gültigkeit haben muss, für die Aphrodite des Praxiteles ebenso wie für eine zeitgenössische Performance, scheitern sowohl physizistische wie mentalistische Konzepte grundlegend. Sieht man von einem solchen universellen Anspruch jedoch ab, bringen beide Konzepte für bestimmte ausgewählte Kunstwerksgruppen durchaus interessante Teilaspekte ein. Wenn man möchte, kann man die künstlerische Praxis auch nach den physischen und mentalen Aspekten aufspalten und behaupten, dass bestimmte Konzepte (und das gilt sowohl für bildende Kunst als auch für Architektur und für Musik und Literatur) vorwiegend der materiellen Instantiierung dienen, während andere Konzepte wiederum dafür da sind, in der Rezipientin geistige Erlebnisse auszulösen. Dass Künstlerinnen zwei Typen kreieren: »Einen Typus eines physikalischen Gegenstandes und einen Erlebnistypus«, ist trivial und gilt – ob bewusst oder unbewusst – immer. Mag sein, dass solches bei Komponisten

Neumaier 1999, 307ff Sontag 1980a, 22

1.4.ff.

Schmücker 1998, 237

Reicher 2005, 114

540

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Ebd.; im Orig. kursiv

VIII.3.2.3./IX.2.2.6./ IX.5.3.2.

besonders auffällig ist. Sie legen einerseits die Bedingungen für die Aufführung (also den materiell-physikalischen Teil) fest, andererseits beabsichtigen sie eine bestimmte emotionale Wirkung (also den psychischen Teil). Dann müsste man mit Maria Reicher beim musikalischen Kunstwerk von einem »aus zwei Typen bestehenden Komplex […]« sprechen. Mit einiger Phantasie kann man dies unschwer auch auf andere Kunstgenres bis hin zur Architektur ausweiten. Ob eine solche Feststellung uns erheblich weiter bringt, ist eine andere Frage. Immerhin mag ein gewisses Interesse daran bestehen, ob man auch Werke der bildenden Kunst als abstrakte Gegenstände rekonstruieren kann, obwohl sie vordergründig doch als materielle Gegenstände erscheinen. Denn bei diesen Werken gibt es keinen Unterschied zwischen Werk und Manifestation. Zweifellos bleiben hier durchaus spannende Fragen offen: Architektur-Ausstellungen zeigen neben fotografischen Dokumentationen gebauter Objekte auch Pläne und Modelle von nicht-realisierten Bauwerken. Viele architektonische Kunstwerke waren von vorneherein nicht auf Realisierung angelegt, wie Entwürfe der Revolutionsarchitektur, des Futurismus oder diverser Gruppen wie Archigram. Die Frage ist zumindest berechtigt, ob es zum vollständigen Kunstwerk die reale Umsetzung als Bau braucht. Das Verhältnis von Kunstwerk als einem abstrakten Gegenstand und der materiell-physischen Realisierung ist demnach weiterhin das Thema.

3.5.1.3. Das Kunstwerk als abstrakter Gegenstand

Popper 1973; Popper/ Eccles 1977

Aus dem Scheitern des Physizismus (der in eingeschränkter Form für Unikatkünste gut funktioniert) und des Mentalismus (der auf die wichtige Rolle von Rezeption, künstlerischer Idee und ästhetischer Erfahrung bei der Konstitution eines Kunstwerks hinweist) resultiert der Versuch eines dritten Weges, der als Version (3) in der in 3.5.1. getätigten Aufzählung genannt wurde. Das Kunstwerk wird als abstrakter Gegenstand interpretiert. Für eine solche Position gibt es eine philosophische Vorlage, die unter anderem von Karl Popper formuliert wurde. Er sprach von einer »dritten Welt« und meinte damit neben physisch-materiellen Gegenständen (Welt 1) und subjektiv-geistigen Gegenständen (Welt 2) Gedanken, Ideen, Theorien. Diese dritte Welt hat keinen subjektiven Charakter. Sie »gehört« nicht mir. Angewandt auf Kunstwerke bedeutete dies, dass Kunstwerke den gleichen Status besitzen wie Zahlen oder Gedanken. Mit der Vorstellung von Kunstwerken als abstrakten Gegenständen kann man die Einheit des Kunstwerks (es gibt nicht so viele Kunstwerke, wie es Rezipientinnen gibt), z.B. der Oper La Traviata, ebenso bewahren wie einen bestimmten Schöpfer des Kunstwerks. Zudem kann man von der Existenz der Oper ausgehen, auch wenn es in einem Moment der Weltgeschichte gerade keine Aufführung gibt und sich niemand einen entsprechenden Tonträger anhört. Diese Theorie hat den Vorteil, dass sich der ontologische Status der Kunst einheitlich bestimmen lässt. Es erübrigen sich Unterscheidungen von Unikat- und Multiplikatkünsten oder andere Klassifizierungen samt den daraus folgenden Abgrenzungsproblemen. Damit entkommt man den Einwänden gegen physizistische und mentalistische Konzepte.

541

Was ist ein Kunstwerk

Als Vorteil dieser Position wird überdies gerne hervorgehoben, dass sie mit der Type-Token-Theorie verträglich ist. Denn, so unterstreicht Reinold Schmücker: »Nur wenn gezeigt werden kann, daß die Realia, auf die wir uns beziehen, wenn wir uns auf Kunstwerke beziehen, keine Kunstwerke sind, sondern Exemplare, Manifestationen, Instantiationen oder Vorkommnisse von Kunstwerken […], könnte die idealistische Hypothese zutreffen, daß Kunstwerke ontologische Verwandte von Zahlen und Gedanken sind und ihre Manifestationen mit der diesem Blatt Papier aufgedruckten 3 zu vergleichen, die nicht die Zahl 3 selbst, sondern lediglich eins ihrer Vorkommnisse ist.«

Schmücker 1998, 242

3.5.1.4. Die Type-Token-Theorie Die Type-Token-Theorie (TTT) wurde 1906 von Charles Sanders Peirce in die Sprachphilosophie eingeführt. Es ging dabei darum, abstrakte Spracheinheiten (types) von ihren konkreten Umsetzungen (tokens) zu unterscheiden. Richard Wollheim und andere wandten die Theorie in der Kunstphilosophie an und rückten dem Problem der Materialität des Kunstwerks mit der Unterscheidung von Typen (types) und Vorkommnissen (tokens) zu Leibe – vorwiegend bei jenen Künsten, bei denen eine Identifikation mit einem materiellen Objekt schwierig erscheint, in unserem geläufigen Sprachgebrauch bei Multiplikatkünsten oder darstellenden Künsten. Werke der Unikatkünste werden demgegenüber üblicherweise als Einzeldinge (individuals) vorgestellt, aber grundsätzlich lässt sich die TTT auch auf die Unikatkünste und ihre materiellen Objekte anwenden. Die TTT ist eine fruchtbare und interessante Theorie, die auf der Grundlage der Auffassung vom Kunstwerk als abstraktem Gegenstand basiert. Zugleich stößt man mit ihr auch an die Grenze der philosophischen Möglichkeit, den Kunstwerkbegriff zu handhaben. Wollheim schlägt vor, bei den darstellenden Künsten die (abstrakten) Kunstwerke Typen (distinct from classes or universals) und deren Notationen, Kopien und Aufführungen Vorkommnisse zu nennen. Die Oper La Traviata ist ein Typus, die Partitur, die konkrete Aufführung und Lesung, der Tonträger dieser Aufführung oder auch das bloße Hörerlebnis zuhause in meinem Wohnzimmer sind Vorkommnisse. Die wichtige Botschaft ist: Auch wenn Kunstwerke keine materiellen Objekte sind, »hindert sie dies nicht daran, materielle Eigenschaften zu haben.« Bei dieser Unterscheidung ist der Typus in allen seinen Vorkommnissen präsent und wir sprechen von den Typen häufig auch so, als wären sie Vorkommnisse, etwa wenn wir die Traviata als Kunstwerk mit den und den Eigenschaften beschreiben. Die meisten Eigenschaften von Vorkommnissen sagen wir auch von den Typen aus. Für Vorkommnisse (mit einem anderen Begriff: Instantiierungen) eignen sich jene gerade erwähnten Gegenstände, mit denen wir in einem oberflächlichen Sprachgebrauch das Kunstwerk verbinden. Wenn Typen (abstrakte) Gegenstände sind, die in materiellen oder mentalen Vorkommnissen instantiiert sein können, eröffnet sich hier zugleich ein Feld unzähliger weiterer Differenzierungsmöglichkeiten. Goodman nennt Partituren beispielsweise nicht Vorkommnisse, sondern Notationen. Maria Reicher unterscheidet

IX.3.9.4.

Wollheim 1968, 83

IX.3.9.2.

542

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Goodman 1968, 215

Currie in Lamarque/ Olsen 2004, 119

Strawson 1959, 231

Currie in Lamarque/ Olsen 2004, 118

Thomasson 2004, 83

Tonträger nochmals eigens als Notationsartefakte. Gemischte Künste machen bei so feiner Differenzierung mitunter einiges Kopfzerbrechen. Der Tanz etwa ist »visuell wie die Malerei, die keine Notation hat, und doch vergänglich und zeitlich wie die Musik, die eine hochentwickelte Standardnotation hat, […].« Wie erwähnt gibt es bei manchen analytischen Philosophen ein Unbehagen mit der Aufteilung der Künste in solche, wo die TTT greift und solche (nämlich autographische), wo sie nicht greift. Gregory Currie sieht im Anschluss an Peter F. Strawson in Kunstwerken der bildenden Künste Typen (und nicht Partikularia). Damit gelte: »Paintings (and, by the same reasoning, sculptures) may have more than one instance.« Dass wir sie für partikuläre Gegenstände halten, liege in der (derzeit?) nicht vorhandenen Technik einer ununterscheidbaren Reproduktion. Wären diese Techniken perfekt, dann wären Kunstwerke den Reproduktionen gegenüber zu vergleichen mit dem Originalmanuskript eines Gedichts gegenüber den vielen Nachdrucken: »Different people could look at exactly the same painting in different pla­ ces at the same time, just as different people can listen to exactly the same quartet at different times in the same place.« Alle Kunstwerke sind für Currie demnach Typen, allerdings in der speziellen Form von types of action. Eine der Konsequenzen aus der Sicht Curries ist, dass Künstler Werke weder erzeugen, noch finden, sondern aufführen (enact). Bei den types of action gibt es zwei identifizierende Elemente: Struktur und »a heuristic«. Struktur ist in der Literatur eine Sequenz von Wort-Typen, in der Musik von Klang-Typen. Aber was ist die Struktur bei Bildern? Ähnlich wie andere Künstler verfolgt der Maler nach Currie einen gewissen Pfad zum Resultat seiner Produktion. »Whatever that path is will determine the heuristic of his work.« Zwei gleich aussehende Bilder unterscheiden sich nicht nach dem visual pattern. Die Leinwand mit darauf verteilter Farbe ist nicht konstitutiv für das Werk, sondern es handelt sich um eine Instantiierung. Currie spricht in solchem Zusammenhang beispielsweise von einem Twin-Picasso. Gewisse Strukturen von Klängen, Farben oder Worten kann man nicht durch die materielle Anordnung, sondern nur durch einen bestimmten heuristischen Pfad (heuristic path) unterscheiden, weil die Struktur eines Kunstwerks immer mit einer spezifischen Bedeutung gepaart sein muss. »The action-type hypothesis (as Currie calls it), like Collingwood’s proposal, has the counterintuitive consequence that works of art can never be perceived at all by observers, but can at best be reconstructed.« Das Argument ist höchst abgehoben und einigermaßen seltsam schon deshalb, weil es die Frage nach dem Original völlig ausklammert. Es könnte aber sein, dass zum Unterschied von Komponisten, die größtes Interesse daran haben, ihr Werk in möglichst vielen Instantiierungen (sprich Aufführungen) umgesetzt zu sehen, bildende Künstler ihr Werk als numerisch einfaches Original erzeugen. Das soll im nächsten Kapitel vertieft werden. Kehren wir vorher zu unserer Verbindung von Kunstwerk und abstraktem Gegenstand zurück, um sie im Lichte der TTT zu vertiefen. Typen sind demnach abstrakte Gegenstände (Kunstwerke), die in materiellen oder psychischen Gegenständen instantiiert sind. Damit gilt: »Literarische und musikalische Werke sind Universali-

543

Was ist ein Kunstwerk

en, also Typen, die in konkreten Gegenständen instantiiert sein können, jedoch in ihrer Existenz nicht von ihren Vorkommnissen abhängig sind.« Die Abstraktheit des Kunstwerks bemerkt man nicht zuletzt daran, dass ein Musikstück nicht verkauft wird wie ein Gemälde, sondern es werden davon die Aufführungsrechte verkauft, ähnlich wie in der Literatur das Copyright. Wenn wir eine Karte für eine Aufführung von Beethovens 8. Symphonie erstehen (sodass wir an einem Vorkommnis des Typus 8. Symphonie von Beethoven teilnehmen), kaufen wir nicht das Werk, sondern wir leisten einen Selbstbehalt für die Finanzierung von Musikerinnen, Bühnenarbeitern, Kartenverkäuferinnen, Generalmusikdirektoren, Betriebsräten und für die Instandhaltung, Beleuchtung, Klimatisierung des Konzerthauses. Der Differenzierungslust kann man freien Lauf lassen und die Arten der Vorkommnisse in Notationen und Realisationen unterscheiden. Das müssen wir an dieser Stelle nicht vertiefen, sondern nur beispielshaft erwähnen, was damit bezweckt wird. Von den oben aufgezählten Instantiierungen wären Partituren, Drehbücher, Pläne Notationen und Aufführungen oder Lesungen Realisationen. Notationen dienen »einerseits als Anleitungen für die Herstellung von Realisierungen, andererseits als Mittel zum ›Festhalten‹ von Werken, deren Realisierungen flüchtig sind.« Mit einer solchen Ambition begrifflicher Diversifikation unterscheiden wir dann am Beispiel der Musik in der Terminologie Reichers (a) das Werk, (b) die Aufführungen (also Realisierungen), (c) die Notationen und – nochmals eigens – (d) die Produktionsartefakte, mit deren Hilfe man Realisierungen herstellen kann. Letztes sind beispielsweise Tonträger, bei denen die Autorin unterstreicht, dass nur (d2) die Abspielung der CD, aber nicht (d1) die CD selbst Gegenstand der Wahrnehmung ist. Denn bei musikalischen und literarischen Werken nehmen wir das Vorkommnis, das etwas anderes ist als der zugrundeliegende Typus, ästhetisch wahr. Daher ist ein Vorkommnis in diesem Fall nicht gleichzusetzen mit einem üblichen materiellen Gegenstand. Nun kann man in vielen Fällen die TTT auch auf die Vorkommnisse von Typen anwenden, weil diese selbst zu Typen (damit zu abstrakten Gegenständen) werden können. Wenn man allgemein davon spricht, dass von einer Partitur soundso viele Exemplare gedruckt worden sind, dann meint man den Typus. Kauft man sich hingegen ein ganz konkretes Exemplar und trägt es nach Hause, ist das ein Vorkommnis und es ist klar, dass die Existenz dieses konkreten Exemplars nicht über die Existenz des Typus Partitur der Traviata entscheidet, ebenso wenig wie über das abstrakte Kunstwerk Traviata selbst. Aufführungen einer Oper, einer Symphonie oder eines Dramas sind nicht zwingend für die Existenz des Kunstwerks. Andererseits verweisen alle bei verschiedenen Verlagen erschienenen Textbändchen von Sophokles’ Antigone auf die Existenz dieses Werks, auch wenn das sogenannte Originalmanuskript verloren gegangen ist. Weil Vorkommnisse in aller Regel eine physische Basis haben, sind sie zerstörbar, niemals aber der Typus. Die Sache hat allenfalls einen Haken, wenn man das Verhältnis von Typus und Vorkommnis mit demjenigen von Original und Kopie vergleicht und sich auf ein konkretes materielles Original beruft, etwa im Fall der Partitur (als Typus) auf die handgeschriebene Originalpartitur. Diese Verbindung von TTT mit der Frage nach dem Original soll im nächsten Kapitel beleuchtet werden.

Reicher 2005, 104; im Orig. kursiv

Ebd., 105/108

544

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Schmücker 1998, 247

Wildhagen 2016

IX.5.2.6.

Ein weiteres Problem aus der Konsequenz der TTT ergibt sich mit der Frage, wie sicherzustellen ist, dass ein Vorkommnis tatsächlich ein solches eines bestimmten Typus ist. Was macht es aus, dass die Aufführung des Vorabends wirklich eine Aufführung von Beethovens Missa solemnis war. Allgemein gesprochen: Ab wann sind zwei Objekte Manifestationen ein und desselben Kunstwerks? Oder noch einmal anders: Was macht die Werkidentität aus? Hierzu gibt es viele Vorschläge, auf die hier nur kursorisch eingegangen werden kann. Eine notwendige (aber noch nicht hinreichende) Bedingung ist, dass zwischen zwei Kunstmanifestationen eine entstehungsgeschichtliche Verwandtschaft besteht. »Eine Aufführung der Schöpfung ist genauso ein Exemplar von Haydns Komposition wie eine Partitur. Es genügt also offenbar, daß sich numerisch verschiedene Objekte, die entstehungsgeschichtlich miteinander verwandt sind, als Äquivalente präsentieren – wie immer sie das tun.« Eine Parodie auf das Werk erfüllt das Kriterium nicht. Anders als eine Übersetzung wäre eine Parodie allenfalls ein Kunstwerk sui generis. Solche Überlegungen scheinen weit hergeholt, aber sie haben unbestreitbar eine Nähe zur Praxis. Im Grunde stellen sich solche Fragen bereits bei gemäßigten Kon­ struktionen des Regietheaters, nicht erst bei dessen gefürchteten Eskapaden. Der Regisseur Peter Sellars und der Dirigent Teodor Currentzis montierten bei der Inszenierung von Mozarts La clemenza di Tito bei den Salzburger Festspielen 2017 Teile von Mozarts (unvollendeter) c-Moll-Messe und die Maurerische Trauermusik in die Aufführung, damit ihr Regiekonzept überhaupt stimmig aufgehen konnte, nämlich die Milde des Titus – religiös überhöht – an den aktuellen Beispielen von Terroranschlägen und Flüchtlingsschicksalen (Titus rettet in Sellars Inszenierung Flüchtlinge) zu demonstrieren. Ist diese Oper Mozarts noch diese Oper, wenn darin das Laudamus Te (das übrigens als Jubel über eine sehr menschliche Liebe dient) und das Agnus Dei qui tollis peccata mundi aus einem ganz anderen Kunstwerk erklingen? Oder wie soll man damit umgehen, wenn Christian Wildhagen in einer Besprechung der Neuinszenierung von Wagners Parsifal in Bayreuth 2016 zur musikalischen Leitung durch Hartmut Haenchen schreiben konnte: Die Interpretation Haenchens hätte »dem üblen Antisemiten Wagner gewiss wenig gefallen, verteidigt aber die Wahrheit des Werks gegen seinen Schöpfer: […].« Ein ähnliches Kunststück ist Barrie Kosky 2017 mit der Neuinszenierung der Meistersinger in Bayreuth gelungen, der den üblen Judenhass und die dumpfe Deutschtümelei Wagners höchst intelligent und schockierend dekonstruierte. Zu guter Letzt findet sich Wagner mit seinem Werk (samt den Wagnerianern im Publikum) in einem Saal des Nürnberger Gerichts wieder. Noch schwieriger wird die Frage dort, wo für die Realisierung eines Musikstückes die Partitur jede Freiheit der Interpretation zulässt. Bei konzeptueller Musik (deren Anfänge in der Fluxus-Bewegung liegt) bietet der Komponist nur grobe Anleitungen, aber keine fixe Partitur. Karlheinz Stockhausen legt bei seinem Werk Aus den sieben Tagen (1968) keine Notation, sondern nur verbale Anweisungen vor, sich in eine gewisse Stimmung zu versetzen und dann etwas zu spielen. Hier können die Vorkommnisse bis zur völligen Unkenntlichkeit voneinander abweichen oder zur Paradoxie führen, dass der Pianist das Kunstwerk Stockhausens umsetzt, indem er

545

Was ist ein Kunstwerk

Etüden Chopins spielt. Luigi Nono widmete György Kurtág eine Hommage für Alt, Flöte, Klarinette, Tuba und elektronische Musik (Omaggio a György Kurtág; 1986), deren Notation ein wirres Gekritzel von arithmetischen Rechnungen, Anmerkungen, Markierungen mit verschiedenen Farben ist. Kein Mensch weiß, wie man diese Skizze in Ton verwandeln sollte. Das Musikstück Nonos wird nie in Klang übersetzt werden können, außer man begnügt sich damit, den Instrumenten irgendwelche Töne zu entlocken. Diese Schwierigkeit existiert auch bei computergenerierter Musik oder bei manchen Stücken von John Cage, bei denen jede Individualität ausgeschlossen ist: »Wir könnten alles Mögliche oder gar nichts spielen, und es wäre Cage; und wollte jemand Cage zitieren, könnte sie ebensogut ein Motiv von Beethoven verwenden. […] Eine mögliche Antwort auf diese Frage ist der Verzicht auf die Annahme, daß identifizierbare Kunstwerke den Kernbereich der Kunst bilden.« Nun ging es Cage, wie Otto Neumaier anführt, nicht zuletzt auch darum, mit seinen Arbeiten die Aufmerksamkeit für das Alltägliche und für andere Kulturleistungen zu heben. Analoges gibt es auch in der bildenden Kunst. 1997 veröffentlichte die Netzkünstlerin Cornelia Sollfrank das Computerprogramm Net Art Generator, das zum Beispiel nach dem Suchbegriff Andy Warhol Flowers im Internet (Besucherinnen geben Suchbegriffe willkürlich ein) nach einschlägigen Bildern sucht und aus ihnen neue Kunstarrangements erzeugt. Eine solche digitale Collage stellt alles, was man mit Kunstwerken verbindet, Werk, Schöpferin, Urheberrecht, auf den Kopf. Damit erreichen wir jenen Zero-Ground, an dem die Hoffnung, je einen Kunstwerkbegriff im Sinne einer Definition umreißen zu können, schwindet. Andererseits könnte hier der Intentionalitäts- und Mentalismusaspekt der Kunst helfen. Wenn man das, was hinter John Cages Musikstück steht, als ein Konzept und eine Intention wahrnimmt, kann dieses Konzept im Sinne seiner Intention eben ganz unterschiedliche konkrete Manifestationen nach sich ziehen. Hilfreich erscheint in dermaßen komplexen Fragen die Position der Konzeptkunst. Auf einer solchen Grundlage unterscheidet Otto Neumaier neben dem Typus noch das Konzept: »Konzepte können sowohl durch Werk-Typen als auch durch Einzelgegenstände realisiert werden, […].« Bei Installationen oder Computerkompositionen bringen Konzepte Typen hervor, die wiederum in Vorkommnissen erfahren werden. Ob man diesen Zugang unbedingt für die vier Versuche Barnett Newmans, die Frage »Who is Afraid of Red, Yellow and Blue?« zu beantworten, benötigt oder ob man diese vier Bilder nicht einfach in die Kategorie Einzelgegenstand einordnet, mag dahingestellt bleiben. Aber Neumaiers Vorschlag des Konzepts hat eine unbestreitbare Eleganz und im Hinblick auf eine Vereinheitlichung der Theorie weit mehr Überzeugungskraft als der Ansatz Curries. Denn die Identifizierung des Kunstwerks als Konzept gilt in der Tat für jedes Kunstwerk. Auch ein Einzelgegenstand ist letztlich ein konkretes Vorkommnis eines Konzepts, und zwar eines ganz bestimmten. Neumaier weist zugleich auch auf die Schwäche einer solchen Annahme hin. Aufgrund der Vagheit der zugrundeliegenden Konzepte könnte man darauf verfallen, dass »es in der Welt genau ein Kunstwerk gibt, das durch die zahllosen Werke jeweils

Neumaier 1999, 215

Arns 2016b, 136

Neumaier 1999, 224

546

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Ebd., 225

Schmücker 1998, 266; im Orig. kursiv

anders realisiert wird.« Deshalb muss man wohl im Auge behalten, dass es einen Unterschied macht, ob ein Kunstwerk konsequent auf einem geistigen Konzept beruht oder ob es explizit als Konzept geschaffen wurde. Damit stoßen wir auch hier auf den erwähnten Zero-Ground der Bestimmung von Kunstwerken. Die Theorie vom Kunstwerk als abstraktem Gegenstand hat in der zeitgenössischen Diskussion vermutlich die größte Verbreitung, auch wenn in Detailfragen unterschiedliche Gewichtungen vertreten werden. Man kann für eine plausible Definition dieser Auffassung auf Reinold Schmücker zurückgreifen und mit ihr zugleich eine gewisse Zusammenfassung der in den letzten Kapiteln diskutierten Fakten erhalten. Schmücker versammelt folgende drei Kriterien, um ein Kunstwerk zu umschreiben: (1) die Idee eines Konsenses, der dazu dient, zum Unterschied zu einem technischen Artefakt, das auch ohne Konsens identifizierbar ist, ein Kunstwerk zu klassifizieren, (2) einen partiellen Physizismus, indem er eine zumindest zeitweise physische Instantiierung bei der Produktion und (3) bei der Manifestation voraussetzt. Diese Existenz eines physischen Objekts, durch dessen Produktion ein Kunstwerk erzeugt und in dem es sich aktuell oder virtuell manifestiert, nennt Schmücker Instantialität: »Intersubjektiv-instantial können solche nichtwirklichen Entitäten heißen, die existieren, sofern (1) ein bestimmter weitreichender (Quasi-)Konsens besteht, (2) es mindestens ein physisches Objekt gab oder gibt, durch dessen Produktion sie konstituiert wurden, und (3) es mindestens ein physisches Objekt gibt, in dem sie sich aktuell oder virtuell manifestieren.« Der Zugang zum Kunstwerk als abstraktem Gegenstand scheint jedenfalls weniger Probleme zu machen als ein produktions- und rezeptionsästhetischer Mentalismus und die materielle Objekthypothese. Gerade die Einführung der TTT lässt aber die Frage nach dem Verhältnis von Typus, Vorkommnis und Original virulent werden.

3.5.1.5. Das Kunstwerk zwischen Original und Vorkommnis Die detaillierten Überlegungen zum Gegenstandscharakter des Kunstwerks mündeten zuletzt in eine Theorie von Typus und Vorkommnis, die auch die Frage nach Original und Replik bzw. Fälschung in das Gesichtsfeld rückte. Das Phänomen der Fälschung ist nicht nur in der Praxis ärgerlich, es ist auch in der Theorie eine ziemliche Herausforderung. Eine Replik/Fälschung bedeutet ein äußerlich vom Original ununterscheidbares Kunstwerk. Gute Fälscher betreiben einen großen Aufwand, um dieses Ziel zu erreichen. Sie bemühen sich, das im Alter und in der chemischen Zusammensetzung passende Material (Leinwand, Rahmen, Farben) zu besorgen, sodass selbst genaue technische Untersuchungen manchmal Fälschungen nicht entlarven können. Trotzdem bleibt eine völlig ununterscheidbare Kopie eines Kunstwerks bis auf weiteres eine Utopie. Nun scheint die Sachlage bei autographischer Kunst vergleichsweise einfach zu sein. Bild oder Skulptur existieren als Kunstwerke nur ein Mal (wenn auch manchmal in mehreren Varianten). Jedes weitere Exemplar ist weder ein neues Kunstwerk noch ein Vorkommnis, sondern eine Replik oder eine Fälschung. Die Schwierigkei-

Was ist ein Kunstwerk

ten des Themas fallen zunächst vor allem bei allographischer Kunst ins Auge. Wir überlegten bereits im Kontext der Type-Token-Theorie (TTT), was bei allographischen Künsten das Kunstwerk eigentlich ist: mentales Konzept, Autograph, Partitur, Typoskript, das Word-Dokument im Computer, der erste Ausdruck, das Speichermedium, das gedruckte Buch, die Lesung, die Aufführung, der Tonträger oder das Hören desselben? Mit der TTT ließ sich etwas Ordnung in die verfahrene Situation bringen. Die Praxis entlässt uns damit aber noch nicht, vielmehr stellen sich weitere Fragen: Eine aufgeführte Symphonie stammt zwar beispielsweise von Anton Bruckner, aber die Interpretation nennt mit dem Dirigenten Eugen Jochum einen zweiten und mit dem Dresdner Philharmonischen Orchester einen dritten Künstlernamen. Musikalische Aufführungen sind zwar Vorkommnisse, aber nicht bloß mimetische Reproduktionen von Texten und Partituren. Sie sind auch Interpretationen, die manchmal eigenen künstlerischen Wert erhalten wie Wagners Ring des Nibelungen in der Regie von Patrice Chéreau mit Pierre Boulez am Dirigentenpult 1976 in Bayreuth, der landläufig als Jahrhundertring bezeichnet wird und einen Meilenstein in der Wagnerrezeption darstellt. Solche Besonderheiten wurden im letzten Kapitel unter Hinweis auf das Regietheater bereits angesprochen. Regiearbeit gilt mittlerweile als eigene Kunstform. Man kann jede Aufführung eines sekundärtransitorischen Werks (die ihrerseits Vorkommnis eines abstrakten Typus ist) als Interpretation einer Regisseurin, einer Dirigentin oder einem Solisten zuschreiben. In diesem Moment bleibt die Interpretation selbst ein sekundäres Kunstwerk, dessen Exemplare (die 12 Aufführungen im Spielplan eines Theaters) Exemplare (Vorkommnisse) dieser Interpretation sind. Wer es noch verzwickter haben will, der blickt nochmals nach Bayreuth. Bayreuth versteht sich als Werkstätte und an den Inszenierungen wird über mehrere Jahre gearbeitet, sodass sich im dritten Jahr einer Parsifal-Inszenierung die Regiearbeit an der gleichen Inszenierung durch den gleichen Regisseur gegenüber der Premiere drei Jahre vorher mitunter erheblich verändert hat. Man könnte überlegen, in die Theorie jeweils Zusatzbedingungen einzuführen, etwa dergestalt, dass sich in einem Vorkommnis zwei Kunstwerke darstellen. Oder man führt den Differenzierungsreigen weiter und vervielfacht die TTT, wie wir das beim Beispiel von (handschriftlicher) Partitur (die bereits ein Vorkommnis einer bestimmten Oper ist) als Typus und der gedruckten Exemplare als weiteren Vorkommnissen bereits sahen. Damit gerät man in die Nähe eines unabschließbaren Regresses. Die Frage nach dem Original beantwortet man bei sekundärtransitorischen Kunstwerken mit Verweis auf Partitur oder Text, aber diese sind auf Aufführung hin angelegt. Partitur und Aufführung haben nämlich verschiedene Wahrnehmungen zur Voraussetzung. Eine Partitur muss man lesen, die Aufführung kann man hören und sehen. Vermutlich können nur wenige Laien beim Lesen einer Partitur sagen, um welches Kunstwerk es sich handelt, ohne auf den Titel zu schielen. Dennoch sind beide Gegenstände in gewissem Sinn Garanten eines irgendwo existierenden originalen (abstrakten) Kunstwerks. »Denn Beethovens 8. Sinfonie F-Dur op. 93 existiert, sofern und solange es mindestens ein Exemplar ihrer Partitur oder mindestens eine aktuale oder im Prinzip jederzeit wiederholbare Aufführung bzw. mindestens eine

547

548

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Ebd., 178f Thomasson Amiel in Kivy 2004, 79

Schmücker 1998, 183

Geimer 2009, 98–111

Aufzeichnung einer ihrer Aufführungen gibt.« Im Umkehrschluss heißt das, dass ein Kunstwerk auch auf Nimmerwiedersehen verschwinden kann: »[…] the work of music or literature may survive as long as some copy of it remains, though it may be destroyed if all copies and memories of it are gone.« Die andauernde Existenz eines Originals ist für die Existenz eines Kunstwerks nicht zwingend notwendig, aber es hat jedenfalls einmal materiell existiert. Was es bedeutet, dass Vorkommnisse existieren, ist indes schwierig zu sagen und eigentlich ein Gegenstand der in 3.5. geschilderten Ontologie. Das spitzt sich unter Umständen auf die Frage zu, was die Existenz einer Erinnerung bedeutet. Wenn ein Orchester oder ein Tanzensemble ein Stück im Repertoire hat, kann man jedenfalls von der Existenz dieses Werks ausgehen. Bei reiner Improvisationskunst, etwa einem spontanen abendlichen Zusammenspiel einer Gruppe von Jazz-Musikern in einer Bar in Harlem, New York, ist dieser Auftritt das Original und es wäre erfreulich, wenn er durch einen Mitschnitt eine die Zeiten überdauernde Instantiierung erfahren hätte. Vor etwa zwanzig Jahren hatte ich ein solches Vergnügen, doch es gibt weder einen Mitschnitt und auch meine Erinnerung ist inzwischen verblasst und hat eher die äußeren Umstände dieses Abends gespeichert als den Klang der Musik, weshalb man diese musikalische Aufführung im Sinne eines definierbaren Kunstwerks als verloren ansehen muss. Daraus könnte man folgern, dass das Original bei allographischen Künsten nicht mit dem Kunstwerk identisch ist, sondern eine Notation desselben. Das gilt jedenfalls für musikalische Kunstwerke, aber es ist für andere Künste analog anwendbar. Allerdings muss man dann mit dem Dilemma leben, dass bei einer Komposition ein Autograph und nicht eine kontingente Uraufführung das Original ist, auch wenn der sinnliche Zugang dazu der eigentlichen Intention (nämlich Musik und nicht Text zu sein) widerspricht – von womöglich mehreren gleichberechtigte Fassungen des Komponisten ganz zu schweigen. Eine ähnliche Inkongruenz der Wahrnehmung wie bei Partitur und Aufführung gilt beispielweise für Künste wie die Fotografie. Überall dort, wo dem Positiv ein Negativ zugrunde liegt, kann dieses als Original angesprochen werden. Das im Normalfall aus dem Negativ entstandene Positiv ist kein Duplikat des Negativs, sondern ein Komplement. Wenn Reinold Schmücker hier einen Vergleich mit der Musik zieht, indem er das Verhältnis zwischen Positiv und Negativ als »Gleichunmittelbarkeit [steht] wie die Aufführungen einer musikalischen Komposition zu deren Partitur« versteht, stimmt das nur, wenn er eine kräftige Bearbeitung des Positivs in der Dunkelkammer oder am Computer voraussetzt, denn jede Umsetzung einer Partitur ist – wie im letzten Kapitel angemerkt – nie nur eine mimetische »Abbildung«, sondern eine kreative Interpretation. Ähnliches gilt für Diapositive und für Fotografien, wo ein besonderes Verfahren der Positiventwicklung greift (wie bei den Arbeiten von Man Ray). Eine nochmals eigene Diskussion ist jene nach dem Ausmaß der Unterscheidung von analoger und digitaler Fotografie. Diese Differenz, der in der analogen Fotografie zum Unterschied von der digitalen noch ein kausales Verhältnis zur »Realität« unterstellt, wird nicht selten bildphilosophisch geradezu zelebriert und dabei überschätzt.

549

Was ist ein Kunstwerk

Es scheint also, dass die von Nelson Goodman vorgeschlagene Unterscheidung von autographischer und allographischer Kunst für die Bestimmung eines Originals nützlicher ist als für die Bestimmung von Kunstwerken. Die Unterscheidung pointiert freilich (auch sprachlich) bloß jene von Unikat- und Multiplikatkünsten. Autographische Künste konstituieren sich über das Original und nur bei ihnen besteht nach Goodman die Möglichkeit der Fälschung. Michelangelos David ist ein Unikat und Original, jeder zweite David ist notwendig eine Kopie oder – wenn vom Kopisten mit dem Namen Michelangelo versehen – eine Fälschung. Wenn wir nicht von aus dem Stein gehauenen Marmorfiguren sprechen, sondern von Metallabgüssen, ist die Sache naturgemäß komplexer. Da gibt es Ähnlichkeiten mit dem grafischen Werk mit vielen von einer Platte abgezogenen Exemplaren. Es ist vernünftig, bei zwanzig lithografischen Drucken von zwanzig Manifestationen eines Originals zu sprechen. Das Original einer Lithografie ist das materielle Objekt einer geätzten Steinplatte, die Abzüge sind die Vorkommnisse. Man könnte meinen, es handle sich hier um einen ähnlichen Fall wie bei der Musik. Allerdings werden von Künstlern und vom Kunsthandel die druckgraphischen Abzüge wegen der geringfügigen Abweichungen bei den einzelnen Blättern, der Nummerierung und Künstlersignatur als Originale behandelt (dazu kommen eine Fülle von Randbedingungen, wie die zeitliche Nähe der Abzüge zur Erstellung der Platte, die Zerstörung der Platte nach den erlaubten Abzügen usw.). Dem stimmen auch Kunstphilosophen wie Goodman und Wollheim zu und behandeln die Druckgrafik als autographische Kunst. Damit kann es auch bei Drucken Fälschungen geben. Für Goodman ist der einzige Weg festzustellen, »ob ein Druck echt ist, [ist] herauszufinden, ob er ein Abdruck von einer bestimmten Platte ist.« Eine solche wenig originelle Strategie verfolgt auch Wollheim und verlangt die Offenlegung der authentischen Herstellungsgeschichte. Bei allographischer Kunst ist der Unterschied von Typus und Vorkommnis konstitutiv. Es liegen von einer Partitur (die nach genauerer Spezifikation eine Notation eines abstrakten Kunstwerks ist) viele Aufführungen oder von einem Text viele Druckerzeugnisse vor. Sie sind keine Fälschungen, sondern Vorkommnisse des Originals. »Gedruckte Partituren können sich in der Genauigkeit unterscheiden, aber alle genauen Abschriften, selbst wenn sie Fälschungen von Haydns Manuskript sein sollten, sind gleich echte Fälle der Partitur.« Die Kupferplatte Dürers kann gefälscht werden, wenn aber Haydns Oratorium Die Jahreszeiten aufgeführt wird und diese Aufführung der Partitur entspricht, ist dies immer Haydn und keine Fälschung. Musikstücke sind fälschungssicher, könnte man sagen. Was aber zeigt mir, dass eine Aufführung von Haydns Die Jahreszeiten ein Vorkommnis des Kunstwerks Die Jahreszeiten ist? Das ist die bereits in 3.5.1.4. problematisierte Frage nach der Werkidentität. Letztlich kommt es dabei auf die Übereinstimmung zum Beispiel von Klangmustern mit der Partitur an und es ist ein Kriterienkatalog unerlässlich, der diese Übereinstimmungen normiert, und man will sich nicht die Situation ausmalen, dass man bei einem bestimmten Maß von Abweichung das Verdikt fällen müsste, diese oder jene Aufführung sei keine von Haydns Jahreszeiten.

Original und Kopie

IX.3.9.2.

Goodman 1968, 128

Ebd., 122

Werkidentität

550

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

3.5.1.4.

Schmücker 1998, 200

Aura des Originals

Bell 1947, 60

Das unterscheidet sich nun sichtbar von Werken, die keine strenge Notation vorgeben, denn dort ist das Spiel eines an Chopin erinnernden Motivs als ein Stück von John Cage von dessen kompositorischer Intention mit umfasst. Ein solches Werk realisiert sich zwischen dem Konzept des Künstlers und der Realisierung durch andere Akteure. Wir gelangen in solchen Situationen an eine Grenze, wo das Reden von Original überhaupt noch Sinn macht. Ähnliche Schwierigkeiten tun sich angesichts der Tatsache auf, dass man in Wahrheit – nimmt man sich das intelligente Vorgehen Wolfgang Beltracchis, das weiter unten beschrieben wird, zum Vorbild – durchaus auch ein Musikstück fälschen kann. Zwar nicht als Kopie eines bestehenden Stückes, aber zum Beispiel dann, wenn jemand eine Arie »im Geiste von Barbara Strozzi« komponiert und das mit alter Tinte auf Papier aus der Zeit um 1650 in nachgeahmter Handschrift Strozzis notierte Stück als den in einer Barockbibliothek aufgestöberten Fund eines verschollenen Werks ausgibt. Selbstverständlich reizen solche artifiziellen theoretischen Erörterungen Künstler dazu, ihr Spiel mit den Theoretikern zu spielen. Sol LeWitt trieb mit seinen Proposals for Wall Drawings die Eigenheit zeitgenössischer Kunstformen nur auf die Spitze. Denn die Frage ist berechtigt, wie sich das Verhältnis von Original und Replik/Fälschung im Fall von Fluxus, Performances, Improvisationen, Land-Art, Happenings verhält. Reinold Schmücker fasst diese (klassischerweise allographischen) Genres als Unikatkünste und übt damit Kritik an Goodmans Gleichsetzung von autographischen Künsten (für Goodman alle Künste ohne Bezug zu einer Notation) mit Unikatkünsten. Schmücker weist nicht zu Unrecht darauf hin, dass eigentliche Unikatkünste eher Improvisationen, Fluxus-Künste, ja sogar Land Art und Architektur seien, weil sie in keinem Fall adäquat reproduzierbar sind. Demgegenüber nimmt er jede Reproduktion eines Originals, und sei diese noch so dürftig, als Exemplar dieses Kunstwerks, »da es nicht das Original eines davon verschiedenen Artefaktes ist.« Was Schmücker bei Goodman freilich besonders aufstößt, ist dessen Festhalten an der Aura des Originals. Zwar weiß auch Goodman, dass man eine Kopie nur dann mit weniger Verehrung betrachtet als das Original, wenn man weiß, dass es sich um eine Kopie und nicht um das Original handelt. Goodmans konstruktivistischer Zungenschlag lässt ihn aber doch von der richtigen Einschätzung ausgehen, dass wir das Original mehr verehren als die Kopie. Noch weiter geht Clive Bell mit einem mentalistischen Zugang zur Frage der Kopie. Er ist ernsthaft davon überzeugt, dass Kopien uns keine ästhetische Wahrnehmung ermöglichen. »But why is it impossible to make an absolutely exact copy? The explanation seems to be that the actual lines and colours and spaces in a work of art are caused by something in the mind of the artist which is not present in the mind of the artist which is not present in the mind of the imitator.« Schmückers problematische Antwort darauf ist, dass die Unterscheidung von Original und Fälschung keine ästhetische Qualität habe. Diese These braucht allerdings einige eher schwer nachvollziehbare Voraussetzungen, die nur in einer sehr formalen Formelhaftigkeit Sinn ergeben. Zunächst klammert er sich an den Gedan-

551

Was ist ein Kunstwerk

ken einer grundsätzlichen Möglichkeit von ununterscheidbaren Kopien von Originalen. Er sieht deshalb keinen Unterschied zwischen der Kopie einer Skulptur und der Abschrift eines Romans. Wenn für die Literatur gilt, dass »jedes physische Objekt, das mit dem Original(manuskript) der Satanischen Verse werkidentisch ist«, eine Manifestation von Rushdies Roman ist, dann gilt das für Schmücker ebenso für eine Fälschung oder eine Reproduktion von beispielsweise Caspar David Friedrichs Mönch am Meer. Sie sind Exemplare dieses Werks, weil sie in einer genealogisch-mimetischen Abhängigkeit vom Original stehen. Der Unterschied von Kopie und Fälschung sei bloß einer auf moralisch-praktischer Ebene. Konsequent weiter gedacht hieße das, dass es Unikatkünste, wenn überhaupt, nur dort gibt, wo man eigentlich klassische Multiplikatkünste erwartet. Das funktioniert freilich nur dort, wo nicht einmal rudimentäre Notationen eine neuerliche Aufführung (unter dem Namen der Künstlerin) ermöglichen. In der Tat gibt es solche Neuaufführungen von Performances. Zum 100-Jahr-Jubliäum des Bauhauses 2019 organisiert man solche Neuaufführungen von Bauhaus-Performances. Trotzdem stimmt, dass sich in aller Regel eine Jazz-Improvisation ebenso wenig exakt kopieren lässt wie eine mit Improvisationselementen versehene Performance. Nach Schmückers Ansicht gilt das auch für Land Art und Werke der Architektur, denn dort sei die Umwelt, mit der Land Art und Bauwerke korrespondieren, mit einzubeziehen. Der Gedanke ist durchaus originell, denn schon mehrfach wurde auf den performativen Charakter der Architektur hingewiesen. Architektur wäre so gesehen eine allographische Kunst. Die Errichtung mehrerer identischer Gebäude in jeweils anderer Umgebung ließe sich behandeln wie verschiedene Inszenierungen einer Oper. Daraus leitet Schmücker eine komplexe Definition von Unikatkünsten ab. Es handle sich dabei um Künste, »bei denen jedes Exemplar kx eines Werkes k entweder das Original ko ist oder eine Reproduktion bzw. Kopie von ko.« Einfacher gesagt: Unikatkünste sind solche, »deren Werke nicht in mehreren perzeptorisch vollkommen äquivalenten Exemplaren existieren können«, also genau die eben aufgezählten Beispiele. Damit ist die Gleichsetzung von autographischen und allographischen Künsten mit Unikat- und Multiplikatkünsten zumindest teilweise auf den Kopf gestellt. Das mag eine originelle und auch teilweise aus der Praxis nachvollziehbare Überlegung sein. Wenn sich die Position allerdings darauf zuspitzt – wie im letzten Kapitel am Beispiel Gregory Curries vorgeführt –, dass auch Werke der bildenden Künste für Instantiierungen gehalten werden, ist jedenfalls einzuwenden, dass Künstlerinnen klassischer autographischer Künste nicht das geringste Interesse daran haben, zwei ununterscheidbare Kunstwerke zu schaffen (schon weil das wesentlich aufwendiger wäre als ein neues Kunstwerk oder eine Variante eines bereits geschaffenen zu kreieren; inwieweit sie ein Interesse haben, dass andere ihre Werke ununterscheidbar reproduzieren, lasse ich dahingestellt). Jedenfalls unterscheidet sie diese Einstellung von jedem Autor, der wiederum daran interessiert ist, von seiner Lyrik möglichst viele Instantiierungen, sprich: gedruckte und im Handel vertriebene Bücher zu erleben. Auch von der Rezipientenseite ist die Sache klar. Wer ein Bild oder eine Skulptur ersteht, darf davon ausgehen, ein Unikat zu erwerben, von dem es al-

Schmücker 1998, 250

Ebd., 197f

2.6.1.

Ebd., 201; im Orig. kursiv Ebd., 200

552

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Ebd., 198f

VIII.1.5.5.

lenfalls andere Versionen (die aber ästhetische Unterschiede aufweisen) und billig hergestellte Repliken gibt. Beim Kauf einer Compact-Disc stört es jedoch niemanden, dass man dabei die oberste von einem ganzen Stapel nimmt. Aus diesen Gründen ist Schmückers Ansicht nur schwer zu folgen, dass die Unterscheidung von Original und Fälschung kein ästhetisches Problem darstelle, sondern dass eine Fälschung ausschließlich ein Eigentumsdelikt sei, wie der Ausdruck »Raubdruck« zeige. Das ist nun gar nicht überzeugend. Schmücker konzentriert sich hier auf den Begriff der Fälschung. Doch der ästhetisch interessante Zusammenhang ist das noch weitgehend unproblematische Verhältnis von Original und Kopie bzw. Replik. Eine solche kann man durchaus mit Instantiierungen bei allographischen Künsten vergleichen, aber man darf die Unterschiede dabei nicht übersehen. Bei der Begründung, dass eine Fälschung primär kein ästhetisches Delikt sei, führt der Hinweis auf einen »Raubdruck« nämlich in die Irre. Ein Raubdruck hat mit einer Fälschung nichts zu tun. Es handelt sich dabei um eine unautorisierte Publikation eines (originalen) Textes, die einzig und allein Verlage und Rechteverwalter stört. Ähnliches gilt in der Musik. Wenn jemand ein Musikstück als Raubkopie aus dem Internet bezieht, begeht er allenfalls ein Eigentumsdelikt, aber natürlich ist das geraubte Stück ein Vorkommnis des Kunstwerks wie jede Aufführung im Konzerthaus und jede gekaufte und abgespielte Compact-Disc. Bei einer Fälschung hingegen handelt es sich um eine Kopie des Originals, die erst beim Anspruch, selbst das Original zu sein, zur Fälschung wird und sich beim Verkauf zu einem Eigentumsdelikt ausweitet. Das Gericht beschäftigt sich allein mit diesem Anspruch und nicht mit einer allfälligen weiteren, nämlich ästhetischen Dimension bei der Fälschung: der Frage nach der Aura des Originals. Bei diesen Überlegungen ist das für Kunsthistorikerinnen heikle Thema der sogenannten Werkstattarbeit noch gar nicht angesprochen worden. Viele Kunstwerke lassen sich allenfalls der Werkstatt eines großen Meisters zuordnen, aber nicht zweifelsfrei der Hand des Meisters selbst (als weitere Kategorie gibt es den Kreis um…; damit sind Künstler gemeint, die nicht der Werkstatt angehören, aber von einem großen Meister beeinflusst sind). Ich berichtete, dass bei Aufträgen an Peter Paul Rubens das Ausmaß seiner eigenen Leistung Teil des Vertrags war. Das Schulbeispiel zu diesem Thema aus der Praxis ist die Arbeit von Wolfgang Beltracchi. Beltracchi kopierte nicht etwa existierende Bilder. Er malte Bilder im Stil von über 100 berühmten Künstlern der Kunstgeschichte. Diese Bilder gingen durch umfangreiche Begutachtungsverfahren und erhielten von den Experten Originalitäts-Expertisen. Über zweihundert solcher Beltracchis sind angeblich unter dem Namen großer Künstler noch heute in Umlauf – nicht wenige von ihnen hängen in Museen. Die Situation stellt sich kurioserweise so dar, dass der Nachweis, dass es sich dabei nicht um z.B. einen Campendonk handelt, sondern um einen Beltracchi, angesichts von entsprechenden Expertisen schwierig zu erbringen ist. Beltracchi wurde schließlich von einem Gericht konsequenterweise nicht als Bilderfälscher (weil es die von ihm gemalten Bilder gar nicht als Originale gibt), sondern als Urkundenfälscher und Betrüger verurteilt. Heute malt er weiter frei erfundene Bilder im Stil von berühmten Künstlern der Kunstgeschichte, aber als Wolfgang Beltracchi.

553

Was ist ein Kunstwerk

Ebenso wenig wie solche Aktivitäten fallen alle Reproduktionen in die Kategorie Fälschung, die als solche gekennzeichnet sind. Die Reproduktionen der Sleeping Lady in den Souvenir-Shops von Valletta sind keine Fälschungen, sondern billige Nachahmungen eines uralten Kunstwerks. Die exakte, der Chauvet-Höhle nachgebaute Kopie im Département Ardèche, ist ein hervorragendes Projekt, das dem Interesse der Besucher ebenso gerecht wird, wie es den notwendigen Schutz der empfindlichen Höhlenmalereien gewährleistet. Man wünschte sich solche Lösungen auch für andere bedrohte Kunstwerke wie etwa die Königsgräber in Luxor. Selbstverständlich ist dieser Nachbau trotz dem technischen Aufwand und der Mühe keine ununterscheidbare Kopie des Originals, damit auch keine Instantiierung eines abstrakten Typus und schon gar kein Typus neben dem anderen Typus. Es entspricht einfach nicht unserer gängigen Erfahrung, dass eine Fälschung nicht als ästhetisches Delikt zu verstehen sein soll. Und Schmückers Hinweis, dass wir viele Werke der Kunstgeschichte nur in reproduzierter Form kennen, etwa antike Statuen oder viele Ready-Mades von Duchamp, geht nicht nur ins Leere, sondern ist sogar eher ein Argument für die auratische Kraft des Originals. Hätten wir von Maltas Sleeping Lady nur Kenntnis durch eine verstaubte Billig-Replik aus Kunststoff im Lager eines Souvenirgeschäftes, wüssten wir zwar von der Existenz dieses Kunstwerks, aber das würde unser Bedauern über den Verlust des Originals erst richtig spürbar werden lassen. Und die fahlen römischen Marmorkopien der bunten griechischen Bronzeoriginale sind von den gewünschten perzeptorisch vollkommen äquivalenten Reproduktionen meilenweit entfernt. Wir kennen zwar einigermaßen das Sujet (obwohl selbst das bei den römischen Kopien manchmal geändert wurde), aber über das Aussehen und die Maßverhältnisse der Originale herrscht Unklarheit, weshalb wir ihren Verlust in diesem Fall besonders schmerzhaft empfinden. Daher überrascht es nicht, dass es eine lebhafte Diskussion gibt, ob die Kopistentätigkeit in Rom nicht sogar als eigene Kunstform mit eigenem Stilwillen und die Kopien als ihrerseits originale Kunstwerke angesehen werden müssen. Wenn Schmücker meint, dass auch bei autographischer Kunst »mit dem Original nicht unbedingt auch das Kunstwerk als solches vernichtet« ist, mag das rein formal stimmen, aber es überzeugt gerade aus ästhetischen Gründen nicht einmal für griechische Skulpturen, die in reicher Zahl als Kopien überliefert sind. Wie formalistisch Schmücker die Sache angeht, zeigt folgende Überlegung: »Nimmt man mit Goodman an, ein Werk der graphischen oder bildenden Kunst sei mit seinem Original identisch, muß man in jedem Duplikat des Originals ein von diesem Werk verschiedenes Artefakt erblicken, da es von dem betreffenden Werk außer dem Original kein weiteres Exemplar geben könnte. Ist aber die Kopie des Originals einer Skulptur ein von dieser verschiedenes Artefakt, muß der Kopist als dessen Urheber gelten – wie illegitim das Maß, in dem er sich von dem Werk eines Kollegen hat inspirieren lassen, auch erscheinen mag.« Dieser als Kritik an Goodman gedachten Überlegung kann man völlig zustimmen. Es ist genau so, wie Schmücker das darlegt. Für eine Kopie des Werks Der Kuss von Constantin Brancusi ist der Autor der Kopist, auch wenn er nur über eine besondere technische Meisterschaft verfügt und

Ebd., 195

III.3.3.3. Ebd., 196

Ebd., 196

554

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Ebd., 196

nie die großartige Idee Brancusis gehabt hat (und diese Einschränkung sollte man nicht gering schätzen). Er könnte bei Offenlegung der Zusammenhänge sein Werk als Kopie des Originals von Brancusi verkaufen, tunlichst zu einem geringeren Preis als jener, der für das Original fällig wäre, schon deshalb, weil das Sujet ja nicht von ihm erdacht wurde. Wenn er seine Autorschaft verschleiert, wird der Kopist zu einem Betrüger, der im Falle eines Verkaufs des Werks mit allen Konsequenzen des Strafrechts rechnen muss. Nur in diesem Fall betröge der Kopist »den Urheber eines Werks um seine mittelbare Urheberschaft in allen Kopien des von ihm hergestellten Originals, die er nicht selbst angefertigt hat.« Zweifellos bleibt die Konsequenz bestechend, alles, was in einem genealogisch-mimetischen Zusammenhang steht, mit einer Terminologie zu kennzeichnen und abzuheben, aber wie unbefriedigend und wenig praxistauglich eine derart formale Sichtweise bleibt, zeigt sich, wenn Schmücker auf Kopien und fotografische Abbildungen von Kunstwerken verweist und sie als Exemplare des Originals gelten lässt. Zwar deckt er eine Schwäche in Goodmans Argumentation auf, weil dieser nicht wirklich überzeugend darlegen kann, warum eine Fotografie, die sich genealogisch und mimetisch auf das Abgebildete bezieht, kein Vorkommnis davon sein kann, aber Schmückers Alternative führt genauso in absurdes Terrain. Denn selbstverständlich gibt es einen Unterschied zwischen der Fotografie des von IS-Terroristen zerstörten Markttors in Palmyra und Vorkommnissen eines Typus, wie einem gedruckten Gedicht oder einer aufgeführten Symphonie. Daran hegt das ästhetische Empfinden kaum einen Zweifel. Insofern bleiben auch künstlerische Interventionen beherrschbar, die mit der Verwischung von Realem und Simulation im Sinne von Jean Baudrillard arbeiten. Die amerikanische Konzeptkünstlerin Sherrie Levine fotografierte Bilder der Kunstgeschichte, stellte die Fotografien aus und berührte damit die Frage nach der Abgrenzung von Original und Reproduktion. Wenngleich der Gedanke, in Improvisationsmusik, Fluxus-Kunst, Land Art und sogar Architektur Unikatkünste zu sehen, richtig sein mag, ist schwer einzusehen, warum die Malerei und Bildhauerei keine Unikatkünste sein sollen, weil perfekte Repliken denkbar sind (was de facto nicht stimmt). Wenn man davon ausgeht, dass prinzipiell von allem eine Kopie möglich ist, macht die Unterscheidung von Unikat- und Multiplikatkünsten in der Tat nur Sinn, wenn man sie mit Typus und Vorkommnis und mit Original und Kopie verknüpft. Sinnvollerweise besteht das Problem dann darin, dass in solchen Künsten, jenseits des Originals, Kopien als Repliken oder als Fälschungen (je nach Anspruch) zu taxieren sind, während in Multiplikatkünsten die Kopien legitime Vorkommnisse (Notationen oder Aufführungen) des (abstrakten) Originals sind. Insofern hat Goodman, im Gegensatz zu Schmückers Kritik, doch Recht, wenn er meint, dass ein übersetztes Gedicht anders zu behandeln ist als die Kopie eines Gemäldes. Wie die Beispiele und Streitpunkte zeigen, genügen die beiden Arten der Werkauffassung nicht mehr, um allen Anforderungen der zeitgenössischen Kunst gerecht zu werden. Ein anschauliches Beispiel, das noch in der traditionellen Kunst wurzelt, ist der Film. Zum Kunstwerk Film tragen eine ganze Reihe von Personen

555

Was ist ein Kunstwerk

bei, von der Regisseurin und Drehbuchautorin über Kameramannschaft und die Schauspieler bis zur Komponistin der Filmmusik. Dementsprechend viele Oscars sind für einen einzigen Film zu gewinnen. Der Film wird in einer großen Zahl von Kopien oftmals gespielt. Mit Blick auf das Kunstwerk hat das Hochlizitieren mit immer noch atemberaubenderen Differenzierungen kaum zu einer verbesserten Klärung der Probleme geführt. Angesagt ist angesichts der komplizierten Antworten auf eine einfache Frage vielleicht ein philosophisches Abrüsten und ein sich Besinnen auf die bereits unter 1.4.ff. beschriebene ästhetische Erfahrung.

3.5.2. Artefakte – Kunstwerke – Kunstgegenstände Um in das Dickicht der Begrifflichkeit von Gegenstand, Artefakt, Kunstwerk Ordnung zu bringen, hat Otto Neumaier einen Vorschlag unterbreitet. Der Vorzug dabei ist, dass Neumaier, sensibel für die zeitgenössische Kunst, keinem der durch das zeitgenössische Werkverständnis aufgeworfenen Probleme ausweicht. Er überschreibt das Thema mit dem Begriff des ästhetischen Schaffens. Gemeint ist damit ganz allgemein die Erzeugung (aristotelisch: poiesis) ästhetischer Gegenstände durch Subjekte. Dabei unterscheidet Neumaier – unbeschadet der Tatsache, dass auch natürliche Gegenstände unter ästhetischem Gesichtspunkt betrachtet werden können – (1) Artefakte, (2) Kunstgegenstände und (3) Kunstwerke. (ad 1) Unter Artefakten versteht er in Einklang mit den meisten anderen Philosophen alle von Menschen erzeugten Gegenstände, also alle Erzeugnisse menschlicher Kulturtätigkeit, egal ob technische oder künstlerische Gegenstände. Die Bestimmung künstlerischer Artefakte ist schwieriger, weil in der modernen Kunst die aristotelischen Konzepte der poiesis und techne nur mehr sehr eingeschränkt greifen. Es gibt Kunstwerke, bei deren Produktion der Zufall oder ein Prozess eine prominente Rolle spielt. Bei Ready-Mades ist der einzige Schaffensvorgang die Erklärung eines Alltagsgegenstands zum Kunstwerk. Es gibt soziale und politische Kunstwerke. Vor allem gibt es Kunst, die kein raumzeitlich fixierbares Werk schafft, sondern einen Sachverhalt, ein Ereignis, eine Atmosphäre, einen Gedanken, also etwas Flüchtiges. Um diesem Umstand gerecht zu werden, unterscheidet Neumaier zwischen Kunstgegenständen und Kunstwerken. (ad 2) »Das, was einen Gegenstand zu einem Kunstgegenstand macht, wird von einer Person bewußt geschaffen.« Dabei reicht es, wenn eine Künstlerin ein natürliches Ding zu einem Kunstgegenstand macht, indem sie es in einen entsprechenden Kontext stellt. Entscheidend und ausreichend ist die schöpferische Absicht, also die Intention. Gerhard Frey verwandte für einen solchen Zusammenhang den Ausdruck performative Kunst. Der Vorschlag hat Ähnlichkeiten mit jenem von Arthur Danto, der für ein Kunstwerk allerdings noch eine Einbindung in eine kulturelle Tradition oder Institution voraussetzt, in der es steht oder von jemandem dorthin gestellt wird. Mit folgender Definition versucht Neumaier, den Unterschied von Kunstgegenständen, die auch Performances sein können, zu einem expliziten Kunstwerk zuzuspitzen: Ein Objekt ist dann ein Kunstgegenstand, wenn »es von jemandem be-

Artefakte

III.2.4.3.3.3.

Kunstgegenstand

Neumaier 1999, 207

3.2. Frey 1989, 243–258 2.8./IX.3.9.3.

556

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Neumaier 1999, 208 Kunstwerk

Ebd., 212

Ebd., 218

Ebd., 220

wußt so geschaffen ist, daß es bestimmte ästhetische Merkmale aufweist, die für den Grund, dessentwegen sie das Objekt geschaffen hat, wesentlich sind.« (ad 3) Ein Kunstwerk im engeren Sinn muss demgegenüber raum-zeitlich identifizierbar sein und Individualität besitzen. Dazu kann man vom Ready-­Made über Land Art bis zur Körperkunst vieles unterbringen. »Vielleicht gilt sogar für die meisten Kunstgegenstände, daß sie auch Kunstwerke sind.« Neumaier will auch die bereits oben erwähnten schwierig zu handhabenden Werke, zum Beispiel von John Cage (Piano Concerto, Fontana Mix, Atlas Eclipticalis) einbeziehen, die eine nicht-identifizierbare, beliebige Aufführungspraxis besitzen und daher nicht als bestimmte Werke identifizierbar sind. Innerhalb der Klasse der Kunstwerke lässt sich nach Neumaier eine weitere Unterscheidung einführen. Es kann sich bei Kunstwerke um Einzeldinge handeln (wie einzelne Gemälde) oder um Werke, die sich nicht so einfach als Individuen identifizieren lassen. Das entspricht im Wesentlichen der Unterscheidung von Unikat- und Multiplikatkünsten. Die aufgeführte 5. Symphonie von Beethoven ist ein Vorkommnis eines abstrakten Gebildes bzw. einer materiellen Grundlage, nämlich der Partitur, die aber nur als Träger des eigentlichen Werks (oben sprachen wir von Notationen) angesprochen werden kann. Auch dieser Vorschlag löst nicht auf einen Schlag die vielen erwähnten Probleme mit Werkidentität, Original und Kopie sowie die Schwierigkeit, von Vorkommnissen auf den Typus zu schließen. Das ist Neumaier durchaus bewusst: »Ob ein Vorkommnis eines Werkes den betreffenden Typus adäquat repräsentiert, hängt von vielen Unwägbarkeiten ab, und oft müssen wir viele verschiedene Vorkommnisse wahrnehmen, um sagen zu können, welche ästhetischen Merkmale dem betreffenden Typus tatsächlich zukommen.«

3.5.3. Kunst ohne Werk

Neumaier 2013, 38

Strunk 2000, 122

Nach den zahlreichen hier vorgestellten Behandlungen des Kunstwerks (und das ist nur ein mehr oder weniger repräsentativer Querschnitt der unzähligen Theorien dazu) lässt sich ein Satz Otto Neumaiers gleichsam als Fazit verstehen: »Die Annahme, dass künstlerisches Schaffen auf ein Werk im Sinne eines vollkommenen, endgültigen und dauerhaften Gebildes ziele und dass die Musik als poietische Kunst nur dann bestehen könne, wenn sie gleichfalls solche Werke hervorbringt, ist unseren Überlegungen zufolge bestenfalls ein Missverständnis.« Ein solches Fazit kann als generelle kunstphilosophische Formel gelten, noch ohne dass man die diversen Strategien der Gegenwartskunst ins Auge fasst, die sich die Eliminierung des Werks geradezu zum Ziel gesetzt haben. Dass das Verschwinden des Kunstwerks ausgerechnet in einer Zeit zelebriert wird, in der die kunstphilosophischen Debatten um die Bestimmung desselben ihre bislang größte Dynamik erreichen, mag dabei als besondere Pointe gelten. Der ideale Begriff des Werks »fasst das Einssein und die Aura des Autors zusammen und hält sie fest in der Urheberschaft oder Einmaligkeit, eingeprägt durch die Einzelsignatur.« So gut wie alles an dieser Definition ist inzwischen obsolet.

557

Was ist ein Kunstwerk

Die Dynamik des Verschwindens des Werks begann spätestens mit der Zerstörung der alten Tradition von Illusionismus und Tafelbild, mit der radikalen Öffnung des Kunstwerks von der einen und mit der postmodernen Eliminierung des Autors von der anderen Seite. In solchem Kontext ereignete sich der performative turn. Die Performance fungierte gleichsam als künstlerischer Joker gegen Repräsentation und Mimesis, gegen den Zeichencharakter von Kunst, gegen Aura und Original und – letztlich – gegen den Werkcharakter der Kunst. Daneben verflüchtigte sich das Werk in anerkannten Positionen wie der Concept Art, wo das, »was an einem Kunstwerk in sich abgeschlossen bzw. vollendet ist, nicht unbedingt im Physischen zu suchen [ist], sondern vielmehr im Geistigen, d.h. im Gedanken, den jemand als Werk schafft.« Da wird mit Radiowellen außerhalb des hörbaren Bereichs und mit unsichtbaren Gasen (Robert Barry), mit leeren Galerien (Yves Kleins) und mit Musik ohne Ton (John Cage) gearbeitet. In der digitalen Kunst gibt es kaum mehr ein beschreibbares Werk und einen identifizierbaren Autor. Dass der Bestand des Kunstwerks keineswegs mehr selbstverständlich war, rief bereits in der Mitte des 20. Jh.s die Verteidiger auf den Plan. Hans Georg Gadamer etwa wollte das Kunstwerk zumindest hermeneutisch retten. Selbst bei einer einmaligen Improvisation, über die wir hinterher ein ästhetisches Urteil abgeben, sei es die »hermeneutische Identität, die die Werkeinheit stiftet.« Was für die Improvisation gilt, müsse auch für das Ready-Made gelten: »In seiner Wirkung und als diese Wirkung, die es einmal war, hat es seine Bestimmtheit. […] im Sinne der hermeneutischen Identität ist es sehr wohl ein ›Werk‹.« Beinahe zwangsläufig gerät eine solche Position, die das Werk in der Wirkung und weniger auf der Produktionsseite verortet, in die Nähe eines rezeptionsästhetischen Mentalismus. Doch solche Versuche greifen aus heutiger Problemlage daneben. Die Anfechtung des Werks kommt nämlich weniger aus der oben besprochenen Spannung von Original und Replik, also aus dem schwierigen Verhältnis von Typus und Instantiierung, sondern einerseits aus den zeitgenössischen digitalen künstlerischen Praktiken, andererseits von Seiten einer neokonzeptionellen Aufhebung des Kunstwerks in den Diskurs. »Im Unterschied zu vordigitalen Tendenzen wie dem dadaistischen Readymade, dem Konstruktivismus, der Pop-, Conceptual- oder Appropriation Art, alles Strömungen, in denen die Grenzen von Original und Kopie erstmals aufgeweicht wurden, ist das Kopieren in digitalen Zusammenhängen für das aktuelle Kunstschaffen konstitutiv geworden und hat in inhaltlicher, formaler und materieller Hinsicht Auswirkungen darauf. Die verlustfrei mit digitalen Mitteln erzeugte Kopie ist sowohl übergeordnetes Denkmodell als auch konkrete Ausdrucksform, […].« Nicht die Frage nach dem Status der Kopie steht hier im Vordergrund, sondern der Prozess des Kopierens als kreativer Akt. »Die Methoden des Kopierens greifen in bestehende Konzepte, Formate, Techniken, Materialien, Motive und Stile ein, um ihre strukturellen Voraussetzungen zu reflektieren und weiterzuentwickeln.« Die Auflösung des Kunstwerks in den Diskurs hat zahlreiche Facetten. Sie greift bereits dort, wo – wie dies während der documenta 14 bei manchen Projekten zu beobachten war – eine indigene Abstammung von Künstlerinnen wichtiger zu sein

IX.5.2.f.

Neumaier 2013, 33 IX.5.2.4./IX.5.2.6.4.

IX.3.7.

Gadamer 1974, 116

Thalmair 2016b, 41/43

558

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Krauss 1998, 58

Geimer 2009, 97

schien als das umgesetzte Werk. Nachdem dieser Kunstevent beinahe zur Insolvenz der Trägereinrichtung geführt hatte, verpflichtete man für die Documenta 15 2022 das indonesische Kuratorenkollektiv Ruangrupa, dessen Sprecher auf der ersten Pressekonferenz eine interdisziplinäre globale Kunstplattform und die Auseinandersetzung mit Kolonialismus, Kapitalismus und patriarchalischen Strukturen ankündigten. Man darf gespannt sein, wie sich solche Absichten zwischen Jakarta und Kassel in greifbaren Werken manifestieren werden. Der Diskurs als Teil oder Alternative zum konkreten Werk ist besonders verbreitet in Teilen der durch die aus der Minimal- und Concept Art hervorgewachsenen Institutional Critique. Diese unterzieht die gesamten künstlerischen Rahmenbedingungen, Autor, Originalität, Produktion und vor allem die Institutionen der art world, einer Kritik. Freilich gibt es auch in dieser Abteilung identifizierbare Künstlerinnen und Werke, manche von ihnen verstehen es, durch die Kritik der Institution ihren institutionellen Wert durchaus zu steigern. Interessanter ist der weitere Kontext solcher institutioneller Kritik. Es geht dabei unter anderem um eine Kritik an einer rein formalen und ästhetischen Würdigung von Bildern, namentlich von Fotografien. Sowohl Institutionen als auch Publikationsorgane (die berühmte Zeitschrift Camera Work kam in dieser Hinsicht unter Beschuss) neigen zu einer solchen Isolierung des Bildes vom begleitenden (politischen und sozialen) Diskurs. Rosalind Krauss fordert exemplarisch für diese Position »die ästhetisch abgeleiteten Kategorien von Autorschaft, Œuvre und Genre […] aufzugeben oder zumindest einer seriösen Kritik zu unterziehen.« Dabei wird nicht eine »Wahrheit jenseits der wechselnden Diskurse« vorausgesetzt, sondern darauf Wert gelegt, dass die Ästhetisierung durch die Institution nicht andere Diskurse (z.B. jene bei der Entstehung der Fotografie im 19. Jh.) löscht. Das Beispiel zeigt, welche Bedeutung Institutionenkritik für die theoretische Behandlung von Kunstwerken haben kann, wobei hier zumindest partiell die Konsequenzen der Ästhetisierung der Kunst Ende des 18. und Anfang des 19. Jhs. (die zur Einrichtung von Museen geführt hat) auf den Prüfstand gestellt werden.

4.0. Bild und Bildtheorie

VII.5.2.4./VII.6.3.4.

