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German Pages 23 [44] Year 1914
Geschichte der Ästhetik und Kunstphilosophie Ein Forschungsbericht von
Ernst Bergmann, Privatdozent an der Univ. Leipzig.
L e i p z i g
Verlag von Veit & Comp. 1914
Vom gleichen Verfasser erschien: Die ethischen Probleme in den Jagendschrifs ten der Jungdeutschen. 8°. 131 S. Leipzig 1906. Die Begründung der deutschen Ästhetik durch AI. G. Baumgarten und G. Fr. Meier. Mit einem Anhang: G. Fr.Meiers ungedruckte Briefe. Leipzig 1911. Gr. 8°, 273 S., geh. M. 4.80, geb. M. 5.60. Die Philosophie Guyaus. Leipzig 1912. 144 S., geh. M. 3.50, geb. M. 4.50.
Gr. 8°,
Die Satiren des Herrn Maschine. Ein Beitrag zur Philosophie- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts. Mit einem Bildnis La Mettries. Leipzig 1913. 8°, 104 S., geb. M. 3.—. Plapner und die Kunstphilosophie des XVIII. Jahrhunderts. Nach ungedruckten Quellen dargestellt. Leipzig 1914. Gr. 8°, 349 S., geh. M. 10.—.
In Vorbereitung: The Satires of M r . Machine, collected and edited with a historical introduction. Translated by Lydia G. Robinson. Chicago and London 1914. The Open Court. Fichte über Gott und Unsterblichkeit. Nach einer Kollegnachschrift von 1795. Ergänzungsheft der „Kantstudien". Berlin 1914.
Geschichte der Ästhetik und Kunstphilosophie Ein Forschungsbericht von
Ernst Bergmann, Privatdozent an der Univ. Leipzig.
L e i p z i g
Verlag von Veit & Comp. 1914
Vorwort. Der vorliegende Forschungsbericlit wurde ursprünglich für die Leipziger Wochenschrift , , D i e G e i s t e s w i s s e n s c h a f t e n " geschrieben, konnte aber nicht mehr erscheinen, da das verdienstvolle Unternehmen zum Bedauern aller geisteswissenschaftlich Interessierten aus Mangel an buchhändlerischem Erfolg am 1. Juli des Jahres eingegangen ist. Er erscheint nunmehr als Sonderpublikation. Seit Jahren plante der Verfasser eine „ G e s c h i c h t e d e r Ä s t h e t i k u n d K u n s t p h i l o s o p h i e " . Inzwischen haben sich seine Interessen andern Gebietenzugewendet, und so überläßt er denn die hier niedergelegten Ergebnisse einer systematischen Vorarbeit seinem Nachfolger, mit dem Wunsch, daß diese Anregung auf fruchtbaren Boden fallen möge. L e i p z i g , im Juli 1914. Ernst Bergmann.
I. Einleitung. I n den achtziger J a h r e n des abgelaufenen J a h r hunderts war in Deutschland das Interesse für die Geschichte der Kunstphilosophie und Ästhetik ein außerordentlich reges. Damals erschienen alle größeren historischen Darstellungen, die auf diesem Gebiet dauernden W e r t besitzen. Seitdem sind mehr als zwei Jahrzehnte verflossen. Andere philosophische Disziplinen wie Erkenntnislehre und E t h i k haben in ausgezeichneten Werken eine allseitige historische Orientierung erfahren. Die Geschichte der Ästhetik u n d Kunstphilosophie h a r r t noch immer ihres modernen Bearbeiters, der, die wertvollen Voruntersuchungen Hartmanns, Steins, Braitmaiers und Sommers sowie die keineswegs fehlende Einzelforschung der letzten J a h r e verwertend, uns ein erschöpfendes Bild der f ü r die menschliche Geistesgeschichte so belangreichen E n t wicklung des ästhetischen und kunstphilosophischen Denkens entwürfe. Es wird hier zum erstenmal der Versuch unternommen, über das in der Erforschung der Geschichte der philosophischen Kunst- und Schönheitslehre b i s h e r G e l e i s t e t e und in Zukunft n o c h z u L e i s t e n d e zusammenhängend Rechenschaft abzulegen. Auf systematische Ästhetik soll hier nicht eingegangen werden. II. Gesamtdarstellungen. Die Historiographie der ästhetischen Spekulation beginnt gegen Ende des 18. J a h r h u n d e r t s in dem Augen-
blick, da infolge der Neuorientierung, die der Kritizismus in allen Disziplinen der Philosophie herauf geführt, auch die kunstphilosophischen u n d geschmackskritischen Versuche der vorkantischen Ära geschichtlich geworden waren. Schon die Fortführer der Sulzerschen Enzyklopädie verzeichnen in der 4. Auflage der „Allgemeinen Theorie der schönen K ü n s t e " (1792) systematisch die Arbeit der Baumgarten-Meierschen Schule, ohne freilich über einen rein bibliographischen Bericht hinauszudringen. Die erste wirkliche Geschichte der Ästhetik lieferte im J a h r e 1799 J. Koller, Entwurf zur Geschichte und Literatur der Ästhetik, von Baumgarten bis auf die neueste Zeit (Regensburg 1799, 8°, 107 S.). Der Verfasser, dessen Identität nicht festzustellen ist, gibt nicht nur eine dem Forscher unentbehrliche Literaturübersicht, er schildert auch in ihren Grundzügen die ästhetischen Theorien des Altert u m s u n d der Neuzeit, namentlich der Deutschen, und gliedert die Arbeit der vorkritischen Ästhetik nach philosophischen Gesichtspunkten, wie Dogmatismus, Skeptizismus und Empirismus, um in K a n t s „Kritik der Urteilskraft" die Vollendung der ästhetischen Bestrebungen des Zeitalters zu erblicken. Dieser erste Versuch steht freilich vereinzelt da. Das interessante kleine Schriftchen ist bald verschollen. Zimmermann vermag seiner 1858 nicht h a b h a f t zu werden und sieht sich genötigt, auf das Sulzersche Kompilat zurückzugreifen (Vorr., p. III). Benedetto Croee in Neapel entdeckt 1905 ein Exemplar auf der Münchener Kgl. Bibliothek u n d beschreibt es im bibliographischen Anhang seiner Ästhetik (S. 465). Ein zweites Exemplar ist vor kurzem in der Sammlung Bergmann-Leipzig aufgetaucht. Sieht man ab von den mehr oder weniger skizzenhaften geschichtlichen Orientierungsversuchen, wie sie f a s t alle Ästhetiker des deutschen Idealismus ihrer
Theorie vorangeschickt (Solger, Schleiermacher, Hegel, Vischer, besonders wertvoll die Literaturübersicht bei K. H. L. Pölitz, Ästhetik, Leipzig 1807, I, 55—106), so muß als erstes, groß angelegtes Geschichtswerk der Ästhetik gelten das Buch B. Zimmermanns (Gesch. d. Ästh. als philosoph. Wissensch., Wien 1858). Auch dieser zweite, freilich ungleich durchgreifendere Akt geschichtlicher Besinnung innerhalb unseres Stoffgebietes findet statt an einem wichtigen Wendepunkt dermenschlichen Geistesgeschichte überhaupt. Die folgenschwere Entwicklung, die das kantische Denken eingeleitet, ist vorerst zu ihrem Ende gelangt. Die deutsche idealistische Spekulation liegt am Boden, und der materialistisch-naturwissenschaftliche Geist des Zeitalters ist der Erforschung ästhetisch-kunstphilosophischer Problemzusammenhänge wenig günstig gesinnt. Fr. Th. Vischer, kaum daß er sein weitschichtiges Gebäude vollendet, erklärt es für unzulänglich, und vor den Toren harren die Psychophysiker, um in Tabellen zu errechnen, was die Geistesverwandten Plotins als Urschönes schlummernd am Grunde der Welt gefunden. Der Herbartianer Robert Zimmermann verdient für seine epochemachende Tat den Dank der Nachwelt, trotz zahlreicher Irrtümer und Mißgriffe im Einzelnen und trotz des genugsam bekannten abstrakt-formalistischen Standpunktes, den er seiner Geschichtsbetrachtung zugrunde legt und der ihm eine unbefangene Würdigung der historischen Entwicklungsverläufe erschwert, nicht selten unmöglich macht. Wie wenig demnach dies Buch unseren heutigen Anforderungen an eine objektive geschichtliche Darstellung entspricht, wieviel auch die Einzelforschung seit dem Jahre 1858 nachgetragen haben mag und wie eng endlich Zimmermann sich auf die philosophischen Begriffe des Schönen und der Kunst beschränkt, alle übrigen ästhetischen Grundgestalten sowie alle technischen und historischen
Bestandteile der einzelnen Kunsttheorien geflissentlich übergehend, der Ruhm, zum erstenmal den langen Weg vom ästhetischen Utilitarismus des Sokrates bis zum Zusammenbruch der spekulativen Ästhetik mit weitschauendem Auge durchmessen und somit den T r a u m des leider so f r ü h verstorbenen Wilhelm Danzel (Die Ästh. d. Hegeischen Philos., 1844; Ges. Aufsätze v. W. Danzel, herausg. v. O. Jahn, Leipzig 1858) verwirklicht zu haben, soll ihm an dieser Stelle nicht geschmälert werden. Es folgen die Geschichtswerke Lotees und Schaslers, auch sie durch die Einzelforschung in vielen P u n k t e n überholt. Lotze (Gesch. d. Ästh. in Deutschland, München 1868, Neuaufl., Leipzig 1913), der stets Systematiker bleibt und k a u m mehr als geistvolle Reflexionen z u r Geschichte gibt, beschränkt sich auf die deutsche Ästhetik von Baumgarten bis Herbart und ist auch innerhalb dieses engen Rahmens lückenhaft genug, entschädigt aber für manche historische Oberflächlichkeiten, die H a r t m a n n mit Recht gerügt (Yorr. d. „Gesch. d. Ästh.", p. I X , hierzu Schaslers „Deutsche Kunstztg.: Die Dioskuren", 1870, N. 7—13) durch die erstmalige Anwendung der fruchtbaren, problemgeschichtlichen Betrachtungsweise, die allein imstande ist, die ganze Breite und Tiefe des ästhetischen Arbeitsfeldes auszumessen und in der ihm H a r t m a n n klugerweise nachfolgt. Schaslers breitangelegte „Kritische Geschichte der Ästhetik" (2 Bde., Berlin 1872, 1218 S.!), von Hartm a n n aufs wärmste empfohlen (Ges. Stud. u. Aufs., Bd. V I I I , „Zur Gesch. d. Ästh."), ist die respektable F r u c h t einer zwanzigjährigen Forschertätigkeit und überblickt noch einmal enzyklopädisch und in strenger Chronologie die gesamte Entwicklung sämtlicher Problemgruppen von Plato bis Vischer, verstimmt aber gelegentlich nicht sowohl durch die mangelnde historische Objektivität (Schasler urteilt vom S t a n d p u n k t
eines angeblich verbesserten Hegeltums) als vielmehr durch seine unschöne Polemik gegen andersgeartete Richtungen (Kirchmann!) und durch die Zugrundelegung eines starren Schematismus von intuitiver, reflektierender und spekulativer Ästhetik, der angesichts der überreichen Mannigfaltigkeit der ästhetischen Standpunktes, wie sie das 19. Jahrhundert gezeitigt, vollkommmen versagt. Das Werk ist übrigens ebenso wie das Buch Zimmermanns in seinen der Antike gewidmeten Partieen vollständig antiquiert durch J. Walters ausgezeichnete, den Gegenstand endgültig erschöpfende Darstellung der „Geschichte der Ästhetik im Altertum" (Leipzig 1893, 891 S.), ein Werk, das den zukünftigen Geschichtschreiber der neueren Ästhetik von der Verpflichtung, die antike Ästhetik anders als zu Orientierungszwecken in seine Schilderung einzubeziehen, ein für allemal entbindet. Konnten und wollten die Arbeiten von Zimmermann und Schasler nichts weiter bedeuten, als, wie ersterer meint, „Post- und Straßenkarten, auf welchen alle Pfade und Irrpfade verzeichnet sind, welche die philosophische Wissenschaft vom Schönen und der Kunst bisher zu betreten versucht hat", so erhalten wir von Hartmann, Stein, Braitmaier und Sommer zum erstenmal Werke, die ihren Wert mit der fortschreitenden Forschung nicht mehr verlieren dürften und die einander zu einer geschlossenen Reihe ergänzen, welche die Zeit vom französischen Klassizismus bis etwa G. Th. Fechner umfaßt. Die Jahre 1886—88, denen diese Werke sämtlich zugehören, bilden also den Höhepunkt der bisherigen Geschichtschreibung der Ästhetik. Um mit dem 19. Jahrhundert zu beginnen, so gibt sich zunächst Ed. v. Hartmanns „Deutsche Ästhetik seit K a n t " (Leipzig 1886) ausdrücklich als Ergänzungsund Revisionswerk, das mit den Arbeiten seiner Vorläufer im allgemeinen nicht in Konkurrenz treten will.
