Geothermie-Vorhaben: Tiefe Geothermie: Recht, Technik und Finanzierung 9783486778632, 9783486717129

Alle Aspekte Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein Geothermie-Vorhaben erfolgreich umgesetzt werden ka

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German Pages 311 [312] Year 2013

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Table of contents :
Vorwort
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Zukunftsperspektiven und Herausforderungen der Tiefen Geothermie
1.1 Marktentwicklung bei der Stromerzeugung
1.1.1 Situation in Deutschland
1.1.2 Europa und die Welt
1.2 Wärmemarkt und Tiefe Geothermie
1.3 Projekthindernisse und Herausforderungen
2 Projektfinanzierung eines Geothermie-Vorhabens
2.1 Einleitung
2.2 Geothermie und Projektfinanzierung
2.2.1 Grundlagen einer Projektfinanzierung
2.3 Risikomanagement bei Geothermievorhaben
2.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten
2.4.1 Das Ressourcenrisiko – Abschätzung des Energieertrages
2.4.2 Das Funktionsrisiko – Bewährte Technologie?
2.4.3 Das Fertigstellungsrisiko – Einbindung eines Generalunternehmers
2.4.4 Das Betriebs- und Managementrisiko
2.4.5 Das Rechts- und Regulierungsrisiko in Deutschland
2.4.6 Zinsänderungsrisiko
2.4.7 Zusammenfassende Würdigung der Einzelrisiken
2.5 Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aus dem bisherigen Risikomanagement
2.5.1 Grundsätzliche Überlegungen
2.5.2 Hinweise zur Optimierung aus Sicht der Investoren und der Fremdkapitalgeber
2.5.3 Einbindung von Versicherungen in die Finanzierungsstruktur
3 Rechtliche Rahmenbedingungen
3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Tiefe Geothermie
3.1.1 Einleitung
3.1.2 Die relevanten Vorschriften
3.1.2.1 Bergrecht
3.1.2.2 Wasserrechtliche Normen (WHG, Wassergesetze der Länder)
3.1.2.3 Baurecht
3.1.2.4 Immissionsschutzrecht
3.1.3 Staatliche Förderung der Geothermie
3.1.3.1 Die Einspeisevergütung gemäß EEG
3.1.3.2 Vergütungsbonus für petrothermale Techniken – § 28 Abs. 2 EEG
3.1.3.3 Degression der Vergütung
3.1.3.4 KfW-Finanzierung als Teil des Fremdkapitals
3.1.4 Relevante Prüfungspunkte in der Due Diligence
3.1.5 Rechtliche Hemmnisse für die Geothermie
3.1.6 Ausblick und Vorschläge an den Gesetzgeber
3.2 Vertragspraxis Geothermie – rechtliche Aspekte
3.2.1 GU-Vertrag Kraftwerksbau Tiefe Geothermie – rechtliche Aspekte
3.2.1.1 Definition eines GU-Vertrages
3.2.1.2 Vergabe bei Ausschreibungspflicht
3.2.1.3 Beurteilung eines GU-Vertrages
3.2.1.4 Arten GU-Vertrag
3.2.1.5 Wer schreibt den Vertrag?
3.2.1.6 Einzelne Vertragsaspekte
3.2.1.7 Vertragsverhandlungen
3.2.1.8 Einzelne Vertragsinhalte des Globalpauschal-Vertrages
3.2.2 Tiefbohrvertrag
3.2.2.1 Einleitung
3.2.2.2 Ausschreibung
3.2.2.3 Vertragsarten
3.2.2.4 Vertragsinhalte
3.2.2.5 Ausländische Vertragsmuster
3.2.2.6 Zusammenfassung
3.2.3 AGB und VOB/B
3.2.3.1 Einleitung
3.2.3.2 Vertragsbedingungen
3.2.3.3 Hinweise
3.2.3.4 Rechtsprechung
3.3 Ausgewählte rechtliche Fragestellungen
3.3.1 Genehmigungsverfahren
3.3.1.1 Immissionsschutzrecht
3.3.1.2 Naturschutzrecht
3.3.1.3 Flächen und Wege für Leitungen
3.3.1.4 Strahlenschutzrecht
3.3.2 Geodaten
3.3.3 Vergabe- und Ausschreibepflichten für tiefengeothermische Anlagen
3.3.4 Nutzungskonkurrenz und Interferenz
3.3.4.1 Einleitung
3.3.4.2 Hydraulik, Temperatur, Wasserchemismus
3.3.4.3 Beeinflussung, Beeinträchtigung oder Gefährdung?
3.3.4.4 Beweissicherung – selbständiges gerichtliches Beweisverfahren oder isoliertes Beweisverfahren SOBau
3.4 Rechtliche Anforderungen an ein Sicherheitenkonzept aus Bankensicht
3.4.1 Einleitung
3.4.2 Sicherheitentreuhänder und Parallel Debt
3.4.3 Die Kreditsicherheiten im Einzelnen
3.4.3.1 Pfandrecht an öffentlich-rechtlichen Genehmigungen
3.4.3.2 Grundstückssicherheiten
3.4.3.3 Sicherungsübereignung
3.4.3.4 Pfandrechte an Forderungen und Rechten als Kreditsicherheit
3.4.3.5 Die Globalzession als Kreditsicherheit
4 Technische Rahmenbedingungen
4.1 Reservoireigenschaften und Reservoirmanagement
4.1.1 Einleitung
4.1.2 Reservoirengineering
4.1.3 Konzeption und bohrtechnische Erschließung des Forschungslabors Groß Schönebeck
4.1.4 Hydraulische Wasserstimulation
4.1.5 Seismische Ereignisse
4.1.6 Hydraulische Stützmittelstimulation
4.1.7 Produktivitätsbestimmung auf Basis hydraulischer Teste
4.1.8 Installation der Unterwasserpumpe
4.1.9 Betrieb und Monitoring
4.1.10 Zusammenfassung
4.2 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen
4.2.1 Einleitung
4.2.2 Untertägige Komponenten
4.2.2.1 Bohrtechnik
4.2.2.2 Verrohrung und Komplettierung
4.2.3 Übertägige Komponenten
4.2.3.1 Heizwerke
4.2.3.2 Kraft- bzw. Heizkraftwerke
4.2.4 Anlagenkonzepte
4.2.5 Herausforderungen und Entwicklungstendenzen
4.3 Management zentraler Fertigstellungsrisiken
4.3.1 Risikobegriff
4.3.2 Ziel und Risiken eines Geothermieprojektes
4.3.2.1 Reifegrad geothermischer Projekte in Deutschland
4.3.2.2 Zeitpunkt des Einstiegs in ein Geothermieprojekt
4.3.2.3 Risiken aufgrund des zeitlichen Entwicklungshorizontes
4.3.2.4 Planungsrisiken
4.3.2.5 GU-Verträge und Versicherungslösungen
4.3.2.6 Wahl der Erschließungsstrategie
4.3.2.7 Das bohrtechnische Risiko
4.3.2.8 Nachhaltigkeit der Förderung
4.3.2.9 Risikominimierung durch alternative Wärmeplanung
4.3.2.10 Öffentlichkeitswirkung
4.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten von Geothermie-Vorhaben
4.4.1 Einführung
4.4.2 Gesamtinbetriebnahme
4.4.3 Grundlagen des Betriebes
4.4.4 Pflichten des Betreibers
4.4.5 Risiken des Betriebes
4.4.5.1 Betriebsrisiko – Energiebereitstellung
4.4.5.2 Betriebsrisiko – Nachhaltigkeit
4.4.5.3 Betriebsrisiko – Verunreinigungen
4.4.5.4 Betriebsrisiko – Mikroseismik
4.4.5.5 Betriebsrisiko – verfahrenstechnische Leistungsminderung
4.4.5.6 Betriebsrisiko – Stillstand der Anlage
4.4.5.7 Betriebsrisiko – Stromabsatz/Wärmeabsatz
4.4.6 Betriebswirtschaftliche Betrachtung
5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
5.1 Sozio-technische Parameter der Projektentwicklung: Soziale Akzeptanz von Vorhaben der Tiefen Geothermie
5.1.1 Vorwort
5.1.2 Einleitung
5.1.3 Sozio-technische Parameter an der Schnittstelle zwischen Technik und Gesellschaft
5.1.4 Indikatoren für Akzeptanztendenzen gegenüber der Tiefen Geothermie in der Printmedienberichterstattung
5.1.4.1 Zur Erhebung von Indikatoren für Akzeptanztendenzen
5.1.4.2 Bewertungstendenzen und Vermittlung von Botschaften in der Printmedienberichterstattung zur Tiefen Geothermie
5.1.4.3 Akzeptanzfaktoren der Tiefen Geothermie
5.1.5 Bürgerinitiativen gegen Tiefe Geothermieprojekte
5.1.5.1 Motive und Gründe für die Entstehung der Bürgerinitiativen aus projekthistorischer Sicht
5.1.5.2 Motive und Gründe für die Entstehung der Bürgerinitiativen im gesamtgesellschaftlichen Kontext
5.1.5.3 Zur Relevanz der Bürgerinitiativen
5.1.6 Zur Rolle der Projektkommunikation
5.1.6.1 Kommunikationsnetzwerk im Projektumfeld
5.1.6.2 Erste Empfehlungen
5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur
5.2.1 Anforderungen an die Finanzierungsstruktur aus Sicht von Investoren und Banken
5.2.2 Methodik und Zusammenspiel zwischen Risikoidentifikation, Risikoallokation und Risikoquantifizierung
5.2.3 Darstellung der Reagibilität eines Geothermie-Projektes auf verschiedene Parameter-Änderungen
5.2.3.1 Zinssatzänderung
5.2.3.2 Betriebskostenänderung
5.2.3.3 Einnahmenrückgang
5.2.4 Verfahren der Risikoquantifizierung: Cashflow-Modell und Rating-Verfahren
5.2.4.1 Dynamische Ziele einer Risikoquantifizierung
5.2.4.2 Der Schuldendienstdeckungsgrad als zentrale Kennziffer
5.2.4.3 Die Einbindung des Rating-Verfahrens
5.2.5 Entwicklung einer geeigneten Finanzierungsstruktur
5.2.5.1 Laufzeit-Variation
5.2.5.2 Tilgungsfreie Zeit
5.2.5.3 Die Schuldendienstreserve
5.2.5.4 Performance-abhängige Betriebskosten
Literatur
Autorenverzeichnis
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Geothermie-Vorhaben: Tiefe Geothermie: Recht, Technik und Finanzierung
 9783486778632, 9783486717129

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Geothermie-Vorhaben Tiefe Geothermie: Recht, Technik und Finanzierung

herausgegeben von

Dr. Jörg Böttcher

Oldenbourg Verlag München

Lektorat: Dr. Stefan Giesen Herstellung: Tina Bonertz Titelbild: thinkstockphotos.de Einbandgestaltung: hauser lacour Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. © 2014 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 143, 81671 München, Deutschland www.degruyter.com/oldenbourg Ein Unternehmen von De Gruyter Gedruckt in Deutschland Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-486-71712-9 eISBN 978-3-486-77863-2

Vorwort Das Thema Erneuerbare Energien hat in der politischen und öffentlichen Wahrnehmung seit der 2011 in Deutschland beschlossenen Energiewende nochmals an Aufmerksamkeit gewonnen. Dabei geht die nationale Abkehr von der Atomenergie auch mit einer Überprüfung und Anpassung von Fördersystemen der erneuerbaren Energien einher, die zu deutlichen strukturellen Veränderungen im Energie-Mix führen wird, wobei derzeit noch nicht klar ist, wer als Gewinner und wer als Verlierer aus dem politischen Verteilungskampf hervorgeht. Auf internationaler Ebene befinden sich die energiepolitischen Rahmenbedingungen insbesondere im Gefolge der Schuldenkrise noch stärker im Fluss, was die Planbarkeit von Investitionen und die Etablierung von Märkten für erneuerbare Energien deutlich erschwert1. Löst man sich von der politischen Dimension der Erneuerbaren Energien und betrachtet ihre Teilsegmente, so stellt man fest, dass sie sich in unterschiedlichen Entwicklungsphasen befinden, was wiederum mit ihrer Marktintegration und politischen Förderung korrespondiert. Wasserkraft, Onshore-Windenergie und Photovoltaik-Kraftwerke sind mittlerweile etablierte Formen, während sich Offshore-Windenergie und die Geothermie-Nutzung in einer frühen Marktphase befinden. Angesichts der teils umfangreichen Investitionen in die letztgenannten Bereiche kann aber erwartet werden, dass auch sie vor einem deutlichen Marktwachstum stehen. Wir wollen uns in dieser Abhandlung mit dem Teilsegment der Tiefen Geothermie beschäftigen. Bei all der Fach- und Medienpräsenz der Erneuerbaren Energien ist ein Aspekt erstaunlich: Im Zusammenhang mit Erneuerbaren Energien wird nur selten das Thema ihrer Umsetzung angesprochen. Stattdessen fokussiert sich die Diskussion zumeist auf einzelne Themenfelder, wie ihre politischen, ökologischen und technischen Aspekte. Eine zusammenhängende Darstellung der rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Aspekte, die gleichermaßen erfüllt sein müssen, damit ein Geothermie-Vorhaben realisiert werden kann, liegt bislang nicht vor. Dies mag damit zusammenhängen, dass Geothermie-Vorhaben erst seit wenigen Jahren Größenordnungen erreicht haben, die sie für Kapitalgeber interessant machen, und sich in einer jungen Branche im Anschluss an die Bewährtheit der Technik rechtliche und wirtschaftliche Standards erst etablieren müssen. Dieses Buch ist aus der Wahrnehmung entstanden, dass es eines gemeinsamen Verständnisses und konzertierten Vorgehens von Vertretern aus Technik, Recht und Wirtschaft bedarf, um Vorhaben im Bereich Geothermie zu realisieren. Daher wird in dieser Publikation der Weg beschrit1

Als Beispiele können etwa die Verwerfungen angeführt werden, die in verschiedenen Märkten der Solarbranche seit 2008 stattgefunden haben: In einigen Ländern wurden Tarife auch für bestehende Vorhaben reduziert oder es wurden nachträglich Steuern eingeführt. Dass die Tarifkürzungen zum Teil auch auf bestehende Vorhaben rückwirkten, ist als ordnungspolitischer Sündenfall zu werten und hat das Vertrauen in die Stabilität des Rechtsund Regulierungssystems dieser Länder beeinträchtigt. Siehe hierzu J. Böttcher 2012d, S. 21f.

VI

Vorwort

ten, verschiedene Experten aus den genannten Bereichen zum Thema Projektfinanzierung von Geothermieprojekten zu Wort kommen zu lassen, so dass in der Gesamtschau vermittelt wird, welche Aspekte bei der Realisierung von Geothermieprojekten zu beachten sind2. Wir wollen im Folgenden darlegen, welche technischen und rechtlichen Voraussetzungen zum derzeitigen Zeitpunkt erfüllt sein müssen, um ein großvolumiges Geothermieprojekt über die Finanzierungsmethode einer Projektfinanzierung zu realisieren. Dabei muss man sich bewusst sein, dass sich insbesondere die Technik dynamisch weiterentwickelt sowie die rechtlichen Rahmendaten auf die Marktgegebenheiten reagieren und übergeordneten energiepolitischen Vorgaben gehorchen, so dass Geothermieprojekte insbesondere während der Entwicklungsphase dynamisch und flexibel gesteuert werden müssen. Durch den interdisziplinären Ansatz soll erreicht werden, dass der Leser für die Anforderungen der verschiedenen Teilbereiche sensibilisiert wird. Diese Darstellung ersetzt nicht eine projektspezifische Unterstützung und Beratung durch Spezialisten aus den jeweiligen Bereichen – dafür sind die Vorhaben einerseits zu spezifisch, andererseits befinden sich rechtliche, technische und wirtschaftliche Aspekte auch in einer beständigen Weiterentwicklung. Zur Realisierung von Projektfinanzierungen in einer Branche müssen mindestens zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Technik muss langfristig einen stabilen und prognostizierbaren Energieertrag liefern und der Staat hat ein klares, planbares und verlässliches Rechts- und Regulierungsumfeld vorzugeben, das den Investoren und Fremdkapitalgebern eine hinreichende Planungssicherheit für einen wirtschaftlichen Betrieb verschafft. Sind diese beiden grundsätzlichen Anforderungen erfüllt, eröffnet sich die Möglichkeit für die wirtschaftliche Nutzung der Geothermie, und zwar auch in Form einer Projektfinanzierung. Zentrales Merkmal einer Projektfinanzierung ist die enge Verknüpfung des Schicksals des Projektes mit der Rückführung der Darlehen: Es sind die zukünftigen Cashflows des Vorhabens, die einzig für die Begleichung der operativen Kosten, die Bedienung des Kapitaldienstes und für Ausschüttungen an die Investoren verwandt werden können. Neben diese CashflowOrientierung der Projektbeurteilung tritt eine vertragliche Einbindung verschiedener Projektbeteiligter, die den Erfolg des Vorhabens unterstützen sollten (Risk Sharing). Der gesamte Risikomanagement-Prozess bei einer Projektfinanzierung bildet ein abgestimmtes Zusammenspiel von Risikoidentifikation, Risikoallokation und Risikoquantifizierung. Damit Projektfinanzierungen im Bereich der Geothermie realisiert werden können, müssen Experten aus den Bereichen Technik, Recht und Wirtschaft zusammenfinden und eine für ein Vorhaben maßgeschneiderte Lösung entwickeln. Dieses in der Praxis bei jedem Vorhaben geübte Vorgehen war auch Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Bei der Konzeptionierung dieses Buches war schnell klar, dass Tiefe Geothermie ein Themenfeld darstellt, das in den verschiedenen Teilbereichen in einem sehr unterschiedlichen Detaillierungsgrad behandelt wird: Während die technischen Aspekte bereits sehr differenziert untersucht worden sind, gibt es nur einen recht kleinen Kreis von spezialisierten Rechtsanwälten, die sich des Themas aus rechtlicher Sicht angenommen haben. Und da insgesamt in Deutschland nur wenige Geothermie-Vorhaben realisiert worden sind, fehlt es ebenso an einer breiten Basis wirtschaftlicher Erfahrung. Die Projektfinanzierung von Geothermie-Vorhaben ist damit für 2

Dieses Konzept habe ich bereits als Herausgeber für eine Reihe anderer Formen Erneuerbarer Energien umgesetzt: Im Oldenbourg-Verlag sind die Themen „Handbuch Windenergie“ (2011), „Solarenergie“ (2011) und „Handbuch Offshore-Windenergie“ (2013) dargestellt worden.

Vorwort

VII

viele Beteiligten ein Betätigungsfeld, in dem Vieles neu ist: die Fragestellungen, die Zusammenarbeit der Beteiligten und die allgemein akzeptierten Spielregeln. Bereits an dieser Stelle lässt sich festhalten, dass Geothermie-Vorhaben innerhalb der Erneuerbaren Energien ein einzigartiges Risikoprofil aufweisen: Während die Fertigstellungsphase erhebliche Risiken birgt, sind die möglichen, im Langfristbetrieb auftretenden Risiken besser beherrschbar. Aus energiepolitischer Sicht ermöglicht die Nutzung der Geothermie eine grundlastfähige Energieproduktion, was ihr im Zusammenhang mit der zunehmenden Bedeutung der anderen Erneuerbaren Energien und deren eher volatilen Energieangebot eine Ausgleichsfunktion zuweist. Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: In Kapitel 1 skizzieren PROF. DR. ROLF BRACKE und DR. ECKEHARD BÜSCHER, welche Zukunftsperspektiven die Tiefe Geothermie hat und vor welchen Herausforderungen sie steht. Im folgenden Kapitel 2 beschreibt DR. JÖRG BÖTTCHER die wesentlichen Aspekte einer Projektfinanzierung und leitet auf die folgenden Kapitel über. DANIEL MARHEWKA informiert uns über die rechtlichen Anforderungen, die im Rahmen eines Geothermie-Projektes zu beachten sind. REINER BRUMME beschreibt im anschließenden Beitrag, welche Besonderheiten bei der Ausgestaltung der Verträge rund um die Fertigstellung zu beachten sind. Im Anschluss bringt er uns eine Reihe von rechtlichen Fragestellungen nahe: Dazu zählen das Thema Interferenz, aber auch das Thema Geodaten. Abgeschlossen wird der rechtliche Teil mit dem Beitrag von DR. WOLFRAM DISTLER, der die wesentlichen rechtlichen Anforderungen an ein Sicherheitenkonzept aus Bankensicht beschreibt. Im technischen Teil untersucht PROF. DR. ERNST HUENGES die Reservoireigenschaften und das Reservoirmanagement von Geothermievorhaben. SEBASTIAN JANCZIK, DR.-ING. NILS KOCK und PROF. DR. MARTIN KALTSCHMITT stellen in ihrem Beitrag dar, welche Techniken bei Geothermie-Vorhaben angewandt werden und welche Entwicklungsperspektiven derzeit erkennbar sind. TILO WACHTER beschreibt, wie der Fertigstellungsprozess eines Geothermie-Vorhabens in der Praxis gemanagt werden kann. DR. HEINER MENZEL stellt die Betriebserfahrungen eines Geothermievorhabens dar. Damit werden im Technik-Teil die Aspekte dargestellt, die für die Beurteilung der langfristigen Geeignetheit der Technik relevant sind. Im wirtschaftlichen Teil wird auf den Ergebnissen der rechtlichen und technischen Darstellung aufgesetzt, die um verschiedene, komplementäre wirtschaftliche Teilaspekte ergänzt werden. Die soziale Akzeptanz von Geothermievorhaben stellt MARTINA LEUCHT dar. DR. JÖRG BÖTTCHER gibt Hinweise zur Optimierung der Finanzierungsstruktur. Der guten Ordnung halber sei angemerkt, dass die Autoren ihre individuelle Meinung vertreten. Ihre Aussagen und Wertungen müssen weder notwendigerweise die Meinung der Unternehmen oder Institutionen widerspiegeln, für die die Autoren arbeiten, noch die Auffassung der übrigen Autoren treffen. Fehler habe ich selbstverständlich selbst zu vertreten. Mein aufrichtiger Dank gilt den Autoren dieses Buches, die mit großem Enthusiasmus und Engagement seine Realisierung erst ermöglicht haben. Kiel, im Oktober 2013

Dr. Jörg Böttcher

Inhaltsverzeichnis Vorwort

V

Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis

XV XIX

1

Zukunftsperspektiven und Herausforderungen der Tiefen Geothermie Prof. Dr. Rolf Bracke und Dr. Eckehard Büscher

1.1 1.1.1 1.1.2

Marktentwicklung bei der Stromerzeugung ............................................................. 3 Situation in Deutschland .......................................................................................... 3 Europa und die Welt ................................................................................................ 4

1.2

Wärmemarkt und Tiefe Geothermie ........................................................................ 5

1.3

Projekthindernisse und Herausforderungen ............................................................. 7

2

Projektfinanzierung eines Geothermie-Vorhabens Dr. Jörg Böttcher

2.1

Einleitung................................................................................................................. 9

2.2 2.2.1

Geothermie und Projektfinanzierung ..................................................................... 13 Grundlagen einer Projektfinanzierung ................................................................... 13

2.3

Risikomanagement bei Geothermievorhaben ........................................................ 16

2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5 2.4.6 2.4.7

Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten .......................... 20 Das Ressourcenrisiko – Abschätzung des Energieertrages .................................... 21 Das Funktionsrisiko – Bewährte Technologie? ..................................................... 23 Das Fertigstellungsrisiko – Einbindung eines Generalunternehmers .................... 24 Das Betriebs- und Managementrisiko .................................................................... 28 Das Rechts- und Regulierungsrisiko in Deutschland ............................................. 29 Zinsänderungsrisiko ............................................................................................... 31 Zusammenfassende Würdigung der Einzelrisiken ................................................. 32

2.5

Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aus dem bisherigen Risikomanagement ................................................................................................ 32 Grundsätzliche Überlegungen................................................................................ 32 Hinweise zur Optimierung aus Sicht der Investoren und der Fremdkapitalgeber ........................................................................................... 35 Einbindung von Versicherungen in die Finanzierungsstruktur .............................. 36

2.5.1 2.5.2 2.5.3

1

9

X

Inhaltsverzeichnis

3

Rechtliche Rahmenbedingungen

3.1

Das deutsche Regulierungssystem für Tiefe Geothermie .......................................39 Daniel Marhewka Einleitung ...............................................................................................................39 Die relevanten Vorschriften....................................................................................40 Bergrecht ................................................................................................................40 Wasserrechtliche Normen (WHG, Wassergesetze der Länder) ..............................48 Baurecht .................................................................................................................52 Immissionsschutzrecht ...........................................................................................56 Staatliche Förderung der Geothermie .....................................................................57 Die Einspeisevergütung gemäß EEG......................................................................57 Vergütungsbonus für petrothermale Techniken – § 28 Abs. 2 EEG ......................58 Degression der Vergütung ......................................................................................59 KfW-Finanzierung als Teil des Fremdkapitals .......................................................59 Relevante Prüfungspunkte in der Due Diligence ....................................................60 Rechtliche Hemmnisse für die Geothermie ............................................................62 Ausblick und Vorschläge an den Gesetzgeber .......................................................63

3.1.1 3.1.2 3.1.2.1 3.1.2.2 3.1.2.3 3.1.2.4 3.1.3 3.1.3.1 3.1.3.2 3.1.3.3 3.1.3.4 3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.2 3.2.1 3.2.1.1 3.2.1.2 3.2.1.3 3.2.1.4 3.2.1.5 3.2.1.6 3.2.1.7 3.2.1.8 3.2.2 3.2.2.1 3.2.2.2 3.2.2.3 3.2.2.4 3.2.2.5 3.2.2.6 3.2.3 3.2.3.1 3.2.3.2 3.2.3.3 3.2.3.4 3.3 3.3.1 3.3.1.1 3.3.1.2

39

Vertragspraxis Geothermie – rechtliche Aspekte ...................................................64 Reiner Brumme GU-Vertrag Kraftwerksbau Tiefe Geothermie – rechtliche Aspekte .....................64 Definition eines GU-Vertrages ...............................................................................64 Vergabe bei Ausschreibungspflicht ........................................................................64 Beurteilung eines GU-Vertrages ............................................................................66 Arten GU-Vertrag ...................................................................................................66 Wer schreibt den Vertrag? ......................................................................................67 Einzelne Vertragsaspekte .......................................................................................67 Vertragsverhandlungen...........................................................................................68 Einzelne Vertragsinhalte des Globalpauschal-Vertrages ........................................68 Tiefbohrvertrag .......................................................................................................72 Einleitung ...............................................................................................................72 Ausschreibung ........................................................................................................73 Vertragsarten ..........................................................................................................75 Vertragsinhalte .......................................................................................................77 Ausländische Vertragsmuster .................................................................................83 Zusammenfassung ..................................................................................................85 AGB und VOB/B ...................................................................................................85 Einleitung ...............................................................................................................85 Vertragsbedingungen ..............................................................................................86 Hinweise .................................................................................................................91 Rechtsprechung ......................................................................................................92 Ausgewählte rechtliche Fragestellungen ................................................................95 Reiner Brumme Genehmigungsverfahren.........................................................................................95 Immissionsschutzrecht ...........................................................................................95 Naturschutzrecht .....................................................................................................95

Inhaltsverzeichnis

XI

3.3.1.3 3.3.1.4 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.4.1 3.3.4.2 3.3.4.3 3.3.4.4

Flächen und Wege für Leitungen........................................................................... 96 Strahlenschutzrecht ................................................................................................ 96 Geodaten ................................................................................................................ 97 Vergabe- und Ausschreibepflichten für tiefengeothermische Anlagen ............... 100 Nutzungskonkurrenz und Interferenz .................................................................. 103 Einleitung............................................................................................................. 103 Hydraulik, Temperatur, Wasserchemismus ......................................................... 104 Beeinflussung, Beeinträchtigung oder Gefährdung? ........................................... 104 Beweissicherung – selbständiges gerichtliches Beweisverfahren oder isoliertes Beweisverfahren SOBau ...................................................................................... 110

3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.3.1 3.4.3.2 3.4.3.3 3.4.3.4 3.4.3.5

Rechtliche Anforderungen an ein Sicherheitenkonzept aus Bankensicht ............ 124 Dr. Wolfram Distler Einleitung............................................................................................................. 124 Sicherheitentreuhänder und Parallel Debt ........................................................... 126 Die Kreditsicherheiten im Einzelnen ................................................................... 128 Pfandrecht an öffentlich-rechtlichen Genehmigungen......................................... 128 Grundstückssicherheiten ...................................................................................... 130 Sicherungsübereignung........................................................................................ 134 Pfandrechte an Forderungen und Rechten als Kreditsicherheit ........................... 141 Die Globalzession als Kreditsicherheit ................................................................ 144

4

Technische Rahmenbedingungen

4.1

Reservoireigenschaften und Reservoirmanagement ............................................ 151 Prof. Dr. Ernst Huenges Einleitung............................................................................................................. 151 Reservoirengineering ........................................................................................... 152 Konzeption und bohrtechnische Erschließung des Forschungslabors Groß Schönebeck ................................................................................................. 153 Hydraulische Wasserstimulation ......................................................................... 154 Seismische Ereignisse .......................................................................................... 157 Hydraulische Stützmittelstimulation .................................................................... 159 Produktivitätsbestimmung auf Basis hydraulischer Teste ................................... 159 Installation der Unterwasserpumpe...................................................................... 160 Betrieb und Monitoring ....................................................................................... 161 Zusammenfassung ............................................................................................... 163

4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.1.6 4.1.7 4.1.8 4.1.9 4.1.10 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.2.1 4.2.2.2 4.2.3 4.2.3.1 4.2.3.2 4.2.4 4.2.5

151

Techniksysteme und Entwicklungstendenzen ..................................................... 165 Dipl.-Ing. Sebastian Janczik, Dr.-Ing. Nils Kock, Prof. Dr.-Ing. Martin Kaltschmitt Einleitung............................................................................................................. 165 Untertägige Komponenten ................................................................................... 165 Bohrtechnik ......................................................................................................... 165 Verrohrung und Komplettierung ......................................................................... 172 Übertägige Komponenten .................................................................................... 174 Heizwerke ............................................................................................................ 175 Kraft- bzw. Heizkraftwerke ................................................................................. 178 Anlagenkonzepte ................................................................................................. 182 Herausforderungen und Entwicklungstendenzen................................................. 185

XII

Inhaltsverzeichnis

4.3

Management zentraler Fertigstellungsrisiken .......................................................189 Tilo Wachter 4.3.1 Risikobegriff .........................................................................................................189 4.3.2 Ziel und Risiken eines Geothermieprojektes ........................................................189 4.3.2.1 Reifegrad geothermischer Projekte in Deutschland..............................................190 4.3.2.2 Zeitpunkt des Einstiegs in ein Geothermieprojekt ................................................192 4.3.2.3 Risiken aufgrund des zeitlichen Entwicklungshorizontes ....................................193 4.3.2.4 Planungsrisiken ....................................................................................................194 4.3.2.5 GU-Verträge und Versicherungslösungen ............................................................196 4.3.2.6 Wahl der Erschließungsstrategie ..........................................................................198 4.3.2.7 Das bohrtechnische Risiko ...................................................................................199 4.3.2.8 Nachhaltigkeit der Förderung ...............................................................................201 4.3.2.9 Risikominimierung durch alternative Wärmeplanung ..........................................202 4.3.2.10 Öffentlichkeitswirkung .........................................................................................202 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5 4.4.5.1 4.4.5.2 4.4.5.3 4.4.5.4 4.4.5.5 4.4.5.6 4.4.5.7 4.4.6

Betriebserfahrungen und Betriebskosten von Geothermie-Vorhaben ..................203 Dr. Heiner Menzel Einführung ............................................................................................................203 Gesamtinbetriebnahme .........................................................................................205 Grundlagen des Betriebes .....................................................................................207 Pflichten des Betreibers ........................................................................................209 Risiken des Betriebes ...........................................................................................211 Betriebsrisiko – Energiebereitstellung ..................................................................212 Betriebsrisiko – Nachhaltigkeit ............................................................................212 Betriebsrisiko – Verunreinigungen .......................................................................213 Betriebsrisiko – Mikroseismik..............................................................................213 Betriebsrisiko – verfahrenstechnische Leistungsminderung ................................213 Betriebsrisiko – Stillstand der Anlage ..................................................................214 Betriebsrisiko – Stromabsatz/Wärmeabsatz .........................................................214 Betriebswirtschaftliche Betrachtung.....................................................................215

5

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

5.1

Sozio-technische Parameter der Projektentwicklung: Soziale Akzeptanz von Vorhaben der Tiefen Geothermie .........................................................................221 Martina Leucht Vorwort ................................................................................................................221 Einleitung .............................................................................................................222 Sozio-technische Parameter an der Schnittstelle zwischen Technik und Gesellschaft ...................................................................................................224 Indikatoren für Akzeptanztendenzen gegenüber der Tiefen Geothermie in der Printmedienberichterstattung ................................................................................227 Zur Erhebung von Indikatoren für Akzeptanztendenzen ......................................227 Bewertungstendenzen und Vermittlung von Botschaften in der Printmedienberichterstattung zur Tiefen Geothermie ...........................................230 Akzeptanzfaktoren der Tiefen Geothermie ..........................................................234

5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.1.4.1 5.1.4.2 5.1.4.3

221

Inhaltsverzeichnis 5.1.5 5.1.5.1 5.1.5.2 5.1.5.3 5.1.6 5.1.6.1 5.1.6.2 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.3.1 5.2.3.2 5.2.3.3 5.2.4 5.2.4.1 5.2.4.2 5.2.4.3 5.2.5 5.2.5.1 5.2.5.2 5.2.5.3 5.2.5.4

XIII

Bürgerinitiativen gegen Tiefe Geothermieprojekte ............................................. 235 Motive und Gründe für die Entstehung der Bürgerinitiativen aus projekthistorischer Sicht ...................................................................................... 236 Motive und Gründe für die Entstehung der Bürgerinitiativen im gesamtgesellschaftlichen Kontext........................................................................ 239 Zur Relevanz der Bürgerinitiativen ..................................................................... 240 Zur Rolle der Projektkommunikation .................................................................. 241 Kommunikationsnetzwerk im Projektumfeld ...................................................... 243 Erste Empfehlungen............................................................................................. 245 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur ... 249 Dr. Jörg Böttcher Anforderungen an die Finanzierungsstruktur aus Sicht von Investoren und Banken .......................................................................................................... 249 Methodik und Zusammenspiel zwischen Risikoidentifikation, Risikoallokation und Risikoquantifizierung ........................................................ 250 Darstellung der Reagibilität eines Geothermie-Projektes auf verschiedene Parameter-Änderungen ........................................................................................ 256 Zinssatzänderung ................................................................................................. 257 Betriebskostenänderung ....................................................................................... 258 Einnahmenrückgang ............................................................................................ 260 Verfahren der Risikoquantifizierung: Cashflow-Modell und Rating-Verfahren . 261 Dynamische Ziele einer Risikoquantifizierung.................................................... 261 Der Schuldendienstdeckungsgrad als zentrale Kennziffer ................................... 266 Die Einbindung des Rating-Verfahrens ............................................................... 268 Entwicklung einer geeigneten Finanzierungsstruktur .......................................... 269 Laufzeit-Variation................................................................................................ 270 Tilgungsfreie Zeit ................................................................................................ 271 Die Schuldendienstreserve................................................................................... 273 Performance-abhängige Betriebskosten............................................................... 274

Literatur

279

Autorenverzeichnis

291

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Abbildung 21: Abbildung 22: Abbildung 23: Abbildung 24: Abbildung 25: Abbildung 26: Abbildung 27: Abbildung 28: Abbildung 29: Abbildung 30: Abbildung 31:

System der Tiefen Geothermie mit aufgebrochenen Strukturen .................. 3 Entwicklung der geothermischen Stromerzeugung in unterschiedlichen Weltregionen................................................................................................ 4 Geothermische Fernheizsysteme in Europa ................................................. 5 Direkte Nutzung geothermischer Energie in Europa ................................... 6 Installierte Geothermiekapazität in MW .................................................... 10 Installierte Geothermiekapazität nach Ländern ......................................... 11 Tiefengeothermische Nutzungspotenziale in Deutschland ....................... 12 Vergleich Unternehmensfinanzierung und Projektfinanzierung ................ 14 Einflussfaktoren für die Wirtschaftlichkeit ................................................ 17 Risikomanagementprozess bei einer Projektfinanzierung – Teil I ............. 19 Ablaufschema Fertigstellungsphase........................................................... 26 Auswirkung einer Zinsänderung auf den DSCR-Verlauf .......................... 31 DSCR bei verschiedenen Parameteränderungen ........................................ 33 Schema der existierenden Geothermischen Systeme ............................... 152 Geometrische Beziehung zwischen Stressachsen, tektonischem Regime und Rissflächen .......................................................................... 153 Zielpunkte von Bohrungen im Reservoir ................................................. 154 Experimenteller Aufbau in Groß Schönebeck ......................................... 155 Hydraulische Stimulationen im Reservoir der Bohrung Groß Schönebeck 4 .................................................................................. 156 Bohrung mit künstlichem Riss ................................................................. 157 Relokalisierung seismischer Ereignisse nach massiver Stimulation ........ 158 Bohrung mit künstlichem Riss ................................................................. 159 Schema einer elektrischen Tauchpumpe .................................................. 161 Korrosion an einer Pumpe und an der Verrohrung .................................. 162 Bleiausfällung in der Nähe einer Pumpe in der Anlage Groß Schönebeck ..................................................................................... 163 Geothermisches System ........................................................................... 164 Aufbau Rotary Bohranlage ...................................................................... 166 Spülungskreislauf (Quelle: Kaltschmitt, M; Streicher, W.; Wiese, A. (Hrsg): Erneuerbare Energien, Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte. 5. Auflage. Springer Berlin 2013.) ................................ 168 Meißeldirektantriebe (links Bohrturbine, rechts Verdrängermotor) (Quelle: Siehe S.168) ............................................................................... 171 Beispielhaftes Verrohrungsschema .......................................................... 173 Arten der Komplettierung (Open-Hole links; Cased Hole rechts) ........... 174 Prinzip eines Thermalwasserlaufes (Quelle: Siehe S.168)....................... 175

XVI Abbildung 32: Abbildung 33: Abbildung 34: Abbildung 35: Abbildung 36: Abbildung 37: Abbildung 38: Abbildung 39: Abbildung 40: Abbildung 41: Abbildung 42: Abbildung 43: Abbildung 44: Abbildung 45: Abbildung 46: Abbildung 47: Abbildung 48: Abbildung 49: Abbildung 50: Abbildung 51: Abbildung 52: Abbildung 53: Abbildung 54: Abbildung 55: Abbildung 56: Abbildung 57: Abbildung 58: Abbildung 59: Abbildung 60: Abbildung 61: Abbildung 62: Abbildung 63: Abbildung 64: Abbildung 65:

Abbildungsverzeichnis Prinzip Nass- (links) und Trockenkühlturm (rechts) ................................179 Vereinfachtes Schema eines ORC (Organic Rankine Cycle) (Quelle: Siehe S.168)................................................................................180 Nettostromwirkungsgrade verschiedener wassergekühlter ORC-Systeme ...........................................................................................181 Vereinfachtes Schema eines Kalina-Prozesses .........................................181 Nettostromwirkungsgrade verschiedener wassergekühlter Kalina-Systeme.........................................................................................182 Exemplarisches Systemlayout einer geothermischen Heizzentrale ..........183 Beispiele für Prinzipschemata geothermischer Heizzentralen .................184 Konzept einer kombinierten geothermischen Strom- und Wärmebereitstellung ................................................................................184 Reifegrad von Geothermie-Vorhaben in Deutschland ..............................192 Ganzheitlichkeit von geothermischen Erzeugungsanlagen im Vergleich von konventionellen Erzeugungsanlagen .................................204 Vertragsmanagement beim Betrieb eines geothermischen Heizkraftwerkes ........................................................................................211 Gegenüberstellung der erzeugten elektrischen Leistung in Abhängigkeit der Außentemperatur am Beispiel des geothermischen Heizkraftwerkes Landau ...........................................................................214 Betriebskosten in Anlehnung an die GuV ................................................216 Zweiseitigkeit der Betriebskosten bei Stillständen durch Störungen und Havarien ............................................................................................218 Beispielhafte prozentuale Aufteilung beim Stromeigenbedarf .................219 Schnittstelle Technik und Gesellschaft am Beispiel eines Projekts der Tiefen Geothermie ....................................................................................225 Ausprägungen von Akzeptanz (nach Zoellner et al. 2009).......................228 Differenzierungsschema für die Analyse von Akzeptanztendenzen im Rahmen einer Printmedienanalyse ...........................................................229 Bewertungstendenzen zur Tiefen Geothermie/Geothermie ......................230 Übermittlung von Botschaften in der Berichterstattung ..........................233 Zeitliche Entstehung der Bürgerinitiativen (BI) zu Projekten der Tiefen Geothermie ....................................................................................237 Relevante Stakeholder im lokalen Kommunikationsnetzwerk am Projektstandort..........................................................................................244 Bestandteile des Risikomanagementprozesses .........................................251 Risikoeinflüsse auf ein Erneuerbare-Energien-Projekt .............................253 Risikomanagementprozess bei einer Projektfinanzierung – Teil II ..........255 DSCR Geothermie-Projekt (Sponsors Case) ............................................257 DSCR bei unterschiedlichen Zinssätzen ...................................................258 DSCR bei veränderten Betriebskosten .....................................................259 DSCR bei Einnahmenveränderung ...........................................................260 Gegenüberstellung Interner Zinssatz/Debt Service Cover Ratio ..............261 Grundlegendes Cashflow-Modell mit Base- und Worst-Case ..................264 Variation der Laufzeit...............................................................................270 DSCR bei Veränderung der tilgungsfreien Zeit .......................................271 DSCR bei Veränderung der Höhe der Schuldendienstreserve..................273

Abbildungsverzeichnis Abbildung 66: Abbildung 67:

XVII

DSCR bei Flexibilisierung der Wartungskosten ...................................... 275 DSCR nach Verhandlungsprozess ........................................................... 276

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle 13: Tabelle 14: Tabelle 15: Tabelle 16: Tabelle 17: Tabelle 18: Tabelle 19: Tabelle 20: Tabelle 21: Tabelle 22:

Erfolgsfaktoren einer Projektfinanzierung im Bereich Geothermie........... 17 Übersicht über exogene und endogene Risiken ......................................... 18 Systeme der Tiefen Geothermie................................................................. 23 Verteilung von Fertigstellungsrisiken auf die Kapitalgeber ...................... 27 Due-Diligence-Checkliste Geothermieprojekte ......................................... 60 GU-Vertrag aus Sicht des Auftraggebers................................................... 66 Arten von GU-Verträgen ........................................................................... 66 Phasen einer ganzheitlichen Nutzung von geothermischer Energie ........ 203 Kosten bei Tauch- und Gestängepumpe .................................................. 208 Einflussfaktoren im Betrieb eines Geothermiekraftwerkes ..................... 217 Risikoart, Risiko-Instrument und Risikoträger ........................................ 252 Systematisches Vorgehen bei der Risikoquantifizierung ......................... 255 Rahmendaten eines Geothermieprojektes in Deutschland ....................... 256 DSCR-Werte im Ausgangsfall................................................................. 257 DSCR-Werte bei unterschiedlichen Zinssätzen ....................................... 258 DSCR-Werte bei Betriebskostenänderungen ........................................... 259 DSCR-Werte bei Einnahmenveränderung ............................................... 260 DSCR-Werte bei Laufzeitvariation.......................................................... 270 DSCR-Werte bei Variation der tilgungsfreien Zeit ................................. 272 DSCR-Werte bei Veränderung der Höhe der Schuldendienstreserve ...... 274 DSCR-Werte bei flexiblen Wartungskosten ............................................ 275 DSCR-Wert im Kompromiss-Modell ...................................................... 277

1

Zukunftsperspektiven und Herausforderungen der Tiefen Geothermie PROF. DR. ROLF BRACKE UND DR. ECKEHARD BÜSCHER

Geothermale Energiequellen sind grundlastfähig und können daher im Gesamtmix der Erneuerbaren Energien tageszeitliche oder saisonale Schwankungen ausgleichen. Die weltweiten – mit heutiger Technik theoretisch erschließbaren – Reserven werden auf das Dreißigfache sämtlicher fossiler Reserven geschätzt. Die großtechnische Nutzung der Erdwärme befindet sich allerdings am Anfang ihrer Entwicklung. So dürfte sich der Beitrag der geothermischen Energieerzeugung global von ca. 20 PJ (5,5 TWh) im Jahre 2010 auf 395 PJ im Jahr 2050 erhöhen. Dies bedeutet zugleich auch eine Verzwanzigfachung des relativen Anteils der Geothermie an den erneuerbaren Energien von 2,2 % in 2010 auf 13 % in 2050 (DLR 2012). Bereits das theoretische Potenzial ist enorm: 99 % unserer Erde ist heißer als 1.000 °C und 99,9° sind wärmer als 100 °C. Zum Vergleich: Allein in Deutschland werden – über alle energetischen Nutzungen hinweg – 40 % des Primärenergieeinsatzes aufgewendet, um Wärme unter 100 °C zu erzeugen. Die geowissenschaftlichen und ingenieurtechnischen Herausforderungen bestehen nun darin, diese Energien wirtschaftlich und nachhaltig zu erschließen. Doch ob dieses Potenzial dauerhaft erschlossen werden kann, hängt auch von den Erfahrungen und den Lerneffekten aus umgesetzten Projekten ab. Dabei spielen sowohl die Zuverlässigkeit der bestehenden Systeme als auch die weitere Kostenreduzierung – insbesondere der Bohrkosten – eine besondere Rolle. Großtechnische Anlagen zur Nutzung geothermischer Energie für die Elektrizitätserzeugung finden sich weltweit insbesondere in vulkanisch und tektonisch aktiven Gebieten entlang von Plattengrenzen der Erdkruste. Die Nähe zu magmatischen Intrusionen führt in solchen Schwächezonen der Kruste zu besonders hohen Wärmestromdichten und zu erheblichen geothermalen Gradienten. Daraus resultieren Lagerstätten hoher Enthalpie, aus denen die Geofluide unmittelbar als Heißdampf gefördert werden können. Dieser Heißdampf aus hydrothermalen Lagerstätten lässt sich mittels Dampfturbinen unmittelbar in Strom wandeln. Regionen mit besonders hohen Potenzialen und mit intensiver energetischer Nutzung der Erdwärme befinden sich zum Beispiel an den Rändern des Pazifiks. An diesem sogenannten „Ring of fire“ liegen große geothermale Vorkommen im äußersten Westen der USA, entlang der Subduktionszonen von Zentral- und Südamerika sowie auf der anderen Seite des Pazifiks in den Philippinen, in Indonesien, Japan und Neuseeland. Aber auch in der West-Türkei, Italien, Island und Ostafrika wurde die geothermische Energie bereits zu einer der wichtigsten Energiequellen für die Stromerzeugung ausgebaut.

2

1 Zukunftsperspektiven und Herausforderungen der Tiefen Geothermie

Allerdings ist die Entwicklung geothermischer Lagerstätten nicht ausschließlich auf Hochenthalpie-Gebiete beschränkt. Im Gegenteil: Diese Reserven sind aufgrund ihrer tektonischen Lage begrenzt und nur noch beschränkt ausbaubar. In den übrigen Bereichen der kontinentalen Kruste, d.h. außerhalb aktiver Plattengrenzen, befinden sich die Regionen niedriger Enthalpie; sie machen mehr als 95 % der landbedeckten Erdoberfläche aus. Dort liegt die eigentliche Zukunft der Geothermie. Neben vergleichsweise wenigen Formationen mit hoher natürlicher Thermalwasserführung ist deren Erschließung weitaus überwiegend an nicht- bzw. geringpermeable Sedimentgesteine oder an deren kristallines Basement gebunden. Die Erschließung dieser petrothermalen Speichergesteine in einer Tiefe zwischen 3.000 und 5.000 Metern erfordert andere, z.T. noch zu entwickelnde Methoden, wie z.B. Enhanced Geothermal Systems (EGS). Der größte Teil der in Deutschland vorhandenen Geothermie kann nur über eine hydraulische Erschließung des Tiefengesteins genutzt werden; laut einer Potenzialstudie des Technikausschusses des Deutschen Bundestages sind dies 85–90 % aller vorhandenen Ressourcen3. Dabei werden die im Reservoirgestein natürlich vorhandenen Klüfte und Risse freigespült und hydraulisch aktiviert. Untergeordnet werden neue Risse mit Druckwasser hydraulisch erzeugt. Auf diese Weise wird die Durchlässigkeit des Gesteins künstlich erhöht und so der limitierende Faktor der Förderrate verbessert. Das Verfahren wird als Enhanced Geothermal System (EGS) bezeichnet; eine ältere Bezeichnung dafür ist Hot Dry Rock (HDR). Allgemein unterscheidet man verschiedene Arten des hydraulischen Aufschlusses: 1. Wasserstimulation: Wasser, evtl. mit geringen Mengen an Zusätzen versetzt, wird mit einem über dem Gebirgsdruck liegenden Druck in den Untergrund gepresst. Als Reservoirgesteine dienen überwiegend rigide, spröde reagierende Gesteine wie z.B. Kalkstein, Sandstein, Kristallingestein (Granite, Gneise, Vulkanite). Dabei werden bereits vorhandene, z.T. durch Überlagerungsdruck und Mineralausfällungen verheilte Kluftsysteme wieder reaktiviert. Zudem können in Abhängigkeit von der Gesteinszusammensetzung neue, zum Teil mehrere hundert Meter lange Risse entstehen. Dieses Verfahren wurde bei den in jüngster Zeit durchgeführten EGS-Projekten eingesetzt. Außerdem kommen Stimulationen mit Säurezusatz auch bei hydrothermalen Projekten in Süddeutschland (bayerisches Molassebecken) sowie bei Brunnenbauprojekten zum Einsatz. 2. Stützmittelfrac: Bei diesem Verfahren werden diverse Stützmittel in Verbindung mit hochviskosen Gelen und/oder der Injektion von Chemikalien verwendet, die Teile des Gesteins lösen, das dann mit der Spülung an die Oberfläche befördert wird. Dieses Verfahren ist in der Kohlenwasserstoff-Industrie verbreitet. Es dient dort der Erschließung von i.d.R. plastisch reagierenden Tonsteinen ohne ausgeprägte natürliche Kluftsysteme und mit einem hohen Anteil an organischer Substanz. Diese Fracoperationen wurden auch z.T. beim ersten europäischen EGS-Forschungsprojekt in Soultz-sous-Forêts (FRA) sowie beim Forschungsprojekt in Groß Schönebeck des HELMHOLTZ-ZENTRUMS POTSDAM – DEUTSCHES GEOFORSCHUNGSZENTRUM (GFZ) durchgeführt4.

3 4

TAB Arbeitsbericht Nr. 84 (02/2003): Möglichkeiten geothermischer Stromerzeugung in Deutschland. Deutscher Bundestag, Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Siehe hierzu auch den Beitrag von Prof. Dr. Ernst Huenges in Kapitel 4.1.

1.1 Marktentwicklung bei der Stromerzeugung

3

Wie in Abbildung 1 erkennbar, zirkuliert hier eingebrachtes Wasser in einem geschlossenen Kreislauf zwischen der Produktions- und der Injektionsbohrung durch den künstlich geschaffenen unterirdischen Wärmetauscher und dem oberirdischen Kraftwerksteil. Mit dem derzeitigen Stand der Tiefbohrtechnik kann auf diese Weise Erdwärme in bis zu 6.000 Metern Tiefe bis zu 400 °C erschlossen und für die Stromproduktion verwendet werden.

Abbildung 1:

System der Tiefen Geothermie mit aufgebrochenen Strukturen

1.1

Marktentwicklung bei der Stromerzeugung

1.1.1

Situation in Deutschland

Nach Untersuchungen des GtV5 sind im Jahr 2013 22 Tiefe Geothermie-Anlagen in Betrieb, davon fünf mit Stromerzeugung. 15 Tiefe Geothermie-Anlagen werden errichtet und 5

Bundesverband Geothermie, http://www.geothermie.de/wissenswelt/geothermie/in-deutschland.html.

4

1 Zukunftsperspektiven und Herausforderungen der Tiefen Geothermie

43 Projekte sind deutschlandweit in Planung (Stand: Juli 2013). Insgesamt sind tiefe geothermische Kapazitäten von 12,3 MWel und 222,9 MWth in Deutschland am Netz. Die Einspeisevergütung des aktuellen EEG (Erneuerbare Energien Gesetz, § 28) beträgt bei Anlagen bis 10 MW 25,00 Cent/kWh. Dazu kann bei Anlagen mit petrothermaler Technik ein Technologiebonus von 5,00 Cent/kWh kommen. Ab 2018 greift eine Degression von 5,0 %.

1.1.2

Europa und die Welt

Sowohl die INTERNATIONALE ENERGIE AGENTUR (IEA) der OECD6 als auch der Bericht zur Geothermie des IPCC7 (INTERGOVERNAL PANEL ON CLIMATE CHANGE) gehen von einem sehr starken Wachstum der geothermischen Stromerzeugung sowohl in Europa als auch in der Welt aus. Von 11.000 MWel installierter elektrischer Leistung im Jahr 2010 sollen die Kapazitäten bis 2015 um über 75 % auf 19.500 MWel gesteigert werden. Die von der IEA prognostizierte Entwicklung bis 2050 läßt eine verzehnfachte geothermische Erzeugungskapazität von 200 GWel erwarten. Diese würden ca.1.400 TWh/a Strom produzieren. Der Anteil der erneuerbaren Stromerzeugung würde bis 2050 in diesem Szenario auf 75 % ansteigen – der Anteil der geothermischen Elektrizität würde sich von 0,5 % im Jahr 2010 auf 3,5 % versiebenfachen. Abbildung 2 zeigt die Verteilung der erwarteten Zuwächse auf die verschiedenen Weltregionen.

Abbildung 2:

6 7

Entwicklung der geothermischen Stromerzeugung in unterschiedlichen Weltregionen

Technology Roadmap – Geothermal Heat and Power, OECD/IEA, Paris 2011. Special Report on Renewable Energy Sources and Climate Change Mitigation – Geothermal Energy, IPCC Working Group II, Final Release, Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, 1075 pp., 2011.

1.2 Wärmemarkt und Tiefe Geothermie

5

Die enormen Steigerungen von 1.000 % verteilen sich relativ gleichmäßig auf die untersuchten Weltregionen. Die bisherige starke Stellung Nordamerikas in der Geothermie wird durch Entwicklungen in Asien – ohne China und Indien – abgelöst. Hier wird besonders in Indonesien und auf den Philippinen ein weiterer Ausbau erwartet. Die Geothermieverstromung in Europa, Afrika, China und Indien wird deutlich zunehmen. Besonders stark sind die Erwartungen an die Entwicklung in Zentral- und Südamerika, die bei der IEA unter „Andere“ subsumiert sind.

1.2

Wärmemarkt und Tiefe Geothermie

Auf dem europäischen Wärmesektor besteht für die Geothermie eine ungleich größere Chance als auf dem Strommarkt. Bis zum Jahr 2020 soll in Europa (EU-25) ein Anteil der Erneuerbaren Energien von 20 % am Primärenergieverbrauch und ein Anteil von 21 % an der Strombereitstellung erzielt werden. Laut Weißbuch der Europäischen Kommission soll die geothermische Stromkapazität auf 2 GWel im Jahr 2020 ansteigen. Auf der Basis von ca. 850 MWel installierter Leistung im Jahr 2007 kann dieses ehrgeizige Ziel erreicht werden. Für den Wärmebereich lauten die Ziele 25 GWth im Jahr 2020.

Abbildung 3:

Geothermische Fernheizsysteme in Europa

Bereits heute machen Fernwärmenetze in Europa einen Anteil von 10 % am gesamten Wärmemarkt aus. Von den derzeitig 5.000 in Europa genutzten Fernwärmenetzen werden 216 als geothermische Fernwärmenetze betrieben8. Diese besitzen eine Gesamtkapazität von über 8

EGEC Deep Geothermal Market Report, First Edition 2011, Brussels.

6

1 Zukunftsperspektiven und Herausforderungen der Tiefen Geothermie

4.700 MWth; davon stammen alleine 500 MWth aus CHP (Boissavy, 2011). Mitte der 1970er Jahre bis hin zur Mitte der 80er Jahre gab es den ersten großen Impuls zur Errichtung von solchen Netzen. Bis zum Jahr 2009 beruhigte sich der Markt, bekam dann erneuten Aufschwung und entwickelt sich seitdem stetig weiter. So beträgt im Jahr 2012 die installierte Gesamtleistung 4.900 MWth;; bis ins Jahr 2015 sollen weitere 2.000 MWth realisiert werden. Die einzelnen Netze befinden sich meistens in einem Leistungsspektrum von 0,5 bis 50 MWth, wobei sich der Trend hin zu Wärmenetzen für 1.000 bis 1.500 Gebäudeeinheiten entwickelt. In Deutschland existieren zurzeit 24 geothermische Fernwärmenetze, welche vor allem in Bayern anzutreffen sind. Bis 2015 sollen 53 weitere Netze hinzukommen. Bis dahin wäre Deutschland hinsichtlich der Anzahl führend, aber auch Frankreich (2012: 42, 2015: +27), Ungarn (17, +17), Rumänien (11, +7) oder Dänemark (1, +13) betreiben einen massiven Ausbau. Fördertiefen von 2.000 m bis 3.500 m, hauptsächlich in Sedimentgestein, sind nicht unüblich. Bei geringeren Tiefen und ggf. geringeren Fördertemperaturen kommen immer häufiger Großwärmepumpen zum Einsatz. Diese sind leistungsstarke Aggregate im Megawatt-Bereich. Ziel muss es sein, möglichst zeitnah die geothermische Fernwärme massiv auszubauen, um die Energiewende im Bereich der erneuerbaren Wärmebereitstellung voranzutreiben. In Deutschland wird laut BMU mehr als ein Drittel des Endenergiebedarfs für Raumwärme und Warmwasser genutzt; in Europa sind es etwa 50 % für das Heizen und Kühlen. Deshalb werden die massiven Potenziale der Geothermie zur Vermeidung von Treibhausgasen und für den Ausbau der Energiewende auf thermischer Seite erkennbar.

Abbildung 4:

Direkte Nutzung geothermischer Energie in Europa

1.3 Projekthindernisse und Herausforderungen

7

Auch ohne Fernwärmenetze kann die Tiefe Geothermie zur Heizung und Kühlung von Gebäuden genutzt werden. In den Niederlanden z.B. wird nicht nur die tiefengeothermische Heizung von Gewächshäusern, sondern auch von einzelnen Wohnanlagen genutzt. Den Haag ist die erste Stadt in den Niederlanden, die Geothermie zur Wärmeversorgung nutzt. Mittels zweier Bohrungen von 2.400 m bzw. 2.700 m Tiefe sollen Heizwärme und warmes Wasser für 4.000 Haushalte und knapp 20.000 m² Büroflächen bereitgestellt werden. Bis 2017 soll das Projekt fertiggestellt sein. Das Projekt „AARDWARMTE DEN HAAG“ (Erdwärme Den Haag) ist ein Gemeinschaftsprojekt der Stadt Den Haag, zwei Energielieferanten (ENECO und E.ON BENELUX) und drei örtlichen Wohnungsbaugesellschaften (STAEDION, VESTIA und HAAG WONEN). Global betrachtet ist China mit ca. 8.900 MWth installierter geothermischer Leistung (Bezugsjahr 2010) der mit Abstand größte geothermische Wärmemarkt. Zum Vergleich: Der deutsche geothermische Wärmemarkt beläuft sich auf 2.485 MWth in rund 265.000 Projekten ein Viertel des chinesischen Volumens (IGA 2010). In China erzwingt neben dem starken Bevölkerungswachstum und einem damit verbundenen steigenden Energiebedarf auch die hohe Umweltbelastung durch die Kohlenutzung die Erschließung alternativer Energiequellen. Das offizielle Ziel lautet 16 % Erneuerbare Energien an der Primärenergieversorgung bis 2020. Laut der NATIONAL DEVELOPMENT AND REFORM COMMISSION (NDRC) könnten die geothermischen Kapazitäten von 45 MWel auf 250 MWel im Jahr 2020 ausgebaut werden. Neben der Wärmeversorgung von Gebäuden und der Prozesswärme für Betriebe spielt die Wärmeversorgung von Gewächshäusern mit Tiefer Geothermie eine zunehmend wichtige Rolle. Nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in Deutschland und weltweit ist die Tiefe Geothermie trotz relativ hoher Investitionskosten aufgrund der geringen Betriebskosten insbesondere bei hohen jährlichen Nutzungsstunden immer häufiger eine Alternative zu Gas- oder Ölheizungen.

1.3

Projekthindernisse und Herausforderungen

Bedingt durch die hohen Investitionskosten, die technischen Risiken beim Bohrvorgang selbst und einem generellen Fündigkeitsrisiko von einigen Millionen Euro pro Fehlbohrung, ist es zu diesem Zeitpunkt sowohl für Kommunen als auch für die kommunalen Stadtwerke als potenzielle Betreiber noch mit großen Schwierigkeiten verbunden, die Projektfinanzierung sicherzustellen. Mittlerweile bieten hier einige Industrieversicherungsmakler erste ganzheitliche Versicherungslösungen an, während auf ministerieller Ebene für nationale und internationale Projekte die Überlegungen in Richtung von Projektfonds gehen, die solche Risiken abdecken sollen. Es existieren positive Erwartungen an die zukünftige Entwicklung der Geothermie sowohl bei der Stromerzeugung als auch im Wärme- und Kältemarkt. Die im Jahr 2011 von der IEA (INTERNATIONAL ENERGY AGENCY der OECD) veröffentlichte Roadmap geht von starkem Wachstum sowohl in den klassischen OECD-Ländern als auch in China und Indien aus. Als besondere Herausforderungen für die Wissenschaft und die Industrie sehen die INTERNATIONAL GEOTHERMAL ASSOCIATION (IGA), die INTERNATIONALE ENERGIEAGENTUR und andere Organisationen in erster Linie die Entwicklung und den Ausbau der EGSTechnologie. Nur damit ist der Geothermie zu einem spürbaren Marktanteil unter den

8

1 Zukunftsperspektiven und Herausforderungen der Tiefen Geothermie

Erneuerbaren Energieträgern zu verhelfen. Dafür sind in den kommenden 20 Jahren fünf Meilensteine zu erreichen: 1. Die Entwicklung von EGS-Kraftwerken bzw. Anlagen in unterschiedlichen geologischen und tektonischen Situationen, wie Kristallin-/Sedimentgesteine oder Becken- bzw. Orogenstrukturen innerhalb der nächsten zehn Jahre. Dazu gehört auch deren Weiterentwicklung aus und Überschneidung mit hydrothermalen Systemen. 2. Die Entwicklung von hydraulischen und chemischen Stimulationstechnologien, die insbesondere auf geothermische Fragestellungen abgestellt sind. 3. Aus Gründen des Umweltschutzes und der gesellschaftlichen Akzeptanz muss der Fokus auf umwelt- und sozialverträglichen Stimulationsverfahren liegen. Dazu müssen zunächst die Projektmanagementstrukturen im Hinblick auf den Gesundheitsschutz, die Sicherheit und den Umweltschutz definiert und standardisiert werden. Das gilt z.B. auch für Aspekte der induzierten Seismizität. 4. Das Erreichen einer Langzeitverfügbarkeit der Ressource mit den zugehörigen Betriebsführungs- und Monitoringprozessen für das Reservoir. 5. Ab 2025 sollte die Lernkurve zum Ausbau der Kraftwerkskapazitäten bis 50 MWel und anschließend zu einer Größenordnung von 200 MWel führen. Hierfür müssen kaskadierte, modulartige Systeme entwickelt werden.

2

Projektfinanzierung eines Geothermie-Vorhabens DR. JÖRG BÖTTCHER

2.1

Einleitung

Die INTERNATIONAL ENERGY AGENCY (IEA) prognostiziert in einer ihrer Studien (World Energy Outlook 2009), dass der weltweite primäre Energiebedarf zwischen 2007 und 2030 mit einer jährlichen Wachstumsrate von 1,5 % ansteigen wird, wobei Asien und der Mittlere Osten Hauptträger des Bedarfs sein werden. Die Stromnachfrage wird im gleichen Zeitraum sogar um 2,5 % ansteigen. Dieser erwartete Energiebedarf lässt sich nur dann decken, wenn auch hinreichende Finanzierungsmittel zur Verfügung stehen, was vor dem Hintergrund der andauernden Umbrüche im Finanzsektor eine Herausforderung sein wird. Die IEA sieht bis 2030 einen kumulierten Kapitalbedarf von etwa 26 Billionen USD, wobei etwa die Hälfte der Investitionen in Entwicklungsländern benötigt wird. Im gleichen Zeitraum steigen die CO2Emissionen – ohne einen Politikwechsel – ebenfalls mit einer jährlichen Wachstumsrate von 1,5 % an mit den vielfach beschriebenen Folgen für das globale Klima. Um den Temperaturanstieg unter 2˚C zu begrenzen, bedarf es erheblicher politischer Anstrengungen und umfangreicher Investitionen in umweltverträgliche Energieträger. Der STERN-REPORT hat darüber hinaus deutlich gemacht, welche weltweiten ökonomischen Folgen sich aus dem Klimawandel ergeben: Die jährlichen Kosten entsprechen, sofern nicht gehandelt wird, einem jährlichen Verlust zwischen 5 % bis 20 % des globalen Bruttoinlandsprodukts, wobei Entwicklungs- und Schwellenländer noch wesentlich härter betroffen sein können. Die genannten Aspekte umreißen das politische Spannungsfeld der Energiepolitik, die eine langfristige Versorgungssicherheit zu akzeptablen Preisen und ökologisch verträglichen Rahmenbedingungen sicherstellen will. Erneuerbaren Energien kommt in diesem Umfeld eine hohe Bedeutung zu, da sie benötigt werden, um den Treibhauseffekt möglichst klein zu halten. Während bestimmte Formen – wie Wasserkraft, Onshore-Windenergie und Photovoltaik – mittlerweile als etablierte Technologien angesehen werden können, befinden sich andere Technologien – wie Offshore-Windenergie, Solarthermie und Tiefe Geothermie – in einer frühen Marktphase, die aber gleichwohl erhebliches Ausbaupotenzial versprechen. Im Rahmen dieser Darstellung soll untersucht werden, welche Rahmenbedingungen bei der Realisierung von Geothermie-Vorhaben in Form einer Projektfinanzierung zu beachten sind. Dies bedarf, wie im Vorwort beschrieben, eines abgestimmten Vorgehens von Spezialisten aus den Bereichen Recht, Technik und Wirtschaft, was sich hier in einer Aufteilung in drei

10

2 Projektfinanzierung eines Geothermie-Vorhabens

entsprechende Themenblöcke widerspiegelt. Wir haben uns dazu entschieden, hier ausschließlich die Tiefe Geothermie zu betrachten. Ziel ist es, fachliche Hinweise und Handlungsempfehlungen zu entwickeln, die bei der Realisierung von Geothermievorhaben beachtet werden sollten. Starten wollen wir mit einem Blick auf den aktuellen Stand der Geothermie-Nutzung. In Deutschland wird mit gegenwärtig etwa 600 MW installierter Leistung Wärme produziert, weltweit sind etwa 15.000 MWthermisch und 8.400 MWelektrisch installiert9.

15.000

Installierte Kapazität in MW 10.000

5.000

0 1980 Abbildung 5:

1985

1990

1995

2000

2005

2010

Installierte Geothermiekapazität in MW

Bei einem Blick auf die Länder fällt auf, dass wir Schwerpunkte in Nord- und Mittelamerika sowie Fernost vorfinden. Die Nutzung in Europa fällt demgegenüber deutlich zurück. Fragt man nach den Gründen für die zurückhaltende Entwicklung bei der Nutzung der Tiefen Geothermie in Deutschland, so wird man neben den geologischen Gegebenheiten das einzigartige Risikoprofil von Geothermieprojekten als einen wichtigen Grund anführen können. Einerseits finden wir hier ein ausgeprägtes Fündigkeits- und Bohrlochrisiko vor, das eine erhebliche Verlustgefahr während der untertägigen Fertigstellungsphase bedeutet. Damit ist eine Beteiligung von Fremdkapitalgebern in dieser Phase eher unwahrscheinlich. Andererseits erlauben Geothermie-Kraftwerke mit erfolgter Fertigstellung eine grundlastfähige Energieproduktion, die sie in dieser Phase als für eine Projektfinanzierung grundsätzlich gut geeignet erscheinen lassen. Diese zeitlich unterschiedliche Risikoausprägung erfordert eine entsprechende Anpassung der Finanzierungsquellen und der Finanzierungsstrukturen: Während der Bohrphase und der unterirdischen Erschließung sind die Eigenkapitalinvestoren gefragt, die in der Lage sein müssen, erhebliche Vorleistungen aus eigener Hand vornehmen zu können, während die oberirdische Erschließung auch den Einsatz von Fremdkapital ermöglicht. 9

GEFGA, S. 4.

2.1 Einleitung

11

3.500 3.000 2.500

Installierte Kapazität in MW (2010)

2.000 1.500 1.000 500 0

Abbildung 6:

10

Installierte Geothermiekapazität nach Ländern

Insbesondere die Möglichkeit, grundlastfähigen Strom erzeugen zu können, sollte die Finanzierbarkeit von Geothermie-Projekten begünstigen, wobei die Risiken – abhängig von der Technik und den geologischen Verhältnissen – insbesondere in der Fertigstellungsphase hoch sein können und die wahrgenommene Akzeptanz in der Bevölkerung als derzeit problematisch erscheint. Für die Politik sollte die Nutzung der Geothermie gleichwohl interessant sein, da neben einer grundlastfähigen Stromerzeugung auch konventionelle Verbrennungsprozesse vermieden werden, sodass keine direkten CO2-Emissionen verursacht werden. Aussagen zur Wirtschaftlichkeit einer geothermischen Anlage sind entscheidend von den hydraulischen und thermischen Eigenschaften des Nutzhorizonts sowie der Zusammensetzung des Wassers abhängig. Zentral ist dabei der geothermische Gradient: Er beschreibt den Temperaturanstieg hin zum Erdkern und beträgt in Deutschland durchschnittlich 3 bis 4˚C pro 100 Meter11. Standorte mit erhöhten Temperaturgradienten können zu Kosteneinsparungen führen, weil die Bohrtiefe geringer ausfällt. Allerdings muss immer auch die Förderrate mit berücksichtigt werden. Für den wirtschaftlichen Betrieb einer geothermischen Anlage wird die Wärme regelmäßig ganzjährig genutzt. Dabei ist die Nutzung der Wärme hintereinander auf verschiedenen Temperaturniveaus – Kaskadenprinzip – aus ökonomischer und ökologischer Sicht anzustreben, etwa in einer Kombination Fernwärme (60 bis 90˚C), Gewächshäuser (30 bis 60˚C) und Fischzucht (unter 30˚C). Eine Stromerzeugung ist in der Regel erst bei Temperaturen oberhalb von 100˚C mit entsprechender Technologie möglich. Je höher das Temperaturniveau ist, umso besser ist der Wirkungsgrad bei der Stromerzeugung. Auch bei dieser Technologie ist

10 11

IGA 2012. Enerchange 2012, S. 4.

12

2 Projektfinanzierung eines Geothermie-Vorhabens

die Restwärme aus ökologischer und wirtschaftlicher Sicht zu vermarkten. Analoge Überlegungen gelten für die Nutzung von petrothermalen Systemen.12

Abbildung 7:

Tiefengeothermische Nutzungspotenziale in Deutschland

13

Deutschlands wichtigste Regionen im Hinblick auf hydrogeothermische Nutzungen sind das Süddeutsche Molassebecken, daneben das Norddeutsche Becken und der Oberrheingraben.14 In diesen Regionen existieren im tiefen Untergrund Reservoire mit heißen Wässern, die mit Temperaturen von über 60˚C eine direkte Wärmenutzung, darüber hinaus bei Temperaturen von über 100˚C auch eine grundlastfähige Stromerzeugung ermöglichen. Geothermievorhaben können in Form einer Projektfinanzierung realisiert werden, so dass die Sponsoren eine Haftungsbeschränkung erreichen. Dies gelingt aber nur, wenn die vom Projekt generierten Cashflows als so stabil und vorhersagbar angesehen werden können, dass auf eine Mithaft der Initiatoren über die gesamte Projektdauer verzichtet werden kann. Welche methodischen Besonderheiten bei einer Projektfinanzierung dabei zu beachten sind, stellen wir im folgenden Abschnitt 2.2 vor.

12

PK Tiefe Geothermie 2007, S. 14. O.V. BMU 2011, S. 4. 14 Das Geothermische Informationssystem GeotIS (www.geotis.de) bietet weitergehende Informationen über die Standorte und Potenziale der Tiefen Geothermie. Siehe zu den Spezifika der drei genannten Regionen auch den Beitrag von TILO WACHTER in Kapitel 4.3. 13

2.2 Geothermie und Projektfinanzierung

2.2

Geothermie und Projektfinanzierung

2.2.1

Grundlagen einer Projektfinanzierung

13

Geothermievorhaben können als Projektfinanzierungen realisiert werden, sofern sie eine hinreichende technische Stabilität aufweisen und über ein zugeschnittenes Rechts- und Regulierungsumfeld verfügen. Bei einer Projektfinanzierung sind es das Vorhaben und dessen Cashflow, nicht aber ein bestimmtes Unternehmen, das für die Finanzierung gerade steht. Das Vorhaben muss daher ein geschlossener, in sich rechtlich, technisch und wirtschaftlich tragfähiger Kreis sein, der den Investoren eine glaubwürdige Aussicht auf eine angemessene Eigenkapitalverzinsung und den Fremdkapitalgebern ausreichende Sicherheit auf Rückführung des eingesetzten Kapitals bietet: Das Projekt muss sich selbst tragen, sich selbst finanzieren. Dies ist der Grundgedanke einer Projektfinanzierung. Für den Begriff der Projektfinanzierung finden sich in der Literatur unterschiedliche Definitionsansätze, wobei sich der von NEVITT/FABOZZI weitgehend durchgesetzt hat: Projektfinanzierung ist die Finanzierung eines Vorhabens, bei der ein Darlehensgeber zunächst den Fokus der Kreditwürdigkeitsprüfung auf die Cashflows des Projekts als einzige Quelle der Geldmittel, durch die die Kredite bedient werden, legt15. In dieser Definition ist das zentrale Prinzip der Cashflow-Orientierung (Cashflow Related Lending) angelegt: Die Projektkredite werden im Vertrauen darauf zur Verfügung gestellt, dass die Cashflows des Projektes so stabil sind, dass neben den Betriebskosten auch der Kapitaldienst sicher bedient werden kann. Da die Stabilität der Cashflows voraussetzt, dass sich die Projektbeteiligten im Sinne des Projektes verhalten, untersuchen die Darlehensgeber im Rahmen ihrer Kreditprüfung genau die vertraglichen und gesetzlichen Grundlagen, unter denen ein Projekt agiert. Das ist mit „zunächst“ gemeint: Neben die Cashflow-Orientierung tritt im weiteren Verlauf der Projektprüfung die Beurteilung und Ausgestaltung der Risikopositionen der verschiedenen Projektbeteiligten (Risk Sharing). Damit man das Projekt weitgehend von Einflüssen außerhalb der explizit vereinbarten Verträge abschirmen kann, muss eine eigenständige Projektgesellschaft gegründet werden, die Trägerin aller Rechte des Projektes ist und die die Projektkredite verbucht (Off-Balance Financing)16. Da die Cashflows die einzige Quelle der Kreditbedienung und Eigenmittelverzinsung sind, ergeben sich besondere Anforderungen an ihre Stabilität und Verlässlichkeit. Neben einer Risikoidentifikation geht es darum, nach ökonomischen Kriterien Risiken auf einzelne Projektbeteiligte zu verteilen. Im Anschluss erfolgt eine Risikoquantifizierung in Form eines Cashflow-Modells und eines Rating-Verfahrens, die u.a. darüber Auskunft gibt, wieviel Fremdmittel einem Vorha15

P. K. Nevitt; F.J. Fabozzi 2000, S. 1. Auch wenn durch die Definition eine klare Betonung auf die Rolle der Kreditgeber gelegt werden, wird im Folgenden die Methode der Projektfinanzierung aus dem Blickwinkel der verschiedenen Projektbeteiligten vorgenommen, da ihr effizientes Zusammenspiel entscheidend für den Erfolg einer Projektfinanzierung ist. Die deutliche Betonung der Rolle der Kreditgeber ist gleichwohl sinnvoll, da sie den mit Abstand größten Anteil an der Gesamtfinanzierung übernehmen sollen und damit ihre Akzeptanz dafür entscheidend ist, ob eine Projektfinanzierung zustande kommt oder nicht. 16 W. Schmitt 1989, S. 24.

14

2 Projektfinanzierung eines Geothermie-Vorhabens

ben zur Verfügung gestellt werden können, wie die Tilgungsstruktur aussehen sollte und welche weiteren Gestaltungselemente Einzug in die Struktur finden sollten. Die Erarbeitung einer Finanzierungsstruktur und die Möglichkeiten ihrer Optimierung sind ein Hauptthema des Kapitels 5.2. Dabei muss man sich bewusst sein, dass die jeweiligen Teilaspekte des Risikomanagementprozesses – Identifikation, Allokation und Quantifizierung von Risiken – nicht einer gerichteten zeitlichen Abfolge unterliegen, sondern miteinander wechselseitig in Verbindung stehen. Um die Aussagen zur Risikoquantifizierung daher angemessen würdigen zu können, ist es notwendig, die verschiedenen Teilaspekte eines Risikomanagements gleichermaßen zu berücksichtigen. Dies werden wir – soweit nötig – in diesem Kapitel tun und ansonsten auf die spezifischen Kapitel verweisen. Zum Verständnis des methodischen Ansatzes ist es hilfreich, kurz die Unterschiede zwischen einer Unternehmensfinanzierung und einer Projektfinanzierung zu skizzieren: Kommt eine Unternehmensfinanzierung zum Einsatz, wird ein Investitionsvorhaben als Teil des Unternehmens betrachtet. Die Bewertung des Investitionsvorhabens aus Sicht der finanzierenden Bank basiert auf der Kreditwürdigkeit des Gesamtunternehmens und nicht auf dem erwarteten Cashflow des Projekts an sich. Wird dagegen eine Projektfinanzierung realisiert, ist die Bewertung der Fremdkapitalgeber wesentlich an die Fähigkeit des Projekts geknüpft, einen eigenen Cashflow zu generieren. Unternehmensfinanzierung

Projektfinanzierung

Kreditgeber

Kredit / Schuldendienst

Kreditnehmer

Kreditgeber Kredit / Schuldendienst

Beschränkter (oder kein) Rückgriff

Eigenkapitalgeber = Sponsoren

Fremdkapital und Eigenkapital

Projekt (Verwendungszweck)

Abbildung 8:

Eigenkapital Projekt (Zweckgesellschaft) = Kreditnehmer 17

Vergleich Unternehmensfinanzierung und Projektfinanzierung

Zentral ist: Bei einer Unternehmensfinanzierung ist der Kreditnehmer gleichzeitig auch der Eigenkapitalgeber und steht für die Bedienung der Darlehen während der gesamten Darlehenslaufzeit ein. Dies steht im deutlichen Kontrast zu einer Projektfinanzierung: Hier sind 17

In Anlehnung an W. Schmitt 1989, S. 22.

2.2 Geothermie und Projektfinanzierung

15

die Eigenkapitalgeber – zumeist betraglich limitiert – und nur bis zu dem Zeitpunkt der erfolgreichen Fertigstellung des Projektes für die Darlehensbedienung mit verantwortlich. Diese Haftungsbegrenzung der Sponsoren ist – aus ihrer Sicht – der wesentliche ökonomische Grund für die Attraktivität einer Projektfinanzierung. Da die Sponsoren bei einer Projektfinanzierung keine unbegrenzte Haftung für das Fremdkapital übernehmen, wird für die Realisierung der Projekte die Gründung einer eigenständigen Projektgesellschaft durch die Sponsoren als Gesellschafter regelmäßig notwendig. Alleiniger Geschäftsgegenstand dieser Projektgesellschaft ist die Realisierung, also die Errichtung und der Betrieb des Projekts. Sie nimmt als Einzweckgesellschaft die Fremdmittel auf und haftet unbeschränkt mit ihrem Vermögen, so dass bei formaler Betrachtung ein Unternehmenskredit vorliegt. Materiell handelt es sich aber um einen Kredit für das konkrete Vorhaben. Die Kreditgeber erwarten die Bedienung des Kapitaldienstes allein aus dem Cashflow, der aus dem Projekt generiert wird. Als Sicherheit stehen die Aktiva und der Cashflow des Projekts als Haftungsmasse den Gläubigern zur Verfügung. Diese Haftungsmasse ist allerdings projekttypisch nur schwer verwertbar, was mit Blick auf die hohen Investitionsspezifika – Kraftwerke, Mobiltelefonienetze, Transportsysteme etc. – nicht näher erläutert werden muss. Daher wird im Krisenfall, in dem der Cashflow zur Bedienung des Kapitaldienstes nicht ausreicht, nicht die Sicherheitenverwertung im Vordergrund stehen, sondern die Fortführung des Projekts, erforderlichenfalls unter finanziellen Opfern aller Beteiligten18. Wesensmerkmal jeder Projektfinanzierung ist die Orientierung an den zukünftigen Cashflows und der Einbindung der Projektbeteiligten, woraus sich folgende Konsequenzen ableiten: 1. Einflussgrößen des Cashflows Zunächst ist bei einer Projektbeurteilung ein besonderes Augenmerk auf die Faktoren zu legen, die den Cashflow beeinflussen. Als maßgebliche Cashflow-Determinanten für ein Projekt kommen die Beschaffungsseite, die Absatzmärkte, die Betriebskosten, die Finanzierungskonditionen und schließlich Einflussgrößen des öffentlichen Sektors in Betracht. 2. Grundsatz der Kontrollfähigkeit Die Aufteilung der Risiken auf die Projektbeteiligten erfolgt normalerweise nach dem Grundsatz, dass die Vertragspartei das Projektrisiko übernehmen sollte, das sie aufgrund ihrer Geschäftstätigkeit am besten beurteilen und somit auch kontrollieren kann. 3. Grundsatz der Risikotragfähigkeit Der Grundsatz der Kontrollfähigkeit wird durch den Grundsatz der Risikotragfähigkeit ergänzt: Es geht dabei um die Frage, ob die vertraglich verpflichteten Projektbeteiligten aufgrund ihrer Bonität und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auch in der Lage sind, ihre Verpflichtungen gegenüber dem Projekt zu erfüllen. Insofern beinhaltet jede Projektfinanzierung auch Bestandteile einer Unternehmensfinanzierung, da die zumindest partielle Risikoübernahme durch die Projektbeteiligten wesentlich für eine Projektfinanzierung ist und in jedem Fall auch eine Bonitätsbeurteilung dieser Risikoträger erforderlich macht, wie sie für Unternehmensfinanzierungen typisch ist. Die Bonität des Risikoträgers ist umso intensiver zu prüfen, je weitgehender er sich vertraglich gegenüber dem Projekt verpflichtet. Diesbezüglich wird auf die einschlägige Literatur der Kreditnehmerbeurteilung verwiesen. 18

J. Böttcher 2006, S. 130–133.

16

2 Projektfinanzierung eines Geothermie-Vorhabens

4. Anreizwirkungen der Vertragsgestaltung Schließlich müssen zwingend die Anreizwirkungen der jeweiligen Vertragsgestaltung mit berücksichtigt werden. Aus einer Ex-post-Perspektive mag es dem Auftraggeber gleichgültig sein, wie ein gutes Projektergebnis erzielt wurde. Ex ante möchte er aber die Wahrscheinlichkeit eines guten Ergebnisses erhöhen, und das kann er nur, indem er Einfluss auf das Verhalten der beauftragten Partei nimmt. Könnte er den Auftragnehmer beobachten, würde er ihn durch entsprechende Anweisungen zu dem gewünschten Verhalten zwingen. Regelmäßig kann der Auftraggeber aber nicht kostenlos kontrollieren, ob seine Anweisungen befolgt wurden. Wesentlich ist daher, dem Auftragnehmer ein Anreizschema zu geben, das ihn aus eigenem Interesse zu dem gewünschten Verhalten anhält. Dafür muss er in aller Regel am Erfolg und auch am Risiko des jeweiligen Vorhabens beteiligt werden, und zwar unabhängig davon, über welche Risikotragfähigkeit er verfügt. Die methodischen Besonderheiten einer Projektfinanzierung – Fokussierung auf den Cashflow des Projektes, die Haftungsentlassung der Sponsoren nach erfolgter Fertigstellung und die explizite vertragliche Einbindung der verschiedenen Projektbeteiligten – führen dazu, dass dem Risikomanagement eines Geothermievorhabens auch aus Finanzierungssicht eine besondere Bedeutung zukommt. Die damit verbundenen Teilaspekte skizzieren wir im folgenden Abschnitt 2.3.

2.3

Risikomanagement bei Geothermievorhaben

In der betriebswirtschaftlichen Literatur existiert eine Vielzahl von Interpretationsvarianten für den Begriff des Risikos19. Hier soll Risiko als negative Abweichung vom Planwert einer Zielgröße verstanden werden, da sie für jeden Beteiligten eine Verlustgefahr bedeutet20. Durch das Risikomanagement soll ein systematischer und erfolgsorientierter Ansatz zum Umgang mit Risiken erreicht werden. Dies gilt insbesondere für Projektfinanzierungen, da die Neuartigkeit und Einzigartigkeit jedes Projekts unbekannten Einflussfaktoren unterliegen, welche zu Risikopositionen führen21. Des Weiteren ergeben sich durch die zukunftsgerichtete Cashflow-Orientierung und die damit verbundene Rückgriffsbegrenzung auf die Sponsoren spezielle Anforderungen an das Risikomanagement, da hierdurch regelmäßig auch unternehmerische Risiken auf die Fremdkapitalgeber übertragen werden22. Die Bedeutung der Behandlung von Risiken im Zusammenhang mit einer Projektfinanzierung ergibt sich unmittelbar aus ihrem Charakter: Da es allein das Vorhaben ist, das als wirtschaftliche Basis für die angemessene Eigenkapitalverzinsung und die Bedienung des Kapitaldienstes dient, ist die Werthaltigkeit und die Robustheit des Projekts von entscheidender Bedeutung. Da das Projekt aber erst sukzessive entsteht, lässt sich die Wirtschaftlichkeit nur 19

Ausführlicher M. Hupe 1995, S. 43 ff.; D. Tytko 1999, S. 142 f.; H. Uekermann 1993, S. 23. Zum Risikobegriff aus technischer Sicht siehe P. Frohböse 2010, S. 13–16. 20 In Anlehnung an M. Hupe 1995, S. 46. In einem breiteren Begriffsverständnis wird unter Risiko die Gefahr verstanden, dass ein tatsächlich realisiertes Ergebnis vom erwarteten Ergebnis positiv oder negativ abweicht. Positive Abweichungen werden dann als „Chance“ bezeichnet, negative Abweichungen als „Risiko im engeren Sinn“. Dieser letztgenannten Interpretation des Risikobegriffs wollen wir hier folgen. 21 M. Hupe 1995, S. 43 ff. 22 K.-U. Höpfner 1995, S. 166 ff.

2.3 Risikomanagement bei Geothermievorhaben

17

per Prognose bestimmen. Da die Perspektive in die Zukunft zunehmend unsicher ist, hat sich die Prognose mit dem Eintritt aller Arten von Einflüssen zu befassen, deren Wirkung auf das Projekt einzuschätzen und nach Wegen zu suchen, ob und inwieweit einzelne Projektbeteiligte bereit sind, das Projekt von Risiken freizuhalten. Dabei lassen sich die Erfolgsfaktoren von Geothermieprojekten wie folgt beschreiben: Tabelle 1: 1. 2. 3. 4.

Erfolgsfaktoren einer Projektfinanzierung im Bereich Geothermie

Verlässlichkeit und Prognostizierbarkeit des Rechts- und Regulierungsumfeldes/Durchsetzbarkeit von Verträgen Einsatz nur von bewährter Technik Angemessene Risikozuweisung zu einzelnen Projektbeteiligten Rechnerische Wirtschaftlichkeit des Vorhabens 4.1. Volatilitäten der Hauptrisikotreiber 4.1.1. Einzahlungen und Auszahlungen 4.1.2. Volatilitäten der Preise und Mengen 4.1.3. Makroökonomische Faktoren (i.w. Zinssatzentwicklung) 4.2. Unsicherheit über das Niveau der Prognose für die Cashflows, so genannte Banking Case Uncertainty (BCU) 4.3. Korrelationen zwischen den Hauptrisikotreibern, insbesondere zwischen den Kosten und Erlösen

Qualitative Projekt-Prüfung

CF-Modell / Rating-Tool Rating-Tool Rating-Tool Rating-Tool CF-Modell / Rating-Tool

Die ersten drei genannten Aspekte – Stabilität des Rechts- und Regulierungsumfeldes, Einsatz bewährter Technik und angemessene Risikoallokation – müssen bei jeder Projektfinanzierung vollumfänglich erfüllt sein. Im nächsten Schritt geht es dann um eine finanzielle Optimierungsaufgabe, die in Abhängigkeit von den Volatilitäten der verschiedenen Einflussgrößen zu lösen ist. Der erste Teil der Projektprüfung ist damit eher grundsätzlicher Natur, der zweite Teil Gegenstand der Risikoquantifizierung. Am Anfang des Einsatzes von Projektfinanzierungen steht die Frage nach der grundsätzlichen Geeignetheit der einzusetzenden Technik, die eine klare und langfristig stabile Energieproduktion garantieren muss. Einzelne Techniksysteme der Geothermie sind mehrfach und langjährig im industriellen Einsatz, während sich etwa die Anwendung der Hot Dry RockTechnologie noch in einer Frühphase befindet. Einnahmen

Betriebskosten

Finanzierungskosten

Preis

Energiemenge

Rechts- und Regulierungsumfeld

Ressourcenangeb Verfügbarkeit und ot am Standort Zuverlässigkeit der (Wind, Sonne, Technik Biomasse)

z.B. Betriebs- und Wartungskosten

Zins und Tilgung der Darlehen

Zuverlässig und vorhersagbar?

Einschätzung durch Gutachter

Grundlage: Schätzungen, Verträge und Erfahrungswerte

Weitgehende Fixierung bei Financial Close

Qualität der WEAs

Einflussfaktoren für die Wirtschaftlichkeit

Abbildung 9:

Einflussfaktoren für die Wirtschaftlichkeit

18

2 Projektfinanzierung eines Geothermie-Vorhabens

Die Risiken bei Projektfinanzierungen können von Projekt zu Projekt hinsichtlich ihres Inhalts, ihrer Ursache, ihres Ausmaßes und ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit stark voneinander abweichen. Gleichwohl gibt es Gruppen von Risiken, die in gleicher oder ähnlicher Weise bei den meisten Projektfinanzierungen zu einer Gefährdung des Cashflows führen können und insofern Gegenstand des Risikomanagements sein müssen. Zur Visualisierung ist es häufig hilfreich, die Einflussgrößen der Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens darzustellen. Eine zweckmäßige Unterteilung der Risiken kann so erfolgen, dass sie in Bezug auf ihre Inhalte und ihre Ursachen weitgehend überschneidungsfrei ist und auf die Möglichkeiten ihrer Beeinflussbarkeit durch die verschiedenen Projektbeteiligten abgestellt wird. Eine solche Gliederung erscheint sinnvoll, da sich in der Praxis unterschiedliche Maßnahmen herausgebildet haben, die die Risiken meist mit einem möglichst engen Bezug zu ihren Ursachen handhaben23. Daher wird im Folgenden unterschieden zwischen Risiken, die von der Projektgesellschaft oder anderen Projektbeteiligten kontrolliert werden können – projektendogene Risiken – und solchen Risiken, die außerhalb der Projektbeteiligten auf das Projekt einwirken – projektexogene Risiken. Eine Besonderheit von projektexogenen Risiken stellen Risiken dar, die von keiner der am Projekt beteiligten Parteien kontrolliert werden können, so genannte Force Majeure-Risiken. Diese Unterteilung ist wirtschaftlich zweckmäßig, da die Methodik der Projektfinanzierung wesentlich darin besteht, belastbare Verträge zwischen der Projektgesellschaft und zentralen Projektbeteiligten zu strukturieren, die damit Risiken vom Projekt fernhalten. Dies erfordert die vertragliche Einbindung von Projektbeteiligten in das Projekt, oder anders formuliert: Endogene Risiken sind aus Sicht der Projektgesellschaft besser beherrschbar als exogene Risiken. Tabelle 2:

Übersicht über exogene und endogene Risiken

Endogene Risiken

Exogene Risiken

Fertigstellungsrisiko (Kapitel 3.2, 4.3) Technisches Risiko i.e.S. (Kapitel 4.1 und 4.4) Managementrisiko (Kapitel 3.2, 3.3, 3.4, 4.4) Absatzrisiko Betriebsrisiko (Kapitel 4.4) Abandonrisiko

Technisches Risiko i.w.S. Ressourcenrisiko (Kapitel 3.3, 4.2) Zulieferrisiko Marktrisiko Vertragsrisiko (Kapitel 3.1, 3.4) Wechselkursrisiko Rechts- und Regulierungsumfeld (Kapitel 3.1) Inflationsrisiko Zinsänderungsrisiko

Force Majeure-Risiko

Wichtig ist: Es ist die Vertragsstruktur, die bei einzelnen Risikotypen darüber entscheidet, ob es sich um endogene oder exogene Risiken handelt: So überführt erst die vertragliche Verpflichtung des Abnehmers, Produkte der Projektgesellschaft zu einem bestimmten Preis, einer bestimmten Menge und Qualität abzunehmen, ein exogenes Marktrisiko in ein endogenes Absatzrisiko. Die wesentlichen Projektrisiken haben wir in Tabelle 2 dargestellt, wobei wir auch jeweils angegeben haben, in welchem Abschnitt dieses Buches diese Themen behandelt werden. 23

Auch eine ökonomische Analyse der Vertragsbeziehungen legt eine derartige Verknüpfung von Risiko und Risikoträgerschaft nahe. Aus Effizienzgesichtspunkten ist es besser, wenn die Risikozuweisung auf den Risikoeintritt konditioniert ist. Siehe hierzu J. Böttcher 2009, S. 67–69.

2.3 Risikomanagement bei Geothermievorhaben

19

In vielen Bereichen haben sich im Laufe der Zeit bestimmte Grundverteilungsregeln von Risiken etabliert. Da die Technik der Projektfinanzierung – mit unterschiedlichen Abstufungen für bestimmte Bereiche, z.B. Geothermie-Projekten – aber verhältnismäßig neu ist, haben sich bestimmte Grundregeln noch nicht trennscharf herausgebildet und zwingen zu Diskussionen über eine angemessene Zuordnung von Chancen und Risiken. Die verschiedenen Einzelrisiken können adressiert und durch Einbindung der verschiedenen Projektbeteiligten in ihren Auswirkungen auf das Projekt zumindest gemildert werden. Gleichwohl verbleiben Restrisiken, die über übergeordnete Sicherungssysteme aufgefangen werden müssen. Zu diesen Systemen zählen neben dem Aufbau einer effizienten Informationsstruktur vor allem die Entwicklung einer stabilen Projekt- und Finanzierungsstruktur. Folgendes Schaubild soll die Zusammenhänge verdeutlichen: Chance-Risikoprofil eines Projektes

Risiko Risikoinstrument und Risikoträger

Schaffung einer Interessengemeinschaft Endogene Risiken, z.B. Fertigstellungs- Betriebsrisiko Technologisches Risiko risiko z.B. z.B. Sponsoren, die Grundsatz: Einsatz nur Fertigstellungs- auch als Betreiber bewährter Technik garantie auftreten

Exogene Risiken, z.B.: Ressourcenrisiko Einschätzung durch Gutachter der Banken

Länderrisiko

Marktrisiko

Einschaltung von Take-or-PayExportkreditgesell Abnahmevertrag / schaften gesetzliche Abnahmepflicht

Versicherungen Voraussetzung: Abbau von Informationsasymmetrien

Restrisiken, die nicht einer Partei zugeordnet werden können

Kern: Quantifizierung von Projektrisiken Informationsebene: Verhältniszahlen informieren über die Projekt-Performance zu einem verhältnismäßig frühen Zeitpunkt

Abbildung 10:

Entwicklung einer Finanzierungsstruktur, die eine angemessene IRR bei akzeptabler Robustheit auch in einem Downside Szenario ermöglicht

Simulationsrechnung des sich ergebenden Cashflow-Modells typischerweise über ein separates Rating-Tool

Etablierung von anreizkompatiblen Verträgen, die die Projektbeteiligten dazu anhalten, den Projekterfolg zu verfolgen

Risikomanagementprozess bei einer Projektfinanzierung – Teil I

Für ein erfolgreiches Risikomanagement ist es wichtig, ausgehend von den identifizierten Risiken eines Projektes deren Auswirkungen auf die ökonomische Leistungsfähigkeit und Belastungsfähigkeit des Projektes zu erfassen. Dadurch lassen sich Erkenntnisse für die Auswahl und den Umfang der risikopolitischen Maßnahmen sowie der geeigneten Vertragspartner gewinnen. Im Anschluss an die Risikoallokation erfolgt eine Risikoquantifizierung, die den Einfluss der einzelnen Projektrisiken auf den Cashflow des Projektes abbildet. Auf dieser Grundlage wird eine Finanzierungsstruktur entwickelt, die den Investoren eine Aussicht auf eine angemessene Verzinsung und den Fremdkapitalgebern das Vertrauen verschafft, dass der Kapitaldienst auch unter einem Belastungs-Szenario erbracht wird. Erkennbar ist aber auch, dass das Thema Risikomanagement eines gemeinschaftlichen Antritts von Spezialisten aus Recht, Technik und Wirtschaft bedarf. Die Projektbeteiligten eines Vorhabens werden die Teilaspekte ihrer Einbindung in der obigen Abbildung 10 wieder fin-

20

2 Projektfinanzierung eines Geothermie-Vorhabens

den, aber erst durch ihr abgestimmtes Zusammenspiel lässt sich ein tragfähiges Projekt entwickeln und realisieren. Im Anschluss an diese allgemeine Darstellung zum Risikomanagementprozess werden wir in Ziffer 2.4 die verschiedenen Einzelrisiken skizzieren, die bei Geothermievorhaben von besonderer Bedeutung sind.

2.4

Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten

Wie eingangs beschrieben, erfordert eine erfolgreiche Projektfinanzierung eine angemessene vertragliche Einbindung der Projektbeteiligten. Das Grundprinzip eines an den Handlungsanreizen orientierten Risk Sharings bei einer Projektfinanzierung ist, der Partei das Risiko zuzuordnen, die den Risikoeintritt am besten beeinflussen kann. Bei risikoaversen Projektbeteiligten ist bei dieser Risikoübertragung allerdings der Trade-Off mit der vom jeweiligen Vertragspartner eingeforderten Risikoprämie zu berücksichtigen: Es gibt Fälle, in denen es sich nicht lohnt, Handlungsanreize zu setzen, weil die Prämie dafür zu hoch wäre. Im Ergebnis kommt es nicht auf einen maximalen, sondern auf einen optimalen Risikotransfer an, der gerade ausreicht, die gewünschten effizienten Handlungsanreize zu setzen. Wesentlich ist, der beauftragten Partei ein Anreizschema zu geben, das sie aus eigenem Interesse zu dem gewünschten Verhalten bringt. Dafür muss sie in aller Regel am Erfolg und damit auch am Risiko des jeweiligen Vorhabens beteiligt werden, und zwar unabhängig davon, über welche Risikotragfähigkeit sie verfügt. Die Vereinbarungen zur Risikoallokation bilden ein komplexes Anreizschema, das die Interessen der Projektbeteiligten harmonisieren und auf den Erfolg des Projekts ausrichten soll. Danach noch verbleibende Risiken können nach dem Kriterium der Risikotragfähigkeit verteilt werden, also z.B. an Versicherungen ausgelagert werden oder bei den Financiers verbleiben. Zunächst kommt es aber darauf an, eine Vertragsstruktur zu finden, bei der sich alle Beteiligten für das Projekt einsetzen. Welche Verträge sich hierfür eignen, hängt davon ab, was zum Verhalten der einzelnen Parteien gerichtsfest feststellbar ist24. In den folgenden Abschnitten (Ziffern 2.4.1 bis 2.4.6) werden die branchenspezifischen Besonderheiten von Geothermie-Vorhaben mit dem traditionellen Risikomanagementprozess einer Projektfinanzierung verzahnt. Die Darstellung ermittelt für verschiedene Formen von Geothermieprojekten das jeweilige Risikoprofil und beschreibt geeignete Maßnahmen zur Risikobewältigung. Dieser Themenblock endet mit einer bewertenden Zusammenfassung der betrachteten Einzelrisiken (Ziffer 2.4.7). In Kapitel 5.2 erfolgt die Risikoquantifizierung, bei der die zuvor dargestellten Risikopotenziale der Einzelrisiken ganzheitlich untersucht werden und unter diesen Aspekten eine tragfähige Finanzierungsstruktur entwickelt wird. Die Risikoquantifizierung erfolgt anhand eines Fallbeispiels. 24

J. Böttcher 2012, S. 77–92.

2.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten

2.4.1

21

Das Ressourcenrisiko – Abschätzung des Energieertrages

Von zentraler Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit eines Geothermievorhabens ist eine realistische Prognose seines Energieertrages. Das Ressourcenrisiko wird im Bereich der Geothermie als Fündigkeitsrisiko bezeichnet. Das Fündigkeitsrisiko ist das Risiko, ein geothermisches Reservoir in nicht ausreichender Quantität oder Qualität zu erschließen. Die Quantität wird dabei über die thermische Leistung definiert, die mit Hilfe einer Bohrung erreicht werden kann. Diese Leistung P ist proportional zur Förderrate Q und der Temperatur T:25 P=Q*T Unter Qualität versteht man im Wesentlichen die Zusammensetzung des Wassers. Es können Bestandteile im Wasser auftreten, die eine geothermische Nutzung ausschließen oder erschweren. Allerdings galten alle bisher bei geothermischen Bohrungen in Deutschland vorgefundenen Wässer hinsichtlich ihrer Zusammensetzung für eine geothermische Nutzung als beherrschbar, wenn auch mit unterschiedlichem technischem Aufwand. Eine Geothermiebohrung gilt als fündig, wenn  

die Thermalwasser-Schüttung mehr als eine Mindestförderrate Q bei einer maximalen Absenkung Δs erreicht und eine Mindesttemperatur T erreicht wird.

Regelmäßig lässt sich die Reservoirtemperatur vor Baubeginn leichter abschätzen als die erreichbare Förderrate26. In Festgesteins-Grundwasserleitern beruht die Durchlässigkeit und damit die Ergiebigkeit des Aquifers auf dem Vorhandensein von offenen Klüften oder Kavernen, auf einer ausreichenden durchflusswirksamen Porosität sowie auf anderen makroskopischen Hohlräumen, wie sie u.a. in Störungszonen angetroffen werden können. Wird die erwartete Durchlässigkeit bei der Erschließung nicht angetroffen, sind Ertüchtigungs- bis hin zu Stimulationsmaßnahmen erforderlich. Zu diesen Maßnahmen gehören etwa das Säuern bei karbonatischem Gestein oder das hydraulische Stimulieren gegebenenfalls in Kombination mit einer Säuerung. Aus Sicht einer Projektfinanzierung weist das Fündigkeitsrisiko bei Geothermieprojekten einen engen Zusammenhang mit dem Fertigstellungsrisiko und dem technischen Risiko auf. Dies ist deshalb wichtig, da es für die einzelnen Teilrisiken unterschiedliche Risikoträger gibt. Oftmals kann es schwierig sein, gerichtsfest nachzuweisen, ob eine geringere Fündigkeit als erwartet etwa eine Ausprägung des Ressourcenrisikos ist oder doch darauf zurückzuführen ist, dass die Injektionsbohrung und Förderbohrung zu dicht geplant worden sind. Beim Fündigkeitsrisiko bestehen einige Besonderheiten: Eigenkapitalgeber und Fremdkapitalgeber haben ein weitgehend gleichgerichtetes Interesse daran, die Ressourcenqualität zu25 26

PK Tiefe Geothermie 2007, S. 12. Enerchange 2012, S. 19.

22

2 Projektfinanzierung eines Geothermie-Vorhabens

verlässig einzuschätzen: Je höher die Überdeckungsrelationen aus Sicht der Fremdkapitalgeber sind, umso wirtschaftlicher ist das Vorhaben auch aus Sicht der Eigenkapitalgeber. An dieser Einschätzung ändert sich auch wenig, wenn die unterschiedlichen Ausgangspunkte – Sponsors Case (Eigentümer) bzw. Banking Case (Fremdkapitalgeber) – berücksichtigt werden. Eine Überschätzung der Standortqualität führt tendenziell zu einer höheren Fremdmittelausstattung, als sie das Projekt verträgt. Konsequenz ist, dass die Wahrscheinlichkeit zunimmt, dass das Vorhaben den Kapitaldienst nicht wie geplant bedienen kann und es zu einer Restrukturierung kommt, die meist langwierige Verhandlungen und Zugeständnisse von beiden Seiten nach sich zieht. Deutlich anders ist die Ausgangslage, wenn ein Projektentwickler ein Vorhaben an die Eigenkapitalgeber vor oder bei der Fertigstellung verkaufen will, wie es für einen hohen Anteil deutscher Geothermieprojekte typisch ist. In dieser Konstellation besteht ein Anreiz für den Entwickler, die Projektqualität zu überschätzen, da er damit einen höheren Verkaufspreis realisieren kann27. Unsicherheiten beim Fündigkeitsrisiko können ein gravierendes Investitionshemmnis darstellen. Die Bundesregierung hat daher gemeinsam mit der KfW-Förderbank ein spezialisiertes Förderprogramm entwickelt, das dieses Risiko zu einem großen Teil absichert. Zentral sind folgende Elemente: Finanziert werden können bestimmte förderfähige Kosten, in diesem Fall sämtliche Bohrkosten, die zur ordnungsgemäßen Fertigstellung der jeweiligen Tiefbohrung notwendig sind. Von diesen förderfähigen Kosten können 80 % finanziert werden, jedoch nicht mehr als 16 M€ pro Bohrprojekt. Kommt es zu einer Nicht-Fündigkeit, ist dieses Risiko bei hydrothermalen Tiefengeothermiebohrungen zu 100 % abgesichert. Da sich diese Deckung auf den Finanzierungsbetrag der KfW bezieht, ergibt sich somit ein minimaler Beitrag von 20 % der Gesamtinvestitionskosten, den der Investor zu tragen hat28. Die Einschätzung des an einem Standort zu erwartenden Energieangebotes basiert auf verschiedenen Bohrversuchen und Laboruntersuchungen. Abhängig vom verwandten Technikverfahren können sich Konsequenzen auf den langfristigen Betrieb und die Fündigkeit ergeben. Über das Langzeitverhalten der Klüfte und der Gesteinsmatrix im Rahmen des Betriebs einer HDR-Anlage gibt es bislang wenige Untersuchungen. Möglicherweise dichten sich die Kluftflächen gegenüber der Gesteinsmatrix während der langen Injektionszeit ab. In der Gesteinsmatrix ist verstärkt mit Alterationsreaktionen (Wasser-Gesteins-Wechselwirkungen) oder der Bildung von Sekundärmineralen (Tonminerale) zu rechnen, wodurch sich die Porosität der Gesteinsmatrix reduzieren kann. Es ist derzeit nicht bekannt, welche Auswirkungen diese Vorgänge auf die Lebensdauer einer HDR-Anlage haben können. Weltweit existieren noch keine Stromproduktionsanlagen, die nach dem HDR-Prinzip arbeiten, so dass auch keine diesbezüglichen Langzeiterfahrungen vorliegen.29 In Ziffer 2.4.2 stellen wir einige grundsätzliche Überlegungen zum Funktionsrisiko an. 27

Es besteht ein Principal-Agent-Problem, das zu einem Marktversagen führen kann. Das Principal-AgentProblem beschreibt den Sachverhalt, dass der Auftragnehmer im Rahmen seiner Tätigkeit einen Informationsvorsprung gewinnt, den er zu seinem Vorteil und zum Nachteil des Auftraggebers verwenden kann. In einer dynamischen Betrachtung kann dies zu einem Marktversagen führen, da Angebot und Nachfrage nicht mehr zueinander finden. Siehe G. Akerlof 1970, S. 488–500. 28 Minimal deshalb, da bei einem Fremdfinanzierungsvolumen von mehr als 16 M€ eine kommerzielle Bankenfinanzierung notwendig wäre, die durch den Sponsoren zu garantieren wäre. 29 PK Tiefe Geothermie 2007, S. 18.

2.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten

2.4.2

23

Das Funktionsrisiko – Bewährte Technologie?

Geothermische Systeme lassen sich unter dem Aspekt der Tiefe der Wärmegewinnung in Oberflächennahe und Tiefe Geothermie unterteilen. Diese Unterscheidung ist für unsere Zwecke wichtig, weil neben verschiedenen Techniken der Energiegewinnung auch unterschiedliche geowissenschaftliche Parameter erforderlich sind. Wir beschäftigen uns in dieser Publikation, wie bereits gesagt, mit der Tiefen Geothermie. Allgemein üblich ist, von Tiefer Geothermie bei Tiefen von mehr als 1.000 m und bei Temperaturen von mehr als 60˚C zu sprechen. Zur Tiefen Geothermie gehören folgende Systeme, die durch den Wärmeinhalt, die so genannte Entalphie, definiert werden30: Tabelle 3:

Systeme der Tiefen Geothermie Hydrothermale Systeme mit niedriger Entalphie

Petrothermale Systeme

Gegenstand:

Hier wird das Wasser genutzt, etwa zur Speisung von Wärmenetzen oder für balneologische Zwecke

Hier erfolgt die Nutzung der im Gestein gespeicherten Energie

Beispiele:

1.

1.

2.

Aquifere (Grundwasserleiter) mit unterschiedlich warmem Wasser Störungszonen im gleichen Temperaturbereich. Allerdings ist eine energetische Nutzung bisher nicht erfolgt

2.

Hot-Dry-Rock: Das heiße Gestein wird als Wärmetauscher genutzt, wobei hier zumeist eine Stromgewinnung erfolgt Tiefe Erdwärmesonden: Hier erfolgt eine Energienutzung aus einer beliebigen Gesteinsabfolge mit geschlossenem Kreislauf des Wärmeträgermed

Bei der hydrothermalen Nutzung wird Wasser aus tiefen wasserführenden Gesteinsschichten gefördert, dem über einen Wärmetauscher die Wärme entzogen wird. Das so abgekühlte Wasser wird meist in denselben Aquifer in einer bestimmten Entfernung zurückgegeben. Ein derartiges System besteht aus einer Förder- und einer Injektionsbohrung. Da Tiefenwässer häufig eine hohe Mineralisation und hohe Gasgehalte aufweisen, ist die Reinjektion auch aus entsorgungstechnischen Gründen notwendig. Aus hydrogeologischer Sicht ist es problematisch, wenn die Injektion nicht in denselben Aquifer erfolgt, aus dem produziert wird. Ziel ist es, das hydraulische Gleichgewicht zu erhalten und das Thermalwasservorkommen nicht leer zu pumpen31. Regelmäßig werden die Förder- und Injektionsbohrung von einem Bohrplatz aus abgeteuft, wobei der Nutzhorizont untertägig durch abgelenkte Bohrungen erschlossen wird. Die hydraulische Anbindung an den Aquifer ist dabei günstiger als bei Vertikalbohrungen. Die Technik der hydrothermalen Nutzung mittels Dubletten ist erprobt. Das geförderte und nach Abkühlung wieder injizierte Wasser zirkuliert übertägig in einem geschlossenen Kreislauf, der zumeist unter Druck gehalten werden muss, um Ausfällungen von Mineralien aus dem Wasser zu verhindern. Das mit Hilfe einer Tauchpumpe an die Oberfläche geförderte Thermalwasser wird über einen Wärmetauscher geleitet und die gewonnene Wärme in einen sekundären Kreislauf eingespeist. Bei Temperaturen von über 100 °C kann mittels zusätzlicher Technologien, wie einer ORC-Anlage (Organic Rankine Cycle) oder einer Kalina-An30 31

PK Tiefe Geothermie 2007, S. 4 f. GEFGA, S. 6.