Am 12. September 2001 machte die Frankfurter Allgemeine Zeitung zum bislang ersten und einzigen Mal mit einem großformatigen Foto ohne jeden Text auf dem Titelblatt auf. Es zeigte die rauchenden Türme des World Trade Center. Das Bild ersetzte hier das Wort für das scheinbar Unaussprechliche und damit sich jedem rationalen Zugang Entziehende. Dieses angesichts der Seriosität der FAZ dramatische Beispiel, das man in die Geschichte des Erhabenen im Sinne Burkes und Kants einordnen könnte, macht unübersehbar, wie kraftvoll und emotional die Kommunikationskraft des Bildes gegenüber jener der Sprache ist. In der Einleitung zu diesem Werk verwies ich auf die power of things und auf die daraus sich ergebenden Konsequenzen, nämlich dass Kunstwerke, darunter eben speziell Bilder, gefährliche Instrumente

559

Bild und Bildtheorie

der Manipulation und Überhöhung von Informationen sein können. Jede Redakteurin eines Print- oder Funkmediums ist mit diesem Faktum täglich konfrontiert. Man mag im harmlosesten Fall von einer neuen Art eines biblia pauperum-Effektes sprechen. Bilder vermögen kurze, emotionale Botschaften zu vermitteln, die in der begrifflichen Darstellung und Analyse weit komplexer und zeitlich ausgedehnter rezipiert werden müssten. Bilderzählungen sind aber gerade deswegen keineswegs harmlos. Ihnen eignet nicht nur ein höheres Potenzial emotionaler Erregung, sondern sie vermögen den »Spin« einer Erzählung ebenso zu steuern wie das Maß an Ausdruckskraft, also an Bildmacht. Wie die vorwiegend historischen Abschnitte zeigten, kam dem Bild über die gesamte Kulturgeschichte eine dominante Rolle zu, natürlich – kontrafaktisch – auch dort, wo es bekämpft wurde. Dass das Bild angesichts der sintflutartigen Bebilderung der Welt auch und besonders die Gegenwartskultur prägt, ist unstrittig. Daher mag die Zuspitzung der theoretischen Beschäftigung mit Kunstwerken auf das Bild in einem eigenen Kapitel am Ende dieses langen Buches legitim sein. Mehr als eine solche systematische Zuspitzung auf das Thema ist nicht beabsichtigt, denn in den vorwiegend historischen Abschnitten wurden nicht nur bereits alle möglichen Bildtheorien angesprochen und manche Kontroversen bei diesem Thema nachgezeichnet, sondern das Bild in seiner zwei- und dreidimensionalen Form war als idealtypisches Kunstwerk auch bereits Thema der systematischen Untersuchung der letzten Kapitel. Es geht daher nicht mehr darum, die zahlreichen Bildtheorien vorzustellen oder den Unterschied zwischen einer ikonologischen, am inneren Bildsinn interessierten, und einer an der Semantik des Bildes ausgerichteten Theorie nochmals zu verdichten, sondern die Ergänzung zum bisher Vorgestellten betrifft einzelne beim Bild unterscheidbare Aspekte und ihre Wechselwirkungen.

0.2.2.

4.1. Vom linguistic zum iconic turn Kaum hatte sich vor einigen Jahrzehnten in der philosophischen Szene die Wende zur Sprachphilosophie verfestigt, wurde von verschiedenen Autoren ein iconic turn (v.a. Gottfried Boehm) oder pictural turn (v.a. William John T. Mitchell) ausgerufen. Diese neuerliche Wende sollte den vorherrschenden linguistic turn (Richard Rorty) ablösen oder zumindest ergänzen und die Wende zum Bild als eine erfolgreiche Abbildungsstrategie von Wirklichkeit neben anderen unterstreichen. Doch von welcher Wende ist hier genau die Rede? Wie bei allen Wendebegriffen passt auch dieser an verschiedenen Stellen der Kulturgeschichte. Wenden zum Bild gab es, angefangen bei den ersten (Bilder-)Schriftsystemen über die Bebilderung des bildlosen Göttlichen, die Erfindung der Perspektive in der Malerei bis zur Fotografie und zur Bildmedien­ dominanz unserer Tage, permanent. Zudem mischen sich in allen Medien semiotische und sensorische Elemente, weshalb es auch zwischen Schrift- und Sprachdominanz stets Konflikte gab, von Platons Bevorzugung des Rhetorisch-Sprachlichen bis Derridas Grundlegung einer Urschrift. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass, abgesehen von den grundsätzlichen Problemen, die solche turns bei genauerer Betrachtung gewöhnlich nach sich ziehen, der iconic turn, anders als der linguistic turn,

IX.4.5.1.

560

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Sontag 1980b, 171

Stöhr 1996, 10

Lüdeking 1994, 359

IX.4.7.5.

weniger ein Verabschiedungsbegriff ist und auch kaum die Wende eines philosophischen Paradigmas anzeigt. Er benennt eher nachdrücklich eine in unseren Tagen neu aktualisierte kulturelle Konstante und will dieser ihren legitimen Platz im Hinblick auf Gegenstand und Methode im philosophischen Diskurs sichern. Wie oben angedeutet, erfuhr die Wende zum Bild bei aller Kontinuität in der Gegenwart eine massive Verschärfung. Die zeitgenössische Welt ist milliardenfach abfotografiert – von Susan Sontag als Errichtung einer visuellen Parallelwelt heftig verurteilt –, auch ihre Bewohnerinnen und Bewohner selbst sind es im Selfie-Hype, der letzten Entwicklung in der langen Tradition des Selbstporträts in der Malerei (der Ausdruck Selfie kam um das Jahr 2002 auf). Alle diese Bilder verdoppeln in den sozialen Netzwerken rhizomartig die Welt. Die Zahl der auf dem Onlinedienst Instagram hochgeladenen Bilder steigt exponentiell und belief sich 2016 auf 40 000 Fotos und Videos pro Minute, etwa 60 Millionen Beiträge pro Tag. Das Problem dabei ist, dass sich der iconic turn gegen sich selbst richtet: »In dem Maße wie Bildlichkeit damit übermächtig wird, büßt sie gerade ihre emanzipatorische Macht ein.« Der Umgang, zumal der kunstphilosophische Umgang mit dem Bild ist daher umfangreich: Er umfasst das Bildwerk der Kunst ebenso wie die Macht der Bilder in Politik und Gesellschaft. Die in der Gegenwart aus gegebenem Anlass um sich greifenden Populismusstudien sind zwangsläufig auch Bilderstudien. Sie beschäftigen sich bevorzugt mit den Boulevardmedien und sozialen Netzwerken und dem dort sichtbaren Referenzverlust des Bildes zugunsten der Generierung einer eigenen Wirklichkeit. »Im Fernsehen, auf Plakatwänden, in Illustrierten werden wir heutzutage ohne Unterlaß von Bildern attackiert, die höchst suggestiv wirken, obwohl (oder gerade weil) sie an keine feste Referenz mehr gebunden sind. Obgleich sie sich in einer Sphäre reiner Metonymien bewegen, infiltrieren diese Bilder unsere gesamte libidinale Ökonomie.« Was bereits in den Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts analysiert wurde, hat sich heute, im Zeitalter der flanierenden Bots, erheblich verschärft. Dabei ist der Blick auf die kunstphilosophische Relevanz nur ein kleiner Teilaspekt angesichts der erheblichen politischen und sozialen Konsequenzen. Es geht weniger um die Sache als solche – auch Fake News sind letztlich ein alter Topos der Kulturgeschichte –, es geht, hier konzentriert auf das Bild, um die technische Perfektion und um die Breite des Auftretens dieses Phänomens. Überraschend kam, dass die sozialen Medien statt – wie erhofft – zu Offenheit, Weitblick und Toleranz eher zu Blasenbildungen von selbstaffirmativen Weltbildern beitragen, die sich nicht mehr vor korrigierenden Anfragen einer an Fakten interessierten Außenwelt verantworten müssen und wollen. Insofern hatten jene nie völlig Unrecht, die es an pessimistischen Kommentierungen dieser Entwicklung des Bildes – wenn auch unter anderen Vorzeichen – nie fehlen ließen. Zu diesen gehörten die Technik- und Medienphilosophen Günther Anders und Neil Postman. Sie formulierte am entschiedensten, dass das Bild jede Diskursivität und Kritik eliminiere. Damit stehe es gegen die Aufklärung, welche wir der Schrift und dem Buch verdanken. Zwar war bei Postman diese Einschätzung, die das alte disegno-colorire-Schema fortführte, grundiert von einer ausschließlich negativen 3.4.

561

Bild und Bildtheorie

Bewertung des (Unterhaltungs-)Fernsehens, die er mit dem berühmt gewordenen Stichwort »wir amüsieren uns zu Tode« prägnant zusammenfasste. Dass das mediale Bild an einer aufklärerischen Funktion schwer zu arbeiten hat, ist trotzdem eine nicht unzutreffende Einsicht. Freilich lehrt die Kunstgeschichte ebenso, dass das Bild stets auch aufklärerische Potenziale in sich barg und subversive Kräfte entfaltete. Jene Kunsthistoriker, die an der Einführung des Begriffs eines iconic turn beteiligt waren, konnotierten ihn deshalb meist positiv. Sie verstanden die Wende zum Bild als ein überfälliges Signal gegenüber der Tatsache, dass Sprache und Begriff bei der Abbildung der Wirklichkeit erhebliche Leerstellen aufweisen, die durch das Bild ausgeglichen werden können, eine Einsicht, über die – vorbereitet in der begriffsgestützten Wissenschaftstheorie – in der strukturalistischen und poststrukturalistischen Kritik ebenso gehandelt wurde. Bild und Epistemologie widersprechen sich keineswegs von vorneherein. Gleichwohl kommen epistemische Ansprüche in aller Regel nicht ohne den Begriff aus. Grundsätzlich darf man dabei nicht vergessen, dass nicht nur das Bild, sondern auch die Schrift ein visuelles Medium ist. »Das Auge folgt dem Schriftund Drucktext sequentiell, dem Bild widmet es sich ganzheitlich.« Insofern gingen die Phasen der Schriftlichkeit immer Hand in Hand mit der Veränderung der Sehkultur. Noch virulenter wurde das mit der Einführung der Buchseite, die dann zusätzlich bebildert wurde. Diese Parallele zwischen der Bildhaftigkeit der Schrift und der Schrifthaltigkeit des Bildes betrifft letztlich alle Theoriegebäude. Horst Bredekamp weist dazu auf das Visuelle in philosophischen Theorien hin, etwa bei Hobbes, Galilei oder Leibniz. Auch physikalische Theorien haben Bildcharakter und die Theologien der verschiedenen Religionen traktieren seit Jahrhunderten nicht eine reale Wirklichkeit, sondern die sich in diversen kulturellen Erzählungen fortschreibenden Bilder ihrer Götter. Will man den iconic turn kunstphilosophisch vertiefen und damit neue Genres wie die Visual Studies und Visual Cultures speisen oder ihn gar als philosophisches Paradigma kultivieren, muss man demnach differenziert vorgehen. Grundsätzlich geht es in der Theorie der Bilder immer auch darum, die zwei Ordnungen des Sichtbaren und Sagbaren zu bewältigen, denn auch Bilder müssen letztlich sprechen. »Die drip-Bilder führen, anders gesagt, die Aporien jeder Theorie vom Bild im Bild vor Augen.« Anstatt über Bilder zu sprechen, kann man sie selbst zum Sprechen bringen. Seit den Sechzigerjahren hat die philosophische Diskussion um das Bild exponentiell zugenommen. Sowohl in der phänomenologischen (Merleau-Ponty, Wollheim), postmodernen (Barthes), analytischen (Goodman) und psychologischen Szene gibt es zahlreiche Beiträge. Bildtheorien resultieren aber auch aus der neuen philosophischen Modeströmung der philosophy of mind, wo es freilich weniger um Kunstphilosophie im engeren Sinn, sondern um Repräsentationstheorien geht. Die bedeutenderen Bildtheorien, die heute die Szene beherrschen, sind auf der einen Seite phänomenologische und psychologische Theorien, die eine besondere Art der Wahrnehmung, bis hin zur ästhetischen Erfahrung, formulieren und auf der anderen Seite Zeichentheorien, denen es um die Unterscheidungen von Bild- und Sprachzeichen geht. Letztere hat bereits eine ausführlichere Besprechung erfahren.

IX.4.2.

Margreiter 2007, 93

V.4.1.

Lewicka 2005, 9

562

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

4.2. The power of image – Das Bild zwischen Magie und Nachahmung

689 In das Kultbild schiebt sich die Landschaft: Salvator Mundi (15. Jh.); Stiftskirche Stams I.2.0.

IV.6.2.3.

II.2.6.1./V.7.3.2.

Bredekamp 2016, 22

Sontag 1977, 281

Das Bild wird hier in seiner breiten Bedeutung als Bildwerk ganz allgemein genommen, also über das zweidimensionale Bild und die Fotografie hinaus auch als bewegtes Bild, Film und Video, sowie als dreidimensionales Bild, Skulptur oder Plastik. Wie jedes Kunstwerk hat das Bildwerk eine materielle Seite und eine Zeichenhaftigkeit. Es ist im weitesten Sinn eine Nachahmung, die aber nicht alle Eigenschaften des nachgeahmten Gegenstandes umfasst, sonst wäre es eine Kopie des Gegenstandes selbst. Von Anfang an hatte das Bild die zwei unter 2.2.ff. abgehandelten Aspekte von Nachahmung und Expression. Es wäre interessant zu erfahren, wie sich der frühe Homo sapiens Gegenständen genähert hat, die er als Bilder wahrnahm, und aus welcher Motivation er erste Bildwerke anfertigte. Faszinierte ihn die Ähnlichkeit mit Gegenständen, die ihm aus seiner Lebenswelt vertraut waren, oder näherte er sich solchen auffallenden Zeichen vorwiegend magisch? Wir werden auf diese Frage höchstwahrscheinlich nie eine eindeutige Antwort erhalten. Was wir aber wissen, ist einmal, dass Mensch und Bild eine jahrtausendealte Symbiose verbindet und dass der Mensch als ein animal symbolicum (Ernst Cassirer) und ein homo pictor (Hans Jonas) durch die Geschichte streifte, dass zu ihm stets das Bedürfnis nach Bildern gehörte, das er nur ungern anderen, beispielsweise religiösen Erzählungen (die dieses Bedürfnis mitunter konterkarierten), unterordnete. Das Bedürfnis nach Bildern mündete viel eher in wahre Bilderfluten. Was wir auch wissen, ist, dass beide Aspekte in der Geschichte des Bildes bis heute erhalten blieben: Das Bild erzählt (z.B. im Sinne der biblia pauperum), das Bild drückt aber auch aus: eine Typologie oder Dogmatik (z.B. im Sinne der victoria perpetua am Konstantinsbogen oder des Pantokrators in spätantiken Kirchen). Das Bild ist als anagogisches Medium selbst Kult (z.B. bei der Ikone) und das Bild ist magische Präsenz des Abgebildeten oder symbolisch Intendierten (z.B. bei der Einwohnung des Gottes in der Statue im Alten Orient, beim römischen Kaiserbild oder bei der Hostie der katholischen Liturgie). Bildmagie begleitet die gesamte Geschichte des Bildes bis in die Gegenwart. Letztlich scheinen bis heute Bildwerke und Menschen austauschbar, wie sich vor allem in Phasen eines Ikonoklasmus deutlich zeigt: »In diesem Verfahren, Kunstwerke wie Menschen und reziprok Menschen wie Kunstwerke zu behandeln, liegt der substitutive Zug eines gesteigerten Ikonoklasmus.« Susan Sontag geht unter dem prägnanten Titel In Platons Höhle obsessiv mit dem Bild, genauerhin der Fotografie um. Sie verrate durch ihre Mortifikation des Lebens, durch nominalistische Stillstellung dessen, was eigentlich nach Leben verlangt, die Aufklärung. »Jedem Zücken der Kamera wohnt Aggressivität inne.« Um das Bild wird ebenso heftig gekämpft wie um die zugrundeliegenden kulturellen Erzählungen, ja Bild und kulturelle Erzählung nähern sich genau dort aneinander an, wo Anhänger und Gegner des Bildes für oder gegen es handeln. Naturgemäß ist das Bild jenes Kunstwerk, wo man vordergründig am ehesten dazu neigt, es mit Ähnlichkeitsbeziehungen zu behandeln. Für Ernst H. Gombrich ersetzt das Bild das Abgebildete – mit pragmatischen Blick auf das Funktionieren ei-

563

Bild und Bildtheorie

ner solchen Gleichung – wie das (von Menschen gemachte) Steckenpferd das Pferd. Doch die Probleme einer solchen Sicht sind weitaus größer, als sie zunächst scheinen. Denn es ist keineswegs trivial, eine solche Ähnlichkeit genauer zu bestimmen. Eine äußerliche Ähnlichkeit wäre eine Ähnlichkeit zwischen Bild und Gegenstand, wie sie scheinbar bei einer Trompe-l’œil-Malerei vorliegt. Eine innere Ähnlichkeit ließe sich konstatieren, wenn Bild und Gegenstand den gleichen emotionalen Eindruck hinterlassen. Nun genießt die erste Version künstlerisch einen eher schlechten Ruf – von ungegenständlicher Malerei einmal ganz abgesehen –, während die zweite Version faktisch unmöglich aufzulösen ist. Daher operiert auch kaum jemand, der sich zur Bildtheorie äußert, mit Ähnlichkeitsbeziehungen. An ihre Stelle treten häufig Zeichentheorien. Nelson Goodman interpretierte Bilder als Zeichen in syntaktisch dichten Symbolsystemen. Syntaktisch dichte Systeme wiederum »zeichnen sich dadurch aus, daß sie aus potentiell unendlich vielen Zeichen bestehen und es nicht möglich ist, zwei Zeichenvorkommnisse einem bestimmten Zeichentyp zuzuordnen.« Richard Wollheim stellt eine besondere Wahrnehmungsfähigkeit in den Vordergrund, mit deren Hilfe wir imstande sind, beim Betrachten gleichzeitig Bildoberfläche und Bildinhalt zu sehen. Wir sehen damit immer auch die Absicht des Künstlers, aber die Bedeutung des Bildes hängt weder allein von den Absichten des Künstlers noch von denen der Betrachterin ab. Dass etwas auch ein Bild sein kann, wenn es überhaupt nichts nachahmend abbildet, hat Clement Greenberg in seinem Buch Modernist Painting von 1960 unterstrichen. Künstler haben dies umstandslos praktiziert – übrigens von Anfang an. Denn von Anfang an gab es »das Wahrnehmen und Repräsentieren von Symmetrie […].«

Gombrich 1963

IX.3.9.2./3.4. Steinbrenner 2009, 291

IX.3.9.4.

Wuketits 2009, 21

4.2.1. Materialität und Bildobjekt Wenn man von der Macht des Bildes spricht, zeigt sich in der Tat ein erstaunliches Wunder, das von Kunstphilosophinnen und Kunsthistorikern immer wieder gewürdigt wird. Das Bild ist Ausdruck des »stupende[n] Phänomen[s], daß ein Stück mit Farbe beschmierter Fläche Zugang zu unerhörten sinnlichen und geistigen Einsichten eröffnen kann, […].« In der Tat ist es erstaunlich, dass bloßer Stoff, appliziert auf einen materiellen Träger, »die höchsten Geheimnisse der Religion, des Geistes, oder eines aesthetischen Entzückens« auszudrücken vermag. »Woher nehmen Bilder ihre Macht?« Dieses »Wunder« ist naturgemäß Thema der philosophischen Ergründung. Das Bild besitzt seinen Sinn ganz offenbar nicht in der ihm eigenen Materialität, sondern in dem, wofür es steht. Gottfried Boehm nannte die Grunddifferenz des Bildes zwischen materieller Basis und dem, was es zeigt, ikonische Differenz. Sie meint geradezu das Gegenteil dessen, was Frank Stella ausdrückte, wenn er sagte: »What you see is what you see.« Die ikonische Differenz markiert demgegenüber eine »zugleich visuelle und logische Mächtigkeit, welche die Eigenart des Bildes kennzeichnet, das der

690 Das Material der Kunst, FarbpigmentSchalen aus dem Palast des Herodes (1. Jh.p); IM

Boehm 1994, 31/327

IX.5.2.3.

564

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Ebd., 30 IX.3.7. 3.4.

Boehm 1978, 446

Ebd., 450/451

Ebd., 450/448

IX.3.4.2.

Ebd., 452

Ebd., 463

Ebd., 467

materiellen Kultur unaufhebbar zugehört, auf völlig unverzichtbare Weise in Materie eingeschrieben ist, darin aber einen Sinn aufscheinen läßt, der zugleich alles Faktische überbietet.« Hans Georg Gadamer sah darin sogar einen Seinsvorgang. In der modernen Ästhetik verbucht man das – weitaus prosaischer – als Zeichenfunktion. Zur Aufschließung des Bildes in seiner ikonischen Differenz gilt es, über eine Hermeneutik der Sprache hinaus, eine solche des Bildes zu entwickeln – auch mit Anleihen bei Konrad Fiedler, dem »Ziehvater einer Hermeneutik des Bildes«. Gibt es bei realen Dingen einen Unterschied von Sein und Erscheinung, liegt im Bild ein »permanenter Übergang«, »der alles was im Bild ›ist‹, in Erscheinung überführt.« Das Bild ist für Boehm ein Prozess der permanenten Darstellung. »Vom ›Sein‹ des Bildes überhaupt zu sprechen, abgesehen von seinem Erscheinen in einem Werk, ist sinnlos.« Diese dynamische Seinsweise des Bildes begründet die bereits bei der Besprechung der Zeichenfunktion des Kunstwerks in noch allgemeinerer Form festgestellte Tatsache, dass das Bild begrifflich nicht einholbar ist. »Ikonisches und Sprachliches begegnen sich in abweisender Fremdheit.« Dabei will Boehm das Bild als »Medium eigener Art und eigener Wahrheit« bewahren und es keinesfalls »zu einer entlegenen und unbedeutenden Provinz im universalen Reich der Sprache herabgestuft« erleben. Das Recht des Bildes ist gleichsam umgekehrt proportional zur zunehmenden Schwäche der Logozentrik. Von da her geraten einzelne kunstgeschichtliche Methoden unter Beschuss, besonders der schichtenweise Aufschlüsselungsversuch des Bildes in die Sprache durch Erwin Panofsky. »Der im Vexierspiegel der Bildlichkeit komplex erscheinende Sinn wird von Panofsky in eine Folge von Bedeutungsebenen aufgespalten, die im Element der Interpretationssprache präzisiert werden. Die Äußerlichkeit bildlicher Phänomene wird in eine Immanenz sprachlicher Bedeutung zurückgeholt, aus der sie der Maler vorher anscheinend entnommen hatte.« Boehm unterstellt, dass man dem Bild bei solchem Tun die je eigene Sinn- und Wahrheitsstruktur verweigert. Er gibt damit ein konturiertes Plädoyer für die Eigenständigkeit der Kunst gegenüber ihrer philosophischen Vereinnahmung ab. Die Perfektion des Bildes liege gerade in der verbalen und begrifflichen Stummheit. Oder anders ausgedrückt: »Das ikonisch Dichte ist das (von der verbalen Sprache aus gesehen) Leerste am Bilde: die Nicht-Figur […] daß die Unbestimmtheit gerade das anschaulich Dichteste ist, das worin die Bildlichkeit des Bildes am stärksten sie selbst, d.h. Erscheinung wurde.« Die Artikulationsform des Bildes ist nicht die Sprache, sondern das Schweigen. Diese Metaphorik bedeutet für Boehm nicht Sprachlosigkeit. Die »Erhellungskraft des sprachlichen Mediums« soll nicht völlig abgestoßen werden, aber sie darf nicht das Bild dominieren. Das ist schließlich der Sinn einer Hermeneutik des Bildes. Sie arbeitet »zwei komplementären Drohungen entgegen, derjenigen Bilder in Sprache zum Verschwinden zu bringen, wie derjenigen, sie gegen jede sprachliche Verständigung, in der wir uns schon immer bewegen, abzuriegeln.« Die Übersetzbarkeit zwischen Bild und Sprache liegt auch darin, dass in der Sprache ein Rückgang auf Bildlichkeit möglich ist. Für Boehm ist das schon deshalb problemlos, weil Bildlichkeit dem Menschen den gesamten Umkreis des Erfahrbaren öffnet. Das alles

565

Bild und Bildtheorie

ist eine avancierte und differenzierte Version der alten Sinnstiftung des Bildes im ut pictura poesis. Das Bild reicht derart in die »Vorgeschichte des Denkens und des werdenden Bewußtseins, vor die metaphysischen Entitäten Sinnlichkeit und Geist, Innen und Außen, Sein und Erscheinung«. Sich auf die ikonische Differenz einzulassen bedeutet, über das Materialobjekt hinaus auf eine wie auch immer geartete Ausdrucksform zu rekurrieren. Damit exponiert man sich dem Verdacht, in die Nähe einer wenn nicht magischen, dann jedenfalls metaphysischen Behandlung des Bildes geraten zu sein. Insofern ist das Verhältnis von Materialobjekt und dem, was sich zeigt, nicht ganz trivial.

Ebd., 469

4.2.2. Oberfläche und Raumtiefe Mit einer solchen Zuspitzung werden jene Kunstströmungen verständlich, die gegen eine metaphysische Bildauffassung zu Felde ziehen und deshalb die Materialität des jeweiligen Kunstwerks, in dem Fall des Bildes, in den Vordergrund rücken: Tachismus, Gutai, Arte Povera, ZERO. Die antimetaphysischen Stellungsbezüge bei diesen künstlerischen Positionen sind weitgehend eindeutig. Schwieriger sind die Einordnungen bei Strömungen wie Concept Art oder Minimal Art, ja bereits beim Kubismus. Dort gibt es Künstler, die weniger Berührungsängste zu irgendeiner Form von »Mystik« haben, während andere auf die Zweidimensionalität und Flächigkeit der Maloberfläche pochen. In diese Bresche stößt der schon öfters erwähnte Clement Greenberg mit seinem Kriterium der Flächigkeit für die Malerei. Dieser Stellungsbezug löste eine größere Debatte aus, deren Essenz die Frage nach dem Umgang mit der Oberfläche ist. Erzeugt man nach Greenberg an der Oberfläche einen perspektivischen Raum oder arbeitet man mit Schattierungen, dann erliegt man unvermeidlich der Versuchung einer illusionistischen Dreidimensionalität. Picasso oder Braque hingegen konstruierten eine Präsenz, die nach Greenberg weder Illusion noch Ornamentik war. Somit ebnete der Kubismus den Weg vom Illusionsraum zur Flächigkeit. Wie sehr diese Fragen die Szene umtreiben, zeigen die Stellungnahmen etwa zu Yves Kleins blauen Tafeln, die für Donald Judd wegen der fehlenden Räumlichkeit als Malereien gerade noch akzeptabel waren, von der amerikanischen Minimal Art-Künstlerin Jo Baer hingegen nicht als Gemälde akzeptiert (»weil ihren Oberflächen die Artikulation fehlt«), sondern als »Artefakte einer intellektuellen Position« tituliert werden. Ganzheit erzeugt sich für Judd »durch die Wiederholung identischer Einheiten«, aber nicht aus der Zusammensetzung von Teilen zu einer illusionären neuen Einheit. Material bleibt Material und Form bleibt Form. Damit erschöpft sich der Gehalt des Objekts – es ist eben nicht mehr! Eine solche Kunst »will ihre Objekthaftigkeit weder überwinden noch aufheben, sondern im Gegenteil die Objekthaftigkeit als solche entdecken und projizieren.« Dieses Entdecken wird zudem zur Arbeit der Rezipientin. Die Bezüge treten aus dem Objekt in einen neuen Raum, der von der Situation und dem Blick der Betrachterin abhängt. Nun könnte man einwenden, dass wir hier zwar abrücken von einem perspektivischen Renaissancebild, das seine Welt gleichsam innerhalb des Rahmens entfaltet, dass wir aber zugleich in eine fatale Nähe zur Mystik einer Ikone gelangen, die eine Raum-, ja Transzenden-

IX.5.2.1./IX.5.2.6.5./ IX.5.2.5.

2.2.2.

Baer 1967, 137 Fried 1967, 338

Ebd., 339

566

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Morris, zit. nach Ebd., 344

Chave 1989, 8

Fontana, zit. nach Reißer/Wolf 2003, 103 IX.5.2.1.

Clarke 1992, 681

Stella in Glaser 1964, 46f

Clarke David in ­Stemmrich 1995, 683 Lewicka 2005, 15

IX.3.5.1.2.f.

zerfahrung im Rezipienten auslöst. Das scheint den einschlägigen Künstlern auch bewusst zu sein, denn Robert Morris spielt mit dieser Raumerfahrung. Der Raum soll »durch die Gegenwart des Objekts auf eine bestimmte angestrebte Weise« zwar verändert werden, aber dabei darf nicht eine neue Ordnung entstehen. Diese Diskussion wogt hin und her und dreht sich bisweilen im Kreis. Schon allein die Tatsache, dass Flächigkeit als Thema so zentral in den Mittelpunkt rückt und mit ihr so kreativ umgegangen wird, zeigt, dass auch sie sich einem Zeichencharakter nicht entziehen kann. Mark Rothko spricht von evocative surfaces. Man kann in diesen Begriff – über Rothko hinaus – sowohl die Strategien der Dekonstruktionen des Tafelbildes, all over, drip, Aufschlitzen der Leinwand (im Spazialismo Lucio Fontanas), Entgrenzungen des Bildes (Barnett Newman), als auch rezeptionsästhetische Strategien der Evokation von Sinnstrukturen hineindeuten. Bereits im letzten Abschnitt habe ich Fontanas Beschreibung seiner Schlitzaktionen zitiert: »[…] ich entfliehe im symbolischen, aber auch im materiellen Sinne dem Gefängnis der glatten Oberfläche.« Insofern haben Kritiker von Greenbergs Anschlag auf die Illusionskunst mit seinem energischen Plädoyer für die Flächigkeit der Malerei nicht Unrecht, wenn sie darauf verweisen, dass Greenberg (und mit ihm Michael Fried) »die instabile Welt der Zeichenbedeutungen verlassen [möchte] zugunsten einer rein visuellen Begegnung mit dem wirklichen Kunstgegenstand.« Wir haben an dieser Stelle einen der seltenen Schnittpunkte von Positivismus (reine Wahrheit ohne Zeichencharakter) und Mystik (Augenblickserfahrung der Ganzheit des Werks). Auf dieser Achse lassen sich kunstphilosophisch die Werke des Abstrakten Expressionismus und der Minimal Art einordnen. Man wird Newman, Rothko oder Ad Reinhardt eher in die Nähe der Mystik, Frank Stella in die Nähe Greenbergs materieller Oberfläche rücken. Stella verweigert jede Evokation einer Bedeutung. Es kann nur das gesehen werden, was da ist. Jedes Bild ist nur Objekt: »[…] ich wollte keinen Weg aufzeichnen. Ich wollte Farbe aus der Dose auf die Leinwand bekommen. […] Ich versuchte die Farbe so gut zu lassen, wie sie in der Dose war. […] Man sieht das, was man sieht.« Das Bild richtet sich ausschließlich an das Auge (und eben nicht an die Einbildungskraft, die eine Bedeutung imaginiert). Es ist visuell. Die Farbe gilt als immanente Materialeigenschaft und dient nicht der Erzielung eines Effektes. Aber auch bei Stella gilt letztlich: »Statt außerhalb des Tanzes der Zeichen zu stehen (oder ihn anzuhalten), bietet Stella uns weitere Zeichenbedeutungen.« Insofern scheint die Situation doch etwas komplexer zu sein, als dass man resümiert: »Die Oberfläche ist der Ort, an dem die Malerei sich selbst zerstört.« Letztlich bildet die Mimesis als Reibefläche eines der dominierenden Themen der kunstphilosophischen Betrachtung des Bildes. Gegen die mimetische Ambition wird eben nicht nur aus Künstlerperspektive polemisiert, sondern auch philosophisch. Das steht in der langen Tradition der phänomenologischen Beachtung des leiblichen Aspekts bei der Betrachtung des Bildes, es steht aber auch in der kürzeren Tradition des Strukturalismus. Norman Bryson verbindet beide Aspekte zu einer materialistischen Betrachtung und fordert sowohl gesellschaftliche Kontexte als auch die

567

Bild und Bildtheorie

materielle Grundlage des Betrachtersubjekts ein. Hinter dem Bild steht dann »der Körper, dessen Aktivität beim Maler wie beim Betrachter immer und ausschließlich eine Transformation von materiellen Zeichen ist.«

Bryson 1983, 205

4.2.3. Bildträger und Bildobjekt Trotz der eben skizzierten Einwände definiert man ein Bild in aller Regel immer noch als etwas, worin man ein Anderes sieht. Um diesem seltsamen Umstand gerecht zu werden, greifen viele Kunstphilosophinnen auf die Unterscheidung Husserls zwischen Bildträger und Bildobjekt zurück. Wolfram Pichler und Ralph Ubl schlagen statt dem Begriff des Bildträgers, der üblicherweise für das Material, aus dem ein Bild besteht (Holz. Leinwand, Papier etc.), den Ausdruck Bildvehikel vor. Dass man auch hier das terminologische Spiel beliebig weitertreiben kann, liegt auf der Hand. Pichler und Ubl verweisen als Beispiel auf das Bild des hl. Sebastian von Andrea Mantegna, wo über dem Heiligen eine Wolke in Form eines Reiters schwebt. Dieser Reiter ist nun »so etwas wie ein zweites Bildobjekt, das sich zum ersten Bildobjekt, der Wolke, ähnlich verhält wie diese zum Gemälde.« Das heißt, dass prinzipiell jedes Bildobjekt wiederum als Bildvehikel fungieren kann. Man kann auch das Verhältnis eines einzelnen Bildobjekts, wie eben der Wolke, zum gesamten bildlichen Sujet (das eigentlich auch ein Bildobjekt genannt werden muss) nochmals eigens benennen. Ohne hier auf die detaillierte Begriffsarbeit einzugehen, soll anhand von einigen Beispielen auf die vielfachen Verhältnisse von Bildvehikel und Bildobjekt hingewiesen werden: (1) Normalerweise sind Bildvehikel und Bildobjekt fix gekoppelt. Ich erkenne auf einem Bild einen Löwen »durch die Art und Weise, wie die Leinwand mit Farbe bedeckt wurde.« Schwieriger ist die Sache bei flüchtigen Bildern, wo schon die Bestimmung des Bildvehikels (Pfützen oder Wasserhähne bei Spiegelbildern; Filmstreifen, digitaler Code, Projektor, Projektionsfläche bei Film, Video und bei digitalen Medien) Probleme bereitet und wo das Verhältnis zum Bildobjekt als lose bezeichnet werden könnte. (2) Bildvehikel und Bildobjekt sind bei Statuen in der Regel dimensionsgleich (Bildobjekt = Form des Bildvehikels), in der Malerei und bei Reliefs gibt es hingegen ganz verschiedene Dimensionsverhältnisse. Schließlich kann man (3) mit Pichler und Ubl noch die Frage nach der Beobachtbarkeit des Bildvehikels stellen. Gemeint ist, ob man bei Betrachtung eines dreidimensional erscheinenden Bildobjekts gleichzeitig immer auch das Bildvehikel im Blick behalten kann (wie oben von Richard Wollheim nahegelegt wurde). Die Antworten darauf fallen verschieden aus und sie sind auch je nach Art der Kunst verschieden. Bei Trompe-l’œil-Gemälden oder Mashrabiyyas sind solche Grenzen jedenfalls schwieriger zu bestimmen als bei »normalen« Bildwerken. Die Fragestellung ist ein Spezialproblem des in 4.1. bereits angesprochenen Verhältnisses der Ordnungen beim Bild, etwa zwischen visueller Darstellung und sprachlichem Zeichen. Die Beispiele lassen erahnen, welch breites Thema die genauere Erforschung der Interaktionen zwischen Bildvehikel und Bildobjekt abgeben kann. Nun bewegen wir uns bei den erwähnten Beispielen nur auf der Darstellungsebene, wir haben noch nicht die ontologische Ebene berührt, nach der festzustel-

IX.3.5.1.2.

Pichler/Ubl 2014, 25

Ebd., 28

691 Spiegelbild in Bronze- Lampenschirm

568

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

692 Reliquien der Maria Magdalena; Vézelay

Ebd. 46

Ebd., 61

Ebd., 118

693 Linienplan der Vaporetti; Venedig

len ist, dass die Löwen des Löwentors in Mykene nur Steine sind und keine Löwen. Dieses Problem haben wir bereits in den Kapiteln 3.5.ff. traktiert. Jetzt ist der Blick indes auf das gerichtet, was das Bild bedeutet, damit eben auf das Wunder, dass sich Angreifer auf die Mauern von Mykene vor der Macht dieser Löwen (wenn es nicht doch Greifen sind) fürchteten oder auf die wunderliche Magie, dass ein bei der Prozession getragenes Christusbild den Betrachter mit Blindheit schlägt. Im Hintergrund dieser Bildmacht steht kunstphilosophisch der Bezug, den Bildobjekte herstellen: die Referenz. »Der Bildreferent lässt sich als diejenige Instanz kennzeichnen, die von der (zwiespältigen) Einheit von Bildvehikel und Bildobjekt vertreten wird oder sich von ihr vertreten lässt.« Bildmacht bedeutet, dass eine Austauschbarkeit besteht zwischen Referenten und Bild. Zur Eigenart der Referenz gehört, dass letztlich der Gebrauchszusammenhang des Bildes über die jeweilige Art der Referenz entscheidet. Einfacher ausgedrückt geht es beispielsweise darum, ob man an einem Reliquiar in einer Seitenkapelle einer Kathedrale die künstlerische Leistung des Goldschmieds bewundert oder sich neue Lebenskraft von den hinter Glas verwahrten Weisheitszähnen der dort verehrten Heiligen erwartet. Ein weiteres Feld ist jenes, das sich beim Porträt und zwar zwischen dem repräsentierten Typus und dem individuellen Abbild aufspannt. In dieses Feld gehören auch abstrakte Referenten wie Tapferkeit und Stärke, eventuell repräsentiert in einer Säule, die Tragfähigkeit symbolisiert, was als tertium comparationis verständlich machen kann, »worin der Bezug der Säule zur Tapferkeit besteht.« Erkennbarkeit und Wiedererkennbarkeit von Bildobjekten im Bildvehikel und von Referenten im Bildobjekt sind nicht trivial zu erklären. Aus verschiedenen Gründen ist dabei die Ähnlichkeit keine erfolgreiche Strategie, vor allem deshalb, weil man sich bei der dazu notwendigen Definition von Ähnlichkeit in uferlose Probleme verstrickt. Es ist zudem so, dass ein Bild einen Referenten haben kann, aber nicht haben muss. Nach diesen Differenzierungen ist vermutlich nachvollziehbar, dass einige Kunstphilosophinnen überhaupt nicht mehr mit dem Bildbegriff hantieren möchten. Vielmehr sollte man stets klar machen, ob man ein Bildvehikel, ein Bildobjekt, einen Referenten oder eine Verbindung von diesen meint. Und dann ist da auch noch die Betrachterin, ohne die ein Sprechen von Bild sinnlos ist: »Es geht uns mit dem Bild wie mit dem Sinn: Fortwährend entwischt da etwas.« Mit diesem Begriffsrepertoire lassen sich nun alle möglichen Fragestellungen weiter vertiefen, etwa, ob es Bilder gibt, die nur aus einem Bildvehikel bestehen, aber noch irgendeine Referenz aufweisen. Pichler und Ubl wenden das auf Diagramme, wie etwa Pläne von Verkehrslinien, an (die immerhin topologisch noch etwas abbilden, also noch einen Referenten haben). Die andere Variante ist, dass Bilder ihr Bildvehikel sind. Damit könnte man Bilder meinen, die aus den oben erwähnten Oberflächen bestehen, oder gegenstandslose Bilder, wo man – nach Frank Stella – »sieht, was man sieht«. Anders herum: Man sieht nicht mehr eine Sache in einer anderen. Solche Bilder ließen sich – nun das Bildvehikel zum Untersuchungsgegenstand ge-



569

Geschichte der Kunstphilosophie und Ästhetik – ein ­R esümee in systematischer Absicht

macht – auch auf die Frage nach der Flächigkeit der Malerei hin untersuchen. Denn die Flächigkeit kann einen weiten Bereich umfassen, der »von der Glättung über die Planierung bis zur Begrenzung« reicht, wobei jede dieser Strategien ihre eigene Geschichte hat. Mithilfe solcher Untersuchungen, die die Differenzierung von virtuellen, realen, physikalischen Räumen umfassen, lässt sich unter anderem ein Unterschied von Bild und Skulptur konturieren. Die genauere kunstphilosophische Untersuchung des Bildes beschäftigt sich mit Form und vermeintlichem Inhalt, was in 3.4. unter dem Titel des Kunstwerks als Zeichen bereits ausgeführt worden ist: »Die Form eines Bildes als Zeichen betrifft sowohl seine visuelle Struktur als auch seinen Inhalt, […] Zur Ausdrucksform eines Bildes gehört demnach das System der Farben, Punkte, Linien, Flächen und Gestalten in ihren gegenseitigen Strukturbeziehungen. […] Die Inhaltsform der Bilder umfaßt dagegen das System der mit den Bildern verbundenen Bedeutungen, Empfindungen und Gefühle.« Vielleicht beginnen wir uns hier argumentativ im Kreis zu drehen, denn man kann das Diskutierte unter das Motto stellen, dass »das Sichtbarwerden keineswegs mit dem ikonischen oder technischen Sichtbarmachen zusammenfällt«, sodass man mit der kulturgeschichtlichen Konstante des Verhältnisses von Natur und Kultur konfrontiert ist. Wo »Künstliches in Natürliches und Natürliches in Künstliches umschlägt, fungiert der Leib. Der Leib ist, wissenschaftstheoretisch gesehen, interdisziplinär par excellence.« Angesichts dieser sich an einer phänomenologischen Propädeutik orientierenden Schlussfolgerung darf – ohne einer solchen Methode eng folgen zu müssen – an die Eingangsfestellung zu diesem Werk erinnert werden, wo von geometrica schemata die Rede war, von den Zeichen einer Verwandlung der Natur in Kultur, was die große Geschichte der Kunst wieder in eine kulturelle Erzählung zurückbindet. Das mag als Überleitung dienen zu ein paar wenigen resümierenden Schlussgedanken.

5.0. Geschichte der Kunstphilosophie und Ästhetik – ein ­Resümee in systematischer Absicht Der ägyptische Pharao Thutmosis III. wurde im 15. Jh. vor unserer Zeitrechnung in Nubien, etwa 30 Kilometer südlich des 4. Nilkatarakts, von einem religiöses Erschrecken ergriffen. Vor ihm ragte der Gebel Barkal 100 Meter in die Höhe und eine 70 Meter hohe Felsnadel schien den Berg wie eine Uräus-Schlange zu bewachen. Thut-

Nöth 2009, 250f

Waldenfels 1999, 164

IX.3.5.1.2. 694 /695 Natürliche Bergformationen in der ägyptischen und jordanischen Wüste

570

Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Natur – Kultur

696 Verehrung anikonischer Stelen (15.–13. Jh.a); IM

697 Sonne und Mond; NMD

mosis warf sich vor diesem Szenario eines heiligen Berges, der umgehend zum Sitz Amuns erklärt wurde, in den Staub der Wüste. Er vollzog eine Proskynese. Auch wenn das Weltbild des Thutmosis III. bereits aus einem bestehenden Geflecht von kulturellen Erzählungen geprägt war, erlaubt uns diese überlieferte Geschichte einen Blick auf die Entstehung kultureller Erzählungen aus der Begegnung von Mensch und Natur. Solche Erzählungen sind niemals in isolierter Form zu haben. Sie generieren laufend neue Erzählungen, die sich zu Bedeutungsnetzen verbinden und dabei in materiellen Formen kristallisieren. Rund um den Gebel Barkal entstanden Tempel, Nekropolen und Paläste, die allesamt ihre speziellen Botschaften kommunizierten. Diese Kristallisate kultureller Erzählungen – nichts anderes sind Kunstwerke – ermöglichen einen erhellenden Blick auf die Entstehungs- und Kommunikationsprozesse von Kultur aus produktiver Imaginationskraft des Menschen. Bauwerke und Bildwerke sind letztlich – ebenso wie Texte –Unternehmungen der Formung einer rohen Natur, wie sie frühe Menschen vorfanden. Diese Formung geschah am Anfang, indem Menschen vielleicht auffällige Produkte der Natur wie Steine, Muschelschalen oder Äste auswählten und von der Natur absonderten, indem sie sie in ihre Unterstände stellten. Was sie fasziniert haben dürfte, war die Form und der sich daraus ableitende Ausdruck, also eine Bedeutung. Wenn man in einem nächsten Schritt der Form Nachhaltigkeit verschaffte, indem man diese deutlicher herausarbeitete, oder sie überhaupt einem Tonklumpen erst verlieh, ist das Teil der Strategie, aus Natur Kultur zu machen. Bei Naturerscheinungen, die sich nicht so einfach bearbeiten ließen, endlose Wüsten- und Wasserflächen, Gebirgsformen, Blitz, Donner, Erdbeben, Windstille und Orkanböen (eintönige Statik und lebendige Dynamik), Fruchtbarkeit und Dürre, Erde und Himmel, die sich auf Bergspitzen und an Horizonten berühren, griff man zu Erzählungen, um sie zu »formen«. In dem Moment, in dem der Mensch auf solche Naturerscheinungen blickt, nimmt er sie in ihrer Ausdruckskraft wahr. Wie mit einem Teleobjektiv zoomt er in das fascinosum des Blitzes, das tremendum des Donners, in die Erhabenheit des Aufragens und in die Unendlichkeit der grenzenlosen Weite der Landschaft, und er spürt die Würde der Berührung von Himmel und Erde am Horizont. Dieser menschliche Blick ist nicht nur rezipierend, sondern er projiziert Deutungen in die Natur und konstruiert sie in seinem Tun zu Bestandteilen von Erzählungen. Er verfolgt das Geschäft, das Menschsein auszeichnet, nämlich die Ebene der Kultur über die Natur zu legen. Ein einfacher Menhir mag Nachahmung einer Felsformation sein, wurde aber wohl sogleich als Zeichen des Aufragens Teil der Geschichte vom Chthonischen und Himmlischen, zu welcher Geschichte auch das Zeigen von Wohlstand und Macht bei den Kirch-, Geschlechter- und Rathaustürmen bis zu den Wolkenkratzern der Gegenwart gehört. Solchen Überlegungen gegenüber



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Geschichte der Kunstphilosophie und Ästhetik – ein ­R esümee in systematischer Absicht

scheint es eher sekundär, wie genau man das Anheben der Kunst beschreiben will. Egal, ob man die Kunst mit einer Proskynese vor der sengenden Sonne oder dem geheimnisvollen Mond, mit dem Auflesen von objets trouvés, mit erster Ornamentierung oder dem dezidierten Anfertigen von Artefakten beginnen lassen will, für jede dieser Varianten lässt sich argumentieren. Jede dieser Varianten hat zudem einen performativen, prozesshaften Charakter, ist in kulturelle Erzählungen eingeschrieben und ist Teil einer Strategie produktiver Kultur-Schaffung. Überall, wo menschliches Leben ist, entstehen »bewohnte Kugeln […], wandernde oder ortsgebundene, die in einer gewissen Hinsicht runder sind als alles, was sich mit Zirkeln zeichnen läßt.« Nun erfordern solche generalisierende Behauptungen an dieser Stelle eine Bemerkung zur allgemeinen Frage, die Gottfried Boehm für das Bild gestellt hat, ob nämlich der »Sinn für das Bild, diese Befähigung in der Arbeit an Materie Bedeutungen aufscheinen zu lassen, eine anthropologische Mitgift darstellt oder kulturgeschichtlich erworben wurde.« In der Tat deutet vieles darauf hin, dass die Entwicklung kultureller Erzählungen, auch jener der Kunst, anthropologischen Konstanten folgt. Insofern würde ich bei der von Boehm aufgeworfenen Alternative für eine anthropologische Mitgift optieren. Der Mensch scheint ein animal vacuum timens zu sein, ein Wesen, das seine Kontingenz als Sinnvakuum, als Ausgesetztheit am Horizont eines scheinbar sinnlosen Daseins erlebt und darunter leidet. Das erzeugt die Nachfrage nach sinn- und identitätsstiftenden Erzählungen, nach einem Rechts- und Ordnungsrahmen, dessen Legitimationskraft umso größer ist, je höher die Dignität der Ordnung setzenden Instanz ist. Indem Könige und Pharaonen die Funktion der Ordnung schaffenden Gottheiten übernehmen, kommt ihnen eine nachgerade sinnstiftende Aufgabe für die jeweilige Existenz von Menschen zu und sie geben der eigenen bergenden Institution, dem Götter-Pantheon, der eigenen Religion, der Stadt, dem Land, der Nation etc. die notwendige Legitimation. Konkurrenz oder sogar Feindschaft zu anderen, fremden Sinnstiftungen stabilisieren die jeweilige Gruppe. Auf Phasen der Aufklärung über und Emanzipation von solchen Legitimitätskonstruktionen folgen – so lehrt uns die Ideengeschichte – regelmäßig solche reaktionärer Rückentwicklung. Das kulturgeschichtliche Erwerben (eine nochmals eigene Bewertung dabei müsste die Aneignung aus einem Kulturtransfer erfahren) betrifft aus meiner Sicht eher die spezifische Art der Praktiken von Kultur und deren Organisationsformen. Auch dabei kann man mit anthropologischen Konstanten operieren: Dazu gehören jedenfalls Wettbewerb und Fortschritt. Nach allem, was wir sehen, organisieren sich Menschen seit je im Wettbewerb und sind ambitioniert, den jeweiligen status quo weiterzuentwickeln. Diesen Prinzipien unterliegen künstlerische Fertigkeiten ebenso wie Erzählungen, auch jene von den Göttern. Der Sieg des Christentums etwa war das Ergebnis eines Wettbewerbs zwischen zahlreichen Erlösungserzählungen in der orientalischen und spätantiken Welt. Ob zu den anthropologischen Konstanten auch das Begehren nach Schönheit gehört, ist – besonders im Zusammenhang mit dem in diesem Werk behandelten Thema – eine häufig gestellte Frage. Auch hier lehrt der historische Blick, dass Menschen – zumindest nach Erfüllung ihrer lebensnotwendi-

Sloterdijk 1998, 12

Boehm 1994, 31

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Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Mimesis – ­Ausdruck

gen Bedürfnisse – eine Sehnsucht nach dem Mehrwert des Schönen, ja Luxuriösen (keineswegs eingeschränkt auf das Genre der Kunst) haben. Diktatorische Regime ebenso wie religiöser Fundamentalismus, die solche Bedürfnisse aus ideologischen Gründen beschneiden, unterdrücken ohne Ausnahme Seiten des Menschseins. Die Produktion von Kultur scheint also generell mit der Mimesis zu beginnen. Das gilt nicht nur für den weiten Bereich der Kunst, einschließlich der Architektur und Musik, sondern für jede Kulturtätigkeit. Auch Techniker und Naturwissenschaftler blicken seit den Anfängen (und sie tun dies bis heute) bei der Generierung ihrer Ideen auf die Vorbilder in der Natur. Die Kulturleistung des Menschen beginnt mit der Koppelung von Naturform und Bedeutung. Insofern sollte man vorsichtig sein damit, Mimesis und Ausdruck als jeweils eigene kunstphilosophische Paradigmen allzu scharf gegeneinander abzugrenzen und auszuspielen. Hilfreicher ist es, die beiden Paradigmen ambivalent zu verstehen und in dieser Ambivalenz eine Tendenz auszumachen: Weil die Form letzten Endes der kulturstiftende Gegenentwurf zum Materiellen ist, sollte es nicht verwundern, dass die meisten dieser Erzählungen eine bloße Materiehaftigkeit ablehnen. Man darf getrost davon ausgehen, dass der Mensch solche Zeichensetzungen der Natur nie einfach nur mimetisch nachahmen wollte, sondern dass jede eigene Zeichensetzung den Mehrwert einer magischen Deutung besaß und, in welcher Weise auch immer, existenzielle Betroffenheit auslöste. Genau darin, in diesem Grenzverlauf von Mimesis und Ausdruck, liegt von alters her das Minenfeld von Entmächtigung und Ermächtigung. Denn jede der erwähnten Formungen entsprach jeweils gleichzeitig einer Entmächtigungs- und Beherrschungsstrategie. Einerseits unterwarf sich der Mensch einer vermeintlich höheren Macht, andererseits erzeugte er Bild und Behausung dieser Macht und regelte mit diesem Spiel das Zusammenleben zwischen Menschen und Göttern. Die kulturellen Erzählungen verfolgten auf diese Weise eindrucksvoll stets eine Strategie, die man mit modernen Worten als checks and balances bezeichnen könnte. Die offensive Kulturproduktion des Menschen wurde und wird von Einschränkungen konterkariert (die naturgemäß selbst Ergebnisse einer solchen Kulturproduktion sind). Wir lernten solche Entmächtigungsstrategien auf breiter Front kennen. Beispielshaft sei auf Platons Rückbindung des Künstlers an göttliche Vorgaben, die Domestikation des Genies durch die neuzeitliche Regelästhetik, um die Jahrhunderte lang gerungen wurde, oder an das offensichtliche Spiel von Entmächtigung und Ermächtigung in der Romantik (einer Zeit in der das Genie um seine Autonomie kämpfte) erinnert. Die jeweilige Struktur der Regulierungen war dabei durchaus unterschiedlich und widersprüchlich. Lehnte der Platonismus (zu einer Zeit, in der man grundsätzlich auf die Überzeugungskraft einer göttlichen Ordnung noch vertraute) jede enge Nachahmung der Natur strikt ab, war genau diese Naturnachahmung (zu einer Zeit, in der eine göttliche Ordnung ihre Überzeugungskraft rapide verlor) bei den Klassizisten das Remedium gegen die vermeintlichen Eskapaden der Barockkünstler. Auch in der Geschichte der Philosophie fällt auf, dass in Phasen einer aufklärerischen Moderne das sich emanzipierende Individuum regelmäßig durch göttliche oder kollektivisti-

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Geschichte der Kunstphilosophie und Ästhetik – ein Resümee in systematischer Absicht

sche Entwürfe eingefangen wurde. Das war so im Athen des Perikles, dessen von den Sophisten im gesellschaftlichen Diskurs gehaltene »Moderne« Platon mit einem autoritären Staatsentwurf konterkarierte und die sich bildende autonome Künstlerpersönlichkeit unter Kuratel einer wie immer gearteten höheren Macht stellte. Dieselbe Funktion erfüllten die Staatsutopien in den aufklärerischen Phasen der Renaissance und frühen Neuzeit und beim Anheben der Moderne des 19. Jh.s. Anders buchstabiert zeigt sich das Spiel um die Regulierung in der Ambivalenz von Dynamik und Statik. Die Kunst stellte trotz ihrer Not, immer nur den screenshot eines Geschehens darstellen zu können, stets die dynamische Komponente gegen die Statik. Im äußersten Fall rang sie darum, die Dynamik in der Ponderation statischen Harmonievorgaben zu unterwerfen. Eine solche Regulierung, die als Ausfluss einer statischen Metaphysik interpretiert werden muss, ging als Klassik in die Geistesgeschichte ein. Die historischen Brennpunkte dieser Konfrontation wurden in den vergangenen Kapiteln ausführlich rekonstruiert: Hellenismus contra Klassik, Manierismus und Barock contra Renaissance und klassizistische Regelästhetik, bis hin zur Paarung Poststrukturalismus und Dekonstruktion, contra statische Metaphysik. Noch einmal anders gelesen stellt sich die Ambivalenz von Regel und Regellosigkeit im Wissenschaftsanspruch der Kunst dar. Als techne/ars rückte die Kunst in der Antike – mit einem neuen Höhepunkt in der Renaissance – in den Bereich der Wissenschaften. Dass künstlerische Fertigkeit mit Wissen verbunden wurde, ist schlicht ein anderer Aspekt der vor subjektiven Eskapaden schützenden Regulierung. Auf diese Weise gemeindete man die Kunst in die große Familie von wissensbasierten Fertigkeiten ein und legte die Basis für eine regelgeleitete Kunst durch viele Jahrhunderte. Erst mit ihrer Ästhetisierung löste sich diese Beschränkung künstlerischer Praxis auf und führte zu einer freien und unverkrampften Begegnung von Kunst und Wissenschaft. Wenn es tendenziell nicht um Mimesis, sondern um Ausdruck geht, unterstützt dies eine andere in weiten Bereichen der Kulturgeschichte feststellbare Bewegung: jene vom Chthonischen zum Geistigen. Von Anfang an durchzog die Kulturgeschichte eine Polarität von Materie und Geist. Die frühen Menschen erlebten gleichzeitig die Fruchtbarkeit und lebenspendende Macht der Erde auf der einen und die stellaren Konstellationen – besonders dominant dabei die Macht der Sonne – auf der anderen Seite. Spätestens mit der Sesshaftwerdung und dem dabei vorausgesetzten Vertrauen in die Regelmäßigkeit des Zyklus der Natur, wurde klar, dass der Taktgeber der Fruchtbarkeit im solaren Bereich liegt. Nicht nur verbirgt sich hier vermutlich die Wurzel für das (das Neolithikum kennzeichnende) Unternehmen, Stabilität durch Prozessualität herzustellen, wie es die eindrucksvolle Formel von Ma’at in Ägypten benannte und griechische Philosophen von Heraklit bis Platon in philosophische Systeme ummünzten. Vielmehr drehten sich die ersten kulturellen Erzählungen konsequent um die Verschiebung des Göttlichen vom chthonischen in den himmlischen Bereich. Dies verband sich mit der Metaphorik von Licht, Glanz, Strahlen, was sowohl für Schönheit als auch für Aufklärung stand und in Kunst wie Archi-

Materie – Geist

698 Chthonisches und Solares: Mithras mit Stier; IM

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Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Demiurgisches Projekt

Balmond Cecil, zit. nach Becker 2009

tektur (ebenso wie in der Philosophie) eine erhebliche Rolle spielte. Auch hier griffen stets checks and balances: Kunstgeschichte wie Philosophie kennen ein Hin und Her von Geistbetontem und Materiebetontem (in der Philosophie geht die Spur von Platonismus/Aristotelismus zu Rationalismus/Empirismus und Idealismus/Materialismus). Zu den ältesten Medien der Kunst gehören zweifellos Körper, Emotion und Ritual. Bis heute arbeitet die Kunst einerseits im Modus des ikonoklastischen Verdrängens des Materiellen, vom Acheiropoieton über die konstante Abwertung des colorire gegenüber dem disegno, in anderem Kontext der Option für die Hygiene, bis zur Concept Art; andererseits im performativen Gestus des bewussten Zeigens des Materiellen gegen die Vergeistigung, vom Aktionismus der Kyniker, die manieristische Zur-Schau-Stellung des colorire, den blutenden Christus bis zur Merda d’artista eines Piero Manzoni. Eine in der Tat bewundernswerte und kaum hoch genug e­ inzuschätzende Verdichtung erfuhr dieser Zusammenhang bei dem in III.2.4.3.2.5. vorgestellten demiurgischen Projekt Platons, das im vorliegenden Werk als ein leitendes Paradigma beim Blick auf die Kultur- und Kunstgeschichte eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Es kann nachgerade als bereits avanciertes Programm der Kulturwerdung der Natur gelesen werden, nicht nur künstlerisch, sondern auch technisch-wissenschaftlich. Das demiurgische Projekt hält die Mitte von Mimesis und Ausdruck, Ent- und Ermächtigung. Es geht von der Mimesis aus und gibt den Pfad einer Kulturwerdung der Natur vor. Einerseits ruft Platon den Menschen dazu auf, sich dem (göttlich gesteuerten) Prozess des Weltumbaus einzuordnen, was (nach sukzessiver Eliminierung der göttlichen Konnotation in der Renaissance) als ein nachhaltiger Impuls für die Entwicklung der Wissenschaft angesehen werden kann. Andererseits äußert sich die von Platon intendierte Entmächtigung des Menschen zugunsten der Autorität des Göttlichen in der Vorgabe dieses Weltumbaus, nämlich nach den Paradigmen von (göttlicher) Harmonie, Proportion und Symmetrie. Der demiurgische Prozess gibt gleichsam ein Muster der Kulturproduktion vor, das sowohl ein kunstphilosophisches als auch ein technikphilosophisches Programm ist und bis heute keineswegs nur in der Architektur, sondern auf allen Gebieten der Kultur seine Gültigkeit besitzt. Die Galileo Galilei zugeschriebene (in seinen Schriften aber nicht belegbare) Äußerung, wonach alles in der Natur zu messen sei und das, was nicht messbar ist, messbar gemacht werden müsse, mag einer verbreiteten Einstellung der Wissenschaft der frühen Neuzeit entsprechen, aber auch heute heißt es: »From the beginning of architecture, numbers, geometry, proportion and ideas on equilibrium have been present in the making of form.« Das Bild des Demiurgen bedeutet Geometrisierung der Natur, bedeutet künstlerische und technische Konstruktion der Welt und es ist die Urfigur der neuzeitlichen transzendentalphilosophischen Programmatik, wenn man diese (mit vorsichtig kon­ struktivistischer Pointe) als produktive Form des Erkennens und Entwerfens von Welt interpretiert. Wenn man – wie das manche machen – die Differenz zwischen Mimesis und Ausdruck in der Kunst philosophisch auf den Unterschied zwischen Naturalismus und Konstruktivismus zuspitzt, baut Platons Demiurgen-Bild geradezu eine Brücke. Es geht gerade nicht um eine unvermittelte Gegenwelt zur Natur, sondern um



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Geschichte der Kunstphilosophie und Ästhetik – ein ­R esümee in systematischer Absicht

eine sich in der kulturellen Rezeption verändernde Natur. Schließt man sich der verbreiteten Ansicht an, dass Kunst ein neues Sehen lehrt, dann leistet genau das letztlich der demiurgische Prozess. Dieses neue Sehen verändert beide Seiten: das sehende Subjekt und das Gesehene. Das Bild oder das technische Produkt zeigt sich letztlich als neue Wirklichkeit, vergleichbar mit der Vorstellung der mystischen Erfahrung im Mittelalter oder mit der Verklammerung von Subjekt und Gegenstand in dem in der Neuzeit herausgearbeiteten transzendentalphilosophischen Erkenntniskonzept. Die intensive Verflechtung der einzelnen ideengeschichtlichen Stränge bedeutete nicht zuletzt auch, dass die in der Einleitung zu diesem Werk festgestellte verbreitete Distanz zwischen Kunst und Philosophie sachlich kaum zu rechtfertigen ist. Es handelt sich bei solchen Distanzierungsambitionen eher um bewusste Strategien der Sicherung von methodischen Praktiken und Besitzständen. Daher steht mein Plädoyer für die umstandslose Etablierung des Faches Kunstphilosophie nicht im luftleeren Raum. Mit Blick etwa auf die in den alten Hochkulturen feststellbare Verflechtung von Philosophischem, besser: Kosmischem mit dem Religiösen, Sozialen und Künstlerischen könnte man sogar pointiert noch weiter gehen und die kulturellen und religiösen Erzählungen, die in den philosophischen Theorien ihre avancierteste Form erhalten haben, der Generalüberschrift künstlerische Praxis unterstellen. In den vergangenen Seiten wurde in diesem Zusammenhang auf viele Aspekte dazu verwiesen, beispielsweise auf die enge Verschränkung von Kosmos- und Polisdeutung. Angesichts dieser Vernetzung von kulturellen Erzählungen – wir reden hier von dem von Clifford Geertz prominent verbreiteten Gedanken der Kultur als selbstgesponnenem Bedeutungsgewebe – ließe sich die Kunstphilosophie als ein zentrales Genre der (philosophischen) Deutung verstehen. Denn in der Kunst wurden nicht selten Einsichten der Philosophie vorweggenommen, sodass der in der Einleitung formulierte Anspruch, bei der Kunstphilosophie von einer Avantgarde der Philosophiegeschichte zu sprechen, nicht völlig unbegründet erscheint. Der Anspruch reicht an dieser Stelle daher weiter, als die Etablierung der Kunstphilosophie bloß mit einer Kompensationsfunktion zu rechtfertigen. Odo Marquard hat das für Kunst und – darüberhinaus – für die Geisteswissenschaften generell so vorgeschlagen und Virgil Nemoianu verstand die Ästhetik als »guiding science […] of the modern age« nicht anders denn als »response to the growing complexity of the systems of knowledge […].« Kunst und Ästhetik auf Ornamentik und Folklore einer ansonsten entzauberten Welt zu funktionalisieren, scheint mir zu kurz gegriffen. Vielmehr finden sich in der Kunst – und dann eben auch auf deren reflexiven Ebene: in der Kunstphilosophie – die großen Themen der Philosophie. Darüber wurde in den vergangenen Druckseiten ausführlich gehandelt. Es sei nur mehr zusammenfassend und beispielshaft erwähnt, dass es dabei nicht etwa nur darum geht, dass entweder geistorientierte oder materieorientierte philosophische und religiöse Leitkulturen Kunst und Architektur prägten oder dass Städte-, Schloss- und Gartenanlagen nach den Prinzipien des Rationalismus entworfen wurden. Es geht vielmehr um die Vorwegnahme epochaler philosophischer Themen wie – um drei Beispiele herauszugreifen – Aufklärung, Transzendentalphilosophie oder Rolle des Subjekts.

­Kunstphilosophie – Avantgarde der Philosophie­ geschichte

Nemoianu 1989, 76

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Kunstphilosophie und Ästhetik – eine systematische Sichtung

Theorie der Kunst

Dass die Kunst stets aufklärerisches Potenzial besaß, wurde bereits angemerkt. Die Kunst war ein wesentliches Instrument der Moderne im Athen des Perikles. Sie verfolgte eine solche Strategie in der Renaissance, unterminierte die klassizistische Regelästhetik und betrieb im 19. Jh. in der anhebenden Moderne eine reflexiv-kritische Thematisierung der Instrumente der Illusionskunst. Spätestens von da an war Kunst ein Geschäft radikaler Selbstreflexion, die vielleicht in der Appropriation Art einen Höhepunkt entfaltete. Es ging in der Kunst der Moderne nicht um das Erscheinen von Wahrheit, wie Heidegger mutmaßte. Es ging um Aufklärung, wie Adorno erkannte. Niki de Saint Phalle schoss in ihren Performances auf Farbbeutel. In ihrem Platzen platzte nicht nur die alte Erhabenheit der Farbe, sondern es platzten die alten Systemerzählungen wie das François Lyotard in der Philosophie programmatisch verkündete. Diese postmoderne Losung nahm die Kunst mit ihrer Ästhetisierung, die die metaphysische Regelästhetik beendete, vorweg. Die Schwierigkeiten, welche die Kunst in autoritär regierten Ländern stets hatte und heute leider wieder vermehrt hat, zeigt, für wie gefährlich das aufklärerische Potenzial der Kunst gehalten wird. Zum Thema Aufklärung gehört jenes der Emanzipation des Subjekts, das bereits im antiken Athen im Streit zwischen den sophistischen Humanisten und Platon einen hohen Stellenwert einnahm. Über viele Jahrhunderte wurden humanistische Ambitionen im Westen durch einen gegenläufigen Metadiskurs wieder konterkariert. Mit Petrarcas Blick in die Landschaft um den Mont Ventoux eroberte sich der Mensch in der Renaissance schließlich den Raum und setzte dies in der Konstruktion der Perspektive künstlerisch um. Diese Konstruktion von Raum und Welt – philosophisch am avanciertesten in der Transzendentalphilosophie formuliert – gehört zur langen Geschichte von Er- und Entmächtigung des Subjekts, die das vorliegende Werk durchzieht und die an verschiedenen Stationen exemplifiziert wurde. Diese Geschichte entspricht jener der Genieästhetik von der Entmächtigung des Genies bei Platon, in Byzanz, im lateinischen Mittelalter, über den Streit um die Regelästhetik zwischen Klassizismus und Barock bis zur Emanzipation des Genies in der Moderne und dessen Dekonstruktion im späten 20. Jh. Ready-Made, Pop Art, Minimal Art, Concept Art zelebrierten die Abweisung des Künstlersubjekts auf jeweils spezifische Art bis hin zur Form eines industriellen Acheiropoieton. So gesehen ist in der Kunst die Idee einer negativen Dialektik ebenso vorgezeichnet wie die Dekonstruktion des Autors. Die Relativierung des Künstlersubjekts wird auch in den performativen Anteilen der Kunst zelebriert, die – wie öfters festgestellt – die Kunst von Anfang an auszeichnet. John Austin formulierte seine Sprechakttheorie in etwa zur gleichen Zeit, in der die Performance in der zeitgenössischen Kunst zu einer bevorzugten Kunstform wurde. Kunstphilosophie wagen heißt nun keineswegs, die Theorie von Kunst und Kunstwerk im Gepäck zu haben. Zwar zeigen manche Kunstphilosophen eine geradezu sportliche Ambition, für jedes spezielle Werk der Kunst eine passende Theorie zu formulieren. Doch so belebend solche Unternehmungen auch für den einschlägigen Diskurs sein mögen, sie verheddern sich in nominalistischer Manier in Einzelkämpfe und können jedenfalls keine Voraussetzung für ein erfolgreiches Zulas-



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Geschichte der Kunstphilosophie und Ästhetik – ein ­R esümee in systematischer Absicht

sungsverfahren für das Genre der Kunstphilosophie abgeben. Kunst als eine Weise der Weltdeutung ist nicht restlos auf Philosophie abbildbar. Das soll sie im Hinblick auf das in den letzten Kapiteln Gesagte auch gar nicht sein. Eine solche zumindest partielle Inkommensurabilität belässt dem Kunstwerk seine Dignität und der Kunst ihre Eigenständigkeit. Nur so ist Kunst ein Instrument der Schärfung von Wahrnehmung und Welterschließung. So wie sich die Philosophie methodisch auffächert, bietet auch die Kunst differenzierte Schlüssel für eine differenzierte Welt. Neben anderen an verschiedenen Stellen dieses Werks ins Treffen geführten Argumenten für ein breites Verständnis von Kunstphilosophie gibt es eine weitere bedenkenswerte Überlegung. Es hat den Anschein als würde die jahrzehntelange Dominanz des naturwissenschaftlichen Paradigmas zur Zeit erodieren. Die aufregenden Innovationen dieses Genres liegen Jahrzehnte zurück. An die komplexen Theorien (Relativitätstheorie und Quantentheorie) haben sich die Physiker eher gewöhnt, als dass sie sie wirklich verstehen, wie selbst solche Kaliber des Faches wie Richard P. Feynman und Steven Weinberg freimütig bekannten. Demgegenüber böte gerade die Kunstphilosophie in dem von mir intendierten breiten Verständnis eindrucksvolles Anschauungsmaterial für die Macht und die universelle Wirksamkeit kultureller Erzählungen. Die hier behandelten kulturellen Erzählungen haben ihren Kontakt zur Anschauung stets inhärent, während die Physik (die Biologie ist dabei, ihr in dieser Hinsicht zu folgen) längst nur mehr mathematische Formalismen traktiert. Die mit großer Brisanz und Sprengkraft ausgezeichneten Erzählungen der Kunstphilosophie könnten damit zudem ein ideales Paradigma für die Bedeutung und Explorationskompetenz der Geisteswissenschaften schlechthin abgeben. 699 Fresko aus der Villa ­Arianna (1. Jh.p), ­S­tabiae; MAN

Verzeichnisse

XI

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1.0. Sachverzeichnis ◀ 700 Die Ordnung der Dinge! Römische Köpfe im Museo ­Archeologico di Aquileia

Das Sachverzeichnis nennt das Kapitel, in denen das jeweilige Schlagwort behandelt wird. Von dort aus wird man zu anderen thematisch passenden Kapiteln weitergeführt. Aufgrund der Menge des behandelten Stoffes werden einfache Nennungen, ohne weitere Vertiefung des Themas, nicht berücksichtigt. Bei besonders häufig vorkommenden Begriffen werden die Nennungen zusätzlich auf eine Auswahl beschränkt. Das Verzeichnis kann auch als Glossar benützt werden. Herausragende Kunst- und Bauwerke sowie wichtige Städte werden ebenfalls angeführt. Bei häufig genannten Stichworten ermöglicht eine inhaltliche Strukturierung eine bessere Übersichtlichkeit. Sie ist jeweils alphabetisch geordnet. Solche Themenbereichen (Beispiele: Kunst, Schönheit, Bild, Harmonie, Architektur) eröffnen regelrechte Lesepfade.