10 H a r t m a n n s Buch, so wertvoll es vermöge der Persönlichkeit seines Verfassers für uns erscheinen m u ß , läßt daher dem zukünftigen Bearbeiter der Gesamtgeschichte der neueren Ästhetik immer noch Stoff u n d Betätigungsfreiheit genug. Es verzichtet ausdrücklich auf die Anfänge der vorkritischen Ästhetik sowie auf alle ausländischen Doktrinen und erhebt von vornherein nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Dem großen Systematiker H a r t m a n n war es bei dieser Wanderung über die Höhepunkte der Spekulation ü b e r h a u p t weniger um die Schilderung eines historischen Entwicklungsverlaufs zu tun, als vielmehr um sachliche Belehrung und Bereicherung des eigenen Denkens an der Geschichte, um sich so f ü r den zukünftigen A u f b a u des Systems zu rüsten. Insofern verfährt er ziemlich subjektiv in der Auswahl und Gruppierung der Materie, t u t Männer wie Winckelmann, Lessing, Herder, Goethe, Schiller, W. v. Humboldt und Jean P a u l kurzerhand als Popularästhetiker ab, ergänzt aber die Forscherarbeit seiner Vorgänger und Mitstrebenden in wertvoller Weise durch erstmalige Berücksichtigung und philosophische Durchdringung einer ganzen Reihe streng wissenschaftlicher Ästhetiker des 19. J a h r h u n d e r t s wie Ast, Trahndorff, Deutinger, Oersted, Zeising, Carrière, E. Wagner, Lotze, Kirchmann, Köstlin, Zimmermann, Schasler und Fechner, die bisher keine Beachtung gefunden. Hierin sowie in der entschiedenen und wohlüberlegten Kritik der einzelnen Standpunkte liegt der hohe Wert des Buches, zu dem die elegant geschriebene, jedoch in der Anlage essayistisch-verworrene Schilderung der „ E n t stehung der neueren Ästhetik" (Leipzig 1886) aus der Feder des leider so f r ü h verstorbenen Bayreuther Ästhetikers H. v. Stein in mancher Hinsicht als Vorarbeit gelten kann. Dieses letztere von Dilthey angeregte Buch liefert
11 einen glänzenden Beweis von der lebendigen Fülle des ästhetischen Denkens, wie es sieh vor der Begründung der Ästhetik als Wissenschaft bei den Franzosen, Engländern, Italienern und Deutschen des 17. und 18. Jahrhunderts ausgebreitet findet. In einem raschen, kritisch-reflektierenden Überblick, der aber vielfach eine eigentliche Darstellung vermissen läßt, durcheilt Stein die Epoche vor Baumgarten und Winckelmann. Die fortlaufende Darstellung, die die philosophischen, künstlerischen und politisch-zivilisatorischen Zeitmomente in ihrer Einwirkung auf die ästhetische Kultur und Spekulation in vorbildlicher Weise berücksichtigt, beginnt mit dem französischen, an Descartes orientierten Klassizismus und seinem entscheidenden Einfluß auf die frühesten Gestaltungen des ästhetischen Doktrinarismus bei allen Völkern, greift aber gelegentlich auch in fruchtbater Weise auf die Anfänge der Ästhetik in der Renaissance zurück. D i e Ä s t h e t i k der R e n a i s s a n c e i s t n o c h n i c h t g e s c h r i e b e n . Das gehaltvolle, mit großem Aufgebot an Gelehrsamkeit abgefaßte Buch Karl Borinskis (Die Poetik der Renaissance u. d. Anfänge d. literarischen Kritik in Deutschland, Berlin 1886) steckt sich, wie schon der Titel zeigt, vorwiegend literargeschichtliche Ziele (für die Zeit von Opitz bis zum Anfang des 8. Jahrhunderts), läßt aber durch die schier unübersehliche Fülle des Materials, das hier unter den Titel ,,Poetik" gebracht ist, erkennen, wie viel auch dem Historiker der philosophischen Ästhetik auf diesem weiten Felde noch zu tun übrig bleibt. Ich denke dabei an die bei uns wenig bekannten florentinischen Platoniker des 15. Jahrhunderts wie Marsilius Ficinus und Pico della Mirandola, ferner an Cattani, Leon Battista Alberti, im 16. Jahrhundert an Pietro Bembo, Mario Equicola, Castiglione, Nobili, die über die Schönheit und die Liebe schrieben, vor allem an Ästhetiker wie Niphus (De pulchro et amore, 1530),
12 Marc Ant. Natta (De pulchro, 1564), Franco (Dialogiii ove si tratta della bellezza, 1542), Betussi (La Leonora, sopra la vera bellezza), Di Gozze u. a. (dazu Schasler, S. 326, Borinski, S. 7, Croee, S. 172). Die von Dilthey und Külpe inspirierte Würzburger Dissertation von W. Kuwiz, Beiträge zur Entstehungsgeschichte der neueren Ästhetik (Berlin 1899, 55 S.), untersucht die Vorbereitung moderner ästhetischer Begriffe in der Psychologie, Natur- und Kunstanschauung des Mittelalters und der Renaissance, kann aber nur als erste skizzenhafte Vorarbeit für die hier geforderte Geschichte der Ästhetik der Renaissance gelten. Endlich behandelt Friedr. Braitmaier in sehr fruchtbarer Doppelbeachtung philosophisch-ästhetischer und literarhistorischer Gesichtspunkte die „Geschichte der poetischen Theorie und Kritik von den Diskursen der Maler bis auf Lessing" (2 Tie., Frauenfels 1888). Das Buch, dessen Titelangabe den reichen Inhalt nicht erschöpfend zum Ausdruck bringt, schließt der Zeit nach eng an Borinski an und ruht auf zehnjährigem gründlichem Quellenstudium. Den Höhepunkt des ersten Teiles bildet die Darstellung der Poetik Gottscheds und der Schweizer (hierzu Servaes, Die Poetik Gottscheds und der Schweizer, 1887, und Antoniewicz, Einleitung z. Neudr. d. ästh. Schriften J . E. Schlegels, 1887). Diese Darstellung ist wesentlich referierender, immanent-kritischer Natur, nicht selten getrübt durch den etwas schulmeisterlichen Ton der gegen Gottsched und seine lobpreisenden Biographen (Danzel) gerichteten Polemik. Der zweite Teil: „Die Versuche einer philosophischen Ästhetik und poetischen Theorie auf Grundlage der Leibniz-Wolffischen Psychologie" überrascht durch eine meisterhafte Schilderung der Durchführung des Programms der Schweizer von 1727 durch Baumgarten, Sulzer, Mendelssohn und Lessing sowie des organischen Hervorwachsens der
13 Ästhetik als Wissenschaft aus der Poetik jenes Zeitalters. An diese, einzig zutreffende Darstellung der historischen Zusammenhänge habe ich mich in meiner Schrift: „Die Begründung der deutschen Ästhetik durch A. S. Baumgarten und G. Friedr. Meier (Leipzig 1911) auch allein gehalten. Was die Geschichtschreiber der Ästhetik von Fach, wie Zimmermann, Lotze und Schasler, auf die Braitmaier sehr geringschätzig herabblickt, über den Gegenstand gesagt, ist nach des letzteren gründlicher Forschung durchgängig antiquiert. Besonders wertvoll erscheint mir in Braitmaiers Buch der Nachweis der geschichtlichen Entwicklung der geschmackskritischen Diskussion, die Joh. Ulr. König im J a h r e 1727 aus Frankreich (Dubos, Rollin, Dacier) nach Deutschland verpflanzt, wo sie nach ausgiebiger, das ganze J a h r h u n d e r t durchziehender Erörterung in Kants Kritik der Urteilskraft ihren Abschluß findet. Wer die Entstehungsgeschichte dieses Zentralproblems der damaligen Ästhetik nicht nachdrücklichst beachtet, und dies geschieht bei keinem der oben erwähnten Geschichtschreiber der Ästhetik, vermag in das historische Verständnis des Kantischen Hauptwerkes schwerlich einzudringen. Ebenfalls von erheblichem Wert ist bei Braitmaier die Darstellung der Weiterführung der Platonisch-Aristotelischen N a c h a h m u n g s t h e o r i e , die sämtliche vorklassischen Kunstlehren des 17. und 18. J a h r h u n d e r t s beherrschte (hierzu A. E. Berger, Die Lehre v. d. Naturnachahmung, Darms t a d t 1906, und E. Bergmann, D. antike Nachahmungstheorie in d. deutschen Ästh. d. 18. Jahrh., in Ilbergs N. J a h r b . f. d. klass. Altert, ussw., 1911, I. Abt., Bd. 27, S. 120ff.). Die im Manuskript bereits fertig vorliegende Geschichte der außerdeutschen Poetik von Vida bis Shaftesbury-Dubos h a t uns Braitmaier nach Erscheinen der Bücher von Borinski und Stein bedauerlicherweise vorenthalten.