24

2 Projektfinanzierung eines Geothermie-Vorhabens

lage (Wasser-Ammoniak-Mischung als Arbeitsmedium), Strom produziert werden. Beide Verfahren verwenden niedrig siedende Fluide. Längere praktische Erfahrungen liegen jedoch nur für ORC-Anlagen vor.32 Mit dem HDR-Verfahren kann der tiefere Untergrund als Wärmequelle zur Stromerzeugung genutzt werden. Die Gewinnung geothermischer Energie erfolgt unabhängig von Wasser führenden Nutzhorizonten. Meist werden ein Temperaturbereich von 150 bis 250 C und Tiefen um 5.000 m anvisiert. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist das kristalline Grundgebirge der oberen Erdkruste geklüftet. Diese Klüfte sind teilweise geöffnet, auf ihnen zirkuliert Wasser, wenn auch mit sehr niedrigen Fließraten. Das kristalline Grundgebirge verhält sich also wie ein Aquifer mit geringen Durchlässigkeiten. Zwischen den Bohrungen werden mit Wasserdruck Fließwege erschlossen und das natürlich vorhandene Kluftsystem geweitet.33 Um die notwendigen Durchflussraten und Temperaturen zu erzielen, muss das Riss-System eine Mindestgröße für die Wärmeaustauschfläche aufweisen. Durch diesen Wärmetauscher schickt man Wasser über Förderbohrungen, um die Gebirgswärme aufzunehmen. Für ein HDRVorhaben sind zunächst die Temperatur und damit die Bohrtiefe entscheidend; angestrebt werden Temperaturen von über 200 °C. Als weiteres Auswahlkriterium ist die Standfestigkeit des Gebirges zu nennen. Sehr stark gestörte Bereiche sollten im Bereich der geplanten Stimulationsstrecken und Zirkulationsbereiche gemieden werden. Des Weiteren sollten die Wasserverluste möglichst gering bzw. kontrollierbar sein und unter 10 % betragen. Unter der Voraussetzung, dass nur das vorhandene Kluftnetzwerk ausgenutzt werden kann, sollte die natürliche Kluftdichte des Gebirges mittel bis hoch sein. Das Kluftsystem sollte relativ gleichmäßig verteilt sein, um bei den Stimulationen unter dem vorgegebenen Stressfeld eine optimale Größe für die Wärmeaustauschflächen zu erhalten. Erfahrungen bei HDR-Projekten haben gezeigt, dass sich durch die Stimulation entsprechend dem vorherrschenden Stressfeld ein steil stehendes, ellipsoid förmiges Reservoir ausbildet. Bei den Stimulationsmaßnahmen sollte auf eine ausreichend große Durchlässigkeit generiert werden. Eine zu hohe Durchlässigkeit birgt die Gefahr hydraulischer Kurzschlüsse und somit unzureichender Wärmeübertragung.34

2.4.3

Das Fertigstellungsrisiko – Einbindung eines Generalunternehmers

Das Fertigstellungsrisiko beinhaltet alle Risiken und die daraus folgenden Verluste, die realisiert werden, wenn die Projektanlage nicht mit vertragsgerechter Leistung, verzögert, zu höheren Kosten oder gar nicht fertig gestellt wird35. Das Fertigstellungsrisiko hat bei Geothermie-Projekten eine herausgehobene Bedeutung36. Das Fertigstellungsrisiko weist bei Geothermieprojekten einen engen Zusammenhang mit dem technischen Risiko und dem Fündigkeitsrisiko auf. Dies zeigt sich etwa beim Bohrungsabstand: Bei hydrothermalen Nutzungen darf es zu keinem hydraulischen oder thermischen Kurzschluss 32

PK Tiefe Geothermie 2007, S. 11. GEFGA, S. 7. 34 PK Tiefe Geothermie 2007, S. 16. 35 J. Böttcher 2009, S. 73–79. 36 Siehe hierzu die Ausführungen von TILO WACHTER in Kapitel 4.3. 33

2.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten

25

zwischen Förder- und Injektionsbohrung kommen37. Der Abstand zwischen Injektions- und Förderbohrung muss so groß sein, dass innerhalb der vorgesehenen Projektlaufzeit keine nachteiligen Temperaturerniedrigungen in der Förderbohrung infolge der Einleitung des abgekühlten Wassers in den Nutzhorizont über die Injektionsbohrung auftreten können. Daher sind bestimmte Mindestabstände zwischen den beiden Bohrungen im Aquifer einzuhalten. Allerdings darf der Abstand auch nicht zu groß sein, damit eine hydraulische Verbindung der beiden Bohrungen und somit eine dauerhafte Ergiebigkeit der Förderbohrung gewährleistet ist. Mit Hilfe numerischer Modelle wird versucht, den Abstand zwischen Förder- und Injektionsbohrung zu optimieren.38 Das Bohrrisiko ist ein zentrales Risiko während der Fertigstellungsphase eines GeothermieProjektes. Es äußert sich in erhöhten Bohrkosten oder einer Bohrzeitüberschreitung, die bis zu einer Aufgabe des Bohrlochs und dem Abbruch des Vorhabens führen können. Das Bohrrisiko umfasst dabei sowohl die auf technische – z.B. Gestängebruch – als auch auf geologische Ursachen – Bohrlochstabilität – zurückzuführende Schäden. Da sich die Schäden häufig tief unter der Erdoberfläche abspielen, lässt sich die Frage nach der Schadensursache häufig kaum klären. Dies ist aber wichtig, da Schäden, die durch geologische Ursachen entstanden sind, dem Bauherrn, d.h. der Projektgesellschaft, zugerechnet werden. Technisch bedingte Schäden können etwa durch das Material des Bohrunternehmens verursacht worden sein. Oftmals wirken beiden Schadensursachen aber auch zusammen. Aus dieser Gemengelage heraus kann für eine Projektfinanzierung nur der Rat gegeben werden, eine Absicherung bei einem Versicherer vorzunehmen, die beide Schadensursachen abdeckt. Ein geothermisches Spezialrisiko ist das Subsidenzrisiko, das das Absinken des Erdreiches durch tektonische und thermische Vorgänge beschreibt. Hierbei kann durch die Entnahme von Tiefenwässern das Gleichgewicht in der Erde gestört werden. Es muss sichergestellt werden, dass das entnommene Wasser wieder in den Untergrund zurück gepumpt wird, so dass es zu keiner Aushöhlung des Erdreiches und langfristiger Subsidenz kommt. Setzt sich das Erdreich ab, kann dies zu Schäden am Kraftwerk und den umliegenden Gebäuden führen. Wird das entnommene Wasser allerdings wieder in die Erde zurückgeführt, können Schäden regelmäßig vermieden werden.39 Um die Risiken zu verringern, die von einer induzierten Seismizität ausgehen, bestehen mehrere Möglichkeiten: Zunächst sollten schon während des Betriebstests der Anlage Reinjektionsbedingungen durchgeführt werden. Um das Ungleichgewicht so gering wie möglich zu halten, muss Klarheit über die Fluidwege im Untergrund mittels hydraulisch-thermischer Stofftransportmodellierung bestehen. Hierbei handelt es sich um ein Investorenrisiko, das durch richtige Planung und Umsetzung minimiert werden kann.40 Weiter können Versicherungen abgeschlossen werden, die die Wahrscheinlichkeit eines Bebens und die resultierenden Schäden berücksichtigen.41 Das Risiko kann über messtechnische Kontrollen und seismologische Gutachten überwacht werden.42

37 38 39 40 41 42

PK Tiefe Geothermie 2007, S. 12 f. PK Tiefe Geothermie 2007, S. 12 f. Schierenbeck/Trillig, S. 103. Sass/Homuth, S. 19. Schierenbeck/Trillig 2011, S. 103. E. Huenges 2011, S. 39.

26

2 Projektfinanzierung eines Geothermie-Vorhabens

Die Fertigstellungsphase lässt sich dabei in folgende Phasen differenzieren:

Voruntersuchung und Machbarkeitsstudie Machbarkeitsstudie

Erkundung der geothermischen Quelle Projektierung

Rechtliche Anforderungen

Detailuntersuchung und -planung

Bergrechtliche Erlaubnis zum Aufsuchen von Erdwärme Bergrechtliches Betriebsplanverfahren

Ausschreibung der Bohrleistung / Abschluss Bohrvertrag Niederbringung der Bohrung Langzeit-Pumptest

Wasserrechtliche Erlaubnis

Gewinnung Einbau der Dauerfördereinrichtung Errichtung der Kraftwerksanlage

Abbildung 11:

Bergrechtliche Bewilligung Wasserrechtliche Bewilligung 43

Ablaufschema Fertigstellungsphase

Das Fertigstellungsrisiko kann erhebliche Auswirkungen auf das Projekt haben und im schlimmsten Fall den wirtschaftlichen Betrieb unmöglich machen und somit zum Abbruch des Projektes führen. Da die Banken eine Projektfinanzierung nur bei ausreichend hohem und stabilem Projekt-Cashflow gewähren werden, verlangen sie bei Identifizierung eines solchen Preisrisikos in der Regel eine umfangreiche Haftung eines der Projektbeteiligten, der für den ggf. entstehenden Schaden aufkommen muss. Um dem Fertigstellungsrisiko entgegenzuwirken, ist eine Reihe von Verträgen entwickelt worden, die dieses Risiko – in unterschiedlichem Umfang – Sponsoren, Kreditnehmern und Anlagenlieferanten zuweisen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass bei Verfehlen eines Stichtages, der zu einem bestimmten Tarif berechtigt, eine Strafzahlung vereinbart wird, die die Mindereinnahmen kompensiert. Dabei kann die Pönale so gewählt werden, dass die Belastbarkeit des Vorhabens aus Banksicht konstant bleibt. Grundsätzlich können die üblichen finanziellen Möglichkeiten, die Folgen eines Fertigstellungsrisikos zu begrenzen, wie in Tabelle 4 dargestellt klassifiziert werden. Wegen des sehr weit reichenden Umfangs einer Fertigstellungsgarantie einerseits und den bei der Projekterstellung häufig kaum überschaubaren Risiken andererseits werden häufig Regeln vereinbart, die die Verpflichtungen des Garanten beschränken. Im Regelfall der Limited-Recourse-Finanzierung wechselt die Risikotragung mit der Fertigstellung der Anlage: Waren bis dahin die Sponsoren oder der Anlagenbauer für die Fertigstellung verantwortlich und zumindest teilweise auch den Kreditgebern gegenüber verpflichtet, ist es im Anschluss nur noch das Projekt, das sich damit zu einer Non-Recourse-Projektfinanzierung

43

Abbildung in Anlehnung an A. von Dobschütz 2011, S. 793.

2.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten

27

wandelt44. Diese zeitliche Haftungsbeschränkung der Sponsoren ist der wesentliche ökonomische Grund für diese, eine Projektfinanzierung statt einer Unternehmensfinanzierung zu wählen. Da dieser Haftungswechsel für die Risikoallokation entscheidend ist, wird regelmäßig große Sorgfalt darauf verwandt zu definieren, wann „Fertigstellung“ erreicht ist45. Im Regelfall wird die Fertigstellung durch einen unabhängigen Gutachter festgestellt, der neben der Feststellung der Errichtung auch bestimmte Leistungstests vornimmt. Tabelle 4:

Gegenstand:

Umfang bzw. Form:

Verteilung von Fertigstellungsrisiken auf die Kapitalgeber Fertigstellungsgarantien

Nachschussverpflichtung

Die Sponsoren stehen solange für die Rückführung der Kredite ein, bis das Projekt fertiggestellt ist. Der Umfang der Fertigstellungsgarantie kann sich auf den Gesamtbetrag der Projektkredite oder auch nur auf einen bestimmten Prozentsatz beziehen.

Werden die geplanten Kosten überschritten, verpflichten sich Sponsoren oder Kreditgeber, dem Projekt zusätzliches Eigenkapital oder Fremdkapital zur Verfügung zu stellen. 1. Completion Undertaking: Die Sponsoren müssen so lange weiteres Kapital zuführen, bis die Fertigstellung erreicht ist. Ist diese Verpflichtung unbegrenzt, entspricht dies wirtschaftlich einer Fertigstellungsgarantie 2. Pool-of-Funds-Vereinbarung: Ökonomisch handelt es sich um eine betragsmäßig begrenzte Nachfinanzierungsverpflichtung der Sponsoren.

Eine Absicherung des Fertigstellungsrisikos über Versicherungen ist eine Option, die insbesondere bei Geothermieprojekten wichtig ist. Dabei können sowohl das Fündigkeitsrisiko als auch das Bohrrisiko versichert werden. Bei der Absicherung des Bohrlochrisikos werden die versicherten Sachen und Schäden in einer Positivliste beschrieben. Versichert sind auch unvorhergesehene Ereignisse während der Bohrphase, wie z.B. der Verlust des Gestänges. Voraussetzung für eine Fündigkeitsversicherung ist, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Geothermieprojektes berechnet werden kann, was regelmäßig über ein geothermisches Gutachten erfolgt. Aus Sicht einer Projektfinanzierung ist letztlich entscheidend, dass die wirtschaftlich angestrebte thermische Leistung erreicht wird. In einer Fündigkeitsversicherung sollte daher idealerweise die thermische Leistung des Thermalwassers versichert werden. Darüber hinaus ist der Einfluss der Mineralisation auf die Dichte des Thermalwassers zu berücksichtigen: Je höher die Mineralisation, desto höher die Dichte und desto geringer die notwendige Förderrate zum Erreichen 44

45

Für die Projektprüfung bedeutet dies: Die Fremdkapitalgeber müssen sich nicht nur über die Tragfähigkeit des Projektes aufgrund seines erwarteten Cashflow-Stroms in der Betriebsphase Gedanken machen, sondern ebenfalls bis zum Abschluss der Fertigstellungsphase auf die Bonität der Sponsoren bzw. des Generalunternehmers achten. Dabei muss man vor Augen haben, dass die Haftung der Sponsoren oder des Generalunternehmers nicht unbeschränkt ist, sondern aus ökonomischen Überlegungen regelmäßig betragsmäßig begrenzt ist. Es geht in dieser Betrachtung also eher um die richtigen Anreize. Der frühest mögliche Zeitpunkt ist die Errichtung der Anlage, also das Ende der Bau- und Montagearbeiten (physische Fertigstellung). Allerdings kommt es für den Wert einer Anlage auf deren Funktionstüchtigkeit an – Fertigstellung meint in diesem Zusammenhang den Probelauf, bei dem bestimmte Leistungsparameter nachgewiesen werden müssen. Darüber hinaus kann eine gewisse Betriebszeit gefordert sein, in der stufenweise bestimmte Leistungsparameter nachgewiesen werden müssen. Am weitesten geht die Forderung, dass auch bestimmte Wirtschaftlichkeitskriterien des Anlagenbetriebs nachgewiesen werden (Economic Test). Sofern Parameter herangezogen werden, die nicht mit der Anlage selbst zusammenhängen (z.B. realisierte Nachfrage), verschiebt sich der Charakter einer Non-Recourse-Projektfinanzierung wieder in Richtung einer Unternehmensfinanzierung.

28

2 Projektfinanzierung eines Geothermie-Vorhabens

der notwendigen thermischen Leistung. Somit ist etwa im Oberrheingraben aufgrund der hochsalinären Fluide für eine gegebene thermische Leistung eine geringere Schüttung oder geringere Temperatur notwendig als etwa im Molassebecken mit gering mineralisierten Thermalwässern.46 Nach dieser Skizzierung des Themas Fertigstellung wenden wir uns nunmehr dem Betriebsrisiko zu.

2.4.4

Das Betriebs- und Managementrisiko

Unter dem Betriebs- und Managementrisiko werden alle Gefahren verstanden, die zu Unterbrechungen oder sogar zum Stillstand der Anlage führen können. Die Ursachen für ein Betriebs- und Managementrisiko liegen in der Regel in Fehlern bei der Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle von Betriebsabläufen (z.B. logistische Schwachstellen oder Fehlkalkulationen) oder in einer fehlerhaften Bedienung sowie mangelhafter Wartung und Instandhaltung durch das Anlagenpersonal. Das Betriebsrisiko ist eng mit dem technischen Risiko verbunden. Letztlich ist von dem Betrieb der Anlage abhängig, wie die Komponenten belastet werden und die Langfrist-Performance des Projektes ausfällt. Aufgrund der besonderen Bedeutung eines qualifizierten Betriebsmanagements wird sich DR. HEINER MENZEL in Kapitel 4.4 mit dem Betrieb von Geothermie-Projekten beschäftigen. Häufig lässt sich das Betriebs- und Managementrisiko auch auf die Unerfahrenheit des Managements selbst zurückführen47. Selbst die Einstellung erfahrenen Personals garantiert noch keine gute Betriebsführung. Bei komplexen Projekten ist neben der reinen Qualifikation wichtig, dass das Team gut zusammenarbeitet und richtig in das Projekt eingewiesen ist. Die dadurch hervorgerufenen Einschränkungen des Produktionsbetriebes wirken sich in Abhängigkeit ihres Ausmaßes auf die Produktionsmenge und somit auf den Absatz sowie die Erlössituation negativ aus. Des Weiteren kann sich das Betriebsrisiko in erhöhten Produktionskosten äußern, beispielsweise durch technische Probleme der Projektanlage während des Produktionsprozesses. Diese erhöhten Kosten mindern bei konstanter Ertragslage wiederum den Cashflow48. Da dieser nach Projektfertigstellung durch den üblichen Wegfall der Fertigstellungsgarantie die wichtigste Sicherheit darstellt und die primäre Tilgungsquelle ist, reagieren Kreditgeber sensibel auf Betriebsstörungen, so dass Banken ein Management bevorzugen, das hinlängliche technische und wirtschaftliche Erfahrung bei der Betriebsführung einer ähnlichen Anlage aufweisen kann. Sofern die Sponsoren nicht die nötige Erfahrung einer Betriebsführung aufweisen können, ist der Einsatz einer professionellen Betriebs- und Managementgesellschaft notwendig, die sich verpflichtet, für einen kontinuierlichen Betrieb des Projektes und für die Funktionsfähigkeit der Projektanlage zu sorgen. Die Auswahl des Betreibers sollte sich anhand folgender Kriterien orientieren und erfolgt häufig über entsprechende Referenzprojekte der Gesellschaft:   46 47 48

Reputation der Gesellschaft, Fähigkeit zur Betriebsführung, Enerchange 2012, S. 19 f. M. Schulte-Althoff 1992, S. 118. W. Schmitt 1989, S. 146; H. Uekermann 1993, S. 75.

2.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten  

29

Erfahrung im Betrieb vergleichbarer Anlagen und Fähigkeit, geeignetes Personal zur Verfügung zu stellen.

Die rechtliche Strukturierung erfolgt über den Betriebsführungsvertrag, der die Rechte und Pflichten des Betreibers genau festlegt. Um einen angemessenen Anreiz für den Betreiber zu setzen, sollte seine Vergütung zumindest zum Teil variabel gestaltet werden: Gewinnbeteiligungen und Pönalen wirken als Anreiz zum besseren Wirtschaften und effizienten Betrieb der Projektanlage und bilden das Gegenstück zur Eigenkapitalrendite der Sponsoren49. Mit der Wahl eines Betreibers sollte mithin eine dem Projekt und den Projektkrediten entsprechende Laufzeit vereinbart werden. Für den Fall, dass man sich in der Eignung des Betreibers getäuscht hat oder mangelhafte Leistungen einen Wechsel verlangen, sollte der Betriebs- und Managementvertrag ein Recht zur Kündigung zulassen. Um Probleme aus der Schnittstelle zwischen Betreiber und Hersteller möglichst zu vermeiden, wird in vielen Projekten ein langfristiger Wartungsvertrag mit dem Hersteller abgeschlossen. Wichtige Wartungen werden damit außerhalb der Verantwortung des Betreibers durchgeführt und Anzeichen für fehlerhaften Betrieb können frühzeitig erkannt werden. Nach dieser kurzen Einstimmung auf das Thema Betrieb wenden wir uns nunmehr einem der wichtigsten Themen bei der Projektrealisierung zu, der Beurteilung des Rechts- und Regulierungssystems.

2.4.5

Das Rechts- und Regulierungsrisiko in Deutschland

Wie bereits in der Einleitung beschrieben, kommt der Stabilität und Verlässlichkeit des Regulierungsumfeldes für die Realisierungschancen eines Geothermieprojektes eine herausragende Bedeutung zu. DANIEL MARHEWKA stellt das deutsche Regulierungssystem in Kapitel 3.1 umfänglich vor. Zentrale Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die nationale Branchen-Regulierung, die als Mindestpreissystem ausgestaltet ist und zumeist eine vorrangige Abnahmepflicht für „grünen Strom“ vorsieht. Die Verbreitung der Tiefen Geothermie gewinnt derzeit in Deutschland an Dynamik, wofür neben einer zunehmend effizienteren Technik auch ein Vergütungssystem mit Festpreisen mit ausschlaggebend ist. Die Erfolgsgeschichte der Erneuerbaren Energien ist eng mit dem Erneuerbare EnergienGesetz (EEG) verknüpft. Sinn und Zweck des erstmals am 1. April 2000 in Kraft getretenen und 2004, 2009 und zum 1. Januar 2012 novellierten Gesetzes ist der Klimaschutz, eine nachhaltige Energieversorgung, die Verringerung der volkswirtschaftlichen Kosten der Energieversorgung, die Schonung fossiler Ressourcen und die Weiterentwicklung der Technologien zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien. Ziel ist es, den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis zum Jahr 2020 auf 30 Prozent zu erhöhen. Zur Erreichung dieser Ziele sieht das EEG erstens den vorrangigen Anschluss von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien an die Stromnetze der allgemeinen Versorgung, zweitens die vorrangige Abnahme, Übertragung und Verteilung des erzeugten Stroms sowie drittens eine garantierte Einspeisevergütung vor, die für das Jahr der Inbetriebnahme und weitere 20 Jahre zu einem festen Satz garantiert wird. 49

Mit näheren Erläuterungen zur Ausgestaltung von Betriebsführungsverträgen siehe H. Uekermann 1993, S. 76 ff. und D. Tytko 1999, S. 84 f.

30

2 Projektfinanzierung eines Geothermie-Vorhabens

Der Deutsche Bundestag hat am 30.6.2011 die EEG-Novelle 2012 beschlossen, die im Zusammenhang mit der Entscheidung für den Atomausstieg steht und die am 1.1.2012 in Kraft getreten ist. Die grundsätzliche Systematik des EEG ist – wie auch schon bei früheren Überarbeitungen – unangetastet geblieben, wobei es allerdings Änderungen im Detail gegeben hat. Im Folgenden sind die wichtigsten Regelungen für den Bereich Geothermie dargestellt: Die EEG-Vergütung beträgt 25 Cent/kWh für einen Zeitraum von 20 Jahren. Sie erhöht sich für Strom, der auch durch Nutzung petrothermaler Techniken erzeugt wird, um 5,0 Cent/kWh. Die jährliche Degression beträgt seit 2013 1,5 %.50 Zentral ist, dass der Gesetzgeber mit dem EEG ein bewährtes Instrument benutzt, um Erneuerbare-Energien-Technologien zur Marktreife und Wettbewerbsfähigkeit zu führen. Ein Vergütungssystem gibt einen ersten Eindruck über die Attraktivität eines Landes für Geothermie-Projekte. Daneben muss aber sichergestellt werden, dass das Vorhaben mit allen Rechten versehen ist, um errichtet und wie geplant betrieben werden zu können. Zudem muss die Rechtsordnung es zulassen, dass die jeweiligen Projektverträge auch durchgesetzt werden können. Damit kommt der Ausgestaltung zentraler Projektverträge (siehe Kapitel 3.2) eine herausragende Bedeutung zu. Basis eines Engagements in Projekte ist das Vertrauen darin, dass ein einmal gesteckter rechtlicher Rahmen für die Laufzeit des Projektes respektiert wird und nicht nachträglich auch für bestehende Engagements geändert wird. Dieses Thema, das in der Literatur unter dem Aspekt der „unechten Rückwirkung“ diskutiert wird, erlangte zum Jahresende 2010 eine ungeahnte aktuelle Bedeutung, nachdem die spanische Regierung ein Dekret erlassen hatte, das unmittelbar Einfluss auch auf bestehende Solarvorhaben nahm und unter anderem eine projektbezogene Absenkung der Vergütung in den Jahren 2011 bis 2014 zwischen 10 und 20 % vornimmt. Andere Bereiche der erneuerbaren Energien waren hiervon ausgenommen; gleichwohl ist das Vertrauen in die Stabilität des spanischen Regulierungssystems beeinträchtigt, zumal in der Folge wiederholt auch diese Regelung geändert wurde. In Deutschland sind neben dem EEG zwei weitere Instrumente zu nennen: das erweiterte Marktanreizprogramm und das KfW-Förderprogramm zur Absicherung des Fündigkeitsrisikos. Das erweiterte Marktanreizprogramm fördert die für die Errichtung einer Dublette notwendigen Tiefbohrungen, allerdings nicht die Erkundungsbohrungen. Die aus einem Projekt und seinem Regulierungssystem erwarteten Cashflows können durch Veränderungen auf der Kostenseite wesentlich beeinflusst werden. Während eine Vielzahl von Projektkosten weitgehend vertraglich fixiert und damit gut planbar ist, kann über eine ungesicherte Zinsposition ein erhebliches finanzielles Risiko auf ein Projekt einwirken.

50

Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass sich die Degression des Vergütungssatzes jeweils auf Neuanlagen beschränkt (siehe hierzu Kapitel 3.1.3.1). Eine Anlage, die zum 30.12. den EEG-Anspruch begründen kann, erhält einen Vergütungssatz von z.B. 24 Cent/kWh, eine Anlage, die am 2.1. des Folgejahres berechtigt wird, hingegen lediglich 23,64 Cent/kWh. Dieser Tarif wird für die Vorhaben jeweils für 20 Jahre plus der Dauer des Rumpfgeschäftsjahrs gezahlt.

2.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten

2.4.6

31

Zinsänderungsrisiko

Geothermie-Vorhaben reagieren aufgrund ihrer Kapitalintensität sensibel auf Änderungen der Zinskosten. Damit sind neben dem absoluten Zinsniveau gleichermaßen die Zinssatzveränderungen abzusichern. Das allgemeine Zinsniveau zum Zeitpunkt des Financial Close ist eine erste Größe, die bei der Projektprüfung zu betrachten ist. Üblicherweise werden die Zinssätze zum Zeitpunkt des Financial Close zu einem größeren Teil und für einen bestimmten Zeitraum gesichert, so dass eine weitgehend feste Kalkulationsbasis besteht. Regelmäßig wird bei den Term Loans eine Zinsbindung über einen bestimmten Zeitraum vereinbart. Nach Ablauf dieser Zinsbindung werden die Konditionen entsprechend den dann geltenden Marktkonditionen neu festgelegt. Aus einem dann höheren Zinssatz ergeben sich relativ höhere Zinszahlungen, die sich direkt auf den Cashflow auswirken. Diese Gefahr wird als Zinsänderungsrisiko bezeichnet. Wir haben in der folgenden Kalkulation dargestellt, wie sich eine Veränderung des Zinsniveaus auf die Belastbarkeit auswirkt.

2,00

1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. wie 1, Zinssatz plus 1 % p.a.: 4. Zinssatz plus 3 % p.a.: 5. Zinssatz plus 6,4 % p.a.:

DSCR-Verlauf

1,80 1,60 1,40 1,20 1,00

Abbildung 12:

Auswirkung einer Zinsänderung auf den DSCR-Verlauf

Sponsors Case Einnahmen bei 85 %: wie 1, Zinssatz plus 1 % p.a.: wie 1, Zinssatz plus 2 % p.a.: wie 1, Zinssatz plus 6,4 % p.a.:

Min. DSCR

Ø DSCR

IRR

1,33 0,99 1,32 1,31 1,00

1,90 1,52 1,74 1,62 1,30

8,44 % 1,48 % 7,31 % 6,21 % 1,85 %

Erkennbar ist, dass die Abhängigkeit der Wirtschaftlichkeit vom Zinsniveau zum Zeitpunkt des Financial Close bedeutsam ist und gleichermaßen Investoren wie Sponsoren betrifft. Für die Investoren bedeutet eine selbst geringfügige Erhöhung des Zinssatzes eine deutliche Verschlechterung ihrer internen Rendite. Zusätzlich müssen aber auch bestimmte Belastungsanforderungen der Fremdkapitalgeber eingehalten werden. Sehen diese beispielsweise vor, dass eine bestimmte Belastbarkeit erreicht wird, müsste bei der Gefahr einer Zinserhöhung eine

32

2 Projektfinanzierung eines Geothermie-Vorhabens

Anpassung der Finanzierungsstruktur angestrebt werden, die genau dies sicherstellt. Dies kann auch über eine Eigenmittelerhöhung erfolgen, was wiederum zu einer Absenkung der internen Rendite führen würde. Die hier diskutierte Darstellung spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn die Projektgesellschaft aus bestimmten Gründen mit dem Abschluss eines Zinssicherungsgeschäftes wartet. Mit dem Auslaufen der Zinsbindungsfrist stellt sich dieses Thema wiederum von neuem. Regelmäßig wird daher für den Großteil der langfristigen Darlehen und meistens für den größten Teil der Laufzeit eine Zinssicherung vereinbart. Auf die Darstellung entsprechender Zinssicherungsinstrumente verzichten wir hier allerdings.

2.4.7

Zusammenfassende Würdigung der Einzelrisiken

Während wir bislang die Risiken und die Risikoinstrumente isoliert betrachtet haben, müssen diese in der Finanzierungspraxis hinsichtlich ihrer gesamten Wirkung auf das Projekt analysiert und bewertet werden. Dies erfolgt im Rahmen der Risikoquantifizierung des Projektes über ein Cashflow-Modell. Das Cashflow-Modell dient dabei der Entwicklung einer projektbezogenen Finanzierungsstruktur, die unter der Berücksichtigung eines zu definierenden Sicherheitsabschlages so auszugestalten ist, dass die bankseitigen Anforderungen für die Gewährung einer Projektfinanzierung über die gesamte Finanzierungslaufzeit stets erfüllt werden können. Aus Gründen der mangelnden Quantifizierbarkeit der nach Anwendung von Risikoinstrumenten verbleibenden Einzelrisiken wird von den Banken ein pauschaler Sicherheitsabschlag anhand von Erfahrungswerten aus dem jeweiligen Anwendungsgebiet festgelegt. Der Sicherheitsabschlag für ein konkretes Projekt kann in seiner Höhe folglich von Bank zu Bank unterschiedlich bemessen sein. Den Untersuchungen in dieser Arbeit soll ein Sicherheitsabschlag von 20 % auf den geplanten Jahresenergieertrag zu Grunde gelegt werden. Dieser Abschlag ist ausreichend bemessen, um auch das kombinierte Eintreten von Einzelrisiken bei dem betrachteten Projekt BUCO NERO (siehe Kapitel 5.2) realistisch abbilden und auffangen zu können.

2.5

Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aus dem bisherigen Risikomanagement

2.5.1

Grundsätzliche Überlegungen

Im Anschluss an die Prozessstufen Risikoidentifikation und Risikoallokation schließt sich die Risikoquantifizierung an, die auch eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit darstellt. Hierzu werden die monetären Konsequenzen der vertraglichen und gesetzlichen Grundlagen eines Projektes über ein Cashflow-Modell abgebildet und mit Blick auf mögliche Änderungen des Planablaufs untersucht. Dabei endet die Risikoquantifizierung im Regelfall nicht mit einer statischen Cashflow-Bewertung, sondern wird um ein Rating-Tool ergänzt, das über Simulationsrechnungen verschiedene Umweltszenarien abbildet und zu einer Risikoeinschätzung des Vorhabens gelangt.

2.5 Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aus dem bisherigen Risikomanagement

33

Das Cashflow-Modell eines Projektes ist aber nicht nur für die Kreditgeber von herausragender Bedeutung, sondern auch für die Investoren eines Projektes. Beide Kapitalgebergruppen sind gleichermaßen am Erfolg eines Vorhabens interessiert, wobei sie allerdings unterschiedliche Anspruchsebenen und Anspruchsgrundlagen haben. Während die Fremdkapitalgeber einen erfolgsunabhängigen und fixen Anspruch auf Bedienung des Kapitaldienstes aus dem Projekt haben, erheben die Eigenkapitalgeber einen erfolgsabhängigen und damit variablen Anspruch auf den verbleibenden freien Cashflow. Das methodische Werkzeug, mit dem beide Gruppen ein Vorhaben beurteilen, ist ein projektspezifisches Cashflow-Modell. Allerdings markiert das Cashflow-Modell noch nicht den Endpunkt der wirtschaftlichen Betrachtung der Kreditgeber. In einem nächsten Schritt geht es darum, eine Simulationsrechnung des Cashflow-Verlaufs vorzunehmen, die darüber informiert, wie sich das Projekt unter einer Vielzahl von möglichen Umweltszenarien entwickeln kann. Das Ergebnis dieser Simulationsrechnungen ist eine Ratingeinschätzung, die eine Risikokategorie ausweist und damit über die Risikoprämie die Zinskosten bestimmt und somit auch die Finanzierungsstruktur maßgeblich beeinflusst. Damit geht es in einem zweiten Teil darum herauszuarbeiten, welche quantitativen und qualitativen Faktoren das Rating beeinflussen können. Im Folgenden soll ein Geothermie-Vorhaben mittels einer Analyse seiner Risikopotenziale auf seine Projektfinanzierungsfähigkeit hin untersucht werden. Da die Ausprägung der Projektrisiken in großem Maße von dem jeweiligen Finanzierungsobjekt abhängt, wird ein Fallbeispiel aus der Praxis betrachtet und bewertet (siehe hierzu Kapitel 4.3). Im Regelfall werden dabei in einem ersten Schritt – ausgehend vom Basisfall – verschiedene, zentrale Cashflow-relevante Parameter verändert und in ihrer Auswirkung auf den Cashflow untersucht. Wir stellen im Folgenden nur die zentralen Ergebnisse vor; eine detaillierte Diskussion erfolgt in Kapitel 5.2.

2,00

DSCR-Verlauf

1,80 1,60 1,40 1,20 1,00

Abbildung 13:

DSCR bei verschiedenen Parameteränderungen

1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. Operative Kosten plus 9 %: 4. Kombinationsfall (2+4):

34

1. 2. 3. 4.

2 Projektfinanzierung eines Geothermie-Vorhabens

Sponsors Case Einnahmen bei 85 %: Operative Kosten plus 15 %: Kombinationsfall (2+3)::

Min. DSCR

Ø DSCR

IRR

1,33 0,99 1,12 0,93

1,90 1,52 1,71 1,33

8,44 % 1,48 % 4,96 % –2,64 %

Erkennbar ist, dass Geothermievorhaben empfindlich auf eine Änderung des Einnahmenniveaus und der Betriebskosten reagieren. Die eigentliche zusammenfassende Quantifizierung eines Projektrisikos erfolgt über ein Cashflow-Modell, das neben der Bewertung der Projektrisiken auch eine gewisse Optimierung der Finanzierungsstruktur zulässt. Das Cashflow-Modell ist für die Risikoquantifizierung von zentraler Bedeutung, aber die Risikoquantifizierung endet nicht mit dem Cashflow-Modell. Zusätzlich erfolgen auf Basis des Cashflow-Modells – zumeist separat vorgenommene – Simulationsrechnungen über ein Rating-Tool, das verschiedene Projektverläufe bei unterschiedlichen Umweltszenarien simuliert und aus Risikosicht der Banken bewertet. Die Simulationsrechnungen werden dabei im Geothermiebereich wesentlich durch die Variabilität der Betriebskosten beeinflusst. Qualitative Faktoren, wie etwa die Bewertung des Fertigstellungsrisikos und die Erfahrungen des EPC-Contractors, haben gegenüber den quantitativen Faktoren eine zumeist nachrangige Bedeutung51. Faktisch ist diese Risikoeinschätzung bei einem Geothermieprojekt insoweit zu korrigieren, als dass das Fertigstellungsrisiko aufgrund der Komplexität der technischen Fertigstellung und die vertragliche Ausgestaltung der verschiedenen, die Bauzeit begleitenden Verträge eine herausgehobene Bedeutung hat. Das Cashflow-Modell dient einer ersten Abschätzung der Projektbelastbarkeit und Wirtschaftlichkeit, und das Rating-Verfahren ermöglicht es dann, die Robustheit des CashflowVerlaufs angesichts verschiedener Umweltveränderungen zu bewerten. Das Rating-Ergebnis korrespondiert mit einer Risikobepreisung. Sofern diese von der im Cashflow-Modell verwandten Risikobepreisung abweicht, die ja zunächst eine Schätzgröße abbildet, muss das Modell angepasst und die Simulationsrechnung wiederholt werden. Im Bedarfsfall muss dieser Prozess so lange wiederholt werden, bis Cashflow-Modell und Rating-Modell von denselben Annahmen ausgehen. Insofern sind die Cashflow-Modellierung und die Bewertung durch ein Rating-Tool ein iterativer Prozess. Die Ziele, die mit einem Rating-Tool verfolgt werden, lassen sich wie folgt subsumieren:   

51

Es erfolgt eine objektive und standardisierte Risikobeurteilung eines Projektes. Das Gesamtrisiko für eine Projektfinanzierung wird kalkuliert, so dass eine Ausfallwahrscheinlichkeit ermittelt wird, die wiederum für die Risikobepreisung relevant ist. Regulatorische Anforderungen, insbesondere die Kapitaladäquanzanforderungen nach Basel II, können eingehalten werden52.

Da es sich bei den Rating-Tools um separate Software-Anwendungen handelt, die für den Benutzer lediglich Eingaben zulassen, können die Details des Verfahrens im Rahmen dieser Arbeit leider nicht vorgestellt werden. 52 Der BASELER AUSSCHUSS hat in 2004 ein Kapitalregelwerk verabschiedet (Basel II), das im Kreditwesengesetz und der Solvabilitätsverordnung in deutsches Recht umgesetzt worden ist. Siehe hierzu z.B. T. Cramme et al. (Hrsg): Handbuch Solvabilitätsverordnung, Stuttgart 2007 [Schäffer-Poeschel-Verlag].

2.5 Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aus dem bisherigen Risikomanagement

35

Das Rating-Tool geht dabei wie folgt vor:   

Simulation der wesentlichen Risikotreiber unter einem bestimmten Annahmen-Set und unter Berücksichtigung von makroökonomischen Faktoren: Zinssätze, Wechselkurse und Inflationsannahmen sowie branchenspezifischen Annahmen: basierend auf einem Random-Walk-Ansatz, der auf historischen Volatilitäten und Korrelationen basiert.

Im folgenden Abschnitt 2.5.2 sehen wir uns an, mit welchen Maßnahmen sich die Finanzierungsstruktur verbessern lässt.

2.5.2

Hinweise zur Optimierung aus Sicht der Investoren und der Fremdkapitalgeber

Investoren und Kreditgeber haben das gleichgerichtete Interesse, ein Projekt so wirtschaftlich wie möglich zu gestalten. Ein hoher Cashflow-Überschluss bedeutet einerseits, dass die Fremdkapitalgeber mit größerer Sicherheit ihre festen und erfolgsunabhängigen Rückzahlungsansprüche erfüllt sehen, aber auch, dass die Sponsoren mehr bzw. frühzeitigere Ausschüttungen realisieren können. Während beide Gruppen ein gleichgerichtetes Interesse haben, den Projektwert zu steigern, besteht ein Wettbewerb um die Verwendung der Cashflows. Wie bereits oben angesprochen, haben die Sponsoren ein Interesse daran, möglichst viel Cashflow frühzeitig auszuschütten, während die Fremdkapitalgeber möglichst schnell getilgt werden wollen. Die Erarbeitung einer Finanzierungsstruktur beinhaltet damit immer auch einen Verhandlungsprozess zwischen den beiden Kapitalgebergruppen. Die wichtigsten Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzierungsstruktur liegen in folgenden Aspekten: 





Eine Verlängerung der Laufzeit der Term Loans führt zu einer Verbesserung der internen Rendite, aber auch zu einer höheren Belastbarkeit des Projektes. Die Grenzen der Laufzeitwahl werden durch das Rechts- und Regulierungsumfeld sowie die technische Lebensdauer der Anlagen abgesteckt. Bei der Wahl der optimalen tilgungsfreien Zeit ist es nicht ganz so einfach: Einerseits wird der Sponsor an einer möglichst langen tilgungsfreien Zeit interessiert sein, die fremdfinanzierende Bank hingegen wird typischerweise einen Zeitraum zwischen 18 und 24 Monaten präferieren. Dies liegt wesentlich darin begründet, dass die Schuldendienstreserve mit hinreichender Sicherheit auch in einem Belastungs-Szenario aufgebaut werden kann. Dieser Aspekt bringt uns zur Wahl der Höhe der Schuldendienstreserve. Tendenziell wird ein Sponsor dieses Konto so gering halten wie möglich, andererseits würden die Banken bei einem vollständigen Verzicht auf dieses Sicherungsinstrument ihre Eigenkapitalanforderungen wesentlich anheben. Meist einigt man sich auf einen Zielwert, der in der Größenordnung von etwa 50 % des Kapitaldienstes des Folgejahres liegt.

Die dargestellten Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzierungsstruktur können selbstverständlich noch weiter ausdifferenziert werden. Dies sehen wir uns anhand eines Fallbeispiels in Kapitel 5.2 näher an. Zusammen gefasst geht es zumeist darum, die verfügbaren Cashflows so zu verteilen, dass die Investoren eine akzeptable Wirtschaftlichkeit und die Fremdkapitalgeber eine angemessene Belastbarkeit erreichen können.

36

2 Projektfinanzierung eines Geothermie-Vorhabens

2.5.3

Einbindung von Versicherungen in die Finanzierungsstruktur

Ein auf das Projekt bezogenes Risikomanagement bedarf eines zugeschnittenen Versicherungsprogramms während der Errichtungs- und Betriebsphase. Der Erwerb von Versicherungsschutz ist der entgeltliche Transfer von Risiken in die Bilanzen von Versicherungen. Ökonomisch besteht damit kaum ein Unterschied zwischen der Risikoübertragung auf andere Beteiligte, so dass die obigen Überlegungen zum Risikotransfer auch hier gelten. Bei der Einbindung von gewerblichen Versicherungen in ein Risikomanagementkonzept sind folgende Aspekte zu beachten: 



Bei Projektfinanzierungen gilt ein gestuftes Subsidiaritätsprinzip: Zunächst wird nach ökonomischen Prinzipien verhandelt, welche Projektpartei welches Risiko übernimmt, bevor die Einbindung einer Versicherung erfolgt. Die Entscheidung ob, wann, zu welchen Konditionen und in welchem Umfang ein Risikotransfer vorgenommen werden muss, ist keine isolierte Entscheidung, sondern Teil eines geschlossenen Risikomanagementprozesses. Versicherungen werden den Versicherungsnehmer regelmäßig auf bestimmte Verhaltensweisen und Informationspflichten verpflichten, die wiederum Rückwirkung auf die Vertragserfüllung auch anderer Verträge haben werden. Neben den Anforderungen an eine Versicherbarkeit von einzelnen Risiken, die für die Planbarkeit der Cashflows von großer Bedeutung ist, tritt die Anforderung, über den Umfang und die Ausgestaltung der Versicherungen die richtigen Anreize für die Projektbeteiligten zu setzen.

Bei der Einbindung von Versicherungen in ein Risikomanagementkonzept sind folgende Aspekte zu beachten: Zunächst einmal muss die Versicherung prüfen, ob ein Risiko überhaupt versicherbar ist, wobei verschiedene Prüfungsebenen zu unterscheiden sind. In einem ersten Schritt wird geprüft, ob die Risiken Anreiz kompatibel verteilt sind. Dies verlangt, dass Projektbeteiligte, die ein Risiko auch üblicherweise kontrollieren können, dies auch im konkreten Einzelfall tun. Umgekehrt: Eine Versicherung wird beispielsweise kaum das Fertigstellungsrisiko übernehmen, wenn der Anlagenbauer nicht einen wesentlichen Teil dieses Risikos selbst übernimmt. Als weitere, versicherungs-mathematische Bedingungen werden dabei der Zufallsgrad eines Schadenseintritts, die eindeutige Zurechenbarkeit des Versicherungsfalls auf ein versichertes Ereignis und die Abschätzbarkeit der finanziellen Konsequenzen bei Risikoeintritt untersucht. Zentral für die Versicherbarkeit von Projektrisiken ist, dass überhaupt ein Sachschaden an den versicherten Sachen entstanden ist und dass dieser unvorhergesehen eingetreten ist. Dies bedeutet zunächst, dass einzelne Teile der Projektanlage zerstört oder beschädigt sein müssen; die bloße Mangelhaftigkeit einer Sache genügt nicht.53 Ebenfalls wird kein Versicherungsschutz greifen, wenn ein Schadenereignis unvermeidbar ist und definitiv eintreten wird. Die Zufälligkeit bzw. die Ungewissheit über das Entstehen, den Zeitpunkt und/oder die Schadenhöhe sind zwingend erforderlich. Zu den vorhersehbaren Schäden von Geothermievorhaben zählen insbesondere Schäden durch Abnutzung und Ver53

T. Haukje; T. Kottke 2010, S. 60 f.

2.5 Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aus dem bisherigen Risikomanagement

37

schleiß. Es ist eindeutig, dass einzelne Komponenten – wie etwa bestimmte Elemente des Kraftwerks – nur eine begrenzte Lebensdauer aufweisen und damit kein zufälliges Schadensereignis ursächlich ist. Der Versicherungsnehmer muss damit rechnen, dass Verschleißteile nach einer gewissen Zeit zwangsläufig ausgetauscht werden müssen. Vorhersehbar sind etwa Schäden durch bekannte Mängel, welche nicht versicherbar sind. Sind Mängel bekannt, so ist die Projektgesellschaft verpflichtet, diese zu beseitigen. Ohne Versicherungsschutz käme der Sachschaden wahrscheinlich gar nicht erst zustande, da sofort Maßnahmen zur Verhinderung eingeleitet worden wären. Aus diesem Grund kann eine Versicherung nicht eine Entschädigung leisten, die grob fahrlässig aufgrund der Kenntnis des Versicherungsschutzes verursacht worden ist. Eine besondere und auch qualitativ herausgehobene Bedeutung für Projektfinanzierungen bietet die Möglichkeit der Einbindung von Exportkreditversicherungen, die wir im Folgenden skizzieren wollen. Ihre Bedeutung steht in engem Zusammenhang mit einem Erklärungsansatz für Projektfinanzierungen, die ihren Bedarf gerade bei internationalen Großprojekten in der Verknüpfung von Anlagenlieferung und Anlagenfinanzierung sieht. Zur Absicherung des Kreditrisikos bei Exportgeschäften stellt eine Reihe von Ländern ihren Exporteuren Ausfuhrgewährleistungen, Kapitalanlagegarantien und so genannte ungebundene Finanzkredite zur Verfügung. Die Auswirkungen einer Exportkreditversicherung erschöpfen sich nicht allein in der Absicherungsfunktion und der dagegen stehenden Versicherungsprämie, sondern führen zu erheblich niedrigeren Liquiditätskosten im Rahmen der Refinanzierung. Dabei sind drei Aspekte gegeneinander abzuwägen: 1. Eine Risikoabsicherung verursacht eine Versicherungsprämie, die je nach Risikoland unterschiedlich hoch ausfällt und im Rahmen der Investitionsplanung mitfinanziert werden muss. 2. Positiv wirkt die risikomäßige Substitution des Projektrisikos durch das Länderrisikos des Garantiegebers für den gedeckten Kreditteil. Dieser Vorteil wird umso größer ausfallen, je größer die Differenz zwischen dem Projektrisiko und dem Risiko des Garantielandes ausfällt. 3. Durch die zusätzliche Einbindung einer Verbriefungsgarantie wird erreicht, dass die finanzierenden Banken für den gedeckten Teil den Pfandbriefmarkt als Refinanzierungsquelle erschließen. Dieser weist regelmäßig wesentlich niedrigere Liquiditätskosten auf als sie jedenfalls in Folge der Finanzkrise für kommerzielle Bankkredite üblich geworden sind. Dieser Vorteil wird umso größer ausfallen, je größer die Differenz zwischen den Liquiditätskosten der beiden Refinanzierungsquellen ausfällt. Bewertet werden müssen diese Maßnahmen einerseits durch den Investor im Rahmen seines Investitionskalküls, andererseits durch die Bank im Rahmen ihrer Risikobewertung. Im Ergebnis wird durch die Einbindung einer Finanzkreditdeckung bereits eine erhebliche Verbesserung der LGD (Loss Given Default) erreicht, die sich positiv auf die Entscheidungsgröße RAROC (Risk Adjusted Return on Capital) auswirkt. Die Hereinnahme einer Verbriefungsgarantie verbessert das Ergebnis nochmals wesentlich, da diese eine günstigere Refinanzierung ermöglicht und damit ebenfalls höhere Deckungsbeiträge der Bank zulässt. In jedem Fall erscheint es bei großvolumigen Geothermie-Vorhaben angeraten zu überprüfen, ob eine Finanzkreditgarantie – mit oder ohne Verbriefungsgarantie – nicht eine sinnvolle Ergänzung der Finanzstruktur darstellt.

38

2 Projektfinanzierung eines Geothermie-Vorhabens

In der Gesamtbetrachtung erweisen sich Versicherungen als äußerst vielschichtige Strukturelemente für die Absicherung und Optimierung von Projektfinanzierungen. Einerseits erlauben sie unter den beschriebenen Voraussetzungen eine notwendige residuale Absicherung gegenüber spezifischen Projektrisiken und sind damit ein unverzichtbarer Bestandteil einer Risikoallokation. Andererseits ermöglichen Exportkreditversicherungen die Mobilisierung von Fremdkapital zu günstigeren Konditionen als sie jedenfalls im Zuge der Finanzkrise üblich sind.

3

Rechtliche Rahmenbedingungen

3.1

Das deutsche Regulierungssystem für Tiefe Geothermie DANIEL MARHEWKA

Voraussetzung für die Realisierung eines jeden Erneuerbare-Energien-Projekts ist die Kenntnis des anwendbaren, relevanten Rechtsrahmens. Nur wenn das Projekt sich innerhalb der Grenzen dieses Rahmens bewegt, werden die Errichtung und die Finanzierung erfolgreich sein und gleichzeitig wird damit der Grundstein für den langjährigen Betrieb gelegt. Die anwendbaren Rechtsvorschriften sind zunächst für den Projektierer maßgeblich, der das Projekt entwickelt. Ob der Projektierer sich im anwendbaren Rechtsrahmen bewegt, wird dann durch den Investor und eine finanzierende Bank geprüft werden. Diese Prüfung wird im sogenannten Due-Diligence-Prozess vollzogen. Somit werden die regulativen Anforderungen bei den meisten Projekten mehr als einmal durch verschiedene Beteiligte geprüft. Ziel dieses Abschnittes betreffend die rechtlichen Rahmenbedingungen der Tiefen Geothermie in Deutschland soll es mithin sein, den Beteiligten einen Leitfaden an die Hand zu geben. Hoffentlich gelingt es so, für verschiedene Projektbeteiligte, deren Augenmerk naturgemäß jeweils auf anderen Schwerpunkten ruht, einen für alle befriedigenden Prozess zu strukturieren.

3.1.1

Einleitung

Das deutsche Regulierungssystem der Tiefen Geothermie gründet nicht auf den Vorschriften eines Gesetzes, sondern ist auf diverse Gesetze und Verordnungen aufgeteilt. Dies liegt zum einen daran, dass durch ein Geothermieprojekt sowohl in der Aufsuchungsphase, als auch in der Gewinnungsphase verschiedene Regelungsgegenstände betroffen sind, deren regulative Rahmen nicht in einem Gesetz konzentriert sind. Des Weiteren wird dies aber auch dadurch verursacht, dass der Gesetzgeber bisher eine Konzentration der formellen und materiellen Regelungen in einem Gesetzt nicht durchgesetzt hat. Der Kern der Regulierung von Geothermieprojekten findet sich im Bundesberggesetz („BBergG“). Dies liegt zum einen an der anfänglichen Bohrung in wesentlichen Tiefen und des Weiteren in der Nutzung des Untergrunds während der Gewinnungsphase der Erdwärme. Die Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben („UVP-V Berg“) sieht zudem vor, dass, sofern gewisse Gebiete und Tiefen durch das Geothermieprojekt erreicht werden (siehe unten Ziffer 3.1.2, Bergrecht, UVP-Prüfung, Planfeststellungsverfahren), es zur Berücksichtigung der umweltrechtlichen Auswirkungen des Eingriffs ins Erdreich einer Umweltverträglichkeitsprüfung („UVP“) bedarf.

40

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Der Eingriff in den Wasserhaushalt, welcher in der einen oder anderen Weise durch die meisten Tiefen Geothermie-Projekte zumindest möglich ist, wird durch das Wasserhaushaltsgesetz („WHG“) des Bundes und ergänzend durch die Wassergesetze der Länder (z.B. Bayerisches Wassergesetz, „BayWG“) reguliert (siehe unten Ziffer 3.1.2, Wasserrechtliche Normen). Die Errichtung der für die Nutzung der Tiefen Geothermie notwendigen Bauwerke bestimmt sich nach dem Baugesetzbuch („BauGB“) und den Bauordnungen der einzelnen Länder (z.B. die Bayerische Bauordnung („BayBO“, siehe unten Ziffer 3.1.2, Baurecht). Die Immissionen von überirdischen Einrichtungen des Geothermievorhabens unterfallen grundsätzlich dem Bundesimmissionsschutzgesetz („BImSchG“) sowie dessen ergänzenden Verordnungen (siehe Ziffer 3.1.2, Immissionsschutzrecht). Hinzu kommt, dass das Geothermieprojekt die Anforderungen des Erneuerbare Energien Gesetzes („EEG“) erfüllen muss, um in den Genuss der staatlich gewährten Zuschüsse in Form der Einspeisevergütung zu kommen (siehe hierzu Ziffer 3.1.3). Diese Aufzählung der anwendbaren Gesetze lässt vermuten, dass der Bau und der Betrieb einer Geothermieanlage rechtlich keine einfache Aufgabe darstellt. Dies macht auch die Due-Diligence-Prüfung durch einen Investor oder eine finanzierende Bank zur rechtlichen Herausforderung. Basierend auf den anwendbaren Gesetzen bedarf es mehrerer Genehmigungen, die jeweils mit Nebenbestimmungen verknüpft sein können. Daher haben Geothermieprojekte in Deutschland rechtlich auch Nachteile gegenüber anderen, weiter verbreiteten ErneuerbarenEnergien-Vorhaben. So kommt den Onshore-Windprojekten die grundsätzliche Konzentrationswirkung der BImSchG-Genehmigung zu Gute. Photovoltaikanlagen benötigen im Wesentlichen nur eine Baugenehmigung. Des Weiteren dürfte insbesondere das Verfahren nach dem BBergG den meisten Beratern unbekannter sein, als das BImSchG und das BauGB. Dies zu ändern, soll die Aufgabe der folgenden Ausführungen sein.

3.1.2

Die relevanten Vorschriften

3.1.2.1

Bergrecht

Ausgangspunkt für die Genehmigung von tiefengeothermischen Anlagen ist das BBergG. Das BBergG findet unter anderem auf das Aufsuchen und die Gewinnung von bergfreien Bodenschätzen Anwendung, § 2 Abs. 1 Nr. 1 BBergG. Im Sinne des BBergG gelten „die Erdwärme und die im Zusammenhang mit ihrer Gewinnung auftretenden anderen Energien“ als bergfreier Bodenschatz, § 3 Abs. 3 Nr. 2 lit. b) BBergG.54 Somit ist das Bohren nach Geothermie und die anschließende Nutzung jeweils ein Tatbestand, auf den das BBergG Anwendung findet.55

54 55

Piens/Schulte/Vitzthum, BBergGG, § 3, Rn. 21. Piens/Schulte/Vitzthum, BBergGG, § 3, Rn. 21; Große, ZUR 2009, 535, 536.

3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Tiefe Geothermie

41

Der Gesetzgeber wollte mit der Einordnung der Geothermie als bergfreier Bodenschatz dem erheblichen Potenzial der Erdwärme Rechnung tragen, welches es erlauben würde, dass Tiefe Geothermie einen erheblichen Beitrag zur Energieversorgung der Allgemeinheit leistet.56 Anders als grundeigene Bodenschätze, die im Eigentum des jeweiligen Grundeigentümers stehen (§ 3 Abs. 2 BBergG), können die bergfreien Bodenschätze nach dem Vorliegen einer Genehmigung grundsätzlich von Jedermann gewonnen werden.57 Die Ausnahmen von der Anwendbarkeit des BBergG, die im Gesetz selbst geregelt sind und die z.B. für die Oberflächennahe Geothermie gelten58, sind für die Tiefe Geothermie ohne Relevanz. Genehmigungserfordernisse nach BBergG Für das Aufsuchen und die Gewinnung bergfreier Bodenschätze bedarf es einer Berechtigung nach BBergG. Das BBergG beschränkt sich jedoch nicht auf eine zentrale Berechtigung. Vielmehr ist gemäß § 6 BBergG je nach beabsichtigter Tätigkeit die Art der Berechtigung nach BBergG zu differenzieren: Für das Aufsuchen der Geothermie bedarf es einer Erlaubnis, für die Gewinnung der Geothermie bedarf es einer Bewilligung oder des Bergwerkeigentums. Der Antrag sowohl auf die Erlaubnis der Aufsuchung, als auch auf die Bewilligung der Gewinnung kann schriftlich gestellt werden und muss Geothermie als zu gewinnenden bergfreien Bodenschatz explizit bezeichnen, § 10 BBergG. Grundsätzlich setzt die Bewilligung zur Gewinnung der Geothermie gemäß § 8 BBergG keine Erlaubnis zum Aufsuchen voraus, faktisch ist die Gewinnung ohne vorangegangene Aufsuchung aber kaum denkbar.59 Die bergrechtliche Erlaubnis und die Bewilligung gewähren dem Inhaber das ausschließliche Recht, in einem bestimmten Erlaubnisfeld nach Geothermie zu suchen bzw. diese zu gewinnen.60 Die Bergbehörde darf einem Dritten folglich keine Berechtigung in diesem Erlaubnisfeld erteilen.61 Ausnahmen hiervon bestehen für eine Erlaubnis zur großräumigen Aufsuchung oder zu wissenschaftlichen Zwecken, § 7 Abs. 2 BBergG. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Erteilung der Berechtigung, wenn keine der in den §§ 11 und 12 BBergG bezeichneten Versagungsgründe entgegenstehen.62 Es handelt sich bei der Erteilung der Berechtigung folglich um eine gebundene Entscheidung der Bergbehörde, welcher insoweit kein Ermessen zusteht.63

56 57 58 59 60 61 62 63

Vgl. BT-Drs. 8/1315, S. 173; Piens/Schulte/Vitzthum, BBergGG, § 3, Rn. 21.; Große, ZUR 2009, 535, 536; Kiermasch, S. 13. Piens/Schulte/Vitzthum, BBergGG, § 3, Rn. 7; Große, ZUR 2009, 535, Fn. 24. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BBergGG: „(Gewinnen) in einem Grundstück aus Anlass oder im Zusammenhang mit dessen baulicher oder sonstiger städtebaulicher Nutzung […]“. Boldt/Weller, § 12, Rn. 4; Große, NVwZ 2004, 809, 812. Kumpf, REE 2011, 135, 136. Boldt/Weller, § 7, Rn. 5; Kumpf, REE 2011, 135, 136. Kumpf, REE 2011, 135, 136. Kumpf, REE 2011, 135, 136.

42

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Versagungsgründe Die Erteilung der Berechtigungen kann nur aus den Gründen der §§ 11 und 12 BBergG versagt werden. Neben zahlreichen technischen und prozeduralen Versagungsgründen sind für Zwecke der Planung und Durchführung von Geothermievorhaben insbesondere drei Versagungstatbestände des § 11 BBergG zu beachten, die gemäß § 12 Abs. 1 BBergG auf die Bewilligung der Gewinnung entsprechend anwendbar sind:  Versagensgrund Nr. 1: „Mangelnde Zuverlässigkeit“ nach § 11 Nr. 6 BBergG: „Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller, bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften die nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung berechtigten Personen, die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzen“. Dieser Versagungsgrund ist insbesondere im Hinblick auf seine Unbestimmtheit problematisch. Da die Erlaubnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch eine Projektgesellschaft beantragt werden wird, sind die Anforderungen, welche die Bergbehörde an die Zuverlässigkeit des Geschäftsführers stellen wird, im Idealfall im Vorhinein zu erfragen und zu berücksichtigen. Weiterhin muss bei einer Übertragung der Erlaubnis noch im Aufsuchungszeitraum darauf geachtet werden, dass der statutarische Vertretungsberechtigte des Empfängers auch den Anforderungen der erlaubenden Behörde genügt.  Versagensgrund Nr. 2: „Mangelnde Mittel“ nach § 11 Nr. 7 BBergG: „Bei einer Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken oder zur großräumigen Aufsuchung [macht] der Antragsteller nicht glaubhaft [...], dass die für eine ordnungsgemäße Aufsuchung und der damit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BBergG im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten erforderlichen Mittel aufgebracht werden können“. Obschon bislang die überwiegende Anzahl der Anträge zur Aufsuchung von Geothermie positiv beschieden wurde, beruhten die meisten Versagungen der Erlaubnis auf der mangelhaften Darlegung der Finanzierbarkeit des Vorhabens,64 so dass dieser Versagungsgrund von besonderer Bedeutung ist. Bei Geothermieprojekten wird ein Großteil der Investitionen bereits im Zuge der Aufsuchung anfallen. In einem Merkblatt zur Antragstellung bei Erlaubnissen zur Aufsuchung von Erdwärme zu gewerblichen Zwecken65 kalkuliert das BAYERISCHE STAATSMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, INFRASTRUKTUR, VERKEHR UND TECHNOLOGIE die Kosten der Aufsuchung bei einer Bohrteufe von 3.500 m auf ca. EUR 15 Mio. Die Verfügbarkeit dieses Betrages muss bei Antragstellung durch Eigenkapital oder eine Finanzierungszusage glaubhaft gemacht werden. Das Erreichen einer unbedingten Finanzierungszusage ohne die Aufsuchungserlaubnis dürfte aber schwer erreichbar sein. Ob eine bedingte Finanzierungszusage für die Anforderungen des Bergrechts ausreichend ist, wird im Einzelfall mit der zuständigen Bergbehörde zu klären sein. Als sichere Variante verbleibt also nur die Möglichkeit, die erforderlichen Mittel durch Eigenkapital zunächst vollständig nachzuweisen. Diese Anforderung beschränkt jedoch die Möglichkeit der Umsetzung von Geothermievorhaben auf einige wenige Akteure im Bereich der Er64 65

Große, ZUR 2009, 537. StMWIVT, Merkblatt, S. 2.

3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Tiefe Geothermie

43

neuerbaren Energien. Sofern die Projektfinanzierung notwendig ist, um die notwendigen Mittel aufzuzeigen, besteht nur die Möglichkeit, in einen Dialog mit der Genehmigungsbehörde einzutreten und den Versuch zu unternehmen, diese auf Basis eines ggf. bereits existierenden Termsheets mit der finanzierenden Bank von der Bonität der Projektgesellschaft zu überzeugen. Hier kann an dieser Stelle kein Patentrezept weitergegeben werden, welches den Versagungsgrund im Finanzierungsszenario uneingeschränkt ausschließt. Allerdings zeigen sich Genehmigungsbehörden erfahrungsgemäß durchaus gesprächsbereit.  Versagensgrund Nr. 3: „Überwiegende öffentliche Interessen“ nach § 11 Nr. 10 BbergG „Überwiegende öffentliche Interessen [schließen] die Aufsuchung im gesamten zuzuteilenden Feld aus […]“. Hierbei handelt es sich um einen Auffangtatbestand. Zwar ist die Entscheidung über die Erteilung oder Versagung der Erlaubnis bzw. Bewilligung eine gebundene Entscheidung, die ein Ermessen der Behörde ausschließt.66 § 11 Nr. 10 BBergG eröffnet der Genehmigungsbehörde aber die Möglichkeit, die öffentlichen mit den Interessen des Antragstellenden abzuwiegen.67 Die Berechtigung darf jedoch nur dann versagt werden, wenn die öffentlichen Interessen die Erteilung der Berechtigung ausschließen. Es handelt sich folglich um einen sehr hohen Versagungsmaßstab, der zu berücksichtigen hat, dass die Energiegewinnung durch erneuerbare Energien grundsätzlich dem öffentlichen Interesse dient.68 Ein bloßes entgegenstehendes öffentliches Interesse ist als Versagensgrund nicht ausreichend.69 Öffentliche Interessen, die einen Versagensgrund begründen können, können dabei aus den Bereichen Naturschutz, Landschaftspflege, Raumordnung, Landesplanung, Verkehrs- und Gewässerschutz stammen.70 Treffen zwei Anträge auf Erteilung einer Berechtigung gemäß den Vorschriften des BBergG aufeinander, so ist in § 14 BBergG geregelt, welchem Antrag Priorität einzuräumen ist: Stehen beiden Anträgen keine Versagungsgründe entgegen, so obsiegt der Antrag, der anhand des in ihm aufgezeigten (i) Arbeitsprogrammes und (ii) der dargelegten Finanzierung den Anforderungen an eine sinnvolle Aufsuchung und Gewinnung am besten Rechnung trägt, § 14 Abs. 2 BBergG. Maßgeblich ist somit erneut, dass bereits bei der Antragstellung nicht nur die Arbeitsschritte detailliert aufgezeigt werden können. Auch die Finanzierung muss überzeugend nachgewiesen werden. Hier stellt sich erneut das bereits oben bei den Versagungsgründen angesprochene Problem des Zusammenhangs zwischen Projektreife und Finanzierung. Eine Spezialregelung existiert für den Fall, dass eine Erlaubnis zur Aufsuchung von Geothermie bereits erteilt wurde und danach ein Antrag auf Bewilligung der Gewinnung von Geothermie im gleichen Erlaubnisfeld durch einen anderen Antragsteller gestellt wird. In diesem Fall ist der Inhaber der Erlaubnis über den neuen Antrag zu informieren und sofern er

66

Große, NVwZ 2004, 809, 812. Boldt/Weller, § 11, Rn. 14. 68 Große, NVwZ 2004, 809, 812. 69 Große, NVwZ 2004, 809, 812. 70 Große, NVwZ 2004, 809, 812; Rausch, S. 88. 67

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

innerhalb von drei Monaten ebenfalls einen Antrag auf Bewilligung der Gewinnung stellt, ist letzterer vorrangig zu behandeln, § 14 Abs. 1 BBergG. Zeitliche Ausübungsgrenzen der Berechtigung § 18 BBergG normiert diverse Widerrufsgründe der Berechtigungen nach dem BBergG. So ist die Erlaubnis zur Aufsuchung zu widerrufen, wenn der Berechtigte nicht innerhalb eines Jahres nach Erlaubniserteilung mit der Aufsuchung beginnt oder die planmäßige Aufsuchung länger als ein Jahr unterbrochen worden ist, sofern der Berechtigte die Verzögerung bzw. die Aussetzung zu vertreten hat, § 18 Abs. 2 Satz 1 BBergG.71 Entsprechende Widerspruchsgründe gelten gemäß § 18 Abs. 3 BBergG auch für die Bewilligung der Gewinnung der Erdwärme, allerdings erst nach drei Jahren. Hintergrund dieser Regelungen, die die Bergbehörde zur Widerrufung der jeweiligen Berechtigung verpflichten, ist, dass es ein wesentlicher Zweck des BBergG ist, die Rohstoffund Energieversorgung sicherzustellen.72 Beginnt ein zur Aufsuchung und Gewinnung von bergfreien Bodenschätzen in einem gewissen Gebiet exklusiv Berechtigter nicht in einem vertretbaren Zeitrahmen mit der Aufsuchung und Gewinnung, sollen die in diesem Gebiet ggf. lagernden Bodenschätze der Allgemeinheit nicht auf Dauer vorenthalten bleiben.73 Solche zeitliche Beschränkungen in Genehmigungen findet man nicht ausschließlich im Bergrecht. Auch in Baugenehmigungen von Photovoltaikparks findet sich häufig eine Frist, wann mit dem Bau begonnen werden muss, damit die Genehmigung nicht erlischt. Besonders herausfordernd für Geothermie-Projekte ist diese starre gesetzliche Befristung aber aufgrund der hohen Anfangsinvestitionen und der ungewissen Aufsuchung, deren Bewältigung jeweils einen anfänglich schwer einschätzbaren Zeithorizont bedarf. Es ist folglich umso wichtiger, dass die Planung des Geothermievorhabens zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits eine entsprechende Reife erreicht hat, um nicht Gefahr zu laufen, die Fristen des § 18 Abs. 2 und 3 BBergG nicht einhalten zu können. Hierbei handelt es sich aber um ein wirtschaftliches Problem, da die Vorbereitung wiederum erhebliche finanzielle Mittel voraussetzt. Zudem haben sowohl die Erlaubnis, als auch die Bewilligung gesetzliche zeitliche Grenzen, selbst wenn die Aufsuchung und Gewinnung rechtzeitig begonnen und nicht unterbrochen wurden. In § 16 Abs. 4 Satz 1 BBergG ist bestimmt, dass die Erlaubnis auf höchstens fünf Jahre zu befristen ist. Für die Gewinnung besteht zwar keine starre Frist, vielmehr soll für den Einzelfall eine angemessene Frist bestimmt werden, die 50 Jahre lediglich dann überschreiten darf, wenn dies aufgrund der getätigten Investitionen notwendig ist, § 16 Abs. 5 BBergG. Insbesondere für große Geothermieprojekte mit einem hohen Investitionsvolumen bietet es sich daher bei der Beantragung der Bewilligung der Gewinnung an, Zeit auf den Versuch zu verwenden, die Befristung der Bewilligung über die 50-Jahresgrenze hinaus auszudehnen. Dies dürfte aber nur im Einzelfall tatsächlich relevant werden und aus Sicht der finanzierenden Bank bzw. des Investors dürften selbst Fristen von 50 Jahren den relevanten Zeithorizont bei Weitem übertreffen. Von Interesse kann es aber für kommunale Projekte, 71

Boldt/Weller, § 18, Rn. 1 ff.; Piens/Schulte/Vitzthum, BBergGG§ 18, Rn. 1 ff.; Kumpf, REE 2011, 135, 136. Boldt/Weller, § 1, Rn. 1; Kumpf, REE 2011, 135, 136. 73 BT-Drs. 8/1315, S. 91; Kumpf, REE 2011, 135, 136. 72

3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Tiefe Geothermie

45

die langfristig an der Energiegewinnung interessiert sind und ggf. einen Projektentwickler sein, dem es gelingt, nach dem Ende der Finanzierung bzw. des Investitionshorizontes ein vorteilhaftes Rückkaufsrecht zu vereinbaren. Verlängerung der Aufsuchungserlaubnis Die geschilderten Unsicherheiten, insbesondere bei der Aufsuchung von Geothermie können zu der Notwendigkeit der Verlängerung der Aufsuchungserlaubnis führen. Gemäß § 16 Abs. 4 Satz 2 BBergG soll die Aufsuchungserlaubnis um jeweils drei Jahre verlängert werden, soweit das Erlaubnisfeld trotz planmäßiger, mit der zuständigen Behörde abgestimmter Aufsuchung noch nicht ausreichend untersucht werden konnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts74 erfordert eine planmäßige Aufsuchung ein „strukturiertes und zielgerichtetes Vorgehen“, welches durch den Berechtigten anhand seines bei der Beantragung vorgelegten Arbeitsprogrammes zu belegen ist.75 Für jede Abweichung von diesem Arbeitsprogramm ist die Zustimmung der Bergbehörde erforderlich.76 In der Verlängerungsentscheidung sind insbesondere erneut diejenigen Versagungsgründe zu berücksichtigen, „die zusammen mit der Befristung der Erlaubnis und der damit verbundenen periodischen Kontrolle des Erlaubnisunternehmers eine zügige und intensive Aufsuchungstätigkeit sichern sollen“, dazu gehören u.a. die Vorlage eines schlüssigen Arbeitsprogramms (§ 11 Nr. 3 BBergG) und der Nachweis der Finanzierung (§ 11 Nr. 7 BBergG).77 Betriebspläne Die Erlaubnis bzw. die Bewilligung sind jedoch lediglich ein erster Schritt im Zuge der Genehmigung eines Geothermievorhabens. Die konkrete Aufsuchungs- und Gewinnungstätigkeit setzen eine weitere Zulassung des Geothermievorhabens durch Betriebspläne voraus.78 Aufsuchungs- und Gewinnungsbetriebe dürfen nur auf Grund von Plänen (Betriebsplänen) errichtet, geführt und eingestellt werden, die vom Unternehmer aufgestellt und von der zuständigen Behörde zugelassen worden sind, § 51 Abs. 1 Satz 1 BBergG. Die Betriebspläne sollen der Bergbehörde ermöglichen, das Vorhaben zu überwachen, das sich im Bergrecht üblicherweise im Zuge des Abbaus durch eine Weiterentwicklung, auch in räumlicher Hinsicht, auszeichnet.79 Im BBergG sind fünf unterschiedliche Betriebspläne vorgesehen80:      74 75 76 77 78 79 80

Der Hauptbetriebsplan (§ 52 Abs. 1 BBergG), der Rahmenbetriebsplan (§ 52 Abs. 2 Nr. 1 BBergG), der Sonderbetriebsplan (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 BBergG), der Abschlussbetriebsplan (§ 53 Abs. 1 Satz 1 BBergG), und der gemeinschaftliche Betriebsplan (§ 52 Abs. 3 BBergG). BVerwG, Urteil v. 3.3.2011 – 7 C 4.10, REE 2011, 162 ff. BVerwG, Urteil v. 3.3.2011 – 7 C 4.10, REE 2011, 162, 164; Kumpf, REE 2011, 135, 136. BVerwG, Urteil v. 3.3.2011 – 7 C 4.10, REE 2011, 162, 165; Kumpf, REE 2011, 135, 136. BVerwG, Urteil v. 3.3.2011 – 7 C 4.10, REE 2011, 162, 166; Kumpf, REE 2011, 135, 136. Boldt/Weller, § 11, Rn. 14; Rausch, S. 88. Große, ZUR 2009, 539. Zu den Details der Einsatzgebiete der unterschiedlichen Betriebspläne vergleiche: Piens/Schulte/Vitzthum, BBergGG, § 52, Rn. 1.

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Die Zulassung der beantragten Betriebspläne ist in § 55 BBergG geregelt. Der Antragsteller hat, falls die Voraussetzungen des § 55 BBergG erfüllt sind, Rechtsanspruch auf Zulassung eines von ihm aufgestellten und dem Bergamt zur Zulassung eingereichten Betriebsplanes.81 Die Regelungssystematik der §§ 51 ff. BBergG entsprechen folglich der oben beschriebenen Regelungssystematik der §§ 6 ff. BBergG betreffend die Berechtigungen. Die Zulassungsvoraussetzungen des § 55 BBergG wurden durch Rechtsverordnungen des Bundes und der Länder näher konkretisiert. Hier ist zum einen die Bergverordnung für alle bergbaulichen Bereiche (Allgemeine Bundesbergverordnung – „ABBergGV“) zu nennen, zum anderen die Bergverordnung für Tiefbohrungen („BVOT“) der Länder. Die ABBergGV setzt im Wesentlichen europäische Richtlinien um und enthält in erster Linie arbeitschutzrechtliche Regelungen. Die BVOT hingegen wurde am 18. Mai 2006 durch den LÄNDERAUSSCHUSS BERGBAU beschlossen und dient als Entwurf für entsprechende landesrechtliche Regelungen. Dementsprechend ist je nach geographischer Lage des Geothermievorhabens die entsprechende landesrechtliche Regelung zu berücksichtigen. Für die Errichtung und den Betrieb ist zunächst ein schriftlicher Hauptbetriebsplan zu erstellen, der die geplanten Arbeiten und Maßnahmen darstellt.82 Der Hauptbetriebsplan deckt jedoch von Gesetzes wegen (§ 52 Abs. 1 Satz. 1 BBergG) in der Regel lediglich eine Laufzeit von zwei Jahren ab. Da dies für die Laufzeit eines Tiefen Geothermie-Projektes zu kurz bemessen ist, besteht die Möglichkeit, parallel einen Rahmenbetriebsplan gemäß § 52 Abs. 2b BBergG einzureichen, der sich auf alle Stufen des Projekts und einen längeren Zeitraum bezieht. Gemäß § 52 Abs. 2a BBergG muss zudem zwingend ein Rahmenbetriebsplan aufgestellt und dieser in einem Planfeststellungsverfahren zugelassen werden, wenn das Geothermievorhaben nach § 57 c BBergG in Verbindung mit den Regelungen der UVP-V Berg einer UVP bedarf. UVP-Prüfung, Planfeststellungsverfahren Tiefbohrungen zur Gewinnung von Erdwärme ab 1.000 m Teufe83 in (i) ausgewiesenen Naturschutzgebieten oder (ii) in gemäß der Richtlinie des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (79/409/EWG, ABl. L 103 vom 25.4.1979, S. 1, „Vogelschutzrichtlinie“) oder der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 vom 22.7.1992, S. 7 „Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie“) ausgewiesenen besonderen Schutzgebieten bedürfen gemäß § 1 Nr. 8 der UVP-V Bergbau einer UVP. Die UVPPflichtigkeit wird für Geothermievorhaben durch die UVP-V Bergbau insoweit abschließend geregelt, was sich aus §§ 4 und 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung („UVPG“) ergibt.84

81

Dapprich/Römermann, BBergGG, § 55, Rn. 2. Große, NVwZ 2004, 809, 812; Boldt/Weller, Ergz. Bd., § 52, Rn. 18. 83 Bergmännische Bezeichnung für Tiefe (http://de.wikipedia.org/wiki/Teufe). 84 Boldt/Weller, Ergz. Bd., § 52, Rn. 24; Große, NVwZ 2004, 809, 813. 82

3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Tiefe Geothermie

47

Sofern diese Umstände auf das Geothermievorhaben zutreffen, hat eine UVP und eine Zulassung des Rahmenbetriebsplans im Wege des Planfeststellungsverfahrens gemäß §§ 52 Abs. 2a i.V.m. 57a und b BBergG zu erfolgen. Grundsätzlich ist das Betriebsplanverfahren, wie es im BBergG geregelt ist, das maßgebliche Verfahren für den zu erlassenden Betriebsplan.85 Zwar gelten für das Planfeststellungsverfahren die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes („VwVfG“), insbesondere die §§ 72 ff VwVfG. Dies ergibt sich schon aus § 5 BBergG. Jedoch ist das nur insoweit der Fall, als das BBergG keine abweichenden Regelungen enthält („Subsidiaritätsprinzip“).86 Auf die Einzelheiten des Planfeststellungsverfahrens kann und soll hier aus Platz- und Themengründen nicht eingegangen werden, stattdessen sei ausdrücklich auf die entsprechenden Kommentare zu den Vorschriften der §§ 72 ff. VwVfG verwiesen.87 Die bergrechtlichen Spezifika des Planfeststellungsverfahrens sind im Ergänzungsband des Kommentars zum Bundesberggesetz von Boldt/Weller88 ausführlich beschrieben. Die UVP für das Geothermieprojekt richtet sich inhaltlich weitgehend nach dem UVPG, jedoch sind auch hier für das Verfahren die Modalitäten des BBergG vorrangig.89 Somit sind §§ 5 bis 14 UVPG nicht anwendbar. Da aber der in § 1 UVPG definierte Zweck des UVPG Gesetz nicht vollständig durch die Normen des BBergG erfüllt wird, ist § 1 UVPG auch im Bergrecht neben den bergrechtlichen Regelungen anwendbar.90 Das Verfahren zur Durchführung der UVP ist ein unselbständiger Teil des bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens.91 Ausnahmen von der Betriebsplanpflicht In Teilen der Literatur wird diskutiert, ob aufgrund des Fehlens eines dynamisch und räumlich wandernden Betriebes bei der Geothermieaufsuchung das Erfordernis der Betriebsplanpflicht entfallen sollte.92 Die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Argumente wirken jedoch sehr formalistisch und vermögen aufgrund des erheblichen Eingriffs von Tiefer Geothermie in den Untergrund und des damit verbundenen Risikopotenzials nicht zu überzeugen. Dies müssen letztlich auch die Autoren konstatieren, welche die Betriebsplanpflicht für Geothermievorhaben in Frage stellen.93 Mögliche weitere, gesetzlich geregelte Ausnahmen von der Betriebsplanpflicht, insbesondere die in § 51 Abs. 3 BBergG genannten Ausnahmen, sind nach einhelliger Meinung auf Tiefe Geothermie-Vorhaben nicht anwendbar und können daher vorliegend unerwähnt bleiben.

85 86 87 88 89 90 91 92 93

Boldt/Weller, Ergz. Bd., § 57a, Rn. 2. Boldt/Weller, Ergz. Bd., § 57a, Rn. 6. Z.B. Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl., im Erscheinen; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 13. Aufl., 2012. Boldt/Weller, Ergz. Bd., § 57a, Rn. 8 ff. Boldt/Weller, Ergz. Bd., § 52, Rn. 9. Boldt/Weller, Ergz. Bd., § 52, Rn. 9 f. Boldt/Weller, Ergz. Bd., § 52, Rn. 16. Große, ZUR 2009, 539. Große, ZUR 2009, 539.

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Zu beachtende gegensätzliche öffentliche Interessen Der Versagungsgrund des gegensätzlichen öffentlichen Interesses für die Erteilung der Betriebspläne ist in § 48 BBergG explizit gesondert geregelt. Der Versagungsmaßstab für die Zulassung des Betriebsplans ist im Vergleich zu den oben erörterten Berechtigungen mit geringeren Voraussetzungen ausgestattet. Während in § 11 Nr. 10 BBergG das öffentliche Interesse die Aufsuchung ausschließen muss, reicht es für § 48 BBergG aus, dass dem Betriebsplan das öffentliche Interesse nur entgegensteht. Zudem können sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften zur Beschränkung oder Untersagung der Betriebspläne führen (§ 48 Abs. 2 BBergG: „unbeschadet anderer öffentlichrechtlicher Vorschriften“).94 Im Zuge dieser Vorschrift sind die Anforderungen weiterer öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu prüfen und sofern diese für Zwecke des Betriebsplanes von Relevanz sind, sind sie im bergrechtlichen Verfahren zu berücksichtigen. Jedoch kommt dem bergrechtlichen Verfahren insoweit keine Konzentrationswirkung zu. Sofern andere relevante öffentlich rechtliche Vorschriften im Verfahren nach dem BBergG keine Berücksichtigung finden, sind sie parallel dazu zu prüfen. Im Folgenden sollen diese sonstigen relevanten öffentlich-rechtlichen Vorschriften dargestellt werden.

3.1.2.2

Wasserrechtliche Normen (WHG, Wassergesetze der Länder)

Bei der Errichtung von Geothermieanlagen und deren Betrieb sind wasserrechtliche Regelungen, insbesondere die des WHG, zu beachten.95 § 127 Abs. 2 BBergG stellt klar, dass das WHG und die wasserrechtlichen Landesgesetze Anwendung finden und dem BBergG insoweit keine materielle Konzentrationswirkung zukommt.96 Zweck des WHG ist es ausweislich des § 1 WHG, durch nachhaltige Gewässerbewirtschaftung die Gewässer in ihrer vielseitigen Funktion zu schützen. Neben den generell geltenden allgemeinen Sorgfaltspflichten für die Gewässerbenutzung, die von jedermann zu beachten sind,97 bedürfen Gewässerbenutzungen gemäß § 9 WHG nach § 8 WHG grundsätzlich der Erlaubnis oder der Bewilligung durch die zuständige Wasserbehörde. Die Gewässerbenutzung unterliegt einem repressiven Verbot mit rechts- oder befugnisverleihendem Befreiungsvorbehalt.98 Erst die Befreiung von dem Benutzungsverbot durch Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung macht die Benutzung zulässig.99 Im Gegensatz zu Berechtigungen bzw. die Zulassung des Betriebsplanes gemäß den bergrechtlichen Vorschriften, besteht kein Rechtsanspruch auf Erteilung der Befreiung.100

94 95 96 97 98 99 100

Große, NVwZ 2004, 809, 813. Reinhardt, UPR 2009, 289–294. Dapprich/Römermann, BBergGG, § 127, Rn. 6; BT-Drs. 8/1315, S. 152. Czychowski/Reinhardt, WHG, § 5, Rn. 2. Czychowski/Reinhardt, WHG, § 8, Rn. 3; Reinhardt, UPR 2009, 289 ff. Czychowski/Reinhardt, WHG, § 8, Rn. 3. Czychowski/Reinhardt, WHG, § 8, Rn. 3.

3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Tiefe Geothermie

49

Geothermie als Benutzung eines Gewässers Zunächst muss aber geklärt werden, ob eine Geothermiebohrung und die Gewinnung von Erdwärme überhaupt die Benutzung eines Gewässers darstellen. In den Anwendungsbereich des WHG fällt die Benutzung des Grundwassers, auf welches gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 WHG das WHG anwendbar ist. Die Nutzung des Grundwassers durch Geothermievorhaben ist je nach technischer Umsetzung des Geothermievorhabens unterschiedlich: Hydrothermale Systeme Hydrothermale Systeme nutzen die Wärme heißer Aquifere.101 Liegen entsprechende Temperaturen in einem Aquifer vor, so kann aus diesem Wasser gefördert, abgekühlt und reinjiziert werden, so dass das Aquifer je nach vorliegender Temperatur zur Wärme- oder Stromgewinnung nutzbar ist.102 Nach Informationen des GTV BUNDESVERBAND GEOTHERMIE waren im Oktober 2012 in Deutschland 20 Geothermieprojekte in Betrieb, wovon 18 Projekte Hydrogeothermieprojekte waren.103 Die Förderung von Grundwasser zur Wärmegewinnung durch ein hydrothermales Geothermieprojekt stellt eine echte Gewässerbenutzung durch Zutageleiten von Grundwasser gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG dar.104 Weiterhin ist das Zurückleiten des abgekühlten Wassers nach der Nutzung unter „Einleiten von Stoffen in Gewässer“ gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG zu subsumieren und stellt daher ebenfalls eine erlaubnispflichtige Gewässernutzung dar.105 Aber schon die Niederbringung einer Bohrung stellt gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG eine Gewässerbenutzung dar.106 Petrothermale Systeme107 Ist das Gestein, in dem die hohen Temperaturen angetroffen wurden, nicht durchlässig, so dass aus ihm kein Wasser gefördert werden kann, so kann dort ein künstlich eingebrachtes Wärmeträgermedium (Wasser oder auch CO2) zwischen zwei tiefen Brunnen in einem künstlich erzeugten Risssystem zirkuliert werden. Zunächst wird hierzu Wasser mit – mindestens einer – Injektions- bzw. Verpressbohrung in das Kluftsystem eingepresst unter einem Druck, welcher soweit über dem petrostatischen Druck liegen muss, dass die minimale Hauptspan101

102 103 104 105 106 107

Ein Aquifer (aus dem Lateinischen, aqua, dt. Wasser; ferre, dt. tragen) ist ein Gesteinskörper mit Hohlräumen, der zur Leitung von Grundwasser geeignet ist. Im deutschen wird dieser auch als Grundwasserleiter, ehemals auch Grundwasserhorizont oder Grundwasserträger bezeichnet. Aquifer, als ursprünglich aus dem englischen Sprachraum stammender Begriff hat sich mittlerweile durchgesetzt, jedoch ohne in die für Deutschland gültige hydrogeologische Begriffsbestimmung nach DIN 4049-3 übernommen worden zu sein (www. http://de.wikipedia.org/wiki/Aquifer). http://de.wikipedia.org/wiki/Geothermie#Tiefe_Geothermie. Quelle: GtV Bundesverband Geothermie, http://www.geothermie.de/fileadmin/useruploads/aktuelles/ projekte/tiefe/deutschland/TG_2012_Projektname_GtV-BV.pdf Reinhardt, UPR 2009, 289 ff.; Czychowski/Reinhardt, WHG, § 9, Rn. 68. Reinhardt, UPR 2009, 289 ff.; Czychowski/Reinhardt, WHG, 10. Aufl., 2010, § 9, Rn. 64. Czychowski/Reinhardt, WHG, § 9, Rn. 64. Petrothermale Systeme werden oft auch als HDR-Systeme (Hot-Dry-Rock) bezeichnet. Tatsächlich ist die Annahme, bei diesen Temperaturen und Tiefen trockene Gesteinsformationen vorzufinden, nicht korrekt. Aus diesem Grund existieren auch verschiedene andere Bezeichnungen für dieses Verfahren, wie Hot-Wet-Rock (HWR), Hot-Fractured-Rock (HFR) oder Enhanced Geothermal System (EGS). (http://de.wikipedia.org/wiki/Geothermie#Petrothermale_Systeme).

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

nung in der jeweiligen Teufenlage überschritten wird (hydraulische Stimulation). Hierdurch werden Fließwege aufgebrochen oder vorhandene aufgeweitet und damit die Durchlässigkeit des Gesteins erhöht. Dieses Vorgehen ist notwendig, da sonst die Wärmeübertragungsfläche und die Durchgängigkeit zu gering wären. Anschließend bildet dieses System aus natürlichen und künstlichen Rissen einen unterirdischen, geothermischen Wärmeüberträger. Durch die zweite, die Produktions- oder Förderbohrung, wird das Trägermedium wieder an die Oberfläche gefördert.108 Wie bereits oben dargelegt, stellt bereits das Niederbringen einer Bohrung eine Gewässerbenutzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG dar.109 Zudem können petrothermale Geothermievorhaben unechte Benutzungen des Grundwassers gemäß § 9 Abs. 2 WHG bewirken, die ebenfalls zu einer Erlaubnispflicht führen.110 In § 9 Abs. 2 WHG ist ein Auffangtatbestand geregelt, der sämtliche Maßnahmen, welche geeignet sind, nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen, als Benutzung eines Gewässers qualifiziert.111 Zunächst kann bei dem Durchtreufen von Grundwasserleitern im Zuge des Bohrvorgangs eine nachteilige Veränderung der Grundwasserbeschaffenheit nicht ausgeschlossen werden.112 Weiterhin ist bereits die physikalische Änderung durch den Wärmeentzug beim Grundwasser als ausreichend für die Benutzung im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG anzusehen.113 Weiterhin ist bei petrothermalen Systemen zu beachten, dass es einer zusätzlichen Eignungsfeststellung gemäß § 63 Abs. 1 WHG bedürfen kann, wenn als Wärmeträgermedium ein wassergefährdender Stoff eingesetzt wird.114 Für die Abgrenzung von petrothermalen zu hydrothermalen Techniken haben sich im Wesentlichen drei Kriterien der petrothermalen Techniken herausgebildet:115   

108 109 110 111 112 113 114 115 116

Der Produktionshorizont ist das Grundgebirge oder eine geringe permeable Schicht (mit einer mittleren Permeabilität von weniger als 10–14 m²)116. Die Produktionsbohrung liefert ohne den Einsatz der Frac-Technik keine wirtschaftlich relevante Schüttung. Als wirtschaftlich relevant werden Bohrungen mit einem Produktivitätsindex von mindestens PI=10–2 m³ (Mpa s) definiert. Der Produktionshorizont muss mit der Frac-Technik nachweislich mindestens um Faktor zwei stimuliert worden sein.

http://de.wikipedia.org/wiki/Geothermie#Petrothermale_Systeme. Czychowski/Reinhardt, WHG, § 9, Rn. 64. Reinhardt, UPR 2009, 289 ff.; Große, ZUR 2009, 539 f. Czychowski/Reinhardt, § 9, Rn. 82. Reinhardt, UPR 2009, 289 ff.; Große, ZUR 2009, 539 f. Czychowski/Reinhardt, WHG, § 9, Rn. 90; Reinhardt, UPR 2009, 289 ff.; Große, ZUR 2009, 540. Große, ZUR 2009, 540. Reshöft – Bönning, § 28, Rn. 13; Große, ZUR 2009, 535, 542; Stellungnahme des Bundesverbandes Geothermie e.V./Rüdiger Schulz im Januar 2009 gegenüber der Clearingstelle EEG. Große, ZUR 2009, 535, 542, Fn. 124: Sandsteinschichten, die hydrothermal genutzt werden können, haben in der Regel größere Permeabilitäten.

3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Tiefe Geothermie

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Erlaubnis zur Grundwassernutzung Da Tiefe Geothermie-Projekte – wie soeben gezeigt – unabhängig von ihrer technischen Ausgestaltung eine Benutzung von Gewässern im Sinne des WHG darstellen, bedürfen sie der Erlaubnis oder der Bewilligung, § 8 Abs. 1 WHG. Der Unterschied zwischen einer Bewilligung und einer Erlaubnis ist, dass die Bewilligung nur unter engen gesetzlich definierten Voraussetzungen gemäß § 18 Abs. 2 WHG widerrufen werden kann. Sie gewährt dadurch eine komfortablere Rechtsposition als die gemäß § 18 Abs. 1 WHG jederzeit widerrufliche Erlaubnis. Jedoch darf gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 WHG keine Bewilligung erteilt werden, wenn eine Benutzung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG oder des § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG vorliegt, welches bei Geothermieprojekten der Fall ist. Ausnahmen von dieser Beschränkung von Geothermievorhaben auf die wasserrechtliche Erlaubnis könnten sich aus einer entsprechenden Anwendung einer gesetzlichen Erleichterung für das Wiedereinleiten von nicht nachteilig verändertem Triebwasser bei Ausleitungskraftwerken ergeben, § 14 Abs. 1 Nr. 3, 2. Halbsatz WHG. Überlegungen, ob diese Ausnahme zumindest für hydrothermale Geothermieprojekte analog anwendbar sein könnte, können jedoch nicht überzeugen. Im Rahmen des durch den Gewässerschutz geprägten WHG, welches die Gewässerbenutzung grundsätzlich untersagt und nur in Ausnahmefällen zulässt, ist jede Ausnahme vom Verbot der Gewässerbenutzung grundsätzlich eng auszulegen. Da das wieder eingeleitete Grundwasser bei Geothermieprojekten zumindest einer Temperaturveränderung unterliegt, scheidet eine Analogie zu der Ausnahme des § 14 Abs. 1 Nr. 3, 2. Halbsatz WHG auf jeden Fall aus. Folglich kommt für Geothermieprojekte lediglich eine wasserrechtliche Erlaubnis in Betracht. Zuständigkeit der Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis Grundsätzlich ist für die Erteilung der Erlaubnis gemäß WHG die nach den landesrechtlichen Wassergesetzen zuständige Wasserbehörde verantwortlich. Für Tiefe Geothermie-Vorhaben, die wie oben beschrieben einer Zulassung gemäß BBergG bedürfen, sieht das WHG aber eine Sondervorschrift vor, die die Genehmigungszuständigkeit bei der Bergbehörde konzentriert. Gemäß § 19 Abs. 2 WHG entscheidet die Bergbehörde über die Erteilung zur Benutzung von Gewässern, wenn der Betriebsplan die Benutzung von Gewässern vorsieht. Die Entscheidung hat nach § 19 Abs. 3 WHG, aber im Einvernehmen mit der Wasserbehörde zu erfolgen. Es ist daher zu beachten, dass bereits im Zuge der Aufstellung des Betriebsplanes nach BBergG die Notwendigkeit der Gewässerbenutzung dargelegt wird. Hierdurch kann zumindest eine Zuständigkeitskonzentration bei der Bergbehörde erreicht werden. Der Betriebsplan führt jedoch nicht zu einer Konzentrationswirkung, welche eine Prüfung der wasserrechtlichen Vorschriften ersetzen würde.117 Vielmehr hat die Bergbehörde im Rahmen des § 19 Abs. 2 WHG das gesamte materielle und formelle Wasserrecht zu beachten.118 Die Erteilung 117 118

Giesberts/Reinhardt – Giesberts, Umweltrecht, WHG § 19, Rn. 18. Giesberts/Reinhardt – Giesberts, Umweltrecht, WHG § 19, Rn. 18.

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

der wasserrechtlichen Erlaubnis bedarf eines eigenen Verwaltungsaktes, der aber gleichzeitig mit der Zulassung des Betriebsplanes ergehen kann.119 Sofern das bergrechtliche Betriebsplanverfahren als Planfeststellungsverfahren durchzuführen ist, ist die zuständige Bergbehörde gemäß § 19 Abs. 1 WHG zuständig.120 Im Zuge der Due Diligence des Projekts ist darauf zu achten, dass trotz der Erteilung der Erlaubnis gemäß WHG durch die Bergbehörde die Wasserbehörden gemäß § 19 Abs. 3 WHG involviert wurden. Eine ohne Einvernehmen oder Anhörung der Wasserbehörde erteilte Erlaubnis ist rechtswidrig und aufhebbar, jedoch nicht nichtig.121

3.1.2.3

Baurecht

Die oberirdischen baulichen Anlagen von Geothermieprojekten sind grundsätzlich baurechtlich genehmigungspflichtig.122 Soweit es sich bei bergbaulichen Einrichtungen um genehmigungspflichtige bauliche Anlagen im Sinne der Landesbauordnungen handelt, wird die Einhaltung der baurechtlichen Bestimmungen durch die Baugenehmigung gewährleistet.123 Dabei kommt dem Bergrecht im Hinblick auf den Betriebsplan keine Konzentrationswirkung zu, vielmehr sind die im BauGB bzw. in den Landesbauordnungen geregelten öffentlichen Belange durch die zuständigen Baubehörden zu prüfen.124 In dem Baugenehmigungsverfahren sind vor allem bauplanungsrechtliche – nach dem BauGB – und bauordnungsrechtliche – nach den Landesbauordnungen – Aspekte zu prüfen.125 Teilweise werden aber Anlagen, welche einer Regulierung durch die Bergaufsicht unterliegen, aus dem Anwendungsbereich der Landesbauordnungen ausgenommen. So ist in Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 BayBO geregelt: „Dieses Gesetz gilt nicht für Anlagen, die der Bergaufsicht unterliegen“. Ähnliche Regelungen existieren in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen und dem Saarland.126 Mit Ausnahme von selbständigen Gebäuden an der Erdoberfläche, die lediglich im Zusammenhang mit dem Geothermieprojekt errichtet werden, unterliegt der oberirdische Teil der Geothermieanlage an sich in diesen Bundesländern nicht der Baugenehmigungs- und Anzeigepflicht.127 Ist das Geothermievorhaben nicht baugenehmigungspflichtig und werden somit die bauplanungsrechtlichen Vorschriften nicht im Genehmigungsverfahren beachtet, hat die Bergbehörde bei der Zulassung des Betriebsplanes gleichwohl zu prüfen, ob die bauplanungsrechtlichen Vorschriften durch das Geothermievorhaben beachtet werden.128

119 120 121 122 123 124 125 126 127 128

Giesberts/Reinhardt – Giesberts, Umweltrecht, WHG § 19, Rn. 18.; Czychowski/Reinhardt, WHG, § 19, Rn. 16. Giesberts/Reinhardt – Giesberts, Umweltrecht, WHG § 19, Rn. 17. Czychowski/Reinhardt, WHG, § 19, Rn. 26. Altrock/Große/Lehnert, Hemmnisstudie, S. 27; Boldt/Weller, § 55, Rn. 54; Kumpf, REE 2011, 135, 137. Boldt/Weller, § 55, Rn. 54. Boldt/Weller, § 55, Rn. 50. Altrock/Große/Lehnert, Hemmnisstudie, S. 27. Boldt/Weller, § 55, Rn. 54. Boldt/Weller, § 55, Rn. 54; StMI, Schreiben 2. Dezember 2012, Ziffer 2.3.1, S. 6. Boldt/Weller, § 55, Rn. 54.

3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Tiefe Geothermie

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Die bauplanungsrechtlichen Anforderungen an das Geothermieprojekt richten sich nach dem Ort der Errichtung der Geothermieanlage und dem dort vorherrschenden planungsrechtlichen Rahmen. Bebauungsplan Sofern für den Errichtungsort ein Bebauungsplan erlassen wurde, muss sich das Geothermieprojekt primär an den Vorgaben dieses Bebauungsplans orientieren. Hierbei stellt sich die Frage, ob ein qualifizierter oder vorhabenbezogener Bebauungsplan das Vorhaben abschließend regelt, oder ob bei einem einfachen Bebauungsplan die Regelungen der §§ 34 (bei Errichtung im Innenbereich), 35 (im Außenbereich) BauGB mit hinzugezogen werden müssen. Für Geothermievorhaben kommen, wie es z.B. bei Freiflächenphotovoltaikprojekten die Regel ist, auch vorhabenbezogene Bebauungspläne (§§ 12, 30 Abs. 2 BauGB) in Betracht.129 Der Vorteil ist, dass der vorhabenbezogene Bebauungsplan den Spezifika des Geothermievorhabens in besonderem Maße Rechnung tragen kann. Innen- oder Außenbereich Bei einer Errichtung des Geothermievorhabens ohne Bebauungsplan richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit im Innenbereich, d.h. in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil, nach § 34 BauGB und im Außenbereich nach § 35 BauGB. Diese beiden Normen finden weiterhin im Fall eines einfachen Bebauungsplans Anwendung, um die in diesem enthaltenen Regelungslücken zu schließen. Spezifika im Innenbereich Bei der Errichtung eines Geothermieprojekts im Innenbereich (§ 34 BauGB) ist die Zulässigkeit insbesondere davon abhängig, ob sich die Anlage in die Umgebung einfügt und somit das baurechtliche Rücksichtnahmegebot befolgt wird, § 34 Abs. 1 BauGB.130 Bei Geothermieprojekten sind in diesem Zusammenhang insbesondere die von der Anlage ausgehenden Lärmbelästigungen zu beachten,131 aber auch die sichtbaren Kraftwerksanlagen und deren Ausmaße. Zur Prüfung, ob z.B. die von der Geothermienanlage ausgehende Lärmbelästigung dem Einfügen der Anlage im Innenbereich entgegen steht, ist die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – „TA Lärm“) ein Indikator.132 Maßgeblich sind jedoch stets die Umstände des Einzelfalls, die Umgebung der jeweiligen Errichtungsstelle, die geplante Ausführung der Kraftwerksanlagen des Geothermieprojekts während der Gewinnungsphase und die zu erwartenden Immissionen. Es empfiehlt sich, bei größeren Geothermievorhaben mit einem erheblichen Investitionsvolumen die Entscheidung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit nicht den gesetzlichen Wertungen des § 34 BauGB und dem ausfüllungsbedürftigen allgemeinen Rechtsbegriff des Rücksichtnahmegebots zu unterwerfen. Sofern die Möglichkeit besteht, sollte vielmehr ein 129

So z.B. bei dem Geothermieprojekt Oberhaching der Fall. Kumpf, REE 2011, 135, 137. 131 Kumpf, REE 2011, 135, 137 f. 132 Kumpf, REE 2011, 135, 137. 130

54

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

vorhabenbezogener Bebauungsplan angestrebt werden, der eine sehr viel höhere bauplanungsrechtliche Sicherheit gewährleistet. Spezifika im Außenbereich Die Mehrzahl der Tiefen Geothermie-Vorhaben dürfte aufgrund ihrer Ausführung im Außenbereich angesiedelt werden. Für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit, bzw. einen Anspruch auf bauplanungsrechtliche Zulassung eines Vorhabens im Außenbereich ist entscheidend, ob es sich bei dem Vorhaben um ein privilegiertes Vorhaben handelt, § 35 Abs. 1 BauGB. Ist dies der Fall, so besteht ein Rechtsanspruch auf Zulassung des Vorhabens, wenn (i) öffentliche Belange nicht entgegenstehen und (ii) die Erschließung gesichert ist.133 Mit der Liste privilegierter Vorhaben hat der Gesetzgeber gewisse Vorhaben selbst dem Außenbereich zugeordnet und „sozusagen generell geplant“.134 Im Zusammenhang mit Geothermievorhaben erscheinen zwei Privilegierungstatbestände diskussionswürdig: 

133 134 135 136 137 138 139

§ 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB: Vorhaben zur öffentlichen Versorgung mit Elektrizität und Wärme. Gemäß dem Wortlaut sind Geothermievorhaben von dieser Privilegierung umfasst. In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob die Privilegierung gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB voraussetzt, dass das jeweilige Vorhaben ortsgebunden ist, d.h. nur an dem jeweiligen Ort im Außenbereich errichtet werden kann.135 Ein solches Kriterium ist ausdrücklich nur für die letzte Alternative des § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB, „[…] oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient […]“ vorgesehen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Ortsgebundenheit des jeweiligen Vorhabens im Sinne eines konkreten Standortbezuges aber Voraussetzung für sämtlich nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB privilegierte Vorhaben, mithin auch für solche zur öffentlichen Versorgung mit Elektrizität und Wärme.136 Ein solcher Ortsbezug sei dann nicht gegeben, wenn der Standort im Vergleich zu anderen Stellen zwar Lagevorteile bieten würde, das Vorhaben aber nicht zwingend davon abhängig ist, an dieser Stelle im Außenbereich errichtet zu werden.137 Eine andere, in der Literatur vertretene Ansicht bestreitet die Anwendbarkeit des Kriteriums der Ortsgebundenheit auf sämtliche Alternativen des § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB und will dieses auf den ortsgebundenen gewerblichen Betrieb beschränken.138 In der Praxis lässt sich jedoch die Rechtsprechung des BVerwG nicht ohne rechtliches Risiko für das Geothermieprojekt außer Acht lassen. Es fehlt nach dieser Rechtsprechung bereits an der Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB, wenn die Geothermiebohrung z.B. abgelenkt niedergebracht werden könnte.139 In diesem ZusamBattis/Krautzenberger/Löhr, BauGB, § 35, Rn. 5. BVerwG, Urteil v. 25.10.1967 - IV C 86.66, BVerwGE 28, 148, 150; Battis/Krautzenberger/Löhr, BauGB, § 35, Rn. 4. Battis/Krautzenberger/Löhr, BauGB, § 35, Rn. 28. BVerwG, Urteil v. 16.6.1994 – 4 C 20/93, NVwZ 1995,64, 65; Battis/Krautzenberger/Löhr, BauGB, § 35, Rn. 28.; Kumpf, REE 2011, 135, 138. BVerwG, Urteil v. 16.6.1994 – 4 C 20/93, NVwZ 1995,64, 65; Battis/Krautzenberger/Löhr, BauGB, § 35, Rn. 28.; Kumpf, REE 2011, 135, 138. Dolde, NJW 1983,792. Große, ZUR 2009, 539 f.; Kumpf, REE 2011, 135, 138.

3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Tiefe Geothermie



55

menhang ist aber zu erwähnen, dass das Bayerische Staatsministerium des Inneren in seiner Stellungnahme vom 2. Dezember 2011 davon ausgeht, dass ein Geothermievorhaben in der Regel ortsgebunden ist.140 Im Ergebnis handelt es sich hierbei um eine Bewertung im Einzelfall, welche die spezifischen Gegebenheiten jedes Geothermievorhabens in Betracht ziehen muss. Die Regelung des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegiert Vorhaben, die zur Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dienen. Fraglich erscheint, ob man diese Privilegierung analog auf andere ErneuerbareEnergien-Projekte und insbesondere auch auf Geothermievorhaben ausweiten kann. Typischerweise sind Wind- und Wasserenergievorhaben im Außenbereich effizienter und können für die Umgebung weniger störend errichtet werden. Gleiches trifft aber auch auf Geothermieprojekte zu und auch die Förderung erneuerbarer Energien, die eines der Ziele des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB ist, würde bei Geothermie ebenso zutreffen. Gegen eine Analogiefähigkeit spricht aber, dass § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB Sonderregelungen für solare Strahlungsenergie festlegt und somit klar wird, dass § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB keine grundsätzliche Privilegierung von Erneuerbaren-Energien-Projekten erreichen will. Gegen eine Analogie spricht weiterhin, dass die Privilegierungstatbestände eng auszulegen sind.141 Die Privilegierungstatbestände weichen vom Grundsatz ab, dass der Außenbereich grundsätzlich von Bauvorhaben freizuhalten ist.142 Jedwede Abweichung von diesem Grundsatz ist daher im Gesetz als Ausnahme explizit zu formulieren und die formulierten Ausnahmen sind eng auszulegen.143 Die Möglichkeit einer analogen Anwendung oder teleologischen Erweiterung der Norm zu Gunsten von Geothermievorhaben scheiden folglich aus. Die Ausweitung der Privilegierung in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB wäre wünschenswert, bedürfte aber einer Änderung durch den Gesetzgeber.144

Da kein Privilegierungstatbestand eingreift, kann ein Geothermievorhaben im Außenbereich im Einzelfall zugelassen werden, wenn seine Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist, § 35 Abs. 2 BauGB. Der Nachteil gegenüber der Zulassung eines privilegierten Vorhabens liegt im Versagungsmaßstab: Während privilegierte Vorhaben nur untersagt werden können, wenn „öffentliche Belange entgegenstehen“, kann ein nicht privilegiertes Vorhaben bereits untersagt werden, wenn „öffentliche Belange beeinträchtigt“ sind.145 Sofern Geothermievorhaben im Außenbereich umgesetzt werden sollen und kein vorhabenbezogener Bebauungsplan vorliegt, bedarf es mithin einer Prüfung im Einzelfall und einer frühzeitigen Abstimmung und Diskussion mit der zuständigen Behörde. Im Hinblick auf Investmentsicherheit und Problemvermeidung empfiehlt es sich aber auch hier, einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan anzustreben.

140 141 142 143 144 145

StMI, Schreiben 2. Dezember 2012, Ziffer 2.3.1, S. 7. Battis/Krautzenberger/Löhr, BauGB, § 35, Rn. 5. Das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs: BVerwG, Urteil v. 3.11.1972 – IV C 9.70, BVerwGE 41, 138; Battis/Krautzenberger/Löhr, BauGB, § 35, Rn. 4 f. Battis/Krautzenberger/Löhr, BauGB, 11. Auf., § 35, Rn. 5. Altrock/Große/Lehnert, Hemmnisstudie S. 29; Große, ZUR 2009, 535, 540; Kumpf, REE 2011, 135, 137. Battis/Krautzenberger/Löhr, BauGB, § 35, Rn. 40.

56

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

3.1.2.4

Immissionsschutzrecht

Auch im Hinblick auf das Immissionsschutzrecht gilt, dass für immissionsschutzrechtlich relevante Sachverhalte im Zusammenhang mit dem Geothermieprojekt dem BBergG und der Betriebsplanzulassung keine Konzentrationswirkung zukommt.146 Die Belange des Immissionsschutzes müssen somit, sofern sie nicht bereits in Zulassungsvoraussetzungen des Betriebsplans nach BBergG ihren Niederschlag gefunden haben, mit den Mitteln des Immissionsschutzrechts zur Geltung gebracht werden.147 Für gemäß § 4 BImSchG genehmigungsbedürftige Anlagen findet dies im Zuge des Genehmigungsverfahrens nach dem BImSchG statt. Für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen finden die §§ 22 ff. BImSchG Anwendung.148 Gemäß § 4 Abs. 2 BImSchG bedürfen Anlagen des Bergwesens oder Teile dieser Anlagen nur der Genehmigung nach BImSchG, soweit sie über Tage errichtet und betrieben werden. Somit könnte die Gewinnungsanlage des Geothermieprojekts über Tage der Genehmigungspflicht des § 4 Abs. 1 BImSchG unterliegen. Jedoch setzt die Genehmigungsbedürftigkeit nach BImSchG weiterhin voraus, dass die Anlage im Anhang zur Vierten Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen – „4. BImSchV“) genannt wird, da die Verordnung betreffend die Genehmigungspflicht nach BImSchG konstitutiv wirkt.149 In diesem Anhang zur 4. BImSchV sind Geothermieanlagen, bzw. der über Tage befindliche Teil der Geothermieanlage nicht genannt. Damit liegt eine Genehmigungsbedürftigkeit der Geothermieanlage gemäß § 4 BImSchG nicht vor. Somit verbleiben für Geothermievorhaben die allgemeinen Regelungen der §§ 22ff. BImSchG, die auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen ebenfalls Anwendung finden.150 Hiernach hat der Anlagenbetreiber die nicht genehmigungsbedürftige Anlage so zu errichten und zu betreiben, dass151   

schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.

Bei den in § 22 Abs. 1 BImSchG aufgezählten Pflichten handelt es sich um die Grundpflichten für die Errichtung und den Betrieb, die unmittelbar gelten und durch den Geothermieanlagenbetreiber zu berücksichtigen sind.152 146 147 148 149 150 151 152

Boldt/Weller, Bundesberggesetz, § 55, Rn. 50. Boldt/Weller, Bundesberggesetz, § 55, Rn. 52. Boldt/Weller, Bundesberggesetz, § 55, Rn. 52. Jarass, BImSchG, § 4, Rn. 17. Zur Anwendbarkeit neben dem Betriebsplanverfahren siehe Piens/Schulte/Vitzthum, BBergGG, § 55, Rn. 156. Vgl. § 22 Abs. 1 BImSchG. Jarass, BImSchG, § 22, Rn. 12.

3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Tiefe Geothermie

57

Die Einzelheiten sind je nach technischer Ausführung und unter Berücksichtigung der ohnehin im Zuge des Betriebsplanverfahrens aufgestellten Anforderungen für jedes einzelne Geothermievorhaben zu prüfen.

3.1.3

Staatliche Förderung der Geothermie

Geothermie wird wie andere Formen der erneuerbaren Energien in Deutschland durch eine garantierte Einspeisevergütung unterstützt. In § 28 EEG ist die Vergütung für Strom aus Geothermie geregelt. Das Erlangen der EEG-Vergütung stellt einen erheblichen Mehrwert des Geothermieprojekts dar und ist deshalb für die Planungs-, Investitions- und Finanzierungsentscheidung von wesentlicher Bedeutung.