Aachen: V.4.2.1. / V.4.2.3. / V.4.2.5. Abbasiden: V.3.4.2.1.f. Abbild, Abbildlehre (Auswahl): III.2.4.3.2.6. / IV.4.2.1. / IV.6.1. / IV.6.2.2. / IV.7.2. / IV.8.2. / IV.8.4. / V.4.2.3. / V.5.4.1. / V.7.2.2.4. / V.7.3.1. / VII.1.5.3. / VII.4.2.4.1. / VII.6.1. / IX.3.3.1. / IX.3.6.3. A. des Kosmos/Gottes: II.1.2.2.1. / II.2.2.2. / II.2.5. / II.4.0. / III.2.3.2. / IV.3.5. / VI.3.2.f. / VI.4.2.1.f. / VI.7.1. / VI.7.3.2.2. A. des Lichts: V.5.2. / V.6.2.3.f. Abfall: cf. Schmutz/Abfall/Kot aboutness: IX.3.9.3. Abramzewo: VIII.6.1.2. Absolutes/absolutes Wissen: VIII.5.0.f. / VIII.5.2.1. / VIII.5.3.1. / VIII.5.3.2.1.– VIII.5.3.3. / VIII.6.1.1. / VIII.7.2.f. / VIII.7.4.1. Absolutismus: VII.1.5.3. / VII.1.5.6. / VII.3.1. / VII.3.3. / VII.4.2.4.3.1. / VII.5.2.5. / VII.7.0. / VIII.1.1. Abstraction-Création, Künstlergruppe: IX.2.1.1. Abstrakter Expressionismus: cf. Expressio­ nismus Abstraktion (Auswahl): I.3.4. / I.4.2. / II.1.2.1. / II.2.4. / III.2.2.2. / III.2.2.4. / IV.8.0. / V.3.3.1.ff. / VIII.6.2.2. / IX.2.1.ff. / X.2.5. Achämeniden: II.1.2.8. Acheiropoieton: IV.8.1.f. / IX.4.4.2. / IX.5.2.3. Achsenzeit: II.5.0. / VI.1.0. / VI.8.0. Ackerbauern und Viehzüchter: I.1.0. / I.3.1. / I.4.1.ff. / II.2.6.1. Action-Painting: IX.4.3. / IX.5.2.f. / IX.5.2.6 / IX.5.2.6.4. / X.3.3. Ägäis: II.1.2.5. / II.2.6.1. / III.1.0.–III.1.2.4. Ägyptomanie/Ägyptenrezeption: II.2.7. / III.1.2.3. / III.2.1.3.2. / III.2.3.2. / III.2.4.3.2.1. / III.2.4.3.2.6. / III.3.3.3. / VIII.9.2.3.3.

Ältestes Systemprogramm: VIII.5.0. / ­VIII.5.2.1.ff. / VIII.5.3.2.3. / VIII.7.3.f. / VIII.10.1. Ästhetik (Auswahl): X.1.2.–X.1.4.3. Ä. als Aisthesis: VII.2.2. / VIII.3.2.3.2.1. / VIII.6.1.5. / IX.4.5.2. / X.1.2.1.f. / X.1.4.2.f. Ä. als Atmosphäre: X.1.2.1. / X.2.6.1. connective aesthetics: IX.6.2. Ä. des Erhabenen: cf. Erhabenes Ä. und Ethik/Moral: III.2.5.2. / VII.5.1.f. / VIII.6.1.6. / VIII.6.2. Experimentelle Ä.: VIII.6.2.1. Islam: V.3.3.–V.3.4. Maschinenästhetik: VIII.9.2.3.2. Mittelalter: V.5.3.1. modern: VII.5.2.3. / X.1.2.1. Naturästhetik: VIII.9.2.3.2. Neuzeit: VII.5.2.1. Normästhetik: VII.1.5.3. physikalisch-wissenschaftliche Ä.: VIII.6.2. Produktionsästhetik: VIII.4.1. / VIII.6.1.5. / X.3.1. Protoästhetik: X.1.2.1. Regelästhetik: cf. Genie/Regel; cf. ­Regel; VIII.7.2. / VIII.7.4. relational aesthetics: IX.6.2. Rezeptionsästhetik: cf. Rezeption/­ Rezeptionsästhetik Ä. von unten: VIII.10.2. Ä. als Wiss. sinnl. Erk.: VII.5.2.3. / X.1.2.1. Ä. der Zahl: cf. Harmonie/Maß/Zahl; cf. Schönheit Ästhetikbegriff: VIII.6.0.ff. Ästhetische Eigenschaften: X.1.4.2. Ästhetische Einstellung: IX.3.9.4. Ästhetische Idee, Kant: VII.6.3.2. Ästhetischer Gegenstand: X.1.4.2. Ästhetisierung der Kunst: III.2.4.1. / III.2.4.3.1. / III.2.4.3.3.3. / VII.1.5.3. /

VII.2.2.1. / VII.3.1. / VII.5.2.3. / VIII.9.2.3.2. / VIII.3.2.3.2.3. / VIII.5.3.2.3. Ästhetisierung der Politik: II.4.0. / IX.2.2.6. Ästhetizismus: VIII.9.2.3.3. / VIII.10.1. / IX.2.2.7. Aeterni Patris, Enzyklika: VIII.8.2. Agnostizismus: III.2.4.3.1. / VII.5.0. Agora: III.2.2.1. / III.2.4.2. / III.3.3.2.2. / IX.2.3.1. aisthesis: cf. Sehen/aisthesis; cf. Ästhetik als Aisthesis Akademie: VI.4.1.2. / VII.1.5.3. A. der bildenden Künste, Wien: VIII.8.1. A. dei Desiderosi: VII.4.2.2. A. del Disegno: VI.4.1.2.f. / X.2.6.2. A. français: VII.1.5.3. / VII.2.2. / VII.4.2.2. A. de France à Rome: VII.1.5.3. A. degli Incamminati: VII.4.2.2. Königliche A., München: VIII.3.1.1. A. Olimpica: VI.7.3.4. platonische A.: III.2.4.3.1. / VI.3.4. / VI.4.1.1.f. / VI.4.2.2. A. Real de las Tres Nobles Artes: VII.4.2.4. A. Romana: VII.1.5.1. Royal Academy: VII.1.5.4. / VIII.2.1. / VIII.3.2.1.1. / VIII.8.1. A. Royale d’Architecture: VII.1.5.3. / VII.4.2.4.3.1. A. Royale de Danse: VII.1.5.3. A. Royale de Musique: VII.1.5.3. A. Royale de Peinture et de Sculpture: VI.4.1.2. / VII.1.5.3. / VII.4.2.4. / VII.5.2.2. A. Royale de Sciences: VII.1.5.3. / VII.7.1. Russische A.: VII.1.5.7. A. di San Luca: VI.8.3. / VII.3.1. / VII.4.1. / VII.4.2.4.1. / VIII.8.1. A. Trissiana: VI.7.3.4. A. der Wissenschaften, St. Petersburg: VII.1.5.7.

Sachverzeichnis

A. Valdarnina: VI.3.4. A. Vitruviana: VI.7.0. Akademieästhetik (Auswahl): VIII.1.2. / VIII.9.1.1. / VIII.9.2.2. / VIII.9.2.3.1.f. / IX.2.2.8. / IX.3.0. Akkad/Akkadisch: II.1.2.3. / II.1.2.5. Akropolis: III.2.1. / III.3.1.3. / III.3.3.1. Akt-Potenz: VI.8.3. Aktionskunst: IX.5.2.1. / IX.5.2.6.– IX.5.2.6.5. / X.2.2.2. Alcázar: VII.1.5.2. Alchemie: VI.4.2.5. Alexanderroman: III.2.5.1. Alexandrien: II.3.2.6.2. / III.2.5.1. / V.3.3. Algebra: V.6.2.1. / V.7.1. Algorithmen: IX.6.1.2. Alhambra: V.3.4.2.1. Allah: V.3.2. Allegorie/Allegorese: III.2.5.2. / IV.4.0. / IV.5.1.2. / IV.7.2. / VII.3.4. / VIII.4.2. / IX.3.8.2. Kirchenbau: IV.4.2.2. / V.6.2.3. allographische Kunst: cf. Kunst All-Over: V.3.4.2.2. Alphabet/Alphabetschrift: II.3.2.4. / II.3.2.6. / III.2.2.1. / V.3.1. Alphabetisierung: VI.5.1. Altar/Altarteile: V.7.3.2. / VI.2.0. Altes Testament: II.1.2.2.1.1. / II.1.2.6. / III.2.4.3.2.5. / IV.4.2. / IV.5.1.2. / IV.8.4. / VI.7.1. Ambivalenz: I.4.3.2. / VIII.9.1.1. Amun: II.2.2.1. / II.2.3.1. / III.2.5.1. Anästhetik: VIII.6.1.6. / IX.5.2.6.4. Anagogie: IV.4.3. / IV.6.2.1. / IV.7.2.f. / IV.8.4. / V.2.1. / V.5.4.2. / V.6.2.2.f. / VIII.5.3.2.3. / IX.5.2.6.4. Barock: VII.3.6. / VII.4.1. Analytische Philosophie: IX.3.9.–IX.3.9.8. / X.1.2.2. Anarchismus: IX.2.1.2. Ancien Régime: VIII.1.1. / VIII.1.3. Andalusien: V.3.4.2.1. Anikonik: II.3.2.6. animal symbolicum: I.2.0. / IX.3.3.1. / X.4.2. Animismus: I.3.3. Anschauung: cf. Schau/Anschauung Anthropometrie: VI.7.1. / VIII.3.2.3.1. / VIII.3.2.3.2.2. / IX.2.3.5. Anthroposophische Gesellschaft: IX.3.1. Antikennachahmung: cf. Nachahmung

Antinomisches: IX.3.8.1. / IX.3.8.1.2. Antiochien: III.2.5.1. / IV.3.3. Antiqua: cf. littera antiqua Antwerpen: VII.1.5.5. Apathie: III.2.5.2. Aphorismus: cf. Fragment/Aphorismus Apokalyptik/Apokalypse: II.3.2.5. / IV.3.3. Apokatastasis: IV.4.2.1. / V.4.2.4 Apokryphen/Apokryphentheorie: IV.6.2.3. Apoll: III.2.1.2.f. / III.2.2.4. / III.3.3.2.1. / VIII.10.1. Apollinisch/Dionysisch: VII.4.2.4.2. / VIII.10.1. Apostelkirche, Konstantinopel: IV.6.1. / IV.6.2.2. / V.3.4.2.5. appropriation art: IX.4.3. / IX.4.6.2. / IX.6.2.1. / X.3.5.3. Apriori/Apriorität: VII.6.0.–VII.6.3.2. / IX.3.5.1.1. Apsis: cf. Nische; I.5.0. / II.1.2.1. / III.3.3.2.3. / IV.5.2.2. / V.3.4.1. aptum: III.2.5.2. / III.3.4.1. / VI.7.3.2.2. / VII.3.3. Aquatinta-Verfahren: VIII.3.1.2. Arabeske: V.3.3.1. / V.3.3.3. / VIII.7.3. / VIII.7.4.2. / VIII.9.2.3.2. Arabien/Araber: V.3.1. Arc de Triomphe du Carrousel, Paris: VIII.1.2. Archäologie: IX.3.0. Archaischer Stil: cf. Stil Archigram, Architektengruppe: IX.5.3.2. architecture parlante: VI.7.1. / VII.4.2.4.3.1. / VIII.3.2.2.1. / VIII.3.2.3.1. / VIII.9.2.3.3. / IX.3.1. / IX.4.6.2. / IX.6.1.1. Architekt/Baumeister: Antike: III.3.3.2. / III.3.4.3. Barock: VII.3.5. A.-Ingenieur: VIII.3.2.3.f. Mesopotamien: II.1.2.2.1.2. Mittelalter: V.6.1. / V.6.2.1. / V.7.1. / V.7.2.2.3. / V.7.2.2.6.3. Renaissance: VI.7.0.f. / VI.7.3.2.2. Architektur (Auswahl): Antike: III.2.4.2. / III.3.3.2. / III.3.4.3. Beginn: I.4.3.f. Gartenarchitektur: VII.5.2.5. Gotik: V.6.2.3.f. / V.7.3.ff. / V.7.4. / V.8.2. / VIII.3.2.2.2. / VIII.3.2.3.2.2. internationale A.: IX.2.2.8. / IX.5.3.1.– IX.6.1.4.

A. als Kunst: X.2.6.1. Militärarchitektur: VII.1.5.3. A. der Moderne: IX.5.3.–IX.6.1.4. Mündigkeit/Autonomie der A.: VIII.3.2.2.1. / VIII.3.2.3.f. / VIII.3.2.3.2.2. A. und Musik: cf. Musik; VI.7.1. / VI.7.3.2.2. / VII.3.4. / VII.4.1. / VII.4.2.4.3.1. / X.2.6.3. Naturnachahmung der A.: VIII.3.2.3.2.3. A. und Pädagogik: VIII.3.2.3.1. / IX.2.2.8. / IX.2.3.2. / IX.2.3.5. Platonische A.: III.2.4.3.2.1. / VI.3.4. Postmoderne: IX.4.6.2. / IX.5.3.2. Renaissance: VI.7.0.–VI.7.3.4. / VI.8.2.f. A. und Rhetorik: III.3.4.1. Romanik: V.5.4.ff. A. und Skulptur: I.4.3.2. / II.2.4. / III.2.3.2. / III.2.4.2. / IX.5.2. / IX.6.1. / X.2.6.1. A. als Sprache: cf. architecture parlante; VIII.3.2.2.1. A. als Wissenschaft: III.3.4.3. Zivilarchitektur: VII.1.5.3. Architekturtraktat: III.3.4.3. / VI.7.0.– VI.7.3.4. / VI.8.2.f. / VII.4.0.f. Architekturzeichnung: VI.8.3. Architekturzeitschrift: VII.4.0. Arianismus/Arianer: IV.1.2. / IV.4.2. / IV.6.1. / IV.8.3. Aristotelismus (Auswahl): Islam: V.3.3. Mittelalter: V.3.3. / V.5.3.2. / V.6.1. / V.6.2.1. / V.7.1. / V.7.2.2. / V.7.2.2.5. / V.7.2.2.6.1.f. / V.8.1.ff. Moderne: X.1.2.1. Neuzeit: VII.5.2.3. / VIII.7.2. Renaissance: VI.4.0. / VI.4.2. / VI.4.2.3.f. / VI.4.2.6. / VI.6.4.2.f. / VI.8.3. Armory Show, New York: IX.2.0. / IX.2.2.10. ars: III.2.4.3.3.3. / III.3.4.1. Art Brut: IX.5.2.1. / IX.5.3.2. Art Concrete, Künstlergruppe: IX.2.1.1. Art Déco: cf. Jugendstil Art & Language: IX.5.2.4. Art Nouveau: VIII.9.2.3.2.f. Art World: cf. Kunstwelt Arte Povera: VIII.10.2. / IX.5.2.1. / IX.5.2.6.5. Artes liberales: IX.2.2.8. / X.2.0. / X.2.6. Mittelalter: V.1.0. / V.2.1.f. / V.4.2.4. / V.6.2.2. / V.7.2. / V.7.2.2.4. Renaissance: VI.4.1.1. / VI.7.0. / VI.7.3.2.2. / VI.8.3.

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Artes mechanicae: V.2.2. / V.6.2.2. / VI.4.1.3. / IX.2.2.8. / X.2.0. / X.2.6. Artes vulgares: III.2.5.2. Arts and Crafts: VIII.3.2.3.2.3. / VIII.8.1. / ­VIII.9.2.3.2.f. / IX.2.2.4. / IX.2.2.8. / IX.2.3.3. Assisi: V.7.2.2.2. / VI.6.2. Assyrer: II.1.2. / II.1.2.2.1.1. / II.1.2.6. / II.3.2.3. Astrologie: VI.3.2. Ataraxie: III.2.5.2. Atheismus: III.2.4.3.1. / VI.4.2.1. / VIII.6.1.1. Athen: Antike: III.2.2.1. / III.2.3.–III.2.3.2. / III.2.4.2. Barock/Klassizismus: VII.1.5.6. / VII.2.2.2. / VII.4.2.3.f. / VII.4.2.4.2. Renaissance: VI.3.4. / VI.7.0. Athena: III.2.2.1. Athenäum, Zeitschrift: VIII.7.3. Atlas: VI.3.1. Aton: II.2.1.2. / II.2.3.1. / II.3.0. / II.3.2.2. Atum: II.2.2.1.f. / II.2.3.1. Auferstehung: II.2.2.2. / II.2.3.3. / II.2.6.1. / IV.3.3. Aufklärung (Auswahl): III.2.2.2. / V.5.1. / V.7.2. / VII.1.5.3. / VII.1.5.6. / VII.3.1. / VII.4.2.4.2. / VII.5.1. / VII.5.2.2. / ­VII.6.0.ff. / VII.7.0. / VIII.1.2. / VIII.3.2.2.3. / VIII.3.2.3.2.2. / VIII.5.0. / VIII.5.3.2.1.f. / VIII.7.1.f. / VIII.9.0. / VIII.10.1. / IX.3.0. / IX.3.8.1.f. / IX.5.1.3. Aulae Sidereae: V.4.2.4. Aura: II.4.0. / VIII.5.3.3. / IX.2.2.10. / IX.3.8.2. / IX.3.9.2. / X.3.5.1.5. Ausdruck: cf. Expression Ausdruckswert: IX.3.4.1. autographische Kunst: cf. Kunst autokinesis: cf. Seele; III.2.4.3.2.5. / VIII.5.3.3. Autonomie der Kunst (Auswahl): VII.4.2.4.2. / VIII.4.2. / VIII.5.3.2.3. / VIII.9.0. / IX.2.1.1.f. / IX.2.2.7. / IX.3.8.1.2. / IX.4.3. / IX.5.2.3. / IX.5.2.6.5. / X.2.5. Avantgarde: VIII.1.2. / VIII.8.2. / VIII.9.2.3.1. / IX.1.2. / IX.2.0.–IX.2.2.10. / IX.2.3.1. / IX.4.3. / IX.5.2. / IX.6.0. / X.2.5. Avignon: V.8.1. / VI.2.0. Axialität: III.2.3.2. / III.2.4.2. / III.3.3.1. / VII.3.3.

Babylon: II.1.2. / II.1.2.2.1.f. / II.1.2.5.–

II.1.2.8. Backstein: V.8.2. / IX.2.2.8. Badische Schule, Neukantianismus: IX.3.3. Bagdad: V.3.2.f. / V.3.4.2.1.f. / V.3.4.2.4. Bandkeramik: I.4.1. Barbizon: VIII.7.5. / VIII.9.2.ff. Barock (Auswahl): VI.7.0.f. / VI.8.1.f. / VII.1.4.–VII.2.0. / VII.3.0.–VII.4.2.4.3.2. B. und Absolutismus: VII.3.1. Begriff B.: VII.3.2. Ende des B.s: VII.7.0. Falte, Deleuze: VII.2.2.1. Islam: V.3.4.2.5. B. und Katholizismus: VII.1.3.f. / VII.3.1. österreichisch: VII.1.5.6. Theorie: VII.2.2.1. / IX.3.8.2. Basar, Istanbul: VIII.9.2.3.3. Basilika: II.1.2.2.1. / II.1.2.2.1.2. / II.2.5.f. / II.3.2.6.2. / III.3.3.2.3. / IV.5.2.ff. / V.3.4.1. / V.3.4.2.1. / V.4.2.5. / VI.7.0. / VIII.3.2.2.1. Bauen als Ritual: II.1.2.2.1.2. Bauhaus: IX.2.1.3. / IX.2.2.7.f. / IX.2.3.4. / X.1.3.2.3. Baumaterial: II.1.2.2.1.2. / II.2.5. / V.5.1. / VIII.3.2.2.1. / VIII.3.2.3.1.–VIII.3.2.3.2.3. / IX.6.1.4. Baumeister: cf. Architekt/Baumeister beau/beauté: b. absolu: VII.5.2.2. b. aperçu: VII.5.2.2. b. réel: VII.5.2.2. b. relatif: VII.4.2.2. / VII.5.2.2. / VIII.9.1.2. b. universelle: VII.4.2.2. Beleuchtungslicht: cf. Licht Belle Époque: cf. Jugendstil; VIII.9.2.3.2. Benediktiner: V.4.2.2. / V.5.2. Benediktinerregel: V.4.2.2. Berlin: VII.1.5.6. / VIII.5.2. / VIII.9.2.3.3. / IX.1.4. / IX.2.3.3.f. / IX.5.3.2. Beschleunigung/Geschwindigkeit: VIII.2.2. / VIII.7.4.1. / VIII.9.1.f. / IX.2.2.6. / IX.4.7.3. Bet-El: II.3.2.4. / II.3.2.6. Beton: VIII.3.2.3.2. / IX.2.3.1.ff. béton brût: IX.5.3.2. Gussbeton: III.3.1.4. Stahlbeton: IX.2.3.1.f. Bettelorden: V.7.1. / V.7.2.2.2. / V.7.3.2. Bettelordenskirche: V.8.2.

Betyl: I.5.0. Beuron, Benediktinerabtei: VIII.8.2. Bewegung: cf. Prozess Biblia Pauperum: IV.8.3. / V.3.2. / V.4.2.3. / V.8.2. / VI.2.0. / VII.1.4. Biedermeier: VIII.6.1.1. / VIII.7.1.2. / VIII.7.5. Bild (Auswahl): cf. Acheiropoieton, cf. Kultbild; Bilddruck: VI.2.0. Bildmagie: II.1.2.2.2. / II.1.2.4. / II.2.6.1. / IV.8.0. / V.7.3.2. / VI.2.0. / X.4.2. christliches B.: IV.4.2.1. Christusbild: IV.5.1.3. / IV.8.1.ff. / V.8.2. / VIII.8.2. Gottesbild/Götterbild: II.2.5. / IV.7.2. / IV.8.0. Kaiserbild: III.3.2. / IV.8.0. / X.4.2. Mittelalter: V.5.4.2. / V.7.2.2.3. Tafelbild: IX.5.0. / IX.5.2.ff. Theorie des B.s: V.3.3.1. / VIII.10.2. / X.4.0.–X.4.2.2. Urbild-Abbild: cf. Abbild/Abbildlehre Bildakt: IX.3.4.2. Bildersturm: cf. Bilderverbot/Bilderstreit Bilderverbot/Bilderstreit: II.2.6.1. / II.3.2.6.f. / IV.4.2.1. / IV.5.1.2. / IV.8.3. / V.3.3.ff. / V.4.2.3. Französische Revolution: VIII.1.1. Reformation: VI.2.0. / VI.6.2. / VII.1.4. Bildhauerei (Auswahl): X.2.6. / X.2.6.2. Anfänge: I.4.3.2. / II.1.2.4.f. / II.2.6.1. / II.3.1. Antike: III.2.4.1. / III.2.4.3.3.3. / III.2.5.4. / III.3.3.3. Mittelalter: V.5.4.2. / V.7.3.2. Moderne/Contemporary: IX.2.0. / IX.5.2. / IX.5.3.2. Neuzeit: VII.4.2.4.2. / VII.7.2. Bildobjekt: X.4.2.3. Bildtheorie: cf. Bild Bildträger: X.4.2.3. Bildvehikel: X.4.2.3. Biomimesis: IX.6.1.2. Biomorphie: IX.2.2.8. / IX.6.1.2. Bionik: IX.6.1.2. Biskuitporzellan: VII.3.6. Black Mountain College, Asheville: IX.5.2.6.3. Black Paintings: IX.5.2.1. Blau (Farbe): VIII.7.4.3.

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Blauer Reiter, Künstlervereinigung: VIII.7.4.3. / IX.1.2. / IX.2.1.2. Blobs: IX.6.1.3. Body Art: IX.5.2.6.f. / IX.5.2.6.4. Bogen: cf. Gewölbe Bohème: VIII.2.2.2. / VIII.9.2.3.1.f. Bologna: VII.4.2.4.1. / VII.7.0. / IX.6.2.2. Bolschewiki: IX.1.3. / IX.1.5.7. / IX.2.2.7. bon goût: VII.2.2.2. / VII.4.2.4.1. / ­VII.4.2.4.3.1.f. / VII.5.1. / VII.5.2.1. / X.2.3. bon sens: VII.4.2.4.1. Boulevard: VIII.2.2. / VIII.2.2.2. Brandenburger Tor, Berlin: VII.1.5.6. Brasilia: IX.5.3.1. Der Brenner, Zeitschrift: IX.3.9.1. bricolage: IX.4.4.1. Brillo Boxes: IX.3.9.3. British Museum, London: VII.1.5.4. Broadacre City: IX.2.3.2.f. Die Brücke, Künstlervereinigung: IX.1.2. / IX.2.2.1. Brüssel: VIII.9.2.3.3. / IX.5.2.1. Brutalismus: IX.5.1.2. / IX.5.3.2. / X.1.3.2.2. Buch/Buchkunst: cf. Codex; V.1.0. / V.4.1. / V.4.2.2. / VI.3.0. Buchmalerei: IV.5.1.1. / V.1.0. gotisch: V.7.3.2. islamisch: V.3.2. / V.3.3.2. / V.3.4.2.4.f. karolingisch/ottonisch: V.1.0. / V.4.2.3. / V.4.2.5. / V.5.1.f. Renaissance: VI.2.0. Teppichseiten: V.4.1. vorkarolingisch: V.4.1. Buch der Natur: VI.3.2. Buchdruck: VI.2.0. / VI.5.1. Buchrolle: V.4.1. Buchstabenschrift: cf. Schrift Buddhismus: IX.2.1.3. Bücherverbrennung: IX.1.4. Bühnenarchitektur: VI.7.3.1. / VII.4.1. Bühnenmalerei: III.2.4.1. Bünde nationalistische: IX.1.2. Bunker/Bunkerarchitektur: IX.4.7.3. Byzanz/byzantinisch: IV.6.0.–IV.8.4. / V.3.4.2.5.

Cabaret Voltaire: IX.2.2.3.

Calvinismus: VI.2.0. / IX.2.2.9. camera obscura: V.3.3.1. / VIII.3.1.2. / VIII.9.1.2. Camera Work, Zeitschrift: VIII.3.1.2.

Campanilismo: VI.3.4. Capella Palatina, Palermo: V.3.4.2.2.f. / V.4.2.4. / V.6.1. Capella Scrovegni, Padua: VI.6.2. Capriccio/Architektur: VII.5.2.1. / VIII.3.2.2.1. Cardo-Decumanus: I.3.2. / III.2.3.2. / III.2.5.4. / III.3.3.1. / IV.3.2. / VII.3.3. Cartesianismus: VII.4.1. / VII.4.2.1. / ­VII.4.2.4.1.f. / VII.4.2.4.3.2. / VII.7.0. Castel del Monte: V.7.1. Çatal Hüyük: I.4.3.4. / III.1.2.1. Chaos: I.4.3.4. / II.2.2.2. / II.4.0. / III.2.1.3.1. / III.2.3.3.2. Charte d’Athènes: IX.2.3.5. Chartres: V.6.2.1. / V.7.3.2. / V.9.0. / VIII.1.1. Chaux: VIII.3.2.3.1. Cheper: II.2.2.1.f. / IX.4.7.5. Cherubim/Serafim: II.3.2.3. Chiaroscuro: III.2.4.1. / VI.6.4.2. / VII.4.2.2. / VII.4.2.4.1. Chicago: VIII.9.2.3.3. / IX.2.2.8. / IX.2.3.3.f. Chicago School: VIII.9.2.3.3. Christentum: IV.1.1. / IV.3.0.–IV.3.5. / V.3.2. / V.3.3.2. / V.3.4. / V.3.4.2.1. / V.5.1. / V.5.3.2. / V.5.4.2. / V.8.1. / VI.2.0. / VII.2.1. / VIII.8.2. Christenverfolgung: IV.1.1. Christologie: IV.4.2.ff. / IV.8.3. Christus: Genital Christi: V.5.3.2. C. als Mensch: V.8.2. C. als Mutter: V.5.3.2. C. als mystischer Leib: V.7.1. C. als summus artifex: V.5.4.2. Christusbild: cf. Bild Chthonisches: I.4.3.4. / II.2.2.1.f. / II.2.3.1. / II.4.0. / III.1.2.2. / III.2.1.1. / III.2.2.2. / III.2.3.2. Ch.-Himmlisches: III.2.3.2. / III.2.4.2. CIAM: IX.2.3.1.f. / IX.2.3.5. / IX.5.3. / IX.5.3.2. Cîteaux: V.6.2.4. claritas: V.7.2.2.6.2. Claude-Glas: VII.1.5.3. Club of Rome: IX.5.1.2. Cluny: V.5.2. / V.5.4.1. Cobra, Künstlergruppe: IX.5.2.1. Codex: IV.5.1.1. / V.4.1. C. argenteus: IV.1.2. / VII.4.2.4.1. coincidentia oppositorum: VI.4.2.1. / VI.4.2.4. / VI.7.1. Color-Field-Painting: cf. Farbfeldmalerei

Colorire: cf. Disegno/Colorire Commedia dell’arte: VII.1.4. / VII.1.5.1. Complicatio/Explicatio: VI.4.2.1. composizione: VI.6.4.1.f. Concept Art: IX.5.2.1.f. Concinnitas: VI.7.3.2.2. / IX.5.3. Contemporary Art: IX.5.0. / IX.6.0.–IX.6.2.4. Contours découpés: I.3.1. Coppet-Kreis: VIII.6.2. / VIII.7.3. Copy & Paste: IX.6.2.1. Córdoba: V.3.4.2.1. Corporate Architecture: IX.6.1.4. Corporate Identity: IX.2.2.8. Corpus Hermeticum: II.2.7. / II.3.2.5. / VI.3.2. / VI.4.2. / VI.4.2.4. / VI.6.1. / VIII.7.2. Correalismus: IX.2.2.8. Correspondance littéraire, Zeitschrift: VII.5.2.2. Country House: cf. Villa Co-Working: IX.6.1.4. creatio continua: II.2.2.2. Critique, Zeitschrift: IX.4.5.4. Cromlech: I.4.3.1. Crossover: IX.5.3.1.f. / IX.6.1. / IX.6.2.1.

Dachau: VIII.9.2. Dada/Dadaismus: IX.1.2. / IX.2.2.3. / IX.2.2.5. Daguerreotypie: VIII.3.1.2. Damaskus: V.3.2. / V.3.4.2.1. Dampfmaschine: VIII.2.1. Dancer’s Workshop Company, San Francisco: IX.5.2.6.3. Dandy: VIII.6.1.6. / VIII.7.1.2. / VIII.9.1.2. / VIII.9.2.3.2. Darstellbarkeit/Undarstellbarkeit: III.2.4.3.2.4. / IV.7.2. / V.3.3.1. / IX.4.5.2. / IX.5.2.1. / IX.5.3.2. Decorated Style: V.8.2. decorum: cf. Ornament/Dekor; III.2.5.2. / III.3.4.1.ff. / V.2.2. / VII.3.3. Dekonstruktion: VII.3.4. / VIII.7.1. / IX.4.5.f. Dekonstruktivismus: IX.4.5.1. / IX.5.3.2. / IX.6.2.1. Dekor: cf. Ornament/Dekor delicatesse: VII.5.2.6. Delphi: III.2.2.1. / III.2.2.4. / III.2.3.2. Demiurg/demiurgisches Projekt (Auswahl): III.2.4.3.2.5. / X.1.3.1. / X.2.2.1. / X.2.3. Alter Orient: II.3.2.6. / II.4.0.

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Sachverzeichnis

Antike: III.2.4.1. / III.2.4.3.2.5. Gnosis: IV.4.2. Mittelalter: V.3.3.3. / V.3.4.2.2. / V.7.2.2.3. Moderne: VIII.10.2. / IX.2.2.8.f. / IX.6.1.2. Neuzeit: VII.1.5.4. / VII.2.2.1. / VII.3.1. / VII.3.3. / VII.4.2.1. / VII.4.2.4.1. / VII.5.2.1. / VIII.2.2.1.f. / VIII.5.3.2.1. Renaissance: VI.3.0. / VI.4.1.2. / VI.4.2.1.f. / VI.5.1. / VI.6.4.3. / VI.7.3.2.2. / VI.7.3.4. / VI.8.2. Spätantike: IV.4.2.f. / IV.4.3. / IV.7.2. Demokratie: III.2.2.1. / III.2.4.3.1. / VIII.9.1. / IX.2.1.3. / IX.4.5.2. / IX.4.5.4. / IX.5.1.3. / IX.5.2.6.4. Denkmal/Denkmalpflege: VII.4.2.4. /­ ­VIII.3.2.3.2.1.ff. Derveni-Papyrus: III.2.1.3. / VII.7.0. Design: VIII.9.2.3.2.f. / IX.2.2.8. / IX.5.3. / X.1.3.2.3. generative design: IX.6.1.2. Dessau: IX.2.2.8. De Stijl: IX.2.1.2. / IX.2.2.8.f. Deutscher Idealismus: cf. Idealismus Deutscher Werkbund: VIII.3.2.3.2.3. / IX.2.2.7.f. / IX.2.3.4. Deutschrömer: IX.2.2.4. Dezentrierung: IX.4.5.f. Dialektik: III.2.3.3.3. / IV.7.2. / VIII.5.2.1. Dichtung: cf. Poetik/Poesie Hellenismus: III.2.5.4. Islam: V.3.3. naive/sentimentalische: VIII.4.2. Renaissance: VI.6.1. Rom: III.3.1.3. Differenz: IX.4.5.1. différance: IX.4.1. / IX.4.5.1. le différend: IX.4.5.2. ikonische D.: X.4.2.1. Digitalisierung: IX.4.7.5. / IX.5.2.7. / IX.6.1.3. / IX.6.2.3. Postdigital: IX.5.2.7. / IX.6.2.3. Dimini-Kultur: III.1.1. Ding-an-sich: VII.6.1. / VIII.5.1. / VIII.5.3.1. Dionysos/dionysisch: III.2.1.3.2. / III.2.2.2. / III.2.5.4. / IV.5.1.3. / VIII.10.1. / IX.4.5.4. Diorama: VIII.3.1.2. Disegno/Colorire: V.8.2. / VI.4.1.2.f. / VI.6.3. / VI.6.4.1. / VI.7.3.2.2. / VI.8.3. / VII.4.2.2. / VII.6.3.2. / VIII.3.1.1. / VIII.8.1. / VIII.9.2.2. / IX.2.1.2. / IX.2.2.1. / X.1.3.2.3. / X.2.6.2. Dissonanz, Musik: IX.3.8.1.1.

divisio-analysis: V.4.2.4. Documenta: IX.5.0.ff. / IX.5.2. / IX.5.2.7. / IX.6.0. Dolmen: I.4.3.1. Domestikation: I.4.1. Dominikaner: V.7.2.2.2. / V.8.2. Domschulen: V.6.2.–V.6.2.4. Domus Aurea, Rom: III.3.1.4. / III.3.3.2.2. / III.3.3.3. Doppelaxt: III.1.2.2. dorisch, Säulenordnung: cf. Ordnung Dreidimensionalität: cf. Perspektive Drip-Gemälde: cf. Action-Painting; IX.2.1.2. / IX.5.2.1.f. Dromologie: IX.4.7.3. Druckgrafik: VI.2.0. / VII.3.5. / VIII.9.2.1. / X.3.5.1.5. Dschemdet-Nasr-Zeit: II.1.2.2.1. Dschihad: V.3.2. Dualismus: II.3.2.4.f. / VII.2.1.ff. Dubrovnik: VI.7.0. Dunkle Jahrhunderte: III.2.2.f. Dura-Europos: II.3.2.6.1. / IV.5.1.2. / IV.5.2.1. Dur-Scharrukin: II.1.2.6. Dynamik/Statik (Auswahl): I.3.5. / I.4.3.1. / III.2.1.2. / III.2.1.3.2. / III.2.3.1. / III.2.3.3.2. / III.2.4.ff. / VII.3.1.ff. / VIII.9.1.2. / IX.1.1. / IX.2.2.6. / IX.5.1.3. minoische D.: III.1.2.4.

Early Christians: cf. Pre-Raphaelite

­Brotherhood Earthwork: IX.5.2.5. École des Arts: VII.4.2.4.3.1. École des Beaux-Arts: VIII.3.2.3.1. / VIII.9.1.3. / VIII.9.2.3.2. / IX.2.2.10. / IX.2.3.2. École du Génie marin: VIII.3.2.3.1. École des Ingénieurs: VIII.3.2.3.1. École des Mines: VIII.3.2.3.1. École Polytechnique: VIII.3.2.3.1. École des Ponts et Chaussées: VIII.3.2.3.1. écriture: IX.4.4.2. Edessa: IV.8.2. Ehrenstatus: IX.3.9.8. Eigenlicht: cf. Licht/Lichtmystik eikon: III.2.4.3.2.6. / III.3.3.3. / IV.8.4. Ein-Alles: II.2.2.1. / II.2.3.2. / III.2.1.3.2. / III.2.2.1. / IV.3.4. / IV.7.3. / VIII.5.2.2. Einbildungskraft: VII.5.2.1. Einfühlung: VIII.6.1.7. / VIII.6.2.2. / VIII.9.2.3.2. / IX.2.2.8. / IX.3.2.3. / X.1.4.1.

Einheit/Einheitlichkeit/Ganzheit (Auswahl): cf. Henosis; cf. Gesamtkunstwerk; III.2.4.3.2.5.f. / IX.3.9.8. / X.4.2.1. Einswerdung: cf. Henosis Eisen: cf. Gusseisen Eisenbahn: VIII.2.1. Eklektizismus: III.2.5.4. / III.3.2. / IV.1.0. / V.3.4.2.4. / VII.4.1. / VII.4.2.4.3.1. / VII.5.2.1. / VIII.3.2.1.1. / VIII.3.2.2.1. / IX.4.6.1.f. Ekphrasis: III.3.4. / IV.4.0. / IV.4.1.3. / IV.6.2.2. El: II.1.2.6. / II.3.2.2. Élan vital: VIII.9.1.3.f. / VIII.9.2.3.2. / IX.2.2.4. Eleusis: III.2.1.2. Emanation: II.2.3.2. / III.2.4.3.2.4.ff. / IV.7.2.f. / V.3.3. / V.4.2.4. / VI.4.2. / VI.8.3. / VIII.5.2.1. Emblem/Emblematik: VI.4.1.3. / VI.6.1. / IX.3.4.1. Emotion/Emotionales (Auswahl): III.2.4.1.  / III.2.4.3.1. / III.2.4.3.2.4. / III.2.4.3.3.3. / III.2.5.4. / III.3.4.1. / IV.2.0. / IV.8.3. / V.3.2. / V.5.4.2.f. / V.8.2. / VII.4.1. / VII.4.2.4.2. / VII.4.2.4.3.2. / VII.5.2.2. / VII.5.2.5. / VIII.4.2. / VIII.6.1.7. / VIII.7.1.2. / VIII.10.1. / IX.3.9.2. / IX.3.9.4. / IX.3.9.8. / IX.5.2.1.f. / IX.5.2.6.3. / IX.5.3.2. / X.1.3.2.3. / X.2.2.2.f. / X.2.5. / X.2.7. / X.3.4. / X.3.5.1. / X.3.5.1.2. Empathie: VIII.6.2.2. / IX.3.2.3. Empfindung: VI.8.1.f. / VII.2.2.1.f. / VII.3.2. / VII.4.2.4.2. / VII.5.2.3.f. / VIII.6.2.1. / X.1.3.1. / X.1.4.1. Empirismus: III.2.4.3.1. / V.7.2.2.2. / V.7.3.2. / VI.4.2.6. / VII.1.5.4. / VII.2.0. / VII.3.1. / VII.4.2.3. / VII.4.2.4.3.1. / VII.5.0.–VII.6.3. / VII.7.0. / VIII.3.2.1.1. / VIII.3.2.3.2. / VIII.4.2. / VIII.6.1.7.f. / VIII.6.2.1. / VIII.9.1.3. / VIII.10.2. / X.2.3. Logischer E.: IX.3.9. Enkaustik: IV.8.1.f. / IX.5.2.2. Enthusiasmos: cf. Inspiration Entmythologisierung: III.2.2.2. / III.2.4.3.1. Entzauberung der Welt: VII.7.0. Enuma Elisch: II.1.2.2.1.1. Enzyklopädie/Enzyklopädisten: V.2.2. / VI.6.4.3. / VII.4.2.4.1. / VII.5.2.2. / VII.7.0. Ephesos: III.2.3.3.2. / III.2.4.2. / IV.3.3. Epikureismus: III.2.5.2. Epoché: III.2.5.2. / IX.3.5.1.1. Eremitage, St. Petersburg: IX.1.5.7.

Sachverzeichnis

Erfahrung ästhetische: IX.5.2. / IX.5.2.3. / IX.6.2.4. / X.1.4.ff. / X.3.5.1.2. Erhabenes: III.3.4.4. / VII.4.2.1. / VII.4.2.4.1. / VII.5.2.1. / VII.5.2.4. / VII.6.3.3. / VIII.3.1.1. / VIII.3.2.2.1. / VIII.3.2.3.1. / VIII.3.2.3.2.1. / VIII.4.1. / VIII.6.1.4. / VIII.7.1.1. / VIII.7.4.1.f. / IX.4.5.2. / IX.5.2.1. dynamisch E.: VII.6.3.3. mathematisch E.: VII.6.3.3. Erkenntnisurteil: VII.6.2.ff. Eros/Erotik: III.2.4.1. / V.7.1. / V.8.1. / VII.3.3. / VII.7.0. / VIII.7.5. / IX.5.2.6.4. Phanes/Eros: III.2.1.3.1.f. / VII.7.0. Platon: III.2.4.3.2.5. Erster Ort (Urhügel): II.2.2.1. Escorial: VI.7.1. / VII.1.5.2. / VII.4.2.4.3.2. Esoterik: IX.2.1.2.f. / IX.2.2.7. Esprit Nouveau, Zeitschrift: IX.2.3.5. Esse/Essentia: V.7.2.2.6.1. Essentialismus: X.2.0.f. Ethnologie: IX.4.4.1. Etrusker: III.3.1.2.ff. / VII.4.2.4.2. Eucharistie: IV.3.2. / IV.5.2.2. / IV.8.3. / V.7.1. / VII.1.3. / VIII.6.1.7. Europäische Union: IX.5.1.3. Evangeliar: IV.8.3. / V.4.2.4.f. Evangelien: IV.3.3. Evangelistar: V.4.2.4.f. Event: VIII.9.2.3.1. / IX.3.8.2. / IX.6.0. Evolutionstheorie: VIII.2.2. Ewigkeit: II.2.3.2. / II.2.6. / IV.8.4. / V.3.3. / V.4.2.5. / V.5.4.2. / VI.3.0. Exegese: IV.4.4. / V.3.3.1. / V.6.2.3. Expression: II.2.6.1. / V.3.3.1. / IX.2.0. / IX.3.2.4.f. / IX.3.3.2. / IX.3.9.4. / IX.3.9.6. / IX.5.2.6.3. / X.2.2.–X.2.2.3. Expressionismus: IX.2.0. / IX.2.2.1. / IX.2.3.2. / IX.3.2.1. / IX.5.3.2. Abstrakter E.: III.2.3.3.2. / VI.5.0.ff. / VI.5.3. / IX.2.1.1.f. / IX.4.5.2. / IX.5.2.ff. / IX.5.2.6. Expressionismusstreit: IX.3.2.1.

Fälschung: IX.6.2.4. / X.3.5.1.4.f.

Fallingwater, Haus: IX.2.3.1. / IX.2.3.3. / IX.6.1.2. Falte (pli) (Deleuze): VII.2.2.1. / VII.3.3. / IX.4.5.6. Familienähnlichkeit (Wittgenstein): IX.3.9.5. / X.2.1.

Farben/Farbentheorie: V.3.3.1. / VI.4.2.2. / VI.6.3. / VI.6.4.2. / VI.8.3. / VII.4.2.4.2. / VIII.4.2. / IX.2.1.2. / IX.2.2.1. / IX.2.2.9. / IX.3.1. / IX.5.2.1. farbige Antike: III.2.3.1. / VIII.3.2.1.2. Farbfeldmalerei: IX.2.1.2. / IX.5.2.1.f. Faschismus: IX.2.1.3. / IX.2.3.2. / IX.2.2.5. / IX.3.2.1. Fassade: II.1.2.2.1.2. / III.3.3.1. / III.3.3.2.1. / VIII.3.2.3.2.1. / IX.2.3.2. / IX.2.3.4.f. Fatimiden: V.3.4.2.3. Faustkeil: I.2.0. Fauvismus: IX.2.1.2. / IX.2.2.1. Fayum, Oase: IV.8.1. Federal Style: VII.4.2.4.3.1. felix aestheticus: VII.5.2.3. Felsendom: II.3.2.5. / IV.5.2.2. / V.3.4.2.1. Feminismus: VIII.2.1. / VIII.2.2.2. / IX.5.2.6.4. Ferrara: VI.7.3.2.2. Fest: II.2.1.2. / IX.3.7. Feuer: I.1.0. / I.4.2. / III.2.1.2. Fibonacci-Zahlen: V.7.0. / IX.2.3.5. fides quaerens intellectum: V.7.2. / V.7.2.2.6.1. figura serpentinata: VI.8.3. / VIII.9.2.3.2. Figurstein: I.2.0. / I.3.1. / IX.5.2.6.4. / X.3.2. Filioque-Streit: IV.3.5. / IV.6.1. Film: IX.3.8.1.1. / IX.3.8.2. / IX.4.5.1. / IX.4.5.6. / IX.4.7.3. / X.3.5.1.5. Fin de Siècle: VIII.9.2.3.2.f. firmitas: III.3.4.3. / VI.7.3.2.2. / VII.4.1. Flachdach: IX.2.2.8. / IX.2.3.5. Fläche/Flächigkeit: IV.5.2.2. / IV.8.2. / VI.5.3. / IX.5.2.2. / X.2.2.2. / X.4.2.1. / X.4.2.3. Flaneur: VIII.2.2. / VIII.7.1.2. / VIII.9.1.2. Fliesenkunst: V.3.4.2.5. Florenz: VI.1.0. / VI.2.0. / VI.3.4. / VI.6.2. / VI.7.2. / VI.7.3.1. Fluchtpunkt: VI.4.2.1. / VI.5.0.ff. / VII.4.1. / VII.4.2.2. / IX.5.2.7. Flügelaltar: V.7.3.2. Fluxus: IX.5.2.6.f. / IX.5.2.6.3. / IX.5.2.6.5. / X.3.5.1.4. Folter: V.8.1. Fontainebleau: VIII.7.4.3. / VIII.9.2. Form: VII.5.2.1. / VII.6.3.1.ff. / VIII.4.1. / ­VIII.6.1.3.f. / VIII.6.2.1. / VIII.9.2.3.2.f. / IX.2.2.8. / X.1.3.2.3. expressive form: IX.3.9.8./ X.1.3.2.3.

F.-Funktion: VIII.3.2.2.1. / VIII.3.2.3.1. / VIII.3.2.3.2.2. / VIII.9.2.3.3. / IX.5.3. F.-Materie: III.2.4.3.3.3. / VI.4.2.2.f. / VI.4.2.5. / VI.6.4.3. / VI.7.3.4. / VII.5.2.1. / IX.4.5.2. geometrische F.: IX.2.3.5. / IX.3.1. F. als Nicht-Identisches: IX.3.8.1.2. offene/geschlossene F.: I.4.3.1. organische F.: IX.2.3.5. Formalismus: IX.2.2.7. form follows function: VIII.3.2.2.1. / VIII.9.2.3.3. / IX.5.3.1. / X.1.3.2.3. Fortschritt: VII.2.1. / VIII.2.2. / VIII.3.2.3.1. / VIII.5.3.1. / VIII.9.1.1.f. / IX.2.2.3. / IX.2.2.6. / IX.5.1.2. Forum: III.3.1.3. / III.3.3.2.2. Kaiserforen: III.3.1.3. / III.3.3.2.1. Fotografie: VIII.3.1.2. / IX.4.4.2. / IX.4.7.2.ff. / IX.5.2. / IX.5.2.7. / X.3.4. Fragment/Aphorismus: III.2.3.3.2. / III.3.1.3. / VIII.7.0.f. / VIII.7.3. / VIII.10.1. Franken/Frankenreich: V.1.0. Frankfurter Schule: IX.3.8.ff. Franziskaner: V.7.2.2.2. / V.8.2. Freidenker: VII.7.0. Freiheitsstatue: VIII.2.1. Freimaurer: VII.4.2.4.3.1. / VII.7.0. / VIII.3.2.3.1. Fresko: III.1.2.3. / III.3.1.1. / VI.6.3. Friedenskirchen: VII.1.1. Frömmigkeit: II.2.2.2. / V.7.1. / V.8.1. / VI.6.2. / VII.1.3. Fronleichnam: V.5.3.2. / V.6.2.4. Frontalität: III.3.3.1. / IV.2.0. Fruchtbarer Halbmond: I.4.1. / II.1.1. Fruchtbarkeit: I.3.1. / I.4.2. / I.4.3.4. / I.5.0. / II.1.2.1. / II.1.2.2.1.1. / II.2.1.2. / II.2.3.1. / II.2.4. / II.3.2.1. / III.2.1.2. Frühlicht, Zeitschrift: IX.2.2.8. / IX.3.1. Fugger/Fuggerei: VI.3.3. Funk Art: IX.5.2.2. Funktion/Funktionalität/Funktionalismus: VII.4.2.4.3.2. / VII.5.1. / VIII.3.2.2.2. / ­VIII.3.2.3.f. / VIII.3.2.3.1. / VIII.3.2.3.2.1. / VIII.9.2.3.3. / VIII.10.2. / IX.2.2.8. / IX.2.3.1.ff. / IX.2.3.5. / IX.4.6.2. / IX.5.1.2. / IX.5.3.ff. / IX.6.1.4. / X.2.6.1. / X.2.7. Futurismus: VIII.3.2.3.2.2. / VIII.9.1.2. / IX.2.2.6.f. russischer F.: IX.2.2. / IX.2.2.7.

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Sachverzeichnis

Gabe/Gegengabe: V.5.2. Galerie 291, New York: IX.2.0. / IX.2.2.10. Garten/Gartenarchitektur: V.3.4.2.1. / VIII.3.2.1.1. / VIII.7.1.1. Barock: VII.1.5.3. englischer G.: VII.5.2.5. französischer G.: VII.1.5.3. / VII.4.2.4.3.1. / VII.5.2.5. Persisches Reich: II.1.2.8. Gartenstadt: IX.2.3.1. Gaura-Zeit: II.1.2.2.1. Gedächtnis kulturelles: V.5.1. Gefühl/Gefühlsästhetik: VII.4.2.1. / VII.5.2.1. Gegenreformation: VII.1.4. / VIII.8.2. Gegenstandslosigkeit: IX.1.0.ff. / IX.2.1.2. / X.2.5. / X.2.6.2. Geierstele: II.1.2.2.2. / II.2.4. Geist-Materie: III.2.1.1.f. / III.2.4.3.3.3. / IV.3.5. / IV.4.3. / V.6.2.3. / VII.5.2.1. / IX.4.7.5. / IX.5.2.6.4. Gemeinsinn: III.2.4.3.3.3. / VII.5.1. / VII.6.3.2. Genie (Auswahl): III.2.4.3.2.3. / III.2.4.3.2.6. / III.3.4.1.f. / V.3.3.2. / VII.4.1. / VII.5.2.1. / VII.6.3.4. / VII.7.0. / VIII.6.1.1. / VIII.6.1.4. / VIII.7.1.2. / VIII.7.4.f. / IX.2.2.5. / X.1.2.1. X.2.2. Genieästhetik: III.2.4.3.2.3. / VII.5.2.1.f. / VIII.5.3.3. / VIII.6.1.7. / VIII.7.1. / VIII.7.4.1.ff. Klassizismus: VII.4.2.4.3.1. / VIII.3.2.1.1. / VIII.4.2. Neuzeit: VII.1.5.3.ff. / VII.3.1.ff. / VII.4.1. / VII.4.2.1.–VII.4.2.4. G./Regelästhetik: III.3.4.1. / VII.1.5.4. / VIII.7.4.1. / VIII.7.4.3. Renaissance: VI.4.1.2. / VI.4.2.1.f. / VI.5.1. / VI.6.1. / VI.7.1. / VI.8.3. Romantik: VIII.7.2. Genremalerei: VII.5.2.2. / VIII.9.2.1. Genuss: V.3.3.3. / V.4.2.3. / VI.6.4.2. / VII.2.2.2. / VII.5.2.1. / VII.6.3.1. / VIII.6.1.6. Geometrie/Proportion (Auswahl): III.2.1. / IV.8.4. / V.3.3.1. / V.5.0.ff. / VI.6.4.2. / VI.7.0. / VI.7.2. / VI.7.3.4. / VI.8.3. / VII.1.5.3. / VIII.3.2.3.1. / IX.2.1.2. / IX.2.2.9. / IX.2.3.5. Geometrischer Stil: cf. Stil Gerade: cf. Linie; I.4.3.1. Gesamtkunstwerk: IV.6.2.1. / VII.2.2.1. / VII.3.1. / VII.3.3. / VII.3.6. / VII.4.1. / VIII.6.1.4. / VIII.9.2.3.2.f. / VIII.10.1. / IX.2.2.8. / X.2.6.3.

Geschmack/Geschmacksurteil: VII.2.2.2. / VII.5.1. / VII.5.2.2.ff. / VII.5.2.6. / VII.6.3.ff. / IX.3.9.8. / X.1.2.1. / X.2.3. Gestikkultur: V.6.1. get involved: IX.5.2.6.2. / IX.6.2.1. Getreidebearbeitung: I.4.2. / III.2.1.2. Gewaltenteilung: VII.5.1. / VII.7.0. Gewölbe: III.1.2.2.1.2. / IV.6.2.1.f. / V.3.4.1. / V.3.4.2.1. / V.8.2. / VI.7.2. / VII.4.1. VIII.9.2.3.3. Rippengewölbe: V.7.3.1. römisch: III.3.3.1. Tonnengewölbe: V.7.3.1. Gilgamesch-Epos: II.1.2.2.1.1. Gladiatorenspiele: III.3.1.3. Gläserne Kette, Künstlerbund: IX.2.2.8. Glas: VIII.3.2.3.2. / IX.2.2.7.f. / IX.2.3.1.ff. Glasmalerei: V.7.3.2. Glasgow School of Art: VIII.9.2.3.3. Gleichgewichtsdenken, Politik: VII.1.1. Glitch-Ästhetik: IX.6.2.3. Globalisierung: IX.6.0. Glyptik: II.1.2.2.1. / II.1.2.3. Glyptothek, München: VIII.8.1. Gnosis/gnostisch: IV.4.2. / IV.4.4. / VII.2.1. / IX.2.2.3. / IX.5.2.7. Gobelin/Werkstätte: VII.1.5.3. Göbekli Tepe: I.4.3.2. Gold/Edelstein/Luxus: II.3.2.6.1. / II.4.0. / IV.5.2.2. / IV.6.2.f. / IV.7.2. / IV.8.3. / V.4.2.4. / V.5.1. / V.6.2.3.f. / VI.2.0. / VI.7.3.2.2. Goldener Schnitt: III.2.2.3. / V.7.1. / IX.2.3.5. Goldgrund: IV.5.2.2. / V.4.2.4. / V.5.2. / VI.5.2. / VI.6.2. Goten: IV.1.2. Gotik: V.7.3.–V.7.4. / VIII.4.2. / IX.2.2.8. / IX.2.3.3. Entstehung: V.6.2.3. / V.7.3.ff. Internationale G.: V.8.1. G. und Jugendstil: VIII.9.2.3.2.f. G. im Klassizismus: VII.4.1. / VII.4.2.4.3.2. Neugotik: VII.4.2.3. / VIII.3.1.1. / VIII.3.2.1.1. / VIII.3.2.2.1.f. / ­VIII.3.2.3.2.1.f.  / VIII.6.1.4. philosophische Hintergründe: V.7.4. G. in der Renaissance-Zeit: VI.1.0. G. und Romantik: VIII.7.2. Spätgotik: V.8.2. Gott/Götter: Ackerbaugott: II.1.2.2.1.1.

Anthropomorphie: II.1.2.2.1.1. G. als Architekt/Künstler: V.3.3.2. / V.6.2.1. / VI.4.1.2. / VII.4.2.4.1. / VII.4.2.4.3.2. berechenbarer G.: VII.2.2.1. Berggott: II.1.2.2.1.1. chthonische G.: cf. Chthonisches; III.2.3.2. Götterdreiheit: II.2.2.1. G. als Einheit: cf. Einheit/Einheitlichkeit/Ganzheit; cf. Henosis; IV.7.2. / VI.7.2. G. als Harmonie/Zahl: IV.4.3. / VI.7.2. Hegel: VIII.5.3.2.3. Himmels-/Lichtgott: III.2.1.1. / III.2.2.2. G. als Hirt: II.1.2.2.1.1. / II.2.2.2. / IV.3.2. / IV.3.4. G. als Chaosbekämpfer/Ordnungsstifter: I.4.3.4. / II.1.2.8. / II.3.2.1. / II.3.2.4. / II.4.0. / / III.2.4.3.2.5. Schau G.s: II.2.3.1. G. als Schönheit: II.2.3.1. / II.2.6.1. / II.3.2.6. / VII.4.2.4.2. Selbstentfaltung: cf. Ein-Alles; II.2.3.2. Transzendenz: V.7.2.2.6.f. G. als Vater/Mutter: II.2.2.2. Weltbaumeister: VII.5.1. Wettergott: II.1.2.2.1.1. / III.1.2.2. Willkürgott: VII.2.2.1. Gottesbeweis: VII.5.1. / VIII.5.3.1. Gottessohn: II.1.2.2.1.1. / II.2.2.2. / III.2.5.1. / III.3.1.4. / IV.3.3. / IV.4.0. / IV.5.2.2. / IV.6.2.2. Grab/Grabeskunst: Ägypten: II.2.3.3. / II.2.6.1. Antike: III.2.3.1. / III.3.2. etruskisch: III.3.1.2. islamisch: V.3.4.2.2.f. Kammergräber: III.1.2.3. / III.3.1.2. Kuppelgräber: III.2.1. / III.3.1.2. minoisch: III.1.2.1.f. G. neolithisch: I.4.3.1. römisch: III.3.3.3. Schachtgräber: III.2.1. Spätantike/frühchristliche G.: IV.5.1.1.f. Tholosgräber: III.1.2.1. / III.3.1.2. Graffito-Kunst: IX.6.2.1.f. Grafik: cf. Druckgrafik Granada: V.3.4.2.1. Grand Galerie, Paris: VII.5.2.2. Grand Terreur: VIII.1.1.

Sachverzeichnis

Grand Tour: VII.4.2.3. / VII.5.2.5. / VIII.3.2.1.1. / VIII.9.1.3. Greenwich Mean Time: VIII.2.2.2. Griechenland-Rezeption: VII.4.2.4.2. / ­VIII.3.2.1.1.f. Griechisch-Römischer Streit: VII.4.2.4.2. / VIII.3.2.1.1. Große Göttin/Mutter: cf. Muttergottheit; I.3.2. / I.5.0. / II.1.2.2.1.1. / III.1.2.1. / III.3.2. Grotte/Groteske: VI.8.1. Gruppe 7, Architektengruppe: IX.2.3.2. Gusseisen: VIII.3.2.2.2. / VIII.3.2.3.2.ff. Gutai: VIII.10.2. / IX.5.2.1. Gutenberg-Galaxis: IX.4.7.1.f. Guter Hirt: cf. Gott/Götter

Hadith: V.3.2. Hängende Gärten der Semiramis: II.1.2.7. Hässlich/Hässlichkeit: V.2.4. / V.7.2.2.5. / VII.2.1. / VII.4.2.4.2. / VII.5.2.1. / VII.5.2.3. / VII.6.3.4. / VIII.6.1.1. / VIII.6.1.3. / ­VIII.6.1.6.f. / VIII.9.1.2. / VIII.10.1. / X.1.2.1. Hagia Sophia, Istanbul: IV.6.1. / IV.6.2.2. / V.3.4.2.5. / VI.7.2. Handarbeit/Handwerk: I.2.0. / III.2.4.1.f. / V.3.3.2. / V.3.4. / V.5.3.1. / VI.4.1.2.f. / VI.7.3.2.2. / VII.4.2.4.3.1. / ­VIII.3.2.3.2.1.ff. / VIII.9.2.3.2.f. / IX.2.2.8. / IX.3.2.4.f. / IX.5.1.2. / X.2.0. / X.2.6.2.f. Handschriften: IV.5.1.1. / V.4.2.2. / V.4.2.5. / V.5.3.2. / VI.2.0. Handsilhouetten/Handabdrücke: I.3.1. / I.3.3. / I.4.3.4. Hanse/Hanse-Städte: V.8.2. Happening: IX.5.2.6.–IX.5.2.6.5. Harmonie/Maß/Zahl (Auswahl): cf. Schönheit; II.1.2.2.1.1. / II.4.0. / III.2.1.2. / III.2.2.3. / III.2.3.2. / III.2.4.1. / III.2.4.3.2.5.f. / III.2.5.2. / III.3.4.1. / IV.4.3. / IV.7.2. / V.2.1. / V.2.2. / V.4.2.4. / V.7.2.2.3.f. / VI.4.2.6. / VI.5.0. / VI.7.2. / VI.8.3. / VII.2.2.1. / VII.3.4. / VII.4.2.1. / VII.4.2.4.1. / VII.4.2.4.3.2. / VII.5.1.3. / VII.5.2.2. / VIII.7.4.1. / IX.2.2.9. / IX.2.3.5. / IX.3.7. / X.2.6.3. Hathor: II.2.3.3. Haus: I.4.3.3. / II.1.2.1. Hofhaus: II.1.2.1. Mittelsaalhaus: II.1.2.1. römisches H.: III.3.3.2.2. / IV.5.2.1.

H. als Wohnmaschine: IX.2.3.5. Hauskirchen: cf. Kirche Hausmannisierung: VIII.2.2. / VIII.2.2.2. Heidelberg: VIII.7.2.f. Heidenverfolgung: IV.3.1. / IV.6.1. Heilige Hochzeit: cf. hieros gamos Heiliges Römisches Reich: VI.2.0. / VIII.1.2. Heißluftballon: VII.1.2. Heliopolis: II.2.2.1. Helios: cf. Sol/Helios/Sonne Hellenismus: II.3.2.5. / II.3.2.6.1. / III.2.5.– III.2.5.4. / VIII.10.3. Philosophenschulen im H.: III.2.5.1.f. Henosis: IV.7.2. / VII.4.1. / VIII.5.3.1. / VIII.5.3.3. / VIII.6.1.1. / VIII.7.4.1. / VIII.9.1.2. Herculaneum: cf. Pompeji/Paestum/­ Herculaneum Herdaltar/Herdkult: III.2.1. / III.3.2. Hermeneutik: VIII.7.1. / IX.3.2.3. / IX.3.7. / IX.4.5.1. / X.1.3.2.2. / X.2.3. / X.3.5.1.2. / X.4.2.1. Hermetik: cf. Corpus Hermeticum Hesychasmus: IV.4.4. Heterogenes: IX.4.5.1.–IX.4.5.4. Hierarchie: IV.7.2.f. / V.5.4.1. / V.6.2.3. Hieroglyphica/Hieroglyphenschrift: II.2.3.1. / II.2.7. / VI.3.2. / VI.8.3. / IX.3.4.1. hieros gamos: II.1.2.2.1.f. / II.2.2.1. / II.4.0. Himmel/himmlisch: cf. Chthonisches; II.3.2.4. / III.1.2.2. / III.2.1.1. Himmel-Erde-Trennung: II.1.2.2.1.1. / III.2.1.3.1. Hiphop: IX.6.2.1.f. Hiphop-DJ: IX.6.2.1. Hippies: IX.5.1.1.1. hippodamisches System: II.2.1.2. / III.2.3.2. / III.2.5.1. / VI.7.1. / VII.4.2.4.3.1. Hisperica Famina: V.4.1. Historienmalerei: VII.1.5.4. / VII.5.2.2. / VIII.6.1.7. Historismus: VIII.3.2.2.1.ff. / VIII.3.2.3.1. / IX.2.2.8. / IX.2.3.1. / IX.4.6.2. Hitda Codex: V.5.2. Hochhaus: VIII.9.2.3.3. / IX.2.2.8. / IX.2.3.2.– IX.2.3.5. Hochland, Zeitschrift: VIII.8.2. Höhle: I.1.3.1. / I.3.3. / III.1.2.2. Altamira: I.3.1. Lascaux: I.3.1. Höhlenkunst: I.3.1.f. / I.3.3. Hölle: II.2.3.3.

Holocaust: IX.4.1. Holz, Material: II.3.2.6.1. Holzschnitt: VI.2.0. Homini: I.1.0. Hominiden: I.1.0. Homo: H. erectus: I.1.0.f. / I.3.1. H. ludens: I.2.0. / VIII.4.1. H. sapiens: I.1.0. / I.3.1. homousios/homoiusios: IV.4.2. Horapollon: II.2.7. / IX.3.4.1. Horen, Zeitschrift: VIII.4.2. / VIII.7.3. Hornaltar: III.1.2.2. horror vacui: V.3.4.2.1.f. / VII.4.2.4. / VIII.9.2.3.3. Horus: II.2.2.1.f. / II.2.3.1. Hostie/Hostienwunder: V.5.3.2. / V.6.2.4. Humanismus: Antike: III.2.4.3.1. Byzanz: IV.6.1. Deutscher Idealismus: VIII.5.3.3. Renaissance/Neuzeit: VI.3.0. / VI.3.3. / VI.4.0.ff. / VI.4.2.4. / VI.5.0.ff. / VI.7.3.2.2. / VII.7.0. Hunnen: IV.1.2. Hygiene: VII.1.1. / VIII.2.2.1.f. / VIII.9.2.3.3. / IX.2.1.1. / IX.2.2.8. / IX.2.3.1. / IX.2.3.5. Hyksos: II.2.1.2. Hypnerotomachia Polyphili: VI.2.0. / VII.4.2.4.3.1. Hypostase: IV.7.2.

iconic turn: cf. turn

Idealismus: VII.4.2.4. / VIII.6.2.2. / VIII.10.2. / IX.2.2.9. / IX.2.3.5. Absoluter I.: VIII.6.2. Deutscher I.: VIII.5.0.–VIII.6.2. / ­VIII.7.1.f. / VIII.7.4. / IX.3.2.1. Idealstadt: cf. Stadt Idealstadt-Veduten: VI.4.2.6. Identitätsphilosophie: VIII.5.2.1. / VIII.7.4.2. Idiolekt: X.3.3. Idolatrie: II.2.3.1. Idole: VII.5.1. Kykladen: I.4.3.4. / III.1.2.1. Ikone: III.3.3.3. / IV.2.0. / IV.6.2.2. / IV.7.2. / IV.8.1.–IV.8.4. / VI.4.2.1. / VIII.6.1.2. / IX.2.1.2.f. / IX.2.2.7. / IX.4.5.2. / IX.5.2.1. / X.1.3.2.3. / X.2.2.3. / X.3.4. Keramidion: IV.8.2. Mandylion: IV.8.2.

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Ikonik: IX.3.4.2. / X.2.7. Ikonische Differenz: cf. Differenz Ikonographie: IX.3.4.ff. Ikonoklasmus: cf. Bilderverbot/Bilderstreit Ikonologie: IX.3.4.ff. Ikonostase: IV.8.2. Ilias/Odyssee: III.2.2.2. Il Novecento, Architektengruppe: IX.2.3.2. Imagination: VIII.7.1. / VIII.7.3. / IX.3.2.5. Imperium (Begriff): III.3.1.3. Impressionismus: VIII.9.2.ff. / IX.2.0. / IX.2.1.2. / IX.2.2.1. Independent Group: IX.5.2.2. Individuum/Individualisierung: Alte Hochkulturen: II.2.6.1. Antike: III.2.4.1. / III.3.2. Aufklärung: VII.7.0. Mittelalter: V.5.4.2. / V.7.1. / V.7.2.2.6.1. / V.7.3.1. / V.8.1.ff. Moderne: VIII.6.1.6. / VIII.9.1.f. / VIII.10.1. / IX.2.2.5. / IX.3.2.1. / IX.4.1. Neuzeit: VII.1.1. / VII.1.3. / VII.1.5.5. / VII.2.2.2. / VII.5.1. Postmoderne: IX.4.4.–IX.4.7.4. Renaissance: VI.2.0.f. / VI.4.2. / VI.4.2.6. / VI.5.1. / VI.6.4.1. Romantik: VIII.7.1.ff. / VIII.7.4.1. Induktion: VII.5.0.f. / VIII.9.2.1. Industrialisierung/Industrialisierungs­ kritik: VIII.3.2.3.2.–VIII.3.2.3.2.3. / IX.2.3.4.f. / IX.3.2.1. / IX.6.1.1. Industrieproduktion: VIII.6.1.3. / VIII.9.2.3.2.f. / IX.2.2.8. / IX.2.3.3. / IX.5.3. Informel: IX.5.2.1. / IX.5.2.6.4. Ingenieur/Ingenieurskunst: VIII.3.2.3.f. / VIII.3.2.3.2.2. / IX.2.2.8. / IX.2.3.5. Initial: V.4.1. Inkarnation/Pneumatologie: IV.3.5. / IV.4.2.f. / IV.8.3.f. / V.3.2. / V.5.3.2. Inlibration: IV.3.1.f. / V.3.4.2.2. Inspiration: III.2.4.3.2.3. / III.2.4.3.3.3. / V.3.3. / VIII.7.1.2. Institut für Sozialforschung, Frankfurt: IX.3.8.ff. Institutionentheorie d. Kunst: IX.3.9.3.f. / IX.3.9.6. / X.2.8. instrumentelle Vernunft: cf. Vernunft integritas: V.7.2.2.6.2. / V.8.2. / VI.8.2. / IX.5.3. intellectus agens/intellectus possibilis: V.3.3.f. / V.7.2.2.6.2

Intention: I.2.0. / IX.3.8.1.2. / IX.3.9.3. / X.3.2. Intentionalität: IX.3.5.1.1. Interesselosigkeit/Zweckfreiheit: VII.4.2.4.1. / VII.5.2.1. / VIII.3.2.3.2.1. / VIII.4.1. / VIII.6.1.7. / VIII.9.0. / IX.3.9.7. / X.1.4.1. Intermedialität: X.2.6.3. International Klein Blue (I.K.B.): IX.5.2.6.4. International Style: VII.3.4. / IX.2.2.8.f. / IX.2.3.1. / IX.2.3.4.f. / IX.5.1. / IX.5.3.f. Internationalismus: IX.6.0. Internet: IX.4.7.5. / IX.5.2.7. Intertextualität: IX.4.4.1. / IX.4.5.1. intrinsic meaning: IX.3.4.2. Intuition: IX.3.2.4.f. / X.2.2.3. Inventio: VI.6.4.2. / VI.7.3.2.2. / VI.8.3. / VII.4.2.1. / VII.4.2.4.1. Investitur: V.5.1. ionisch, Säulenordnung: cf. Ordnung Ironie: VIII.7.3.f. Isis: II.2.1.2. / II.2.3.2.f. Istanbul: cf. Byzanz; IV.6.1. Iterativismus: IX.2.2.7. Iwan: V.3.4.1. / V.3.4.2.4.

Jäger und Sammlerkultur: I.3.1. / I.3.5.