14 Die Lücke, die zwischen den eben erwähnten Arbeiten und dem Hartmannschen Werke klafft, k a n n in mancher Hinsicht als ausgefüllt gelten durch das von der Kgl. Akademie der Wissenschaften in Berlin preisgekrönte Buch des verdienten Gießener Psychiaters Bob. Sommer, Grundzüge einer Geschichte der deutschen Psychologie u n d Ästhetik von Wolff-Baumgarten bis Kant-Schiller (Würzburg 1892, 442 S.). I m Thema der Preisaufgabe war gefordert, es solle der Einfluß der vorkantischen Psychologie auf die Ausbildung der Ästhetik der klassischen Literaturepoche festgestellt werden. Das Thema scheint mir so nicht glücklich gestellt. Bei Schiller und Goethe z. B. spielt dieser Einfluß, wenn dabei an die wissenschaftliche Psychologie jener Zeit gedacht wurde, nur eine geringe Rolle. Kein Wunder, daß Sommer eine befriedigende Lösung des Problems nicht zu geben vermag. Eine „innige Beziehung und Wechselwirkung" zwischen Psychologie u n d Ästhetik läßt sich allenfalls bei Männern wie G. Friedr. Meier, K. P h . Moritz, eine etwas losere bei Mendelssohn und Sulzer nachweisen, k a u m aber bei Lessing, Eberhard, Schiller. Und was h a t Soemmerings Lehre vom Sitz der Seele und der Flüssigkeit der Gehirnventrikel mit Ästhetik zu schaffen, so interessant sie im übrigen dem Psychophysiker auch erscheinen mag ? Das im einzelnen sehr verständnisvoll geschriebene Buch überrascht mehrfach durch die Art u n d Weise, wie gewisse historische Zusammenhänge geschickt und überzeugend ans Licht gezogen sind. Aber eine bloße Durcheinanderflechtung heterogener Materien beweist noch keine Wechselwirkung wissenschaftlicher Disziplinen, wie sehr auch die Leibnizsche Psychologie u n d Erkenntnislehre im großen und ganzen die Ästhetik des 18. J a h r h u n d e r t s beherrschen mag. Und den Anspruch auf Vollständigkeit und Erschöpfung seines Gegenstandes h a t Sommer selbst nicht zu erheben gewagt.
15 Und in der Tat, wenn irgendwo im Gebiet der Geschichte der Ästhetik, so klaffen hier die bedenklichsten Lücken. Für die genauere Erforschung der Epoche von 1750—1800*ist, kann man wohl sagen, so gut wie n i c h t s getan. Weder die Sehlde Baumgarten-Meiers und die Hochflut der popularästhetischen Literatur vor Kant {ich nenne in ungeordneter Reihenfolge Namen wie C. Meiners, M. P. Sturz, L. Westenrieder, J . G. Lindner, A. F. Büsching, C. G. Schütz, J . J . Herwig, Gtl. Schlegel, J . H. Faber, J . J . Engel, C. D. Schubart, J . H. M. Ernesti, Gang, G. S. Steinbart, E. Schneider, A. H. Schott, Kosegarten, K. v. Dalberg, W. F . Hezel, Eberhard, Eschenburg, Riedel, Szerdahely, M. Herz, A. Hofstätter. J . C. König u. a. m.), noch die Schule Kants im engeren Sinne (genannt seien nur K. H. Heydenreich, F. W. D. Snell, K. W. Snell, S. Beck, J . G. C. Kiesewetter, Reinhold, C. G. Herrmann, F. Grillo, L. Bendavid, Schmidt-Phiseldeck, C. F. Michaelis, J . M. G. Hensinger, F. Delbrück, B. v. Ramdohr, H. Zschokke, G. Dreves, K. L. Pörschke, A. Miller, S. Maimon u. a.) hat bisher ihren Bearbeiter gefunden. Und doch liegt hier manch wertvolles Korn unter der vielen Spreu verborgen. Mögen sich doch gelehrte Körperschaften bei der Stellung ihrer Preisaufgaben einmal dieser Aufgabe erinnern, deren Lösung für das Verständnis der Entwicklung des klassischen deutschen Denkens nicht ohne Belang sein kann. Oder man verweise fähige und arbeitsfreudige Promovenden auf Männer wie den höchst fruchtbaren, heute völlig vergessenen Leipziger Ästhetiker Karl Heinrich H e y d e n r e i c h , den schon Zimmermann als „Kantianer v o r K a n t " gekennzeichnet hat, oder auf den gänzlich verschollenen ungarischen Ästhetiker und Baumgartianer Georg S z e r d a h e l y und seine zweibändige lateinische „Aesthetica seu doctrina boni gustus" von 1778, oder auf die Geschmackskritik des Marcus H e r z , deren
16 Feinheit Kant in seinem Brief an Herz vom 24. Nov. 1776 lobend hervorhebt (1. Aufl. 1776, Exemplar der seltenen Schrift auf der Münchener Kgl. Bibliothek u. in d. Sammlung Bergmann-Leipzig, 2. betr. verm. Aufl. 1790; dazu 0 . Schlapp, D. Entst. d. Kr. d. Urteilskr., S. 431). Ein überreiches Material zum ästhetischen und kunstphilosophischen Denken jener Zeit findet sich ferner niedergelegt in den 72 Bänden der alten und neuen „Bibliothek der schönen Wissenschaften und freien Künste" (1750—1806). M. Handke untersucht, auf Zeising und Fecliner fußend, die „Theorie der Schönheit räumlicher Formen bei den englischen und deutschen Popularphilosophen im vorigen Jahrhundert" (München Diss., 1896, 76 S.). Seit den erwähnten grundlegenden Arbeiten der achtziger Jahre ist irgend eine Gesamtdarstellung ästhetikgeschichtlichen Inhalts in Deutschland nicht mehr erschienen, ein Beweis, wie vollkommen sich das damals so lebendige Interesse seither von diesem Stoffgebiet abgewendet hat. Dagegen sind von kleineren Gesamtdarstellungen aus früherer Zeit noch zu erwähnen : C. Hermann, Die Ästhetik in ihrer Gechichte und als wissenschaftliches System (Leipzig 1876, 262 S.), und 0. Newdecker, Studien zur Geschichte der deutschen Ästhetik seit Kant (Würzburg 1878, 136 S.). Der Leipziger Philosophiehistoriker Hermann behandelt nur kurz und rhapsodisch zu systematischen Zwecken die Ästhetik vor und bis Kant, namentlich die Baumgartens, die er zwar nicht erschöpft, an deren Grundanschauung vom „empfindenden Erkennen" er sich aber prinzipiell anschließt (S. 175ff.), so daß man bei ihm geradezu von einer Renaissance des Baumgartianismus reden kann. Neudecker bietet, ohne Hegel, Schleiermacher und Trahndorff gelesen zu haben, ausgewählte Kapitel aus der nachkantischen Spekulation, so über Vischer, Zimmermann, Lotze, Köstlin, Siebeck, Fechner und
17 Deutinger, wobei er in der Beurteilung der Standpunkte wiederholt mit seinem Nachfolger H a r t m a n n zusammentrifft. Als einzig wahre Ästhetik wird die von Deutinger (1845/46) gepriesen. Der Wert des Buches von O. Harnack, Die klassische Ästhetik der Deutschen, Würdigung der kunsttheoretischen Arbeiten Schillers, Goethes und ihrer Freunde (Leipzig 1892) ist bekannt, ebenso der der Berliner Vorlesungen H. v. Steins vom Sommer 1886 über „Goethe und Schiller", Beiträge zur Ästhetik der deutschen Klassiker" (Monatsschr. d. Allg. Rieh. Wagner-Vereins, 1887, Mai und Juni, neuerdings auch bei Reclam). Eine Fülle höchst lehrreicher geschichtlicher Exkurse findet sich in Joh. Volkelts soeben vollendetem dreibändigen „System der Ästhetik" (München 1905—1914, siehe Register). Unter den geschichtlichen Studien, die einzelne Begriffe aus dem ästhetischen Problemgebiet in fruchtbarer Behandlung herausgreifen, steht obenan die Jenenser Habilitationsschrift von Johannes Volkelt, Der Symbolbegriff in der neuesten Ästhetik ( J e n a 1876). Von Spinoza, Hegel und H a r t m a n n kommend (D. Unbewußte u. d. Pessimismus, Berlin 1873) sucht Volkelt, in eingehender Analyse der Stellung Zimmermanns, Hegels, Vischers, Köstlins, Zeisings, Lotzes, Siebecks und Fechners zum Gegenstande, der Symbolik wie der „ T r a u m p h a n t a s i e " ( S t u t t g a r t 1875) im „dunklen Grenz- u n d Übergangsgebiet zwischen N a t u r und Geist" ihre S t ä t t e anzuweisen, auch aus ihr ein Zeugnis herleitend f ü r die Richtigkeit der pantheistischen Weltanschauung. Franz Jahn behandelt erschöpfend „ D a s Problem des Komischen in seiner geschichtlichen E n t wicklung" (Potsdam 1904) von Plato bis W u n d t (daselbst S. 120ff. reiche Literatur zur Geschichte der komischen Gattungen), M. Poensgen, die „Geschichte der Theorie der T r a g ö d i e von Gottsched bis Lessing. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Ästhetik" (Leipzig