3.1.3.1

Die Einspeisevergütung gemäß EEG

§ 28 EEG als maßgebliche Regelung betreffend Geothermie im EEG153 lautet: „§ 28 Geothermie (1) Für Strom aus Geothermie beträgt die Vergütung 25,0 Cent pro Kilowattstunde. (2) Die Vergütung nach Absatz 1 erhöht sich für Strom, der auch durch Nutzung petrothermaler Techniken erzeugt wird, um 5,0 Cent pro Kilowattstunde.“ Ohne auf die Vorfassungen dieser Regelung in den früheren Fassungen des EEG eingehen zu wollen – schließlich soll hier keine Rechtshistorie betrieben, sondern die aktuelle Rechtslage erörtert werden – kann gesagt werden, dass es sich bei der aktuellen EEG-Regelung zur Geothermie um die kürzeste, einfachste und diejenige Regelung mit den höchsten Vergütungssätzen seit Einführung des EEG handelt. Hintergrund dessen ist ein Effekt, den wir z.B. bei Photovoltaikparks umgekehrt beobachten: Tiefe Geothermieanlagen zur Elektrizitätserzeugung sind weiterhin selten. Um dem politischen Wunsch Ausdruck zu verleihen, dass auch die Geothermie künftig einen maßgeblichen Anteil an der Energieversorgung aus erneuerbaren Energien beiträgt, ist daher der Anreiz durch eine höhere Vergütung stetig gesteigert worden. Gleichzeitig sind aus den gleichen Beweggründen Anforderungen des EEG, die die Erlangung der Einspeisevergütung bedingen und somit komplizieren, im Laufe der EEG-Fassungen der letzten Jahre reduziert worden. Wie lange diese politischen Anreize aber noch angehoben werden, bzw. wann die Politik die „Geduld mit der Geothermie verliert“ und deren weitere Förderung ggf. aufgibt, ist an dieser Stelle schwer vorherzusehen.154 In § 28 Abs. 1 EEG wird dem Anlagenbetreiber eine gesetzliche Mindestvergütung für den aus Geothermie erzeugten Strom garantiert.155 Entgegen früherer Gesetzesfassung sieht die 153

Stand: Erneuerbare-Energien-Gesetz vom 25. Oktober 2008, das durch Artikel 5 des Gesetzes vom 20. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2730) zuletzt geändert wurde. 154 Im Rahmen einer Veranstaltung zu Photovoltaikprojekten im Jahr 2011 hat eine Mitarbeiterin des Bundesumweltministeriums geäußert, dass die jetzige Fassung „der letzte Versuch“ sei, um den Geothermiemarkt in Gang zu bringen. 155 Altrock/Oschmann/Theobald- Große, EEG, § 28, Rn. 24; Reshöft – Bönning, § 28, Rn. 7; Frenz/Müggenborg – Franke, § 28, Rn. 11; Salje, EEG, § 28, Rn. 1.

58

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Regelung nunmehr keine Staffelung der Grundvergütung nach Anlagenleistung mehr vor. Die Grundvergütung beträgt 25 Eurocent pro Kilowattstunde und ist damit im Vergleich zu anderen erneuerbaren Stromerzeugungsformen hoch angesetzt.156

3.1.3.2

Vergütungsbonus für petrothermale Techniken – § 28 Abs. 2 EEG

Strom, der auch unter Nutzung petrothermaler Techniken157 produziert wird, erhält gemäß § 28 Abs. 2 EEG zusätzlich einen Bonus in Höhe von fünf Eurocent pro Kilowattstunde, folglich insgesamt 30 Eurocent pro Kilowattstunde. Begünstigt wird die gesamte geothermische Stromerzeugung einer Anlage, wenn die Erdwärme auch durch Anwendung petrothermaler Techniken genutzt wird.158 Eine, wenn auch überwiegend auf anderen Technikvarianten, wie z.B. der hydrothermalen Gewinnung, beruhendes Geothermieprojekt profitiert folglich auch von dem Bonus, wenn nur ein Teil der eingesetzten Wärmeenergie auf dem Wege eines petrothermalen Verfahrens gewonnen wird.159 Hierdurch soll das Ziel erreicht werden, die technisch noch anspruchsvollere Gewinnungsmethode auf jeden Fall zu fördern und insgesamt die Tiefengeothermie attraktiv zu machen.160 Es reicht jedoch nicht aus, dass Verfahren zur Verbesserung der hydraulischen Durchlässigkeit des Gesteins Anwendung finden, da diese auch bei ausschließlich hydrothermalen Gewinnungen angewendet werden.161 Teilweise wird in der Literatur die Frage gestellt, wie aufgrund gewisser technischer Ähnlichkeiten zwischen den petrothermalen und den hydrothermalen Techniken die Abgrenzung zwischen den bonusfähigen und den nicht bonusfähigen Nutzungen zweifelsfrei möglich ist.162 Der Netzbetreiber, der die Einspeisevergütung zahlen muss, kann den Nachweis des Einsatzes von petrothermalen Techniken durch Sachverständigen- oder Umweltgutachten fordern, um eine unabhängige Beurteilung der Bonusfähigkeit zu erreichen.163 Einen solchen Nachweis sollte auch derjenige fordern, der das Projekt prüft und zur Evaluierung ein Financial Model aufstellen muss. Maßgeblich für die korrekte wirtschaftliche Bewertung des Projekts ist die richtige Prognostizierbarkeit der Einspeiseerlöse. Letztlich handelt es sich dabei aber um eine sehr technische Fragestellung. Daher muss in der Praxis im Zuge der Due-Diligence-Prüfung des Projekts eine enge Abstimmung des prüfenden Juristen mit dem prüfenden technischen Berater stattfinden. Nur der technische Berater kann letztendlich beurteilen, ob petrothermale Techniken verwendet werden und ob daher § 28 Abs. 2 EEG erfüllt wird und die erhöhte Einspeisevergütung erreicht werden kann.

156 157 158 159 160 161 162 163

Salje, EEG, § 28, Rn. 2. Siehe dazu oben unter Ziffer 3.1.2. Frenz/Müggenborg – Franke, § 28, Rn. 21. Frenz/Müggenborg – Franke, § 28, Rn. 21. Frenz/Müggenborg – Franke, § 28, Rn. 21. Frenz/Müggenborg – Franke, § 28, Rn. 20. Große, ZUR 2009, 535, 542. Salje, EEG, § 28, Rn. 11.

3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Tiefe Geothermie

3.1.3.3

59

Degression der Vergütung

Die Förderung von Geothermieanlagen zur Stromerzeugung unterliegt gemäß § 20 Abs. 1 und 2 Ziff. 6 EEG einer degressiven Absenkung der Mindestvergütung (§ 28 Abs. 1 EEG) und des Bonuses (§ 28 Abs. 2 EEG) für Neuanlagen. Die Absenkung für Neuanlagen beträgt fünf Prozent auf die jeweilige Vergütung des Vorjahres164. Aufgrund des schleppenden Ausbaus der Geothermie und den dadurch noch nicht eingetretenen Massendegressionsvorteilen beginnt die Absenkung erst mit dem Jahr 2018.165

3.1.3.4

KfW-Finanzierung als Teil des Fremdkapitals

Für die Finanzierung von Erneuerbaren-Energien-Projekten spielt national die KfW166 eine wesentliche Rolle. Bei der KfW existieren derzeit drei Programme zur Finanzierung der Tiefengeothermie: Programme 272 und 282167 Mit diesen Programmen finanziert die KfW die Kosten der Errichtung von Anlagen zur ausschließlich thermischen Nutzung der Tiefengeothermie. Das Programm fördert die Errichtungskosten, die Bohrkosten und Mehrkosten aufgrund technischer Risiken. Die Zinsen sind durch staatliche Subventionen verbilligt, zudem können Tilgungszuschüsse erlangt werden. Die tilgungsfreie Zeit kann höchstens drei Jahre betragen. Finanziert werden bis zu 80 % der Nettoinvestitionskosten bis zu einen Höchstbetrag von EUR 10 Mio. Programm 228168 Die KfW finanziert unter diesem Programm bis zu 80 % der Bohr- und Simulationskosten und stellt den Bohrenden bei Nichtfündigkeit zu 100 % von den Kosten frei. Das Darlehen hat eine 10-jährige Laufzeit und max. zwei tilgungsfreie Anfangsjahre. Die maximale Förderungssumme pro Projekt beträgt EUR 16 Mio. Die Programme lassen sich auch kombinieren. Ob die Finanzierung durch ein KfW-Darlehen in Betracht kommt, sollte frühzeitig in der Projektplanung berücksichtigt werden. Eine wesentliche Voraussetzung der Inanspruchnahme der KfW-Finanzierungen ist jeweils, dass die Anträge hierzu vor der Investition in das Projekt gestellt werden. Es kann sich dabei um eine erhebliche Erleichterung auch im Hinblick auf die Beschaffung von Fremdkapital handeln. In diesem Zuge sollte auch von Anfang an die finanzierende Bank mit einbezogen werden, die in der Folge auch die Kommunikation im Verhältnis zur KfW übernehmen muss.

164 165 166 167 168

Sobald ein Projekt Anspruch auf die EEG-Vergütung hat, ist diese für 20 Jahre auch fest gesichert. Die Absenkung des Tarifes bezieht sich jeweils auf Neuanlagen, nicht aber auf bestehende Anlagen. Salje, EEG, § 28, Rn. 11. www.kfw.de. Die KfW ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts und in Frankfurt am Main ansässig. Siehe: http://www.kfw.de/managepdf?dcd=38727&vps=KfW&vpd=web3-kfw&xt=2&lgd=19485&p=pdf. Siehe: http://www.kfw.de/kfw/de/I/II/Download_Center/Foerderprogramme/versteckter_Ordner_fuer_PDF/6000001877_Steckbrief_228.pdf.

60

3.1.4

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Relevante Prüfungspunkte in der Due Diligence

Nachdem der rechtliche Rahmen nun gesteckt ist, ist es im Zuge der Planung und der DueDiligence-Prüfung von Geothermieprojekten eine deutliche Erleichterung, wenn man anhand einer Checkliste die wesentlichen rechtlichen Voraussetzungen prüfen kann. Diese Arbeitshilfe möchte ich dem Leser im Folgenden an die Hand geben: Tabelle 5:

Due-Diligence-Checkliste Geothermieprojekte

#

Prüfungspunkt

1.

Bergrecht

1.1.

Liegt eine Aufsuchungserlaubnis und/oder eine Gewinnungsbewilligung vor?

1.1.1.

Wenn nein:





Liegen Versagungsgründe (§§ 11, 12 BBergG) vor? Insbesondere:



1.1.1.1.

Kann das Vorhandensein ausreichender finanzieller Mittel für das Geothermieprojekt nachgewiesen werden?



1.1.1.2.

Schließen überwiegende öffentliche Interessen die Aufsuchung/Gewinnung aus? Gibt es Anhaltspunkte für entgegenstehende öffentliche Interessen?



1.1.2.

Wenn ja:

1.1.2.1.

Wurden bzw. werden den zeitlichen und inhaltlichen Anforderungen der Erlaubnis und/oder der Bewilligung Rechnung getragen?



1.1.2.2.

Ist ggf. eine Verlängerung der Erlaubnis/Bewilligung notwendig?



1.2.

Liegt ein zugelassener Betriebsplan vor?



1.2.1.

Welche Art von Betriebsplan ist notwendig?



1.2.1.1.

Hauptbetriebsplan (§ 52 Abs. 1 BBergG)



1.2.1.2.

Rahmenbetriebsplan (§ 52 Abs. 2 Nr. 1 BBergG)



1.2.1.3.

Sonderbetriebsplan (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 BBergG)



1.2.1.4.

Abschlussbetriebsplan (§ 53 Abs. 1 Satz 1 BBergG)



1.2.1.5.

Gemeinschaftlicher Betriebsplan (§ 52 Abs. 3 BBergG)



1.2.2.

UVP-Pflicht, § 1 Abs. 8 UVP-V Berg: (i) > 1.000 m Teufe und (ii) Belegenheit in Schutzgebiet?



1.2.3.

Wenn 1.2.2 (+): Rahmenbetriebsplan und Planfeststellungsverfahren



1.2.4.

Planfeststellungsverfahren?



1.2.4.1.

Spezifischen Regelungen der BBergG



1.2.4.2.

Ergänzend allgemeine Regelungen für Planfeststellungsverfahren (§§ 72 ff. VwVfG)



1.2.5.

Gegensätzliche öffentliche Interessen im Hinblick auf das Geothermievorhaben: siehe auch 2. bis 4.?

3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Tiefe Geothermie

61

2.

Wasserrecht

2.1.

Notwendigkeit einer Erlaubnis der Gewässerbenutzung



2.1.1.

Hydrothermale Systeme (§ 9 Abs. 1 Nr. 4, 5 WHG)



2.1.2.

Petrothermale Systeme ((§ 9 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Nr. 2 WHG, § 63 WHG)



2.2.

Zuständigkeit für die Erteilung der Erlaubnis?



2.2.1.

§ 19 Abs. 1, 2 WHG: Bergbehörde?



2.2.2.

Beteiligung der Wasserbehörde (§ 19 Abs. 3 WHG)



2.3.

Erlaubnis zur Gewässerbenutzung rechtskräftig erteilt?



3.

Baurecht

3.1.

Genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne der jeweiligen Landesbauordnung?

3.2.

Wenn ja:

3.2.1.

Prüfung der bauordnungs- (Bauordnungen der Länder) und



3.2.2.

Bauplanungsrechtlichen Vorschriften im Zuge der Genehmigungserteilung



3.3.

Wenn nein: Prüfung der bauplanungsrechtlichen Vorschriften im Zuge der Erteilung des Betriebsplanes.





3.4.

Bauplanungsrecht

3.4.1.

Bebauungsplan? Qualifizierter Bebauungsplan? Vorhabenbezogener Bebauungsplan?



3.4.2.

Einfacher Bebauungsplan oder kein Bebauungsplan:



3.4.2.1.

Innenbereich (§ 34 BauBG)?







3.4.2.2.

Einfügen des Geothermieprojekts in den Innenbereich?

Außenbereich (§ 35 BauGB)?







Kein privilegiertes Vorhaben. Zulassung im Einzelfall, wenn keine öffentlichen Belange beeinträchtigt sind?

4.

Immissionsschutzrecht

4.1.

Das Geothermievorhaben ist gemäß § 4 BImSchG in Verbindung mit der Anlage zur 4. BImSchV keine genehmigungspflichtige Anlage.



4.2.

Allgemeine Anforderungen (§§ 22 ff. BImSchG) beachtet? Insbesondere die Grundpflichten (§ 22 Abs. 1 BImSchG):



4.2.1.

Schädliche Umwelteinwirkungen können verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind.



4.2.2.

Nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen sind auf ein Mindestmaß beschränkt worden.



4.2.3.

Die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle können ordnungsgemäß beseitigt werden.



62

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

5.

EEG

5.1.

Vergütungshöhe (§ 28 EEG)



5.2.

Bonus für petrothermale Technik



5.2.1.

Wird die Erdwärme auch durch Anwendung petrothermaler Techniken genutzt?



5.2.2.

Liegt ein Sachverständigen- oder Umweltgutachten vor, das die Nutzung petrothermaler Techniken bestätigt?



5.3.

Ist die Degression der Einspeisevergütung ab dem Jahr 2018 im Financial Model berücksichtigt?



3.1.5

Rechtliche Hemmnisse für die Geothermie

DR. MARTIN ALTROCK, ANDREAS GROßE und DR. WIELAND LEHNERT haben im Jahr 2009 im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit („BMU“) eine gutachterliche Äußerung zu „Rechtshemmnissen für die Genehmigung tiefengeothermischer Anlagen“ verfasst (die „Hemmnisstudie“).169 In der Hemmnisstudie werden insbesondere die folgenden rechtlichen Hürden für Geothermieprojekte identifiziert:  

Die anspruchsvolle Genehmigungssituation gemäß BBergG, mit den verschiedenen Genehmigungserfordernissen für Aufsuchung und Gewinnung und darüber hinaus die Betriebsplanzulassungsverpflichtung;170 und der fehlende Anspruch auf Zugang zu Geodaten, welche die Arbeit der Projektentwickler erleichtern würden.171 Auf diesen Punkt wird in der Hemmnisstudie umfassend eingegangen und daher möchte ich vorliegend lediglich darauf verweisen.172 Es handelt sich dabei aber nicht um eine Frage des Regulierungsrahmens für Geothermie, sondern um den Zugang zu öffentlichen Daten. Auch deshalb soll dieser Punkt vorliegend nicht weiter erörtert werden.

Aus meiner Sicht ist das derzeit größte Hindernis für Tiefe Geothermie-Projekte nicht auf dem Gebiet des Rechts zu suchen. Vielmehr handelt es sich um ein wirtschaftliches Risiko, welches insbesondere im Fündigkeitsrisiko und der Gefahr des Totalverlusts des Investments verortet werden muss. Hier könnte etwa das oben beschriebene KfW-Finanzierungsprogramm 228 wirtschaftliche Risiken abfedern. Die Finanzierungsproblematik ist aber auch noch an einer anderen Stelle ein Hindernis für Geothermievorhaben. Wie bereits oben erwähnt, bedarf es bereits bei der Beantragung der Aufsuchungserlaubnis nach BBergG eines Nachweises, dass die Finanzierung gesichert ist. Die in diesem Zusammenhang auftretende Problematik, insbesondere bei fremdfinanzierten Projekten, habe ich bereits dargestellt.

169

Altrock/Große/Lehnert, Hemmnisstudie. Altrock/Große/Lehnert, Hemmnisstudie, S. 52 f. 171 Altrock/Große/Lehnert, Hemmnisstudie, S. 54. 172 Altrock/Große/Lehnert, Hemmnisstudie, S. 29 ff. 170

3.1 Das deutsche Regulierungssystem für Tiefe Geothermie

63

In rechtlicher Sicht ist das für die meisten Rechtsanwender doch eher „exotische“ Genehmigungsregime des Bergrechts mit seinen verschiedenen Erlaubnistatbeständen sicherlich auch ein nicht zu unterschätzender Faktor. Jedoch dürfte dieser bei großen, kapitalintensiven Tiefen Geothermie-Projekten nicht im Mittelpunkt stehen. Diese Projekte werden in der Regel von Fachleuten begleitet werden, welche die Materie erfassen und mit den rechtlichen Gegebenheiten umzugehen wissen. Wünschenswert wäre, wenn schon das komplexe Bergrecht Anwendung findet, dass eine Konzentrationswirkung insoweit geschaffen wird, dass sämtliche weiteren öffentlichen Belange im Bergrechtsverfahren durch die Bergbehörde berücksichtigt und abschließend beschieden werden.

3.1.6

Ausblick und Vorschläge an den Gesetzgeber

Alleine die wirtschaftliche Förderung durch den Gesetzgeber hat der Tiefen Geothermie in Deutschland bisher nicht zum Durchbruch verholfen. Die Vorstöße und Erhöhungen der Einspeisevergütung als Maßnahme des Gesetzgebers im EEG waren mit Blick auf die Ausbauraten der Tiefen Geothermie in Deutschland bisher nicht von Erfolg gekrönt. Wie bereits erörtert, könnte auf Seiten der Legislative weiterhin darüber nachgedacht werden, ob die Erlaubnisgewährung nach dem Bergrecht nicht zum einen gestrafft und auf weniger Verwaltungsakte beschränkt werden könnte. Zum anderen sollte dem Bergrecht und der Zulassung nach BBergG insoweit eine Konzentrationswirkung zukommen, die es dem an Tiefer Geothermie Interessierten erlaubt, sich rechtssicher nur auf das Verfahren nach BBergG zu konzentrieren. Als spezifischen Punkt im Genehmigungsverfahren nach BBergG möchte ich zudem herausgreifen, dass bereits bei dem Antrag zur Erteilung der Aufsuchungserlaubnis die Finanzierung des Geothermieprojekts nachgewiesen werden muss, § 11 Nr. 7 BBergG. Hier sollte eine Erleichterung gefunden werden, die den Zugang für fremdfinanzierte Geothermieprojekte erleichtert und so den Kreis der potentiellen Investoren erweitert.173 Sämtliche weiteren Hindernisse sind nicht rechtlicher Natur und daher nicht in der Sphäre der Legislative lösbar.

173

Vgl. zu der Problematik auch oben unter Ziffer 3.1.2.

64

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

3.2

Vertragspraxis Geothermie – rechtliche Aspekte REINER BRUMME

3.2.1

GU-Vertrag Kraftwerksbau Tiefe Geothermie – rechtliche Aspekte

3.2.1.1

Definition eines GU-Vertrages

Die Definition eines Generalunternehmer-Vertrages (GU-Vertrages) ist in der Rechtspraxis unklar und verschieden. Eine gesetzliche Regelung ist nicht vorhanden. Im GU-Vertrag übernimmt der Unternehmer die gesamte Bauausführung mit allen Gewerken und in unterschiedlichem Umfang Planungsleistungen. GU ist der Auftragnehmer (AN), der Bauleistungen aller Gewerbe für ein Bauvorhaben erbringt, in der Regel auch die Planungsleistungen ab Ausführungsplanung. Der GU-Vertrag ist im Prinzip eine Kopplung zwischen Planungsvertrag und pauschalem Bauvertrag, wobei je nach konkreter Vertragsgestaltung das Planungsrisiko voll oder teilweise vom GU übernommen wird. Dabei ist es notwendig, die geschuldete Leistung und Gegenleistung genauestens zu bezeichnen. Der Vertragsinhalt eines GU-Vertrages muss für Techniker, Betriebswirtschaftler und Jurist gleichermaßen verständlich sein. Die Vertragsgestaltung eines GU-Vertrages ist Kerngeschäft und sollte als Chefsache vom Geschäftsführer bzw. Vorstand geführt werden.

3.2.1.2

Vergabe bei Ausschreibungspflicht

Kernregel: Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) § 97 Abs. 3: „… Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. …“ Die GU-Vergabe war schon in alter Fassung GWB und VOB/A jeweils mit „sollen“ statt nunmehr ab 2009 gültigem „sind“ die absolute Ausnahme (VÜA Brandenburg, Beschluss 27.5.1997 – 1 VÜA 4/97, IBR 1998, 94). Allgemeine Begründungen wie zu besorgende „unangemessene Verzögerungen“ oder ein angeblich „unzumutbarer Koordinierungsaufwand“ genügen keinesfalls, sondern die Gründe für eine Gesamtvergabe müssen sich aus dem Gegenstand der ausgeschriebenen Leistung ergeben, nicht aus Gründen beim AG selbst wie etwa fehlendes Fachpersonal – VK Arnsberg, Beschluss vom 26.6.2009 – VK 14/09, IBR 2009, 735). Bei schweren Vergaberechtsverstößen droht ein Fördermittelverlust selbst dann, wenn dem öffentlichen Haushalt kein wirtschaftlicher Schaden entsteht (VG München, Urteil vom 21.2.2008 – M 10 K 06.4895, VG Aachen, Urteil vom 14.05.2013 – 3 K 244/11, IBR 2013, 557). Die enge Ausnahmeregelung des Verzichts auf losweise Vergabe dient allein der Berücksichtigung haushaltrechtlicher Aspekte, die ausschließlich im AG-Interesse liegen – der Bie-

3.2 Vertragspraxis Geothermie – rechtliche Aspekte

65

ter hat keinen Anspruch auf eine Gesamtvergabe (VK Brandenburg, Beschluss vom 13.8.2010 – VK 19/10; 3. VK Bund, Beschluss vom 29.9.2005 – VK 3 121/05). Mehrzahl von AN mit dadurch auch bestehender Mehrzahl von Gewährleistungsgegnern entspricht dem Wesen einer losweisen Vergabe und wird vom Gesetz hingenommen. Gleiches gilt für kostenaufwändigeres Vergabeverfahren bei losweiser Vergabe. Möglicher Ausnahmefall für GU-Vergabe: Großauftrag in zweistelliger Millionenhöhe mit hohen Anforderungen an Organisationsvermögen, bundesweite Verfügbarkeit von Spezialkräften und an die Liquidität und Kapitalkraft des Bieters – 2. VK Bund, Beschluss vom 10.7.2002 – VK 2 34/02, Weyand, ibr-online-Kommentar Vergaberecht 2010 Stand 17.8.2011, Pkt. 6.8.4. Rn. 356). Ein technisch anerkennungswürdiger Grund kann etwa eine bautechnische Kopplung benachbarter Baukörper sein, wobei die Plausibilität technischer Besonderheiten mit einheitlicher Betrachtung und Übereinstimmung der dargelegten Fakten mit dokumentierten geotechnischen und geologischen Gutachten und vorgelegten Bauwerksentwürfen anzusehen wäre (2. VK Bund, Beschluss vom 8.10.2003 – VK 2 – 78/03, Weyand, Online-Kommentar Vergaberecht 2010 Pkt. 6.8.5.3.4. Rn. 372). Vertretbare Gründe für eine GU-Vergabe sind anhand der konkreten Umstände mit einem Beurteilungsspielraum des Ausschreibenden zu bestimmen. Anspruch auf Losaufteilung besteht nicht bereits dann, wenn eine solche technisch möglich wäre – VK Nordbayern, Beschluss vom 9.7.2009 – 21. VK – 3194-15/09, IBR 2009, 665. 

  

Bei europaweiter Ausschreibung muss der AG bereits im Bekanntmachungsformular angeben, ob eine Aufteilung in Lose zulässig ist. Wird dies unrichtig verneint, müssen die Bewerber dies spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung rügen (GWB § 107 Abs. 3 Satz 2). Andernfalls ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig (vgl. Asam, Praxishinweis, IBR 2009, 665). Vorhaben werden zu mehr als 50 % durch öffentliche Mittel finanziert als Rechnung des AG, nicht nach tatsächlich bewilligter Höhe § 98 Nr. 5 GWB (OLG München, Beschluss 10.11.2010 – Verg 19/10, IBR 2011, 97) Ausschreibung im Zuwendungsbescheid als Auflage: Regelung schreibt bestimmtes Tun vor und ist damit nicht nur lediglich ein Hinweis (OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.10.2010 – 23 U 173/09, IBR 2011, 1166). GU-Vertrag eines Baukonzessionärs ist ausschreibungspflichtig gem. GWB § 98 Nr. 6 (OLG Düsseldorf, Beschluss 30.04.2008, – Verg 23/08, IBR 2008,407).

Welche Wirkung entsteht bei einer GU-Ausschreibung, falls eine Ausschreibungspflicht besteht? Ein benachteiligter Bieter darf unverzüglich bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist rügen – bei Nichtabhilfe kann er ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer und dem OLG mit dem Ziel anstreben, die GU-Ausschreibung aufzuheben. Eine losweise Ausschreibung kann wegen dann erstmals vorzunehmender Bildung von Teilund von Fachlosen sowie erneuter Ausschreibung mehrere Monate dauern. Es besteht das Risiko einer Projektgefährdung wegen Planungsmehrkosten, zeitlich befristeter Zuwendungen, die entfallen könnten und erhöhter Bereitstellungszinsen.

66

3.2.1.3

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Beurteilung eines GU-Vertrages

Aus Sicht des Auftraggebers lassen sich die Vorteile und die Nachteile eines GU-Vertrages wie folgt unterscheiden: Tabelle 6:

GU-Vertrag aus Sicht des Auftraggebers

Vorteile aus Sicht des Auftraggebers

Nachteile aus Sicht des Auftraggebers

Pauschalpreis bietet Kostensicherheit und Terminsicherheit

Der AG verliert die Planungshoheit und muss damit einen erheblichen Steuerungs- und Machtverlust hinnehmen (Unflexibilität) – möglicherweise empfindet er dies aber auch als eine Reduzierung seines Steuerungsaufwandes Der AG wird vom GU abhängig (u.a. erhebliche Auswirkungen einer etwaigen Insolvenz des GU)

Mängelansprüche können ohne ein Schnittstellenrisiko geltend gemacht werden (Lückenlose Gewährleistung) Der Steuerungsaufwand wird für den Auftraggeber wesentlich verringert.

Erheblicher Aufwand für Vertragsverhandlung und erstellung Notwendige abschließende Definition der Anforderungen an alle Gewerke führt zu spätem Ausführungsbeginn Alle späteren Änderungen wegen unrichtigem LV oder/und unklarer oder/und unvollständiger Realisierung sowie den Risiken der Mutter Erde verteuern Realisierung erheblich Für den Steuerungsaufwand und die Übernahme größerer Risiken wird ein Risikoaufschlag erhoben.

3.2.1.4

Arten GU-Vertrag

Folgende Arten eines GU-Vertrages können unterschieden werden: Tabelle 7:

Arten von GU-Verträgen Beschreibung

Detailpauschal-Vertrag

Globalpauschal-Vertrag

Mischform aus Detailpauschal- und Globalpauschal-Vertrag

Leistungen werden hinsichtlich Ausführungsart + Planung genau beschrieben – Massen (Einheiten) sind noch offen – pauschal ist also nur die Vergütung der einzelnen Einheiten Leistungen werden funktional beschrieben, GU ermittelt konkrete Leistung selbst. Falls Details enthalten sind, sind diese gegenüber funktionalem Leistungsziel vorrangig – BGH, BauR 1984, 395 ff. Mischung aus den beiden oben genannten Formen

Flexibler Vertrag

Gesamtleistung zu Gesamtpreis mit Vorbehalt, dass AG auf GUVorgaben an Nachunternehmer (NU) Einfluss nimmt (GMP-Vertrag)

Totalunternehmer (TU)

TU übernimmt alle Planungs- und Bauleistungen

Generalübernehmer (GÜ)

GÜ erbringt Leistungen nicht selbst, sondern durch von ihm gebundene Planer und Bauunternehmer als Nachunternehmer (NU), ggf. Nachweiskosten der NU plus … % oder plus … EUR als GÜZuschlag

3.2 Vertragspraxis Geothermie – rechtliche Aspekte

67

Welche Art von GU-Vertrag ausgewählt wird, hängt vom Projekt und den Bedürfnissen des Auftraggebers ab:   

 

Die frühere – vermeintliche – Festschreibung von Kosten und Terminen für Gesamtprojekt führt zu einer Bevorzugung von GU- und TU-Vergaben vornehmlich von Banken und institutionellen Investoren. Mehrfach-AG mit starker Bauabteilung können mit Gewerkepaketvergaben oder sogar Einzelvergaben arbeiten. Projekte mit besonderen Qualitätsanforderungen oder einem hohen Komplexitätsgrad (der Änderungen notwendig macht) erfordern eher eine Einzelgewerke-Vergabe. Standardisierte Projekte ohne wesentlichen Änderungsbedarf können besser von hierfür erfahrenen GU abgewickelt werden (Kuffer/Wirth, Handbuch des Fachanwalts Bau- und Architektenrecht, Werner Verlag München 2006, 923 ff.) Losvergabe ist flexibler, da erfahrener KW-Ingenieur den Thermalwasserkreislauf und ein erfahrener KW-Ingenieur den ORC-Kreislauf planen kann (Hobbhahn, Hartlieb – enpros Geothermie-Workshop 7.10.2011, unveröffentlicht). Zurzeit werden von privaten Auftraggebern Überlegungen angestellt, dem GU auch die Pumpe als Leistungsinhalt aufzugeben. Inwieweit das am Markt durchsetzbar sein wird, wird sich zeigen.

3.2.1.5

Wer schreibt den Vertrag?

Grundsatz: Wer schreibt, führt! Bei einer Ausschreibung sollte aus der AG-Sicht der Vertrag bereits Bestandteil der Ausschreibung sein. Achtung: Bei Ausschreibung muss auf das wirtschaftlich annehmbarste Angebot der Zuschlag erfolgen. Die Mitteilung des erfolgten Zuschlages bedeutet den Vertragsabschluss. Ohne Durchführung einer Ausschreibung hängt es von der Marktkenntnis des AG ab, ob er sich ein Angebot mit Vertragstext oder nur ein technisch-ökonomisches Angebot auf der Grundlage eines Leistungsbeschriebes/eines Leistungsverzeichnisses (LV) unterbreiten lässt. Falls der GU die Möglichkeit hat, sollte er einen Vertrag mit anbieten.

3.2.1.6

Einzelne Vertragsaspekte

Ein Vertrag liegt nur bei gegenseitiger übereinstimmender Willenserklärung vor. Ein Angebot ist noch kein Vertrag. Es existiert keine Formbedürftigkeit (BGH, Beschluss vom 14.07.2011 – VII ZR 215/10, IBR 2011,564). Die Annahme eines Angebotes mit Änderungen ist die Ablehnung des Angebotes verbunden mit einem Gegenangebot. Wenn das Gegenangebot zum Vertrag werden soll, muss es selbst wiederum angenommen werden. Erfolgt keine Einigung über die Gewährleistungsfrist und Ausführungstermine, kommt kein Vertrag zustande (OLG Koblenz, Urteil vom 17.12.2010 – 10 U 1370/09, IBR 2011, 563). Eventuell fehlende Baugenehmigung, fehlende Baufreigabe, fehlende wasserrechtliche Erlaubnis, fehlende bergrechtliche Bewilligung hindern den Abschluss des Vertrages nicht, nur dessen Erfüllung (wären „nur“ Baubehinderung). Ggf. bestandskräftige Genehmigungen/Erlaubnisse als Bedingung(en) formulieren.

68

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Sonderfall „Kaufmännisches Bestätigungsschreiben“: Nach mündlichen, auch telefonischen, Verhandlungen übermittelt eine am Inhalt dabei getroffener Vereinbarungen interessierte Partei der anderen ein Schreiben „ nehmen wir Ihr Angebot vom 27.08.2011 mit den am 06.09.2011 ab 19:02 Uhr zum Arbeitsessen im Burgkeller Nürnberg vereinbarten Änderungen ,Fluidtemperatur nunmehr 132–135 °C, Durchfluss nunmehr 125–134 l/s …Wasserchemismus nunmehr …‘ an.“ Solche Bestätigungen sind sofort vollständig auf Richtigkeit zu prüfen. Wenn auch nur ein Detail unrichtig ist, muss unverzüglich (1 bis 3 Arbeitstage) und nachweisbar hinsichtlich des Zugangs bei der anderen Vertragspartei widersprochen werden. Sonst gilt der Inhalt des Kaufmännischen Bestätigungsschreibens gem. § 346 HGB als Vertragsinhalt. Achtung: Versuche der Bezeugung der Führung und des Inhalts von Telefonaten sind regelmäßig zivilrechtlich nicht verwertbar und ziehen strafrechtliche Verfolgung wegen Verstoß gegen den Straftatbestand der Freiheit des gesprochenen Wortes nach sich (Ausnahme: Ausdrückliche Genehmigung zum „Raumhören“ mit konkret benannten anderen Teilnehmern).

3.2.1.7

Vertragsverhandlungen

Alle wichtigen Regelungen gehören schriftlich in den Vertrag – also nicht nur LV/Lastenheft, Preis und Terminplan/Fristenplan. Wer als potentieller GU bestimmte Parameter des LV nicht erfüllen kann, sollte das vor Vertragsabschluss offenlegen und bei reiner Verhandlung (also ohne Ausschreibung) eine Vertragslösung finden. Sonst besteht das Risiko unnötiger eigener Planungsausgaben, Schadenersatzforderung des potentiellen AG wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten für unnütze weitere Verhandlungen und Ertragsausfälle wegen Zeitverschiebung sowie späterer Vertragskündigung und Insolvenz des GU. Wer als AG vor Vertragsabschluss vom potentiellen GU die vollständige Offenlegung von Kalkulationsunterlagen verlangt, riskiert den Verhandlungsabbruch. Sowohl AG als auch GU sollten jeweils auf ihrer Seite vorher intern technische, technologische, preisliche, fristenseitige und vertragsseitige Eckwerte in jeweiliger Von-Bis-Spanne oder für bestimmte Werte als nicht verhandelbare Festinhalte bestimmen. Dabei sind Marktrelevanz und geringe Angebotspalette zu berücksichtigen.

3.2.1.8

Einzelne Vertragsinhalte des Globalpauschal-Vertrages

Im Folgenden wollen wir auf einzelne Aspekte des Globalpauschal-Vertrages hinweisen: 



z.B. Bieter muss für ihn als Fachunternehmer erkennbare (nicht nur: erkannte) Unrichtigkeiten/Unvollständigkeiten spätestens mit Angebotsabgabe konkret rügen. Auslegungsregelungen im Vertrag verschieben diesbezügliche Auseinandersetzungen nur auf spätere Zeit, lösen aber das Problem nicht. Wirrwarr von LV, „untersetzenden“ Spezifikationen und Zeichnungen vorher sauber in der Abfolge und Zuordnung klären, bevor Vertrag unterzeichnet wird. In der Praxis führen Verweise auf …, in denen wiederum andere Verweise auf … enthalten sind, regel-

3.2 Vertragspraxis Geothermie – rechtliche Aspekte













69

mäßig zu Missverständnissen, Ausfall eventuell gewollter Vertragsbestimmungen und in der Folge zu Vertragsauseinandersetzungen. Bei Vereinbarung „AG übernimmt keine Mehrkosten, die auf unvollständiger, fehleroder lückenhafter Leistungsbeschreibung beruhen“ keine Mehrvergütung für Mehrleistung wegen unrichtiger Mengenermittlung des vom AG beauftragten Planers – KG, Urteil vom 21.7.2011 – 27 U 11/11, IBR 2011, 566. Keine pauschalen Regelungen wie „Stand der Technik“ vereinbaren – das ist völlig unklar. (gibt Stand der Wissenschaft, Stand der Wissenschaft und Technik, Stand der Technik, anerkannten Stand der Technik, allgemein anerkannte Regeln der Technik). Klar regeln, was bei welchen konkreten DIN/EN und demgegenüber „Stand der Technik“ Vorrang haben soll. Normen wie DIN, EN, ISO, VDI/VDE Richtlinien bzw. Maschinenbaurichtlinie 2006/42/EG, funktionale Sicherheit DIN EN 61511 und deren Nachweis nach DIN EN 61508 sollten konkret dann Vertragsinhalt werden, wenn sie wichtig sind. Ohne vertragliche Regelung sind die zum Zeitpunkt der Abnahme gültigen (vorhersehbaren) Normen kraft Gesetzes Vertragsbestandteil – BGH, Urteil vom 14.5.1998 – VII ZR 184/97; KG IBR 2008, 509. Achtung: Klar regeln, wenn bewusst von konkret anzugebenden Normen im welchem Maße abgewichen werden soll. Dabei muss der vertragliche Leistungsumfang eindeutig definiert und von Leistungen des AG sowie Dritter abgegrenzt sein. GU sollte hier explizit seine Verantwortung, insbesondere die Prüfpflicht, für diese Leistungen des AG oder Dritter im Auftrag des AG ausschließen. „Bauseits“ zu stellende Teile wie Fundamentplatte oder Gebäudehülle klar definieren. Risiko: Trotz einzelner vom AG ausgeführter Leistungen schuldet GU ein funktionsfähiges Gesamtwerk – abgestellt wird auf funktionalen Mangelbegriff! BGH, Urteil vom 10.6.2010 – Xa ZR 3/07, IBR 2010, 556 mit Praxishinweis Illies. Deshalb keine TeilAbnahmen von Turbine, Lüfter o.ä. Ausnahme: Bei Unwirtschaftlichkeit funktionstauglicher Anlage keine Haftung des nicht mit Grundlagenermittlung beauftragten Fachingenieurs bei branchenerfahrenem AG – OLG Frankfurt, Urteil vom 14.07.2006 – 24 U 2/06, IBR 2008, 342. Es ist also ein Unterschied, ob branchenerfahrener Projekt-AG mit schon realisierten Anlagen oder branchenunerfahrene Stadtwerke GmbH mit erster und einziger Anlage vorliegen. Nach Prüfung ist eventuell klar zu regeln, dass konkret anzugebende Normen überhaupt nicht für das Vertragsverhältnis anwendbar sein sollen. Dem AG und seinem Planer sowie daneben auch dem GU obliegt es, Abweichungen des vorgegebenen LV bzw. Pflichtenheftes von Normen zu prüfen, zu klären und ggf. sauber vertraglich zu regeln – sonst Risiko Ausführungsstillstand wegen Baubehinderung aufgrund „unrichtiger“ Pläne oder Nichtzahlung vereinbarter Abschläge. Vereinbarung „Einhaltung aller gesetzlichen und sicherheitstechnischen Bestimmungen durch den AN“ gilt als zugesicherte Eigenschaft auch im Anlagenbau – BGH, Urteil vom 5.12.1995 – X ZR 14/93, IBR 1996, 491. Der Vertragspreis ist kraft Gesetzes zunächst erst nach Abnahme zu zahlen. GU ist also vorleistungspflichtig – vgl. § 641 Abs. 1 Satz 1 BGB. Im Anlagenbau sind allerdings auch die konkretisierenden gesetzlichen Regelungen von Abschlagszahlungen gem. § 632a BGB für in sich geschlossene Teile des Werkes für erbrachte vertragsgemäße Leistungen bei Übertragung des Eigentums an den Teilen des Werkes oder Leistung von Sicherheit hierfür umzusetzen. Da die gesetzliche Regelung diesbezüglich unklar ist, sind die Voraussetzungen für Abschlagszahlungen nach welchem Teil-Abschnitt mit welchem Bautenstandsnachweis wie viel Euro netto zu zahlen sind, deutlich zu regeln.

70













3 Rechtliche Rahmenbedingungen Dabei können schon Anzahlungen von 20 bis 30 % bei Vertragsabschluss ebenso vereinbart werden wie auflaufend 60 % Abschlagszahlung bei Anlieferung Turbine/Generator auf Baustelle. Zahlungsfristen für konkret zu vereinbarende Rechnungslegung mit Zugang bei wem (AG oder Bauüberwacher/Projektmanager) in wie viel Ausfertigungen mit welchen Bautenstandsnachweisen in welcher Form sind ebenso zu regeln wie Skonti oder die ausdrückliche Vereinbarung der Nichtgewährung von Skonti. Wegen Langfristigkeit zwischen Vertragsabschluss und Abnahme sollte konkrete Preisgleitklausel für konkret was auf welcher Grundlage mit welchem Stichtag und mit welcher Auswirkung auf Abschlagszahlung oder nicht vereinbart oder ausdrücklich ausgeschlossen werden. Zwischentermine nur vereinbaren, wenn sie z.B. wegen Kopplung an Abschlagszahlungen oder funktionelle/technische Zwischenprüfungen bestimmter Anlagengruppen notwendig sind. Nichterfüllung einer Zwischenfrist z.B. in Form der Nichtvorlage eines für die Funktionsfähigkeit der Anlage notwendigen Fundamentplanes durch den GU berechtigt AG zum Vertragsrücktritt und zur Rückforderung der geleisteten Anzahlung und geleisteten Abschlagszahlungen – BGH, Urteil vom 20.3.2001 – X ZR 180/98, IBR 2001, 354. Errichtung Kühlung, Aufbau Turbogenerator, Inbetriebnahme, Probebetrieb und Abnahme sollten in jedem Fall tagkonkret z.B. 10.4.2012, 10.8.2012 und 10.11.2012 sowie 10.12.2012 vereinbart werden. Keine unkonkreten Wünsche „schnellstmöglich“ bzw. „sofort“, „12 Monate ab Baubeginn“ o.ä. Risiken von Terminverzügen sind drastisch bis hin zur Insolvenzgefährdung des GU und auch des AG. Verzögerungen wegen Arbeitskämpfen, unüblichen Wetterbedingungen (50-Jahres-Hochwasser ist normal, Jahrhundert-Hochwasser kann nicht normal sein; normal harter Winter ist auch üblich) klar regeln. Verzugsvertragsstrafen klar regeln – maximal insgesamt 5 % der Netto-Vertrags-Summe bei 0,2 % je Arbeitstag verschuldeter Überziehung. Keine Kumulierung von Verzugsvertragsstrafen für Zwischenfrist mit denen der Endfrist für Abnahme. Darüber hinausgehenden Schadenersatzanspruch vorbehalten, der müsste dann ab 0,00 € und nicht erst ab 5 % der Netto-Vertrags-Summe voll nachgewiesen werden. Verzugsvertragsstrafe nicht nur auf Vertragspreis für denjenigen Teil der Anlage vereinbaren, der infolge der Verspätung nicht rechtzeitig genutzt werden kann – die VDMA-Bedingungen für Montagen im Inland, Ausgabe 2007 sind hier zu AN-freundlich, weil der VDMA ein Verband der AN ist. Der durch Anlagenstillstand verursachte Ausfallschaden ist vom Schadenersatzanspruch umfasst – BGH, Urteil vom 10.6.2010 – Xa ZR 3/07, IBR 2010, 616 mit Praxishinweis Illies. GU ist hier anzuraten, Schadenersatzanspruch wegen entgangenem Gewinn, Nutzungsausfall usw. konkret vertraglich auszuschließen. Inbetriebnahme sollte klar hinsichtlich Funktionslauf und Abschalten des Funktionslaufs mit Tests und Messungen in bestimmten Zeiten unter bestimmten Bedingungen vereinbart werden. Ggf. unter verschiedenen Leistungsparametern Massenstrom verschiedene Inbetriebnahme-Intervalle regeln. Beginn der Betreiberschulung gehört hierher. Für nach der Inbetriebnahme ist der Probebetrieb unter Voll-Last klar zu regeln. Vereinbaren, wer in dieser Zeit (AG-Personal) die Anlage fährt und wer unterstützt/berät (GU-Personal) in welchem Zeitraum zu welchen Zeiten. Wegen der Führung der Anlage ist die Verantwortung für den Probebetrieb bis hin zu Bewachung/Sicherheit klar zu regeln. Unterbrechungen, Verlängerungen und Wiederholungen und Ausfälle klar regeln – insbesondere welche wie lang andauernde einzelne Unterbrechung oder welche Mehrzahl von auch

3.2 Vertragspraxis Geothermie – rechtliche Aspekte

  





 



71

kurzzeitigen Unterbrechungen zur Wiederholung des Probebetriebes führen – Risiko liegt in der nach hinten geschobenen Abnahmezeit mit dann ggf. anzuwendenden Verzugsvertragsstrafenregeln. Betriebskosten konkret vereinbaren. Abnahme ist Erklärung des AG, dass das Werk insgesamt und voll vertragsgerecht hergestellt wurde – vgl. § 640 BGB. Klare Unterscheidung zum Probebetrieb regeln. Kosten hinsichtlich extra vorzunehmender behördlicher Abnahmen oder Sicherheitsabnahmen durch Dritte (TÜV) klar vereinbaren. Abnahmemessungen, ggf. vorherige Reinigung luftgekühlter Kondensator und Verfügbarkeitsnachweis Thermalwasser sowie Energie mit Zeitraum oder mehreren Zeiträumen regeln. Unwesentliche Mängel berechtigen nicht zur Abnahmeverweigerung. Fehlen einer geschuldeten vollständigen Dokumentation ist Grund zur Abnahmeverweigerung. Ist dem GU eine Nachholung dieser Verpflichtung nicht mehr möglich, kann er die Fälligkeit der Zahlungspflicht des AG nicht mehr herbeiführen. GU müsste geleistete Abschlagszahlungen an AG zurückzahlen und darf Herausgabe der Kraftwerksanlage verlangen. GU kann Fälligkeit der Vergütung über Abnahmepflicht ggf. herbeiführen, indem er die Anlage ausbaut und den Wiedereinbau dokumentiert. OLG Bamberg, Urteil vom 8.12.2010 – 3 U 93/09, IBR 2011, 575 mit Praxishinweis Ludgen. Wirkung einer Abnahme tritt ein, wenn AG nicht innerhalb einer vom GU bestimmten angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist (VDMA- Bedingungen für Montagen im Inland, Ausgabe 2007 sehen hier in Pkt. VI.2. zwei Wochen seit Anzeige des AN vor). Ist das Werk mangelhaft, muss AG entscheiden, ob er abnimmt oder die Abnahme verweigert. Nimmt er in Kenntnis von Mängeln ab, muss er sich seine Mängelrechte bei der Abnahme ausdrücklich vorbehalten – sonst Untergang von Mängelansprüchen außer Schadenersatz. Eine Verzugsvertragsstrafe muss bei Abnahme vorbehalten werden – sonst ist sie nicht mehr durchsetzbar. GU wünschen 1 Jahr für Kraftwerksanlage, bei Abschluss Wartungsvertrag evtl. 3 Jahre, bei Abschluss zusätzlich Betriebsführungsvertrag evtl. 5 Jahre und als Frist für Mängelansprüche 1 Jahr. (Die 1-Jahres-Regelung ist den VDMA-Bedingungen entlehnt, gilt aber selbst dort nur für Lieferung – ein GU-Vertrag ist jedoch keine Lieferung, sondern Bau). Risiko für GU: Maßgeblich ist sowohl bei Bau- als auch bei Planungsleistungen, ob diese für eine unbewegliche, mit dem Grundstück verbundene oder zu verbindende Sache oder ein für die Herstellung dieser Sache vorgesehenes Bauteil erbracht werden. Arbeitstanks einer Biodieselanlage wurden als Bauwerke eingestuft, wobei es gleichgültig war, ob die Arbeitstanks selbst als Bauwerk anzusehen seien, weil Arbeiten an einem Bauteil mit Arbeiten am Gesamtbauwerk gleichzustellen sind. Folge: 5 Jahre Mängelhaftung. BGH, IBR 2003, 473; OLG Düsseldorf, IBR 2001, 609; OLG Brandenburg, Urteil vom 7.6.2007 – 12 U 115/06, IBR 2007, 629 mit Praxishinweis Büchner. Gleiches bei nur eingebauter Steuerungsanlage für große Produktionsanlage: BGH, Urteil vom 20.5.2003 – X ZR 57/02, IBR 2003, 473. Also zwischen reinem Liefervertrag nach VDMABedingungen und GU-Vertrag unterscheiden. 10-jährige Frist für Mängelansprüche für – erdberührende Bauteile gegen Bodenfeuchtigkeit, nicht drückendes und drückendes Wasser, – Dichtigkeit des Dachs, sämtliche Fugenausbildungen und Fassade,

72

3 Rechtliche Rahmenbedingungen alle Planungsleistungen vereinbaren als Empfehlung an AG. Hinweis: Überwachung des GU und Objektdokumentation (LF 8 und 9 gem. HOAI) mit Externem vereinbaren, damit für dessen Leistungen tatsächlich 10 Jahre Mangelfrist ab GU-Abnahme gesichert wird. Garantien sind im Anlagenbau als Komplettheitsgarantien, Leistungsgarantien, Verbrauchswertgarantien, Emissions- oder Immissionsgarantien, Verfügbarkeitsgarantien, Laufzeitgarantien oder Standzeitgarantien branchenüblich. Garantien gehen über das Gesetz hinaus, weil sie verschuldensunabhängig sind. Verbot des § 639 BGB (vereinbarter Haftungsausschluss gilt nicht bei arglistigem Verschweigen eines Mangels oder Übernahme einer Garantie) beachten – dies betrifft alle Rechte wegen eines Mangels einschließlich gem. § 634 Nr. 4 BGB auch das Recht, wegen Mangels den Ersatz des Folgeschadens gem. § 280 BGB zu verlangen. Nachteilige Rechtsfolge vereinbarter Garantien kann nur durch Verzicht auf Garantien im Sinne des § 639 BGB erreicht werden, die durch detaillierte andere vertragliche Regelung zur Beschaffenheit einerseits und zu den Rechtsfolgen (Schadenersatz, Vertragsstrafen) andererseits zu ersetzen sind – Kniffka, ibr- online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 17.8.2011, § 639 Rn. 7. Vertragserfüllungssicherheit (maximal: 10 %, sicherer: 5 %) vereinbaren. Sicherheit für Mängelansprüche regeln (üblicher Weise 5 %). Achtung: Bei Vereinbarung VOB/B nach dortigem § 17 Nr. 8 Abs. 2 ist nicht verwendete Sicherheit nach Ablauf von 2 Jahren zurückzugeben – wenn anders z.B. für 5 Jahre gewollt ist, wäre das klar zu regeln. Bei Vereinbarung einer Erfüllungsbürgschaft und einer Mängelbürgschaft in AGB dürfen beide zusammen nur 6 bis 10 % der Brutto-Auftragssumme betragen – OLG Dresden, Beschluss vom 15.07.2008 – 12 U 781/08, IBR 2008, 577.



 



3.2.2

Tiefbohrvertrag

3.2.2.1

Einleitung

Die Tiefbohrungen sind innerhalb eines tiefengeothermischen Projektes die Leistungen mit den höchsten absoluten und auch anteiligen Kosten und den größten Risiken. Die Vertragsvorbereitung und Vertragsgestaltung sollte daher gründlich, sicher und für beide Vertragsparteien verständlich erfolgen. Die Ausführungen beziehen sich auf Tiefbohrleistungen für die Tiefe Geothermie im gesamten Spektrum des Teufenbereiches von größer 400 m, Teufen zwischen 1.200 bis 1.800 m in verschiedenen Bundesländern, übliche Teufen im Bereich 3.500 bis 4.000 m in Oberbayern und derzeit in der ausschreibungsrechtlichen und vertragsrechtlichen Vorbereitung befindliche HDR-Bohrungen im 5.000-m-Bereich bis derzeit zumindest in der geologischen Planung betrachtete Tiefbohrungen bis 7.000 m. Vom Vertragsverständnis her ist relevant, dass ein Teil der Tiefbohrfirmen aus dem Öl- und Gasgeschäft und ein Teil aus dem Wasser- und Brunnengeschäft stammen. Der nationale Markt für geothermische Tiefbohrungen und Dienstleistungen befindet sich noch in der Pilot-/Initialisierungsphase.

3.2 Vertragspraxis Geothermie – rechtliche Aspekte

3.2.2.2

73

Ausschreibung

Öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber mit öffentlicher Beteiligung werden aufgrund der Vertragsumfänge regelmäßig sowohl die Planungsleistungen als auch die Ausführungsleistungen des gesamten tiefengeothermischen Projektes in einem EU-weiten Verfahren öffentlich ausschreiben und vergeben müssen. Die Notwendigkeit der Durchführung von Vergabeverfahren ergibt sich zunächst daraus, dass die Schwellenwerte für Bauvergaben ab 22.03.2012 bei 5 Mio. € und für Liefer- und Dienstleistungsvergaben der Sektorenauftraggeber bei 400 T€ liegen. Für Bauaufträge einschließlich Tiefbohrung ist ein weiterer Schwellenwert für Lose von 1 M€ oder bei Losen unterhalb von 1 M€ deren addierter Wert ab 20 von Hundert des Gesamtwertes aller Lose zu beachten. In der Vorbereitung bleibt häufig unbeachtet, dass auch rein private Auftraggeber als Sektorenauftraggeber gem. § 98 Nr. 4 GWB Tiefbohrleistungen europaweit öffentlich ausschreiben und in einem transparenten, alle Bieter gleich behandelnden Verfahren vergeben müssen (Stolz/Kraus, Ausschreibungspflichten im Rahmen von Geothermie-Projekten, VergabeR 2008, 891 ff.; Stolz/Althaus, Geothermie-Projekte im Lichte des Vergaberechts, Versorgungswirtschaft 2008, 249 ff.; Brumme, Tiefbohrvertrag Geothermie, Geothermische Energie 2009, Heft 64, 10 ff.; a.A. Gassner/Neusüß, Ausschreibungspflichten für GeothermieProjekte nach der Sektorenverordnung, Geothermische Energie 2009, Heft 65, 10 f.). Auch Private als alleinige Projektträger gelten nach § 94 Nr. 4 GWB als öffentliche Auftraggeber (Sektorenauftraggeber), wenn diese auf dem Gebiet u.a. der Energieversorgung auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten tätig werden. Tiefengeothermische Anlagen sind regelmäßig Energieanlagen, die auf der Grundlage ausschließlicher Rechte des BBergG, daneben des WHG und wiederum daneben der verschiedenen Wassergesetze der Länder errichtet und betrieben werden. Bei (Mit-)Erzeugung von Wärmeenergie kommen regelmäßig besondere Rechte aus Abnahmeverträgen mit Kommunen bzw. kommunalen Stadtwerken hinzu. Die Bestimmungen der Sektorenrichtlinie der EU (SKR) sind damit direkt anzuwenden. Die am 28.9.2009 im Bundesgesetzblatt I Nr. 62 verkündete Sektorenverordnung (SektVO) der Bundesrepublik Deutschland vom 23.9.2009 sieht gemäß § 1 die öffentliche Ausschreibung im Bereich der Energieversorgung auch für Private vor. Damit sind auch von reinen Privaten die Bestimmungen der SKR in Form der Ausschreibung vorgesehener Bohrleistungen umzusetzen. Daneben sind aufgrund des Vertragsumfangs regelmäßig Serviceleistungen wie Rohreinbau, Zementation, Bohrlochmessung und Richtbohrung auszuführen. Die Ausnahme für Sektorentätigkeiten, die unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt sind, ist von der Kommission der Europäischen Gemeinschaft in einem förmlichen Verfahren auf Antrag des Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie oder von Auftraggebern (hier mit Stellungnahme des Bundeskartellamtes) festzustellen und anwendbar, wenn das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Bekanntmachung im Bundesanzeiger vorgenommen hat – § 3 Absätze 1 bis 4, 7 SektVO. Da der Markt geothermischer Tiefbohrungen derzeit erst in der Pilotphase befindlich ist, wird ein solcher Antrag zurzeit wenige Chancen haben.

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Die Erteilung von Aufträgen bzw. richtig der Vertragsabschluss ohne Durchführung des vergaberechtlich gebotenen Vergabeverfahrens (de-facto-Vergaben) führen zu mindestens schwebend unwirksamen Verträgen gemäß §§ 101a, 101b I Nr. 1 GWB. Die Unwirksamkeit tritt ein, wenn innerhalb der Frist von 30 Tagen ab Kenntnis des Verstoßes, spätestens jedoch vor Ablauf von 6 Monaten nach Vertragsschluss Rügen in einem Nachprüfungsverfahren bei der örtlich zuständigen behördlichen Vergabekammer und eventuell nachfolgend beim Vergabesenat des örtlich zuständigen Oberlandesgerichtes geltend gemacht werden. Sollte der Auftraggeber die Auftragsvergabe im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gemacht haben, endet die Frist für die Geltendmachung der Unwirksamkeit bereits 30 Tage nach Veröffentlichung der Bekanntmachung. Für die 15-Tage-Frist gem. GWB § 107 Abs. 3 Nr. 4 hinsichtlich Zulässigkeit eines vergaberechtlichen Nachprüfungsantrages nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, hat die Vergabekammer Sachsen mit Beschluss vom 11.12.2009 – 1/SVK/054-09, IBR 2010, 173 entschieden, dass nicht das Datum der Vorinformation, sondern das Datum der Bekanntmachung entscheidend ist. Die Vergabekammer Südbayern hat mit Beschluss vom 5.2.2010 – Z3-3-31941-66-12/09 (www.ibr-online.de) entschieden, dass die Regelung in § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB eine Rechtsbehelfsfrist darstellt. Auf diese Frist ist in der Vergabebekanntmachung hinzuweisen. Ohne Hinweis beginnt die 15-Tage-Frist nicht zu laufen und Wettbewerber sind an der Weiterverfolgung des gerügten Verfahrensverstoßes in einem Nachprüfungsverfahren ungeachtet der Überschreitung der 15-Tage-Frist nicht gehindert. Mit dem Beschluss des OLG Celle – 13 Verg 1/10 vom 04.03.2010 (www.ibr-online.de, Werkstattbeitrag vom 09.03.2010) liegt eine Entscheidung des Vergabesenats eines Oberlandesgerichtes (OLG) vor. Das OLG Celle hat die Auffassung in o.g. Beschlüssen der Vergabekammern Sachsen und Südbayern inhaltlich bestätigt (Beschluss II B.2.b, Seite 6 f.). Für Auftraggeber und auch für Auftragnehmer von Tiefbohrleistungen ohne Durchführung eines europaweiten öffentlichen Vergabeverfahrens besteht daneben das Risiko, dass potentielle oder reale Wettbewerber über entsprechende Information an die Kartellbehörde Informationen erteilen, um die Anwendung §§ 32 ff. GWB auf den Weg zu bringen. Dabei besteht für wettbewerbswidrig Handelnde auch das Risiko, dass die Kartellbehörde gem. § 32a GWB von Amts wegen oder auf Anregung des anzeigenden Wettbewerbers einstweilige Maßnahmen zur Verhinderung eines ernsten, nicht gutzumachenden Schadens für den Wettbewerb anordnet. Das kann beispielsweise die Untersagung eines Vertragsabschlusses ohne vorangegangene europaweite öffentliche Ausschreibung sein. Bei Handlungen mit vorhersehbaren Auswirkungen nur im Bereich eines Bundeslandes wäre die Kartellbehörde des betreffenden Bundeslandes und bei Handlungen mit möglichen Auswirkungen über den Bereich eines Bundeslandes hinaus z.B. bei bergrechtlichen Erlaubnissen für mehrere Felder in mehreren Bundesländern wäre die Kartellbehörde des Bundes zuständig. Die Branche der Tiefen Geothermie ist samt den handelnden Personen sehr überschaubar. Informationen gelangen schnell und häufig umfassend an andere interessierte Kreise. Das Risiko, von Benachteiligten mit einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren überzogen zu werden, ist groß. Bei einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren zunächst vor einer behördlichen Vergabekammer und dann vor dem zuständigen Oberlandesgericht besteht das große Risiko, dass die Investitionen nur zeitverschoben vorgenommen werden können. Gleiches trifft bei einem kartellrechtlichen Verfahren vor der Kartellbehörde eines Bundeslandes oder des Bundes zu. Dies kann allein wegen zwischenzeitlich auflaufen-

3.2 Vertragspraxis Geothermie – rechtliche Aspekte

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der Bereitstellungszinsen und daneben wegen eventuell schon auf dem Bohrplatz befindlicher Tiefbohranlage mit Kosten für die still stehende Tiefbohranlage zum stranded investment führen.

3.2.2.3

Vertragsarten

Im Bereich der Tiefen Geothermie sind hinsichtlich der Auftraggeber völlig andere und regelmäßig bergbaulich-geologisch unerfahrene Auftraggeber als im Bereich der Erdöl- und Erdgasindustrie mit seit über 70 Jahren im Prinzip fünf Auftraggebern und fünf Auftragnehmern vorhanden. Die sehr wenigen Auftraggeber und sehr wenigen Auftragnehmer in der deutschen Erdölund Erdgasindustrie haben sich auch aufgrund der jeweils beiderseits vorliegenden jahrzehntelangen fachspezifischen Branchenkenntnisse mit hunderten Tiefbohrungen hinsichtlich der Vertragsregelungen koordiniert und verwenden tatsächlich ein zuletzt im Zuge der BGBReform 2002, dann 2005 angepasstes deutschsprachiges Vertragsmuster mit der deutschen Rechtslage entsprechenden Begriffen und mit Anwendung deutschen Rechts. Behauptungen von Tiefbohrseite zur Üblichkeit englischsprachiger (IADC-)Contracts mit Anwendung des Common Law für Tiefbohrleistungen in Deutschland sind daher unrichtig. Bei bisherigen Projekten der Tiefen Geothermie in Deutschland mit bisher ca. 30 kommerziellen Tiefbohrungen sind sehr verschiedene Verträge vorliegend. Selbst die wenigen deutschen Tiefbohrfirmen verwenden für verschiedene Projekte verschiedene Verträge, die regelmäßig den Kenntnissen der potentiellen Auftraggeber, der erfolgreichen oder nicht erfolgreichen Durchführung vorangegangener Vergabeverfahren und den Erfahrungen der Tiefbohrfirmen selbst angepasst werden. Der Umfang der Tiefbohrverträge reicht von 2 Seiten bis hin zu 100 Seiten. Ins Angebot gelangten auch sogenannte Kraftwerksverträge mit 3 oder 10 Seiten Vertragsumfang, bei denen der Preis für ein komplettes tiefengeothermisches Kraftwerk einschließlich Planungsleistungen, Tiefbohrleistungen und Kraftwerk nach bestimmten MW-Leistungen grob skaliert war. Aus dem sehr verschiedenen Umfang ist schon vom Ansatz her klar, dass die Regelungsbreite und die Regelungsdichte bzw. -tiefe realer Verträge sehr verschieden ist. In der Erdöl- und Erdgasindustrie wird mit durchschnittlichen Fündigkeiten zwischen 17 bis 25 % gerechnet. Bei der Tiefen Geothermie soll jede erste Bohrung fündig werden – dies ist unrealistisch, weswegen sich weder ein geologischer Planer noch eine Tiefbohrfirma auf eine entsprechende Zusicherung einlässt. Die Vertragsgestaltung erfolgt in der Rechtspraxis selbst für vergleichbare Bedingungen bisher überwiegend auf der Grundlage von Vertragsmustern der Tiefbohrfirmen oder Servicefirmen und ist sehr verschieden. Zunächst muss einem potentiellen Auftraggeber vor einer Ausschreibung klar sein, ob   

nur die Tiefbohranlage über Mietvertrag (AG stellt Mannschaft, Operator und Service), die Tiefbohranlage mit Bohrmannschaft als Kombination von Mietvertrag und Dienstleistungsvertrag (AG stellt Operator und Service), die Tiefbohranlage mit Bohrmannschaft und mit verschiedenen Serviceleistungen wie Errichtung Bohrplatz und Bohranlage, Spülung/Feststoffkontrolle mit Entsorgung,

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   

3 Rechtliche Rahmenbedingungen Richtbohrung/Stabilizer, Rohreinbau und Centralizer, Zementation, Messung und Testung als Generalunternehmervertrag mit vorwiegend werkvertraglichen Zügen, die Tiefbohranlage mit Bohrmannschaft, verschiedenen Serviceleistungen und Projektmanagement/Operator in der Tendenz als Werkvertrag, die Erbringung bestimmter Tiefbohrleistungen als Werkvertrag (Turnkey Drilling Contract), die Erbringung bestimmter Planungsleistungen und bestimmter Tiefbohrleistungen als Generalübernehmervertrag (GÜ-Vertrag) oder die Errichtung einer schlüsselfertigen dauerbetriebsbereiten Kraftwerksanlage einschließlich aller Planungen, Tiefbohrleistungen und der Kraftwerkserrichtung (Anlagenbauver trag, Turnkey Contract)

geregelt werden soll. Auftraggeber sollten sich vor der Ausschreibung nachweisbar von ihren Planern hinsichtlich der Vorteile und Nachteile der Vertragsarten aufklären lassen. Auftraggeber haben z.B. zu berücksichtigen, dass sie bei Nichtvorgabe konkreter Bohrplanungen und Nichteinsatz eines eigenen Bohroperators zur Anleitung und Kontrolle des Tiefbohrunternehmens die Tätigkeit für die Tiefbohrung praktisch z.B. hinsichtlich Umdrehungszahl, Anpressdruck und Spülungseinsatz und daraus folgend wieder den Bohrfortschritt dem Tiefbohrunternehmen überlassen. Da in den derzeit üblichen geothermischen Tiefbohrungen häufig mit Stundensätzen oder Tagessätzen gearbeitet wird, sollten auch die ökonomischen Folgen dieser Art der Vertragsgestaltung vorher klar sein. Abhängig vom gewählten Modell des Tiefbohrvertrages sind ggf. daneben weitere Verträge für Service-Leistungen wie Spülung, Richtbohrung, Zementation einzeln oder im Paket (Master Service Contract – MSC bzw. Master Service Agreement – MSA) abzuschließen. Bei der Auswahl der Vertragsarten sind länderspezifische Regelungen zur Mittelstandsförderung und damit zu Losen geringerer Umfänge zu beachten. Bei insgesamt für alle Branchen weltweit im Einsatz befindlichen etwa 2996 Tiefbohranlagen, davon 1949 Tiefbohranlagen in Nordamerika, 86 in Europa, davon ca. 12 in Deutschland und den im Vergleich dazu in der Tiefen Geothermie in Deutschland ungefähr eine Handvoll zeitweise eingesetzter Anlagen hält sich das Interesse von Tiefbohrfirmen für vertragliche Sonderregelungen in der Tiefen Geothermie in engen Grenzen. Letzten Endes ist jedoch alles eine Frage der jeweils aktuellen Marktlage und der über die Planer gesteuerten und mit anwaltlicher Unterstützung gefertigten Ausschreibungsbedingungen einschließlich Vertragsvorgabe unter Berücksichtigung dieser Marktlage. Durch die Einbindung polnischer, isländischer, russischer oder tschechischer Tiefbohrfirmen zumindest in die Angebotsphase und teilweise schon mehrfach in Form realisierter Tiefbohrungen ist eine Entspannung der Marktsituation vorhersehbar. Bei tatsächlicher Umsetzung der Pflicht zur europaweiten öffentlichen Ausschreibung von Tiefbohrleistungen auch durch rein Private als Sektorenauftraggeber ist die künftige Herstellung einer tatsächlichen Wettbewerbssituation mit günstigerer Ausgangslage für Auftraggeber zu erwarten. Kenntnisse der aktuellen Marktlage müssen bei den Planern vorhanden sein, da sonst zum Teil mehrfach ergebnislose Ausschreibungen z.B. wegen viel zu kurzer Zeit zwischen Aus-

3.2 Vertragspraxis Geothermie – rechtliche Aspekte

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schreibung und vorgesehenem Leistungsbeginn hinsichtlich der Mehrkosten sowohl der mehrfachen Ausschreibung als auch der Kosten für Finanzmittelbereitstellung oder nicht erzielbarer günstigerer Vergütung für die Kraftwerksleistung gegenüber Abnehmern zu Lasten der vertragsrechtlich haftenden Planer gehen würden. Die Planer werden in Abhängigkeit von der sicheren Bekanntheit der zu erwartenden geologischen, hydrologischen und bohrtechnischen Bedingungen prüfen, welche Vertragsmodellierung dem Auftraggeber zu empfehlen ist und inwieweit sich diese in der aktuellen Marktlage durchsetzen lässt. Im Teufenbereich bis ca. 1.500/2.000 m Endteufe und bekannten geologischen Verhältnissen sowie bohrtechnischen Risiken werden Verträge mit Zahlung nach Bohrmetern (Footage Drilling Contract oder Footage Contract) angeboten und abgeschlossen. Hier schuldet der Tiefbohrunternehmer direkt den werkvertraglichen Erfolg der Herstellung der Bohrung in den vorgegebenen Parametern und der vorgegebenen Zeit im vorgegebenen Kostenlimit. Die Erreichung von Fündigkeitskriterien wie Temperatur und Schüttungsmengen überhaupt und daneben für langjährige Betriebszeiten sollten vertraglich als Risiko des Auftraggebers geregelt werden. Selbst im Teufenbereich von 1.700 m und bekannten geologischen Verhältnissen erfolgte wegen aufgetretenen Problemen tatsächlich durch Vertragsänderung mittels Nachtrag der Übergang von einem GU-Vertrag mit pauschalem Festpreis hin auf die Abrechnung nachgewiesener Kosten der Subunternehmer mit ausgewiesenem konkretem Betrag als GU-Zuschlag. Sollten im Teufenbereich bis ca. 2.000 m Endteufe die geologischen Verhältnisse oder/und bohrtechnischen Risiken nicht konkret vorhersehbar sein, kann für den Teil-Teufenbereich mit bekannten geologischen und bohrtechnischen Verhältnissen die Kombination eines Vertrages mit Zahlung nach Bohrmetern und ab dem anderen dann geologisch/bohrtechnisch weniger oder gar nicht bekannten Teil-Teufenbereich Zahlung nach Tagessatz oder Stundensatz erfolgen. Dabei werden bis zur Zwischenteufe bekannter Verhältnisse der werkvertragliche Erfolg und danach bis zur Endteufe die Tätigkeit in Nutzung und Berücksichtigung allgemein anerkannter Regeln der Technik bei vertraglichem Ausschluss einer Erfolgshaftung geschuldet. Bei Tiefbohrungen mit Endteufen von größer als 2.000 m gelangen regelmäßig Verträge zur Anwendung, bei denen das Tiefbohrunternehmen die Tätigkeit nach allgemein anerkannten Regeln der Technik auf Stundensatzbasis oder Tagessatzbasis (Daywork Contract bzw. Day Rate Contract) zu realisieren hat, ein werkvertraglicher Erfolg jedoch ausdrücklich ausgeschlossen und in das Risiko des Auftraggebers verlagert wird. Auch hier ist eine vertraglich abgestufte Kombination mit Zahlung nach Bohrmetern für den TeilTeufenbereich mit bekannten geologischen und bohrtechnischen Verhältnissen und mit Zahlung nach Tagessatz/Stundensatz ab dem geologisch/bohrtechnisch wenig oder nicht sicher bekanntem Teil-Teufenbereich wie „ab Top Malm“ machbar und wird teilweise so realisiert.

3.2.2.4

Vertragsinhalte

Die Vereinbarung eines Vertragsgegenstandes „zur Gewinnung geothermisch verwertbaren (!) Wassers“ gibt einen werkvertraglich geschuldeten Erfolg vor, der von der so anbietenden Tiefbohrfirma mit dieser dem Grunde nach bestehenden Haftung für einen werkvertraglichen Erfolg nicht gedacht sein dürfte. Die Konkretheit dieses werkvertraglichen Erfolges ist bei einer solchen Formulierung allerdings wahrscheinlich strittig.

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Die Erstellung und Erlangung der verschiedenen Betriebspläne für die Tiefbohrung einschließlich deren Kosten wird verschieden je nach Vertragsmodell entweder dem Auftraggeber oder dem Auftragnehmer übertragen. Häufig fehlen Regelungen zur vollständigen Vorlage sämtlicher notwendiger bestandskräftiger behördlicher Erlaubnisse, Bewilligungen oder/und Genehmigungen bergrechtlicher, wasserrechtlicher, baurechtlicher, immissionsschutzrechtlicher, strahlenschutzrechtlicher, abfallrechtlicher oder/und störfallrechtlicher Art für alle vertraglich vereinbarten Tiefbohrungen. Ohne vollständige Vorlage darf der Tiefbohrer jedoch seine Leistung nicht einmal beginnen – der Auftraggeber ist hier in Verzug zu setzen und eine Baubehinderung mit Mehrkosten ist nachweisbar zu erklären bzw. anzukündigen. In den Ausschreibungsunterlagen bzw. im Vertrag ist klar zu regeln, wer und ggf. bis zu welcher Höhe die Kosten für die Erfüllung welcher behördlicher Auflagen und Bedingungen trägt. Dabei ist zu beachten, dass der Auftraggeber nicht ungewöhnliche Wagnisse dem Tiefbohrunternehmen zuordnen sollte – eine klare Regelung ggf. mit Risikoteilung und ökonomischen Risikogrenzen ist sinnvoller als ein riskanter Streit in der Realisierungsphase. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, wonach riskante Leistungen auch im Rahmen einer öffentlichen Vergabe nicht übernommen werden können. Weist ein Bodengutachten auf konkrete Risiken hin, darf der Bieter den Nichteintritt dieses Risikos nicht als sicher unterstellen und dies seinem Angebot zugrunde legen (OLG Koblenz, Urteil vom 17.4.2002 – 1 U 829/99; BGH, Beschluss vom 27.2.2003 – VII ZR 188/02 – IBR 2003, 181). Es kommt hinzu, dass auch die Anbieter von Tiefbohrleistungen für ihre Bohranlagen oder für ihr Bohrgerüst je nach landesverschiedener bergrechtlicher Tiefbohrverordnung § 12 BVOT Prüfzeugnisse in verschiedener Qualität, zum Teil nur von durch die jeweilige Bergbehörde zugelassenen Sachverständigen, vorliegen haben müssen. Ohne diese spezielle bergaufsichtliche Prüfung darf der Bohrunternehmer seine Anlage nicht einsetzen. Der Zeitfaktor für die Sicherheit zur Erlangung dieses Prüfzeugnisses ist vor Angebotsabgabe vom Tiefbohrunternehmen zu berücksichtigen. Des Weiteren sei auf folgende Detail-Regelungen hingewiesen:    



Je nach Kenntnis der einschlägigen landesrechtlichen Regelung sollten die Planer die Ausschreibungsunterlagen entsprechend konkret fassen. Vorauszahlungen bis zur Höhe von 40 % des voraussichtlichen Vertragspreises unmittelbar nach Vertragsabschluss sind möglicher Vertragsinhalt. Zwischenzahlungen bzw. Abschlagszahlungen werden entweder nach monatlicher Leistungszeit oder nach Erreichen bestimmter Bohrteufen mit Zementation Rohrtour vereinbart. Kleinste Abrechnungseinheit für übliche Tiefbohrverträge auf Stundensatzbasis sind 0,5 Stunden. Die Stundensätze werden regelmäßig nach Betriebsstunden, Wartestunden und Wachestunden sowie Stillstandstunden und Regiestunden mit abgestuften Beträgen geregelt. Für Richtbohrungen können zusätzliche Regelungen mit erhöhten Vergütungen abhängig vom Neigungswinkel der Richtbohrung vorgesehen sein – andere Vertragsregelungen können konkret anzugebende Richtbohrungen auch pauschal im Bohrmeterpreis oder im Stundensatzpreis inkludieren.

3.2 Vertragspraxis Geothermie – rechtliche Aspekte 



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Schüttelsiebbeläge werden regelmäßig extra vergütet. Abnormaler Verschleiß, Untersuchungskosten, Untertage eintretende Verluste und Beschädigungen an BohrcontractorWerkzeugen und -Geräten müssen definiert werden und werden verschieden hinsichtlich der Kostenfolgen geregelt. Hinsichtlich der Vertragsgestaltung ist zu beachten, dass die verschiedenen Regelungen zur Übernahme von Haftungsrisiken und Kostenfolgen zu sehr verschiedenen Preisen führen. Spätestens bei dieser Betrachtung haben die Auftraggeber vor Herausgabe der Ausschreibungsunterlagen zu prüfen und zu entscheiden, ob und ggf. inwieweit sie Nebenangebote zulassen wollen oder nicht. In Abhängigkeit von der Vorhersehbarkeit der Bedingungen und Bohrrisiken werden Leistungszeiten und teilweise auch Boni für Unterschreitung der Leistungszeiten vereinbart oder nicht. Projektmanagementvergütungen bei Erbringung von Projektmanagementleistungen in Form der Koordinierung und Überwachung von bohrseitigen Serviceleistungen dritter Firmen durch die Tiefbohrfirma erfolgen als Prozentsatz der Drittunternehmerleistungen, pauschal oder nach Stundensätzen. – Die Prozentsätze sind nach Auffassung des Verfassers wegen der über Vertragsrecht bestehenden Erfolgshaftung und dadurch resultierenden Notwendigkeit von Risikozuschlägen eher zu niedrig. Den Projektmanagern hier nur für das Management der Tiefbohrung (also nicht des tiefen-geothermischen Projektes insgesamt) ist häufig unbekannt, dass sie bei üblicher Vertragsgestaltung z.B. nach dem AHO/DVP-Standardleistungsmodell oder dem Mustervertrag BBR für den werkvertraglichen Erfolg haften – vgl. BGH-Urteil vom 25.1.2007 – VII ZR 112/06, IBR 2007, 207; BauR 2007, 724. Zur Verdeutlichung wird für potentielle Auftraggeber in Vorbereitung eines tiefengeothermischen Projektes darauf hingewiesen, dass bei der Gesamtbetrachtung eines tiefengeothermischen Projektes häufig auch Projektmanager für das gesamte Vorhaben gebunden werden – diese haben weitergehende und andere Aufgaben als die Projektmanager nur für die Tiefbohrung. In Abhängigkeit von der sicheren Vorhersehbarkeit der geologischen, hydrologischen und bohrtechnischen Bedingungen und daneben abhängig von der Fachkenntnis der Auftraggeber sind Bohraufschlagpunkte als räumlich definiertes Ziel der Bohrung enthalten oder nicht. Teilweise werden für den Bereich von Richtbohrstrecken vertragliche Näherungsregelungen für den Bohrlochverlauf vorgenommen. Die Fündigkeit überhaupt und daneben mit bestimmten Schüttungsmengen und Temperaturen sowohl im Rahmen eines Langzeitpumptestes als auch daneben über bestimmte langjährige Betriebszeiten ist vertraglich als Risiko dem Auftraggeber zuzuordnen – die bisherigen Tiefbohrverträge sind hier teilweise unklar oder lassen das Risiko ungeregelt. Die Reinigung des Bohrlochs und die Vermeidung des Vorhandenseins von Spülung zum Zeitpunkt der Langzeitpumptests sollte geprüft und ggf. beachtet werden. Gleiches trifft für den Zeitpunkt der Langzeitpumptests nach Beendigung der eigentlichen Bohrung zu, da allein wegen der Durchführung der Bohrung im Gebirge um den Bohrstrang herum andere Verhältnisse als natürlich vorhanden und auch als in der späteren Betreiberphase vorhanden sein werden. In einzelnen Angeboten für sogenannte schlüsselfertige Kraftwerke enthaltene Bestimmungen für Leistungsregelungen wie „8409 Betriebsstunden über die ersten 5 Jahre“ sind nicht durchdacht, da die gemeinte Betriebsstundenzahl sich auf jedes einzelne Jahr

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen oder davon verschieden auf den Durchschnitt jedes einzelnen Jahres im Zeitraum von 5 Jahren beziehen müsste. Vertragliche Regelungen mit AGB darstellenden Auftragnehmervorgaben zur Qualitätsbestimmung in Form von Verweis auf „good oilfield practice“ sind mindestens unklar und damit unwirksam im Sinne von § 305c Abs. 2 BGB, da die bergbaulich-geologisch unerfahrene Auftraggeberseite davon schlichtweg nichts weiß. Im Übrigen dürfte hier unklar sein, welche Praktiken konkret gemeint sind – selbst im koordinierten Vertragsmuster der deutschen Öl- und Gasindustrie gibt es eine solche Regelung nicht. Bei der Vertragsgestaltung ist zu beachten, dass bei den Verträgen im Öl- und Gasgeschäft regelmäßig detaillierte Vorgaben der Planung, der Bohrstrangkonstruktion und des Bohrlochverlaufes bis hin zum Einsatz bestimmter Spülungsmittel und Zementationsmittel vom Auftraggeber und dem von diesem eingesetzten Bohroperator kommen. Bei den geothermischen Tiefbohrungen wird demgegenüber regelmäßig geregelt, dass die Tiefbohrfirma als Auftragnehmerin selbst die Umsetzung des Arbeitsprogramms mit der Wahl der Bohrparameter, der Bohrstrangzusammenstellung und Bohrmeißelauswahl vornimmt und hier frei von jeglichen Vorgaben der Auftraggeberseite bleibt. Daraus folgend sind wegen der unterschiedlichen Vertragsgestaltung auch verschiedene Haftungsfolgen vorliegend – ein Verweis auf Praktiken im Öl- und Gasgeschäft ist bei Außerachtlassung der verschiedenen Vertragsgestaltung unrichtig. Auch hier erfolgt nochmals der Hinweis, dass die deutschen Öl- und Gasfirmen mit den Tiefbohrfirmen deutschsprachige Verträge auf der Grundlage des deutschen Rechts vereinbaren. Abhängig von der Vorhersehbarkeit bestimmter Risiken werden Abnahmen für Einzelabschnitte mit Übernahme der Bohrung nach Beendigung der einzelnen Abschnitte durch den Auftraggeber oder Abnahmen für die Gesamtbohrung geregelt. Werden aufgrund der Nichterreichbarkeit der Bohrziele durch geologische Bedingungen oder bohrtechnische Hindernisse die Vertragsleistungen vorher beendet, sehen die Regelungen entweder die Zahlung nur für bis dahin erbrachte Leistungen oder zusätzlich mit einem pauschalen Gewinnausfall vor. Die Haftung für Schäden an der Bohrung und das Gebirgsrisiko werden regelmäßig dem Auftraggeber übertragen, wobei der Auftragnehmer für Schäden an der Bohrung nur ausnahmsweise bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit haftet. Regelungen für Schäden an den Lagerstätten, für Blow out und Cratering sind vorzunehmen, da sie bisher regelmäßig fehlen. Gleiches trifft für Schäden an den übertägigen Bohranlagenteilen zu. Das Risiko für Schäden oder den Verlust an den in der Bohrung befindlichen Teilen der Anlage und Werkzeuge trägt je nach Vertragsgestaltung der Auftragnehmer oder der Auftraggeber. Regelungen zur Darlegungs- und Beweislast für bestimmte Sachverhalte sind bisher ungenügend vorhanden. Teilweise wird geregelt, dass bei Verunglückung der Bohrung aus vom Auftragnehmer zu vertretenden Gründen der Auftraggeber vom Auftragnehmer das kostenlose Niederbringen einer Ersatzbohrung verlangen darf. Regelungen für die Definition einer verunglückten Bohrung werden teilweise vorgenommen. Verzugsvertragsstrafen werden nicht geregelt, da überwiegend konkrete Leistungszeiten nicht geregelt werden und allgemeine Zeitziele unter Ausschluss der Haftung und Garantie genannt sind.

3.2 Vertragspraxis Geothermie – rechtliche Aspekte   

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Auftraggebern ist zu empfehlen, den Bohrbeginn unter Verzugsvertragsstrafe zu stellen, da derzeit erkennbar die Notwendigkeit dafür besteht. Die teilweise in von Tiefbohrfirmen angebotenen Verträgen vorhandene Regelung von 2 Jahren für Mängelansprüche dürfte AGB-rechtlich unwirksam sein, da sie drastisch gegen das gesetzliche Leitbild von 5 Jahren verstößt. Nur im Einzelfall wurde die Anwendung der VOB/B überhaupt als Vertragsbestandteil, dabei jedoch nur nachgeordnet an 5. Stelle aufgenommen – wegen der Vorrangigkeit der anderen vier Regelungen, darunter dem Vertragstext selbst, ist die Anwendung der VOB/B derzeit praktisch nur sehr begrenzt bzw. gar nicht vorhanden. In Tiefbohrverträgen ist teilweise direkt der Ausschluss der VOB bzw. richtig der VOB/B geregelt. Die Aufnahme der Regelung der VOB/B überhaupt in einen Tiefbohrvertrag dürfte problematisch sein, da der Ansatz grundverschieden ist. In den branchenüblichen Tiefbohrverträgen der deutschen Erdöl- und Gasindustrie ist ein Bezug auf die VOB/B auch nicht vorhanden. Die internationalen Verträge sind vom Ansatz her auf einen anderen Rechtsraum ausgerichtet. Vom Auftragnehmer zu stellende Sicherheiten für die Vertragserfüllung durch den Auftragnehmer werden regelmäßig nicht vereinbart. Die tatsächliche Vereinbarung einer Vertragserfüllungssicherheit würde die Auftraggeber stärken und ist den Auftraggebern daher schon zur Aufnahme in die Ausschreibungsunterlagen für eine Vergabe zu empfehlen. Vom Auftraggeber gem. § 648a BGB zu stellende Sicherheiten werden in Verträgen nicht mit Detailregelungen untersetzt, können in Verträgen jedoch auch nicht wirksam ausgeschlossen werden – Auftraggeber müssen daher auch nach Vertragsabschluss mit dem Verlangen des Auftragnehmers zum Stellen einer Sicherheit durch den Auftraggeber bis zur vollen voraussichtlichen Vertragssumme plus 10 % rechnen. Die Kosten dieser Sicherheit trägt dann der Auftragnehmer. Juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind von der Stellung dieser Sicherheit gem. § 648a VI BGB befreit. Von öffentlichen Auftraggebern gegründete private Bau-GmbHs oder StadtwerkeGmbHs bzw. hier in der Branche regelmäßig Geothermie GmbH & Co. KGs sind nicht von der Stellung der Sicherheit gem. § 648a BGB befreit, da sie eben juristische Personen des Privatrechts sind. Versicherungsregelungen beinhalten teilweise Zuständigkeiten, aber nicht Verpflichtungen zum Abschluss spezifischer Versicherungen wie lost in hole oder Fündigkeit. Die Deckungssummen sollten den Risiken des betreffenden Projektes angepasst sein. Die Kombination verschiedener Versicherungen auch hinsichtlich von Leistungen im übertägigen Bereich und daneben in der langjährigen Betreiberphase ist spätestens hier mindestens konkret zu prüfen. Potentiellen Auftraggebern muss vor einer Ausschreibung von Ausführungsleistungen klar sein, dass übliche Versicherungsprämien für Fündigkeit und Bohrung z.B. bei 5MWel-Projekten siebenstellige Beträge ausmachen können. Insbesondere für Turnkey Projects in Form der Vereinbarung eines Komplettpaketes für ein schlüsselfertiges dauerbetriebsbereites Geothermiekraftwerk mit konkreter Leistung in MWel oder/und MWtherm über eine bestimmte Zahl von Betriebsstunden pro Jahr und damit einschließlich der Tiefbohrungen soll die Aufnahme von Regelungen für die Lebenszyklus-Betrachtung des Kraftwerkes erfolgen.

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen Dabei sind die Betriebskosten im Dauerbetrieb und eine zusätzliche Standby-Anlage für den Fall von geplanten und ungeplanten Betriebsunterbrechungen sowie Spitzenlastversorgung speziell hinsichtlich von Wärmelieferungen in der Heizperiode konkret zu berücksichtigen. Wegen der Besonderheiten der Tiefbohrleistungen auch mit der Notwendigkeit schneller Regelungen zu unterschiedlichen Auffassungen in der Realisierungsphase sollten ein Schlichtungsvertrag, eine Schiedsgutachtenregelung oder/und eine Schiedsgerichtsregelung z.B. auf der Grundlage der SOBau (Schlichtungs- und Schiedsgerichtsordnung Bau) vereinbart werden. Die SOBau hat die Vorteile, dass sie auf der deutschen Rechtsordnung basiert, baubezogen ist, die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens ermöglicht und keinem Vertragspartner eine Verzögerung der Bearbeitung gestattet. Die 18 Paragraphen der SOBau sind wesentlich kürzer und klarer gefasst als die ebenfalls 18 Paragraphen der VOB/B.

Es ist sinnvoll, sich schon im Vertrag auf die Person des – branchenkundigen – Schlichters oder/und Schiedsgutachters bzw. die Personen des Schiedsgerichts zu einigen. Mit dem Schlichter bzw. Schiedsgutachter oder Schiedsrichtern sollte sofort ein Schlichtungsoder/und Schiedsrichtervertrag geschlossen werden, um unnötige und kostenintensive Zeitverluste im Ernstfall zu vermeiden. Es ist zu beachten, dass ein Schiedsgutachter rein technische Fragen zu klären hat. Eine rechtliche Beurteilung durch ihn hat nicht zu erfolgen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.3.2009 – 23 U 82/08, ibr-online, IMR 2010, 1092). Ein unrichtiges Schiedsgutachten bindet. Ein Schiedsgutachten kann nur wegen offenbarer Unrichtigkeit angegriffen werden. Der Maßstab „offenbar unrichtig“ kann vertraglich abbedungen werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.3.2008 – 16 U 88/07, IBR 2008, 550). Die Vereinbarung auf einen Schlichter oder einen Schiedsrichter/ein Schiedsgericht mit der Möglichkeit der Berücksichtigung sowohl technischer Fragen (ggf. über Einbindung eines vom Schlichter oder Schiedsrichter/Schiedsgericht beauftragten und unabhängigen Sachverständigen) als auch rechtlicher Beurteilung ist unter diesen Gesichtspunkten sinnvoll. Die SOBau selbst und Musterverträge für Schlichtung, Schiedsgericht und Schiedsrichtervereinbarung sowie die Personen der Schlichter und Schiedsrichter sind unter www.arge-baurecht.com abrufbar. Die Nichtregelung einer handhabbaren Schlichtungs- oder/und Schiedsregelung und die nicht vorherige Vereinbarung von branchenkundigen Personen als Schlichter oder Schiedsrichter führen im Ernstfall zur mehrmonatigen Verzögerung der Bearbeitung der Sache bis hin zur praktischen Blockade. Bei Tagessätzen von z.B. 25 T€ für die Bohranlage mit Mannschaft wird das Risiko drastisch deutlich. Ohne Vereinbarung einer Schlichtungs- oder Schiedsgerichtsregelung laufen beide Vertragsseiten in das Risiko, vor staatlichen Gerichten mehrmonatige oder mehrjährige Verfahrensdauer und zusätzlich die Notwendigkeit gerichtlich beauftragter Sachverständiger berücksichtigen zu müssen. Die Person des staatlichen Richters und dessen Sachkunde sind von den Parteien nicht steuerbar. Die teilweise in geothermischen Tiefbohrverträgen vorhandenen Einbindungen der Schiedsgerichtsregelungen der ICC (INTERNATIONAL CHAMBER OF COMMERCE) in Paris und deren Handhabung sind – eventuell – Tiefbohrfirmen, regelmäßig jedoch nicht privaten oder öffentlichen Auftraggebern bekannt.

3.2 Vertragspraxis Geothermie – rechtliche Aspekte

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Selbst in Tiefbohrverträgen der Erdöl- und Erdgasindustrie mit branchenerfahrenen Fachleuten auf beiden Vertragsseiten werden diese ICC-Regelungen nicht vereinbart, wobei hier wegen der Durchführung der Bohrarbeiten unter direkter Anleitung des Bohroperators des Auftraggebers mit vollständiger Planung durch den Auftraggeber der hier vereinbarte Schiedsgutachterausschuss praktisch nicht zur Anwendung gelangt. In jedem Fall ist für die Branche der Tiefen Geothermie die Vereinbarung der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vor Durchführung eines Schiedsgerichtsverfahrens zu empfehlen. Dabei kann dann je nach Vertragsgestaltung im Anschluss an ein Schlichtungsverfahren in ein Schiedsgerichtsverfahren oder in ein Verfahren vor einem staatlichen Gericht übergegangen werden. In jedem Fall unwirksam in einem Vertrag sind einander widersprechende Regelungen, wonach zunächst „by the Courts of Germany“ mit konkreter Benennung „München, Landgericht I“ und drei Klauseln weiter „All disputes arising between the Parties in connection with this Contract … shall be finally settled according to the Rules of the ICC without recourse to the ordinary courts of law“ angegeben ist. Die Unwirksamkeit führt dazu, dass der Streitfall vor einem zuständigen deutschen staatlichen Gericht zu entscheiden ist. Gegebenenfalls einigen sich sinnvoller Weise die Parteien noch im Anfangsstadium eines Streites doch noch auf die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens mit ggf. anschließendem Schiedsgerichtsverfahren. Sprache der Vertragsgestaltung und Vertragsrealisierung ist deutsch. Im Vertrag sollte die Regelung zur Deutschsprachigkeit der Führung der Besprechungen und des Schriftverkehrs sowie der deutschen Sprachmächtigkeit hinsichtlich Oberbohrmeister, Schichtleiter und des bevollmächtigten Vertreters der Tiefbohrfirma bzw. Servicefirma enthalten sein. Die Verwendung fachspezifischer und daneben englischsprachiger Termini sollte mit einem Glossar als Vertragsanhang erläutert werden. Zu berücksichtigen ist, dass als Nachfrager/Auftraggeber überwiegend juristische Personen auftreten, die keinerlei bergbauliche, geologische, hydrologische oder tiefbohrtechnische Ausbildungen, Kenntnisse und Erfahrungen haben – der einseitige deutliche Wissensvorsprung auf der potentiellen oder dann realen Auftragnehmerseite darf nicht zur einseitig die Auftraggeber belastenden oder zu unklaren Regelung führen. Im Zweifelsfall dürften sich Auftraggeber bei inhaltlich oder/und sprachlich unklarer Vertragslage wegen bisher überwiegend vorliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Tiefbohrfirmen darauf stützen, dass Zweifel bei der Auslegung gem. § 305c BGB zu Lasten der Auftragnehmer als Verwender gehen. Im Übrigen darf mit Auftragnehmer-AGB nicht einseitig zu Lasten von Auftraggebern vom gesetzlichen Leitbild abgewichen werden.

3.2.2.5

Ausländische Vertragsmuster

Die direkte oder durch Übersetzung indirekte Verwendung englischsprachiger Vertragstexte z.B. der IADC Contracts in Deutschland führt schon vom Ansatz her zu gravierenden Rechtsproblemen, da diese Verträge für einen anderen – angelsächsischen – Rechtsraum mit anderer Rechtsanwendung durch das Common Law vorgesehen sind. Im Einzelfall wurden

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

für mehrere Projekte angebotene „rückübersetzte“ Vertragsunterlagen vorgelegt, die durch die „Vermischung“ deutscher und englischer Vertragsinhalte eine sinnvolle Prüfung vereiteln. So wird es für einen Übersetzungsfehler gehalten, wenn die in Tiefbohrverträgen sehr relevanten „Act of God“ mit „höherer Gewalt“ übersetzt wird, weil diese im Englischen üblicherweise als „Force Majeure“ bezeichnet werde und der Terminus „Act of God“ ein noch höheres Maß der „Höhe der Gewalt“ voraussetze. Geht man davon aus, dass es im deutschen Recht die Kategorien des Zufalls und der höheren Gewalt gibt, im Englischen aber drei Kategorien, in welchen die „Force Majeure“ etwas unterhalb und der „Act of God“ etwas oberhalb der höheren Gewalt im Sinne des deutschen Rechts zu verstehen ist, so kann diese Differenzierung in einem deutschen Recht unterliegenden Vertrag nicht übernommen werden. Die Parteien müssen sich hier nachweisbar und klar im Vertragsinhalt gemeinsam einigen, was eingeschlossen sein soll und was nicht (vgl. Maier-Reimer, Englische Vertragssprache bei Geltung deutschen Rechts, AnwBl 1/2010, 13 ff.). Daneben führt die Verwendung fremdsprachiger Vertrags-Termini zu drastischen Auslegungsproblemen, was die Parteien mit der entsprechenden Regelung gewollt haben bzw. gewollt haben könnten. Eventuell später mit der Sache befasste Richter haben von Bohrlochbergbau nicht einmal eine entfernte Ahnung. Auftraggeber wissen regelmäßig auch nicht, was API oder IADC überhaupt bedeuten und kennen die Regelungen des API oder der IADC überhaupt nicht – selbst die Auftragnehmer haben diese Regelungen regelmäßig nicht umfassend in deutscher Sprache vorliegen. Im Streitfall wird der Richter zunächst zivilprozessual auf beglaubigter Übersetzung der Unterlagen bestehen, da Gerichtssprache auch für alle einzureichenden Unterlagen Deutsch ist – schon dabei kann Streit allein hinsichtlich der „richtigen“ Übersetzung entstehen. Hinsichtlich der Anwendung des eventuell wirksam vereinbarten Common Law wird ein deutsches Gericht einen Sachverständigen allein für diese Problematik beauftragen. Die diesbezüglichen Probleme bei der streitigen Realisierung kommunaler Cross-Border-Geschäfte vor Verwaltungs- und Finanzgerichten sollten warnend genug sein. Die wenigen Anbieter von geothermischen Tiefbohrleistungen sollten sich auf eine verbindliche Übersetzung zumindest der wesentlichen englischsprachigen API- und IADC- sowie ggf. IWCF-Regelungen einigen und diese Übersetzungen konkret Vertragsbestandteil werden lassen. Ob ein analoges Vorgehen für die Regelungen der ASME sinnvoll ist, wäre zumindest zu prüfen. Auftraggebern ist anzuraten, in von Planern vor der Ausschreibung oder – eher ungünstig – erst im Zuge der Ausschreibung von Tiefbohrfirmen vorgelegten Vertragsentwürfen konsequent unbekannte Regelungen zu streichen oder verständlich und eindeutig zu formulieren. Für tiefengeothermische Projekte im Ausland sollte die Anwendung der IADC-Contracts wie International Daywork Contract-Land, Footage Drilling Contract und Master Service Contract geprüft und nach notwendiger Anpassung an die Besonderheiten geothermischer Projekte realisiert werden. Daneben kann speziell für die Planungsleistungen und daneben im Fall der Vereinbarung über die Errichtung eines schlüsselfertigen dauerbetriebsbereiten Kraftwerkes die Nutzung

3.2 Vertragspraxis Geothermie – rechtliche Aspekte

85

der FIDIC Conditions of Contract mit Red Book for Construction, Yellow Book for Plant and Design-Build oder Silver Book for Turnkey Projects und das Gold Book für Planung, Bauausführung und Betrieb aus einer Hand einschließlich der FIDIC Forms of Communication vorgesehen und umgesetzt werden. Diese Verträge sind beim VBI über www.vbi.de auch in deutscher Übersetzung mit Erläuterungen beziehbar. Hier ist zu beachten, dass die FIDIC-Verträge eine grundsätzlich andere Vertragsstruktur mit drastisch mehr Rechten und Pflichten auf der Seite der Ingenieure aufweisen – der Ingenieur hat hier eine gegenüber der deutschen Rechtslage deutlich herausgehobene Stellung, die ihm zum Teil äußerst kurzfristige Entscheidungen abverlangt. Die bloße ingenieurseitige Darlegung von Problemen und ggf. Vorschlagsunterbreitungen für Lösungen gegenüber dem Auftraggeber reichen hier nicht aus.

3.2.2.6

Zusammenfassung

Es ist festzuhalten, dass die gegenwärtig in der Anwendung befindlichen Tiefbohrverträge hinsichtlich der Vorbereitung der Ausschreibung, der vergaberechtlichen Behandlung, der Zuschlagserteilung und der Vertragsgestaltung aufgrund der vielen Spezifika notwendigerweise hinsichtlich der Tiefe und Breite der Vertragsregelungen zu entwickeln sind. Dabei sind die Erfahrungen sowohl der deutschen Erdöl- und Erdgasindustrie als auch der bisherigen Projekte der Tiefen Geothermie sowohl bezüglich der Gemeinsamkeiten als auch der Unterschiede sofort zu nutzen. Tiefbohrfirmen haben zu beachten, dass potentielle und reale Auftraggeber bisher regelmäßig kein bergbaulich-geologisches Fachwissen haben. Klare und für beide Seiten verständliche Regelungen sollten risikoträchtiges Streitpotenzial vorbeugend vermeiden.

3.2.3

AGB und VOB/B

3.2.3.1

Einleitung

Bei der Geothermie gelangen überwiegend Vertragsmuster zur Anwendung, die von Auftragnehmern durch Planer oder Bohrfirmen gestellt sind. Diese Vertrags-Muster sind gewollt oder ungewollt Allgemeine Geschäftsbedingungen = AGB. Sie unterliegen der Inhaltskontrolle gemäß BGB §§ 305 ff. i.V. 631 ff. Dadurch sind sie vielfach unwirksam, obwohl von beiden Parteien unterschrieben. Anstelle der AGB gilt das Gesetz. Die VOB/B ist kein Gesetz. Die verwendeten Vertragsmuster werden aus technischer Sicht ohne genügende Berücksichtigung der Auftraggeberwünsche zur sicheren und kostengünstigen Energieanwendung geschrieben. „Grüne“ Vertragspräambeln sind kein Ersatz für konkrete Leistungsparameter und ökonomische Daten. Festpreise und GMP für vorhersehbare Bedingungen werden häufig nicht angeboten. Häufig erfolgen Angebote ohne Berücksichtigung von Wünschen/Daten der AG. Die Nichtberücksichtigung von öffentlichen Geologiedaten und Hinweisen der Wasserbehörde/des Bergamtes z.B. hinsichtlich Karst oder Arteser kann zur Gesamthaftung Planer/Bohrfirma/AG für Nachbarschäden führen – Beweiserleichterung für geschädigte Nachbarn über Anscheinsbeweis und Nutzung BGB § 906 oder Bergschaden BBergG § 116 mit

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Bergschadensvermutung § 120. Risiko verschuldensunabhängiger Inanspruchnahme durch geschädigte Nachbarn über BBodSchG §§ 1, 2, 2 II Nr. 1 lit a), 2 II Nr. 3 lit b) i.V. § 2 Abs. 3 und § 3 I Nr. 10 und § 4 I, II wird durch Planer/Bohrer/AG nicht beachtet. Bisher kommt Planern, Bohrfirmen und AG sowie Versicherungen zu Gute, dass selbst anwaltlich vertretene Nachbarn verschuldensunabhängige bergrechtliche und bodenschutzrechtliche Bestimmungen kaum kennen und vor hohen Kosten nicht notwendiger konkreter Beweisführung zurückschrecken. Ein Extra-Vertrag zur Planung oder/und Bauüberwachung würde dem AG mehr Sicherheit bieten, da die Planer alle Varianten prüfen müssen und haftpflichtversichert sind. Die Anpassung der Anlagen nach Inbetriebnahme an das Nutzerverhalten und die geologischen Bedingungen werden häufig nicht angeboten. Von dem AN werden Sicherheiten der AG gemäß § 648a BGB in Höhe der vollen Vertragssumme oder wesentlicher Teile davon regelmäßig nicht abverlangt.

3.2.3.2

Vertragsbedingungen

In der Praxis bestehen häufig Widersprüche zwischen eigentlichem Vertragstext, einbezogenen AGB (Kommerzielle Vertragsbedingungen, Besondere Vertragsbedingungen) und ZTV (Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen) oder ZBV (Zusätzliche Besondere Vertragsbedingungen). Ohne eine wirklich klare Vertragsregelung des Vorrangs gilt dann keine dieser Vertragsbestimmungen, sondern nur das Gesetz. Das Gesetz regelt jedoch weder die Besonderheiten eines Anlagenbau- oder eines Tiefbohrvertrages noch eines GU-Vertrages im Anlagenbau. Vertragsstreitigkeiten sind damit vorprogrammiert – diese können speziell hinsichtlich bestimmter Bautenstände und an diese bestimmten Bautenstände gekoppelten Abschlagszahlungen zur Einstellung der Arbeiten an der Bohrung oder am Kraftwerk führen. Speziell entfallen häufig Verzugsvertragsstrafenregelungen oder Pönalen wegen Widersprüchen in verschiedenen Vertragsbestandteilen. Gleiches gilt für Vertragserfüllungssicherheiten und Gewährleistungssicherheiten des GU. Sicherheiten sind weder im Gesetz noch in VOB/A oder VOB/B vertraglich geregelt. Vereinbarungen zum Ausschluss oder zur Begrenzung einer vom AG für den GU zu stellenden Bauhandwerkersicherung bis zur vollen Höhe des Vertragspreises und weiteren 10 % Nebenforderungen sind sowohl als AGB als auch einzelvertraglich in jedem Fall unwirksam – § 648a Abs. 7 BGB174. Diese Sicherheit ist nur von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder eines öffentlich-rechtlichen Sondervermögens nicht zu stellen. Vollkaufmännische Stadtwerke o.ä. müssen diese Sicherheit auf Verlangen des GU sofort stellen. Vertragsbedingungen sind gem. § 305 I BGB vorformuliert, wenn sie bei Abschluss des Vertrages bereits vorliegen mit der Absicht, sie in künftige Verträge einzubeziehen. Dabei genügt bereits die Speicherung in einem Computer des Verwenders oder seines Beraters (Planer, Anwalt, Projektmanager) – OLG Hamburg, Urteil vom 12.12.2008 – 1 U 143/07; BGH, Beschluss vom 4.3.2010 – VII ZR 21/09, IBR 2010, 254. Risiko: § 305c Abs. 2 BGB: Unklarheiten gehen zu Lasten des Verwenders der AGB. Erfasst sind auch gespeicherte Texte – bei Vermischung mit individuellen Bedingungen unterliegen Textbausteine der AGB174

Die Kosten dieser Sicherheit (bis 2 %) trägt der die Sicherheit verlangende GU – § 648a Abs. 3 BGB.

3.2 Vertragspraxis Geothermie – rechtliche Aspekte

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Kontrolle. Bedingungen sind vorformuliert, wenn sie mindestens für 3-fache Verwendung bestimmt sind. Bei Absicht der Mehrfachverwendung begründet die erste Anwendung AGB. Musterverträge von Verlagen oder Verbänden sind immer AGB. AGB-Recht gemäß §§ 305 ff. BGB ist nicht anwendbar, wenn die verwendeten Vertragsbedingungen nicht gestellt, sondern frei ausgehandelt sind – dann ist es eine Individualvereinbarung. Aushandeln bedeutet mehr als bloßes Verhandeln: Der AGBVerwender muss tatsächlich verhandlungsbereit sein und dies dem Vertragspartner erklären, er muss den gesetzesfremden Kerngehalt seiner AGB zur Disposition stellen und die Gestaltung einräumen, außerdem muss der Vertragspartner die reale Möglichkeit der Beeinflussung des Vertrages haben. Es handelt sich auch dann nicht um AGB, wenn die Parteien gemeinsam oder jede von sich aus die Einbeziehung bereits vorliegender AGB verlangen – z.B. VOB/B. Aushandeln liegt nicht vor, wenn der Verwender das Formular vorliest oder erörtert; oder der Verwender formularmäßig auffordert, den Vertrag durch Streichungen zu ändern; eine andere Erklärung unterschreibt, der Vertrag sei in allen Einzelheiten ausgehandelt; oder anderer durch Ankreuzen zwischen verschiedenen Bedingungen wählen kann. Achtung: Es besteht die Gefahr einander widersprechender Klauseln mit der Folge der Unwirksamkeit gem. § 305 c Abs. 2 BGB. Beispiel: Im Vertrag „0,2 % Vertragsstrafe pro Tag auf Vertrags-Brutto-Summe“; in vom Planer angehängten AVB „0,2 % Vertragsstrafe pro Werktag auf Vertragssumme“; in Verhandlungsprotokoll „0,2 % Vertragsstrafe pro Kalendertag auf Brutto-Schlussrechnungssumme“. Hier besteht kein Anspruch auf Vertragsstrafe. Der Vertragspartner soll über unwirksame Klauseln nicht diskutieren, da sonst eine Individualvereinbarung vorliegt. Individualabreden haben Vorrang vor AGB – § 305 b BGB. Überraschende und mehrdeutige Klauseln sind Vertragsbestimmungen, die nach den Umständen so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner nicht mit ihnen zu rechnen braucht (§ 305c BGB). Zweifel gehen zu Lasten AGB-Verwender. Eine ungewöhnliche oder unsystematische Platzierung im Vertrag reicht aus. Daher sollte auf überraschende Klauseln ausdrücklich hingewiesen werden oder diese Klauseln drucktechnisch hervorgehoben werden. Bei AGB kommt es nicht auf die konkreten Vorstellungen der Parteien bei Vertragsschluss an, sondern auf das Verständnis der Klausel bei objektiver Auslegung. Es ist also nicht auf die konkreten Umstände des Einzelfalles und auch nicht auf die Vorstellungen der Vertragsparteien oder einer Vertragspartei abzustellen, sondern auf das typische Verständnis redlicher Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der an Geschäften dieser Art normalerweise Beteiligten. Es kommt auf das Verständnisvermögen des nicht juristisch gebildeten Durchschnittsvertragspartners an. Bei Zweifeln gilt das Gebot der kundenfreundlichsten Auslegung. Unwirksam z.B.: „Gewährleistung nach VOB bzw. BGB. Bei unterschiedlicher Auffassung gilt die jeweils günstigere für den AG“; „Die in diesen Bedingungen nicht ausdrücklich geregelten beiderseitigen Rechte und Pflichten bestimmen sich nach VOB.“ Sind AGB ganz oder teilweise unwirksam, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam und statt unwirksamer AGB richtet sich der Vertrag nach Gesetz (§ 306 BGB).