Die Jähzornigen: IX.5.2. Jagdmagie: I.3.3. Jehowistisches Geschichtswerk: II.3.2.6. Jena: VIII.4.1. / VIII.5.0.ff. / VIII.5.3. / VIII.7.2.f. Jerusalem: II.3.0. / II.3.2.1.–II.3.2.6.2. / IV.3.1. / V.3.2. allegorisch: V.5.4.1. JHWE: II.1.2.6. / II.3.2.2.–II.3.2.6.1. Königtum J.s: II.3.2.3. Judentum: II.3.0.–II.3.2.6.2. Die Jugend, Zeitschrift: VIII.9.2.3.2. Jugendstil: VIII.3.2.3.2.3. / VIII.9.2.3.1.f. / IX.2.2.4. / IX.2.2.8. / IX.2.3.2. Junges Deutschland: VIII.6.1.1. / VIII.9.0. Jungfrauenkult: III.2.1.1.

Kairo: V.3.2. / V.3.4.2.3. / VIII.7.2.

Kaiserpalast, Konstantinopel: IV.6.2.2. Kalligraphie: cf. Schrift Kapitalismus: VII.1.5.4. Kapitell: III.2.3.2. / IV.8.3. / VI.7.0. Karikatur: VIII.6.1.3. / VIII.6.1.7. / VIII.7.5. / VIII.9.2.1. Karlskirche, Wien: VII.1.5.6. Karnak-Tempel, Luxor: II.2.5.

Karthago: III.3.1.3.f. / III.3.3.2.2. / IV.1.2. Katakombe: IV.5.1.1. Kategorien (Aristoteles): III.2.4.3.3.2. Kategorischer Imperativ: VII.6.2. Katharsis: III.2.4.3.3.3. / V.3.3.1. / VII.5.2.1. / IX.3.2.1. / IX.5.2.6.3. Kathedrale/Philosophie der Kathedrale: V.7.4. / IX.2.2.8. Kathedralschulen: V.7.2. Katholizismus/katholisch: IV.4.2. / V.2.1. / VI.2.0. / VII.1.1. / VII.1.4. / VII.1.5.2. / VII.1.5.6. / VII.3.1. / VII.3.4. / VIII.3.2.1.1. / VIII.8.1.f. Kausalität: Aristoteles: III.2.4.3.3.2. Deutscher Idealismus: VIII.5.2.1. Thomas von Aquin: V.7.2.2.6.3. Keilschrift: II.1.2.2.1. / II.2.7. Keramidion: cf. Ikone Keramik: Gefäßkeramik: I.4.3.3. / III.2.3.1. Lüsterkeramik: V.3.4.2.2. osmanisch: V.3.4.2.5. Ursprünge: I.3.5. / I.4.3.3. / II.1.2.1. Kiblawand: cf. Qibla Kirche: VIII.6.1.1. / VIII.8.1.f. Hauskirchen paulinisch: IV.5.2.1. mystischer Körper: V.3.3.1. / V.5.3.2. / VI.2.0. / VII.1.3.f. / VII.3.1. Renaissance: VI.2.0. Kirchenväter: IV.4.0.ff. Kirchturm: VI.3.4. Kitsch: VIII.3.1.2. / VIII.8.2. / IX.5.2.2. / X.2.3. Klangfarben: IX.2.1.2. Klasse/Klassenbewusstsein: VIII.1.2. Klassik: III.2.4.ff. / VI.1.0. / VI.8.2. / VII.3.1. / VII.4.2.–VII.4.2.4.3.2. / VIII.7.1.1.f. Klassizismus: VI.1.0. / VI.7.3.4. / VI.8.2.f. / VII.1.4. / VII.2.2. / VII.2.2.2. / VII.3.1.– VII.3.6. / VII.4.1.–VII.4.2.4.3.2. / VII.5.2.1.– VII.6.1. / VIII.3.2.1.ff. / VIII.3.2.2.2. / VIII.4.2. / VIII.7.1.1. / VIII.7.4.2. / VIII.7.5. Neoklassizismus: VIII.3.2.1.1. Kloster: IV.4.4. / V.1.0. / V.4.2.2. Klosterplan: V.4.2.2. / V.5.2. Knossos: III.1.2.1.ff. Kodak Nr.1: VIII.3.1.2. Köln: VIII.3.2.2.2. König/Königtum: II.1.2.2.1. göttliche Geburt: II.2.1.2. Hirt des Volkes: II.1.2.3. / II.1.2.5.

Sachverzeichnis

Königskind: II.2.3.1. Königstitel: II.1.2.3. Ordnungsstifter: II.1.2.5. / II.2.2.2. / II.4.0. / X.1.3.1. Priester-König: II.1.2.2.1. / III.1.2.3. Sakralisierung: IV.1.1. / IV.5.1.3. / IV.6.1. Schlagen der Feinde: II.2.1.2. / III.3.2. / IV.6.2.2. / V.5.4.1. / X.2.7. Schönheit: II.4.0. / X.1.3.1. Vergöttlichung: II.1.2.2.2. / II.1.2.3.f. / II.2.2.2. Königsberg: VII.6.0. Königslisten: II.1.1. Königsmythos: II.1.2.4. / V.1.0. / V.4.2.1. Körper/Körperlichkeit: V.3.2. / V.5.3.2. / IX.2.5.3. / IX.4.5.3. / IX.5.2.6.4. / X.2.2.3. / X.2.6.1. / X.2.6.3. Ägypten: II.2.6.1. K. der Kirche: cf. Kirche K. und Leib: IX.3.5.2. Mittelalter: V.5.3.2. / V.8.1. Neuzeit/Mystik: VII.1.3.f. Renaissance: VI.2.0. / VI.7.0. Körperkunst: cf. Body Art Kolosseum, Rom: III.3.1.4. Komik/Komisches: VIII.6.1.1. Kommune: IX.2.2.2. / IX.5.2.6.4. Kommunismus: VIII.6.1.1. / IX.2.2.5. / IX.2.2.7. / IX.3.8.2. Kommunistische Internationale: IX.2.2.3. Kommunistische Partei: IX.3.9.1. Kompensationsthese: VII.2.1. konkrete Kunst: cf. Kunst Konstantinische Schenkung: IV.6.1. Konstantinopel: cf. Byzanz Konstantinsbogen: IV.1.0. / IV.2.0. / IV.5.1.3. / IV.6.1. / IV.6.2.3. Konstruktivismus: VIII.5.1. / VIII.6.2.2. / VIII.9.2.3.3. / VIII.10.2. / IX.2.2.9. / IX.3.3.1. / IX.3.7. / IX.3.9.2. / X.1.4.2. / X.2.2.2. Konsul: III.3.1.3. Kontemplation: V.6.2.2. / VIII.6.1.4. Kontrapost: III.2.4.ff. Konyateppiche: cf. Teppichkunst Konzeptkunst: IX.2.2.10. Konzil: Basel: VI.4.2.1. / VI.7.2. Chalcedon: IV.4.2. Ephesos: IV.4.2. Ferrara: VI.4.2.1.

Hiereia: IV.8.3. / V.4.2.3. Konstantinopel: IV.4.2. Konstanz: V.8.1. Nizäa: IV.1.1. / IV.4.2. / IV.8.3.f. / V.4.2.2.f. Toledo: IV.4.2. Trient: IV.4.3. / VI.2.0. / VII.1.3. / VII.1.5.2. Kopie: cf. Replik Kopieren/Kopisten: III.2.5.1. / III.2.5.4. / III.3.3.3. / IX.6.1.2. / X.2.2.1. / X.3.5.3. Koran: V.3.1.f. / V.3.3.f. / V.3.4.2.2.ff. / X.1.4.1. Rezitation: V.3.2.f. / X.3.5.1.1. Korbträger: II.1.2.2.1.2. / II.1.2.6. Kore: III.2.3.1. korinthisch, Säulenordnung: cf. Ordnung Kosmos (Auswahl): III.2.2.3. / III.2.3.3.2. / IV.3.4. / IV.5.1.4. / IV.6.2.1.f. / IV.7.2. / V.4.2.4. / V.6.2.2. / VI.4.2.1.f. / VI.4.2.5. / VI.6.3. / VI.7.0.f. / VII.1.5.3. / VII.2.2.1. / VII.4.2.4.1. / VII.5.2.1. Kosmosordnung: I.4.2. / III.3.2. / VII.4.2.4.1. / VII.5.2.1. Kosmotheologie: II.2.3.2. / VII.2.2.1. / IX.2.2.7. Kouros: III.2.3.1. KPF (Kommunistische Partei Frankreichs): IX.2.2.5. Kreisform: I.4.3.1. / I.4.3.4. / IV.6.2.1. / VI.7.2. / VI.7.3.4. / VIII.3.2.3.1. Kreta: III.1.2.–III.1.2.4. Kreuz/Kruzifix: IV.5.1.1. / IV.6.2.1. / IV.8.3. / V.4.2.3. / V.5.2. / V.5.4.2. Kreuzform: I.4.2. / VI.7.2. / VI.8.3. / VII.1.5.1. Kreuzkuppelkirche: cf. Zentralbau Kreuzzüge: V.3.2. / V.5.1. Krieg: Bürgerkrieg Amerika: VIII.2.1. Dreißigjähriger K.: VII.1.1. / VII.2.2.1. / VII.3.3. / VII.4.2.3. Erbfolgekrieg Spanien: VII.1.5.2. Erster Weltkrieg: IX.1.2.ff. / IX.2.2. / IX.2.2.3. / IX.2.2.6.f. Hundertjähriger K.: V.8.1. Jüdisch-römische K.e: IV.3.1. Koalitionskriege: VIII.1.1. Königgrätz: VIII.1.3. Krimkrieg: VIII.1.3. Makedonisch-Römischer K.: III.2.5.1. Napoleonische K.: VIII.1.2. Nordischer K.: VII.1.5.2. Peloponnesischer K.: III.2.2.1. Perserkriege Athens: III.2.2.1.

Punische K.: III.3.1.3. Russisch-Japanischer K.: IX.1.3. Samnitenkriege: III.3.1.3. Siebenjähriger K.: VII.1.1. / VII.1.5.6. Trojanischer K.: III.2.2.2. Türkenkrieg russ.-österr.: VII.1.5.7. Unabhängigkeitskrieg Griechenland: VIII.1.3. Vaterländischer K.: VIII.6.1.2. Verherrlichung des K.s: VIII.7.4.3. Vietnamkrieg: IX.5.1.1. Völkerschlacht, Leipzig: VIII.1.2.f. Zweiter Weltkrieg: IX.1.4. / IX.2.2. / IX.2.2.3. / IX.5.3. Kristallpalast (Paxton): VIII.3.2.3.2.f. Kritische Theorie: IX.3.8.f. Kritischer Rationalismus: IX.3.8. Krypta: V.6.2.4. Kubismus: IX.1.4. / IX.2.1.2. / IX.2.2.1. / IX.2.2.5. / IX.2.2.7. / IX.2.2.10. / X.4.2.2. Kubofuturismus: IX.2.2.7. Kudurru: II.1.2.5. Künste freie: cf. Artes liberales Künstler (Auswahl): Antike: III.2.4.3.1. / III.2.4.3.2.6. / III.3.3.3. Barock: VII.3.5. Klassizismus: VII.4.2.4.1. Mittelalter: V.4.2.4. / V.5.1. / V.5.4.2. / V.7.2.2.3. / V.7.3.1. / V.9.0. Renaissance: VI.2.0.f. / VI.4.1.3. / VI.6.2.ff. Zweitschöpfer: VI.4.1.2. / VI.4.2.1. / VI.8.3. / VI.7.3.2.2. / VII.4.2.4.1. / VII.5.2.1. Künstlerindividuum: cf. Subjekt/Künstlersubjekt Künstlervereinigung: VIII.2.2. / IX.1.2. / IX.2.2. Kultbild: IV.8.0.ff. Realpräsenz des Gottes: II.1.2.2.1.1. / II.2.5. Kultplatz: I.3.2. Kultspiele: III.2.2.4. Kultur: cf. Natur/Kultur; 0.2.2. Kulturdiffusion: II.4.0. Kulturindustrie: IX.3.8.1.f. Kulturrevolution (China): IX.5.1.1. Kunst (Auswahl): Ägypten: II.2.6.f. allographische/autographische K.: IX.3.9.2. / IX.3.9.4. / X.2.6. / X.3.5.1.4.f. angewandte K.: VIII.3.2.3.2.3. Beginn: I.2.0. / II.1.2.1. / III.2.2.4.

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Sachverzeichnis

Begriff der K.: X.2.0.–X.2.8. byzantinische K.: IV.2.0. / IV.6.2. christliche K.: cf. spätantike/frühchristliche K.; IV.5.0.–IV.5.2.2. etruskische K.: III.3.1.2. freie/dienende K.: III.3.4.1. hellenistische K.: III.2.5.1.f. / III.2.5.4. K. als Intention: X.3.2. islamische K.: V.3.3.1.–V.3.4.2.5. karolingische K.: V.4.2.5. kinetische K.: IX.5.2. K. als Kommunikation: X.2.7. konkrete K.: IX.2.1.1. K. und Leben: VIII.10.1. mechanische: VII.5.2.1. Mesopotamien: II.1.2.2.1.2. Mittelalter: V.4.0.ff. / V.6.2.2. / V.7.2.2.4. / V.7.2.2.6.3. mobile K.: I.3.1. Multiplikatkunst/Unikatkunst: X.2.6. nicht mehr schöne K.e: X.1.2.1. K. als open concept: IX.3.9.5. / IX.3.9.8. / X.2.1. paläolithische K.: I.3.1.f. performative K.: I.3.5. K. und Philosophie: VIII.5.2.2. / X.1.0. K. der Postmoderne: IX.4.6.2. prähistorisch: I.2.0. / I.3.0. / I.4.3.2. Raumkünste: VII.4.2.4.2. / X.2.6. reine K.: X.2.5. K. und Religion/Kirche: II.1.2.1. / VIII.5.3.2.3. / VIII.6.1.4. / VIII.8.2. Renaissance: VI.3.2. / VI.6.1.ff. / VI.8.0.f. K. in Rom: III.3.1.3. / III.3.3.1. / III.3.3.3. schöne Künste: III.2.4.3.3.3. / VI.4.1.3. / VII.4.2.4.2. / VII.5.2.1. / VII.5.2.3. spätantike/frühchristliche K.: IV.2.0. / IV.3.4.f. / IV.5.0.ff. / IV.6.2. / IV.6.2.3. / V.3.4. transitorische/sekundärtransitorische K.: X.2.6. Wahrheit der K.: VIII.5.3.2.3. / IX.3.5.1. / IX.3.6.f. / X.2.3. K. als Zeichen: VII.5.2.1. / X.3.4. Zeitkünste: VII.4.2.4.2. / X.2.6. Kunstbetrieb: IX.3.0. Kunstgeschichte: VI.8.3. / VII.4.2.4.2. / VIII.3.0. / X.1.0. Kunstgewerbe: VII.4.2.4.3.1. / IX.2.2.8.f. Kunstgewerbeschule: IX.2.2.8. Kunstinstitution: IX.2.2.10. / IX.5.1.1. / IX.5.2.2. / IX.5.2.4.ff. / IX.6.2.4. / X.2.8.

Kunstkritik: VII.5.2.1.f. / IX.3.9.7.f. / X.1.1. / X.2.4. Kunstmessen: IX.6.2.4. Kunstphilosophie: X.1.0.–X.1.2.2. Kunstsalon Cassirer: cf. Salon Kunsttraktate: III.2.4.1. / VI.6.4.–VI.6.4.3. / VI.8.1.f. / VII.4.0. / IX.2.2.6. / IX.2.2.8. / X.5.3.1. / X.6.1. Kunstverein/Musikverein: VIII.2.2. / IX.3.0. Kunstwelt: IX.3.9.3. / IX.3.9.6. / X.2.8. Kunstwerk (Auswahl): X.3.0.–X.3.5.3. absolutes K.: X.2.5. K. als Ausdrucksmittel: I.3.2. erste K.e: I.2.0. funktionalistisches K.: X.2.5. K. als Intention: X.3.2. offenes K.: II.3.2.6. / X.3.3. K. und Struktur: IX.4.4.2. Werkcharakter des K.: IX.4.4.2. / X.3.5.3. K. als Wertbegriff: IX.3.9.8. K. als Zeichen: X.3.4. Kunstwollen: VIII.6.2.2. / VIII.9.1.1. Kupferstich: VI.2.0. / VII.1.5.5. / VII.4.2.3. Kuppel: III.3.3.1. / III.3.3.2.1. / IV.6.2.1.f. / V.3.3.3. / V.3.4.2.2. / V.3.4.2.5. / V.3.4.3.5. / VI.7.2. falsche Kuppel: VII.4.2.4.3.2. Kuriositätensammlung: VII.1.5.7. Kykladen: III.1.2.1. / III.2.2.4. Kyniker: III.2.4.3.3.2. / III.2.5.2. / IV.4.4. / IV.5.1.3. / IX.5.2.6.5. KZ-Anlagen: IX.1.4.

Labyrinth: III.1.2.2.f. / V.6.2.3. La Critica, Zeitschrift: IX.3.2.4. Lagasch: II.1.2.4. Land Art: IX.5.2.3. / IX.5.2.5. / X.3.5.1.5. Landhaus: cf. Villa Landschaft/Landschaftsgestaltung: VI.4.1.2. / VI.6.2. / VII.5.2.5. / VII.7.1. / IX.5.2.5. Landschaftsmalerei: VII.5.2.5. / VIII.3.1.2. / VIII.3.2.3.2.1. / VIII.7.1.1. / VIII.7.4.2. / VIII.8.1. / VIII.9.2.f. Landwirtschaft: I.4.0.ff. / II.2.5. / II.3.1. / III.2.2.1. / V.6.1. / VI.7.3.4. Langbau: cf. Basilika Langobarden: IV.1.2. / V.1.0. Laokoongruppe: III.2.5.4. / VII.4.2.4.2. Lapislazuli: V.5.4.2. La Rotonda, Vicenza: VI.7.3.4. / VII.4.2.4.3.1.

L’art pour l’art: II.2.6. / II.4.0. / VIII.9.2.3.3. / VIII.10.1. Lautgedicht: IX.2.2.3. Leib: cf. Körper Leninismus: IX.3.2.1. Les Temps Modernes, Zeitschrift: IX.3.5.2. Liberalismus: VII.2.2.1. / VII.5.1. / VIII.1.2. / VIII.6.1.1. / VIII.8.2. Libri Carolini: V.4.2.3. Licht/Lichtmystik (Auswahl): II.4.0. / IV.3.4. / IV.4.2.1. / IV.5.1.3. / IV.6.2.2. / IV.7.2.f. / IV.8.4. / V.3.3.f. / V.3.4.2.3. / V.4.2.4. / V.6.2.2.ff. / V.7.2.2.3. / VI.4.2. / IX.2.2.7. / IX.5.2.1. Beleuchtungslicht/Eigenlicht: VI.5.2. / VI.6.2. / VIII.9.2.2. / IX.2.2.7. chiaro-oscuro: VI.6.4.2. claritas: V.7.2.2.6.2. Islam: V.3.3.f. Licht/Vernunft: V.7.2.2.6.3. / VII.7.0. Naturlicht: VIII.9.2.2. weißes L.: IX.3.1. Lichtarchitektur: IV.3.4. / V.6.2.1. / V.7.3.1. / V.7.4. Barock: VII.3.6. / VII.4.1. Moderne: IX.2.2.6. / IX.2.3.2. Lichtkunst: IX.5.2.5. Lichtmetaphorik: IV.3.4. / IV.4.3. / IX.2.2.8. Lifestyle: IX.6.2.4. / X.1.3. Linear A/Linear B: III.1.2.1. / III.2.1.2. Linguistik: IX.4.4.f. Linie: VI.8.3. / VII.4.2.4.2. / VII.4.2.4.3.2. / VIII.9.2.2. / VIII.9.2.3.3. / IX.2.2.9. / IX.3.2.3.f. Architektur: VI.7.3.2.2. / IX.2.3.5. / IX.6.1.2.f. Cusanus: VI.4.2.2. Linienkreuz: I.3.2. Linkshegelianer: VIII.6.1.1. / VIII.6.1.7. Lissabon: VII.1.5.2. / VII.7.1. Literalität: VIII.10.1. Lithografie: VII.1.4. / VIII.3.1.2. Littera Antiqua: VI.4.1.1. Littérature, Zeitschrift: IX.2.2.5. Liturgie: V.6.2.3. Live Art/Living Art: IX.5.2.6.3. Löwenjagdszene: II.4.0. Logienquelle Q: IV.3.3. Logozentrik: IX.4.5.1. London: VII.1.5.4. / VIII.2.1. Louis Quatorze, Stil: VII.4.2.4.

Sachverzeichnis

Louvre, Paris: cf. Museum Lüsterkeramik: V.3.4.2.2.f. Lukasbund: VIII.8.1. Luxor: cf. Theben/Luxor Luxus: cf. Gold/Edelstein/Luxus

Ma’at: II.2.2.2. / II.2.3.1. / II.2.4. /

II.2.6.1. / II.5.0. / III.2.1.2. / III.2.1.3.2. / III.2.4.3.2.5.f. / IV.7.3. / VII.3.3. macchiaioli: VIII.9.2.2. Madonna/Muttergottes: cf. Maria/Marienkult; IV.6.2.2. / IV.8.1. / V.5.2. / V.6.2.4. / V.7.3.2. / VI.7.2. Schöne Madonna: II.1.2.2.2. / III.2.4.1. / V.8.1. / V.9.0. Madrid: VII.1.5.2. / VII.4.2.4. Märtyrer/Märtyrertum: IV.1.1. / V.8.1. Magdeburg, Kaiserpfalz: V.5.1. Magie: II.5.0. / VI.3.0. / VI.3.2. / VI.4.2.5. Magna Mater: cf. Muttergottheit Mahl/Symposion: III.3.1.2. / IV.5.1.1.f. Mailand: IV.1.1.f. / VI.4.2.2. / VI.7.3.3. / IX.2.2.6. Majestas Domini: IV.5.1.3. / V.5.2. / V.5.4.2. Malerfürst: VIII.9.2.3.1. Malta: I.5.0. Mamluken: V.3.4.2.3. Mandylion: cf. Ikone Manichäismus: IV.4.2. / IV.4.3. Manier: VI.8.0.ff. / VIII.4.2. maniera greca: V.7.3.2. / VI.5.2. / VI.6.2. / VI.8.0. Manierismus: IV.2.0. / VI.6.4.3. / VI.8.0.– VI.8.3. / VII.1.4. / VII.3.1.ff. / VII.4.2.4.3.1. / VIII.9.1.1. / IX.2.2.6. Manifest: Dadaistische M.: IX.2.2.3. De Stijl: IX.2.2.9. Futuristisches M.: IX.2.2.6. / IX.3.8.2. M. der gruppo 7: IX.2.3.2. Kommunistisches M.: VIII.1.2. / VIII.2.2.1. Konstruktivistisches M.: IX.2.2.7. Rayonistisches M.: IX.2.2.7. Realistisches M.: IX.2.2.7. Surrealistisches M.: IX.2.2.5. Symbolistisches M.: IX.2.2.4. Mantua: VI.7.2. / VI.7.3.2.1. Marburger Schule, Neukantianismus: IX.3.3. Marduk: II.1.2.2.1.1. Mari: II.1.2.5. Maria/Marienkult: IV.6.2.2. / IV.8.1. / V.6.2.4. / VI.7.2.

Marmor: III.2.4.1. / III.3.3.2.1. / III.3.3.3. / VI.6.4.3. / VIII.3.2.1.2. bunt: VI.6.3. weiß: VII.4.2.4.2. / VII.7.2. Marxismus: VIII.6.1.1.f. / IX.1.3. / IX.3.2.1. Maschine/Maschinenästhetik: VIII.2.1.f. / IX.2.2.8.f. / IX.2.3.1. / IX.6.1.1. Maschinenstürmerei: VIII.3.2.3.2.3. Mashrabiyyas: V.3.3.1. / V.3.3.3. / V.3.4.2.2. / X.4.2.3. Massenkultur: IX.3.8.1.1. Massenmedium: cf. Medien/Medienumbruch Mastaba: II.1.2.2.1.2. / II.2.1.2. / II.2.3.3. / II.2.4. Material/Materialgerechtigkeit (Auswahl): I.3.1. / II.2.6.1. / III.2.4.3.2.3. / IV.5.2.2. / V.3.4.2.1.f. / VII.4.2.4.3.2. / VII.3.2.6.1. / VIII.3.2.2.1. / VIII.3.2.3.2. / VIII.9.2.3.3. / IX.2.0. / IX.2.2.4. / IX.2.2.7. / IX.3.5.1.2. / IX.5.1.1. / IX.5.2.1. / IX.5.2.3. / IX.5.2.6.5. / X.1.3.2.3. / X.2.6.1. / X.3.5.1.1.f. / X.4.2.1. Materialismus: III.2.5.2. / VI.4.2.3. / VII.7.0. / VIII.6.1.1. / IX.2.1.2. / IX.3.8.2. / X.3.5.1. Mathematik: III.2.1.2. / III.2.3.2. / III.2.4.1. / VI.4.1.2. / VI.4.2.1. / VI.5.0. / VI.5.3. / VI.6.4.1.ff. / VI.7.3.4. / VII.1.2. / VII.2.2.1. / VII.3.3.f. / VII.4.1. Matriarchat: III.1.2.4. Mauer/Stadtmauer: I.4.3.1. / I.4.3.4. / II.1.2.2.1. / III.2.2.1. Mazdaznan-Lehre: IX.2.2.8. Mechanismus: VII.2.2.1. / VII.5.1. Medici: VI.3.4. / VI.6.4.3. Medien/Medienumbruch (Auswahl): II.4.0.f. / VI.2.0. / VII.7.0. / IX.3.8.2. / IX.4.7.–IX.4.7.5. / IX.5.2.7. Medienkunst: IX.4.7. / IX.5.2.7. / IX.6.2.1. Megalith: I.4.3.1. / II.1.2.3. / II.2.4. Megaron: II.1.2.8. / III.1.1. minoisch: III.1.2.4. mykenisch: III.2.1.f. Mehrfachkodierung: IX.4.6.1.f. Memoria/Memorialkult: V.5.1. / V.5.3.2. Menhir: I.4.3.1. Menschenrechte: VIII.1.1. Menschewiki: IX.1.3. mental habit: V.7.4. / VII.3.2.ff. / IX.3.4.1. Mentalismus: IX.2.2.9. / IX.3.2.4.f. / IX.5.2.4. / X.3.5.1.2. Merowinger: V.1.0.

MERZ: IX.2.2.3. Mesopotamien: II.1.1. Metabolismus: IX.6.1.2. Metapher: VI.6.1. / VIII.10.1. / IX.3.9.3. / IX.4.5.5. / X.1.1. / X.1.4.2. / X.2.3. Metaphysik: III.2.1.2. / III.2.3.3.2. / VIII.6.1.4. / VIII.10.1. / IX.4.5.ff. / IX.5.2.3.f. / X.1.2. M. und Mythos: II.1.2.2.1.1. Metonymie: IX.4.5.5. Mihrab: cf. Nische; V.3.4.1. Mikrokosmos-Makrokosmos: cf. Kosmos; V.6.2.2.f. / VI.3.2. / VI.7.0.f. / VI.7.3.4. / VI.8.3. / VII.4.2.4.1. / VII.4.2.4.3.1. / IX.6.1.4. Milet: III.2.2.1. / III.2.3.2. / III.2.3.3.1. Mimesis: cf. Nachahmung/Mimesis Minarett: V.3.4.1. / V.3.4.2.2. Minbar: V.3.4.1. Miniatur: V.1.0. Minimal Art: IX.5.2.3.f. / IX.5.3.1. Minnelyrik: V.7.1. Minotaure, Zeitschrift: IX.2.2.5. Minuskel: V.4.2.3. Mistra: IV.6.1. / VI.3.4. Mithras/Mithraskult: III.2.5.3. / IV.5.1.4. Mittelalter-Rezeption: VIII.3.2.2.1.f. / VIII.3.2.3.2.3. / VIII.6.1.2. / VIII.7.3. / VIII.8.2. / IX.2.2.8. Mnemosyne, Bilderatlas: IX.3.4.1. Mobile: IX.4.6.2. Moderne (Auswahl): VIII.3.0. / VIII.3.2.3.2.2. / VIII.5.3.3. / VIII.10.1. / IX.2.0. / IX.2.1.1.f. / IX.2.2.7. / IX.2.3.1. / IX.3.0. / IX.5.0.ff. / IX.5.2.–IX.6.0. Anheben der M.: VIII.3.0. / VIII.9.0.– VIII.9.2.3.3. M. in der Antike: III.2.4.3.ff. M.-Postmoderne: IX.4.0.–IX.4.7.5. Modernisierung: VIII.6.1.7. Modernismo: VIII.9.2.3.2. Modernismus: VIII.8.2. Modul: VIII.3.2.3.1. Modulator: IX.2.3.5. Moduslehre: VII.4.2.2. Mönchtum: IV.4.4. / V.4.2.2. Moira: III.2.2.2. / III.2.3.3.2. Monade/Monadenlehre: VII.2.2.1. / VII.4.1. / VII.5.1. Monarchie institutionelle: VII.1.5.4. Mondzyklen: I.3.2.

591

592

Sachverzeichnis

Mongolensturm: V.3.4.2.4. / V.7.1. Monismus: VII.2.2.1. Monolatrie: II.3.0. / II.3.2.3.–II.3.2.6. Monophysitismus/Monophysiten: IV.4.2. / IV.6.2.2. / IV.8.3. / V.3.2. Monotheismus: VII.7.0. Ägypten: II.2.3.1. Alter Orient: II.1.2.2.1.1. Christentum: IV.3.1. / IV.4.2.ff. Islam: V.3.2. / V.3.3. Judentum: II.3.0.–II.3.2.6.2. M. und Polytheismus: cf. Polytheismus; II.1.2.2.1.1. / IV.8.3. Monroe-Doktrin: VIII.1.0. Mont Ventoux: VI.4.1.2. / VI.5.1. / VIII.7.4.2. Monte Verità: IX.2.2.2. Monumentalarchitektur: II.1.2.1. / II.4.0. / III.2.1. Monumentalität: III.2.1. / III.2.3.1. / VIII.4.2. Monumentalskulptur: cf. Skulptur Morphing: IX.6.2.1. Mosaik: II.1.2.2.1.2. / III.3.3.3. / IV.3.4. / IV.5.1.2. / IV.5.2.2. / IV.7.2. / V.3.3.3. / V.3.4.2.1. / V.3.4.2.5. / IX.2.1.2. Stiftmosaik: II.1.2.2.1.2. Moschee: V.3.4.1. / V.3.4.2.5. Córdoba: V.3.4.2.1. Damaskus: V.3.4.2.1. Osmanisch: V.3.4.2.5. Moses: II.3.2.2. Moskau: VIII.6.1.2.f. / IX.1.5.7. / IX.2.1.2. / IX.2.2.7. Movimento Italiano per l’Architettura ­Razionale: IX.2.3.2. München: VII.4.2.4. / VIII.5.2. / VIII.7.4.3. / VIII.9.2.3.2. / IX.2.1.2. Multiplikatkunst: cf. Kunst Mumienporträts: II.2.1.2. / III.3.3.3. / IV.8.1.f. Mumifizierung: II.2.3.3. Mundöffnungsritual: II.2.3.3. / II.2.6.1. Muqarnas: V.3.3.1. / V.3.3.3. / V.3.4.2.1.f. Museum: VII.5.1. / VIII.5.3.2.3. / IX.3.0. / IX.6.2.2. / IX.6.2.4. / X.2.4. / X.2.8. Louvre, Paris: VII.3.1. / VII.3.5. / VII.4.2.4.3.1. / VIII.1.2. / VIII.2.2. Uffizien, Florenz: VI.3.4. Musik/Musiktheorie (Auswahl): IV.4.3. / V.2.1. / V.3.3. / V.4.2.4. / VI.7.1. / VI.8.3. / VII.4.2.2. / VII.7.1. / VIII.5.2.2. / VIII.6.1.4. / IX.3.8.1.1. / X.2.2. / X.2.6. / X.3.5.1.4.

M. und Architektur: VI.7.1.f. / VII.3.4. / VII.4.1. / VII.4.2.4.3.1. / X.2.6.3. Glitch-Musik: IX.6.2.3. Hellenismus: III.2.5.4. Mathematik/Harmonie: V.7.2.2.3. / VII.5.1. Neue Musik: IX.3.8.1.1. M. und Orpheus: III.2.1.3. M. und Performance: IX.5.2.6.3. Phrygier: III.2.1.3.2. Programmmusik: X.2.2. Pythagoreer: III.2.2.3. Romantik: VIII.7.2. Mustersiedlung (Bauhaus): IX.2.2.8. Muttergottes: cf. Madonna/Muttergottes Muttergottheit: cf. Große Göttin/Mutter; I.4.2. / II.1.2.2.1.1. / III.2.1.2. Mykene: III.2.1.–III.2.1.3.2. Mysterienkulte: III.2.1.2.–III.2.1.3.2. / III.3.2. / IX.5.2.6.4. Mystik/Mystiker: IV.7.2. / V.5.2. / V.3.3.1. / V.6.2.2. / V.6.2.4. / VI.4.2.5. / VI.8.0.f. Blutmystik: V.5.3.2. Cluny: V.5.2. Liebesmystik: V.7.1. mystischer Akt: VII.3.3. Neuzeit: VII.1.3. spätmittelalterliche M.: V.8.1.f. Mythos: II.1.2.2.1.1. / II.5.0. / IX.3.8.1.f. / IX.4.4.2.

Nabatäer: V.3.1.

Nachahmung/Mimesis (Auswahl): III.2.4.3.2.4. / III.2.4.3.3.3. / IV.7.3. / IV.8.4. / VI.3.0. / VI.4.1.2. / VI.4.2.1. / VI.4.2.3.f. / VI.8.1. / VIII.7.1. / VIII.7.3. / IX.2.2.1. / IX.3.7. / IX.3.9.6. / X.2.2.ff. / X.4.2. N. der Antike: VI.7.0. / VII.4.2.1. / VII.4.2.4. / VII.4.2.4.2. Islam: V.3.3. N. der Klassik: VIII.7.1.1. N. der Leidenschaft: VII.5.2.1. N. der Natur: III.2.5.4. / V.7.2.2.6.3. / VI.6.3. / VI.6.4.1. / VI.6.4.3. / VI.8.1.ff. / VII.1.4. / VII.1.5.4. / VII.3.1. / VII.3.3. / VII.4.2.1. / VII.4.2.4.1. / VII.4.2.4.3.1. / ­VII.5.2.1.ff. / VII.6.3.4. / VIII.3.2.3.2.3. / VIII.4.2. / VIII.5.2.2. / VIII.5.3.2.1. / VIII.6.1.1. / ­VIII.9.1.2.f. / IX.2.0. / IX.2.2.5. / IX.2.2.9. / IX.5.2. / IX.6.1.2. / X.2.2.ff.

Nachtwächterstaat: VII.5.1. Nationalismus: VII.7.2. / VIII.1.2.f. / IX.1.2. / IX.1.4. / IX.2.2. / IX.2.2.6. / IX.5.1.3. Nationalliteratur: VII.7.2. Nationalsozialismus: IX.1.4. / IX.2.2.2. / IX.5.3. Natur/Kultur: III.2.4.3.2.5. / VI.3.0. / VI.4.1.2. / VI.4.2.4. / VII.4.2.1. / VIII.9.1.1. / IX.2.3.1. / IX.3.3.1. / IX.4.7.2. / IX.5.2.5. / X.2.2.1. / X.4.2.3. / X.5.0. natura naturans: VII.4.2.4.1. / VIII.4.2. Naturalismus: V.5.4.2. / V.8.2. / VI.3.0. / VI.4.2. / VII.4.1. / VIII.3.1.2. / VIII.4.2. / IX.2.2.5. / IX.3.9.8. Naturbegriff: VIII.5.2.1. / VIII.7.4.2. Naturphilosophie: VIII.5.2.1.f. Naturschönes: cf. Schönheit Nazarener: IX.2.2.4. / VIII.6.1.7. / VIII.7.3. / VIII.8.1.f. russische N.: VIII.6.1.2. Neandertaler: I.1.0.f. / II.1.2.1. Neoavantgarde: IX.4.3. Neogotik: cf. Gotik Neoklassizismus: cf. Klassizismus Neolithikum: I.3.0.ff. / I.4.0.–I.4.3. / II.1.2.1. Neolithische Revolution: cf. Revolution Neorenaissance: cf. Renaissance Nestorianismus: IV.4.2. / IV.8.3. Neue Künstlervereinigung München: IX.2.1.2. Neue Rheinische Zeitung: VIII.2.1. / VIII.6.1.1. Neue Sachlichkeit: VIII.9.2.3.3. / IX.2.2.1. Neues Testament: IV.3.4. / IV.5.1.2. / IV.5.2.1. Neukantianismus: IX.2.2.1. / IX.3.3.– IX.3.4.2. Neuplatonismus: cf. Platonismus/­ Neuplatonismus Neuscholastik: V.7.2.2.6.1. / VIII.8.2. New Bauhaus: IX.2.2.8. New Criticism: IX.3.9.7. New York: IX.2.0. / IX.2.2.10. / IX.2.3.3. / IX.5.1. / IX.5.2.f. / IX.5.2.6.3. Nika-Aufstand: IV.6.2.2. Nil: II.2.1.1. / II.2.2. / II.2.3. Ninive: II.1.2.6. Nische: I.4.3.4. Noesis/Noema: IX.3.5.1.1.f. Nominalismus: V.7.2.2.1. / V.8.1.ff. / VI.4.1.2. / VI.6.2. / VII.5.1. Notre-Dame-du-Haut, Ronchamp: IX.2.3.5.

Sachverzeichnis

Nouveau Réalisme: IX.4.3. / IX.5.2.2. Novembergruppe: IX.2.2.3. Nummulites perforatus: I.3.2. Nuraghen: I.4.3.1.

Obed-Kultur: II.1.2.1.

Obelisk: II.2.4. objet trouvé: I.2.0. / IX.2.0. / X.2.5. Odyssee: cf. Ilias/Odyssee Ölmalerei: IV.8.2. / VI.6.2.f. / VI.6.4.1. Okkultismus: VI.3.2. / VI.4.2.2.f. / VII.1.5.7. / IX.2.1.1.ff. / IX.2.2.4. / IX.2.3.5. / IX.3.1. Oktogon: V.4.2.5. Olevano Romano: VIII.3.1.1. Olympia: III.2.2.4. / III.2.3.2. Omphalos: I.3.2. / V.3.4.2.1. Op-Art: IX.4.6.2. Open Concept: IX.3.9.5. / IX.3.9.8. / X.2.1. Oper: VII.1.5.1. / VII.3.6. / X.2.6.3. Opfer: Mädchenopfer: III.2.1.2. Menschenopfer: I.4.2. / III.1.2.2. Tieropfer: I.4.2. unblutige O.: I.4.2. / III.2.1.2. Optik: cf. Sehtheorie/Optik Opus Postumum, Kant: VIII.5.0.f. Oralität: III.2.3.3.2. / III.2.4.3.2.5. / VIII.10.1. / IX.4.7.1. oral poetry: I.4.2. / III.2.2.2. Ordinary Language Philosophy: IX.3.9. Ordnung, Stilform: II.2.2.2. / III.2.4.3.2.5. / III.3.4.3. äolische O.: III.2.3.2. dorische O.: III.2.3.2. / VII.4.2.4.3.1. ionische O.: III.2.3.2. / VII.4.2.4.3.1. korinthische O.: III.2.3.2. / III.3.4.3. / VII.4.2.4.3.1. Origami: IX.6.1.3. Original: IX.2.2.10. / IX.3.8.2. / X.3.5.1.1. / X.3.5.1.4.ff. Ornament/Dekor (Auswahl): I.2.0. / III.3.3.3. / IV.7.3. / V.2.2. / V.3.3.3. / V.3.4.2.2. / VI.7.3.2.2. / IX.2.1. / IX.2.1.2. / IX.2.2.1. / IX.2.2.7.f. / X.2.5. decorum: III.3.4.3. / VI.7.3.2.2. / VII.3.3. geometrischer Stil: III.2.2.4. islamisch/arabisch: V.3.3.1. / V.3.3.3. / VIII.9.2.3.3. Jugendstil: VIII.9.2.3.2.f. Klassizismus: VII.4.1. / VII.4.2.4.1. / VII.4.2.4.3.2. / VIII.3.2.1.1.

Mesopotamien: II.1.2.1. / II.1.2.3. / II.4.0. minoisch: III.1.2.3. Renaissance: VI.7.1. / VI.7.3.4. Rokoko: VII.4.2.4. romanisch: V.5.4.2. vorkarolingisch: V.4.1. 19. Jh./Moderne: VIII.3.2.3.2.1. / VIII.3.2.3.2.3. / IX.2.2.8. / IX.2.3.5. ornatus: V.2.2. / VI.6.3. / VII.3.1. / VI.7.3.2.2. Orphik: III.2.1.3.ff. Orphismus: IX.2.2.1. Osmanen: V.3.4.2.5. Ostergraben: IV.3.3. Ostia: III.2.5.1. Ottonen: V.5.2. Out-of-Africa-Theorie: I.1.0.

Pädagogik: IX.2.2.8. / IX.2.3.2.

Paestum: cf. Pompeji/Paestum/Herculaneum Palácio da Pena, Sintra: VIII.3.2.2.1. Paläolithikum: I.3.0.–I.4.2. Palaiologenstil: IV.6.1. Palast: Anfänge: II.1.2.1. / II.1.2.2.1.2. Knossos: III.1.2.2. Kreta: III.1.2.2.f. Mykene: III.2.1. Palazzo: P. Ducale, Mantua: VI.7.3.2.2. / VI.8.3. P. Pitti, Florenz: X.2.7. P. Schifanoia, Ferrara: IX.3.4.1. P. del Te, Mantua: VI.8.1.f. / IX.5.2.6.5. P. Zuccari, Rom: VIII.8.1. Palermo: cf. Sizilien Palladianismus: VI.7.3.4. / VII.4.2.4.3.1. / VIII.3.2.1.1. / VIII.4.2. Pan, Zeitschrift: VIII.9.2.3.2.f. Panorama: VIII.3.1.2. Pantheismus: II.3.2.3. / III.2.3.2. / VI.4.2.4. / VII.2.2.1. / VIII.3.2.3.1. / VIII.4.2. / VIII.5.3.1. / VIII.7.3. / VIII.7.4.1.f. / VIII.9.2.2. / IX.2.2.7. Pantheon, Rom: III.3.1.4. / III.3.3.2.1. / IV.6.2.2. / VI.7.2. / VII.4.2.4.3.1. Panthéon, Paris: VII.4.2.4.3.1. Pantokrator: II.3.2.6.1. / IV.3.4. / IV.5.2.2. / IV.6.2.1. / IV.6.2.3. / IV.8.1. / VI.7.2. Papier/Papyrus: III.2.5.1. / V.3.2. / VI.2.0. Paradies: II.1.2.1. / V.3.4.2.1. / V.3.4.2.5. Paradigma/Paradigmenwechsel: IX.4.2.

Paragone der Künste: VI.4.1.3. / VI.6.1.f. / VI.6.4.3. / VI.7.0.f. / VI.8.0. / VI.8.3. / VII.1.5.1. / VII.7.2. / VIII.7.2.f. / X.2.6.2. Parietalkunst: I.3.1. Paris: VII.1.5.3. / VII.3.5. / VII.4.2.4.3.1. / VII.7.0. / VIII.1.1.f. / VIII.2.1.ff. / ­VIII.3.1.1.f. / VIII.3.2.2.2. / VIII.3.2.3.1. / VIII.5.2.2. / VIII.9.2.1. / IX.2.2.4.ff. / IX.3.8.2. / IX.4.3. / IX.5.1. Parthenon, Athen: III.2.3.2. / IX.2.3.5. Partizipation: IX.5.2.6.2. Pascendi Dominici Gregis, Enzyklika: VIII.8.2. Passagen: VIII.2.2. Passion: V.5.3.2. / V.6.2.4. Patristik: cf. Kirchenväter Pavia: IV.1.2. / V.1.0. / V.2.1. Pazyryk-Teppich: cf. Teppichkunst Pelagianismus: VII.1.3. Penis: I.3.4.f. / I.4.3.2. / I.4.3.4. / I.5.0. / III.2.1.2. / III.2.1.3.1.f. / VII.7.0. Performance/performativ: I.3.5. / V.6.1. / VIII.6.1.7. / IX.2.2.3. / IX.2.2.6. / IX.2.2.8. / IX.3.9. / IX.5.2.1. / IX.5.2.6.–IX.5.2.6.5. / IX.6.2.1. / X.2.6. / X.2.7. / X.3.5.1.1. / X.3.5.1.5. / X.3.5.2.f. Performanz: IX.6.1.4. Performativer Sprechakt: IX.3.9. Pergament: III.2.5.1. Pergamon: III.2.5.1. / III.2.5.4. Permutation: IX.5.2.3. Perpendicular Style: V.8.2. / VIII.3.2.1.1. Perspektive: II.5.0. / III.2.4.1. / IV.8.4. / VI.3.0. / VI.4.2.1. / VI.5.0.–VI.5.3. / VI.6.4.1. / VI.7.3.1. / VI.8.0. / VII.4.1. / VII.6.1. / VIII.9.2. / IX.2.1.2. / IX.2.2.1. / IX.2.2.7. / IX.4.7.1. / X.2.2.2. P. und Aspektive: II.5.0. Bedeutungsperspektive: IV.2.0. / IV.8.4. / VI.5.3. P. und Dreidimensionalität: II.1.2.5.f. Perspektivität/Polyperspektivität: VIII.9.2. Raumperspektive: VI.5.0. Umgekehrte Perspektive: IV.8.4. / VI.5.3. Zentralperspektive/Linearperspektive: VI.5.0.ff. / VI.5.3. Pflichtethik: VII.6.2. / VIII.4.1. Phänomenologie: IX.3.5.–IX.3.6.1. Phalanx, Künstlergruppe: IX.2.1.2. Phallos: cf. Penis Phanes: cf. Eros/Erotik

593

594

Sachverzeichnis

Phantasie: IX.2.2.4. Philosophie (Auswahl): Beginn: III.2.1.2. / III.2.2.2. / III.2.3.3.ff. kritische Ph.: VII.6.0.ff. Ph. und Mythos: III.2.1.3. Ph. und Poesie: VIII.7.2. praktische Ph.: VII.6.2. Seelenheil durch Ph.: III.2.5.2. / VI.4.2.5. Phönizier: II.3.1. / III.2.2.1. Phrygier: II.1.2.5. Physik: IX.1.1. / IX.2.1.3. / IX.2.2.4.f. Piazza Armerina, Sizilien: IV.2.0. / V.3.4.2.1. Pietismus: VII.5.2.3. / VII.6.0. Piktoralismus: VIII.3.1.2. Pilgerwesen: IV.4.4. / V.5.4.2. Pippinische Schenkung: V.4.2.1. Pisa: V.5.1. / VI.4.2.6. / VI.6.2. Pittoresk: VII.4.2.4.3.1. / VII.5.2.5. / VIII.3.2.1.1. / VIII.3.2.3.1. Pittura metafisica: IX.2.2.5. Plakatkunst/Plakatdruck: VIII.9.2.3.2. Plastik: cf. Skulptur/Plastik Platonismus/Neuplatonismus (Auswahl): Deutscher Idealismus: VIII.5.2.1.– VIII.5.3.3. Islam: V.3.3. Klassizismus: VII.4.2.4.1. / VII.4.2.4.3.2. Mittelalter: V.1.0. / V.2.1. / V.3.3. / V.4.2.4. / V.5.2. / V.6.2.1.–V.6.2.4. / V.7.2.2. / V.7.2.2.3.f. / V.7.2.2.6.1.f. / V.7.4. / V.8.3. Moderne: VIII.6.1.1. / VIII.6.1.4. / VIII.9.1.2. / IX.2.1.2.f. / IX.2.2.7. / IX.2.3.5. / IX.3.4.1.f. / IX.3.7. / IX.5.2.4. / X.1.2.1. Neuzeit: VII.2.2. / VII.3.1. / VII.3.4.2. / VII.4.1. / VII.5.1. / VII.5.2.1. / VII.5.2.3. Prähistorie: I.3.2. Renaissance: VI.3.2. / VI.4.0. / VI.4.2.– VI.4.2.6. / VI.6.4.3. / VI.7.1. / VI.7.3.2.2. / VI.7.3.4. Spätantike: IV.4.3. / IV.5.1.2. / IV.7.0.ff. / IV.8.4. Poetik/Poesie (Auswahl): VII.5.2.3. / VII.7.2. / VIII.5.2.2. / VIII.7.2.ff. Kunstpoesie: VII.7.2. / VIII.7.2. Naturpoesie: VII.7.2. / VIII.7.2. Universalpoesie: VIII.5.0. / VIII.7.3. Pointillismus: VIII.9.2.2. / IX.2.2.1. Polarität: I.3.4.f. / II.2.6.2. / III.2.2.4. / III.2.3.3.3. Polychromie-Debatte: VIII.3.2.1.2. Polytheismus: cf. Monotheismus

Ägypten: II.2.3.1. Alter Orient: II.1.2.2.1.1. arabischer P.: V.3.2. Pompejanischer Stil: III.3.3.3. / VI.5.0. / IX.5.2.7. Pompeji/Paestum/Herculaneum: III.3.3.2.2. / III.3.3.3. / VII.4.2.4.1.f. / VIII.4.2. Ponderation: III.2.4.ff. / IV.7.3. Pontifex Maximus: III.3.2. Pop Art: IX.5.2.2.ff. / IX.6.2.2. / X.2.6.3. Popkultur: IX.5.1.1. / IX.5.2.2. / IX.5.3.1. Pornografie: VII.7.0. / IX.5.2.6.4. Port-Royal-des Champs: VII.2.2.1. Porträt (Auswahl): VIII.3.1.2. Anfänge: II.1.2.4. Neuzeit: VII.1.5.5. Renaissance: VI.5.2. Rom: III.3.3.3. / IV.2.0. Romantik: VIII.7.4.1. Selbstporträt: VII.1.5.5. Positivismus: VII.7.0. / VIII.8.2. / VIII.9.1. / IX.2.1.2. Postdigital: cf. Digitalisierung Posthistoire: IX.4.7.2.ff. Postmoderne: IX.4.0.–IX.4.7.5. / IX.5.2.2. Poststrukturalismus: IX.2.1.1. / IX.4.5.ff. Potsdam: VII.1.5.6. Poussinisten: cf. Rubenisten Präraffaeliten: VIII.3.2.3.2.1. / VIII.3.2.3.2.3. / VIII.7.3. / VIII.8.1. / VIII.9.2.3.2. Prästabilierte Harmonie: VII.2.2.1. / VII.3.3. / VII.5.1. Prag: V.8.1. / VI.2.0. / VII.1.5.7. Praxis künstlerische: IX.5.2.6.–IX.5.2.6.5. Pre-Raphaelite Brotherhood: VIII.8.1. Presse: VIII.2.2. Primitivismus: IX.2.1.2.f. / IX.2.2.7. Privateigentum: VII.5.1. Produktion ästhetische/Produktions­ ästhetik: cf. Ästhetik; VII.6.3.4. / VIII.4.2. / VIII.10.2. Propagandakunst: IX.2.2.3. proportio: V.7.2.2.6.2. Proportion: cf. Geometrie/Proportion Propyläen, Zeitschrift: VIII.4.2. Proskynese: II.1.2.2.2. / IV.6.1. Prostitution: VIII.2.2.2. Protestantismus: VII.1.4. / VII.1.5.2. / VII.1.5.4. / VII.3.1. Proto-Kunst: I.2.0. Proun: IX.2.2.7.

Prozess: III.2.1.3.2. / III.2.4.3.2.5. / IV.7.2. / VI.8.2.f. / VIII.5.1. / VIII.7.4.3. / IX.2.2.6. / IX.4.1. Prozession: Ägypten: II.2.1.1.f. / II.2.5. Alter Orient: II.1.2.2.1.1. / II.2.1.2. / II.4.0. Griechenland/Rom: III.2.1.2. Mittelalter: V.6.1. Psychoanalyse: IX.2.2.4.f. / IX.4.4.1. / IX.4.5.5.f. Ptolemäer: II.2.5. Pyramide: I.4.3. / II.2.4. Pythagoreer/Pythagoreismus: III.2.1.3. / III.2.2.3. / III.2.3.2. / III.2.4.3.2.5.f. / V.7.2.2.3. / VI.6.4. / VI.7.1. / VI.7.3.1. / VI.7.3.2.2.

Qibla: V.3.4.1.

Quadrat in der Kunst: IX.2.2.7. Quadriga, Berlin: VIII.1.2. Qualitätsbegriff: IX.5.2.3. Quantentheorie: VIII.9.2.2. Quartier Latin, Paris: IX.3.8. Quellenbetrachtung, Methode: V.5.3.1. Querelle des Anciens et des Modernes: VII.3.1. / VII.4.2.1.ff. / VII.4.2.4.1. / VII.4.2.4.3.1. / VII.5.2.1. / VIII.7.1.2. / VIII.9.1. Qusair Amra: V.3.4.2.1.

Radierung: VI.2.0. / VII.1.4. / VII.1.5.5.

Rathaus: VI.3.4. Rationalisierung (Moderne): VII.2.1. / VIII.9.1. Rationalismus: VII.2.0.–VII.2.2.2. / VII.3.3. / VII.4.1. / VII.4.2.1.–VII.4.2.4. / VII.4.2.4.2. / VII.5.0.f. / VII.5.2.1.ff. / VII.6.1. / VII.7.0. / IX.2.2.9. / IX.2.3.1.f. / IX.2.3.5. / IX.3.2.4. / IX.5.2.3. R. in der Architektur: IX.5.3.1.f. Raum (Auswahl): VIII.9.2. / VIII.9.2.3.3. / IX.2.0. / IX.5.2.3. / IX.5.2.7. / IX.6.0. / X.1.2.1. / X.4.2.2. Neolithikum: I.4.2.f. Renaissance: VI.1.0.ff. / VI.3.2. / VI.5.1. / VI.5.3. R. und Zeit: V.5.4.2. Raumkünste: cf. Kunst Ravenna: IV.1.2. / IV.6.2.2. / V.4.2.5. Rayonismus: IX.2.2.7. Razionalismo: IX.5.3.1.

Sachverzeichnis

Re, Sonnengott: II.2.2.1.f. / II.2.3.1. Ready-Made: IX.2.0. / IX.2.2.3. / IX.2.2.10. / IX.3.9.3. / IX.3.9.6. / IX.5.2.2.ff. / X.3.5. Realismus: VI.2.0. / VII.2.1. / VII.6.1. / VII.6.3.1. / VIII.9.2.1.f. / IX.2.2.7. / IX.3.2.1. R. in der Kunst: VIII.3.1.2. / VIII.6.1.3. / VIII.6.1.7. / VIII.7.5. / IX.2.0. / IX.2.1.2. / IX.2.2.5. / X.1.4.2. / X.2.2.2. R. in der Literatur: VIII.9.2.1. Sozialistischer R.: VIII.6.1.1. / IX.1.3.f. / IX.2.1.3. / IX.2.2.7. / IX.3.2.1. / IX.5.1. Realismusstreit: IX.3.2.1. Realität/Reales: IX.4.2.–IX.4.7.5. Rechteck: I.3.2.f. Rechter Winkel: VII.4.2.4.3.2. / IX.2.2.9. / IX.2.3.5. / IX.6.1.2.f. Reenactments: IX.5.2. Referenz/Referentialität: IX.4.4. / IX.4.4.2. / IX.4.7.4. / IX.6.2.3. / X.4.2.3. Reformation: VI.2.0. / VII.1.4. Regel/Regelästhetik: cf. Genie/Regel Regietheater: X.3.5.1.4.f. Reicher Stil: III.2.4.1. Reiner Stil: III.2.4.1. / V.7.3.2. Reiterstatue: VI.3.3. Relational Art: IX.5.2.6.2. Relief (Auswahl): II.1.2.2.2. / II.1.2.3. / II.1.2.6. / II.2.6.1. / III.3.3.3. / V.3.4.2.2. / V.3.4.2.5. / V.5.4.2. relievo: VI.6.3. Religion: VII.5.1. / VIII.6.1.6. / VIII.7.2.f. / ­VIII.8.1.f. / VIII.9.1. Entstehung: I.3.3. / II.1.2.2.1.1. hellenistische R.: III.2.5.1. / III.2.5.3. R. und Kult: VIII.10.1. minoische R.: III.1.2.2. mykenische R.: III.2.1.1. natürliche R.: VII.7.0. R. im Paläolithikum: I.3.3. Römische R.: III.3.2. Religionsfreiheit: VII.7.0. Religionskritik: VII.5.1. / VII.7.0. Reliquienkult: IV.8.3. / V.4.2.2.f. / V.6.2.4. / V.7.1. / V.7.3.2. Renaissance: VI.1.0.–VI.8.3. / VII.3.4. / VII.4.2.4. / VII.4.2.4.3.1. / VIII.10.3. Begriff der R.: VI.1.0. R. in der byz. Kunst: IV.6.1. Kultur der R.: VI.3.0. Neorenaissance: VIII.3.2.2.1.f. Renovation/Restauration: VIII.3.2.3.2.2.

Replik: X.3.5.1.5. Repräsentation: IX.3.2.5. / IX.3.9.3. / IX.4.4.2. / X.2.2.2. Reproduktion: IX.2.2.10. Resemantisierung: IX.4.6.1.f. / IX.5.3.1. Revival: Classical R.: VIII.3.2.1.1. Gothic R.: VIII.3.2.1.1. / VIII.3.2.2.1.f. Greek R.: VII.4.2.4.3.1. / VIII.3.2.1.1. Palladio-R.: VIII.3.2.2.2. Revolution: dromokratische R.: IX.4.7.3. Februarrevolution, Russland: IX.1.3. Französische R.: VII.7.0. / VIII.1.1. / VIII.4.1. / VIII.7.1.2. / VIII.7.3. / VIII.8.2. / VIII.9.1. / VIII.9.2.1. / VIII.10.3. Glorreiche R.: VII.7.0. Industrielle R.: VII.1.5.4. / VIII.2.1. Julirevolution, Paris: VIII.1.2. Kulturrevolution, China: IX.5.1.1. Neolithische R.: I.3.1. / I.4.0.ff. / II.2.4. / III.2.1.2. / III.2.1.3.2. Oktoberrevolution, Russland: IX.1.3. / IX.2.2.7. proletarische R.: IX.3.2.1. Romantik und R.: VIII.7.1.2. R. von 1848: VIII.1.2. / VIII.6.1.1. / VIII.6.1.3. Revolutionsarchitektur: VIII.1.1. / ­VIII.3.2.3.f. / IX.3.1. Rezeption/Rezeptionsästhetik: II.2.5. / IV.7.2.f. / V.8.3. / VII.4.2.4.2. / VII.5.2.1.f. / VII.6.3.1. / VIII.6.1.5. / VIII.6.1.7. / VIII.10.2. / IX.3.7. / X.1.4.1. / X.3.1. Rezitation: V.3.2. Rhetorik: cf. Stillage; III.2.4.3.1. / III.2.4.3.3.3. / III.3.4.1. / VI.6.3. / VI.7.3.2.2. / VII.4.1. / VII.6.3.3. Rhizom: IX.4.5.6. Ringhalle: cf. Tempel Ringstraße, Wien: VIII.9.2.3.3. Risorgimento: VIII.1.3. rite de passage: II.2.3.3.f. Ritterorden: V.6.2.4. Rokoko: VII.1.5.3. / VII.3.1. / VII.3.6. / VII.5.2.4. / VII.7.1. / VIII.7.5. alexandrinisches R.: III.2.5.4. Rollsiegel: II.4.0. Rom (Auswahl): Antike: III.2.5.1. / III.3.0.–III.3.4.4. / IV.1.0.–IV.3.0. / IV.5.1.1.

Barock: VII.1.5.1. / VII.3.4.f. / / VII.4.2.2. / VII.4.2.4.2. Gründung R.s: III.3.1.3. Mittelalter: V.4.1. / V.4.2.5. / V.5.1. Neuzeit/Moderne: VII.4.2.4.2. / VIII.3.1.1. / VIII.4.2. / VIII.8.1. / IX.2.3.2. Renaissance: VI.2.0. / VI.7.3.2.1. / VI.7.3.4. Roman de la Rose: V.7.1. / V.7.2.2.3. Romanik: V.5.2. / V.5.4.ff. / VI.7.0. / VII.1.4. / VII.4.2.4.1. / VII.5.2.1. / VII.6.3.4. / VII.7.1. Romantik: VII.2.2.1. / VIII.3.2.3.2.1. / ­VIII.4.1.f. / VIII.5.0.f. / VIII.5.2.1. / VIII.5.3.3. / ­VIII.6.1.1.f. / VIII.6.2.1.–VIII.7.4. / IX.2.2.5. Rot, Farbe: I.4.3.4. Rubenisten/Poussinisten: VII.1.5.5. Ruine: VII.5.2.5. Rundbau: cf. Zentralbau

Sacco di Roma: VI.6.4.1. / VI.8.0. / VII.3.3.

Säkularisation/Säkularisierungsthese: VII.2.1. / VIII.9.1. / IX.3.0. Säule: I.4.3.1.f. / II.2.4. / III.2.3.2. / VII.4.2.4.3.1. Säulenordnung/Stillage: III.3.4.1. / III.3.4.3. / VI.7.0.f. / VI.7.3.2.2. / VI.8.3. / VIII.3.2.3.1. Barock: VII.3.1. Klassizismus: VII.4.1. / VII.4.2.4.3.1.f. Säulenstraße: III.2.5.4. / IV.5.2.2. / V.5.4.1. Sagrada Familia, Barcelona: VIII.9.2.3.3. Saint Paul’s Cathedral, London: VII.4.2.4.3.1. Sakralbau: cf. Tempel; III.2.3.2. Salon: VII.7.0. / IX.3.0. S. d’Automne: VIII.6.1.2. / IX.2.2.1. S. Carré, Paris: VII.5.2.2. / VIII.9.2.1. Kunstsalon Cassirer: VIII.9.2.3.3. S. des Indépendants: IX.2.2.1. / IX.2.2.10. / IX.3.0. / IX.4.3. S. Paris: VII.1.5.3. / VII.5.1. / VII.5.2.2. / VIII.1.2. S. des Refusés: VIII.1.2. / VIII.3.0. / VIII.9.2.1. Salonbesprechung: VII.5.2.2. / VIII.9.1.2. Salzburg: VII.1.5.6. Samarra: V.3.4.2.2. Sampling: IX.6.2.1. / X.2.6.3. Sankt Peter, Rom: IV.5.2.2. / VI.7.2. / VI.7.3.2.2.f. / VII.4.2.4.3.1. Sankt Petersburg: VII.1.5.7. / IX.1.5.7. / IX.2.2.7.

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Sachverzeichnis

Santa Maria del Fiore, Florenz: VI.7.3.1. Santa Maria Novella, Florenz: VI.6.2. Sant’Andrea, Mantua: VI.7.2. / VI.7.3.2.1. / VI.7.3.3. / VI.8.2. Sant’Ignazio, Rom: VII.4.1. San Vitale, Ravenna: IV.6.2.2. / V.4.2.1. Sarajewo: IX.1.2. Sarapis: II.2.3.1. Sarkophag: IV.2.0. / IV.5.1.2. Satire: III.3.1.3. / VIII.3.1.1. Sattelzeit: VIII.9.1. Saz-Stil: V.3.4.2.5. Schäume: IX.6.1.3. Schafträger: IV.3.2. Schamanismus: I.3.4.f. Schatzkammer: V.7.3.2. Schau/Anschauung (Auswahl): IV.4.2.1. / V.6.2.4. / VI.5.3. / VII.6.1. / VII.6.3.3. / ­VIII.5.2.1.f. / VIII.5.3.2.2. / VIII.6.1.4. / VIII.6.2.2. / VIII.7.1. / VIII.10.2. / IX.3.4.2. / IX.3.8.1.2. Schauder: VII.5.2.4. / VII.6.3.3. / VIII.3.1.1. Schichtentheorie: IX.3.3.2. Schiiten: V.3.2.f. / V.3.2.3. / V.3.4.2.3. Schisma: IV.6.1. / V.5.2. Schlangentanz: VIII.9.2.3.2. Schmerzensmann: V.5.3.2. / VII.1.3. Schmutz/Abfall/Kot: VIII.2.2.2. / IX.5.2.6.4.f. Schönbrunn, Wien: VII.1.5.6. Schönheit (Auswahl): IV.7.2. / V.7.2.2.6.1. / VII.6.3.2. / X.1.3.–X.1.4.3. S. als Sinn der Ästhetik: IX.3.3.2. / X.1.2.1. Anmut/Schmuck: V.2.2. S. als Atmosphäre: X.1.2.1. S. und Eitelkeit: II.3.2.6. Empfindung: VII.5.1. Erkenntnis im Sinnlichen: VII.5.2.3. S. und Ethik/Moral: VII.4.2.4.3.1. / VIII.6.1.7. Explikation/Emanation des Göttlichen: IV.7.2. S. und Form: cf. Form; IX.3.8. / X.1.3.2.3. S. und Funktion: cf. Funktion/Funktionalität/Funktionalismus; VII.4.2.4.3.2. Geschmack: VII.2.2.2. Harmonie/Symmetrie: cf. Harmonie/Maß/Zahl; cf. Geometrie/Proportion; II.4.0. / III.2.1.2. / III.2.4.3.2.5.f. / III.3.4.1. / IV.4.3. / VI.5.0. / VII.4.2.4.1. / VII.4.2.4.3.2. / VII.5.1.3. / VII.5.2.3. / VIII.6.1.3. / IX.3.7. / X.1.3.

schön-hässlich: cf. Hässlichkeit; VIII.6.1.3. geistige Idee: VII.5.2.1. Lebenssteigerung: VIII.10.1. Klassizismus: VII.4.2.4.2. Koran: V.3.2. Kunstschönheit: VIII.5.3.2.2. / IX.3.9.8. / X.1.3.ff. Licht/Glanz: cf. Licht/Lichtmystik; II.4.0. / V.2.2. / V.3.3.f. / IX.3.7. / X.1.3.1. Mittelalter: V.5.3.1. / V.6.2.2.ff. / V.7.2.2.2.f. / V.7.4. / V.8.3. Naturschönheit: VIII.4.1. / VIII.5.3.2.2. / VIII.6.1.7. objektive Sch.: VIII.4.1. Proportion: cf. Geometrie/Proportion Regel/Konvention: cf. Genie/Regel; VII.4.2.4.3.1. Relativität/Subjektivität: VIII.9.1.1. Renaissance: VI.4.2.ff. / VI.6.4.3. / VI.7.2. / VI.7.3.2.2. / VI.7.3.4. sinnl. Erk.: VII.5.2.3. / VIII.3.2.3.2.1. Sch. als Zahl: cf. Geometrie/Proportion; IV.4.3. / VI.7.2. Schönheitsideal: VII.4.2.4.2. Schönheitssinn: VII.5.2.1. Schöpfung: II.4.0. Ägypten: II.2.2.1.f. / II.2.6.1. Christentum: IV.8.3. / V.2.2.5. / V.4.2.4. / V.7.2.2.1. / V.7.2.2.3. / V.7.2.2.6.1.ff. / V.7.3.2. / V.8.3. Islam: V.3.3.2. / V.3.3. jüdisch: II.3.2.1. / II.3.2.4. / II.3.2.6. Scholastik: IV.4.0. / V.7.2.–V.7.4. / V.8.2. / VI.4.2.4. / VI.8.3. / VII.5.1. / VII.5.2.3. / VIII.3.2.2.1. / VIII.7.3. / VIII.8.2. Schrift: cf. Alphabet/Alphabetschrift; cf. Hieroglyphica/Hieroglyphenschrift; cf. Keilschrift Auslegung: V.4.2.1. / V.5.3.2. Beginn: I.3.4. / II.1.1. / II.1.2.2.f. Bilderschrift: II.1.2.2.1. / II.2.3.1. / II.2.7. Buchstabenschrift: II.2.3.1. / III.2.2.1. Islam: V.3.3.3. / V.3.4.2.2. Kalligraphie: V.3.1. / V.3.2. / V.3.3.3. / V.3.4.2.2. / VII.2.1. Konsonantenschrift: III.2.2.1. Schriftenkanon: V.3.3.1. Verschriftlichung/Literalisierung: II.1.2.5. / II.2.1.2. / III.2.2.1. / IX.4.7.2. Schule von Athen: VIII.3.2.3.1.

Schwarz (Farbe): VI.6.4.2. Section d’Or, Künstlergruppe: IX.2.2.1. / IX.2.2.10. Seefahrt: VII.1.2. Seele: Ägypten: II.2.3.3. autokinesis: III.2.4.3.2.5. forma corporis: VI.4.2.2. Fortleben nach dem Tod: III.2.1.3. / III.2.2.2. Jenseitsreise: IV.3.2. S. und Körper: III.2.2.3. Schönwerden der S.: IV.7.2. Seelenruhe: cf. Ataraxie Seelenwanderung: III.2.2.3. Weltseele: III.2.4.3.3.2. / VI.4.2.2. / VIII.5.2.1. / VIII.7.4.2. Seevölker: II.1.2.5. / II.3.1. / III.2.1. Sehen/aisthesis: cf. Ästhetik als Aisthesis; VI.5.3. / VII.5.2.2. Sehtheorie/Optik: V.3.3.1. / VI.5.1. Erkenntnislehre: V.3.3.f. sekundärtransitorische Kunst: cf. Kunst Selbstbewegung: cf. autokinesis Selbstporträt: cf. Porträt Selbstreferentialität der Kunst: V.7.3.1. / VIII.6.1.4. / VIII.7.3. / VIII.9.0. / IX.2.1.1. / IX.2.1.3. / IX.2.2.7. / IX.2.2.9. / IX.3.9.3. / IX.4.5.2. / IX.5.2.6.5. / X.2.5. Seldschuken: V.3.4.2.4. Selfie: X.4.0.f. Semiotik: IX.3.4.2. / IX.3.9.8. / IX.4.4. / X.3.4. Sensualismus: VII.5.1. / VII.5.2.1. / VII.5.2.4. / VIII.3.2.1.1. / VIII.3.2.3.2.1. / VIII.6.1.7.f. / IX.3.3. sensus communis: cf. Gemeinsinn Sentenzenliteratur: V.7.2.1. Septuaginta: II.3.2.5.f. / III.2.5.1. / IV.4.2.2. Serielles: IX.5.2.3.f. Serienproduktion: VII.1.5.2. / IX.2.3.2. Serpentine Gallery, London: IX.6.1. Sesklo-Kultur: III.1.1. Sesshaftwerdung: cf. Revolution ­Neolithische Sevilla: VII.1.5.2. Sex/Sexualität: I.4.3.3. / III.2.1.2. / IX.4.5.3. / IX.5.2.6.4. Sex und Gender: IX.5.2.6.4. Sezession: VIII.9.2.3.1. / VIII.9.2.3.3. / IX.3.0. sfumato: VI.6.3. Shahname: V.3.4.2.4.