18 Diss., 1899, 146 S., wertvoll). Eine Gesamtgeschichte der Theorien des Tragischen fehlt (man sehe J. Volkelts „Ästh. d. Tragischen", 2. Aufl., München 1906), desgleichen eine solche des E r g a b e n h e i t s b e g r i f f e s . Vorarbeiten zu letzterer geben A. Seidl, Zur Geschichte des Erhabenheitsbegriffes seit Kant (Leipzig 1888, 165 S. ; im Vorw. Literatur zum Erhabenheitsbegriff v o r Kant) und F. Unruh, Studien zur Entwicklung, welche der Begriff des Erhabenen seit Kant genommen hat (Progr., Königsberg 1898, 33 S.). An Künstler und Kunstfreunde wendet sich die anmutige kleine Schrift von Kuhn, Die Idee des Schönen in ihrer Entwicklung bei den Alten bis in unsere Tage (Berlin 1863). Im A u s l a n d hat man erst in der jüngsten Vergangenheit auf die Geschichte der Ästhetik zu achten begonnen. F r a n k r e i c h besitzt auch heute noch keine Spezialgeschichte der Ästhetik. Cousin (Du vrai, du beau et du bien, 6. Aufl., Paris 1857, S. 171 ff.) und Pietet (Du beau dans la nature, l'art et la poésie (Paris 1856, S. 119—160) geben kurze historische Exkurse, Ch. Levèque (La Science du Beau, Paris 1862) im zweiten Band (S. 311-—570) einen „Examen des prinzipaux systèmes d'Esthétique anciens et modernes". Mit Kantischen und Schillerschen Theorien beschäftigt sich ausführlich J. M. Ouyau, Les Problèmes de l'esthétique contemporaine (Paris 1884, deutsch von Ernst Bergmann, Phil.-sozial. Bücherei, Leipzig 1912). De Wulf schrieb neuerdings L'histoire de l'esthétique et ses grands orientations (Eev. Néo-Scolastique, XVI, 2). In E n g l a n d behandelte Will Knight, The Philosophy of the Beautiful being Outlines of the History of Aesthetics (Lond. 1895, 288 S.). Nach einem kurzen Überblick über die antiken, die deutschen, französischen, italienischen und älteren englischen Theorien verweilt er hauptsächlich bei der neueren englischen Ästhetik von Alison bis Collingwood und Symonds, während Bernard
19 Bosanquet in seinem weit umfangreicheren Werk „A History of Aesthetics" (London 1892, 2. Aufl. 1911, gr. 8°, 502 S.) unter Vernachlässigung der neulateinischen Länder ausführlich die deutsche Ästhetik und besonders die des 19. Jahrhunderts berücksichtigt. Mehr literarhistorischen Inhalts ist Oeorge Saintbwrys „History of criticisme and literary taste in Europe from the earliest texts to the present day (2 Bde., Edinburg 1900—1902). Reiche englische und amerikanische Literatur zur Ästhetik des 19. Jahrhunderts findet man bei Mills Gaylay und Fred Newton Scott, An introduction to the methods and materials of literary criticism. The bases in Aesthetics and Poetics (Boston 1899). In 11 a l i e n ist die Erforschung namentlich der italienischen Ästhetikgeschichte durch Benedetto Croce in Neapel mächtig gefördert worden. Seine „Ästhetik als Wissenschaft des Ausdrucks und allgemeine Linguistik" (deutsch nach der 2. Aufl. von 1903 von K. Federn, Leipzig 1905, daselbst weitere Literatur) gibt im zweiten geschichtlichen Teil einen sehr unterrichtenden, besonders die deutschen Ästhetiker berücksichtigenden Überblick der Theorien von Plato bis Bergson, in dem Giambattista Vico als der eigentliche Entdecker der ästhetischen Wissenschaft gewürdigt wird (Croce, G. Vico, der erste Entdecker der ästhet. Wissensch. Ztschr. Flegrea, Neapel, April 1901). In S p a n i e n schrieb Marcelino Menendez y Pelayo von schwankendem idealistischem Standpunkte aus eine „Historia de las estéticas en España (2. Aufl., Madrid 1890—1901, 5 Bde., unvollendet), auch über außerspanische Theorien (entgegen der Titelangabe) und nicht streng auf die philosophische Ästhetik beschränkt, in U n g a r n Bela Janosis, „As aesthetika története" (Gesch. d. Ästh., herausg. v. d. Ungar. Akad. d. Wiss., 1899—1901; dazu Deutsche Lit.-Zeitg. v. 15. Aug. 1900, 12. Juli 1902, 2. Mai 1903), in H o l l a n d A. Pit;
20 De Outwikkeling van de Aesthetische Idee in de 16., 17. en 18. eeuw (Tijdschr. voor Wissbegeerte I I , 6, 1909). III. Monographien. Deutlicher noch als an den bisher behandelten Gesamtdarstellungen aus dem Gebiet der Geschichte der Ästhetik und Kunstphilosophie dürfte sich an der Häuf u n g der m o n o g r a p h i s c h e n Betrachtungen einzelner hervorragender Denker erkennen lassen, auf welche Epochen sich das Interesse bisher vorwiegend konzentriert und wo die hauptsächlichsten Lücken im Forschungsgebiet klaffen. Doch wird sich dieser Nachweis im Folgenden wegen der Knappheit des zur Verfügung stehenden Raumes mehr als bisher auf die bloße Angabe der gewaltig angewachsenen Einzelliteratur beschränken, der nur allgemein erläuternde Hinweise beigefügt werden konnten. Die annähernde Vollständigkeit dieser Gesamtübersicht, wie sie hier zum erstenmal versucht wird, möge f ü r die mangelnde Analyse dieser oder jener wertvolleren Studie entschädigen. Die Forschungsarbeit über die Geschichte der Ästhetik und Kunstlehre im A l t e r t u m kann im ganzen als abgeschlossen gelten. Neben dem klassischen Werk über die „Geschichte der Ästhetik im A l t e r t u m " von Julius Walter (Leipzig 1893) dürfen die älteren Arbeiten über A r i s t o t e l e s von Bernays (1857), 6. Teichmüller (1867), J. H. Beinkens (1870), vor allem von A. Döring (Die Kunstlehre d. A. ; J e n a 1876, 341 S.) und aus neuerer Zeit von 0. Bernard (L'esthétique d'Ar. et de ses successeurs, Paris 1890) über P l a t o von A. Buge (D. Plat. Ästh., Halle 1832), Th. Sträter (Stud. z. Gesch. d. Ästh., I, D. Idee d. Schönen i. d. Piaton. Philos., Bonn 1861, 91 S.) und K. Justi (D. ästh, Elemente i. d. Platon. Philos., Diss., Marburg 1895, 165 S.) immer noch einige Geltung beanspruchen. Auch Ed.
21 Müllers verdienstvolle „Geschichte der Theorie der Kunst bei den Alten" (2 Bde., Breslau 1834—37) ist, aus wie früher Zeit sie auch stammen mag, nach Walters eigenem Zeugnis nicht verdrängt, da sie mehr die Kunst- als die Schönheitstheorien des Altertums zum Thema gewählt hat. Man sehe ferner E. Egger, Essai sur l'histoire de la Critique chez les Grecs (2. Aufl., Paris 1886), O. Külpe, Anfänge psychologischer Ästhetik bei den Griechen (Festschr. f. M. Heinze, Berlin 1906, S. 101 ff.), und Bywater, Aristo tje on the art of poetry (London 1909). Neben Plato und Aristoteles sind es namentlich Longin und Plotin gewesen, deren Autorität im Mittelalter und der Renaissance wie im 17. und 18. Jahrhundert die Diskussion ästhetischer Probleme immer von neuem in Fluß gebracht hat. L o n g i n s berühmte Schrift „Vom Erhabenen" bildet, in sämtliche Kultursprachen übersetzt, seit dem 16. Jahrhundert den ästhetischen Katechismus der gebildeten Welt des Abendlandes. In Deutschland hat sie lange vor der ersten Übertragung durch den Antigottschedianer K. M. Heinecke (Leipzig und Hamburg 1738) bestimmend auf die Bildung der ästhetischen Theorien eingewirkt. Alles Nähere findet man bei Fr. Hashagen (Longinos „Über das Erhabene", verdeutscht u. eingel., Gütersloh 1903) und H. F. Müller (D. Sehr. üb. d. Erhab., deutsch m. Einl. u. Erläut., Heidelberg 1911), eine vollständige Bibliographie der schier uferlosen Longinliteratur bei Roberts (Cambridge 1899, S. 247—261). P l o t i n s Ästhetik, so eng verwandt sie dem Geist der idealistischen deutschen Philosophie auch sein mag, hat erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts breitere Beachtung in der wissenschaftlichen Literatur gefunden. Man sehe Lindeblad, PI. de pulcro (Lundae 1830), F. Gregorovius (Fichtes Zeitschr. f. Philos., X X V I 112ff.), B. Volkmann, Die Höhe d. antiken Ästh. oder
Plotins Abhandlung v. Schönen (Stettin 1860), E. Brenning, D. Lehre v. Schönen bei PI. E. Beitr. z. Gesch. d. Ästh. (Göttingen 1864, 60 S.), Herrn. Ferd. Müller, Zur Lehre v. Schönen b. PI. (Phil. Monatsh., Bd. X I I , 1876), F. Scharrenbroich, PI. de pulchro doctr. (Halle 1898), C. Morst, Vorstudien z. e. Neuuntersuch, v. Pl.s Ästh. (Marburg, Diss., 1905, 74 S.; daselbst die neueste Literatur). J. A. Jolles schrieb über „ V i t r u v s Ästhetik" (Diss., Freiburg 1907). Unter den großen Denkern des christlichen Mittelalters, die sich, von Plato und Plotin angeregt, mit ästhetischen Fragen beschäftigt haben, stehen Augustin und Thomas von Aquino obenan. Von A u g u s t i n sind moderne katholische Ästhetiker wie J. Jungmann (Ästh., 1884), A. Stöchl, (Ästh., 3. Aufl., 1889) und Gietmann (Ästh., 1899) sehr stark beeinflußt. Man sehe G. L o e s c h e , Augustin u. Plotin (Ztschr. f. kirchlWiss. u. kirchl. Leben, J.-G. V, Lpzg. 1884), A. Berthaud, S. Aug. doctr. de pulchro ingenuisque artibus (Poitiers 1891), K. Eschweiler, D. ästh. Elem. i. d. Religionsphilos. d. h. Aug. (München, Diss., 1909, 56 S.), A. Wikman, Beitr. z. Ästh. Aug. ( Jenenser Diss., 1909, 101 S.), A. Reiche, D. Künstler. Elem. i. d. Welt- u. Lebensansch. d. G r e g o r v o n N y s s a (Jenenser Diss., 1897, 60 S.), L. Taparelli, Della ragioni del bello secondo la dottrina di S. T o m m a s o d ' A q u i n o (Civiltà cattolica, 1859—60), P. Vallel, L'idée du Beau dans la philos. de St. Thomas d'Aquin (Paris 1883), W. Molsdorf, D. Idee d. Schönen in d. Weltgestaltung b. Th. v. Aqu. (Jenenser Diss., 1891), M. de Wulf, Etudeshistoriques sur l'esth. de S. Thomas (Löwen 1896), B. Q. Paredes, Ideas esteticas de S. Thomas (Cienaia Tomista, Jan. u. Febr. 1911), D. Minjon, D. Schönheitsbegr. d. Hochscholastik (Philos. Jahrb. der Görresgesellsch., 25 Bd., 1912, 2).