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Enthält das Gesetz keine entsprechende Regelung, fällt die Klausel ersatzlos weg – eine überhöhte („Höchstgrenze der Vertragsstrafe beträgt 10 % der Vertragssumme“) und daher nichtige Vertragsstrafe entfällt ersatzlos. Keine geltungserhaltende Reduktion (BGH, Urteil vom 23.1.2003 VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311, 324). Salvatorische Klauseln „Unwirksame Bedingungen werden durch solche Regelungen ersetzt, die dem gewollten wirtschaftlichen Zweck am nächsten kommen“ sind nichtig bzw. unwirksam wegen Umgehung § 306 II BGB und Verstoß gegen Klarheitsgebot § 307 BGB. Die VOB/B ist insgesamt als Ganzes gegenüber Unternehmern der Baubranche, öffentlichen AG AGB. Jede Änderung der VOB/B im Vertrag führt dazu, dass die VOB/B nicht mehr als Ganzes Vertragsinhalt wird und die Bestimmungen der VOB/B selbst einer Prüfung nach §§ 305 ff. BGB, insbes. § 307 BGB unterzogen werden. Es ist keine Änderung der VOB/B, wenn VOB/B in den hierfür vorgesehenen Bereichen im Vertrag lediglich ausgefüllt wird – Vereinbarung einer Vertragsstrafe § 11 oder einer Sicherheitsleistung § 17. Weder Vertragsstrafen noch Sicherheitseinbehalte sind vereinbart, weil VOB/B vereinbart wurde. „7. Vertragsstrafe … Vertragsstrafe kann bis zur Schlussrechnungsprüfung geltend gemacht werden“ ohne Regelung einer Vertragsstrafe überhaupt. „8. Zahlungen … c) Der 5 %-Gewährleistungseinbehalt verbleibt beim AG.“ ohne Regelung des Einbehaltes für Mängelansprüche selbst. VOB/A ist keine AGB – sie regelt als Verwaltungsvorschrift das Vergabeverfahren der öffentlichen AG und nicht die Vertragsinhalte. Bezugnahmen auf § 14 Nr. 2 VOB/A mit dortigen Regelungen von möglichen Sicherheiten gehen fehl, wenn Sicherheiten nicht konkret aus der Ausschreibung/des Vertrages hervorgehen. Preis- und Leistungsvereinbarungen und Leistungsbeschreibungen sind der Inhaltskontrolle gem. §§ 307 ff. BGB entzogen – vorformulierte Leistungsbeschreibungen (z.B. STLB Bau) bleiben aber nach §§ 305 ff. BGB insbesondere hinsichtlich überraschender Klauseln gem. § 305 c Abs. 1 BGB kontrollfähig (Ergänzung einer Leistungsposition bei ganz anderer Position des LV an nicht zu vermutender Stellung). Im Folgenden einige Beispiele: 





„Im Fall einer Auftragserteilung wird von uns auf der Grundlage der HOAI ein Planungsvertrag geschlossen.“ HOAI regelt vom Ansatz her nur Preise, keine Leistungen. Planungsleistungen für Tiefe Geothermie sind dort nicht geregelt. Ein einseitiger Vertragsschluss geht fehl. „Vertragsgrundlage ist Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) und ergänzend gelten nachfolgende Bedingungen.“ VOB/B heißt seit 2002 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen. Hier besteht wegen einer Abweichung von VOB/B durch die nachfolgenden Bedingungen kein AGB-Schutz für VOB/B. Im Vertrag erfasste Planungsleistungen sind in VOB/B nicht geregelt. „Wir gehen davon aus, dass für das Vorhaben eine uneingeschränkte Genehmigung erteilt wird“ – AN soll hier gerade die Planung mit Sicherheit der notwendigen Genehmigungen/Anzeigen erbringen. Unangemessene Benachteiligung des AG § 307 II Z. 1.+2. BGB. Grundstücksbezogener Ansatz für die Bohrpunkte und räumliche Einordnung der Bohrungen unter Berücksichtigung Nachbarschutz hinsichtlich der Bemessung des Erd-

3.2 Vertragspraxis Geothermie – rechtliche Aspekte

  













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wärmefeldes weder hinsichtlich Tiefe noch hinsichtlich hydraulischem Absenkungstrichter und Abkühlungsbereich erkennbar – fehlt einfach. „Die Bohrstelle ist mit Recycling- oder Naturschotter befahrbar und standfest auszuführen“ – Dimension der Befahrbarkeit zu Tragfähigkeit/Standfestigkeit fehlen. „Die Bohrpunkte sind vom AG deutlich zu kennzeichnen“ – setzt eine dem AG vorliegende Planung und Vermessung voraus, bei Komplettangebot unzulässige und unwirksame Risikoübertragung auf AG. „Im Bereich der Bohrungen dürfen keine Ver- oder Entsorgungsleitungen angetroffen werden. Kosten wegen der Beschädigung unterirdischer Leitungen oder Kabel, die von vom AG nicht ausgewiesen worden sind, gehen zu Lasten des AG. Der AN ist insoweit zu einer eigenen Überprüfung des Untergrundes der Bohrpunkte nicht verpflichtet.“ – Fachunternehmer muss Erlaubnisscheine für Erdarbeiten mindestens als Dokumente konkret vom AG konkret abfordern, auf Vollständigkeit und Grundstücksbezogenheit prüfen und eigene Kenntnisse z.B. aus vorangegangenen Arbeiten bei Nachbarn sowie Verhältnisse vor Ort berücksichtigen. „Die Bereitstellung des erforderliche Bauwassers am Bohrplatz ist kostenfrei vom AG mit Wasseranschluss und Entfernung max. 50 m zu gewährleisten.“ – Bauwasser ist unkonkret und lässt z.B. Bachwasser zu, welches nicht zur Herstellung des Hinterfüllungsmaterials verwendet werden darf. Die Angabe „Leistung ... l/min“ fehlt. „Sollten die geologischen Gegebenheiten es verhindern, die gesamten geplanten Bohrmeter in der geplanten Anzahl der Bohrungen zu erreichen, behält es sich die AN vor, in Absprache mit dem AG, zusätzliche Bohrungen durchzuführen. Hierfür entstehen dem AG lediglich die Mehrkosten für die kalte Seite.“ – Klausel unklar, da voraussehbare Geologie vor Vertragsschluss bekannt und im Preis berücksichtigt sein muss. „Mehr“Kosten und „kalte Seite“ sind AG unklar. „Kann eine Bohrung aus geologischen Gründen nur mit erheblichem Mehraufwand niedergebracht werden, kann der AN diese Leistungen gesondert in Rechnung stellen.“ – Rechnungsstellung begründet keine Zahlungspflicht. Dürfen nur nicht vorhersehbare geologische Gründe relevant sein, „erheblicher Mehraufwand“ wäre wegen hier vereinbarter VOB/B § 2 Nr. 3 hinsichtlich evtl. gemeinter Mengen geregelt und hinsichtlich „erheblich“ unklar gem. § 305c II BGB. „Unvorhergesehene Aufwendungen wie namentlich die Folge- und Sanierungskosten von artesisch gespannten Wasser- oder Gasaustritten werden zusätzlich in Regie verrechnet und gehen zu Lasten des AG.“ Relevant dürften nur unvorhersehbare Aufwendungen sein. Im Angebot und den AGB fehlte die Angabe von Regiekosten als Stundensatz – damit wären nur vom AN konkret nachzuweisende Aufwendungen (ohne Gewinn) ansatzfähig, wobei zur Bestimmung der ortsüblichen Höhe dann teures Sachverständigen-Gutachten gemäß § 632 II BGB einzuholen wäre. „Erfolgt nach dem Verrohrungseinbau der Bohrung eine größere Unterbrechung im Bauablauf, wird vor der Anlagenmontage eine erneute Abrufzeit von ca. 4 Wochen vereinbart.“ Unklar gem. § 305c I BGB, daneben unangemessene Benachteiligung gem. § 307 I, II i.V. § 631 BGB. Evtl. gemeinte unvorhersehbare Bohrgrundverhältnisse sind nicht geregelt. „Vereinbarung“ einer neuen „Abruffrist“ von „ca.“ 4 Wochen unklar. „Den Angebotspreisen liegen die bei Angebotsabgabe geltenden Tariflöhne, Materialpreise und Tarifsätze für Transporte zu Grunde. Ihre Änderungen einschl. darauf entfallender Zuschläge berechtigen zu Preisberichtigungen.“ – unwirksam wegen Verstoß §§ 307, 309 Nr. 1 und daneben § 307 BGB wegen der Möglichkeit, über eine Abwäl-

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen zung der Kostensteigerung hinaus den vereinbarten Preis ohne Begrenzung einseitig anzuheben. „AN verzichtet auf alle Rechte aus § 648 a BGB.“ - unwirksam gem. § 648 a VII BGB. „Verlangt AN Sicherheit gem. § 648 a BGB, muss er innerhalb von 10 Tagen in gleicher Höhe Vertragserfüllungssicherheit an den AG leisten“ – unwirksam gem. § 648 a VII BGB. AN nutzen Forderung auf Sicherheitsleistung gem. § 648a BGB nur in Ausnahmefällen – sollte Regel sein. „Alle Streitigkeiten zwischen den Parteien aus oder im Zusammenhang mit dem angebotenen Auftrag sind auf der Grundlage der Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten (SOBau) der Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwalt Verein (ARGE Baurecht) zu entscheiden.“. Wirksam. Betreff im Anschreiben nennt konkrete Erdwärmeanlage – diese fehlt im Angebot und damit im Vertrag, der das Angebot als Vertragsbestandteil aufführt, jedoch nicht das Anschreiben. Leistung ist damit unklar eine „geothermische Anlage“. „Druck- und Dichtheitsprüfung, Verfüllung bis Obertage, Kältedämmung bis 3 m unter Gelände ...“ fehlen, Prüf- und Abnahmeprotokoll unklar, Bohrproben/Aufnahme und Auswertung des Bohrprofils und deren Dokumentation nicht erkennbar geregelt, Verfüllung mit was, in welchen Teufen und welcher Dokumentation unklar. „Stillstandszeit Bohrgerät durch nicht planbare Unterbrechungen mit Stundensatz und Einheitspreis“ sind hinsichtlich nicht planbarer Unterbrechungen unklar und mehrdeutig gemäß § 305 c BGB – eventuell gemeinte Unterbrechung wegen nicht vorhersehbarem geologischen Schichtenaufbau bzw. Arteser ist nicht geregelt. „Abdeckung begehbar angeordnet, Lieferung und Montage, jedoch ohne Erdarbeiten“ – unklar, was mit Erdarbeiten gemeint ist. AG wollte alle Leistungen aus einer Hand. „Lieferung“ deutet auf gewollte – unzulässige – Anwendung Kaufrecht für Werkvertrag hin. „Inbetriebnahme inklusive Druck- und Dichtheitsprüfung der Gesamtanlage, Inbetriebnehmen und Einregulieren der Anlage, Anlagendokumentation“ inhaltlich unklar: Was ist Gesamtanlage, was ist Anlage, woraus besteht die Anlagendokumentation? Einweisung des AG fehlt. „Die Abnahme erfolgt auf Verlangen der AN nach angemessener Vorankündigung im Beisein des AG. Bleibt der AG oder sein Vertreter der Abnahme fern, so gilt die Anlage als abgenommen.“ – Abnahme ist einzig Sache des AG, Architekten benötigen Sondervollmacht des AG. Beisein des AG ist unzureichend – Abnahmeerklärung ist Erklärung des AG, dass das Werk als vertragsgerecht akzeptiert wird. Die Regelung verstößt bei hier zu Grunde gelegter VOB/B gegen § 12 Nr. 5 VOB/B – damit gilt BGB. In BGB § 640 I Abnahmefiktion nur, wenn AG zur Abnahme verpflichtet ist. Werk muss also vertragsgemäß hergestellt sein und nur unwesentliche Mängel aufweisen, die Aufforderung zur Abnahme muss nachweisbar beim AG eingegangen sein und zumutbare Frist (z.B. 12 WT) enthalten. Bei Erklärung der Abnahmeverweigerung durch den AG keine Abnahmefiktion. Konkludente Abnahme nur bei vertragsgerechter Fertigstellung und Ingebrauchnahme ohne Vorbehalt oder/und Mängelrügen wesentlicher Art. Lehnt AG Abnahme ab, kann AN den Abnahmeanspruch isoliert oder mit Anspruch auf Zahlung gerichtlich geltend machen. Die AGB ist hier auch deshalb unwirksam. Der volle Ausschluss von Mängelansprüchen ist unwirksam § 307 II 1. i.V. § 634 BGB. Hier hat AN komplette Geothermieanlage vertraglich gebunden. Durch Unklarheit der Sätze im Zusammenhang gilt BGB § 634a I 2 mit 5-jähriger Frist für Mängelansprüche.

3.2 Vertragspraxis Geothermie – rechtliche Aspekte 



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„Leistungsprognose der Anlage unter Berücksichtigung des Jahres- und Tagesganges des Wärmeverbrauches – Simulation der Bergakademie Freiberg über 20 Jahre Betriebszeit auf der Grundlage des geologischen Vorprofils“ – unklar, da damit das eigene Angebot der Fachfirma als nicht bauvorhabenbezogen erklärt wird, der Wärmeverbrauch entgegen den widersprüchlichen Angaben im Anschreiben zum Angebot als bekannt angegeben wird, die „Simulation“ unkonkret beschrieben, die Simulation „der Bergakademie Freiberg“ als eine Art unbenanntes Programm oder als Simulation der Bergakademie Freiberg als Sub der Firma verstanden werden kann. Entgegen den allgemeinen Angaben im Anschreiben zum Angebot „natürlich sind die Wärmeleitfähigkeiten im Erdreich unterschiedlich, so dass auch der Energieentzug von den geologischen Gegebenheiten abhängt“. Wird das geologische Vorprofil für das konkrete Bauvorhaben als bekannt vorausgesetzt oder erst als aus der niederzubringenden Bohrung gewonnenen Bohrprofilen angegeben. Fachgerechte Planung kann damit nicht erfolgt sein, Gefahr der Unter- oder Überdimensionierung und dadurch teilweisen Unwirksamkeit der Anlage. Mängelhaftung für Mehrkosten über gesamte vorhersehbare übliche Betriebszeit laut Werbeprospekt von 20 Jahren kann zu Entfall jeglichen Vergütungsanspruchs und Zahlung des AN an den AG führen. Die „Anlieferung der Anlagentechnik“ müsste sich auf objektspezifisch angefertigte Anlagentechnik beziehen und auch bei Standardprodukten müsste dem AG das Eigentum mit Dokumentation übertragen werden – das geht nur, wenn AG Grundstückseigentümer ist (AN braucht aktuellen Grundbuchauszug mit Eintrag AG als Eigentümer – Auflassungsvormerkung reicht nicht, daneben Katasterauszug zur Prüfung Flurstücks-Nr.). „Vor Beginn der Arbeiten fertigen wir auf der Grundlage dieses Angebotes einen Bauvertrag an.“ – bei Angebot reicht Annahme des Angebotes als Vertragsabschluss. „Jegliche Haftung der AN für Folgeschäden jeder Art, gleich aus welchem Rechtsgrund, ist ausgeschlossen, es sei denn, der AN, sein gesetzlicher Vertreter oder sein Erfüllungsgehilfe handeln vorsätzlich oder grob fahrlässig. Die Haftung wird der Höhe nach auf die Eintrittsverpflichtung der Betriebshaftpflichtversicherung der AN beschränkt.“ – wegen Verstoß § 307 II 1 i.V. § 634 Nr. 4 BGB und daneben wegen Unklarheiten gem. § 305 c II BGB unwirksam, da eine wesentliche Abweichung vom gesetzlichen Leitbild vorliegt. Im Übrigen wird die Haftpflichtversicherung des AN bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit nicht oder nur eingeschränkt zahlen und die hohe Selbstbeteiligung der AN ist weder benannt noch berücksichtigt worden.

3.2.3.3

Hinweise

Regelmäßig fehlen bei Erstkontakt nachweisbare Hinweise auf Erbringung von entgeltlichen Beratungsleistungen für Inanspruchnahme von Fördermitteln. Potentielle AN sollten Abfragen potentieller AG sowohl überhaupt als auch hinsichtlich angestrebtem Zweck mit angestrebter Funktion einschließlich Angaben zu gewünschtem Benutzerverhalten einschließlich Temperaturwunsch nachweisen. AG sollten Planung und Objektüberwachung/Objektbetreuung gegenüber Planer beauftragen – Haftung Planer bei Über-/Unterdimensionierung der Anlage und bei Überwachungsfehlern der Errichtung, wobei die Haftung des Planers neben dem AusführungsAN den Vorteil hat, dass der Planer über Vermögensschaden – Haftpflichtversicherung immer zahlungsfähig ist.

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

AG sollten pauschalen Festpreis für voraussehbare Leistungen vereinbaren – Mehrpreis dann nur für nicht vorhersehbare Mehrleistungen auf Grund nicht vorhersehbarer geologischer Bedingungen. AG sollten tagkonkrete Leistungszeit von … bis … mit Verzugsvertragsstrafe 0,2 % je Werktag verschuldeter Verzug bis max. 5 % Nettoauftragssumme vereinbaren.

3.2.3.4

Rechtsprechung

Die Erstellung eines Baugrundgutachtens und eine Gründungsberatung sind ein Werkvertrag – ggf. besteht eine Haftung des Geologen wegen mangelnder Erfüllung der Hinweispflicht auf Schichten auch außerhalb der untersuchten Flächen – OLG Bamberg, 19.7.2006 – 3 U 193/04 IBR 2007, 1224. Für Baugrundgutachten nötige Untersuchungen hängen von Baugrundverhältnissen, örtlicher Erfahrungen, vorhandenen Aufschlüssen sowie öff. geologischen Karten ab. Haftungsrisiko des Geologen auch bei Unterschreitung HOAI-Mindestsatz – OLG Düsseldorf, Urteil 26.2.2002 – 23 U 74/01 IBR 2003, 148. Ist das vom Besteller vorzulegende Bodengutachten mangelhaft, so dass Arbeiten bis zur Vorlage neuen Gutachtens eingestellt werden müssen, hat der Besteller dem Unternehmer die Ausfälle zu ersetzen – OLG Celle, Urteil 15.6.2004 – 16 U 133/03 IBR 2005, 417. Vorbehalte in Baugrundgutachten können Bodengutachter vor Haftung bewahren, wenn sie nicht allgemein, sondern so deutlich sind, dass sowohl Bauherr als auch dessen Planer zur Überzeugung gelangen können, dass das Gutachten allein nur vorläufig und nicht Grundlage für die Festlegung einer Tiefbaumaßnahme ist (Angstklausel schützt nicht) – OLG Stuttgart, 21.8.1997 – 13 U 3/96 IBR 1999, 23. Einschaltung Sonderfachmann durch Bauherrn zur Beurteilung der Wasser- und Bodenverhältnisse entbindet den Architekten nicht von eigener Verantwortung. Fehlverhalten des Architekten ist aber nicht ursächlich, wenn Sonderfachmann Hinweise des Architekten nicht berücksichtigt hätte – OLG Hamm, Urteil 17.3.2004 – 25 U 177/03 IBR 2005, 20. Wie detailliert die Ausführungsplanung sein muss, hängt von Einzelfall ab, besonders schadenträchtige Details müssen u.U. im Einzelnen geplant und dem Unternehmen in einer jedes Risiko ausschließenden Weise verdeutlicht werden (Unternehmen hatte Werksplanung erstellt, die der Architekt ohne Überprüfung mit seinem Freigabestempel versehen hatte) – OLG Celle, Urteil 18.10.2006 – 7 U 69/06, ibr-online. Bei erkennbarem Fehler des Bodengutachtens kein Schadenersatz für Fehlbohrungen – BGH, Beschluss vom 20.12.2007 – VII ZR 49/07, ibr-online. AN muss sich vor Ausführung seines Werkes vergewissern, ob Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit der Heizanlage (hier BHKW) und die abschließende Planung dafür vorliegen – sonst Mängelhaftung wegen Verletzung Prüf- und Hinweispflicht – BGH, Urteil vom 8.11.2007 – VII ZR 183/05, NJW 2008, 511 ff. Abgebrochenes und im Bohrloch verbliebenes Bohrwerkzeug bezahlt AN, Bohrrohr AG – LG Stuttgart, Urteil 19. 12. 2003 – 2 O 247/03 IBR 2004, 186.

3.2 Vertragspraxis Geothermie – rechtliche Aspekte

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Beschädigtes/verlorengegangenes Drucksondiermaterial bei Baugrunderkundung trägt AN – SchlHOLG, Urteil 2.12.1998 – 2 U 143/97 BauR 1999, 779. AG haftet für Baugrund auch bei Brunnenbau. AN nicht schadenersatzpflichtig, wenn Brunnen nach wenigen Jahren in Folge Bodenbeschaffenheit austrocknet. Möglichkeit der Verockerung muss Brunnenbauer nicht prüfen, da dies nur durch umfangreiche Bodenproben mit besonderer Beauftragung ausgeschlossen werden könnte – entsprechend besteht auch keine Hinweispflicht auf mögliche Verockerung – LG Osnabrück, Urteil 13.10.2006 – 12 S 779/04 IBR 2007, 244. Vergütungsanspruch des Unternehmers, wenn das von ihm zu erbringende Werk vor der Abnahme in Folge Baugrund untergegangen, verschlechtert oder unausführbar geworden ist, ohne dass ein Umstand mitgewirkt hat, der vom Besteller zu vertreten ist – OLG Naumburg, Urteil 18. 03. 2004 – 4 U 127/03 IBR 2004, 481. Kabelschutzanweisung beschreibt Verkehrssicherungspflichten des Tiefbauers. Der muss ermitteln, ob die Auskünfte Dritter auf sicheren Information beruhen, sofern er sich hinsichtlich der Lage der Leitungen auf diese Auskünfte verlassen will – OLG Bremen, Urteil 18.9.2003 – 2 U 78/02 IBR 2004, 507 (OLG Jena MDR 98, 1291 – Tiefbauer u.U. verpflichtet, mit Suchschlitzen/Handschachtung genaue Kabellage zu orten). Erbringung einer Bauleistung ist nicht unmöglich, wenn das geschuldete Werk zwar nicht mit dem vereinbarten Verfahren, aber mit einem anderen Verfahren hergestellt werden kann (Bodenvernagelung mit Pfählen im Fels, Auftritt zunächst nicht erkennbarer Gleitfuge in der Hanggeologie und spätere Ausführung nach „herkömmlichem“ System) – OLG Jena, Urteil 30.04.2002 – 3 U 1144/01 IBR 2005, 1169. Ist ein Ingenieur mit der Erstellung eines Baugrund- und Gründungsgutachtens sowie mit Ausführungsvorschlägen einschließlich Kostenschätzung beauftragt, schuldet er den werkvertraglichen Erfolg mit sämtlichen für die Durchführung der Baumaßnahme erforderlichen Berechnungen und Untersuchungen – OLG Celle, Urteil 28.11.2003 – 7 U 93/03 IBR 2006, 340. Kommt es bei Verfüllen von Bodennägeln zur mehrfachen Menge an Verfüllmaterial als ausgeschrieben, weil dieses in unerwartet große Klüfte abfließt, liegt keine Leistungsänderung VOB/B § 2 Nr. 5, sondern Mengenmehrung VOB/B § 2 Nr. 3 vor – gilt jedenfalls, wenn wegen dem der Ausschreibung zu Grunde liegenden Bodengutachten mit Klüften gerechnet werden musste. Spezialtiefbauunternehmen ist nach VOB/A nicht verpflichtet, den AG auf mögliche Vervielfachung der Verfüllmengen auf Grund vorhandener Klüfte hinzuweisen – OLG Stuttgart, Urteil 16.2.2000 – 4 U 126/99 IBR 2002, 3. Für Schäden an Nachbargebäuden in Folge von Boden- und Gründungsarbeiten kann neben Architekten und Unternehmer auch der Bauherr als Nachbar ersatzpflichtig sein – im Außenverhältnis als Gesamtschuldner. Im Innenausgleich trägt ausführender Unternehmer Schaden allein, wenn weder dem Bauherrn noch dem Architekten grobe Fahrlässigkeit angelastet werden kann – Brandenburgisches OLG, Urteil 9.12.1999 – 11 U 180/99 IBR 2001, 193.

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Das Risiko der richtigen Einschätzung der Bodenverhältnisse trägt AG. Spekulationen über Anteile der verschiedenen Bodenklassen dürfen nicht zu ungewöhnlichem Wagnis und Risiko des AN führen – OLG Koblenz, Urteil 27.01.1999 – 1 U 420/96 IBR 2001, 658. Ist LV des AG erkennbar lückenhaft (Bohrlöcher mit höherem Aufwand als AN angenommen), trägt AN Kalkulationsrisiko – KG 09.11.1999 – 27 U 8522/98 IBR 2003, 1027. Bauleistung muss zum Zeitpunkt der Abnahme aaRdT entsprechen, auch für Änderung energetischer Anforderung durch Gesetz – BGH 14.5.1998, NJW 1998, 2814. Bauüberwachender Planer haftet für unrichtige Bautenstandsberichte mit der Folge von Zuvielzahlungen – BGH, Urteil vom 25.9.2008 – VII ZR 35/07, IBR 2008, 743; Achtung: Keine Deckung durch Architektenhaftpflicht laut OLG Dresden, Beschluss vom 14.08.2012 – 4 W 734/12, IBR 2013, 610. Bei Ausschluss von § 768 BGB in AGB des AG ist Sicherungsabrede insgesamt nichtig (BGH, Beschluss vom 27.5.2008 – XI ZR 475/07, IBR 2008, 444).

3.3 Ausgewählte rechtliche Fragestellungen

3.3

95

Ausgewählte rechtliche Fragestellungen REINER BRUMME

3.3.1

Genehmigungsverfahren

3.3.1.1

Immissionsschutzrecht

Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht gilt weder für Anlagenteile über Tage noch unter Tage (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Bundesimmissionsschutzgesetz – BImSchG). Die Vorgaben des § 22 BImSchG sind zu realisieren. Hinsichtlich der mehrmonatigen Tiefbohrungen und der Kraftwerksbetreibung sind die Einhaltung der TA Lärm für den Betrieb bzw. der Richtlinien für Baulärm (AV Baulärm) für die Bauzeit zu sichern. Die Anwendung der verschiedenen Regelungen ist derzeit strittig – auf BVerwG, Urteil vom 10.07.2013 – 7 A11.11, 7 A 12.11 und 7 A 24.11, IBR 2013, 238 wird hingewiesen. Jedenfalls hat der Antragsteller der Bergbehörde im Rahmen der Hauptbetriebsplan-Unterlagen in einer Immissionsprognose nachzuweisen, dass die entsprechenden Immissionsrichtwerte eingehalten werden können. Für die Tiefbohrarbeiten besonders zu beachten sind Sonderregelungen hinsichtlich der Arbeiten an Wochenenden und in der Nacht. Die Lärmschutzregelungen sind besonders bei Tiefbohrarbeiten in der Nähe von Gebieten mit Wohnungen strikt einzuhalten, da einstweilige Verfügungen von Anwohnern über das Gericht zum mehrwöchigen Bohrstopp bei Tagessatzkosten von z.B. bis zu 50 T€ allein für die Bohranlage mit Mannschaft führen können. Vorhersehbare Problemnachbarn sollten aus dieser Sicht z.B. freiwillig auf einen vom Projektbetreiber zu bezahlenden Auslandsurlaub gehen. Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen wie dem Arbeitsfluid im ORC-/Kalina-Kreislauf des Kraftwerkes unterliegen wasserrechtlicher Eignungsfeststellung bzw. Bauartzulassung. Druckgeräte unterliegen dem Produktsicherheitsrecht und Arbeitsschutzrecht. Bei großen Anlagen mit mehr als 10 t hochentzündlichem Stoff (Arbeitsfluid) bestehen die Notwendigkeit eines Störfallkonzepts und der Anzeigepflicht nach StörfallVO. Für Dampf- oder Warmwasserrohrleitungen ab 5 km Länge oder weniger als 5 km Länge im Außenbereich besteht Planfeststellungs- oder -genehmigungspflicht gemäß UVP-G. Hier ist jeweils eine UVP-Vorprüfung erforderlich, woraus sich bei UVP-Pflicht die Planfeststellung und bei Nichtvorliegen einer UVP-Pflicht die Plangenehmigung ergeben.

3.3.1.2

Naturschutzrecht

Die Projekte sind vor ihrer Zulassung gem. § 34 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und den entsprechenden Landesgesetzen auf Einhaltung der Erhaltungsziele eines FFH- oder Naturschutzgebietes oder eines Europäischen Vogelschutzgebietes zu überprüfen. Bei zu erwartenden erheblichen Umweltbeeinträchtigungen ist das Vorhaben unzulässig.

96

3.3.1.3

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Flächen und Wege für Leitungen

Die verschiedenen Regelungen im Zivilrecht, Energiewirtschaftsrecht, Kommunalrecht sowie Straßen- und Wegerecht bieten keine durchsetzbaren gesetzlichen Ansprüche auf die Inanspruchnahme bestimmter Grundstücke. Anlagenerrichter und -betreiber sind bei Bau und Betrieb auf die Bereitschaft der privaten Grundstückseigentümer oder/und Kommunen zum Abschluss entsprechender Verträge der Nutzung bzw. Dienstbarkeiten mit entsprechender grundbuchlicher Sicherung angewiesen. Vorausschauend besteht bei Interesse der Kommunen die Möglichkeit der Nutzung der gemeindlichen Planungshoheit für Bauleitpläne nach BauGB.

3.3.1.4

Strahlenschutzrecht

Beim Betrieb von tiefen geothermischen Anlagen können insbesondere im Rheingraben und im Norddeutschen Becken durch die dort vorhandene natürliche Radioaktivität Strahlenschutzbestimmungen einzuhalten und umzusetzen sein. Dies können Ra-Nuklide, Pb und K sowie die γ-Strahlung sein. Es besteht eine vermutliche Korrelation zwischen Salinität und Aktivitätskonzentration, wobei der Anteil der Radionuklide am Massestrom vernachlässigbar ist. Die äußere Strahlenexposition für Beschäftigte dürfte bei allgemeiner Tätigkeit nicht problematisch sein. Ein erhöhtes Freisetzungspotenzial besteht bei Montage- bzw. Reinigungsarbeiten im Zusammenhang mit radioaktiven Stoffen bei spezifischen Aktivitäten von ≈ 500 Bq g-1, welche zu einer effektiven Jahresdosis pro Beschäftigten von ≈ 1,6 mSv führen – im Vergleich beträgt die mittlere effektive Jahresdosis der Bevölkerung durch natürliche Strahlenquellen ≈ 2,1 mSv. Als Maßnahmen kommen hier Aufenthaltsbegrenzungen, Tragen von Schutzkleidung und Verhinderung von Bodenkontaminationen in Frage. Spezielle Aufmerksamkeit ist der Entsorgung von skalierten und korrodierten Leitungen, Armaturen, Flanschen, Wärmetauschern, Pumpen und sonstigen Anlagenteilen zu widmen. Hier sind neben den Bestimmungen der StrlSchV das Abfallrecht (KrW-/AbfG, AbfAblV, DepV, TAAbfall) mit den entsprechenden Entsorgungsnachweisen und Deklarationsanalysen,das Transportrecht (ADR/GGVSE) und die Deponiebestimmungen zu beachten und umzusetzen. Ein Antrag auf Entlassung aus der Überwachung nach StrlSchV, Anl. XII kann durch gemeinsame Deponierung (Teil C) bei > 1 Bq g-1, Nachweis < 1 mSv a-1 für Deponie (Teil D) bei > 50 Bq g-1 und Immobilisierung zum Schutz des Grundwassers bei > 100 Bq g-1 erfolgen. Expositionsabschätzungen und Entsorgungsempfehlungen für Anlagen der Tiefen Geothermie bzw. dort die betreffenden Anlagenteile sollten geprüft und ggf. erarbeitet und umgesetzt werden.

3.3 Ausgewählte rechtliche Fragestellungen

97

Nach Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) ist bei einer Strahlenexposition im Kalenderjahr für Beschäftigte unter 6 mSv ein allgemeines Gebot zur Dosisminimierung und bei über 6 mSv eine Information der Behörde mit Überwachungspflicht vorliegend.

3.3.2

Geodaten

Zur Reduzierung von Fündigkeitsrisiken, für eine sicherere Planung und für eine möglichst genaue Prognose der Entwicklung der Förderraten, der Temperatur und des Wasserchemismus sowie der Ausbildung und Entwicklung von Absenkungstrichter und Abkühlungsradius um die Bohrungen herum mit eventuellen wechselseitigen Beeinflussungen zu Nachbarfeldern in der jahrzehntelangen Betreiberphase, werden möglichst umfassende Geodaten aus dem näheren und weiteren räumlichen Bereich des vorgesehenen Projekts benötigt.175 Geodaten sind Informationen, denen auf der Erdoberfläche eine bestimmte räumliche Lage zugewiesen werden kann (Geoinformationen, Geobezug). Sie können unmittelbar gewonnene Primärdaten oder weiter bearbeitete Sekundärdaten sein. Von besonderer Bedeutung für Geodaten sind Metadaten, die die eigentlichen räumlichen Daten z.B. hinsichtlich eines Zeitbezugs oder der Entstehung beschreiben. Geodaten gliedern sich in die Geobasisdaten, die i.d.R. von den Vermessungsverwaltungen der Länder oder der Kommunen bereitgestellt werden und in die Geofachdaten, die aus unterschiedlichen raumbezogenen Fachdaten, hier der Geologie, Hydrogeologie, Geophysik und Geochemie stammen. Eine weit verbreitete Objektmodellierung in Geoinformationssystemen (GIS) ist es, derartige Objekte einerseits mit ihrer geometrischen Form (shape) und andererseits mit der zugehörigen Sachinformation (Attribute) abzulegen. Letztere können sich auch mit einer Referenz auf das geometrische Objekt beziehen. Für die Modellierung von Geodaten werden i.d.R. die geometrischen Formprimitiven Punkt, Linie und Flächen unterschieden. Bei einer dreidimensionalen Dimension (3D) haben alle Punkte eine x-, y- und z-Koordinate. Die Qualität der Geodaten kann nur auf der Basis der Qualitätsmerkmale im Hinblick auf die konkrete Fragestellung nach den Qualitätsparametern der ISO-Norm 19113 Vollständigkeit, logische Konsistenz, Positionsgenauigkeit, zeitliche Genauigkeit und thematische Genauigkeit bestimmt werden. Die Geokoordinaten sind frei zugänglich. Der Zugang zu digitalen Geodaten auch in Form von geologischen Geodaten ist für geodatenhaltende Stellen des Bundes und der bunde-

175

Die Ausführungen richten sich an potentielle Errichter und Betreiber von Anlagen der tiefen Geothermie, die bisher in Person von Kommunen, Stadtwerken oder privaten Investoren keine geologischen Vorkenntnisse haben und regelmäßig erstmals und auch insgesamt nur einmal ein solches Projekt bearbeiten. Die in Fachkreisen der tiefen Geothermie vorhandene Auffassung „Geodaten = geologische Fachdaten“ ist für den mit den Ausführungen angesprochene o. g. Personenkreis eventuell irreführend, da geologische Fachdaten eben nur ein Teil der Geodaten auch in der Definition des GeoZG ausmachen. Deshalb erfolgte eine Art Darstellung zum Verständnis dieses Personenkreises für das Thema. Bei der Nutzung der geologischen Geodaten Dritter sollten bisherige Erfahrungen der Einholung/dem Einkauf solcher Daten gegenüber der Auftraggeberseite auch unter Berücksichtigung der Haftung der planenden Ingenieurbüros bei nicht konkretem Hinweis auf die Nutzungsmöglichkeiten dieser Daten beachtet werden. Auftraggeber würden bei Nichtnutzung dieser Daten auch ihr eigenes Haftungsrisiko nach außen und nach innen erhöhen.

98

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

sunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Geodatenzugangsgesetz – GeoZG geregelt176. Für Projekte der Tiefen Geothermie relevante konkrete geologische Geodaten aus vorangegangenen Tiefbohrungen sind bisher aus der deutschen Erdöl- und Erdgasindustrie und zunehmend von in Betrieb bzw. in der Realisierung befindlichen Projekten der Tiefen Geothermie vorliegend. Diese sind Geschäftsgeheimnis der privaten Firmen, die diese Daten gewonnen haben. Der Zugang zu Daten des tieferen Untergrundes kann über eine zentrale Internetrecherche in ein umfangreiches analoges Archiv mit Industrieberichten der E&P-Aktivitäten, relationale Datenbank- und GIS-Systeme beim Verbund-Kohlenwasserstoffgeologie (KW-Verbund) erfolgen. Hier sind Nachweisdaten (auch: Titeldaten oder Stammdaten) mit Bohrungsnamen, Bohrzeiten, Koordinaten, Endteufen, Endhorizonten, Auftraggeber, Existenz von Kernen und Kernuntersuchungen, Existenz von Bohrlochmessungen, Lage von seismischen Profilen etc. über eine kostenlose Registrierung bei www.lbeg.niedersachsen.de abrufbar. Die hier eingestellten Daten können recherchiert, selektiert und auf dem eigenen Rechner abgespeichert werden. Die heruntergeladenen Daten lassen sich in eigene GIS-Anwendungen importieren oder mit Hilfe üblicher Programme analysieren. Alternativ können Nachweisdaten bei den zuständigen Geologischen Diensten des betreffenden Bundeslandes angefragt werden. Werden durch die Internetrecherche der Nachweisdaten geeignete Bohrungen, seismische Profile (2D), Surveys (3D) oder weitere Informationsquellen identifiziert, kann für Datenanfragende mit berechtigtem Interesse (Geothermiekonzessionsinhaber, Unternehmen im Auftrag eines Geothermiekonzessionsinhabers, Unternehmen im Vorfeld einer Erlangung einer Geothermiekonzession, Gemeinden/Behörden mit Geothermieplanung, Universitäten und Forschungseinrichtungen mit Projekten in Bezug auf Geothermie) nach Unterzeichnung einer Vertraulichkeits- und Einsichtnahmeerklärung eine Dateneinsichtnahme beim LBEG Niedersachsen erfolgen, um Qualität und Quantität der 176

Gesetz über den Zugang zu digitalen Geodaten (Geodatenzugangsgesetz – GeoZG) vom 10.2.2009, BGBl. 2009, 278 ff. Die Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur vom 14.3.2007 (Richtlinie 2007/2/EG, ABl. L. 108/1-INSPIRE) sieht die Schaffung von Datenstrukturen in den Mitgliedsstaaten für die Sammlung von Geodaten mit Vernetzung auf europäischer Ebene vor. Dazu müssen die Mitgliedsstaaten gem. Art. 11 Metadaten erzeugen und diese Daten in einem öffentlich über das Internet verfügbaren Netz zugänglich machen. Nach Art. 13 der Richtlinie kann der öffentliche Zugang zu den Geodatensätzen u.a. wegen Vertraulichkeit von Geschäfts- oder Betriebsinformationen zum Schutz berechtigter wirtschaftlicher Interessen oder bei Daten geistigen Eigentums oder personenbezogenen Daten beschränkt werden. INSPIRE wurde durch o.g. GeoZG in deutsches Recht umgesetzt. Einen über INSPIRE hinausgehenden Anspruch auf Zugang zu Geodaten enthält das GeoZG nicht. Es bleibt vielmehr dabei, dass die Zugänglichkeit von Geodaten durch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse beschränkt ist. Das Bundesberggesetz und das Lagerstättengesetz enthalten keine Anspruchsgrundlagen für den Zugang zu Geodaten. Andere Fachgesetze wie das Umweltinformationsgesetz (UIG), das IFG und das VwVfG enthalten ebenfalls keine speziellen Anspruchsgrundlagen für diesen Zugang. Nach § 9 des Lagerstättengesetzes waren die Beamten, Angestellten und Beauftragten der geologischen Anstalten zur Geheimhaltung der aufgrund des Gesetzes zu ihrer Kenntnis gelangten Tatsachen verpflichtet. § 9 Lagerstättengesetz wurde 1974 aufgehoben. Die Aufhebung dieser Vorschrift bedeutet nicht, dass die behördliche Pflicht zur Geheimhaltung dieser Geodaten aufgehoben wurde. Aus der Gesetzesbegründung zur Aufhebung von § 9 Lagerstättengesetz nach BT-Drs. 7/550 ergibt sich die Aufhebung allein deshalb, weil gleichzeitig in das Strafgesetzbuch allgemeine Vorschriften über die Verletzung von Privatgeheimnissen durch Amtsträger und für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete eingefügt wurden – StGB § 203 Abs. 2 Nr. 1 + 2. „Grüne“ Willensbekundungen und fordernde Begründungen politisch-moralischer Art für eine Art freien Zugang zu geologischen Geodaten entsprechen nicht der Rechtslage.

3.3 Ausgewählte rechtliche Fragestellungen

99

Fachdaten abschätzen zu können. Einsichtnahme bedeutet reines Ansehen – keine Kopien, keine Bearbeitung, keine Fotos, keine inhaltlichen Notizen, keine Handys, keine Fotoapparate. Ist es für entsprechende Projekte nötig, mehr als eine Dateneinsichtnahme in Daten zu erhalten, ist dies bei vertraulichen Daten nur mit vorheriger Zustimmung der Dateneigentümer möglich. Aus der Internetrecherche der Nachweisdaten können die Dateneigentümer (Operatorfirmen) extrahiert werden. Diese entscheiden selbständig entsprechend konkreter Antragstellung von Interessenten hinsichtlich z.B. Bohrungen, Profile, Surveys, Form der benötigten Daten (Kopien, digitale Daten, Formate) und Zweck der Verwendung über die Herausgabe zu welchen Bedingungen unter Berücksichtigung eigener Interessen bzw. Rechte im betreffenden Feld. Bei entsprechender Einverständniserklärung der Dateneigentümer kann der Bezug benötigter Daten bei den staatlichen Behörden erfolgen. Eine weitere internetgestützte Datenbank mit interaktiven Recherchemöglichkeiten für geologische Informationen, Interpretationen und Einschätzungen aus vorhandenen Bohrungen und geologischen Untersuchungen mit Fachinformationssystemen zu den Bereichen Hydraulik und Geophysik ist das „GEOTHERMISCHE INFORMATIONSSYSTEM FÜR DEUTSCHLAND (GeotIS)“.177 Hier sind Metadaten hinsichtlich Seismik, Bohrungen und Eigentümer sowie bearbeitete Fachdaten zu Temperatur, Struktur und Hydraulik vorhanden. Fachdaten zu chemischen Eigenschaften sind aufgenommen und werden noch eingebunden. Das System ist unter www.geotis.de nutzbar. Über den Hinweis auf den Dateneigentümer können von diesem dann weitere Fachinformationen auf vertraglicher Grundlage bezogen werden. Zur Minderung des Fündigkeitsrisikos und höheren Sicherheit für die jahrzehntelange Betreiberphase wird die Nutzung sowohl der Daten des KW-Verbundes als auch des GeotIS empfohlen. Die damit verbundenen Kosten sind im Verhältnis zu den Gesamtkosten eines Tiefen Geothermie-Projektes und dabei auch zu Kosten fehlgeschlagener Bohrung marginal. Bei allen Bohrungen ist der Bohrungsoperator gegenüber dem Geologischen Landesdienst verpflichtet, die Bohrung zwei Wochen vor Bohrbeginn anzumelden, während des Bohrvorgangs einen monatlichen Bohrbericht mit Stand um Monatsletzten und einen monatlichen Geologischen Bericht in digitaler Form zuzusenden sowie in einer angemessenen Zeit nach Erreichen der Endteufe (ca. 3 Monate nach Ergebnisfeststellung) bohrlochweise Schichtenverzeichnisse in digitaler Form zu übersenden. Inhalt und Form der monatlichen Geologischen Berichte und des Schichtenverzeichnisses richten sich nach dem Standard des Erdölgeologischen Austausches (ATS-Standard). Berichtsmuster und ein Erfassungsprogramm sind beim jeweiligen Geologischen Landesdienst erhältlich. Auf Verlangen der zuständigen Behörde ist der Inhaber einer Erlaubnis/Bewilligung verpflichtet, für den Zeitraum seiner Tätigkeit innerhalb von 6 Monaten nach dem Ablauftermin der Erlaubnis/Bewilligung bzw. nach Wechsel des Inhabers einen Endbericht mit Darstellung der wichtigsten Ergebnisse aller geophysikalischen, geochemischen und geologischen Untersuchungen sowie aller Bohrungen abzuliefern.

177

Freischaltung erfolgte am 28.5.2009.

100

3.3.3

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Vergabe- und Ausschreibepflichten für tiefengeothermische Anlagen

Aufgrund der Gesamtkosten üblicher Tiefer Geothermie-Projekte im zweistelligen Millionenbereich mit untergliederten Kosten der Vorerkundung im einstelligen Millionenbereich, der Bohrungen im zweistelligen Millionenbereich und dem Kraftwerksbau ebenfalls im zweistelligen Millionenbereich sind regelmäßig sowohl die Planungsleistungen als auch die Bohrungen und die Kraftwerksbauleistungen ausschreibungspflichtig. Dies betrifft sowohl öffentliche als auch private Projektträger. Regelungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vgv), rechtliche Bestimmungen der Länder wie das Gesetz zur Mittelstandsförderung in Baden-Württemberg, das Gesetz über die Vergabe von Bauaufträgen im Freistaat Bayern und das Bayerische Gesetz über die Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen sowie der freien Berufe, das Gesetz zur Förderung des Mittelstandes im Lande Brandenburg, das Landesvergabegesetz von Niedersachsen oder das Landesgesetz über die Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen sowie der in der Wirtschaft tätigen freien Berufe von Rheinland-Pfalz sind mit den haushaltrechtlichen Bestimmungen des Bundes und der Länder wie § 55 Bundeshaushaltsordnung (BHO) mit Vorläufiger Verwaltungsvorschrift und § 55 der jeweiligen Landeshaushaltordnungen (LHO) i.V. mit den in den Gemeindehaushaltsverordnungen praktisch wie in § 55 BHO geregelten Bestimmungen zu beachten und umzusetzen. Da es sich um Anlagen der Energieversorgung handelt, sind zusätzlich Bestimmungen der EG-Sektorenrichtlinie (SKR) und das Europäische Beihilferecht zu beachten. Bei Inanspruchnahme von öffentlichen Fördermitteln sind Leistungen ausschreibungspflichtig. Haushalts- und Zuwendungsrecht fordern eine Ausschreibung aller Aufträge für Projekte, die mit staatlichen Zuwendungen gefördert werden, oberhalb einer Schwelle von 100 T€ – dabei kann der Zuwendungsempfänger innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Bereichs angesiedelt sein und derartige Leistungen der Erfüllung institutioneller oder projektbezogener öffentlicher Ausgaben wie Forschung und Entwicklung dienen.178 Es werden zunächst geologische, hydrogeologische, geophysikalische und geochemische Planungsleistungen erbracht, die i.d.R. einheitlich Dienstleistungscharakter aufweisen. Etwaige Lieferleistungen hinsichtlich Plänen und Zeichnungen sind nachrangige Teile. Die Verträge über Leistungen im Rahmen von Vorstudien, Machbarkeitsstudien oder/und Projektplanung sind Dienstleistungsaufträge gem. § 99 Abs. 4 GWB. Bei Vereinbarung der Projektplanung gemeinsam mit der Bauausführung z.B. im Rahmen eines GÜ-Vertrages umfasst der Bauauftrag auch die Planungsleistung (§ 99 Abs. 3, 2. Alt. GWB). Bei Aufteilung der Planungsleistungen in mehrere Lose an unterschiedliche Auftragnehmer hat gem. § 3 Abs. 2 + 5 VgV grundsätzlich eine Gesamtbetrachtung zu erfolgen. Die Planungsleistungen zur Förderung der Erdwärme haben zunächst eine andere wirtschaftliche und technische Funktion als die Planungsleistungen für Kraftwerk oder/und Fernwärmenetz. Die einheitliche Funktion der nur gemeinsam nutzbaren Planungsleistungen führen zum Ergebnis einer einheitlichen Funktion eines geothermischen Kraftwerkes zur Wärme178

Regierungsrat Prof. Dr. Meinhard Dreher, Mainz, NZBau 2008, 93 mwN.

3.3 Ausgewählte rechtliche Fragestellungen

101

oder/und Stromerzeugung. Der maßgebliche Schwellenwert ist bei üblichen Projekten der Tiefen Geothermie regelmäßig überschritten. Bei stufen- bzw. abschnittsweiser Beauftragung der Ingenieurleistungen für das Fernwärmenetz ist eine Gesamtbetrachtung geboten. Einzelaufträge und nicht Lose eines Gesamtbauwerkes liegen nur vor, wenn zwischen ihnen kein zwingender praktischer und technischer Zusammenhang besteht. Bauabschnitte bzw. verschiedene Ringleitungen müssten daher jeweils allein für sich eine sachgerechte Nutzung und brauchbare Funktion ermöglichen. Bei funktionalem Zusammenhang verschiedener Bauabschnitte bzw. Ringleitungen ist bei der Schwellenwertberechnung von der Honorarhöhe für alle Bauabschnitte auszugehen179. Planungsaufträge für die Leistungsphasen 4 bis 9 § 55 HOAI sind daher regelmäßig auch bei bauabschnittsweiser Erteilung hinsichtlich Schwellenwertberechnung zusammen zu betrachten. Im Sektorenbereich sind nicht vorab eindeutig und erschöpfend beschreibbare freiberufliche Dienstleistungen weder nach VOF noch nach VOL/A zu bearbeiten. Solche Aufträge sind nach den Regelungen in §§ 97 ff. GWB und §§ 1 ff. VgV und im Übrigen nach der Sektorenrichtlinie zu vergeben. Im Bund und für Länder ist die verbindliche Einführung der Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW 2008) seit dem 1.1.2009 zu beachten180. Die Ausführungsleistungen umfassen neben den Bohrleistungen die Errichtung mehrerer technischer Anlagen wie Kraftwerk und Leitungssysteme und sind regelmäßig gem. § 1, 1a VOB/A, Art. 1 Abs. 2 lit. b) VKR und § 99 Abs. 3 GWB Leistungen für Bauwerke. Die Errichtung des Kraftwerkes oder einer Heizanlage macht regelmäßig den Hauptgegenstand aus, wenn auch die Kosten für Lieferung Turbine und Generator bzw. Heizkessel die Baukosten übersteigen können. Die Leistungspflichten haben i.d.R. die Schaffung eines Bauwerkes in Form des Kraftwerkes/der Heizanlage zum zentralen Gegenstand, womit die Bauleistungen vertragsprägend sind. Die zugrundeliegenden Aufträge sind dann insgesamt Bauaufträge.181 Bei Komplettierung kann eine Rohrlieferung den Schwerpunkt nur der Komplettierung bilden, weswegen der Einbau dann Nebenarbeit gem. Art. 1 Abs. 2 lit. c) Abs. 2 VKR mit der Folge der Einordnung der Komplettierung als Lieferleistung ist. Private als alleinige Projektträger gelten nach § 94 Nr. 4 GWB als öffentliche Auftraggeber (Sektorenauftraggeber), 179

OLG Brandenburg hat mit Beschluss vom 20.8.2002 Az. Verg W 4/02 bei Straßenbau entschieden, dass einzelne Bauabschnitte Einzelaufträge und nicht Lose eines Gesamtbauwerkes sind, wenn zwischen ihnen kein zwingender technischer und praktischer Zusammenhang besteht und jeder Bauabschnitt für sich in verkehrstechnischer Hinsicht eine sachgerechte Nutzung für Verkehrsteilnehmer möglich macht. 180 Richtlinien für Planungswettbewerbe, Einführung zum 1.1.2009 für den Bundesbau mit Erlass 21.11.2008, Bundesanzeiger Nr. 182 v. 28.11.2008 und verschiedenen Länderregelungen an Stelle der bisherigen Grundsätze und Richtlinien für Wettbewerbe – GRW 1995 und Richtlinien für Architektenwettbewerbe – RAW. 181 Die Ausnahmeregelung § 11 VgV für Auftraggeber, die nach BBergG eine Aufsuchungserlaubnis oder eine Gewinnungsbewilligung erhalten haben und vom Anwendungsbereich §§ 97 ff. GWB bzw. der Vergaberichtlinien ausgenommen sind, trifft bei Projekten der tiefen Geothermie nicht zu, da es sich bei Geothermie nicht um einen Brennstoff wie Erdöl, Gas oder Kohle handelt. Die Ausnahmeregelung § 5 VgV für freiberufliche Dienstleistungen mit vorab nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbaren Lösungen und Anwendungsbereich damit der VOF trifft ebenfalls nicht zu, da nach § 5 Satz 3 VgV die VOF nicht für Aufträge im Sektorenbereich gilt. Zum Sektorenbereich gehört unter anderem gem. § 8 Nr. 2 + 3 VgV die Strom- und Wärmeversorgung. Die Anwendung der VOL/A (4. Abschnitt) für Dienstleistungsaufträge im Bereich der Strom- und Wärmeversorgung gem. § 7 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 VgV erfolgt auch nicht, da nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 VgV ausdrücklich Aufträge im Sinne § 5 VgV ausgenommen sind.

102

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

wenn diese auf dem Gebiet u.a. der Energieversorgung auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten tätig werden oder öffentliche Auftraggeber gem. § 98 Nr. 1 bis 3 GWB auf diese Personen einen beherrschenden Einfluss ausüben können.182 Private Projektträger gelten damit häufig als öffentliche Auftraggeber und müssen von ihnen vergebene Leistungen öffentlich ausschreiben. Wegen der knappen Tiefbohrkapazitäten in der Betrachtung befindliche oder ohne vorangegangene öffentliche Ausschreibung abgeschlossene Bohrreservierungsverträge sind regelmäßig vergaberechtswidrig und damit nichtig. Ohne öffentliche Ausschreibung erfolgter Vertragsabschluss für Planungsleistungen, Tiefbohrleistungen oder/und Kraftwerks- und Leitungsbau ist vergaberechtswidrig und damit nichtig.183 Vergaben von Planungsleistungen oder/und Ausführungsleistungen im Rahmen sogenannter Netzwerke oder Kompetenzgruppen verschiedener natürlicher und juristischer Personen ohne vorangegangene öffentliche Ausschreibung aller Leistungen sind regelmäßig vergaberechtswidrig und damit nichtig. Hinsichtlich nichtiger Verträge besteht für die beteiligten privaten oder öffentlichen Auftraggeber, daneben die handelnden Vertreter dieser Auftraggeber und auch die Auftragnehmer mit ihren gesetzlichen Vertretern entsprechende zivilrechtliche, kommunalrechtliche, beihilfenrechtliche und strafrechtliche Haftung. Die Vermeidung dieser Haftung ist rechtlich nicht wirksam ausschließbar.184

182

Der private als alleiniger Projektträger hat über sein Bergbaurecht eine lokale Exklusivität innerhalb seines Erlaubnis- oder Bewilligungsfeldes, von der jeder Dritte ausgeschlossen ist. Daneben besteht eine generelle Exklusivität aus § 6 BBergG, da das Aufsuchen und Gewinnen insgesamt nur Bergbauberechtigten vorbehalten ist. Einem privaten Projektträger werden für die Einspeisung in ein kommunales Fernwärmenetz regelmäßig vertragliche Vorzugsrechte eingeräumt, z.B. über Mindestabnahme im Rahmen des Wärmeliefervertrages. Dies ist eine vertragliche Exklusivität im Sinne § 98 Nr. 4 GWB. Nach Art. 2 Abs. 3 SKR ist die durch die Bergbauberechtigung gewährte lokale und generelle Exklusivität i.V. mit der regelmäßig vorliegenden vertraglichen Exklusivität nach h. M. ein besonderes und ausschließliches Recht, mindestens jedoch ein besonderes Recht nach Art. 2 Abs. 3, Art. 2 Abs. 3 lit. b) SKR. Ein rein privater Projektträger ist Sektorenauftraggeber nach § 98 Nr. 4, 1. Alt. GWB. Soweit der private Projektträger beispielsweise durch die Kommune im Sinne § 98 Nr. 4 GWB beherrscht werden kann, ist er wie auch ein öffentlicher Projektträger grundsätzlich zur europaweiten Ausschreibung der Leistung verpflichtet. 183 BGH, Urteil vom 1.2.2005 NZBau 2005, 290; Europäischer Gerichtshof Urteil vom 11.1.2005 VergabeR 2005, 44 ff. mit Risiko einer Vertragsverletzungsklage der EU-Kommission gegen die BR Deutschland und empfindlichen Zwangsgeldern. 184 Vorliegende langjährige Erfahrungen belegen, dass Konkurrenten von privaten Auftragnehmern oder auch von benachbarten öffentlichen Auftraggebern, im Streit ausgeschiedene oder sogar auf der Gegenseite neu tätige ehemalige Mitarbeiter beider Seiten, Wechsel in der Person von Amtsinhabern auf der Ebene des öffentlichen Auftraggebers selbst oder in übergeordneter fachlich anleitender oder Kontrollebene, Wechsel in der Person von Bearbeitern für Beihilfen/Fördermitteln bis hin zur Änderung persönlicher Verhältnisse mit Ehegatten/Freundin/Freund Kenntnisse zur auch mehrjährig nachträglichen korrigierenden „Bearbeitung“ von Vorgängen nutzen. Aufgrund der bisher geringen Projektzahl im überschaubaren zeitlichen Rahmen mit bisher geringer Zahl handelnder Personen liegen diese langjährigen Erfahrungen gegenwärtig nur nicht im Personenkreis der in der tiefen Geothermie Handelnden persönlich vor. Gelernt werden soll jedoch aus den bereits vorliegenden Erfahrungen anderer, ohne dass jeder selbst erst für sich oder die Firma/Kommune bittere und mindestens das wirtschaftliche Leben einschränkende/beendende Erfahrungen sammeln soll. Letzte erst am 25.5.2009 bisher nur online in ibr-online veröffentlichte Entscheidung ist durch das BVerfG am 2.4.2009 ergangener Beschluss Az. 2 BvR 1468/08 zu Strafbarkeit gem. § 298 StGB wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen.

3.3 Ausgewählte rechtliche Fragestellungen

103

Aufträge im Zusammenhang mit tiefengeothermischen Projekten unterliegen bei Erreichung des jeweils einschlägigen Schwellenwertes regelmäßig sowohl für private als auch öffentliche Projektträger der europaweiten Ausschreibungspflicht. Bei der Realisierung der Ausschreibungspflicht selbst ist bei den Vorgaben der Inhalte, Fristen und Bedingungen einschließlich ökonomischer Erwartungen in Form von Preisvorstellungen die aktuelle Marktlage der zeitlichen Verfügbarkeit und der Kosten von Planungsleistungen, Tiefbohrkapazitäten und von Kraftwerksbauten einschließlich Turbinen und Pumpen zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Bohrung, der Kraftwerksausstattung und Armaturen, Leitungen sowie Pumpen sollten nach Möglichkeit die Standzeiten und Wartungszyklen für eine zeitlich zu bestimmende und auf die zu erwartende Förderleistungen abgestimmte Lebenszykluszeit mit Kostenlimit pro Jahr vorgegeben werden. Im Vergabeverfahren sind der Wettbewerbsgrundsatz, das Transparenzgebot, das Gleichbehandlungsgebot und der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Gebot gem. § 97 GWB mindestens zu sichern. Im Rahmen der Sektorenrichtlinie kommen gem. § 3 Nr. 2 SKR unter der Voraussetzung eines Aufrufes zum Wettbewerb gem. § 8 SKR mit öffentlicher Bekanntmachung die Verfahrensarten – offenes Verfahren (Vergabe nach öffentlicher Aufforderung einer unbeschränkten Zahl von Unternehmern zur Einreichung von Angeboten), – Nichtoffenes Verfahren (Vergabe nach öffentlicher Aufforderung einer beschränkten Zahl von Unternehmern zur Einreichung von Angeboten) und das Verhandlungsverfahren (AG wendet sich an ausgewählte Unternehmer und verhandelt über den Auftragsinhalt) – zur Anwendung. Im Weiteren gelten die üblichen Regelungen der SKR und des GWB. Ausschreibungen mit offenen oder verdeckten Vorgaben, die nur auf das eventuell intern vorher abgestimmte Angebot einer Firma oder überhaupt nur auf eine Firma zielen, sind vergaberechtswidrig. Ergebnislos durchgeführte Ausschreibungen sind kein genügender Grund für eine freihändige Vergabe.

3.3.4

Nutzungskonkurrenz und Interferenz

3.3.4.1

Einleitung

Ein Gespenst geht um. Nein – nicht in Europa, aber in der Tiefen Geothermie. Genannt „Interferenz“ oder „Nutzungskonkurrenz“. Handelnde sollten vor Nutzung dieser beiden Wörter mögliche gravierende Folgen für sich selbst und andere Beteiligte bedenken. Hier stehen die Existenz ganzer Projekte und damit kompletter Firmen oder/und Ingenieurbüros zur Disposition – ein tiefengeothermisches Projekt in Oberbayern mit 5 MWel Leistung kostet ca. 60 Mio. €. In der Tiefen Geothermie können Gewinnungsfelder überhaupt im gesamten deutschen Staatsgebiet geologisch bedingt benachbart sein. Im Bereich des Heißwasseraquifers im Malm von Oberbayern sind um München z. Zt. 95 Anlagen (86 mit Erlaubnis, 9 mit Bewilligung) direkt und jeweils untereinander benachbart – die Feldesgrenzen sind gleichzeitig die Grenzen jeweils benachbarter Anlagen. Benachbarte tiefengeothermische Anlagen können sich durch die jeweiligen Gewinnungstätigkeiten in den betreffenden Feldern wechselseitig beeinflussen, beeinträchtigen oder gefährden. Nutzungskonkurrenzen bestehen oder entstehen. Durch die Lage des Feldes, den Verlauf der Feldesgrenzen und die Lage der Bohr-Doublette ist ein hydraulischer Kurzschluss zu verhin-

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

dern und soll die Kommunikation der Wässer zwischen den verschiedenen Feldern vermieden werden. Ansonsten würde die Investitionssicherheit der gesamten tiefengeothermischen Anlage gefährdet oder beseitigt werden.

3.3.4.2

Hydraulik, Temperatur, Wasserchemismus

Wesentlich sind Einwirkungen auf die ökonomisch relevanten Komponenten   

hydraulische Verhältnisse mit Druck und Zufluss, Temperatur oder/und Wasserzusammensetzung (Chemismus, Gase, Mikrobiologie, Radioaktivität …).

Veränderungen dieser Komponenten können die Gewinnung aus bestimmten tiefengeothermischen Anlagen so beeinträchtigen oder gefährden, dass die Gewinnung ökonomisch nicht mehr sinnvoll ist.

3.3.4.3

Beeinflussung, Beeinträchtigung oder Gefährdung?

Auf das Recht aus der bergrechtlichen Bewilligung zur Gewinnung von Geothermie in einem Feld an den dortigen Bohrungen sind die für Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts entsprechend anzuwenden (§ 8 Abs. 2 BbergG). Die in § 8 Abs. 2 BBergG verwendete Formulierung „Ansprüche aus dem Eigentum“ spricht zwar nach ihrem Wortsinn nur die Regelung von §§ 985 bis 1007 BGB an. Der Zweck und die systematische Stellung von § 8 Abs. 2 BBergG führen aber zu einer erweiternden Auslegung der Vorschrift – BGH, Urteil vom 19.9.2008 – V ZR 28/08 NJW 2009, 762 ff. für Schäden von Grundstückseigentümern für das dortige vertikale Gemeinschaftsverhältnis im Verhältnis zum Bewilligungsinhaber. Durch die Charakterisierung der Bewilligung als eigentumsgleiches Recht darf die Gewinnung in den Bohrungen durch den Nachbarn nicht gefährdet werden. Die Bewilligung gewährt – anders als das Bergwerkseigentum – kein dingliches Recht. Sie stellt vielmehr ein subjektiv öffentliches Recht dar. Seiner ausschließlichen Natur entsprechend bedarf das sich aus der Bewilligung ergebende Recht eines möglichst umfassenden Schutzes gegenüber Dritten. Dieser Schutz wird am besten dadurch gewährleistet, dass auf dieses Recht die für Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechtes für entsprechend anwendbar erklärt werden. Das geltende Recht hat sich insoweit bewährt; zu einer abweichenden Regelung besteht keine Veranlassung. Andererseits ist es aber auch nicht erforderlich, die Duldungspflichten Dritter besonders zu normieren, weil sich die Pflicht zur Duldung aus dem Ausschließlichkeitscharakter ergibt (Zydek, Bundesberggesetz, Verlag Glückauf Essen 1980 S. 102). Sonderrechte für Feldesinhaber der Tiefen Geothermie bestehen nicht. Künftige bergrechtliche Sonderregelungen dürften auch nicht zu erwarten sein – die Handelnden in der Branche der Tiefen Geothermie müssen sich auch hier darauf einstellen, dass die bewährten Regelungen des Bundesberggesetzes (BBergG) nicht auf Sonderwünsche erstmalig im Bergbaubereich Handelnder hin geändert werden. Ein ggf. geschuldeter Ausgleich wäre bergrechtlich nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bemessen. Diese

3.3 Ausgewählte rechtliche Fragestellungen

105

umfasst einen Ausgleich für konkrete unzumutbare Beeinträchtigungen oder Gefährdungen am Ertrag aus dem Geothermiefeld. Wasserrechtlich können auf Antrag eines Beteiligten oder von Amts wegen Art, Maß und Zeiten der Gewässerbenutzung in einem Ausgleichsverfahren geregelt oder beschränkt werden, wenn das Wasser nach Menge oder Beschaffenheit nicht für alle Benutzungen ausreicht oder zumindest eine Benutzung beeinträchtigt ist und wenn das Wohl der Allgemeinheit es erfordert (vgl. § 22 WHG 2010). Der Ausgleich ist unter Abwägung der Interessen der Beteiligten und des Wohles der Allgemeinheit sowie unter Berücksichtigung des Gemeingebrauchs nach pflichtgemäßem Ermessen festzulegen (§ 22 WHG 2010 – Ausgleich zwischen konkurrierenden Gewässerbenutzungen, § 96 WHG 2010 – Art und Umfang von Entschädigungspflichten). Nach Art. 57 BayWG 2010 wird für Entschädigungen auf §§ 96 bis 98 WHG verwiesen. Bei Ausgleichsleistungen ist gem. Art. 57 BayWG 2010 der Ausgleich durch einen jährlich zum 10. Januar für das vorhergehende Kalenderjahr fälligen Betrag in Geld zu leisten. Reine Beeinflussungen durch Nachbaranlagen bzw. geringfügige Nachteile sind bergrechtlich, wasserrechtlich und zivilrechtlich hinzunehmen und müssen bei der ökonomischen bzw. betriebswirtschaftlichen Betrachtung der Projekte schon in der Planung berücksichtigt werden (vgl. z.B. § 14 IV S. 2 WHG 2010). Beeinträchtigungen durch Nachbaranlagen sind schon nicht mehr hinzunehmen und auch nicht zulässig. Sie müssen mindestens bei wesentlichen Beeinträchtigungen vom Verursacher gegenüber dem anderen benachbarten Feldesinhaber ausgeglichen werden. Gefährdungen müssen direkt aktiv vorbeugend verhindert oder bei unvorhergesehenem Auftreten unterbunden werden. Für die Geltendmachung von bergrechtlichen, wasserrechtlichen oder/und zivilrechtlichen Ansprüchen geschädigter Nachbarn muss zunächst betrachtet werden, wo die hinzunehmende Beeinflussung aufhört, wie weit die nicht mehr hinzunehmende Beeinträchtigung reicht und wo die zu verhindernde Gefährdung beginnt. Beeinträchtigungen werden vorliegen, wenn die technische Konzeption des bisherigen Feldesinhabers nur noch mit aufwendigsten, in der Spanne weder vorhersehbaren noch geplanten oder ausgeführten Maßnahmen umsetzbar ist und eine Gefährdung absehbar erscheint. In bergrechtlichen Bewilligungen werden Beeinträchtigungen als vorliegende nachgewiesene Interferenzen definiert, die die technische Gewinnung über eine Maximalgrenze hinweg erschweren. Gefährdungen werden hier so definiert, dass die technische Gewinnung nach vertretbaren Maßstäben nicht mehr möglich erscheint. Die Maximalgrenze bzw. die vertretbaren Maßstäbe selbst sind dort nicht konkretisiert bzw. beziffert. Inhalt von Bewilligungsbescheiden ist regelmäßig, dass die technische Gewinnung aus den Anlagen in den bereits erteilten Bewilligungsfeldern durch die Erdwärmeförderung im neuen Feld auch in Zukunft weder thermisch, hydraulisch oder chemisch beeinträchtigt bzw. gefährdet werden darf. Die benachbarten bzw. in der Nähe befindlichen Bewilligungen werden hinsichtlich der Felder konkret benannt. Die Inhaber dieser benachbarten Felder erhalten den Bewilligungsbescheid für das neue Feld auch zugestellt. Die im bergrechtlichen Antrag aufgezeigten Simulationsbetrachtungen hinsichtlich Förder- und Reinjektionsstufen mit konkreten Angaben in … l/s sind hinsichtlich der Festlegung der tatsächlichen Fördermenge für den Betrieb der neuen Anlage nicht Gegenstand der

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

bergrechtlichen Bewilligung – diese Festlegung erfolgt vielmehr im Wasserrechtsverfahren, hier der Regierung von Oberbayern, Bergamt Südbayern. Auch Art und erforderlicher Umfang der zu bestimmenden Thermalwasserparameter werden im Wasserrechtsverfahren festgelegt. Mit der Neufassung WHG 2010 ist ein Spannungsverhältnis zwischen der Widerruflichkeit der Erlaubnis und der Bewilligung gem. § 18, daneben der Zulässigkeit auch nachträglicher Inhalts- und Nebenbestimmungen der Erlaubnis und der Bewilligung gem. § 13 sowie wiederum daneben den Regelungen in § 16 zum Ausschluss privatrechtlicher Abwehransprüche sowie der Regelung des Ausgleichs zwischen konkurrierenden Gewässerbenutzungen in § 22 vorliegend. Nach § 16 I WHG 2010 können aufgrund privatrechtlicher Ansprüche zur Abwehr nachteiliger Wirkungen der Gewässerbenutzung bei unanfechtbarer gehobener Erlaubnis nur Vorkehrungen verlangt werden, die die nachteiligen Wirkungen ausschließen – bei wirtschaftlich nicht vertretbarer Durchführung solcher Vorkehrungen kann lediglich Entschädigung verlangt werden. Nach § 16 II WHG 2010 können bei unanfechtbarer Bewilligung wegen nachteiligen Wirkungen der Gewässerbenutzung keine Ansprüche geltend gemacht werden, die auf die Beseitigung der Störung, auf die Unterlassung der Benutzung, auf die Herstellung von Vorkehrungen oder auf Schadenersatz gerichtet sind. Dabei werden Schadenersatzansprüche wegen nachteiliger Wirkungen durch die Nichterfüllung angeordneter Inhalts- oder Nebenbestimmungen nicht ausgeschlossen. Dies führt praktisch zur Nutzungsmöglichkeit der auch nachträglichen öffentlich-rechtlichen Festlegung von Inhalts- und Nebenbestimmungen zwecks Vermeidung oder Ausgleich nachteiliger Wirkungen für andere durch die wasserrechtlich zuständige Behörde aus der Sicht des Wasserrechts. Anders formuliert: Die Wasserbehörde kann und darf auf Antrag eines Anlagenbetreibers oder von Amts wegen hinsichtlich angeblicher Beeinträchtigung/Gefährdung geothermischer Wässer tätig werden, muss es aber nicht. Die bergrechtlichen und zivilrechtlichen Bestimmungen für Ansprüche aus dem Eigentum bleiben dadurch im Übrigen unberührt, anwendbar und eigenständig nutzbar. Der Verfasser vertritt die Auffassung, dass bei geologisch-hydrogeologischen Lagerstättencharakterisierungen und -modellierungen, hier konkret für einen Heißwasseraquifer, keine fachwissenschaftlich begründete „Ausschöpfung“ möglicher Felder über deren gesamte dreidimensionale Ausdehnung und vierdimensionale Entwicklung betrachtet werden sollte. Bei solcher aus der Erzgewinnung stammender Betrachtung besteht das GAU-Risiko nicht mehr steuerbarer Gewinnung mit nicht mehr möglicher, jedoch notwendiger konkreter Bewilligungsbegrenzung. Die Lagerstättencharakterisierung sollte hier anlagenbezogen erfolgen. Wenn jeder Inhaber einer Bewilligung jeweils seine Feldesgrenzen ausschöpfen wollte, dürften praktisch keine direkt angrenzenden Felder bewilligt werden. Statt derzeit vorn genannter 86 Erlaubnisse und 9 Bewilligungen in Südbayern wäre dann nur noch jeweils ein Bruchteil davon zulässig. Behauptungen der nachteiligen Veränderung des Wasserchemismus durch Schadstoffe können zu äußerst kostenträchtigen ungeahnten behördlichen Anordnungen der Untersuchung, Begrenzung, Verminderung oder Vermeidung mit Sicherungs- und Überwachungsmaßnahmen führen. Die Wasserbehörde darf z.B. Maßnahmen anordnen, die der Feststellung der Gewässereigenschaften vor der Benutzung oder der Beobachtung der Ge-

3.3 Ausgewählte rechtliche Fragestellungen

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wässerbenutzung und ihrer Auswirkungen dienen – vgl. § 13 II Nr. 2.c) WHG 2010. Gleiches Anordnungsrecht besteht für Maßnahmen, die zum Ausgleich einer auf die Benutzung zurückzuführenden nachteiligen Veränderung der Gewässereigenschaften erforderlich sind – vgl. § 13 II Nr. 2.d) WHG 2010. Sieht ein bergrechtlicher Betriebsplan die Benutzung von Gewässern vor, so entscheidet die Bergbehörde im Einvernehmen mit der zuständigen Wasserbehörde über die Erteilung der Erlaubnis – vgl. § 19 II, III WHG 2010. Für Bayern ist hier abweichend geregelt, dass die Bergbehöde im Einvernehmen mit den Kreisverwaltungsbehörden über die Erlaubnis und über die Bewilligung entscheidet – vgl. Art. 64 I BayWG 2010. Bei Planfeststellung für ein Vorhaben mit Benutzung eines Gewässers entscheidet die Planfeststellungsbehörde über die Erteilung der Erlaubnis oder die Bewilligung im Einvernehmen, bei Planfeststellungen durch Bundesbehörden im Benehmen mit der zuständigen Wasserbehörde – vgl. § 19 III WHG 2010. Für Bayern ist hier abweichend geregelt, dass bei Durchführung eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens mit Verbindung des Vorhabens durch Benutzung eines Gewässers die für die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zuständigen Behörde auch über die Erteilung der Erlaubnis oder Bewilligung entscheidet und § 10 Abs. 5 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImschG) entsprechend gilt – vgl. Art. 64 II BayWG 2010. In der Praxis haben die Planer für die vorgesehenen künftigen Anlagenbetreiber/Inhaber von Aufsuchungserlaubnissen und deren Antragstellung auf Bewilligung für Gewinnung der Tiefen Geothermie ein belastbares Modell mit einem bergrechtlichen Wärmegutachten und einem technischen Konzept zu erarbeiten und der zuständigen Bergbehörde für das Bewilligungsverfahren zur künftigen Gewinnung von Geothermie vorzulegen. Vorabmodellierungen sind bei hydrothermaler Geothermie nicht auch nur annähernd zuverlässig möglich, da keine allgemeingültigen und vor allem keine kalibrierten Modelle des Untergrundes vorliegen. Interferenzen wurden hier bisher nicht gemessen. Hinsichtlich der Bedingungen für eine beantragte Anlage wird hier eine Betrachtung über die übliche zu erwartende Standzeit einer Bohr-Doublette von 50 Jahren erforderlich sein. Dafür besteht zunächst zumindest in verschiedenen Regionen Deutschlands die Möglichkeit, auf der Grundlage belastbarer Daten aus gesicherten Rohdaten vorangegangener Aufsuchungen oder Gewinnungen ehemaliger Feldesinhaber z.B. auf Kohlenwasserstoffe oder/und Erze bzw. aus strukturgeologischen Untersuchungen Einschätzungen zu erarbeiten. Dabei ist zu beachten, dass für die Richtigkeit der Rohdaten und die eventuell schon teilweise vorgenommene Interpretation weder ein Landesamt für Geologie noch bei Abkauf von den ehemaligen Bewilligungsinhabern dieser ehemalige Bewilligungsinhaber haften werden – die Haftung für Mängelansprüche wird bei der Überlassung der Daten regelmäßig mindestens vertraglich ausgeschlossen. Inhabern von Rohdaten/Interpretationen ist die vertragliche Regelung dieses Haftungsausschlusses bei der auch unentgeltlichen Überlassung von Rohdaten/Interpretationen anzuraten.

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Unmissverständlich: Rohdaten und daneben zusätzlich deren Interpretation können fehlerhaft sein. Wenn der Planer eigene Haftung vermeiden will, sollte er sich von seinem Auftraggeber den deutlichen Hinweis auf diese Möglichkeit, die Empfehlung zur Auftragserteilung hinsichtlich Prüfung der Daten und deren Interpretation sowie den Haftungsausschluss bei NichtAuftragserteilung zur Prüfung der Rohdaten/Interpretation bestätigen lassen. Sicherer wird es daher für vorgesehene Anlagenbetreiber regelmäßig sein, die schon vorhandenen Rohdaten und ggf. deren Interpretation zunächst selbst über ein entsprechendes Ingenieur- bzw. Geologiebüro auf Richtigkeit und Schlüssigkeit prüfen zu lassen. Wegen der Teufenlage der zu prüfenden Realisierung eines geothermischen Projektes wird es sehr wahrscheinlich sein, dass mindestens zusätzlich zu älteren Rohdaten und deren Interpretation die Notwendigkeit der Erhebung eigener Daten besteht. Auf der Grundlage älterer Rohdaten, deren Interpretation einschließlich deren eigenständiger Überprüfung und der Erhebung eigener neuer Daten mit Interpretation sind für das konkrete zu beantragende Bewilligungsfeld einzelkonkrete Darstellungen für Druckabsenkungen im Bereich von 10m-Linien, 20-m-Linien und 50-m-Linien vorzunehmen. Dabei entspricht die 10-m-Linie einer Druckabsenkung um 1 Bar. Gleiches gilt für die Darstellung der Entwicklung der Temperaturdifferenz um 1°K. Hinsichtlich der Druckabsenkung dürften Differenzen von 1 Bar (10 m) nicht signifikant sein. Solche Schwankungen entstehen schon durch Messfehler oder/und natürliche Bedingungen. Wasserrechtlich dürften Differenzen von 2 bis 3 Bar hinzunehmen sein. Differenzen der Druckabsenkungen von 3 b is 5 Bar (30 bis 50 m) müsste jede üblicherweise installierte 300-kW-Pumpe in diesem Einsatzbereich ausgleichen können. Damit wird auch hier diesbezüglich wahrscheinlich nur eine hinzunehmende und nicht ausgleichspflichtige Beeinflussung vorliegen. Eine nicht mehr hinzunehmende, sondern gegebenenfalls auszugleichende Beeinträchtigung würde jedoch dann vorliegen, wenn eine Spiegelabsenkung zu einer absehbaren notwendigen kurzzeitigen Abschaltung der Pumpe führen würde. Wenn die vorhandene Pumpe andauernd nicht nur kurzzeitig die Förderung des Volumenstromes wegen Interferenzen technisch nicht mehr schafft, würde in jedem Fall eine Gefährdung vorliegen. Damit würde ein unzulässiger Eingriff in die eigentumsrechtlich geschützte Gewinnung vorliegen, die von der verursachenden Nachbaranlage zu unterlassen bzw. zu unterbinden ist. Hinsichtlich der Auskühlung kann eine von der Nachbaranlage verursachte Temperaturdifferenz von 1°K schon eine wesentliche Beeinträchtigung sein. Bei einer angesetzten Lebensdauer der Bohr-Doublette von 50 Jahren sollte die vorhersehbare Temperaturdifferenz hinsichtlich der Auskühlung nicht größer als 1°K sein. Diesbezüglich wird es im Einzelnen auf die konkreten Bedingungen an den Bohrungen im schon vorhandenen Gewinnungsfeld ankommen. Bei einer Temperatur des Volumenstromes von 150 °C wird eine Gefährdung der ökonomischen Gewinnung von Strom oder/und Wärme im Falle einer Temperaturabsenkung um 1°K durch die Gewinnung in der Nachbaranlage kaum eintreten. Allerdings kann hier schon eine ausgleichspflichtige Beeinträchtigung vorliegen. Demgegenüber wird bei einer Temperatur des Volumenstromes von nur 110 °C eine Temperaturabsenkung um 1°K zumindest wesentliche Beeinträchtigungen, eventuell sogar Gefährdungen der bisherigen Anlage zur Folge haben.

3.3 Ausgewählte rechtliche Fragestellungen

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Hinsichtlich des Wasserchemismus können durch die Gewinnung in benachbarten Anlagen Änderungen der Zusammensetzung oder/und Änderungen der Konzentration bestimmter Inhaltsstoffe des Volumenstromes verursacht werden. Dies geht hin bis zur Beeinflussung oder Beeinträchtigung hinsichtlich der Bildung, Zirkulation/Wegsamkeit und der Stabilität des genutzten Thermalwasserreservoirs sowie deren mikrobiologischer Verunreinigungen oder des Gehalts an Umweltisotopen. Hier können Prozesse der Korrosion und des Scaling bei tiefengeothermischen Heißwässern ebenso beeinflusst werden wie Salinitätsprozesse auch bei EGS-Projekten. Diese haben dann Auswirkungen auf die ökonomische und technische Nutzbarkeit der Bohrungen überhaupt und auch der eingebauten Verrohrungen, Pumpen und Armaturen bei allen tiefengeothermischen Anlagen sowie auf die Zeitabstände und damit Kosten notwendiger Säuerungsmaßnahmen bei EGS-Anlagen. Gewinnungen in Nachbaranlagen können auch zur Verbesserung der Förderung in einer Anlage führen. Praktisch wird derzeit empfohlen, bei den Zirkulationstests niedergebrachter Bohrungen Drucksonden zu installieren und Abstimmungen mit dem/den vorhandenen Nachbarn vorzunehmen. Es ist allerdings festzustellen, dass diese Empfehlungen bisher nicht oder nur vereinzelt umgesetzt werden. Derzeit werden von Erlaubnis- oder Bewilligungsinhabern oder beauftragten Planungsbüros in Anfragen und Darlegungen gekleidete Testballons gestartet, um Reaktionen zu erzielen. Es dürfte im eigenen Interesse dieser Personen liegen, solche Testballons nicht vor einer Behörde zu starten. Eine Behörde kann sowohl auf Antrag als auch wegen „Anfragen“ egal in welcher Form von Amts wegen tätig werden. Die Behörde wird dann wahrscheinlich auch aus dieser Veranlassung heraus von Amts wegen tätig werden, schon um eine Amtshaftung zu vermeiden. Das einmal gesprochene Wort lässt sich nicht mehr zurücknehmen – wo und bei wem dann der Einschlag aus der Reaktion der Behörde erfolgt, ist schlichtweg nicht vorhersehbar. Hier kann Eigenschädigung des „anfragenden“ Wortführers die direkte Folge sein. Die Aktennotiz einer „bloßen“ Gesprächsführung ist häufig Blatt 1 einer neuen behördlichen Vorgangsakte. Inhaber oder Antragsteller für Aufsuchungserlaubnisse oder Gewinnungsbewilligungen sollten vermutete oder tatsächliche Probleme mit dem Inhaber der Nachbaranlage klären bzw. mindestens den Versuch dazu unternehmen – sie haben dabei die Führung eines Verfahrens zumindest zwischen den Beteiligten im Griff. Was eine Behörde ggf. bis hin zur Inanspruchnahme mehrerer Verantwortlicher als Gesamtschuldner (§ 89 I WHG 2010) verlangt, ist nicht konkret vorhersehbar und von den Beteiligten als dann vermuteten oder tatsächlichen Verantwortlichen auch nicht konkret steuerbar. Herrin des Verfahrens wäre dann die Behörde. Bei wasserrechtlicher Entschädigungspflicht kann der Anspruchsberechtigte z.B. bei tatsächlicher Beeinträchtigung/Gefährdung der benachbarten geothermischen Anlage Sicherheitsleistung vom Beeinträchtiger/Gefährder gem. §§ 96 V f. WHG 2010 verlangen. Beim Vorwurf der nachteiligen Beeinträchtigung/Gefährdung der eigenen Anlage durch die Nachbaranlage wird dann sofort ein bereits seit Zeiten des germanischen Thing und damit Jahrtausende altes Problem deutlich: Zwischen Recht haben und Recht bekommen liegt der Beweis.

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Klar ist darauf hinzuweisen, dass eine vom Anlagenbetreiber behauptete jetzige Beeinträchtigung oder Gefährdung seiner vorhandenen Anlage den Nachweis des Ist-Zustandes zum Zeitpunkt des Beginns der Gewinnung im Vergleich zum jetzigen Ist-Zustand voraussetzt. Wenn der bisherige Bewilligungsinhaber eine künftige Beeinträchtigung oder Gefährdung seiner vorhandenen Anlage durch eine nur mit Aufsuchungserlaubnis versehene oder durch ein gerade mit Gewinnungsbewilligung versehene Nachbaranlage einschließlich künftiger tatsächlicher Gewinnung befürchtet, muss er spätestens jetzt den tatsächlichen Ist-Zustand rechtssicher in Form einer gerichtsfesten Beweiserhebung feststellen lassen. Anders ist eine dann erst in 10 oder 20 oder auch 30 Jahren vorliegende tatsächliche Beeinträchtigung oder Gefährdung nicht nachweisbar, da zum dann zukünftigen Ist-Zustand in 10, 20 oder 30 Jahren eine nachweisbare Vergleichsgrundlage fehlen würde. Bei allen unabhängigen Beweiserhebungen hat der jeweilige Beweisführer vorher zu beachten, dass er das Ergebnis der Beweiserhebung nicht sicher vorhersehen kann. Gerade darin liegt jedoch der Wert einer unabhängigen Beweiserhebung. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass Beweisergebnisse auch in Form der Feststellung von Interferenzen (deutsch: Wechselwirkungen, gegenseitige Übertragungen) entstehen können. Anders formuliert: Es besteht das Risiko, dass die Ergebnisse einer selbst veranlassten Beweiserhebung Munition für den Nachbarn oder/und die Behörde darstellen.

3.3.4.4

Beweissicherung – selbständiges gerichtliches Beweisverfahren oder isoliertes Beweisverfahren SOBau

Die Beweissicherung sollte im wahrsten Sinne des Wortes sicher sein. Zeugen Aus der eigenen langjährigen Berufs- und Lebenserfahrung heraus kann auch der Verfasser bestätigen, dass Zeugen der unsicherste Beweis sind. Zwischen einem Ist-Zustand im Jahre 2010 und einem Ist-Zustand im Jahre 2020 oder 2030 sind erfahrungsgemäß Zeugen häufig entweder verstorben, durch Unfall oder Krankheit geistig oder/und körperlich nicht mehr aussagefähig oder nicht mehr berufstätig oder/und schlichtweg nicht mehr auffindbar. Für die nicht mehr vorhandene geistige oder/und körperliche Aussagefähigkeit von Zeugen reicht einer der vielen Unfälle im Arbeitsprozess, Haushalt, Straßenverkehr oder Sport. Für die Unauffindbarkeit von Zeugen reicht ein einmaliger Umzug von einem Bundesland mit landesrechtlicher Umzugs-Meldepflicht in ein Bundesland oder innerhalb eines Bundeslandes mit nur vorhandener landesrechtlicher Anmelde-Meldepflicht aus. Regelmäßig wird es sich bei solchen Zeugen um beruflich im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses oder eines Inhaberverhältnisses bei Planungsbüros tätige Bürger handeln bzw. gehandelt haben. Im Falle eines Ausscheidens aus dem Anstellungsverhältnis oder der Inhaberschaft können grundsätzlich andere Interessenlagen z.B. bei dann neuer Anstellung bei einer Konkurrenzfirma, dem privaten oder öffentlichen Auftraggeber des bisher beschäftigenden Planungsbüros oder zufällig dem Bewilligungsinhaber des Nachbarfeldes bestehen.

3.3 Ausgewählte rechtliche Fragestellungen

111

Menschliche Entwicklungen wie Ehescheidungen, Beendigung von Freundschaften aus Studienzeit, Armeezeit oder/und Beschäftigungszeit sowie Beendigung von auch außerehelichen Liebesbeziehungen sind im konkreten nicht vorhersehbar, haben jedoch auch wie zuerst genannte Gründe bereits zur strafrechtlichen Verfolgung und Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche zwischen ehemaligen Verbündeten oder Vertragspartnern auch im Bereich Bergbau-Geologie-Geothermie geführt. Beim OLG Brandenburg ist dazu mit Urteil vom 2.4.2009 – 11 U 111/07 (IBR 2009, 507) eine Entscheidung wegen Korruption bei einem Vorhaben der Tiefen Geothermie ergangen und in Bayern werden strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Preisabsprachen zwischen verschiedenen Bohrunternehmen mehrerer Bundesländer geführt. Zur Erinnerung an die Anfangsausführungen in diesem Beitrag – es geht um Zeugenangaben mit der Genauigkeit von 1°K oder 1 Bar zu einem Zeitpunkt von vor 5 oder vor 10 Jahren. Welcher Leser dieses Artikels weiß jetzt noch, welche Temperatur oder welcher Luftdruck konkret am Morgen des gestrigen Tages herrschte? Selbst bei tatsächlichem Erinnerungsvermögen von Zeugen wird eine Aussagewilligkeit nicht vorhersehbar sein. Im Zweifel wird ein vernünftiger Zeuge nach sehr langen Zeiträumen sowieso nur angeben, dass er sich an den konkreten Sachverhalt nicht mehr genau erinnert und lieber keine Aussage zur Sache tätigt. Der Zeuge würde bei unrichtigen Aussagen in das Risiko einer eigenen Verfolgung wegen uneidlicher Falschaussage gem. § 153 StGB geraten. Rein private Beweismittel wie Privatgutachten im Auftrag nur einer Partei sind im Streitfall zwar zulässiges Prozessmittel als substantiiertes Parteivorbringen (BGH, NJW 1992, 1459), jedoch kein unmittelbar verwertbares Sachverständigengutachten. Die beim Bayerischen Landesamt für Umwelt gemäß VO über private Sachverständige in der Wasserwirtschaft (VPSW) geführte Liste privater Sachverständigen in der Wasserwirtschaft (Stand 1.1.2010) ist hier ungeeignet, da der Anerkennungsbereich der Tiefen Geothermie nicht erfasst ist. Ein Privatgutachten ist vom Gericht auch zu beachten und auch gem. § 286 ZPO frei zu würdigen. Im – wahrscheinlichen – Zweifelsfall wegen dann substantiiertem gegnerischen Vortrag wird das Gericht jedoch eine vom Gericht veranlasste Beweiserhebung durch einen tatsächlich von den Parteien unabhängigen Sachverständigen und ggf. die Einvernahme auch sachkundiger Zeugen vornehmen lassen. Die im Ergebnis der Beweiserhebung vorzunehmende Beweiswürdigung ist dann allerdings wieder einzig Sache des erkennenden Gerichtes. Ein Privatgutachten hemmt auch keine Verjährungsfristen. Auftraggeber von Privatgutachten sollten im Übrigen nur solche Gutachter beauftragen, die auch persönlich für ihr Gutachten haften. Gutachten mit Haftungsausschluss „wegen institutioneller Regelung“ sind mindestens bei beabsichtigter Außenverwendung nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben sind. Ein zulässiges Schiedsgutachten als weiteres Mittel einer Beweiserhebung setzt voraus, dass die Parteien eine vorherige vertragliche Vereinbarung treffen, dass das Ergebnis des Schiedsgutachtens für beide Parteien verbindlich sein soll. Der Vorteil liegt darin, dass es bei Einführung in einem streitigen Verfahren eine Bindung des Gerichtes daran gibt. Die Nachteile des Schiedsgutachterverfahrens liegen im Wesentlichen darin, dass bei offenbar unbilligem Ergebnis das Schiedsgutachten überhaupt nicht verwertbar ist und eine „Hei-

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

lung“ durch Anhörung des Gutachters entsprechend § 411 ZPO nicht möglich ist. Auch ein unrichtiges Schiedsgutachten bindet beide Parteien und das Gericht. Der Maßstab „offenbar unrichtig“ kann vertraglich abbedungen werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.3.2008 – 16 U 88/07, IBR 2008, 550). Zudem ist das Schiedsgutachterverfahren unzweckmäßig, wenn an der Entstehung bestimmter Zustände rechtlich oder tatsächlich mehrere Personen beteiligt sind – eine einseitige Einbeziehung von Dritten durch eine Partei ist nicht möglich. Daneben ist zu beachten, dass ein Schiedsgutachter nur rein technische Fragen zu klären hat. Eine rechtliche Beurteilung durch ihn hat nicht zu erfolgen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.3.2009 – 23 U 82/08, IMR 2012, 1092). Die Schiedsgutachten-Vorschriften der VOB/B §§ 18 Nr. 3, 3 Nr. 4 finden hier bei Ansprüchen zwischen Inhabern benachbarter geothermischer Felder keine Anwendung, da diese Feldesinhaber untereinander keinen Werkvertrag nach VOB/B abgeschlossen haben. Empfehlung: Anlagenbetreibern mit vorher intern hinsichtlich der möglichen Auswirkungen geprüftem Interesse an einer gerichtsfesten Beweiserhebung wird daher im Falle einer nicht sowieso schon wasserrechtlich verbeschiedenen Durchführung von Untersuchungsmaßnahmen und Datenerhebung zu raten sein ‒ ‒

ein selbständiges gerichtliches Beweisverfahren gem. §§ 485 ZPO oder ein isoliertes Beweisverfahren der privaten Gerichtsbarkeit gem. §§ 1025 ZPO (Schiedsrichterliches Verfahren) mit Anwendung z.B. der SOBau

durchzuführen. Selbständiges gerichtliches Beweisverfahren Dieses Verfahren ermöglicht dem Antragsteller in Person des Inhabers der derzeitigen Erlaubnis/Bewilligung eine – von der Hauptsache einer Ausgleichsforderung oder/und Feststellung – isolierte und vorweggenommene gerichtliche Beweisaufnahme entsprechend der Zivilprozessordnung (ZPO). Hier sollte ein selbständiges Beweisverfahren bereits im Rahmen der Aufsuchungsmaßnahmen mit beiden Bohrlöchern bzw. Stufen-, Langzeitpumpversuchen und Betriebstests nach der Reservoirerschließung geführt werden. Damit soll die Feststellung des tatsächlichen Zustandes an den Bohrungen des Aufsuchungsfeldes oder Gewinnungsfeldes in seinen verschiedenen o.g. Komponenten erreicht werden. Dabei bieten die verschiedenen Untersuchungsmethoden (Druck, Zufluss, Temperatur, Hydrochemie, Gase, Isotope) in ihrer Kombination die Möglichkeit zur detaillierten Charakterisierung der Thermalwässer und für belastbare Aussagen über das Langzeitverhalten. Mit methodenübergreifendem Know-how in Vernetzung der verschiedenen Untersuchungsergebnisse aus Vor-Ort-Probenahme, Aufschluss von Spezialbehältern (z.B. in-situ-Probenahme mit Druckbehältern) und Analyse von Tiefenwässern kann das künftig zu nutzende oder schon tatsächlich genutzte Thermalwasserreservoir hinsichtlich Bildung, Zirkulation/Wegsamkeit, Alter, Stabilität, sekundärer Beeinflussungen etc. eingeschätzt werden. Dabei sollte die Analyse in Laboren mit akkreditierten Prüfverfahren erfolgen.

3.3 Ausgewählte rechtliche Fragestellungen

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Das Verfahren ist wegen dem regelmäßig sehr hohen Streitwert vor der Zivilkammer des für die Geothermieanlage örtlich zuständigen Landgerichtes zu führen – die Kammern für Handelssachen sind bei unerlaubter Handlung, Gefährdungshaftung oder Bereicherungsvorgängen nicht zuständig, da diese keine Handelsgeschäfte gemäß §§ 343 f. HGB, § 95 GVG darstellen. Eine Gerichtsstandvereinbarung darf gem. § 38 ZPO für Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliches Sondervermögen getroffen werden. Im selbständigen gerichtlichen Beweisverfahren besteht grundsätzlich kein Anwaltszwang (§§ 486 Abs. 4, 78 Abs. 5 ZPO), solange es nur schriftlich durchgeführt wird. Die Beauftragung und Bevollmächtigung eines branchenkundigen Anwaltes dürfte jedoch zu empfehlen sein. Im Fall einer mündlichen Verhandlung besteht Anwaltszwang (OLG Schleswig Beschluss vom 5.12.1995 – 16 W 224/95, BauR 1996, 590 f.). Antragsteller dürfen ein oder mehrere Anlagenbetreiber sein, die durch Handlungen anderer Anlagenbetreiber geschädigt sein sollen. Antragsgegner dürfen ein oder mehrere konkrete Anlagenbetreiber oder/und z.B. der planende Ingenieurgeologe des Antragstellers jeweils mit vollständiger richtiger (!) konkreter ladungsfähiger Firma, Anschrift und Angabe des gesetzlichen Vertreters mit vollständigem Vornamen und Zunamen sowie Straßen- und Hausnummernanschrift einschließlich Postleitzahl und Ort (keine Postfachanschrift!) sein. Bei d e n in dieser Branche üblichen gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen ist insbesondere auf Zusätze in der Firmierung wie „& Co. KG“ oder „& Co. KG Feld 1“ zu achten – in einem solchen Fall wäre die Angabe einer Firma nur mit „GmbH“ unrichtig und damit hinsichtlich der Beweisergebnisse bei Schweigen der eventuell richtigen Firma nicht verwertbar. Alle Voraussetzungen eines selbständigen gerichtlichen Beweisverfahrens und das rechtliche Interesse an der Durchführung eines solchen müssen gegenüber jedem einzelnen Antragsgegner dargelegt und glaubhaft gemacht werden. Dies sind z.B. eine an Tatsachen geknüpfte konkrete Darlegung der Veränderung in der eigenen Anlage an den Bohrungen hinsichtlich Hydraulik, Temperatur oder/und Wasserchemismus durch konkret zu benennende benachbarte Anlage(n) oder unvollständige oder/und unrichtige Reservoirmodellierung durch den eigenen Planer. Pauschale Allgemeinbehauptungen wie „der Antragsgegner fördert mein Wasser von meiner Anlage weg“ oder „durch die Anlagenbetreibung des Antragsgegners wird die Temperatur meiner geothermischen Wässer beeinflusst“ wären für eine notwendige konkrete Tatsachenbehauptung nicht ausreichend. Der zumutbare Kenntnisstand des regelmäßig von spezialisierten Planungsbüros beratenen Antragstellers ist zu dessen Lasten zu berücksichtigen. Die Fragestellung „wer diese Hydraulikveränderung/Temperaturveränderung verursacht hat“, ist keine konkrete Behauptung. Es muss konkret dargelegt werden, dass der Antragsgegner die konkret zu bezeichnenden Veränderungen verursacht hat. Ausforschungsanträge wie „Antragsgegner als Anlagennachbar beutet die Lagerstätte zu Lasten meiner Anlage aus“ sind zu unbestimmt und daher unzulässig.

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Im Antrag sind gem. § 487 Abs. 3 ZPO die zulässigen Beweismittel konkret zu benennen. Urkundenbeweis und Parteieinvernahme sind unzulässig. Zulässig sind d i e Einholung e in e s Sachverständigengutachtens als fast ausschließliches zulässiges Beweismittel, daneben Inaugenscheinnahme und auch die Hörung eines konkreten Zeugen mit vollständigem Namen und ladungsfähiger Anschrift (Benennung mit „N.N.“ ist unzulässig). Die Zulässigkeitsvoraussetzung – hier in Form der Besorgnis des Beweismittelverlustes wegen Veränderung der Feldes-Komponenten – sind glaubhaft zu machen, regelmäßig mit Sachverständigen, Urkunden und einer Versicherung an Eides statt (§ 294 ZPO). Die Auswahl des Sachverständigen obliegt dem Gericht. Dieses muss einen konkreten Sachverständigen namentlich (!) benennen. Der für die Gutachtenerstellung in Frage kommende Personenkreis ist aufgrund der Spezifik des Themas bundesweit auf e i n i g e wenige Personen als Sachverständige tatsächlich begrenzt. Nach Möglichkeit sollten dem Gericht daher konkrete Vorschläge in Form der Benennung mehrerer geeigneter Sachverständiger unterbreitet werden. Diese Vorschläge können, aber müssen nicht mit der Antragsgegnerseite gemeinsam unterbreitet oder abgestimmt sein. In jedem Fall muss der vorgeschlagene Sachverständige nachgewiesenermaßen das Thema erschöpfend begutachten können. Eine bloße Verweisung auf Betätigung in der „Geothermie“ reicht hier nicht aus. Es dürfen auch keinerlei Gründe für die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit in Form wirtschaftlicher oder persönlicher Bindungen zu einer Partei oder wegen eigenwirtschaftlicher Betätigung z.B. bei der vorherigen oder parallelen oder schon vertraglich gebundenen Planung, der Prüfung der Planung oder Objektüberwachung der Anlagen des Antragstellers und/oder des Antragsgegners vorliegen. Die in Oberbayern schon erfolgte Benennung eines Sachverständigen in Person des Geschäftsführers der direkt benachbarten Feldesinhaberfirma mit dadurch bestehender Besorgnis der Befangenheit wegen eigenwirtschaftlichem Interesse am Ergebnis der Begutachtung ist Ausdruck ungenügenden Verständnisses der Tätigkeit eines unabhängigen Sachverständigen. Das Gericht soll vorrangig einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen auswählen (vgl. § 404 Abs. 2 ZPO). Den wenigen dafür in Frage kommenden Personen aus einem Bestellungsgebiet wie „geologisch-hydrogeologische Reservoircharakterisierung und -modellierung“ ist anzuraten, eine solche öffentliche Bestellung und Vereidigung bei der zuständigen IHK auch zu erlangen. Das Gericht kann einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen (öbuv SV) auch außerhalb seines Bestallungsgebietes tätig werden lassen (Jürgen Ullrich, Selbständiges Beweisverfahren mit Sachverständigen 2. Auflage IBR Reihe, www.ibr-online.de, Stand 20.1.2010, 5.5 Rn. 71 m.w.N.). Gerichtlich ernannte Sachverständige haften für ihr Gutachten kraft Gesetzes gemäß § 839a BGB unabhängig davon, ob sie beeidigt worden sind oder nicht. Haftungsbegrenzungen durch Verwendung z.B. von Kopfbögen einer öffentlichen Institution mit der dortigen Angabe eines Haftungsausschlusses greifen nicht. Solche Kopfbögen wären vielmehr Anlass zumindest für die Prüfung der Geeignetheit des Sachverständigen, der offenbar entgegen der gesetzlichen Regelung nicht für sein Gutachten haften will.

3.3 Ausgewählte rechtliche Fragestellungen

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Mit dem Antrag ist eine Gerichtsgebühr sofort einzuzahlen. Diese beträgt bei einem vom Antragsgegner anzugebenden Wert von 500 T€ rund 3.000,– € und bei 5 M€ dann rund 18.000,– €, jeweils rein netto. Überlegungen zur Benennung eines möglichst niedrigen Streitwertes von z.B. 100 T€ auf der Antragstellerseite sollten sehr kritisch überdacht werden. Bei Gesamtinvestitionskosten einer üblichen 5-MWel-Anlage in Oberbayern von ca. 53 b i s 60 Mio. € wären 100 T€ lediglich weniger als 0,2 %. Ein Streitwert von weniger als 0,2 % der Gesamtinvestitionskosten kann nicht Ausdruck einer Beeinträchtigung oder gar wesentlichen Beeinträchtigung bzw. Gefährdung sein – es würde sich vielmehr um einen wasserrechtlich geringfügigen Nachteil oder eine bergrechtlich geringfügige Beeinflussung handeln, der/die hinzunehmen wäre. Hier würde nicht einmal für eine Beweiserhebung ein genügend begründetes Rechtsschutzbedürfnis vorliegen und der Antragsteller würde ins Risiko der kostenpflichtigen Abweisung eines Antrages laufen. Die o.g. 500 T€ könnten beispielsweise bei einer brandenburgischen Bohr-Doublette im Teufenbereich bis 1.700 m ohne große Rohrleitung für Wärmetransport vorliegen. Bei der Festsetzung des Streitwertes des selbständigen Beweisverfahrens sind auch vom Antragsteller behauptete, dann jedoch vom Sachverständigen nicht festgestellte Tatsachen mit Kostenfolgen zu berücksichtigen (BGH, NJW 2004, 3488; OLG Stuttgart, IBR 2006, 310; OLG Naumburg, IBR 2008, 61). Anders ausgedrückt: Vom Sachverständigen nicht festgestellte Gefährdungen werden hinsichtlich der fiktiven ökonomischen Auswirkungen auch dem Streitwert zugrunde gelegt. Die gesetzlichen Anwaltsgebühren im Fall einer anwaltlich vertretenen Antragstellung betragen d a s 1,1 fache der Verfahrensgebühr – bei einem Wert von 500 T€ dann rund 4.200 € und bei 5 M€ dann rund 18.000 €, jeweils netto zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer in Höhe von derzeit 19 %. Zu prüfen wären hier anwaltliche Vergütungsvereinbarungen mit Stundensätzen in diesem Bereich zwischen 185 bis 300 € netto zzgl. Mehrwertsteuer, wobei mit diesen Gebührenvereinbarungen die gesetzlichen Vergütungsansprüche nicht unterschritten werden dürfen (§ 4 Abs. 2 RVG). Nach ordnungsgemäßer Einreichung eines vollständigen Antrages beim Gericht wird der Antragsgegner bzw. werden die Antragsgegner regelmäßig zum Antrag gehört. Das Gericht wird dafür üblicherweise eine Anhörungsfrist von 2 bis 3 Wochen festlegen. Der Antragsgegner muss sich nicht zum Antrag äußern oder an den vom Sachverständigen anberaumten Ortsterminen oder dem Beweistermin des Gerichtes teilnehmen. Er ist jedoch auch bei Nichtäußerung und Nichtteilnahme an das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens gebunden (§ 493 ZPO) – Antragstellung gegen den richtigen Antragsgegner und mit richtigem vollständigen Beweisthema vorausgesetzt. Der Antragsgegner darf gegen den/die Antragsteller einen eigenen Gegenantrag stellen (OLG München, Beschluss 7.2.1996 – 27 W 303/95, BauR 1996, 589 f.; OLG Stuttgart, Beschluss 23.2.2004 – 13 W 6/04 Volltext nur ibr-online.de). Dies kann z.B. ein Gegenantrag wegen Beeinflussung der Anlage des Antragsgegners durch die Anlage des Antragstellers sein. Aus vorgenannten Gründen sollte eine „Beeinflussung“ durch das „Feld“ jeweils nicht Antragsgegenstand sein. Eine Streitverkündung gegen Dritte ist auch zulässig (BGH, IBR 1997, 172). Nach Hörung der Antragsgegner entscheidet das Gericht auch bei Nichtäußerung durch den Antragsgegner über den Antrag durch Beschluss. Im Regelfall wird dabei ein Beweisbeschluss zur Beweisaufnahme durch Beauftragung eines Sachverständigen nach Einzah-

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

lung eines dafür notwendigen weiteren Vorschusses durch den Antragsteller erfolgen. Der notwendige weitere Vorschuss für die Tätigkeit des gerichtlich beauftragten Sachverständigen wird sich nach der voraussichtlich notwendigen Tätigkeit des Sachverständigen richten. Das Gericht wird regelmäßig die Schätzungsangaben des Sachverständigen für die Beschlussfassung über die Höhe des dafür vom Antragsteller zu zahlenden weiteren Vorschusses zugrunde legen. Bei Nutzungsmöglichkeit vorhandener Mess-Stellen für Felduntersuchungen mit mehrmaligen Beprobungen und Analysen im Rahmen der Pumpversuche dürften sich diese Kosten im Bereich von ca. 10 bis 15 T€ für die eigentliche Felduntersuchung einschließlich Laboranalysen z.B. für Hauptionen und Spurenelemente sowie Gasanalysen, Standardisotopenmethoden, Tritium, Kohlenstoff, Edelgase, Radioaktivität und 5 bis 10 T€ für die danach folgende Gutachtenerstellung, mithin insgesamt ca. 15 bis 25 T€ belaufen. Bei notwendigen Tiefenschöpfen-Probenahmen werden zusätzlich über den Vorschuss an das Gericht zu deckende Kosten von ca. 10 bis 20 T€ hinzukommen. Nach Zahlung dieses Vorschusses wird die Akte vom Gericht an den gerichtlich beauftragten Sachverständigen weitergeleitet. Der Sachverständige wird von den Parteien zunächst die aus seiner Sicht notwendigen weiteren Unterlagen wie bergrechtliche Bewilligung, wasserrechtliche Erlaubnis, bergrechtliches Wärmegutachten, technisches Konzept, Ergebnisse bisheriger Pumpversuche und Laboranalysen in kurzer Frist von regelmäßig 2 bis 4 Wochen abfordern. Nach Eingang der Unterlagen wird er einen Ortstermin zur Inaugenscheinnahme der Anlage(n) vornehmen und anhand der dabei getroffenen Feststellungen die eigentlichen Untersuchungen selbst durchführen und Analysen von akkreditierten Labors durchführen lassen. Es wird hier darauf hingewiesen, dass aus dem zivilprozessual geregelten Prozedere die Beeinflussungsmöglichkeiten der Antragstellerpartei für ein zügiges Verfahren ersichtlich sind – diese sollten auch genutzt werden. So ist es für die Antragstellerpartei bei Interesse an einem zügigen Verfahrensablauf sinnvoll, die o.g. Unterlagen sofort mit der Antragstellung schon an das Gericht zu übermitteln und einen vorhersehbaren weiteren Kostenvorschuss für den Sachverständigen neben den eigentlichen Gerichtskosten sofort mit einzuzahlen. Nach Erstellung des Gutachtens und Übermittlung desselben vom Sachverständigen an das Gericht und vom Gericht an die Parteien ist das selbständige gerichtliche Beweisverfahren dem Grunde nach beendet. Die Parteien dürfen allerdings in einer zumutbaren Frist von ca. 4 Wochen Anträge zur Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen in Form der Beantwortung aufgegebener Fragen stellen oder allgemein die Anhörung des Sachverständigen in einem anzuberaumenden Termin im Gericht beantragen. Dann läuft das Verfahren weiter. Das Gericht wird eine weitere Tätigkeit des Sachverständigen abhängig von der Abrechnung des Sachverständigen ggf. von einer weiteren Vorschusszahlung der den jeweiligen Antrag stellenden Partei an das Gericht über die Justizkasse machen. Bei Beteiligung am Ortstermin oder/und der Anhörung des Sachverständigen an einem Gerichtstermin entsteht eine weitere anwaltliche 1,2-fache Termingebühr und damit in etwas geringerer Höhe als die oben angegebene 1,3-fache Verfahrensgebühr.

3.3 Ausgewählte rechtliche Fragestellungen

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Ein selbständiges gerichtliches Beweisverfahren unterliegt als öffentliches Verfahren keiner Geheimhaltung. Die Parteien verhandeln den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich u n d d a m i t u n t e r m ö g l i c h e r B e t e i l i g u n g a l l g e m e i n o d e r k o n k r e t i n t e r e s s i e r t e n Z u s c h a u e r n . An der Gerichtstafel werden die laufenden Verfahren einschließlich Angabe der Parteien und mit Termin veröffentlicht. Ortstermine sind parteiöffentlich gemäß §§ 357, 404a Abs. 4 ZPO. Daran dürfen also neben den Parteien und Anwälten auch sachkundige Berater jeder Partei teilnehmen. Die Parteien haben über die Nutzung des örtlich zuständigen Gerichtes am Sitz des Antragsgegners oder im Bezirk der geothermischen Anlage und durch die Anrufung der normalen Zivilkammer oder – bei entsprechender Gerichtsstandvereinbarung – der speziellen Kammer für Handelssachen am jeweiligen Landgericht geringe Möglichkeiten zur Beeinflussung, welcher Richter das Verfahren führt. Wenn die antragsgegnerische Anlagenbetreiberfirma in Augsburg ihren Sitz hat, die Anlage jedoch im Gerichtsbezirk des Landgerichtes München I liegt, hat der Antragsteller bei Anwendung der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung die Möglichkeit der Wahl zwischen Landgericht Augsburg und Landgericht München I (§§ 17, 29, 35 ZPO). Ein ausschließlicher Gerichtsstand der Umwelteinwirkung gem. § 32a ZPO dürfte bei bisherigen geothermischen Anlagen nicht gegeben sein, da die im Anhang 1 zum Umwelthaftungsgesetz genannten Kraftwerke nur solche sind, die feste, flüssige oder gasförmige Brennstoffe verwenden – Geothermie ist kein solcher Brennstoff. Künftig kann bei großen geothermischen Kraftwerken allerdings eine Anlage gem. Anhang 2 Ziffer 1 Umwelthaftungsgesetz i.V. §§ 1, 7 Störfallverordnung vorliegen. Dieser ausschließliche Gerichtsstand gilt nur, wenn der Ersatz eines durch eine Umwelteinwirkung verursachten Schadens geltend gemacht wird. Stehen das Landgericht und die betreffende Kammer konkret fest, richtet sich die Bearbeitung des Verfahrens durch welchen Richter nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichtes und dem Eingang des Antrages einschließlich Anfangsbuchstaben der Antragsgegnerfirma. Bei Kenntnis der konkreten örtlichen Richterschaft kann daher im Prinzip von der Antragstellerpartei nur entschieden werden, welche Kammer und damit welche Richter das Verfahren nicht führen sollen. Isoliertes Beweisverfahren SOBau Verfahren außerhalb staatlicher Gerichte sind als schiedsrichterliche Verfahren gem. §§ 1025 ZPO nach den dortigen Regelungen zulässig. Diese private Schiedsgerichtsbarkeit hat zunächst den Vorteil der strikten Nichtöffentlichkeit des gesamten Verfahrens. Im Unterschied zu Verfahren vor einem staatlichen Gericht erlangt hier die Öffentlichkeit z.B. in Person nicht beteiligter anderer Firmen oder Planungsbüros oder Behörden der Tiefen Geothermie weder Kenntnis der Führung eines Verfahrens überhaupt noch zu Inhalten des Beweisthemas oder/und der Beweisergebnisse. Zuschauer dürfen am Ortstermin mit dem Sachverständigen oder an der Verhandlung z.B. in Form der Anhörung des Sachverständigen nicht teilnehmen. Der andere Vorteil liegt darin, dass die Parteien den für die Durchführung eines isolierten Beweisverfahrens nur notwendigen einen Schlichter oder Schiedsrichter selbst ver-

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traglich bestimmen. Sie haben es damit in der Hand, den Schlichter oder Schiedsrichter auch anhand seiner Branchenkenntnisse selbst auszuwählen. Das unwägbare Risiko der Tätigkeit eines unbekannten und praktisch zufällig bestimmten staatlichen Richters an einem staatlichen Gericht mit bisheriger überwiegender beruflicher Tätigkeit z.B. als Jugendstaatsanwalt oder Familienrichter entfällt. Auch durch ein privates Schiedsverfahren wird die Verjährung gehemmt. Beweiserhebungen und eventuell künftige Streitigkeiten in der Hauptsache betreffen in Deutschland befindliche tiefengeothermische Anlagen mit regelmäßig in Deutschland befindlichen Firmensitzen der Anlagenbetreiber. Anzuwenden ist daher im Standardfall deutsches Recht. In Deutschland sind verschiedene Schiedsgerichtsordnungen zur untersetzenden Regelung privater Schiedsverfahren vorhanden. Diese sind überwiegend auf die Führung von Streitigkeiten in der Hauptsache und nicht – auch – auf bloße Beweiserhebung gerichtet. Vom Verfasser wird daher die Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten der ARGE Baurecht (SOBau) empfohlen. Diese regelt nämlich auch bloße Beweiserhebungen. Die SOBau ist unter www.arge-baurecht.com abrufbar. Sie ist mit lediglich 18 Paragraphen kurz und klar gefasst. Die 18 Paragraphen der SOBau sind drastisch kürzer als die ebenfalls 18 Paragraphen der VOB/B. Die Anwendung der SOBau ist zwischen den Parteien vertraglich zu vereinbaren. Empfohlen wird ausdrücklich, diese Vereinbarung am Beginn einer zunächst noch friedlich-freundlich geführten Auseinandersetzung zu führen. Dadurch kommt als weiterer Vorteil die kürzere Zeit einer Verfahrensdurchführung zum Tragen. In der SOBau werden Beweiserhebungen außerhalb eines Hauptsacheverfahrens als isoliertes Beweisverfahren nach §§ 11 bis 13 SOBau durch einen Schlichter geführt. Die im Ergebnis dieses Beweisverfahrens getroffenen Feststellungen sind für die Parteien bindend im Sinne §§ 412, 493 ZPO. Die Parteien bestimmen auch hier die Person des Schlichters selbst vertraglich. Eine Liste der Schlichter und Schiedsrichter ist unter www.arge-baurecht.com abrufbar. Die Parteien klären dabei vor ihrer eigenen vertraglichen Regelung zum Tätigwerden eines bestimmten Schlichters vorher dessen Einverständnis und schließen dann mit dem Schlichter eine entsprechende vertragliche Vereinbarung. Der Schlichter darf wie ein staatlicher Richter nicht befangen sein – also keine wirtschaftlichen oder persönlichen Bindungen zu einer Partei oder am Ausgang des Verfahrens ein eigenes wirtschaftliches Interesse haben. Die für die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens oder/und eines Schiedsverfahrens überhaupt und auch für ein isoliertes Beweisverfahren erforderlichen vertraglichen Regelungen mit Schlichtungs- und Schiedsgerichtsvereinbarung, bloßer Schlichtungsvereinbarung oder bloßer Schiedsgerichtsvereinbarung und auch Schlichtervertrag bzw. Schiedsrichtervertrag sind ebenfalls unter www.arge-baurecht.com als Muster abrufbar. Die Tätigkeit des Schlichters wird nach Gegenstandswert, Zeitaufwand zu o.g. Stundensätzen, der Kombination beider oder anders nach Vereinbarung abgerechnet. Beide Schlichtungsparteien tragen das Honorar grundsätzlich zu gleichen Teilen.