Sachverzeichnis

Siegel: II.1.2.2.1. Signatur: V.5.4.2. / VI.6.4.1. Signifikat-Signifikant: IX.4.4. / IX.4.5. / IX.4.5.5. Simplicissimus, Zeitschrift: VIII.9.2.3.2. Simulacrum/Simulation: IX.4.7.4. Sinnlichkeit: VII.5.1. / VII.5.2.1. / VII.5.2.3. / X.1.2.1. Sixtinische Kapelle, Rom: VI.6.4.3. / VI.7.0. / VI.8.1. Sixtinische Madonna: VIII.7.3. / VIII.8.1. Sizilien: III.3.1.3. / IV.6.1. / V.3.2. / V.3.4.2.2.f. / V.6.1. / V.7.1. Skagenmaler: VIII.9.2. Skenografie: cf. Skiagrafie/Skenografie Skeptizismus, Pyrrhonisch: III.2.5.2. Skiagrafie/Skenografie: III.2.4.1. / VI.5.0. Skizzenbuch des Villard de Honnecourt: V.6.2.1. / V.7.3.1. Skulptur/Plastik (Auswahl): anonyme Skulptur: IX.5.2. Antike: III.2.3.1. / III.2.4.1. lebende S.: IX.5.2. Mittelalter: V.5.2. / V.5.4.1. / V.7.1. / V.7.3.2. Moderne: IX.2.0.–IX.2.2.10. / IX.5.2.– IX.5.2.7. / IX.6.0. / X.6.2. Monumentalskulptur: V.5.4.2. / V.7.1. / VI.3.3. negative S.: IX.5.2.5. Non-site-sculpture: IX.5.2.5. Performance als S.: IX.5.2.6.3.f. Soziale Plastik: IX.5.2.6.5. Ur- und Frühgeschichte: I.2.0. / I.4.2. / I.4.3.2. Videoskulptur: IX.5.2.7. Slawophile/Westler: VII.1.5.7. / VIII.1.3. / VIII.6.1.2. / IX.2.2.7. Sleeping Lady, Malta: I.5.0. Societies: S. of Antiquaries: VII.4.2.3. S. des Artistes Indépendants: IX.2.2.10. S. of Dilettanti: VII.4.2.3.f. S. for the Protection of Ancient ­Buildings: VIII.3.2.3.2.3. Royal S.: VII.1.5.4. Sol/Helios/Sonne: I.4.3.4. / IV.5.1.4. / IV.6.1. / VIII.9.2.2. Sol Invictus: III.3.2. / IV.2.2.2. / IV.5.1.4. / IV.5.2.2. Sonnengesang: II.2.3.1. / VIII.9.2.3.3. Sonnengott: cf. Re; II.3.2.3.

Sonnenkönig, Ludwig XIV.: VII.1.5.3. Sonnenlauf: I.3.2. / II.2.2.2. / II.2.3.3. Solarisierung: I.4.3.4. / II.3.2.3. Sonne: cf. Sol/Helios/Sonne Sophia/Weisheit: II.3.2.6. Sophiologie: IX.2.2.7. Sophisten: III.2.4.3.1. Space Invading: IX.6.2.2. Sparta: III.2.2.1. Spazialismo: IX.5.2.1. The Spectator, Zeitschrift: VII.5.2.1. Speichern: I.4.3.3. / VIII.2.2. Sphäroide: I.2.0. / I.3.1. Spiel: I.2.0. / VIII.4.1.f. / IX.3.7. Spinozismus: VIII.5.2.1. Spirale: I.3.4. / I.4.3.1. / V.3.3.1. Spiritismus: IX.2.2.2. Spiritualismus: IX.2.1.2. Split: III.3.3.2.2. / IV.1.1. Spolien: V.3.4.2.1. / V.4.2.1. / V.4.2.5. / V.5.1. Sprache: I.3.2. / IX.3.9.–IX.3.9.8. / IX.4.4.f. S. als Mimesis: IX.3.8.2. / IX.4.4. Sprachphilosophie: IX.3.9.–IX.4.4. SPQR: III.3.1.3. Staatsutopie: cf. Utopie Stadt (Auswahl): Abbild des Gottes/Kosmos: II.2.2.1. / III.2.3.2. / III.3.1.4. / VI.7.3.2.2. Anfänge der S.: I.4.3.3.f. / II.1.2.2.1. / II.1.2.5. / III.2.2.1. / III.3.1.3. antike S.: III.2.2.1. / III.3.1.3. / III.3.3.1. / III.3.3.2.2. Erneuerung/Barock: VII.1.1. / VII.1.5.3. / VII.2.2.1. / VII.3.3. Erneuerung/19. Jh.: VIII.2.2. / VIII.3.2.3.1. etruskisch: III.3.1.2. S. im Futurismus: IX.2.2.6. S./Garten: VII.4.2.4.3.1. Großstadt: VIII.2.2.ff. / IX.2.2.1. / IX.2.2.6. / IX.2.3.1. Gründung: I.4.3.4. / II.1.2.2.1.2. / III.2.3.2. / III.2.5.4. / III.3.1.3. / III.3.3.2.2. S./Haus: VI.7.3.2.2. / VI.7.3.4. Hellenismus: III.2.5.1. / III.2.5.4. Idealstadt: II.1.2.6. / VI.4.2.6. / VI.8.3. / VIII.3.2.3.1. S. im Islam: V.3.4.2.2. S. und Kultspiele: III.2.2.4. S. und Land: V.1.0. / VIII.7.4.3. S. als Maschine: IX.2.2.6. / IX.5.3.1.

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mittelalterliche S.: V.1.0. / V.3.4.2.1. / V.5.1. / V.6.1. / V.7.2. / V.7.3.1. Renaissance: VI.3.3.f. / VI.4.2.6. / VI.7.3.2.2. sozialistische S.: IX.2.2.7. Urbanisten-Desurbanisten-Streit: IX.2.2.7. Utopie: III.2.4.3.2.4. / VI.4.2.6. / VI.7.0.f. / VII.2.1. / VIII.2.2.2. Stadtarchitektur: Klassizismus: VII.4.2.4.3.2. Moderne: IX.2.2.8. / IX.2.3.1.f. / IX.2.3.5. / IX.5.3.1. Renaissance: VI.7.3.2.2. Stadtkritik: II.1.2.7. / IV.3.3. Stadtmauer: cf. Mauer Stadttor: III.2.3.3.2. / III.3.3.1. / V.5.4.1. Städtebau: cf. Stadt; IX.4.7.3. Stahlbeton: cf. Beton Stahlskelettbau: VIII.9.2.3.3. Stahlstich: VII.1.5.5. Stalinismus: IX.2.2.5. / IX.3.2.1. Standardisierung: IX.2.2.8. Statuarik: III.2.3.1. / III.2.4. / IV.2.0. / IV.6.2. / IV.8.4. Staurogramm: IV.5.1.1. St. Denis: V.6.2.3. Stegreiftheater: cf. Theater Stein, Material: I.4.3.1.f. / II.2.3.3. / II.2.4. / II.2.6.1. / III.2.3.2. / V.5.4.1. Stier/Stierkult: II.3.2.2. / III.1.2.2. / III.2.1.1. Stifter/Stiftung: II.1.2.2.2. / III.3.3.2.1. / IV.6.2. / V.3.4.2.5. / V.4.2.3. / V.5.2. / V.6.1. / V.8.2. Stigmatisierung: V.5.3.2. Stil: VIII.3.2.2.f. / VIII.4.2. / IX.3.0. / IX.2.2.8. / IX.2.3.5. archaischer S.: III.2.3.ff. geometrischer S.: III.2.2.4. internationaler S.: cf. International ­Style klassischer S.: III.2.4.ff. lombardischer S.: IV.1.2. orientalisierender S.: III.2.2.4. pompejanisch: cf. Pompejanischer Stil Stilpluralismus: VIII.3.2.1.1. / ­VIII.3.2.2.1.ff. / VIII.6.1.7. Stilarchitektur: VIII.3.2.2.3. Stillage: cf. Säulenordnung/Stillage; III.3.4.3. Rhetorik: III.3.4.1. / III.3.4.3. Stillleben: IX.2.0. / IX.2.2.1.

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Sachverzeichnis

Stoa Poikile, Athen: III.2.2.1. / III.2.4.2. / III.2.5.2. Stoizismus: III.2.5.2. Stonehenge: I.4.3.1. / VII.4.2.4.3.1. Strawberry Hill: VIII.3.2.1.1. / VIII.3.2.2.1. Street Art: IX.6.2.2. Strukturalismus: IX.4.4.–IX.4.5.6. Studia Humaniora: VI.4.1.1.f. Sturm und Drang: VIII.7.2. Subjekt/Künstlersubjekt: Befreiung: VIII.5.1. Moderne/Postmoderne: VIII.9.2.2. / VIII.10.1. / IX.3.8.1. / IX.4.1. / IX.4.4.– IX.4.5.6. / IX.4.7.2. / IX.5.2.1.ff. / X.1.2.f. Neuzeit: VII.2.2.1. / VII.4.2.1. / VII.6.1. Renaissance: VI.3.1. / VI.4.0.–VI.4.1.3. / VI.4.2.6. / VI.5.1. / VI.6.0. Romantik: VIII.7.3.f. / VIII.7.4.1.f. sinnstiftendes S.: IX.4.4.2. Süleymaniye, Istanbul: V.3.4.2.5. Sufismus: V.3.3.1.f. / V.3.4.2.4. Sumer/sumerische Kultur: II.1.2.2. / II.1.2.5. Summenliteratur: V.7.2.1. / V.7.4. Sunniten: V.3.2. / V.3.4.2.4. Suprematismus: IX.2.1.1. / IX.2.2.7. / IX.2.2.9. Surrealismus: VIII.9.1.2. / IX.2.1.2. / IX.2.2.5. Susa: II.1.2.2. / II.1.2.5.f. / II.1.2.8. Sustainability: IX.6.1.4. Sutton Hoo: V.4.1. Switching: IX.6.2.1. / X.2.6.3. Symbol: cf. Zeichen/Zeichentheorie; IV.5.1.2. / IV.7.2. / VIII.4.2. / VIII.6.1.7. / IX.2.2.4. / IX.3.8.2. / X.3.4. Symbolische Form, Cassirer: IX.3.3.f. Symbolismus: VIII.9.2.3.2.f. / IX.2.2.4.ff. Symbolkunst: IV.5.1.2. Symmetrie: III.2.2.3. / III.3.4.3. / VII.2.2.2. / VII.5.1. Synästhesie: VII.3.4. / IX.2.2.4. / IX.3.9.1. / X.1.2.1. Synagoge: II.3.2.6.1.f. / IV.3.1. System/Systemanspruch (Auswahl): VII.1.5.3. / VII.3.1.ff. / VIII.5.0.f. / VIII.5.3.3. / VIII.7.0. / VIII.7.4.3. / IX.4.1. S. und Dynamik: VII.3.3. / IX.4.1. Systemphilosophie: VIII.6.1.6.

Tachismus: IX.5.2.1. Tageszeitung: VII.7.0. Taj Mahal: V.3.4.2.2.

Talmud: II.3.2.4. Tanz: I.3.5. / VII.1.5.3. / IX.5.2.1. / IX.5.2.6.3. Team Ten, Architektengruppe: IX.5.3.2. techne: III.2.4.3.3.3. Tel Aviv: IX.2.2.8. Tempel: Ägypten: II.2.2.1. / II.2.5. Alter Orient: II.1.2.5. Anfänge des T.s: II.1.2.1. / II.1.2.2.1.2. / III.2.3.2. Bestandteile des T.s: III.2.3.2. etruskisch: III.3.1.2. / III.3.3.2.1. Griechenland: III.2.2.1. / III.2.3.2. Jerusalem/T. Salomons: II.3.2.2. / II.3.2.4.f. / II.3.2.6.1.f. / IV.3.1. / VI.7.1. / VII.1.5.2. / VII.1.5.6. / VII.3.3. / VII.4.2.4.3.2. T. des Herodes: II.3.2.5. / II.3.2.6.2. Malta: I.5.0. Ringhalle: III.2.3.2. Rom: III.3.3.2.1. / III.3.2. / III.3.3.2.1. Tempelpylonen: II.2.5. Temperamalerei: IV.8.2. / VI.6.2. Tempio Malatestiano, Rimini: VI.7.2. / VI.7.3.2.1. Tensegrity: IX.6.1.2. The Ten, Künstlergruppe: IX.5.2.1. Teppichkunst: Bayeux: V.5.1. Konyateppich: V.3.4.2.5. osmanisch: V.4.3.2.5. Pazyryk-Teppich: V.3.4.2.5. Teppichseiten: cf. Buch/Kodex Tep zepi: II.2.2.1.f. / II.2.5. Terramarekultur: III.3.1.1.f. Tetraktys: III.2.2.3. / V.7.2.2.3. / VI.4.2.1. / VI.7.1. Tetrarchie: IV.1.0.f. Text/Textgewebe: IX.4.4.2. / IX.4.5.1. / X.3.5.1.2. Textilkunst: V.3.4.2.1.f. The Architects’ Collaborative: IX.2.2.8. Theater: VII.1.4. / VII.1.5.4. / VII.3.6. / IX.3.7. Th. u. Performance: IX.5.2.6.3. religiöses Th.: V.8.1. Stegreiftheater: VII.1.4. / VII.1.5.1. Theaterbau: III.2.3.2. / III.3.3.2.2. / VI.7.3.4. Theben/Luxor: II. 2.1.2. / II.2.3.1. Theodizee: VII.2.1. / VII.2.2.1. Theokratie: II.2.5. / II.3.2.5. Theologie: IV.4.0. / V.7.2. Mönchstheologie: V.7.2.

negative Th.: IV.7.2. / V.4.2.4. / VI.4.2.1. Th./Philosophie: V.3.3. / V.3.4. / V.5.3.1. / V.6.2. / V.7.2.2.4. / V.7.2.2.6.1. / VI.4.2.4. Theosophie: IX.2.1.2.f. / IX.2.2.2. / IX.2.2.5. / IX.2.2.9. / IX.3.1. Theosophische Gesellschaft: IX.2.1.2. / IX.3.1. Theotokos: IV.8.1.f. / V.5.2. Thermenarchitektur: III.3.3.2.2. / VIII.3.2.1.1. Tierstil: V.4.1. Tod-Wiedergeburt: I.3.2. / I.3.4. / I.4.3.4. / II.2.3.3. / II.2.5.f. / II.2.7. / III.2.1.2. / VI.4.2.6. / VIII.7.4.3. / IX.5.2.1. / IX.6.1.4. Toleranz: VII.5.1. / VII.7.0. Ton/Terrakotta: I.5.0. / III.2.4.1. / III.3.1.2. / IV.5.2.2. Topkapi Saray, Istanbul: V.3.4.2.5. Tora: II.3.2.4. / III.2.5.1. Toranische: cf. Nische; V.3.4.1. Tragödie: cf. Trauerspiel Transavantgarde: IX.4.6.2. transitorische Kunst: cf. Kunst Transitorisches: VII.3.3. / VIII.7.1.2. / VIII.9.1.1. Transsubstantiation: V.5.3.2. / V.7.1. / VI.7.2. Transzendental: cf. Transzendentalphilosophie; III.2.4.3.2.4. / IX.5.2.1. Transzendentalien (Seinsbestimmungen): V.7.2.2.6.1. / V.8.3. Transzendentalphilosophie: V.8.3. / VI.5.1. / VI.5.3. / VII.6.0.–VII.6.3.4. / VIII.5.1. / VIII.5.2.1. / VIII.5.3.1. / VIII.7.3. / VIII.10.2. / IX.4.5.1. / X.2.5. Transzendenz/Immanenz: II.3.2.3. / III.2.4.3.2.4. / VI.4.2.3. / IX.5.2.1. Trauerspiel: VIII.7.4.1. / VIII.10.1. Tre Coronati: V.9.0. / VI.1.0. Triumphzug: III.3.1.3. / III.3.2. Triumvirat: III.3.1.3.f. Trivialkunst: IX.2.2.3. Troja: III.1.1. / III.3.1.3. Trompe-l’œil: III.2.5.4. / III.3.3.3. / VI.5.0. / VI.7.3.3. / IX.5.2.7. / IX.4.7.5. / X.2.2.2. / X.4.2. Trulli: I.4.3.1. Tübinger Stift: VIII.5.2.–VIII.5.3. / VIII.6.1.7. Tugra: V.3.3.3. Turin: VII.4.1. Turm: V.3.4.1. / V.4.2.5. / V.5.4.1. / V.6.2.3. / VI.3.4.

Sachverzeichnis

turn: ecological t.: IX.6.1.4. iconic t.: IX.3.4.1. / IX.3.9.1. / X.4.1. linguistic t.: VII.6.1. / IX.3.9. / IX.4.2. / IX.5.2.4. / X.4.1. medial t.: IX.3.9. / IX.4.7.5. / IX.6.2.2. performative t.: IX.3.9. / IX.5.2.6.1. / X.3.5.3. pictural t.: VI.5.1. / X.4.1. practical t.: IX.2.2.10. social t.: IX.6.1.4. spatial t.: X.1.2.1. symbolic t.: VII.6.1. / IX.3.9. transcendental t.: IX.4.1. Type-Token-Theorie: IX.3.9.4.f. / X.3.5.1.4.f.

Uffizien, Florenz: cf. Museum

Ugarit: II.1.2.6. Umaiyaden: V.3.4.2.1. Unbewusstes: VIII.7.4.2. / IX.2.2.5. Unikatkunst: cf. Kunst Unité d’Habitation, Marseille: IX.2.3.5. universale fantastico: VII.5.2.1. Universalienstreit: V.7.2.2.1. / V.8.2.f. / VIII.9.2.1. Universität: V.3.3. / V.7.2. / VI.4.1.2. / VI.4.2.4. Unterweltsbücher: II.2.3.3. uomo universale: VI.4.1.1. / IX.3.4.1. Ur: II.1.2.2.1. / II.1.2.2.2. / II.1.2.4. Urban Mining: IX.6.1.4. Urbanisten/Desurbanisten: cf. Stadt Urbild-Abbild: cf. Bild Urhügel: cf. Erster Ort Urhütte: I.4.3.3. / III.3.4.3. / VI.7.1. / ­VII.4.2.4.3.1.f. Uroboros: III.2.1.3.1. Urschrift: IX.4.5.1. Urteil: ästhetisches U.: VII.6.3.ff. / X.2.3. analytisches U.: VII.6.1. Geschmacksurteil: cf. Geschmack logisches U.: VII.6.3.ff. Sinnesurteil: VII.5.2.3. synthetisches U.: VII.6.1. Uruk: II.1.2.2.1.ff. Uruk-Zeit: II.1.2.2.1. utilitas: III.3.3.2. / III.3.4.3. / IX.5.3.f. / X.2.6.1. Utopie: IV.8.4. / V.3.3. / VIII.3.2.3.1. / VIII.5.1. / VIII.5.2.1. / VIII.7.1. / VIII.9.1.1. / IX.2.1.1.f. / IX.2.2.6.ff. / IX.6.1.1.

Architekturutopie: VIII.3.2.3.f. / IX.2.2.8. Gesellschaftsutopie: VIII.3.2.3.2.3. / IX.2.0. / IX.2.2.8. U. in der Moderne: IX.4.1. / IX.6.1.1. soziale U.: IX.2.3.5. Staatsutopie: II.3.2.2. / III.2.4.3.2.4. / IV.4.3. / VI.2.0. / VI.4.2.6. / VI.7.0. / VII.3.3. / VII.5.1. ut pictura poesis: II.3.2.6. / III.2.4.1. / III.2.4.3.3.3. / VI.4.1.3. / VII.4.2.4.2. / X.4.1. / X.4.2.1.

Vandalen: IV.1.2. Vasenmalerei: III.2.2.1. / III.2.3.1. / III.2.4.1. Vaux-le-Vicomte: VII.1.5.3. Veduten: VII.1.5.1. / VII.4.2.3. / VII.5.2.5. Veji: III.3.1.2.f. Venedig: IV.6.1. / V.5.1. / V.8.2. / VI.1.0. / VI.3.0. / VI.4.1.2. / VI.6.3. / VI.7.3.4. / VII.1.5.1. / VIII.3.2.3.2.1. / IX.5.2.6.2. Venus-Figuren: I.3.1. / I.4.3.2. / IX.5.2.6.4. Venus von Willendorf: I.3.1. Vergöttlichung: cf. König Verismus: VIII.9.2.1. / IX.2.2.3. Vernunft (Auswahl): instrumentelle V.: VIII.4.1. / IX.3.8.1.f. / IX.4.1. Kritik der V.: IX.4.5.3.f. Praktischwerden der V.: VIII.5.1. Ver Sacrum, Zeitschrift: VIII.9.2.3.3. Versailles, Paris: VII.1.5.3. / VII.2.2.1. / VII.3.1. / VII.5.2.5. Versmaß: IX.3.2.3. Verstehen: cf. Hermeneutik; ästhetisches V.: IX.3.2.3. / X.2.3. / X.2.7. Verzierung: cf. Ornament/Dekor Vesta-Kult: III.3.2. / III.3.3.2.1. Victorian Painting: VIII.8.1. Video/Videokunst: IX.5.2.6. / IX.5.2.7. / IX.6.2.1. / IX.6.2.3. Viktorianisches Zeitalter: VIII.2.1. Villa: antike V.: III.3.3.2.2. / III.3.3.3. Country House: VII.4.2.4.3.1. Renaissance: VI.7.3.2.2. / VI.7.3.4. v. suburbana: VI.7.3.4. Vesuv-Städte: III.3.3.2.2. / VI.5.0. / VII.4.2.4.2. Villenarchitektur: VII.4.2.4.3.1. / VIII.3.2.1.1. Villa Albani, Rom: VII.4.2.4.1.f.

Villa Hadriana, Tivoli: III.3.3.2.2. / V.3.4.2.1. / IX.4.6.2. Villa Misteri, Pompeji: III.2.1.3.2. / III.3.3.3. / IX.5.2.1. Villa dei Papiri, Herculaneum: III.3.3.2.2. Villa Rotonda, Vicenza: VI.7.3.4. / VII.4.2.4.3.1. Villa Savoye, Poissy: IX.2.3.5. Villanovakultur: III.3.1.2. Villeggiatura: VI.4.1.2. / VI.7.3.4. / VII.1.5.3. Virtualität: IX.5.2.7. Vitalismus: IX.2.2.8. Vitruvianische Figur: III.3.4.3. Vitruvianismus: VI.7.1. / VI.7.3.4. / VIII.3.2.2.1. Völkerwanderung: IV.1.2. Volkskunst: IX.2.2.7. volontè general: VIII.1.1. Vormärz: VIII.6.1.1. / VIII.7.5. Vulgata: II.3.2.5.f. / IV.4.2.2. / VI.3.4. Vulva: I.4.3.4.

Wahnsinn (Foucault): IX.2.5.3.

Wahrheit: cf. Kunst nackte W.: VII.7.0. W. als Nichtidentität: IX.3.8.1.f. / IX.3.8.1.2. Wahrnehmung (Auswahl): VII.5.1. / VII.5.2.1. / VIII.10.2. / IX.3.9.8. / IX.5.2.3. ästhetische W.: V.7.2.2.4. / VIII.6.2.1. / IX.3.2.4.f. / IX.3.5.1.2. / IX.3.9.2. / X.1.2.1.f. / X.1.4.1. / X.3.5.1.5. / X.3.9.6. sinnliche W.: VIII.6.1.7. / VIII.9.2.2. / IX.3.5.2. / IX.5.2.6.4. Wallfahrt: VII.3.1. Wandervogel: IX.2.2.2. Warburg-Bibliothek: IX.3.3.1. / IX.3.4.ff. Warka: cf. Uruk Warschau: VII.1.5.7. Wasser/Liquides: VIII.9.2.2. Waste-Land-Metapher: II.2.3.1. / II.4.0. Wchutemas: IX.2.2.7. Weimar: VIII.4.1.f. / IX.2.2.8. Weiß (Farbe): V.6.2.4. / VI.6.4.2. / VI.7.2. / VI.7.3.4. / VII.7.2. / VIII.3.2.1.2. / VIII.9.2.3.3. / IX.2.2.7. Weißenhof-Siedlung, Stuttgart: IX.2.2.8. / IX.2.3.5. Weltausstellung: VIII.2.1.f. / VIII.9.2.3.2.f. Weltseele: cf. Seele Werkästhetik: cf. Produktion ästhetische/ Produktionsästhetik; VII.6.3.1.

599

600

Sachverzeichnis

Werkbegriff: cf. Kunstwerk; VIII.6.1.4. / IX.4.4.2. / IX.5.2.3.f. / X.3.5.3. diskursiver W.: IX.4.4.2. Wert/Werttheorie: IX.3.3.2. Wesensschau: IX.3.5.1.1. Westfälischer Friede: VII.1.1. / VII.7.0. Westler: cf. Slawophile/Westler Westwerk: IV.5.2.2. / V.4.2.5. / V.5.4.1. White Cube: VIII 2.2.2. / VIII.3.0. / IX.3.0. / IX.6.0. / X.2.5. Widerspiegelungstheorie: IX.3.2.1. Widerstreit: VII.6.3.3. / IX.4.5.2. Wiedergeburt: cf. Tod/Wiedergeburt Wien: VII.1.5.6. / VIII.1.2.f. / VIII.2.2.2. / VIII.8.1. / VIII.9.2.3.3. / IX1.2. Wiener Kongress: VIII.1.2. / VIII.7.5. Wiener Kreis: IX.2.2.9. / IX.3.9.f. Wiener Schule (Kunstgeschichte): VIII.9.1.1. / IX.3.4. Wiener Werkstätte: VIII.9.2.3.3. Willensfreiheit: VII.1.3. Wimpole Hall: VIII.3.2.1.1. Wissenschaft (Auswahl): Islam: V.3.3. Renaissance: VI.3.2.

Neuzeit/Moderne: VII.1.2. / VII.7.0. Wissenschaftslehre, Fichte: VIII.5.1. Wohlgefallen interesseloses: VII.6.3.1. Worpswede: VIII.7.4.2. / VIII.9.2. Wüstenschlösser: V.3.4.2.1.

Zackenstil: V.7.3.2. Zahl/Maß: cf. Schönheit Zeichen/Zeichentheorie (Auswahl): cf. Symbol; IV.5.0. / IV.5.1.2.f. / IV.5.2.2. / V.3.3.3. / V.4.2.5. / V.5.3.1.f. / VII.5.1. / VII.5.2.1. / IX.4.4.1.f. / IX.4.5.f. / IX.4.5.5. / X.3.4. Arbitrarität von Z.: IX.4.4. / IX.4.5.5. Zeit: I.4.2. / V.5.4.2. / VIII.2.2.2. Zeitkünste: cf. Kunst Zeitschrift für Sozialforschung: IX.3.8.ff. Zementmauerwerk: III.3.3.1. Zentralbau: IV.5.2.2. / IV.6.2.1.f. Antike: III.3.3.2.1. Barock: VII.4.1. Renaissance: VI.3.4. / VI.7.0. / VI.7.2. / VI.7.3.1. / VI.7.3.3. / VI.8.3. Zero-Kunst: VIII.10.2. / IX.5.2.1. / IX.5.2.5. Zerstreuung: IX.3.8.2.

Zeus: griechisch: III.1.2.2. / III.2.1.1. / III.2.1.3.1.f. / III.2.2.2. minoisch: III.1.2.1.f. Ziegel: II.1.2.2.1.2. / II.1.2.4. / II.1.2.7. / II.2.6.2. / III.3.1.4. / V.3.4.2.2. / VIII.3.2.3.2. Ziffern/Ziffernsystem: V.5.1. / V.6.2.1. Zikkurat: I.3.2. / II.1.2.2.1. / II.1.2.4. / II.2.4. / V.3.4.2.2. Etemenaki, Babylon: II.1.2.5. / II.1.2.7. Zisterne: V.3.4.2.1. Zisterzienser: V.6.2.4. Zünfte: V.9.0. / VI.4.1.3. / VI.6.2. Zürich: IX.2.2.3. Zweckfreiheit: cf. Interesselosigkeit/ Zweckfreiheit; VIII.9.2.3.3. Zweckrationalität: VIII.4.1. Zweitschöpfer: cf. Künstler Zyklus: kosmischer: I.3.2. / II.2.5. Z. der Natur: I.3.5. / I.4.2. / I.4.3.1. / II.2.3.3. / II.2.4.f. / II.2.6.1. / II.4.0.f. / III.2.1.2. / III.2.4.3.2.5. / III.3.2. Stabilität des Z.: I.4.2. / II.2.2.2.

601

2.0. Namensverzeichnis Aalto Alvar (1898–1976) IV 104 Abaelard cf. Petrus Abaelard II 120, 275, 282, 297f, 300, 302ff, 321, 336, 347; III 203 Abbas I., Schah (reg. 1587–1629) II 167, 211 Al-Abbas ibn Abd al-Muttalib (um 565– um 653) II 201 Abbo von Fleury (um 940–1004) II 266 Abd al-Malik (685–705) II 134, 138, 181, 193ff Abd al-Mumin al-Khuwayi (13. Jh.) II 209 Abd ar-Rahman I., Emir (reg. 731–788) II 197f Abd ar-Rahman II., Emir (reg. 822–852) II 199 Abd ar-Rahman III., Emir und Kalif (reg. 912–961) II 199 Abd ar-Rahman al-Chalil ibn Ahmed al-­ Farahidi (um 718–um 791) II 170 Abdoh Reza (1963–1995) IV 342 Abdülhamid II. Sultan (reg. 1876–1909) III 425 Abel Jakob Friedrich (1751–1829) III 292 Abgar Ukam V. (um 10–50) II 130 Abgar Ukam IX. (3. Jh.) II 130 Abramović Marina (*1946) IV 331, 334, 343, 441 Absalom (um 1000a?) I 243 Abu Ali Hasan ibn Ali Tusi (1018–1092) II 209 Abu Bakr, Kalif (reg. 632–634) II 162 Abulafia David S. H. (*1949) I 261, 291 Abu Nuwas (757–815) II 158, 203 Accius Lucius (um 170–um 90) I 438 Achämenes (8.Jh.a?) I 158 Acquapendente Girolamo Fabrizio d’ (um 1537–1619) III 17 Acro Helenius (2. Jh.p) I 385 Ada, Äbtissin (8./9.Jh. ?) II 239 Adad-nirari II. (reg. 911–891) I 152 Adad-nirari III. (reg. 806–782) I 157 Adam James (1730–1794) III 262 Adam Robert (1728–1792) III 117, 173, 261f Addison Joseph (1672–1719) III 122, 143, 156–159, 171, 174, 261 Adeimantos (5. Jh.a) I 345 Adler Dankmar (1844–1900) III 431f; IV 86, 106

Adorno Gretel (1902–1993) IV 179, 332 Adorno Theodor W. (1903–1969) I 26, 253; II 506; III 48, 74, 95, 190, 234, 311, 321f, 333, 359f, 371, 372; IV 34, 140, 164, 176– 188, 194, 223ff, 227, 248–251, 260f, 288, 290, 294, 296, 312, 318, 321, 330, 359, 411, 413, 416, 425, 437, 439, 470, 472, 474, 481, 499, 502, 521, 576 Aegidius aus Viterbo (um 1469–1532) II 374 Aemilius Lucius Paullus Macedonicus (um 228–160) I 449 Änesidemos von Knossos (1. Jh.a) I 381 Aëtius Flavius (um 390–454) II 19 Af Klint Hilma (1862–1944) IV 45 Afrahat († nach 345) II 62 Agatharchos aus Samos (Mitte 5. Jh.a) I 335f, 341, 447 Agilulf (reg. 590–615) II 149 Agnello Andrea (um 801–um 850) II 84 Agorakritos von Paros (um 430) I 283 Agrippa M. Vipsanius (64/63–12) I 414, 421 Agrippa von Nettesheim (1486–1535) II 414 Agrippina minor (15/16–59) I 418 Aha (um 3000a) I 164 Ahas, König von Juda (reg. 736–725) I 224 Ahmed I. (reg. 1603–1617) II 216 Ahmad ibn Hanbal (780–855) II 169 Ahmed Karahisari (1470–1556) II 219 Ahmose I. (reg. 1550–1525) I 165, 167 Aimard, Abt (reg. 942–964) II 248 Aischylos (525–456) I 335, III 433 Aitken John (1839–1919) IV 382 Ai Weiwei (*1957) IV 268, 399 Aiyuqi (11. Jh.) II 209 Alanus ab Insulis (um 1120–um 1202) II 303 Alarich (um 370–410) I 406; II 21 Albani Alessandro (1692–1779) III 125 Albentiis Emidio de (*1958) I 423 Albers Josef (1888–1976) IV 86, 303, 312, 336 Albert Joseph (1825–1886) III 255 Alberti Leon Battista (1404–1472) I 119, 452f, 455; II 356, 403, 407, 415ff, 420f, 424ff, 430, 433, 440, 445, 447, 449ff,

453–456, 459, 464ff, 469–473, 475–479, 482–491, 494–498, 505, 511ff; III 84, 100, 132, 141, 429; IV 429 Albertus Magnus (um 1200–1280) II 311ff; III 394 Albrecht II. (1397–1439) II 342 Albrecht Klaus (k.A.) I 104 Alciatus Andreas (1492–1550) II 435f D’Alembert Jean-Baptiste le Rond (1717– 1783) III 45, 161, 197, 203 Alexander der Große (356–323) I 109, 112, 119, 158, 161, 170f, 232f, 258, 302, 330, 332, 362f, 373–378, 390ff, 396, 420; II 12, 30, 33, 43, 48, 127, 157, 209, 305 Alexander I., Zar (reg. 1801–1825) III 219 Alexander II., Zar (reg. 1855–1881) III 223 Alexander III., Zar (reg. 1881–1894) III 223 Alexander VI., Papst (reg. 1492–1503) II 362f Alexander VII., Papst (reg. 1655–1667) III 90 Alexander von Aphrodisias (um 200p) I 363; II 399, 412 Alexander Christopher (*1936) IV 172, 266, 358, 360 Alexander von Hales (um 1185–1245) II 300, 305, 309 Alexios I., Kaiser (reg. 1081–1118) II 246 Alexios Strategopulos II 96 Alfons II. von Neapel (reg. 1494–1495) II 373 Alfons V. von Aragon (reg. als Alfons I. von Neapel 1442–1458) II 392 Alfred der Große (848/9–899) II 153 Algaze Guillermo (*1954) I 117 Alhazen cf. ibn al-Haitam II 173, 177f, 186, 308f, 371, 423, 450, 454; III 252 Alibrando, Bischof (13. Jh.) II 354 Ali ibn Abu Talib (reg. 656–661) II 163 Alioth Max (1842–1892) III 72 Alkuin von York (um 730–804) II 227, 231ff, 239 Allais Alphonse (1854–1905) IV 60 Allegri Antonio cf. Correggio Allen Gerald (k.A.) IV 266 Allio Donato Felice d’ (1677–1761) III 42 Almerico Paolo (16. Jh.) II 498 Alp Arslan (reg. 1063–1072) II 209

602

Namensverzeichnis

Altdorfer Johannes (um 1480–1538) II 356 Altenberg Peter (Richard Engländer) (1859–1919) III 427 Althusser Louis (1918–1990) IV 228 Amadeo Giovanni Antonio (1447–1522) II 491 Åman Anders (1935–2008) III 260, 430 Amarsuena (reg. 2046–2038) I 143 Ambasz Emilio (*1943) IV 384 Ambrosius von Mailand (339–397) II 47, 55ff, 59, 66, 90 Amenemhet III. (reg. 1853–1806/05) I 206 Amenophis I. (reg. 1525–1504) I 167, 202 Amenophis II. (reg. 1428–1397) I 207 Amenophis III. (reg. 1388–1351/50) I 166ff, 178, 195, 200, 207 Amenophis IV./Echnaton (reg. 1351–1334) I 150, 168f, 177–182, 188, 206ff, 255, 258, 221f Amenophis-Sohn-des-Hapu (um 1380a) II 200f Amiet Pierre (*1922) I 118, 161, 214 al-Amiri († um 992) II 171 Ammianus Marcellinus (um 330–um 395) I 345; II 91 Ammonios Sakkas (175–um 242) II 52, 115f Amos (8. Jh.a) I 243 Ampère André-Marie (1775–1836) III 234 Amyntas III. (reg. 393–370) I 362 Anastasius III., Gegenpapst († 879) II 248 Anastasios I. (reg. 491–527) II 92, 105 Anati Emmanuel (*1930) I 69 Anaxagoras aus Klazomenei (462–430) I 298, 328, 337; III 365 Anaxarch von Abdera (um 360–320) I 381 Anaximandros von Milet (um 610–um 545) I 325 Anaximenes von Milet (um 546a) I 325 Anders Günther (1902–1992) IV 560 Ando Tadao (*1941) III 396; IV 361 Andrae Walter Ernst (1875–1956) I 251 Andre Carl (*1935) IV 317f, 469 Andrea del Sarto (1486–1530) II 503 Andreae Bernard (*1930) I 422, 444; II 27 Andreas, Apostel (k.A.) II 68 Andreas-Salomé Lou (1861–1937) IV 521 Andronikos Manolis (1919–1992) I 390 Andronikos von Kyrrhos (2. Jh.a) IV 377 Andronikos von Rhodos (1. Jh.a) I 363 Androuet du Cerceau Jacques (um 1510– um 1584) II 473

Angelus Silesius (1624–1677) III 19 Anicia Juliana (um 460–vor 532) II 106 Anna, Kaiserin von Russland (reg. 1730– 1740) III 44 Anna von Böhmen (1366–1394) II 342 Anselm von Canterbury (1033/34–1109) II 298, 301; III 52 Anselm von Laon (um 1050–1117) II 301 Antef I. (reg. bis 2103a) I 198 Antenor (um 530) I 296 Anthemios von Tralleis († vor 558) II 109; IV 494 Antinous (110/115–130) I 237, 422 Antiochos III. (reg. 223–187) I 233, 377, 396 Antiochos IV. (reg. 175–164) I 234; II 30 Antiochos von Askalon (125–68) I 411 Antisthenes von Athen (um 445–um 365) I 386 Antonelli Alessandro (1798–1888) III 289 Antonello da Messina (um 1430–1479) II 385, 444 Antoninus Pius (reg. 138–161) I 420ff Antonius (um 251–um 355) II 61, 63 Antonius von Placentia (um 570) II 130 Apelles (um 330a) I 338, 375, 390; II 453 Apellikon von Teos (1. Jh.a) I 363 Apollinaire Guillaume (1880–1918) IV 54, 56, 63, 95, 230 Apollodoros von Athen (um 420a) I 335f Apollodoros von Damaskus (um 65–um 130) I 420f, 434, 437 Apel Karl-Otto (1922–2017) IV 221 Arago François (1786–1853) III 251 Aragon Eleonora von (1333–1416) II 382 Aragon Louis (1897–1982) IV 23, 63, 65 Aravena Alejandro (*1967) IV 386 Arcangeli Francesco (1737–1768) III 125 Archimedes aus Syrakus (285–212) I 380; II 388, 451, 457 Arcimboldo Giuseppe (1526–1593) II 377, 504 Ardaschir I. (reg. 224–239/40) I 424; II 158 Arendt Hannah (1906–1975) IV 188 Aretino Pietro (1492–1556) II 463 Arfe y Villafane Juan (1535–1603) III 20 Argan Giulio Carlo (1909–1992) III 86, 426 Argyropoulos Johannes (um 1415–1487) II 385f Ariosto Ludovico (1474–1533) II 459 Aristarch aus Samos (um 310–230) I 377; II 478

Aristippos von Kyrene (um 435–um 355) I 46 Ariston (5. Jh.a) I 345 Aristoteles (384–322) I 251, 287, 295, 325, 329, 344f, 349, 354, 362–374, 411; II 45, 101, 115f, 122, 126, 139f, 146, 152, 168– 171, 173ff, 177f, 237, 266, 274, 276, 294f, 300, 303, 306f, 310f, 313–316, 319, 327, 348, 371, 379, 383, 386, 391, 398f, 405, 408, 411ff, 418, 421, 423, 469, 486, 488, 490, 494f, 510; III 106f, 148, 160, 165f, 189, 204, 279, 324, 356; IV 27, 408, 415f, 418, 424, 428ff, 443, 457, 461, 528 Arius aus Alexandrien (um 260–um 336) II 24, 50, 52 Arkadios (reg. 395–408) II 91 Arkesilaos, Bildhauer (1. Jh.a) I 413 Arkesilaos von Kyrene (um 315–um 240) I 380, 451 Arman (Armand Pierre Fernandez) (1928– 2005) IV 231, 315f, 327 Armstrong Neil (1930–2012) IV 289 Arnauld Antoine (1612–1694) III 54 Arndt Ernst Moritz (1769–1860) III 218 Arnheim Rudolf (1904–2007) II 429; IV 357 Arnim Achim von (1781–1831) III 364, 375 Arnolfo di Cambio (um 1240–um 1305) II 482 Arnulf von Kärnten (um 850–899) II 242 Arouet Jean-François (1694–1778) III 200 Arp Hans (1886–1966) IV 20, 29, 31, 57f, 118, 376 Arsenius (um 354–um 450) II 62f Artaxerxes I. (reg. 465–425) I 159 Artaxerxes II. (reg. 404–359) I 230 Artemidor von Daldis (2. Jh.p) I 285 Asam Cosmas Damian (1686–1739) III 41, 86 Asam Egid Quirin (1692–1750) III 41 Asarhaddon, König von Assyrien (reg. 680– 669) I 154 Ashbee Charles Robert (1863–1942) III 291 Ashley-Cooper Anthony (1671–1713) III 142f, 154ff, 158, 162f, 165, 172f, 176, 183, 199, 201 Aspdin Joseph (1778–1855) III 284 Asplund Hans (1921–1994) IV 289, 367 Assézat Jules (1832–1876) III 411 Assmann Aleida (*1947) II 243 Assmann Jan (*1938) I 174, 177, 180, 182, 205, 215, 229, 239, 254, 256; II 161, 243, 198 Assunto Rosario (1915–1994) II 316, 323

Namensverzeichnis

Assurbanipal (reg. 669–631/627) I 129, 152, 154ff, 226, 247, 250 Assurnasirpal II. (reg. 883–859) I 152, 247 Assuruballit I. (reg. 1365–1330) I 150 Asterios von Amaseia († 410) II 135 Atatürk Mustafa Kemal (1881–1938) II 215 Atget Eugène (1857–1927) III 237 Athanasios von Alexandrien (um 295–373) II 53, 61 Atkinson Terry (*1939) IV 323 Attalos II. König von Pergamon (reg. 159– 138) I 378f Attalos III. König von Pergamon (reg. 138– 133) I 377 Attila († 453) II 20, 23 Aubin Hermann (1885–1969) II 155 Auerbach Erich (1892–1957) II 65 Auffahrt Christoph (*1951) I 429 Augé Marc (*1935) IV 253 Augspurg Anita (1857–1943) III 241 August I. der Starke (reg. als Kurfürst von Sachsen 1694–1733; als August II., König von Polen, reg. 1697–1733) III 39, 46 August III., König von Polen (reg. 1733– 1763) III 46 Augustinus Aurelius (354–430) I 353; II 19, 21, 55–60, 76, 84, 136, 147, 153, 156, 225, 227, 234, 245f, 258, 276, 286f, 289, 295, 307, 310, 391f, 413, 429, 504; III 19 Augustinus von Dacien († 1285) II 258 Augustus (Gaius Octavius) (63a-14p) I 171, 235, 410, 413–418, 421, 425ff, 435ff, 439f, 441, 444f, 446, 454; II 15, 32f, 43, 65f, 383; III 109, 134 Aurelian (reg. 270–275) I 400, 424; II 15, 75f, 157 Austin John Langshaw (1911–1960) IV 194f, 576 Averkamp Hendrick (1585–1634) III 358 Averlino Antonio (um 1400–um 1465) I 323; II 356, 416, 425, 466, 468, 471, 476, 512; III 138 Averroës (ibn Ruschd) (1126–1198) II 169, 172, 174f, 200, 295, 300, 399 Avicenna (ibn Sina) (um 980–1037) II 171– 177, 300 D’Aviler Augustin Charles (1653–1701) III 136

Baader Franz von (1765–1841) III 312 Baader Johannes (1875–1955) IV 60

Babur (reg. 1526–1530) II 167 Bach Johann Sebastian (1685–1750) III 16, 22, 185; IV 106, 455 Bachelard Gaston (1884–1962) IV 227f, 253, 260 Bachelier Jean-Jacques (1724–1806) III 94 Bachmann Ingeborg (1926–1973) IV 395 Bachofen Johann Jakob (1815–1887) I 272 Bacon Francis (1561–1626) II 367, 419; III 15, 17, 81, 141, 148f, 153, 164, 199, 243; IV 150 Bacon Roger (um 1214–um 1292) II 308f, 315, 345, 423, 437, 450; IV 517 Baege Max Hermann (1875–1939) I 63 Baekeland Leo Hendrik (1863–1944) IV 13 Baer Jo (*1929) IV 320, 565 Bässler Andreas (k.A.) II 436 Bätschmann Oskar (*1943) IV 440 Baeumker Clemens (1853–1924) III 393 Baeumler Alfred (1887–1968) IV 416 Baggesen Jens Immanuel (1764–1826) III 368 Bakema Jacob (1914–1981) IV 363 Baker Josephine (1906–1975) IV 114, 498 Baker Simon (k.A.) II 88 Bakunin Michail (1814–1876) III 307 Bal Mieke (*1946) III 60, 74 Balbus Johannes von Genua († um 1298) II 329 Balch David (k.A.) II 39 Baldinucci Filippo (1624–1696) II 508 Baldwin Michael (*1945) IV 323 Ball Hugo (1886–1927) IV 57ff, 118 Balla Giacomo (1871–1958) IV 68f Balmond Cecil (*1943) IV 372, 374, 378, 382, 438, 498 Baltard Victor (1805–1874) III 275 Baltes Matthias (1940–2003) I 354 Bandmann Günter (1917–1975) II 255, 263, 322f Banksy, Graffitikünstler (*um 1974) IV 393f Barbaro Daniele (1513–1570) I 84; II 465, 494ff, 498, 507 Barbaro Ermolao (1454–1493) II 411 Barbaro Marcantonio (1518–1595) II 494, 498 Barbieri Olivo (*1954) IV 339 Barker Robert (1739–1806) III 259 Barlaam von Kalabrien (um 1290–1348) II 63 Barnabas Autor (?) II 47

Barnes Albert Coombs (1872–1951) IV 125 Baroncelli Niccolò († 1453) II 382 Barr Alfred H. (1902–1981) IV 35, 47 Barral i Altet Xavier (*1947) II 327 Barry Charles (1795–1860) III 263, 274 Barry Robert (*1936) IV 325, 557 Barthes Henriette († 1977) IV 236 Barthes Roland (1915–1980) I 252; II 151; III 408, 411; IV 13, 201, 228, 235–241, 245, 255, 274, 318, 323, 463, 516, 561 Bartholdi Frédéric-Auguste (1834–1904) III 229 Bartholdy Jacob Salomon (1779–1825) III 387 Bartholl Aram (*1972) IV 396 Bartholomew Alfred (1801–1845) III 260 Barye Antoine-Louis (1795–1875) III 250 Basch Victor (1863–1944) III 354 Baselitz Georg (*1938) IV 53 Basileios I. (reg. 867–886) II 93 Basileios II. (reg. 976–1025) II 94 Basilius aus Cäsarea (um 330–379) II 53f, 134, 136, 141, 306; IV 429 Bassi Laura Maria Caterina (1711–1778) III 200 Bassus Junius (317–359) II 69 Bataille Georges (1892–1962) I 64, 280; III 239; IV 252, 254ff, 275, 395 Batteux Charles (1713–1780) III 56, 160, 164; IV 407, 415, 501 Baudelaire Charles (1821–1867) III 163, 225, 232, 237, 253, 258, 340f, 373, 402– 407, 412, 414; IV 61, 178, 458 Bauer Bruno (1809–1882) III 334 Bauer Franz J. (*1952) I 40; III 209, 219, 332 Baudrillard Jean (1929–2007) IV 260, 275ff, 279, 554 Baumann Zygmunt (1925–2017) IV 294 Baumbach Lydia (1924–1991) I 264 Baumgarten Alexander Gottlieb (1714– 1762) I 347; II 252; III 52, 56, 58, 152, 165–170, 175, 180, 183, 186f, 190, 243, 326, 333, 352f, 366; IV 258, 404, 407, 409, 414–417, 421, 424, 426ff, 448, 465, 470, 473f, 517 Baumgartner Hans Michael (1933–1999) III 309 Baxandall Michael (1933–2008) II 433, 448 Bayard Hippolyte (1801–1887) III 252 Bayazid I., Sultan (reg. 1389–1402) II 211 Bayazid II., Sultan (reg. 1482–1512) II 217

603

604

Namensverzeichnis

Bayle Pierre (1647–1706) III 35, 37, 98, 199 Baziotes William (1912–1963) IV 302 Beard George Miller (1839–1883) III 236 Beardsley Aubrey (1872–1898) IV 62 Beardsley Monroe C. (1915–1985) I 29; IV 213–217, 219, 439, 442, 444, 513 Beaucamp Eduard (*1937) IV 47 Beaufret Jean (1907–1982) IV 161, 165 Beausobre Louis de (1730–1783) III 353 Bebel August (1840–1913) IV 16 Beccaria Cesare (1738–1794) III 199 Becher Bernd (1934–2007) IV 298, 351 Becher Hilla (1934–2015) IV 298, 351 Beck Ulrich (1944–2015) IV 264 Becker Jakob (1810–1872) III 413 Beckmann Max (1884–1950) III 345; IV 19f, 48 Becquerel Henri (1852–1908) IV 14 Beda Venerabilis (673–735) II 223, 282 Beecroft Vanessa (*1969) IV 387 Beethoven Ludwig van (1770–1827) III 363; IV 106, 187, 201, 206, 488, 543f, 555 Behne Adolf (1885–1948) IV 85 Behnisch Günter (1922–2010) IV 361, 371, 376 Behrens Peter (1868–1940) III 422f; IV 83, 87, 107, 109, 119, 362 Beierwaltes Werner (1931–2019) II 58, 117, 123, 236, 252, 282, 314, 323, 336, 362 Beissel Stephan (1841–1915) III 394 Belinskij Vissarion (1811–1848) III 411 Belisar (um 505–565) II 24, 92 Belitski Ludwig (1830–1902) III 255 Bell Alexander Graham (1847–1922) III 234 Bell Clive (1881–1964) IV 219, 405, 437f, 442, 468, 550 Bellamy Edward (1850–1898) III 291; IV 100, 348 Bellini Gentile (1429–1507) II 217, 355 Bellini Giovanni (um 1437–1516) II 355 Bellini Jacopo (1400–1470) II 355, 359, 447 Bellori Giovan Pietro (1613–1696) I 357; II 499; III 91, 100, 105, 120f Bellosi Luciano (1936–2011) II 422, 424 Bellotto Bernardo (1722–1780) III 26 Belting Hans (*1935) I 361; II 176, 178f, 181, 184f, 403, 416, 423f, 428, 430f, 433; III 330; IV 477 Beltracchi Wolfgang (*1951) III 358; IV 401, 550, 552

Belzoni Giovanni Battista (1778–1823) I 196; III 263 Bembo Pietro (1470–1547) II 503 Bénard Charles Magloire (1807–1898) III 353 Benedetto Antelami (um 1150–um 1230) II 271 Benedict, Abt (um 628–690) II 223 Benedikt XIII., Gegenpapst (reg. 1394– 1423) II 362 Benedikt XVI. (reg. 2005–2013) III 395 Benedikt von Aniane (um 750–821) II 248f Benedikt von Nursia (um 480–um 547) II 147, 228f Benjamin Walter (1892–1940) III 73, 78, 87f, 224, 283, 330, 359, 371; IV 63, 65, 176, 178, 184, 187–192, 205f, 225, 439, 470 Benn Gottfried (1886–1956) III 54 Bérain Jean (1640–1711) III 94 Berengar von Tours (um 999–1088) II 294 Berg Alban (1885–1935) IV 179 Bergmann Gustav (1906–1987) IV 193 Bergmann Max (1884–1955) IV 95 Bergson Henri (1859–1941) III 392f, 419f; IV 62, 67, 69, 157 Bering Kunibert (*1951) II 150, 236, 248 Berkel Ben van (*1957) IV 372 Berkeley George (1685–1753) III 150f Berlage Hendrik Petrus (1856–1934) IV 109, 119 Berlioz Hector (1803–1869) II 462 Bernadone Giovanni Battista cf. Franz von Assisi Bernhard von Angers (um 1010) II 125, 240 Bernhard von Chartres († um 1126) II 276 Bernhard von Clairvaux (1090–1153) II 80, 136, 249, 260, 273f, 287–291, 297f, 302, 305, 327, 337, 456; III 86 Bernhardi Friedrich Adolf Julius von (1849–1930) IV 16 Bernini Gianlorenzo (1598–1680) II 215, 480; III 10, 19, 36, 64, 68f, 76f, 80, 89–92, 95, 105, 107, 118, 129, 133, 141, 147, 446 Bernini Pietro (1562–1629) III 90 Berno von Baume, Abt (reg. 907–927) II 248 Bernward von Hildesheim (reg. 993–1022) II 230, 269 Berruguete Pedro (1450–1504) II 381 Berry Herzog von (Jean de France) (1340– 1416) II 331

Berthold von Moosburg († um 1361) II 341 Bertram Georg W. (*1967) IV 409, 456, 506, 509, 521, 522f Bessarion Basilius (1403–1472) II 393 Bessemer Henry (1813–1898) III 283 Betzler Monika (*1963) IV 408, 423 Beuys Joseph (1921–1986) IV 27, 288, 300, 316, 337f, 345ff, 437, 475, 486, 531 Bexte Peter (*1954) III 163 Beyeler Ernst (1921–2010) IV 167 Bibiena Ferdinando Galli (1656–1743) III 102 Bibiena Giuseppe Galli (1695–1757) III 26, 32, 102 Bichler Reinhold (*1947) I 373; II 12 Biemel Walter (1918–2015) III 409 Bierbaum Otto Julius (1865–1910) III 419 Biermann Veronica (k.A.) II 486 Bietak Manfred (*1940) I 270 Bihzad Kamal ad-Din (1460–1535) II 167 Bilfinger Georg Bernhard (1693–1750) III 165 Bilhaud Paul (1854–1933) IV 60 Bill Max (1908–1994) IV 78 Binding Günther (*1936) II 280, 283, 325, 332 Bini Dante (*1932) IV 382 Bion von Borysthenes (um 335–um 252) I 387 Biondo Flavio (1392–1463) II 146 Biow Hermann (1804–1850) III 254 al-Biruni (973–um 1050) II 173 Bishop Claire (*1971) IV 385 Bisson Auguste-Rosalie (1826–1900) III 256 Bisson Louis-Auguste (1814–1876) III 256 Blake Peter (*1932) IV 315, 360 Blake William (1757–1827) III 225 Blanchot Maurice (1907–2003) IV 255 Blanquart-Évrard Louis-Désiré (1802– 1872) III 254 Blavatsky Helena Petrovna (1831–1891) IV 36, 39, 41, 48, 117f Blecken Carl (1798–1840) III 410, 412 Bleckmann, Bruno (*1962) II 14 Bleicken Jochen (1926–2005) I 396 Blek le Rat (Xavier Prou) (*1951) IV 394 Blériot Louis (1872–1936) III 235 Bleyl Fritz (1880–1966) IV 52 Bloch Ernst (1885–1977) I 357; II 174, 377, 410, 419; III 383, 397; IV 57, 120, 123, 176, 357

Namensverzeichnis

Bloch Marc (1886–1944) II 244 Bloch Peter (1925–1994) II 242 Blösel Wolfgang (*1969) I 377 Blom Philipp (*1970) III 224; IV 73 Blondel François (1618–1686) III 85, 134– 137, 139, 142; IV 498 Blondel Jacques-François (um 1705–1774) III 61f, 139, 262, 278f, 282, 287 Blondel Maurice (1861–1949) III 393 Bloomer Kent C. (*1935) IV 265 Blouet Abel (1795–1853) III 287 Bloxham Matthew Holbeche (1805–1888) III 274 Blu, Graffitikünstler (Anfang 1980er Jahre) IV 393 Blumenberg Hans (1920–1996) I 252, 341, 352, 366, 368; II 373, 391, 405; III 48, 198; IV 64, 200 Blumenthal Elke (*1938) II 138 Boccaccio Giovanni (1313–1375) II 274, 350, 356, 393, 407 Boccioni Umberto (1882–1916) IV 20, 68f, 76 Bocola Sandro (*1931) IV 38 Bode Arnold (1900–1977) IV 295 Bodin Jean (1529/30–1596) II 361 Bodmer Johann Jakob (1698–1783) III 362 Böckenförde Ernst-Wolfgang (*1930) II 245 Böcklin Arnold (1827–1901) III 361, 440; IV 62, 464 Boehm Gottfried (*1942) II 112, 124, 428, 431; III 440; IV 135, 559, 563f, 571 Böhm Wilhelm (k.A.) III 316 Böhme Gernot (*1937) IV 418f, 492f, 519 Böhme Jakob (1575–1624) II 414f; III 372; IV 58, 62 Böhme Robert (k.A.) I 290 Böhmer Caroline (1763–1809) III 307, 374 Böhmermann Jan (*1981) IV 526 Börger Hans (1880–1971) II 339 Börne Ludwig (1786–1837) III 397 Boëthius Anicius Manlius Severinus (um 480–um 524) II 146, 152–156, 227, 234, 276, 414, 420 Boffrand Germain (1667–1754) III 62, 136f, 139 Bofill Ricardo (*1939) IV 364 Bohr Niels (1885–1962) IV 14 Bohrer Karl Heinz (*1932) III 363, 371, 403; IV 187, 225, 416, 452 Boileau-Despréaux Nicolas (1636–1711)

I 458; III 107–110, 121f, 134, 156, 159, 170, 176, 191; IV 249, 473 Boisserée Sulpiz (1783–1854) III 275, 299 Boleyn Anne (1501/07–1536) II 417 Bolz Norbert (*1953) IV 229 Bonanno Anthony (*1947) I 104 Bonaparte Napoleon Eugène Louis, cf. Napoleon III. Bonaventura von Bagnoregio (1221–1274) II 304, 309f, 340; III 393 Bonifatius (672/73–754) II 224 Bonnard Pierre (1867–1947) IV 36 Bonnet Charles (*1933) II 126 Bonomi Joseph (1739–1808) III 263 Borghini Raffaelo (1537–1588) III 110 Borngässer Barbara (*1951) III 86, 96 Borromäus Karl (1538–1584) II 188, 480, 501 Borromini, cf. Castelli Francesco Bosanquet Bernard (1848–1923) III 354 Bosch Hieronymus (um 1450–1516) II 377, 442; III 380 Bossuet Jacques Bénigne (1627–1704) III 98 Botta Mario (*1943) III 396 Botticelli Sandro (1445–1510) II 363, 373, 386, 407, 448; IV 139f Bottineau Yves (1925–2008) III 64 Bottomore Tom B. (1920–1992) IV 342 Boucher Francois (1703–1770) III 164, 203 Bougainville Louis-Antoine de (1729– 1811) III 201 Bouhours Dominique (1628–1702) IV 473 Boulez Pierre (1925–2016) III 59; IV 547 Boullée Etienne-Louis (1728–1799) III 137, 277–281f; IV 364, 367 Bourdieu Pierre (1930–2002) II 338; IV 481f Bourdon Sébastien (1616–1671) III 114 Bourgeois Louise (1911–2010) IV 346 Bourriaud Nicolas (*1965) IV 334, 503 Bouterwek Friedrich (1766–1828) III 362 Bouwsma William J. (1923–2004) II 352 Boyle Richard (1694–1753) III 143f Bracciolini Poggio (1380–1459) I 383; II 368, 386, 389, 454 Bradley Francis H. (1846–1924) III 354 Brahe Tycho (1546–1601) II 378; III 45 Brahmagupta (598–nach 665) II 277 Brahms Johannes (1833–1897) IV 201 Braidwood Robert J. (1907–2003) I 76, 128 Bramante Donato (1444–1514) II 464f, 471, 477, 479f, 491f, 496; III 26, 89, 142

Brancacci Felice (1382–um 1440) II 345 Brancusi Constantin (1876–1957) IV 27, 36, 56, 95, 553f Brandt Reinhard (*1937) I 450 Braque Georges (1882–1963) IV 36, 53ff, 167, 565 Braudel Fernand (1902–1985) II 353f, 368, 502 Braulio von Saragossa (590–651) II 155 Braun Christina von (*1944) I 229, 231 Braunfels Wolfgang (1911–1987) II 324 Braungart Michael (*1958) IV 386 Breasted James Henry (1865–1935) I 76, 216 Brecht Bertolt (1898–1956) IV 122f, 188, 437 Bredekamp Horst (*1947) II 113, 125, 271, 333; IV 146, 157, 561 Breitinger Johann Jakob (1701–1776) III 362 Brenk Beat (*1935) II 228 Brentano Clemens (1778–1824) III 364, 375, 380 Brentano Franz (1838–1917) IV 148f Breton André (1896–1966) IV 61, 63f, 68, 234, 254, 302, 367 Breuil Henri (1877–1961) I 59ff, 67 Brik Ossip (1888–1945) IV 71 Briseux Charles-Étienne (um 1680–1754) III 85, 137; IV 498 Brisley Stuart (*1933) IV 332 Broch Hermann (1886–1951) IV 17 Brock Bazon (*1936) IV 345, 418 Brod Max (1884–1968) IV 420 Broglie Louis de (1892–1987) IV 14 Brolin Brent C. (*1940) IV 360 Brosses Charles de (1709–1777) III 76 Brown Lancelot (1716–1783) III 173 Brown Trisha (1936–2017) IV 339 Brucker Jakob (1696–1770) II 114 Bruckner Anton (1824–1896) IV 201, 526, 547 Brüderlin Markus (1958–2014) IV 29, 368 Brüggemann Hans (um 1480–um 1540) II 330 Brueghel Pieter d. Ä. (1525–1569) II 444, 504; III 39 Brunelleschi Filippo (1377–1446) II 369, 375, 384, 385, 421, 423, 424f, 432, 434, 440f, 450f, 454, 464f, 468, 476, 478, 481ff, 505; III 77; IV 499

605

606

Namensverzeichnis

Bruni Leonardo (1370–1444) II 384 Brunn Heinrich von (1822–1894) III 244, 446 Brunner Helmut (1913–1997) I 204 Brunner-Traut Emma (1911–2008) I 191, 255f; II 421; IV 198 Bruno Giordano (1548–1600) I 357; II 395, 400, 406, 408ff, 419, 427; III 309 Bruno von Köln (um 1030–1101) II 230 Brus Günter (*1938) IV 343f Brutus Marcus Iunius Caepio (85–42) I 414 Bryson Norman (*1949) IV 566 Bubner Rüdiger (1941–2007) I 24; IV 295, 413, 422, 439ff, 461, 471, 475, 538 Buci-Glucksmann Christine (k.A.) III 74, 78, 87f Büchel Christoph (*1966) IV 335, 477 Büchner Georg (1813–1837) III 380 Bürger Peter (1936–2017) IV 98, 230f, 482 Bugatti Carlo (1856–1940) III 425 Bugatti Ettore (1882–1947) III 425 Bugatti Rembrandt (1884–1916) III 425 Bunsen Christian Carl Josias von (1791– 1860) III 272f; IV 92 Bunting Heath (*1966) IV 395 Buñuel Luis ((1900–1983) III 70; IV 64 Buonaiuti Ernesto (1881–1946) III 393 Buonanni Filippo (1638–1725) III 108 Buondelmonti Cristoforo de (1386–um 1430) I 211; II 436 Burckhardt Jacob (1818–1897) I 40, 259, 391, 423; II 88, 369, 371, 377, 387, 391, 467; III 40, 72, 244, 307, 349, 401, 433, 444ff Burckhardt Jean Louis (1784–1817) I 196 Burckhardt Rudolf (1877–1964) IV 308 Burckhardt Titus (1908–1984) II 323 Burden Chris (1946–2015) IV 331 Burgkmair Hans (1473–1531) II 382 Buridan Johannes (1300–1358) II 391 Burke Edmund (1729–1797) I 458; III 85, 170f, 183, 191f, 212f, 248, 262, 278, 280, 355, 366, 377; IV 249, 303, 407, 558 Burkert Walter (1931–2015) I 67, 81, 90, 97, 280f Burton Richard (1821–1890) III 115 Busbecq de Ogier Ghislain (1522–1592) II 375 Busketos (Buscheto di Giovanni) (11. Jh.) II 243 Butcher Samuel H. (1850–1910) I 368

Butler Judith (*1956) IV 343 Buttress Wolfgang (*1965) IV 379 Bynum Caroline Walker (*1941) II 257 Byron Lord (1788–1824) III 221

Cabet Étienne (1788–1856) III 228 Cabral Pedro Alvarez (um 1468–1520) II 375 Caecilius Statius (um 220–168) II 241 Caesar Gaius Julius (100–44) I 171, 235, 403, 412ff, 416, 439, 451, 454; II 383; III 279 Cage John (1912–1992) IV 45, 313, 331, 334, 336–339, 545, 550, 555, 557 Calabrese Omar (1949–2012) III 87 Calatrava Santiago (*1951) IV 372, 376 Calcidius (4./5. Jh.p) II 234, 276 Calder Alexander (1898–1976) IV 268 Caligula (12–41) I 418 Callixtus, Patriarch (reg. 734–740) II 25, 67f Calpurnius Lucius Piso (1. Jh.a) I 436, 441 Calvelli-Adorno Maria (1865–1952) IV 179 Calvin Johannes (1509–1564) II 364f, 389; III 12, 22f Çambel Halet (1916–2014) I 76 Camden William (1551–1623) II 146 Camerino Jacopo da (13./14. Jh.) II 437 Cameron Julia Margaret (1815–1879) III 256 Campanella Tommaso (1568–1639) II 418f; IV 23 Campbell Colen (1676–1729) III 141ff Campendonk Heinrich (1889–1957) IV 40, 60, 401, 552 Camus Albert (1913–1960) IV 236, 288, 342 Canal Giovanni Antonio (Canaletto) (1697– 1768) III 26, 174 Canevale Isidor (1730–1786) III 43 Canova Antonio (1757–1822) III 247, 249, 265, 412 Cantemir Dimitrie (1673–1723) II 213 Caprarola da Cola (um 1494–1518) II 492 Caracalla (reg. 211–217) I 423, 446; III 287 Caravaggio (1571–1610) III 25, 27f, 36, 38, 110ff; IV 439 Caravatti Emilio (*1965) IV 385 Cardano Girolamo (1501–1576) II 378, 412 Carl August v. Sachsen-Weimar (1757– 1828) III 296 Carlson Allen (*1943) IV 494 Carlyle Thomas (1795–1881) III 354

Carnap Rudolf (1891–1970) IV 95, 193, 196 Carpentier Alejo (1904–1980) III 68 Carpentier Jules (1851–1921) III 259 Carrà Carlo (1881–1966) IV 66, 68f Carracci Agostino (1557–1602) III 110ff, 121 Carracci Annibale (1560–1609) III 25, 28, 38, 83, 103, 110ff, 121 Carracci Ludovico (1555–1619) III 112 Carter Howard (1874–1939) I 169, 207 Carus Carl Gustav (1789–1869) III 310 Casaubon Isaak (1559–1614) I 210; II 378 Cassian cf. Johannes Cassianus Cassiodorus Magnus Aurelius Flavius (um 485–um 580) II 155f, 223 Cassirer Bruno (1872–1941) III 426 Cassirer Ernst (1874–1945) I 36, 46, 251ff, 428; II 427, 431; III 84, 181, 316; IV 132– 137, 140–143, 162, 194, 197, 203, 218, 257, 562 Cassirer Paul (1871–1926) III 426; IV 28 Cassius Gaius Longinus (um 85–42) I 414; IV 249 Castagno Andrea del (um 1418–1457) II 382, 445 Castelli Francesco (Borromini) (1599– 1667) II 81; III 25, 64, 71, 76, 89, 91f, 95, 101, 104, 107, 110, 133, 141f; IV 103, 116 Castiglione Baldassare (1478–1529) II 389, 487, 492 Castro Fidel (1926–2016) IV 284 Cataneo Pietro (um 1510–1571) II 512 Catel Franz Ludwig (1778–1856) III 246 Catilina Lucius Sergius (um 108–62) I 411 Cato Marcus Porcius d. Ä. (Censorius) (234–149) I 408f Cato Marcus Porcius d. J. (Uticensis) (95– 46) I 413 Cattelan Maurizio (*1960) IV 332 Catulus Quintus Lutatius (1. Jh.a) I 446 Caumont Arcisse de (1801–1873) II 260; III 275 Cavalcaselle Giovanni Battista (1819– 1897) III 244 Cavalli Francesco (1602–1676) IV 527 Cavour Camillo Benso di (1810–1861) III 221 Caylus Anne-Claude-Philippe de (1692– 1765) III 262 Celant Germano (*1940) IV 346 Cellini Benvenuto (1500–1571) II 456, 459, 462, 504, 509; III 83

Namensverzeichnis

Celsus (2. Jh.p) II 52 Cennini Cennino (um 1370–um 1440) II 345, 438, 449f, 504; III 106 Ceolfrid (um 642–716) II 223 Cesalpino Andrea (1519–1603) II 379 Cesare Donatella di (*1956) IV 161 Cesare del Pelagio Carlo di (1538–um 1597) II 353 Cesariano Cesare (1483–1543) II 465, 475, 495 Cézanne Paul (1839–1906) III 251, 408; IV 35, 51, 158f, 167, 171, 401, 438 Chadidscha bint Chuwailid (um 555–um 619) II 160f Chadwick John (1920–1998) I 264 Chagall Marc (1887–1985) IV 77 Chamberlain John (1927–2011) IV 310 Chambers Ephraim (1680–1740) III 161 Chambers William (1723–1796) III 173f, 261ff, 354 Champfleury Jules-Husson (1821–1889) III 410 Champollion Jean-François (1790–1832) I 211, 213; II 378 Chandler Richard (1738–1810) III 117 Chapelain Jean (1595–1674) III 51 Chapman John W. (1853–1903) IV 261 Chasechemui (reg. 2734–2707) I 189 Châteaubriand François-René de (1768– 1848) III 368 Chaucer Geoffrey (1340–1400) II 274 Chave Anna C. (k.A.) II 427 Che Guevara (1928–1967) IV 284f Chenu Marie-Dominique (1895–1990) II 335 Cheops (reg. um 2604–2681) I 190ff Chephren (reg. 2572–2546) I 192 Chéreau Patrice (1944–2013) IV 486, 488, 547 Chéret Jules (1836–1932) III 420 Chersiphron von Knossos (um 580) I 340 Chesneau Ernest-Alfred (1833–1890) III 232 Childe Gordon Vere (1892–1957) I 74f, 94 Childerich I. († um 482) II 149 Chillida Eduardo (1924–2002) IV 167 Chipiez Charles (1835–1901) I 127 Chirico Andrea de (1891–1952) IV 66 Chirico Giorgio de (1888–1978) IV 60, 64, 66 Chlodwig I. (466–511) II 23, 149

Chnumhotep (19. Jh.a) I 184 Choisy Auguste (1841–1909) III 288 Chomsky Noam (*1928) III 54 Chopin Frédéric (1810–1849) IV 527, 545, 550 Chourmouziadis George (1932–2013) I 261 Chrisostomos cf. Dion von Prusa Christine de Pizan (1364–nach 1429) II 297, 390 Christine von Schweden (reg. 1632–1654) III 120 Christo (*1935) IV 315f, 327, 529 Christy Henry (1810–1865) I 63, 68 Chruschtschow Nikita S. (1894–1971) IV 282 Chrysippos von Soloi (um 281–um 205) I 384 Chrysoloras Manuel (1350–1415) II 385 al-Chwarizmi cf. Ibn Muhammad al-­ Chwarizmi Cicero Marcus Tullius (106–43) I 382f, 385, 404, 409, 411, 414, 426, 451ff; II 13, 57, 136, 152f, 297, 372, 383, 386, 388, 391, 395, 447, 470, 486, 503; III 279; IV 462 Cicognara Leopoldo (1767–1834) III 244 Cimabue (um 1240–um 1302) II 357, 437f, 450, 508 Cirio Paolo (*1979) IV 396 Clair Jean (*1940) IV 47f, 65 Clarke David (*1954) IV 17 Claß Heinrich (1868–1953) IV 16 Claudius von Turin († 827) II 233 Cleland John (1709–1789) III 198 Clemanges Nicolas de (um 1360–um 1440) II 383 Clemens VIII., Papst (reg. 1592–1605) III 25 Clemens X., Papst (reg. 1670–1676) III 120 Clemens von Alexandrien (um 150–um 210) I 111, 447; II 51f, 71ff, 127, 135 Clemens von Rom (um 50–97) II 47 Cline Eric H. (*1960) I 148 Clottes Jean (*1933) I 69, 72f Coarelli Filippo (*1936) I 427 Cocceius Auctus Lucius (1. Jh.a-1. Jh.p) I 436 Cockerell Charles Robert (1788–1863) I 339; III 260 Cocteau Jean (1889–1963) IV 104 Cohen Alan (k.A.) IV 280 Cohen Hermann (1842–1918) IV 132f, 137 Colalucci Gianluigi (*1929) II 461