23 Schon die angeführte Literatur beweist, daß der fabelhafte „Sprung über das Mittelalter" in der Ästhetik gar nicht stattgefunden hat, sondern daß die Fortentwicklung der ästhetischen Spekulation kontinuierlich, wenn auch immer in gewisser Abhängigkeit von der Antike den Wandel der christlich-scholastischen Weltanschauung begleitet. Und die oben von uns geforderte „ Ä s t h e t i k d e r R e n a i s s a n c e " würde jene vorgefaßte Meinung noch weiterhin zu entkräften geeignet sein. Wir tragen als Vorarbeiten zu diesem Thema noch nach von italienischen Literarhistorikern Michele Rosi, Saggi sui trattati d'amore del Cinquecento (Recanati 1899, darin vollständige Bibliographie der oben erwähnten Renaissancetraktate über die Schönheit und Liebe), F. Flamini, II Cinquecento (Mailand 1898— 1903, bes. S. 373ff.), K. Voßler, Poetische Theorien in der italienischen Frührenaissance (Beri. 1009), J. E. Sjrìngarn, La critica letteraria nel renascimento (Bari 1909, 350 S.), endlich Croce, Varietà di storia dell' estetica (Rass. crit. lett. ital., Neapel 1901, VI, 115ff.), dazu die Sammlung „Quellenschriften f. Kunstgesch. u. Kunstkritik des Mittelalters u. d. Renaissance", herausg. v. R. Eitelberger von Edelberg (Wien, Braumüller, 1870ff.). Auch fehlt es nicht an Monographien aus dem Gebiet der italienischen Renaissanceästhetik. Man sehe vor allem die durch H. Dinger angeregte Jenenser Dissertation von J. Wolff, Lionardo da Vinci als Ästhetiker, Vers. e. Darst. u. Beurt. der Kunstlehre L.s a. Grund s. Trattato della Pittura, ein Beitr. z. Gesch. d. Ästh. (1901, 140 S., daselbst S. 2f. Literatur), ferner Emil Reich, Gian Vincenzo Gravina als Ästhetiker, ein Beitr. z. Gesch. d. Kunstphilos. ( Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss., Bd. 120, Wien 1890, 74 S.), Croce, Gravina considerato come estetico (Misceli. d'Ancona, Florenz 1901, S. 456ff.), Ant. Fusco, La poetica di Lodovico Castelvetro (Neapel 1904), Eng. Lintilhac, Jules
24 César Scaliger, fondateur du classicisme (Nouv. Rev., 1890, Bd. 64, S. 333ff. u. 528ff.), Alfr. Oiannini, Il minturno di T. Tasso (Ariano 1899), J. Béhn, Leone Battista Alberti als Kunstphilosoph. Zur Kunstgesch. d. Auslands (Straßburg 1911, 143 S.), Lodovico Dolce, Aretino oder Dialog über die Malerei (deutsch nach d. Ausgabe von 1557 von C. Cerri, eingel. von Eitelberger usw., Wien 1871). F ü r die f r a n z ö s i s c h e Ästhetik des 17. und 18. J a h r h u n d e r t s ist H. v. Stein ein sicherer Führer. Man sehe hierzu F. Brunetière, L'esth. de B o i l e a u (Rev. des deux mondes v. 1. J u n i 1899), F. Bomgesser L ' a r t poet. de Boileau (Progr., Bayreuth 1883), Joh. Böhm, D. dramat. Theorien P. C o r n e i l l e s , e. Beitr. z. Gesch. u. Krit. d. franz. Dramas (Berlin 1901, das. p. I I I — V , Literatur zur Gesch. u. Theorie d. franz. Dramas), P. Bastier, F é n e l o n , critique d'art (P. 1903), E. Krantz, L'esth. de D e s c a r t e s , étudiée dans les rapports de la doctr. cartés. avec la littér. class. l'ranç. au X V I I s. (Paris 1882), A. Pirro, Descartes et la musique (Paris 1907), K. Blanck, D. französ. Einfluß im zweiten Teil von Gottscheds krit. Dichtkunst (Münch. Diss., 1910, 147 S., das. d. neueste Gottschedliteratur), Morel, E t u d e sur l'abbé Dubos (Paris 1849), Paul Petent, J. B . D u b o s , Contrib. à l ' h i s t . des doctr. esth. en France (Berner Diss., 1902, 95 S., das. S. 80ff. der Einfluß des Dubos auf die Schweizer Ästhetik u. auf Lessing), V. Cousin, Oeuvres philos, du P è r e A n d r é (Paris 1843, das. eine wertvolle Einl. Cousins üb. d. in Deutschi, wenig bekannten, von Diderot über alles hochgeschätzten Verfasser des „Essai sur le Beau", 1759 u. ö., 236 S.), E. v. Danckelmann, Ch. B a t t e u x (Rost. Diss., 1902, Makulatur), Manfr. Schenker, Ch. B a t t e u x und s. Nachahmungstheorie in Deutschland (Walzels Unters, z. neueren Spr. u. Lit. Gesch., N. F., H. 2, Leipzig 1909), Paul Sakmann, V o l t a i r e als Ästh. u. Literarhistoriker
25 (Arch. f. d. Stud. d. a, Spr. u. Lit., 1907, 1. u. 2. H.), Ch. Waas, Idealismus oder Naturalismus ? Goethe contra D i d e r o t (,,D. Zeitgeist", Berl. Tagebl. v. 6. Febr. 1911, das. Literatur zu Goethe-Diderot), C h r i s t . T h o m a s i u s , Yon Nachahmungd. Franzosen, 1687(Neuausg. in Sauers Deutsch. Lit. Denkm., N. F. 51, Stuttgart 1894). Wenig beachtet sind bis heute in Frankreich wie in Deutschland C r o u s a z , Traité du beau (Amsterdam 1715, 302 S., deutsch, Königsberg 1758), die erste französische Systematik der Philosophie des Schönen, M o n t e s q u i e u , Essai sur le goût (deutsch, Straßburg 1762), P o u i l l y , Théorie des sentiments agréables (Paris 1748 u. ö., deutsch, Berlin 1751, von Breitinger hochgeschätzt, vgl. Bergmann, D. Begr. d. deutsch. Ästh., S. 269), D ' A r g e n s , Réflexions historiques et critiques sur le goût (Berl. 1743, 411 S.). Eine gründliche Studie über die englische empiristisch-sensualistische Ästhetik des 18. J a h r h u n d e r t s und ihren Einfluß auf die deutschen Vor- und Nachkantianer fehlt. Das ist um so bedauerlicher, als dieser Einfluß nicht hoch genug angeschlagen werden kann. Sind doch in der zweiten Hälfte des 18. J a h r h u n d e r t s s ä m t l i c h e größeren englischen Ästhetiker a u s n a h m s l o s in guten Übersetzungen dem deutschen Publikum dargeboten worden, ein Beweis f ü r die Höhe und Vielseitigkeit des Interesses f ü r Ästhetik und ästhetische K u l t u r im so oft geschmähten eklektischen Aufklärungszeitalter. Wir nennen P o p e (Versuch üb. d. Kritik, deutsch 1745 u. ö.), H o g a r t h (verdeutscht durch Lessing, 1754), D. Y o u n g (Gedanken üb. d. Originalwerke, unbekannte deutsche Übersetzung von 1761 in der Samml. Bergmann-Leipzig), H u t c h e s o n (1762), Daniel W e b b (D. Schöne i. d. Malerei, 1766), Home (1765), S h a f t e s b u r y (deutsch 1776), D. H u m e (Abhandig. v. Trauerspiel u. vom Geschmack, 1758), G e r a r d (Üb. d. Geschmack, 1759, derselbe: Üb. d. Genie, 1776), B u r k e
26 (1773), H a r r i s (Handb. d. philos. Kritik, 1789), Hugo B l a i r (Vöries, üb. Rhetorik u. schöne Wissenschaften, 4Tie., 1785—89), A l i s o n (Vers. üb. d. Geschm., deutsch von K.'H. Heydenreich, 1792), R e y n o l d s (Ästh. d. bild. Künste, Dresden 1781). Diese knappe Liste scheint mir das oben angegebene Desiderat hinlänglich zu rechtfertigen. Bis diese Lücke ausgefüllt ist, was freilich keine leichte Arbeit sein dürfte, muß H. v. Stein wiederum als Führer gelten (vgl. die beiden Kapitel über Shaftesbury und über die beschreibende Ästhetik der Britten, S. 143—219). Von brauchbaren Einzelarbeiten ist zu nennen J. WoMgemuth, H. Homes Ästhetik und ihr Einfluß a. d. deutsch. Ästh. (Berlin 1873, 77 S.), W. Neumann, D. Bedeutung Homes f. d. Ästh. u. s. Einfluß auf d. deutsch. Ästhetiker (Hallenser Diss., 1894, 168 S.), G. Candrea, D. Begr. d. Erhabenen bei Burke u. Kant (Straßb. Diss., 1894, 80 S.), C.Fedeles, Vers. üb. Alisons Ästh. E. Beitr. z. Entwicklungsgesch. d. engl. Ästh. im 18. Jahrh. (Münch. Diss., 1911, 75 S., das. d. Literatur über Alison), S h a f t e s b u r y , Brief üb. d. Enthus., deutsch mit trefflicher Einleitung von M. Frischeisen-Köhler (Philos. Bibl., Bd. 111, Leipzig 1909), Th. Fowler, Shaftesbury and Hutcheson (London 1882), Will. Bob. Scott, Fr. Hutcheson, his life usw. (Cambridge 1900, Literatur!), R e y n o l d s berühmte akademische Reden „Zur Ästhetik und Technik der bildenden Künste" (neu übers, u. eingel. v. Ed. Leisching Sehr. d. philos. Ges. d. Univ. zu Wien, Leipzig 1893, 325 S.), dazu P. Ortlepp, Sir Joshua Reynolds, ein Beitr. z. Gesch. d. Ästh. d. 18. Jahrh. in England (Jenenser Diss., das Ganze: Straßburg 1907, 84 S.). In neuerer Zeit hat sich erfreulicherweise das Interesse auch der Ästhetik des lange vergessen gewesenen F r a n s H e m s t e r h u i s zugewendet. Schon der Leipziger Magister Chr. G. Herrmann schrieb ein Büchlein: Kant und Hemsterhuis in Rücksicht ihrer Definitionen
27 der Schönheit (Erfurt 1791). Man sehe vor allem Alb. Funder, Fr. H. u. d. Ästh. der Engländer und Franzosen im 18. Jahrh. (Bonner Diss., 1912), vollständig unter dem Titel: D. Ästh. d. Fr. H. u. ihre historischen Beziehungen. Mit einigen Zusätzen von Ad. Dyrofj-Bonn (In DyToffs „Renaiss. u. Philos., Beitr. z. Gesch. d. Philos., H. 9, Bonn 1913, 151 8., das. die Spezialliteratur über Hemsterhuis), sodann F. Bulle, Fr. H. und der deutsche Irrationalismus des 18. Jahrh. (Jena 1911). Alb. Krapp behandelt ,,D. ästh. Tendenzen H a r s d ö r f f e r s (Beil. Diss., 1903). Zum Thema der Entstehung der deutschen Ästhetik als Wissenschaft darf ich auf meine beiden Arbeiten über B a u m g a r t e n - M e i e r und über P l a t n e r verweisen: Die Begründung der deutschen Ästhetik durch A. G. Baumgarten und G. Fr. Meier. Im Anh. G. Fr. Meiers ungedr. Briefe (Leipzig 1911, 273 S.) und: Ernst Platner u. d. Kunstphilosophie des 18. Jahrh. Nach ungedr. Quellen dargest. Im Anh. Platners Brief w. mit d. Herzog v. Augustenburg üb. d. Kant. Philos., u. a. {Leipzig 1913, 349 S.). Beide Schriften ergänzen einander. Die Hallenser Wolffianer Baumgarten und Meier suchen (1750) nach dem innersten Wesen des Ä s t h e t i s c h - W i r k s a m e n im künstlerischen Genießen wie in der Wahrnehmung des Naturschönen, der Leipziger Philosoph Platner dagegen (1777) nach dem innersten Wesen des k ü n s t l e r i s c h e n G e s t a l t u n g s t r i e b e s . Beiden dient die Leibnizsche Vermögens-Psychologie zur Lösung des Problems, beide steigen mit Leibniz hinab in das intime Dunkel des „fundus animae", nur mit dem Unterschied, daß Baumgarten im halberleuchteten Zwischenreich eines bloß „verworrenklar" empfindenden E r k e n n t n i s v e r m ö g e n s sein ÄsthetischWirksames entdeckt, Platner dagegen den Kern der künstlerisch-genialen Gestaltungskraft auffindet in der von gleicher Dämmerung erfüllten seelischen Unter-