3.3 Ausgewählte rechtliche Fragestellungen

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Im isolierten Beweisverfahren beauftragt der Schlichter den Sachverständigen auf Rechnung des Antragstellers. Der Schlichter kann vom Antragsteller einen angemessenen Vorschuss verlangen. Das Honorar eines Schiedsrichters wird üblicherweise nach dem Gegenstandswert an den Regelungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) orientiert. Im schiedsrichterlichen Verfahren entscheidet das Schiedsgericht, wer welche Kosten zu tragen hat. Es wird geraten, die in der SOBau liegenden Möglichkeiten der Schlichtung auch für die Hauptsache z.B. hinsichtlich einer wechselseitigen Vereinbarung von Fördermengen/Wasserkontingenten oder/und einer Entschädigungszahlung zu nutzen. Wegen der Branchenspezifik der Tiefen Geothermie überhaupt und daneben dem gerade erst stattfindenden Übergang von der Entwicklung zur industriellen Anwendung besteht derzeit das Risiko, dass bestimmte Einschätzungen/Erwartungen oder Forderungen nicht justitiabel sein können, weil auf keine belastbaren Sachverständigenaussagen aus einer – nicht vorhandenen – Fülle vergleichbarer Fälle zurückgegriffen werden kann. Auf das Nichtvorhandensein allgemein gültiger und vor allem kalibrierter Modelle des Untergrundes für zuverlässige Aussagen wird nochmals hingewiesen. Private oder staatliche Gerichte sind kein geeigneter Ort, um wissenschaftlichen Meinungsstreit zu entscheiden. Schlichtung kann dazu dienen, sowohl einen konkreten aktuellen Fall überhaupt einer Lösung zuzuführen als auch eine grundsätzlich notwendige Klärung für eine ganze Anzahl künftiger Fälle mit Orientierung auf die auch zukünftig notwendige Zusammenarbeit verschiedener Parteien herbeizuführen. Dabei können eben Lösungen abgekoppelt vom Einzelfall für dauerhafte zukünftige Handhabungen unter Berücksichtigung der langfristigen Interessen der beiden oder mehrerer benachbarter Vertragsparteien gefunden werden. So besteht die Möglichkeit der Herbeiführung einer Regelung z.B. dergestalt, dass die von den Mitarbeitern einer Vertragspartei gewonnenen Erkenntnisse die andere Vertragspartei bei künftigen Projekten verwenden darf, wobei die eine Vertragspartei prozentual oder pauschal am Gewinn aus der Vermarktung dieser Erkenntnisse durch die andere Vertragspartei beteiligt wird. In einer anderen Fallkonstellation kann Schadenersatz mit dem Gewinn aus einem anderen Vertrag kompensiert und darüber hinaus dieser Vertrag als Referenz auch für Werbung verwendet werden. Dies betrifft auch Probleme wie die Lösung eines Patentkonfliktes eines angestellten Ingenieurgeologen mit seiner Arbeitgeberfirma bei parallelem Streit seiner Arbeitgeberfirma mit deren Auftraggeberin als Feldinhaber, wobei der Ingenieurgeologe als wichtigster Wissensträger weiterhin seinem Arbeitgeber in einem parallelen Verfahren im eigentlichen Projekt zur Verfügung steht (Wagner, BauR 2004, 221 ff.). Die Durchführung einer Schlichtung zur internen Verhandlung und Herbeiführung einer Vereinbarung über Fördermengen oder Wasserkontingenten zwischen benachbarten Anlagenbetreibern wird ausdrücklich nochmals empfohlen. Bei erheblichen, sonst nicht überbrückbaren Widerständen gegen die Vollvereinbarung der SOBau seitens einer oder seitens beider Parteien wird die Variante mit Verpflichtung zur Durchführung eines isolierten Beweisverfahrens oder/und Schlichtungsverfahrens mit danach folgendem Recht, aber nicht der Pflicht zur Durchführung eines Schiedsgerichtsverfahrens in der Hauptsache empfohlen (Kwiatkowski, Erfahrungsaustausch SOBau 21.11.2003 – unveröffentlicht).

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

In diesem Fall wird also ein Beweisverfahren oder/und Schlichtungsverfahren nach privater Vereinbarung durchgeführt. Anschließend kann, aber muss nicht ein Schiedsgerichtsverfahren durchgeführt werden – es kann vielmehr auch das staatliche Gericht für die Entscheidung in der Hauptsache angerufen werden. Pool-Vertrag: eine sinnvolle Alternative In der Öl- und Gasindustrie existiert für die mit der Tiefen Geothermie vergleichbare Gewinnung aus benachbarten Anlagen einer Lagerstätte das jahrzehntelang bewährte Lösungsmodell eines Pool-Vertrages der verschiedenen benachbarten Bewilligungsinhaber. Im Pool-Vertrag werden auf der Grundlage der bei den verschiedenen Bewilligungsinhabern vorhandenen bergrechtlichen Bescheide zur Gewinnung aus den verschiedenen Feldern einer Lagerstätte zunächst Regelungen zur Feststellung bestimmter Sachverhalte mit der Höhe von Fördermengen in bestimmten Zeiträumen getroffen. Die Regelungen beinhalten auch Feststellungen zum Konvergenz-Punkt zwischen over lift und under lift sowie zur Feststellung von Reserven. Danach gelangen über einen im Vertrag vereinbarten konkreten Pool-Schlüssel Ausgleichsmechanismen zwischen den Vertragspartnern zur Anwendung. Die Anlagenbetreiber direkt benachbarter angrenzender Anlagen der Tiefen Geothermie sollten jetzt aktiv sowie lösungsorientiert intern prüfen und wechselseitig verhandeln, wie dieses Modell aus der Kohlenwasserstoffindustrie schon jetzt mit eigenen vertraglichen Gestaltungen anwendbar gemacht wird und zeitnah die tatsächliche Umsetzung vornehmen. Es soll also ausdrücklich nicht nur diskutiert werden, ob eine solche Vereinbarung erfolgen könnte. Aktuelle Pool-Verträge der Öl- und Gaswirtschaft zur Gewinnung dieser Kohlenwasserstoffe aus benachbarten Feldern einer Lagerstätte (wie beim Heißwasseraquifer im Malm des Großraums München) beziehen sich für die mengenmäßige Verteilung nach einem Verteilungsschlüssel auf vertraglich vereinbarte Definitionen der „Proved Reserves“ in der Fassung 1997 der SPE (SOCIETY OF PETROLEUM ENGINEERS)/des WPC (WORLD PETROLEUM CONGRESS). Die Berechnung von Reserven geothermischer Potenziale wird mindestens in Deutschland zukünftig für verschiedene Felder einer Lagerstätte notwendig werden. Bisher existieren dafür weder abgestimmte Definitionen staatlicher Institutionen vergleichbar der US-staatlichen SEC (SECURITIES AND EXCHANGE COMMISSION) oder einer Vereinigung der Ingenieure. Tatsächlich mit der praktischen Charakterisierung von tiefengeothermischen Lagerstätten befasste Geologen und Ingenieurgeologen sollten hier eine aktive fachgeologische Erarbeitung und Installierung einer vergleichbaren Definition für Wärmepotenziale, Veränderungen der Hydraulik und Temperatur sowie der Wasserzusammensetzung in Verbindung mit zu fördernden Wassermengen als Branchenstandard für die Gewinnung der Erdwärme in und an der Bohrung vornehmen. Diese kann auch bei Einverständnis von Anlagenbetreibern vertraglich als Standard vereinbart werden. Lösungen zwischen benachbarten Anlagenbetreibern bieten jetzt die Chance der vorbildhaften Modellierung für die gesamte Branche der Tiefen Geothermie. Nicht Bedenkenträger, sondern Vertreter mit neudeutsch sogenannter Hands-on-Mentalität sollten die Möglichkeit zur aktiven eigenständigen und langfristigen Gestaltung nutzen.

3.3 Ausgewählte rechtliche Fragestellungen

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Ein Vollständigkeitsprinzip der Einbeziehung möglichst aller Anlagenbetreiber sollte am Beginn einer solchen Gestaltung schlichtweg keine Rolle spielen. Solche Überlegungen können nach tatsächlicher Vereinbarung zunächst zweier oder mehrerer benachbarter Anlagenbetreiber für eine künftige breitere Anwendung angestellt werden. Bei sinnvoller Gestaltung solcher Pool-Verträge wird es sowieso einen Nachzieheffekt geben. Es wird darauf hingewiesen, dass es sich hier um eine Vertragslösung handelt. Ein Zwang zum Abschluss eines solchen Vertrages überhaupt oder daneben für den Inhalt bestimmter Regelungen besteht nicht. Ein Vertrag ist bekanntlich die übereinstimmende Willenserklärung der verschiedenen Vertragsparteien im Rahmen der Umsetzung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit. Wasserkontingentierung – ein Ausblick? Im Falle von Streitigkeiten zwischen benachbarten Anlagenbetreibern wegen behaupteter oder nachgewiesener Verursachung von Beeinträchtigungen oder Gefährdungen mit konkreten Auswirkungen und wenn das Wohl der Allgemeinheit es erfordert, müssen die Anlagenbetreiber z.B. gem. § 22 WHG 2010 mit der öffentlich-rechtlichen Möglichkeit der wasserrechtlichen amtlichen Verbescheidung von Wasserkontingentierungen in Art, Maß und Zeiten der Gewässerbenutzung für alle im Streit befindlichen Anlagen rechnen. Dies würde dann für eine so behördlich erfolgte Klärung sorgen. Für die Bergbehörde sind beispielsweise die erstmalige Verbescheidung einer Bewilligung zur Gewinnung oder der bevorstehende Ablauf einer regelmäßig zunächst auf 5 Jahre befristeten Gewinnungsbewilligung ein geeigneter Zeitpunkt für solche Verbescheidungen. Die wasserrechtliche Erlaubnis steht sowieso unter dem Vorbehalt der nachträglichen Anordnung von Maßnahmen zum Ausgleich einer auf die Benutzung zurückzuführenden mengenmäßigen und chemischen Änderung des Zustandes des Grundwassers (§§ 13 I, II; 14 IV WHG 2010). Mindestens bei Gefährdungen besteht das weitere Risiko der verwaltungsrechtlichen Anordnung des Sofort-Vollzugs. Eine solche Verbescheidung ist formell über das entsprechende Verwaltungsverfahren bis hin zur verwaltungsgerichtlichen Führung eines Rechtsstreites gerichtlich überprüfbar. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass übliche Verwaltungsgerichtsverfahren nicht nur mehrjährig, sondern vieljährig andauern. Bei Anordnung des Sofort-Vollzug einer Verbescheidung kann ein zweites verwaltungsrechtliches Verfahren allein wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Wasserkontingentierung hinzukommen. Praktisch parallel müsste vom angeblich oder tatsächlich geschädigten Anlagenbetreiber gegen den angeblich oder tatsächlich wesentliche Beeinträchtigungen oder Gefährdungen verursachenden benachbarten Anlagenbetreiber wegen Ausgleichsforderungen oder/und Unterlassung auch zivilrechtlich vor dem zuständigen Zivilgericht bzw. wasserrechtlich vor der zuständigen Behörde vorgegangen werden. Dies wäre dann ein zweites oder – bei parallelem Vorgehen gegen den Sofort-Vollzug einer Verbescheidung – drittes Verfahren. Im Falle behaupteter Gefährdungen dürften wegen e i n e r Gefährdung eben der gesamten tiefengeothermischen Anlage die Gesamtinvestition oder bei behaupteter wesentlicher Beeinträchtigung eben wesentliche Teile davon den gerichtlichen Streitwert darstellen.

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Zur Vermeidung von Irrtümern über die Kosten streitiger Auseinandersetzung bei wesentlichen Beeinträchtigungen oder Gefährdungen einer tiefengeothermischen Anlage erfolgt hier eine nähere Betrachtung. Bei einer üblichen 5-MWel-Anlage wird die Investition abhängig von Eigenkapital, Verzinsung, Versicherungsprämien und der Geologie bei ca. 10,5 bis 12 Mio. €/MWel und damit insgesamt zwischen ca. 53 bis 60 Mio. € betragen (s.a. Reif, Leitfaden zur Entwicklung von Geothermieprojekten, ENERCHANGE agency for renewable energies, Freiburg 2009 S. 28 ff.). Selbst wesentliche Teile davon würden immer noch einen zweistelligen Millionenbetrag ausmachen. Der Gegenstandswert ist für die Gerichtskosten und für die anwaltliche Vergütung auf höchstens 30 Mio. € begrenzt (§ 39 II GKG, § 22 II RVG). Die Gerichtskosten für eine Klage nur in der 1. Instanz am Landgericht betragen bei 30 Mio. € Gegenstandswert gem. § 34, KV Nr. 1210 GKG 3 Gebühren = rund 280 T€ rein netto. Dieser Betrag ist sofort mit Klageeinreichung an das Gericht zu zahlen. Die anwaltliche Vergütung bei einem Klageverfahren nur in der 1. Instanz am Landgericht beträgt bei 30 M€ Gegenstandswert gem. § 13, VV Nr. 3.100, 3104 RVG 2,5 Gebühren = rund 230 T€ netto zuzüglich Auslagen mindestens in Höhe der derzeit 19 % Mehrwertsteuer. Der Anwalt darf gem. § 9 RVG sofort mit Beginn der Tätigkeit für die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen einen Vorschuss bis zur vollen Höhe verlangen. Die gesetzliche Vergütung für Anwälte in einem Gerichtsverfahren darf durch Vereinbarung überschritten, aber nicht unterschritten werden. Es entstehen gleich hohe Anwaltskosten von rund 230 T€ netto auf der Gegenseite. Ohne vorangegangenes selbständiges Beweisverfahren kommen in jedem Fall weitere Sachverständigenkosten hinzu. Auch bei einem vorangegangenen, selbstständigen Beweisverfahren können zur Beweisführung des Klageantrages oder dessen Abwehr weitere Sachverständigenkosten hinzukommen. Die o.g. Kosten von mindestens rund 740 T€ netto und daneben eventuelle Sachverständigenkosten betreffen also nur die Kosten einer unterlegenen Partei in nur einem Zivilverfahren nur in der 1. Instanz bei einem Gegenstandswert von 30 M€ im Falle einer Gefährdung des gesamten Investments oder eines wesentlichen Teils einer derzeit üblichen 5-MWel-Anlage. Wenn es in der 1. Instanz nicht zu einem gerichtlichen Vergleich kommt, wird die unterlegene Partei im Falle einer gefüllten Kriegskasse in Berufung am Oberlandesgericht gehen. Im Falle eines zivilrechtlichen Berufungsverfahrens am Oberlandesgericht entstehen weitere Gerichtsgebühren von rund 380 T€ rein netto und damit rund 33 % höhere Gerichtsgebühren als in der 1. Instanz zusätzlich und sind sofort nach Berufungseinlegung zu zahlen. Hier würden jeder Partei weitere Anwaltskosten in Höhe von 2,8 Gebühren von rund 265 T€ netto zuzüglich Auslagen und damit rund 15 % höhere Anwaltskosten als in der 1. Instanz auch zusätzlich entstehen. In der Berufungsinstanz entstehen damit insgesamt in diesem Fall mindestens zusätzlich zu den Kosten der 1. Instanz weitere rund 910 T€ Kosten netto. In zwei zivilgerichtlichen Instanzen müssen daher rund 1,61 M€ netto zuzüglich Auslagen auf die anwaltlichen Vergütungen als Verfahrenskosten eingestellt werden. Der Verlierer zahlt am Ende alle Kosten. Anlagenbetreiber mit der Absicht einer streitigen Auseinandersetzung sollten sich vor Beginn einer solchen über sowohl vorn genannte fachliche Risiken der eventuellen Nichtbeweisbarkeit behaupteter Gefährdungen einschließlich konkreter ökonomischer Auswirkun-

3.3 Ausgewählte rechtliche Fragestellungen

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gen in einem bezifferten Euro-Betrag als auch die regelmäßig mehrinstanzlichen Gerichtskosten, Sachverständigenkosten und anwaltlichen Vergütungen aufklären lassen. Die eventuell notwendige Führung mindestens zweier Verfahren in Form eines zivilgerichtlichen und daneben eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist auch zu berücksichtigen. Eine „aktive“ Verfahrensführung eines solventen prozessfreudigen Anlagenbetreibers kann unter diesen Umständen allein wegen der Verfahrenskosten zur feindlichen Übernahme des Anlagennachbars mit weniger gut ausgestatteter Kriegskasse ggf. über insolvenzrechtliche Bestimmungen genutzt werden oder tatsächlich beitragen. Es ist anzuraten, dass Anlagenbetreiber bei Streit über die Verursachung von Beeinträchtigungen oder Gefährdungen und deren Ausgleich diese Risiken beachten. Die leichtfertige und nicht beweisbare, weil ohne nachweisbare Vergleichsdaten aufgestellte Behauptung einer wesentlichen Beeinträchtigung oder Gefährdung kann einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch des angeblichen Schädigers auf vertragsstrafenbewehrten Widerruf dieser Behauptung und Unterlassung künftig ähnlicher Behauptungen gesamtschuldnerisch durch den/die Geschäftsführer der behauptenden Firma und die Firma selbst begründen. Die Frist für die Abgabe einer solchen Erklärung beträgt zulässigerweise regelmäßig nur einen bis ca. sieben Tage, also nicht Wochen oder gar Monate. Es muss im Bewusstsein von Geschäftsführern klar sein, dass bei Insolvenz der Firma dann solche Ansprüche immer noch gegen den/die Geschäftsführer persönlich bis zum letzten Cent ihres Vermögens und ihres künftigen (pfändbaren Teils des) Einkommens bestehen. Handelnden mit konkreten Tatsachen-Behauptungen von Beeinträchtigungen oder Gefährdungen ihrer tiefengeothermischen Anlage durch konkrete Anlagennachbarn muss klar sein, dass sie sich nicht auf dem Gebiet „meinungsfreiheitlicher“ (kommunal- oder verbands-)politischer bzw. wissenschaftlicher Auseinandersetzung bewegen. Bei konkreten tiefengeothermischen Projekten bestehen konkrete wirtschaftliche Interessen, die auch im Geschäftsinteresse einer streitigen Entscheidung zugeführt werden. Die Variante der eigenständig aktiven Verhandlung und Vereinbarung eines zwischen den Parteien selbst bestimmten und im Bergbau schon bewährten Pool-Vertrages zwischen benachbarten Anlagenbetreibern ist auch unter diesen Gesichtspunkten sinnvoll. Auch die Führung eines nichtöffentlichen Schlichtungsverfahrens oder/und Schiedsgerichtsverfahrens dürfte zweckmäßig sein. Die Alternativen in Form streitiger Auseinandersetzungen vor Gerichten oder/und über Verwaltungsentscheidungen von Behörden sollten sinnvollerweise vermieden werden. Zusammenfassend wird geraten, dass Anlagenbetreiber untereinander und intern auf aktive Kooperation, die Herstellung einvernehmlicher Regelungen und Toleranz setzen sollten.

124

3.4

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Rechtliche Anforderungen an ein Sicherheitenkonzept aus Bankensicht DR. WOLFRAM DISTLER

3.4.1

Einleitung

Derzeit werden im Bereich der Geothermie in Deutschland noch vergleichsweise wenige Kraftwerksprojekte umgesetzt. Die 19 bis heute realisierten Projekte befinden sich zum größten Teil im süddeutschen Molassebecken sowie im Norddeutschen Becken und im Oberrheingraben. Weitere 19 Anlagen werden bereits gebaut bzw. gebohrt und 70 Anlagen befinden sich derzeit in der Planung185. Projektfinanzierungen im Bereich der Geothermie sind bisher fast ausschließlich auf kommunaler Ebene bei der Umsetzung kommunaler Geothermie-Projekte zu finden186. Bisher sind nur wenige Projektfinanzierungen kleinerer privater (also nicht-kommunaler) Geothermie-Anlagen abgeschlossen worden187. Die bisherige Zurückhaltung hängt stark damit zusammen, dass Banken vor hohen Investitionsrisiken bei Tiefen Geothermie-Projekten zurückschrecken. Von Beginn an erfordert ein Geothermie-Projekt erheblichen Investitionsbedarf 188, der zudem – insbesondere während der Bohrphase – schwer kalkulierbar ist189. Allerdings werden in naher Zukunft erste größere Projektfinanzierungen von Geothermieanlagen erwartet. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber den Betreibern von Geothermieanlagen durch verschiedene Förderinstrumente unter die Arme greift und Investitionsrisiken zu minimieren versucht. Im Auftrag des BUNDESMINISTERIUMS FÜR UMWELT (BMU) vergibt die KREDITANSTALT FÜR WIEDERAUFBAU (KfW) beispielsweise langfristige Kredite zu günstigen Zinskonditionen mit Tilgungszuschüssen. Gefördert werden Projekte zur Erschließung und Nutzung der Tiefengeothermie mit mehr als 400 m Bohrtiefe. Für den Darlehensnehmer ist die Förderung durch die KfW neben den günstigen Kreditbedingungen auch aus einem anderen Grund vorteilhaft: Das Programm „Fündigkeitsrisiko Tiefengeo185 186

187

188

189

Eine aktuelle Übersicht aller Tiefengeothermie-Projekte in Deutschland findet sich unter http://www.geothermie.de/wissenswelt/geothermie/in-deutschland.html, zuletzt abgerufen am 7. November 2013. Die Absicherung des Kreditausfallrisikos der kommunalen Projektgesellschaft erfolgt regelmäßig über die Gewährung von Kommunalbürgschaften der Kommune. Aus Gründen der Risikominimierung ist die Bürgschaftssumme häufig auf 80 % der Kreditsumme beschränkt. Hierdurch wird abgesichert, dass der kreditgebenden Bank ein Eigenanteil von mindestens 20 % der Kreditsumme obliegt, in diesem Rahmen wird die Finanzierung der Geothermie-Anlage typischerweise über die Struktur einer Projektfinanzierung umgesetzt. Mitteilung der BayernLB über die Finanzierung des zweiten privaten Geothermie-Kraftwerks in Bayern unter: http://www.bayernlb.de/internet/de/content/kundenprojekte/unternehmen_5/geothermiekraftwerk_bayern_1/ priv_geothermie.jsp zuletzt abgerufen am 7. November 2013. Aktuell gilt ein Kaufpreis an einer Geothermie-Anlage i.H.v. 10 Mio. EUR pro installierten MWel (Megawatt elektrisch) als realistisch. Damit sollen sich Gesamtkapitalrenditen von ca. 12–18 % je nach Größe der Anlage und Art der Wärmekopplung erzielen lassen. Vor dem Hintergrund werden die Anlagenbetreiber versuchen, eine möglichst hohe Fremdkapitalfinanzierung für das jeweilige Projekt zu erreichen (Vgl. hierzu Petersen/Seifen, in: Gerhard/Rüschen/Sandhövel, Finanzierung Erneuerbarer Energien, 499). Siehe hierzu und zur Risikoallokation zwischen Sponsoren und Banken den Beitrag von TILO WACHTER in Kapitel 4.3. Neben der Absicherung des Risikos der Bohrkosten durch Versicherungen, forderten Banken in der Vergangenheit, dass das Eigenkapital der Gesellschafter das gesamte Risiko während der Bauphase abdeckt (Vgl. hierzu Petersen/Seifen, in: Gerhard/Rüschen/Sandhövel, Finanzierung Erneuerbarer Energien, 500).

3.4 Rechtliche Anforderungen an ein Sicherheitenkonzept aus Bankensicht

125

thermie“ der KfW nimmt den Unternehmen das Risiko einer nicht erfolgreichen Erkundung ab. Bis zu 80 % der Finanzierung der Bohr- und Stimulationskosten und eine vollständige Haftungsfreistellung bei Nicht-Fündigkeit werden durch den Abschluss einer Rücksicherung zugunsten der Unternehmen abgesichert.190 Für Kredite der KfW hat der Darlehensnehmer bankübliche Sicherheiten zu stellen, so dass die folgenden Ausführungen auch bei einer Inanspruchnahme der KfW-Förderdarlehen relevant sind. Investitionsrisiken bei einer Projektfinanzierung lassen sich Banken als Fremdkapitalgeber regelmäßig durch ein umfassendes Sicherheitenpaket absichern. Im folgenden Abschnitt werden die bei einer typischen Projektfinanzierungsstruktur eingesetzten Kreditsicherheiten dargestellt, die auch bei der Projektfinanzierung von Geothermie-Anlagen in Betracht kommen. Wie bereits in Kapitel 2 ausführlich dargelegt wurde, handelt es sich bei der Projektfinanzierung um eine Cashflow-orientierte strukturierte Kreditfinanzierung. Aufgrund der nonrecourse oder limited-recourse-Finanzierungsstruktur haben die Kreditgeber keine oder nur eine eingeschränkte Rückgriffsmöglichkeit auf die jeweiligen Projektträger. Daher übernehmen die Projektfinanzierer durch das bloße Abstellen auf einen zukünftigen Zahlungsfluss (Cashflow) ein wirtschaftlich viel höheres Risiko als beispielsweise bei der herkömmlichen Unternehmensfinanzierung191. Um eine adäquate Risikoverteilung zwischen den Projektparteien und die Absicherung wesentlicher Projektrisiken (beispielsweise den Verzug oder Ausfall des Kreditnehmers) zu gewährleisten, spielt die Bestellung eines ausreichenden Sicherheitenpaketes zugunsten der Kreditgeber (bzw. des Sicherheitentreuhänders) eine herausragende Rolle. Dabei stellt die Projektgesellschaft selbst Kreditsicherheiten zur Verfügung, da letztendlich aus ihrem Cashflow die besicherten Forderungen bedient werden und die Haftung ihrer Gesellschafter aufgrund der non-recourse oder limited-recourse-Struktur (weitgehend) ausgeschlossen ist192. In der Regel wird im Rahmen einer Projektfinanzierung ein vollumfängliches Sicherheitenpaket zusammengestellt, bei dem ausgehend von der Höhe des abzusichernden Risikos regelmäßig auf alle wesentlichen Kreditsicherheiten zurückgegriffen wird; namentlich kommen hier insbesondere     

ein Recht an öffentlich-rechtlichen Genehmigungen, die im Zusammenhang mit der Anlage erteilt worden sind, eine Sicherungsübereignung beweglicher Sachen, evtl. mögliche Grundstücks-Sicherheiten, ein Pfandrecht an den Bankkonten der Projektgesellschaft, und eine Globalzession (inklusive der Abtretung des Anspruchs auf Vergütung der gewonnenen Energie sowie aller Versicherungsforderungen)

in Betracht. 190

Siehe Internetauftritt der KfW, https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Unternehmen/Energie-Umwelt/Förderprodukte/ Erneuerbare-Energien-Tiefengeothermie-(28272-282)/index.html, zuletzt abgerufen am 7. November 2013. 191 Röver, in: Siebel/Röver/Knütel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, Rn. 2365. 192 Denkbar ist natürlich, dass Sponsoren oder Dritte in Form von Bürgschaften, Garantien oder Schuldbeitritten sich an der Kreditbesicherung beteiligen. Dies würde jedoch einem Grundprinzip der Projektfinanzierung, dem limited-/non-recourse-Prinzip, entgegenstehen und kommt in der Praxis nur bei besonders risikoreichen Projekten, und auch dort lediglich in der Bauphase, in Betracht.

126

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Daneben werden die Gesellschafter der Projektgesellschaft regelmäßig dazu verpflichtet, die von ihnen gehaltenen Anteile an der Projektgesellschaft zu verpfänden. Sind die Gesellschafter indirekt über eine Holding-Gesellschaft (HoldCo) beteiligt, wird häufig auch ein Pfandrecht über letztere verlangt. Dieses umfassende Sicherheitenpaket bietet den kreditgebenden Banken die Kontrolle über die Sicherungsgegenstände im Verwertungsfall, wobei im Vordergrund nicht die Befriedigung eines Einzelanspruch des Kreditgebers steht, sondern vielmehr der Erhalt der Projektgesellschaft im Ganzen193. Die Kreditbesicherung hat somit mehrere Funktionen zu erfüllen: Regelmäßig wird nicht die Zerschlagung (Verwertungsfunktion), sondern die Fertigstellung und Fortführung des Projekts im Interesse der Banken stehen (Fortführungsfunktion), da – realistisch betrachtet – nur die Weiterführung des Projektes zur Rückführung des eingesetzten Kapitals über den erzielten Cashflow ausreichen wird. Kreditsicherheiten müssen demnach auch danach beurteilt werden, inwieweit sie die Fortführung des Projektes als Ganzes durch die Übernahme des Projektes durch die kreditgebenden Banken oder einen von ihr bestimmten Dritten ermöglichen. Gleichzeitig dienen die Kreditsicherheiten bei der Projektfinanzierung zum Ausschluss dritter Gläubiger, die auf das Vermögen des Darlehensnehmers Zugriff nehmen könnten (Ausschlussfunktion)194.

3.4.2

Sicherheitentreuhänder und Parallel Debt

Projektfinanzierungen werden im derzeitigen Marktumfeld aufgrund ihrer Finanzierungsvolumina, die regelmäßig über Euro 50.000.000 liegen, regelmäßig nicht durch eine einzige Bank, sondern durch ein Bankenkonsortium bereitgestellt. Diese Mehrzahl von Kreditgebern stellt in der Praxis die Projektfinanzierung im Wege eines Konsortialkredites (syndicated loan), bei dem zwischen Darlehensnehmer und dem jeweiligen Darlehensgeber ein direktes Darlehensverhältnis besteht, zur Verfügung. Seltener anzutreffen, rechtlich aber ohne weiteres umzusetzen ist eine Unterbeteiligung (sub-participation) der weiteren Finanzierer, bei der nur eine schuldrechtliche Beziehung zwischen der darlehensgebenden Bank und der unterbeteiligten Bank begründet wird195. Bei einem Konsortialkreditverhältnis besteht ein Bedürfnis zur Koordinierung und Verwaltung der Sicherheitenbestellung, da hier grundsätzlich alle Banken an den Sicherheiten partizipieren und von ihnen profitieren möchten196. Zur besseren und einfacheren Handhabbarkeit der Verwaltung aller Kreditsicherheiten benennt das Bankenkonsortium eine Partei aus ihrem Kreis (bzw. eine Konzerngesellschaft einer Darlehensgeberin) zum Sicherheitentreuhänder (security agent), zu dessen Gunsten die Kreditsicherheiten bestellt werden. Dies erfolgt entweder im Kreditvertrag selbst oder im Wege einer separaten Gläubigervereinbarung (intercreditor agreement)197. 193

Röver, in: Siebel/Röver/Knütel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, Rn. 2365. Röver, in: Siebel/Röver/Knütel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, Rn. 2365 f. Die dinglichen Sicherungsrechte der Banken geben ihnen im Insolvenzfall der Projektgesellschaft hinsichtlich der Sicherungsgegenstände Aussonderungsrechte (§§ 47 f. InsO) bzw. ein Recht zur abgesonderten Befriedigung (§§ 49–52 InsO). 195 Röver, in: Siebel/Röver/Knütel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, Rn. 2443. 196 Röver, in: Siebel/Röver/Knütel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, Rn. 2443. 197 Im Rahmen einer Gläubigervereinbarung werden wichtige Regelungen zum Verhältnis der verschiedenen Fremdkapitalgeber zueinander oder im Verhältnis zu den Sponsoren, der Bestellung des Sicherheitentreuhänder, Regelungen zur Sicherheitentreuhand (z.B. Parallelschuld) sowie der Verwertung von Sicherheiten und der Verteilung ihrer Erlöse aufgenommen. Von besonderer Bedeutung ist die Vereinbarung der Nachrangigkeit der Forderungen der Sponsoren gegenüber der Projektgesellschaft im Verhältnis zu anderen Fremdkapitalgebern. 194

3.4 Rechtliche Anforderungen an ein Sicherheitenkonzept aus Bankensicht

127

Die Bestellung eines Sicherheitentreuhänders vereinfacht den Austausch von Kreditgebern (da letztere nicht direkt Partei der Sicherheitenverträge werden, sind diese auch nicht zu ändern, wenn sich die Zusammenstellung des Konsortiums ändert) und beschleunigt die Verwertung des Sicherheitenpakets. Die Projektgesellschaft bestellt die Sicherheiten somit nicht an die Darlehensgeber, sondern an den Sicherheitentreuhänder.198 Letzterer verwaltet diese für die Konsorten (Darlehensgeber), nach deren Weisungen er regelmäßig zu verfahren hat (sog. uneigennützige Sicherungstreuhand), wobei er auch selbst in der Funktion des Kreditgebers agieren kann (sog. Doppeltreuhand)199. An seine rechtlichen Grenzen stößt die Figur des Sicherheitentreuhänders allerdings dort, wo es nach deutschem Sachenrecht um die Bestellung akzessorischer Sicherheiten (Pfandrechte, Hypotheken) geht. Zu den wesentlichen Merkmalen akzessorischer Sicherheiten gehört, dass der Bestand der Sicherheit von dem Bestand der gesicherten Forderung abhängig ist. Zusätzlich muss Gläubigeridentität bestehen, so dass der Gläubiger der Sicherheit jeweils auch Gläubiger der gesicherten Forderungen sein muss. In der Beratungspraxis hat sich die Aufnahme der folgenden Rechtskonstruktion etabliert, die dieses Problem lösen soll: Der Darlehensnehmer verpflichtet sich hiernach gegenüber dem Sicherheitentreuhänder zur Zahlung einer in der Regel als abstraktes Schuldversprechen i.S.v. § 780 BGB bezeichneten „Parallelschuld“, deren Umfang aufgrund vertraglicher Abreden stets der Summe sämtlicher Darlehens- und Zinsansprüche der Finanzierungsparteien entspricht200. Die Parallelschuld ist dabei eng mit der zugrundeliegenden Darlehensforderung verbunden, man kann somit sagen: Parallelschuld und Darlehensschuld korrespondieren. Die Verpflichtungen des Darlehensnehmers aus der Parallelschuld bleiben zwar selbständig und unabhängig von seinen Verpflichtungen gegenüber den Finanzierungsparteien aus dem Kreditvertrag (Korrespondenzschuld), soweit allerdings der Darlehensnehmer auf die Darlehensforderungen des Bankenkonsortiums zahlt und diese tilgt, reduziert sich auch die Parallelschuld in gleichem Umfang. Akzessorische Sicherheiten des Darlehensnehmers werden zu Gunsten des Sicherheitentreuhänders zur Besicherung der Parallelschuld bestellt201. Der Sicherheitentreuhänder erwirbt die Sicherheiten als Treuhänder für die Finanzierungsparteien. Alle Zahlungen und Erlöse aus der Verwertung von Kreditsicherheiten, die der Sicherheitentreuhänder auf bzw. im Hinblick auf die Parallelschuld erhält, werden auf die Verpflichtungen des Darlehensnehmers angerechnet. Da der Sicherheitentreuhänder die Sicherheiten für alle Konsorten hält, profitiert selbst bei Syndizierung an eine neue Bank diese auf dieselbe Weise von den akzessorischen Sicherheiten, als ob sie von Anfang an Teil des Konsortiums gewesen wäre. Auf weitere in der Beratungspraxis teilweise alternativ verwendete Hilfskonstruktionen im Zusammenhang mit der Bestellung akzessorischer Sicherheiten (z.B. „future pledgee“Konstruktion) soll hier nicht weiter eingegangen werden202.

198 199 200 201 202

Sponsoren werden daher in der Insolvenz als nachrangige Insolvenzgläubiger i. S. v. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO behandelt. Siehe hierzu Röver, in: Siebel/Röver/Knütel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, Rn. 2444. Hadding/Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 87 Rn. 52. Zur Frage der Insolvenzfestigkeit von Sicherheiten im Rahmen einer Doppeltreuhand: Reuter, NZI 2012, 167 ff. Freitag/Mülbert, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2011, § 488, Rn. 177. Vgl. Freitag/Mülbert, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2011, § 488, Rn. 177. Einen weiteren Überblick bieten Danielewsky/Dettmar, WM 2008, 713 ff.

128

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

3.4.3

Die Kreditsicherheiten im Einzelnen

3.4.3.1

Pfandrecht an öffentlich-rechtlichen Genehmigungen

Geothermie-Projekte bedürfen zur Errichtung, Inbetriebnahme und zum Betrieb öffentlichrechtlicher Genehmigungen. Da es den Banken im Sicherungsfall vor allem um die Fortführung des Projektes gehen wird, stellt sich bei der Projektbesicherung die Frage, ob auch öffentlich-rechtliche Genehmigungen zugunsten der kreditgebenden Banken besichert werden können. Dies hätte den Vorteil, dass die Berechtigung bei Betriebsübergang auf einen von der Bank bestimmten Dritten übertragen werden könnte, ohne dass dieser die Berechtigung nochmals beantragen müsste. Andererseits sind solche Genehmigungen auch teilweise höchstpersönlichen Natur und eng an die Person des Anlagenbetreibers gebunden. Zur Frage der Bestellung eines Pfandrechts an einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung gibt es keine höchstrichterlichen Entscheidungen, auf die hier abgestellt werden könnten. Ebenso gibt es hierzu noch keine praktischen Erfahrungen, die herangezogen werden könnten. Im Folgenden wird daher exemplarisch am Beispiel der Geothermie die theoretische Möglichkeit der Übertragung öffentlich- rechtlicher Genehmigungen erörtert. Zentrale Regelungsmaterie in Bezug auf Genehmigungen für Tiefe Geothermie-Anlagen ist das Bundesberggesetz (BBergG), weshalb sich die nachfolgende Untersuchung auf diese Genehmigungen beschränken wird203. Geothermische Energie ist nach dem deutschen Bergrecht gem. § 3 Abs. 3 S. 2 Nr. 2b BBergG ein bergfreier Rohstoff (bergfreier Bodenschatz). Auf bergfreie Bodenschätze erstreckt sich das Eigentum an einem Grundstück nicht. Die §§ 903 i.V.m. 93, 94 BGB und § 905 BGB sind nicht anwendbar, da ansonsten der Grundstückseigentümer zum Abbau der Bodenschätze berechtigt wäre204. Nach Auffassung des Gesetzgebers sind zum Abbau von Rohstoffen andere Mittel und Kenntnisse erforderlich als zur normalen Eigentumsnutzung205, weshalb die Einschränkung der Befugnisse des Grundstückseigentümers gerechtfertigt sein soll. Insofern unterliegt die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen einer öffentlichrechtlichen Erlaubnis und Bewilligung nach dem BBergG. Berechtigungen nach dem BBergG lassen sich wie folgt kategorisieren: Wer bergfreie Bodenschätze aufsuchen will, bedarf der Erlaubnis (§ 7 BBergG), wer bergfreie Bodenschätze gewinnen will, der Bewilligung (§ 8 BBergG) oder des Bergwerkseigentums (§ 9 BBergG). Das Bergwerkseigentum zeichnet sich durch zweierlei aus: Zum einem wird es inhaltlich durch das BBergG bestimmt und zum anderen ist es inhaltlich nicht von der Bewilligung nach § 8 BBergG zu unterscheiden. Vielmehr ist es sogar von diesem abhängig, da gem. § 13 BBergG das Bergwerkseigentum nur bei Bestehen einer Bewilligung an den jeweils Berechtigten verliehen werden kann. Schließlich gewährt das Bergwerkseigentum das ausschließli-

203

Einen umfassenden Überblick über alle sonstigen erforderlichen Genehmigungen (wasserrechtlicher oder baurechtlicher Natur) bei einem tiefen Geothermie-Projekt findet sich bei Große, ZUR 2009, 535 (536 ff.). 204 Vgl. Hoffmann, BB 1994, 1584; BdF, Schreiben vom 09.08.1993, 1845. 205 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 30 Rn. 1.

3.4 Rechtliche Anforderungen an ein Sicherheitenkonzept aus Bankensicht

129

che und absolute Recht, die nach den Vorschriften des § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BBergG bezeichneten Tätigkeiten und Rechte auszuüben206. Es stellt sich die Frage, ob die bergrechtliche Erlaubnis bzw. die Bewilligung des Anlagenbetreibers mit einem Pfandrecht belastet werden kann207. Die Pfandrechtsbestellung an einem Recht erfolgt gem. § 1274 Abs. 1 S. 1 BGB nach den für die Übertragung des Rechts geltenden allgemeinen Vorschriften208. Die Erfordernisse einer Pfandrechtsbestellung (z.B. Einigung, Eintragung) ergeben sich somit aus den für die Rechtsübertragung entsprechenden Vorschriften, beispielsweise §§ 398 ff. BGB für die Übertragung von Forderungen oder § 413 BGB in Bezug auf die Übertragung anderer Rechte. Soweit die Übertragung eines Rechts zusätzlich eine Übergabe voraussetzt, kommen gemäß § 1274 Abs. 1 S. 2 BGB die §§ 1205, 1206 BGB zur Anwendung. Gegenstand des Pfandrechts können grundsätzlich Rechte aller Art sein. Ist ein Recht aus gesetzlichen Gründen unübertragbar (z.B. § 399 Var. 1 BGB) oder ist die Übertragbarkeit vertraglich ausgeschlossen (§ 399 Var. 2 BGB), kann an diesem Recht kein Pfandrecht bestellt werden (§ 1274 Abs. 2 BGB). Grundsätzlich sind die bergrechtliche Erlaubnis und Bewilligung an die Person des Inhabers gebunden. Entscheidend für die Frage der Pfändbarkeit der Erlaubnis oder Bewilligung ist, ob diese Rechte übertragbar oder unübertragbar sind. Die Übertragung der Erlaubnis oder Bewilligung auf einen Dritten (Einzelrechtsübertragung) oder die Beteiligung Dritter an einer Erlaubnis oder Bewilligung ist gem. § 22 Abs. 1 S. 1 BBergG nur mit Zustimmung der Bergaufsicht als zuständige Behörde zulässig. Dieser Zustimmungsvorbehalt steht der Verpfändbarkeit der Rechte nicht grundsätzlich entgegen. Auf das schuldrechtliche Rechtsgeschäft zwischen Pfandgeber und Pfandnehmer hat dieser Zustimmungsvorbehalt zunächst keine Auswirkungen209 und auch die Pfandbestellung selbst löst noch keine öffentlichrechtlichen Wirkungen aus. Erst die Einzelrechtsübertragung bei der Verwertung des Pfandrechts löst die Zustimmungsverpflichtung aus, so dass die Verpfändung noch keiner Anzeige an die Bergaufsicht bedarf. Der Anzeige bedarf es also erst, wenn es zum Eintritt des Sicherungsfalls gekommen ist und der Sicherungsnehmer das Pfand verwerten will. Auf die Erteilung der Zustimmung besteht dann ein Rechtsanspruch, wenn nicht einer der in § 22 Abs. 1 S. 2 BBergG aufgeführten Versagungsgründe vorliegt.210 Im Kern verlangen die dort aufgeführten Gründe das Weiterbetreiben der bestehenden Anlage. Aus Sicht der Bank in der Rolle der Sicherungsnehmerin könnte einer dieser Versagungsgründe allerdings eintreffen, wenn die Bank zum Zeitpunkt der Verwertung nicht selbst zur Weiterführung der Anlage bereit ist. Deshalb sollte sich die Bank erst nach Eintritt der Verwertungsreife und bei 206

207 208

209 210

Der BGH definiert das Bergwerkseigentum als Inbegriff jener Berechtigungen, die dem gemeinsamen Zweck der bergmännischen Produktion dienen (BGHZ, Urt. v. 13.05.1955, V ZR 141/54, 17, 223 (228)). Dennoch soll das Bergwerkseigentum im Unterschied zum Sacheigentum jedoch nicht als Vollrecht qualifiziert werden, da Bewilligung und Verleihung dem Berechtigten nicht das Eigentum am Grundstück verschaffen, sondern nur ein eigentumsähnliches Aneignungsrecht im Umfang der Bewilligung oder Verleihung unter Ausschluss des Grundeigentümers (Baur/Stürner, Sachenrecht, § 30, Rn. 4; vgl. auch Ring, NotBZ 2006, 37 (38)). Das Bergwerkseigentum wird bei den nachfolgenden Ausführungen zunächst ausgeklammert. Zu den Voraussetzungen einer Pfandrechtsbestellung im Allgemeinen, insbesondere zum gutgläubigen Erwerb des Pfandrechts s. auch Brünink, in: Lwowski/Fischer/Langenbucher Das Recht der Kreditsicherung, § 12 Rn. 12 ff. Vgl. Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BbergG, § 22 Rn. 5: „Über die rechtsgeschäftliche Form der Übertragung sagt § 22 nichts aus“. Weller/Kullmann, BBergG, § 22 Rn. 1.

130

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

Auswahl eines möglichen Kaufinteressenten an die Bergaufsicht wenden211. Um das Risiko, dass der Erwerber letztlich nicht die Zustimmung der Bergaufsicht erhält, zu minimieren, sollte die Bank im Vorfeld der Übertragung an einen Rechtsnachfolger die Bereitschaft der Bergaufsicht zur Zustimmungserteilung ausloten. Zuletzt sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Frage der Verpfändbarkeit einer Erlaubnis bzw. Bewilligung nach BBergG gerichtlich ungeklärt ist, allerdings sprechen die oben aufgeführten Gründe für die Zulässigkeit einer Pfandrechtsbestellung.

3.4.3.2

Grundstückssicherheiten

Belastung des Bergwerkeigentums Im Gegensatz zur Erlaubnis und Bewilligung kann das Bergwerkseigentum nicht verpfändet werden. Eine Veräußerung des Bergwerkseigentums ist zwar grundsätzlich möglich: Bei der Übertragung des Bergwerkseigentums bedarf die rechtsgeschäftliche Veräußerung, d.h. bereits der schuldrechtliche Vertrag hierüber der Genehmigung der zuständigen Behörde (Vgl. § 23 Abs. 1 BBergG). Allerdings entziehen sich Grundstücke sowie grundstücksgleiche Rechte der Verpfändbarkeit. Das Bergwerkseigentum ist den Grundstücken rechtlich gleichgestellt, da § 9 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BBergG bestimmt, dass auf das Bergwerkseigentum die für Grundstücke geltenden Vorschriften des BGB entsprechend anzuwenden sind, soweit das BBergG nichts anderes bestimmt212. Beim Bergwerkseigentum handelt es sich insofern um ein grundstücksgleiches, dingliches Recht213. Trotz der rechtlichen Gleichstellung mit der unbeweglichen Sache Grundstück ist das Bergwerkseigentum keine Sache im Sinne des § 90 BGB, da es lediglich ein unkörperliches Recht statuiert214. Eine Pfändbarkeit des Bergwerkseigentums ist daher ausgeschlossen.215 Aus dem Verweis in § 9 Abs. 1 BBergG wird allgemein gefolgert, dass das Bergwerkseigentum wie ein Grundstück in das Grundbuch einzutragen ist und dinglich, das heißt unabhängig von der Person des jeweiligen Eigentümers, belastet werden kann216. Dies entspricht auch der gesetzgeberischen Intention, da das Bergwerkseigentum aus § 9 BBergG die Bewilligung in ein grundstücksgleiches Recht überführen sollte217. Damit kam der Gesetzgeber zum einen dem nachdrücklichen Wunsch der Bergbauwirtschaft nach, die Bergbauberechtigung als beleihungsfähig auszugestalten218. Zum anderen wurde so das Ziel umgesetzt, dem Bergwerks211

212 213 214 215 216 217 218

Es entspricht wohl auch dem Interesse der finanzierenden Banken, wenn in dem Sicherungsvertrag für den Fall der Verwertung des Pfandrechts gem. §§ 1245 Abs. 1 S. 1 und 1274 Abs. 1 S. 1 BGB analog die Möglichkeit eines freihändigen Verkaufs eingeräumt wird (vgl. die in einem wohl vergleichbaren Fall gemachten Ausführungen von Giebel, MMR 2005, 217 (218) in Bezug auf die Verpfändung von Frequenznutzungsrechten i. S. d. Telekommunikationsgesetzes). Jickeli/Stieper, in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2011, § 90, Rn. 60. Seiler, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, Einleitung zu §§ 1113 ff. BGB, Rn. 90; Gursky, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2008, § 892, Rn. 25. Ring, NotBZ 2006, 37, (41). So Damrau, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 6, § 1273 Rn. 2. Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl. zum Sachenrecht, Neubearbeitung 2007, Rn. 94; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, §1113, Rn. 90. Vgl. Gesetzesbegründung zu § 9 BbergG in: BT-Drs. 8/1315, 71 (85). Vgl. Ring, NotBZ 2006, 37 m.w.N.

3.4 Rechtliche Anforderungen an ein Sicherheitenkonzept aus Bankensicht

131

eigentümer gegenüber dem Bewilligungsinhaber eine gefestigtere Position einzuräumen. Dieser kann nun seine Rechtsposition auch für Finanzierungsinstrumente einsetzen219. So sind zur Kreditsicherung eine Belastung des Bergwerkseigentums als dingliches Recht mittels Grundpfandrechten (d.h. insbesondere Hypothek, Grundschuld und Rentenschuld), Grunddienstbarkeiten, beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten und Vorkaufsrechten denkbar. Zudem kann das Bergwerkseigentum durch Eintragung und Auflassung gem. den §§ 873, 925 BGB rechtsgeschäftlich übertragen werden220; auch ein gutgläubiger Erwerb ist nach § 892 BGB möglich221. Exkurs: Die Grundschuld In diesem Zusammenhang lohnt es sich, einen kurzen Blick auf die Grundschuld als Kreditsicherheit zur Verpfändung von unbeweglichen Sachen zu werfen, da diese aufgrund ihrer Verkehrsfähigkeit und ihrer flexiblen Verwendbarkeit das in der Praxis am häufigsten eingesetzte Grundpfandrecht darstellt. Gemäß § 1191 Abs. 1 BGB kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist (Grundschuld). Grundschulden können auf verschiedene Arten bestellt werden, sei es als Brief- oder Buchgrundschuld (§ 1192 Abs. 1 i.V.m. § 1116 BGB), als Gesamtgrundschuld (§ 1192 Abs. 1 i.V.m. § 1132 BGB), als Fremd- oder Eigentümergrundschuld (§ 1196 BGB) oder als Inhabergrundschuld (§ 1195 BGB). Die zur Entstehung der Grundschuld erforderliche Einigung (§ 873 Abs. 1 BGB) ist formfrei und wird daher in der Regel nicht beurkundet. Die Belastung des Grundstücks mit einer Grundschuld muss schließlich in das Grundbuch eingetragen werden. Die Bewilligung hierfür ist notariell zu beglaubigen (§§ 19, 29 GBO). Anders als die Hypothek ist die Grundschuld nicht akzessorisch, da sie nicht vom Bestand der besicherten Forderung abhängig ist. Die Verknüpfung zwischen Grundpfandrecht und Forderung wird bei der Grundschuld auf schuldrechtlichem Wege durch die Sicherungszweckerklärung ersetzt. Aus diesem Grunde kommt in der Kreditsicherungspraxis auch nur die Sicherungsgrundschuld vor, bei der die der Bank eingeräumte überschießende Rechtsmacht durch die treuhänderische Sicherungsabrede zum Schutz des Sicherungsgebers eingeschränkt wird222. Die Sicherungsgrundschuld ist somit eine Fremdgrundschuld, die den Erwerber oder einen Dritten wegen einer Forderung gegen den Eigentümer oder einen Dritten sichert, indem sie bei Nichterfüllung zu deren Befriedigung verwertet werden darf223. Die Grundschuld ist in jedem Falle unabhängig von einer gesicherten Forderung isoliert übertragbar224. Ob dies auch für den umgekehrten Fall (isolierte Übertragung der besicherten Forderung) gilt, ist umstritten. Die Sicherungszweckerklärung, wonach Forderung und Grundschuld nur gemeinsam abgetreten werden dürfen, begründet in der Regel kein Verbot 219 220 221 222 223 224

So auch ausdrücklich die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 BBergG in: BT-Drs. 8/1315, 86; Kremer/Neuhaus, Bergrecht, Rn. 88. Ring, NotBZ 2006, 37 (40). Hier gilt es jedoch den Genehmigungsvorbehalt der Bergaufsicht nach § 23 BbergG zu beachten. Gursky, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2008, § 892 Rn. 25. Epp, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 94, Rn. 22. Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1191 Rn. 13. Rohe, Beck-OK-BGB, Stand: 01.08.2012, § 1192 Rn. 29.

132

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

zur isolierten Übertragung entweder der Grundschuld oder der Forderung225. Eine isolierte Verfügung widerspricht dann allerdings dem Sicherungszweck der Grundschuld und kann einen Schadensersatzanspruch (z.B. bei doppelter Inanspruchnahme) aus § 280 BGB begründen.226 Bei einer Belastung des Grundstücks mit einem Grundpfandrecht haftet nicht nur das Grundstück als Belastungsgegenstand. Zum Zweck der Befriedigung des Grundpfandgläubigers erstreckt sich die Haftung der Grundschuld vielmehr von Gesetz wegen auf eine Reihe weiterer Gegenstände227. Insbesondere erstreckt sich das Grundpfandrecht nach § 1120 BGB auf alle wesentlichen Bestandteile sowie auf das Grundstückszubehör. In den §§ 93 ff. BGB werden diese Begrifflichkeiten gesetzlich definiert. Von besonderer praktischer Bedeutung ist damit bei jeder Grundschuldbestellung, was alles dem Haftungsverband der Grundschuld unterfällt. Der Haftungsverband einer Grundschuld am Bergwerkseigentum Bei der Belastung des Bergwerkseigentums mit einer Grundschuld ist in Bezug auf dessen Haftungsverband folgendes zu beachten: Durch den Verweis in § 9 Abs. 1 Satz 1 BBergG wird neben der wirtschaftlichen Einheit eines Bergbaubetriebes auch dessen rechtliche Einheit ermöglicht. Obwohl es sich bei dem Bergwerkseigentum um keine Sache im Sinne des § 90 BGB handelt, so kann es doch nach ständiger Rechtsprechung wesentliche Bestandteile und Zubehör haben228. Daher sind all diejenigen Gegenstände, die das rechtliche Schicksal des Bergwerkseigentums teilen, wesentliche Bestandteile im Sinne des § 93 BGB. Diese wiederum sind damit ebenfalls Haftungsobjekt des Grundpfandrechtsgläubigers eines belasteten Bergwerkeigentums. Vom Haftungsverband umfasst gelten beispielsweise der Schacht229, sowie unterirdische Zugangsstrecken, ebenso wie alle anderen Grubenbaue innerhalb eines Bergwerkfeldes230. Die Rechtsprechung hat jedoch auch gewisse Tagesanlagen, wie das Betriebsgebäude, Dampfkessel, Fördermaschinen, Gleisanlagen oder Pumpen als Bestandteile des Bergwerkeigentums qualifiziert231. Fahrzeuge, Werkzeuge und Maschinen können, ohne Bestandteil des Bergwerkeigentums zu sein, gem. § 97 BGB als Zubehör klassifiziert werden. Unter Zubehör versteht man alle beweglichen Sachen, die dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihm in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen. Insofern wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, den Bergwerksbetrieb nicht nur im wirtschaftlichen, sondern auch im rechtlichen Sinne als Einheit zu betrachten, obwohl der Gesetzgeber in § 9 Abs. 2 BBergG die Vereinigung von Grundstück und Bergwerkseigentum ausdrücklich ausgeschlossen hat. Denn eine gemeinsame dingliche Be225

226 227 228 229 230 231

Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1191 Rn. 22; Berger, in: Jauernig, BGB, § 1191 Rn.8; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 1191 Rn. 16; a.A. Eickmann, Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 6, § 1191 Rn. 98, wonach die isolierte Abtretung der Forderung nichtig ist, da ein schuldrechtlich im Sicherungsvertrag vereinbartes Abtretungsverbot auch dingliche Wirkung entfaltet. Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1191 Rn. 22. Ausführlich hierzu Epp, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 94 Rn. 48 ff. Zuletzt OVG Münster, Beschl. vom 08.12.2005 – 11A2436/02, NVWBI 2006, 265. Statt vieler OVG Münster, Beschl. vom 08.12.2005 – 11A2436/02, NVWBI 2006, 265. Kremer/Neuhaus, Bergrecht, Rn. 89; Ring, NotBZ 2006, 37 (41 m.w.N). Ring, NotBZ 2006, 37, (41 m.w.N).

3.4 Rechtliche Anforderungen an ein Sicherheitenkonzept aus Bankensicht

133

lastung von Bergwerkseigentum und Grundeigentum wird in § 9 Abs. 2 BBergG jedoch nicht ausgeschlossen232. So lässt sich zusammenfassend sagen, dass eine Grundschuld am Bergwerkseigentum nicht nur das unter der Oberfläche liegende Bergwerksfeld erfasst, sondern auch alle bergbaulichen Anlagen, die der Ausbeute der Bodenschätze dienen, sei es als Bestandteile (§§ 93 ff. BGB) oder als Zubehör (§§ 97 ff. BGB). Zu beachten ist, dass der Bergwerkseigentümer Zubehör und Bestandteile auch in einem fremden Bergwerksfeld oder in fremden Grundstücken haben kann.233 In diesem Zusammenhang ist der Haftungsverband des Bergwerkseigentums von dem einer Eigentümergrundschuld des Grundstückseigentümers zu unterscheiden. Aus Sicht des Eigentümers des über den Grubenbauen liegenden Grundstückes ist beispielsweise der Schacht rechtlich als Scheinbestandteil i.S. des § 95 BGB zu klassifizieren234. Zur Rechtssicherheit sollte der Anlagenbetreiber sich eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit am Aufstellungsgrundstück durch den Grundstückseigentümer einräumen lassen, um sich der Sonderrechtsfähigkeit der gesamten Energieanlage sicher sein zu können. Aufgrund dieser Sonderrechtsfähigkeit steht dem Anlagenbetreiber dann die Möglichkeit offen, die Energieanlage an die Banken zur Sicherheit zu übereignen. Die Möglichkeit der dinglichen Besicherung des Bergwerkseigentums und der umfassende Haftungsverband der Grundschuld an einem Bergwerkseigentum sind Gründe, weshalb der Anlagenbetreiber unbedingt die Verleihung des Bergwerkseigentums anstreben sollte. Der Antrag ist schriftlich bei der Bergaufsicht nach § 10 S. 2 BBergG zu steilen. Belastung des Aufstellungsgrundstücks? Grundsätzlich wird der Anlagenbetreiber kein Grundpfandrecht (Hypothek, Grundschuld) an dem Aufstellungsgrundstück bestellen können, da dies regelmäßig im Eigentum eines Dritten steht. Im Anwendungsbereich des Bundesberggesetzes sei aber auch auf die Möglichkeit der Grundabtretung (§§ 77 bis 106 BBergG) und deren enteignungsrechtlichen Wirkung hingewiesen. Gemäß § 77 BBergG kann auf Antrag235 des den Bergbau betreibenden Unternehmens eine Grundabtretung durchgeführt werden, soweit dies für die Errichtung oder Führung des Betriebes oder zur Gewinnung oder Aufbereitung des im Bergbau gewonnenen Materials notwendig ist. Zweck der Grundabtretung ist die Vergrößerung der Einwirkungsmöglichkelten des Unternehmers auf das fremde Grundstücks ggf. auch gegen den Willen des Grundstückseigentümers, um Bodenschätze aufsuchen und gewinnen und dabei zwangsläufig auch in irgendeiner Weise die Erdoberfläche in Anspruch nehmen zu können. Da der Bergbau an die Lagerstätte, also an einen festen Standort gebunden ist, kann der Anlagenbetreiber hinsichtlich der Grundstücke, deren Benutzung unabdingbar ist, nicht nur darauf angewiesen sein, sich durch Vereinbarungen mit den Grundbesitzern ein Benutzungsrecht zu verschaffen, sondern er muss sicherstellen, dass die notwendige Inanspruchnahme von Grundstücken 232

Kremer/Neuhaus, Bergrecht, Rn. 91. Ring, NotBZ 2006, 37 (41). 234 Vgl. OVG Münster, Urt. v. 13.09.1995 – 21 A 2273/91, ZfB 1995, 322 (333). 235 Das Recht zur Grundabtretung wird dem Inhaber einer Bewilligung oder dem Bergwerkseigentümer bereits mit der Bewilligung bzw. der Verleihung des Bergwerkseigentums eingeräumt (§§ 8 Abs. 1 Nr. 4, 9 Abs. 1 S. 1 BbergG). 233

134

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

auch gegen den Willen der Grundeigentümer und sonstiger Nutzungsberechtigter durchgesetzt werden kann236. Die Grundabtretung enthält somit die Zielsetzung, die Aufnahme oder den Bestand von Gewinnungsbetrieben zu sichern und die für die Ausübung einer Gewinnungsberechtigung nach § 35 BBergG notwendige Benutzung von Grundstücken sicherzustellen237. Durch die Grundabtretung können das Eigentum, der Besitz und dingliche Rechte an Grundstücken sowie persönliche Rechte, die zum Erwerb, zum Besitz oder zur Nutzung von Grundstücken berechtigen oder deren Benutzung beschränken, entzogen, übertragen, geändert, mit einem dinglichen Recht belastet oder sonst beschränkt werden (§ 78 BBergG). Praktisch und rechtlich im Vordergrund der erzwungenen Grundabtretung steht aber die Begründung eines dinglichen Nutzungsrechts238, beispielsweise einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit. Die Entziehung des Eigentums kommt letztlich nur in Ausnahmefällen und im Wesentlichen nur auf Antrag des Grundstückseigentümers in Betracht (vgl. § 82 BBergG). Insgesamt muss die Grundabtretung das Verhältnismäßigkeitsprinzip wahren, weshalb sie im Ergebnis nur dann zulässig ist, wenn dem Unternehmer keine weiteren milderen Mittel zu Verfügung stehen (vgl. § 81 Abs. 1 S. 1 BBergG). Die gesetzlichen Vorgaben, unter denen eine Grundabtretung zulässig ist, sind sehr streng, weshalb die Grundabtretung nur in den seltensten Fällen tatsächlich in Betracht kommen sollte. Grundvoraussetzung ist, dass das Vorhaben einer technisch und wirtschaftlich sachgemäßen Betriebsplanung oder Betriebsführung entspricht und der Unternehmer eigene Grundstücke für diesen Zweck nicht bereitstellen kann oder ihm dies nicht zuzumuten ist (§ 77 Abs. 2 BBergG). Gemäß § 79 BBergG ist die Grundabtretung darüber hinaus im Einzelfall nur zulässig, wenn sie dem Wohle der Allgemeinheit dient, insbesondere die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen, die Erhaltung der Arbeitsplätze im Bergbau, der Bestand oder die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur oder der sinnvolle und planmäßige Abbau der Lagerstätte gesichert werden sollen, und der Grundabtretungszweck unter Beachtung der Standortgebundenheit des Gewinnungsbetriebes auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann. Sobald die Ausführung der Grundabtretung zulässig ist, ersucht die zuständige Behörde das Grundbuchamt um Grundbuchberichtigung durch Eintragung des neuen Rechtszustandes, § 92 Abs. 3 S. 1 BBergG239. Gemäß § 84 Abs. 1 BBergG ist für die Grundabtretung eine Entschädigung zu leisten.

3.4.3.3

Sicherungsübereignung

Ein wichtiger Bestandteil eines vollumfänglichen Sicherheitspakets ist die Bestellung einer Kreditsicherheit an allen Teilen der zu finanzierenden Anlage.240 Anders als bei konventionellen Kraftwerksprojekten ist ein typisches Merkmal von Geothermie-Projekten, dass diese meist auf/in fremdem Grund und Boden erbaut werden, da Projektträger und Projektbetreiber in der Regel nicht die Eigentümer des Grundstücks sind, auf/in dem die Anlage entrichtet wird. Dies könnte zu einem für alle Projektbeteiligten unerwünschten Ergebnis führen, falls 236

So Weller/Kullmann, BbergG, §77 Rn. 1. Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BbergG, § 77 Rn. 9; Weller/Kullmann, BbergG, §77 Rn. 2. 238 Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BbergG, § 77 Rn. 4. 239 Zeiser, in: BeckOK GBO, Stand 01.09.2012, §38, Rn. 126. 240 Klein, Projektfinanzierung, 116. 237

3.4 Rechtliche Anforderungen an ein Sicherheitenkonzept aus Bankensicht

135

das Eigentum an einzelnen Bestandteilen der Geothermie-Anlage mit der Errichtung auf dem fremden Grundstück als wesentlicher Bestandteil auf den Grundstückseigentümer übergeht.241 Maßgeblich für die Frage, ob durch Verbindung mit dem fremden Grundstück das Eigentum auf den Grundstückseigentümer übergeht, ist die rechtliche Einordung der fraglichen Bestandteile der Geothermie-Anlage als Scheinbestandteil oder wesentlicher Bestandteil. Diese Einordnung ist auch von elementarer Bedeutung für die Besicherungsmöglichkeiten. Die Sicherungsübereignung als Kreditsicherheit kommt nur bei beweglichen Sachen in Betracht, die nicht wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, aber auch nicht Bestandteil des Bergwerkeigentums sind. Ist letzteres der Fall, werden sie ohne weiteres von der Grundschuld am Bergwerkeeigentum erfasst (vgl. ausführlich den vorangehenden Abschnitt). Die Sonderrechtsfähigkeit von Geothermie-Anlagen Zweifellos sind die einzelnen Bestandteile einer Geothermie-Anlage vor ihrem Einbau als bewegliche Sachen zu klassifizieren. Von entscheidender Bedeutung ist daher ihre sachenrechtliche Bewertung nach ihrer Verbindung mit dem fremden Grundstück, insbesondere ob es sich bei dem eingebauten Bestandteil der Sache nach um einen „wesentlichen Bestandteil“ i.S.v. §§ 93, 94 BGB oder einen Scheinbestandteil i.S.v. § 95 BGB handelt. Diese Einordung kann unter Umständen bezogen auf die einzelnen Bestandteile einer Anlage unterschiedlich ausfallen. Insoweit sehen die §§ 93, 94 BGB vor, dass Bestandteile einer Sache mit Aufbau und fester Verbindung mit Grund und Boden „wesentlicher Bestandteil“ des Grundstücks werden und damit nicht mehr als bewegliche Sache anzusehen sind, dementsprechend auch nicht mehr isoliert übertragen werden können.242 Einschränkungen erfahren die §§ 93, 94 BGB in folgender Hinsicht: So ist die isoliertere Sicherungsübereignung weiterhin möglich, wenn es sich um Scheinbestandteile eines Grundstücks handelt (§ 95 BGB)243. Man spricht in diesem Zusammenhang von der Sonderrechtsfähigkeit beweglicher Sachen. Hierbei sind zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden, zum einen, dass die Energieanlage nur zu einem vorübergehenden Zweck eingebaut wurde (§ 95 Abs. 1 S. 1 BGB), zum anderen, dass die Sache in Ausübung eines dinglichen Rechts an dem Grundstück mit dem Grund und Boden verbunden wurde (§ 95 Abs. 1 S. 2 BGB). Sind die fraglichen Gegenstände als Scheinbestandteile einzustufen und damit sonderrechtsfähig, so können diese Scheinbestandteile im Wege der Sicherungsübereignung an den Sicherheitentreuhänder isoliert übereignet werden. Die Einordnung der Anlagenteile als Scheinbestandteile ist in mehrfacher Hinsicht vorteilhaft: Zum Ersten führt sie im Insolvenzfall des Grundstückseigentümers zu einem Aussonderungsrecht des Betreibers gemäß § 47

241

Zwar könnte die Projektgesellschaft versuchen, das Eigentum an dem Grundstück zu erwerben. Dies ist allerdings mit erheblichen Kosten verbunden und birgt das Risiko eines sinkenden Wiederverkaufswerts des Grundstücks. Letztlich benötigt die Projektgesellschaft auch nur eine zeitlich befristete Nutzungsmöglichkeit. 242 Dies besagt der Wortlaut des §93 BGB, wonach Bestandteile, die nicht wesentlich sind, nicht Gegenstand besonderer Rechte sein können. So ist das Fundament nach unumstrittener Ansicht gemäß §94 Abs. 1 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (BGH, Urt. v. 20.05.1988 - V ZR 269/86, NJW 1988, 2789; Peters, WM 2007, 2003 (2004); Peters, WM 2002, 110 (111). 243 Ganter, WM 2002, 105.

136

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

InsO244, zum Zweiten besteht wegen der Scheinbestandteilseigenschaft keine Gefahr, dass die Anlage im Falle der Zwangsversteigerung des Grundstücks als Zubehör (§ 97 BGB) angesehen und von der Zwangsversteigerung erfasst (§ 55 Abs. 2 ZVG) werden könnte245 und zum Dritten können an ihnen dingliche Rechte bestellt werden, die letzten Endes gesondert zur Sicherung der Darlehensgeber eingesetzt werden. Die Scheinbestandteilseigenschaft nach § 95 Abs. 1 S. 1 BGB Überirdische Bestandteile von Geothermie-Anlagen stellen Scheinbestandteile dar, wenn sie in Ausübung eines zeitlich begrenzten Nutzungsrechts (Wortlaut des § 95 Abs. 1 S. 1 BGB: „nur zu einem vorübergehenden Zweck“) errichtet worden sind. Dieses Nutzungsrecht kann durch eine schuldrechtliche Absprache vereinbart werden. In der Praxis handelt es sich hier typischerweise um die Vereinbarung eines Miet- oder Pachtvertrages zwischen Grundstückseigentümer und Betreiber der Geothermie-Anlage. Vorteile ergeben sich aus Kostengesichtspunkten (i.d.R. formloser Vertragsabschluss möglich) und den flexiblen Vertragsgestaltungsmöglichkeiten246. So besteht eine tatsächliche Vermutung, dass Gebäude, Bauhütten oder Maschinen, die von einem Nießbraucher, Mieter, Pächter o.ä. errichtet werden, nicht mit der Absicht eingebaut werden, dass sie nach Beendigung des Nutzungsvertrages an den Grundstückseigentümer fallen sollen247. Anders formuliert scheidet die Annahme eines Scheinbestandteils aus, wenn von vorneherein feststeht, dass die Sache nach der Beendigung des Nutzungsverhältnisses ebenso den Zwecken des Grundstückseigentümer dienen soll248. Zu dem gleichen Ergebnis gelangten auch Teile in der Literatur für den Fall, dass die Lebensdauerprognose der Anlage zeitlich kürzer ausfällt als die Laufzeit des Nutzungsvertrages, da dann die Anlage bei Vertragsende bereits „verbraucht“ sei249. Die wohl h. M. hält das Abstellen auf die Lebensdauerprognose der fraglichen Gegenstände als Ausschlusskriterium für die Scheinbestandteilseigenschaft für wenig praxistauglich250 und hält deswegen in erster Linie an der Ermittlung des Parteiwillens fest. Wegen des sachenrechtlichen Bestimmtheitserfordernisses kommt es somit darauf an, ob der Zweck zum Zeitpunkt der Herstellung der Verbindung ein vorübergehender war, also ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht beinhaltet. Entscheidend für die Beurteilung der Absicht der bloß vorübergehenden Verbindung ist der Wille des Verbindenden, sofern dieser Wille mit dem

244

245 246 247 248

249 250

Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2007, § 47 Rn. 26. Außerdem steht dem Sicherungsnehmer, dem die Anlage regelmäßig sicherungsübereignet wurde, in der Insolvenz des Grundstückseigentümers wie auch des Betreibers jeweils ein Recht zur abgesonderten Befriedigung (§ 51 Nr. 1 InsO) zu. Ganter, WM 2002, 105 (109 f). Siehe hierzu auch oben in Bezug auf den Haftungsverband der Grundschuld. Fedke, WM 2011, 1932 (1933). BGH, Urt. v. 31.10.1952 - V ZR 36/51, NJW 1953, 137 f.; Lwowski, in: Lwowski/Fischer/Langenbucher, Das Recht der Kreditsicherung, § 2, Rn. 18. OLG Koblenz, Beschl. v. 21.09.2006 – 5 U 738/06, ZfBR 2007, 49, wonach eine Windkraftanlage kein Scheinbestandteil des Betriebsgrundstücks ist, wenn bei der Errichtung vereinbart wurde, dass der Grundstückseigentümer die Anlage nach Vertragsende übernehmen kann. Vgl. Jickeli/Stieper, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, §95 Rn. 11; Ganter, WM 2002, 105 ff.; Goecke/Gamon, WM 2000, 1309 ff.; Witte, ZfIR 2006, 41 (43). OLG Schleswig, Urt. v. 26.08.2005 - 14 U 9/05, WM 2005, 1909 (1912); im Ergebnis zustimmend Witte, ZfIR 2006, 41 (42 f.).

3.4 Rechtliche Anforderungen an ein Sicherheitenkonzept aus Bankensicht

137

nach außen in Erscheinung tretendem Sachverhalt vereinbar ist251. Zwar können die Parteien die Vorschriften der §§ 93 ff. BGB nicht im Wege einer Parteivereinbarung außer Kraft setzen252, letztlich spielt der Inhalt der Vereinbarung mit dem Grundstückseigentümer innerhalb des schuldrechtlichen Nutzungsvertrages aber eine entscheidende Rolle bei der Auslegung des Parteiwillens253. Deshalb sollte der Inhalt des Nutzungsvertrags sorgfältig formuliert sein. Dieser kann etwa so ausgestaltet werden, dass der Projektbetreiber sich von vornherein verpflichtet, die Anlage nach Ablauf des Pachtvertrags abzubauen. Im Ergebnis kann zwar festgehalten werden, dass die Scheinbestandteilseigenschaft über die Vereinbarung eines zeitlichen begrenzten Nutzungsverhältnisses herbeigeführt werden kann, allerdings steht der Anlagenbetreiber im Fall der Insolvenz des Grundstückseigentümers bzw. der Zwangsversteigerung erheblichen Risiken gegenüber254. Sollte das Grundstück in der Insolvenz durch den Insolvenzverwalter veräußert werden, und tritt der Erwerber in das Miet- oder Pachtverhältnis ein, kann dieser den Vertrag unter Einhaltung gesetzlicher Vorschriften kündigen (§ 111 S. 1 InsO). Bezogen auf die Zwangsversteigerung steht dem Ersteigerer des Grundstücks ebenfalls ein Sonderkündigungsrecht (§ 57a ZVG) zu. Wegen dieses Risikos scheidet damit eine Absicherung des Nutzungsrechts des Anlagenbetreibers alleine über eine schuldrechtliche Vereinbarung aus. Herbeiführung der Sonderrechtsfähigkeit durch die Einräumung dinglicher Rechte Wer sich auf Unsicherheiten in Bezug auf die Einordung nach § 95 Abs. 1 S. 1 BGB nicht einlassen möchte, dem sei empfohlen, die Scheinbestandteilseigenschaft dadurch zu erreichen, dass dingliche Rechte i.S.v. § 95 Abs. 1 S. 2 BGB („in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück“) dem Projektbetreiber eingeräumt werden255. In Betracht kommen als solche dingliche Rechte insbesondere die Vereinbarung eines Erbbaurechts (§ 1 Abs. 1 ErbbauRG), einer Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB), eines Nießbrauchrechts (§ 1030 BGB) oder einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§ 1090 Abs. 1 BGB)256. Das in der Praxis bei Kraftwerksneubauten übliche Erbbaurecht wird bei GeothermieProjekten aufgrund seiner Kostenintensität257 selten verwendet, wenngleich es den Vorteil mit sich bringt, dass es wie ein Grundstück mit einer Grundschuld zugunsten der Banken belastet werden kann258. Schwierigkeiten gibt es außerdem bei der Prognostizierung der Dauer

251

252 253 254 255 256

257 258

BGH, Urt. v. 20.09.1968 – V ZR 55/66, NJW 1968, 2331; BGH, Urt. v. 04.07.1984 – VIII ZR 270/83, NJW 1984, 2878 (2879); BGH, Urt. v. 20.05.1988 – V ZR 269/86, NJW 1988, 2789 (2790); BGH, Urt. v. 26.11.1999 – V ZR 302/98, NJW 2000, 1031 (1032). Statt vieler BGH, Urt. v. 05.03.1958 – LM Nr. 5 zu § 95 BGB, WM 1958, 564 (566). Vgl. auch Witte, ZfIR 2006, 41 (43). Hierzu Fedke, WM 2011, 1932 (1933); Ganter, WM 2002, 105 (109)¸Goecke/Gamon, WM 2000, 1309 (1312). Ähnlich Lwowski, in: Lwowski/Fischer/Langenbucher Das Recht der Kreditsicherung, § 11 Rn. 19. Ausführlich zu den verschiedenen Absicherungsmöglichkeiten: Fedke, WM 2011, 1932 ff. Nicht ausreichend i.S.d. § 95 Abs. 1 S. 2 BGB ist hingegen ein rein schuldrechtliches Pachtverhältnis, das regelmäßig zwischen Grundstückseigentümer und Projektgesellschaft vereinbart wird. Im Gegensatz zu einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit wird bei einem Erbbaurecht Grunderwerbsteuer fällig (Vgl. von Oefele/Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, Rn 10.38. Epp, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 94 Rn. 32. Die Belastung eines Erbbaurechts mit einer Grundschuld kann ggf. auch unter einem Zustimmungsvorbehalt des Grundstückeigentümer stehen (hierzu von Oefele/Winkler; Handbuch des Erbbaurechts, Rn. 4, 175 ff.). Siehe auch Goecke/Gamon, WM 2000,

138

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

des Erbbaurechts, die mindestens so lange wie der Kreditvertrag (mindestens Kreditlaufzeit plus Sicherheitszuschlag („tail end“)) sein sollte259. Auch auf ein Nießbrauchrecht i.S.d. §§ 1030 ff. BGB trifft man in der Projektfinanzierung von Geothermie-Projekten selten an. Dies hängt auch damit zusammen, dass der Nießbrauch ein umfassendes Recht, sämtliche Nutzungen aus dem Grundstück zu ziehen, gewähren würde260. Ein solches umfassendes Nutzungsrecht ist jedoch deutlich teurer als ein quantitativ oder qualitativ beschränktes Nutzungsrecht, und wäre deshalb hier zu weitgehend. In der Praxis wird daher überwiegend die Einräumung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit in Form einer Nutzungsdienstbarkeit gem. § 1090 Abs. 1 Alt. 1 BGB bevorzugt. Dies gibt dem Projektbetreiber ein dingliches Nutzungsrecht an dem belasteten Grundstück(steil) „in einzelnen Beziehungen“, etwa durch die Einräumung eines Wegerechts oder der Nutzung des Luftraums261. Im Unterschied zur Grunddienstbarkeit, bei der die Berechtigung zur Nutzung des Grundstücks (sog. dienendes Grundstück) an ein anderes bestimmtes Grundstück des Berechtigten (sog. herrschendes Grundstück) gebunden sein muss262, reicht für die Gewährung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit jedes mit privatrechtlichen Mitteln zu verfolgendes, schutzwürdiges, ideelles oder wirtschaftliches Interesse aus263. Berechtigter der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit kann sowohl eine natürliche als auch eine juristische Person (AG, GmbH usw.) sein264, also auch das SPV. Ein weiterer Vorteil der Dienstbarkeit liegt darin, dass sie den Betreiber sowohl in der Zwangsvollstreckung als auch in der Insolvenz des Grundstückseigentümers sichert265. Die Belastung eines Grundstücks mit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit setzt gem. § 873 BGB sowohl die Einigung der Beteiligten als auch die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch (dort Abteilung 2) voraus. Dieses dingliche Geschäft ist grundsätzlich formfrei266. Die Eintragung erfolgt auf Antrag eines Antragsberechtigten (Grundstückseigentümer oder Anlagenbetreiber) beim Grundbuchamt (§ 13 Abs. 1 GBO), soweit der Grundstückseigentümer als Betroffener die Eintragung bewilligt (§ 19 GBO). Neben diesem dinglichen Geschäft können Anlagenbetreiber und Grundstückseigentümer zusätzlich eine

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262 263 264 265

266

1309 (1313 ff.), die die Vorteile einer Bestellung eines Erbbaurechts herausheben und sich im Ergebnis für diese Vorgehensweise aussprechen. Die Projektgesellschaft hat in der Regel kein Interesse an einem unbefristeten Erbbaurecht, das ihnen die zeitlich uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit einräumen würde. Zum Inhalt des Nießbrauchsrechts vgl. Bassenge, in: Palandt, BGB,§ 1030 Rn. 4 f. Manchmal ist es erforderlich, zusätzliche dingliche Nutzungsrechte – üblicherweise in Form einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit – zu vereinbaren, weil der Rotorschlag eines Windrads in den Luftraum eines Nachbarflurstücks (gedanklich eine Art „Überbau“) hineinragt. Der Betreiber ist aber in der Regel nicht Grundstückseigentümer des herrschenden Grundstücks. Vertiefend zum Wesen der Grunddienstbarkeit: Mayer, in: Staudinger BGB, Neubearbeitung 2009, § 1018 Rn. 1 ff. BGH, Urt. v. 11.03.1964 – V ZR 78/62, NJW 1964, 1226. Eine Aufzählung des in Betracht kommenden Kreises der Berechtigten findet sich bei Frank, in: Staudinger BGB, Neubearbeitung 2009, §1090 Rn. 2 f. Witter, ZfIR 2005, 441 (449). Voraussetzung in Bezug auf die Erhaltung des Nutzungsrechts in der Zwangsvollstreckung ist allerdings, dass die Dienstbarkeit als erstrangig in das Grundbuch eingetragen wurde, um einem insoweit nachrangigen Dritten vorzugehen. Frank, in: Staudinger BGB, Neubearbeitung 2009, § 1090 Rn. 38. Allerdings muss wegen §29 GBO die Eintragungsbewilligung in der dort geregelten Form dem Grundbuchamt vorgelegt werden. Beachte aber auch die Erleichterungsmöglichkeit bei der Eintragung gemäß § 874 BGB durch Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung.

3.4 Rechtliche Anforderungen an ein Sicherheitenkonzept aus Bankensicht

139

schuldrechtliche Vereinbarung (Sicherungsabrede) treffen, worin der Grundstückseigentümer zur Bestellung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit verpflichtet wird, im Gegenzug dem Anlagenbetreiber typischerweise Gegenleistungs- und Unterhaltungspflichten auferlegt werden267. Im Vergleich zum Erbbaurecht können hier deutlich weitere vertragliche Nebenabreden getroffen werden268. Beispielsweise kann in gegenständlicher Hinsicht der Miet- oder Pachtvertrag zur Causa des dinglichen Geschäfts über die Bestellung der Dienstbarkeit gemacht werden269. Regelmäßig ist jedoch nicht das Miet- oder Pachtverhältnis das Grundgeschäft der Dienstbarkeit, sondern wie oben erläutert der zugrundeliegende schuldrechtliche Sicherungsvertrag. Auch der Umstand, dass die Vereinbarungen, die das Miet- oder Pachtverhältnis betreffen, und die Regelungen zur Dienstbarkeit i.d.R. in einem einheitlichen Vertrag verbunden sind270, führt nicht zu einer anderen Betrachtung. So kann aber im Wege einer auflösenden Bedingung nach §§ 873 Abs. 1, 158 Abs. 2 BGB das Schicksal des dinglichen Vertrags an das des Miet- oder Pachtverhältnis geknüpft werden, dass beispielsweise bestimmte Kündigungs- oder Aufhebungsgründe aus dem Miet- oder Pachtvertrag zum Erlöschen der Dienstbarkeit führen.271 In zeitlicher Hinsicht kann die Nutzungsdauer der Dienstbarkeit vertraglich frei bestimmt werden, in der Praxis wird es häufig flexibel an die erwartete Lebensdauer der Anlage oder an Bedürfnisse des Anlagenbetreibers angepasst, beispielsweise indem die Laufzeit der Dienstbarkeit an die Dauer der garantierten Einspeisevergütung nach dem EEG gekoppelt wird272. Werden in der Sicherungsabrede solche vertraglichen Nebenabreden getroffen, so spricht man nicht mehr von einer (isolierten) Nutzungsdienstbarkeit, sondern von einer Sicherungsdienstbarkeit273. Ist eine Eintragung der Dienstbarkeit noch nicht erfolgt, wird üblicherweise die Eintragung einer Vormerkung zur Absicherung des schuldrechtlichen Bestellungsanspruchs vorgenommen274. Die Herbeiführung der Sonderrechtsfähigkeit nach Errichtung der Anlage Da der Wortlaut des § 95 Abs. 1 S. 2 BGB ausdrücklich fordert, dass die Anlage „in Ausübung eines Rechts“ mit dem fremden Grundstück verbunden wird, ist die Beurteilung der Eintragung der Dienstbarkeit in das Grundbuch erst zeitlich nach der Errichtung der Anlage, problematisch275. Es ist nämlich umstritten, ob die nachträgliche Begründung der Scheinbestandteilseigenschaft überhaupt möglich ist276. Ältere Stimmen in der Literatur ha267 268 269 270 271 272 273

274 275 276

Bassenge, in: Palandt, BGB, §1018 Rn. 27 und §1090 Rn. 5. Fedke, WM 2011, 1932 (1936 f.). Fedke, WM 2011, 1932 (1936 f.). Fedke, WM 2011, 1932 (1936 f.). Vgl. BGH, Urt. v. 29.09.2006 - V ZR 25/06, WM 2006, 2226 (2228); BayObLG, Beschl. v. 23.11.1989 – 2 Z 108/89, NJW-RR 1990, 208 f.; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1018 Rn. 27. Fedke, WM 2011, 1932 (1937). Zur Einspeisevergütung bei Geothermie-Projekten siehe oben unter Ziffer 3.1.3. Diese Unterscheidung kann unter Kostengesichtspunkten von Relevanz sein. Vgl. hierzu Tiedtke, Kostenrechtliche Behandlung von beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten, MittBayNot 2012, 444 , 446). Zur Zulässigkeit einer sog. Sicherungsdienstbarkeit, BGH, Urt. v. 03.05.1985 - V ZR 55/84, NJW 1985, 2474. Vgl. Frank, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, §1090 Rn. 38. Zu dieser Problematik vgl. auch OLG Koblenz, Beschl. v. 21.09.2006 - 5 U 738/06, ZfBR 2007, 49. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob ein wesentlicher Bestandteil zum Scheinbestandteil umgewandelt werden kann und „umgekehrt“. In der Praxis stellt sich diese Frage, wenn die Parteien die Scheinbestandteilsei-

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen

ben dies teilweise abgelehnt, da der Wortlaut des § 95 Abs. 1 S. 2 BGB so auszulegen sei, dass die Verlautbarung des dinglichen Nutzungsrechts im Grundbuch schon erfolgt sein muss, bevor die Anlage aufgestellt wird277. Nach der mittlerweile herrschenden Ansicht genügt jedoch die Einigung auf Gewährung der Dienstbarkeit bzw. die Antragsstellung bei dem zuständigen Grundbuchamt, um das Merkmal „in Ausübung eines Rechts“ zu erfüllen. Danach soll bereits die zum Zeitpunkt der Aufstellung der Anlage vorhandene vertragliche Vereinbarung, dass das Nutzungsrecht des Anlagenbetreibers dinglich an dem Grundstück besichert werden soll, genügen, vorbehaltlich, dass es später auch tatsächlich zu einer Eintragung gekommen ist278. Zum Teil wird auch auf den Antrag auf Eintragung als frühestmöglichen Zeitpunkt abgestellt279. Die wirksame Bestellung einer Sicherungsübereignung Hat man sich zur Bestellung einer Dienstbarkeit zugunsten der Projektbetreiber entschlossen, so können mit obiger Begründung die insoweit sonderrechtsfähigen Anlagen an den Sicherheitentreuhänder zur Sicherung übereignet werden280. Das Institut der Sicherungsübereignung ist als Kreditsicherheit nicht explizit im Gesetz geregelt, allerdings ist sie von der Rechtsprechung anerkannt281. Unter der Sicherungsübereignung versteht man die als vorübergehend gedachte Übereignung einer Sache durch den Sicherungsgeber (Veräußerer) an den Sicherungsnehmer (Erwerber) zur Sicherung von Forderungen282. Als abstrakte bzw. fiduziarische Sicherheit besteht keine Akzessorietät zwischen besicherter Forderung und dem Sicherungseigentum283. Das dingliche Verfügungsgeschäft erfolgt regelmäßig nach §§ 929, 930 BGB. Dies hat im Gegensatz zur Verpfändung den Vorteil, dass auf das Publizitätserfordernis der unmittelbaren Besitzverschaffung durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts i.S.d. § 930 BGB verzichtet werden kann284. Die Vereinbarung eines Besitzkonstituts im

277 278 279 280

281 282 283 284

genschaft durch Ausgestaltung der Nutzungsvereinbarung (s. hierzu bereits oben) erreichen wollten, aber aufgrund unglücklich gewählter Vertragsformulierungen der Wille der Vertragsparteien nicht zum Inhalt des Vertrages wird. Damit wäre die Anlage mangels ausreichender vertraglicher Absprache als wesentlicher Bestandteil einzuordnen und könnte nicht mehr isoliert sicherungsübereignet werden. In einem solchen Fall werden die Parteien regelmäßig versuchen, die „schädlichen“ Vertragsbestimmungen nachträglich abzuändern, um letztlich doch die Scheinbestandteilseigenschaft herbeizuführen. Ob eine Anlage, die vormalig – im Gegensatz zum erklärten Willen der Vertragsparteien – als wesentlicher Bestandteil des Grundstückes anzusehen wäre, im Nachhinein durch „Änderung/Korrektur“ der vertraglichen Abreden zu einem Scheinbestandteil werden kann, ist fraglich (siehe Fischer/Klindtworth, in: Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, §§ 929–930 BGB, Rn. 140 ff.), im Ergebnis aber wohl möglich (siehe Peters, WM 2007, 2003 (29006 ff.); Wicke¸ Umwandlung wesentlicher Bestandteile in Scheinbestandteile – Anm. zum Urt. des BGH v. 02.12.2005 – V ZR 35/05, 252 (261 ff.)). Rastätter, Raumeigentum und Grenzüberbau, BWNotZ 1986, 79 (80 f.). BGH, Urt. v. 12.04.1961 - VIII ZR 152/60, NJW 1961, 1251; OLG Schleswig, Urt. v. 26.08.2005 – 14 U 9/05, WM 2005, 1909 (1912); Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 95 Rn. 5; Witter, ZfIR 2006, 41 (43 f). Regelmäßig wird hier auf die Entstehung eines Anwartschaftsrechts abgestellt (Jickeli/Stieper, in: Staudinger BGB, Neubearbeitung 2009, § 95 Rn. 21; Peters, WM 2002, 110 (114 f.)). Lwowski, in: Lwowski/Fischer/Langenbucher, Das Recht der Kreditsicherung, § 2 Rn. 19 bietet außerdem nützliche Hinweise, wie durch Ausgestaltung der Sicherungsübereignung unter einer auflösenden Bedingung die fällige Grunderwerbssteuer gespart werden kann. Vgl. im einzelnen Scholz, in. Lwowski/Fischer/Langenbucher, Das Recht der Kreditsicherung, § 11 Rn. 1 ff. Ganter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 95 Rn. 1. Oechsler, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 6, Anh §§ 929–936 Rn. 10. Allerdings wird hierin auch eine wesentliche Schwäche der Sicherungsübereignung gesehen, da wegen des fehlenden Publizitätserfordernisses potentielle Darlehensgeber keinerlei Anhaltspunkte dafür haben, dass bereits vorher eine Sicherungsübereignung über die Sache stattgefunden hat. Insoweit besteht die Gefahr einer mehrfachen Sicherungsübereignung, wobei der Sicherungsgeber bei allen zeitlich der ersten Übereignung nachfolgen-

3.4 Rechtliche Anforderungen an ein Sicherheitenkonzept aus Bankensicht

141

Rahmen des dinglichen Vollzugsgeschäfts unterliegt keinen Formvorschriften und kann demnach auch stillschweigend oder als in der schuldrechtlichen Sicherungsabrede (Sicherungsübereignungsvertrag) vereinbart angesehen werden285. Anders als bei dinglichen Sicherheiten erhält hier der Sicherungsnehmer Eigentum an der übereigneten Sache. Im Innenverhältnis kann er jedoch durch die Sicherungsabrede treuhänderisch gebunden sein, im Außenverhältnis kann er in seinem Eigentumsrecht ebenfalls beschränkt sein286. Möglich ist auch die Übertragung eines Anwartschaftsrechts im Rahmen der Sicherungsübereignung entweder durch Einigung und Übergabe nach § 929 BGB oder durch Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses287. Schwierigkeiten ergeben sich bei der Erstellung eines Sicherungsübereignungsvertrags bei der Bestimmung der als Sicherungsmittel dienenden Sache, zumal die Identifizierung und Unterscheidung einzelner Bauteile einer Energieanlage oftmals nur mittels technischer Merkmale möglich ist. Jedoch hängt die Rechtswirksamkeit der Übereignung davon ab, dass die übereignete Sache hinreichend „individualisiert“ ist, d.h. dem Grundsatz der Bestimmtheit entspricht, was nach dem BGH288 erfordert, dass „auf Grund einfacher äußerer Abgrenzungskriterien für jeden Dritten, der die Parteiabrede kennt, ohne weiteres ersichtlich ist, welche individuell bestimmte Sachen übereignet werden sollen.“ Entscheidend ist somit der Inhalt des Sicherungsvertrages. Daher müssen die Vertragsparteien bei der Formulierung des Sicherungsübereignungsvertrages in Hinblick auf eine hinreichende Bestimmung der zu übereignenden Sachen höchste Sorgfalt walten lassen, da jede Ungenauigkeit zur Unwirksamkeit der Übereignung führen könnte. Empfehlenswert ist, entweder eine spezielle Liste in das Vertragswerk aufzunehmen, die die technisch korrekte Bezeichnungen jedes Gegenstandes und seiner einzelnen Bestandteile beinhaltet289 oder Pläne bzw. Lageskizzen zu verwenden, die die relevanten Grundstücke (Flurstücknummer, Anschrift) bezeichnen, auf denen ein Sicherungsraum (security area) explizit markiert wird290.

3.4.3.4

Pfandrechte an Forderungen und Rechten als Kreditsicherheit

Das vertragliche oder rechtsgeschäftliche Pfandrecht spielt in der Projektfinanzierung eine wesentliche Rolle. Innerhalb der vertraglichen Pfandrechte wird zwischen den Pfandrechten an beweglichen Sachen (§§ 1204 ff. BGB) und an Rechten (§§ 1273 ff. BGB) unterschieden, auf Letztere finden jedoch die Vorschriften über das Pfandrecht an beweglichen Sachen teilweise Anwendung (§ 1274 Abs. 2 BGB). Als akzessorische Sicherheit ist der rechtliche Bestand des Pfandrechts vom Bestehen der besicherten Forderung abhängig, anders als bei „abstrakten“ Sicherheiten, wie beispielsweise der Sicherungsübereignung. Schwierigkeiten,

285 286 287 288 289 290

den Sicherungsübereignungen als Nichtberechtigter i.S.v. §932 BGB handelt. Die Darlehensgeber würden aber nur in seltenen Fällen gutgläubig Eigentum erwerben können, da die Sachübergabe als Voraussetzung gutgläubigen Erwerbs nach §933 BGB dem Sicherheitengeber regelmäßig nicht mehr möglich ist. Daher ist es üblich, eine Zusicherung des Veräußerers in den Sicherungsübereignungsvertrag aufzunehmen, in der der Veräußerer seine Verfügungsberechtigung zusichert. BGH, Urt. v. 02.05.1979 - VIII ZR 125/78, NJW 1979, 2308 (2309); BGH, Urt. v. 20.09.2004 – II ZR 318/02, NJW-RR 2005, 280 (281). Fischer/Klindtworth, in: Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, , §§ 929–930 BGB Rn. 6. Lwowski, in: Lwowski/Fischer/Langenbucher, Das Recht der Kreditsicherung, § 11 Rn. 7. BGH, Urt. v. 03.07.2000 - II ZR 314/98, NJW 2000, 2898. Vgl. Fischer/Klindtworth, in: Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, §§ 929–930 BGB Rn. 66 ff. Vgl. Fischer/Klindtworth, in: Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, §§ 929–930 BGB Rn. 60 ff.

142

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

die sich aufgrund der Akzessorietät im Zusammenhang mit der Syndizierung an neue Banken ergeben, bekommt man im Wege der Parallel-Debt-Struktur in den Griff (vgl. hierzu oben unter Ziffer 3.4.2). Die Verpfändung von Anteilen der Projektgesellschaft In der Praxis gilt die Anteilsverpfändung als aus Sicht der Banken wertvollstes Sicherungsinstrument291. Im Wege der Anteilsverpfändung ermöglicht der Sicherungsgeber den Finanzierungsparteien einen Zugriff auf die Projektgesellschaft, was wirtschaftlich umso größere Bedeutung erlangt, als wie bereits mehrfach dargelegt bei der Projektfinanzierung ein Rückgriff auf die Sponsoren oftmals ausgeschlossen wird (non-recourse). Deshalb werden die Sponsoren in die Kreditsicherung mit einbezogen, indem ihre Gesellschaftsanteile an der Projektgesellschaft den Kreditgebern verpfändet werden292. Wird eine Projektfinanzierung nach deutschem Recht strukturiert, wird die Projektgesellschaft regelmäßig in der Rechtsform einer GmbH oder GmbH & Co. KG begründet. Die Geschäftsanteile der Projektgesellschafts-GmbH sind nach den Grundsätzen des § 15 GmbHG übertragbar und können über die Vorschriften zum Pfandrecht an Rechten gem. § 1273 ff. BGB verpfändet werden. Die Veräußerung und damit auch die Verpfändung von GmbH-Anteilen bedarf zu ihrer Wirksamkeit der notariellen Beurkundung, (§ 1274 Abs. 1 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 GmbHG)293. Die Verpflichtung zur Bestellung eines Pfandrechtes wird hingegen von § 1274 BGB nicht erfasst und kann daher formlos erfolgen294. Bezüglich der Verpfändung der Anteile enthält § 16 Abs. 1 GmbHG seit dem Inkrafttreten des MoMiG295 kein Anzeigeerfordernis der Verpfändung gegenüber der verpfändeten Gesellschaft mehr, so dass sie die Verpfändung auch bei Unkenntnis von dem Pfandrecht gegen sich gelten lassen muss296. Regelmäßig werden im Rahmen des Anteilsverpfändungsvertrages zusätzlich auch Nebenforderungen wie Gewinnansprüche (Dividenden) verpfändet. In einem solchen Fall gilt es jedoch Besonderheiten zu beachten, da wegen § 1280 BGB die Anzeige des Verpfänders gegenüber der Gesellschaft Wirksamkeitsvoraussetzung für die Verpfändung einer Forderung ist. Häufig enthalten die Gesellschaftsverträge der Projektgesellschaften Vinkulierungsbestimmungen i.S.v. § 15 Abs. 5 GmbHG, worin die Übertragung und damit auch die Verpfändung an weitere Voraussetzungen beispielsweise an die Genehmigung der Gesellschaft oder der Gesellschafter geknüpft werden. Gem. §§ 1273 Abs. 2 i.V.m. 1209 BGB ist für den Rang des Pfandrechts die Zeit seiner Bestellung (Prioritätsgrundsatz) maßgeblich, selbst dann, wenn es die Besicherung künftiger oder bedingter Forderungen vorsieht.

291 292 293 294 295 296

Zu den Vorzügen des Pfandrechts an Geschäftsanteilen gegenüber der Sicherungsübertragung s. Merkel, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 93 Rn. 9. Röver, in: Siebel/Röver/Knütel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, Rn. 2384. Siehe Merkel, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 93 Rn. 146 auch zur Beurkundungspflicht in verschiedenen Treuhandkonstellationen. Michalski, GmbHG, § 15 Rn. 220. Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMIG) vom 31.10.2008, BGBI. I, 2026, in Kraft getreten am 1.11.2008. Vgl. Brünink, in: Lwowski/Fischer/Langenbucher, Das Recht der Kreditsicherung, § 12 Rn. 48.

3.4 Rechtliche Anforderungen an ein Sicherheitenkonzept aus Bankensicht

143

Das Pfandrecht an den Bankkonten der Projektgesellschaft In der Projektfinanzierung haben die Banken nicht nur ein Interesse daran, Sicherheiten an Forderungen der Projektgesellschaft zu erhalten, sondern gleichzeitig auch Kontrolle über die kontenmäßigen Geldbewegungen, insbesondere den realisierten Cashflow297. Rechtsgrundlage der Kontoverpfändung ist die Forderungsverpfändung gem. §§ 1279 ff. BGB, die durch die Regelungen über das Pfandrecht an Rechten (§§ 1273 ff. BGB) ergänzt werden. Da die Anzeige der Verpfändung gegenüber der kontoführenden Bank gemäß § 1280 BGB Wirksamkeitsvoraussetzung für die Verpfändung ist, ist im zugrundeliegenden Verpfändungsvertrag eine Verpflichtung vorgesehen, nach der der Verpfänder der kontoführenden Bank die Verpfändung der Forderung anzeigen muss. Regelmäßig wird in den Verpfändungsvertrag zusätzlich eine Bevollmächtigung des Sicherheitentreuhänders durch den Verpfänder aufgenommen, damit der Sicherheitentreuhänder notfalls selbst die Verpfändung gegenüber der kontoführenden Bank anzeigen kann. Eine Anzeige kann allerdings dann entbehrlich sein, falls der Sicherheitentreuhänder zugleich alleinige kontoführende Bank ist. In der Regel hat die kontoführende Bank aus Ziff. 14 Abs. 1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Bank) bereits ein AGB-Pfandrecht über das an den Sicherheitentreuhänder verpfändete Konto. Aufgrund des Prioritätsgrundsatzes würde dieses AGB-Pfandrecht der späteren Kontopfändung im Rang vorgehen. Um ein erstrangiges Kontopfandrecht zugunsten der Kreditgeber bzw. zugunsten des Sicherheitentreuhänders bestellen zu können, sollte auf einen Verzicht (waiver) seitens der kontoführenden Bank im Wege einer einseitigen, empfangsbedürftigen (Verzichts-) Willenserklärung, die gem. § 1255 BGB zum Erlöschen des AGB-Pfandrechts führt, hingewirkt werden298. In quantitativer Hinsicht werden bei der Projektfinanzierung alle Konten verpfändet, die im Zusammenhang mit Zahlungsströmen des Projektes stehen. In der Regel bestehen die Banken auf eine im Kreditvertrag zu vereinbarende feste Kontenstruktur, weshalb eine Vielzahl verschiedener Projektkonten verpfändet wird. Nicht zu den zu verpfändenden Konten gehört hingegen das Konto, auf das Ausschüttungsbeträge fließen (Distribution Account). Das liegt daran, dass dieses Konto außerhalb der Projektebene bei den Sponsoren angesiedelt ist. In dem Kreditvertrag wird zwar der Zugang zum Distribution Account geregelt sowie spezielle Voraussetzungen, damit Beträge auf das Distribution Account überwiesen werden dürfen (kein „Distribution Lock-up“); in der Verwendung der darauf befindlichen Mittel ist der Kreditnehmer jedoch jederzeit völlig frei. Die Verpfändung der Konten führt nicht automatisch dazu, dass die Konten der Verfügung der Projektgesellschaft entzogen sind. Diese muss auf die Konten weiterhin Zugriff haben. Meist erst ab Vorliegen eines Kündigungsgrundes, jedenfalls aber nach erfolgter Kündigung kann der Sicherheitentreuhänder alle Maßnahmen ergreifen und Rechte geltend machen, die ihm als Pfandgläubiger nach deutschem Recht, insbesondere gemäß §§ 1273 Abs. 2, 1204 ff. BGB zustehen. Dies gilt ohne Einschränkung auch für das Recht zum Einzug offener Forderungen oder Guthaben aus den verpfändeten Forderungen entsprechend der Bestimmungen der §§ 1282 Abs. 1, 1288 Abs. 2 BGB. 297 298

Röver, in: Siebel/Röver/Knütel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, Rn. 2396. Vgl. Damrau, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 6, § 1255 Rn. 1; Bunte, AGB-Banken, 3. Aufl. 2011, zu Nr. 14 AGB, Rn. 338.

144

3 Rechtliche Rahmenbedingungen

3.4.3.5

Die Globalzession als Kreditsicherheit

Die Globalzession ist eine Sicherungsabtretung bestehender und künftiger Forderungen299 mit der Besonderheit, dass eine Vielzahl oder Gesamtheit von Forderungen unter einer Gesamtbezeichnung („global“) abgetreten wird300. Als sicherungsfähige Forderungen kommen grundsätzlich alle Forderungen in Betracht, die nach den Vorschriften der §§ 398 ff., 413 BGB abtretbar sind. Für die Rechtswirksamkeit der Sicherungsabtretung ist entscheidend, dass das als Sicherheit dienende Recht hinreichend bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist301. Neben der Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit der Forderung ist hinsichtlich der Vorausabtretung bezogen auf künftige Forderungen lediglich erforderlich, dass die Entstehung der Forderung zum Abtretungszeitpunkt absehbar ist und nicht von zufälligen Ereignissen abhängig ist302. Der Rechtserwerb ist hingegen erst mit der Entstehung der Forderung abgeschlossen303. Die Anzeige der Abtretung ist, anders als beispielsweise bei der Verpfändung einer Forderung, keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Sie spielt jedoch im Rahmen des § 407 BGB eine entscheidende Rolle, da der Gläubiger (Zessionar) eine Leistung, die der Schuldner nach der Abtretung an den bisherigen Gläubiger (Zedent) bewirkt, gegen sich gelten lassen muss, wenn nicht der Schuldner die Abtretung zum Zeitpunkt der Leistung kennt. Sobald dem Schuldner einer Abtretungsanzeige i.S.d. § 409 BGB zugeht, wird vermutet, dass er positive Kenntnis von der Abtretung hatte304. Dennoch werden Globalzessionsverträge in der Regel als verdeckte, stille Abtretung konzipiert, da es dem Sicherungsgeber nicht zugemutet werden kann, dass er alle Vertragspartner und Gesellschafter von der Abtretung informiert. Werden innerhalb des Globalzessionsvertrages nur einzelne Forderungen abgetreten, so werden diese hingegen sofort angezeigt Wird von einer stillen Zession Gebrauch gemacht, so hat der Forderungsschuldner selbst im Verwertungsfall noch keine Kenntnis von der Abtretung. Deshalb wird in den Globalzessionsvertrag regelmäßig aufgenommen, dass mit Eintritt des Verwertungsfalles der Sicherheitentreuhänder berechtigt wird, die abgetretenen Forderungen einzuziehen, indem er die Drittschuldner (Forderungsschuldner) von der erfolgten Forderungsabtretung in Kenntnis setzt (Abtretungsanzeige) und diese anweist, auf ein darin angegebenes Konto zu zahlen. 

299

300 301 302 303 304

Die Globalzession an Forderungen der Projektgesellschaft Ein wichtiges Asset der Projektgesellschaft sind neben ihren Geschäftsanteilen die Forderungen, die ihr gegenüber Vertragspartner und Gesellschaftern zustehen. Prinzipiell werden sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen der Projektgesellschaft an den Sicherheitentreuhänder abgetreten. Dazu gehören insbesondere Ansprüche gegen die Vertragspartner der Projektverträge, wobei es sich in der Bauphase des Unstreitig ist, dass auch künftige Forderungen abgetreten werden können (Siehe nur BGH, Urt. v. 21.04.1988 IX ZR 191/87, NJW 1988, 3204, BGH Urt. v. 14.07.2004 – VIII ZR 224/02, NJW-RR 2004, 1408). Vertiefend zur Vorausabtretung Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 11 ff. Roth, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 2, § 398 Rn. 145. Lwowski, in: Lwowski/Fischer/Langenbucher, Das Recht der Kreditsicherung, § 13 Rn. 28. Vgl. BGH, Urt. v. 25.10.1952 – I ZR 48/52, NJW 1953, 21 unter Aufrechterhaltung der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts. BGH, Urt. v. 19.09.1983 – II ZR 12/83, NJW 1984, 492. BGH, Urt. v. 05.03.1997 – VIII ZR 118/96, NJW 1997, 1775.

3.4 Rechtliche Anforderungen an ein Sicherheitenkonzept aus Bankensicht

145

Projekts insbesondere um Schadensersatzansprüche handeln kann. Nach der Inbetriebnahme der Anlage umfasst dies hauptsächlich Ansprüche auf Zahlung der Einspeiseerlöse nach §§ 16 ff. EEG, die regelmäßig den Cashflow des Projektes darstellt. Das EEG garantiert auch im Bereich der Geothermie gemäß § 28 Abs. 1 EEG dem Anlagenbetreiber eine feste auf 20 Jahre fixierte Einspeisevergütung in Höhe von 25,0 Cent pro Kilowattstunde305. § 28 EEG sieht in seiner aktuellen Fassung nur noch eine Grundvergütung vor und ändert damit die Vergütungsstruktur für Strom aus Geothermie, indem die bisher bekannten Boni, der Frühstarterbonus und der bisher in § 28 Abs. 2 EEG 2009 geregelte Wärmenutzungsbonus, ersatzlos gestrichen werden306. Darüber hinaus wurden zur Vereinfachung der Vergütungsstruktur die bisher in § 28 Abs. 1 EEG 2009 geregelten Leistungsklassen/Größendifferenzierungen für die Vergütungssätze aufgehoben, da es bislang noch kein Projekt gibt und voraussichtlich in den nächsten Jahren auch kein entsprechendes Projekt realisiert werden wird, das größer als die bisher in § 28 Abs. 1 EEG 2009 geregelten 10 MW installierter Leistung ist307. Erhalten geblieben ist die Bonusvergütung (Grundvergütung zzgl. 5,0 Cent pro Kilowattstunde) für Strom, der auch durch Nutzung petrothermaler Techniken308 erzeugt wird (§ 28 Abs. 2 EEG). Sollte die Projektgesellschaft als Anlagenbetreiberin Erlöse aus Direktvermarktung (§§ 33a ff. EEG) erzielen, sind damit einhergehende Besonderheiten entsprechend zu berücksichtigen309. In dem Globalzessionsvertrag wird in der Regel auch aufgenommen, dass mit der Abtretung der Forderung alle Rechte, einschließlich eventuell bestehender Nebenrechte auf den Zessionar übergehen sollen. Dies wirkt in Bezug auf akzessorische Sicherungsrecht lediglich deklaratorisch, da diese ipso iure bereits auf den Sicherheitentreuhänder übergehen (§§ 398, 401 BGB). 