Colbert Jean Baptiste (1619–1683) III 29, 31, 58, 132f, 163 Coleridge Samuel Taylor (1772–1834) III 354, 361 Col Gontier (um 1354–1418) II 383 Collingwood Robin George (1889–1943) I 359; IV 129–132, 465, 535f Collins Anthony (1676–1729) III 199 Colombo Realdo (1516–1559) II 379 Colonna Francesco (1433–1527) II 359, 417; III 132 Colonna Vittoria (1492–1547) II 382 Colpe Carsten (1929–2009) I 373; II 12 Commodus (reg. 180–192) I 419, 423 Comte Auguste (1798–1857) III 233, 245, 390, 400 Conant Kenneth John (1894–1984) II 264 Conard Nicholas J. (*1961) I 54, 62 Condillac Étienne Bonnot de (1714–1780) III 151, 164; IV 407 Connelly Joan Breton (*1954) I 315 Conner Bruce (1933–2008) IV 314 Connery Sean (*1930) I 43 Constable John (1776–1837) III 225 Constantia Flavia Julia († um 330) II 18, 53, 135 Constantius I. (reg. als Kaiser 305/06) II 15ff Constantius II. (reg. 337–361) I 437; II 87, 89f, 108 Constantius III. († 421) II 22 Conze Alexander (1831–1914) III 446 Cook James (1728–1779) III 17, 260 Cook Peter (*1936) IV 364 Coray Han (Karl Heinrich Ulrich) (1880– 1974) IV 58 Cordemoy Jean-Louis de (1631–1713) III 134, 138, 145, 262 Coreth Emerich (1919–2006) III 312 Corinth Lovis (1858–1925) III 384 Cornaro Alvise (1484–1566) II 497f Cornaro Caterina (1454–1510) II 382 Cornaro Giorgio (1517–1554) II 498 Cornelius Peter (1783–1867) III 387f Corner Philip (*1933) IV 338 Corot Jean-Baptiste Camille (1796–1875) III 411 Correggio (1489–1534) II 511 Cortés Hernán (1485–1547) II 376 Cortese Paolo (1465–1510) II 395, 502 Cortona Pietro da (1596–1669) III 64, 110, 142

607

608

Namensverzeichnis

Corvinus Matthias (reg. als König 1458– 1490) II 381, 390 Costa Lúcio (1902–1998) IV 361 Cotta Johann Friedrich (1764–1832) III 273, 300f Courajod Louis (1841–1896) II 339, 352 Courbet Gustave (1819–1877) III 247f, 410, 414 Courcelle Pierre (1912–1980) II 153 Courtonne Jean (1671–1739) III 61, 139 Cousin Victor (1792–1867) III 353, 423 Coyevox Antoine (1640–1720) III 34 Cranach Lucas (1472–1553) II 355, 504; III 39 Crary Jonathan (*1951) II 423; III 403 Crassus Marcus Licinius (115/114–53) I 412 Crescenzi Pietro de (um 1230–um 1320) II 497 Croce Benedetto (1866–1952) III 71, 74, 160; IV 120, 128–132, 465, 535f Cros Charles (1842–1888) III 255 Crowes Joseph Archer (1825–1896) III 244 Cudworth Ralph (1617–1688) I 210; III 369 Cumont Franz (1868–1947) II 75 Cunningham Merce (1919–2009) IV 339 Curie Marie (1867–1934) III 241; IV 14 Curie Pierre (1859–1906) IV 14 Curi Fausto (k.A.) IV 231 Currentzis Teodor (*1972) IV 544 Currie Gregory (*1950) IV 542, 545, 551 Curtius Ernst (1814–1896) III 222 Curtius Ernst Robert (1886–1956) III 74 Cuthbert von Lindisfarne (um 635–687) II 224 Cyprian von Karthago (um 200–258) II 71 Cyrill von Alexandrien († 444) II 133 Czeschka Carl Otto (1878–1960) III 429

Daguerre Louis Jaques Mandé (1787–

1851) III 251 Daimler Gottlieb (1834–1900) III 235 Dalí Salvador (1904–1989) IV 64, 66, 256 Damasus I., Papst (reg. 366–384) II 56 Damisch Hubert (1928–2017) II 433f Da Narni Erasmo (1370–1443) II 382 D’Andeli Henri (um 1250) II 299 D’Annunzio Gabriele (1863–1938) IV 68 Dante Alighieri (1265–1321) II 340, 350, 356, 421, 439, 460; III 204, 360; IV 455, 526 Danto Arthur Coleman (1924–2013) I 359;

IV 206–211, 323, 413, 453, 472f, 508f, 513f, 526, 555 Darby Abraham (1750–1791) III 283 Dareios I. (reg. 521–486) I 159f, 297 Dareios II. (reg. 423–404) I 159 Dareios III. (reg. 335–331) I 161, 374, 390 D’Argens Jean-Baptiste (1703–1771) III 198 D’Aronco Raimondo (1857–1932) III 425 Darwin Charles (1809–1882) I 48; III 233; IV 16f Da Strada Katharina (1579–1629) III 45 Daubigny Charles François (1817–1878) III 414 Daumier Honoré (1808–1879) III 222, 225, 248, 412f Dauthe Johann Carl Friedrich (1746–1816) III 139 David, König von Jerusalem (um 1000) I 219–222, 242f David Catherine (*1954) IV 301 David Jacques-Louis (1748–1825) III 164, 212, 300, 368, 412, Davies Stephen (k.A.) IV 450, 493 Dawkins James (1722–1757) III 117 Dawn Virginia (*1931) IV 328 De Beauvoir Simon (1908–1986) IV 343 De Bisschop Jan (1628–1671) III 124 Debussy Claude (1862–1918) III 415, 424 De Carvalho e Melo José (1699–1782) III 29 De Certeau Michel (1925–1986) IV 253 Decius, Kaiser (reg. 249–251) II 16 Decker Paulus d. Ä. (1677–1713) III 104, 137 De Condillac Étienne Bonnot (1714–1780) III 151, 164 De Fleury André-Hercule (1653–1743) III 35 Defoe Daniel (1660–1731) II 174; III 15 Degas Edgar (1834–1917) III 408 De Gouges Olympe (1748–1793) III 200 De Guzmán Gaspar, Graf von Olivares (1587–1645) III 27 Dehio Georg (1850–1932) II 322 Deinokrates aus Rhodos (4. Jh.a) I 375f De la Barca Calderón (1600–1681) III 23, 32 Delacroix Eugène (1798–1863) III 221, 245, 248, 250, 255, 376, 378, 404ff, 412f; IV 400 De Lajoue Jacques (1686–1761) III 94 De la Motte Antoine Houdar (1672–1731) III 108, 110

Delaunay Robert (1885–1941) III 382; IV 31, 56 Delaunay-Terk Sonia (1885–1979) IV 56 Deleuze Gilles (1925–1995) III 57–60, 70, 73, 75, 77, 87f, 437; IV 116, 249, 258ff, 377 De Libera Alain (*1948) II 146 Del Monte Francesco Maria Kardinal (1549–1627) III 111 De Lobkowitz Juan Caramuel (1606–1682) III 147 Demachy Robert (1859–1938) III 257 De Mairan Dortous (1678–1771) III 200 Demandt Alexander (*1938) I 373f; II 15 Demargne Pierre (1903–2000) I 309, 311 De Maria Walter (1935–2013) IV 299, 317, 328f, 331 De Matteis Paolo (1662–1728) III 156 Demetrios Kydones (1324–1397/98) II 63 Demokrit aus Abdera (um 400a) I 328, 343, 381, 383; III 336 Demosthenes († 322a) I 302 Demus Otto (1902–1990) II 123, 141 Denes Agnes (*1938) IV 328 Denis Maurice (1870–1943) IV 62 Denon Dominique-Vivant (1747–1825) III 369 Deperthes Jean-Baptiste (1761–1833) III 410 D’ Epinay Louise (1726–1783) III 202 Dermée Paul (1886–1951) IV 63 Derrida Jacques (1930–2004) III 437; IV 137, 194, 201, 224, 242–246, 248, 252, 255, 257, 260, 267, 365, 559 De Sanctis Francesco (1679–um 1731) III 95 De San Nicolás Fray Lorenzo de (1595– 1679) III 147 Descartes René (1596–1650) II 314, 347, 418, 428; III 10, 16f, 30, 37, 46, 50–55, 57f, 69, 113, 150f, 161, 165f, 187; IV 133, 150, 152, 263, 322 Desiderio da Settignano (1428–1464) II 447 Dessoir Max (1867–1947) IV 406, 410, 414 D’Este Isabella (1474–1539) II 382 D’Este Lionello (1407–1450) II 486 D’Este Niccolò III. (um 1383–1441) II 382 Detering Heinrich (*1959) III 439 Detrain André (1880–1954) IV 51 De Tubières-Grimoard de Pestels de ­L­évis Anne-Claude-Philippe (1692–1765) III 117

Namensverzeichnis

Deuterojesaja (um 550a) I 225, 229f, 242 Dewey John (1859–1952) IV 124ff, 219, 487, 522 Dézallier d’Argenville Antoine-Joseph (1680–1765) III 33 Diagoras von Melos (um 475–410) II 125 Diaz Alonso Hernán (*1969) IV 376 Diaz Bartholomäus (um 1450–1500) II 375 Dickie George (*1926) I 349f; IV 206, 210, 214ff, 453, 456, 508, 526 Di Cristoforo Antonio (15. Jh.) II 382 Diderot Denis (1713–1784) III 45, 60, 157, 161–164, 177, 197, 199ff, 203ff, 405, 412; IV 465 Diefenbach Karl Wilhelm (1851–1913) IV 57 Diefenbach Steffen (*1968) II 249 Diego de Sagredo (16. Jh.) II 473 Diers Michael (*1950) IV 142 Dietrich Bernard Clive (*1928) I 266 Dietrich von Freiberg (um 1240–um 1318) II 294 Diller Elizabeth (*1954) IV 382 Dilthey Wilhelm (1833–1911) III 294, 357, 359; IV 120, 126, 173, 505 Dine Jim (*1935) IV 295 Diogenes Laertius (3. Jh.p) I 383 Diogenes von Sinope (um 410– 323) I 365, 386f; IV 252, 340, 345 Diokletian (reg. 284–305/† 312) I 424, 437, 440; II 13, 15f, 90 Dion von Prusa (Chrysostomos) (um 40– 113) I 381, 393 Dionigi Mönch († 1342) II 391 Dionysios Pseudo-Areopagites (5./6. Jh.) II 91, 116f, 119ff, 124, 136, 142, 150, 154, 205, 232, 234f, 278f, 282f, 302, 306, 311, 316, 326, 336ff, 405 Dionysios von Halikarnassos (um 54a8p) I 445 Dionysius Exiguus (um 470–um 540) II 225 Dionysius von Paris (3. Jh.) II 281, 285 Dionysius I. von Syrakus (um 430–367) I 295 Dix Otto (1891–1969) IV 19f, 48, 53, 59f al-Djahiz (776–869) II 158 Djedefre (reg. 2581–2572) I 150, 152 Djoser (reg. 2690–2670?) I 189, 200 Dobschütz Ernst von (1870–1934) II 130 Dörpfeld Wilhelm (1853–1940) I 260 Doesburg Theo van (1883–1931) III 424; IV 31, 88ff, 92ff, 101, 103

Dohmen Christoph (*1957) I 225, 237–240 Dolce Lodovico (1508–1568) III 110 Dominici Giovanni (1357–1419) II 373 Dominikus (um 1170–1221) II 293, 305 Domitian Titus Flavius (reg. 81–96) I 419, 421 Donaldson Thomas Leverton (1795–1885) I 339; III 260 Donatello (um 1386–1466) II 382, 386, 440f, 445, 450, 461, 468, 484; IV 51, 499 Donatus von Besançon († vor 660) II 136 Dondelinger Edmund (k.A.) I 192f Dopsch Alfons (1868–1953) II 147, 321 D’Orbay Francois (1634–1697) III 132 Doré Gustave (1832–1883) III 413 Dorigny Ludovico (1654–1742) II 496 Dostojewskij Fjodor M. (1821–1881) IV 19, 120f, 130, 431, 489 Doumas Christos Georgiou (*1933) I 271 Doyen François Gabriel (1726–1806) III 97 Droese Felix (*1950) IV 398 Droysen Johann Gustav (1808–1884) I 40, 373; III 446 Drude Christian (k.A.) III 258 al-Dschahiz Amr ibn Bahr (um 776–869) II 173 Du Bos Charles (1882–1939) III 176 Du Bos Jean-Baptiste (1670–1742) II 459; III 56, 62, 109, 127, 158f, 163; IV 473, 497, 512 Dubuffet Jean (1901–1985) IV 308, 367 Dubut Louis-Ambroise (1760–1846) III 281f Duby Georges (1919–1996) II 269, 284f, 301, 323, 330, 338, 352 Duccio di Buoninsegna (um 1255–1319) II 438f Duchamp Gaston (Villon Jacques) (1875– 1963) IV 95 Duchamp Marcel (1887–1968) III 187, 189; IV 28f, 32, 45, 50, 60f, 64, 94–99, 171, 207, 215, 323f, 455, 508, 511, 514, 526, 528, 553 Duchamp Pierre-Maurice-Raymond (1876–1918) IV 95 Du Châtelet Émilie (1706–1749) III 200 Dürer Albrecht (1471–1528) I 211; II 355, 359, 371, 377f, 381, 387, 394, 397, 406, 426, 442, 449, 452f, 461f, 466, 475, 494; III 113, 287, 366, 380, 387f; IV 140, 397, 549 Dufayel Georges (1855–1916) III 231 Dufy Raoul (1877–1953) IV 51

Dumont Gabriel Pierre Martin (1720– 1791) III 126 Duns Scotus (um 1266–1308) II 343, 347f Durand Jean-Nicolas-Louis (1760–1834) II 498; III 101, 145, 270, 281f Durand Marguerite (1864–1936) III 241 Duranty Edmond Louis Èmile (1833–1880) III 411 Durkheim Émile (1858–1917) III 400; IV 186 Durliat Marcel (1917–2006) II 222, 260 Dutschke Rudi (1940–1979) IV 285 Duve Thierry de (*1944) III 189; IV 33, 402 Dvorak Max (1874–1921) IV 139 Dyck Anthonis van (1599–1641) III 38

Eagleton Terry (*1943) IV 424

Eannatum, König von Lagasch (um 2470) I 134, 192 Eastlake Charles L. (1836–1906) III 274 Eastman George (1854–1932) III 257 Eaton Marcia Muelder (k.A.) IV 450 Ebeling Susanne (k.A.) II 23 Eberhard Johann August (1739–1809) III 109 Ebreo cf. Jehuda ben Isaak Abravanel Eckart Otto (*1944) I 220 Meister Eckhardt (um 1260–1327) II 259, 340f, 414 Eco Umberto (1932–2016) I 364; II 317, 323; IV 262, 265, 512, 515f Edelmann John (1852–1900) III 431 Edison Thomas Alva (1847–1931) III 234 Edward I. (reg. 1272–1307) II 343 Egger-Lienz Albin (1868–1926) IV 435 Ehn Karl (1884–1957) IV 91 Ehrenfels Christian von (1859–1932) IV 127 Eichendorff Joseph von (1788–1857) III 373, 375 Eichhorn Gottfried (1752–1827) II 174 Eichrodt Ludwig (1827–1892) III 384 Eiffel Alexandre-Gustave (1832–1923) III 224, 229 Einhard (um 770–840) II 233 Einstein Albert (1879–1955) III 393; IV 14, 65 Einstein Carl (1885–1940) IV 36 Eisenhower Dwight D. (1890–1969) IV 285 Eisenman Peter (*1932) II 144; IV 246, 365f Eisenstein Sergei (1898–1948) IV 21 Eje (reg. 1323–1319) I 180f, 196 Elagabal (reg. 218–222) I 418; II 15, 75

609

610

Namensverzeichnis

Elders Leo J. (*1926) II 314 El Greco (um 1541–1614) II 504 Eliade Mircea (1907–1986) I 80, 86, 90 Elias Prophet (9. Jh.a) I 238 Elias Norbert (1897–1990) III 69; IV 341 Eliot Thomas S. (1888–1965) IV 118, 261, 302 Elisabeth I. (reg. 1558–1603) II 367; III 26, 35 Ellenrieder Maria (1791–1863) III 247 El Lissitzky (1890–1941) IV 45f, 78, 92, 94 Elsner Jas (*1962) III 115 Emerson Peter Henry (1856–1936) III 256 Emin Tracy (*1963) IV 316 Empedokles aus Akragas (495–435) I 280, 328, 447 Endell August (1871–1925) III 420 Engelberg Meinrad von (*1966) II 468, 472; III 66, 96 Engelmann Paul (1891–1965) IV 199 Engels Friedrich (1820–1895) III 217, 233, 307, 320, 322, 336ff, 365; IV 181 Enheduana (um 2270) I 137 Ennius Quintus (239–169) I 433 Enwezor Okwui (1963–2019) IV 283, 301 Enzensberger Hans Magnus (*1929) IV 295 Eosander Friedrich (1670–1729) III 41 Ephräm der Syrer (um 306–373) II 53 Epiktet (um 50–um 135) I 384 Epikur aus Samos (um 341–271/70) I 380, 382ff, 411, 420f; III 336 Epiphan, Bischof von Salamis († 403) II 135f Erasmus von Rotterdam (um 1466–1536) II 372, 387, 393f, 426, 453; III 14, 37; IV 293 Eratosthenes von Kyrene (um 284–um 202a) II 376 Erdmann Kurt (1901–1964) II 218 Erdmannsdorff Friedrich Wilhelm von (1736–1800) III 174, 273 Erdogan Recep Tayyip (*1954) IV 526 Erlande-Brandenburg Alain (*1937) II 337 Ernst Max (1891–1976) IV 36, 60, 64, 234 Eschenmayer Karl August (1768–1852) III 310 Eschwege Wilhelm Ludwig von (1777– 1855) III 273 Esra (um 450 ?) I 230f, 245 Ettinghausen Richard (1906–1979) II 187, 196 Etzioni Amitai (*1929) IV 261 Eufrasius von Porec († 560) II 83 Eugen IV., Papst (reg. 1431–1447) II 483f

Euklid von Alexandrien (3. Jh.) II 178, 420, 451, 457, 512 Euler Leonhard (1707–1783) III 234 Euler-Rolle Bernd (*1957) III 79f, 96 Eulogius von Alexandrien († 607) II 138 Eumenes II., König von Pergamon (reg. 197–158) I 379 Eunapius von Sardeis (um 345–um 420) II 116 Eupalinos aus Megara (um 550) I 322 Eupompos (4. Jh.a) I 338 Euripides (um 485/484–406) I 366; III 434 Eusebius von Cäsarea (um 260–um 340) II 17, 47, 52f, 73, 91, 100, 126, 130, 133, 135, 225 Eusebius von Vercelli (um 283–371) II 227 Eustratios von Nicäa (um 1050–um 1120) II 135 Evagrius Ponticus (um 345–399) II 62 Evans Arthur (1851–1941) I 264ff, 268– 271, 274 Evans Cécile (*1983) IV 353 Evans John D. (1925–2011) I 101–104 Eyck Jan van (um 1390–1441) II 147, 329, 355, 444, 502 Ezechiel Prophet (6. Jh.a) I 227, 240, 243

Fabius Maximus Quintus (um 275–203)

I 407f Fabius Pictor Quintus (4. Jh.a) I 445 Fabro Luciano (1936–2007) IV 346 Fahlström Öyvind (1928–1976) IV 311 Falconet Étienne Maurice (1716–1791) III 204f Fallersleben August Heinrich Hoffmann von (1798–1874) III 218 Al-Farabi (um 870–950) II 170ff, 175ff, 186 Faraday Michael (1791–1867) III 234, 252 al-Farisi Abu Ali al-Hasan (901–987) II 181 Farnese Odoardo (1573–1626) III 111 Fathy Safaa (*1958) IV 245 Fatima bint Mohammed (606–632) II 165, 206 Fattori Giovanni (1825–1908) III 415 Faventinus Marcus Cetius (3. Jh.p) I 455 Fechner Gustav Theodor (1801–1887) III 355f, 440; IV 126f, 138 Federico da Montefeltro (1422–1482) II 381, 451, 487; IV 463 Feininger Lyonel (1871–1956) IV 78, 86ff, 500

Félibien André (1619–1695) II 459; III 113, 135 Felix V., Gegenpapst (reg. 1439–1449) II 362 Fellner Ferdinand (1847–1916) III 417 Felsner Marcus (k.A.) III 97, 99, 120, 203; IV 473 Ferber Rafael (*1950) I 346, 353f Ferdinand II. (reg. 1619–1637) III 10ff Ferdinand III. (reg. 1637–1657) III 12 Ferdinand VI. von Spanien (reg. 1746– 1759) III 119 Ferdinand von Sachsen-Coburg (reg. als ­König v. Portugal 1837–1853) III 273 Ferguson Niall (*1964) III 13, 47 Fergusson James (1808–1886) III 273 Ferrari Ettore (1848–1929) II 408 Ferrens Scipio (16. Jh.) II 453 Feuerbach Anselm (1829–1880) III 128, 361; IV 62 Feuerbach Ludwig (1804–1872) III 138, 245, 250, 329, 335ff, 440; IV 181 Feyerabend Paul (1924–1994) I 252, 311, 327; II 429; IV 197, 203, 228, 269 Feynman Richard P. (1918–1988) IV 577 Fibonacci, cf. Leonardo da Pisa Fichard Johann (1512–1580) II 365 Fichte, Johann Gottlieb (1762–1814) II 314; III 179, 215, 219, 271, 302–310, 313, 318f, 364, 368ff; IV 181f, 340 Ficino Marsilio (1433–1499) I 170; II 368, 378, 386, 392, 394f, 399f, 405ff, 409–412, 445, 490, 509 Ficker Ludwig von (1880–1967) IV 198, 200 Fiedler Konrad (1841–1895) II 430; III 433, 440–443; IV 146, 159, 436, 452, 506, 534, 564 Fiedler Leslie (1917–2003) IV 261ff Filarete cf. Averlino Antonio Filliou Robert (1926–1987) IV 337 Filosofowa Anna (1837–1912) III 240 Finetti Giuseppe de (1892–1952) IV 104 Fink Eugen (1905–1975) IV 156 Fink Sebastian (*1978) I 122 Finkelstein Israel (*1949) I 220 Finsterlin Hermann (1887–1973) IV 119, 362 Fiore Joachim von (1135–1202) IV 23 Firdausi (um 940–1020) I 375; II 211 Firmicus Maternus Iulius (4. Jh.p) II 90 Fischer Ferdinand August (1805–1866) III 250

Namensverzeichnis

Fischer Michael (1691–1766) III 41 Fischer von Erlach Johann Bernhard (1656–1723) III 18, 41ff, 89, 105, 117 Fjodor III. (reg. 1676–1682) III 43 Fjodorow Nikolai (1829–1903) IV 23, 74, 280 Flasch Kurt (*1930) II 59f, 313 Flashar Hellmut (*1929) I 344, 363, 369f, 379 Flatz Wolfgang (*1952) IV 448, 455 Flaubert Gustave (1821–1880) III 402, 405, 411 Flavin Dan (1933–1996) IV 317f Flavius Valerius Constantinus cf.­ ­Konstantin Florenskij Pavel (1882–1937) II 143, 428f; IV 72, 80 Floss Harald (*1960) I 61 Flusser Vilém (1920–1991) IV 271–275, 279 Focillon Henri (1881–1943) III 73; IV 260 Fögen Marie Theres (1946–2008) II 15 Fontana Carlo (1638–1714) III 42, 89, 91, 102, 105 Fontana Domenico (1543–1607) II 480; III 80 Fontana Lucio (1899–1968) IV 309, 327, 566 Fontenelle Bernard Le Bovier de (1657– 1757) III 107, 109 Ford Henry (1863–1947) III 235; IV 14 Formosus, Papst (reg. 891–896) II 248 Forssman Erik (1915–2011) IV 145f Foster Hal (*1955) IV 231, 319 Foster Norman (*1935) IV 371f, 374, 381, 383f Foucault Michel (1926–1984) I 59; III 239; IV 148, 154, 194, 221, 228, 240, 249, 251– 255, 258, 261 Fouquet Jean (um 1420–um 1480) II 346 Fouquet Nicolas (1615–1680) III 32ff, 69 Fourier Charles (1772–1837) III 228; IV 84, 106, 229 Fourier Joseph (1768–1830) III 234 Fox Robin Lane (*1946) I 374 Fra Angelico (um 1400–1455) II 372, 386, 447f; III 387; IV 306 Fra Giovanni Giocondo da Verona (1433– 1515) II 470, 479, 495; III 132 Fragonard Jean-Honoré (1732–1806) III 32, 97; IV 116 France Anatole (1844–1924) IV 65 Francesco de Bologna (1450–1518) II 389

Francesco del Cossa (um 1435–1477) IV 140 Francesco di Giorgio Martini (1439–1501) I 457; II 415, 466, 471ff, 491 Franco Francisco (1892–1975) IV 55, 66 Franco Veronica (1546–1591) II 390 Frank Charlotte (*1959) IV 466 Frank Hartmann (*1959) IV 229 Frank Josef (1885–1967) III 429 Frank Manfred (*1945) IV 241, 260 Franke Ursula (*1933) III 166 Frankfort Henri A. (1897–1954) I 135f, 139 Franz I., König v. Frankreich (reg. 1515– 1547) II 511 Franz I. (reg. als Kaiser des HRR 1745–1765) III 43 Franz II. (reg. als Kaiser des HRR 1792– 1806; reg. als Franz I., Kaiser von Österreich 1804–1835) III 214, 216 Franz Joseph I., Kaiser v. Österreich (reg. 1848–1916) III 217, 417, 427 Franz von Assisi (um 1181–1226) II 257, 293, 304f, 327, 344, 376; III 425 Franz Ferdinand, Erzherzog (1863–1914) IV 17f Franz Heinrich Gerhard (1916–2006) II 196 Franz von Sales (1567–1622) III 19 Frazer James George (1854–1941) IV 302 Fréart de Chambray Rolande (1606–1676) II 499; III 101, 136, 143 Fredi Felice de († 1529) III 128 Freeden Joachim von (k.A.) I 102 Frege Gottlob (1848–1925) IV 149, 194, 199f Freigang Christian (*1959) III 281 Fresnel Auguste Jean (1788–1826) III 234 Freud Lucian (1922–2011) IV 53 Freud Sigmund (1856–1939) III 38, 236, 343, 380, 427; IV 63, 65, 177, 211, 241, 246, 257, 269 Frey Dagobert (1883–1962) II 354 Frey Gerhard (1915–2002) IV 555 Freyer Achim (*1934) IV 340 Frézier Amédée François (1682–1773) III 138 Fried Johannes (*1942) II 152 Fried Michael (*1939) IV 319, 566 Friedell Egon (1878–1938) III 73; IV 425 Friedrich I., Barbarossa (reg. als Kaiser 1155–1190) II 292

Friedrich I. (Preußen) (reg. als König 1701– 1713) III 39, 41, 118 Friedrich II. Hohenstaufen (reg. als Kaiser 1220–1250) II 164, 190, 242, 247, 273ff, 292f, 313 Friedrich II., der Große (reg. als König 1740– 1786) III 39f, 42f, 57, 95, 198, 273 Friedrich III., Habsburg (reg. als Kaiser 1452–1493) II 361f Friedrich V. von der Pfalz (reg. als König v. Böhmen 1619–1620) III 11f Friedrich August I., Kurfürst (1696–1763) III 95 Friedrich August II. (reg. 1733–1763) III 95 Friedrich Caspar David (1774–1840) III 310f, 377f, 382; IV 551 Friedrich Christian II., Herzog von Augustenburg (1765–1814) III 293 Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (Leopold III.) (reg. 1758/1807–1817) III 174 Friedrich Ludwig Wilhelm von Preußen (1797–1888) III 219 Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg (1620–1688) III 13 Friedrich Wilhelm I. (reg. 1713–1740) III 13, 40 Friedrich Wilhelm II. (reg. 1786–1797) III 40f Friedrich Wilhelm IV. (reg. 1840–1861) III 219, 254, 307, 365, 387 Frisi Paolo (1728–1784) III 288 Fritsch Theodor (1852–1933) IV 100 Frohner Adolf (1934–2007) IV 343 Frohschammer Jakob (1821–1893) III 392 Fromm Erich (1900–1980) IV 176 Fuchs Agnes (*1965) IV 396 Füssli Johann Heinrich (1741–1825) III 125, 225, 248, 300 Fugger Jakob (1459–1525) II 380f Fulbert von Chartres (um 950–1028/29) II 240, 272, 276, 287, 294 Fuller Loïe (1862–1928) III 421 Fuller Richard Buckminster (1895–1983) I 53; IV 90, 364, 374, 376f, 382 Fulrad Abt (um 710–784) II 238 Fulvius Flaccus M. (um 310–nach 264) I 443 Fursa (um 567–649) II 224 Furttenbach Joseph d. Ä. (1591–1667) II 365, 476

611

612

Namensverzeichnis

Gablik Suzi (*1934) IV 46f, 322, 389, 480 Gadamer Hans-Georg (1900–2002) II 431; III 294, 328; IV 173–176, 194, 431f, 439, 458, 470, 472f, 493, 505, 512, 538, 557, 564 Gaddi Taddeo (um 1290–1366) II 440 Gaffurio Franchino (1451–1522) II 459, 475; III 402 Gagarin Juri (1934–1968) III 17 Gainsborough Thomas (1727–1788) III 37, 96 Galenus von Pergamon (um 130–um 200) II 177 Galerius (reg. 305–311) II 15ff Galilei Alessandro (1691–1737) III 145 Galilei Galileo (1564–1642) II 378f, 418, 478; III 16; IV 561, 574 Galla Placidia (um 390–450) II 21, 67, 107 Gallie Walter Bryce (1912–1998) IV 218, 455f Gallienus Egnatius P. Licinius (reg. 260– 268) I 424 Gallo Agostino (1499–1570) II 497 Gallus (um 550–um 640) II 224 Gama Vasco da (um 1469–1524) II 375, 497 Gan Alexei (um 1887–1942) IV 79 Gandy Joseph Michael (1771–1843) III 174 Gannett William Channing (1840–1923) IV 108 Gantzhorn Volkmar (k.A.) II 218f, 223 Garibaldi Giuseppe (1807–1882) II 247; III 221 Garnier Tony (1869–1948) IV 105f, 109 Garstang John (1876–1956) I 76 Gassendi Pierre (1592–1655) II 379 Gates Theaster (*1973) IV 347 Gau Franz-Christian (1790–1853) III 265 Gaudí i Cornet Antoni (1852–1926) III 425f; IV 116, 375 Gauguin Paul (1848–1903) III 382, 408, 421; IV 35f, 45 Gauricus Pomponius (1482–1530) II 456, 473 Gauß Carl Friedrich (1777–1855) III 234 Gautier Théophile (1811–1872) III 404, 423; IV 61, 497 Geertz Clifford (1926–2006) I 36; IV 575 Gehlen Arnold (1904–1976) IV 33, 55, 269 Gehry Frank Owen (*1929) I 25; IV 365f, 371, 376 Geiserich (389–477) II 19

Gelon von Syrakus (um 540–478) I 297 Gentile da Fabriano (um 1370–1427) II 345, 447 Gentile Giovanni (1875–1944) IV 128 Gentileschi Artemisia (1593–um 1654) III 111 Gentileschi Orazio (1563–1639) III 111 Gentz Heinrich (1766–1811) III 282 George III., König von England (reg. 1760– 1801/1801–1820; reg. als König von Hannover 1814–1820) III 36, 225 George IV., König von Großbritannien und Irland (reg. 1820–1830) III 225 George Stefan (1868–1933) III 404, 419; IV 120 Georgios Kedrenos (11./12. Jh.) II 130 Gérard Jean Ignace Isidore (1803–1847) III 225 Gerbert von Aurillac (Silvester II.) (um 950–1003) II 246, 276f Gerhard Hubert (um 1550–1620) II 353 Géricault Théodore (1791–1824) III 245 Gerkan Meinhard von (*1935) II 113 Gerke Friedrich (1900–1966) I 244; II 73 Gerl-Falkovitz Hanna-Barbara (*1945) II 411 Germanos, Patriarch (um 650–730) II 137, 140 Gernsheim Alison (1911–1969) III 251 Gernsheim Helmut (1913–1995) III 251 Gersaint Edmonde-François (1694–1750) III 93 Gerstenberg Heinrich Wilhelm von (1737– 1823) III 362 Gerster Georg (1928–2019) II 292 Gervasius von Canterbury (um 1141–um 1210) II 264 Gerville Charles de (1769–1853) II 260 Gesellius Herman (1874–1916) IV 104 Geta Publius Septimius (reg. 211) I 446 Gethmann-Siefert Annemarie (*1945) III 152, 165, 322, 325; IV 407, 412, 509 al-Ghazzali Abu Hamid (1058–1111) II 166, 172–176, 209 Ghega Carl von (1802–1860) III 226 Ghiberti Lorenzo (1378–1455) II 425, 440f, 449f, 454; IV 397 Ghirlandaio Domenico (1449–1494) II 415, 500 Giacometti Alberto (1901–1966) IV 36, 56, 294, 303

Giambologna, cf. Giovanni da Bologna Gibbon Edward (1737–1794) I 420; II 12, 85, 99, 201 Gibbs James (1682–1754) III 144 Gide André (1869–1951) III 407; IV 236 Giedion Sigfried (1888–1968) I 84, 96, 122, 134, 166, 174, 191, 195, 318; III 77, 260, 277, 283, 362, 427; IV 86, 102f, 498 Gigon Olof Alfred (1912–1998) I 380 Gilabertus von Toulouse (12. Jh.) II 271 Gilbert & George (Prousch Gilbert, *1943; Passmore George, *1942) IV 300, 332, 339 Gilbert von Poitiers (um 1080–1155) II 276, 347 Gilduin, Abt (1113–1155) II 278 Gilgamesch, König von Uruk? (3. Jt.) I 124 Gilly David (1748–1808) III 270 Gilly Friedrich (1772–1800) III 270f, 282 Gilpin William (1724–1804) III 171ff Gilson Étienne (1888–1978) II 298 Gimbutas Marija (1921–1994) I 65, 77, 81, 86 Ginzburg Moissej Jakowlewitsch (1892– 1946) IV 79 Giolitti Giovanni (1842–1928) IV 68 Giorgi Francesco (1466–1540) II 472, 495 Giorgione (Giorgio da Castelfranco) (um 1477–1510) II 373, 508 Giotto di Bondone (1267–1337) II 330, 344, 355, 357, 372, 437–440, 447, 450, 482, 508; IV 146 Giovanni da Bologna (1529–1608) II 504, 511 Giovanni di Fidanza, cf. Bonaventura Giovanni de’Grassi (um 1340–1398) II 340 Giovanni da Milano (um1325–um 1370) II 426 Giovanni di Pietro (um 1450–1528) II 340 Giraldus von Bari (1146–1223) II 301 Girardon François (1628–1715) III 34, 64 Glaser Bruce (k.A.) IV 320f Glass Philip (*1937) IV 340 Glaukon (5. Jh.a) I 345 Gleiter Jörg (*1960) IV 519 Gleizes Albert (1881–1953) IV 32, 53f Glettler Hermann (*1965) III 396 Glory André (1906–1966) I 59 Gober Robert (*1954) IV 333 Goebbels Joseph (1897–1945) IV 47, 345 Gödel Kurt (1906–1978) IV 193

Namensverzeichnis

Görres Joseph (1776–1848) III 271, 364, 375, 383 Goethe Johann Wolfgang von (1749–1832) I 258, 331, 388; II 409, 462, 493; III 55, 72, 123, 125, 127f, 138, 199, 204, 214, 221, 247, 250, 255, 265, 291f, 295–301f, 304, 306f, 309ff, 319, 329, 363–366, 368ff, 374, 376, 382, 387, 397; IV 106, 118, 294, 407, 495, 497 Gogh Vincent van (1853–1890) III 382, 408, 410, 414ff, 421; IV 44, 51, 158, 167ff, 401, 436 Goldsworthy Andy (*1956) IV 329 Goldwater Robert (1907–1973) IV 43 Goll Heinrich (1820–1883) III 384 Golyscheff Jefim (1897–1970) IV 59 Gombrich Ernst (1909–2001) II 284, 428, 446, 456, 462, 500; III 401f, 408; IV 194, 468, 562 Gomperz Theodor (1832–1912) I 370 Gontscharowa Natalija Sergejewna (1881– 1962) IV 72, 80 Gonzaga II. Federico (1500–1540) II 503 Gonzaga Giovanni Francesco (1466–1519) II 453 Gonzaga Vincenzo Herzog von Mantua (reg. 1587–1612) III 38 Gonzalez-Torres Felix (1957–1996) IV 342 Goodiepal (Vester Parl Kristian Bjørn; *1974) IV 396 Goodman Donna (k.A.) IV 377 Goodman Nelson (1906–1998) II 429; III 440; IV 137, 196f, 203–206, 407, 442, 458, 460, 462, 471, 481, 488, 492f, 508, 522f, 524, 541, 549f, 554, 561, 563 Goodwin Godfrey (1921–2005) II 215 Goodwin Williston (1822–1900) III 257 Goodyear Charles (1800–1860) IV 13 Gorbatschow Michail S. (*1931) IV 283 Gordian III. Marcus Antonius (reg. 238– 244) I 424; II 116 Gorgias aus Leontinoi (um 490–um 396) I 342, 344 Gorky Arshile (1904–1948) IV 302 Gossaert Jan (um 1478–1532) II 258 Gottsched Johann Christoph (1700–1766) III 23, 167, 176, 362; IV 473 Goury Jules 19. Jh. (1803–1834) III 267 Goya y Lucientes Francisco de (1746–1828) III 248 Gozzadini Giovanni (1810–1887) I 398

Gozzi Carlo (1720–1806) III 25 Gozzoli Benozzo (um 1421–1497) II 400, 447 Grabar André (1896–1990) II 205 Grabar Oleg (1929–2011) I 41; II 138, 181, 184, 186f, 189f, 194, 202, 209, 292, 335, 337 Grabmann Martin (1875–1949) II 152, 298; III 393 Gracchus Gaius Sempronius (153–121) I 410 Gracchus Tiberius Sempronius (162–133) I 410 Gracián y Morales Baltasar (1601–1658) III 60f, 70, 121, 139, 175; IV 407, 473 Gräser Gustav (1879–1958) IV 57 Gräser Karl (1875–1920) IV 57 Graf Theodor (1840–1903) II 126 Grafton Anthony (*1950) II 483 Graham Dan (*1942) IV 320f, 351f Graham Gordon (k.A.) IV 494 Graham Martha (1894–1991) IV 302 Gran Daniel (1694–1757) III 41 Grandville (Jean Ignace Isidore Gérard) (1803–1847) III 225, 340 Gratian Flavius, weström. Kaiser (reg. 375– 383) II 90 Graves Michael (1934–2015) IV 364 Gray Gustave Le (1820–1882) III 256 Green Thomas H. (1836–1882) III 354 Greenaway Peter (*1942) III 70 Greenberg Clement (1909–1994) II 427; IV 26, 33, 43, 98, 230, 298, 305, 312, 319, 463f, 475, 483ff, 497, 501, 563, 565f Greenblatt Stephen Jay (*1943) I 382f; II 368 Greenough Horatio (1805–1852) III 145, 428, 431; IV 429 Gregor I., Papst (reg. 590–604) II 15, 55f, 58, 86, 136, 149, 221, 232, 295 Gregor II., Papst (reg. 715–731) II 137, 228 Gregor VII., Papst (reg. 1073–1085) II 244f, 250 Gregor IX., Papst (reg. 1227–1241) II 247, 305, 344 Gregor XII., Papst (reg. 1406–1415) II 362 Gregor XIII., Papst (reg. 1572–1585) II 366, 510 Gregor XIV., Papst (reg. 1590–1591) II 413 Gregor XVI., Papst (reg. 1831–1846) III 391 Gregor von Nazianz (um 326–390) II 53f, 80, 90, 103

Gregor von Nyssa (um 330–394) II 53, 133, 232 Gregor von Tours (um 538–um 594) II 50, 149f, 225, 230 Gregorios Palamas (um 1296–1359) II 63 Gregorios Sinaites (um 1255–1346) II 63 Gregorovius Ferdinand (1821–1891) II 292 Greuze Jean-Baptiste (1725–1805) III 163f, 203 Grien Hans Baldung (um 1480–1545) II 504 Griffo de Bologna, cf. Francesco de ­Bologna Grimm Friedrich Melchior (1723–1807) III 162 Grimm Jakob (1785–1863) III 383 Grimm Wilhelm (1786–1859) III 383 Grimmelshausen Hans Jakob Christoffel von (um 1622–1676) III 10 Grimshaw Nicholas (*1939) III 284 Gris Juan (1887–1927) IV 54, 95 Gritti Andrea (reg. 1523–1538) II 497 Grönert Alexander (*1965) III 104 Groot Gerhard (1340–1384) II 341 Gropius Walter (1883–1969) I 83; IV 83– 90, 100, 103, 107, 109, 111, 357, 360, 436, 500 Gros Antoine-Jean (1771–1835) III 245, 413 Grosseteste Robert (vor 1170–1253) II 54, 306ff, 311 Grosz George (1893–1959) IV 48, 53, 59f Grotius Hugo (1583–1645) III 37 Groys Boris (*1947) IV 42, 46, 77 Grünbein Durs (*1962) II 37; III 54 Grünberg Carl (1861–1940) IV 176 Grünewald (um 1475–1528) II 355, 442 Grunow Gertrud (1870–1944) IV 86 Gryphius Andreas (1616–1664) III 10 Guadet Julien (1834–1908) IV 106 Gualdo Giuseppe (16. Jh.) II 493 Guardi Francesco (1712–1793) III 26 Guarini Eugenio (17. Jh.) III 100 Guarini Guarino (1624–1683) III 71, 85, 95, 100ff, 147 Guarino da Verona (1370–1460) II 386 Guarinoni Hippolyt (1571–1654) II 480 Guattari Félix (1930–1992) IV 249, 258f Gudea von Lagasch (reg. um 2122–2102) I 128f, 139ff, 157 Günther Frank (*1947) IV 532 Günther Franz Ignaz (1725–1775) III 96 Günther Matthäus (1705–1788) III 67

613

614

Namensverzeichnis

Guericke Otto von (1602–1686) III 17 Guérin Gilles (1611–1678) III 34 Guggenheim Peggy (1898–1979) IV 301 Guibert von Nogent (um 1055–um 1124) II 249, 321 Guicciardini Francesco (1483–1540) II 362 Guillaume Duran (um 1235–1296) II 286 Guillaume de Lorris (um 1205–1240) II 297 Guillaume II. de Villehardouin († 1278) II 95 Guillebon Denat de Jeanne-Claude (1935– 2009) IV 316, 529 Guimard Hector (1867–1942) III 423f Gurewitsch Aaron (1924–2006) II 265f, 321, 323 Gurlitt Cornelius Gustav (1850–1938) III 72, 76, 395 Gursky Andreas (*1955) IV 268 Gutenberg Johannes (um 1397–1468) II 357; III 232 Gutensohn Gottfried (1792–1851) III 273 Gutzkow Karl (1811–1878) III 240,397 Gutzmán Domingo de, cf. Dominikus Gu Wenda (*1955) IV 388 Guys Constantin (1805–1892) III 402f Gwilt Joseph (1784–1863) III 354

Habermas Jürgen (*1929) III 48, 321, 328,

402, 439; IV 177, 190, 194, 221ff, 225, 247, 260f, 295, 389, 467 Hadid Zaha (1950–2016) IV 78, 365f, 372, 381, 399, 491 Hadot Pierre (1922–2010) III 198 Hadrian I., Papst (reg. 772–795) II 232 Hadrian II., Papst (reg. 867–872) II 248 Hadrian Publius Aelius (reg. 117–138) I 237, 243, 275, 295, 387, 419, 421f, 434, 437, 440; II 13, 127, 216, 391 Haeckel Ernst (1834–1919) III 419 Haenchen Hartmut (*1943) IV 544 Händel Georg Friedrich (1685–1759) III 22 Hager Werner (1900–1997) III 90 al-Hakam I., Emir (reg. 796–822) II 199 al-Hakam II., Kalif (reg. 961–976) II 199 al-Hakim, Kalif (reg. 996–1021) II 207 Halbwachs Maurice (1877–1945) IV 359 Hallof Klaus (*1957) I 282 Hallof Luise (k.A.) I 282 Hals Frans (1585/86–1666) III 38 al-Hamadhani (968–1007) II 208 Hamann Richard (1879–1961) II 353 Hamilton Ann (*1956) IV 346

Hamilton Sir William (1788–1856) III 354 Hammurapi I. (reg. 1792–1750) I 125, 137, 143–166, 150 Handke Peter (*1942) IV 288, 334 Hannibal (um 247–183) I 377, 407f Hansen Al (Alfred Earl) (1927–1995) IV 337 Hansen Klaus (*1942) II 378 Hansmann Martina (1958–2005) III 120 Hardenberg Friedrich von, Novalis (1772– 1801) III 367f, 375, 381, 386 Harding Stephan (um 1059–1134) II 288 Hardouin-Mansart Jules (1646–1708) III 32, 89, 119, 136 Haremhab (reg. 1319–1292) I 181, 187 Harnack Adolf von (1851–1930) II 46, 49 Harrison Peter (1716–1775) III 143 Harron Ron (1930–1994) IV 365 Hartlaub Gustav F. (1884–1963) III 258; IV 53 Hartmann Nicolai (1882–1950) III 356; IV 133, 137f, 431 Harun ar-Rashid, Kalif (reg. 786–809) II 205 Harvey William (1578–1657) III 17 Haskins Charles H. (1870–1937) II 272 Hassan Ihab (1925–2015) IV 262 Hatschepsut (reg. 1479–1458/57) I 166f, 178, 195f, 198 Hattuschili I. (reg. um 1565–1540) I 146 Hattuschili III. (reg. um 1265–1240) I 169 Hauptmann Gerhart (1862–1946) IV 57 Hauron Louis Ducos de (1837–1920) III 255 Hausmann Raoul (1886–1971) IV 59f Haussmann Georges Eugène Baron (1809– 1891) III 217, 230f, 236f, 275 Hautecœur Louis (1884–1973) III 116 Havelock Eric A. (1903–1988) I 240, 325, 361; IV 142, 198 Hawkins Gerald Stanley (1928–2003) I 87 Hawksmoore Nicholas (1661–1736) III 116, 142 Haydn Joseph F. (1732–1809) IV 468, 544, 549 Hayek Friedrich August von (1899–1992) IV 200 Heather Peter J. (*1960) II 25, 105, 155 Heckel Erich (1883–1970) IV 52 Heemskerck Maarten van (1498–1574) II 504 Hegel Georg Friedrich Wilhelm (1770– 1831) I 253, 282, 329, 333, 343, 353, 357f, 361, 365, 369; II 49, 117f, 144, 314, 319,

401, 410, 415, 423, 431, 506; III 45, 50, 53, 83, 100, 113, 128, 138, 165, 181, 192ff, 198, 211f, 222, 233f, 245, 271, 276, 292, 302–307, 310f, 313–336, 338, 340–343, 345ff, 349f, 353f, 357, 360, 363ff, 367– 371, 376f, 379, 392, 399, 414, 434, 440, 443; IV 23, 31, 45, 118, 122ff, 128f, 135f, 138, 152, 164, 170f, 174f, 177, 179–183, 187f, 207, 223f, 226, 241, 265, 271f, 277, 318, 330, 334, 340, 345, 380, 407, 409f, 417, 419, 427, 437, 453, 470, 472, 474, 477, 496f, 499, 507, 537 Heidegger Arnulf (k.A.) IV 161 Heidegger Elfride (1893–1992) IV 161 Heidegger Fritz (1894–1980) IV 161 Heidegger Martin (1889–1976) II 388, 411; III 392, 437, 439; IV 115, 124, 148f, 152f, 157f, 160–175, 177f, 183, 185f, 194, 227, 235, 241f, 244, 246, 255, 261, 264, 432, 434, 439, 470, 472ff, 481, 505, 513, 576 Heideloff Carl Alexander (1789–1865) II 320 Hein Christoph (*1944) IV 470 Heine Heinrich (1797–1856) III 163, 373, 397; IV 18 Heine Thomas Theodor (1867–1948) III 419 Heinrich I. (reg. als König des Ostfrankenreichs 919–936) II 242 Heinrich II., Kaiser (reg. 1014–1024) II 248 Heinrich II., König v. Frankreich (reg. 1547– 1559) II 382, 473 Heinrich IV., Kaiser (reg. 1084–1105) II 244f, 250, 264 Heinrich IV., König von Frankreich (reg. 1589–1610) III 29, 51f Heinrich VII. (reg. röm.-dt. König 1220– 1235) II 275 Heinrich VIII. König von England (reg. 1509–1547) II 417, 442; III 35 Heinrich der Seefahrer (1394–1460) II 375 Heinse Wilhelm (1746–1803) III 72 Heinz Marlies (*1956) I 94 Heinzmann Richard (*1933) II 153 Heisenberg Werner (1901–1976) I 28; IV 14, 65, 199 Heizer Michael (*1944) IV 329, 331 Hellwig Karin (k.A.) III 28 Helmarshausen Roger von (12. Jh.) cf. Theophilus Presbyter Helmer Hermann (1849–1919) III 417

Namensverzeichnis

Helmholtz Hermann von (1821–1894) III 405, 440 Heloise (um 1095–um 1164) II 297, 302 Hénard Eugène (1849–1923) III 230 Henckel von Donnersmarck Florian (*1973) IV 470 Hennings Emmy (1885–1948) IV 58 Henrich Dieter (*1927) III 302; IV 423, 437 Henry Charles (1859–1926) III 353 Hepworth Barbara (1903–1975) IV 32 Heraeus Carl Gustav (1671–1725/1730) III 42 Herakleios, Kaiser (reg. 610–641) II 86f, 165 Heraklit aus Ephesos (um 520–um 460) I 280, 289, 325–329, 331, 333f, 342, 346f; II 48, 123, 125, 506; III 311; IV 166, 573 Herder Johann Gottfried (1744–1803) III 128, 166, 199, 204f, 247, 288, 292, 349, 360, 363f, 367, 379; IV 167, 193, 419, 486 Heringer Anna (*1977) IV 385 Herlin Friedrich (um 1430–um 1500) II 330 Hermodoros von Salamis (2. Jh.a) I 434, 436 Herodes I. der Große (reg. 47–4) I 235, 245; II 30, 33, 77 Herodot (484–425) I 108, 122, 297, 300; II 33, 486 Hersche Peter (*1941) III 87 Herschel John Frederick (1792–1871) III 252f Hertz Heinrich (1857–1894) IV 135, 200 Hertzberger Herman (*1932) IV 363 Herzog Jacques (*1950) IV 371f, 380 Hesiod (8./7. Jh.) I 302, 304ff, 313; II 125; III 279 Hess Thomas B. (1920–1978) IV 484 Hesse Hermann (1877–1962) IV 57, 118 Heuss Alfred (1909–1995) I 396 Heymel Alfred Walter (1878–1914) III 419 Hieronymus (347–419) II 55f, 63, 227, 385 Higgins Dick (1938–1998) IV 337 Hilberseimer Ludwig (1885–1967) IV 90 Hildebrand Adolf von (1847–1921) III 440; IV 38 Hildebrandt Johann Lucas von (1668– 1745) III 42, 84 Hilduin (um 775–um 840) II 234, 281f Hill Gary (*1951) IV 350 Hillenbrand Robert (k.A.) II 202 Hills Ellen (k.A.) III 74 Hills Paul (k.A.) II 446 Hine Wickes (1874–1940) III 258

Hinkmar von Reims (reg. 845–882) II 241 Hipparchia (* um 340a) I 387 Hipparchos, Tyrann von Athen († 514a) I 296 Hippias von Athen († 490a) I 296, 405 Hippias von Elis (5. Jh.a) I 344 Hippodamos von Milet (*um 510a) I 323, 376; II 471 Hippokrates aus Kos (um 460–um 370) I 42, I 256, 323, 389; II 177 Hirschfeld Lorenz (1742–1792) III 174f, 361 Hirschhorn Thomas (*1957) IV 394 Hirst Damian (*1965) IV 268, 400f, 531 Hirth Georg (1841–1916) III 419 Hiskija, König von Juda (reg. 725–698) I 224 Hitchcock Henry-Russell (1903–1987) III 116; IV 101, 356 Hitler Adolf (1889–1945) III 395; IV 24f, 47, 66, 161 Hittorff Jakob Ignaz (1792–1867) III 265f Hoare Henry (1705–1785) III 33 Hobbes Thomas (1588–1679) III 149ff, 153, 170; IV 561 Hobsbawm Eric (1917–2012) III 208 Hô Chí Minh (1890–1969) IV 285 Hockney David (*1937) IV 311, 313 Hodder Ian (*1948) I 78, 81, 89 Hodler Ferdinand (1853–1918) IV 44 Hölderlin Friedrich (1770–1843) III 306, 316f, 364; IV 167, 430 Hölzel Adolf (1853–1934) IV 30 Höppener Hugo (1868–1948) IV 57 Hoernes Moritz (1852–1917) I 59, 63 Hofbauer Klemens Maria (1751–1820) III 373 Hoffmann E.T.A. (1776–1822) III 361, 367 Hoffmann Josef (1870–1956) III 423, 429; IV 111 Hoffstadt Friedrich (1802–1846) III 275 Hoff van’t Robert (1887–1979) IV 92 Hofmann Ida (1864–1926) IV 57 Hofmann Hans (1880–1966) IV 301 Hofmann Werner (1928–2013) II 490; III 22f, 208, 401f, 408 Hofmannsthal Hugo von (1874–1929) III 427 Hofrichter Robert (*1957) I 265 Hogarth William (1697–1764) III 85, 96, 98; IV 407 Holabird William (1854–1923) III 431 Holbach Paul-Henri von (1723–1789) III 200f, 210

Holbein Hand d. Ä. (um 1465–1524) II 442 Holbein Hans d. J. (1497–1543) II 387, 442 Hollein Hans (*1934) IV 267 Hollein Max (*1969) I 43 Hollenstein Roman (*1953) IV 111 Holm Erik (k.A.) I 62, 64, 73 Homann-Wedeking Ernst (1908–2002) I 311 Homer (8./7. Jh.?) I 93, 260f, 273, 284, 288, 292f, 302–307, 310f, 313, 325, 337, 343f, 389; II 125; III 110, 204, 279, 360; IV 130 Honorius, Kaiser (reg. 395–423) II 20f Honorius III., Papst (reg. 1216–1227) II 234 Honorius Augustodunensis (um 1080–um 1157) II 285 Hood Sinclair Martin F. (*1917) I 269, 271, 291 Hoogewerff Godfridus Johannes (1884– 1963) IV 139 Hoogstraeten Samuel van (1627–1678) III 124 Hope Thomas (1769–1831) III 140 Hoppe Stephan (*1966) III 73, 79, 82 Horapollon (spätes 5. Jh.p) I 211; II 378, 436 Horaz (65a-8a) I 240, 367, 382f, 385, 409f, 414f, 453f; II 241; III 26, 136, 177, 279; IV 416 Horkheimer Max (1895–1973) I 253; III 48, 234, 321, 360; IV 140, 176f, 179f, 182, 223ff, 251, 288, 290, 312, 359 Horn Rebecca (*1944) IV 346 Hornung Erik (*1933) I 175, 181, 185 Horta Victor (1861–1947) III 424 Hosea, Prophet (um 740a) I 226, 238, 242 Hossenfelder Sabine (*1976) IV 426 Hotho Heinrich Gustav (1802–1873) III 323, 353 Houbraken Arnold (1660–1719) III 124 Houdon Jean-Antoine (1741–1828) III 95 Houghton Georgiana (1814–1884) IV 45 Howard Ebenezer (1850–1928) IV 100 Howard Thomas (1585–1646) III 114, 122 Howe Irving (1920–1993) IV 261 Hrabanus Maurus (um 780–856) II 232f Hrdlicka Alfred (1928–2009) IV 48 Hrouda Barthel (1929–2009) I 247 Hrozny Bedrich (1879–1952) I 147 Hub Berthold (k.A.) I 256, 336; II 420 Hubala Erich (1920–1994) II 352; III 51, 64, 68, 110, 116, 120, 140 Hubmaier Balthasar (um 1485–1528) II 365

615

616

Namensverzeichnis

Hudnut Joseph (1886–1968) IV 263 Huebler Douglas (1924–1997) IV 325f Hübsch Heinrich (1795–1863) III 101, 266, 268f, 397 Hülk Walburga (*1954) III 403f, 407; IV 67 Huelsenbeck Richard (1892–1974) IV 57ff Hürrem Sultan (Roxelane) (um 1500– 1558) II 214 Hugo, Abt (reg. 1049–1109) II 248ff, 264 Hugo Victor (1802–1885) III 368, 407 Hugo von Payens (1080–1136) II 273 Hugo von St. Viktor (1096–1141) II 154, 259, 278ff, 283, 325 Huizinga Johan (Jan) (1872–1945) I 40, 51; II 147, 252f, 301, 346, 354, 377; IV 353 Humboldt Alexander von (1769–1859) III 307 Humboldt Wilhelm von (1767–1835) III 246, 353; IV 193 Hume David (1711–1776) III 15, 62f, 85, 151f, 183, 200, 203; IV 258, 407, 473, 477 Hunain ibn Ishaq (808–873) II 177 Hundertwasser Friedensreich (Friedrich Stowasser) (1928–2000) IV 375 Hunt William Holman (1827–1910) III 389 Hurtado Izquierdo Francisco de (1669– 1725) III 20 al-Husain (626–680) II 163 Husain Baiqara, Sultan (reg. 1470–1506) II 210 Husserl Edmund (1859–1938) II 430, 498; III 392, 441f; IV 124, 126, 137, 147–158, 160, 162, 177, 179, 243, 246, 271, 448, 534, 567 Hutcheson Francis (1694–1746) III 143, 157f, 165, 355; IV 435 Huth Gottfried (1763–1818) III 99 Hygens Christian (1629–1695) III 234 Hypatia (355–415/16) II 90 Hypatios von Ephesos (um 530) II 136 Hyrkanus Johannes II. (reg. 63–um 40) I 235 Hyatt John Wesley (1837–1920) IV 13

Ibbi-Sin (reg. 2026–2003) II 103

Ibn Abbas (um 619–um 688) II 182 Ibn al-Athir (1160–1233) II 166 Ibn al-Bawwab († um 1022) II 205 Ibn Butlan († um 1064) II 340 Ibn al-Haitam (Alhazen) (um 965–um 1040) II 173, 177f, 186, 308f, 371, 423, 450, 454; III 252

Ibn al-Hariri (1054–1122) II 208 Ibn an-Nadim († um 995) II 202 Ibn Hazm (994–1064) II 169 Ibn Hisham († um 830) II 160 Ibn Ishaq (um 704–um 767) II 160 Ibn Muhammad al-Chwarizmi (um 800) II 246, 276 Ibn Muqla (um 885–940) II 205 Ibn Tufail (1110–1185) II 174, 200 Ibn Tulun (835–884) II 203 Ibrahim I. ibn al-Aghlab, Emir (reg. 800– 812) II 205 Ida von Louvain († um 1300) II 290 Ignatius von Antiochien (2. Jh.p) II 47 Ignatius von Loyola (1491–1556) III 19, 67, 103 Iktinos (5. Jh.a) I 298 Illies Florian (*1971) IV 17 Imbach Ruedi (*1946) II 310 Imdahl Max (1925–1988) IV 142, 146f, 503, 506 Imhotep (um 2700) II 149, 160f Immendorff Jörg (1945–2007) IV 53 Ingarden Roman (1893–1970) IV 152, 156f, 449 Ingold Felix Philipp (*1942) IV 60 Ingres Jean-August-Dominique (1780– 1867) III 255, 329, 388, 405, 412 Innis Harold (1894–1952) IV 273 Innozenz II., Papst (reg. 1130–1143) II 302 Innozenz III., Papst (reg. 1198–1216) II 293 Innozenz VIII., Papst (reg. 1484–1492) II 362 Innozenz X., Papst (reg. 1644–1655) III 92 Invader, Street-Art-Künstler (*1969) IV 394 Irenäus aus Lyon cf. Irenäus aus S­ myrna II 53, 126 Irenäus aus Smyrna (um 140–um 202) II 48 Irene, Kaiserin von Byzanz (reg. 797–802; † 803) II 94, 134 Ischbi-Erra, König von Isin (reg. um 2019– 1987) I 143 Ischme-Dagan (reg. 1955–1937) I 126 Iser Wolfgang (1926–2007) IV 512 Isidor von Milet (442–537) II 109; IV 494 Isidor von Sevilla (um 560–636) II 22, 50, 155f Ismail Pascha (reg. 1867–1879; † 1895) III 445 Ismail I., Schah (reg. 1501–1524) II 211 Isokrates (436–338) I 302 Isozaki Arata (*1931) IV 364

Ito Toyo (*1941) IV 372, 377, 382, 498 Itten Johannes (1888–1967) IV 86, 88f Ivekovic Sanja (*1949) IV 342 Ivins William M. (1881–1961) I 255 Izenour Steven (*1940) IV 359

Jacobsen Thorkild Peter R. (1904–1993)

I 118 Jacopo de Dondi (1293–1359) II 267 Jähnig Dieter (1926–2016) IV 405 Jahn Friedrich Ludwig (1778–1852) III 218f Jakobson Roman (1896–1982) IV 71, 234 Jamblichos von Chalkis (um 240–um 320) II 405 James Liz (*1964) II 84 Janes Dominic (k.A.) II 80 Janik Allan (*1941) IV 200 Janke Wolfgang (*1928) III 304 Jankuhn Herbert (1905–1990) I 94 Jansen Janine (*1978) IV 459 Jantzen Hans (1881–1967) II 322f Jarry Alfred (1873–1907) IV 60 Jason, Hohenpriester (um 170) I 234 Jaspers Karl (1883–1969) I 65, 179, 253f, 347; IV 173 Jaucourt Louis de (1704–1779) II 395 Jauß Hans Robert (1921–1997) I 370; II 65, 391; IV 174, 441, 512 Jawaschew Wladimirow cf. Christo Jawlensky Alexej von (1864/65–1941) IV 20, 40, 50 al-Jazari (12./13. Jh.) II 210 Jean de Bilhères-Lagraulas (um 1435– 1499) II 460 Jean de Marville († 1389) II 327 Jean de Meung († um 1305) II 297 Jean de Montreuil († 1418) II 383 Jean de Rochelle (um 1200–1245) II 305 Jeanne-Claude cf. Guillebon Jeanne-­ Claude de Jeanne d’Arc (um 1410–1431) II 367 Jeanneret Pierre (1896–1967) IV 112 Jefferson Thomas (1743–1826) III 143, 430 Jehuda ben Isaak Abravanel (um 1460– nach 1521) II 399; IV 535 Jencks Charles (*1939) IV 263f, 266, 360 Jensen Robin Margaret (*1952) II 46 Jeremia Prophet (um 630) I 143, 227 Jerobeam I. (reg. 926–907) I 223 Jesaja ben Amoz, Prophet (um 730a) I 223ff, 229

Namensverzeichnis

Jesus von Nazareth (um 10a-um 30p) I 230, 236; II 30, 33–45, 48–53, 56, 60ff, 66ff, 72–76, 79ff, 83, 86, 96, 111, 126f, 129ff, 133, 135, 137, 141f, 159–162, 188, 194, 207, 229, 240, 249ff, 257f, 269ff, 273, 284–290, 294, 296, 304, 318, 341f, 346, 365, 415, 439; III 66f, 135, 233, 328, 351, 386, 390, 395, 439; IV 74, 141, 340 Jochum Eugen (1902–1987) IV 526, 547 Joedicke Jürgen (1925–2015) IV 355 Johann III. Sobieski (reg. 1674–1696) III 46 Johannes I. Tzimiskes (reg. 969–976) II 130, 248 Johannes V., Patriarch (reg. 706–735?) II 138 Johannes VIII., Papst (reg. 872–882) II 248 Johannes VIII., byzantinischer Kaiser (reg. 1425–1448) II 97 Johannes X., Papst (reg. 914–928; † 929) II 248 Johannes XXII., Papst (reg. 1316–334) II 350 Johannes XXIII., Gegenpapst (reg. 1394– 1423) II 343, 362 Johannes XXIII., Papst (reg. 1958–1963) IV 284 Johannes Cassianus (um 360–um 435) II 62f, 226f, 258 Johannes Chrysostomos (um 350–407) II 136 Johannes Paul II., Papst (reg. 1978–2005) IV 332 Johannes von Damaskus (vor 675–um 749) II 91, 121, 136, 138–141f Johannes von Janduno (vor 1300–1328) II 350, 360 Johannes vom Kreuz (1542–1591) II 501; III 19 Johannes Kurkuas cf. Johannes I. Tzimiskes Johannes von Salisbury (um 1115–1180) II 301 Johannes Sarracenus (12. Jh.) II 282 Johannes Scotus Eriugena (um 810–877) II 234ff, 250, 266, 282, 409 Johannes von Skythopolis (6. Jh.) II 120 Johannes Täufer (um 20p) II 30, 33, 91, 385, 441; III 66 Johns Jasper (*1930) IV 45, 202, 311, 313, 317 Johnson John (1813–1871) III 256 Johnson Philip (1906–2005) IV 25, 101, 356, 358, 364f

Jojakim, König von Juda (reg. 609–598) I 227 Jonas Hans (1903–1993) IV 562 Jonas von Orléans (um 760–841) II 233 Jones Inigo (1573–1652) III 85, 140f Jones Mark Wilson (*1956) I 456; II 102 Jones Owen (1809–1874) III 267, 432 Jong Piet Christiaan de (1887–1967) I 276 Jonson Ben (1572–1637) III 35 Joop Wolfgang (*1944) III 94 Jordan Pascual (1902–1980) IV 64 Joschija König von Juda (reg. 640–609) I 226f Joseph I. (reg. 1705–1711) III 43, 103 Joseph II. (reg. 1765–1790) III 43 Joseph Dagobert (1863–1923) III 260 Josephus Flavius (37/38–nach 100) I 233, 235; II 33 Joyce James (1882–1941) IV 118, 261f, 302 Juan Bautista de Toledo († 1567) III 26 Juan de Herrera (1530–1597) III 26 Judas Makkabäus († 160a) I 234 Judd Donald (1928–1994) IV 317, 320f, 362, 435, 451, 565 Jünger Ernst (1895–1998) IV 19 Julia Domna (160–217) I 446 Julian Apostata (reg. 360–363) II 18, 90, 127, 169 Juliana von Norwich (um 1342–um 1413) II 258 Julianus Argentarius (6. Jh.) II 107 Julius II., Papst (reg. 1503–1513) II 363, 460, 462, 470, 479, 486, 491f, 502 Julius Nepos (um 430–480) II 23 Jung Carl Gustav (1875–1961) III 380, 402; IV 43, 302 Jungmann Andreas (1889–1975) II 290 Junius Franciscus (1591–1677) III 112, 122 Jussow Heinrich (1754–1825) III 174 Justin I. (reg. 518–527) II 105 Justin II. (reg. 565–578) II 111 Justin der Märtyrer (um 100–um 165) II 36, 48, 71, 73 Justinian I. (reg. 527–565) II 132, 346; II 15, 24, 32, 66, 87, 92, 99, 105–108, 110f, 147, 164, 228, 292; IV 494 Justinian II. (reg. 685–695/705–711) II 74, 10 Juvarra Filippo (1678–1736) III 44, 102 Juvenal (um 60–140) I 410, 418; II 69, 241

Kaelin Oskar (*1968) I 135, 142, 248; II 256

Kaemmerling Ekkehard (*1947) IV 144 Kahn Louis (1901–1974) IV 363, 367 Kahnweiler Daniel-Henry (1884–1979) IV 20, 33, 54f Kaiphas (um 30p) II 35 Kalamis (5. Jh.a) I 342 Kalide Theodor (1801–1863) III 250 Kalina Robert (*1955) I 43 Kallimachos von Kyrene (um 320–nach 245) I 410 Kallistratos (3./4. Jh.p) I 393 Kallixeinos von Rhodos (Ende 3. Jh.) I 393 Kallikrates (um 470–420) I 298 Kalokairinos Minos (1843–1907) I 264 Kambartel Friedrich (*1935) IV 456, 483 Kambartel Walter (k.A.) IV 75 Kambyses (reg. 530–522) I 159, 170, 296 Kamper Dietmar (1936–2001) IV 28 Kamphausen Alfred (1906–1982) III 260 Kandinsky Wassily (1866–1944) III 59, 382, 420, 440; IV 20, 26, 29ff, 33, 35–42, 48, 50ff, 60, 62, 80, 86, 90, 95, 119, 128, 305, 498 Kant Immanuel (1724–1804) I 35, 372f, 458; II 115, 146f, 183, 314f, 370, 378, 428, 430f, 433ff; III 14, 40, 53, 61, 83, 101, 108, 123, 139, 144, 150, 152, 155, 160, 163, 165f, 168–171, 175–196, 204, 210, 212, 276, 292ff, 302–306, 308, 312, 318f, 325, 327, 330, 337, 342f, 345, 352ff, 357, 361, 364f, 369, 392, 405, 408f, 411, 416, 441; IV 14, 55, 72, 99, 124, 129–133, 135f, 143, 145, 148, 151f, 157ff, 162, 171, 174f, 182f, 219, 223f, 235, 246, 249ff, 293, 409, 417, 421, 427, 430, 432, 436, 465, 473, 479– 482, 512, 537, 558 Kantorowicz Ernst (1895–1963) II 293, 383, 396 Kanzian Christian (*1963) IV 525f, 528, 531 Kapoor Anish (*1954) IV 331, 372, 374 Kapp Ernst (1808–1896) IV 269 Kapriev Georgi (*1960) II 122 Kaprow Allan (1927–2006) IV 298, 334, 337 Kara Memi (Mitte 16. Jh.) II 217 Karaindasch I., König von Uruk (reg. um 1440–1405) I 149 Karajan Herbert von (1908–1989) IV 187 Karl I. von Flandern (um 1085–1127) III 42 Karl I. (Karl V.) (reg. als König von Spanien 1516–1556) III 26

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Namensverzeichnis

Karl II. (reg. 1665–1700) III 28 Karl II. (der Kahle) (reg. 875–877) II 236, 241, 282 Karl III. (der Dicke) (reg. 881–888) II 242 Karl III. (Spanien) (reg.1759–1788) III 126 Karl IV. von Böhmen (reg. als Kaiser 1355– 1378) II 331, 342, 368 Karl V. (reg. 1530–1556, † 1558) II 199, 212, 362, 364, 366, 380, 390; III 10, 14; IV 293 Karl V. von Frankreich (reg. 1364–1380) II 331 Karl VI. (reg. 1711–1740) III 32, 41f Karl VII. (reg. 1742–1745) III 43 Karl VIII. von Frankreich (reg. 1483–1498) II 387, 460 Karl X. (reg. 1824–1830) III 216 Karl der Große (reg. 800–814) II 94, 98, 107, 149ff, 198, 221, 224f, 227f, 230–234, 237–242, 248, 281, 283, 342, 350, 383; III 42, 214 Karl der Kühne (1433–1477) II 367 Karl Martell (um 690–741) II 164, 225 Karl Eugen von Württemberg (reg. als Herzog 1737–1793) III 292 Karneades von Kyrene (um 21 1383– um 129) I 380, 409 Kasimir III. von Polen (reg. 1333–1370) II 368 Katharina II. (reg. 1762–1796) III 44f, 162, 338 Katharina de Medici (1519–1589) II 382 Kauffmann Angelika (1741–1807) III 200, 247 Kauffmann Georg (1925–2010) II 492 Kaufmann Emil (1891–1953) III 116, 283; IV 47 Kaulbach Wilhelm von (1805–1874) III 417 Keel Othmar (*1937) II 95, 215, 220f, 223, 225f, 229f, 240 Keller Harald (1903–1989) III 50f, 201 Kelly Ellsworth (1923–2015) IV 306 Kelsen Hans (1881–1973) I 254 Kemp Martin (*1942) II 425, 428 Kemp Wolfgang (*1946) I 244; II 64ff, 112ff; IV 512 Kempf Friedrich (1908–2002) II 251 Kempis Thomas (um 1380–1471) II 341 Kennan George F. (1904–2005) IV 19 Kennedy John F. (1917–1963) IV 286, 289, 300 Kennick William E. (1923–2009) IV 218