28 weit eines bloß in „dunklen Antrieben" sich aussprechenden und als dumpf-wachende „ U n r u h e " zum Bewußtsein kommenden Begehrungsvermögens. Beide begründen die deutsche Ästhetik aus dem Geist der Leibnizschen Philosophie, der erstere als Wissen, schaft des Schönen und Geschmackskritik, der letztere als Philosophie der Kunst und des künstlerischen Schaffens. Platners Lehre vom „Geist der Kunst und Philosophie" ist nicht ohne Nachwirkung geblieben, u. a. auch auf F i c h t e , wie demnächst zu zeigen sein wird (Fichtes von Schiller abgelehnter Horenaufsatz von 1794: „Vom Geist und Buchstab in der Philosophie"; vgl. auch das Kapitel: Von PI. über K. Ph. Moritz zu Goethe, Bergmann, S. 322ff.). D a sie aber Jahrzehnte hindurch nur vom Katlieder verkündigt worden und nie im Druck erschienen ist, war sie bis heute unbekannt. Die Auffindung einer umfangreichen Kollegnachschrift von 1777 (in der Sammlung Bergmann-Leipzig) ermöglichte ihre Rekonstruktion. (Über den Wert meiner E n t d e c k u n g sehe m a n Joh. Volkelt, „Syst. d. Ästh.", I I I , 282, München 1914; Bud. TJnger, Lit. Zentralblatt v. 13. Dez. 1913; E. TJtitz, Deutsche Literaturztg. v. 28. Febr. 1914; W. Metzger, Theol. Literaturbl. v. 5. Dez. 1913; W. Stammler, Ztschr. f. deutschen Unt. v. 27. J a n . 1914; Nachträge von B ü t t n e r , Ger. Zeit, v. 10. J a n . 1914). Die Literatur über B a u m g a r t e n ist sehr ansehnlich. Sie begann in den vierziger J a h r e n ( M ü l l e r , D. Idee d. Ästh., ihrem hist. Urspr. nach dargest., Progr., E a t i b o r 1840; K. L o c h e r , A. G. Baumg. Syst. d. Ästh., Mannheim 1855) und h ä u f t e sich, als die Philosophische F a k u l t ä t der Universität Halle in den siebziger J a h r e n auf Anregung des Leipziger Baumgartianers Conr. H e r r m a n n (s. o.) eine P r e i s a u f g a b e über „Leibniz' und Baumgartens Ästhetik" stellte, die zahl-
2a reiche Bearbeiter fand (H. O.Meyer, 1874; Joh. Schmidt, 1875; E. Prieger, 1875; vorher C. Baabe, Rostock 1873). Bernh. Poppe fand 1907 auf der Kgl. Bibliothek zu Berlin eine deutsche Kollegnachschrift von B.s Ästhetik aus den vierziger J a h r e n des 18. J a h r hunderts (A. G. B., s. Bedeutg. u. Stelig. in d. Leibn.Wolffischen Philos. u. s. Bez. zu K a n t . Diss., Münster 1907, 258 S.). Aus neuester Zeit stammen M. Bojanowski, Lit. Einflüsse b. E n t s t . von B.s Ästh. (Berl. Diss., 1910) und H. Sommer, D. poet. Lehre A. G. B.s (Münch. Diss., 1911, 103 S., literarischen Inhalts). Benedetto Croee h a t kürzlich einen Neudruck von B.s „Meditationes philosophicae" von 1735, die die erste Skizze der neuen Wissenschaft enthalten, veranstaltet (Neapel 1900, 46 S. mit kurzer Einleitung). Eine erschöpfende Arbeit über die Ästhetik M e n d e l s s o h n s fehlt, Vorarbeiten bei Kannegießer, Stellung M.s in d. Gesch. d. Ästh. (1868) und B. Goldstein, D. Bedeutg. M. M.s f. d. E n t w . d. ästh. Krit. u. Theor. in Deutschi. (Königsberger Diss., 1897, 58 S.). Trefflich ist die Würdigung M.s bei Braitmaier (II, 72 ff.). Eine Neuausgabe der „Briefe über die E m p f i n d u n g e n " wäre zu wünschen. Man sehe „Lessings Briefwechsel mit Mendelssohn und Nicolai über d. Trauerspiel", herausg. u. erl. v. R. P e t s c h (Phil. Bibl., Bd. 121, Leipzig 1910). S.ulzer ist viel behandelt, wird aber meist überschätzt. Es schrieben L. M. Heym, Darst. u. Krit. d. ästh. Ansichten S.s (Leipz. Diss., 1894), K. J. Gross, S.s Allg. Theorie d. sch. Künste (Berl. Diss., 1905, von Dilthey angeregt), A. Palme, S.s Psychologie u. d. Anfänge d. Dreivermögenslehre (Berl. Diss., 1905), J. Leo, Zur Entstehungsgesch. d. Allg. Theorie d. sch. K. S.s (Heidelb. Diss., 1906), F. Bose, S. als Ästh. u. s. Yerh. zu d. ästh. Theorie u. Krit. d. Schweizer (Arch. f d. ges. Psych., X , 3 u. 4. H., Leipzig 1907). Braitmaier (II, 55) scheint mir Sulzers Bedeutung zu unterschätzen.
30 Die L e s s i n g - L i t e r a t u r bei Erich Schmidt. August Schmarsow schrieb Erläuterung und Kommentar zu Lessings Laokoon (Leipzig 1908). W i n c k e l m a n n ist erschöpft durch K. Justis bekanntes Werk (3 Bde., 2. Aufl., Leipzig 1908). Von Neudrucken Winckelmannscher Texte beachte m a n den „Versuch einer Allegorie bes. f. d. K u n s t " (nach dem Handexempl. d. Verf. mit vielen Zusätzen herausg. v. A. Dressel, Vorw. v. C. Tischendorf, Leipzig 1866), ferner „Gedanken üb. d. Nachahm. griech. W e r k e " (Deutsch. Lit. Denkm., Nr. 20, Heilbronn 1885, Einl. v. B. Seuffert) und „Geschichte d. Kunst im A l t e r t u m " (nebst Ausw. s. kleineren Schriften, hrsg. u. eingel. v. Jul. Lessing, 2. Aufl., Leipzig 1911, dasselbe hrsg. v. V. Fleischer, Berlin 1912). Ein Winckelmann-Brevier bietet A. v. Gleichen-Russwurm, Klassische Schönheit ( J e n a 1906, Erzieher zur deutsch. Bildg., Bd. 7). A. H. Baier schrieb: W.s Lehre v. Schönen u. v. d. Kunst (Vortr. z. 9. Dez. 1862 an d. Univ. Greifswald), A. Tibal, Inventaire des manuscrits de W. d6p. ä la Bibl. N a t . (Paris 1912). Raphael Mengs,,Gedanken über die Schönheit", seit 1874 bei Reclam mit Einleitung von M. Heller. Unter den Ästhetikern des Aufklärungszeitalters haben noch Beachtung gefunden der völlig unselbständige G. A. B ü r g e r (Chr. Janentzky, „B.s Ästh.", in Munckers Forsch, z. neueren Lit. Gesch., Bd. 37, Berlin 1909, 250 S., äußerst gründlich), sodann Goethes Freund und Lehrer K. Ph. M o r i t z (M. Dessoir, K. P h . M. als Ästh., Berl. Diss., 1889; Neuausg. d. Schrift „ Ü b e r d. bild. Nachahm. d. Schönen" in Deutsch. Lit. Denkm., Nr. 31, Heilbronn 1888, mit guter Einl. v. 8. Auerbach), ferner vor allem der Ardinghello-Dichter W. H e i n s e (E. Utitz, Heinse u. d. Ästh. z. Zeit d. deutsch. Aufkl., e. problemgeschichtl. Studie, Halle 1906; K . I). Jessen, H.s Stelig. zur bild. Kunst u. ihrer Ästh., Berl. Diss., 1907; W. Brecht, H. u. d. ästh. Immoralis-
31 mus, Berlin 1911, 195 S.; A. v. Lauppert, D. Musikästh. W. Heinses, Greifswald. Diss., 1912; A. Winkler, W. H., Briefe a. d. Düsseldorfer Gemäldegalerie 1776—77, Textausg. u. Untersuch, z. Gesch. d. Ästh., I, Leipzig u. Wien 1912, 203 S., mit e. Skizze der deutsch. Geniezeit u. e. Entwicklungsübersicht der ästh. Grundbegriffe im 18. Jahrh.), endlich Joh. Ad. S c h l e g e l (H. Bieber, J . A. Schl.s poet. Theorie in ihrem histor. Zusammenhang untersucht, Berl. Diss., 1911, 102 S., sehr unterrichtend) und Fr. Just R i e d e l (Kas. F. Wize, F. J . E . u. s. Ästh., Leipz. Diss., 1907). Man sehe A. Schering, D. Musikästh. d. deutsch. Aufkl. (Ztschr. f. d. internat. Musikgesch., V I I I , 1907, S. 263ff., 316ff.). Über die Desiderata im Forschungsgebiet s. o. Innerhalb der Spezialliteratur zur K a n t i s c h e n Ästhetik stehen die bekannte Cohensche Systematik (K.s Begründung d. Ästh., Berlin 1899), das vielgerühmte Buch von V. Bäsch (Essai critique sur l'esth. de Kant, Paris 1896) und Otto Schlapps inhaltsreiche Publikation über „Kants Lehre vom Genie und die Entstehung der Kritik der Urteilskraft" (Göttingen 1901) an erster Stelle. Namentlich das letztere Werk ist für den Historiker interessant. Es beweist auf das deutlichste das organische Hervorwachsen der von unhistorischen Köpfen vielfach als ein völliges Novum angestaunten Kantischen Geschmacks- und Genielehre aus den mannigfaltigen Bestrebungen der vorkritischen englischen, französischen und deutschen Ästhetiker. Um diesen Nachweis zu erbringen, kam dem Verfasser die von der Kgl. Akademie und den Mitarbeitern der großen Kantausgabe gewährte Einsichtnahme in etwa 30 noch unedierte Nachschriften von Kants Logik-, Metaphysik* und Anthropologievorlesungen aus den Jahren 1770—1795 trefflich zu statten. In der schwierigen Datierung der Dokumente kann manches anfechtbar erscheinen. Auch ist es dem fleißigen Forscher nicht