305 306 307 308

309

310

Die Sicherungsabtretung von Versicherungsansprüchen Regelmäßig abgetreten werden zusätzlich auch Ansprüche aus Versicherungen (mit Ausnahme von Haftpflichtversicherungen), die den Ausfall der abgetretenen Forderungen besichern310. Die Sicherungsabtretung von Versicherungsansprüchen ist in der Projektfinanzierung von besonderer Bedeutung, ihre Wichtigkeit sollte daher nicht unterschätzt werden. Das hängt damit zusammen, dass der Kredit generell nur durch die Erlöse aus der Energieeinspeisung, den Cashflow, bedient wird. Durch die Abtretung von Versicherungsansprüchen als Kreditsicherheit können jedoch zumindest partiell im Schadensfall Gewinnausfälle aus der Energieeinspeisung durch die Verwertung der abgetretenen Versicherungsansprüche abgefedert werden. Um sämtliche Ansprüche der Siehe hierzu die Ausführungen von DANIEL MARHEWKA in Abschnitt 3.1.3. Danner/Theobald, Energierecht, § 28 Rn. 1. Danner/Theobald, Energierecht, § 28 Rn. 1. Petrothermale Systeme nutzen die Gesteinswärme, indem zunächst im Untergrund durch hydraulische Simulationen Gesteinsrisse und -klüfte erzeugt werden. Durch diese zerklüfteten Gesteinsschichten zirkuliert dann über zwei Brunnen künstlich eingeleitetes Wasser. Derzeit wird geschätzt, dass im Tiefenbereich von 3.000 bis 7.000 m unter der Fläche der Bundesrepublik so viel Energie zur Nutzung in petrothermalen Systemen zur Verfügung steht, dass Deutschland sich damit für ca. 10.000 Jahre komplett mit Strom versorgen könnte (Vgl. hierzu Homepage des Bundesverbandes Geothermie unter: http://www.geothermie.de/wissenswelt/geothermie/einstieg-in-die-geothermie.html, zuletzt abgerufen am 26. Juli 2013). Die zentrale Neuerung des EEG 2012 besteht in der Schaffung optionaler Förderinstrumente zur Direktvermarktung von EEG-Strom. Ausführlich zu dieser Thematik: Lehnert, Markt- und Systemintegration der Erneuerbaren-Energien: Eine rechtliche Analyse der Regeln zur Direktvermarktung im EEG 2012, ZUR 2012, 4 ff. Wittig, in: Lwowski/Fischer/Langenbucher, Das Recht der Kreditsicherung, Anhang 2 zu § 13 Rn. 8.

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3 Rechtliche Rahmenbedingungen Finanzierungsparteien zu besichern, tritt der Zedent – die Projektgesellschaft – an den Sicherheitentreuhänder sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche des Zedenten gegen alle Versicherungsgesellschaften unter sämtlichen Versicherungsverträgen und Versicherungspolicen, die der Zedent abgeschlossen hat und abschließen wird oder die im Namen des Zedenten abgeschlossen wurden und werden, oder an denen der Zedent ein Recht hat, ab. Hiervon ausgenommen werden Forderungen, bei denen der Sicherheitentreuhänder selbst die verletzte Person ist, sowie Forderungen aus Haftpflichtversicherungen311. Grundsätzlich finden für die Abtretung von Forderungen aus einem Versicherungsvertrag dieselben Regelungen Anwendung, die für die Abtretung von Forderungen gelten. Aus einem Umkehrschluss des § 17 VVG312 ergibt sich, dass der Anspruch aus der Versicherung grundsätzlich abgetreten, gepfändet oder verpfändet werden kann313. Verfügungsberechtigt ist zunächst der Versicherungsnehmer. Erfolgt eine Abtretung entgegen der Vorgaben des § 17 VVG (Abtretungsverbot bei unpfändbaren Sachen) oder eines gesetzlichen Abtretungsverbots, so ist sie nach h. M. absolut, d.h. gegenüber jedermann unwirksam314. Besonderheiten ergeben sich aus den allgemeinen Versicherungsbedingungen des jeweiligen Versicherungsvertrags, weshalb es aus Sicht der Banken bzw. des Sicherheitentreuhänders als Sicherungsnehmer generell ratsam ist, sich vor der Abtretung Police und Versicherungsbedingungen aushändigen zu lassen. So kann zum Beispiel in den Versicherungsbedingungen zum jeweiligen Versicherungsvertrag die Zustimmung des Versicherers zur erfolgten Abtretung oder eine Anzeigepflicht vorgesehen sein. Wird die Anzeige der Abtretung in einem solchen Fall unterlassen, ist sie unwirksam315. Dies gilt allerdings wegen § 354a HGB nicht in Hinblick auf Verträge, die für beide Teile ein Handelsgeschäft darstellen, was bei einer Projektfinanzierung regelmäßig der Fall sein wird316. Aus denselben Gründen entfaltet auch ein vertraglich vereinbarter Abtretungsausschluss keine Wirkungen. Theoretisch könnten demnach Versicherungsansprüche stets still (ohne Abtretungsanzeige) abgetreten werden. Dennoch

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312 313

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Vgl. Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, § 17 Rn. 2. Wegen § 399 Var. 1 BGB soll nach h. M. der Befreiungsanspruch in der Haftpflichtversicherung nicht abtretbar sein, weil eine Abtretung den Vertragsinhalt ändern würde. Abtretbarkeit wird hingegen angenommen, wenn an den geschädigten Dritten abgetreten wird, in dessen Händen sich der Befreiungsanspruch in einen Leistungsanspruch umwandelt. Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz – VVG) vom 23. November 2007, BGBI. I, 2631, zuletzt geändert am 22.12.2011. Vgl. hierzu Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, § 17 Rn. 2 mit einer Auflistung abtretbarer Forderungen. Zu beachten sind insbesondere gesetzliche (Bsp. §§ 399 Var. 1, 400 BGB) als auch vertragliche Abtretungsverbote (§ 399 Var. 2 BGB). Eine detaillierte Auflistung gesetzlicher Abtretungs-, Pfändungs- und Verpfändungsverbote findet man bei Fausten, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 17 Rn. 6 ff. Ebers, in: Schwintowski/Brömmellmeyer, Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsrecht, 2008, § 17 Rn. 8 ff. Bsp.: § 13 Abs. 4 Versicherungsbedingungen - kapitalbildende Lebensversicherung (AVL), danach wird eine Abtretung gegenüber dem Versicherer erst mit ihrer schriftlichen Anzeige wirksam. Zur Unwirksamkeit einer Abtretung, wenn eine Abtretungsanzeige nach Versicherungsbedingungen als Wirksamkeitsvoraussetzung festgelegt ist, s. BGH, Urt. v. 10.03.2010 - IV ZR 207/08, NJW-RR 2012, 904 (905 f.). Fausten, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 17 Rn. 34. Gem. § 354a HGB ist eine Abtretung trotz eines vereinbarten Abtretungsausschluss i.S.d. § 354a HBG wirksam. § 354a HBG bezieht sich nur auf vertragliche Abtretungsverbote. Aus einem Erst-Recht-Schluss soll dies allerdings auch für sonstige Beschränkungen der Abtretungsbefugnis (Zustimmungsvorbehalte, Anzeigepflichten) gelten (dazu BGH, Urt. v. 26.01.2005 – VIII ZR 275/03, NJW-RR 2005, 624 (626)).

3.4 Rechtliche Anforderungen an ein Sicherheitenkonzept aus Bankensicht

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empfiehlt es sich, in der Praxis in allen Fällen eine Abtretungsanzeige an den Versicherer zu senden. Prägend ist für die Sicherungsabtretung, dass der Sicherungsnehmer im Außenverhältnis die volle Gläubigerstellung erwirbt, im Innenverhältnis jedoch zunächst nur nach Maßgabe des Sicherungszwecks über die Forderung verfügen darf317. Für die Rechtsfolgen einer wirksamen Abtretung von Versicherungsansprüchen bedeutet dies, dass der Neugläubiger (Zessionar) zwar in die Gläubigerstellung des Versicherungsnehmers (Zedent) einrückt, ansonsten das Versicherungsverhältnis aber unberührt bleibt318. Der Zedent der abgetretenen Versicherungsforderung (Projektgesellschaft oder Sponsor) bleibt somit weiterhin zur Erfüllung aller Pflichten aus dem jeweiligen Versicherungsvertrag gegenüber dem Versicherer verpflichtet (Zahlung der Prämie, Anzeigepflichten, Erfüllung von Obliegenheiten), gleichzeitig stehen ihm aber weiterhin alle vertraglichen Rechte 319 zu. In der Projektfinanzierung birgt dies die Gefahr, dass die Banken bzw. der Sicherheitentreuhänder vom Wohlverhalten des Versicherungsnehmers abhängig sind, da sie dessen Obliegenheitspflichtverletzungen gegen sich gelten lassen müssen. Als Konsequenz daraus bietet sich aus Bankensicht an, in dem der Abtretung zugrundeliegenden Sicherheitenvertrag eine Verpflichtung (Undertaking) des Sicherungsgebers aufzunehmen, nichts zu tun oder zu unterlassen, was die Sicherungsinteressen des Sicherheitentreuhänders oder den vertraglich vereinbarten Sicherungszweck beeinträchtigen oder diesen auf andere Weise zuwiderlaufen oder die Rechte des Sicherheitentreuhänders aus dem Abtretungsvertrag beeinträchtigen würde320. Darüber hinaus sollte sich der Zessionar vom Zedenten (Versicherungsnehmer) den ausgestellten Versicherungsschein (§ 3 VVG) aushändigen lassen. Der Versicherungsschein entfaltet nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 VVG eine Legitimationswirkung gegenüber dem Versicherer. Der Versicherer ist nicht verpflichtet, die Berechtigung des Inhabers des Versicherungsscheins zu überprüfen. Er wird allein durch Leistung an den Inhaber des Versicherungsscheins befreit321. Dies führt zu einer erheblichen Verbesse-

317

Vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 398 Rn. 24. Fausten, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 17 Rn. 35 ff.: Der Neugläubiger muss sich insbesondere alle Einwendungen und Einreden aus dem Versicherungsvertrag entgegenhalten lassen. Außerdem bleibt richtiger Empfangsadressat und Ansprechperson für alle relevanten Erklärungen des Versicherers weiterhin der Altgläubiger, es sei denn, dass sich die Erklärung nach Eintritt des Versicherungsfalls nur auf die abgetretene Forderung bezieht (z.B. die Verjährungshemmung nach § 15 VVG), da dann der Neugläubiger der richtige Adressat wäre. 319 Zwar sind dem Versicherungsnehmer Verfügungen über die abgetretene Forderung nicht mehr gestattet, weiterhin zugehörig sind ihm hingegen die Verfügungsrechte aus dem zugrundeliegenden Versicherungsverhältnis (beispielsweise Anfechtung, Rücktritt oder Kündigung), solange die Verfügungsrechte aus dem Vertrag nicht ebenfalls an den Zessionar abgetreten wurden (s. hierzu Fausten, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 17 Rn. 37). 320 Ein Verstoß gegen eine solche Verpflichtung (Untertaking) führt regelmäßig nach den Bestimmungen des Kreditvertrages zu einem Kündigungsgrund (Event of Default), der schließlich zur Kündigung und vorzeitigen Fälligstellung des Kredites führen kann. 321 Armbrüster, in Münchener Kommentar zum VVG, § 4, Rn. 5 und Rn. 12. Wegen § 4 Abs. 1 VVG sind Versicherungsscheine als so genannte hinkende Inhaberpapiere bzw. qualifizierte Legitimationspapiere i.S.v. § 808 Abs. 1 BGB einzuordnen. Regelmäßig enthält der Versicherungsvertrag die eingeräumte Berechtigung, an den Inhaber des Versicherungsscheins mit befreiender Wirkung zu leisten, ohne aber diesem gegenüber zur Leistung verpflichtet zu sein. Dies macht den Versicherungsschein gem. § 4 Abs. 1 VVG zu einem qualifizierten Legitimationspapier i. S. des § 808 Abs. 1 BGB. 318

148

3 Rechtliche Rahmenbedingungen rung der Stellung des Versicherten, insbesondere für den Fall, dass der Versicherungsnehmer eine Versicherung für fremde Rechnung abgeschlossen hat: Bei der Versicherung für fremde Rechnung i.S.d. §§ 43 ff. VVG schließt der Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag im eigenen Namen für einen anderen, mit oder ohne Benennung der Person des Versicherten, ab. Die Rechte aus dem Versicherungsvertrag stehen dem Versicherten zu, er kann aber nur dann ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers über seine Rechte verfügen und diese Rechte gerichtlich geltend machen, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist (vgl. § 44 VVG). Solange der Versicherungsnehmer im Besitz des Versicherungsscheins ist, kann er Leistungen des Versicherers mit Erfüllungswirkungen gegenüber dem Versicherten annehmen und Rechte des Versicherten übertragen (§ 45 Abs. 2 VVG). Die Herrschaft des Versicherungsnehmers über die Aktivlegimitation endet unwiderruflich mit der Übergabe des Versicherungsscheins an den Versicherten. In diesem Punkt unterscheiden sich die Regeln der Fremdversicherung grundlegend von den Vorschriften über den Vertrag zugunsten Dritter (§§ 328 ff BGB).322 Daher sollte der Versicherte insbesondere im Fall der Versicherung für fremde Rechnung einen Versicherungsschein verlangen, da der Versicherte erst dann seine Ansprüche gegen den Versicherten ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers durchsetzen kann, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist.323 Die Legitimationswirkung des Versicherungsscheins umfasst die vertraglich versprochenen Leistungen und erstreckt sich auch auf das Kündigungsrecht; der Versicherer kann folglich den Inhaber des Versicherungsscheins als zur Kündigung berechtigt ansehen324. Letztlich sollte sich der Sicherheitentreuhänder bei einer Versicherung für fremde Rechnung einen sog. Sicherungsschein bzw. eine sog. Sicherungsbestätigung325 von dem Versicherer ausstellen lassen. Der Sicherungsschein bzw. die Sicherungsbestätigung ist von dem Versicherungsschein i.S.d. § 3 VVG streng zu trennen326. Nach der Konzeption des Gesetzgebers ist der Versicherte in der Ausübung seiner Rechte von dem Versicherungsnehmer abhängig. Mit Hilfe typisierter Zusatzvereinbarungen bei Versicherungen für fremde Rechnung wie dem Sicherungsschein oder der Sicherungsbestätigung wird die Stellung des Kreditgebers in der Weise verbessert, dass mit der Ausstellung des Sicherungsscheins bzw. die Sicherungsbestätigung regelmäßig das in § 44 Abs. 2 VVG geregelte Zustimmungserfordernis des Versicherungsnehmers abbedungen und dem Versicherten in Abweichung zu § 45 VVG das alleinige Verfügungsrecht eingeräumt wird327. Der Sicherungsschein bzw. die Sicherungsbestätigung enthält zwar ähnlich dem Versicherungsschein eine Bestätigung und Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses durch den Versicherer, die Ausstellung und Hingabe erfolgt jedoch diesmal direkt an einen Dritten (beispielsweise an den Sicherheitentreuhänder). Weiterhin wird der Versi-

322 323 324 325

326 327

Dageförde, in Münchener Kommentar zum VVG, § 44 Rn. 4. Dageförde, in Münchener Kommentar zum VVG, §§ 44 Rn. 3, 4. Siehe hierzu BGH, Urt. v. 22.03.2000, NJW 2000, 2103 (2104). Zu beachten ist, dass Sicherungsscheine regelmäßig nur für Feuerversicherungen und nur für Kreditinstitute i.S.d. KWG ausgegeben werden. Die Sicherungsbestätigung gilt demgegenüber für alle Versicherungssparten und kann allen Kreditgebern erteilt werden, gewährt aber im Gegensatz zum Sicherungsschein einen geringeren Schutz, da der Versicherer insbesondere nicht auf Einwendungen wegen Fehlverhaltens des Versicherungsnehmers verzichtet (Dageförde, in Münchener Kommentar zum VVG, § 44 Rn. 17). Vgl. Rixecker, in: Römer/Langheid, VVG, § 3 Rn. 12. Rixecker, in: Römer/Langheid, VVG, § 3 Rn. 12.

3.4 Rechtliche Anforderungen an ein Sicherheitenkonzept aus Bankensicht

149

cherer zur Bereitstellung bestimmter Informationen verpflichtet, so hat er die Kreditgeber auf ihnen nicht bekannte Umstände hinzuweisen, die Auswirkungen für die Werthaltigkeit des Versicherungsanspruchs haben könnten (z.B. Hinweis auf bestehende Prämienrückstände)328. Bei internationalen Projektfinanzierungen begegnet man in Versicherungsverträgen häufig dem sog. „Loss-Payee-Konzept“. Dies sind Klauseln in einem Versicherungsvertrag, die eine dritte Person (den sog. „Loss-Payee“) als Berechtigten der Versicherungsleistungen im Schadensfall benennen, ohne ihn als Versicherungsnehmer zu behandeln. Ist die Bank bzw. der Sicherheitentreuhänder als Loss-Payee eingesetzt worden, so zahlt der Versicherer im Schadensfall direkt an sie, sonstige Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag stehen hingegen weiterhin dem Versicherungsnehmer zu. Dieses Konstrukt erübrigt folglich die Zession der Versicherungsansprüche. Die aus dem angloamerikanischen Rechtskreis bekannte „Loss-Payee“-Klausel ist aber dem deutschen Recht völlig fremd. Im Anglo-Amerikanischen wird sie als Ermächtigung (appointment) und nicht als Abtretung angesehen329. Sie ist mit dem Konzept einer Abtretung nach deutschen Recht nicht vergleichbar, weder ist sie einem Vertrag zugunsten Dritter zuzuordnen noch kann man sie als eine Art Treuhandverhältnis einordnen330. Aus diesem Grund sollte das loss payee-Konzept bei rein deutschen Projektfinanzierungen nicht umgesetzt werden.

328

BGH, VersR 2001, 235, 236. Vertiefend hierzu Dageförde, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 44 Rn. 11 u. Rn. 15, wonach unvollständige oder irreführende Erklärungen des Versicherers in Bezug auf den Umfang der Versicherung, insbesondere zum Verlust von Aufrechnungsrechten aus § 35 VVG führen können. 329 Trans Canada Credit vs. Royal Insurance (1983) 58 N.S.R. (2d) 280 at pp. 283 f. 330 Am Ehesten wird man sie mit der aus dem deutschen Versicherungsrecht bekannten Figur des Mitversicherten vergleichen können, der selbst keine Prämie zahlt, aber die Versicherungsleistung im Schadensfall erhalten kann.

4

Technische Rahmenbedingungen

4.1

Reservoireigenschaften und Reservoirmanagement PROF. DR. ERNST HUENGES

4.1.1

Einleitung

Aus Erdwärme kann Energie in Form von technisch nutzbarer Wärme oder elektrischem Strom bereitgestellt werden (Technologieüberblick in Huenges, 2010). Die geothermische Fündigkeit ist dabei nicht nur auf vulkanische Gebiete beschränkt. Heißwasser führende Gesteinsschichten, sog. hydrothermale Systeme, stellen potenzielle Nutzhorizonte bereit, die heute weltweit in den meisten großen geothermischen Kraftwerken genutzt werden. Technologiekonzepte zur Nutzung der Tiefen Geothermie erfordern in der Regel jeweils mindestens eine Förder- und eine Schluckbohrung, die bedarfsgerecht Energie mit ausreichender Temperatur aus einer tiefen Erdwärmelagerstätte erschließt. Der Thermalwasser-Kreislauf wird über Tage geschlossen, die Energie in der Regel mit einem Wärmeüberträger an den jeweiligen Abnehmer weitergegeben. Das ausgekühlte Wasser wird über die Schluckbohrung in die Lagerstätte zurückgeführt. Bei den in Deutschland verfügbaren geothermischen Lagerstätten handelt es sich um heiße Tiefenwässer führende Schichten (Hydrothermale Systeme) und um in Tiefengesteinen gespeicherte Wärme (Petrothermale Systeme) ohne oder mit begrenzter Wasserführung. Zum überwiegenden Teil existieren Lagerstätten mit Übergängen von hydro- zu petrothermalen Systemen, die man mit Hilfe des so genannten Engineered-Geothermal-Systems-(EGS)Konzeptes zu einer wirtschaftlichen Nutzung führen kann. EGS-Technologien stellen die Summe der ingenieurtechnischen Maßnahmen dar, die zum Austausch der Wärme und zur Optimierung der Erschließung der Lagerstätte erforderlich sind (Abbildung 14). Hydraulische Stimulation oder Säurebehandlung sind Methoden, mit denen künstlich eine höhere hydraulische Leitfähigkeit in gering permeablen Gesteinen hergestellt werden kann. Alle dazu notwendigen Systemkomponenten sind verfügbar, es gibt noch Verbesserungspotenzial hinsichtlich der Verlässlichkeit und Effizienz der Technologie.

152

4 Technische Rahmenbedingungen

331

Abbildung 14:

Schema der existierenden Geothermischen Systeme

4.1.2

Reservoirengineering

Die Nutzung des Untergrundes hängt im besonderen Maße von der effizienten Bewirtschaftung des Reservoirs ab. Dazu muss man das Gesamtsystem aus Bohrung und Reservoir im Untergrund qualitativ und quantitativ verstehen. Mit diesem Verständnis kann man die Prozesse in der Bohrung, im bohrlochnahen Bereich und im Reservoir kontrollieren. Damit sind wir beim Reservoirengineering, das auch die erwähnten EGS-Maßnahmen wie die hydraulische Stimulation zur Produktivitätssteigerung nicht fündiger Bohrungen umfasst. Ist die natürliche Durchlässigkeit des Gesteins gering, so dass der Wasserdurchsatz zu niedrig und die Fläche für einen effektiven Wärmeaustausch zu klein ist, werden mit speziellen Stimulationsmethoden künstliche Risse im Gestein erzeugt. Die hydraulische Stimulation (Hydraulic Fracturing) ist ein in der Erdöl- und Erdgasindustrie gängiges Verfahren. Bei der hydraulischen Stimulation wird in kurzer Zeit unter hohem Druck ein Fluid, meist Wasser, über eine Bohrung verpresst. Der Druck des Fluids überschreitet die im Gebirge vorherrschenden Spannungen, erweitert vorhandene Risse im Gestein, verbindet sie und erzeugt neue Klüfte mit einer Ausrichtung wie in Abbildung 15 gezeigt. Neben der Erzeugung eines weitreichenden Risssystems soll auch der Anschluss an natürlich vorhandene Wasser führende Klüfte hergestellt werden. Durch Stimulation werden also EGS-Systeme geschaffen. Die Geomechanik bildet in der Entwicklung von Enhanced Geothermal Systems eine Schlüsselkompetenz. Bohrtechnische Erschließung und hydraulische Stimulation erfordern umfangreiche Kenntnisse des wirkenden Spannungsfeldes (Abbildung 15). Je nach tektonischem Regime stehen die Gesteine unter äußerer Spannung, die letztendlich die Rissausbreitung kontrolliert. Hydraulische Stimulation führt bei Überschreitung der Scherspannung zu Scherrissen, die sich erfahrungsgemäß in einem Winkel von etwa 30 ° zur Hauptspannung bewegen (Abbildung 15 oben). Nach Druckentlastung kann es hier zu bleibenden Wegsamkeiten kommen, die auf Selbstabstützung der bewegten Scherflächen zurückzuführen sind. Offene Systeme sind also bevorzugt mit Ausrichtung zur Hauptspannung zu erwarten. Ein Bohrpfad sollte aus Gründen der Bohrlochstabilität bevorzugt senkrecht zu den Kluftflächen geführt werden (Abbildung 15).

331

Schema der existierenden Geothermischen Systeme (wasserführend = hydrothermal, trocken = petrothermal) und Konzept der Engineered oder Enhanced Geothermal Systems (EGS). EGS sind Reservoire mit unzureichender Permeabilität, die durch Stimulation zu höheren Permeabilitäten und damit zur wirtschaftlichen Nutzbarkeit geführt werden können.

4.1 Reservoireigenschaften und Reservoirmanagement

Abbildung 15:

Geometrische Beziehung zwischen Stressachsen, tektonischem Regime und Rissflächen

153

332

Falls nötig, wird das Stimulationsfluid zur Sicherung der Rissöffnung mit Stützmitteln versetzt, zum Beispiel mit Keramikkügelchen von etwa 1 mm Durchmesser (Zimmermann et al. 2011). Diese lagern sich in den hydraulisch erzeugten Rissen im Gestein ein und halten sie offen, wenn der Druck nachlässt. Durch Stimulation entsteht ein weit verzweigtes Kluftsystem, das dem Thermalwasser neue Fließwege zur Förderbohrung schafft. Das Kluftsystem funktioniert sodann als Transportweg und als untertägiger Wärmetauscher mit großer Kontaktfläche.

4.1.3

Konzeption und bohrtechnische Erschließung des Forschungslabors Groß Schönebeck

Um neue technologische Ansätze in der praktischen Anwendung zu entwickeln und Problemen im Testbetrieb auf den Grund zu gehen, sind Demonstrationsanlagen unverzichtbar. Das HELMHOLTZ-ZENTRUM POTSDAM DEUTSCHES GEOFORSCHUNGSZENTRUM (GFZ) hat im Rahmen seines Forschungsprogrammes „Geothermische Technologien“ im brandenburgischen Groß Schönebeck ein sogenanntes In-situ-Geothermieforschungslabor eingerichtet (Huenges et al. 2009). Das Labor ist weltweit die einzige Einrichtung zur Untersuchung der geothermischen Nutzung sedimentärer Großstrukturen unter natürlichen Bedingungen. Es ermöglicht hydraulische Experimente und Bohrlochmessungen, die Aufschluss über die geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse in der Tiefe geben. Die Experimente liefern 332

Geometrische Beziehung zwischen Stressachsen, tektonischem Regime und Rissflächen. Oben: Zugrisse parallel Hauptspannung; Scherrisse, im Winkel von ~30°. Tektonisches Regime von links nach rechts: „normal, strike-slip, und reverse faulting“, unten Bohrlochpfade, der stabilste Pfad senkrecht zu Kluftflächen, der weniger stabile liegt parallel zu den Kluftflächen abhängig von dem Verhältnis der Vertikalspannung zur maximalen horizontalen Hauptspannung (Inga Moeck in Bruhn et al. 2010).

154

4 Technische Rahmenbedingungen

zudem wertvolle Hinweise auf das Verhalten des Reservoirgesteins bei der Anwendung moderner Erschließungsverfahren wie der hydraulischen Stimulation. Zwei über vier Kilometer tiefe Bohrungen erschließen geothermisch interessante Horizonte des Norddeutschen Beckens in Tiefen zwischen 4.100 und 4.300 Metern bei Temperaturverhältnissen um 150 °C. Bei der bohrtechnischen Erschließung wurden Erfahrungen der Kohlenwasserstoffindustrie genutzt. Die Methoden können jedoch nicht unverändert übernommen werden, da geothermische Anwendungen ein anderes Anforderungsprofil haben. So wurde die Geothermiebohrung Gt GrSk 4/05 mit einem großen Durchmesser gebohrt, um hohe Förderraten aus dem Speicher reibungsarm zu erreichen (Huenges und Moeck 2007). Speicherschädigungen beim Bohren mussten verhindert und neue Lösungen für spezifische Spülungstechnik entwickelt und getestet werden. Eine spezielle Zielsetzung der bohrtechnischen Arbeiten war außerdem der Anschluss maximaler Zuflussflächen aus dem Reservoir durch eine gezielte Ablenkung der Bohrung im Speicherbereich. Dabei wurde untertägige Messtechnik zur Steuerung der Richtbohrtechnik eingesetzt sowie eine Komplettierung installiert, die eine Langlebigkeit in stark korrosiver Umgebung ermöglicht.

4.1.4

Hydraulische Wasserstimulation

Vor dem Niederbringen der zweiten Bohrung und dem Ausbau der Bohrungen zu einer Dublette muss die Gesamtkonzeption des Enhanced Geothermal Systems geklärt sein. Wie an vielen geothermischen Standorten ist auch in Groß Schönebeck im Reservoirbereich die vertikale Spannung nicht die kleinste Hauptspannung. Es war daher davon auszugehen, dass bei künstlicher Rissbildung durch Stimulation vertikale Risse entstehen (siehe Abbildung 15). Das Richtbohren ermöglicht das Design mit einer parallelen oder einer seriellen Ausrichtung der Risse zur Verbindungslinie zwischen den beiden untersten Bohrungsabschnitten auszulegen (Abbildung 16).

Abbildung 16:

333

333

Zielpunkte von Bohrungen im Reservoir

Zielpunkte von Bohrungen im Reservoir und Rissausbreitungen in der Draufsicht. Links serielle und rechts parallele Anordnung. In der Nutzung nimmt der Thermalwasserkreislauf entweder ausschließliche künstliche (links) oder sowohl künstliche als auch natürliche Wege durch das Reservoir (rechts).

4.1 Reservoireigenschaften und Reservoirmanagement

155

Die serielle Option entspricht dabei dem klassischen HotDryRock(HDR)-Ansatz, bei dem der Transport von Flüssigkeiten fast ausschließlich den Weg über künstlich geschaffene Risse nimmt. Bei HDR spielt die Durchlässigkeit in den umliegenden Gesteinen eine untergeordnete Rolle. Das Soultz-sous-Forêts-Projekt ist ein Beispiel für diese Anordnung. Der parallelen Option kommt Bedeutung in Systemen mit natürlicher Durchlässigkeit zu. In diesem Fall erfolgt der Transport des Thermalwassers über bohrlochnahe künstliche Risse in das durchlässige Gestein. Die Geothermiebohrung Gt GrSk 4/05 in Groß Schönebeck wurde erstmalig nach diesem Design ausgelegt. Anschließend wurden hydraulische Stimulationsexperimente mit dem Ziel der kontrollierten Produktivitätssteigerung durchgeführt. Abbildung 17 zeigt den experimentellen Aufbau. Mobile Pumpen auf Lastkraftwagen sorgen für Injektionsraten von 150 l/s bei einem Druck von 600 bar. Tanks stellen die FracFlüssigkeit und die Stützmittel bereit, hier bis zu 100 t/Behandlung.

Abbildung 17:

334

Experimenteller Aufbau in Groß Schönebeck

Die Ergebnisse der in der Bohrung Gt GrSk 4/05 durchgeführten hydraulischen Stimulationsexperimente sind in Abbildung 18 zusammengefasst. Die Eigenschaften der verschiedenen Gesteine in den Bohrlochabschnitten bestimmten das Behandlungsverfahren. Die Vulka334

Experimenteller Aufbau in Groß Schönebeck. Links oben: Verteilerstationen und Verbindungsleitungen, rechts oben: mobile Pumpaggregate, links unten: Tankanlagen für > 1000 m³ Flüssigkeit und rechts unten: Silos für Stützmittel für ca. 100 t.

156

4 Technische Rahmenbedingungen

nite wurden nach einem anderen Konzept behandelt als die darüber liegenden Sandsteine. So genannte Packer trennten die einzelnen Abschnitte hydraulisch, so dass die Experimente einzeln ausgeführt werden konnten. Vulkanitgesteine sind in ihren mechanischen Eigenschaften den Graniten am ähnlichsten, die in Soultz-sous-Forêts erfolgreich mit der Wasserfractechnik stimuliert wurden (Baumgärtner et al. 2010). Nach dieser positiven Erfahrung wurde die Technik auch in Groß Schönebeck eingesetzt.

Abbildung 18:

Hydraulische Stimulationen im Reservoir der Bohrung Groß Schönebeck 4

Es wurden drei Behandlungen von unten nach oben in hydraulisch getrennten Bohrlochbereichen durchgeführt. In Abbildung 18 aufgeführt sind die jeweils eingesetzten maximalen Pumpraten, der dadurch erzielte Maximaldruck am Bohrlochkopf, die Zusammensetzung der Stützmittel und die Fluidbezeichnung und -menge (Zimmermann et al. 2010). Dabei wurde Brunnenwasser mit einer Viskosität von 1 bis 10 cP verwendet. Zur Verhinderung von Eisenreaktionen wurde ein pH-Wert von 5 eingestellt. Es wurde eine Stützmittelkonzentration mit Sand von c = 50 bis 200 g/l genutzt. Die gesamte eingepresste Wassermenge umfasste 13.000 m³. Die Datenanpassung an Modelliersysteme (Zimmermann et al. 2010) zeigt, dass eine Risslänge von ca. xf ≤ 250 m und eine Rissbreite von ca. wf ~ 1 mm generiert wurden (Abbildung 19). Die Kosten lagen dabei deutlich niedriger als die der weiter unten beschriebenen hydraulischen Stützmittelstimulationen. Die Anwendung der Wasserstimulationstechnik ist jedoch auf Lagerstätten mit geringer Durchlässigkeit begrenzt. Der Erfolg der Produktivitätssteigerung ist abhängig von der Selbststützung der Risse nach Druckentlastung. Das ist für Groß Schönebeck noch Gegenstand weiterer Untersuchungen.

4.1 Reservoireigenschaften und Reservoirmanagement

157

335

Abbildung 19:

Bohrung mit künstlichem Riss

4.1.5

Seismische Ereignisse

Wie bereits dargestellt, ist der Einsatz von Stimulationsmaßnahmen in vielen Fällen die Voraussetzung, um geothermische Lagerstätten wirtschaftlich nutzen zu können. Stimulation kann aber den Nebeneffekt haben, dass Mikrobeben auftreten. Diese sind bis zu einem gewissen Grad sogar gewollt, weil die Lokalisierung des Mikrobebens hilft, die Wirkung der Wasserinjektion in der Tiefe geometrisch abzubilden. Moeck et al. (2009) konnten in dem Zusammenhang mit Daten aus Groß Schönebeck zeigen, wie die Bewegungsbahnen von unter Gebirgsspannung stehenden Gesteinseinheiten im stimulierten Speicherbereich rekonstruiert werden können. Allerdings müssen seismische Gefährdungen ausgeschlossen werden, wofür ein grundlegendes Verständnis der induzierten Seismizität erforderlich ist. Major et al. (2007) haben als Mechanismus (1) Scherungen als Folge der Verringerung der effektiven Belastung im deviatorischen Spannungsfeld und (2) die darauf folgende volumetrische Reorganisation im Reservoir identifiziert. Darüber hinaus kann (3) die thermoelastische Belastung an der Rissfläche eine Rolle spielen oder auch die chemische Veränderung der Rissfläche einen Einfluss auf die Reibung haben. Das GFZ verfolgt diese Fragestellungen in dem europäischen Verbundprojekt GEISER (Bruhn et al. 2011). Jeder potentielle Projektstandort erfordert umfangreiche geologische Voruntersuchungen. Ein besonderes Augenmerk verdient das seismische Monitoring, auf dessen Basis eine seismische Gefahrenabschätzung vorgenommen und Szenarien zur Risikominimierung entwickelt werden können. Bereits diese Voruntersuchungen sollten über das Für und Wider eines Projektes entscheiden. In geothermisch begünstigten Gebieten wie dem Oberrheingraben ist das natürliche Risiko seismischer Aktivität generell höher einzustufen als z.B. im Norddeutschen Sedimentbecken, wo kaum seismische Aktivität zu erwarten ist. Es sind vor allem die Größe und die Orientierung des lokalen Spannungsfeldes sowie das Ausmaß und die Ausrichtung der lokalen Klüfte und Störungen im Zusammenhang mit diesem lokalen Stressfeld zu betrachten. Die Bodenbewegung, die von einem seismischen Ereignis einer bestimmten Größenordnung induziert werden kann, hängt nicht nur von der Quelle, sondern auch von den lokalen Bodenverhältnissen ab (Bommer et al. 2001). Bauschäden sind bei einer Magnitude kleiner als 5,0 335

Bohrung mit künstlichem Riss mit Rissweite wf and Risslänge xf als Ergebnis einer Wasserfracstimulation.

158

4 Technische Rahmenbedingungen

(Richter Skala) eher unwahrscheinlich. Menschen nehmen jedoch seismische Ereignisse von geringerer Magnitude wahr. Sie fühlen bereits Bodenbewegungen, die von einem seismischen Ereignis der Magnitude 3 oder auch nur der Magnitude 2 verursacht werden. Das kann zu Beschwerden und Protesten führen und letztlich das gesamte Projekt gefährden. Ein Beispiel dafür ist das Projekt in Basel (Häring et al. 2007), wo Ereignisse mit der Magnitude 3,4 zu einer Vielzahl von Beschwerden und zu einem Stopp des Projekts führten. Der Erkenntnisgewinn für die Technologieentwicklung hinsichtlich der Abbildung des Reservoirs war jedoch groß. Abbildung 20 (links) zeigt die lokalisierten seismischen Ereignisse in dem granitischen Untergrund nach der Stimulationsbehandlung, die den in Abbildung 19 dargestellten Rissgeometrien entsprechen. Die Pumpraten waren sehr viel niedriger eingestellt als bei der Wasserfracbehandlung in Groß Schönebeck. In Groß Schönebeck wurde eine maximale Magnitude von -1 beobachtet (Abbildung 20 rechts). Damit ist eine mehr als 4 Größenordnungen niedrigere Magnitude als bei dem in Basel durchgeführten Experiment induziert worden. Seismische Ereignisse konnten nicht mit Monitoring-Systemen an der Oberfläche beobachtet werden. Nur mit einem in der Tiefe installierten Instrument wurden Daten empfangen. Die geringe Magnitude wird bedingt durch die Eigenschaften der Gesteine, in denen der Riss erzeugt wurde (Vulkanite) sowie der Gesteine, die das Signal weitertransportieren (Sand- und Tonsteine). Dennoch konnten Kwiatec et al. (2010) trotz der geringen Magnitude die seismischen Ereignisse lokalisieren. Die seismisch abgebildete Struktur, ein vertikaler Riss in Richtung der maximalen horizontalen Hauptspannung (Abbildung 20), entspricht den vorangegangenen Betrachtungen aus der Analyse der Wasserstimulationsbehandlung.

Abbildung 20: 336

Relokalisierung seismischer Ereignisse nach massiver Stimulation336

Relokalisierung seismischer Ereignisse nach massiver Stimulation; links Draufsicht Basel nach den Experimenten im Dez. 2006 (Häring et. al. 2007) und rechts nach der massiven Wasserinjektion 2007 in Groß Schönebeck (Kwiatec et al. 2010).

4.1 Reservoireigenschaften und Reservoirmanagement

4.1.6

159

Hydraulische Stützmittelstimulation

Die Erkenntnisse aus den hydraulischen Stützmittelstimulationen in Groß Schönebeck (siehe Details bei Zimmermann et al. 2011) können wie folgt zusammengefasst werden: Als Fracflüssigkeit wurde ein Gel mit einer Viskosität von 100 bis 1.000 cP verwendet. Das Gel, ein vernetztes hochviskoses Polymer, soll die Stützmittel transportieren, ohne dass sie im Bohrloch sedimentieren. Ferner unterstützt das Gel durch seine hohe Viskosität die Rissbildung, ohne dass es in die Gesteinsmatrix weg-diffundiert. Das Gel verliert nach einiger Zeit im Reservoir durch das Einwirken der injizierten Säure oder durch Temperatureinwirkung seine Vernetzung und wird damit niedrigviskos und transportabel. Eine Stützmittelkonzentration von 200 bis 2.000 g/l sorgt für eine nachhaltige Rissweite. Die Behandlung erwirkte eine Risslänge von xf = 50 bis 150 m und eine Rissweite wf = 5 bis 25 mm. Die Behandlung ist für eine Vielzahl von Formationen mit einer großen Varianz an Permeabilitäten geeignet. Die Stimulationsparameter können während der Behandlung gut korreliert werden. Ein durch die Infiltration von Schlämmen geschädigter Bohrlochnahbereich, ein so genannter Skin, kann durch die erzeugten Risse umgangen werden.

337

Abbildung 21:

Bohrung mit künstlichem Riss

4.1.7

Produktivitätsbestimmung auf Basis hydraulischer Teste

Viele verschiedene Arten von Produktivitätsteste können durchgeführt werden, und die Wahl hängt ganz von den Informationen ab, die gesucht werden. Die Ziele bestimmen die Art des Tests. Die allgemeinen Ziele sind wie folgt:   337

Untersuchung der bestehenden Kluftsysteme, Mechanische Beurteilung der durch hydraulische Stimulation erzeugten Risse, Bohrung mit künstlichem Riss mit Rissweite wf and Risslänge xf als Ergebnis einer Stützmittelstimulation. Schwarze Punkte sollen Stützmittel wiedergeben, die Schattierung um die Bohrung soll eine Speicherschädigung, der s.g. Skin, darstellen.

160  

4 Technische Rahmenbedingungen Untersuchung der Transporteigenschaften durch die Gesteinsmatrix und Bestimmung der Reservoirgeometrie.

Eine Methode ist, durch Gaslift mit Hilfe von inerten Gasen eine Absenkung der Flüssigkeitssäule in der Bohrung und in der Bohrlochsohle einen Zufluss zu generieren. Die Messung des Absenkdruckes und der Fließrate bilden eine primäre Methode zur Bestimmung der Produktivität (PI). Eine Unsicherheit in der Analyse folgt aus der Herausforderung, eine stabile Flussrate über einen langen Zeitraum zu generieren. Weiterhin können aus der Druckaufbauentwicklung nach einer Absenkung Informationen über Reservoireigenschaften und auch Effekte des Bohrlochnahbereichs bestimmt werden. Interferenz-Tests zwischen zwei Bohrungen dienen zur Bestimmung der Transmissibilität der Formation in dem Intervall zwischen den Bohrungen. In der einen Bohrung wird eine Druckänderung generiert, deren Antwort in der anderen Bohrung zu dieser Bestimmung der Wegsamkeit führt. Es bleibt noch anzuführen, dass Tracertechniken weit verbreitet in geothermischen Anwendungen sind, um hydraulische Verbindungen zu überprüfen und allgemeine Reservoirprozesse zu untersuchen. Diese und weitere Messmethoden können unter anderem bei Schulte et al. (2010) nachgelesen werden.

4.1.8

Installation der Unterwasserpumpe

Unter typischen geologischen Bedingungen reagieren EGS-Reservoire nicht artesisch. Das bedeutet, dass Fördersysteme installiert werden müssen, um das Thermalwasser zu Tage zu bringen. Bei der Auslegung von EGS-Anlagen sind die Zuverlässigkeit der Flüssigkeitsförderung und die dafür eingesetzte Hilfsenergie entscheidende Aspekte. Üblicherweise verwendet man in EGS-Anlagen Pumpen, die im Bohrloch unterhalb des Flüssigkeitsspiegels installiert werden. Die wichtigsten Aspekte der Bohrloch-Pumpen werden hier kurz angesprochen. Weitere Informationen zu Untertagepumpen sind unter anderem bei Saadat et al. (2010) wiedergegeben. Je nach Art des Antriebs unterscheidet man s.g. „Lineshaft“-Pumpen oder elektrische Tauchpumpen. „Lineshaft“-Pumpen werden von einer Welle an einem Obertage angeordnetem elektrischen Motor angetrieben. Damit schränkt sich ihre Anwendung auf vertikale Bohrlöcher und Einbautiefen bis zu 600 m. Im Gegensatz zu „Lineshaft“-Pumpen werden elektrische Tauchpumpen durch einen elektrischen Motor untertage angetrieben (Abbildung 22). Diese können bis große Tiefen eingesetzt werden. Die physikalische Lebensdauer der geothermischen Bohrloch-Pumpen ist jedoch in der Regel auf mehrere Jahre begrenzt. Je nach Standort und Betriebsbedingungen in der Produktion kann die Lebensdauer beeinträchtigt werden. Es muss hier berücksichtigt werden, dass eine Neuinstallation einer Bohrlochpumpe beträchtliche Zeit und hohe Kosten in Anspruch nehmen kann. Ein Hauptaspekt des Aufbaus und Betriebs von Untertagepumpen muss daher die Maximierung der physikalischen Lebensdauer der Pumpen unter den gegebenen Umständen sein. Aspekte von Korrosion, Ausfällung und der thermischen Ausdehnung der Komponenten werden hier einkalkuliert. Insbesondere muss die Wirkung der hohen Temperatur der geothermischen Flüssigkeit berücksichtigt werden. Das heißt, die Kühlung des Motors muss im Strom der heißen geothermischen Flüssigkeit gewährleistet sein, ohne dass eine Überhitzung des Motors eintritt.

4.1 Reservoireigenschaften und Reservoirmanagement

Abbildung 22:

161

338

Schema einer elektrischen Tauchpumpe

Weiterhin ist die Aggressivität der produzierten Flüssigkeit ein mögliches Problem, beispielsweise für Dichtungen. Unbeabsichtigte Entgasung der geothermischen Flüssigkeit in der Pumpe durch potenzielle lokale Druckverluste kann zu materieller Belastung und zu Materialversagen führen. Andere Fördertechnologien existieren aber derzeit mit weniger Relevanz für EGS. Gaslift mit Hilfe von inerten Gasen, wie weiter oben kurz angerissen, bietet sich aufgrund der hohen Kosten nicht als eine Lösung für eine kontinuierliche Flüssigkeitsförderung an.

4.1.9

Betrieb und Monitoring

Korrosion der Systemkomponenten in einer Geothermieanlage und chemische Ausfällungen in den Rohren sind die beiden Risiken, die die Betriebssicherheit der Anlagen stark beeinträchtigen können. Korrosion: Korrosion ist die Zerstörung eines Materials durch chemische Reaktionen mit seiner Umgebung (Gas oder Flüssigkeit), beispielsweise durch Umsetzung mit Wasser und 338

Saadat et al. 2010.

162

4 Technische Rahmenbedingungen

Sauerstoff. Korrosion tritt unter einer Vielzahl von Bedingungen auf. Es existieren zwei grundlegende Mechanismen: elektrochemische Korrosion und Oxidation. In Gegenwart von Sauerstoff entstehen dünne Filme aus Oxid auf der Oberfläche von Stahl oder Eisen. Solch eine Zunahme der Dicke mit zunehmender Korrosion kann sehr lokal konzentriert sein, oder es kann sich flächendeckend ausbreiten und eine allgemeine Verschlechterung der Materialeigenschaften verursachen. Diese flächendeckende Korrosion, die mit einer gleichmäßigen Verdünnung des Metalls einhergeht, ist die häufigste Form. Sie kann aber relativ leicht mit einer geeigneten Auslegung der Anlage kontrolliert werden. Dagegen ist die Risskorrosion schwieriger zu kontrollieren, weil sie eine Reihe von Ursachen haben kann. Risskorrosion tritt an Diskontinuitäten der Materialien, beispielsweise an den Löchern, Gelenken und Rohrbögen auf. Wenn zwei unterschiedliche Metalle miteinander verbunden werden, tritt Kontaktkorrosion (galvanische Korrosion) auf. Lochfraß beschreibt eine lokale Korrosion, die bei Schädigung einer schützenden Beschichtung eintreten kann. Schließlich kann eine mechanische Beanspruchung zusammen mit lokaler elektrochemischer Korrosion eine sehr schnelle Rissbildung in den salinaren Wässern verursachen. Aufgrund der heterogenen und oft aggressiven Zusammensetzung der geothermischen Fluide ist Korrosion in den Rohrleitungen des geothermischen Kreislaufsystems wahrscheinlich. Daher ist die Kenntnis der Fluidchemie unverzichtbar, um die Auslegung des geothermischen Fluidkreislaufes entsprechend anzupassen. Verwendete Materialien sollten nach separaten Korrosionstests mit dem Fluid ausgewählt werden. Darüber hinaus ist eine in-situ-Überwachung von Korrosion zu empfehlen.

Abbildung 23:

Korrosion an einer Pumpe und an der Verrohrung

Ausfällungen: Das so genannte „Scaling“ charakterisiert die Bildung einer festen Schicht, die als das Produkt einer Redoxreaktion oder als Folge von Übersättigung der Lösung mit Salz entstehen kann. Die Übersättigung hängt von der Zusammensetzung der chemischen Verbindungen als auch vom pH-Wert, der Strömungsdynamik, der Temperatur und dem Druck in der Lösung ab. In natürlichen Systemen laufen die Ausfällungsprozesse oft langsam ab. Es ist auch möglich, dass die Ausfällung aus einer übersättigten Lösung deswegen nicht

4.1 Reservoireigenschaften und Reservoirmanagement

163

beobachtet wird. Jedoch kann die Anwesenheit von festen Oberflächen oder Mikroorganismen starke Fällungsreaktionen katalysieren. Innerhalb der Rohre des Thermalwasserkreislaufes kann Scaling zu einer Verstopfung der Rohre führen. Ferner beeinflussen Schichtbildungen auf den Oberflächen einer Wärmetauscherfläche den Wärmeübergang. Ein weiterer Effekt ist die Bildung kleiner (kolloidaler) Teilchen, die in der Flüssigkeit schweben. Diese können dann über große Entfernungen in dem Bohrloch sowie in dem Fluidkreislauf transportiert werden und sich irgendwo im System sammeln. Dadurch werden Verstopfung oder Interaktion mit dem Rohrmaterial (Korrosion) bewirkt (Abbildung 24).

Abbildung 24:

Bleiausfällung in der Nähe einer Pumpe in der Anlage Groß Schönebeck

Die Art des Scalings hängt hauptsächlich von der Zusammensetzung des Fluids ab. In kohlensäurehaltigen Lösungen stellt die Bildung von Carbonaten, insbesondere CaCO3 (Calcit, Aragonit) und FeCO3 (Siderit) ein großes Problem dar, während in Sulfat-reichen Gewässern Gips (CaSO4) und Schwerspat (BaSO4) die häufigsten Ausfällungen bilden. In hohem siliziumreichen Gewässer können sich amorphe Silikatausfällungen bilden. Wegen der geringen Löslichkeit dieser Materialien ist die Entfernung von Silikatausfällungen ein sehr aufwändiger Prozess. Bei Anwesenheit von Schwefelwasserstoff in Lösung können Galenit (PbS), Zinkblende (ZnS) oder verschiedene Kupfer- und Eisensulfide ausgefällt werden. Dieses Scaling wird häufig direkt in der Förderpumpe beobachtet, da sich in diesem Bereich die Redox-Bedingungen vor Ort stark unterscheiden. Folglich fallen Metalle als Sulfide oder sogar in ihrer elementaren – nativen – Form aus.

4.1.10

Zusammenfassung

Ein verlässlicher Betrieb einer geothermischen Anlage (Abbildung 25) erfordert die Kontrolle der im Untergrund bzw. im geothermischen Reservoir ablaufenden Prozesse. Ein nachhaltiges Reservoirmanagement benötigt genaue Kenntnisse der Reservoireigenschaften und da-

164

4 Technische Rahmenbedingungen

bei insbesondere der Durchlässigkeit der Gesteine sowie eine umfassende physikalischchemischen Flüssigkeitscharakterisierung. Für einen nachhaltigen Betrieb ist der Abstand der Bohrungen im Reservoirbereich zu optimieren. Ein zu kleiner Abstand kann im Betrieb zu früh zu einem hydraulisch-thermischen Durchbruch führen. Ein zu großer Abstand schlägt sich in den Betriebskosten durch höhere Pumpenergie als Hilfsenergie nieder. Das ist abzuwägen. Prozesse wie Korrosion und Scaling finden statt, aber sie müssen durch Auslegung der Anlage wirkungsarm bleiben und mit einem betriebsbegleitenden Monitoring kontrolliert werden.

Abbildung 25:

339

Geothermisches System

Bei EGS kommt dem mechanische Reservoireigenschaften eine besondere Bedeutung zu, da diese Parameter die Stimulationstechnologien beeinflussen. Nicht zuletzt ist zu beachten, jegliche Umweltauswirkungen klein zu halten. Zur Vermeidung von größeren seismischen Ereignissen bieten sich so genannte Ampelsysteme an, die zu einem Betriebsstopp führen, falls gegebene Schwellwerte überschritten werden. Da Tiefengesteine eine natürliche Radioaktivität besitzen, kann es dazu kommen, dass radioaktive Komponenten in den Filteranlagen auftauchen. Dieses Material muss dann entsorgt werden oder man muss Sorge tragen, dass es in dem Kreislauf verbleibt und wieder zurückgeführt wird.

339

Geothermisches System, hier mit Übertageaufbauten zur Stromerzeugung mit einer Binäranlage.

4.2 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen

4.2

165

Techniksysteme und Entwicklungstendenzen DIPL.-ING. SEBASTIAN JANCZIK, DR.-ING. NILS KOCK, PROF. DR.-ING. MARTIN KALTSCHMITT

4.2.1

Einleitung

Ausgehend von den bisherigen Ausführungen ist es das Ziel dieses Kapitels, Verfahren und Techniken zur Nutzbarmachung geothermischer Reservoire für eine Wärme- bzw. eine kombinierte Strom- und Wärmebereitstellung zu diskutieren. Es wird dabei zwischen den Untertage- und Übertagekomponenten unterschieden. Zusätzlich werden entsprechende Entwicklungstendenzen aufgezeigt.

4.2.2

Untertägige Komponenten

Die untertägigen Komponenten gliedern sich in die zur Erschließung der Lagerstätte notwendige Bohrtechnik und die Techniken zur Verrohrung und Komplettierung der Bohrung.

4.2.2.1

Bohrtechnik

Die Bohrtechnik beinhaltet alle Komponenten, die an der Erschließung der Lagerstätte beteiligt sind. Deshalb erfolgt zunächst ein Überblick über die Tiefbohranlage und die zugehörigen Komponenten und anschließend eine detaillierte Beschreibung von Bohrstrang, Bohrwerkzeug, Meißeldirektantrieb und Bohrspülung. Tiefbohranlage. Die zur Erschließung geothermischer Lagerstätten eingesetzte Anlagentechnik gleicht, von wenigen Ausnahmen abgesehen (z.B. niedriger Gebirgsdruck, hohe Bohrlochtemperaturen, eventuell mineralhaltige und aggressive Dämpfe), den Komponenten, die auch zur Erschließung von Erdöl- und Erdgasvorkommen zur Anwendung kommen. Diese werden nachfolgend kurz diskutiert. Der Aufschluss der Lagerstätte erfolgt im Regelfall mit dem Rotary-Bohrverfahren (Abbildung 26). Dabei erfährt der Bohrmeißel, der sich am Ende eines Bohrgestänges befindet, eine kontinuierliche Drehbewegung, die durch den Drehtisch über die sogenannte Kellystange in den Bohrstrang eingebracht wird. Weitere Möglichkeiten, den Bohrmeißel anzutreiben, sind der Topdrive und der Bohrlochsohleantrieb; bei erster Möglichkeit erfolgt die Übertragung der Drehbewegung am Ende des Bohrstrangs (d.h. Übertage) und bei letzterer Option kurz nach dem Meißel nahe dem Bohrlochtiefsten. Der Bohrstrang kann aufgrund seines modularen Aufbaus beliebig verlängert werden. Der für den Bohrfortschritt erforderliche Anpressdruck des Bohrmeißels wird primär durch die über dem Bohrwerkzeug angeordneten Schwerstangen erzeugt. Zur Kühlung des Bohrgeräts und zum Abtransport des Bohrkleins aus dem Bohrlochtiefsten wird ein Spülstrom mit Bohrspülung aufrechterhalten. Dieser wird im Bohrgestänge nach unten gepresst und beladen mit Bohrklein im Ringraum der Bohrung wieder zutage gefördert.340 340

Kaltschmitt, M.; Streicher, W.; Wiese, A. (Hrsg.): Erneuerbare Energien, Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte. 5. Auflage. Springer Berlin 2013.

166

4 Technische Rahmenbedingungen

Abbildung 26:

341

Aufbau Rotary Bohranlage

Die Auslegung einer Standard-Tiefbohranlage erfolgt im Wesentlichen anhand der geplanten Endteufe und des Bohrlochenddurchmessers. Dieser im Trägergestein zu erreichende Bohrlochdurchmesser wird i. Allg. in Hinblick auf die erwartete Förderrate unter ökonomischen Aspekten festgelegt (d.h. geringe Durchmesser schränken die Förderrate und damit die erreichbare thermische Leistung der Anlage ein, große Durchmesser sind kostenintensiv). Nach Fertigstellung der Bohrung, Komplettierung und Umrüstung auf den Förderbetrieb wird die Anlage zu einer anderen Lokation transportiert. Die Bestandteile einer Tiefbohranlage lassen sich in folgende Komponenten gliedern und werden der Reihe nach diskutiert:         341

Bohrplatz, Bohrmast, Hebesystem, Pipehandling-System, Drehtisch, Topdrive (Kraftdrehkopf), Spülungskreislauf und Spülungspumpen und Blow-Out-Preventer. Siehe Ebenda.

4.2 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen

167

Bohrplatz. Ist die Bohrlokation festgelegt, wird der Anschluss an die vorhandene Infrastruktur (u.a. Zufahrtswege, Versorgungsleitungen für Energie und Wasser) sichergestellt. Die Bohrplatzgröße umfasst meist eine standardisierte Fläche, die abhängig ist von Bohrtiefe und der Auslegung der Bohranlage. Der Untergrund dieser Fläche muss durch Aushub und Aufschüttung einer etwa 30 cm mächtigen Kiesschicht vorbereitet werden, wovon der innere Bereich (d.h. Fundamentbereich der Bohranlage einschließlich des gefährdeten Bereichs für Kontamination mit Treibstoffen, Ölen, Spülung, Lagerstättenwässer) zusätzlich mit Beton oder Bitumen versiegelt wird, um ein mögliches Eindringen kontaminierter Fluide in den Untergrund sicher zu verhindern342. Bohrmast. Der Bohrmast ist auf einem Unterbau angeordnet, dessen Höhe (12 bis 14 m) sich nach dem Blow Out Preventer richtet. Der Bohrmast dient u.a. dazu, den Bohrstrang im Verlauf der Bohrung zu fixieren und bei einem Meißelaustausch zu „ziehen“. Heute werden Masthöhen von bis zu 40 m bevorzugt, da diese es erlauben, bei einem Roundtrip (d.h. Ausbau des Bohrgestänges, Austausch den Bohrmeißels, erneuter Einbau des Gestänges) drei Bohrstangen mit je 9 m Länge in einem Stück zu „ziehen“, zu entschrauben und im Turm abzustellen; dies reduziert die für das Ein- und Ausbauen der Rohrtouren benötigte Zeit343. Hebesystem. Das Hebesystem einer Tiefbohranlage besteht aus Hebewerk, Kronenblock, Flaschenzug und dem Bohrhaken. Die Leistung des Hebesystemantriebes steigt mit zunehmender Teufe, da die Dimensionierung dieser Systemkomponente in Bezug auf die zu hebenden Lasten anhand der schwersten Verrohrungstour erfolgt. Pipehandling-System. Mit dem Pipehandling-System kann der Bohrstrang beim Meißelwechsel teil- oder vollmechanisiert ein- bzw. ausgebaut werden. Das Ent- und Verschrauben der einzelnen Bohrstangen übernehmen dabei entsprechende Manipulatoren, die das damit betraute Personal von schwerer körperlicher Arbeit entlasten344. Drehtisch. Der Drehtisch überträgt die Drehbewegung auf den Bohrstrang und ermöglicht es gleichzeitig, dass der Bohrstrang dem Bohrfortschritt folgen kann (d.h. der Bohrstrang muss sich trotz der Übertragung einer Drehbewegung vertikal bewegen können). Realisiert wird diese formschlüssige Übertragung der Drehbewegung auf den Bohrstrang unter gleichzeitiger Ermöglichung eines vertikalen Vortriebs – und damit eines Bohrfortschritts – durch die Kellystange (d.h. Vier- oder Sechskantstange), welche die Verbindung zwischen Bohrstrang und Drehtisch darstellt. Ein maximaler Bohrfortschritt ohne Veränderung am Bohrstrang ist begrenzt auf die Länge der Kellystange, die üblicherweise bei maximal 12 m liegt. Zur Absorption von Meißelstößen im kristallinen Grundgebirge und der Dämpfung von Relativbewegungen zwischen Antrieb und Drehtisch kommt meist eine Flüssigkeitskupplung zum Einsatz. Zudem müssen beim Bohren die Zahnräder, Ketten, Wellen und Kupplungen auf hohe Belastungen durch starke Stöße und Drehmomentschwankungen ausgelegt sein345. Topdrive-System (Kraftdrehkopf). Das Topdrive-System stellt eine Alternative zum Drehtisch mit Kellystange dar. Unter einem Topdrive wird ein elektrisch oder hydraulisch betrie342

Siehe Ebenda. Siehe Ebenda. 344 Siehe Ebenda. 345 Siehe Ebenda. 343

168

4 Technische Rahmenbedingungen

bener Motor verstanden, der in Kombination mit dem Bohrhaken an einer Lafette im Bohrmast montiert ist. Durch die Verbindung mit dem oberen Ende des Bohrstranges wird es möglich, die Drehbewegung des Bohrstranges und die Vertikalbewegung über die gesamte Fahrhöhe der Lafette zu kombinieren. Dies erlaubt ein deutlich verbessertes bohrtechnisches Vorgehen insbesondere bei gebirgsbedingten Schwierigkeiten im Bohrloch. Die Länge einer Lafette umfasst üblicherweise 3 Bohrstangen (etwa 30 m); d.h. es können rund 30 m – was einer konventionellen Bohrmastlänge entspricht – gebohrt werden, ohne dass eine Veränderung am Bohrstrang vorgenommen werden muss. Gegenüber „klassischen“ Anlagen mit Drehtisch können durch den Topdrive die Rüstzeiten dadurch deutlich verkürzt werden; dies ist i. Allg. mit einer Kostenreduktion verbunden346. Spülungskreislauf und Spülungspumpen. Die Bohrspülung wird durch die Spülungspumpen über die Steigleitung und den Rotaryschlauch durch den Spülkopf in den als Hohlbohrstange ausgelegten Bohrstrang gedrückt, darin zur Bohrlochsohle gefördert und durch Düsen am Bohrmeißel – und damit im Bohrlochtiefsten – mit Spülungsgeschwindigkeiten von 20 bis 40 m/s ausgespritzt (Abbildung 27). Dort kühlt und schmiert sie das Bohrwerkzeug unter gleichzeitigem Austrag des Bohrkleins. Anschließend steigt sie mit dem Bohrklein beladen im Ringraum auf und tritt über Tage drucklos aus dem Bohrloch aus. Vor der Konditionierung und der erneuten Verpressung in den Bohrstrang wird das Bohrklein durch Siebe, Desander, Desilter, Zyklone u.ä. aus der Spülung entfernt.

Abbildung 27:

346

Spülungskreislauf (Quelle: Kaltschmitt, M; Streicher, W.; Wiese, A. (Hrsg): Erneuerbare Energien, Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte. 5. Auflage. Springer Berlin 2013.)

Siehe Ebenda.

4.2 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen

169

Der notwendige Pumpendruck, mit der die Spülen in den Bohrstrang verpresst wird, variiert in Abhängigkeit von Durchmesser und Tiefe der Bohrung, dem Bohrkleinmaterial und den im Kreislauf auftretenden Druckverlusten. Hohe Leistungen werden den Pumpen besonders bei einem großen Durchmesser der Bohrung und hohen Spülungstemperaturen abverlangt, da dann hohe Volumenströme benötigt werden, damit die Temperatur begrenzt werden kann, da viele Spülungen bei höheren Temperaturen die gewünschten Eigenschaften verlieren347. Blow Out Preventer. Der Blow Out Preventer (BOP) ist die wichtigste Sicherheitseinrichtung, die ein unkontrolliertes Austreten von Lagerstätteninhalt unter hohem Druck sicher verhindern soll. Der Blow Out Preventer ist in Deutschland bergbehördlich für Bohrlöcher tiefer als 100 m zwingend vorgeschrieben und stellt den Abschluss der untertägigen Einrichtungen dar. Er wird als Ring- und Backenpreventer ausgeführt und besteht aus mindestens drei unabhängigen Schließorganen, wodurch das Bohrloch in jeder Betriebsphase sicher abgesperrt werden kann. Bohrstrang. Die Teilkomponenten Mitnehmerstange (beim Rotarybohren), Bohrgestänge, Schwerstangen und weiteren Bohrstrangelementen wie Stabilisatoren, Stoßdämpfern, Schlagschere werden als Bohrstrang zusammengefasst348. Bohrgestänge. Das Bohrgestänge besteht aus ca. 9 m langen miteinander verschraubten Stahlrohren, die mit dem Bohrfortschritt jeweils zwischen der Mitnehmerstange und der obersten Bohrstange nachgesetzt werden. Im unteren Teil des Bohrstrangsystems sind besonders dickwandige Schwerestangen angeordnet. Sie geben dem Meißel eine definierte Auflast und halten den Bohrstrang in Zugspannung. Die Stabilisatoren und Räumer, die in den Bohrstrang integriert werden, sichern die Richtungsstabilität des Bohrstranges. Die Stoßdämpfer dienen dabei zur Dämpfung von Schlägen auf die Bohrstange. Die Schlagschere soll helfen, einen eventuell festgesetzten Schwerstangenstrang zu lösen. Stoßdämpfer und Schlagschere müssen auf die Temperaturen der Geothermalbohrung angepasst werden349. Bohrwerkzeug. Als Bohrwerkzeuge kommen Rollenmeißel und Diamantmeißel zum Einsatz. Sie müssen stets optimal auf die Gesteinsbeschaffenheit, die Bohrlochsohlentemperatur und die sonstigen beeinflussenden Faktoren angepasst werden. Da bei Bohrwerkzeugwechsel der gesamte Bohrstrang aus- und wieder eingebaut werden muss, haben die Standzeiten des Bohrmeißels einen starken Einfluss auf die Kosten. Rollenmeißel werden meist als Drei-Kegel-Rollenmeißel mit gehärteten Stahlzähnen oder Warzenmeißel mit Wolframkarbideinsätzen ausgeführt. Die Kegelrollen laufen während der Drehung des Bohrstranges selbständig auf der Bohrlochsohle ab. Dadurch werden Druckund Scherkräfte im Gebirge wirksam und dadurch brechen Gesteinsteilchen aus dem Verband heraus. Der Einsatz der Rollenmeißel ist aber bis in einen Temperaturbereich von 200 bis 250 °C begrenzt; höhere Temperaturen bewirken einen schnellen Verschleiß der Lager und der Stahlzähne bzw. der Wolframkarbideinsätze. Die Schmierung der Rollen- und Ku-

347

Siehe Ebenda. Siehe Ebenda. 349 Siehe Ebenda. 348

170

4 Technische Rahmenbedingungen

gellager der Kegelrollen erfolgt durch die direkt durchtretende Spülung. Alternativ dazu können sie auch in gekapselter Form zwangsgeschmiert werden. Diamantbohrwerkzeuge halten Temperatur von bis zu 500 C stand. Sie zeigen i. Allg. längere Standzeiten im Vergleich zu Rollenmeißeln. Die Anpassung an die zu bohrende Formation erfolgt durch die Form der Diamantmeißel, die Anordnung und den Querschnitt der Wasserwege, den Überstand der Diamanten (Exposure) sowie die Qualität und Größe der Diamanten. Der höhere Preis von Diamantmeißeln im Vergleich zu Rollenmeißeln steht höhere Drehzahlen und der Einsparung von Roundtrips (d.h. Meißelwechsel einschließlich dem vollständigen Aus- und Einbau des Bohrgestänges) gegenüber; dies gilt insbesondere bei zunehmenden Teufen, da dann die Kosten für Roundtrips deutlich zunehmen350. Bei Temperaturen bis 700 °C und in weichen bis mittelharten Gesteinen können polykristalline Diamantmeißel (PCD-Meißel) eingesetzt werden. Diese Meißel bestehen aus qualitativ hochwertigen synthetischen Diamantplättchen, die auf Hartmetallzylinder angebracht werden. Meißeldirektantriebe. Neben dem „klassischen“ Rotary-Antrieb mit Kelly und Drehtisch kann die Meißeldrehbewegung auch durch einen Meißeldirektantrieb realisiert werden, der in unmittelbarer Nähe des Bohrmeißels angebracht ist und i. Allg. mithilfe der Bohrspülung betrieben wird. Dadurch kann der gesamte Bohrstrang in Ruhe verbleiben (d.h. wesentlicher Unterschied zu dem Rotary-Bohrverfahren) mit der Folge, dass die Reibungsverluste zwischen Gebirge und Bohrstrang deutlich reduziert werden und ein gerichtetes Bohren ermöglicht wird. Derartige Meißeldirektantriebe werden als Bohrturbinen und Verdrängermotoren realisiert. Der Einsatz von Verdrängermotoren überwiegt derzeit den der Bohrturbine, da sich die Drehzahl/Drehmomentcharakteristik (niedrige Drehzahl/hohes Drehmoment) besser für den Betrieb der klassischen Bohrmeißel eignet. Beide Varianten werden nachfolgend kurz diskutiert351. Bohrturbinen. In einer Bohrturbine sind mehrere Stufen von Leit- und Laufrädern hintereinander geschaltet. Die Leiträder sind am Turbinengehäuse fixiert, während Laufräder durch die hindurchtretende Spülung bewegt werden und über eine Welle das Drehmoment auf das Bohrwerkzeug übertragen (Abbildung 28). Da i. Allg. beim Einsatz von Bohrturbinen hohe Drehzahlen vorliegen, kommen bevorzugt Diamantmeißel zum Einsatz. Verdrängermotoren. Verdrängermotoren arbeiten nach dem Moineau-Pumpenprinzip (Abbildung 28). Das Drehmoment an der Antriebswelle wird durch das zwischen Ein- und Ausgangsseite des Motors vorliegende Druckgefälle erzeugt. Die Bohrspülung wird durch die zwischen Rotor und Stator gebildeten Kammern gedrängt, was ein spiralförmiger Vollstahlrotor in elliptischen Bahnen in einem mit Kunststoff ausgekleideten Motorgehäuse mit spiralförmigen Vertiefungen bewegt. Die gegenüber dem Turbinenantrieb eher moderaten Drehzahlen sind für alle Meißelarten geeignet. Trotz der relativ niedrigen Drehzahlen werden vergleichsweise hohe Drehmomente erzeugt, die über den Spülungsstrom gesteuert werden können. Der Stator ist unempfindlich gegen Verschmutzungen. Bis zu Temperaturen von 140 °C kann der Stator aus Gummi gefertigt werden; für höhere Temperaturen wird er aus Keramik oder Porzellan hergestellt352. 350

Siehe Ebenda. Siehe Ebenda. 352 Siehe Ebenda. 351

4.2 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen

Abbildung 28:

171

Meißeldirektantriebe (links Bohrturbine, rechts Verdrängermotor) (Quelle: Kaltschmitt, M; Streicher, W.; Wiese, A. (Hrsg): Erneuerbare Energien, Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte. 5. Auflage. Springer Berlin 2013.)

Bohrspülungen. Die Aufgaben der Bohrspülung können wie folgt zusammengefasst werden:      

Kühlung und Schmierung von Bohrwerkzeug und Bohrstrang, Reinigung der Bohrlochsohle und Abtransport des Bohrkleins zur Oberfläche mit Ringraumgeschwindigkeiten von 0,6 bis 1,0 m/s, thixotropes Verhalten, um im Ruhezustand (z.B. bei einem Roundtrip) ein Absinken des Bohrkleins sicher zu verhindern, Minimierung von Spülungsverlusten durch Abdichtung bzw. Abstützung von nicht standfesten Gesteinen durch Bildung eines Filterkuchens an der Bohrlochwand, hydraulische oder pneumatische Kraftübertragung bei Meißeldirektantrieb und Beherrschung des Lagerstättendrucks durch den hydrostatischen Druck der Spülungssäule.

Bei Temperaturen bis 150 °C wird i. Allg. eine Tonspülung als selbstgehende Ton-Süßwasserspülung infolge des Durchteufens tonhaltiger Formationen oder als Bentonit-WasserSuspension eingesetzt. Um den Sauerstoffeintrag in die Spülung zu verringern und zur Verminderung der Korrosion werden Wärmeübertrager genutzt. Um Spülungsverluste in zerklüfteten Horizonten zu verhindern, werden je nach Ausmaß Quellstoffe (z.B. zermahlene Nussschalen, Cellophane, Baumwolle, Holzspäne, Torf) beigegeben. Sollten diese Additive die absorbierenden Schichten nicht schließen, wird eine Zementation im Niveau der undichten Formation notwendig. Bei sehr stark zerklüfteten Schichten, bei denen die genannten Maßnahmen nicht mehr wirtschaftlich vertretbar sind, muss

172

4 Technische Rahmenbedingungen

ohne zurückkehrende Spülung gebohrt werden. Dabei wird, solange die niedrige Viskosität und Dichte ausreichen, Wasser eingesetzt; ansonsten muss bis zum Zielhorizont eine kostenintensive Tonspülung und im Zielhorizont eine säurebare (d.h. mit Marmormehl versetzte) Spülung verwendet werden. Beim Einsatz von Bohrspülungen auf Basis von Bentonit-Wasser-Suspension kommt es beim Durchteufen von elektrolytabgebenden Formationen (Gips, Salz) und insbesondere bei steigenden Temperaturen zu einem instabilen Zustand (d.h. Ausflockung des Bentonits und damit die Trennung der Spülung in eine flüssige und in eine feste Phase). Um einer solchen Ausflockung entgegenzuwirken und zusätzlich die Fließeigenschaften und den Wasserverlust günstig zu beeinflussen, werden als Additive Schutzkolloide wie z.B. Stärke und Stärkederivate, Celluloseäther (z.B. Carboxymethylcellulose (CMC), Carboxymethylhydroxyethylcellulose (CMHEC), Biopolymere, Acrylat/Acrylamid-Polymere, Vinylsulfonat/VinylamidPolymere) beigemischt. Beispielsweise haben Stärke und Stärkederivate eine stabilisierende Wirkung bis ca. 120 °C; danach werden sie wirkungslos. CMC und CMHEC werden demgegenüber erst bei Temperaturen von 140 bis 160 °C wirksam. Zur Senkung der Spülungstemperatur und um ein damit verbundenes Vergelen der Spülungen im Temperaturbereich über 150 °C zu verhindern, können obertägige Kühltürme oder andere Kühlaggregate installiert werden. Bei hohen Bohrlochtemperaturen und elektrolytabgebenden Formationen werden auch Sepiolith- und Attapulgit-Spülungen eingesetzt. Dabei handelt es sich um nicht quellfähige Salzwassertone, die bei hohen Temperaturen nicht ausflocken. Dann sind jedoch teure, hochleistungsfähige Ausrüstungen erforderlich, um eine genügende Viskosität und Feststoffkontrolle zu erhalten353. Eine Alternative gegenüber den wasserbasierten Spülungen ist der Einsatz von Öl- oder Formiatspülungen. Ölspülungen können die wasserführenden Schichten stark verunreinigen und auch die Produktivität der Lagerstätte einschränken; daher ist deren Einsatz mit umfangreichen Umweltauflagen verbunden. Der Vorteil der Ölspülungen ist, dass sie Temperaturen von bis zu 250 C widerstehen und stabiler als wasserbasische Suspensionen sind. Formiatspülungen weisen bereits ohne Beschwerungsmittel hohe Dichten auf und können – soweit notwendig – im Zielhorizont eingesetzt werden.

4.2.2.2

Verrohrung und Komplettierung

Die Stabilität eines Bohrlochs wird durch die Verrohrung (d.h. das Setzen von Futterrohren (Casings) mit anschließender Zementation; Abbildung 29) und die Komplettierung bestimmt. Die Verrohrung wird in einzelnen Abschnitten schon während der Herstellung des Bohrlochs eingebracht und bestimmt die technische Lebensdauer einer Bohrung. Sie stützt die Bohrlochwand, dichtet das Bohrloch gegen flüssigkeitsführende Schichten ab, verhindert Gesteinsnachfall und bietet später die Möglichkeit, technische Hilfsgeräte für die Förderung einfacher einzubauen. Die genormten Casingrohre sind von 4½" bis 20" Außendurchmesser verfügbar. Der gewünschte Enddurchmesser einer Bohrung bestimmt die Durchmesser der einzelnen einzubauenden Rohrtouren. 353

Siehe Ebenda.

4.2 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen

173

Das Standrohr als die erste einzubringende Rohrtour wird bis zu 30 m tief eingebaut und hat die Aufgabe, den oberen Teil des Bohrlochs zu stabilisieren. Die daran anschließende Leitrohr- oder Ankerrohrtour dient als Befestigung für die Sondenkopfarmaturen. Die Verrohrung schließt mit der technischen Rohrtour ab, mit der Porenräume mit unterschiedlichen fluiden Medien voneinander getrennt werden. Ggf. kann zur Vervollständigung bis zur Endteufe eine Zwischenrohrtour eingebracht werden. Um die Verrohrung fest mit dem Gebirge zu verbinden, wird zwischen der Bohrlochwand und der Verrohrung gleichmäßig eine Zementsuspension eingebracht, der zusätzlich den Fluss zwischen den unterschiedlichen Formationen verhindert (d.h. keine Fließverbindung zwischen unterschiedlichen Schichten) und in axiale und radiale Richtungen Lasten aufnimmt354.

Abbildung 29:

355

Beispielhaftes Verrohrungsschema

Alle technischen Installationen, die zur Instandhaltung und zur Förderung benötigt werden (u.a. Förderrohrstrang, Bohrlochsohlausrüstung, Erschließungstechniken in der Lagerstätte), werden als Komplettierung bezeichnet. Kernstück der Komplettierung ist der Anschluss des Nutzhorizonts an das Bohrloch, der je nach Standfestigkeit des Gebirges als Open Hole oder Cased Hole Komplettierung erfolgt (Abbildung 30). Bei standfestem Gebirge kann der Speicherbereich unverrohrt bleiben (d.h. Open Hole Komplettierung). Im gegenteiligen Fall muss die Bohrung auch im Speicherbe354

Janczik, S.; Kock, N.; Kaltschmitt, M.: Geothermische Stromerzeugung, In: Finanzierung Erneuerbarer Energien, 1. Auflage 2011, Gerhard, M./Rüschen, Th.; Sandhövel, A. (Hrsg.), Frankfurt School Verlag GmbH, S. 325–348. 355 Kaltschmitt, M.; Streicher, W.; Wiese, A. (Hrsg.): Erneuerbare Energien, Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte. 5. Auflage. Springer Berlin 2013.

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4 Technische Rahmenbedingungen

reich verrohrt werden und anschließend müssen erneut Fließwege zwischen dem Gebirge und der Bohrung geschaffen werden (d.h. Cased Hole Komplettierung). Bei der Schaffung der Fließwege in einer Cased Hole Komplettierung kann unterschieden werden zwischen punktierter und schlitzförmigen Öffnungen im Speicherbereich (d.h. Loch- oder Schlitzliner). Durch den zusätzlichen Einbau eines Filterrohres mit Kiesschüttung kann ein Austrag von Feststoffen aus dem Nutzhorizont verhindert werden; dann spricht man von einer Gravel Pack Komplettierung. Vor dem Einbau des Filterrohres und dem Einbringen des Filterkieses wird dazu der Speicherbereich unterschnitten und gereinigt. Werden im Bereich des Nutzhorizonts nicht standfeste Sandsteinschichten vorgefunden, kann es bei hohen Förderraten zur Einbringung von Sand aus der Formation ins Bohrloch kommen. Unter diesen Bedingungen kann zur Stabilisierung im Sondenbereich, um dieses „Absanden“ und ggf. Kornumlagerungen zu verhindern, Kies in die Speicherschicht verpresst werden und mit gleichzeitigem Auffracen des Gebirges und der Injektion eines Kies-Kunstharz-Gemisches auf der Basis eines Epoxidharz/Härter-Systems dieses stabilisiert werden356.

Abbildung 30:

Arten der Komplettierung (Open-Hole links; Cased Hole rechts)

4.2.3

Übertägige Komponenten

357

In Abhängigkeit der Eigenschaften des Wärmeträgermediums (beispielsweise Temperaturprofil, Förderrate, Salinität) sowie der Art der bereitzustellenden Endenergie (d.h. Strom, Wärme, Strom und Wärme) kann eine Vielzahl von übertägigen Systemkomponenten eingesetzt werden. Nachfolgend wird zunächst die Systemtechnik zur ausschließlichen Wärmebereitstellung durch geothermische Heizwerke und anschließend zusätzliche Komponenten, die für eine kombinierte Strom- und Wärmebereitstellung in Heizkraftwerken benötigt werden, diskutiert. 356

Janczik, S.; Kock, N.; Kaltschmitt, M.: Geothermische Stromerzeugung, In: Finanzierung Erneuerbarer Energien, 1. Auflage 2011, Gerhard, M./Rüschen, Th.; Sandhövel, A. (Hrsg.), Frankfurt School Verlag GmbH, S. 325–348.. 357 Kaltschmitt, M.; Streicher, W.; Wiese, A. (Hrsg.): Erneuerbare Energien, Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte. 5. Auflage. Springer Berlin 2013.

4.2 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen

4.2.3.1

175

Heizwerke

Für eine geothermische Wärmebereitstellung, wie sie mittels geothermischer Heizzentralen realisiert werden kann, wird eine Reihe von Systemkomponenten benötigt. Darunter fallen der Thermalwasserkreislauf, Spitzenlastaggregate und Systeme zur Wärmedistribution; sie werden im Folgenden diskutiert. Thermalwasserkreislauf. Der Thermalwasserkreislauf ist das Bindeglied zwischen der zeitlich sowie örtlich variablen Wärmenachfrage Übertage (d.h. Heizungs-, Brauchwarmwasser- und ggf. Prozesswärmenachfrage) und der Untertage vorhandenen geothermischen Energie (bzw. Wärme). Dieser Kreislauf muss verschiedenen Anforderungen gerecht werden. Hierzu zählen:  

Förderung bzw. Injektion der Tiefenwässer sowie deren Transport, Wärmeübertragung an ein Sekundärsystem (d.h. Heizzentrale oder Konversionskreislauf), Thermalwasseraufbereitung zur Sicherung der Injektionswasserqualität, ggf. Druckerhöhung vor der Injektion (falls aus lagerstättentechnischen Gründen notwendig) und Gewährleistung der Verfahrenssicherheit.

  

Abbildung 31 zeigt die entsprechenden Bauteilgruppen eines Thermalwasserkreislaufs, der diesen Anforderungen Rechnung trägt. Deshalb werden nachfolgend für wichtige Bauteile bzw. Bauteilgruppen spezifische Aspekte diskutiert. Die tatsächlich realisierte Systemauslegung wird aber letztlich von den Charakteristika der geothermischen Lagerstätte und der Nachfragecharakteristik der Verbraucher – und das unter den jeweiligen ökonomischen Rahmenbedingungen – bestimmt und kann deshalb im Einzelfall z.T. signifikant abweichen358. Feinfilter M

Wärmeübertrager Druckhaltung Grobfilter M

Injektionspumpen M

Injektionssonde

Fördersonde

Slop

Abbildung 31:

Prinzip eines Thermalwasserlaufes (Quelle: Kaltschmitt, M; Streicher, W.; Wiese, A. (Hrsg): Erneuerbare Energien, Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte. 5. Auflage. Springer Berlin 2013.)

Thermalwasserförderung. Aufgrund der geologischen Bedingungen, wie sie in Deutschland in den für eine geothermische Nutzung in Frage kommenden Regionen vorzufinden sind, ist eine Förderung von Thermalwasser immer an den Einsatz mechanischer Pumpen gebunden. 358

Siehe Ebenda.

176

4 Technische Rahmenbedingungen

Prinzipiell können hierfür sogenannte Gestängepumpen (LSP) und Unterwassermotorpumpen (ESP) eingesetzt werden. Vorteile der Gestängepumpen sind beispielsweise die im Vergleich zur Unterwassermotorpumpen höhere Effizienz und die in der Regel bessere Beständigkeit gegenüber korrosiven und abrasiven Medien sowie hohen Fluidtemperaturen. Entscheidender Nachteile derartiger Förderpumpen sind die Restriktionen eines Einsatzes in gekrümmten Bohrungen und eine bestimmte Tiefenlimitierung. Die deshalb oft eingesetzte Unterwassermotorpumpe setzt sich aus den Hauptbaugruppen Pumpe, Protektor sowie Motor zusammen und wird an einer im Bohrlochkopf abgehängten Steigleitung unterhalb des Thermalwasserspiegels installiert. Die zum Betrieb notwendige elektrische Energie wird über ein Kabel im Ringraum zwischen der zementierten Rohrtour und der Pumpensteigleitung zugeführt359 360 361. Rohrleitungen. Der Thermalwassertransport zwischen der Förder- und Schluckbohrung wird i. Allg. mit Hilfe erdverlegter wärmeisolierter Rohre durchgeführt. Seltener wird eine Verlegung oberhalb der Erdoberfläche durchgeführt, da in diesem Fall das Landschaftsbild visuell beeinträchtigt wird und die Rohrleitungen wetterbedingten Umwelteinflüssen sowie ggf. mechanischen Beschädigungen ausgesetzt werden. Mit dem Ziel eines technisch sicheren, umweltfreundlichen und wirtschaftlichen Betriebes derartiger Anlagen müssen korrosiv bedingte Wandungsbrüche (z.B. durch hochmineralisierte Tiefenwässer) zwingend verhindert werden. Im Wesentlichen sind die dabei in Frage kommenden Korrosionsschutzmaßnahmen auf die Materialauswahl und/oder auf Beschichtungen beschränkt. In der Vergangenheit haben sich in diesem Zusammenhang glasfaserverstärkte Kunststoffe sowie beschichtete metallische Werkstoffe bewährt362. Wärmeübertragung. Die thermische Energie des Thermalwassers muss energetisch effizient und möglichst kostengünstig in der Heizzentrale auf ein Sekundärmedium übertragen werden. Dazu kommen vorwiegend geschraubte und bei hochkorrosiven Medien verschweißte Plattenwärmeübertrager zum Einsatz. Mit dieser Wärmeübertragertechnik können geringe Temperaturdifferenzen (bis zu 1 K zwischen den Medien), hohe Wärmeübergangskoeffizienten, geringe Bauvolumen bzw. -geometrien sowie eine ausreichende Druckstabilität gewährleistet werden. Geschraubte bzw. halbverschweißte Plattenwärmeübertrager zeichnen sich zudem durch ein gutes Revisionsvermögen durch einfache Demontage bzw. Montage aus363 364. Slopsystem. Zum Aufnehmen der außerhalb der Rohrleitungen anfallenden Thermalwässer und zur anschließenden aufbereiteten Rückführung oder ggf. Aufbereitung für den Abtransport zur Deponie dient das Slopsystem. Entsprechende Slopwässer können dabei im Rahmen der Erstinbetriebnahme der Anlagen bzw. nach längeren Stillstandszeiten beim Spülen der 359 360 361 362 363 364

Siehe Ebenda. Kabus, F.; Möllmann, G.: Gestaltung übertägiger Thermalwasserkreisläufe – Lösung für verschiedene geologische Bedingungen; 3. Fachtagung Geothermische Technologien 2010; VDI-Berichte Nr. 2082, S.121–139. Seiberth, W.: Förderpumpen in der Geothermie; 4. Fachtagung Geothermische Technologien 2012; VDIBerichte Nr. 2167, S. 45–54. Kaltschmitt, M.; Streicher, W.; Wiese, A. (Hrsg.): Erneuerbare Energien, Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte. 5. Auflage. Springer Berlin 2013. Siehe Ebenda. Peschel, J.: Plattenwärmetauscher für Tiefen- geothermische Anwendungen; 3. Fachtagung Geothermische Technologien 2010; VDI-Berichte Nr. 2082, S. 141–151.

4.2 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen

177

Förderbohrung und des Thermalwasserkreislaufes, bei einem Filterwechsel, bei Reparaturen, beim Entleeren des Leistungssystems und bei Leckagen im System anfallen. I. Allg. wird der Hauptslopbehälter direkt nach der Injektionsbohrung verbaut. Weitere kleiner dimensionierte Slopbehälter sind zudem an jedem weiteren Betriebspunkt angeordnet365. Filter. Mit dem Ziel, einen sicheren Betrieb der Geothermieanlage zu gewährleisten, müssen obertägig Filter im Thermalwasserkreislauf installiert werden. Deshalb werden einerseits Filteranlagen unmittelbar nach der Förderbohrung eingebaut, um die Anlagenkomponenten beispielsweise vor Sedimentation zu schützen. Die hier potenziell abgeschiedenen Partikel stammen direkt aus dem Förderhorizont oder aus vorgelagerten Anlagenkomponenten (d.h. Korrosionspartikel aus Pumpen oder der Verrohrung). Zusätzlich dazu werden engmaschige Filter direkt vor der Schluckbohrung installiert. Dies dient dazu, einen Eintrag feinster Partikel aus dem Förderhorizont sowie potenziell zwischenzeitlich entstandener chemischer Fällungsprodukte (beispielsweise infolge einer Abkühlung der Tiefenwässer) in die Injektionssonde zu vermeiden. Dadurch soll eine Verschlechterung der Verpresseigenschaften sicher ausgeschlossen bzw. möglichst lange verzögert werden, damit eine langfristige Nutzung des Aquifers sichergestellt ist366. Spitzenlast- und Redundanzaggregate. In Heizzentralen zur Bereitstellung von Nah- und Fernwärme wird i. Allg. zum Ausgleich saisonaler und täglicher Leistungsspitzen sowie zum Auffangen eines störungsbedingten Ausfalls zusätzlich eine mit fossilen oder biogenen Brennstoffen gefeuerte Kesselanlage verbaut. Die entsprechende Anlage muss dann ausreichend dimensioniert werden, so dass diese im Havariefall die vollständige Wärmenachfrage aller angeschlossenen Verbraucher sicher decken kann367. Fernwärmenetz. Mit dem Ziel, die geothermisch bereitgestellte Niedertemperaturwärme an in der Fläche verteilte Verbraucher (z.B. Haushalte, GHD) zu transportieren und die dort gegebene Niedertemperaturwärmenachfrage zu decken, werden in Deutschland in der Regel wasserbetriebene Verteilungssysteme eingesetzt. Diese können prinzipiell als Ein-, Zwei-, Drei- oder Vierleitersystem ausgelegt werden. Bisher haben sich aber fast ausschließlich Zweileitersysteme durchgesetzt. Sie dienen in der Regel zur Versorgung der angeschlossenen Verbraucher mit Raumwärme und Brauchwarmwasser. Derzeit werden primär Kunststoffmantelrohre mit einem Stahlmediumrohr verbaut. Als Unterverteilung und Hausanschlussleitungen können sehr flexible Metall- oder Kunststoffmediumrohre eingesetzt werden. Als Bindeglied zwischen dem Nah- bzw. Fernwärmenetz und der Hausanlage (d.h. Heizungsanlage) werden Hausübergabestationen installiert, welche standardisiert und vormontiert inklusive aller Anlagenkomponenten geliefert und dann vor Ort als Fertigbauteil verbaut werden. Diese Hausübergabestationen können als direkte und indirekte Systeme ausgeführt werden. Um das Korrosionsrisiko und somit potenzielle Ablagerungen in den Rohrleitungen weitgehend auszuschließen bzw. zu minimieren, ist das verwendete Wasser zu entsalzen, von mechanischen Verunreinigungen zu befreien und mit geeigneten Chemikalien zu alkalisieren368.

365

Kaltschmitt, M.; Streicher, W.; Wiese, A. (Hrsg.): Erneuerbare Energien, Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte. 5. Auflage. Springer Berlin 2013. 366 Siehe Ebenda. 367 Siehe Ebenda. 368 Siehe Ebenda.

178

4.2.3.2

4 Technische Rahmenbedingungen

Kraft- bzw. Heizkraftwerke

Für eine kombinierte Strom- und Wärmebereitstellung muss neben den bisher diskutierten Systemkomponenten ein Kraftwerk zur Stromerzeugung verbaut werden. Es werden nachfolgend zunächst die dafür benötigten Anlagenkomponenten und dann entsprechende Kraftwerksprozesse diskutiert. Einzelkomponenten. Im Wesentlichen setzt sich der Kraftwerksprozess aus Verdampfer, Turbine, Kondensator, ggf. Rekuperator und Speisepumpen zusammen. Entsprechende Einzelkomponenten werden nachstehend diskutiert. Verdampfer. Im Kraftwerksprozess überführen die Verdampfer das zirkulierende Kreislaufmedium mithilfe der geothermischen Wärme in die Gasphase. Um einen technisch effizienten und wirtschaftlichen Betrieb zu erreichen, sollten derartige Wärmeübertrager eine möglichst geringe Grädigkeit zwischen Thermalwasser und Kreislaufmedium gewährleisten. I. Allg. werden hierzu ebenfalls Plattenwärmeübertrager verbaut, die semi- und vollverschweißt ausgeführt werden können. So werden beispielsweise in Kalina-Anlagen wegen der erhöhten Betriebsdrücke und der Toxizität des Arbeitsmittelgemischs vollverschweißte Plattenwärmeübertrager eingesetzt. Aufgrund der relativ geringen Betriebsdrücke in ORCAnlagen können hier dagegen semiverschweißte Wärmeübertrager genutzt werden.369 Turbine. Als Strömungskraftmaschinen wandeln Turbinen die Strömungsenergie von Gasen in Bewegungsenergie um und übertragen diese an die Turbinenwelle. Die in den in Frage kommenden Kraftwerksprozessen eingesetzten Turbinen können nach der Form des Laufrades in Axial- und Radialturbinen unterschieden werden. So durchströmt bei Axialturbinen das gasförmige Kreislaufmedium das Aggregat parallel zu ihrer Achse. Derartige Strömungsmaschinen werden i. Allg. für große Volumenströme und vergleichsweise geringe Drücke ausgelegt. Bei Radialturbinen hingegen erfolgt die Durchströmung des Kreislaufmediums zentripetal oder häufiger zentrifugal. Bei letzterem tritt der Dampf somit axial in die Turbine ein und verlässt diese dann radial370. Generator. I. Allg. wird ein handelsüblicher Generator an die Turbinenwelle installiert. Dieser wandelt die Rotationsenergie der Turbinenwelle in elektrische Energie um371. Kondensator. Ziel der Kondensation ist es, das aus der Turbine austretende dampfförmige Arbeitsfluid erneut in einen flüssigen Zustand zu überführen. Hierzu wird das Kreislaufmedium ggf. enthitzt und die dabei abführbare Wärme des Arbeitsmitteldampfes aus dem Kreisprozess ausgeschleust. Prinzipiell ist eine derartige Wärmeabfuhr durch eine Frischwasser-, Verdunstungs- sowie eine Trockenkühlung möglich. Bei der Verdunstungskühlung kann weiter zwischen Nass-, Trocken- und Hybridkühltürmen unterschieden werden. Abbildung 32 zeigt beispielhaft entsprechende Kühlungssysteme372.

369

Siehe Ebenda. Siehe Ebenda. 371 Siehe Ebenda. 372 Siehe Ebenda. 370

4.2 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen

179

Dampfschwaden

Schale Kondensator

Kondensator feuchte Luft

Rieseleinbauten

Kühlwasserkreislauf

Sprühnebel Luft

Luft (Kurzregelstrecke) Abflut

Luft

Kühlturmtasse

trockene Luft

Wärmetauscher

Konvektion Auftrieb Streben

Schale

Luft

Fließgewässer

Abbildung 32:

Prinzip Nass- (links) und Trockenkühlturm (rechts)

373

Speisepumpe. Die Speisepumpe erhöht den Druck des Kreislaufmediums vor dem Verdampfer. Hierzu kann eine radial bzw. halbaxial durchströmte drehzahlvariable Kreiselpumpe und in einigen Anwendungsfällen alternativ dazu ebenso eine Kolbenpumpe verbaut werden. Der Antrieb erfolgt jeweils durch einen entsprechenden Elektromotor374. Kreislaufmedium. In geothermischen Kraftwerken werden als Arbeitsfluide in erster Linie organische Kreislaufmedien (d.h. Organic Rankine Cycle) bzw. Zweistoffmischungen (Kalina Cycle) eingesetzt. Die entsprechenden Kreislauffluide sollten dabei eine möglichst niedrige kritische Temperatur und einen geringen kritischen Druck (d.h. niedrigsiedend), ein geringes spezifisches Volumen, eine hohe Wärmeleitfähigkeit, kein oder nur ein sehr geringes Ozonabbau- (ODP) bzw. Treibhauspotenzial (GWP) besitzen und zudem nicht korrosiv, ungiftig und nicht brennbar sein. Vor diesem Hintergrund eignen sich für Kreisprozesse mit Reinstoffen vorwiegend Alkane, Aromate, chlorierte oder fluorierte Kohlenwasserstoffe und Siloxane. Doch ist ein Einsatz vieler chlorierter oder fluorierter Kohlenwasserstoffe bereits heute bzw. in naher Zukunft verboten bzw. nur sehr eingeschränkt zulässig, so dass zunehmend auch innovative Kreislaufmedien diskutiert werden. Repräsentativ für eine Nutzung in mit Erdwärme betriebenen Organic-Rankine-Cycles (ORC) sind aktuell beispielsweise Isobutan (R600a) und Isopentan (R600). Im Gegensatz dazu wird in einem Kalina-Cycle eine Mischung aus Wasser und Ammoniak als Kreislaufmedium eingesetzt. Vorteil derartiger Fluide ist, dass sowohl die Verdampfung als auch die Kondensation des Arbeitsmediums nicht isotherm, wie bei Reinstoffen (d.h. organische Arbeitsmittel, Wasser) verlaufen, sondern bei gleitenden Temperaturen ablaufen können 375 376.

373

Siehe Ebenda. Siehe Ebenda. 375 Siehe Ebenda. 376 Drescher, U.: Optimierungspotenzial des Organic Rankine Cycle für biomassebefeuerte und geothermische Wärmequellen; Lehrstuhl für Technische Thermodynamik und Transportprozesse, Universität Bayreuth 2008. 374

180

4 Technische Rahmenbedingungen

Kraftwerksprozesse. Die bisher dargelegten Einzelkomponenten können zu einem Gesamtsystem, dem Kraftwerksprozess, zusammengeführt werden. Da das Primärmedium (d.h. das Thermalwasser) unter deutschen geologischen Bedingungen nicht heiß genug ist bzw. sein Druck zu niedrig ist, um ausreichend Dampf für eine direkte Entspannung zu erzeugen, werden für eine Stromerzeugung aus geothermischer Wärme der Rankine-Prozess mit organischen Arbeitsmitteln (Organic Rankine Cycle, ORC) und der Kalina-Prozess eingesetzt. Diese werden nachfolgend dargestellt. Rankine-Prozess mit organischen Arbeitsmitteln. Ähnlich wie in konventionellen Kraftwerken wird das Wärmeträgermedium vorgewärmt, verdampft, entspannt, ggf. in einem Rekuperator enthitzt (das Medium ist im Gegensatz zur Wasserdampfentspannung noch überhitzt), kondensiert und durch eine Pumpe wiederum auf Verdampferdruck befördert. Im Gegensatz zu fossilen Kraftwerken wird hier allerdings die Verdampfungswärme nicht aus der Verbrennung, sondern aus dem Thermalwasser gewonnen. Eine entsprechende Schaltung eines derartigen Kreisprozesses zeigt Abbildung 33377.

pfer Verdampfer

Wärmezufuhr

G

Vorwärmer

Generator

Turbine

Kondensator

Kond

Wärmeabfuhr

Speisepumpe Abbildung 33:

Vereinfachtes Schema eines ORC (Organic Rankine Cycle) (Quelle: Kaltschmitt, M; Streicher, W.; Wiese, A. (Hrsg): Erneuerbare Energien, Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte. 5. Auflage. Springer Berlin 2013.)

Vor dem Hintergrund der großen Bandbreite der natürlicherweise vorkommenden Thermalwassertemperaturen können ORC-Anlagen mit verschiedenen Kreislaufmedien gefahren werden. Abbildung 34 zeigt hierzu beispielhaft Nettostromwirkungsgrade für wassergekühlte ORC-Systeme mit einer Förderrate von 70 l/s mit ausgewählten Arbeitsfluiden. Demnach liegen die maximalen Nettokonversionswirkungsgrade des Kreisprozesses zwischen rund 5,5 % bei etwa 100 °C und ca. 11 % bei 170 °C Thermalwassertemperatur. Kalina-Prozess. Ähnlich wie der ORC-Prozess wird im Kalina-Cycle ein Arbeitsmittel in einem vom Thermalfluid abgeschlossenen Kreislauf zirkuliert. Allerding wird hier im Gegensatz zum klassischen ORC ein Stoffgemisch aus Ammoniak und Wasser eingesetzt. Die entsprechende Verschaltung des Kalina-Prozesses zeigt Abbildung 35 in seiner einfachsten Form.

377

Kaltschmitt, M.; Streicher, W.; Wiese, A. (Hrsg.): Erneuerbare Energien, Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte. 5. Auflage. Springer Berlin 2013.

4.2 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen

181

Stromerzeugungswirkungsgrad Nettostromerzeugungswirkungsgrad(netto)

12% 11% 10% 9% 8% 7% 6% 5% 4% 3%

R134a

R245fa

R124

R600a

R600

Rc318

R245cb

R152a

R601

2% 100

110

Abbildung 34:

120

130

140

Temperatur inin °C °C Temperatur

150

160

Nettostromwirkungsgrade verschiedener wassergekühlter ORC-Systeme

Separator

Turbine

Separator Separator

378

Turbine Generator

fer fer Verdampfer

Wärmezufuhr

170

G

Generator

NH3-arme Lösung

NH3-reiche Lösung Kondensator

Speisepumpe

filt

Abbildung 35:

Wärmeabfuhr Kon Ko 379

Vereinfachtes Schema eines Kalina-Prozesses

Das Stoffgemisch wird dabei in einem Wärmeübertrager durch das Thermalwasser vorgewärmt und anschließend verdampft. Wegen der Siedepunktabstände der beiden Komponenten, aus denen das als Kreislaufmedium eingesetzte Stoffgemisch besteht, entstehen dabei ein Ammoniak-reicher Dampf und eine Ammoniak-arme Flüssigkeit. Diese werden anschließend in einem Separator voneinander getrennt. Der Dampf wird dann in der Turbine unter Abgabe von Arbeit entspannt. Danach werden beide Phasen wieder zusammengeführt und gemeinsam dem Kondensator erneut zugeführt. Dort wird das Stoffgemisch wieder vollstän378

Nettostromwirkungsgrade verschiedener wassergekühlter ORC-Systeme (Organic Rankine Cycle) bei einer Förderrate von 70 l/s (ohne Berücksichtigung der Förderenergie; Referenztemperatur 15 °C; R600a Isobutan; RC318 Octofluorcyclobutan; R134a 1,1,1,2-Tetrafluorethan; R600 n-Butan; R245fa 1,1,1,3,3-Pentafluorpropan; R245cb 1,1,1,2,2-Pentafluorpropan; R124 2-Chlor-1,1,1,2-Tetrafluorethan; R152a 1,1-Difluorethan; R601 n-Pentan; nach [Aspen.plus, www.aspen.com]). 379 Kaltschmitt, M.; Streicher, W.; Wiese, A. (Hrsg.): Erneuerbare Energien, Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte. 5. Auflage. Springer Berlin 2013.

182

4 Technische Rahmenbedingungen

Stromerzeugungswirkungsgrad (netto) Nettostromerzeugungswirkungsgrad

dig in die Flüssigphase überführt und danach auf den Verdampferdruck gebracht. Für derartige Kraftwerksprozesse liegen die erreichbaren Nettowirkungsgrade zwischen ca. 5,0 % bei rund 120 °C und etwa 8,5 % bei rund 180 °C Thermalwassertemperatur (Abbildung 36)380. 9%

90 % NH3 90%-NH3

83%-NH3 83 % NH3

75%-NH3 75 % NH3

8%

7%

6%

5%

4%

3% 110

120

130

140

150

160

170

180

Thermalwassertemperatur inin°C Thermalwassertemperatur °C 381

Abbildung 36:

Nettostromwirkungsgrade verschiedener wassergekühlter Kalina-Systeme

4.2.4

Anlagenkonzepte

Ausgehend von den beschriebenen Einzelkomponenten geothermischer Anlagen werden nachfolgend exemplarisch ausgewählte geothermische Anlagenkonzepte diskutiert. Es wird dabei zwischen Konzepten mit dem Ziel einer ausschließlichen Wärmebereitstellung und einer kombinierten Strom- und Wärmebereitstellung unterschieden. Heizwerke. Geothermische Heizwerke können prinzipiell als offene oder geschlossene Systeme konzipiert sein. Vor dem Hintergrund, dass in Deutschland nahezu ausschließlich offene Systeme Anwendung finden, werden sie nachstehend ausschließlich diskutiert. Mit dem Ziel, den untertägigen Speicherhorizont (d.h. das hydrothermale Vorkommen) zu nutzen, sind geothermische Wärmeversorgungsanlagen durch mindestens zwei Bohrungen (d.h. Produktions- und Injektionsbohrung) gekennzeichnet. In der Regel wird dabei mit Hilfe der Förderbohrung das warme oder heiße Thermalwasser nach Übertage gefördert. Auf Grund der in Deutschland vorherrschenden geologischen Rahmenbedingungen muss eine derartige Förderung nahezu ausschließlich mittels einer Förderpumpe realisiert werden. Im Anschluss daran werden die heißen Tiefenwässer von der Förderbohrung in einer in der Regel unterirdisch verlegten Rohrleitung zur geothermischen Heizzentrale geleitet. Die in dem Thermalwasser gelösten bzw. mitgerissenen Partikel werden dort durch einen Filter abge380 381

Siehe Ebenda. Nettostromwirkungsgrade verschiedener wassergekühlter Kalina-Systeme bei einer Förderrate von 70 l/s (ohne Berücksichtigung der Förderenergie; Referenztemperatur 15 °C).

4.2 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen

183

schieden. Danach wird in einem Plattenwärmeübertrager ein Teil der thermischen Energie des Thermalwassers auf ein Sekundärmedium übertragen. Im Anschluss daran wird das abgekühlte Thermalwasser erneut filtriert, um es danach über die Injektionsbohrung wieder in den Untergrund zu verpressen (Abbildung 37)382. Geothermische Heizzentrale

Abnehmer

Förderbohrung

Injektionsbohrung

Förderhorizont

Abbildung 37:

383

Exemplarisches Systemlayout einer geothermischen Heizzentrale

I. Allg. wird eine geothermische Heizzentrale durch eine mit fossilen oder biogenen Brennstoffen befeuerte Spitzenlast- bzw. Redundanzkesselanlage ergänzt. Sind die Thermalwasserparameter zu gering, um die entsprechenden Vorlauftemperaturen des Nah- bzw. Fernwärmenetzes zu gewährleisten, können zudem additiv beispielsweise Wärmepumpen oder ein BHKW eingesetzt werden. Entsprechende exemplarische Schaltungsbeispiele zeigt Abbildung 38384. Heizkraftwerke. Neben Konzepten zur ausschließlichen Wärmebereitstellung werden in den letzten Jahren vermehrt Konzepte zur Strom bzw. zur kombinierten Strom- und Wärmebereitstellung realisiert. Entsprechende Konzepte werden ausschließlich als offene Systeme ausgeführt. Ein vereinfachtes Konzept zur kombinierten Strom- und Wärmebereitstellung aus Tiefer Geothermie mit einem ORC zeigt Abbildung 39. Das Thermalfluid wird hier durch die Förderbohrung aus dem tiefen Untergrund gefördert und anschließend im Thermalwasserkreislauf aufbereitet. Die thermische Energie des Thermalwassers wird dann über mehrere Wärmeübertrager an einen binären Kreislauf (d.h. ORC) übertragen. Das organische Arbeitsfluid des ORC wird dabei vorgewärmt, verdampft und anschließend unter Abgabe von Arbeit in der Turbine entspannt. Anschließend wird es im Kondensator verflüssigt und durch die Spei382

Kaltschmitt, M.; Streicher, W.; Wiese, A. (Hrsg.): Erneuerbare Energien, Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte. 5. Auflage. Springer Berlin 2013. 383 Exemplarisches Systemlayout einer geothermischen Heizzentrale zur Nutzung hydrothermaler Vorkommen im tiefen Untergrund (nach E. Huenges, persönliche Mitteilung, GFZ Potsdam 2002). 384 Kaltschmitt, M.; Streicher, W.; Wiese, A. (Hrsg.): Erneuerbare Energien, Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte. 5. Auflage. Springer Berlin 2013.

184

4 Technische Rahmenbedingungen

sepumpe wieder auf den Verdampferdruck gebracht. Die dann noch im Thermalwasser verbleibende Restenergie wird nun über einen Wärmeübertrager an ein Nah- oder Fernwärmenetz abgegeben. Die abgekühlten Tiefenwässer werden abschließend über die Schluckbohrung – nach einer entsprechenden Filterung – wieder in den tiefen Untergrund verpresst. Heiznetz

Heiznetz

Heiznetz

Spitzenlastkessel

Spitzenlastkessel

Spitzenlastkessel

Wärmepumpe BHKW

Wärmepumpe

Filter

Fördersonde

Filter

Fördersonde

Injektionssonde

Thermalwasserkreislauf Zwischenkreis direkter Wärmeübertrag

Filter

Fördersonde

Injektionssonde

Thermalwasserkreislauf Zwischenkreis direkter Wärmeübertrag kaskadenförmige Auskühlung in einem weiteren Wärmeübertrager

Injektionssonde

Thermalwasserkreislauf Zwischenkreis Rücklaufauskühlung durch Wärmepumpe

385

Abbildung 38:

Beispiele für Prinzipschemata geothermischer Heizzentralen

Abbildung 39:

Konzept einer kombinierten geothermischen Strom- und Wärmebereitstellung

385

386

Kaltschmitt, M.; Huenges, E.; Wolff, H. (Hrsg.): Energie aus Erdwärme; Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Stuttgart, 1999.

4.2 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen

185

Entsprechend der in Deutschland sehr unterschiedlichen Thermalwasserparameter sind die potenziell erreichbaren Stromerzeugungswirkungsgrade einer sehr großen Bandbreite unterworfen. So liegen sie bei einer ausschließlichen Strombereitstellung grob zwischen 3 und 8 % bei elektrischen Leistungen von rund 1 bis 5 MW. Wird dagegen eine kombinierte Strom- und Wärmebereitstellung realisiert (d.h. thermischen Leistungen von rund 5 bis 20 MW), können die Gesamtwirkungs- bzw. -nutzungsgrade entsprechender Anlagen deutlich höher liegen387.

4.2.5

Herausforderungen und Entwicklungstendenzen

Trotz einer Vielzahl an Projektentwicklungsaktivitäten wurden national in den vergangenen Jahren nur sehr vereinzelte Heiz- bzw. Heizkraftwerke zur Nutzung der Tiefen Geothermie neu installiert. So wurden 2011 in Deutschland 4 Heizkraftwerke mit einer elektrischen Leistung von rund 7 MW betrieben; dabei konnten rund 19 GWh an Strom und ca. 0,3 PJ an Wärme in die Strom- bzw. Wärmenetze eingespeist werden. Mit einer installierten thermischen Leistung von rund 200 MW wurden in Deutschland zusätzlich dazu rund 1,2 PJ (330 GWh) an Wärme durch geschätzte 30 bis 40 geothermische Heizwerke erzeugt (Stand 2011)388 389 390. Eine Strom- und Wärmebereitstellung aus Tiefer Geothermie ist in der Regel auf Grund der geologischen Gegebenheiten in Deutschland demnach noch immer technisch sehr anspruchsvoll. Daraus resultiert eine Reihe von Herausforderungen, welche für die untertägige Reservoirerschließung und die obertägigen Kraftwerkseinrichtungen nachstehend kurz diskutiert werden. Untertage. Technische Herausforderungen zur Verfügbarmachung geothermischer Reservoire treten vorwiegend bei der Lagerstättensuche, der Bohrungsniederbringung und der Stimulation auf. 

386 387 388 389 390

Bei der Suche nach potenziell förderbaren Thermalwässern im Untergrund muss durch moderne Erkundungsmethoden das Fündigkeitsrisiko (d.h. das Risiko, keine ausreichend hohen Temperaturen und Fließraten vorzufinden) weitestgehend minimiert werden. Dazu müssen die für einen wirtschaftlichen Kraftwerksbetrieb relevanten Thermalwasserparameter (d.h. Fördermenge, -temperatur und -druck) möglichst genau vorausgesagt werden. Deshalb stellt zunächst eine Optimierung der vorhandenen geophysikalischen Explorationsmethode eine wesentliche Aufgabe der kommenden Jahre dar. Insbesondere gilt dies für eine belastbare Vorhersage der zu erwartenden Aquiferdurchlässigkeit. Jüngst zeigt sich zudem die Notwendigkeit, die verschiedenen bereits vorhandenen geo-

Kock, N.; Kaltschmitt, M.: Effizientere Ressourcenausnutzung geothermischer Anlagen – Technische Möglichkeiten und deren Bewertung; Zeitschrift für Energiewirtschaft (August 2011), DOI 10.1007/s12398-011-0060-2. Kaltschmitt, M.; Streicher, W.; Wiese, A. (Hrsg.): Erneuerbare Energien, Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte. 5. Auflage. Springer Berlin 2013. Janczik, S.; Kaltschmitt, M.: Statusreport 2012: Nutzung der tiefen Geothermie; Erdöl – Erdgas – Kohle 128(2012), 7/8, S. 296–300. Lenz. V.; Kaltschmitt, M.: Erneuerbare Energien; BWK 64(2012), 4, S. 61–75. Janczik, S.; Kaltschmitt, M.; Rüter, H.: Anthropogen induzierte seismische Aktivitäten bei Nutzung des tiefen Untergrunds; Energiewirtschaftliche Tagesfragen 60(2010), 8, S. 34–39.