Kenyon Kathleen (1906–1978) I 76 Kepler Johannes (1571–1630) II 378, 380, 468f, 478; III 16, 45, 154 Kéré Francis D. (*1965) IV 385 Kerényi Karl (1897–1973) I 280, 290 Kermani Navid (*1967) I 370; II 44, 161; IV 444 Kern Otto (1863–1942) I 284 Kershaw Ian (*1943) IV 17, 23 Kessler Herbert (*1941) II 42 Kidson Peter (*1925) II 336 Kiefer Anselm (*1945) IV 53, 268 Kierkegaard Søren Aabye (1813–1855) III 307, 322, 347ff; IV 121, 179, 258 Kiesinger Kurt Georg (1904–1988) IV 285 Kiesler Friedrich (1890–1965) IV 90, 375 Kilian (um 640–689) II 224 Kilwardby Robert (um 1215–1279) II 348 Kimon von Athen (um 510–449) I 300 Kimpel, Dieter (*1942) II 322 al-Kindi (um 800–um 870) II 170, 177 King Alexander (1909–2007) IV 290 Kipnis Jeffrey (*1951) IV 376 Kippenberger Martin (1953–1997) IV 268 Kircher Athanasius (1602–1680) I 211f; III 18, 105, 108, 252 Kirchner Ernst Ludwig (1880–1938) IV 19, 36, 52, 294 Kis Danilo (1935–1989) III 70 Kiss August (1802–1865) III 250 Kistler Erich (k.A.) I 36 Kittler Friedrich (1943–2011) IV 273 Kivy Peter (1934–2017) I 345; IV 220 Klarsfeld Beate (*1939) IV 285 Kleanthes aus Assos (304–233) I 384, 386 Klee Felix (1907–1990) IV 86 Klee Paul (1879–1940) III 440; IV 20, 26, 31, 33, 41, 60, 86, 118, 158, 167, 519 Klein Yves (1928–1962) IV 307, 315, 320, 327, 331, 339–343, 449, 557, 565 Kleisthenes (570–508) I 296 Klenze Leo von (1784–1864) III 118, 265f, 270f, 282, 383, 383 Kleopatra VII. (reg. 51–30) I 170f, 410, 413f Klibansky Raymond (1905–2005) II 146 Klimt Gustav (1862–1918) III 423, 428f; IV 401 Klinger Cornelia (k.A.) III 398; IV 415 Klinger Friedrich Maximilian (1752–1831) III 366 Klinger Max (1857–1920) III 395

Klipstein August (1885–1951) IV 111 Klotz Heinrich (1935–1999) II 328, 352; IV 358 Kluckert Ehrenfried (*1944) III 33 Knapp Michael Johann (1791–1861) III 273 Knatz Lothar (k.A.) II 95 Knauf Ernst A. (*1953) I 238 Knight Richard Payne (1750–1824) III 172 Knorr Daniel (*1968) IV 455 Koch Joseph Anton (1768–1839) III 192, 246, 379, 386f Koch Robert (1843–1910) III 237 Koechlin Maurice (1856–1946) III 229 Koene Randal (k.A.) IV 281 König Marie E. P. (1899–1988) I 53, 65f, 68, 70f, 87 Körner Gottfried (1756–1831) IV 436 Kofman Sarah (1934–1994) III 164 Kogler Peter (*1959) IV 392 Kojéve Alexandre (1902–1968) IV 157 Kokoschka Oskar (1886–1980) III 429; IV 19, 52; IV 198 Kolakowski Leszek (1927–2009) II 41 Kolb Frank (*1945) I 93f, 99f 115f, 119, 293, 395, 397, 400, 405, 415; II 14 Kolloff Eduard (1811–1879) III 253 Kollwitz Käthe (1867–1945) IV 19 Kolumban von Luxeuil (540–615) II 224 Kolumbus Christoph (1451–1506) II 375f Konfuzius (Kong Qiu) (um 551–um 479) I 324; IV 286 Konrad II. (reg. als Kaiser 1027–1039) II 248 Konstans II. (reg. 641–668) II 92 Konstantin der Große (reg. Gesamtreich 324–337) I 422, 424, 442; II 15–18, 24, 26f, 32, 50f, 53, 64, 67, 75, 78, 81, 87– 90, 103, 113, 127, 135, 151, 194, 226f, 238; III 269 Konstantin V. (reg. 741–775) II 133 Konstantin VI., Kaiser v. Byzanz (reg. 780– 797) II 134 Konstantin VII., Kaiser v. Byzanz (reg. 913– 959) II 165, 202 Koolhaas Rem (*1944) IV 372 Kooning Willem de (1904–1997) IV 297, 303, 307, 311 Koons Jeff (*1955) IV 268, 399f Kopernikus Nikolaus (1473–1543) II 378, 478; III 16 Koppe Franz (1931–2012) IV 483 Koschatzky Walter (1921–2003) III 255

Namensverzeichnis

Koselleck Reinhart (1923–2006) III 399; IV 512 Kosky Barrie (*1967) IV 544 Kosuth Joseph (*1945) III 187; IV 97f, 202, 323–326, 514 Kotsidu Haritini (*1963) I 123 Kounellis Jannis (1936–2017) IV 267, 346 Koyré Alexandre (1892–1964) IV 152 Kracauer Siegfried (1889–1966) IV 188, 463 Kraft Adam (um 1460–1508/09) III 20 Krates von Theben (um 365–um 285) I 387 Kraus Karl (1874–1936) III 241, 427; IV 18, 198, 200 Kraus Theodor (1919–1994) I 429ff Krause Katharina (*1960) II 437 Krauss Rosalind (*1941) IV 484, 558 Krautheimer Richard (1897–1994) II 82, 262, 416 Krebs Paul (1849–1935) III 394 Kreimendahl Lothar (*1949) III 177 Kretschmer Hildegard (k.A.) IV 363 Krieger Verena (*1961) II 144; IV 34, 36, 38, 42, 72 Krier Léon (*1946) IV 364 Kristeller Paul Oskar (1905–1999) II 302, 387 Kristeva Julia (*1941) IV 235 Kritios (5. Jh.a) I 340 Kroisos, König von Lydien (reg. um 555– 541) I 149, 158, 296 Kroner Richard (1884–1974) III 302 Kruft Hanno-Walter (1938–1993) II 471, 475, 486; III 10f, 105, 132, 142, 143ff, 262, 278, 282, 291; IV 199, 265, 360 Krutikow Georgi T. (1899–1958) IV 70 Krystufek Elke (*1970) IV 332, 352 Kubach Erich (1909–1999) II 264 Kubin Alfred (1877–1959) IV 39 Kuckenburg Martin (*1955) I 52 Kühn Herbert (1895–1980) I 55, 64, 68, 76 Kühn Manfred (*1948) III 304 Külpe Oswald (1862–1915) III 355 Kugler Franz (1808–1858) III 244, 267 Kuhn Thomas S. (1922–1996) IV 154, 228 Kulenkampff Jens (*1946) IV 530f Kun Béla (1886–1938) IV 120 Kupka Frantisek (1871–1957) IV 31f, 56 Kurigalzu I. (reg. um 1400–1370) I 149 Kurokawa Kisho (*1934) IV 377 Kurtág György (*1926) IV 545 Kußmaul Adolf (1822–1902) III 384

Kutschera Franz von (*1932) IV 530 Kwassow Alexej Andrej (um 1720–1777) III 44 Kyaxeres I., König der medischen Stämme (reg. um 768 –um 715) II 115 Kyaxeres II., König der medischen Stämme (um 625 –um 584) I 155 Kypselos von Korinth (reg. um 657–627) I 295 Kyrill von Saloniki (um 826–869) II 93 Kyrill von Alexandrien (um 375–444) II 53, 90 Kyros II. (reg. um 559–530) I 109, 117ff, 229f, 296

Labé Luise (um 1524–1566) II 390 Laberthonnière Lucien (1860–1932) III 393 Laboulaye Édouard René Lefebvre de (1811–1883) III 229 Labriola Antonio (1843–1904) IV 128 Labrouste Henri (1801–1875) III 266, 272, 275, 431 Lacan Jacques (1901–1981) II 433f; IV 256ff, 351, 411 Lachmann Karl Konrad Friedrich Wilhelm (1793–1851) III 233 Lafontaine Marie-Jo (*1950) IV 350 Laforgue Jules (1860–1887) III 416 Lajoue Jacques de (1686–1761) III 94 Laktanz (um 260–325) II 17, 55, 67, 241 Lalique René (1860–1945) III 422 Lamarck Jean-Baptiste de (1744–1829) III 233 Lamennais Félicité (1782–1854) III 391 La Mettrie Julien Offray (1709–1751) III 17, 35, 200 Laming-Emperaire Annette (1917–1977) I 67 La Monte Young (*1935) IV 338 Lancelot Claude (um 1615–1695) III 54 Landino Cristoforo (1424–1498) I 451; II 392, 397, 445, 447f; IV 495 Landulf von Aquin (*1185) II 313 Lanfranc von Bec (um 1050–1089) II 294 Lang Martin (*1971) I 140 Lange Albert (1828–1875) IV 132 Lange Carl (1834–1900) III 355 Lange Konrad von (1855–1921) IV 127, 452 Langer Susanne Katherina (1895–1985) IV 197, 217f, 439 Langhans Carl Gotthard (1732–1808) III 40

Lanzi Luigi (1732–1810) II 499; III 244 Laplace Pierre-Simon (1749–1827) III 234 Larionow Michail Fjodorowitsch (1881– 1964) IV 72, 80 La Rochefoucauld François de (1613–1680) IV 473 Lartet Édouard Armand (1801–1871) I 63, 68 Laskaris Andreas Johannes (1445–1535) II 385 Laskaris Konstantin (1434–1501) II 385 Lasker-Schüler Else (1869–1945) IV 198 Lauer Jean-Philippe (1902–2001) II 149 Laugier Marc-Antoine (1713–1769) III 15, 137ff, 143, 145f, 262, 299 Laurana Luciano (1420–1479) II 451, 491 Lauster Jörg (*1966) II 31 Lautréamont (Isidore Lucien Ducasse) (1846–1870) IV 63f Lauweriks Johannes Ludovicus (1864– 1932) IV 119 Lavater Johann Caspar (1741–1801) III 301 Laves Georg Friedrich (1788–1864) III 275 Laviron Gabriel-Joseph-Hippolyte (1806– 1849) III 413 Lawinski Anton M. (1893–1968) IV 70 Lazius Wolfgang (1514–1565) II 19 Le Baron Jenney William (1832–1907) III 431 Le Bret Cardin (1558–1655) III 30 Le Brun Charles (1619–1690) III 32, 97, 113 Leckey Mark (*1964) IV 353 Le Clerc Sébastien (1637–1714) III 61 Leclercq Jean (1911–1993) II 298 Le Corbusier (Charles-Edouard Jeanneret) (1887–1965) I 83; II 467, 472, 480; III 60, 238, 276, 280, 283, 288f, 396, 407f, 428; IV 13f, 25, 79, 99ff, 103f, 106, 108, 110– 117, 290, 356f, 359f, 367, 373, 378, 459, 466, 498 Ledoux Claude-Nicolas (1736–1806) III 40, 129, 277, 279f, 367 Léger Fernand (1881–1955) III 411; IV 51, 53, 56, 95 Le Goff Jacques (1924–2014) I 40; II 150, 153 Leibl Wilhelm (1844–1900) III 412f Leibniz Gottfried Wilhelm (1646–1716) I 41; III 16, 29f, 42, 46, 49–54, 57–60, 69f, 78, 80, 83, 88, 123, 149, 165f, 168, 202, 375; IV 163, 193, 258, 260, 517, 561

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Namensverzeichnis

Leinberger Hans (tätig um 1510–1530) II 330 Leiris Michel (1901–1990) IV 254 Leitner Bernhard (*1938) IV 202, 436, 491 Leiviskä Juha (*1936) III 396 Le Muet Pierre (1591–1669) III 136f Lenbach Franz von (1836–1904) III 414, 417, 420, 440 L’Enfant Pierre Charles (1754–1825) III 34 Lengefeld Charlotte von (1766–1826) III 297 Lenin (Wladimir Iljitsch Uljanow) (1870– 1924) III 338; IV 21f, 46, 59, 79, 120 Le Nôtre André (1613–1700) III 32f Lenz Desiderius (1832–1928) III 394 Leo III., Papst (reg. 795–816) II 94, 224, 237 Leo IX., Papst (reg. 1049–1054) II 94, 250 Leo X., Papst (reg. 1513–1521) II 363, 457, 499, 502 Leo XIII., Papst (reg. 1878–1903) II 408; III 392 Leochares (5. Jh.a) I 342 Leon III., Kaiser (reg. 717–741) II 133 Leonardo da Pisa (Fibonacci) (um 1170– um 1245) II 291f; IV 115 Leonardo da Pistoia (Alberti de Candia), Mönch (*1428) I 210; II 400 Leonardo da Vinci (1452–1519) I 25, 334, 457; II 37, 379, 395, 397, 399f, 428, 436, 445, 451ff, 456–459, 466, 471f, 475ff, 491f, 501, 508; III 252, 401, 407f; IV 116, 140, 143, 158, 318, 401, 455, 496 Leoncavallo Ruggero (1857–1919) III 243 Leone Ebreo cf. Jehuda ben Isaak Abravanel Leoni Giacomo (1686–1746) III 141 Leonidas, König von Sparta (reg. 490– 480) I 297 Leopold I. (reg. 1658–1705) III 41, 43, 103 Lepidus Marcus Aemilius (um 90–12) I 235, 414 L’Eplattenier Charles (1874–1946) IV 112 Leroi-Gourhan André (1911–1986) I 49, 51, 53f, 60, 62, 67, 69f, 72, 97, 251; IV 236 Leroux Pierre (1797–1871) III 365, 375 Le Roy Édouard (1870–1954) III 393 Le Roy Julien-David (1724–1803) III 130 Lessing Gotthold Ephraim (1729–1781) II 444; III 40, 55, 128, 130ff, 199, 201, 246, 369; IV 139, 420, 486, 495, 499 Lethaby Richard (1857–1931) III 291; IV 82, 459

Leukipp aus Abdera (um 400) I 328, 383 Le Vau Louis (1612–1670) III 18, 32, 119, 132, 163 Levin Harry (1912–1994) IV 261 Levine Sherrie (*1947) IV 554 Lévi-Strauss Claude (1908–2009) I 252; IV 234ff, 241, 257, 260, 269 Lewes George Henry (1817–1878) III 354 Lewis-Williams David (*1934) I 69, 73 LeWitt Sol (1928–2007) IV 313, 317, 322, 325f, 535, 550 Liberty Lasenby Arthur (1843–1917) III 422 Libeskind Daniel (*1946) I 25; IV 246, 365, 493 Libon von Elis (5. Jh.a?) I 309 Lichtenstein Roy (1923–1997) IV 310f, 313, 360 Lichtwark Alfred (1852–1914) III 257 Licinius (reg. 308–324) II 16ff, 32, 87f Lidwina von Schiedam (1380–1433) II 290 Liebermann Max (1847–1935) III 395, 414, 426; IV 19 Liebmann Otto (1840–1912) IV 132 Liessmann Konrad Paul (*1953) III 50, 330, 443 Ligo Larry (k.A.) IV 357 Lilienthal Otto (1848–1896) III 235 Limburg Johan (um 1388–1416) II 331 Limburg Herman (um 1385–1416) II 331 Limburg Paul (um 1386–1416) II 331 Lindgren Armas Eliel (1874–1929) IV 104 Linforth Ivan M. (1879–1976) I 285 Linné Carl von (1707–1778) III 17, 76, 108, 233 Lipchitz Jacques (1891–1973) IV 56 Lippi Filippino (um 1457–1504) II 425, 445, 468 Lippi Filippo (um 1406–1469) II 386, 407, 447, 468; III 387 Lipps Theodor (1851–1914) III 356–359, 420; IV 81, 126ff, 494, 505 Liuthard (9. Jh.) II 241 Livius Andronicus († um 207) I 409 Livius Titus (um 59a-17p) I 403, 411, 432, 443; II 361, 391 Lobeck Christian August (1781–1860) I 284 Locher Hubert (*1963) II 455 Lochner Stephan (um 1410–1451) II 442 Locke John (1632–1704) III 37, 134, 149ff, 153f, 156f, 164f, 170, 199; IV 501 Lodoli Carlo (1690–1761) III 145, 281

Löw Reinhard (1949–1994) IV 433 Löwenthal Leo (1900–1993) IV 176 Loisy Alfred (1857–1940) II 30; III 393 Lolli Antonio (um 1725–1802) IV 458 Lomazzo Giovanni Paolo (1538–1600) II 507, 509f, 513; III 98, 100 Lombardi Mark (1951–2000) IV 259 Lommatzsch Carl (1802–1882) III 345 Long Richard (*1945) IV 299, 330 Longhena Baldassare (um 1598–1682) II 478 Longhi Martino (1530–1591) III 145 Loos Adolf (1870–1933) III 239, 291, 423, 427–430; IV 104, 199f, 357, 494 Loprieno Antonio (*1955) I 185 L’Orange Hans Peter (1903–1983) II 28, 88, 113 Lorenzetti Ambrogio (um 1290–um 1348) II 274, 383 Lorenzetti Pietro (um 1280–um 1348) II 425 Lorrain Claude (1600–1682) III 33, 39, 112, 285, 297 Lotman Juri (1922–1993) II 113 Lotto Lorenzo (1480–1557) II 219 Lotze Hermann (1817–1881) III 349ff, 357 Louis Philippe I. von Orléans, König von Frankreich (reg. 1830–1848) III 216 Lubbock John (1834–1913) I 74 Lucas Sarah (*1962) IV 388 Lucchese Filiberto (1606–1666) III 41 Lucie-Smith Edward (*1933) IV 311, 333 Lucilius Gaius (nach 180–103) I 409 Luckmann Thomas (1927–2016) III 400 Ludovico Allesandro (*1969) IV 396 Ludwig I., König (reg. 1825–1848) III 118, 246f, 266, 270, 388 Ludwig IV., der Bayer (reg. als Kaiser 1328– 1347) II 339, 341 Ludwig VI. (reg. als König 1108–1137) II 281 Ludwig XIII. (reg. 1610–1643) III 12, 30 Ludwig XIV. (reg. 1643–1715) II 346, 419; III 18, 24, 29f, 32–35, 40, 69, 81, 90, 93, 109, 119, 121, 134f, 162, 214 Ludwig XV. (reg. 1715–1774) III 35, 44 Ludwig XVI. (reg. 1774–1792) III 17, 40, 175, 210, 212, 353 Ludwig der Fromme (reg. 813–840) II 233, 248, 282 Lücke Hans-Karl (1927–2009) II 489 Lüdeking Karlheinz (*1950) IV 217, 221, 238, 439, 477f

Namensverzeichnis

Lützeler Heinrich (1902–1988) IV 411 Lützow Ludwig Adolf Wilhelm von (1782– 1834) III 219 Lugalzaggesi, König in Uruk (reg. 2375– 2347) I 137f Luhmann Niklas (1927–1998) IV 178 Lukács Georg (1885–1971) IV 46, 119– 124, 184 Lukian von Antiochien (um 250–312) II 50 Lukian von Samostata (um 120–um 180) I 381 Lukrez (Titus Lucretius Carus) (um 95–um 55) I 382f, 411; II 368, 407; III 201 Lully Jean-Baptiste (1632–1687) III 25 Lumière Auguste (1862–1954) III 259; IV 13 Lumière Louis (1864–1948) III 259; IV 13 Lund Jonas (*1984) IV 396 Lutatius Q. Catulus (um 150–87) I 446 Luther Martin (1483–1546) I 413; II 300, 364ff, 372, 387, 394, 417, 479; III 10, 22f, 197 Luther-King Martin (1929–1968) IV 286 Lux Joseph August (1871–1947) III 238 Lynn Greg (*1964) IV 376, 379 Lyotard Jean-Francois (1924–1998) III 70, 193; IV 186, 246–251, 261f, 265, 349, 366, 421, 423, 425, 438, 576 Lysander († 395a) I 301 Lysias (um 445–um 380) I 344 Lysipp aus Sykion (um 350a) I 338, 342, 375, 393 Lysistratos (4. Jh.) I 393

Maak Niklas (*1972) IV 116f MacDonald Frances (1873–1921) III 423 MacDonald William (1921–2010) I 395, 439 Mach Ernst (1838–1916) II 432; III 259 Machiavelli Niccolò (1469–1527) II 361 Macho Thomas (*1952) I 231 Maciunas George (1931–1978) IV 337 Mack Heinz (*1931) IV 327 Macke August (1887–1914) IV 20, 39ff Mackintosh Charles Rennie (1868–1928) III 423 Mackintosh MacDonald Margaret (1864– 1933) III 423 MacNair Herbert James (1868–1955) III 423 Macrobius Ambrosius Theodosius (um 385–nach 430) II 72 Maderno Carlo (1556–1629) II 480; III 25, 90, 92, 142

Magall Miriam (*1942) I 245 Maganza Alessandro (1556–1630) II 496 Magellan Ferdinand (1480–1521) II 376 Magritte René (1898–1967) IV 33, 64, 251, 518f Mahama Ibrahim (*1987) IV 388 al-Mahdi Abdallah, Kalif (reg. 910–934) II 165 Mahler Alma (1879–1964) III 241 Mahler Gustav (1860–1911) IV 118 Mahlstedt Ina (*1936) I 85 Maillol Aristide (1861–1944) I 331, 335; IV 26f Maíno Juan Bautista (1581–1649) III 27 Maistre Joseph de (1753–1821) III 390 Majolus, Abt (reg. 964–994) II 241, 248 Makart Hans (1840–1884) III 417; IV 397 Malatesta Roberto (1442–1482) II 373 Malatesta Sigismondo (1417–1468) II 96, 485 Malebranche Nicolas (1638–1715) III 51, 150 Malewitsch Kasimir (1878–1935) III 193, 340; IV 31, 35f, 42f, 48, 71–78, 488 Mallarmé Stéphane (1842–1898) III 59, 407, 424; IV 61ff Malraux André (1901–1976) IV 158 al-Mamun, Kalif (reg. 813–833) II 169f, 202 Manasse, König von Juda (reg. 696/5– 642/41) I 225, 227 Mandelbaum Maurice (1908–1987) IV 456 Mander Karel van (1548–1606) III 45, 110 Manet Édouard (1832–1883) III 246, 412, 416; IV 437 Manetho (um 250a) I 164, 229 Manetti Antonio di Tuccio (1423–1497) II 424, 481, 483 Manetti Gianozzo (1396–1459) II 384, 396 Mani (216–277) II 49, 116 Mann Thomas (1875–1955) III 40 Mannheim Karl (1893–1947) IV 144 Man Ray (1890–1976) IV 60, 548 Mansart François (1598–1666) III 132 Manser Gallus (1866–1950) III 392 al-Mansur, Kalif (reg. 754–775) II 202 Mantegna Andrea (1431–1506) II 355, 359, 445, 511; IV 567 Manutius Aldus (1449–1515) I 211, 364, 451; II 359f, 378, 389, 392, 394 Manzoni Piero (1933–1963) IV 300, 327, 344, 574

Mao Zedong (1893–1976) IV 285f Mapplethorpe Robert (1946–1989) IV 298 Maravall José Antonio (1911–1986) III 68, 78 Marc Aurel (reg. 161–180) I 384f, 419f, 422f; II 94, 382; III 40 Marc Franz (1880–1916) III 381ff, 440; IV 19f, 39ff, 476 Marcantonio della Torre (1481–1511) II 379 Marcella aus Rom (um 325–um 410) II 228 Marcellus Marcus Claudius (42–23) I 439 Marchi Virgilio (1895–1960) IV 70 Marchionni Carlo (1702–1786) III 174 Marcks Gerhard (1889–1981) IV 86 Marcus Antonius (86/82–30) I 171, 235, 414f Marcuse Herbert (1898–1979) III 234; IV 176ff, 184, 225, 288 Maréchal Joseph (1878–1944) III 392 Marées Hans von (1837–1887) III 440; IV 62 Marek Christian (*1950) I 387 Marenbon John (*1955) II 153 Marey Étienne-Jules (1830–1904) III 259 Margolis Joseph (*1924) IV 530 Margreiter Reinhard (*1952) II 259; III 436; IV 270 Maria von Burgund (1457–1482) II 367 Maria Theresia (reg. als Erzherzogin von ­Österreich und Königin von Ungarn und Böhmen 1740–1780) III 42f Marie Antoinette (1755–1793) III 17, 212 Marienhof Anatoli (1897–1962) III 45 Marieschi Michele (1710–1743) III 174 Marinatos Spyridon (1901–1974) I 271 Marinetti Filippo Tommaso (1876–1944) III 383; IV 20, 67–70, 72, 192, 373 Marini Biagio (1594–1663) IV 458 Markion von Sinope († um 160p) II 49 Markschies Christoph (*1962) II 283, 318, 332, 336ff Marlowe Christopher (1564–1593) II 367; III 35 Marot Jean (1619–1679) III 117 Marquard Odo (1928–2015) III 48f, 69, 80, 196, 308, 314, 436; IV 264, 416, 475, 499, 575 Marquet Albert (1875–1947) IV 51 Marshall George C. (1880–1959) IV 282 Marsilius von Padua (um 1280–1342) II 350, 360, 400 Marsy Balthasar († 1674) III 34

621

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Namensverzeichnis

Marsy Gaspard (um 1624–1681) III 34 Martianus Capella (5./6. Jh.) I 451; II 152, 234 Martin V., Papst (reg. 1417–1431) II 343, 484 Martin Jean († 1553) II 472; III 133 Martin von Tours († 397) II 227 Martini Simone (1284–1344) II 339 Martyr, Bischof (15. Jh.) II 296 Marville Charles (1813–1879) III 237 Marwan II., Kalif (reg. 744–750) II 169, 197 Marx Karl (1818–1883) I 282, 329, 394f; II 410, 423; III 45, 108, 217, 222, 228, 233f, 320ff, 331, 334–338, 365, 435, 440, 443; IV 43, 81, 120ff, 135, 177ff, 181f, 275, 302, 330, 345, 373, 427 Masaccio (Tommaso de Ser Giovanni) (1401–um 1428) II 345, 355, 369, 372, 425, 432, 435, 440, 445, 447, 450, 508; IV 400 Maskell Alfred (*1857) III 257 Masolino da Panicale (1383–um 1440) II 345 Maspero Gaston Camille Charles (1846– 1916) I 127 Masson André (1896–1987) IV 64 Mateo von Santiago de Compostela (um 1150–um 1217) II 271, 296 Mathew Gervase (1905–1976) II 101 Mathews Thomas F. (k.A.) II 31 Mathilde von Tuszien (1046–1115) II 245 Matisse Henri (1869–1954) IV 26, 51, 53, 64f, 158 Matisse Pierre (1900–1989) IV 26 Matt Peter von (*1937) IV 18 Mattatias († 166a) I 234 Matteo de’Pasti (1420–um 1467) II 491 Matthias von Arras (1290–1352) II 368 Matz Friedrich (1890–1974) I 271, 273 Mau August (1840–1909) I 446 Mauer Otto (1907–1973) III 396 Mauss Marcel (1872–1950) II 249; IV 235, 275 Maxentius, Kaiser (reg. 306–312) I 424; II 17, 26, 78, 81, 113 Maximian Marcus Aurelius (reg. 286–305; † 310) I 395; II 14, 15ff, 107 Maximilian I. (reg. als Kaiser 1493–1519) I 211; II 362, 367, 378, 380, 382, 452; III 246 Maximilian I. von Bayern (reg. 1597–1651) III 10

Maximinus Daia (270–313) II 16 Maximus Confessor (um 580–662) II 120ff, 234 Maybach Wilhelm (1846–1929) III 235 Mazzini Giuseppe (1805–1872) II 220 McCormick Michael (*1951) II 148 McDonough William (*1951) IV 386 McLean Alick (k.A.) II 354 McLean Jesse (*1975) IV 391 McLuhan Marshall (1911–1980) I 240; II 358, 424; III 236; IV 268–271, 273, 276f, 310, 313 McPherson Matt (k.A.) IV 280 Mead George Herbert (1863–1931) III 400; IV 197, 219 Medici Cosimo, il Vecchio (1389–1464) I 210, 346; II 385ff, 400, 436 Medici Cosimo I. (1519–1574) II 96, 210, 376, 384, 507, 509 Medici Giovanni di Bicci (1360–1429) II 384–387 Medici Lorenzo (1449–1492) II 386, 394, 410, 445, 457, 460, 477, 502 Medici Piero (1416–1469) II 386 Medici Piero II. (1472–1503) II 387 Mehmed II., Fatih (reg. 1444–1446/1451– 1481) II 97f, 175, 212f, 216f, 355, 362, 374 Mehmed IV. (reg. 1648–1687) II 213 Mehmed Aga (um 1540–1617) II 216 Mehring Reinhard (*1959) IV 161 Meier Georg Friedrich (1718–1777) III 165ff Meier Mischa (*1971) II 92 Meier-Graefe Julius (1867–1935) III 419, 426 Meinhard Andreas (Anfang 16. Jh.) II 464 Meisenbach Georg (1841–1912) III 255 Meissonnier Juste-Aurèle (1695–1750) III 93 Melanchthon Philipp (1497–1560) II 377, 393 Melania (um 383–439) II 228 Melanippides von Melos (5. Jh.a) I 389 Méliès Georges (1861–1938) IV 13 Mellaart James (1925–2012) I 76, 97ff, Memling Hans (um 1435–1494) II 219 Menander (342–291/90) I 412 Menasse Robert (*1954) IV 226 Mendelsohn Erich (1887–1953) IV 20, 362 Mendelssohn Bartholdy Felix (1809–1847) III 387 Mendelssohn Moses (1729–1786) III 12, 55f, 58, 130, 191, 370; IV 420, 496, 501

Mendieta Ana (1948–1985) IV 343 Menes (um 3000) I 163f Mengs Anton Raphael (1728–1779) III 85, 119, 122f, 247 Menippos von Gadara (3. Jh.a) II 125 Menna (um 1390a) II 167 Mentuhotep, Schatzmeister u. Architekt (um 1950a) I 200 Mentuhotep II. (reg. 2046–1995) I 165f, 198 Menzel Adolph (1815–1905) III 242, 412 Mercator Gerhard (1512–1594) II 374f Mercier Louis-Sébastien (1740–1814) III 224 Mereau Sophie (1770–1806) III 375 Merenptah (reg. 1213–1204) I 217 Mereschkowski Dmitri Sergejewitsch (1865–1941) IV 23 Mergenthaler Ottmar (1854–1899) III 232 Merian Matthäus (1593–1650) II 359; III 18 Merisi Michelangelo cf. Caravaggio Merleau-Ponty Maurice (1908–1961) II 430, 433; III 180; IV 152, 155–160, 206, 257, 481, 493, 561 Merowech († um 450) II 149 Mersch Dieter (*1951) IV 191 Mersenne Marin (1588–1648) III 16, 53 Merz Annette (*1965) II 30, 35 Merz Mario (1925–2003) IV 346 Merzbacher Friedrich (1923–1982) II 357 Meskell Lynn (*1967) I 81, 89 Messerschmidt Franz Xaver (1736–1783) III 127 Methodius (um 815–885) II 93 Metternich Klemens Wenzel Lothar von (1773–1859) III 246, 388 Mettinger Tryggve (*1940) I 238, 240; II 181 Metzinger Jean (1883–1957) IV 53f Meuron Pierre de (*1950) IV 371f, 380 Mextorf Lars (k.A.) IV 503 Meyer Hannes (1889–1954) IV 90, 100f, 373 Meyer Johann Heinrich (1760–1832) III 265, 300f Meyer Theodor Arnold (1877–1959) III 358 Michael I., Kaiser (reg. 811–813) II 94 Michael I. Kerullarios, Patriarch (um 1005– 1059) II 94 Michael II., Kaiser (reg. 820–829) II 282 Michael VIII. Palaiologos (reg. 1259–1282) II 96 Michalowski Kazimierz (1901–1981) I 161 Michelangelo Buonarroti (1475–1564)

Namensverzeichnis

I 422; II 353, 363, 366, 372, 382, 387, 395, 397, 433, 441, 456, 459–462, 479f, 499, 501–505, 508f, 511; III 25, 77, 89, 286, 295; IV 27, 145, 267, 303, 477, 486, 495, 530, 549 Michelet Jules (1798–1874) I 40; II 334, 356, 372; III 213; IV 236 Michelozzo di Bartolommeo (1396–1472) II 385, 464, 485 Michetti Nicola (um 1680–1758/59) III 44 Mies van der Rohe Ludwig (1886–1969) IV 90f, 102, 107, 109–112, 333f, 359f, 362, 364 Mignonneau Laurent (k.A.) VI 351 Mihrimah Sultan (um 1522–1578) II 214 Mikon (Mitte 5. Jh.a) I 300, 340 Miles Jeffrey (k.A.) IV 377 Milizia Francesco (1725–1798) III 71, 85, 91, 106, 116, 145f Mill John Stuart (1806–1873) III 405 Millais John Everett (1829–1896) III 389 Miller Sanderson (1716–1780) III 174 Millet Jean François (1814–1875) III 410f Miltiades (um 550–um 489) I 297 Milton John (1608–1674) III 149, 361 Minutoli Alexander von (1806–1887) III 255 Mir Damad († 1630) II 175 Mirabeau Honoré Gabriel Riqueti, Marquis de (1749–1791) III 210 Miró Joan (1893–1983) IV 64 Mitchell William J. (1944–2010) II 498 Mitchell William J. T. (*1942) IV 559 Mithridates VI. (um 134–63) I 409, 411f Mitscherlich Alexander (1908–1982) IV 290, 357 Mnesikles (Mitte 5. Jh.a) I 299 Mockbee Samuel (1944–2001) IV 385 Modersohn-Becker Paula (1876–1907) IV 56, 167 Modigliani Amedeo (1884–1920) IV 36, 56, 401 Moeller van den Bruck Arthur (1876– 1925) IV 23 Mohammed, Prophet (um 570–632) II 158–165, 181f, 190, 193, 219, 293; III 199 Mohammed V. (reg. 1354–1359/1362– 1391) II 200 Mohammed XII., Boabdil (reg. 1482– 1483/1485–1492) II 201 Moholy-Nagy László (1895–1946) IV 45, 86, 89f, 92

Moilliet Louis (1880–1962) IV 41 Molìere Jean-Baptiste Poquelin (1622– 1673) III 203 Molina Luis de (1535–1600) III 19 Moller Georg (1784–1852) III 275 Mommsen Theodor (1817–1903) I 413f, 451 Mondrian Piet (1872–1944) IV 34–37, 48, 92f, 103, 119, 303, 485, 498 Monet Claude (1840–1926) III 232, 412, 414, 421; IV 30, 35, 38 Monier Joseph (1823–1906) III 284 Monnica v. Thagaste (um 332–387) II 57 Monroe James (1758–1831) II 209 Monroe Marylin (1926–1962) IV 314 Montaigne Michel de (1533–1592) II 429; III 30 Montefiore Simon Sebag (*1965) I 220, 233 Montespan Madame de (1640–1707) III 18 Montesquieu Charles-Louis (1689–1755) III 45, 61, 70, 116, 199 Monteverdi Claudio (1567–1643) III 25 Montgolfier Jacques Étienne (1745–1799) III 17 Montgolfier Joseph Michel (1740–1810) III 17 Moore Charles (1925–1993) III 273; IV 265f Moore George Edward (1873–1958) IV 194f, 200 Moore Henry (1898–1986) IV 376 Moortgat Anton (1897–1977) I 144, 146 Morandi Giorgio (1890–1964) IV 66 Moréas Jean (1856–1910) IV 61 Moreau Gustave (1826–1898) IV 62 Morey Charles (1877–1955) II 323 Mori Mariko (*1967) IV 387 Morimura Yasumasa (*1951) IV 387 Moritz Karl Philipp (1756–1793) II 183; III 123f, 276, 297, 367 Morris Charles W. (1901–1979) IV 197, 218f, 522 Morris Robert (1701–1754) III 143f; IV 81f, 87 Morris Robert (1931–2018) IV 33, 317f, 321, 339, 483, 566 Morris Roger (1695–1749) III 143 Morris William (1834–1896) III 290f, 359, 421, 424; IV 384 Moser Koloman (1868–1918) III 429 Moser Lukas (um 1390–nach 1434) II 355 Moser Walter (k.A.) III 73

Mothersill Mary (1923–2008) I 345 Motherwell Robert (1915–1991) IV 302, 307 Mozart Wolfgang Amadeus (1756–1791) I 210; III 15, 24, 203, 348; IV 498, 509, 544 Muawiya, Kalif (reg. 661–680) II 163 Mucha Alfons Maria (1860–1939) III 420 Muche Georg (1895–1987) IV 86 al-Mudschahid (um 642–um 720) II 182 Muehl Otto (1925–2013) IV 343f Müller Johannes von (1752–1809) III 383 Müller Mathias (*1968) II 464 Müller Werner (1925–1997) I 271 Müller-Karpe Hermann (1925–2013) I 55, 72 Münter Gabriele (1877–1962) IV 38ff Mütter Bertl (*1965) IV 486 Muhammad al-Chwarizmi (um 800) II 246, 276 Muhammad Ali (reg. 1805–1848) I 172 Mulla Sadra (Sadr ad-Din Muhammad Schirazi) (1572–1640) II 175 Multscher Hans (um 1400–1467) II 442 Mumford Lewis (1895–1990) I 91, 93f, 96, 351f, 394; II 14; III 239 Mumtaz Mahal (1593–1631) II 204 Munch Edvard (1863–1944) III 416, 426; IV 28, 44, 52 Mundt Theodor (1808–1861) III 334 Municius Felix (3. Jh.) II 55 al-Muqaddasi (945–um 1000) II 173, 196 Murad I., Sultan (reg. 1359–1389) II 211f Murakami Saburo (1925–1996) IV 309 Muratori Ludovico Antonio (1672–1750) III 176; IV 473 Murger Henri (1822–1861) III 243 Murillo Bartolomé Esteban (1618–1682) III 27 Murschili I. (reg. 1604–1594) I 146, 166 Musil Robert (1880–1942) IV 17 Mussolini Benito (1883–1945) IV 25, 49, 68f, 104f, 112, 128, 192, 358 Mussorgskij Modest (1839–1881) III 415 Musurus Marcus (um 1470–1517) II 385 al-Mutasim (reg. 833–842) II 165, 202f al-Mutawakkil, Kalif (reg. 847–861) II 203 Muth Carl (1867–1944) III 394 Muth Robert (1916–2008) I 425 Muthesius Hermann (1861–1927) I 32; III 276; IV 82f, 100, 489 Muybridge Eadweard J. (1830–1904) III 259

623

624

Namensverzeichnis

Mykerinos (reg. 2539–2511) I 192 Myron (um 500– nach 440) I 334, 342

Na’Aman Nadav (*1939) I 220

Nabonid, König von Babylon (reg. 555– 539) I 157, 229 Nabopolassar, König von Babylon (reg. 626–605) I 156 Nacht, ägyptischer Beamter (um 1400a) I 168, 207 Nadar cf. Tournachon Gaspard-Felix III 253, 256, 414 Nagel Tilman (*1942) II 159f, 194 Nagy Imre (1896–1958) IV 120 Namuth Hans (1915–1990) IV 308 Napoleon I. (reg. als Kaiser 1804– 1814/1815; † 1821) I 172, 210, 213, III 199, 209, 212, 214ff, 246, 250, 263, 296, 318, 338, 353, 368ff, 375 Napoleon III. (reg. 1852–1870) III 214, 217ff, 220, 230, 275 Naram-Sin I., König von Akkad (reg. 2291– 2236) I 137f Narmer (um 3100) I 164 Narses (um 490–574) II 24, 92 Nash John (1752–1835) III 173, 263, 283 Nasir ad-Din Mahmud, Sultan (reg. 1201– 1222) II 210 Natorp Paul (1854–1924) IV 132f, 137, 173 Nauman Bruce (*1941) III 343; IV 323, 351 Naumann Friedrich (1860–1919) IV 82 an-Nawawi (1233–1277) II 182 al-Nazzam († um 845) II 178 Nebukadnezar I. (reg. 1125–1104) I 151 Nebukadnezar II. (reg. 605–562) I 112, 128, 143, 156f, 227 Necho I., Pharao († 664a) II 375 Necipoglu Gülru (*1956) II 213, 215 Neer Richard (k.A.) I 265, 298f, 309, 338 Negroponte Nicholas (*1943) IV 395 Neilos von Ankyra († 430) II 136 Neithart Mathis, cf. Grünewald II 355, 442 Neleus von Skepsis (4. Jh.a) I 363 Nemesios von Emesa († um 400) II 138 Nemoianu Virgil (*1940) IV 423, 575 Neoptolemos von Parion (3. Jh.a) I 454 Nerdinger Winfried (*1944) IV 103 Neri Filippo (1515–1595) II 501 Nero, Kaiser (reg. 54–68) I 236, 384, 417ff, 439; II 32, 39f, 504 Nerva Marcus Cocceius (reg. 96–98) I 419

Nesiotes (5. Jh.a) I 340 Nestle Wilhelm (1865–1959) I 251f, 347 Nestorius von Konstantinopel (um 386–um 451) II 51, 128 Nestroy Johann (1801–1862) III 227 Neto Ernesto (*1964) IV 353 Neuber Caroline (1697–1760) III 23 Neumaier Otto (*1951) I 360, 369; III 191; IV 187, 429, 443f, 447ff, 460, 475, 514, 520, 531, 538, 545, 555f Neumann Balthasar (1687–1753) III 41, 77f, 84, 89, 95, 104 Neurath Otto (1882–1945) IV 193 Neutra Richard (1892–1970) IV 103 Neuwirth Angelika (*1943) II 194; IV 333 Neuwirth Markus (*1960) III 71 Newcomen Thomas (1663–1729) III 225 Newman Barnett (1905–1970) I 192; IV 37, 42ff, 78, 147, 249f, 302–307, 314, 448, 481, 484f, 505, 521, 526, 545, 566 Newton Isaac (1643–1727) II 378, 413, 423; III 16f, 76, 151, 176, 197, 200, 234, 298 Niccoli Niccolò (1364–1437) II 384, 389 Niccolò, Bildhauer (1. Hälfte 12. Jh.) II 271 Nicéphore Joseph (1765–1833) III 251 Nicolai Bernd (*1957) II 334 Nicole Pierre (1625–1695) III 51 Nida-Rümelin Julian (*1954) IV 408, 423 Niehr Herbert (*1955) I 238 Niemeyer Oscar (1907–2012) IV 13, 102, 108, 114, 360f, 375, 378 Niépce Isidore (1795–1868) III 251 Niethammer Friedrich Immanuel (1766– 1848) II 388 Nietzsche Friedrich (1844–1900) I 325, 350; II 500; III 50, 72f, 125, 196, 222, 276, 302, 338, 351, 373, 400f, 406, 426, 433–439; IV 43, 66, 83, 112, 118, 120, 193f, 227, 241, 248, 252, 254f, 258, 261, 264, 276, 302, 346, 411, 414, 420 Nieuhoff Jan (1618–1672) III 18 Nikephoros, Patriarch (750–828) II 139f Nikephoros II. Phokas, Patriarch (reg. 963– 969) II 198 Niki de Saint Phalle (1930–2002) IV 315, 327, 576 Nikolaus I., Kaiser (reg. 1825–1855) III 222, 339 Nikolaus II., Zar (reg. 1894–1917) III 217, 223; IV 21 Nikolaus III., Papst (reg. 1277–1280) II 309

Nikolaus V., Papst (reg. 1447–1455) II 363, 397, 448, 479, 483, 486 Nikolaus V., Gegenpapst (reg. 1328–1330) II 339 Nikolaus von Kues (1401–1464) I 41, 357; II 141, 186, 342, 361, 370, 386, 397, 400– 406, 409ff, 413, 415, 427, 430, 478, 484; III 59, 104, 106, 402; IV 461, 535 Nikolaus von Pacassi (1716–1790) III 43 Nikolaus von Verdun (um 1130–um 1205) II 275 Nille Christian (*1982) II 254 Nilsson Martin Persson (1874–1967) I 285 Nitsch Hermann (*1938) IV 331, 340, 343f Nizami Ibn Yusuf (1141–1209) I 375; II 167, 211 Nobel Alfred (1833–1896) III 284 Noero Jo (k.A.) IV 385 Nofretete (14. Jh.a) I 181, 207 Nolde Emil (1867–1956) III 416; IV 46, 52f Nono Luigi (1924–1990) IV 230, 545 Norberg-Schulz Christian (1926–2000) I 82, 231, 319, II 323; IV 172, 267, 493 Norbert von Xanten († 1134) II 293 Nordhoff Josef B. (1838–1906) II 263 Norman Jessye (*1945) IV 340 Nouvel Jean (*1945) I 25, 33; II 104; IV 371, 376, 489 Novalis cf. Hardenberg Friedrich von Novotny Fritz (1903–1983) III 408 Nugent Thomas (um 1700–1772) III 158 Numa Pompilius (750–672?) I 404, 435 Nuñez Yanowsky Manuel (*1942) IV 364 Nunn Astrid (k.A.) I 86, 123, 182, 247 Nur ad-Din (reg. 1146–1174) II 165

Oberhuber Karl (1915–1997) I 58

Ockham Wilhelm von (um 1288–1347) II 341, 343, 347–350 Odilo, Abt (reg. 994–1049) II 248 Odo, Abt (reg. 927–942) II 248, 250 Odo von Metz (um 742–um 814) II 238 Odoaker (um 433–493) II 22 O’Doherty Brian (*1928) IV 369 Oechslin Werner (*1944) II 498; III 91, 116, 143 Oedenkoven Henri (1875–1935) IV 57 Oellers Norbert (*1936) III 292 Oesch Josef (*1943) I 240 Oeser Adam Friedrich (1717–1799) III 125, 296

Namensverzeichnis

Oesterle Günter (*1941) III 116 Oettinger Karl (1906–1979) II 324 Ohnesorg Benno (1940–1967) IV 285 Olbrich Joseph Maria (1867–1908) III 428; IV 87 Oldenburg Claes (*1929) IV 310, 312, 336, 339 Oliva Achille Bonito (*1939) IV 267 Onasch Konrad (1916–2007) II 110, 120 Onatas (5. Jh.a) I 342 Onesikritos (4. Jh.a) I 387 Ong Walter Jackson (1912–2003) II 370 Onís Federico de (1885–1966) IV 261 Ono Yoko (*1933) IV 337 Onofrio di Giordano della Cava (15. Jh.) II 464 Onuris-Cha (12. Jh.a) I 208 Oppert Jules (1825–1905) I 114 O’Reilly Sally (*1971) IV 340 Orestes Flavius (um 430–476) II 23 Orhan, Sultan (reg. 1326–1359) II 211 Origenes (um 185–um 254) II 52, 55, 57, 62, 258 Orlan (Mireille S. F. Porte) (*1947) IV 332 Orseolo II., Doge (reg. 991–1009) II 243 Orsini Vicino (1523–1585) II 504 Ortega y Gasset José (1883–1955) IV 132 Orthagoras von Sikyon (7. Jh.) I 295 Osborne Harold (1905–1987) IV 213f, 216, 218f, 407, 420, 429, 431, 454, 466 Osman I. (1258–1324/26) II 211 Osterhammel Jürgen (*1952) III 238 Oswald von Wolkenstein (um 1377–1445) II 426 Otis Grave (1811–1861) III 431 Otlet Paul (1868–1944) IV 116 Otto I. (reg. als Kaiser 962–973) II 199, 238, 242, 248; III 214 Otto I. (reg. 1832–1862) III 221, 270 Otto II. (reg. als Kaiser 973–983) II 248 Otto III. (reg. als Kaiser 996–1002) II 248, 269f Otto Frei (1925–2015) IV 290, 371, 376 Otto Nikolaus (1832–1891) III 235 Otto Rudolf (1869–1937) II 179 Oud Jacobus Johannes Pieter (1890–1963) IV 25, 92f Ouvrard René (1624–1694) III 134 Overbeck Friedrich (1789–1869) III 386f, 446 Ovid (43a-um 17p) I 415f, 432; III 279

Owen Robert (1771–1858) III 280 Owen Wilfred (1893–1918) I 414 Owens Craig (1950–1990) IV 265 Ozenfant Amédée (1886–1966) IV 111, 466

Paalen Wolfgang (1905–1959) IV 302

Pacher Michael (um 1435–1498) II 330, 400, 442 Pachomios (um 290–um 346) II 61, 63, 227 Pacioli Luca (um 1445–um 1517) II 421, 425, 452f, 457f, 478 Pacuvius Marcus (um 220–130) I 438 Paganini Nicolò (1782–1840) IV 458 Page Larry (*1973) IV 280 Paik Nam June (*1932) IV 337, 339, 352 Paionios von Mende (5. Jh.a) I 337 Pajou Augustin (1730–1809) III 95 Palagio Carlo di Cesare del (1538–1598) II 353 Paleotti Gabriele (1522–1597) II 398 Palissy Bernard (1510–1589/90) II 467 Palladio Andrea (1508–1580) I 456; II 188, 393, 398, 464f, 469f, 475ff, 480, 484, 489, 492–499, 504, 506f, 512; III 85, 101, 114, 132f, 135f, 140–146, 263, 274, 280, 286, 297, 299f; IV 81, 429, 496, 498f Palladius Rutilius T. Aemilianus (4. Jh.p) I 455 Pallaiuolo Antonio (um 1331–1498) II 385 Pallaiuolo Piero (1443–1496) II 385 Pallasmaa Juhani U. (*1936) IV 383, 493 Pallottino Massimo (1909–1995) I 398f, 402 Palmotic Junije (um 1606–1657) II 345 Pamphilos aus Amphipolis (um 390–um 350) I 338, 341 Pamuk Orhan (*1952) II 217 Panagiotopoulos Diamantis (*1967) I 268f Panainos (Mitte 5. Jh.a) I 300, 340 Panaitios von Rhodos (um 185–109) I 384f, 411 Pankhurst Christabel (1880–1958) III 240 Pankhurst Emmeline (1858–1928) III 240 Pannwitz Rudolf (1881–1969) IV 261 Panofsky Erwin (1892–1968) I 35, 46; II 253, 281–284, 322, 325f, 332–336ff, 343, 353, 421, 427f, 430, 433, 443, 455, 489, 511; III 73, 79; IV 133, 139, 141–147, 408, 505, 523, 534, 564 Papadopoulo Alexandre (k.A.) II 179f, 183, 185, 190, 205, 216; IV 460

Papaioannou Kostas (1925–1981) I 290, 298, 312, 315, 319, 330f, 354; II 14 Paracelsus (1493–1541) II 354, 378, 412, 414f Parler Peter (um 1330–1399) II 368 Parmenides aus Elea (um 520–um 460) I 95, I 289, 325–329, 342, 346f; IV 196 Parmigianino (1503–1540) II 502f; III 106; IV 461 Parr Franz († 1580) II 464 Parrhasios aus Ephesos (um 400a) I 335, 390; III 106 Parrot André (1901–1980) I 128, 132f, 135f, 140, 144 Pars William (1742–1782) III 117 Parsons Glen (k.A.) IV 494 Partl Andreas M. (1704–1788) IV 532 Partsch Susanna (*1952) IV 61 Pascal Blaise (1623–1662) III 17, 51; IV 256 Paschalis I., Papst (reg. 817–824) II 237 Pascoli Lione (1674–1744) III 91 Pasquero Claudia (*1974) IV 384 Pasiteles (1. Jh.a) I 413 Pask Gordon (1928–1996) IV 379 Pasqualini Alessandro (1493–1559) II 464 Pasternak Boris (1890–1960) IV 132 Pasteur Louis (1822–1895) III 238 Pastor Hermae (2. Jh. ?) II 47 Patrick von Irland (Ende 4./Anfang 5. Jh.) II 231 Patrizi Francesco (1529–1597) II 413 Paul III., Papst (reg. 1534–1549) I 422; II 364, 366, 461, 465, 478f Paul IV., Papst (reg. 1555–1559) II 363 Paul V., Papst (reg. 1605–1621) III 25, 90 Paul Bruno (1874–1968) III 419; IV 109 Paul Jean (1763–1825) I 24; IV 118 Paulinus von Nola (um 354–431) II 73, 136 Paulus Diaconus (um 730–um 799) II 148 Paulus Silentiarios (um 520–um 575) II 103, 110 Paulus von Tarsos (um 5–um 64) I 226; II 30, 35–40, 43f, 46, 68, 73, 77, 129, 258 Pausanias Periegetes (um 115–um 180) I 309, 450; II 18, 124 Pausanias von Sparta (5. Jh.a) I 297 Paxton Joseph (1803/1801–1865) III 282, 284, 286 Paz Octavio (1914–1998) III 68; IV 98 Peccei Aurelio (1908–1984) IV 290 Pecci Gioacchino cf. Leo XIII

625

626

Namensverzeichnis

Pecci Giuseppe (1807–1890) III 392 Pechstein Max (1881–1955) IV 52, 60 Peckham John (um 1225–1292) II 308f, 380, 423, 437, 450 Pedanios Dioskurides (1. Jh.p) II 69 Peichl Gustav (*1928) IV 373 Peirce Charles Sanders (1839–1914) IV 212, 516f, 519f, 541 Peisianax (5. Jh.a) I 340 Peisistratos (608–528/527) I 295 Pelacani Biagio (1347–1416) II 423f, 451, 454 Pelagius (360–420) II 60; III 19 Pelikan Oldrich (1913–1987) II 26 Pelletier Madeleine (1847–1939) III 241 Pels Andries (1631–1681) III 38 Pemberton Styth John (1831–1888) III 392 Peña Dîaz de la (1807–1876) III 411 Pepi II. (reg. 2279–2219) I 165 Peri Jacopo (1561–1633) III 25 Perikles (um 490–429) I 298, 300, 330, 336f, 342, 388; III 397; IV 572, 575 Periktione (5. Jh.a) I 345 Périn Charles (1815–1905) III 393 Perl Eric (k.A.) II 117 Permoser Balthasar (1651–1732) III 95 Pernette du Guillet (um 1520–1545) II 390 Pernety Antoine-Joseph (1716–1796) III 71 Perpeet Wilhelm (1915–2002) IV 405 Perrault Charles (1628–1703) III 61f, 109f, 121 Perrault Claude (1613–1688) III 85, 89, 109, 132–135, 137f, 142, 145, 262, 278 Perrault Dominique (*1953) IV 362 Perret Auguste (1874–1954) IV 112f Perrig Alexander (1930–) II 437 Perrot Georges (1832–1914) II 87 Persius Aulus Flaccus (34–62) I 410 Perugino Pietro (1448–1523) II 363 Peruzzi Baldassare (1481–1536) II 465, 479, 492, 505, 512; III 426 Pétain Henri Philippe (1856–1951) IV 25 Peter I., Kaiser von Russland (reg. 1721– 1725) II 74; III 44, 338 Peterich Eckart (1900–1968) II 111 Petosiris (2. Hälfte 4. Jh.a) I 171 Petrarca Francesco (1304–1374) II 274, 297, 340, 345, 350, 356f, 497 372, 384, 390ff, 396, 407, 422, 426, 435, 461,497; III 106, 202, 379; IV 576 Petrie Matthew Flinders (1853–1942) I 217

Petronax aus Brescia (um 670–747) II 228 Petrova Evgenia (k.A.) IV 77 Petrus Abaelard (1079–1142) II 120, 275, 282, 297f, 300, 302ff, 321, 336, 347; III 203 Petrus Comestor (um 1100–1178) II 305 Petrus Damianus (um 1006–1072) II 275 Petrus von Eboli († um 1220) II 293 Petrus Lombardus (1095–1160) II 300, 305 Petrus Simon († um 65) II 39, 68 Petrus Venerabilis, Abt (reg. 1122–1156) II 248 Petzet Heinrich Wiegand (1909–1997) IV 167 Petzval Josef von (1807–1891) III 254 Peucer Caspar (1525–1602) II 377 Pevsner Antoine (1886–1962) IV 78 Pevsner Naum Abramowitsch (Naum Gabo) (1890–1977) IV 78 Pevsner Nikolaus (1902–1983) II 82, 103, 110, 263f, 270, 323, 343, 477; IV 263 Peymann Claus (*1937) IV 288 Peyre Marie-Joseph (1730–1785) III 139f Pfeilschifter Rene (*1971) II 88 Pforr Franz (1788–1812) III 386 Phidias Bildhauer (500–430) I 298f, 309, 342, 366, 393; III 128, 446 Philibert de l’Orme (um 1510–1570) II 417, 472f Philipp II. (der Kühne) (reg. 1363–1404) II 328, 367 Philipp II. von Makedonien (reg. 359–336) I 258, 302, 362, 374, 390 Philipp II. von Spanien (reg. 1556–1598) III 26f Philipp IV. (reg. 1621–1665) III 27 Philipp V. von Makedonien (reg. 221–179) I 377, 396, 408; II 391 Philipp der Kanzler (um 1160–1236) II 315 Philiskos aus Ägina (4. Jh.a) I 387 Philodem von Gadara (um 110–um 40) I 384, 441 Philolaos aus Kroton (5. Jh.a) I 307; II 475 Philon von Alexandrien (um 15a-um 40p) I 236, 385; II 115f Philon von Eleusis (um 330a) I 341 Philostrat von Lemnos (Flavius) (um 165– um 245) I 451 Philoxenos aus Eretria (spätes 4. Jh.a) I 375 Photios, Patriarch (um 810–um 895) II 93, 122, 137 Phrynichos (spätes 6. Jha.) I 297

Phrynis von Mytilene (5. Jh.a) I 389 Piacentini Marcello (1881–1960) IV 105 Piaget Jean (1896–1980) I 255; IV 47, 480 Piano Renzo (*1937) IV 371, 373, 383 Picabia Francis (1879–1953) IV 60, 95 Picasso Pablo (1881–1973) I 59; II 266; III 70; IV 27, 36, 50, 53ff, 63, 104, 116, 167, 170, 208, 255, 306f, 401, 565 Piccolomini Enea Silvio, cf. Pius II. Pichler Walter (1936–2012) IV 362 Pichler Wolfram (*1968) IV 567f Pico della Mirandola Gianfrancesco (1469– 1533) II 503 Pico della Mirandola Giovanni (1463– 1494) II 372, 374, 389, 392, 394, 396, 400, 410ff, 503 Piene Otto (1928–2014) IV 327 Piero della Francesca (um 1420–1492) II 371, 415, 421, 425, 448f, 451f, 455, 491; IV 140 Pierre d’Ailly (um 1350–1420) II 342 Pigage Nicolas de (1723–1796) III 262 Pilatus Pontius (12–38) II 35 Piles Roger de (1635–1709) III 113f; IV 496 Piloty Carl Theodor von (1826–1886) III 417 Pindar (517–438) I 315; II 353 Pinder Wilhelm (1878–1947) II 339 Pineau Nicolas (1684–1754) III 94 Pingeot Anne (*1943) III 229 Pino Paolo (1534–1565) III 110 Pinoncelli Pierre (*1929) IV 98 Pinsent David (1891–1918) IV 199 Pinturicchio (1454–1513) II 363 Pipilotti Rist cf. Rist Elisabeth Pippin III. (reg. 751–768) II 225, 283 Piranesi Giovanni Battista (1720–1778) I 388; III 89, 92f, 115, 129f, 140, 174, 224, 247, 262 Pirckheimer Willibald (1470–1530) II 377f Pirenne Henri (1862–1935) II 148 Pirmin (um 670–753) II 224 Pisanello Antonio (1395–1455) II 445, 447 Pisano Andrea (1270–1348) II 441 Pisano Bonanno (12. Jh.) II 441 Pisano Giovanni (um 1250–um 1314) II 350, 440f Pisano Niccolò (um 1205–um 1280) II 328, 440 Pisis Filippo de (1896–1956) IV 66 Pissarro Camille (1830–1903) III 421

Namensverzeichnis

Pius II., Papst (reg. 1458–1464) II 362f, 416, 478, 483, 485 Pius VI., Papst (reg. 1775–1799) III 43, 211 Pius IX., Papst (reg. 1846–1878) III 220f, 387, 391 Pius X., Papst (reg. 1903–1914) III 393 Pizarro Francisco (1478–1541) II 376 Planck Max (1858–1947) IV 14 Platon (428/27–348/47) I 95, 125, 163, 176f, 200, 202, 218, 241, 252, 279, 283, 286, 288f, 301, 307, 311, 325–329, 332–335, 341–369, 373, 380f, 386, 389, 426, 452; II 49, 57, 93f, 110, 114–118, 120–123, 125f, 139–143, 152f, 168, 170, 173, 179f, 185, 205, 234, 237, 266, 273, 276f, 278, 308, 310, 314ff, 348, 360, 371, 386, 391, 395, 398f, 402, 404–407, 409–412, 414, 416, 418f, 421f, 444, 463, 469, 472, 482, 486, 488ff, 495, 506; III 37, 65, 78, 106f, 109, 120f, 129, 155, 164, 166, 171, 179, 195, 234, 279, 304, 309f, 317, 324f, 331f, 334, 337, 343, 345, 376, 382, 405–408, 436, 443; IV 14, 84, 94, 118, 125, 136f, 151, 154, 160, 167f, 173, 192, 196, 207, 214, 243f, 253, 280f, 325, 340, 378, 380, 415f, 426, 430, 453, 461, 531, 559, 572ff, 576 Platter Felix (1536–1614) II 379 Plautus Titus Maccius (um 254–um 184) I 408f Plethon Gemistos (um 1355–1452) II 96, 385f, 393 Plinius Gaius Maior (23/24–79) I 171, 390, 392, 449f; II 69, 426, 445, 447, 450, 486; III 33, 279 Plinius Gaius Minor (61/62–113/115) I 420; III 81 Plotin (um 205–um 270) I 364, 424; II 52, 54, 57, 115–118, 123, 155, 168, 171, 386, 405; III 310; IV 416 Plutarch (46–127) I 338, 367, 375, 390, 432, 447; II 38, 49, 119; III 140, 279; IV 495 Pochat Götz (*1940) I 29; II 316, 323; III 272, 404; IV 406, 408 Pöggeler Otto (1928–2014) III 316 Pöltner Günther (*1942) IV 420, 433f Pöppelmann Matthäus Daniel (1662– 1736) III 46, 80, 95 Poeschel Sabine (k.A.) II 363 Poitevin Louis-Alphonse de (1819–1882) III 255 Polak Hans (1916–1945) IV 25

Polcari Stephen (*1945) IV 302, 484, 521 Poliziano Angelo (1454–1494) II 394f, 502; IV 139 Pollaiuolo Antonio (1431–1498) IV 140 Pollock Friedrich (1894–1970) IV 176 Pollock Jackson (1912–1956) III 194; IV 43f, 298, 307f, 341, 434 Polo Maffeo (1230–1309) II 291 Polo Marco (um 1254–1324) II 167, 291 Polo Niccolò (1230–1294) II 291 Polybios von Megalopolis (um 200–um 120) I 449, II 475 Polygnot, Maler (Mitte 5. Jh.a) I 300, 340, 366 Polykarp von Smyrna (um 69–um 155) II 47 Polyklet aus Argos oder Sikyon (*um 480a) I 319, 331–334, 338, 366, 384, 457 Polykrates von Samos (reg. um 538–522) I 295 Pomassl Franz (k.A.) IV 392 Pompeius Gnaeus Magnus (106–48) I 171, 377, 411ff, 434, 438f; IV 382 Pomponazzi Pietro (1462–1525) II 412 Pontormo Jacopo (1494–1557) II 462, 503 Pope Alexander (1688–1744) III 144, 171 Popper Karl (1902–1994) IV 177, 194, 228, 540 Porphyrios (234–um 305) I 280, 363; II 116, 118f, 168 Porta Giacomo della (um 1500–1577) II 480 Portoghesi Paolo (*1931) IV 264, 358 Poseidonios aus Apameia (um 135–um 50) I 384f, 411; II 376 Postel Guillaume (1510–1581) II 375 Postman Neil (1931–2003) II 358; IV 279, 560 Potjomkin Grigori Alexandrowitsch (1739– 1791) III 45 Pound Ezra (1885–1972) IV 261 Poussin Nicolas (1594–1665) I 450; III 21, 33, 38, 110, 112f, 120f, 136, 297; IV 145, 535 Pozzo Andrea (1642–1709) III 41, 60, 83, 102ff, 111 Pozzo dal Francesco (Puteolano) (15. Jh.) II 436 Prampolini Enrico (1894–1956) IV 70 Prandtauer Jakob (1660–1726) III 42 Prangey Josef-Philibert Girault de (1804– 1892) III 255 Praxiteles (um 390–um 320) I 331, 334f, 342, 392; IV 397, 539

Presley Elvis (1935–1977) IV 314 Preti Francesco Maria (1701–1774) III 85 Preuß Horst Dietrich (1927–1993) I 243 Previtali Giovanni (1934–1988) II 438, 441 Preziosi Donald (*1941) I 263 Price Uvedale (1747–1829) III 172f Pries Christine (*1961) I 24; IV 260 Priestley Joseph (1733–1804) III 17 Prigogine Ilya (1917–2003) IV 274 Princip Gavrilo (1894–1918) IV 17 Priscillian von Ávila (um 340–385) II 90 Proklos (412–485) I 286; II 115f, 119f, 168, 341; III 315 Prokop von Caesarea (um 500–562) II 105, 110 Propertius Sextus Aurelius (48–15) I 131 Protagoras aus Abdera (um 490–um 411) I 342 Protogenes (4. Jh.) I 390 Protone (5. Jh.a) I 345 Proust Marcel (1871–1922) IV 188 Prudentius (348–um 405) II 55, 72 Psammetich I. (reg. 664–610) I 318 Psellos Michael (1018–um 1090) II 93f, 142, 400 Pseudo-Longinos (1. Jh.p) I 348, 390, 457f; III 108, 122, 156, 191f Ptolemäus, Astronom (um 85–160) I 172, 380; II 178, 273, 376, 378 Ptolemäus I. (reg. um 306–283) I 170, 232, 376 Ptolemäus II. (reg. 282–246) I 229, 233, 378, 393, 396 Ptolemäus III. (reg. 246–222/21) I 170 Ptolemäus IV. (reg. 221–204/05) I 393 Ptolemäus V. (reg. 205–180) I 213, 379 Ptolemäus XII./XIII. (reg. 80–58/55–51) I 171, 235 Ptolemäus XIV. (reg. als Mitkönig 47–44) I 413 Puccini Giacomo (1858–1924) III 243 Pufendorf Samuel (1632–1694) III 37 Pugin Augustus Charles (1762/68–1832) III 264 Pugin Augustus Welby (1812–1852) III 263f, 268, 270, 274, 285, 299; IV 494 Punin Nikolaj (1888–1953) II 123; IV 73, 76, 304, 521 Puschkin Alexander (1799–1837) III 44 Puteolano Francesco cf. Pozzo dal Francesco

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Namensverzeichnis

Putin Wladimir (*1952) III 339 Putnam Hilary (1926–2016) IV 228 Pyrgoteles (3. Jh.a) I 375 Pyrilampes (um 480–um 413) I 345 Pyrrhon aus Elis (um 362–um 270) I 379– 382 Pyrrhus I. (um 319–272) I 407 Pythagoras aus Samos (um 580–um 500) I 284, 286, 307, 347, 404; II 115, 154, 472, 475 Pytheos (um 350a) I 341, 455; II 54

Quatremère de Quincy Antoi-

ne-Chrysostôme (1755–1849) III 71, 265; IV 462 Quesnay François (1694–1774) III 195 Quine Willard van Orman (1908–2000) IV 194f Quintilianus Marcus Fabius (um 35–um 96) I 450f, 453; II 136, 372, 447, 486 Quintus Caecilius Metellus Macedonicus (um 190–115) I 436 al-Qurtubi († um 1272) II 181

Rabelais François (um 1494–1553) II 417

Racine Jean Baptiste (1639–1699) III 62 Rader Olaf (*1961) II 293 Raffael Santi (1483–1520) II 227, 363, 372, 389, 395, 397, 458, 460ff, 479, 500f, 508, 510, 512; III 112, 115, 244, 297, 329, 373f, 387ff Rahner Karl (1904–1984) II 41; III 392 Raimondi Cosma (um 1400–1435) I 383 Raimondi Marcantonio (um 1475–1534) II 452 Raimundus Lullus (1232–1315/16) II 408; III 27 Rainald von Aquin (k.A.) II 293 Rainaldi Carlo (1611–1691) III 110 Ramsay Allan (1713–1784) III 93, 130 Ramses I. (reg. 1292–1290) I 169, 196 Ramses II. (reg. 1279–1213) I 147, 169, 177, 188, 195, 199; II 92 Ramses III. (reg. 1183/82–1152/51) I 148, 170, 209 Ramses V. (reg. 1145/44–1142/40) I 186 Ramses VI. (reg. 1142/40–1134) I 186 Ramses XI. (reg. 1103–1070/69) I 169, 186 Ranke Leopold von (1795–1886) III 47, 446 Raphael Max (1889–1952) I 67 Rashid Hani (*1958) IV 376

Rassam Hormuzd (1826–1910) I 124 Ratchis (reg. 744–749) II 25 Ratzinger Joseph (*1927) II 41 Rauch Alexander (*1943) III 311 Rauch Christian Daniel (1777–1857) III 247, 249f Rauch Neo (*1960) IV 268 Rauchenberger Johannes (*1969) III 396 Rauschenberg Robert (1925–2008) IV 45, 297, 308, 311ff, 317, 331, 336, 338f Rauterberg Hanno (*1967) III 189 ar-Razi, Abu Bakr (um 865–um 930) II 170 Reagan Ronald (1911–2004) IV 279 Rebenich Stefan (*1961) I 415 Rechmire (um 1430a) I 207, 270 Redon Odilon (1840–1916) IV 62 Rehabeam (reg. 931–914) I 223 Reich Lilly (1885–1947) IV 110 Reich Wilhelm (1897–1957) IV 344 Reichard Wilhelmine (1788–1848) III 240 Reichensperger August (1808–1895) II 320; III 275 Reicher Maria E. (*1966) IV 422, 446, 487, 504, 540f, 543 Reijlander Oscar Gustav (1813–1875) III 256 Reimarus Hermann Samuel (1694–1768) III 201 Reinhardt Ad (1913–1967) IV 33, 44, 78, 306f, 317, 566 Reinhardt Volker (*1954) II 389 Reinhold Karl Leonhard (1757–1823) III 292, 303, 318 Reis Piri (um 1470–1554) II 374 Rekkared I. (reg. 586–601) II 22, 50 Rembrandt Harmensz von Rijn (1606– 1669) III 21, 23, 38, 110, 413; IV 145, 397, 508 Renan Ernest (1823–1892) II 75 Renger-Patzsch Albert (1897–1966) III 258; IV 298 Reni Guido (1575–1642) III 121 Rentsch Thomas (*1954) IV 420, 432f Repton Humphrey (1752–1818) III 173 Restany Pierre (1930–2003) IV 231, 315 Rethel Alfred (1816–1859) III 245 Reuchlin Johannes (1455–1522) II 304 Reuterswärd Carl Frederik (1934–2016) IV 299 Revett Nicholas (1720–1804) III 117 Reynolds Sir Joshua (1723–1792) III 37, 115