32 immer gelungen, aus der erdrückenden Fülle des Materials klare Entwicklungslinien herauszuarbeiten. Namentlich im zweiten Teil des Buches macht sich dieser Mangel sehr unangenehm bemerkbar. Immerhin ist das Buch Schlapps epochemachend für das historische Verständnis der Kantischen Lehre. Neben ihm beh a u p t e n noch eine Geltung H. Fenner, D. Ästh. K.s u. s. Vorgänger (Bützow 1875), W. Nicolai, Ist der Begriff d. Schönen bei K. konsequent entwickelt 1 (Kieler Diss., 1889), H. Falkenheim, D. Entstehung d. Kant. Ästh. (Heidelb. Diss., 1890), B. Grundmann, D. Entwicklung d. Ästh. K a n t s (Leipz. Diss., 1893), J. Goldfriedrieh, K.s Ästh. (Leipzig 1985, 227 S.), W.Frost, Die Grundlage d. Begr.' d. Urteilskr. bei K. (Königsb. Diss., 1905), W. Vogt, D. ästh. Idee bei K. (Erlanger Diss., 1906), A. Schering, Zur Musikästh. K.s (Zeitschr. d. intern. Musikges., 1910, X I , 6), K. F. Wise, D. Definition d. Schönen in K.s Kr. d. Urt. (Verh. d. I I I . Intern. Kongr. f. Philos., Heidelberg 1908), Melian Stavell, K.s theory of art (The Burlington Magazine, Okt. 1912). Man sehe endlich die wertvolle Einleitung zur Kritik der Urteilsk r a f t von B. Erdmann (2. Aufl. der Neuausg., H a m b u r g u. Leipzig 1884). Einen besonders beliebten Gegenstand geschichtlicher B e t r a c h t u n g bildet das Verhältnis des kunstfremden K a n t zu kunsterfahrenen Theoretikern und Dichterphilosophen wie S c h i l l e r , H e r d e r und S c h e l ling. E. Kühnemann (Kants u. Schillers Begründg. d. Ästh., München 1895) sucht das Problem K a n t S c h i l l e r mehr von der ästhetisch-theoretischen, W. Bosalewski, ein Schüler Natorps (Sch.s Ästh. im Verh. zu K a n t , Heidelberg 1912), mehr von der ästhetischpädagogischen Seite zu fassen. Beide Arbeiten sind wertvoll. Man sehe auch Joh. Palm, Vergleich. Darst. v. K.s u. Sch.s Bestimm, üb. d. Wesen d. Schönen (Jenenser Diss., 1878) und J. ThiMtter, Ideal u. Leben
33 nach Seh. u. K. (Bremen 1892). Das Problem K a n t H e r d e r hat in G. Jacoby (K.s u. K.s Ästh., Leipzig 1907, 348 S.) einen verständnisvollen Bearbeiter gefunden. Zu gleicher Zeit schrieb W. Sange, K. u. H., über das Angenehme, Gute und Schöne (Hallenser Diss., 1906) und E. Baer, Beobachtungen üb. d. Verh. v. H.s Kalligone z. K.s Krit. d. Urt. (Heidelb. Diss., 1907). Wie sehr der Streitfall Kant-Herder schon die zeitgenössische Ästhetik beschäftigt hat, beweist die heute vergessene, interessante kleine Schrift von W. T. Krug, Kalliope und ihre Schwestern. Ein ästh. Versuch, den Manen Kants und Herders zur Feier ihrer Versöhnung in der Unterwelt (Leipzig 1805, Kl. 8:, 206 S.). — „Kants Ästh. und S c h ö l l i n g s Kunstphilosophie nach ihrer systematischen Prinzipien und Beziehungen" analysiert Chaim N. Brüstiger (Hallenser Diss., 1912), K. Hoffmann, „Die Umbildung der Kantischen Lehre vom Genie in Schellings System d. transz. Idealismus" (Berner Stud. z. Philos, u. ihrer Gesch., Bd. 53, 1907). Zu H e r d e r s Ästhetik sind noch von Wert N. Friedland, Üb. d. Verh. v. H.s „Erstem krit. Wäldchen" zu Lessings Laokoon (Progr., Bromberg 1905) und P. Chroboh, D. ästh. Grundgedanken v. H.s Plastik in ihrem Entwicklungsgang (Leipz. Diss., 1906). Eine kritische Sichtung der wichtigsten Literatur zu S c h i l l e r s Ästhetik gibt Kühnemann (S. 173 ff.). Wir tragen nach außer Montargis (1892) und Berger (1894) vor allem V. Bäsch, La poétique de Schiller, essai de l'esth. littér. (Paris 1911), G. Zimmermann, Vers. e. Sch.schen Ästh. (Leipzig 1889), B. Kriehenbauer, Üb. d. Bez. zw. Ethik u. Ästh. in Sch.s philos. Sehr. (Progr., Brünn 1905), W. Bolze, D. philos. Begründg. d. Ästh. d. Trag, in Sch.s Abhandl. (Leipz. Diss., 1913), F. Kuberka, D. Idealismus Sch.s als Erlebnis u. Lehre (Heidelberg 1913, 210 S.), J. Wernly, Proleg. z. e. Lexikon d. ästh.-ethischen Terminol Fr. Sch.s (Walzeis
Unters, z. neuer. Spr. u. Lit., N. F. 4, Leipzig 1909, Die brauchbarste Auswahlausgabe von 215 S.). Sch.s „Philos. Schriften", hrsg. u. eingel. v. E. Kühnemann (Philos. Bibl. 103, Leipzig 1902), zum Schulgebrauch die Kommentare von E. Grosse („Ideal u. Leben", 1886, „Künstler", 1890, „Abhandlung üb. d. Erhabene", 1895). Aus älterer Zeit ist noch lesenswert W. E. Weber, Vorlesungen zur Ästhetik, vornehmlich in bezug auf Goethe und Schiller (Hannover 1831). Einer ähnlich vielseitigen Interpretation seiner Lehre vom Schönen, wie sie der Lieblingsdichter des deutschen Volkes gefunden, k a n n sich der mehr auf die kunstphilosophischen Probleme gerichtete Idealist und Diderotgegner G o e t h e nicht rühmen. Eine erschöpfende Studie über Goethes Kunstphilosophie, wie sie der weltgeschichtlichen Bedeutung seines Namens entspräche, fehlt. W. Boele (G.s Ästh., Berlin 1901) bietet k a u m mehr als einen sehr brauchbaren Zitatenschatz, und E. Heyfelderg „Ästh. Studien" üb. d. Illusionstheorie und Goethes Ästh. (Freiburg i. B. 1904) vermag, einen wie großen R a u m das Illusionsproblem in Goethes Denken auch eingenommen haben mag, den Gegenstand nicht zu erschöpfen. Auch läßt sich gegen den S t a n d p u n k t Konr. Langes, den Heyfelder hier vertritt, mancherlei einwenden. Über Wilh. v. H u m b o l d t s Ästhetik sehe m a n den Abschnitt bei E. Spranger (W. v. H. u. d. Humanitätsidee, Berlin 1909, S. 309ff.), dazu H. Eettners bekannte Studie (W. v. H.s Ästh. Vers., 3. Aufl., Braunschweig 1861), u n d aus neuerer Zeit F. Jonas, Ans. üb. Ästh. u. Lit. v. W. v. H. (Berlin 1880), F. Müssler, W. v. H.s pädagog. Ans. im Lichte s. ästh. Lebensauffassung (Leipz. Diss., 1908), 6. v. Stryk, W. v. H.s Ästh. als Versuch e. Neubegründg. d. Sozialwiss. (Berlin 1911, 129 S.), endlich H. a. d. Fuente, W. v. H.s Forschungen über Ästh. (Gießen 1912).
35 Die spekulative Ä s t h e t i k des d e u t s c h e n I d e a l i s m u s verdiente nachgerade, wie es dem neuidealistischen Geist unseres Zeitalters entspricht, in einer größeren zusammenhängenden Sonderbetrachtung gewürdigt zu werden. Bud. Hayms „Romantische Schule" (2. Aufl. 1906) kann auch heute noch als Orientierungsbasis dienen. Auch fehlt es keineswegs an Einzeluntersuchungen auf diesem Gebiet. F i c h t es ungeschrieben gebliebenes System der Ästhetik hat gelegentlich Beachtung gefunden, ohne daß freilich seine geschichtlichen Quellen erkannt wären, durch B. F. Battin, D. ethischen Elemente in d. Ästh. F.s u. Schellings (Jenenser Diss., 1907) und G. Tempel, F.s Stellung zur Kunst (Metz 1901). — „ S c h e l l i n g s Vorlesungen über Philosophie der Kunst" (1802—05) behandelt M. Adam (Erlang. Diss., 1907), derselbe Sch.s Kunstphilosophie (Falckenbergs Abh. z. Philos. u. ihrer Gesch., Leipzig 1908), „Das Unendlichkeitsproblem in Sch.s Ästhetik", B. Berwin (Heidelb. Diss., 1913), Faggi, „Lo Sch. e la filosofia dell' arte (Modena 1909). — „Über die Ästhetik der H e g e i s c h e n Philosophie" ist noch heute von Wert W. Danzels gleichnamige Abhandlung (Hamburg 1844). Man sehe ferner J. S. Kedney, Hegel's Ästhetics, A critical exposition (Chicago 1885), J. Kohn, H.s Ästhetik (Ztschr. f. Philos., 1902, Bd. 120, H. 2), dann die Abschnitte bei K. Fischer, endlich A. Lewkowitz, H.s Ästh. im Verh. zu Schiller (Bresl. Diss., 1910). Über S o l g e r ist wertvoll die Einleitung von Bud. Kurtz, Zur Neuausgabe des „Erwin" (Berlin 1907). „Schleierm a c h e r s Ästhetizismus" (1796—1802) wurde behandelt von M.O. Sommer (Rost. Diss., 1913), „Schi. Ästhetik" von E. Lurie (Berner Diss., 1913). Über S c h o p e n h a u e r s Erlösungslehre vom Schönen und der Kunst ist die Literatur sehr groß. Man sehe H. Klee, Grundz. e. Ästh. nach Sch. (Berlin 1875), Fr. Sommerlad, Darst. u. Krit. d. ästh. Grundansch. Sch.s (Gießener
36 Diss., 1895), M. Himmler, Die Ästh. in ihren Bez. zur E t h i k bei Seh. (Berner Diss., 1897), Ed. v. Mayer, Sch.s Ästh. u. ihr Yerh. zu d. ästh. Lehren K a n t s u n d Schellings (Hallenser Diss., 1897), N. A. Nobel, Sch.s Theorie d. Schönen in ihrer Bez. zu K a n t (Bonner Diss., 1897), Ett. Zoecoli, L'esthetica di Sch., propedeutica all' estetica wagneriana (Mailand 1901), Erdm. Müller, Sch.s Yerh. z u r D i c h t k . (Erlang. Diss., 1904), W. Ramm, Zur Lehre v. d. Ideen in Sch.s Ästh. (Erlang. Diss., 1905). „ J e a n P a u l s Ästhetik" behandelt E. Behrend (Berlin 1909, 294 S.), seine „Ästhetik des Lächerlichen" K. Zimmermann (Leipz. Diss., 1912), Joh. Volkelt, „ J e a n Pauls hohe Menschen" (Zwischen Dichtung und Philosophie, München 1908, S. 106). Über „Religion und Ästhetik bei J. Er. F r i e s , e. Darst. s. religiösästhet. Weltanschauung" schrieb E. Mansch (Leipz. Diss., 1898), über „Er. v. H a r d e n b e r g s ästh. Anschauungen" Ed. Havenstein (Berlin 1909). W a c k e n r o d e r s Werke und Briefe wurden herausgegeben von F. v. d. Leyen (2 Bde., J e n a 1910). „A. W. S c h l e g e l s Vorlesungen über Philos. Kunstlehre mit erläuternden Bemerkungen von K. Chr. Fr. K r a u s e " sind kürzlich (Leipzig 1911) von A. Wünsche nach einer Kollegnachschrift von der H a n d des Platonikers Fr. Ast (1798 nachgeschrieben) aus dem unerschöpflichen Nachlaß Krauses ans Licht gestellt worden. Neben und hinter den großen Vorkämpfern des deutschen Idealismus liegt noch ungesichtet eine reiche ästhetische Literatur ausgebreitet, wie sie von weniger hervortretenden Denkergestalten geschaffen, dennoch den hohen Geist jener Blütezeit des deutschen Denkens mit nicht geringerer Leuchtkraft spiegelt. Hier in einer überblickenden Studie von der Spreu den Weizen zu sondern wäre meines Erachtens eine nicht undankbare Aufgabe. Ich verweise zur näheren Bezeichnung des Gegenstandes nur kurz auf die zahlreichen Schriften