186









391 392 393 394 395 396

4 Technische Rahmenbedingungen physikalischen Verfahren intelligent miteinander zu kombinieren und an die spezifischen Untergrundbedingungen der jeweiligen Standorte anzupassen391. I. Allg. werden die Gesamtkosten eines Geothermieprojektes durch die Niederbringung der mindestens zwei Bohrungen dominiert (meist bis zu zwei Drittel der Gesamtinvestitionen). Deshalb hat die Entwicklung (kosten-)effizienterer und an die Bedingungen der Geothermienutzung optimal angepasster Bohrverfahren höchste Priorität. Dabei hat sich gezeigt, dass einzelne Innovationen in den vergangenen Jahren bzw. Monaten erfolgreich am Markt implementiert werden konnten. Beispielsweise wurden jüngst mit Hilfe optimierter Bohrverfahren mit einem deutlichen höheren Bohrfortschritt niedergebracht (d.h. mehr Bohrmeter pro Zeiteinheit) und zusätzlich einen deutlich geringerer Materialund Energieverbrauch realisiert. Dies führt insgesamt zu kostengünstigeren Bohrungen. Entsprechende Ansätze müssen zukünftig weiter perfektioniert und insbesondere auf die Erschließung petrothermaler Lagerstätten – da hier ein weitaus größeres Potenzial als bei den hydrothermalen Lagerstätten liegt – überführt werden392. Für einen wirtschaftlich effizienten Betrieb geothermischer Anlagen sind nicht zuletzt hohe Thermalwasserfließraten entscheidend. Dafür muss der tiefe Untergrund in der Regel stimuliert werden. Ziel derartiger Verfahren ist es, die natürlich geringe Aquiferdurchlässigkeit deutlich zu verbessern. Obwohl in den letzten Jahren für unterschiedliche Gesteinsformationen in den verschiedenen geothermisch relevanten Regionen viele Erfahrungen gesammelt wurden, kann auch mit den heute vorhandenen weiterentwickelten Verfahren nicht immer eine Erfolgsgarantie gegeben werden. Deshalb müssen auch zukünftig neue Wege gegangen werden; ein derartiges Beispiel sind gezielte Mehrfachstimulation in einer Bohrung393, die aber weiter verfeinert und in die Praxis überführt werden müssen394. Wurde das untertägige Reservoir erfolgreich bohrtechnisch erschlossen und stimuliert, so schließt ein an die Umgebungsbedingungen perfekt angepasstes Injektionskonzept die Reservoirerschließung ab. Beispielsweise können dadurch Risiken seismischer Aktivitäten reduziert, die Effizienz der Anlage durch eine maximale Nutzung der förderbaren Tiefenwässer und die Lebensdauer des genutzten untertägigen Reservoirs gesteigert werden. Hierbei haben eine Anwendung von Multi-Well-Konfigurationen und Multilateral-Komplettierungen erste Erfolge gezeigt. Auch muss der Einsatz von Hochtemperaturtracern weiter entwickelt und erprobt werden, um entsprechende Förderhorizonte effizienter charakterisieren – und damit auch nutzen – zu können395. Im Rahmen der Speicherstimulation und/oder durch den Anlagenbetrieb (d.h. beim Fördern und Verpressen von Thermalwässern) ist es in der Vergangenheit zu mikroseismischen Ereignissen gekommen396. Diese hatten zur Folge, dass die Akzeptanz der

Janczik, S.; Kaltschmitt. M.: Statusreport 2010: Nutzung der Tiefen Geothermie, Erdöl, Erdgas, Kohle 126 (2010), 7/8, S. 285–290. Siehe Ebenda. Baumgärtner, J.; Teza, D.; Hettkamp, T.: Stimulierung tiefer geothermischer Systeme; Fachmagazin für Brunnen- und Leitungsbau – Tiefe Geothermie Sonderheft 2010, S. 14–23. Janczik, S.; Kaltschmitt. M.: Statusreport 2010: Nutzung der Tiefen Geothermie, Erdöl, Erdgas, Kohle 126 (2010), 7/8, S. 285–290. Baumgärtner, J.; Teza, D.; Hettkamp, T.: Stimulierung tiefer geothermischer Systeme; Fachmagazin für Brunnen- und Leitungsbau – Tiefe Geothermie Sonderheft 2010, S. 14–23. Janczik, S.; Kaltschmitt, M.; Rüter, H.: Anthropogen induzierte seismische Aktivitäten bei Nutzung des tiefen Untergrunds; Energiewirtschaftliche Tagesfragen 60(2010), 8, S. 34–39.

4.2 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen

187

Bevölkerung für eine geothermische Energiebereitstellung lokal sehr stark gesunken ist, obwohl kaum relevante Sachschäden an Gebäuden festgestellt wurden. Mit dem Ziel eines mittelfristigen Ausbaus der geothermischen Nutzung des tiefen Untergrundes muss deshalb die derzeitige überregionale Akzeptanz erhalten bzw. verbessert werden397. Zu diesem Zweck wurden und werden verschiedene Konzepte erarbeitet, verifiziert und implementiert, mit denen die Wahrscheinlichkeiten des Auftretens solcher Ereignisse reduziert werden soll. Eine wesentliche Grundlage spielt dabei u.a. die Ermittlung des Gebirgsspannungsfeldes der für eine geothermische Nutzung in Frage kommenden Regionen. Übertage. Neben den bisher diskutierten Herausforderungen beim Untertage-Teil sind auch bei den übertägigen Komponenten noch Optimierungspotenziale gegeben. Diese werden nachstehend erläutert. 







397

In Deutschland können mit derzeitig verfügbarer Bohrtechnik Tiefenwässer mit Temperaturen von bis zu 160 °C erschlossen werden. Auf Grund physikalischer Restriktionen sind bei diesen Temperaturniveaus die Stromerzeugungswirkungsgrade der eingesetzten Kraftwerksprozesse vergleichsweise gering. Deshalb ist es ein Ziel, die eingesetzten ORC- und Kalina-Anlagen hinsichtlich der erreichbaren Stromwirkungsgrade im Rahmen des physikalisch-technisch Machbaren zu optimieren. Dies ist u.a. durch angepasste Prozessschaltungen (z.B. Mehrdruckprozesse), den überkritischen Betrieb der Kreisprozesse oder den Einsatz alternativer Arbeitsmittel möglich. Auch kann der Gesamtwirkungsgrad durch eine effektivere Ausnutzung der im Thermalwasser enthaltenen Wärme zur Stromproduktionen potenziell gesteigert werden398. Alternativ oder additiv können durch eine Kombination mit anderen regenerativen und ggf. fossilen Energieträgern unter bestimmten Randbedingungen Synergieeffekte resultieren. So kann ggf. aus einer Einspeisung von sonst ungenutzter Wärme bzw. Abwärme aus anderen Prozessen eine technische bzw. ökonomische Effizienzsteigerung erreicht werden399. In der Praxis setzt sich der bisherige Trend der vergangenen Jahre fort, vermehrt ORCbasierte Kraftwerke zu verbauen. Hier werden aber vermehrt moderne, bisher ausschließlich nur theoretisch untersuchte, Konzepte in den kommenden Jahren auf ihre Praxistauglichkeit hin analysiert. Aktuelles Beispiel stellt hier das Forschungskraftwerk in Groß Schönebeck dar. Hier soll die bereits installierte ORC-Dreidruckanlage zeitnah eingesetzt werden. Weiterhin ist zu erwarten, dass zukünftig die Kraftwerke mit größerer Leistung (d.h. bis zu 5 MW) realisiert werden400. Weiterhin ist es für einen technisch effizienten und wirtschaftlichen Betrieb geothermischer Anlagen wesentlich, die für eine Stromproduktion nicht mehr nutzbare Wärme in nachgeschalteten Prozessen weiter zu nutzen, da bei den heute üblicherweise realisierten geothermischen Kraftwerkskonzepten das Thermalwasser mit Tempera-

Siehe hierzu auch den Beitrag von MARTINA LEUCHT in Kapitel 5.1. Janczik, S.; Kaltschmitt. M.: Statusreport 2010: Nutzung der Tiefen Geothermie, Erdöl, Erdgas, Kohle 126 (2010), 7/8, S. 285–290. 399 Janczik, S.; Kaltschmitt. M.: Kombinierte Nutzung von Geothermie und Klärschlamm – Möglichkeiten und Grenzen, VGB Powertech 90 (2010), 7, S. 84–91. 400 Janczik, S.; Kaltschmitt. M.: Statusreport 2010: Nutzung der Tiefen Geothermie, Erdöl, Erdgas, Kohle 126 (2010), 7/8, S. 285–290. 398

188





401

4 Technische Rahmenbedingungen turen von rund 60 bis 80 °C erneut in den Untergrund verpresst wird. Die am meisten umgesetzte Option ist eine Nahwärmebereitstellung. Oft steht jedoch dafür kein Nahwärmenetz zur Verfügung und eine Installation kann wegen der hohen zusätzlichen Investitionen nicht realisiert werden. Deshalb gewinnt im Sinne einer technischen und damit letztendlich auch ökonomischen und ökologischen Optimierung derartiger Anlagen ein innovatives Wärmenutzungskonzept, mit dem eine deutlich weitergehende Wärmenutzung realisiert wird, immer mehr an Bedeutung. Möglichkeiten der Wärmenutzung sind beispielsweise die Umsetzung von Trocknungsprozessen. Untersuchungen haben gezeigt, dass derartige innovative Nachnutzungen der „geothermischen“ Abwärme Systemvorteile gegenüber „konventionellen“ Geothermiekraftwerken zeigen können. Wesentlich wäre hier die Demonstration der entsprechenden Möglichkeiten401. Geothermische Anlagen zeigen einen hohen elektrischen Eigenbedarf; er muss für einen wirtschaftlich effizienten Betrieb weiter reduziert werden. Insbesondere hinsichtlich der Förderpumpen stehen innovative Konzepte am Markt zur Verfügung (beispielsweise Gestängepumpen, elektrische oder hydraulische Tauchpumpen)402. Insbesondere im Rheintalgraben und im norddeutschen Becken können die aus dem tiefen Untergrund geförderten Thermalwasser radioaktive Inhaltsstoffe enthalten. Diese können sich an den Über Tage-Komponenten niederschlagen und/oder werden über die, in den Thermalwasserkreislauf integrierten, Filtersystemen abgeschieden. Um die damit potenziell verbundenen Probleme möglichst zu minimieren bzw. zu vermeiden, werden derzeit entsprechende Konzepte entwickelt, die sich an die in der deutschen Erdöl- und Erdgasförderung gängigen Verfahren orientieren. Dies gilt für den Umgang mit den radioaktiv beaufschlagten Anlagenkomponenten sowie dem Handling und der Entsorgung der ggf. kontaminierten Filterschlämme403.

Siehe Ebenda. Siehe Ebenda. 403 Siehe Fußnote 391. 402

4.3 Management zentraler Fertigstellungsrisiken

4.3

189

Management zentraler Fertigstellungsrisiken TILO WACHTER

4.3.1

Risikobegriff

Die Herkunft des Begriffs Risiko stammt aus dem Griechischen. Unter dem lateinischen Begriff „risicare“ verstand man das Umschiffen von Klippen. Die Begrifflichkeit erscheint somit geeignet, auf den Ort einer vorhandenen Gefahr zu verweisen, die sich – bewusst oder unbewusst – für den eintritt, dessen Weg dort vorbeiführt. Anderseits weist sie bereits auf die Möglichkeit hin, wie ein Risiko durch Kenntnis und Umgehen minimiert werden kann. Voraussetzung hierfür ist die bewusste Wahrnehmung des Risikos und die Kenntnis der Wege, auf denen es unter dann bewussten Schritten und Maßnahmen umgangen werden kann. Sich mit einem Risiko in bewusster Beurteilung auseinanderzusetzen, bedeutet auch die Möglichkeit, die Chancen zu erkennen, die die Inkaufnahme eines riskanteren Weges bedeutet.

4.3.2

Ziel und Risiken eines Geothermieprojektes

Risiken stellen sich auf dem Weg zu einem Ziel entgegen. Das Ziel eines geothermischen Projekts lässt sich so beschreiben, dass der Projektant   

eine bestimmte Fördermenge Thermalwasser, mit bestimmter Temperatur, nachhaltig, d.h. über einen festzulegenden langfristigen Zeitraum,

aus einem Geothermiereservoir fördern will. Die geförderte geothermische Energie soll in einer geeigneten technischen Anlage zu Heizenergie oder elektrischer Energie gewandelt werden. Auf dem langen Weg der Projektentwicklung kommt der Entwickler dabei immer wieder an Punkte, die Weggabelungen aufweisen und an denen eine Entscheidung zu treffen ist, diesen oder jenen Weg einzuschlagen. Diese Entscheidungen haben in den meisten Fällen keinen eindeutigen Charakter, und es gibt viele Wege, die letztlich zum Ziel führen. Jeder dieser Wege kann unterschiedliche Risikoprofile aufweisen. Entscheidend ist dabei, sich über diesen Charakter im Vorhinein im Klaren zu sein. Nicht vergessen sollte dabei auch, dass im Verlaufe eines Projektes Situationen eintreten können, die es erforderlich machen können, gegebenenfalls den bereits eingeschlagenen Weg ein Stück zurück zu gehen und damit bereits Erreichtes aufzugeben. Aus Sicht des Projektanten sollte als erster Schritt des Risikomanagements die eigene Rolle beurteilt werden, die er selbst einnehmen möchte. D.h. zu überprüfen, welche Risiken man wissentlich selbst bereit ist einzugehen und welche unter billiger Beurteilung der eigenen Ressourcen auch eingegangen werden können, d.h. mit diesen Ressourcen bewältigt werden können. Im Folgenden betrachten wir verschiedene Risikoaspekte, die im Rahmen der Realisierung eines geothermischen Projektes zu beachten sind.

190

4.3.2.1

4 Technische Rahmenbedingungen

Reifegrad geothermischer Projekte in Deutschland

Als erster Schritt einer Risikobewertung ist es sinnvoll, sich zunächst einen Überblick zu verschaffen, welchen Reifegrad Geothermieprojekte erreicht haben. Hinsichtlich der Technologie ist heute nur die hydrothermale Geothermie grundsätzlich als erprobt zu bezeichnen, mit Ländern, in denen die erste kommerzielle Anwendung schon ein Jahrhundert zurückliegt. Die Hot-Dry-Rock-Technologie befindet sich dagegen – auch weltweit betrachtet – noch im Forschungsstadium. Die Nutzung geothermischer Energie ist darüber hinaus sehr stark geprägt von den jeweiligen geologischen Eigenheiten der regionalen Reservoirs. Die regionalen Eigenheiten bestimmen grundsätzlich den Grad des Risikos einer Evaluations- und Explorationstätigkeit entscheidend mit. Betrachtet man – Stand 2013 – die Umsetzung von Geothermieprojekten in Deutschland, so lässt sich in Abhängigkeit der Region bzw. Technologie grundsätzlich festhalten, dass eine „Serienreife“ im Sinne eines mit hoher Sicherheit, d.h. ohne wesentliches Entwicklungsrisiko abzuwickelndes Projekts bei dieser Art Energieerzeugung nur innerhalb enger Grenzen gegeben ist. Im Bereich der hydrothermalen Geothermie steigt der Grad des Entwicklungsrisikos innerhalb der dafür begünstigten Regionen Deutschlands in der Reihenfolge Süddeutsches Molassebecken, Oberrheingraben hin zum Norddeutschen Becken. Das Süddeutsche Molassebecken weist regional, bedingt insbesondere durch das Abfallen der wasserhöffigen Kalksteinschicht eine breite Spanne der zur geothermischen Nutzung erforderlichen Bohrtiefe auf. Diese geht einher mit einer der Teufe proportionalen Temperaturerwartung, die zum Teil reine Projekte mit Wärmenutzung, regionale aber auch Projekte mit Stromerzeugung ermöglichen. Auf Basis der bis 2013 erschlossenen Projekte, die regional teils beträchtliche Erfahrungscluster liefern (insbesondere im Großraum München), lassen sich bestimmte Projekte bei einer Duplizierung heute als „anwendungsnah“ bezeichnen. Dies sind Projekte mit eher moderater Bohrtiefe ( 100 °C) führt auf der anderen Seite zu einer sukzessiven Verbesserung der Energienutzung. Generell gilt, dass die existierenden „Pionierprojekte“ von heute zu ihrer Startzeit noch als „visionär“ einzustufen waren. Dies demonstriert, dass im Süddeutschen Molassebecken durch die Evaluations- und Explorationstätigkeit erhebliche Fortschritte erzielt werden konnten. Dies ist auch für heutige, noch als „visionär“ zu bezeichnende Projekte zu vermuten. Was die anderen Regionen Deutschlands angeht, dürfte am Oberrheingraben auch für Projekte geringeren Anspruchs hinsichtlich Förderrate und Temperatur nach wie vor zumindest der „Pioniercharakter“ gelten. Zwar profitiert der Oberrheingraben von bestimmten thermischen Anomalien, was etwas höhere thermische Gradienten und damit niedrigere Bohrteufen zur Erreichung eines bestimmten Temperaturniveaus nach sich zieht. Auf der anderen Seite hat sich die Evaluation von Standorten aufgrund des deutlich höheren Fündigkeitsrisikos als erheblich schwieriger erwiesen. Hinzu kommen bohrtechnisch anspruchsvollere Projekte und die ungünstigere Mineralisierung der dort anzutreffenden Tiefenwässer (Mineralisierungen im dreistelligen g/l-Bereich). Nicht unerwähnt bleiben sollten als ein Beispiel gesellschaftlicher Risiken genehmigungsrechtliche Restriktionen als Folge der öffentlichen Bewertung mikroseismischer Ereignisse in Landau und Basel. Anspruchsvollere Projekte am Oberrheingraben sowie Projekte im Norddeutschen Becken haben den „Pioniercharakter“ genauso wenig erreicht wie HDR-Projekte, die allerdings weniger regional gebunden sind. Projekte im Norddeutschen Becken wurden bisher nur im Rahmen reiner Forschungsaktivitäten realisiert; HDR steht diesbezüglich in Deutschland noch komplett am Anfang der Entwicklung. Generell gilt damit, dass der Entwickler in den genannten Bereichen immer als „Visionär“ unterwegs sein wird.

192

4 Technische Rahmenbedingungen 180

Bayerisches Molassebecken

5.400

170 160

4.900

150 4.400

130

3.900

120 3.400

Pionier

110 100

Bohrtiefe [m]

Fördertemperatur [°C]

Visionär 140

2.900

Anwender

90

2.400

80 70

1.900 40

50

60

70

80

90

100

110

120

130

140

150

160

170

180

190

200

Förderrate [l/s]

Abbildung 40:

Reifegrad von Geothermie-Vorhaben in Deutschland

4.3.2.2

Zeitpunkt des Einstiegs in ein Geothermieprojekt

Unabhängig vom technologischen Reifegrad ist auch entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Einstieg in ein Geothermieprojekt erfolgt. Mit steigendem Umsetzungsgrad sinken die im Projekt noch vorhandenen Realisierungsrisiken. Hinsichtlich des Kapitaleinsatzes weist ein Geothermieprojekt vier typische Phasen auf: •





Zunächst die Evaluationsphase, die die Standortsuche, Standortprüfung und geologische Planung des Vorhabens umfasst. Hierfür ist ein Mindestzeitraum von zwei bis fünf Jahren typisch. Die Gesamtprojektkosten liegen dabei, stark abhängig von der Durchführung umfangreicherer Seismikuntersuchungen, eher deutlich unter 10 %. Dieser Phase schließt sich die Bohrphase an (ca. ein Jahr bei einer Dublettenbohrung inkl. Vorbereitung des Bohrplatzes), bis zu deren Abschluss üblicherweise bereits über 50 % der anzusetzenden Gesamtkosten angefallen sind. Bis dahin besteht noch uneingeschränkt ein typisches binäres Projektrisiko – das Vorhaben kann ein Erfolg werden oder ein Totalverlust. Die Bohrphase endet mit Durchführung und Auswertung des Langzeittests. Mit Bekanntheit der Förderparameter ist ein wesentlicher Schritt der Projektentwicklung abgeschlossen. Je nach Erfolg dieser Phase kann es bis dorthin noch zu einem Totalverlust des Kapitals kommen, nämlich dann, wenn die Projektziele durch Nichtfündigkeit komplett verfehlt werden. Die verbleibenden Projektrisiken liegen dann noch im Wesentlichen in der Auslegung und dem Bau der obertägigen Anlagen. An die abgeschlossene Bohrphase schließt sich eine weitere Planungs- und Genehmigungsphase an, die insbesondere der endgültigen Auslegung der obertägigen Anlagen

4.3 Management zentraler Fertigstellungsrisiken



193

dient. In dieser Phase steigt der Kapitaleinsatz verhältnismäßig geringfügig an (max. 5%). Die vierte Phase ist wieder durch hohen Kapitaleinsatz geprägt, der sich durch die technische Realisierung der obertägigen Einrichtungen ergibt (Quote: ca. 25 bis 40 % je nach technischer Komplexität). Die Risiken liegen dann im Wesentlichen in den typischen Risiken des Anlagenbaus, d.h. Erreichen der Terminvorgaben und zugesicherten technischen Eigenschaften.

Nach Abschluss der vierten Phase, üblicherweise nach erfolgreichem Test des Gesamtsystems, ist die geologisch-technisch geprägte Entwicklungsphase beendet. An ihr kann sich eine weitere Standortentwicklung anschließen, beispielhaft der Aufbau von Wärmeversorgungsstrukturen parallel eines Stromprojektes.

4.3.2.3

Risiken aufgrund des zeitlichen Entwicklungshorizontes

Die Entwicklung und technische Umsetzung eines geothermischen Projekts zieht sich von der ersten Projektidee bis zum Abschluss der Erprobung der Energieerzeugungsanlage über einen langjährigen (>> 5 Jahre) Zeitraum hin. Damit nimmt die Geothermie im Bereich der erneuerbaren Energien die längsten Entwicklungszeiträume in Anspruch, vergleichbar allenfalls noch mit der Offshore-Nutzung der Windenergie. Die lange Entwicklungszeit geothermischer Projekte hat unmittelbar zur Folge, dass ein Projekt schwer überschaubaren Änderungen in den energiewirtschaftlichen und genehmigungsrechtlichen Rahmenbedingungen ausgesetzt ist. Dies muss nicht unbedingt immer negativ sein. In den letzten Jahren haben sich in Deutschland vor allem zusätzliche Chancen ergeben durch die mehrmals angehobene EEG-Vergütung, aber auch Risiken realisiert durch den Wegfall einer besonderen Förderung für Kraft-Wärme-Kopplung. Unter genehmigungsrechtlichen Gesichtspunkten ist zu beachten, dass bei einem Geothermieprojekt in Deutschland genehmigungsrechtlich zwischen dem der Bergbehörde unterstellten untertägigen Teil einschließlich Thermalwasserkreislauf und den dem Baurecht unterstellten obertägigen Teil – Energieverwertungsanlagen – zu unterscheiden ist. Die Genehmigungsfähigkeit eines dieser Bestandteile führt keine Genehmigungsfähigkeit des anderen Bestandteils nach sich. Zeitlich geht die Bohrungserstellung der Errichtung der obertägigen Anlagen erheblich voraus. Damit stellt sich die Frage, inwieweit das Risiko in Kauf genommen werden kann, zunächst nur die Genehmigungsvoraussetzungen der Bohrungen zu erfüllen, um dann anschließend zu versuchen, die obertägigen Genehmigungen zu erlangen. Vor dem Hintergrund der bis dahin aufgelaufenen Projektkosten erscheint es angezeigt, die Genehmigungssituation auch für die Obertageanlagen im Zuge der ersten Entwicklungsphase vor Beginn der Bohrungen hinreichend zu klären. Wie „hinreichend“ zu definieren ist, ist wiederum Frage der eigenen Risikobereitschaft: Dies kann von einem Screening der wesentlichen Genehmigungsfragen ohne Einschaltung der Behörden über detaillierte Bauvoranfragen bis hin zu kompletten Bauanträgen gehen. Da dies jedoch im Regelfall Jahre vor Realisation der Anlagen und in Unkenntnis der Ergebnisse der Bohrungen erfolgen muss, ist letztlich in Kauf zu nehmen, dass gewisse Unsicherheiten hinsichtlich der später zu genehmigenden Anlagen Bestand haben. Dies betrifft insbesondere Verstromungsanlagen, während die Vorplanbarkeit einer rein auf Fernwärmenutzung

194

4 Technische Rahmenbedingungen

ausgerichteten Anlage erheblich höher liegt, da der technisch-finanzielle Umfang der obertägigen Anlagen sowie die Abhängigkeit von gesetzlichen Fördermechanismen deutlich geringer ausfallen.

4.3.2.4

Planungsrisiken

Eine Geothermieanlage besteht aus mehreren funktionalen Einheiten, die zu einer funktionierenden Gesamtanlage verschmolzen werden müssen. Diese sind:     

Kombination von Förder- und Reinjektionsbohrungen, Pumpenanlage zur Förderung und Reinjektion des Thermalwassers, Obertägiger Thermalwasserkreislauf zur Verbindung der Förder- und Reinjektionsbohrungen mit der Energieverwertungsanlage, Energieverwertungsanlage (Strom-/Wärmeerzeugung) und Bauliche Anlagen.

Die Erstellung dieser funktionalen Einheiten erfolgt zeitlich getrennt, wobei verschiedene Ingenieursdisziplinen für die Planung dieser Einheiten zuständig sind. Im Gegensatz zum konventionellen Kraftwerksbau, wo übergreifende Planungen der Standard sind, ist eine solch enge Verknüpfung in der Geothermie derzeit noch kaum gegeben. Insbesondere bei den Planungen der Bohrungen besteht damit das Risiko, dass spätere Betriebsanforderungen aus den Obertageanlagen noch nicht ausreichend Gehör finden, sei es, dass noch keine Kenntnis darüber besteht, sei es, dass keine ausreichende Kommunikation zwischen den einzelnen Gewerken stattfindet. Für die Projektplanung im Bereich Bohrung ist es daher wichtig, sich die Anforderungen aus den obertägigen Anlagen rechtzeitig – zumindest innerhalb bestimmter Grenzen – bewusst zu werden. Diese Anforderungen ergeben sich insbesondere an Vorgaben über Förderraten, erwartete Förder- und Reinjektionstemperaturen sowie das obertägige Druckregime. Hieraus resultieren letztlich entscheidende Vorgaben für die Einbauverhältnisse der Tiefenpumpe und der Festigkeitsanforderungen für das Casingdesign. Beispielhaft ist es wichtig, sich über die Dimensionierung der erforderlichen Förderpumpe, zu erwartender Absenkungen und Leerlaufteufen zum Erreichen der erforderlichen Förderrate ausreichend Gedanken zu machen. Dies sollte, um hinterher nicht mehr zu korrigierende Auslegungsfehler mit möglichen schwerwiegenden Auswirkungen auf die Projektrentabilität zu vermeiden, integraler Bestandteil der Bohrplanung sein. Dem Entwickler muss dabei bewusst sein, dass das noch nicht vorhandene Wissen um die tatsächlichen Förderbedingungen eine Betrachtung unter Bewusstsein dieser Unsicherheit erforderlich macht. Die Auslegung der obertägigen Anlagen bestimmt sich durch die Erwartungen an Förderund Injektionsrate, Fördertemperatur sowie der chemisch-physikalischen Eigenschaften des Thermalwassers. Es gilt, unter den gegebenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine Auslegung zu finden, die langfristig eine optimale Wirtschaftlichkeit garantiert. Hauptproblem dabei ist, dass sich im Vorhinein die Förderbedingung nicht prognostizieren lässt, sondern je nach Projektstand – z.B. nach Seismikuntersuchung, vor Bohrungen, nach erstem Kurzzeittest, nach Langzeittest – bestimmte Unsicherheiten aufweist. Zu jeder dieser

4.3 Management zentraler Fertigstellungsrisiken

195

Phasen ist eine Auslegung möglich. Je nach Erfolg der Hochrechnung wird sich eine mehr oder weniger fundierte Auslegung ergeben. Die frühere Auslegung spart Zeit und Kosten, da letztlich auf das Abwarten auf Testergebnisse verzichtet werden kann und die Tests insgesamt preiswerter gestaltbar sind. Dabei sollte aber ins Kalkül gezogen werden, dass diese Zeitersparnis und Kostenersparnis im Verhältnis zur Lebensdauer einer Geothermieanlage möglicherweise sehr gering sind. Eine fundierte Testausführung dürfte Mehrkosten im oberen sechsstelligen Bereich nach sich ziehen und Zeitersparnisse von einigen Monaten bringen. Eine nicht unwahrscheinliche Fehlauslegung, die gegenüber dem erreichbaren Bestpunkt um 10 % abweicht, wird über mehrere Jahrzehnte beachtlich wiegen. Was stromerzeugende Anlagen angeht, sind diese derzeit im Rahmen des deutschen EEG gefördert. Eine Besonderheit dieser Förderung ist dabei, dass der Strombezug zur Deckung des Eigenbedarfs dabei derzeit zu – niedrigeren – Marktpreisen bezogen werden kann. Dieser Mechanismus sollte bei wirtschaftlicher Bewertung des komplizierten Bezugsgeflechts angestrebter Förderrate/erforderlicher Pumpaufwand/Lebensdauer der Anlage/Höhe der Stromvergütung nach Auslauf der Förderung/Kosten des Strombezugs nach Auslauf der Förderung/Stabilität des derzeitigen Fördermodells in Abhängigkeit der geplanten Inbetriebsetzung der Anlage sorgfältig betrachtet werden. Der Nachweis, in welchem Maß das Projekt die verfolgten Ziele erreicht hat, ist dann erreicht, wenn im Rahmen eines der Abbildung der späteren Nutzung entsprechend angelegten Langzeittests die Qualität und Nachhaltigkeit der erschlossenen Quelle gelungen ist. In der Realität zeigt sich dabei häufig, dass ein solcher anwendungsnaher Test nicht möglich ist. Zumeist gelingt es in der Testphase nicht vollständig, geplante Förderrate und Reinjektionsbedingungen des späteren Betriebs abzubilden. Restriktionen in der Verfügbarkeit entsprechend dimensionierter Förderpumpen, Kühleinheiten zur Energieabfuhr und Abbildung der Reinjektionstemperatur und nicht zuletzt die Kosten eines solchen aufwendigen Testbetriebs zwingen häufig zu Kompromissen. Dies gilt umso mehr, je höher geplante Förderrate und ∆T zwischen Förder- und Reinjektionsbohrung sein sollen. Dies hat unmittelbar zur Konsequenz, dass der Erfolgsnachweis der Bohrungen und die Bestimmung der Reservoireigenheiten vollständig erst im Betrieb der Erzeugungsanlagen erfolgen können. Damit legt sich ein weiteres Risiko offen, nämlich die damit zwingend notwendige Auslegung von Erzeugungsanlagen unter noch bestehender Restunsicherheit. Beispielhaft und keinesfalls abschließend für das Eintreten dieses Risikos sei genannt:   

Suboptimale Bestimmung der gewählten Förderrate in Abhängigkeit des Pumpenenergiebedarfs im Verhältnis zur möglichen Dimension der obertägigen Energieerzeugungsanlage, Falsche Wahl von Druckstufen und Werkstoffen der obertägigen Anlagen auf Basis ungenauer Bestimmung der Thermalwasserqualität, Kontinuierlicher Teillastbetrieb der Anlage als Folge überschätzter hydraulischer Qualität des Reservoirs.

Die vorgenannten Beispiele können die Wirtschaftlichkeit eines Projektes erheblich beeinträchtigen.

196

4 Technische Rahmenbedingungen

Dieses Thema findet im Spannungsfeld zwischen Technik und Investitionskapital häufig nicht die erforderliche Aufmerksamkeit. Insbesondere Projekte, die in der Business-Planung hohe Projektrenditen aufweisen sollen, leiden darunter, dass langfristig mögliche, nachhaltige Ergebnisse bei hohen Abzinsungsfaktoren unterbewertet werden, andererseits „Verzögerungen“ durch sorgfältige Planung aufgrund der hohen Kapitalbindung in dieser Phase überbewertet werden.

4.3.2.5

GU-Verträge und Versicherungslösungen

Die Reduzierung von Projektrisiken ist in gewissem Umfang möglich, in dem man sie Dritten überwälzt. Dies kann vertraglich geschehen im Rahmen von Liefer-, Werk- und Generalunternehmerverträge oder durch Erstattung der Schäden aus tatsächlich eingetretenen Risiken im Rahmen abgeschlossener Versicherungen404. Im Rahmen von Lieferverträgen übernimmt ein entsprechend fachlich versiertes Unternehmen bestimmte definierte Risiken, typischerweise Termin-, Kosten- und Schnittstellenrisiken gegen eine entsprechende Vergütung. Im Bereich der Geothermie gibt es zwei nicht miteinander verbundene Komplexe, in denen durch Generalunternehmerverträge die obigen Risiken – teilweise – übernommen werden können. Diese Bereiche sind zum einen die Erstellung der Bohrung, zum anderen die Errichtung der obertägigen Anlagen. Klassischerweise arbeiten bei einem Bohrprojekt eine Vielzahl spezialisierter Unternehmen am Projekt „Erstellung der Bohrung“: Dies sind vom Betreiber der Bohranlage über spezialisierte Unternehmen für die Spülungskontrolle, den Zementationsservice, den Richtbohrservice, Messungservice eine große Anzahl einzelner Dienstleister, die es zu koordinieren gilt. Unternehmen, deren Hautgeschäftsfeld das Abteufen von Bohrungen ist (Kohlenwasserstoffindustrie), verfügen über entsprechende Stäbe und Spezialisten, die den Ablauf einer Bohrung selbst koordinieren, überwachen und die Verfügbarkeit der benötigten Einsatzmaterialien zum richtigen Zeitpunkt sicherstellen. Im Geothermiebereich sind häufig Unternehmen tätig, die nur ein einziges Mal eine Bohrung niederbringen wollen. Entsprechend gering ist die Spezialisierung für diesen Geschäftszweck. In Folge ergibt sich daraus eine Nachfrage nach Vertragsmodellen, die die Koordinationsaufgaben abdecken und das Erreichen bestimmter Bohrziele, insbesondere die der geplanten Bohrkosten, abdecken. Übliche Vertragsmodelle, die sich daraus ableiten und am Markt verfügbar sind: 

404

Generalunternehmerfunktion eines Bohranlagenbetreibers dahingehend, dass er die Koordination des kompletten Bohrprozess inklusive Materialbeschaffung übernimmt. Das Kostenrisiko aus Bohrzeit und Materialeinsatz bleibt komplett beim Auftraggeber.

Um einem möglichen Missverständnis vorzubeugen: Es geht dabei nicht darum, dass alle denkbaren Risiken auf Dritte übertragen werden. Dies liegt daran, dass jeder Risikotransfer Kosten verursacht, der wiederum die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens verschlechtert. Vielmehr geht es darum, über einen angemessenen Risikotransfer Anreize so zu setzen, dass die jeweiligen Projektparteien ein Interesse am Projekterfolg haben. Siehe hierzu J. Böttcher 2012, S. 67–97.

4.3 Management zentraler Fertigstellungsrisiken 



197

Generalunternehmerfunktion dahingehend, dass zusätzlich für bestimmte Teilbereiche des Bohrprozesses, die der Bohrunternehmer für sich vergleichsweise zuverlässig kalkulieren kann, eine Kostengarantie abgegeben wird. Davon ausgeschlossen bleiben schwer kalkulierbare Ereignisse oder Bereiche. Diese sind insbesondere das Erbohren der eigentlichen Förderstrecke im Reservoir einschließlich Stimulationsmaßnahmen. Ausgeschlossen bleibt auch das sog. „geologische Risiko“, das sind Zeitverluste und Mehrkosten, die sich aufgrund der Geologie ergeben. Hierzu zählen z.B. Aufgabe von Gerät, das im offenen Bohrloch stecken bleibt und dadurch erforderliche Neubohrung eines Teils der Bohrstrecke, Mehrkosten aus unerwarteten Spülungsverlusten etc. Diese Vertragskonstruktion ermöglicht insgesamt eine höhere Kostensicherheit, gleichwohl lässt sich das wesentliche und oft kostenentscheidende geologische Risiko jedoch nicht abwälzen. Im Bereich des obertägigen Anlagenbaus sind geothermische Energieerzeugungsanlagen prinzipiell ähnlich dem klassischen Anlagenbau einzuordnen. Generalunternehmer sind hier bereit, die im Anlagenbau üblichen Risiken – Schnittstellenrisiko, Terminrisiko, technische Daten, Anlagenverfügbarkeit, etc. – abzudecken.

Ausgeschlossen wird regelmäßig jedoch das Risiko, dass die wichtigen Parameter des geologischen Reservoirs – Förderrate, Temperatur, Chemismus – von den Auslegungsvorgaben abweichen. Dies ist vergleichbar dem klassischen Kraftwerksbau, wo auch die Auslegung entsprechend der Kundenvorgabe hinsichtlich des einzusetzenden Brennstoffs erfolgt. Nichts anderes als der Brennstoff ist das Thermalwasser für eine geothermische Energieerzeugungsanlage. Der exakten Bestimmung dieser Auslegungsparameter sollte daher entsprechende Sorgfalt gewidmet werden405. Klarstellend sei an dieser Stelle angemerkt, dass es über Generalunternehmerverträge nicht möglich ist, entgangenen Gewinn – z.B. aufgrund Minderleistung, Terminverzug – vollständig abzusichern. Übliche Vertragsstrafen und Pönalen sind aus Sicht des Auftraggebers eher eine wirtschaftlich starke Motivation, die Projektziele zu erreichen. Auch sollte klar sein, dass dies unmittelbar in die Kalkulation der Preisangebote einfließt. Einen Sonderfall stellen die Thermalwasserpumpen dar. Deren Verfügbarkeit bestimmt die Verfügbarkeit des „Brennstoffes“ Thermalwasser und damit die Verfügbarkeit der obertägigen Anlage. Zum derzeitigen Zeitpunkt besteht seitens der Generalunternehmer keine Bereitschaft, eine bestimmte Verfügbarkeit der Obertageanlagen unter Einschluss des Risikos des Ausfalls der Thermalwasserpumpe zu garantieren. Hier kann der Entwickler und Betreiber allerdings durch entsprechende Ersatzvorhaltung die Zeit eines Anlagenausfalles auf ein erträgliches Maß minimieren. Neben der vertraglichen Absicherung bestimmter Risiken können durch Abschluss entsprechender Versicherungen die wirtschaftlichen Folgen eingetretener Schäden begrenzt werden. Versicherer bieten ihre Dienste üblicherweise dann an, wenn ein Risiko stochastisch beurteilbar ist, so dass Schadenswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe bewertbar sind. Die Versicherungsprämie ermittelt sich dann grob aus Multiplikation dieser Faktoren zzgl. Gewinnaufschlag der Versicherung. Für die Entwicklung eines geothermischen Projekts sind folgende spezielle Versicherungen denkbar: 405

Siehe hierzu die Ausführungen von Prof. Dr. Ernst Huenges in Kapitel 4.1.

198   

4 Technische Rahmenbedingungen Fündigkeitsversicherung Lost-in-Hole-Versicherung Bohrleistungsversicherung

Zweck einer Fündigkeitsversicherung ist die Absicherung des finanziellen Schadens – Bohrkosten – bei Misserfolg einer Bohrung. Misserfolg definiert sich hierbei als Nichterreichen der angestrebten Förderziele – Fördertemperatur, Förderrate, thermische Leistung der Bohrung. Voraussetzung für das Ausreichen von Fündigkeitsversicherungen ist die Abschätzbarkeit des Fündigkeitsrisikos durch den Versicherer. Die Einschätzungen über diese Möglichkeit variieren in Abhängigkeit der Region, in dem sich das zu versichernde Projekt befindet. Fündigkeitsversicherungen sind eine Besonderheit des deutschen Geothermiemarktes. Der Hintergrund dürfte in den relativ hohen Bohrkosten liegen, die hier aufgrund der niedrigen Temperaturgradienten und der damit erforderlichen Teufen notwendig werden. Lost-in-Hole-Versicherungen decken die Kosten in Bohrungen verloren gegangenen Equipments sowie gegebenenfalls angefallene Bergungskosten ab. Sie stellen im Bohrsektor Standardprodukte dar, die oft auch von den Serviceunternehmen vermittelt werden, die die verlustgefährdeten Bohrwerkzeuge – z.B. teures Richtbohrequipment – vermieten. Bohrleistungsversicherungen decken Kosten ab, die bei technischen Friktionen im Bohrloch (z.B. Absturz eines Casingstrangs ins offene Bohrloch) anfallen. Das Angebot solcher Versicherungen und deren Konditionen sind sehr stark beeinflusst von den aktuellen Schadensquoten und der Marktnachfrage.

4.3.2.6

Wahl der Erschließungsstrategie

Der erste Schritt in der Projektentwicklung ist das Finden geeigneter untertägiger Erschließungsziele und die damit verbundene obertägige Standortfestlegung. Die Evaluation eines Aufsuchungsbereichs kann auf verschiedenen Wegen erfolgen, vom eher selten Anwendung findenden Festlegen eines vorgegebenen Standortes obertage ohne geologische Optimierung des Erschließungsziels über einfachere Reinterpretation vorhandener geologischer Untersuchungen – insbesondere 2-D-Seismik – bis hin zu aufwändigen seismischen Untersuchungen und Interpretationen. Zwischen diesen Extremen liegen einerseits erforderliche Entwicklungszeiten von gegebenenfalls mehreren Jahren und Kosten im Bereich einiger Mio. Euro. Dem sicheren Zeitgewinn und Kostenersparnis bei Verzicht auf eine vertiefte Evaluation stehen entsprechende Risiken hinsichtlich der Fündigkeit entgegen. Da ein unfündiges Projekt den Totalverlust des eingesetzten Kapitals bedeutet, sind diese Risiken sorgfältig abzuwägen. Erster Beurteilungsmaßstab sollten die engräumig vorhandenen regionalen Erfahrungen sein. Dies bedeutet zunächst die Betrachtung aller einfach aufgreifbaren Informationen über den Projekterfolg nahgelegener Vorprojekte. Keinesfalls sollten Ergebnisse einer geothermischen Region unreflektiert auf eine andere Region übertragen werden, beispielsweise im Molassebecken angewandte Strategien auf den Oberrheingraben. Im Sinne einer Risikominimierung sollte auch der Erfahrungsschatz eige-

4.3 Management zentraler Fertigstellungsrisiken

199

ner geologischer Planer in der betreffenden Region kritisch hinterfragt werden. Auch hier gilt: Was anderswo gut funktionieren mag, kann an anderer Stelle Grund des Scheiterns sein. Gepaart werden sollte dies mit einer Abwägung der eigenen Fündigkeitsziele. Hier stellt ein Stromprojekt mit einer Erfordernis einer Schüttung von deutlich mehr als 100 l/s einen anderen Maßstab dar als ein kleineres Fernwärmeprojekt mit einer Zielvorstellung von vielleicht 50 l/s. Als Generalaussage kann gelten, dass eine erhebliche Risikominimierung erreichbar ist, wenn ein Projekt mit aufwändiger geologischer Evaluation (d.h. neue 3-D-Seismik, Anwendung der aktuellsten Interpretationsmethodik und wissenschaftlicher Ansätze) durchgeführt wird. Ein völliger Risikoausschluss lässt sich damit jedoch, wie immer wieder Projektbeispiele in Deutschland zeigen, nicht erreichen. Nicht jedes Projekt wird eine solch aufwändige Evaluation wirtschaftlich tragen können. Dann kann nur für den Einzelfall abgewogen werden, ob ein sowohl kostenmäßig als auch zeitlich reduziertes Evaluationsverfahren mit einem vertretbaren Risiko auf sich genommen werden kann.

4.3.2.7

Das bohrtechnische Risiko

Nach Festlegung der Bohrziele müssen diese bohrtechnisch erschlossen werden. Der im bergmännischen allbekannte Spruch „vor der Hacke ist‘s duster“ hat seine Berechtigung. Havarien sind Alltag im Bohrgeschehen und von daher ist es sinnvoll, sich bereits im Vorfeld mit diesen Möglichkeiten gedanklich auseinanderzusetzen, insbesondere mit festzulegenden Handlungsstrategien bereits darauf vorzubereiten. Das Risiko liegt dabei weniger darin, das Bohrziel räumlich zu verfehlen. Bohrtechnisch lässt sich das im Regelfall, wenn auch unter Inkaufnahme von zusätzlichen Kosten, umsetzen. Das eigentliche Risiko liegt vielmehr darin, dass auf diesem Weg sowohl der Terminals auch der Kostenplan verlassen werden können. Im Einzelfall können diese Abweichungen sehr erhebliche Größenordnungen annehmen (durchaus bis hin zur Verdopplung sorgfältig geplanter Bohrkosten). Dies kann dazu führen, dass im Vorfeld gesteckte Ziele nicht mehr erreicht werden können bzw. Finanz- und Zeitressourcen aufgebraucht werden. Gerade im Bereich Geothermie dürfte das Bewusstsein um bohrtechnische Schwierigkeiten bei Entscheidungsträgern und Investoren nicht so ausgebildet sein, wie dies bei in der Erdölund Erdgasexploration tätigen Unternehmen vorausgesetzt werden kann. Die Schaffung des Bewusstseins um die Alltagsrisiken des Bohrgeschäfts, verbunden mit zweckgebundenen Zeit- und Kapitalreserven, ist wichtig, um bei Friktionen Entscheidungen nicht kurzsichtig und panisch zu treffen. In diesem Bewusstsein empfiehlt es sich, vor Start der Bohrtätigkeit den eigenen Geschäftsplan mit einer großzügig bemessenen und für diese Zwecke ausgewiesenen Reserve, sowohl finanziell als auch zeitlich auszustatten. Zu diesem Zeitpunkt ist es auch nochmals angebracht, die eigene gewünschte Rolle mit dem geplanten Projekt abzugleichen und sich dann bewusst für den Schritt des Bohrens zu entscheiden. Havarien können die verschiedensten Ursachen haben, die sicherlich teils dem Faktor „Pech“ zuzuordnen sind, häufig aber auch ihre Ursachen in der Auslegung und der Wahl des Bohrprozesses finden. Von daher sollte bereits die Planung der Bohrung darauf abzielen, die

200

4 Technische Rahmenbedingungen

Wahrscheinlichkeit einer Havarie zu reduzieren. Die Festlegung der Auslegung und des Bohrprozesses finden vor dem Hintergrund bestimmter geologischer und wirtschaftlicher Annahmen statt. Diese Festlegungen haben auch Einfluss auf die Plankosten des Prozesses. Die Plankosten einer Bohrung steigen, je konservativer eine Bohrung hinsichtlich Belastbarkeit, d.h. im Wesentlichen hinsichtlich der Casingstärken, ausgelegt wird. Die Mehrkosten zwischen einem „Hosenträger“ mehr oder weniger sind dabei, solange das Grunddesign nicht beeinflusst wird (d.h. die Stufung der einzelnen Bohrungsabschnitte zueinander), im Verhältnis zu den Gesamtkosten eher gering. Der Sicherheitsgewinn gegenüber bohrbedingter Abnutzung des Casings, Sicherheit gegen unerwartete „unfreundliche“ Geologie (z.B. nicht bekannte Bergdrücke), Sicherheit bei Schlechtzementation ist dagegen wertvoll. Die im Bohrprozess gefährlichsten Phasen sind immer die Zeiträume, in denen im unverrohrten Bereich gearbeitet wird. Ziel muss es also sein, diese Phasen auf ein Minimum zu reduzieren und die Bohrziele möglichst schnell zu erbohren. Was den Bohrprozess angeht, steht in den letzten Jahren mit der breiteren Einführung automatischer Richtbohrsysteme (RSS = rotary steerable systems) Technologie zur Verfügung, die insgesamt einen schnelleren und aus einer Reihe von Gründen zusätzlich risikoreduzierten Bohrbetrieb ermöglicht. Schneller, weil diese Systeme größere Bohrfortschritte als konventionelle Richtbohrantriebe ermöglichen. Sicherer zum einen, da geologisch problematische Zonen schneller durchteuft werden und damit kürzere Verweilzeiten des Bohrstrangs im unverrohrten Bereich der Bohrung erzielt werden. Zum anderen aber auch deswegen, weil diese Technologie insgesamt eine engere Einhaltung des vorgegebenen Bohrpfades und maßhaltigere Bohrungen ermöglicht. Dieses wiederum unterstützt u.a. das Gelingen von Rohreinbau und Zementation. Auch diese Systeme sind natürlich mit gewissen Nachteilen und Risiken verbunden. Dies sind in erster Linie die höheren Kosten für diese Richtbohrantriebe (ca. doppelte Kosten wie bei konventionellen Systemen), die möglicherweise nicht vollständig durch Zeiteinsparungen im Bohrprozess kompensiert werden. Zum anderen ist natürlich das absolute Kostenrisiko von Werkzeugverlusten entsprechend höher, relativ dürfte es jedoch sinken. Ex ante lässt sich – auch aufgrund noch relativ geringer Erfahrung in der Geothermie – nicht abschließend beurteilen, welches Richtbohrsystem in Summe seiner Auswirkung auf alle Gewerke wirtschaftlicher arbeiten wird, ex post betrachtet ist ein Vergleich gegebenenfalls auch nicht einfach. Bei einer Abwägung der Alternativen sollte jedoch dem erheblichen Aspekt der Risikoreduzierung ein entsprechender Gegenwert zugebilligt werden. Havarien kündigen sich üblicherweise nicht an, sondern treten meist völlig unerwartet auf. Sie erfordern im Allgemeinen eine schnelle Reaktionszeit. Dies umso mehr, da auch ein Unterbrechen des Bohrprozesses weitere, hohe Stand-By-Kosten nach sich zieht. Havarien sind häufig mit dem Verlust von Bohrwerkzeugen im Bohrloch und einer damit einhergehenden Blockierung der Bohrstrecke verbunden. Hier ist die übliche Abwägung „Wert der Ausrüstung und Verlust von Bohrstrecke“ gegenüber „Rückzug und Fortsetzung der Bohrung aus einem höher gelegenen Bohrlochabschnitt“. Dies bedeutet die Abwägung von Grenzkosten eines weiteren Tages Havariebeseitigung – vergleichsweise billig – gegenüber der Aufgabe von Ausrüstung und Strecke – gefühlt teuer. Der Versuch, viele Tage Grenzkosten zu tragen, um am Ende doch zu scheitern, kann noch teurer werden.

4.3 Management zentraler Fertigstellungsrisiken

201

Sinnvoll ist es daher, bereits im Vorfeld zu bestimmen, wie viele Versuche/Tage pro Havarie an Beseitigungsmaßnahmen aufgewendet werden (z.B. drei Fish-Versuche bei Bohrmeißelverlust), um anschließend konsequent abzubrechen und sich beschränkt aus der Bohrstrecke zurückzuziehen. Ähnliche Überlegungen lassen sich auch für den Fall anstellen, dass ein bestimmter Abschnitt des Bohrpfades unerwartete bohrtechnisch-geologische Schwierigkeiten mit sich bringt. Auch hier kann ein Abbruch mit beschränktem Rückzug die bessere Lösung sein. Wichtig ist, dass die Handlungsstrategie (Abbruchstrategie) und ein „Plan B“ für bestimmte Problemstellungen im Vorfeld der Bohrung festgelegt werden, da sie nur so dann konsequent zur Umsetzung kommen werden. Der Entscheidungsdruck in einer bereits konkreten Havariesituation ist für die Festlegung solcher Strategien nicht hilfreich.

4.3.2.8

Nachhaltigkeit der Förderung

Die Nachhaltigkeit der Förderung aus einem geothermischen Reservoir wird bestimmt durch den Zeitraum, in dem die erreichten Förderziele – Temperatur, Förderrate – gehalten werden können. Eine niedrigere Fördertemperatur ist Folge einer Auskühlung der Bohrung durch Beeinflussung aus eigenen oder fremden Reinjektionsbohrungen, Veränderung der Förderrate bzw. der für die Förderung einer bestimmten Rate erforderlichen Absenkung des Reservoirs Folgen des Druckregimes anderer Bohrungen. Einflussparameter sind insbesondere die räumliche Lage der Förder- und Reinjektionsstrecken, einerseits im Verhältnis zueinander und im Verhältnis zu Bohrungen Dritter. Für eine Beurteilung der Verhältnisse sind die regionalen Kenntnisse zum Reservoir heranzuziehen, auf deren Basis ein geologisches Modell entwickelt werden kann, das die Beeinflussungen der Bohrungen und die zeitliche Entwicklung dieser Beeinflussung abbildet. Auch hier gilt, dass nur auf Basis einer Einzelfallbeurteilung das Projektrisiko herausgearbeitet werden kann. Risiko und Chance unterschiedlicher Erschließungsstrategien sind vor den eigenen Zielen und Möglichkeiten des eigenen Förderfeldes abzuwägen. Die Nachhaltigkeit der Förderung wird jedoch auch bei idealen geologisch-hydraulischen Bedingungen nur erreicht, wenn die technische Auslegung und Durchführung Bohrungen in einem Ausbauzustand liefert, die ihren Belastungen langfristig gewachsen sind. Belastungen sind insbesondere aus der Aufheizung durch das warme Thermalwasser sowie den Drücken des umliegenden Gebirges möglich. Hier gilt es bei der Planung der Bohrung ein realistisches Bild möglicher Belastungen zu ermitteln. Realistisch heißt, dass auch unerwartete Friktionen während der Bohrung (höhere Belastung und Verschleiß (Casingabrieb) aus dem Bohrprozess), aber auch unerwartete Belastungen aus dem Gebirge – Gebirgsdrücke und höhere Temperaturen – angemessen Berücksichtigung finden. Den relativ geringen Einsparungen – insbesondere bei den Casingkosten – bei schwacher Auslegung der Bohrung steht ein langfristig hohes Risiko entgegen, nämlich das Versagen (Kollaps) der Bohrung aufgrund mangelhafter Statik mit der Gefahr des Totalverlusts einer Bohrung. Generell gilt, dass kollabierte Bohrungen zwar in gewissem Umfang wieder instand gesetzt werden können. Solche Workover-Arbeiten sind jedoch zeit- und kostenintensiv und können nicht parallel zur Nutzung der Geothermiequelle erfolgen. Zusätzlich ist im-

202

4 Technische Rahmenbedingungen

mer davon auszugehen, dass die Nutzbarkeit einer reparierten Bohrung hinter dem unversehrten Zustand zurückbleibt.

4.3.2.9

Risikominimierung durch alternative Wärmeplanung

Mangelnde Fündigkeit der Bohrung, und zwar sowohl hinsichtlich Temperatur als auch Förderrate, gefährdet insbesondere Stromprojekte, da diese für ihre Gesamtwirtschaftlichkeit insgesamt höhere Fündigkeiten benötigen als übliche Wärmeprojekte. Dies liegt insbesondere an den wesentlich höheren Kosten der obertägigen Anlagen und den hohen Bohrkosten aufgrund der erforderlichen Teufe zum Erreichen der höheren Temperaturen. Eine umsichtige Projektentwicklung für ein Stromprojekt sollte stets auch die Alternative eines Wärmeprojektes vor Augen haben. Dieses kann bei niedrigerer Fündigkeit zumindest das Verlustrisiko reduzieren.

4.3.2.10

Öffentlichkeitswirkung

Wie jedes größere Infrastrukturprojekt wird ein Geothermieprojekt öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das Risiko liegt in einer negativen Wahrnehmung des geplanten Vorhabens, aus der sich ein öffentliches Engagement gegen das Vorhaben entwickelt. Die Erfahrung zeigt, dass eine konkrete Gefahr von Terminverzögerungen bis Scheitern des Projektes besteht406. Diesem Risiko kann mit einer geeigneten, auf die jeweilig negativ betroffenen Gruppen zugeschnittenen Öffentlichkeitsarbeit begegnet werden. Wichtig erscheint dabei, bereits im Vorfeld möglichen Widerstand zu identifizieren, um die gesamte Entwicklungsstrategie dann so auszurichten, dass ein Widerstand von vornherein möglichst gering gehalten wird. Eine denkbare Strategie ist dabei, möglichst viele der mittelbar und unmittelbar betroffenen Interessensgruppen positiv in das Projekt einzubeziehen, so dass dieses als nutzbringend gesehen wird. Beispielhaft kann dies geschehen durch Entwicklung einer Fernwärmestrategie mit der benachbarten Gemeinde, Einbindung lokaler Gewerbebetriebe in den Bauprozess, etc. Wichtig ist die frühzeitige Entwicklung eines Gespürs für die lokalen Strömungen, eine Eigenschaft, die ein erfolgreicher Projektentwickler mit sich bringen sollte.

406

Siehe hierzu den Beitrag von MARTINA LEUCHT in Kapitel 5.1.

4.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten von Geothermie-Vorhaben

4.4

203

Betriebserfahrungen und Betriebskosten von Geothermie-Vorhaben DR. HEINER MENZEL

4.4.1

Einführung

Das hochkomplexe Feld der energetischen Nutzung von Tiefer Geothermie erfordert viel Erfahrung, um diese geothermischen Anlagen, mit dem richtigen Anlagenkonzept sicher und zuverlässig zu betreiben. Die Erfahrungen im Betrieb von geothermischen Anlagen zur Stromerzeugung in Deutschland sind bisher noch begrenzt. Sie basieren auf ersten Stromerzeugungsanlagen in NeustadtGlewe, Landau, Unterhaching und Bruchsal. Mehr Erfahrungen liegen bei Anlagen zur Wärmegewinnung vor, da diese bereits erheblich länger in Betrieb sind. Erfahrungen aus ausländischen Anlagen lassen sich nicht bedingungslos auf die Anlagen in Deutschland übertragen, da sich global jeder geothermisch genutzte Standort durch die speziellen Gegebenheiten (Untertage und Obertage) vor Ort sowie die regionalen und länderspezifischen Vorgaben unterscheidet. Auch ein Vergleich mit den klassischen fossil-betriebenen Energieerzeugungsanlagen ist nicht ohne weiteres möglich. Der Betrieb von geothermischen Anlagen unterscheidet sich von konventionellen Energieerzeugungsanlagen, weil die Gewinnung der Primärenergie direkter Bestandteil der Anlage ist. Änderungen von Primärenergieparametern (Thermalwassertemperatur, Thermalwassermenge, Chemismus, Gasgehalt, Verunreinigungen) wirken sich, anders als bei den fossilbetriebenen Energieerzeugungsanlagen, direkt auf die geplanten bzw. vertraglich vereinbarten Erzeugungsparameter aus. Übertragen auf konventionelle Energieerzeugungsanlagen würde dies bedeuten, dass es während des Betriebes zu einer gravierenden Änderung des Heizwertes der fossilen Brennstoffe kommt. Dies hätte vergleichsweise nicht unwesentlichen Einfluss auf die Qualität sowie Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit dieser Erzeugung. Die energetische Nutzung von Tiefer Geothermie kann in die Phasen aus Tabelle 8 aufgeteilt werden. Der Betrieb spielt hierbei eine zentrale Rolle, er ist als Qualitätsmerkmal der Planung und Konzeptentwicklung zu sehen. Hier wird das Geld verdient, welches investiert wurde. Jede Phase kann für sich betrachtet werden. Tabelle 8: Projektphase Gegenstand

Phasen einer ganzheitlichen Nutzung von geothermischer Energie Projektidee/ Konzept Definition der Projektziele

Projektentwicklung Entscheidungsgrundlage für die Investition

Bohrung und Obertageanlage Bohrarbeiten, Kraftwerksbau, Inbetriebnahme

Betrieb/Ausbau/ Fernwärme Umsichtiger Betrieb der komplexen Anlage, Ausbau der Fernwärme

Rückbau/ Verfüllung Obertageanlage, Bohrungen

Grundlegend gilt, dass eine geothermische Anlage ein komplexes System zur energetischen Nutzung einer geologischen Ressource mit folgenden Inhalten (s. Abbildung 41).

204   

4 Technische Rahmenbedingungen Energiegewinnung: Nutzung einer Wärmelagerstätte durch einen geeignetes Wärmeträgermedium/Transportmittel unter Berücksichtigung der Regelungen des Bundesberggesetzes (BbergG). Energieumwandlung: Stromerzeugung und/oder Wärmeauskopplung aus dem spezifischen Wärmeträgermedium. Energienutzung/Verteilung: Energiebereitstellung durch Einspeisung in ein vorhandenes oder neu zu errichtendes Energienetz (Strom, Wärme, Kälte); Direkte Versorgung von Kunden oder Übergabe an ein externes Energieunternehmen.

Energiegewinnung

Energieumwandlung

Abbau einer Wärmelagerstätte

Stromerzeugung/ Wärmeauskoppel.

Primärenergie

Energienutzung/ Verteilung Strom- und Wärmeabsatz

Nutzenergie

Geothermie Abbildung 41:

Ganzheitlichkeit von geothermischen Erzeugungsanlagen im Vergleich von konventionellen Erzeugungsanlagen

Im Vergleich zu konventionellen Energieerzeugungsanlagen auf Basis fossiler Energieträger (Kohle, Gas, Erdöl) gibt es bei geothermischen Erzeugungsanlagen einen großen Unterschied. Konventionelle Erzeugungsanlagen werden speziell nach dem Energiebedarf der Kunden, dem Eigenbedarf des Nutzers oder der Leistungsvorgaben des Investors (Gemeinde, privater Investor, Energieunternehmen) ausgelegt, also nach gewünschtem Absatz bzw. Erzeugungsleistung. Die dafür erforderliche Primärenergie (Kohle, Öl, Gas) wird entsprechend dem Bedarf beschafft, also am Markt eingekauft und ist ein wichtiger Kostenfaktor im Betrieb der Anlage. Geothermische Kraftwerke gewinnen ihre Primärenergie vor Ort. Dies bedeutet, dass die Auslegung der Anlage nicht nur vom Bauherrn bzw. vom Versorgungsbedarf abhängig ist, sondern das vorhandene Primärenergiereservoir und die Möglichkeit der Gewinnung dieser Energie haben einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Größe der zu errichtenden Anlage. Bei geothermischen Anlagen existiert keine Trennung zwischen Energiegewinnung (Primärenergiebeschaffung) und Nutzung wie bei konventionellen Energieerzeugungsanlagen. Damit ergibt sich hier eine andere Situation. Die Verantwortung des Nutzers/Investors/Betreibers der Energieerzeugungsanlagen erweitert sich um den Bereich der Energiegewinnung, d.h. der Energieförderung aus der Erde. Um diese Energie, vergleichsweise Primärenergie, zu gewinnen, ist ein hoher

4.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten von Geothermie-Vorhaben

205

Kapitaleinsatz erforderlich. Die erforderliche Primärenergie wird nicht mehr während des Betriebes beschafft, sondern in Form von Kapital während des Betriebes betriebswirtschaftlich verwendet (Näheres hierzu unter Ziffer 4.4.6). Damit ist eine ganzheitliche Betrachtung des Betriebes mit der Forderung einer interdisziplinären Zusammenarbeit unterschiedlichster selbstständiger Wirtschaftszweige notwendig, welche im Weiteren erläutert werden. Zuerst soll aber noch auf eine besondere Projektphase – die Inbetriebnahme – hingewiesen werden, welche vor Aufnahme des Regelbetriebes steht und derzeit immer noch stark unterschätzt wird.

4.4.2

Gesamtinbetriebnahme

Die Inbetriebnahmephase ist von besonderer Bedeutung, da hier das erste Mal das Betriebspersonal komplett mit der Anlage vertraut wird. Die Inbetriebnahmephase legt einen wesentlichen Grundstein für den erfolgreichen Anlagenbetrieb. Für alle Energie-Erzeugungsanlagen gilt, dass die Inbetriebnahmephase aus Inbetriebsetzungszeit und Probebetrieb besteht. Allerdings kann die Inbetriebsetzungsphase für geothermische Anlagen mehrere Monate dauern. Grund für die verlängerte Inbetriebsetzungsphase sind nicht die eigentlichen notwendigen Inbetriebsetzungsarbeiten, sondern ein verfahrungsbedingter Hintergrund. Die Erzeugungsqualität hängt unmittelbar mit den Thermalwasserparametern und damit mit der Thermalwasserförderung zusammen. Bei einer Förder- oder Produktionsbohrung von 3 bis 5 km Länge hat diese Strecke Auswirkung auf die Thermalwassertemperatur am Kopf der Bohrung. Im Regelbetrieb kann es je nach Fließmenge zu einem Verlust von 5 bis 10 % zwischen Reservoirtemperatur und der Temperatur am Bohrkopf kommen. Während der Inbetriebnahmephase gibt es einen weiteren Einfluss: Speziell beim Anfahren der Bohrung, d.h. zu Beginn der Förderung, ist die Temperatur der Bohrung und des angrenzenden Gesteins niedriger als vor den Bohrarbeiten. Dies liegt daran, dass die Umgebung der Bohrung durch die Bohrarbeiten (Spülung) abgekühlt wurde und im Zeitraum zwischen Abschluss der Bohrarbeiten und Beginn der Inbetriebnahmephase (ca. 1 bis 2 Jahre) sich die Umgebung der Bohrung noch nicht auf ihr ursprüngliches Temperaturniveau erwärmen konnte. Während der Inbetriebnahmephase und mit Beginn der Förderung des Thermalwassers erwärmt sich die Bohrung langsam bis auf maximal Reservoirtemperatur (Idealzustand). Man geht davon aus, dass sich die Thermalwassertemperatur für den Regelbetrieb erst nach ca. 2 bis 3 Monaten stabilisiert hat. Das bedeutet aber auch, erst nachdem sich die thermischen Verhältnisse innerhalb der Bohrung ausgeglichen haben, erreichen die verfahrenstechnischen und anlagenspezifischen Parameter ihre stationären Endwerte und die geothermische Anlage ist betriebsbereit. Übertragen auf konventionelle Erzeugungsanlagen, würde dies bedeuten, dass es während der Inbetriebnahme zu Änderungen des Heizwertes der fossilen Brennstoffe kommt, was auch hier Auswirkung auf die Erzeugerqualität hätte. Im Rahmen der Inbetriebsetzungsphase beinhaltet der Inbetriebsetzungszeitraum die gesamte Inbetriebnahme bis zum Probebetrieb. Er beginnt mit den kalten und warmen Inbetriebsetzungsarbeiten der Einzelaggregate und deren Funktionstests. Es folgen die Funktionstests der Teilsysteme und Hauptbaugruppen.

206

4 Technische Rahmenbedingungen

Als Hauptbaugruppen werden definiert:        

Thermalwassersystem (Rohrleitungen, Armaturen, Einbauten, Injektionspumpe), Förderpumpe inkl. deren Hilfssysteme, Stromerzeugungsanlage (Turbine, Generator, Kühlanlage, Hilfssysteme), Wärmeauskopplung sofern vorhanden, Redundanz- und Spitzenlastanlage für Wärmeversorgung, Elektrotechnische Anlage, Master-Leittechnik (Funktionsgruppensteuerung sind den einzelnen Baugruppen zugeordnet) und Haustechnik in Gebäuden.

Die Inbetriebsetzungsarbeiten müssen gut geplant und organisiert werden. Zuerst werden die Hauptbaugruppen separat in Betrieb genommen und getestet, da hierfür unterschiedliche Planer und Lieferanten zuständig sind. Erst wenn die Inbetriebsetzungsarbeiten und Funktionstests dieser Baugruppen erfolgreich abgeschlossen sind, kann ein Zusammenschalten der einzelnen Baugruppen zur Gesamtanlage erfolgen. Dabei kann es zu wechselseitigen Abhängigkeiten kommen. Nur die Spitzen- und Redundanzanlage für die Wärmeversorgung und die Wärmeauskopplung nach dem Stromerzeugungsprozess kann separat bzw. nach Abschluss aller Inbetriebsetzungsarbeiten in Betrieb genommen werden. Wichtigster Bestandteil der Inbetriebnahme eines Geothermiekraftwerkes ist der sogenannte Leistungstest der Stromerzeugung. Hierbei wird die Leistung der Stromerzeugungsanlage in Abhängigkeit der Thermalwasser-Parameter ermittelt. Der Lieferant der Stromerzeugungsanlage liefert dafür sogenannte Korrekturkurven mit, an Hand derer die tatsächliche Leistungsgröße mit der vertraglich vereinbarten verglichen werden kann. Die vorbereitenden Arbeiten bis zum Beginn des Leistungstestes sind:          

Warmlaufen der Förderbohrung, Ausrichten der Pumpe bei Gestängepumpen, Anfahren der Förderpumpe, Speisen des Thermalwassersystems, Warmfahren der Injektionsbohrung, Funktionstest des Thermalwassersystems, Funktionstest der Stromerzeugungsanlage, Funktionstest der Gesamtanlage, automatisiertes An- und Abfahren und Testen automatisiertes Abschalten bei Störungen.

Ist dies erfolgreich absolviert, beginnt der Leistungstest mit erster Netzsynchronisation und Leistungsfahrt. Erst nach erfolgreichem Leistungstest kann die Stromerzeugungsanlage abgenommen werden und es beginnt die verfahrenstechnische Optimierung der Gesamtanlage verbunden mit der Anpassung der Systeme und Baugruppen an sich noch mögliche ändernde Thermalwasserparameter. Erst nach Abschluss aller Inbetriebsetzungsarbeiten und bei Erreichen des stationären Zustandes der Thermalwasserparameter ist der Inbetriebsetzungszeitraum beendet und es kann der Probebetrieb starten.

4.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten von Geothermie-Vorhaben

207

Der Probebetrieb liefert dem Betreiber/Investor den erforderlichen Nachweis, dass die Anlage vertragsgerecht errichtet wurde. Ziel des Probebetriebes ist es, zu zeigen, dass die Anlage ohne Eingriffe des Bedienpersonales automatisiert und ohne Unterbrechung läuft. Dies bedeutet, dass die Anlage für einen genehmigten, definierten Zeitraum (üblicherweise 72 h) ihre Funktion ohne Störung, Ausfall und Unterbrechung des Betriebes erfüllen muss. Nach erfolgreichem Probebetrieb geht die Anlage in den Regelbetrieb über und betriebswirtschaftlich kann das Projekt aktiviert werden.

4.4.3

Grundlagen des Betriebes

Grundsätzlich werden geothermische Anlagen im automatisierten Modus betrieben und durch eine Fernwarte überwacht. Voraussetzung hierfür ist, dass die Anlage einen unsicheren oder schädigenden Betriebszustand erkennt und automatisch in einen sicheren Zustand fährt oder vollständig abschaltet. Eine Fernüberwachung ist ohne Probleme möglich, eine Fernsteuerung ist nicht ratsam. Anfahren der Anlage und Hochfahren nach Störungsbeseitigung sollte immer vor Ort erfolgen, um sicherzustellen, dass alle Störungsursachen behoben und keine Folgeauswirkungen vorhanden sind. Obwohl es sich bei geothermischen Anlagen nicht um eine Feuerungsanlage (ausgenommen die Spitzen- und Redundanzanlage) handelt, sollte auch hier wie bei konventionellen Anlagen die übliche 72-Stunden-Inspektion durchgeführt werden. Die Inspektion beinhaltet nicht nur die Kontrolle des technischen Zustandes, sondern auch die Überwachung der relevanten geothermischen und verfahrenstechnischen Parameter. Für den Fall von Betriebsstörungen sind entsprechende Aktivitäten-Pläne nötig, um die Stillstandzeit so kurz wie möglich zu halten. Auf den Fall der Betriebsstörungen ist das Ersatzteilkonzept abgestimmt, damit bei Anlagenausfällen die Ersatzteile vorhanden sind oder Vereinbarungen mit dem Lieferanten zur Störungsbeseitigung wirken. Wie bei konventionellen Anlagen sind auch für geothermische Anlagen entsprechende Wartungsverträge mit Lieferanten oder Servicefirmen notwendig. Die Intervalle für Revision sind unmittelbar abhängig von den eingesetzten Bauteilen und Hauptkomponenten. Vorgeschrieben sind generell im Anlagenbetrieb eine jährliche kleine Revision, sowie eine große nach drei oder fünf Jahren. Im Allgemeinen wird mit einer Anlagenverfügbarkeit von 8.000 h jährlich gerechnet. Hierbei sind die Stillstandszeiten der geplanten Revisionen bereits berücksichtigt. Um einen kontinuierlichen, sicheren und zuverlässigen Betrieb zu gewährleisten, sind einige technische Vorkehrungen bzw. Überwachungen nötig. Während des Betriebes sollte auf Änderungen der Zusammensetzung (Chemismus, Gasgehalt und Gaszusammensetzung) des Thermalwassers geachtet werden. Erfahrungen haben gezeigt, dass sich die Zusammensetzung des Thermalwassers im Laufe der Zeit oder mit Umstellung der Förderungsbedingungen ändern. Bei der Errichtung des Thermalwassersystems wurde eine bestimmte Zusammensetzung des Thermalwassers zu Grunde gelegt und die Materialauswahl danach getroffen.

208

4 Technische Rahmenbedingungen

Eine kontinuierliche Überwachung ist aus Verschleißgründen notwendig, um Einflüsse durch Ablagerungen oder im Thermalwasser enthaltene Gase rechtzeitig zu erkennen. Dies hat Auswirkung auf Wartung- und Instandhaltungsaktivitäten und Zeiten, sowie auf die Effizienz der Erzeugung. Für das gesamte Thermalwassersystem ist ein Korrosionsmonitoring ratsam. Weiterhin ist die Druckhaltung im Thermalwassersystem kontinuierlich zu überwachen. Der Druck im Thermalwassersystem muss über dem sogenannten Entgasungsdruck liegen, damit es nicht zur Entgasung und Ausfällung kommt. Beide mindern die Effizienz der im Thermalwassersystem befindlichen Wärmeübertrager. Auch die Förderpumpe als Herzstück der Anlage ist kontinuierlich zu überwachen. Die Lebensdauer der Förderpumpe variiert in Abhängigkeit der Standortbedingungen und der Thermalwasserzusammensetzung. Bei Ausfall in einer Doublettenanlage ist der gesamte Betrieb der geothermischen Anlage gestört. Eine Stromproduktion ist nicht mehr möglich und die Wärmeversorgung (Versorgungspflicht) muss mittels der vorhandenen fossil-befeuerten Spitzen- und Redundanzkessel erfolgen. Grundsätzlich lassen sich zwei Einsatztypen unterscheiden – eine Tauchpumpe und eine Gestängepumpe. In jedem Fall sollte ein zweites Pumpenaggregat – Reserveaggregat mit Pumpe, Motor, Rohrleitungen – vorhanden sein. Die kontinuierlichen Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten sind beim Obertageteil der Gestängepumpe (Motor und Hilfssysteme) in die üblichen Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten der Anlage integriert. Gleiches gilt für die Elektro-Technik und die Funktionsgruppensteuerung. Tabelle 9:

Kosten bei Tauch- und Gestängepumpe Tauchpumpe

Gewährleistungszeit Revision Aus- und Einbau je Einbautiefe Kosten für Aus- und Einbau Weitere Kosten Besonderheit

Gestängepumpe

1 bis 2 Jahre 1 bis 2 Jahre 1 Jahr ab 150 C Ca. 5 Jahre bei 100 C 3 bis 5 Jahre unter 150 C 1 bis 3 Tage 10 bis 14 Tage ca. 50 bis 80 T€ ca. 150 bis 200 T€ Inspektion, Transport in Werkstatt, Reparatur und Austausch von Bauteilen (Pumpenaggregat, Bohrkopf) kommen hinzu. Der Ein- und Ausbau erfolgt mit einem Kran. Manche Bergämter verlangen eine Workoveranlage, die teurer und nicht immer sofort verfügbar ist.

Die Pumpe ist das Herzstück der Anlage und muss mit besonderer Sorgfalt im Betrieb beobachtet werden. Da jede Inspektion mit einem Aus- und Einbau verbunden ist, ist der Autor der Meinung, sich an die Usancen der Kohlenwasserstoffindustrie anzulehnen und die Pumpe in Betrieb zu lassen, bis es zu offensichtlichen Parameterabweichungen vor dem natürlichen Ausfall kommt. Dies erfordert aber ein qualifiziertes Monitoring und Erfahrungen sowie ein Ersatzpumpenaggregat in Bereitschaft. Hier wäre eine Zusammenarbeit verschiedener Betreiber unbedingt zu empfehlen. Bei einer Stromerzeugungsanlage zur Nutzung einer Niederenthalphie-Lagerstätte (Thermalwassertemperatur unter ca. 220 °C), wie sie in Deutschland üblich sind, kommen sogenannte Zweistoffverfahren zum Einsatz. Neben dem Thermalwasser wird ein Arbeitsmittel

4.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten von Geothermie-Vorhaben

209

eingesetzt, welches bei niedrigeren Temperaturen verdampft. Als Arbeitsmittel kommen im Stromerzeugungsprozess ein Ammoniakgemisch (Kalina-Anlage) oder ein Pentangemisch (ORC-Anlage) zum Einsatz. Damit werden gesonderte Anforderungen an den Betrieb dieser Anlage bzgl. Giftigkeit, Umweltverträglichkeit, Explosionsverhalten gestellt. Handhabung und Lagerung dieser Betriebsstoffe werden im Rahmen einer Risikoanalyse festgelegt. Durch den thermodynamischen Kreisprozess (Kondensation des Arbeitsmittels durch Kühlung) ist es erforderlich, größere Mengen an Wärme aus dem Kraftwerksprozess wieder abzuführen. Damit wird die Effizienz der Stromerzeugung maßgeblich von der Kühlung mitbestimmt. Das Betriebs- und Wartungskonzept richtet sich nach der Art der Kühlung. Grundsätzlich ist im laufenden Betrieb, unabhängig vom eingesetzten Kühlsystem, eine Reinigung von Belägen, die sich aus den Umweltbedingungen ergeben – mechanisch oder mechanisch/chemisch – notwendig.

4.4.4

Pflichten des Betreibers

Der freie Warenverkehr innerhalb und außerhalb der Europäischen Union bringt es mit sich, dass Bauteile und Komponenten fernab des lokalen Standortes hergestellt, zusammengebaut und/oder als Einzelbauteile geliefert werden. Erst vor Ort werden die unterschiedlichen Subsysteme einer geothermischen Anlage zu einer sicheren und funktionalen Anlage zusammengeschlossen und es erfolgt erst hier der regelkonforme Anschluss an die örtliche Infrastruktur (Fernwärmenetz, Stromnetz). Dies stellt natürlich die Frage nach der Verantwortung. Um sicherzugehen, dass alle sicherheitsrelevanten Mindestanforderungen für den Betrieb erfüllt sind, sollte im Rahmen der Inbetriebnahme ein besonderes Augenmerk auf die Einhaltung relevanter Richtlinien und Verordnungen gelegt werden. Dokumente, Handbücher und Sicherheitskonzepte müssen zur Inbetriebnahme vorliegen und dienen als Basis zur Instandhaltung und des sicheren Betriebes. Es gilt zu klären, was fällt in den Verantwortungsbereich der Hersteller, was in den Verantwortungsbereich des Betreibers und was in den Verantwortungsbereich von Dienstleistern und Drittfirmen. Mit dem CE-Kennzeichen dokumentiert der Hersteller/Lieferant, dass seine Komponenten oder Bauteile (Druckgerät – Wärmeübertrager) bzw. die Baugruppe (z.B. ORC-Anlage) den Mindestanforderungen zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens genügt. Mit dem Erwerb eines konformen Produktes geht die Verantwortung an den Betreiber über. Dieser muss den ordnungsgemäßen Zustand überprüfen und die spätere, bestimmungsgemäße Betriebsweise sicherstellen. Seine Pflichten sind konkret in der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und den Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TBRS) geregelt. Um den erforderlichen Standard zu gewährleisten, sind u.a. auch Vorgaben aus Bergrecht, Gewerberecht, Wasserhaushaltsrecht und den ATEX-Richtlinie zu beachten. Zusätzlich muss der Betreiber die korrekte Inbetriebnahme und den sicheren Anlagenbetrieb vorrangig durch das Einhalten nationaler Vorgaben sicherstellen. Zu beachten ist dabei insbesondere, dass der Betreiber die gesetzlichen Vorgaben bereits vor der Aufnahme des Regelbetriebes berücksichtigen muss. Schon bei den Inbetriebsetzungsarbeiten sprich, Inbetriebnahme einzelner Komponenten, Systeme und Baugruppen, aber auch beim Probebetrieb müssen bereits Vorgaben, aber auch

210

4 Technische Rahmenbedingungen

Anforderungen an den Arbeits- und Gesundheitsschutz in vollem Umfang gewährleistet werden. Eine Besonderheit liegt vor, wenn der Betreiber auch „Herstellerpflichten“ übernimmt. Dies ist bei geothermischen Anlagen nicht unüblich, da hier mehrere konforme Systeme (Thermalwassersystem, Förderpumpe, Energieerzeugungsanlage, Wärmeauskopplung usw.) zu einem funktionalen System zusammengeführt werden. Oft muss auch für das übergeordnete System der Begriff des „Inverkehrbringens“ angewendet werden, so dass der Betreiber für die Gesamtanlage ein Konformitätsbewertungsverfahren nach EU-Richtlinie durchführen und die Anlage mit dem CE-Kennzeichen versehen muss. Zusätzlich gilt dies, wenn beispielsweise an einer Baugruppe wesentliche Änderungen vorgenommen oder diese abweichend von den Herstellervorgaben installiert werden. Weitere Aspekte, die in der BetrSichV und in den TRBS geregelt werden, betreffen die Prüfungen an Arbeitsmitteln, die Prüfungen vor Inbetriebnahme und die wiederkehrenden Prüfungen der überwachungsbedürftigen Druckanlagen und ihrer Komponenten. Diese Prüfungen liegen im Verantwortungsbereich des Betreibers, der eine umfassende Gefährdungsbeurteilung erstellen muss. Hierfür muss der Betreiber die verschiedenen Arbeitsmittel einstufen und die Druckanlage definieren. Daraus werden dann die Details für die Prüfung abgeleitet. Unterschieden werden Prüfungen, die von unterwiesenen Personen durchgeführt und Prüfungen, die von befähigten Personen und/oder der zugelassenen Überwachungsstelle durchgeführt werden müssen. Grundsätzlich sind für alle Prüfungen Art, Umfang, Fristen sowie „Wer darf prüfen?“ vom Betreiber festzulegen. Bei überwachungsbedürftigen Anlagen, wie geothermischen Anlagen, geschieht dies in Absprache mit der zugelassenen Überwachungsstelle, z.B. dem Bergamt für thermalwasserführende Bauteile und Baugruppen. Bei der Gefährdungsbeurteilung werden vielfältige Risiken der unterschiedlichsten Kategorien berücksichtigt und gemindert. Dazu gehören mechanische Einflüsse, menschliches Fehlverhalten, Korrosion, elektrischer Strom, Brand und weitere Konzeptionsfehler. Zur Genehmigung eines mit einer ORC-Anlage ausgerüsteten Geothermieheizkraftwerkes müssen folgende Unterlagen erstellt werden:    

Gefährdungsanalyse, Alarm- und Gefahrenabwehrplan, Konzept zur Verhinderung von Störfällen und Explosionsschutzgutachten.

Diese sollten in Form eines Handbuches in der geothermischen Anlage deponiert und zugänglich sein. Speziell bei geothermischen Anlagen mit Niedertemperatur-Stromerzeugung wird ein Brandschutzkonzept gefordert, welches in Zusammenarbeit mit der örtlichen Feuerwehr zu erstellen ist. Während des Betriebes ist es ratsam, zusammen mit der Feuerwehr von Zeit zu Zeit eine Übung im Kraftwerk durchzuführen. Das Vertragsmanagement für den Betrieb am Beispiel eines geothermischen Heizkraftwerkes wird in Abbildung 42 gezeigt.

4.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten von Geothermie-Vorhaben

211

Vertragmanagement im Betrieb eines Geothermiekraftwerkes EEG - Einspeisung

Stromeinspeisevertrag Netzanschlussvertrag

kaufm. Verwaltung

Service- & Wartungsvertrag Wartung / Instandsetzung Erzeugungsanlage

Strombezug

Strombezugsvertrag

DienstleistungsVertrag

Wärmeeinspeisung

Wärmeeinspeisevertrag

GeothermieAnlage

Service- & Wartungsvertrag Wartung/ Instandsetzung sonstige Anlagen

Wasserlieferung Abwasserentsorgung Wasserliefervertrag Entsorgungsvertrag

BetriebsführungsVertrag

Sonstige Verträge Versicherungen & sonstige Dienstleistungen

wasser · umwelt · infrastruktur · energie · bauwerke · geotechnik

Abbildung 42:

techn. Betriebsführung

Kreditverträge Banken/ Gesellschafter

3

Vertragsmanagement beim Betrieb eines geothermischen Heizkraftwerkes

Als Besonderheit erfolgt hier der Betrieb ohne eigenes Personal, d.h. die technische Betriebsführung wird fremdvergeben. Dies hat den Vorteil, dass genügend fach- und anlagenkundiges Personal (üblich 5 Mitarbeiter) zur Verfügung stehen und somit Urlaubs- und Krankheitsausfälle abgedeckt sind. Im Businessplan für geothermische Anlagen sind oft nur ein bis zwei Personen vorgesehen. Damit ist aber kein gesicherter Betrieb möglich. Basis für einen Betriebsführungsvertrag ist, die Anlage läuft automatisiert und beaufsichtigungsfrei und sie fährt bei Störung oder Havarien in Stopp oder gesicherten Modus. Die Anlage kann wie schon beschrieben beaufsichtigungsfrei betrieben werden. Betriebspersonal muss nur vor Ort sein:    

Generell bei allen Anfahrprozessen, bei Abschaltung oder Leistungsminderung durch Störungen, Betrieb mit Notkühlsystem und bei Reparatur- und Wartungsarbeiten auch mit Fremdpersonal.

Weitere Aufgaben des Betriebsführers sind u.a. regelmäßige Kontrollgänge, Bereitschaftsund Störungsdienst, Wartungs- und Reparaturarbeiten im Rahmen der Möglichkeiten, Koordination und Überwachung von Fremdleistungen/Fremdfirmen.

4.4.5

Risiken des Betriebes

Grundsätzlich gilt, dass das Risiko der Errichtung auf die Projektentwicklungs-, Planungsund Bauphase begrenzt ist und bei drei bis fünf Jahren liegt. Das Betriebsrisiko selbst läuft

212

4 Technische Rahmenbedingungen

über einen wesentlich längeren Zeitraum (bis 50 Jahre) und beginnt erst nach getätigter Investition. Im Betrieb sind andere Risiken relevant als in der Projektphase. Das größte Risiko einer geothermischen Anlage ist die Fähigkeit, zuverlässig Strom und/oder Wärme mit den geplanten Parametern über einen definierten Zeitraum zu erzeugen.    

Zeitraum von mind. 20 Jahren bei Stromerzeugung; oder bezogen auf den Finanzierungszeitraum, hohe technische Verfügbarkeit der Anlage, stabile geothermische und verfahrenstechnische Parameter und Nachhaltigkeit des geothermischen Reservoirs.

Die Nichtverfügbarkeit der geothermischen Anlage ist dabei das höchste Betreiberrisiko. Für den Betrieb einer geothermischen Anlage kann man folgendes Wunschbild definieren:   

eine lange Betriebsdauer, mit hoher Verfügbarkeit und die betriebsrelevanten Parameter bleiben über den gesamten Betriebszeitraum konstant.

Leider tritt dieser Idealzustand im Betrieb nicht ein. Somit müssen die Risiken bei der Gewinnung und Nutzung der Erdwärme betrachtet werden, wobei neben technischen, betriebswirtschaftlichen, organisatorischen und Marktrisiken auch geothermische/geologische Risiken und politische/rechtliche/öffentliche Risiken zu beachten sind. Die möglichen Betriebs-Risiken einer tiefengeothermischen Strom- und Wärmeversorgung sind im Untertagebereich und im Übertagebereich sehr unterschiedlich und erfordern eine jeweils spezifische Bewertung. Im Einzelnen sind folgende Betriebsrisiken relevant:

4.4.5.1

Betriebsrisiko – Energiebereitstellung

Die Veränderungen der Quantität des Thermalwassers (Temperatur, Förderrate) haben unmittelbaren Einfluss auf den Erzeugungsprozess, da sich diese wie eine Parameteränderung der Primärenergie auswirken. Die Veränderungen der Qualität des Thermalwassers (chemische Zusammensetzung, Gasgehalt und Gaszusammensetzung) erhöhen vor allem den Verschleiß und können durch Ausfällungen und Ablagerungen den technischen Betrieb beeinflussen.

4.4.5.2

Betriebsrisiko – Nachhaltigkeit

Eine großräumige Fluidzirkulation tritt auf, da durch die thermische Untergrundbewirtschaftung Fluide bewegt und gefördert werden. Dadurch kommt es typischerweise zu großräumigen Fließvorgängen. Diese Fließbewegungen können die Nutzungen des Untergrundes bei benachbarten Anlagen in vielfältiger Hinsicht beeinflussen407. Art, Gestaltung und Ausdehnung dieser Zirkulationszone sollten über den gesamten Betriebszeitraum beobachtet werden. Subsidenz oder Geländeveränderung (Setzungen) können durch Ablaugungsreaktionen als Folge des geothermischen Betriebes in Abhängigkeit der geologischen Standortbedingungen kurzfristig während der Explorationsphase, aber auch erst nach einer gewissen Be407

Siehe hierzu auch die Ausführungen von RAINER BRUMME in Ziffer 3.3.4.

4.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten von Geothermie-Vorhaben

213

triebsdauer, dann aber über einen längeren Zeitraum auftreten (Bsp. hierfür ist die Geländeabsenkung hydrothermaler Hochtemperaturreservoire in Island und Neuseeland). In Deutschland wird dieses Risiko durch die Rückführung des geförderten Thermalwassers in denselben Horizont gemindert. Die hydraulischen Kurzschlüsse werden durch qualifizierte Ausbaumaßnahmen an den Bohrungen so gemindert, dass das Reservoir dauerhaft von anderen geologischen Schichten hydraulisch getrennt bleibt.

4.4.5.3

Betriebsrisiko – Verunreinigungen

Das Freisetzen von schädlichen Inhaltsstoffen aus dem Thermalwassersystem/Reservoirgebirge an die Umgebung wird durch das geschlossene Thermalwassersystem vermieden. Zusätzlich ist eine kontinuierliche Überwachung der Qualität und Quantität des Thermalwassers gefordert. Das Freisetzen von natürlichen radioaktiven Substanzen muss im Betrieb speziell bei Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten berücksichtigt werden. Grundsätzlich spricht man hierbei von natürlicher Radioaktivität. Über die Hälfte der Wärmeproduktion der Erde basiert auf den natürlichen radioaktiven Zerfall vor allem von Uran, Thorium und dem radioaktiven Isotop des Kaliums. Es tritt als natürliche radioaktive Strahlung in allen Tiefenstufen des Untergrundes aus. Ein Transport nach Obertage erfolgt nur über im Thermalwasser mitgeführten Feststoffen und wird im Betrieb ebenfalls durch das geschlossene Thermalwassersystem vermieden.

4.4.5.4

Betriebsrisiko – Mikroseismik

Bei der Mikroseismizität handelt es sich um Erschütterungen (Erdbeben), die infolge von Stimulationsarbeiten oder ungewollt durch den Bohr- oder Reservoirbetrieb hervorgerufen werden. Diese Erschütterungen entstehen im Wesentlichen durch spröde Brüche im Untergrund. Mikroseismizität kann auch während des Betriebes durch große Druckunterschiede im Reservoir ausgelöst werden. Dies führt durch Veränderung des hydraulischen (oder fluidstatischen) Druckregimes zu einer Reduzierung der effektiven totalen Gebirgsspannung. Zwischenzeitlich wird auch beim Betrieb von geothermischen Anlagen eine Überwachung von seismischen Aktivitäten gefordert. Ein sanftes An- und Abfahren der Anlage soll die Entstehung großer Druckunterschiede im Reservoir während des Betriebes der Lagerstätte mindern.

4.4.5.5

Betriebsrisiko – verfahrenstechnische Leistungsminderung

Eine Veränderung der Betriebsparameter tritt ein, wenn es zu Verunreinigungen/Ablagerungen speziell in den Wärmeübertragern und bei Verschleißerscheinungen kommt. Die Kühlbedingungen sind speziell bei Luftkühlung stark abhängig von Tageszeit, Jahreszeit und Witterung. In Abbildung 43 wird der Zusammenhang von Außentemperatur und elektrischer Leistung der ORC-Anlage in Landau beispielhaft gezeigt.

214

4 Technische Rahmenbedingungen

Leistung [MW] = f (Außentemperatur [°C] ) Außentemperatur [°C]

Zeit Leistung [MW ]

Zeit wasser · umwelt · infrastruktur · energie · bauwerke · geotechnik

Abbildung 43:

4

Gegenüberstellung der erzeugten elektrischen Leistung in Abhängigkeit der Außentemperatur am Beispiel des geothermischen Heizkraftwerkes Landau

Kritische Betriebszustände können auftreten, wenn es zu Resonanzen oder gegenseitiger Beeinflussung während des Anlagenbetriebs kommt. Veränderungen des Stromeigenbedarfes erfolgen durch zusätzlich zu installierende nicht geplante Verbraucher oder bei Änderungen von Betriebszuständen durch Verschleiß bzw. Ablagerungen/Verunreinigungen. Durch Erhöhung des Stromeigenbedarfs erhöht sich der Strombezug und die Anlage wird unwirtschaftlicher.

4.4.5.6

Betriebsrisiko – Stillstand der Anlage

Stillstände durch Wartung, Instandhaltung, Ersatzinvestitionen, Störungen, Havarien mindern die Erlöse durch weniger erzeugte Energie. Von großer Bedeutung sind hierbei die unvorhergesehenen Ausfälle und längeren Stillstände (s. hierzu Ziffer 4.5.6).

4.4.5.7

Betriebsrisiko – Stromabsatz/Wärmeabsatz

Das Risiko des Stromverkaufs ist durch die gesetzliche 20-jährige Festschreibung der Einspeisevergütung und Abnahmepflicht durch den regionalen Netzbetreibers im Rahmen des EEG gesichert.

4.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten von Geothermie-Vorhaben

215

Der Wärmeabsatz ist von der vertriebs- und standortbezogenen Akquisition abhängig. Hierzu sind umfangreiche Risikobetrachtungen erforderlich, da man einen gesicherten Wärmeabsatz über die Laufzeit der geothermischen Anlage nur bedingt ansetzen kann. Die Fernwärme muss zu einem wirtschaftlich vertretbaren und am Markt erzielbaren Preis geliefert werden. Richtwert kann der ortsübliche mittlere Wärmepreis sein. Der Wärmeliefervertrag verpflichtet den Wärmekunden zur Abnahme der Fernwärme und dem Wärmelieferer zur Sicherstellung der vertraglich vereinbarten Leistung. Dies bedeutet, dass der Wärmelieferer eine Versorgungspflicht hat und deshalb die geothermische Anlage mit einer entsprechenden Redundanz ausstatten muss. Leider ist die Vertragstreue der Wärmekunden nicht versicherbar. Es empfiehlt sich, einen Mix aus Haushalts- und Gewerbekunden mit Heizung und Warmwasserversorgung zu akquirieren. Zusätzlich sollten Wärmekunden mit Prozesswärme (Industrie) und Kunden mit hohen Benutzungsstunden wie Kureinrichtungen, Krankenhäuser und Schwimmbäder angeschlossen werden. Durch diesen Mix wird ein Absatzeinbruch durch Wegfall der Kunden oder durch Energieeinsparmaßnahmen wie z.B. bauphysikalische Aktivitäten gemindert bzw. durch Neuanschluss kompensiert. Zusätzlich kann wie bei jeder Fernwärmeversorgung eine Bereitstellung von Kälte speziell in den Sommermonaten den Wärmeabsatz verbessern. Auch sind Maßnahmen zur Rücklauftemperaturabsenkung in jedem Fall zu prüfen, da dies die Effizienz der energetischen Nutzung von geothermischer Energie erhöht. Die Leistung einer geothermischen Anlage kann nur durch optimale Auskühlung erhöht werden, d.h. wenn die Injektionstemperatur so niedrig wie möglich ist.

4.4.6

Betriebswirtschaftliche Betrachtung

Der Betrieb der geothermischen Anlagen beweist, wie die geothermischen und verfahrenstechnischen Parameter aus der Konzeptentwicklung und Planung erfüllt wurden. Dabei dient der Betrieb der geothermischen Anlage dazu, Energie zu verkaufen, um die geplanten und erforderlichen Erlöse zu erzielen. Mit diesen Erlösen werden neben einer notwendigen Rendite folgende Forderungen beglichen: Tilgung des eingesetzten Kapitals, Zinsen für aufgenommenes Kapital, Betriebskosten, Steuern und Abgaben. Bisher wurde der Betrieb überwiegend aus technischer und geothermischer Sicht dargestellt. Im Weiteren sollen einige Aspekte aus betriebswirtschaftlicher Sicht betrachtet werden. Die bei geothermischen Anlagen zu erzielenden Erlöse sind direkt abhängig von der Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der Anlage. Üblicherweise wird der Betrieb mit ca. 8.000 h pro Jahr und einer mittleren elektrischen Leistung entsprechend den jährlichen Kühlbedingungen kalkuliert. Gibt es Stillstände, Ausfälle oder wird die Anlage mit verminderter Leistung gefahren, fehlen schnell die geplanten Erlöse. Im Gegenzug kann es aber auch auf Grund von Verschleiß, Ablagerungen, Änderungen der geothermischen Parameter und gesetzlichen Vorgaben zu Leistungseinschränkungen kommen, welche die mittlere elektrische Leistung nicht erreichen lässt, was wiederum zu fehlenden Erlösen führt.

216

4 Technische Rahmenbedingungen

Einen weiteren Einfluss haben die Betriebskosten. Abbildung 41 zeigt die Aufwendungen, die als Betriebskosten berücksichtigt werden müssen, so wie sie in der GuV dargestellt werden. Die prozentuale Aufteilung ist als Orientierung zu sehen und von der Individualität des Projektes abhängig. Auf den Primärenergieeinsatz für die Spitzen- und Reservekessel wird hier nicht näher eingegangen. Diese sollte speziell mit der Wärmeversorgung betrachtet werden und ist in die Preiskalkulation zur Wärmeversorgung aufzunehmen. Für alle Projekte gilt, dass ohne Betrachtung der Spitzen- und Reservekessel der Hauptteil der Betriebskosten durch den Strombezug (ca. 50 bis 60 %) entsteht. Da der Strombezug den größten Einfluss auf die Betriebskosten und damit auf das Betriebsergebnis hat, ist diesem Teil im Betrieb besonders viel Aufmerksamkeit zu geben. Ein erhöhter Stromeigenbedarf ist genauso schädlich wie ungünstige Strombezugskosten. Da geothermische Anlagen einen über das Jahr relativ konstanten Strombezug aufweisen, lassen sich beim Stromlieferanten günstige Konditionen aushandeln. Die Liberalisierung der Stromversorgung vereinfacht die Verhandlungen. Aufwendungen entsprechend GuV: (ohne Abschreibung) ▪ M a te r i a l a u fw an d  Stromeigenbedarf / Strombezug ▪ Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe

60 % 5%

▪ Aufwendungen für bezogene Leistungen  Wartungs- / Instandsetzung (gepl. / ungeplant) (pauschal 1,6 % der Investitionen)

20 %

▪ Personalaufw endungen  Betriebsführung

10 %

▪ Sonstiger betrieblicher Aufw and  Versicherung, Verwaltung, usw. ▪ S UM M E

wasser · umwelt · infrastruktur · energie · bauwerke · geotechnik

Abbildung 44:

5% 100 %

5

Betriebskosten in Anlehnung an die GuV

Eine weitere Betrachtung von geothermischen Anlagen gilt der Aufteilung der festen und variablen Kosten. Vergleicht man geothermische Anlagen mit fossil-befeuerten Anlagen, zeigt sich, dass das Verhältnis von festen zu variablen Kosten bei fossilen Anlagen ca. 50 % zu 50 % beträgt, während geothermische Anlagen eine Aufteilung von 75 % zu 25 % haben. Betriebskosten lassen sich demnach bei konventionellen Anlagen besser beeinflussen als bei Geothermievorhaben. Dies ist insbesondere deshalb relevant, weil der Kapitaldienst unabhängig von der Performance bedient werden muss. Bei üblichen Finanzierungsstrukturen eines Geothermiekraftwerkes macht der Block aus Zinsen und Tilgung etwa 75 % der Einnahmen aus.

4.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten von Geothermie-Vorhaben Tabelle 10:

217

Einflussfaktoren im Betrieb eines Geothermiekraftwerkes

Erzeugungsanlagen

Feste Kosten

Variable Kosten

Konventionelle (fossile) Anlagen Geothermische Anlagen

50 % 75 %

50 % 25 %

Dies begründet sich in der Tatsache, dass in geothermischen Anlagen der Primärenergieeinsatz zur Energieerzeugung durch Kapital erfolgt. Hintergrund sind hierbei die Investitionen, welche für die Primärenergiegewinnung (Bohr- und Testarbeiten) notwendig waren und letztlich als Vorab-Leistungen zur Primärenergiegewinnung vorliegen. Die eigentlichen Betriebskosten zur Primärenergiegewinnung sind nur die Aufwendungen zur kontinuierlichen Förderung des Thermalwassers. Die Aufwendungen für die Bohr- und Testarbeiten sind als Kapitaldienst (Tilgung) und Zinsen zu berücksichtigen. Dies hat aber auch einen Nachteil: Beim Stillstand von geothermischen Anlagen gibt es geringere Einsparungen durch den Wegfall der Betriebskosten als bei fossilen Anlagen. Der Kapitaldienst (Tilgung und Zinsen) muss weiter bedient werden, auch wenn keine Erlöse erzielt werden. Deshalb empfiehlt es sich in der betriebswirtschaftlichen Begleitung neben der Bilanz immer eine Cashflow-Betrachtung bzw. eine Liquiditätsbetrachtung vorzunehmen. Bilanziell lässt sich der Betrieb einer geothermischen Anlage über die Laufzeit immer sehr gut darstellen. Liquiditätsseitig kann es bei unvorhergesehenen Ereignissen schnell zu Problemen kommen. Ein detailliertes Liquiditätsmanagement ist hier unumgänglich. Als Risiko-Minderung hat man zwei Möglichkeiten, einmal den Abschluss einer Betriebsunterbrechungsversicherung und dann den Versuch, Stillstände zu minimieren. Neben der unterschiedlichen Aufteilung zwischen festen und variablen Kosten und dem Nachteil der geringeren Einsparung von Betriebskosten beim Stillstand von geothermischen Anlagen kommt zusätzlich noch ein erhöhter Kostenfaktor bei störungsbedingten Stillständen hinzu. Abbildung 45 zeigt diesen Fall. Durch den Stillstand kommt es zu einem Erlösausfall, weil keine Energie erzeugt wird. Zusätzlich kommt es zu höheren Betriebsführungskosten durch zusätzliche Personalaktivitäten während der Stillstandszeiten. Im Gegenzug fallen nur geringfügige verbrauchsgebundene Betriebskosten, hier vor allem die Kosten für den Strombezug, an. Dem gegenüber stehen aber zusätzliche und/oder erhöhte Kosten für die Störungsbeseitigung, Inspektion und Reparatur. Im ungünstigsten Fall, z.B. bei Totalausfall der Förderpumpe, sind sogar Ersatzinvestitionen notwendig, die das Betriebsergebnis der Anlage belasten. Als Fazit gilt, zur Minderung der Betriebskosten ist ein umsichtiger Betrieb erforderlich, um Stillstände und störungsbedingte Abschaltungen zu minimieren. Abschließend soll noch kurz der Stromeigenbedarf analysiert werden. Die größten Stromverbraucher in einer geothermischen Anlage sind die Förderpumpe und die Stromerzeugungsanlage. Bei verschiedenen Anlagen (z.B. in Landau) muss auch die Injektionspumpe mit berücksichtigt werden. Hierbei kann man aber davon ausgehen, dass sich bei Wegfall der Injektionspumpe oft der Bedarf der Förderpumpe erhöht. Der Strombedarf der Förderpumpe ist kontinuierlich zu kontrollieren, da er ein Indiz für Verschleiß und veränderte Förderbedingungen des Thermalwassers darstellt.

218

4 Technische Rahmenbedingungen

Zweiseitigkeit bei Stillständen (Störungen / Havarien) Erlösausfall durch Stillstand der Anlage (-) keine Stromeinspeisung (-) erhöhter Personalaufwand

Zusätzliche Kosten durch Störungsbeseitigung Reparatur und Inspektion (-) zusätzlicher Reparaturaufwand (-) erhöhter Personalaufwand (-) bei Wärmeversorgung = Bedarf an fossilen Energieträgern

(+) Stromeigenbedarf sinkt

(-) Information an Behörde und Finanzierungseinrichtungen (-) häufiges Abschalten kann Lebensdauer der Anlage mindern

wasser · umwelt · infrastruktur · energie · bauwerke · geotechnik

Abbildung 45:

7

Zweiseitigkeit der Betriebskosten bei Stillständen durch Störungen und Havarien

Der Stromeigenbedarf der Stromerzeugungsanlage setzt sich aus den Hauptverbrauchern im Arbeitsmittelkreislauf, den Hilfssystemen und der Verbraucher in der Kühlanlage zusammen. Dabei ist die Höhe des Strombedarfes der Kühlanlage abhängig vom eingesetzten Kühlkonzept (z.B. Luftkühlung oder Wasserkühlung). Auch der Stromeigenbedarf der Hauptverbraucher der Stromerzeugungsanlage ist kontinuierlich zu erfassen, um frühzeitig Verschleiß oder anlagenbedingte Änderungen zu erfassen. Der sonstige Strombedarf für z.B. Beleuchtung, Hilfsanlage u.ä. spielt eine untergeordnete Rolle. Dieser Anteil erhöht sich nur, wenn eine Wärmeversorgung mit Spitzen- und Reservekessel installiert wird. Hierbei ist es aber sinnvoll, die Betriebskosten von Stromerzeugung und Wärmeauskopplung zu trennen. Zur Wärme-Preisfindung sind diese Kosten dort mit zu erfassen, da es sonst zur Subventionierung des Wärmepreises durch den Stromverkauf kommt. Die Darstellung in Abbildung 46 zeigt die Aufteilung im Geothermiekraftwerk Landau. Diese Darstellung ist als Übersicht zu sehen und nicht repräsentativ für andere Geothermieheizkraftwerke. Der Strombezug ist in jeder geothermischen Anlage individuell zu ermitteln. Abschließend noch folgende Aussage: Eine geothermische Anlage arbeitet dann erfolgreich, wenn  sie Energie mit gleicher Versorgungssicherheit wie konventionelle Anlagen erzeugt und  diese mit einem wirtschaftlich vertretbaren, besser jedoch mit dem Marktpreis liefern kann.

4.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten von Geothermie-Vorhaben

219

Aufteilung Stromeigenbedarf Mittelwert Sonstiges 5%

Förderpumpe 40%

ORC-Anlage (ohne Druckluft) 30%

Injektionspumpe 20%

wasser · umwelt · infrastruktur · energie · bauwerke · geotechnik

Abbildung 46:

Beispielhafte prozentuale Aufteilung beim Stromeigenbedarf

8

5

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

5.1

Sozio-technische Parameter der Projektentwicklung: Soziale Akzeptanz von Vorhaben der Tiefen Geothermie MARTINA LEUCHT

5.1.1

Vorwort

An der Schnittstelle zwischen Technik und Gesellschaft können unterschiedliche Akteure zum einen konkrete Erfahrungen mit Technik bzw. Technologien machen, zum anderen über Technik bzw. Technologien kommunizieren. Als Wissens- und Meinungsbildungsprozesse bilden diese beiden sozialen Zugänge zu Technik bzw. Technologien die Grundlage für eine positive oder negative Akzeptanzbildung. Das Thema „soziale Akzeptanz“ ist im Bereich der Tiefen Geothermie in zweierlei Hinsicht von Interesse. Zum einen ist zu fragen, welchen Einfluss bestimmte Akzeptanztendenzen derzeit konkret auf die Branchen- bzw. Projektentwicklung haben und zum anderen, welchen Einfluss Akzeptanzfaktoren- und Akzeptanztendenzen auf die Kommunikation über die Tiefe Geothermie haben. Zentral in diesem Beitrag ist die Perspektive der Kommunikation über Tiefe Geothermie, die von einer empirischen Erhebung „im Feld“ zu unterscheiden ist. Der vorliegende Beitrag ist keine abschließende Analyse des Akzeptanzthemas im Bereich der Tiefen Geothermie, sondern kann als Anstoß verstanden werden, von der hier dargestellten Perspektive aus weitere Diskussionen und die Entwicklung von weiterer empirischer Forschung vor Ort anzuregen. Die Bearbeitung des Themas „Soziale Akzeptanz von Tiefer Geothermie“ beinhaltet als interdisziplinäres Vorhaben einige Besonderheiten. So war im Rahmen der Forschung zum Thema zunächst die Aufgabe zu lösen, eine sozialwissenschaftliche Perspektive mit entsprechenden theoretischen Ansätzen und Kategorien an den technischen Gegenstand „Tiefe Geothermie“ anzupassen. Dazu müssen relevante Schnittstellen identifiziert und eine gemeinsame Sprache gefunden werden, in der sich Ingenieure und Geologogen mit Soziologen oder Umweltpsychologen verständigen können. Das Übersetzen von Ergebnissen und Erkenntnissen des technischen in den sozialwissenschaftlichen Bereich und umgekehrt, die Definition von – dem Gegenstand für beide Seiten – angemessenen Kategorien, Grenzen und Wirkungszusammenhängen stellt eine große Herausforderung dar und bedarf ständiger zeitaufwändiger Diskussionen und Rückkopplungen. Wissenschaftler, Projektverantwortliche und Kommunikationsbeauftragte, die sich diesem Thema widmen, müssen eine große Offenheit

222

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

und viel Geduld mit einbringen, denn es müssen immer wieder eigene vertraute disziplinäre Denkweisen zugunsten des Austauschs mit anderen Perspektiven und Denkweisen verlassen werden. Nur so ist eine theoretische, methodische und letztlich auch praktische Annäherung an die vielfältigen komplexen Wechselbeziehungen zwischen Technik und Gesellschaft möglich, innerhalb derer sich Akzeptanzprozesse entwickeln.

5.1.2

Einleitung

Nach Aussagen von Vertretern aus Wissenschaft408, Branche409 und Politik410 kann die Tiefe Geothermie eine wichtige Rolle in der zukünftigen Energieversorgung Deutschlands spielen. Die Rolle der Technologie im Energiemix der Zukunft wird im Rahmen von teilweise jährlich aktualisierten Leitstudien411 oder innerhalb unterschiedlicher Prognosen412 evaluiert, die vorwiegend auf theoretischen und technischen Potenzialbetrachtungen basieren. In der neuesten veröffentlichten Leitstudie des BUNDESMINISTERIUMS FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ UND REAKTORSICHERHEIT (BMU) wird auch indirekt auf sozio-technische, d.h. soziale, an die Techniknutzung gekoppelte Parameter verwiesen. So wird als Voraussetzung für einen längerfristig substantiellen Beitrag der geothermischen Stromerzeugung im Energiemix der Zukunft genannt, „[…] dass innerhalb des nächsten Jahrzehnts bei dieser Technologie noch deutliche technologische Fortschritte erreicht werden, die sowohl sicherheitstechnisch wie ökonomisch zu belastbaren Ergebnissen führen.“ (BMU 2012: 157) Sozio-technische Bezüge finden sich hier in der gesellschaftlichen Bewertung von „Sicherheit“ bzw. Risiko sowie der „Ökonomie“ des Anlagenbetriebs und der Zahlungsbereitschaft der Energiewende. In den jüngsten Leitfäden zur Tiefen Geothermie413 finden sich ebenfalls Hinweise darauf, dass sozio-technische Parameter in der Projektentwicklung stärker berücksichtigt werden sollten. So wird auf die wichtige Rolle der Projektkommunikation und Öffentlichkeitsarbeit hingewiesen (vgl. Enerchange 2011: 8ff.) bzw. auf „[…] die rechtzeitige Präsentation des Vorhabens bei Kommunen, Anwohner, Behörden etc. […]“ und den Aufbau eines angemessenen Informationsflusses (VBI 2013: 20ff.). Dem Thema „Akzeptanzsteigerung“ wurde in der neuesten Fassung des VBI-Leitfadens ein eigener Unterpunkt gewidmet (VBI 2013: 45). Gegenüber den geologischen, technischen, rechtlichen oder ökonomischen 408

409

410

411 412 413

Vgl. z.B. das Gespräch mit Ernst Huenges in „Risiken und Nebenwirkungen“ im Focus vom 15.11.2011: „[…] da ist noch einiges an Technologieentwicklung notwendig“ […]. Doch danach werde Geothermie, so Huenges, hierzulande eine sehr wichtige Rolle spielen: als stabiler Stromlieferant […]. Vgl. GTV-Homepage, Download am 26.03.13 unter: http://www.geothermie.de/wissenswelt/geothermie/einstieg-in-die-geothermie.html: „Was sind die Vorteile dieser Energiequelle? […] Durch die heute bekannten Ressourcen der hydrothermalen Tiefen Geothermie könnten etwa 29 % des deutschen Wärmebedarfs […] gedeckt werden. Zur Nutzung in petrothermalen Systemen steht im Tiefenbereich von 3.000 bis 7.000 Metern unter der Fläche der Bundesrepublik so viel Energie zur Verfügung, dass Deutschland sich damit für ca. 10.000 Jahre komplett mit Strom und Wärme versorgen könnte.“ Vgl. BMU-Startseite Tiefe Geothermie, Download am 26.03.2013 unter: http://www.erneuerbare-energien.de/uebrige-seiten-ohne-verlinkung/foerdergebiete-tiefe-geothermie/: „Sie [die Tiefe Geothermie] kann […] in einem regenerativen Energiemix der Zukunft eine wichtige Rolle spielen, um die benötigte Grundlast und Lücken in der Stromversorgung abzudecken.“ Vgl. z.B. die BMU-Leitstudien der letzten Jahre (BMU 2008–2011). Vgl. z.B. die BEE-Prognose 2009 oder die Prognosen in der BMU-Broschüre 2011. Vgl. z.B. Enerchange 2011, VBI 2013.