Reza Pahlavi Mohammad Schah (1941– 1979) IV 285 Rhode Robin (*1976) IV 393 Ricci Marco (1676–1730) III 174 Ricci Sebastiano (1659–1734) III 26 Rice David Talbot (1903–1972) II 105f Rich Claudius James (1787–1821) III 117 Rich Peter (*1945) IV 385 Richard I. (Löwenherz) (1157–1199) II 301 Richard II. (reg. 1377–1399) II 342 Richard von St. Viktor (um 1110–1173) II 280 Richelieu Armand–Jean du Plessis, Kardinal (1585–1642) III 12, 30 Richter Adrian Ludwig (1803–1884) III 192, 246 Richter Gerhard (*1932) IV 53 Richter Hans (1888–1976) IV 94 Rickert Heinrich (1863–1936) IV 133, 149, 160 Rickman Thomas (1776–1841) II 343; III 274 Ridolfi Carlo (1594–1658) II 511; III 110 Riegl Alois (1858–1905) I 40; II 12f, 26, 183, 499; III 72, 272, 357f, 401, 446; IV 142, 408 Riehl Heinrich Wilhelm (1823–1897) III 237 Riemenschneider Tilmann (um 1460– 1531) II 330, 442 Rietveld Gerrit Thomas (1888–1964) IV 92 Rijs Jacob (1849–1914) III 258 Rilke Rainer Maria (1875–1926) III 379; IV 167, 198, 506, 533, 535, 538 Rimbaud Arthur Jean Nicolas (1854–1891) III 340, 373; IV 61, 63 Ringbom Sixten (1935–1992) IV 38, 47 Ripa Cesare (um 1555–1622) II 507, 511; IV 139 Rist Elisabeth Charlotte (Pipilotti Rist) (*1962) IV 351 Ritter Joachim (1903–1974) II 392; III 48, 50; IV 406, 419 Rivière Jacques (1886–1925) IV 55 Robert von Anjou (reg. 1309–1343) II 392 Robert von Guiscard (um 1015–1085) II 245, 247 Robert von Molesme (um 1028–1111) II 287 Robespierre Maximilien (1758–1794) III 211f Robinson Henry Crabb (1775–1867) III 354 Robinson Henry Peach (1830–1901) III 256 Rocha Paulos Mendes da (*1928) IV 367

Namensverzeichnis

Roche Martin (1853–1929) III 431 Rockefeller David (1915–2017) IV 401 Rockefeller John D. (1839–1937) III 235 Rodin Auguste (1840–1917) I 331; II 332; III 250f; IV 26f, 56 Rodtschenko Alexander (1891–1956) IV 36, 46, 72, 75, 80, 93, 268 Roebling John A. (1806–1869) III 284 Roebling Washington A. ((1837–1926) III 284 Roeck Bernd (*1953) II 245 Röntgen Wilhelm Conrad (1845–1923) IV 13 Roger I. (reg. als Graf v. Sizilien 1061–1101) II 247, 274 Roger II. (reg. als Graf 1105, als König 1130– 1154) II 164, 207, 274 Rogers Richard (*1933) IV 371, 373f Rogier van der Weyden (um 1400–1464) II 329, 451 Romano Giulio (um 1499–1546) II 373, 381, 500, 503, 505f, 512; III 280; IV 346 Romanos II. (reg. 959–963) II 97 Rombach Heinrich (1923–2004) III 98 Rombold Günter (1925–2017) III 23 Romulus «Augustulus» (um 460–nach 511) II 23 Roncalli Angelo (Johannes XXIII.) (1881– 1963) II 343 Rondelet Jean-Baptiste (1734/43–1829) III 282, 287 Root John Wellborn (1850–1891) III 428, 432 Rorty Richard (1931–2007) IV 174, 193, 197, 228, 559 Rosa Salvator (1615–1673) III 247 Roscelin von Compiègne (um 1050–um 1124) II 302f, 347 Rose Barbara (*1937) IV 97 Rosenberg Alfred (1893–1946) IV 91 Rosenberg Harold (1906–1978) IV 230, 307, 484 Rosenblum Robert (1927–2006) IV 47 Rosenkranz Karl Friedrich (1805–1879) III 340ff; IV 420, 439 Rosenquist James (*1933) IV 311, 313 Rosenzweig Franz (1886–1929) III 316 Rosler Martha (*1943) IV 387 Rosselli Cosimo (1439–1507) II 373 Rossellino Bernardo (1409–1464) II 416 Rossetti Gabriel (1828–1882) III 389

Rossi Aldo (1931–1997) IV 358f, 361, 364, 436 Rothko Mark (1903–1970) II 427; IV 37, 44, 48, 111, 302–306, 318, 485, 498, 566 Rotman Brian (*1938) II 433 Rouget de Lisle Claude-Joseph (1760– 1836) III 211 Rousseau Jean Jaques (1712–1778) III 14, 30, 70, 137, 159, 173f, 183, 200, 202f, 228, 279, 299, 366; IV 264, 293, 512 Rousseau Théodore (1812–1867) III 410f Rouvroy Louis de (1675–1755) III 34 Rubens Peter Paul (1577–1640) I 391; III 21, 27, 37f, 70, 89f, 107, 110, 112f, 413; IV 552 Rubiés Joan-Pau (k.A.) III 115 Rucellai Giovanni (1475–1525) II 381, 490 Rudolf II. (reg. als Kaiser 1576–1612) II 377; III 45f Rudolf IV. Herzog (reg. 1358–1365) II 190 Rudolph Conrad (*1951) II 279 Rudolph Paul (1918–1997) IV 367 Rüstem Pascha (um 1500–1561) II 214f Ruge Arnold (1802–1880) III 334ff, 340, 350 Ruhl Carsten (k.A.) III 140 Ruisdael Jacob van (1628/29–1682) III 39 Rumohr Carl Friedrich von (1758–1842) III 244 Runge Philipp Otto (1777–1810) III 298, 311, 378–383, 414, 416 Ruscha Edward (*1937) IV 311 Rush Fred (k.A.) IV 493 Rushdie Salman (*1947) IV 551 Ruskin John (1819–1900) II 64, 467; III 274f, 284–291, 359, 379, 389, 421f, 431f; IV 81f, 87, 106, 384, 489 Russell Betrand A.W. (1872–1970) IV 194, 199f Russolo Luigi (1885–1947) IV 68f Ryff Walther (um 1500–1584) II 475 Rykwert Joseph (*1926) III 117 Ryle Gilbert (1900–1976) I 36; IV 194

Saarinen Eero (1910–1961) IV 104, 363,

367 Saarinen Eliel (1873–1950) IV 104 Sacchi Andrea (1599–1661) III 110 Sachs Curt (1881–1959) I 72 Saebisch Albrecht von (1610–1688) III 13 Safranski Rüdiger (*1945) III 292ff, 437 Sai Mustafa († 1595) II 215 Said Edward (1935–2003) III 115

Saint-Évremond Charles de (1613–1703) III 62 Saint-Julien Baron de (1713–1788) III 97 Saint-Pierre Abbé Charles Irénée de (1658–1743) III 14; IV 293 Saladin (Salah ad-Din al Aiyubi) (reg. 1174–1193) II 165f, 169, 208 Saint-Simon Claude Henri de Rouvroy (1760–1825) III 228; IV 229 Saint-Yenne La Font Étienne de (1688– 1771) III 162 Sakellarakis Iannis (1936–2010) I 268 Salcher Beatrix (*1968) IV 389 Sallust Gaius Crispus (86–35/34) I 299, 409, 411 Salmanassar III. (reg. 858–824) II 157 Salomon, König von Jerusalem (10. Jh.) I 216, 220–223, 235, 242, 245; II 106, 108, 181, 193, 250, 277, 285, 365, 472f Salutati Coluccio (1331–1406) I 28; II 384, 388f Salvi Nicola (1697–1751) III 145 Salvian von Marseille (um 400–480) II 21 Samsonow Elisabeth von (*1956) II 358, III 84 Sandrart Joachim von (1606–1688) II 355; III 39, 124, 367 Sangallo da Antonio (1483–1546) II 465, 479; III 89 Sangallo da Giuliano (1445–1516) II 415, 460, 479 Sanherib (reg. 705–681) I 154, 156, 224 Sanmicheli Michele (1484–1559) II 505 Sansovino Jacopo (1486–1570) II 496; III 286 Sant’Elia Antonio (1888–1916) III 238; IV 20, 70, 364 Saporis Armando (1892–1976) II 353 Sapouna-Sakellaraki Efi (k.A.) I 268 Sarasin Philipp (*1956) IV 253 Sargon von Akkad (reg. um 2343–2314) I 136ff, 153 Sargon II. (reg. 721–705) I 111, 153f, 224 Sargun ibn Mansur (7. Jh.) II 138 Sartoris Alberto (1901–1998) IV 355 Sartre Jean-Paul (1905–1980) II 388, 411, 504; IV 157, 161, 165, 236, 288, 302, 538 Sas-Zaloziecky Wladimir (1896–1959) II 109 Satie Erik (1866–1925) IV 63 Sattler Johann Michael (1786–1847) III 248

629

630

Namensverzeichnis

Satzinger Helmut (*1938) I 206 Saul, König von Israel (um 1000?) I 220 Saulus-Paulus († nach 60) II 36 Sauron Gilles (*1950) I 433, 447f Saussure Ferdinand de (1857–1913) II 433; IV 201, 232–235, 242f, 256, 276 Sauter Samuel Friedrich (1766–1846) III 384 Savall Jordi (*1941) II 213 Savinio Alberto cf. Andrea de Chirico Savonarola Girolamo (1452–1498) II 361, 363, 386f, 411 Saw Ruth L. (1901–1986) I 27; IV 413, 444, 458, 536f Saxl Fritz (1890–1948) IV 133, 141f Scamozzi Vincenzo (1548–1616) II 471, 497, 512f; III 100f, 140, 286 Scanelli Francesco (1616–1663) II 511 Schabanowa Nikitschna (1848–1932) III 240 Schack Adolf Friedrich (1815–1894) III 440 Schadow Johann Gottfried (1764–1850) III 216, 246, 249f, 301 Schadow Wilhelm von (1788–1862) III 387f Schäfer Heinrich J. (1868–1957) I 256 Schäfer Karl (1844–1908) III 273 Schäfer Peter (*1943) I 221, 241 Schammuramat (Semiramis?) (810–782) I 157 Schamschi-Adad I., König von Assyrien (reg. um 1815–1782) I 150f Schamschu-ditana, König von Babylon (reg. 1625–1595) I 146 Schapiro Meyer (1904–1996) IV 169, 475 Scharoun Hans (1893–1972) IV 84, 102, 363 Schedel Hartmann (1440–1514) II 359 Schedler Ute (k.A.) III 96 Scheer Brigitte (*1935) III 166; IV 407, 413 Scheerbart Paul (1863–1915) IV 84 Scheeren Ole (*1971) IV 371 Scheffel Joseph Victor von (1826–1886) III 383 Scheffler Karl (1869–1951) III 236 Schefold Karl (1905–1999) I 160, 310, 312, 314, 321, 330, 334, 337, 390, 394 Scheler Max (1874–1928) III 182; IV 137, 431 Schell Herman (1850–1906) III 395 Schelling Friedrich Wilhelm Joseph (1775– 1854) II 117, 409; III 69, 80, 292, 299, 301–319, 323f, 332, 343, 347, 350, 353,

361, 365, 369, 371, 373–376, 379f; IV 123, 157, 163, 182, 417, 472, 474 Scheltema Frederik Adama van (*1884) I 87 Scheschonq I. (reg. um 946–925) I 170 Scheu René (*1974) IV 401 Schiele Egon (1890–1918) III 429 Schihab ad-Din Suhrawardi (1153–1191) II 173ff Schiller Friedrich (1759–1805) I 295; III 182, 187, 193, 196, 291–295, 297f, 300f, 307f, 322, 351, 366, 369, 374f; IV 106, 417, 436, 477, 479 Schinkel Karl Friedrich (1781–1841) III 216, 242, 271, 273, 363; IV 109, 123, 175, 431 Schklowski Viktor (1893–1984) IV 71 Schlegel August Wilhelm (1767–1845) III 307, 315, 369f, 373f, 428 Schlegel Friedrich (1772–1829) I 34; III 125, 215, 240, 275, 302, 304, 311, 362, 365, 368–375, 383, 386, 388, 398; IV 252, 340, 411, 427, 532 Schlegel-Schelling Caroline cf. Böhmer ­Caroline Schleiermacher Friedrich (1768–1834) I 349f; II 115; III 215, 240, 311, 345ff, 349, 375; IV 429, 510 Schlemmer Oskar (1888–1943) IV 86– 89, 107 Schlick Moritz (1882–1936) IV 193 Schliemann Heinrich (1822–1890) I 260, 264, 274; III 222 Schlingensief Christoph (1960–2010) IV 337 Schlosser Julius von (1866–1938) II 253; III 401 Schlüter Andreas (um 1659–1714) III 41, 89, 290 Schmarsow August (1853–1936) III 72, 83, 272, 357; IV 408 Schmid Alois von (1825–1910) III 392 Schmid Erhard (1761–1812) III 303 Schmidt Klaus (1953–2014) I 89, 94 Schmidt-Hofner Sebastian (*1977) I 297, 300 Schmidt-Rottluff Karl (1884–1976) IV 36, 52 Schmitt Carl (1888–1985) IV 415 Schmitthenner Paul (1884–1972) IV 91 Schmitz Hermann (*1928) IV 415f Schmücker Reinold (*1964) III 155; IV 407f,

412, 443f, 453, 456f, 471ff, 476ff, 493, 525, 531, 536, 539, 541, 546, 548, 550–554 Schnaase Karl (1798–1875) III 244 Schnabel Julian (*1951) IV 268 Schneckenburger Manfred (*1938) IV 26, 311 Schneemann Carolee (1939–2019) IV 343 Schneider Carl (1900–1977) I 387 Schneider Norbert (*1945) III 195; IV 190 Schnitzler Arthur (1862–1931) III 427 Schnorr von Carolsfeld Julius (1794–1872) III 387 Schönberg Arnold (1874–1951) IV 90, 200 Schönborn Christoph (*1945) II 139f Schoenmaekers M. H. J. (1875–1944) IV 92, 119 Scholem Gershom (1897–1982) IV 18 Scholtz Gunter (*1941) IV 409 Scholz Oliver Rudolf (*1960) I 360 Schongauer Martin (um 1450–1491) II 442 Schopenhauer Arthur (1788–1860) III 182, 196, 298, 342–345, 351, 380, 404, 434f, 437; IV 118, 200, 202, 472 Schorn Ludwig (1793–1842) III 253 Schostakowitsch Dmitri (1906–1975) IV 22 Schrimpf Gangolf (1935–2001) II 234 Schröder Rudolf Alexander (1878–1962) III 419 Schrödinger Erwin (1887–1961) I 28; IV 14, 199 Schubert Franz (1797–1828) IV 506 Schübler Johann Jacob (um 1689–1741) III 104 Schütte-Lihotzky Margarethe (1897– 2000) IV 91 Schütz Christian Gottfried (1747–1832) III 303 Schütz Heinrich (1585–1672) III 22 Schulgi, König von Ur (reg. um 2092–2045) I 119, 140–143 Schultes Axel (*1943) IV 466, 491 Schultze-Naumburg Paul (1869–1949) IV 91, 113 Schulz Raimund (*1962) I 298, 305, 337 Schulz Walter (1912–2000) II 141 Schulze Johann Heinrich (1687–1744) III 253 Schum Gerry (1938–1973) IV 328, 349 Schumacher Fritz (1869–1947) IV 91 Schumann Robert (1810–1856) IV 236 Schuppe Wilhelm (1836–1913) III 440

Namensverzeichnis

Schuré Édouard (1841–1929) IV 116 Schwanthaler Ludwig (1802–1848) III 249f Schwartz Claudia (*1963) II 144 Schwartz Vanessa R. (k.A.) III 230 Schwarzkogler Rudolf (1940–1969) IV 331, 343 Schweitzer Bernhard (1892–1966) I 348 Schwind Moritz von (1804–1871) III 222 Schwippert Hans (1899–1973) IV 435 Schwitters Kurt (1887–1948) IV 61, 362, 511 Scipio Lucius Cornelius (Asiaticus) (3./2. Jh.) I 409 Scipio Publius Cornelius (Africanus maior) (235–183) I 408 Scipio Publius Cornelius (Africanus minor) (185–129) I 408, 411 Sckell Ludwig von (1750–1823) III 175 Scofidio Ricardo (*1935) IV 382 Scott Geoffrey (1884–1929) III 68, 358f; IV 494 Scott Brown Denise (*1931) IV 359 Scrovegni Enrico († nach 1336) II 439 Scruton Roger (*1944) IV 129, 492, 494 Scully Vincent (1920–2017) I 319, 338f Searle John (*1932) IV 479 Sedlmayr Hans (1896–1984) II 253f, 282, 289, 322f, 332; III 96, 208, 260, 276, 401 Seel Martin (*1954) III 401; IV 250, 326, 422, 474, 507 Seghers Anna (1900–1983) IV 234 Sejka Leonid (1932–1970) IV 507 Seleukos I. (reg. 312–281) I 161, 376 Selim I. (reg. 1512–1520) III 47 Selim II. (reg. 1566–1574) II 215 Sellars Peter (*1957) IV 544 Selva Giovanni Antonio (1751–1819) III 249 Selz Gebhard J. (*1950) I 118 Semiramis, vermutl. Schammuramat Semmelweis Ignaz (1818–1865) III 238 Semper Gottfried (1803–1879) I 83; II 332, 334; III 118, 266f, 271f, 274, 282, 349, 427, 430; IV 13, 435 Seneca Lucius Annaeus (um 4a-65p) I 42, 384f, 390, 417; II 125, 301, 391 Senefelder Alois (1771–1834) III 23f, 251 Senenmut (um 1460a) I 196, 198 Sennefer (um 1450a) I 207 Sennett Richard (*1943) IV 418 Septimius Severus (reg. 193–211) I 172, 419, 421, 423, 446, 451; II 26, 87

Serenus von Marseille, Bischof (um 600) II 137 Serlio Sebastiano (1475–um 1554) II 472, 505, 511ff; III 135, 140 Séroux d’Agincourt Jean Baptiste (1730– 1814) II 356 Serra Richard (*1939) IV 317, 434 Serrano Andres (*1950) IV 332 Sesostris I. (reg. 1956–1911/10) I 198, 200f Sesostris III. (reg. 1872–1853/52) I 165, 206 Sethos I. (reg. 1290–1279/78) I 169, 187, 195f, 199; III 263 Seubert Harald (*1967) IV 431 Seurat Georges (1859–1891) III 408, 415; IV 35, 51 Seuse Heinrich (um 1300–1366) II 341 Severini Gino (1883–1966) IV 68f, 230 Severus von Antiochien (465–538) II 120 Severus Flavius Valerius († 307) II 16 Sextus Afranius Burrus (vor 15–62) I 417 Sextus Empiricus (2. Jh.p) I 343, 382, 385 Sforza Bianca Maria (1472–1510) II 382 Sforza Francesco I. (1401–1466) II 436 Shaftesbury Earl of (Anthony Ashley ­Cooper) (1671–1713) III 142ff, 154ff, 158, 162f, 165, 172f, 176, 183, 199, 201, 361; IV 435 Shah Jehan, Mogul (reg. 1627–1658/† 1666) II 204 Shahkulu (17. Jh.) II 217 Shaik Hamdullah (1429–1520) II 219 Shaik Safi (1252–1334) II 210 Shakespeare William (um 1564–1616) II 367, 374; III 35, 155, 204, 268, 362; IV 106, 532 Shear Leslie T. (*1938) I 274 Sheppard Anne (*1951) IV 439, 513 Sherman Cindy (*1954) IV 268, 353 Shimamoto Shozo (1928–2013) IV 309 Shiota Chiharu (*1972) IV 300 Shiraga Kazuo (1924–2008) IV 309 Shute John († 1563) III 140f Sibawaih (um 760–um 793) II 170 Sibelius Jean (1865–1957) IV 118 Sibley Frank N. (1923–1996) IV 220, 446 Sierra Santiago (*1966) IV 342 Sieyès Emmanuel Joseph Abbé (1748– 1836) III 210 Sigismund, röm.-dt. Kaiser (reg. 1419– 1433) II 343 Sigismund III. Wasa (reg. 1587–1632) III 46

Signorelli Luca (um 1445–1523) II 407 Signorini Telemacos (1835–1901) III 415 Silvester II. (reg. 999–1003) II 246, 276 Simeon, Abt des Mamas-Klosters (949– 1022) II 93, 142 Simeon Stylites (um 390–459) II 61, 83, 102, 127 Simeon Thaumastoreitis († 574) II 137 Simmel Georg (1858–1918) IV 120, 133 Simon, Hohenpriester (reg. 141–135?) I 233 Simon bar Kochba († 135) I 237 Simon James (1851–1932) I 181 Simonides von Keos (um 556–486) I 338, 367; IV 495 Simplicianus (um 320–400/401) II 59 Simplikios (um 490–um 560) I 326; II 399 Simson Otto von (1912–1993) II 253f, 279, 282, 322–326, 332f, 336f Sinan (um 1489–1588) II 98, 212, 214ff; III 74; IV 486, 489 Sitte Camillo (1843–1903) IV 100 Sixtus IV., Papst (reg. 1471–1484) II 362f, 479, 486 Sixtus V., Papst (reg. 1585–1590) II 363, 486; III 80f Skladanowsky Emil (1866–1945) IV 13 Skladanowsky Max (1863–1939) IV 13 Slevogt Max (1868–1932) III 384 Sloane Hans (1660–1753) III 36 Sloterdijk Peter (*1947) I 349, 381; II 364; IV 381 Sluter Claus (um 1355–1406) II 328f, 443 Smirke Robert (1780–1867) III 263 Smith Adam (1723–1790) III 153, 199 Smith Baldwin E. (1888–1956) II 255 Smith David (1906–1965) IV 309 Smith George (1840–1876) I 124 Smithson Alison (1928–1993) IV 367 Smithson Peter (1923–2003) IV 367 Smithson Robert (1938–1973) IV 317, 329ff Snofru (reg. 2639–2604) I 190 Soane John (1753–1837) III 173f, 263, 281 Sobek Werner (*1953) IV 382f Sobieski Jan cf. Johann III. Soderini Piero (1450–1522) II 387 Sokrates (469–399) I 301, 344–351, 357, 380f; II 48, 170, 401; III 202, 408, 434 Soleri Paolo (1919–2013) IV 359, 372, 436 Sollfrank Cornelia (*1960) IV 545 Solon (um 640–um 560) I 293, 295, 315, 443 Solowjew Wladimir (1853–1900) IV 74

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Namensverzeichnis

Somavilla Ilse (*1951) IV 203 Somers John (1651–1716) III 142 Sommerer Christa (*1964) IV 351 Sontag Susan (1933–2004) III 253; IV 560, 562 Sophokles (497/96–406/05) I 282, 335, 366; IV 476, 543 Sorte Cristoforo (um 1510–um 1595) III 110 Sosos aus Pergamon (2. Jh.a) I 391 Sostratos aus Knidos (4./3. Jh.a) I 322, 377 Soufflot Jacques-Germain (1713–1780) III 138 Soupault Philippe (1897–1990) IV 63, 65 Sourdel-Thomine Janine (*1925) II 187f Spada Virgilio (1596–1662) III 92 Spartakus (111–71) I 411 Speer Albert (1905–1981) IV 92 Speer Andreas (*1957) II 252, 283, 316, 318, 325, 332, 338 Spencer Edmund (1552–1599) II 367 Spencer Herbert (1820–1903) III 233, 405 Spener Philipp Jacob (1635–1705) III 176 Spengler Oswald (1880–1936) II 13; III 419; IV 79, 103 Speusipp (um 410–um 339) I 362; II 115 Speyer Wolfgang (*1933) I 286, 305; IV 431 Spies Werner (*1937) IV 94 Spini Gherardo (16. Jh.) II 356 Spinoza Baruch de (1632–1677) II 409; III 46, 50, 53, 55, 57, 197, 278, 375 Spira Fortunio († um 1560) II 472 Spitzweg Carl (1808–1885) III 384 Spoerri Daniel (*1930) I 391; IV 231, 315f Spuybroek Lars (*1959) IV 379 Staal Frits (Johan Fredrik) (1930–2012) II 38 Stadelmann Rainer (1933) I 189 Staël-Holstein Germaine de (1766–1817) III 353, 374 Stahl Michael (*1948) IV 430f Staiger Emil (1908–1987) IV 441 Stalin Josef (1878–1953) I 28; IV 22f, 46, 49, 79, 199, 282 Staller Ilona (*1951) IV 399 Staudinger Hermann (1881–1965) IV 13 Steel Olcott Henry (1832–1907) IV 118 Steele Richard (1672–1729) III 156 Steiger Karl Friedrich von (1754–1841) III 192, 317 Stein Charlotte von (1742–1827) II 493; III 296

Stein Edith (1891–1942) IV 149, 152 Stein Gertrude (1874–1946) IV 401, 523 Stein Heinrich Friedrich Karl Freiherr von (1757–1831) III 215, 219 Steinbach Erwin von (um 1244–1318) III 299 Steinberg Leo (1920–2011) II 141, 257f Steiner George (*1929) IV 472 Steiner Rudolf (1861–1925) III 302; IV 37, 39, 118f Stella Frank (*1936) IV 45, 306, 317, 437, 503, 519, 563, 566, 568 Stelzer Otto (1914–1970) IV 47 Stendhal (Marie-Henri Beyle) (1783– 1842) III 413 Stephan II., Papst (reg. 752–757) II 225 Stephan III., Papst (reg. 768–772) II 232 Stephanus (um 1–um 40) II 36 Stephenson Mark (*1957) IV 382 Sternberger Dolf (1907–1989) III 421 Steyerl Hito (*1966) IV 395 Stieglitz Alfred (1864–1946) III 258; IV 28, 96, 215 Stieglitz Christian Ludwig (1756–1836) II 320, 269; III 282 Stierle Karlheinz (*1936) II 392 Stierlin Henri (*1928) II 196 Still Clyfford (1904–1980) IV 302 Stirling James H. (1820–1909) III 354; IV 116, 262, 265, 267 St. John Henry, Viscount Bolingbroke (1678–1751) III 199 Stock Alex (1937–2016) II 42; III 396 Stockhausen Karlheinz (1928–2007) IV 68, 337, 448, 544 Stolnitz Jerome (*1925) IV 479 Stolzenberg Jürgen (*1948) III 156 Stonborough-Wittgenstein Margarethe (1882–1958) IV 199 Stoß Veit (um 1445–1533) II 330, 442 Strabon (um 63a-um 23p) I 324 Strauss Levi (1829–1902) III 392 Strauß David Friedrich (1808–1874) III 233, 349 Strawinsky Igor (1882–1971) IV 104, 184 Strawson Peter F. (1919–2006) IV 194, 221, 542 Strindberg August (1849–1912) III 426 Strozzi Barbara (1619–1677) IV 550 Strozzi Palla di Nofri (1372–1462) II 447 Strube Werner (*1938) IV 479 Strzygowski Josef (1862–1941) II 99, 101

Stuart James (1713–1788) III 36, 117 Stuck Franz von (1863–1928) III 420, 440; IV 38 Studios, Konsul (5. Jh.) II 91 Stumpf Carl (1848–1936) IV 148 Sturm Leonhard Christoph (1669–1719) III 79, 299 Suckale Robert (*1943) II 322 Süleyman I., Sultan (reg. 1520–1566) II 98, 212–215 Sueton (um 70–nach 122) I 418; II 33, 233 Suger von St. Denis (1081–1151) II 154, 274, 279, 281–284, 287f, 305, 321f, 323, 325ff, 332f, 336ff Sulla Lucius Cornelius (um 138–78) I 363, 411, 429, 440 Sullivan Louis Henri (1856–1924) III 289, 427f, 431f; IV 86, 100, 106f, 359 Sulpicio da Veroli Giovanni (15. Jh.) II 470 Sulzer Johann Georg (1720–1779) III 129, 249, 352; IV 420 Suppiluliuma II. (reg. um 1215–um 1180) I 148 Suttner Bertha von (1843–1914) III 241 Suzawa Yukako (k.A.) II 18 Swedenborg Emanuel (1688–1772) III 177 Swift Emerson (1889–1975) II 102 Switzer Stephen (1682–1745) III 171, 174 Symeon von Thessaloniki (1381–1429) II 129 Symmachus Quintus Aurelius (um 342– um 402) II 56, 66, 90 Syrianus († um 437) II 119 Szeemann Harald (1933–2005) IV 57, 283, 300, 369

Tabucchi Antonio (1943–2012) IV 486 Tacitus (um 58– um 120) I 342, 411; III 279 Tahmasp I. Schah (reg. 1524–1576) II 211 Taine Hippolyte-Adolphe (1828–1893) II 504; III 405ff, 411; IV 67 Talbot William Henry Fox (1800–1877) III 252 Talleyrand Charles de (1754–1838) III 215 Tange Kenzo (1913–2005) IV 361, 363f, 377 Tapié Michel (1909–1987) IV 308, 367 Tàpies Antoni (1923–2012) IV 309 Tarasios, Patriarch (730–806) II 137 Tariq ibn Ziyad (um 670–720) II 163 Tarquinius Lucius Superbus (6. Jha.) I 404, 435f

Namensverzeichnis

Tatakis Basil (k.A.) II 94 Tatarkiewicz Wladyslaw (1886–1980) I 29, 305, 342, 453; II 57, 279, 323, 435 Tatian der Assyrer (um 120) II 48 Tatlin Wladimir (1885–1953) IV 33, 74, 76, 78, 80, 103, 483 Tauler Johannes (um 1300–1361) II 341, 414 Taut Bruno (1880–1938) IV 15, 84f, 90, 102, 119, 362f, 374 Telesio Bernardino (1509–1588) II 412f, 418 Temanza Tommaso (1705–1789) III 85 Tempier Étienne († 1279) II 295 Temple William (1628–1699) III 171, 173 Terentius Publius Afer (um 190–159) I 409; II 241 Teresa von Ávila (1515–1582) II 501; III 19 Terragni Giuseppe (1904–1941) IV 104 Tertullian Septimus (um 160–um 220) II 16, 36, 55f, 67, 73, 75, 135 Tessenow Heinrich (1876–1950) IV 91 Testa Clorindo (1923–2013) IV 367 Thales von Milet (um 625–um 547) I 362 Thatcher Margaret (1925–2013) IV 210 Theißen Gerd (*1943) II 30, 35 Themistios (um 317–nach 388) II 399 Themistokles (um 524–um 459) I 297, 300 Theoderich (reg. 493–526) II 23f, 83, 152, 155, 226, 238, 463 Theodor von Studion (759–826) II 91, 139–142 Theodor von Tarsus (602–690) II 224 Theodora (497–548) II 105ff, 134 Theodoretos von Kyros († 466) II 138 Theodoros Metochites (1270–1332) II 97 Theodoros von Samos (um 550) I 340 Theodoros, Schüler des Pachomios (um 314–368) II 61 Theodosius I. (reg. 379–395) I 309; II 18, 20f, 32, 51, 62, 83, 89ff, 99, 126, 128, 133, 136 Theodosius II. (reg. 408–450) II 62, 91, 108 Theodulf von Orléans (um 750–821) II 226f, 232f Theophanu (um 960–991) II 248 Theophilus Presbyter (um 1070–um 1125) II 253 Theophrast (um 371–um 287) I 362f Theudelinde (um 570– 627) II 149 Thierry von Chartres (um 1085–um 1150) II 276 Thimme Jürgen (1917–2010) I 98, 262, 285

Thöny Eduard (1866–1950) III 419 Thom Alexander (1894–1985) I 66 Thoma Hans (1839–1924) III 398 Thomas von Aquin (1224–1274) I 354, 372; II 54, 63, 120, 172, 174, 234, 266, 293, 295, 302f, 306, 311–319, 324, 333, 335, 338, 341, 347f, 372, 397, 408, 421, 505, 510; III 53, 169, 392; IV 65, 196, 429 Thomas von Celano (um 1190–1260) II 304 Thomas von Cîteaux († 1190) II 288 Thomas von Kempen (1380–1471) II 294, 347 Thomas Morus (1478–1535) II 417ff, 475; III 280 Thomas de Vio, Cajetan (1469–1534) II 317; III 168 Thomasius Christian (1655–1728) IV 473 Thompson David G. (1899–1965) IV 167 Thomson Harrison S. (1895–1975) II 390; III 263 Thorvaldsen Bertel (um 1770–1844) III 247, 249, 431 Thümmel Hans Georg (*1932) II 53, 135f, 139, 142 Thukydides (um 460–400) I 291, 300; II 389, 486 Thulié Henri (1832–1916) III 411 Thutmosis I. (reg. 1504–1492) I 187, 202 Thutmosis III. (reg. 1479–1425) I 167, 187, 206, 270; II 77, 89; IV 569 Thutmosis IV. (reg. 1397–1388) I 167 Tiberius Kaiser (reg. 14–37) I 417; II 35; III 128 Tiberius Julius Alexander (um 10p-nach 70) I 236 Tieck Ludwig (1773–1853) III 366f, 375, 378, 383, 386 Tiepolo Giovanni Battista (1696–1770) III 26, 84, 119 Tiffany Louis Comfort (1848–1933) III 422 Tiglatpileser I., König von Assyrien (reg. 1114–1076) I 151 Tiglatpileser III., König von Assyrien (reg. 745–726) I 153, 223f Tillich Paul (1886–1965) IV 179 Timon von Phleius (um 320–um 230) I 381 Timur Lenk (1328–1405) II 167 Tinguely Jean (1925–1991) IV 231, 299, 315f, 327 Tintoretto (1518/19–1594) II 501–504; III 406; IV 67

Tischbein Johann Heinrich Wilhelm (1751– 1829) III 364 Tito Josip Broz (1892–1980) IV 342 Titus Flavius Vespansianus (reg. 79–81) I 143, 236, 419; II 30 Tizian (um 1490–1576) II 355, 363, 373, 395, 472, 501f, 509 Tocqueville Alexis de (1805–1859) III 213 Toland John (1670–1722) III 199 Tolomei Claudio (1492–1556) II 465 Tolstoj Leo (1828–1910) IV 129f, 435, 465 Tommaso da Modena (um 1325–1379) II 426 Tommaso di Ser Giovanni, cf. Masaccio Torrigiani Pietro (1472–1528) II 459 Torriti Jacopo (spätes 13. Jh.) II 437 Toscanelli Paolo (1397–1482) II 375, 400, 482 Totila (516–552) II 24 Toulmin Stephen (1922–2009) III 51f; IV 200 Toulouse-Lautrec Henri de (1864–1901) III 420f Tournachon Gaspard-Felix (1820–1910) III 253, 256, 414 Toynbee Arnold (1889–1975) II 13; IV 261 Trajan (reg. 98–117) I 419ff, 434; II 157 Trakl Georg (1887–1914) IV 167, 198 Trawny Peter (*1964) IV 160 Treu Georg (1843–1921) III 266 Trezzini Domenico Andrea (um 1670– 1734) III 44 Trier Eduard (1920–2009) IV 27 Tripps Johannes (*1962) II 341 Trissino Giangiorgio (1478–1550) II 492ff, 497 Troeltsch Ernst (1865–1923) II 257; III 47, 400 Trotzki Leo (1879–1940) IV 23, 66 Trump, David H. (1931–2016) I 104f, Tschechov Anton (1860–1904) IV 130 Tschumi Bernard (*1944) IV 246, 365 Tsountas Christos (1857–1934) I 261 Tuby Jean-Baptiste (1635–1700) III 34 Tuchman Phyllis (k.A.) IV 469 Tughrul Beg (reg. 1038–1063) II 166, 209 Tukulti-Ninurta I. (reg. 1243–1207) I 150f Tukulti-Ninurta II. (reg. 890–884) I 152 Tullio Lombardo (1455–1532) IV 457 Turgot Robert Jacques (1727–1781) III 195 Turner Joseph Mallord William (1775– 1851) III 225, 285f, 298, 377, 410

633

634

Namensverzeichnis

Turrell James (*1943) IV 317, 329 Tutanchamun (reg. 1333–1323) I 169, 177, 180f, 207 Twombly Cy (1928–2011) IV 236, 239 Tyrrell George (1861–1909) III 393 Tzara Tristan (1896–1963) IV 58ff

Ubl Ralph (*1969) IV 567f

Uccellini Marco (1603/10–1680) IV 459 Uccello Paolo (1397–1475) II 382, 440, 447 Ueberweg Friedrich (1826–1871) II 176 Uecker Günther (*1930) IV 327 Ügedai Khan (um1186/89–1241) II 291 Üldjaitü, Sultan (reg. 1304–1316) II 210 Uerpmann Hans-Peter (*1941) I 49 Uhland Ludwig (1787–1862) III 429 Ulay (Frank Uwe Laysiepen) (*1943) IV 334 Ulf Christoph (*1949) I 36 Ullrich Volker (*1943) IV 16 Ulrich von Hutten (1488–1523) II 377 Ulrich von Manderscheid († um 1436) II 400 Ulrich von Pottenstein (1360–1420) II 221 Ulrich von Straßburg (um 1220–1277) II 312, 340 Ulugh Beg (reg. 1447–1449) II 167 Umar ibn al-Hattab (reg. 634–644) II 162 Ungers Oswald Mathias (1926–2007) IV 361, 367 Ungewitter Georg Gottlob (1820–1864) II 320; III 275 Urban II., Papst (reg. 1088–1099) II 246 Urban IV., Papst (reg. 1261–1264) II 290 Urban VI., Papst (reg. 1378–1389) II 362 Urban VIII., Papst (reg. 1623–1644) II 379; III 12, 90, 92 Urban Josef (1872–1933) III 429 Urnammu, König von Ur (reg. 2110–2093) I 119, 129, 139, 141f, 192 Urnansche, König von Lagsch (reg. um 2500) I 129 Uta von Niedermünster (um 1002–um 1025) II 236 Uthman ibn Affan, Kalif (reg. 644–656) II 160, 163 Utitz Emil (1883–1956) I 39 Utuhengal, König von Uruk (reg. 2116– 2110) I 139, 141 Utzon Jørn (1918–2008) IV 102, 363, 371

Valenciennes Pierre-Henri de (1750–

1819) III 410 Valens, Kaiser oström. Kaiser (reg. 364– 378) II 20, 89, 92 Valentinian III. weström. Kaiser (reg. 425– 455) II 19, 21 Valéry Paul (1871–1945) III 401, 404, 407f; IV 63, 114–117, 158 VALIE EXPORT (geb. Waltraud Lehner) (*1940) IV 334, 343 Valla Lorenzo (um 1407–1457) II 282, 372, 392, 394, 397 Vanbrugh John (1664–1726) III 142 Van Ess Josef (*1934) II 194 Van der Leck Anthony Bart (1876–1958) IV 92 Varro Marcus Terrentius (116–27) I 403, 409, 450; II 125 Vasarely Victor (1908–1997) IV 268, 321 Vasari Giorgio (1511–1574) II 227, 320, 356, 366, 387, 393, 438, 440f, 445, 448, 456, 458f, 471, 499, 501, 506–509; III 243, 367 Vasi Giuseppe (1710–1782) III 92, 115 Vauxcelles Louis (1870–1943) IV 51, 53 Veblen Thorstein (1857–1929) I 96, 263 Veit Dorothea (1764–1839) III 370, 373 Veit Jonas (1790–1854) III 370 Veit Philipp (1793–1877) III 370 Velázquez Diego Rodriguez de Silva y (1599–1660) III 21, 27f Velde Henry van de (1863–1957) III 424; IV 27, 81f, 86f, Venantius Fortunatus (um 540–nach 600) II 281 Vendramin Andrea (um 1393–1478) IV 457 Veneziano Paolo (um 1333–um 1358) II 296 Ventris Michael (1922–1956) I 264, 330 Venturi Robert (1925–2018) IV 266ff, 358ff, 367 Verdi Giuseppe (1813–1901) IV 212, 466, 468, 486, 533 Vergil Publius Maro (70–19) I 382, 403, 415f, 427, 446, 450; II 43, 72, 233, 241, 388, 391, 503; III 97, 130, 279 Verlaine Paul (1844–1896) IV 61 Vermeer van Delft Jan (1632–1675) III 39 Veronese Paolo (1528–1588) II 496, 501 Verres Gaius (um115–43) I 409 Verri Pietro (1728–1797) III 199 Verrocchio Andrea del (um 1435–1488) II 382, 457

Vesalius Andreas (1514–1564) II 379f Vespasianus Titus Flavius (reg. 69–79) I 419, 439, 451 Vespucci Amerigo (um 1451–1512) II 376, 417 Veyne Paul (*1930) I 33, 423; II 26ff; IV 501 Vibraye Paul Marquis de (1809–1878) I 58 Vickers Brian (*1937) II 377 Vico Giambattista (1668–1744) III 160f Victoria von England (reg. 1837–1901) III 226 Vignola Barozzi Jacopo (Giacomo) da (1507–1573) II 474, 512; III 89, 102, 136; IV 496 Villalpando Juan Bautista (1552–1608) II 473f; III 102, 147 Villard de Honnecourt (um 1210–um 1240) II 252, 277, 325, 334 Villers Charles de (1765–1815) III 353 Viola Bill (*1951) III 70; IV 338, 351f Viollet-le-Duc Eugène Emmanuel (1814– 1879) II 271, 321, 325; III 271, 275, 285– 289, 407, 423ff; IV 106, 373 Virgil (reg. 749–784) II 221, 224 Virilio Paul (1932–2018) III 236; IV 273ff Vischer Friedrich Theodor (1807–1887) III 349–352, 356f; IV 123, 126 Vischer Robert (1847–1933) III 357 Visconti Gian Galeazzo (1351–1402) I 28; II 384 Vitruvius Marcus Pollio (um 84–um 14) I 46, 91, 314, 320, 323, 332, 335, 338ff, 429, 436, 443, 447, 451f, 454–457; II 155, 215, 227, 358, 365, 378, 388, 417, 440, 450, 454, 457, 463–467, 470–473, 475, 485–488, 490, 493ff, 497, 511ff; III 31, 61, 82, 91, 100ff, 114, 132–136, 139ff, 144, 146f, 269, 281f, 299, 354; IV 81, 357f, 375, 493 Vittone Bernardo Antonio (1704–1770) III 85, 102, 136; IV 498 Vittorino da Feltre (1378–1446) II 386 Vittorio Emanuele II. (reg. 1861–1878) III 221 Vivaldi Antonio (1678–1741) IV 459 Vivian, Abt (reg. 844–851) II 239 Vlaminck Maurice de (1876–1958) IV 51 Voegelin Eric (1901–1985) I 254ff, 353; IV 426 Vogel Hermann Wilhelm (1834–1898) III 255

Namensverzeichnis

Voigtländer Peter Wilhelm F. (1812–1878) III 254 Volkelt Johannes (1848–1930) III 357 Voltaire (François-Marie Arouet) (1694– 1778) III 29, 35, 40, 45, 61, 70, 197, 199, 200, 202f Vostell Wolf (1932–1998) IV 334 Vredeman de Vries Hans (1527–um 1606) II 475 Vulca (6. Jh.a) I 402, 404 Vulpius Christiane (1765–1816) III 297 Vuskovic Dujam (1400–1458/59) II 340

Wachsmann Konrad (1901–1980) IV 373

Wackenroder Wilhelm Heinrich (1773– 1798) III 330, 366f Wächter Eberhard von (1762–1852) III 386 Wärndorfer Fritz (1868–1939) III 429 Waetzoldt Stephan (1920–2008) III 245 Wagner Carl (1796–1867) III 246 Wagner Cosima (1837–1930) III 395 Wagner Martin J. von (1777–1858) III 265 Wagner Otto (1841–1918) III 429f; IV 70, 83 Wagner Richard (1813–1883) I 283; III 50, 79f, 198, 344, 349, 376, 395, 404, 435– 438; IV 39, 62, 184, 468, 487, 499, 521, 537, 544, 547 Wagstaff Sam (1921–1987) IV 298 Waibl Elmar (*1952) III 295 Walahfried Strabo (um 808–849) II 232, 238 Waldenfeld Bernhard (*1934) IV 147, 244, 419, 482, 523 Waldmüller Ferdinand Georg (1793–1865) III 379, 384 Waldseemüller Martin (um 1470–1520) II 376 al-Walid I., Kalif (reg. 705–715) II 195 al-Walid II., Kalif (reg. 743–744) II 197 Wallenstein Albrecht von (1583–1634) III 12 Wallerstein Immanuel (1930) I 117 Walpole Horace (1717–1797) III 36, 115, 171, 247f, 264, 267f, 274 Walther von der Vogelweide (um 1170–um 1230) II 274 Waltz Sasha (*1963) IV 486 Waraqa ibn Naufal (7. Jh.) II 161 Warburg Aby (1866–1929) II 333, 377, 500; III 352, 401, 404, 406; IV 67, 133, 139– 142, 146, 192

Warburton William (1698–1779) I 180, 212 Ware Isaac (um 1707–1766) III 138, 143 Warhol Andy (1928–1987) IV 147, 206f, 311, 313f Warnke Martin (*1937) II 254f Warton Thomas (1728–1790) III 361f Washington George (1732–1799) III 36 Watt James (1736–1819) III 225 Watteau Jean-Antoine (1684–1721) III 32, 119, 203 Webb Philip (1831–1915) III 290 Weber Karl Jakob (1712–1765) I 441; III 126 Weber Max (1864–1920) I 36, 116; III 48, 227, 330, 332, 399f; IV 120, 153 Webster Thomas B. L. (1905–1974) I 380 Wedekind Frank (1864–1918) IV 58 Wedgwood Thomas (1771–1805) III 253 Weibel Peter (*1944) II 432, 433; IV 55f, 349, 389 Weil Felix (1898–1975) IV 176 Weil Hermann (1868–1927) IV 176 Weinberg Steven (*1933) IV 577 Weinbrenner Friedrich (1766–1826) III 101 Weiner Lawrence (*1942) IV 325f Weininger Otto (1880–1903) III 241 Weisbach Werner (1873–1953) III 66, 68, 77 Weiß Albert Maria (1844–1925) III 393 Weiß Konrad (1880–1940) III 394 Weiße Christian Hermann (1801–1866) III 340, 350 Weitz Morris (1916–1981) IV 197, 212ff, 218, 455, 508 Weitemeier Hannah (*1946) IV 179 Weizsäcker Carl Friedrich von (1912–2007) IV 14 Welsch Wolfgang (*1946) I 24, 371f; IV 186, 227, 250, 260f, 265, 417f, 422–424, 444 Welte Bernhard (1906–1983) III 391 Wenzel Horst (*1941) II 259, 271 Werefkin Marianne von (1860–1938) IV 20, 39f, 50 Werntgen Cai (*1967) IV 171 Wess Paul (*1936) II 40 West Martin L. (1937–2015) I 305 Wetz Franz Josef (*1958) IV 154 Whately Thomas (1726–1772) III 172 Whewell William (1794–1866) III 274 Whitehead Alfred North (1861–1947) IV 194, 197, 218 Whitman Robert (*1935) IV 339 Whitney Isabella (um 1545–um 1575) II 390

Whitwell Stedman (um 1770–1840) III 281 Wickhoff Franz (1853–1909) II 13; III 401 Wieland Christoph Martin (1733–1813) III 292 Wienbarg Ludolf (1802–1872) III 334 Wiener Norbert (1894–1964) IV 15 Wiener Oswald (*1935) IV 344 Wiesengrund Oscar (1870–1946) IV 179 Wiesing Lambert (*1963) II 434 Wilamowitz-Moellendorff Ulrich von (1848–1931) I 285; III 222 Wildhagen Christian (*1972) IV 544 Wildung Dietrich (*1941) I 190 Wilhelm I. (reg. 1871–1888) III 219 Wilhelm I. (der Eroberer) (um 1027–1087) II 247 Wilhelm II. von Sizilien (reg. als König 1166/1171–1189) II 274 Wilhelm II. (reg. 1888–1918) III 220 Wilhelm III. von Aquitanien († 963) II 248 Wilhelm IX., Landgraf (1743–1821) III 174 Wilhelm von Auvergne (um 1180–1249) II 305f Wilhelm von Champeaux (um 1070–1124) II 278, 302f Wilhelm von Ockham (um 1280–um 1349) II 341, 343, 347ff Wilhelm von Sens († 1180) II 343 Wililgelmo (11./12. Jh.) II 271 Williams Emmett (1925–2007) IV 338 Willibrord (um 658–739) II 224 Willich Florian Madinger († 1804) III 354 Willis Robert (1800–1875) III 274 Wimsatt William Kurtz (1907–1975) IV 217, 513 Winckelmann Johann Joachim (1717– 1768) I 258, 331; 388; III 40, 71, 92, 96, 117f, 121–131, 156, 196, 201, 204f, 243f, 246, 249f, 265, 269, 275, 296, 301, 315, 324, 367, 374, 387, 406, 434, 444; IV 140, 428, 431, 435, 497 Windelband Wilhelm (1848–1915) IV 133 Winkler Heinrich August (*1938) II 245; IV 16 Winter Irene (*1940) I 134, 247 Winters Edward (k.A.) IV 494 Wirth Rudolf (1547–1626) II 365 Wissowa Georg (1859–1931) II 75 Witelo (um 1230–um1275) II 308f, 371, 380, 423, 437, 450 Wittgenstein Ludwig (1889–1951) I 41; IV

635

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Namensverzeichnis

92, 194f, 198–203, 213, 218, 247, 318, 324, 436, 455f, 479 Wittkower Rudolf (1901–1971) II 465f, 468, 478, 496 Wladimir I. (reg. 980–1015) II 97 Wölfflin Heinrich (1864–1945) I 33; II 461, 503; III 10, 20, 72f, 75f, 83, 86, 96, 272, 357, 362, 445f; IV 79, 103, 139 Wohlmayr Wolfgang (1959–2018) I 430 Wolcott Alexander S. (1804–1844) III 256 Wolf Norbert (*1949) II 437 Wolf Walther (1900–1973) I 198, 204 Wolff Christian (1679–1754) III 54, 165ff, 176f, 182, 201, 353 Wolff Eugen (1863–1929) III 399; IV 223 Wolfson Harry A. (1887–1974) II 161 Wollheim Richard (1923–2003) III 440, 442; IV 129, 131, 150, 155, 205, 210ff, 216, 317, 319, 411, 442, 444, 448, 451, 468, 513f, 528–534, 541, 549, 561, 563, 567 Wolter-von dem Knesebeck Harald (*1964) II 223 Wood Robert (1717–1771) III 117 Woolley Leonard (1880–1960) I 114, 133, 135 Wordsworth William (1770–1850) III 361 Worringer Wilhelm (1881–1965) II 100; III 357f; IV 28f, 41, 127 Wotruba Fritz (1907–1975) III 396, IV 362 Wotton Henry (1568–1639) III 85, 141, 149, 171; IV 459 Wren Christopher (1632–1723) II 215; III 36, 89, 116, 142 Wright Frank Lloyd (1867–1959) III 422f, 432; IV 13, 100, 102ff, 106–109, 112, 265, 357, 359, 375, 383f Wright Orville (1871–1948) III 235; IV 12 Wright Wilbur (1867–1912) III 235; IV 12

Wüger Gabriel (1829–1892) III 394 Wulff Oskar (1864–1944) II 143 Wulfila (um 311–381) II 22 Wundram Manfred (1925–2015) II 440 Wundt Wilhelm (1832–1920) III 355f, 440; IV 127 Wyclif John (um 1320–1384) II 294 Wyss Beat (*1947) I 33; II 334; IV 42, 46, 62 Wyzewa Téodor de (1862–1914) IV 62

Xenokrates aus Chalcedon (um 396–um

314) I 363; II 49 Xenophanes von Kolophon (*um 580a) I 122, 342; II 125 Xenophon (um 430–nach 355) III 279 Xerxes (reg. 486–465) I 159, 297, 340

al-Yamani Omar (k.A.) I 152 Yamasaki Minoru (1912–1987) IV 266, 371 al-Yaqubi († 897) II 202 Yazid II. Kalif (reg. 720–724) II 181 Yanagi Yukinori (*1959) IV 388 Yoshihara Jiro (1905–1972) IV 309 Young Edward (1683–1765) III 361 Yusuf I. (reg. 1333–1354) II 200 Yusuf ibn Tashfin (1009–1106) II 200

Zabarella Giacomo (1533–1589) II 412 Zahn Johannes (1641–1707) III 252 Zammit Themistocles (1864–1935) I 104 Zanker Paul (*1937) I 392 Zanth Karl Ludwig Wilhelm von (1796– 1867) III 266 Zarathustra (vor 5.Jh.a) I 161; III 435 Zarlino Gioseffo (1517–1590) II 474; IV 496 Zauner Franz Anton (1746–1822) III 250 Zayed bin Sultan Al Nahyan (1918–2004) IV 384

Zedekia, König von Juda (reg. um 597– 586) I 228 Zeitler Rudolf (1912–2005) III 244ff, 276; IV 145 Zeller Eduard (1814–1908) IV 132 Zenodorus (Mitte 1. Jh.p) I 419 Zenon (reg. 474–491) I 211; II 23, 83 Zenon von Elea (um 490–um 430) I 325 Zenon von Kition (um 333–um 261) I 340, 380, 384f Zephyrinus, Papst (reg. 198–217) II 67 Zeuxis von Herakleia (um 435–um 390) I 335, 366, 390; III 106 Zevs (Christophe Aghirre) (*1977) IV 394 Zhen Chen (1955–2000) IV 348 Zimmermann Dominikus (1685–1766) III 96 Zimmermann Hans Dieter (*1940) IV 161 Zimmermann Johann Baptist (1680– 1758) III 96 Zimmermann Robert von (1824–1998) I 28 Zimri-Lim König von Mari (reg. 1773– 1759) I 145 Ziryab (um 789–857) II 199 Zmijewski Artur (*1966) IV 231 Zoffany Johann (1733–1810) III 115 Zola Émile (1840–1902) III 163, 231, 413 Zuccaro Federico (um 1542–1609) II 507, 509ff, 513; III 100 419 Zuccaro Taddeo (1529–1566) II 510 Zuckerkandl Berta (1864–1945) III 241 Zumthor Peter (*1943) III 396; IV 361 Zuntz Günther (1902–1992) I 88, 285 Zurbarán Francisco de (1598–1664) III 27, 67 Zweite Armin (*1941) IV 485 Zwingli Huldrych (1484–1531) II 365; III 12, 22f

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3.0. Literaturverzeichnis Aufgrund des Umfangs der konsultierten Literatur werden im Folgenden (von begründeten Ausnahmen abgesehen) nur Titel und Untertitel abgegeben, aber keine Reihentitel und keine weiteren Spezifizierungen, wie Hinweise auf Kongress- und Symposiumspublikationen. Bei spätantiken und mittelalterlichen Autoren wurde nach Möglichkeit versucht, nach für interessierte Leserinnen und Leser leichter zugänglichen Textausgaben zu zitieren statt nach den Standardreferenzen PG und PL. In der Regel wird bei wichtigeren Monographien und Aufsätzen nach dem Jahr der Erstausgabe zitiert, um auch diese Information weiterzugeben. Welcher Ausgabe das Zitat tatsächlich entnommen ist, ergibt sich aus dem im Verzeichnis angeführten Erscheinungsjahr.

3.1. Lexika, Nachschlagewerke, Abkürzungen

[ÄGB]: Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden. Hrsg. von K. Barck, M. Fontius, D. Schlenstedt, B. Steinwachs, F. Wolfzettel. Stuttgart-Weimar 2000. [ÄKPh]: Ästhetik und Kunstphilosophie. Von der Antike bis zur Gegenwart in Einzeldarstellungen. Hrsg. v. J. Nida-Rümelin und M. Betzler. Stuttgart 1998. [ANRW]: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. Rise and decline of the Roman world. Hrsg. v. H. Temporint. Berlin. [art]: art. Das Kunstmagazin mit Wolkenkratzer Art Journal. Hamburg. [ATh]: Architekturtheorie von der Renaissance bis zur Gegenwart. 2 Bde. Köln 2011. [BSG]: Belser Stilgeschichte. Hrsg. v. Ch. Wetzel. 6 Bde. Stuttgart-Zürich 1993. Craig Evans A., Stanley Porter E. [Hrsg.] (2000): Dictionary of New Testament Background. Downers Grove. [DNP]: Der Neue Pauly. Hrsg. v. H. Cancik u. H. Schneider. Stuttgart 2003/Darmstadt 2012. [DOP]: Dumbarton Oaks Papers. Cambridge (Mass.) [EI]: The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Ed. by P. J. Bearman al. XII Bde. + Indexbände. Leiden 1960–2004. [GE]: The Grove Encyclopedia of Islamic Art and Architecture. Hrsg. v. J.M. Bloom u. Sh.S. Blair. 3 Bde. Oxford 2009. [GGB]: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Hrsg. v. W. Conze, O. Brunner, R. Koselleck. 8 Bde. Stuttgart 1972–1997. [HBKG]: Handbuch der Kirchengeschichte. Hrsg. v. H. Jedin. Freiburg. [HBRG]: Handbuch der Religionsgeschichte im deutschsprachigen Raum. Versch. Hrsg. Paderborn. [HDG]: Handbuch der Dogmengeschichte. Hrsg. v. M. Schmaus. Freiburg 1971–1987 [HW]: Harrison Charles, Wood Paul [Hrsg.] (1998): Kunsttheorie im 20. Jahrhundert. Künstlerschriften, Kunstkritik, Kunstphilosophie, Manifeste, Statements, Interviews. 2. Bde. Ostfildern-Ruit. [HWPh]: Historisches Wörterbuch der Philosophie.

Hrsg. v. J. Ritter, K. Gründer, G. Gabriel. 13 Bde. Basel 1971–2007. [JBAC]: Jahrbuch für Antike und Christentum. Münster [Kat.]: Katalog [Kl.P.]: Der kleine Pauly. Lexikon der Antike. Hrsg. v. K. Ziegler u. W. Sontheimer. 5 Bde. München 1975/1979. [KNLL]: Kindlers Neues Literatur-Lexikon. Hrsg. v. W. Jens. Studienausgabe. München 1996. [LI]: Lexikon der Ikonographie. Hrsg. v. E. Kirschbaum u. W. Braunfels. 8 Bde. Rom-Freiburg-Basel-Wien. 1968–1976. [LK]: Lexikon der Kunst. Malerei, Architektur, Bildhauerkunst. 12 Bde. Freiburg-Basel-Wien, 1987– 1990. [LKTh]: Literatur und Kulturtheorie. Ansätze-Personen-Grundbegriffe. Hrsg. v. A. Nünning. Stuttgart 3 2004. [LMA]: Lexikon des Mittelalters. München-Zürich. [LTHK]: Lexikon für Theologie und Kirche. Hrsg. v. J. Höfer u. K. Rahner. 14. Bde. Freiburg 1957/ Freiburg 1986. [MPL]: Metzler Philosophenlexikon. Hrsg. v. B. Lutz. Stuttgart 1989. [PCC]: Patrologiae cursus completus. Acc. J.-P. Migne. Paris. [PG]: Patrologiae cursus completus. Acc. J.-P. Migne. Series Graeca. [PL]: Patrologiae cursus completus. Acc. J.-P. Migne. Series Latina. [PWG]: Propyläen Weltgeschichte. Eine Universalgeschichte. Hrsg. v. G. Mann unter Mitwirkung v. A. Heuss u. A. Nitschke. 11 Bde. Frankfurt a. M-Berlin 1976. [RE]: Paulys Realencyklopädie der classischen Altertumswissenschaften. New ed. G. Wissowa. [RlA]: Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie. Hrsg. v. M. P. Streck. 15 Bde. Berlin-New York. [RLW]: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubarbeitung des Reallexikons der deut-

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Literaturverzeichnis

schen Literaturgeschichte. Versch. Hrsg. Berlin-New York 1997–2003. [SK]: Skulptur. 4 Bde. Genf 1991/Köln u.a. 1996. [ThWNT]: Theol. Wörterbuch z. Neuen Testament. Hrsg. v. G. Kittel u.a. Stuttgart 1933–1979. [TRE]: Theologische Realenzyklopädie. Hrsg. v. G. Krause u. G. Müller. Berlin. [Ueberweg]: Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begr. v. F. Ueberweg. Berlin/Basel Volpi Franco [Hrsg.] (1999): Großes Werklexikon der Philosophie. 2 Bde. Stuttgart. [ZphF]: Zeitschrift philosophische Forschung. Meisenheim. [ZkTh]: Zeitschrift für katholische Theologie. Innsbruck.

3.2. Konsultierte Literatur Abbt Christine (2017): Freiheit kann man nicht be-

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Zintzen Clemens [Hrsg.] (1981): Der Mittelplatonismus. Darmstadt. Zmijewski Artur (2018): »Das ist das Wesen des Totalitären.» Bloss keine Politisierung der Kunst. In: NZZ v. 21. August 2018, 19. Zöllner Frank (2007): Leonardo da Vinci 1452–1519. Sämtliche Gemälde und Zeichnungen. Köln. Zöllner Frank, Thoenes Christof (2010): Michelangelo 1475–1564. Leben und Werk. Köln. Zuntz Günther (1971): Persephone. Three Essays on Religion and thought in Magna Graecia. Oxford. Zwaap René (2014): Torbau oder Nationalmuseum. Der modernistische Architekt Jacobus Johannes Pieter Oud als reaktionärer Städteplaner. In: NZZ 290 v. 13. Dezember 2014, 30. Zweifel Stefan (2003): In den Nischen dämmert der Roman. Roland Barthes’ Vorlesungen am Collège de France – wenn Theorie zur Literatur wird. In: NZZ 20 v. 25./26. Januar, 49f. Zweite Armin (1997): Barnett Newman: Bilder – Skulpturen – Graphik. Stuttgart.

Zur angegebenen Literatur kommen tausende von Webseiten von Personen, Bauwerken, Museen, Lexika, archäologischen Stätten, deren Auflistung selbst in Form einer Auswahl aussichtslos ist.

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4.0. Abbildungsverzeichnis 4.1. Abbildungsnachweise

©AKG-Images: 6, 9–12, 15, 27, 28, 32, 37–40, 43–48, 50f, 53, 55, 58, 91, 99f, 227, 315, 325, 328, 394, 398, 400, 419f, 468, 481, 487, 491, 509, 514, 527f, 537, 544, 549, 557, 559, 571–576, 578ff, 592, 594, 596, 600, 602ff, 608, 613, 615, 619–633, 636–640, 651, 653f, 656, 673f, 681 ©Wikipedia-Commons: 13, 16, 112, 287, 375, 410– 413, 428–431, 482–484, 513, 515f, 522f, 526, 531, 543, 562f, 565f, 569f, 577, 588, 595, 610ff, 614, 616ff Andere Quellen: 108 Roman Siebenrock, 590 D ­ avid Wolf, 663 © Thomas Feuerstein, 665 © Herwig Prammer Alle weiteren Bilder stammen vom Autor.

4.2. Verwendete Abkürzungen der Museen

AAM: Antalya Archaeological Museum AMA: National Archaeological Museum of Athens AMI: Archaeological Museum of Izmir AMO: Archaeological Museum of Olympia AMS: Archäologisches Museum Split ANB: Alte Nationalgalerie Berlin APM: Archaeological Park Madaba, Jordanien AW: Albertina, Wien BCM: Byzantine and Christian Museum Athens BRT: Biblioteca Reale Torino CGP: Centre Georges Pompidou, Paris CMN: Cyprus Museum, Nikosia EM: Ephesus Museum, Selçuk GA: Galleria dell’Accademia, Florenz GL: Städtische Galerie Lenbachhaus, München GLY: Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek, München GNAA: Galleria Nazionale d’Arte Antica, Palazzo Barberini, Rom GNM: Galleria Nazionale delle Marche, Urbino GU: Galleria degli Uffizi, Florenz GVS: Gallerie Valentien, Stuttgart HAB: Gemäldesammlung der Herzog August-Bibliothek, Wolfenbüttel HAUM: Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig IAM: İstanbul Arkeoloji Müzesi, Istanbul IM: Israel Museum, Jerusalem JAM: Jordan Archaeological Museum, Amman KAM: Kerameikos Archaeological Museum, Athen KHH: Kunsthalle Hamburg KHM: Kunsthistorisches Museum, Wien KMS: Kunstmuseum Stuttgart

KSK: Kupferstichkabinett Dresden LP: Louvre Paris MAA: Musée de l’Arles antique, Arles MAN: Museo Archeologica Nazionale di Napoli MANA: Museo Archeologico Nazionale di Aquileia MAP: Museo Archeologica Nazionale di Palestrina Mart: Museo di Arte Moderna e Contemporanea di Trento e Rovereto MAS: Museo Archeologico Nazionale e Area Archeologica di Sperlonga MAT: Museo Archeologico di Taranto MBA: Musée des Beaux-Arts, Dijon MCC: Museo Cristiano e Tesoro del Duomo di Cividale MET: Museo Egizio Torino META: Metropolitan Museum of Art, New York MMI: Mosaikenmuseum Istanbul (Büyük Saray Mozaikler Müzesi) MNC: Museo Nazionale Cerveteri MNJ: Museo Nazionale Jatta, Ruvo MNN: Musée Nicéphore-Niépce, Chalon-sur-Saône MNR: Museo Nazionale Romano – Terme di Diocleziano, Rom MP: Museo del Prado, Madrid MPC: Musée de la Préhistoire, Carnac MV: Musei Vaticani, Rom MVG: Museo Nazionale di Villa Giulia NAM: National Museum Damascus NGB: Nationalgalerie Berlin NGI: National Gallery of Ireland, Dublin NGL: National Gallery London NGO: Nasjonalgalleriet Oslo NHM: Naturhistorisches Museum, Wien NMA: National Museum of Archaeology, Valletta NMAl: National Museum of Aleppo NMD: Nationalmuseum Damaskus NPM: Neue Pinakothek München OIC: Orient-Institut, University of Chicago TG: Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau NGA: National Gallery of Art, Washington SM: Stedelijk Museum ThF: Theologische Fakultät der Universität Innsbruck TIAM: Turkish and Islamic Arts Museum, Istanbul (Turk ve Islam Eserleri Muzesi) TLMF: Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum TNM: Tarquinia National Museum VGM: Van Gogh Museum, Amsterdam WC: The Wallace Collection, London

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5.0. Danksagung Bei der Begründung dafür, dieses Werk nicht als Teamprojekt angelegt, sondern im Alleingang verfasst zu haben, verwies ich in der Einleitung auf die zahlreichen Expertisen, die mir Kolleginnen und Kollegen, Fachleute auf den verschiedenen Gebieten, gewährten. Ihnen und all jenen, die das Entstehen dieses Werks wohlwollend und mit Aufmunterungen begleitet haben, sei an dieser Stelle nochmals ausdrücklich gedankt. Es waren mehr als ich hier namentlich anführen kann. Für wertvolle Hinweise danke ich: Oskar Dangl (Wien) und Josef Oesch (Innsbruck) zur Entstehung des judäischen Monotheismus, Doris Eibl und Martin Sexl (Innsbruck) zum Poststrukturalismus und zu vielen Spezialfragen, Franz Gmainer-Pranzl (Salzburg) und Boris Manner (Wien) zu Husserl und zu kunstphilosophischen Aspekten der Phänomenologie, Walburga Hülk (Münster) zum gesamten 19. Jh., ihrem Spezialgebiet, und für den regen Gedankenaustausch zu vielen behandelten Themengebieten, Christian Kanzian (Innsbruck) zu Fragen der Analytischen Philosophie, Verena Konrad (Dornbirn), die eine frühe Fassung der Spätantike kritisch durchgesehen hat, Hans Kraml (Innsbruck) zum Mittelalter und zur Philosophie des Aristoteles, Martin Lang (Innsbruck) zum Alten Orient, Karl Leidlmair (Innsbruck) zu Martin Heidegger, Walter Leitner (Innsbruck) zu speziellen Fragen der Ur- und Frühgeschichte, Zekirija Sejdini (Innsbruck) zu Theologie und Geschichte des Islam, Ilse Somavilla (Innsbruck) zu Wittgenstein, Wolfgang Speyer (Salzburg/Köln) für den jahrelangen Austausch zu periodenübergreifenden Fragen der Kunst und zu seinem Spezialgebiet Antike/Spätantike, sowie für die Lektüre des Spätantike-Teils, Andreas Vonach (Innsbruck) zu Ägypten, zu speziellen Fragen des judäischen Monotheismus und zum Alten Testament. Viele von ihnen haben größere Textabschnitte gegengelesen und mich auf Irrtümer und Schwächen hingewiesen, mir neue Sichtweisen erschlossen und mich mit Literaturhinweisen versorgt. Ein besonderer Dank gilt meinem Kollegen Reinhard Margreiter, der sich bereit erklärte, das gesamte Werk im Typoskript zu lesen und der als Philosoph, Historiker und Germanist dafür eine Idealbesetzung war. Die Diskussionen mit ihm waren außerordentlich befruchtend und ich verdanke ihm die Aufdeckung mancher Fehler und Holzwege. Ich habe viel profitiert von den Gesprächen mit Kollegen und Kolleginnen, namentlich bei den Symposien der ARGE Kunst und Wissenschaft der Österreichischen Forschungsgemeinschaft in Wien unter der Leitung von Otto Neumaier (Salzburg), der ich von 2009 bis 2014 angehörte. Ebenso bereichernd waren die zahlreichen Gespräche mit Künstlerinnen und Künstlern bei meinen einschlägigen Tätigkeiten. Bei der Vorbereitung der Drucklegung gab es zahlreiche und essentielle Unterstützung: Die Sekretärinnen des Instituts, Ksenia Scharr und Monika Datterl, waren stets bei Problemen hilfreich zur Stelle, die von den üblichen Verwaltungsagenden bis zu Tricks der Bildbearbeitung reichten. Anna Kraml übernahm die Korrektur des Literaturverzeichnisses. Heidrun Kern danke ich für die Endlektüre des gesamten

Danksagung

Werks und für die Erstellung des Namensverzeichnisses. In großzügiger Weise hat es der Rektor der Universität Salzburg, Heinrich Schmidinger, ermöglicht, dass seine Mitarbeiterin, Frau Dorit Wolf-Schwarz, den zeitraubenden und aufwändigen Satz der vier Bände übernehmen konnte. Die Arbeit an dieser Redaktion hat sich über mehrere Monate hingezogen und ich bedanke mich für das ästhetisch einfühlsame Umgehen mit dem Layout und für die gute Zusammenarbeit. Für Einbandgestaltung und für das Layout, das meine ästhetischen Vorstellungen von diesem Werk perfekt umsetzt, zeichnen die Grafikdesign-Büros Harald Braun, Helmstedt und schreiberVIS, Seeheim verantwortlich. In der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, die das Werk mit großem Wohlwollen in ihr Programm aufnahm, danke ich der Lektorin Susanne Fischer und Frau Anja Bäumel von der Produktion für die problemlose Zusammenarbeit. Schließlich ermöglichte mir die Leopold-Franzens-Universität Innsbruck die jahrelange Forschungsarbeit an diesem Thema, in Zeiten einer schnelllebigen Forschungsprojekt-Kultur keine Selbstverständlichkeit mehr. Von den vielen Bibliotheken, in denen ich zugange war, sei die Universitäts- und Landesbibliothek Innsbruck und das Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München hervorgehoben. Bernhard Braun arbeitet am Institut für Christ­liche Philosophie an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck. Seine Arbeits­schwerpunkte sind die Geschichte der Philosophie, Ideengeschichte, Kunstphilosophie und Ästhetik. Zahlreiche Tätigkeiten im Kunst-, Kultur- und Museumsbe­ reich: kuratorische Aufgaben, Katalogbeiträge für Künstlerinnen und Künstler. Tätigkeiten in der Erwachsenenbildung (Philosophie, Europäische Kulturgeschichte). Der Autor in Ephesos

(Foto: Heidrun Kern)

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