37 ästhetischen Inhalts von W. Tr. K r u g (1802 ff.), dann vor allem B o u t e r w e c k s (1798 ff.) und sein damals viel studiertes Lehrbuch der Ästhetik (öfters aufgelegt, 1806, 1815, 1824), ferner auf L u d e n (1804), C. H. L. P ö l i t z (1807), A. S c h r e i b e r (1809), F. A s t (1805), Dambeck, Bachmann, J. J. Wagner, F. Fischer, H. Ritter (1840), A. W. B o h t z , L o m m a t z s c h u. a. Philosophisch-ästhetische Phantasien, wie sie A. E r h a r d unter dem Titel „Möron" Bayerns Jünglingen gewidmet (Passau 1826), schienen mir bei flüchtigem Durchblättern zu Unrecht der Vergessenheit anheimgefallen. H a n d s c h r i f t e n aus jener Zeit werden in der Sammlung Bergmann-Leipzig aufbewahrt, so u. a. eine Göttinger Kollegnachschrift vom Wintersemester 1815/16, enthaltend B o u t e r w e c k s Ästhetik (gr. 4°, 551 S.; aus der Sammlung Kürschner, das Lehrbuch von 1815 kommentierend), ferner die unedierten und nicht uninteressanten Ästhetik-Vorlesungen, die der bekannte Dichter Aug. Gottl. M e i s n e r (1753—1807) als Professor der Ästhetik und Literatur im Wintersemester 1803/04 an der Prager Universität gehalten (8°, 536 S., aus der Sammlung von Prof. Dwrdicfc-Prag f), endlich die Handschrift zu der unveröffentlicht gebliebenen zweiten Auflage der Kalliästhetik (Nürnberg 1813) von G. Ph. Chr. K a i s e r , der den Versuch macht, die Systeme von Kant, Herder, Schelling, Krug, Bouterweck und Platner im Geiste Piatos zu verschmelzen u. a. m. Zur ferneren Entwicklung der deutschen und ausländischen Ästhetik des 19. Jahrhunderts müssen wir uns an dieser Stelle auf folgenden summarischen Literaturbericht beschränken: E. Heyfeider, Klassizismus und Naturalismus bei F r . Th. V i s o h e r (Berlin 1901), Fr. Reich, D. Kulturphilos. Fr. Th. Vischers (Leipz. Diss., 1907), J. Volkelt, D. Lebensansch. Fr. Th. V. (Zw. Dicht, u. Philos., München 1908, S. 285 ff.),
38 J. Bohr, L o t z e s Ästh. (Hall. Dise., 1890), Franke, Üb. d. angeblich 2 ästh. Denkweisen H e r b a r t s (Ztschr. f. Philos, u. Päd., 19. Bd., 4—8), G. Bagier, Herbart u. d. Musik (Ztschr. f. Phil. u. Päd., 18. Bd., 1—8), O. Eostinsky, Herb. Ästh. (1891), A. Ziechner, H.s Ästh. (Gekr. Preisschr., Leipz. Diss., 1907), Eons Reichel, D. Kunstphilos. S c h i n k e l s u. Fr. v. B a a d e r s (Ztschr. f. Ästh., VI, 177ff. u. 525ff.), A. J. Becher, D. Kunstansch. W. M ü l l e r s (Münst. Diss., 1908), V. Schweizer, Lud. W i e n b a r g , Beitr. z. jungdeutschen Ästh. (Leipzig 1898), B. Bosen, L. B ö r n e als Kunstkritiker (Greifsw. Diss., 1912), J. Volkelt, G r i l l p a r z e r als Dichter d. Tragischen (München 1888), derselbe, Gr. als Dichter des Komischen (zw. Dichtg. u. Phil., S. 253 ff.), Emil Beich, Grillparzers Kunstphilos. (1890), F. Strich, Fr. Grillp. Ästh. (Munckers Forsch., Bd. 29, Berlin 1905, 238 S.), A. Scheunert, D. Pantragismus als System d. Weltansch. u. Ästh. Fr. H e b b e l s (Würzb. Diss., 1902), Georgy, Zur ästh. Weltansch. Fr. Hebbels (Philos. Wochenschr. u. Lit. Ztg., 1906, II, 6, 7 u. 8), K. A l t , Schillers u. O. L u d w i g s ästhet. Grundsätze (Euph. X I I 3, S. 648 ff., 1905), A. Fischer, D. ästh. Ansch. Gottfr. S e m p e r s (Arch. f. d. ges. Psych., II, 4. H.), M. Prinzhorn, G. Sempers ästh. Grundansch. (Ztschr. f. Ästh., IV, 2. H.), Baoul Bichter, Kunst u. Philos, bei E. W a g n e r (Akad. Antrittsvorl., Leipzig 1906), Paul Moos, B. Wagner als Ästh. (Berlin 1906, 476 S.), J. Zeitler, N i e t z s c h e s Ästh. (2. Taus., Leipzig 1900), E. Witte, D. Probl. d. Trag, bei Nietzsche (Hall. Diss., 1901), M. Ähren, D. Probl. d. Trag, bei Ph. L i p p s und J o h . Volk e l t (Bonner Diss., 1909), Marcel Manso, L'art et le mythe d'après W u n d t (Bev. philos., 33. Bd., S. 48 ff., 1908), J. Volkelt Ästhet. Zeitfragen (München 1895), E. Spitzer, Krit. Stud. z. Ästh. d. Gegenwart (Leipzig 1897), M. Dessoir, D. Grundfragen d. gegenwärt. Ästh. (N. Kundsch. v. 8. Aug. 1905), Joh. Volkelt, Per-
39 sönl. und Sachliches aus m. ästh. Arbeitserfahrungen (Ztschr. f. Ästh., I, 161—180, 1905), A. Tumarkin, Ber. üb. d. deutsche ästhet. Literatur a. d. Jahren 1905—09 (Arch. f. syst. Phil., XVI, 3), V. Bäsch, Les grands courants de l'esth. allemande contemporaine (Rev. philos. 37. Bd., 1, 1911), Manfr. Porena, Estetica tedesca all' alba del secolo X X (Riv. d'Italia, Febr. 1911). Zur i t a l i e n i s c h e n Ästhetik des 19. Jahrhunderts schrieben K. Werner, Idealist. Theorien d. Schönen in d. italien. Philos, d. 19. Jahrh. (Wien 1884), A. Bolla, Storia delle idee estet. in Italia (Turin 1904), A. Fogge, Vinc. G i o b e r t i (Palermo 1901), B. Croce, Vestigia di estetica hegeliana nella critica del de Sanctis (La cult., Bd. 31, 9, 1912), weitere Literatur bei C r o c e (Ästh., S. 475 ff.); zur f r a n z ö s i s c h e n : M. Kuhnert, A Comtes Verh. zur Kunst (Leipzig 1910), H. Wülenbücher, G u y a u s soziolog. Ästh. (Progr., Mainz 1900), A. Nilson, Guyaus estetik. En kritisk Studie (Lund 1909), E. Bergmann, D. Philos. Guyaus (Leipzig 1912, S. 87ff., da selbst weitere Literatur), F. Strowski, Th. G a u t i e r , Le théoricien de l'Art pour l'Art (Rev. des Cours, XX, 31), A.Fusco, La filosofia dell'arte in Gustavo F l a u b e r t (Messina 1907), J. Zeitler, D. Kunstphilos. v. Hipp. T a i n e (Leipzig 1901), Péladon, Réfutation esth. de Taine (Mere, de France v. 1. Febr. 1906), Joh. Schlaf, Kritik d. Taineschen Kunsttheorie (Wien u. Leipzig 1906), Ch. Lalo, Taine et Zola, l'esth. naturaliste et l'esth. réaliste (Rev. bleue, 1911, Bd. 49, 7 u. 8.), Taines Kunstphilos. deutsch von Ernst Hardt (2. Aufl., Jena 1907), B. Piccoli, H. B e r g s o n e l'esthetica (La cult, contemp., 1910, Nr. 11—13); zur e n g l i s c h e n : Ernst Sieper, D. Evangelium der Schönheit in d. englischen Lit. u. Kunst d. 19. Jahrh., 30 Vortr. üb. d. Vorbereitg. u. Entw. d. ästh. Kultur in England (Dortmund 1906, 377 S.), O. Laufersweiler, D. ästh. Hauptlehren v. R u t g e r s M a r s h a l l (Gießen er Diss., 1909), A. Chevrillon, La
40 pensée de Ruskin (Paris 1909, 311 S.), J. Müsarid, L'esthét. anglaise. Etude sur John R u s k i n (2. Aufl., Paris 1909, 209 S.), B.Francis, Egyptian Ästhetic (London 1912). Zum Schluß seien noch einige dem Forscher unentbehrliche E n z y k l o p ä d i e n und lexikalische H i l f s w e r k e ästhetischen Inhalts angeführt: A. F. B ü s c h i n g , Entw. d. Gesch. d. zeichn. schönen Künste (Hamburg 1781, reiche ältere Literatur zur Theorie der Malerei, Bildhauer- und Steinschneidekunst), W a t e l e t e t L e v e s q u e , Dictionnairedes Arts de Peinture, Sculpture usw., deutsch unter dem Titel: „Ästh. Wörterbuch üb. d. bild. Künste", kritisch bearbeitet von K. H. H e y d e n r e i c h (4 Bde., gr. 8°, Leipzig 1793—95, darin wertvolle Originalabhandlungen von Heydenreich), J. E. G r o h m a n n , Kurzgef. Handwörterbuch üb. d. schönen Künste, von e. Gesellsch. von Gelehrten (1., einziger Band: A — D , Leipzig 1794, darin weitere philosophischästhetische Abhandlungen von H e y d e n r e i c h ) , A. L. M i l i i n , Dict. des beaux-arts (3 Bde., Paris 1806), Grub er, Wörterbuch zum Behuf d. Ästh. der schönen Künste (Weimar 1810), J. J e i t e l e s , Ästh. Lexikon, ein aiphabet. Handwörterbuch z. Theorie d. Philos. des Schönen u. d. sch. Künste (2 Bde., Wien 1835—37), und W. H e b e n s t r e i t , Wissenschaftlich-literarische Enzyklopädie der Ästhetik, ein etymol. -krit. Wörterbuch der ästh. Kunstsprache (2. Aufl., Wien 1848, gr. Lex. 8°, 994 S.).
DRUCK von ».TH.ENSELHIBDT IN LEIPZIB.
War Greco astigmatisch? Eine psychologische Studie zur Kunstwissenschaft von
DAVID KATZ Groß-Oktav
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1914
• M. 1.50
D
enen, die in dieser Schrift die psychopathologische Vernichtung eines ästhetischen und kunstwissenschaftlichen Problems vermuten, sei zur Beruhigung vorausgesagt, daß der Verfasser es für ausgeschlossen hält, Grecos Stileigentümlichkeiten aus einem Augenfehler erklären zu können und daß er so gerade für die Untersuchung der tieferen Motive von Grecos Schaffen die Bahn freimacht.
VEIT & C O M P .
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LEIPZIG
KUNST ILLUSION VON
DR. J U L I U S P A P Groß-Oktav, X u. 2 2 4 Seiten Geheftet Mk. 6.80. Elegant in Leinen gebunden M. 7 . 8 0 1914
D
as Buch spricht von der Illusion im Sinne des kunstpsychologischen Sprachgebrauchs, d. h. dem eigentümlichen seelischen Erfolg der sogenannten nachahmenden oder naturdarstellenden Künste. D e r polemische Teil setjt sich mit Lange, Volkelt, Lipps, K ü l p e , S o u r i a u u . a . auseinander. Pap entwirft eine illusionspsychologische Kasuistik und vertritt einen ästhetischen Pluralismus.
VEIT & C O M P .
• LEIPZIG