5.1 Sozio-technische Parameter der Projektentwicklung: Soziale Akzeptanz

223

Ausführungen und Empfehlungen bleiben die sozialen Bezüge jedoch eher allgemein und weitgehend undifferenziert auch hinsichtlich unterschiedlicher Projektkontexte. Hier stellt sich die Frage: Welche konkreten gesellschaftlichen Aspekte sollten wie und wann in der Projektentwicklung berücksichtigt werden, um eine geeignete und angemessene Projektkommunikation zu entwickeln bzw. um lokal Akzeptanz für Tiefe Geothermieprojekte zu erzeugen?414 In Bezug auf die theoretisch und technologisch auszuschöpfenden Potenziale der Tiefen Geothermie können, wie z.B. die BMU-Leitstudie anklingen lässt, diese Aspekte in Zukunft möglicherweise noch weiter an Bedeutung gewinnen. Auch ein Blick in die Printmedienberichterstattung zur Tiefen Geothermie (vgl. Leucht 2010a und 2012b) verweist auf die oben angesprochenen Themen „technische Sicherheit“ und „Ökonomie“ sowie auf ambivalente Bewertungen bzw. unterschiedliche „soziale Akzeptanztendenzen“ gegenüber der Tiefen Geothermie, hinter welchen wichtige Hinweise für relevante sozio-technische Parameter zu finden sind. So deutete die erhobene Berichterstattung415 neben den positiv antizipierten – vorwiegend technischen und theoretischen416 aber auch schon konkret genutzten417 – Potenzialen insbesondere ab 2009 auch auf regional bzw. lokal begrenzte Schwierigkeiten und Akzeptanzprobleme an Projektstandorten bei Teilen der Lokalbevölkerung. Überwiegend in den regionalen und lokalen Printmedien wurde z.B. über die Entstehung und Aktionen von Bürgerinitiativen in Rheinland-Pfalz und BadenWürttemberg418, über die Einberufung einer Untersuchungskommission zu den Beben in Landau und dem behördlich verordneten Probebetrieb des Kraftwerks419, über Klagen und Petitionen gegen Tiefe Geothermieprojekte an verschiedenen Projektstandorten420 oder über das in Rheinland-Pfalz 2010 von der Landesregierung initiierte Mediationsverfahren berichtet.421 Wie sind die in der Printmedienberichterstattung genannten gesellschaftlichen Reaktionen, das dort erzeugte „Image“ der Tiefen Geothermie sowie die dort genannten positiven und negativen Indikatoren für „soziale Akzeptanz“ einzuordnen und einzuschätzen? Was kann die Branche aus der Berichterstattung lernen? Diesen Fragen soll im vorliegenden Beitrag nachgegangen werden. Die hier vorgestellten Ergebnisse beziehen sich auf Beobachtungen der Kommunikation über die Tiefe Geothermie und nicht auf direkt in der Realität beobachtete Phänomene. So beziehen sich die Ausführungen schwerpunktmäßig auf die Ergebnisse einer (dreiteiligen) Printmedienanalyse, die am EIFER zwischen 2009 und 2012 durchgeführt wurde. Da die Entstehung von Bürgerinitiativen um Tiefe Geothermieprojekte als wichtiger Hinweis auf kommunale Akzeptanztendenzen angesehen werden kann, werden diese hinsichtlich ihrer Entstehungszusammenhänge und ihrer bisherigen Relevanz für die 414 415 416 417 418 419 420 421

Wobei die Projektkommunikation als Teil akzeptanzbildender Prozesse anzusehen ist und nicht per se als „Akzeptanzsteigerung“ aufgefasst werden sollte. Im Erhebungszeitraum 1995 bis 2011. Mit Bezug auf die Regionen Oberrheingraben, Bayerische Molasse und Norddeutsches Becken. Insbesondere mit Bezug auf die Projekte in der Molasse, aber auch die grundsätzlichen Möglichkeiten, die Basel und Landau im Oberrheingraben technisch aufzeigten. Vgl. z.B. Badische Neueste Nachrichten, Proteste mit wehenden Fahnen, vom 12.05.2010; Die Rheinpfalz, Geothermie. Bürgerinitiativen lehnen Mediator ab, vom 9.12.2010. Vgl. z.B. Die Rheinpfalz, Geothermie laut Experten Ursache für Erdbeben, vom 9.12.2010; Badische Zeitung, Geothermie lässt die Erde beben, vom 9.12.2010. Vgl. z.B. Die Rheinpfalz, Geothermie. Steinweiler mit Klage gescheitert, vom 1.07.2011. Vgl. z.B. Die Rheinpfalz, Geothermiestreit. Trotz Mediation Baustart geplant, vom 9.02.2011.

224

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Branche ergänzend mittels einer internetbasierten Recherche untersucht und in die Analyse mit einbezogen. Entsprechend ist die Perspektive dieses Ansatzes auf die Tiefe Geothermie eine indirekte, denn in diesem Rahmen werden keine Ergebnisse aus „dem Feld“ reproduziert. Die Printmedien bzw. der Informationszugang zu den Bürgerinitiativen durch das Internet filtern entsprechend den Zugang zur Technologie und den Akteuren. Der Beitrag ist folgendermaßen aufgebaut: Zunächst werden in Ziffer 5.1.3 Schnittstellen zwischen Technik und Gesellschaft aufgezeigt. In Ziffer 5.1.4 werden anschließend Indikatoren für soziale Akzeptanztendenzen in der Printmedienberichterstattung dargestellt und dahinter liegende, in der Printmedienberichterstattung genannte Akzeptanzfaktoren beschrieben und eingeordnet. Als Indikator von kommunaler Akzeptanz werden in Ziffer 5.1.5 die Entwicklungsdynamik, Entstehungsgründe und -motive der Bürgerinitiativen genauer betrachtet sowie deren derzeitige Relevanz für die Branche. Den Abschluss des Beitrags bildet Ziffer 5.1.6 mit dem Blick auf die Rolle der Kommunikation und ersten Empfehlungen für die Projektkommunikation.

5.1.3

Sozio-technische Parameter an der Schnittstelle zwischen Technik und Gesellschaft

Um „soziale Akzeptanz von Tiefer Geothermie“ als interdisziplinäres Forschungsthema bearbeiten zu können, muss zunächst geklärt werden, an welchen Schnittstellen kritische – im Sinne von wichtigen bzw. mit sozialen Risiken verbundene – Beziehungen zwischen Technik und Gesellschaft bestehen. Aspekte der Technologienutzung, die von involvierten Akteuren akzeptiert oder nicht akzeptiert werden, die dort zu finden sind, sollten von Fall zu Fall differenziert betrachtet werden. Am Beispiel der nachfolgenden Abbildung 47 wird versucht, relevante Schnittstellen am Beispiel eines Projekts der Tiefen Geothermie schematisch darzustellen. Dabei soll, als wichtiger Ausgangspunkt für eine „standortspezifische“422 Technologie, auf die „Mehrdeutigkeit“ eines Projektstandorts hingewiesen werden. In Abbildung 47 sind zwei unterschiedliche Dimensionen des Projektstandorts zu erkennen, in denen die Technologie eingebettet ist, zum einen die geologische und zum anderen die soziale Dimension. Die Technologie kann zum einen in ihrer technischen Dimension in der Vernetzung zu den untertägigen gekoppelten thermo-hydraulisch-mechanischen und chemischen (THMC) Kreisläufen und der obertägigen Kraftwerkstechnik am Standort wahrgenommen werden. Zum anderen kann ein Projekt der Tiefen Geothermie aber auch in seiner sozialen Dimension als techno-soziales Element (Technik und Projektakteure) in seiner Vernetzung zur sozialen (und ökologischen) Umwelt bzw. zu deren Akteuren und Strukturen vor Ort betrachtet werden. Neben den geologisch-technischen Anforderungen gilt es für Projektentwickler, die soziale Dimension zu berücksichtigen, in der die Tiefe Geothermie in ihren nationalen, regionalen und kommunalen rechtlichen sowie sozio-ökonomischen Rahmen eingebettet ist. Die Projektentwickler und Anlagenbetreiber stellen entsprechend ein wichtiges Bindeglied in der Vermittlung zwischen der geologisch-technischen und der techno-sozialen Umgebung des Projekts bzw. der Technologie dar.

422

Vgl. z.B. VBI 2013: 79 zu den „Standortspezifischen Randbedingungen“.

5.1 Sozio-technische Parameter der Projektentwicklung: Soziale Akzeptanz

225

Standortspezifische Technologie: Tiefe Geothermie

„Draufsicht“

„Seitenansicht“ Technik, Gesellschaft & Ökologie

Abbildung 47:

sozio-technisches Projekt kommunale Sozialstruktur und Infrastruktur

Untertägige Technik

Tiefe Geothermie-Anlage

Projektverantwortliche & Obertägige Technik (Kraftwerk)

Technik, Geologie & Wasserkreisläufe

regionale energiepolitische Landschaft

Schnittstelle Technik und Gesellschaft am Beispiel eines Projekts der Tiefen Geothermie

Um die notwendige technische Reife in der Entwicklung von Pionierprojekten vor Ort zu erlangen, ist insbesondere die Erfahrung der technischen Umsetzung im konkreten lokalen Kontext von Bedeutung, die teilweise noch technische Herausforderungen beinhaltet, die dann erst in der Implementierung bzw. im Betrieb optimiert werden können. Zu den Herausforderungen gehören z.B. Einfluss der Salinität der Sole hinsichtlich Korrosionseffekten an der Anlage, die Entwicklung bzw. der Einsatz einer standortspezifischen Pumpentechnik oder das standortspezifische Förder- und Injektionsverhalten. Als gegenwärtiges Dilemma kann jedoch betrachtet werden, dass die Voraussetzung der technologischen Reife wiederum ein maßgebliches Kriterium für die Akzeptanz der Technologie an den vorgesehenen Projektstandorten sein kann. Wichtig erscheint an dieser Schnittstelle der Aufbau von Vertrauen in die Innovationstechnologie und die Projektverantwortlichen. In seinem Beitrag zur Technikakzeptanz hat Renn (2005) auf das Phänomen des „Unbehagens“ verwiesen. Technische Anlagen würden meist als Nachbar wahrgenommen und nicht als Teil der eigenen Lebenswelt. Technik würde tendenziell als gut eingestuft, wenn ihr Anpassungsgrad an die Lebenswelt sehr hoch sei (z.B. Solarzellen) und als schlecht, wenn sie ein gesellschaftliches Unbehagen bereiteten, indem sie – wie z.B. im Fall von Großtechnologien – das Gefühl des individuellen Kontrollverlusts und einer anonymen Bedrohung der selbstbestimmten Lebenswelt erzeugten. Ausgehend von RENNs These kann gefolgert werden, dass die unterirdische Komponente der Tiefen Geothermie, die für die Menschen am Standort nicht sichtbar bzw. direkt erfahrbar ist, möglicherweise ein Unbehagen in der Wahrnehmung der Technologie erzeugen kann. Zum anderen findet sich hier auch ein Hinweis auf Handlungsmöglichkeiten, dass z.B. durch eine attraktive Einpassung der Technik in die Lebenswelt, durch die Möglichkeit eines erfahrbaren Zugangs zur unterirdischen Dimen-

226

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

sion sowie durch transparent gemachte technische Abläufe möglicherweise eine höhere lokale Akzeptanz für ein Kraftwerk bzw. die Technologie an sich erreicht werden kann.423 Die Tiefe Geothermie ist zum einen das Resultat einer technischen Konstruktion aus Technologieelementen im Untergrund und obertägig, zum anderen ist sie jedoch auch eine kommunikative „Konstruktion“ von unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteuren, die Technik über ihre Erfahrungen erleben oder sich kommunikativ über diese Wissen aneignen und eine Meinung bilden.424 Eine technisch-naturwissenschaftliche Konstruktion und entsprechende Interpretation der Technologie von Vertretern der Wissenschaft und Branche kann möglicherweise abweichen von einer zivilgesellschaftlichen oder politischen kommunikativen Konstruktion der Tiefen Geothermie. Eine größere Unstimmigkeit in der Interpretation und Bewertung der Technologie zwischen Branche, Politik und Bevölkerung besonders hinsichtlich lokaler Auswirkungen kann zu Problemen führen. Derzeit scheinen insbesondere die Risiken unterschiedlich definiert und bewertet zu werden. In der Printmedienberichterstattung finden sich diesbezüglich Zuschreibungen wie, „sichere, erprobte Technik“425 „alle Projekte sind Prototypen“426 (Statements Branche), „Zukunftstechnologie“427, „die Technologie steckt noch in den Kinderschuhen“428 (Statements Wissenschaft) oder „Risikotechnologie“429 (Statements Bürgerinitiativen und Lokalpolitik). Anhand der mehrdimensionalen Standortbetrachtung wird deutlich, dass wichtige soziotechnische Parameter der Tiefen Geothermie z.B. im Verhalten der Projektverantwortlichen, den Projektplanungsprozeduren, der Öffentlichkeitsarbeit eines Projekts sowie in der Wahrnehmung der Anwohner gegenüber den Akteuren, technischen Elementen oder den Effekten der Technologienutzung auf die eigene Lebenswelt zu finden sind. Diese Parameter können das Projektgeschehen je nach Ausprägung positiv oder negativ beeinflussen und sind Teil der Wissens- und Meinungsbildung, die die Grundlage für eine positive oder negative Akzeptanz bilden. Zum einen wird deutlich, wie wichtig die Kommunikation über die Technologie im Projektumfeld ist, zum anderen ist der Faktor Zeit zu berücksichtigen, denn die Beziehungen zwischen Projekt und Umwelt können sich im Zeitverlauf möglicherweise negativ, aber auch positiv verändern.

423 424 425 426 427 428 429

Vgl. z.B. den Kraftwerksdesign-Ansatz des Projekts Freiham unter: http://www.bohnarchitekten.de/projekte_hkwfreiham.html (Download 12.3.13). Zur Rolle von Einstellung und Wahrnehmungsprozessen gegenüber der Tiefen Geothermie an Projektstandorten vgl. Wallquist und Holenstein 2012. Vgl. Geisinger, W. in: Sonne Wind & Wärme, Erdwärme für Unterhaching, vom 24.9.2010 über das Projekt Unterhaching in: Süddeutsche Zeitung, Ausgabe München Süd. Vgl. GtV-Präsident Horst Rüter in: Energie und Management, Alle Geothermie-Kraftwerke sind noch Prototypen, vom 15.7.2011. Vgl. Kohl, T. in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Unter unseren Füßen, vom 30.6.2011. Vgl. Huenges, E. (2010): Tiefe Geothermie in Deutschland – eine Übersicht. bbr Fachmagazin für Brunnenund Leitungsbau, Sonderheft, Tiefe Geothermie, S. 12. Vgl. Die Rheinpfalz, Kräftige Brise, vom 18.03.2011.

5.1 Sozio-technische Parameter der Projektentwicklung: Soziale Akzeptanz

5.1.4

227

Indikatoren für Akzeptanztendenzen gegenüber der Tiefen Geothermie in der Printmedienberichterstattung

Wie sich an den Ergebnissen der Medienresonanzanalyse(n) (MRA) der Printmedien430 zeigte, ist das Thema Tiefe Geothermie Gegenstand der öffentlichen Meinungsbildung. Die Printmedien vermittelten in ihrer Berichterstattung zum einen Hinweise auf die Wissens- und Meinungsbildungsprozesse gesellschaftlicher Akteure, die der Branche, der Politik, der Verwaltung oder der Zivilgesellschaft angehören. Zum anderen repräsentieren sie selbst auch eine Akteursgruppe im Kommunikationsnetzwerk431 um das Thema Tiefe Geothermie, indem sie aktiv durch die redaktionelle und journalistische Arbeit, wie z.B. die Selektion und Darstellung von Aspekten der Technologie, Einfluss auf die Wissens- und Meinungsbildung ihrer Leserschaft nehmen.432 Die in diesem Abschnitt dargestellten Ergebnisse zur Printmedienberichterstattung beziehen sich zum einen auf eine MRA der deutschen PrintLeitmedien, ausgewählter Fachzeitschriften und Regionalzeitungen im Erhebungszeitraum 1998 bis 2011 zum Thema „Tiefe Geothermie/Geothermie“,433 zum anderen auf die MRA der Leitmedien, Fachzeitschriften, Regional- und Lokalzeitungen speziell zu den Projekten Landau, Bruchsal, Brühl und Unterhaching der Jahre 2003–2011.434

5.1.4.1

Zur Erhebung von Indikatoren für Akzeptanztendenzen

Unter den Begriffen „soziale Akzeptanz“ oder „Technikakzeptanz“ wird in der Sozialwissenschaft die Beziehung zwischen sog. „Akzeptanzsubjekten“ und einem sog. „Akzeptanzobjekt“ verstanden.435 Akzeptanz gegenüber der Tiefen Geothermie als Ergebnis von Wissens- und Meinungsbildungsprozessen der involvierten Akteure basiert zum einen auf der Kommunikation über die Technologie im allgemeinen, teilweise bezogen auf spezielle Projektkontexte und hier auch in Bezug auf die involvierten Akteure.436 Zum anderen bildet sich Akzeptanz auch auf direkten Erfahrungen mit Projekten am Standort heraus bzw. im Wechselspiel von Kommunikation und Erfahrungskontext. Des Weiteren ist anzumerken, dass sich Akzeptanztendenzen unterschiedlicher Akteure gegenseitig positiv oder negativ beeinflussen können. So können z.B. Erfahrungen mit einzelnen Projekten in einer Region als Verstärker dienen (z.B. die Erfahrungen mit dem Projekt Unterhaching) oder zivilgesellschaftliche Akteure können als potenzielle Wähler die Akzeptanzhaltung von Politikern beeinflussen (z.B.

430 431 432 433 434

435 436

Leucht 2010a, 2012a, 2012b. Vgl. z.B. das kommunale Kommunikationsnetzwerk unter Abschnitt 5.1. Im Rahmen der MRA wurde jedoch keine Untersuchung zur Rezeption der Berichterstattung in der Bevölkerung vorgenommen. Diese wurde im Rahmen des von der EnBW in Auftrag gegebenen Projekts „Soziale Akzeptanz von Tiefer Geothermie in Deutschland“ durchgeführt. Diese MRA wurde von der Agentur ENERCHANGE im Rahmen des vom BMU geförderten Projekts „Evaluation der Öffentlichkeitsarbeit für Geothermieprojekte in Deutschland und Erarbeitung von praxisbezogenen Hilfestellungen für Entwickler und Betreiber von geothermischen Anlagen“ (2011–2013) in Auftrag gegeben. Zu den weiteren Projektaktivitäten vgl. die Projektwebseite www.pr-geothermie.de. Die Lokalberichterstattung wurde nur für die Jahre 2010 und 2011 ausgewertet. Zum Ansatz der Entstehung von Akzeptanz als Ergebnis von Beziehungen zwischen „Akzeptanzsubjekten“ und einem „Akzeptanzobjekt“ vgl. Lucke und Haas 1998. Zur Rolle von Wissens-und Meinungsbildungsprozessen für die Akzeptanz vgl. Lucke 1998, Renn 2005.

228

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Bürgerinitiativen).437 Die Relevanz von beobachtbaren Akzeptanztendenzen für die Branchenentwicklung hängt letztlich davon ab, welchen Einfluss bestimmte Akteure oder Akteursgruppen auf zentrale Entscheidungsprozesse im Zuge der Technologieimplementierung haben (können). Die Unterscheidung nach Wüstenhagen et al. (2007) von „Marktakzeptanz“, „sozio-politischer Akzeptanz“ und „kommunaler Akzeptanz“ verweist dabei auf verschiedene gesellschaftliche Handlungs- und Entscheidungsebenen der unterschiedlichen Akteure, die Relevanz für die Branchen- bzw. Projektentwicklung besitzen.438 Als Indikatoren für soziale Akzeptanztendenzen in der durchgeführten Printmedienresonanzanalyse konnten folgende Variablen ausgewertet werden: (1) Bewertung der Tiefen Geothermie im Artikel439, (2) Wiedererkennen von drei vordefinierten „Botschaften“ in der Textaussage des Artikels440 und (3) inhaltliche Hinweise im Artikeltext auf die Entwicklung von Projekten in Regionen und auf lokale Schwierigkeiten im Projektumfeld. Bei der Interpretation der Stimmen oder Stimmungen, die Eingang in die Berichterstattung finden, ist zu berücksichtigen, dass Akzeptanz ganz unterschiedliche Ausprägungen aufweisen kann (vgl. Abbildung 48). Ausprägungen von Akzeptanz

positiv

Befürwortung

negativ

EINSTELLUNG

passiv

Ablehnung

Abbildung 48:

HANDLUNG

aktiv Unterstützung/ Engagement

Widerstand

Ausprägungen von Akzeptanz (nach Zoellner et al. 2009)

Handlungen von Akteuren im aktiven Akzeptanzbereich treten möglicherweise stärker in den Vordergrund der äußeren Wahrnehmung von z.B. den Sozialwissenschaften oder den Me437

Vgl. Leucht 2012b. Vgl. z.B. Wunderlich (2012: 5ff.) in Bezug auf sozio-politische, Markt- und kommunale Akzeptanz von erneuerbaren Energietechnologien. 439 Diese Bewertung mit den Ausprägungen „sehr positiv“, „positiv“, „teilweise positiv“, „neutral“, „teilweise negativ“, „negativ“ und „sehr negativ“ wurde von einem unabhängigen Lektoren – in Funktion des Lesers – in Bezug auf die von ihm wahrgenommene Darstellung der Tiefen Geothermie vergeben, wobei diese dann mit der Erhebung von Signalwörtern im Artikeltext auf Plausibilität gegengeprüft wurde. 440 Botschaft 1 „Tiefe Geothermie ist eine Technologie der Zukunft“, Botschaft 2 „Tiefe Geothermie hat keine Zukunft“ und Botschaft 3 „Tiefe Geothermie ist eine Technologie der Zukunft unter bestimmten Bedingungen“. Die Botschaften wurden zusammen mit einem „Durchdringungsgrad“ erhoben, je nachdem wie wörtlich oder sinngemäß bzw. vollständig oder teilweise sie im Artikel vermittelt wurden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird die Differenzierung nach der Durchdringung in der folgenden Darstellung vernachlässigt. Die Botschaften sind ebenso wie die Bewertungen als Indikatoren oder Hinweise für generelle „grobe“ Tendenzen zu interpretieren. 438

5.1 Sozio-technische Parameter der Projektentwicklung: Soziale Akzeptanz

229

dien. Bei letzteren erreichen darüber hinaus oft negative Ausprägungen eine höhere Resonanz (im Sinne von „bad news are good news“). Dem gegenüber ist die „stille Masse“ – in Abbildung 48 ist diese den beiden linken Quadranten zuzuordnen – empirisch kaum zu erfassen. Methodisch verweist die Berücksichtigung von möglichen verdeckten passiven Akzeptanztendenzen darauf, dass alleine über eine Erhebung von aktiven Akzeptanzausprägungen wie dies z.B. durch eine Medienresonanzanalyse versucht werden kann, bezüglich der tatsächlichen gesellschaftlichen Akzeptanz noch keine endgültigen Aussagen getroffen werden kann. Nichts desto trotz können Indikatoren aktiver Akzeptanzausprägungen auf notwendigen Handlungsbedarf verweisen, insbesondere im Fall von Hinweisen auf partielle NichtAkzeptanz. Bei der Erhebung von Indikatoren für Akzeptanztendenzen mittels einer Printmedienresonanzanalyse ist es wichtig zu unterscheiden, dass (erstens) durch den „Filter“ der Berichterstattung unterschiedlicher Medien441 (zweitens) unterschiedliche Akteure, Regionen und Projekttypen in den Fokus geraten, auf die sich Bewertungen und Botschaften und damit auch partielle Akzeptanztendenzen beziehen (vgl. Abbildung 49). Verschiedene Printmedientypen (Leitmedien, Regionalzeitungen, Fachzeitschriften, Lokalzeitungen) berichten in unterschiedlichen Regionen mit unterschiedlichen Bewertungstendenzen und Botschaften über die Tiefe Geothermie, dabei ist zu beobachten: In unterschiedlichen geologischen Regionen:

Oberrheingraben Bayerische Molasse Norddeutsches Becken

…zeigen Stakeholder aus verschiedenen Gesellschaftsbereichen wie:

nationale, regionale, oder lokale Politiker und Behörden, Projektentwickler, Investoren Regionale oder lokale Betreiber, Nachfrager von Strom und Wärme lokale Entscheidungsträger, Verbände und Vereine, Bürgerschaft

Abbildung 49:

441

…mit positiven oder negativen Bewertungen von:

geologischen, technischen, ökonomischen, sozialen, ökologischen

…unterschiedliche Akzeptanztendenzen positiver und negativer Ausprägung von:

„Sozio-politische Akzeptanz“

„Marktakzeptanz“ Kriterien und Faktoren der Entwicklung und Nutzung der Tiefen Geothermie

„Kommunale Akzeptanz“

Differenzierungsschema für die Analyse von Akzeptanztendenzen im Rahmen einer Printmedienanalyse

Vgl. z.B. die Ausführungen zur Rolle der Printmedien am Beispiel der Berichterstattung zu den Projekten Landau, Bruchsal, Brühl und Unterhaching (Leucht 2012b: 73 f.).

230

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

5.1.4.2

Bewertungstendenzen und Vermittlung von Botschaften in der Printmedienberichterstattung zur Tiefen Geothermie

In Abbildung 50 sind die Bewertungstendenzen zu Tiefen Geothermie/Geothermie in deutschen Leitmedien sowie ausgewählten Fachzeitschriften und Regionalzeitungen jeweils aus zwei methodisch unterschiedlichen Erhebungen dargestellt.

Erhebung 1

Erhebungsjahr (Anz. Artikel)

2003 (17) 2004 (27) 2005 (28) 2006 (56)

positiv/ sehr positi v

2007 (80)

teilweise positiv

2008 (93) mit S

neutral

2009 (165) mit S,W

teilweise negativ

Erhebung 2

negativ/ sehr negati v

2010 (189) mit S 2011 (191) mit S 0%

20%

40%

60%

80%

100%

Bewertungstendenzen in derDarstellung derTiefen Geothermie /Geothermie in% an der erhobenen Berichterstattung

Abbildung 50:

442

Bewertungstendenzen zur Tiefen Geothermie/Geothermie

Diese Darstellung basiert lediglich auf aggregierten Tendenzen von Bewertungen und Botschaften in der Printmedienberichterstattung. Die erhobenen Tendenzen sollen als Indikatoren bzw. für Hinweise auf teilweise geltende und generelle, „grobe“ Tendenzen über die Zeit und über verschiedene Regionen hinweg lediglich als kontextueller Einstieg zur Betrachtung von dahinter liegenden Parametern, Kriterien und Faktoren von Akzeptanz dienen.443 Da zu Beginn der Erhebung der Berichterstattung das Interesse insbesondere auf dem Einfluss von besonderen Zwischenfällen lag und dabei auch untersucht werden sollte, ob und wie Bezüge 442

Bewertungstendenzen zur Tiefen Geothermie/Geothermie inklusive der oberflächennahen Fälle Staufen im Breisgau (S) und Wiesbaden (W) in der Berichterstattung deutscher Leit- und ausgewählter Fach- und regionaler Printmedien 2003–2011, Datenquelle: Leucht 2010b, 2012a. In der ersten Erhebung wurden noch OnlineAusgaben von Zeitungen und Beiträge von Online-Nachrichtendienten berücksichtigt. In der zweiten Erhebung wurde nach einer Auswahl von relevanten Printmedien ein systematisches Clipping durchgeführt, hier wurden keine Online-Beiträge berücksichtigt. Da die Mehrheit der Artikel aus den Printausgaben stammt, wurde vereinfacht der Begriff „Printmedienresonanzanalyse“ gewählt. 443 443 Die Artikel des Erhebungszeitraums (1) 2003 bis 2009 , wurden in insgesamt 19 Leitmedien, 22 Regionalzeitungen, 15 Fachzeitschriften und 11 Online-Portalen identifiziert. In 16 deutschen Print-Leitmedien, 36 Regionalzeitungen und 6 Fachzeitschriften konnten Artikel im Erhebungszeitraum (2) 2010 bis 2011 identifiziert werden.

5.1 Sozio-technische Parameter der Projektentwicklung: Soziale Akzeptanz

231

zwischen Tiefer und Oberflächennaher Geothermie im teilweise benutzten allgemeinen Begriff „Geothermie“ hergestellt wurden, umfasste die Artikelrecherche unter den Suchbegriffen „Tiefe Geothermie/Geothermie“ trotz technologisch grundverschiedener Ansätze auch die beiden Oberflächennahen Geothermieprojekte in Staufen im Breisgau und in Wiesbaden.444 Die Berichterstattung von Erhebung 1 bezog sich auf insgesamt rd. 20 konkrete Projekte in Deutschland, teilweise auch der Schweiz und Frankreich. Neben dem Bezug auf Projektstandorte waren technologische und theoretische Potenziale der Tiefen Geothermie in den drei Regionen Oberrheingraben, Bayerische Molasse und Norddeutsches Becken in Deutschland sowie in anderen Regionen weltweit ein merkliches Thema. In einem Großteil der Berichterstattung wurde die Technologie lediglich im Rahmen der Möglichkeiten des zukünftigen Energiemix in Deutschland genannt. In Erhebung 2 bezog sich die Berichterstattung auf insgesamt rd. 80 Projekte445. Auch hier wurde neben konkreten Projektbezügen ein allgemeinerer Zugang zur Tiefen Geothermie hergestellt, indem generell Potenziale in Regionen oder die Rolle der Technologie unter den Erneuerbaren Energietechnologien erörtert wurden. Zunächst wird in den Abbildungen deutlich, dass in der Printmedienberichterstattung eine ganze Bandbreite von Bewertungstendenzen gegenüber der Tiefen Geothermie festzustellen ist. Die bis 2006 überwiegend positiven Bewertungstendenzen basieren auf der Darstellung der positiv wahrgenommenen deutschen und globalen theoretischen und technologischen Potenziale der Tiefen Geothermie und mit Bezug auf Projektstandorte wie Neustadt-Glewe, Basel, Unterhaching und Landau auf ersten technologischen Erfolgen bzw. erfolgreichen Schritten der geothermischen Stromerzeugung in Deutschland. Das merkliche Entstehen negativer Bewertungstendenzen ab 2006 hat mehrere Bezüge. Zum einen beeinflussten die Beben in Basel (Dezember 2006) die Berichterstattung im Jahr 2007 deutlich in negativer Weise. Der Fall Staufen bildet ab 2008 und 2009 eine starke negative Referenz in der Berichterstattung und teilweise wurde ein Bezug zu Basel hergestellt, indem Risiken der Geothermie thematisiert wurden. Nach den Beben von Landau im Spätsommer 2009 wurde das Thema induzierte Seismizität in der Berichterstattung verstärkt aufgegriffen und der Fall Wiesbaden (Ende 2009) goss im Oberrheingraben nach diesen Zwischenfällen nochmals einen (negativen) „Tropfen Öl ins Feuer“ der kritischen Wahrnehmung der Geothermie durch die Printmedien.446 Die Oberflächennahen Geothermieprojekte Staufen und Wiesbaden zeigten in den Jahren 2010 und 2011 noch einen gewissen Einfluss auf die Berichterstattung über Tiefe Geothermie. „Basel, Staufen und Landau“ waren ein häufiger anzutreffendes „Trio“ in der Berichterstattung von 2010 und die Berichterstattung zu einem Tiefen Geothermieprojekt in Wiesba444

Diesbezügliche Artikel wurden nur mit einbezogen, wenn sie sich ganz explizit nicht nur auf den Bereich der Oberflächennahen Geothermie bezogen, sondern wenn allgemein von Geothermie bzw. der Geothermiebranche geschrieben wurde. In beiden Projekten sollten jeweils öffentliche Gebäude mit einer geothermischen Anlage ausgerüstet werden. In Staufen kam es ab 2008 zu merklichen Erderhebungen im Stadtgebiet, die Risse in Häusern erzeugten und insgesamt einen Millionenschaden anrichteten. In Wiesbaden wurde im November 2009 eine Wasserblase angebohrt und das Wasser trat in einer Fontäne heraus. Teile der Umgebung der Bohrung wurden kurzfristig überflutet. 445 Der Unterschied zwischen den beiden Erhebungen ist u.a. der Tatsache geschuldet, dass in Erhebung 1 überwiegend Artikel der Leitmedienberichterstattung erhoben wurden, im Gegensatz zu Erhebung 2, in der die Regionalzeitungen stärker berücksichtigt wurden und die Projektberichterstattung in diesem Medientyp einen größeren Stellenwert besitzt. Projektbezüge fanden sich teilweise auch zum Ausland (Schweiz, Frankreich). 446 Vgl. zu Basel, Staufen und Wiesbaden Leucht 2010a und zu Landau und Unterhaching die Ergebnisse zu Landau und Unterhaching in Leucht 2012b.

232

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

den blieb von 2010 bis Mitte 2011 noch deutlich negativ von der Erfahrung mit dem Zwischenfall der Oberflächennahen Geothermie beeinflusst, danach wurde darüber aber auch wieder in einem positiven Bewertungskontext berichtet. Im Jahr 2010 war Kirchweidach die häufigste positive Projektreferenz. Am stärksten negativ beeinflussten die Diskussionen zum Thema induzierte Seismizität und Risiken der Tiefen Geothermie die oben dargestellten negativen Bewertungstendenzen der Berichterstattung im Jahr 2010 und 2011. Dabei wurde – überwiegend in den Regionalzeitungen in der Region – auf Projekte im Oberrheingraben, an denen sich Bürgerinitiativen gebildet hatten, auf das sog. Mediationsverfahren in RheinlandPfalz und auf die weitere Projektentwicklung von Landau nach den Beben verwiesen. Im Jahr 2011 deutete sich in der erhobenen Printmedienberichterstattung insgesamt wieder eine positivere Bewertungstendenz an, so vergrößerte sich der Anteil der positiven Berichterstattung im Vergleich zu 2010 wieder merklich. Diese Bewertungstendenzen bezogen sich teilweise auf eine positive Darstellung von Projektentwicklungen in der Molasse (Taufkirchen, Freiham, Kirchstockach) und im Norddeutschen Becken (Groß Schönebeck, Munster, Berlin) und auf die wieder häufiger positiv dargestellten theoretischen und technischen Potenziale unter den veränderten energiepolitischen Rahmenbedingungen im Zuge der Energiewende. Neben Unterhaching als wichtigem positivem Referenzprojekt gegen Ende des Erhebungszeitraums war Landau vereinzelt auch wieder ein positiver Bezug mit Blick auf die dort aufgezeigten technologischen Möglichkeiten der geothermischen Stromerzeugung in Deutschland. In dieser überregionalen und regionalen Berichterstattung kamen vorwiegend Vertreter der Branche, der Wissenschaft und der Politik zu Wort. Zivilgesellschaftliche oder kommunalpolitische Vertreter der Projektstandorte hatten hier weniger direkten Einfluss, sie wurden aber als Referenz in den Statements insbesondere politischer Akteure herangezogen. Dieser Ausschnitt der Medienberichterstattung deutet an, dass es der Branchenlobby trotz Möglichkeit von eingebrachten Statements im Fall des „erschütterten Vertrauens“ teilweise nicht gelungen ist, das partiell negative Stimmungsbild in den Printmedien durch vertrauensbildende Kommunikation aufzufangen und umzukehren. Da die Presse als sog. „vierte Macht“ eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für die Branchenkommunikation darstellt, kann an dieser Stelle schon auf einen möglichen Handlungsbedarf in Richtung einer teilweise noch zu verbessernden Öffentlichkeits- bzw. Pressearbeit hingewiesen werden. Abbildung 51 stellt die Verteilung der Botschaften in der Printmedienberichterstattung in unterschiedlichen Regionen im Erhebungszeitraum 2010 bis 2011 dar.447 In der Auswertung der Vermittlung von Botschaften verweist eine regionale Differenzierung auf unterschiedliche von der Printpresse vermittelte Stimmungsbilder in der Berichterstattung in den Regionen Oberrheingraben, Molasse und Norddeutsches Becken bzw. in der überregionalen Berichterstattung der Leitmedien. In dieser Darstellung ist insbesondere zu erkennen, dass sich die erhobene Berichterstattung dieser beiden Jahre in der Region Oberrheingraben konzentrierte. Dieser Teil der Berichterstattung verweist quantitativ mit Botschaft 3 am stärksten auf „bestimmte Bedingungen“, die hinsichtlich der Entwicklung und Nutzung der Tiefen Geothermie in den Printmedien diskutiert wurden. Auch ist der Oberrheingraben die Region, in der mit Botschaft 2 die Zukunft der Technologie am Stärksten in der Berichterstattung in Frage gestellt wird. 447

In Artikeln zu Staufen und in Artikeln mit neutralem Informationsgehalt zur Tiefen Geothermie konnte „keine Botschaft“ zur Tiefen Geothermie zugewiesen werden.

5.1 Sozio-technische Parameter der Projektentwicklung: Soziale Akzeptanz

233

100 90 80 Anzahl Artikel

70

keine Botschaft

60 50

(1) Tiefe Geothermie ist eine Energietechnologie der Zukunft

40

(2) Tiefe Geothermie hat keine Zukunft

30 20

(3) Tiefe Geothermie hat eine Zukunft unter bestimmten Bedingungen

10 0 ORG 2010 ORG 2011 MOL 2010 MOL 2011 NB 2010

NB 2011

bw 2010

bw 2011

Berichterstattung der Regionalzeitungen im Oberrheingraben (ORG), in der Molasse (MOL), im Norddeutschen Becken (NB) und der bundesweiten Leitmedien und Fachzeitschriften (bw)

Abbildung 51:

Übermittlung von Botschaften in der Berichterstattung

448

Die Vermittlung von Botschaft 3 deutet auf eine Ambivalenz in der Abwägung der Chancen und Risiken der der Tiefen Geothermie hin. Ab 2011 wurden mit Botschaft 3 die „bestimmten Bedingungen“ deutlicher auch in der Berichterstattung in der Region Molasse thematisiert, im Norddeutschen Becken und in den bundesweiten Leitmedien merklich auch schon ab 2010. Zu den „bestimmten Bedingungen“ wurden in der Analyse Argumente gezählt, die verschiedene Stakeholder in der Printmedienberichterstattung in ihren Aussagen oder Aktionen vorgebracht wurden in Bezug auf genutzte Potenziale, Probleme oder Verbesserungspotenziale in der Nutzung der Tiefen Geothermie. Darauf wird im folgenden Abschnitt näher eingegangen. Die vergleichsweise hohen Anteile der positiven Botschaft 1 in der Berichterstattung im Norddeutschen Becken und in der bundesweiten Leitmedienberichterstattung sind darauf zurückzuführen, dass hier neben positiven Projektbezügen449 eine positive dargestellte generelle Potenzialbetrachtung der Tiefen Geothermie (teilweise auch mit globaler Perspektive) einen größeren thematischen Einfluss ausmacht. Im Vergleich der beiden Indikatoren „Bewertungstendenzen“ und „Tendenzen in der Vermittlung von Botschaften“ ist zu berücksichtigen, dass Botschaft 3 innerhalb unterschiedlicher Bewertungstendenzen vermittelt wurde, so erschien z.B. die Bedingung „Kommunikationsbedarf“ im negativen Kontext als Mangel oder im positiven Kontext als Chance. Die Auswertungen zu Bewertungstendenzen gegenüber der Tiefen Geothermie bzw. zu konkreten Projekt in den Lokalzeitungen der Projekte Landau, Bruchsal, Brühl und Unterhaching (Leucht 2012b) haben gezeigt, dass die Bewertung der Tiefen Geothermie in diesem Printmedientyp stark durch den lokalen Erfahrungsbezug am Projektstandort beeinflusst wird. Im Fall der in der Berichterstattung als problematisch dargestellten Projekte Landau und Brühl flossen in die Bewertungstendenzen gegenüber dem Projekt bzw. der Technologie 448

Übermittlung von Botschaften in der Berichterstattung deutscher Leit- und ausgewählter regionaler Printmedien nach Regionen 2010 (189 Artikel) und 2011 (191 Artikel), Datenquelle: Leucht 2012a. 449 In der Berichterstattung des Norddeutschen Beckens (NDB) waren dies z.B. Größ-Schönebeck, Munster, Hannover und Berlin, aber auch Projekte in der Molasse (AFK, Unterhaching und Kirchstockach). In der Berichterstattung der Leitmedien und Fachzeitschriften war innerhalb der Vermittlung von Botschaft 1 vorrangig der Bezug zur Region Molasse zu erkennen (neben Unterhaching u.a. Sauerlach, Erding, München/Riem).

234

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

deutlich stärker die „Stimmen“ von lokalen Akteuren ein, wie z.B. von Mitgliedern von Bürgerinitiativen, des Gemeinderats oder des Bürgermeisters. Die vergleichsweise dichte Berichterstattung zu beiden Projekten in den Lokalzeitungen zeigte eine überwiegend negative Bewertungstendenz gegenüber dem Projekt bzw. der Technologie. Im Fall von Brühl bildeten die Erfahrungen im Kontext des Projekts Landau eine starke Referenz, indem kritische Bürger vergleichende (negative) Assoziationen von Projektkontext zu Projektkontext bildeten (Leucht 2012b: 30 und 52ff.). Die Berichterstattung der Lokalzeitungen zu den Projekten Bruchsal und Unterhaching zeigte sich unbeeinflusst von den seismischen Ereignissen in Landau, wobei in Bruchsal tendenziell sehr wenig und dann neutral bzw. teilweise negativ (Leucht 2012: 44) und in Unterhaching etwas häufiger und dann tendenziell positiv (Leucht 2012b: 69) berichtet wurde. Auch hier bezog sich die Berichterstattung überwiegend auf Aktionen oder Statements der lokalen Projektverantwortlichen. Die Lokalberichterstattung verweist darauf, dass lokale Akteure im Projektumfeld und ihre Akzeptanzhandlungen das Projektgeschehen und die öffentliche Meinungsbildung teilweise stark beeinflussen können, in negativer Form von sich bildendem Widerstand (z.B. als Bürgerinitiative in Brühl) gegen, aber auch in positiver Form von sich bildenden Nachfragestrukturen (z.B. private und gewerbliche Wärmekunden in Unterhaching) für die Tiefe Geothermie.

5.1.4.3

Akzeptanzfaktoren der Tiefen Geothermie

Auf Basis der Erhebung von positiven und negativen Argumenten unterschiedlicher Stakeholder für oder gegen die Technologienutzung der Tiefen Geothermie im Rahmen der Printmedienresonanzanalyse können zwei Kategorien von Akzeptanzfaktoren abgeleitet werden: Kategorie 1: Aspekte der Technologienutzung, die einen positiven oder negativen Einfluss auf die lokale Lebenswelt am Projektstandort hatten oder haben könnten, wobei die Argumente überwiegend der lokalen Bevölkerung, den Bürgerinitiativen oder lokalen Entscheidungsträgern zuzuordnen waren. Kategorie 2: theoretische und technologische Potenziale der Tiefen Geothermie zur Erzeugung einer grundsätzlichen Akzeptabilität gegenüber der Technologie, wobei die Argumente überwiegend den Vertretern der Geothermiebranche, der Wissenschaft oder der nationalen oder regionalen Politik zuzuordnen waren. Eine Analyse der Argumente zeigte, dass sich die positiven Argumente in der Berichterstattung vorwiegend der zweiten Kategorie von Akzeptanzfaktoren zuordnen lassen. Zu den positiven Argumenten zählten gute geologische Voraussetzungen in der Molasse, dem Oberrheingraben und dem Norddeutschen Becken, das große vorhandene Energiepotenzial, ein ausreichendes technologisches Know-How einer erprobten Technik, die Erneuerbarkeit und Unerschöpflichkeit der Energiequelle, die saubere, umwelt- und klimafreundliche Technologie zur Strom- und Wärmegewinnung, CO2-Neutralität und Grundlastfähigkeit der Technologie, Beitrag zur Energiesicherheit und Energieunabhängigkeit sowie die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Anlagenbetriebs. Im Fall der Berichterstattung der Regional- oder Lokalzeitungen wurden positive Akzeptanzfaktoren in Kategorie 1 vorrangig mit Bezug auf die Region Molasse und Projekte mit wärmegeführten Anlagen identifiziert mit dem Verweis auf die kommunale Wärmeversorgung durch Fernwärme, Preisstabilität sowie auf die Tiefe Geothermie als Baustein regionaler Energiesicherheit und -unabhängigkeit im Rahmen einer nachhaltigen Energieversorgung.

5.1 Sozio-technische Parameter der Projektentwicklung: Soziale Akzeptanz

235

Negative Akzeptanzfaktoren der Kategorie 1 wurden vorrangig in der erhobenen Berichterstattung der Regional- oder Lokalzeitungen im Oberrheingraben vermittelt mit Bezug zu den Bedenken der lokalen Bevölkerung an Projektstandorten im Nachgang zu den Beben in Landau. Zu den negativen Argumenten zählten die Erfahrung und Befürchtung von induzierter Seismizität, eine befürchtete dauerhafte Lärmbelästigung durch den Kraftwerksbetrieb mit der Folge von Gesundheitsschäden, befürchtete Verschmutzung des Grundwassers, befürchtete Entwertung von Naherholungsgebieten und Wohneigentum, befürchtete Schäden am Wohneigentum ohne ausreichende Klärung von Haftungsfragen, befürchteter Austritt von Radioaktivität mit der Folge von Gesundheitsschäden, das Anzweifeln der Effizienz der Anlagen und ein den privatwirtschaftlichen Investoren zugeschriebener finanzieller Nutzen des Anlagenbetriebs, der ein Risiko am Standort beinhalte, jedoch keinen eindeutigen Nutzen für die Bevölkerung vor Ort. Aus der Berichterstattung lässt sich dabei insbesondere die Notwendigkeit zu einer verbesserten Kommunikation zwischen Projektverantwortlichen und der Bevölkerung vor Ort und dabei auch ein verbesserter Umgang mit dem Thema Risiko als wichtige „Bedingungen“ erkennen.

5.1.5

Bürgerinitiativen gegen Tiefe Geothermieprojekte

Die begriffliche Unterscheidung von Wüstenhagen (2007) aufgreifend, ist für diesen Beitrag insbesondere die „kommunale Akzeptanz“ von Interesse. Nur wenige Hinweise auf Aktionen von Bürgerinitiativen in der Printmedienberichterstattung in der Bayerischen Molasse und eine dort herauszulesende dynamische Projektentwicklung, verweisen auf eine tendenziell positive „kommunale Akzeptanz“ gegenüber der Tiefen Geothermie in dieser Region. Erfahrungen mit der Tiefen Geothermie wie in Unterhaching erwiesen sich als Vertrauensbildner für die weitere Projektentwicklung an neuen Standorten in der Region. Jedoch fanden sich in der Lokalberichterstattung zu Unterhaching auch einige wenige Hinweise auf kritische Stimmen aus der Bevölkerung (Leucht 2012b: 68). Nach den Beben in Landau verweist die Printmedienberichterstattung auf einige negative kommunale Akzeptanztendenzen in der Region Oberrheingraben mit dem Verweis auf die Entstehung von Bürgerinitiativen gegen mehrere Tiefe Geothermieprojekte in Rheinland-Pfalz und mit Brühl eines Projekts in BadenWürttemberg. Insbesondere im Bereich der Indikatoren zur Interpretation von kommunaler Akzeptanz ist zu berücksichtigen, dass die „stille Masse“ in der Bevölkerung in der Berichterstattung deutlich weniger repräsentiert wird als aktive lokale Meinungsführer. Da jedoch die Entstehung von Bürgerinitiativen der derzeit in Bezug auf negative kommunale Akzeptanzausprägungen der am Stärksten in den Vordergrund tretende Indikator in der Berichterstattung ist und somit auf einen möglichen Handlungsbedarf der Branche verweist, wird in diesem Abschnitt ausführlicher auf dieses Thema eingegangen. Bürgerinitiativen sind seit 2009 an einigen Standorten von Projekten der Tiefen Geothermie entstanden. Aus welchen Motiven und Gründen heraus engagieren sich Bürger und Bürgerinnen an Projektstandorten gegen die Tiefe Geothermie? Welche Rolle spielen die Bürgerinitiativen für die Branchenentwicklung? Und: Welcher Handlungsbedarf für die Branche lässt sich aus den beobachtbaren Reaktionen von Bürgern ableiten? Diesen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden. Zum einen wird die Entstehung der Bürgerinitiativen zeitlich mit der Branchenentwicklung der Tiefen Geothermie in Deutschland in Bezug gesetzt, zum anderen in den Bezug zum gesamtgesellschaftlichen Kontext.

236

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

5.1.5.1

Motive und Gründe für die Entstehung der Bürgerinitiativen aus projekthistorischer Sicht

Laut Informationen der Homepage des BUNDESVERBANDS GEOTHERMIE E.V. (GtV) sind derzeit in Deutschland 20 Tiefe Geothermieprojekte im Betrieb, 19 Projekte im Bau und 74 Projekte in Planung.450 Eine Betrachtung der Projektentwicklungshistorie in Deutschland zeigt für die Inbetriebnahme folgende Dynamik seit den 1980er Jahren:    

Bis Mitte der 1990er Jahre gingen vier Projekte ausschließlich im Norddeutschen Becken mit Schwerpunkt Wärmeleistung in Betrieb451. Ab Ende der 1990er Jahre bis Mitte der 2000er Jahre ist eine „Welle“ von Projektinbetriebnahmen in der Molasse ebenfalls mit Schwerpunkt Wärmeleistung zu beobachten.452 Im Jahr 2007 gingen die Pionierprojekte Unterhaching und Landau erstmals mit einer merklichen Stromerzeugungsleistung in Betrieb. Überwiegend fanden weitere Inbetriebnahmen zwischen 2009 und 2012 in der Molasse statt, dort in Form der Inbetriebnahme von Heizkraftwerken zur Wärmeleistung.453 Darüber sind mit der Inbetriebnahme der Kraftwerke in Bruchsal und in Insheim (beide mit Schwerpunkt Stromerzeugung) weitere Vertreter der Branchenentwicklung im Oberrheingraben zu nennen.

Nach Informationen des geologischen Informationssystems GeotIS454 sind in der Molasse derzeit455 mit Sauerlach, Kirchweidach, Dürnhaar/Kirchstockach und Traunreut auch Projekte im Bau mit dem Schwerpunkt Stromerzeugung. Mit dem Projekt Brühl befindet sich im Oberrheingraben ein weiteres Projekt zur geothermischen Stromerzeugung im Bau. Im Zuge dieser technischen Branchenentwicklung bildeten „die Beben“ – wie die Seismizität in der Presse bezeichnet wurde456 – am Kraftwerksstandort Landau im August bzw. September 2009 zumindest in der öffentlichen Meinungsbildung, wie sie in der erhobenen Printmedienberichterstattung zur Tiefen Geothermie geführt wurde, einen markanten Meilenstein.457 Bisher gibt es in der Literatur noch keine tiefergehende Analyse der Bürgerinitiativen (BI) um Tiefe Geothermieprojekte. Aus den Ergebnissen einer ersten Internetrecherche im Jahr 2010 (Leucht 2010b) und der Aktualisierung der Auswertungen im Januar 2013 wurde die in Abbildung 52 dargestellte Entwicklungsdynamik der Entstehung der Bürgerinitiativen rekonstruiert. 450 451 452 453 454 455 456 457

GtV Homepage, Download 26.03.2013, Geothermie in Zahlen (Stand Oktober 2012) unter: http:// www.geothermie.de/aktuelles/geothermie-in-zahlen.html. Waren (1984), Neubrandenburg (1987), Neustadt-Glewe und Prenzlau (1994). Erding (1998), Straubing (1999), Simbach/Braunau (2001), Unterschleißheim (2003), München-Riem (2004), Pullach (2005). AFK und Unterföhring (2009), Garching (2010), Oberhaching-Laufzorn und Poing (2011), Arnsberg (2012). Http://www.geotis.de/gl. Siehe die Karte zu Geothermischen Standorte auf der geotIS-Homepage unter http://www.geotis.de/vgs/templates/listing.php. Stand März 2013. Vgl. z.B. „Das Beben von Landau“, Artikel in Der SPIEGEL vom 21.09.2009. Die Berichterstattung zu Landau, zum Thema induzierter Seismizität und dem Mediationsverfahren in Rheinland-Pfalz machte anschließend in der gesamten erhobenen Berichterstattung von 2010 und 2011 einen Anteil von rd. 50 % aus.

5.1 Sozio-technische Parameter der Projektentwicklung: Soziale Akzeptanz Gründungsdatum

237

Projektstatus bei Gründung der BI

2009 BI Duttweiler:: April

BI Starnberger See: Oktober BI Landau: November

* * * 2010

BI Schaidt: Januar BI Brühl: Januar

**

Standortfrage des Kraftwerkes (MWel) muss geklärt werden, privatwirtschaftlicher Projektentwickler Bauvoranfrage des privatwirtschaftlichen Projektentwicklers bei der Landesbehörde zur Bohrgenehmigung (MWth+el) Privatwirtschaftlich-kommunale Inbetriebnahme des Kraftwerks (MWel) Beben im Spätsommer 2009 Antrag des privatwirtschaftlichen Projektentwicklers auf Zulassung eines Sonderbetriebsplanes (MWel) Bürgerversammlung und Vorstellung des Projekts (MWel) durch privatwirtschaftlichen Projektentwickler

BI Steinweiler: Februar

*

Seismische Voruntersuchungen, Erarbeitung Machbarkeitsstudie durch privatwirtschaftlichen Projektentwickler (MWel)

BI Laufzorn: April

*

Fortsetzung der als Reinjektionsbohrung vorgesehenen Bohrung 1, kommunaler Projektentwickler (MWth)

BI Freckenfeld: Juni

**

BI Haßloch: Juni Bundesverband BV-BI-TG: August BI Geinsheim: November

* *

BI Freckenfeld unterstützt die BI Schaidt und Landau Geplantes Vorhaben ist eingereicht bei der Strukturund Genehmigungsbehörde, privatwirtschaftlicher Projektentwickler Seismische Voruntersuchungen durch kommunalen Projektentwickler (MWel)

2011 BI Weilheim: Januar

*

Abbildung 52:

Seismische Voruntersuchungen durch privatwirtschaftlichen Projektentwickler (MWth)

Zeitliche Entstehung der Bürgerinitiativen (BI) zu Projekten der Tiefen Geothermie

Hier wurde berücksichtigt, welchen Phasen der Projektentwicklung und welchen technologischen Projekttypen und Projektentwicklern die Bürgerinitiativen zuzuordnen sind. Hinsichtlich der Bezüge zur Region, zum Projekttyp, zum Projektentwickler sowie zum Stand der Projektumsetzung bei Gründung der Bürgerinitiativen sind folgende Tendenzen erkennbar: 

Im Hinblick darauf, dass die Hauptentwicklung der Tiefen Geothermie in den letzten Dekaden mit zahlreichen Projekten in der Molasse stattfand, findet sich mit den BI in Laufzorn, Starnberger See und Weilheim ein vergleichsweise geringer Widerstand von Bürgern und Bürgerinnen. Demgegenüber ist zu erkennen, dass sich im Vergleich zur noch geringen Anzahl von Inbetriebnahmen im Oberrheingraben die Mehrzahl der Bürgerinitiativen (BI) in der Südpfalz und mit Brühl eine Bürgerinitiative auch in Baden-Württemberg findet, wobei sich darunter auch ein Projektentwickler mit mehreren Projekten findet.

238 

 

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen Die betreffenden Projekte in der Molasse sind vorrangig wärmegeführte Anlagen, Laufzorn/Oberhaching ist jedoch ein Projekt, das in der Nebennutzung auch Strom erzeugt. In den betreffenden Projekten im Oberrheingraben waren ausschließlich Anlagen mit dem Schwerpunkt Stromerzeugung geplant bzw. mit Landau im Betrieb. Unter den Projektentwicklern finden sich überwiegend privatwirtschaftliche, aber auch kommunale Akteure. Bis auf Landau haben sich die BI in der Planungs-/Explorationsphase gegründet.

Die Sichtung von Selbstdarstellungen, Argumenten und Aktionen der Bürgerinitiativen auf den Webseiten der BI458 sowie die Ergebnisse aus der Printmedienresonanzanalyse der Lokalzeitungen von Landau und Brühl ergeben gegenwärtig folgendes Bild bzgl. der Motive und Gründe für ein Engagement der Bürger in Bürgerinitiativen gegen Tiefe Geothermieprojekte: Motive der BI in der Molasse:  

Lokale Interessenskonflikte (z.B. fehlende „Attraktivität“ von Geothermieanlagen im lokalen Lebensumfeld insbesondere in Naherholungsgebieten). Im Bereich der Stromerzeugung befürchteter Dauerlärm und induzierte Seismizität.

Motive der BI im Oberrheingraben:     

Das Wissen über Staufen und die Befürchtung durch Bohrungen am Standort Probleme zu verursachen, die z.B. den Grundwasserschutz oder die Gebäudesicherheit betreffen. Befürchtete Beeinträchtigungen der Lebenswelt durch Baulärm, Lärmemissionen beim Betrieb der Anlage, giftige Dämpfe und Gase oder Radioaktivität. Die Erfahrung mit bzw. das Wissen über die Beben in Landau und eine erhöhte Risikowahrnehmung für den eigenen Projektstandort. Zweifel an der technologischen Reife und der Wirtschaftlichkeit der Tiefen Geothermienutzung gegenüber den hohen Investitionskosten und den wahrgenommenen Risiken. Unzufriedenheit mit Projektverantwortlichen bzw. deren Vorgehen und Verfahrensweisen in der Projektumsetzung, die von einem Projekt auf andere Projektstandorte übertragen werden kann.

Motive der BI in beiden Regionen: 



Einige BI verweisen darauf, dass sie nicht grundsätzlich gegen ein Geothermiekraftwerk seien, jedoch zeigten sie sich mit der konkreten Standortauswahl nicht einverstanden, z.B. aufgrund der Nähe zum Wohn- bzw. Erholungsgebiet, der Lage an einer nicht fachgemäß errichteten Deponie oder in der Nachbarschaft einer Schule. Der Kraftwerksbetrieb nutze ausschließlich den Investoren, während die Anwohner lediglich die Risiken und Nachteile (s.o.) zu tragen hätten.

Folgende Gründe für einen Akzeptanzverlust gegenüber der Tiefen Geothermie lassen sich aus den Argumenten der BI ableiten: 

458

Die Wahrnehmung eines fehlenden kommunalen Nutzens gegenüber einer hohen lokalen Risikowahrnehmung.

Ein guter Zugang zu den Selbstdarstellungen der BI findet sich über die BIFUNAE-Webseite, auf der Links zu allen BI zu finden sind, unter: http://alternative-energiequellen.info/.

5.1 Sozio-technische Parameter der Projektentwicklung: Soziale Akzeptanz 







239

Eine fehlende Glaubwürdigkeit der verantwortlichen Akteure einer Innovationstechnologie in Bezug auf die ausreichende Berücksichtigung der Interessen der Anwohner an Projektstandorten sowie ein Vertrauensverlust in Bezug auf die Beherrschbarkeit der Risiken für den kommunalen Standort in der Nutzung der Tiefen Geothermie. Dieser Vertrauensverlust nach den Beben von Landau schuf eine Distanz oder gar „Front“ zwischen den Projektentwicklern und der Bevölkerung, indem die Bürger sich genötigt sahen, sich selbst für ihre Interessen einzusetzen. Im lokalen Kontext ist wichtig zu beachten, dass die verantwortlichen Lokalpolitiker dabei zwischen diese Fronten geraten können und dann ebenfalls einem Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust ausgesetzt sind. Fehlende Langzeiterfahrungen mit der Tiefen Geothermie sowie der nach den Beben von Landau – zumindest in der Printmedienberichterstattung so dargestellte – von Politik- und Branchenvertretern betonte weitere Forschungs- und Entwicklungsbedarf führten seitens der Kritiker zur einer negativen Umdeutung der kommunalen Projektstandorte als „Versuchslabor“ und der Anwohner als „Versuchskaninchen“. Anwohner wehren sich gegen die von ihnen so wahrgenommene Instrumentalisierung. Informations- und Erfahrungsdefizit in der Bevölkerung im Bereich der technologischen Nutzung der Tiefen Geothermie, teilweise auch in Bezug auf die Projektverantwortlichen im Kontext der lokalen Lebenswelt der Projektstandorte. Anwohner an Projektstandorten machten sich selbst ein Bild der Lage bzw. dem potentiellen Einfluss eines Projekts mithilfe von eigenen Messungen (z.B. Lärmmessung im Umfeld des Kraftwerks Landau), Internetrecherchen und Interpretationen von dort verfügbarem Sach- und Fachwissen sowie im gegenseitigen Erfahrungsaustausch. Möglicherweise verdeckte, den Projektentwicklern nicht offensichtliche lokale Interessenskonflikte/Machtgefüge in der Planungsphase.

Wie die Auswertung der Argumente im Rahmen der Berichterstattung von Lokalzeitungen und den Informationsplattformen der Bürgerinitiativen zeigt, wurden die theoretischen und technologischen Argumente, die bis zu den Beben in Basel und Landau eine grundsätzliche Akzeptabilität der Technologie erzeugt hatten, auf lokaler Ebene an einigen Projektstandorten hinterfragt und mit negativen Gegenargumenten angezweifelt, die diese Potenziale an der oben beschriebenen Schnittstelle zwischen Technologie und Gesellschaft/Ökologie im Einzelfall betrachteten.

5.1.5.2

Motive und Gründe für die Entstehung der Bürgerinitiativen im gesamtgesellschaftlichen Kontext

In den letzten Jahren ist zuletzt mit „Stuttgart 21“ der „Wutbürger“459 oder „Mutbürger“ 460 in den Schlagzeilen aufgetaucht. In seinem Beitrag „Ende oder Fortgang der ‚Wutbürgerei‘“ vermutet Walter (2013), dass auch die Energiewende „noch ziemlich ungemütlich werden“ dürfte. Legitimierte, vom Bürger an Parlamente delegierte Aushandlungsprozesse und durch wissenschaftliche Experten begleitete Entscheidungsprozeduren werden auch im Bereich der erneuerbaren Energien hinterfragt (neben der Tiefen Geothermie gibt es z.B. auch Bürgerinitiativen zu Wind- oder Biogasprojekten) und der Ruf nach Partizipation (im Sinne von Mit459 460

Kurbjuweit 2010. Supp 2010.

240

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

sprache oder Teilhabe) wird in dem Maße stärker, indem „externe“ Technologien461 in die private Lebenswelt hineinragen. Bei standortspezifischen Projekten wie im Fall der Tiefen Geothermie betrifft die kommunale Lebenswelt Aspekte wie den Schutz von Privatbesitz, die kommunale Versorgungssicherheit, die lokalen Bedingungen für Gesundheit und Wohlbefinden, kommunale Rechte oder lokalpolitische Machtgefüge.462 Hinsichtlich der Motive und Gründe für „Bürgerbewegungen“ verweisen Beiträge in der Literatur463 auf ein breites Spektrum von der Bewahrung des Gegenwärtigen über die Verteidigung von Besitzständen, Zukunftsängsten, generell der Angst vor Veränderungen, Kritik am „Fortschrittswahn“, einer überzogenen Risikowahrnehmung über ein gestiegenes Bedürfnis nach Partizipation und Mitbestimmung aufgrund eines generellen Vertrauensverlusts in die gesellschaftlichen Institutionen bis hin zum Gegenentwurf zur „Mediendemokratie“, die personalisierend, inszenierend und beschleunigend auf die gesellschaftlichen Prozesse einwirke (Marg 2012). Auch lasse sich erkennen, dass in den Protesten auch ein Bedürfnis der Bürger und Bürgerinnen nach mehr Zeitressourcen für ein Überlegen und Abwägen in einer Zeit schnell getroffener wichtiger Entscheidungen zum Ausdruck kommt (Ohme-Reinecke 2012). Ein Blick auf die Argumente der Bürgerinitiativen zur Tiefen Geothermie zeigt, dass insbesondere der letzte Punkt als wahrnehmbares Motiv zu erkennen ist. Zum einen betrifft dies die Projektentwicklungs- und Planungsphase einer neuen Technologie an einem Standort, zum anderen schien nach dem „erschütterten Vertrauen“ in der Region nach den Beben von Landau in der weiteren Projektentwicklung im Oberrheingraben zunächst eine „Zäsur“ in der weiteren Projektentwicklungsdynamik erforderlich.

5.1.5.3

Zur Relevanz der Bürgerinitiativen

Vergleicht man die Zahl der Projekte im Betrieb, im Bau und in der Planungsphase insgesamt in Deutschland, so betreffen die genannten Bürgerinitiativen nur einen sehr kleinen Teil der gesamten Projektlandschaft. Eine Recherche des jeweiligen Projektstatus und hinsichtlich des beobachtbaren Einflusses der Bürgerinitiativen auf die Projektabwicklung ergab darüber hinaus, dass die Proteste weniger bereits laufende464 (z.B. Bernied) und bisher bohrtechnisch störfreie Projekte (z.B. Weilheim und Brühl) durch Informationskampagnen in der Bevölkerung, Druck auf Lokal- und Landespolitiker, Klagen und Petitionen etc. gefährden konnten. Im Fall von Landau gefährdete jedoch der behördlich verordnete und immer wieder verlängerte Probebetrieb mit verminderter Leistung zunehmend den wirtschaftlichen Betrieb der Anlage.465 Auch wenn einige Bürgerinitiativen die weitere Projektabwicklung nicht dauerhaft stören konnten, so erreichten sie damit jedoch einen teilweisen Imageschaden der Branche in Teilen der Bevölkerung. Bei den Projekten in der Planungsphase wie z.B. Schaidt oder Haßloch (Nike-Station) führte der Protest im ersten Fall zu einer auslaufenden berg461

462 463 464 465

Renn (2005) unterscheidet (als Idealtypen) „externe“, der unmittelbaren Lebenswelt eher ferne Technologien (z.B. Großtechnologien) von tendenziell positiv besetzten und als Bereicherung wahrgenommen „Produkt- und Alltagstechnologien“ oder „Arbeitstechnologien“. Vgl. Wunderlich (2012: 12) zum in diesem Zusammenhang oft betrachteten NIMBY-Phänomen (not in my backyard) im Bereich der erneuerbaren Energien. Z.B. Bussemer 2011, Ohme-Reineicke 2012, Knauber 2011, Matzig 2011. Hier lagen die bergrechtlichen Genehmigungen vor, Bohrungen wurden bereits durchgeführt oder standen kurz vor Durchführung und die Baugenehmigung zum Kraftwerksbau wurde erwartet. Vgl. z.B. Referenz auf Aussage von Bürgermeister Hirsch in Die Rheinpfalz, Geothermie-Kraftwerk vor dem Aus? vom 17.12.2011.

5.1 Sozio-technische Parameter der Projektentwicklung: Soziale Akzeptanz

241

rechtlichen Zulassung466 und im zweiten Fall zur Aufgabe des Projekts467. Jenseits der medial kommentierten Aktionen der Bürgerinitiativen zur Tiefen Geothermie liegen derzeit keine genauen Daten bzgl. der Anzahl der dort engagierten Mitglieder vor, jedoch können mithilfe der Informations-und Kommunikationsmedien einige wenige viel(e) erreichen. So fungiert das Internet in der „Bürgerinitiativen-Bewegung“ als ein wichtiger Kommunikationskanal zum Austausch und zur Vernetzung der Bürgerinitiativen untereinander, sowie zur Verbreitung der Argumente und Aktionen in der Öffentlichkeit. Die Website BIFUNAE (BI Starnberger See) wirkt als virtueller Haupt-Vernetzer der verschiedenen Bürgerinitiativen zur Tiefen Geothermie in der Molasse und im Oberrheingraben. Des Weiteren unterstützte das Internet die Recherchen zum Thema, bietet es doch einen vergleichsweise „grenzenlosen“ Zugang zu vorhandenem Wissen. Der Gründer der Landauer Bürgerinitiative erscheint als eine zentrale – nicht unumstrittene – Figur und setzt sich persönlich durch Besuche und Vorträge bei anderen Bürgerinitiativen für einen Austausch von Argumenten und Erfahrungen ein. 2010 initiierte er den Bundesverband Tiefe Geothermie, der keine eigene Webseite pflegt, jedoch über Pressemitteilungen und Statements in Erscheinung tritt. Neben dem Internet erwiesen sich bei der Analyse insbesondere die Lokalzeitungen, regionale Radio- und Fernsehsender als wichtige Co-Akteure, die das Thema der lokalen Konflikte und die Diskussionen um Risiken und Gefahren der Tiefen Geothermie aufgriffen und neben Branchenexperten auch Vertretern der Bürgerinitiativen eine Stimme gaben. Auch wenn die Bürgerinitiativen bis dato nur begrenzt auf die gesamte Branchenentwicklung Einfluss genommen haben, so scheint es mit dem Blick auf sich derzeit noch in der Planungsphase befindende und vor allem auch auf die zukünftigen Vorhaben der Tiefen Geothermie dennoch ratsam, aus den beobachtbaren Konflikten zu lernen. Dabei sollten Kommunikationsstrategien sowie technische Möglichkeiten an den Projektstandorten weiterentwickelt werden, um eine verbesserte und langfristige Akzeptanz der Technologie in der Bevölkerung und der Politik vor Ort und in der Region zu schaffen. Dies gilt insbesondere für die Region Oberrheingraben und mit dem Blick auf die antizipierten technischen Möglichkeiten von EGS468 auch in den dafür vorgesehenen Regionen.

5.1.6

Zur Rolle der Projektkommunikation

Die in diesem Beitrag vorgestellten Indikatoren für Akzeptanztendenzen, die in der Printmedienberichterstattung und in der Darstellung der Bürgerinitiativen genannten Akzeptanzfaktoren und -kriterien sowie deren Einordnung in ihre regionalen und technikspezifischen Zusammenhänge, deuten auf eine teilweise noch zu verstärkende Rolle der Projektkommunikation hin. Gegenwärtig betrifft dies überwiegend im Oberrheingraben insbesondere Projekte mit dem Schwerpunkt der Stromerzeugung, in der Zukunft möglicherweise auch jene Regionen in Deutschland, in denen eine Potenzialerschließung mit EGS angedacht wird. Um die theoretischen und technischen Potenziale ausschöpfen zu können, muss das technische Projekt am konkreten Standort mit seinem jeweiligen spezifischen lokalen gesellschaftlichen Umfeld gut in Einklang gebracht werden.

466

Vgl. http://www.geoenergy.de/de/projekte/projekt-schaidt.html. Vgl. Kein neuer Platz für Geothermie-Kraftwerk in Sicht, in: Die Rheinpfalz, 10.09.2010. 468 Enhanced Geothermal System, bei dem durch Stimulation eine Reservoirerweiterung erreicht werden soll. 467

242

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

In der Nachfolge zu Basel und Staufen im Breisgau wurde mit den Beben in Landau eine neue öffentliche Debatte über die Nutzung und Risiken der Tiefen Geothermie in Teilen der Printpresse angestoßen, die auf einen Kommunikationsbedarf in Teilen der Gesellschaft zwischen Vertretern aus Wissenschaft, Politik, Behörden, Branche und Zivilbevölkerung insbesondere in der Region Oberrheingraben verweist. Dabei gab es Hinweise auf unterschiedliche Informations- und Austauschplattformen, wie z.B. öffentliche Versammlungen, Bürgersprechstunden, Informationsveranstaltungen der Betreiber, Informationsstände der Bürgerinitiativen oder Sitzungen im Rahmen des Mediationsverfahrens. Die Printmedienresonanzanalyse verweist darüber hinaus auf die diesen Prozess begleitende Rolle der Regional- und Lokalmedien. Wie sich gezeigt hat, kann die gesellschaftliche Kommunikation über Technologie und Branche Auswirkungen auf die Projektentwicklung (der Fall Brühl) und den Anlagenbetrieb (der Fall Landau) haben. Die Projektkommunikation kann wiederum Auswirkungen auf die gesellschaftliche Akzeptanz der Technologie und der Branche haben (Unterhaching positiv, Landau nach den Beben negativ).469 Mit der gesellschaftlichen Kommunikation auf der einen und der Projekt- und Branchenkommunikation auf der anderen Seite ergeben sich also zwei „Pole“, zwischen denen sich die „sozio-technische Lernkurve“ aller involvierten Stakeholder entwickelt. Die Rolle der Kommunikation für die Weiterentwicklung der Tiefen Geothermie in Deutschland sollte zum einen zu den derzeit beobachtbaren Schwierigkeiten, zum anderen aber auch zu den sich aus ihr ergebenden Chancen in Bezug gesetzt werden. Ausgehend von der Aufgabe der Branche, eine akzeptable und akzeptierte Position der Tiefen Geothermie in der Energielandschaft zu besetzen, ergeben sich mehrere Ziele für die Projektkommunikation:    

Beobachtung von sich mit der Zeit verändernden Akzeptanzfaktoren bei allen für ein Projekt relevanten Stakeholdern, demnach auch die Identifizierung von allen relevanten „Akzeptanzsubjekten“, Wahrnehmung von sozialen Risiken vor Ort für das Projekt, Komplementäre Maßnahme innerhalb einer angemessenen Anpassung der Technik bzw. der lokalen Attraktivität des Projekts an den sozialen Kontext und Identifikation von sozio-technischen bzw. sozio-ökonomischen Innovationspotenzialen im Projektkontext, die die Attraktivität eines Projekts erhöhen können.

Die positiven und negativen Argumente der Printmedienberichterstattung und der Bürgerinitiativen verweisen indirekt auf folgende Akzeptanzkriterien470 der Tiefen Geothermie, die aus Sicht der Bevölkerung an Projektstandorten gegeben sein sollten:    

469 470

Die Technologie wird als beste mögliche Alternative wahrgenommen. Mit dem Projekt ist eine Verbesserung oder zumindest keine Beeinträchtigung der Lebenswelt am Projektstandort durch die Technologie zu erkennen. Es muss Vertrauen vorhanden sein bzw. geschaffen werden in eine komplexe nicht vollständig zu verstehende Technik bzgl. ihrer Sicherheit und Effizienz. Wichtig ist die Glaubwürdigkeit der Vertreter von Branche, Wissenschaft und Politik sowie deren nachvollziehbares Verantwortungsbewusstsein und ihre Rechtschaffenheit im Umgang mit (objektiv und subjektiv) wahrgenommenen Risiken. Vgl. Leucht 2012b. Auf diese allgemeinen Kriterien verweist Lucke (1998) im Rahmen ihrer Akzeptanzanalyse zu unterschiedlichen Technologien oder anderen „Akzeptanzobjekten“.

5.1 Sozio-technische Parameter der Projektentwicklung: Soziale Akzeptanz

243

Die Erfüllung dieser Kriterien mit entsprechenden Kommunikationsstrategien sollte ebenfalls ein wichtiges Ziel in der Projektentwicklung bzw. im Anlagenbetrieb sein. Betrachtet man die kritischen Argumente seitens der Anwohner von Projekten, so scheinen diese Kriterien in einigen Projekten nicht ausreichend erfüllt gewesen zu sein. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt darüber hinaus, dass Contra-Faktoren umso stärker ins Gewicht fallen, desto weniger notwendige Kriterien als nicht erfüllt angesehen werden. Die explizite oder implizite Erwartungshaltung der involvierten Akteure gegenüber technologischen Innovationen ist ausschlaggebend für die Einordnung von beobachtbaren Aspekten in eine positive oder negative Bewertung bzw. dafür, wie stark bestimmte Aspekte als problematisch oder unproblematisch wahrgenommen werden. Die Auswertung der Argumente verweist darauf, dass sich derzeit sowohl ein Bedarf an technischen als auch an kommunikativen Verbesserungen abzeichnet, um eine positive Evaluation von Akzeptanzkriterien bzw. -faktoren seitens der lokalen Bevölkerung und somit eine verbesserte Akzeptanz für Tiefe Geothermieprojekte insbesondere an den Problemstandorten zu erreichen. Hierbei spielt die Kenntnis sozialer Parameter der Technologie, die in den Akzeptanzkriterien und -faktoren ihren Ausdruck finden, eine entscheidende Rolle, um angemessene Strategien entwickeln zu können. Ausgehend von Ergebnissen der Forschungsgruppe Umweltpsychologie (2008) verweist Wunderlich auf drei Einflussfaktoren für die lokale Akzeptanz Erneuerbarer-Energien-Projekte: (1) technologische Akzeptanz, (2) Verteilungsgerechtigkeit und (3) Verfahrensgerechtigkeit (Wunderlich 2012: 13). Diese sind auch in den oben beschriebenen Indikatoren für Akzeptanz bzw. für teilweise Akzeptanzverluste für Projekte der Tiefen Geothermie wiederzuerkennen und verweisen auf die wichtige Rolle der Projektkommunikation, die die technische Projektentwicklung in diesem Rahmen begleiten sollte.

5.1.6.1

Kommunikationsnetzwerk im Projektumfeld

Im Nachgang zu den seismischen Ereignissen in Landau von 2009 wurde der Projektkommunikation zwar von einigen Branchenvertretern ein höherer Stellenwert bescheinigt471, jedoch fehlt bis dato noch eine detaillierte Bedarfsanalyse bzgl. der konkreten Zielgruppen, Inhalte und Formen der Kommunikation. In Interviews mit Kommunikationsverantwortlichen von vier Tiefen Geothermieprojekten (Leucht 2011) wurde deutlich, dass in der Projektkommunikation der Zielgruppe „Bürger“ eine zunehmend wichtige Rolle zugeschrieben wird. Hinsichtlich der Fragen, welche Rolle die Bürger in der Technologieentwicklung spielen oder welche Art von Kommunikation in der Projektentwicklung und im Anlagenbetrieb zu welchem Ziel eingesetzt werden soll, waren sich die unterschiedlichen Kommunikationsverantwortlichen jedoch uneinig. In der Projektkommunikation sollte in Bezug auf die Zielgruppe „Bürger“ auch das Kommunikationsnetzwerk mit betrachtet werden, in welches diese – ebenfalls als Zielgruppe anderer Akteure – eingebunden ist (vgl. Abbildung 53). Einerseits verweist diese Perspektive auf mögliche direkte und indirekte Kommunikationskanäle und -formen zwischen dem Projekt und den Bürgern, anderseits zeigt sich im Umweg zur direkten Kommunikation über die Vermittler Kommunale Entscheidungsträger, Bürgerinitiativen oder Medien das Risiko, dass die Technologie bzw. das Projekt nicht im Sinne der Projektbetreiber kommunikativ „konstruiert“ wird.

471

Vgl. z.B. GtV-Präsident Hartmut Gaßner in: Badische Zeitung, Bürger sollen bei Geothermie mitreden, vom 18.11.2010.

244

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Projektkommunkation

? Bürger

Kommunalverwaltung

Bürgerinitiativen (lokale und externe)

Medien (inkl. Lokalmedien)

Abbildung 53:

Relevante Stakeholder im lokalen Kommunikationsnetzwerk am Projektstandort

Bei einem zunächst noch unbekannten „Akzeptanzobjekt“ am Projektstandort, wie es ein Projekt der Tiefen Geothermie darstellt, kommt insbesondere der mit Emotionen verbundenen Vertrauensbildung gegenüber den Branchenvertretern eine sehr wichtige Rolle zu. Der Vertrauensaufbau erweist sich für die noch junge Branche derzeit als eine anspruchsvolle Aufgabe, wobei jedem einzelnen Projekt und den dort involvierten Projektverantwortlichen eine vergleichsweise große Verantwortung auch für die gesamte Branche zukommt.472 Die Auswertungen der Printmedienanalyse und der Analyse der Bürgerinitiativen verweisen auf unterschiedliche Funktionen von Stakeholdern im Kommunikationsnetzwerk. So agierten die Medien als Vermittler zwischen Branche, Politik und Zivilgesellschaft in der Aufarbeitung von Informationen, Politiker agierten als Vermittler zwischen Branche und Zivilgesellschaft im Lösen von Konflikten und auf der Suche nach Lösungsmöglichkeiten und Bürgerinitiativen agierten in Bezug auf die Wahrung lokaler Interessen in der Annahme, dass die Interessen der Bürger von Branche und Politik nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Diese vermittelnden Funktionen sollten zumindest teilweise auch von den Projektverantwortlichen stärker ausgeübt und in die Projektkommunikation mit eingebunden werden. Neben der Übermittlung von Projektinformationen kann und sollte Kommunikation auch als dialogisches Mittel eingesetzt werden mit dem Ziel, ein Verständnis der gesellschaftlichen Bedarfe und Interessen und eine gemeinsame Nischenfindung der Technologie vor Ort zu erreichen und gegebenenfalls den „Sinn und Zweck“ des Projekts noch weiter anzupassen. Darüber hinaus sollte auch das „Spiel mit den Medien“ professionell beherrscht werden, wobei insbesondere die Lokalberichterstattung Einfluss auf die Kommunikationsdynamiken am Standort nehmen kann. Ein wichtiger Aspekt der Projektkommunikation ist der Zeitpunkt der Informationsweitergabe im Kommunikationsnetzwerk sowie damit einhergehend die Auswahl der jeweils angemessenen Inhalte, Formen und Funktionen der Kommunikation für unterschiedliche Akteure wie z.B. kommunale Entscheidungsträger, Bürger oder Presse. 472

Zum Thema Kommunikation und Vertrauensbildung vgl. den bbr-Beitrag von Brian 2013.

5.1 Sozio-technische Parameter der Projektentwicklung: Soziale Akzeptanz

5.1.6.2

245

Erste Empfehlungen

Mit dem Blick auf die derzeit ableitbaren spezifischen Anforderungen an die Projektkommunikation können folgende Empfehlungen gegeben werden: Steigerung der Attraktivität der Technologie, eines Projekts („Nischenfindung“) 



Projektkommunikation sollte als offener Aushandlungsprozess gestaltet werden, wobei das Kommunikationsziel zunächst die Identifikation von kommunalen Nischenpotenzialen und Konflikten sowie darauf aufbauend die Aushandlung von gemeinsam getragenen sozial- und projektverträglichen Lösungswegen für die wahrgenommenen Konflikte mittels einer „sozialen Machbarkeitsstudie“ sein sollte. Hierzu müssen möglicherweise neue Kommunikationskanäle und Dialogstrukturen zwischen Projektvertretern und gesellschaftlichen Vertretern vor Ort auch über den engeren Projektkontext hinaus entwickelt werden. Über eine Bedarfs- bzw. Trendanalyse können möglicherweise sozio-technische (Technische Präsentation z.B. durch Begehungen, Kundencenter etc.) oder sozio-ökonomische (z.B. Bürgerbeteiligungsmodelle) Innovationspotenziale entdeckt oder entwickelt werden. Hier lohnen auch ein Blick auf andere Erneuerbare-Energie-Projekte und der Vergleich, ob sich ähnliche Bedingungen für die Tiefe Geothermie ausmachen lassen.

Konfliktmanagement 



Lernen von den bisherigen Erfahrungen: Was hat technisch, was hat kommunikativ zur Lösung von gegenwärtigen Konflikten beigetragen? Die Attraktivität der Tiefen Geothermie kann technisch und kommunikativ erhöht werden, wobei die Kommunikation auch maßgeblich davon abhängt, was ein Projekt an positiven und negativen Effekten für den sozialen Kontext darstellt. Eine technische und kommunikative Vernetzung zum Standort scheint diesbezüglich auch für Stromprojekte stärker relevant zu werden im Umgang mit den antizipierten Risiken der Tiefen Geothermie und zur Verbesserung der lokalen Akzeptanz durch ideelle oder materielle Teilhabe. Langfristig ist eine neutrale oder positive lokale Identifikation mit dem Projekt am Standort zu schaffen, wobei positive Erfahrungen für Anwohner und Interessierte erlebbar gemacht werden sollten, z.B. in Form von Besichtigungen, Seismizität-Simulationen o.ä. Im Umgang mit den Bürgerinitiativen können folgende Fragen den Einstieg in einen Bürger-Dialog unterstützen: – Welche lokalen Konflikte sind technologiebezogen, welche liegen begründet in der „Lebenswelt“? – In welchem Verhältnis stehen die Bürgerinitiativen zur „Stillen Masse“ in der Kommune? – Auf welchen Grundkonflikt verweist die Art (teilweise mehr als der Inhalt) der Kommunikation von Bürgerinitiativen? – Wann und wie wurden die Rechte und Bedürfnisse der Anwohner im Projektkontext integriert? – Auf welche Dimensionen verweisen die Konflikte, welche Lösungsmöglichkeiten ähnlicher Konfliktsituationen sind bekannt, von denen die Tiefe Geothermiebranche lernen könnte?

246 

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen Die „Stille Masse“ an Projektstandorten sollte als Zielgruppe für Kommunikation nicht vernachlässigt werden, da sie als Zielgruppe anderer Akteure wie der z.B. Bürgerinitiativen oder Lokalmedien und unter deren Einfluss möglicherweise ein Risiko für die Projektabwicklung im Falle von unvorhergesehenen Schwierigkeiten darstellt. Ein Projekt sollte über eine Toleranz hinausgehend eine positive Bewertung im lokalen Kontext erreichen, um einen Vertrauens-„Puffer“ für die Unwägbarkeiten einer Innovationstechnologie aufzubauen.

Risikokommunikation  

Projekte in der Region Oberrheingraben mit dem Fokus auf die Stromerzeugung müssen im Betrachtungszeitrum „nach Landau“ gegenwärtig verstärkt unter der Maxime „Sicherheit trotz Seismizität473“ vermittelt werden. Die finanzielle und technische Risikobetrachtung sollte um die soziale Risikobetrachtung erweitert werden, da sich die Technologie mit ihrer Diffusion in zunehmendem Maße in unterschiedlichen sozialen Kontexten wiederfindet, die teilweise ein Risiko für die Projektimplementierung darstellen. Der Risikodialog sollte dabei stärker auf kommunaler Ebene geführt werden in Ergänzung zur generellen Chancen- und RisikenPotenzialbetrachtung der Technologie im Kontext Deutschland. Ein soziales Risikomonitoring und -management sollte als Teil des Projektmanagements verstanden werden. Dabei sollten die lokalen Interessen und Bedürfnisse sowie evtl. verdeckte Konflikte zwischen für das Projekt relevanten Stakeholdern bereits in der Planungsphase durch kommunikative Maßnahmen ermittelt werden. Zur Minimierung von sozialen Risiken (wie Widerstand gegen Projekte) sind möglicherweise kommunikative und technische Strategien einzusetzen, die aufeinander abgestimmt werden müssen.

Vertrauensaufbau 



473

Eine Klärung, inwieweit Akzeptanzkriterien kurz-, mittel- und langfristig erfüllt werden können und welche Zusammenarbeit es dazu zwischen Branche, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft braucht, erscheint dringend notwendig. Einzelne Projekte und ihre verantwortlichen Akteure stehen als Vertreter der gesamten Branche in der Verantwortung, ein gutes Branchenimage zu erzeugen. Die Ressourcen- und interessengeleitete Erwartungshaltung politischer und zivilgesellschaftlicher Akteure kann dabei zu Unstimmigkeiten in der Interpretation (der Effekte) der Technologienutzung führen, sie sollte entsprechend im Rahmen einer Projektkommunikation von den Projektentwicklern ermittelt werden. Das „erschütterte“ Vertrauen bzw. das entstandene Misstrauen sollte kommunikativ in Verbindung mit Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz von Entscheidungsprozessen sowie von technischen Effekten der Technologienutzung aufgegriffen werden. Vertrauen muss derzeit zum einen in die Technik hergestellt werden, zum anderen aber auch in die Branchenvertreter, deren Aufgabe es ist, einen vertrauenswürdigen Umgang mit Risiko zu zeigen bzw. zu „beweisen“. Sympathieträger der Branche sind gefragte

Die Region Oberrheingraben ist mit dem Thema „Seismizität“ assoziiert, negativ durch den „Schock“, den die mikroseismischen Erschütterungen bei der Bevölkerung im Umfeld von Geothermieprojekten auslösten, aber auch positiv, denn „Seismizität“ ist Bedingung bzw. Faktor für die „guten geologischen Bedingungen“ insbesondere mit Potenzialen für die Stromproduktion.

5.1 Sozio-technische Parameter der Projektentwicklung: Soziale Akzeptanz

247

Akteure, insbesondere wenn die Innovation technisch bzw. finanziell kurzfristig noch nicht hinreichend überzeugen kann. Partizipation 

Gegenwärtig ist die „Energiewende“ eine der wichtigen positiven Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung der Branche. Was die Akteure der Tiefen Geothermiebranche von anderen „erneuerbaren Energietechnologien“, wie z.B. von Wind- oder Solarenergieprojekten aufgreifen können, ist die Einsicht, dass Partizipation in Form einer Teilhabe der Bürger an Energieprojekten474 nicht zu unterschätzen ist im Ebnen der „neuen Wege“, die mit der Energiewende in Deutschland beschritten werden. Partizipative Strukturen können technisch und finanziell entwickelt werden (z.B. Bürgerbeteiligungsmodellprojekte) und durch kommunikative Maßnahmen unterstützt werden. „Scheinpartizipative Angebote“ (z.B., wenn Entscheidungen bereits getroffen sind und die Bürger diese trotz Konsultationen nicht mehr beeinflussen können) sind kontraproduktiv.

Professionalität in der Projektkommunikation 





Neben dem aktiven Aufzeigen von nachvollziehbaren, konkreten positiven Aspekten der Tiefen Geothermie im regionalen und lokalen Kontext an Projektbeispielen kann auch ein aufgezeigter pro-aktiver Umgang mit Schwierigkeiten dazu beitragen, das Image der Branche zu verbessern, z.B. – im Aufzeigen konkreter Schwierigkeiten und individuellen positiven Lösungen, – im Aufzeigen von Zeithorizonten für das individuelle Lösen von Schwierigkeiten, – im Aufzeigen von verständlichen Indikatoren, dass eine positive Entwicklung stattgefunden hat oder – im Aufzeigen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Projekten, ohne dabei eine Projektstigmatisierung zu betreiben. Vor- und Nachteile von projektintern organisierten oder extern vergebenen Kommunikationsaufgaben für unterschiedliche Standorte sollten evaluiert und die Erfahrungen der Projekte untereinander ausgetauscht werden (z.B. in Konferenzen oder Workshops). Der Umgang des Projektmanagements mit Bürgerinitiativen und der Presse sollte von dafür qualifizierten Kommunikationsexperten begleitet werden. Wichtig erscheint im Fall von negativen Auswirkungen der Technologienutzung, dass die Projektkommunikation deutlich macht, wo Grenzen in der Vergleichbarkeit der Projekte und Effekte untereinander liegen und dass diese Klärung glaubwürdig und nachvollziehbar kommuniziert wird. Wenn das Vertrauen durch falsche Aussagen erst einmal erschüttert wurde, ist es sehr schwer, dies wieder aufzubauen.475 Dabei ist zu beachten, dass Vertrauen maßgeblich durch positive Emotionen erzeugt wird und nachrangig durch positive rationale Argumente.

In der Gesamtschau der Analyse der Projektöffentlichkeit im Projekt „Evaluation der Öffentlichkeitsarbeit für Geothermieprojekte in Deutschland und Erarbeitung von praxisbezogenen 474 475

Z.B. kommunale Windparks oder Bürger-Solaranlagen. Im Fall von Basel wurde z.B. eine Grenze gezogen, dass die hydrothermale Technologie in Deutschland im Vergleich zur EGS-Technologie kein Erdbebenrisiko berge. Mit dieser Aussage und den Beben in Landau wurden das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit der Branche stark erschüttert.

248

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Hilfestellungen für Entwickler und Betreiber von geothermischen Anlagen“ zeigte sich, dass die Öffentlichkeitsarbeit bei allen Projektbetreibern zwar in den vergangenen Jahren ausgebaut wurde, aber überall noch optimiert werden könne. Festgestellt wurde zum Beispiel, dass es bislang häufig an konzeptionellen Überlegungen zur PR mangele und so eine vorausschauende Öffentlichkeitsarbeit kaum möglich sei. Statt selbstinitiativ Themen zu besetzen, würde meist nur reagiert und so bliebe der öffentliche Raum oft unbesetzt, was es in konfliktreichen Situationen schwierig mache, mit der eigenen Deutung von Ereignissen ausreichend Gehör zu finden. Zudem gäbe es die Tendenz, sich zu sehr den Gegnern von Projekten zu widmen, statt die Befürworter sichtbar zu machen und die neutral eingestellten Bevölkerungsgruppen für sich zu gewinnen. In diesem Zusammenhang werden oft versäumt, Bündnispartner aus Verbänden, Vereinen und anderen Institutionen der Zivilgesellschaft, die als Multiplikatoren fungieren, einzubinden. Möglicherweise, weil Kommunikation allzu häufig noch immer nicht als Bringschuld verstanden wird.476 Wenn man wie Renn (2005) davon ausgeht, dass eine positive Integration von „dezentralen“ Energietechnologien in die gegenwärtige Lebenswelt als Bereicherung empfunden werden sollte, um die Akzeptanz zu steigern, so wird sich auch die Tiefe Geothermie in diesem Kontext bewegen müssen, um ihre Position in der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung zu festigen und weiter auszubauen. Die weitere Entwicklung und Vertiefung einer professionellen Projektkommunikation gegenüber lokalen Akteuren am Technologiestandort stellt demnach eine wichtige Aufgabe der zukünftigen Projektentwicklung sowie im zukünftigen Projektmanagement und Anlagenbetrieb dar.

476

Vgl. die Projektresultate 2012: http://www.pr-geothermie.de/ohne-die-bevoelkerung-geht-in-der-risikokommunikation-nichts.

5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

5.2

249

Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur DR. JÖRG BÖTTCHER

5.2.1

Anforderungen an die Finanzierungsstruktur aus Sicht von Investoren und Banken

Die bisherigen Kapitel haben deutlich vor Augen geführt, dass es zur Realisierung von Geothermieprojekten einer verlässlichen Technologie und eines belastbaren Rechts- und Regulierungsumfeldes bedarf. Sind diese beiden grundsätzlichen Anforderungen erfüllt, eröffnet sich die Möglichkeit für eine wirtschaftliche Nutzung der Geothermie, und zwar auch in Form einer Projektfinanzierung. Da bei einer Projektfinanzierung die Cashflows die einzige Quelle der Kreditbedienung und Eigenmittelverzinsung sind, ergeben sich besondere Anforderungen an ihre Stabilität und Verlässlichkeit. Neben einer intensiven Risikoidentifikation geht es darum, nach ökonomischen Kriterien Risiken einzelnen Projektbeteiligten zuzuweisen. Im Anschluss erfolgt eine Risikoquantifizierung in Form eines Cashflow-Modells, die u.a. darüber Auskunft gibt, wie viel Fremdmittel einem Vorhaben zur Verfügung gestellt werden können, wie die Tilgungsstruktur aussehen sollte und welche weiteren Gestaltungselemente Einzug in die Struktur finden sollten. Die Erarbeitung einer Finanzierungsstruktur und die Möglichkeiten ihrer Optimierung sind Gegenstand dieses Kapitels. Allerdings markiert das Cashflow-Modell noch nicht den Endpunkt der Projektbewertung der Kreditgeber. In einem weiteren Schritt geht es darum, eine Simulationsrechnung des Cashflow-Verlaufs vorzunehmen, die darüber informiert, wie sich das Projekt unter einer Vielzahl von möglichen Umweltszenarien entwickeln kann. Ein Ergebnis dieser Simulationsrechnungen ist ein Rating-Ergebnis, das eine Risikokategorie ausweist und damit über die Risikoprämie die Zinskosten bestimmt und auch die Finanzierungsstruktur maßgeblich beeinflusst. Damit geht es in einem zweiten Teil darum herauszuarbeiten, welche quantitativen und qualitativen Faktoren das Rating beeinflussen können. Dabei muss man sich bewusst sein, dass die jeweiligen Teilaspekte des Risikomanagementprozesses – Identifikation, Allokation und Quantifizierung von Risiken – nicht in einer gerichteten zeitlichen Abfolge geschehen, sondern miteinander wechselseitig in Verbindung stehen. Um die Aussagen zur Risikoquantifizierung angemessen würdigen zu können, ist es daher notwendig, die verschiedenen Teilaspekte eines Risikomanagements zu berücksichtigen, was wir in den verschiedenen Kapiteln vorgenommen haben. Das Cashflow-Modell eines Projektes ist aber nicht nur für die Kreditgeber von herausragender Bedeutung, sondern auch für die Investoren eines Projektes. Beide Kapitalgebergruppen sind gleichermaßen am Erfolg eines Vorhabens interessiert, wobei sie allerdings unterschiedliche Anspruchsgrundlagen und Anspruchsebenen haben. Während die Fremdkapitalgeber einen erfolgsunabhängigen und fixen Anspruch auf Bedienung des Kapitaldienstes aus dem Projekt haben, haben die Eigenkapitalgeber einen erfolgsabhängigen und damit variablen

250

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Anspruch auf den verbleibenden freien Cashflow. Das methodische Werkzeug, mit dem beide Gruppen ein Vorhaben beurteilen, ist ein projektspezifisches Cashflow-Modell. Starten wollen wir mit einem Blick auf die methodischen Grundsätze, mit dem die Kapitalgebergruppen – Eigenkapitalgeber und Fremdkapitalgeber – Projekte im Geothermiebereich beurteilen.

5.2.2

Methodik und Zusammenspiel zwischen Risikoidentifikation, Risikoallokation und Risikoquantifizierung

Jede unternehmerische Tätigkeit ist durch die Existenz von Unsicherheit und unvollkommenen Informationen im Rahmen des betrieblichen Handelns Risiken ausgesetzt. Das Unternehmen ist allerdings nicht gezwungen, diese Risiken hinzunehmen, sondern vielmehr gefordert, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Bezogen auf eine Projektfinanzierung bedeutet dies in erster Linie die Sicherung der Projektexistenz. Dies ist darin begründet, dass nur durch das Betreiben des Projektes ein Cashflow generiert werden kann, der die in den meisten Fällen einzige bzw. werthaltigste Sicherheit darstellt, die zur Bedienung der Finanzierung zur Verfügung steht. Bevor wir auf den Aspekt der Risikoquantifizierung bei einem Geothermievorhaben eingehen, wollen wir das Thema Risikoquantifizierung im gesamten Zusammenhang des Risikomanagementprozesses mit seinen verschiedenen methodischen Hilfsmitteln darstellen. Im Rahmen einer qualitativen Projektprüfung müssen zunächst bestimmte Fragen grundsätzlich positiv beantwortet werden (siehe hierzu auch das Kapitel 2 und das Schaubild „Erfolgsfaktoren einer Projektfinanzierung“ [Tabelle 1]): 1. Ist das Rechts- und Regulierungsumfeld hinlänglich verlässlich und prognostizierbar? Die relevanten Fragestellungen sind dabei in den Kapiteln 3.1 bis 3.3 aufgegriffen worden. 2. Wird ausschließlich bewährte Technik eingesetzt? Das Kapitel 4.2 hat dabei über verschiedene Technik-Systeme informiert, das Kapitel 4.4 über die Betriebserfahrungen. 3. Wie können die verschiedenen, zentralen Projektbeteiligten angemessen an den Chancen und Risiken des Vorhabens partizipieren? Einige grundsätzliche Überlegungen finden sich in Kapitel 2. Für mindestens diese Fragen müssen zufrieden stellende Antworten gefunden werden, bevor eine Cashflow-Modellierung erfolgen kann, die dann wiederum in eine Finanzierungsstruktur einmündet. Methodisch erfolgt im Anschluss an die drei genannten Fragen eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit, die im Dialog zwischen dem Projekt und der fremdfinanzierenden Bank über ein Cashflow-Modell erfolgt, wobei die Bank intern die Cashflow-Struktur zusätzlich über ein separates Rating-Tool bewertet, woraus sich wiederum Änderungen an der Finanzierungsstruktur ergeben können. Dabei basiert diese zweite Analysestufe auf anderen methodischen Tools und ist auch von außen her wenig transparent. Dies ist durchaus bedauerlich, da sich häufig durch relativ kleine Änderungen an den Vertrags- und Finanzierungsstrukturen deutliche Rating-Verbesserungen ergeben können, die in Vorteilen bei den Zinskosten und der Finanzierungsstruktur resultieren können.

5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

251

Wir starten in diesem Kapitel mit der Darstellung des Risikomanagementprozesses bei einer Projektfinanzierung. In der betriebswirtschaftlichen Literatur existiert eine Vielzahl von Interpretationsvarianten für den Risikobegriff. Im Rahmen dieses Beitrages soll Risiko als negative Abweichung vom Planwert einer Zielgröße verstanden werden, da sie für jeden Beteiligten eine Verlustgefahr bedeutet. Die Bedeutung der Behandlung von Risiken im Zusammenhang mit einer Projektfinanzierung ergibt sich unmittelbar aus ihrem Charakter: Da es allein das Vorhaben ist, das als wirtschaftliche Basis für die angemessene Eigenkapitalverzinsung und die Bedienung des Kapitaldienstes dient, sind die Werthaltigkeit und die Robustheit des Projektes von entscheidender Bedeutung. Da das Projekt aber erst sukzessive entsteht, lässt sich seine Wirtschaftlichkeit nur per Prognose bestimmen. Da die Perspektive in die Zukunft zunehmend unsicher ist, hat sich die Prognose mit dem Eintritt aller Arten von Einflüssen zu befassen, deren Wirkung auf das Projekt einzuschätzen und nach Wegen zu suchen, ob und inwieweit einzelne Projektbeteiligte bereit sind, das Projekt von Risiken freizuhalten. Die Risiken einer Projektfinanzierung sind mit dem Instrumentarium des Risikomanagements zu steuern, das versucht, Risiken den Projektbeteiligten zuzuordnen, die diese zu verantworten haben und damit auch kontrollieren können. Wesensmerkmal jeder Projektfinanzierung ist die Orientierung an den zukünftigen Cashflows und der Einbindung der Projektbeteiligten, wie wir es in Kapitel 1 skizziert haben. Das Risikomanagement umfasst die Gesamtheit aller Aufgaben zur Handhabung von Projektrisiken unter Beachtung des Risk-Sharing-Prinzips. Das Ziel des Risikomanagements ist die Entwicklung einer Entscheidungsgrundlage für die Auswahl besonders geeigneter risikopolitischer Maßnahmen zur Reduzierung der Projektrisiken auf ein akzeptables Niveau. Der Prozess des Risikomanagements wird häufig als eine Stufenfolge beschrieben: Risikoquantifizierung Risikoidentifikation Risikoallokation Abbildung 54:

Bestandteile des Risikomanagementprozesses

Das Erkennen der einzelnen Risiken ist Grundvoraussetzung für die Anwendung risikopolitischer Maßnahmen. Zur Identifikation der einzelnen Risiken bei der Projektfinanzierung werden die Phasen, die ein Projekt bei der Erstellung und im Betrieb durchläuft, systematisch auf ihre Einflussfaktoren hin untersucht. Die Bewertung der einzelnen Risiken erfolgt anhand ihrer Auswirkungen auf den Cashflow, wobei die Ursachen eines Risikos aufgedeckt und die Risikofolgen qualitativ und quantitativ aufgezeigt werden. Das dazu verwendete Instrument – das Cashflow-Modell – wird aufgrund seiner Bedeutung gesondert dargestellt. Im dritten Schritt sind die identifizierten Risiken mit Hilfe geeigneter Techniken auf das mögliche Minimum zu reduzieren. Bei der Zuteilung – der Risikoallokation – wird untersucht, ob und in welchem Maße die identifizierten Risiken den Projektbeteiligten zugewiesen werden sollen und welche Restrisiken nach Zuteilung bei den Kapitalgebergruppen verbleiben. Schließlich sind die Risiken während der Projektlaufzeit zu kontrollieren und – bei Bedarf – geeignete Gegenmaßnahmen einzuleiten.

252

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Die dargestellten Prozessstufen sind nicht als isolierte Teilaufgaben zu verstehen, sondern als ein wechselseitig ineinander greifender Prozess, der das Projekt begleitet und dessen Ergebnis nicht nur vom Risikoprofil des Projektes abhängt, sondern wesentlich auch von den Chance-/Risiko-Präferenzen der verschiedenen Projektbeteiligten. Die Aufgabe der Auswahl und die Anwendung der Risikoinstrumente sowie der Risikoträger erweist sich in der Praxis als komplexer und diffiziler Verhandlungsprozess. In der weiteren Darstellung wird auch deutlich werden, dass die obige Stufenfolge zunächst aus didaktischen Gründen gewählt wird. In der Praxis ergibt sich eine Wechselwirkung zwischen den einzelnen Prozessstufen. Der Katalog der möglichen Maßnahmen des Risikomanagements ist umfangreich und vielschichtig, wodurch sich für den Kreditgeber und die Projektgesellschaft eine Vielzahl von Handlungsoptionen ergeben. Die Auswahl der möglichen Maßnahmen wird als Risikopolitik bezeichnet, deren Ziel es ist, die Kombinationen von Sicherungsinstrumenten zu finden, welche eine auf das Projekt abgestimmte und von allen gemeinsam akzeptierte Risikoverteilung ermöglicht. Die Risikoanalyse ist Ausgangspunkt des Risikomanagementprozesses, da sie maßgeblich die Struktur des Vertragsgeflechtes sowie die materiellen Regelungen jedes einzelnen Vertrages bestimmt. Daher wird man sich mit den Zielsetzungen der Projektbeteiligten und den technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekten des Vorhabens vertraut machen müssen. In den folgenden Abschnitten werden wir uns vertieft mit den verschiedenen Risiken, Risikoinstrumenten und Risikoträgern beschäftigen; insofern dient die folgende Tabelle 11 zunächst nur der Einstimmung: Tabelle 11:

Risikoart, Risiko-Instrument und Risikoträger

Risikoart

Risiko-Instrument

Risikoträger

Verfügbarkeit Rohstoffe oder Energie

Vertrag: Angebot oder Zahlung, Machbarkeitsstudie Machbarkeitsstudie Fertigstellungsgarantie, Kreditlinie

Zulieferer, evtl. Sponsoren

Vertragserfüllung Vertragspartner Kostenüberschreitung Abnahmerisiko Performancerisiko

Take-or-Pay-Verträge Machbarkeitsstudie, Vertragskonditionen (Anreize)

Rechts- und Regulierungsrisiko

Reputation des Landes, gute Zusammenarbeit mit Regierungen Machbarkeitsstudie, Versicherung möglicherweise K-O-Kriterium, ansonsten: Lizenzvereinbarung Optionen, Futures, Swaps usw. Langfristige Verträge (Kauf und Verkauf) Feste Zinskonditionen, Zinsderivate usw. Eindeutige Abgrenzung, Versicherung

Länderrisiko Technologisches Risiko Devisenkurs Inflationsrate Zinssätze Force Majeure

Sponsoren Sponsoren, Generalunternehmer, Kreditgeber Nachfrager des Outputs Anlagenlieferant Sponsoren Versicherungsagenturen, ECAs Lizenzgeber Finanzinstitute Anbieter und Nachfrager Finanzinstitute, Gläubiger Versicherung

5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

253

Im nächsten Schritt werden wir die wesentlichen Risiken bei Projekten im Bereich Erneuerbare Energien betrachten, die wir bereits im einführenden Kapitel skizziert haben. Beispielhaft stellen sich die verschiedenen Risikokategorien im Zeitablauf bei einem Projekt im Bereich Erneuerbare Energien wie folgt dar:

CF Solarkraftwerk Fertigstellung

Bauphase

Verspätung Kostenüberschreitung Nicht-Fertigstellung Energie-Produktion

Einzahlungen Betriebsphase Auszahlungen

Absatzpreis Absatzmenge operative Kosten

 Techn. Leistungsfähigkeit  Anlagenverfügbarkeit  Einstrahlung

 Kostensteigerung  Inflation

Finanzierungskosten

identifizierte Risiken Abbildung 55:

Risikoeinflüsse auf ein Erneuerbare-Energien-Projekt

Offensichtlich ist, dass die Risiken quantifizierbare Auswirkungen haben und in ihrer Gesamtheit betrachtet und bewertet werden müssen. Die Quantifizierung der Chancen und Risiken eines Projektes erweist sich als der Dreh- und Angelpunkt eines übergeordneten Sicherungssystems. Die Quantifizierung ermöglicht dabei, aus Investorensicht die Wirtschaftlichkeit, aus Sicht der weiteren Projektbeteiligten die Angemessenheit der Anreiz-Beitragsstruktur und aus Kapitalgebersicht die Robustheit des Projektes zu beurteilen. Die Investoren beurteilen das Projekt aus einer Base-Case-Betrachtung, wobei sie in ihr Kalkül bessere und schlechtere Projektentwicklungen einbeziehen werden. Die anderen Projektbeteiligten beurteilen das Vorhaben danach, welche Beiträge sie zu leisten haben und ob die Gegenleistung dazu in einem angemessenen Verhältnis steht. Die Kreditgeber beurteilen das Projekt danach, ob bei einer Worst-Case-Betrachtung die Bedienung des Kapitaldienstes gesichert erscheint. Hierzu überprüfen sie zum einen die Reagibilität des Projektes gegenüber möglichen adversen Projektänderungen – z.B. verspätete Fertigstellung, Minder-Performance der Anlagen oder Preisverfall auf der Marktseite – und bewerten zum anderen die Möglichkeiten und Verpflichtungen des Projektes und der Projektbeteiligten, bei negativen Planabweichungen unterstützend einzuspringen. Eine Möglichkeit, von Seiten des Projektes gegenzusteuern, kann dabei z.B. die Verpflichtung sein, bei Unterschreitung bestimmter Trigger Events – typischerweise Unterschreiten eines bestimmten Schuldendienstdeckungsgrades – eine beschleunigte Tilgung der Darlehen vorzunehmen (cash sweep).

254

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Die verschiedenen Verpflichtungen der Projektbeteiligten gegenüber dem Projekt haben wir im Zusammenhang mit der Diskussion der Einzelrisiken diskutiert. Im Zusammenhang mit der Risikoquantifizierung geht es nunmehr darum, die vertraglichen Verpflichtungen der Projektbeteiligten zu bewerten, was neben dem Umfang der möglichen Verpflichtungen auch eine Bonitätsbeurteilung der Verpflichteten erfordert. Darüber hinaus signalisiert die Verpflichtung der Projektbeteiligten ein Interesse am Projekterfolg, was über die Ebene der Quantifizierbarkeit hinaus von qualitativer Bedeutung ist. Damit wird ersichtlich, dass Risikoquantifizierung und Risikoallokation in einem engen Wechselverhältnis zueinander stehen. Eine Risikoquantifizierung ist erst dann vollständig, wenn neben der isolierten Projektbetrachtung auch die verschiedenen Beiträge der Projektbeteiligten mit betrachtet werden, die bestimmte Projekt-Risiken übernehmen und das Projekt insoweit freihalten. Nach der Anreiz-Beitrags-Theorie nach BARNARD und MARCH können die individuellen Vor- und Nachteile der Beteiligten als positive und negative Anreize definiert werden, die die Projektbeteiligten durch ihre eingebrachten Beiträge erhalten. Andererseits erfordert eine Risikoallokation die Quantifizierung der Chancen und Risiken sowohl auf Ebene der einzelnen Projektbeteiligten als auch auf Ebene des Gesamtprojektes. Der einzelne Projektbeteiligte kann erst dann seine Chance-Risiko-Position beurteilen, wenn er die vollständige Risikoquantifizierung des Cashflow-Modells mit den oben beschriebenen Beiträgen der einzelnen Projektbeteiligten kennt. An dieser Stelle wird deutlich, dass die Ermittlung einer geeigneten Finanzierungsstruktur mit der Ausgestaltung der Projektstruktur und der Projektverträge auf das engste zusammenhängt: Einerseits bestimmt die Ausgestaltung der Finanzierungsstruktur darüber, welche Beiträge insbesondere die Sponsoren und die Kreditgeber zu leisten haben, andererseits lässt sich eine Finanzierungsstruktur nur vor dem Hintergrund der vertraglichen Verpflichtungen der verschiedenen Beteiligten beurteilen. Aus diesem Grunde ist die von Seiten der Sponsoren gestellte Frage nach der notwendigen Höhe der Eigenmitteleinbringung auch erst dann abschließend zu beantworten, wenn neben dem Risikoprofil des Projektes auch die vertraglichen Verpflichtungen der einzelnen Projektbeteiligten bekannt sind. Weiter ermöglicht erst die Risikoquantifizierung die Information über die Performance des Projektes und ist damit Anknüpfungspunkt für Steuerungsmaßnahmen der Projektgesellschaft bzw. für das Auslösen von Verpflichtungen der Projektbeteiligten. Weichen Kennzahlen von Planwerten ab, werden – je nach vertraglicher Ausgestaltung – die Projektbeteiligten verpflichtet, bestimmte Beiträge zu leisten oder bestimmte Kreditsicherheiten greifen. Damit ermöglicht die Risikoquantifizierung eine dauerhafte Begleitung des Projektes im Zeitablauf und erfüllt die Funktion eines Steuerungsmechanismus. Die folgende Abbildung 56 soll dies abschließend verdeutlichen:

5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

Projekt-Performance

Quantifizierung der Chancen und Risiken

255

Ist-Kennzah len (aufgrund Soll-Kennza hlen (z.B. tatsächlicher Performance) aufgrund des Base-CaseSzenarios) Abweichungen und Abweichungsanalyse

UnterstützungsMaßnahmen

Projektbeteiligte, insbesondere Sponsoren und Kreditgeber (Finanzierungsstruktur) Fähigkeit, die jeweilige Umfang der Verpflichtung auch Verpflichtung der erfüllen zu können. verschiedenen Projektbeteiligten

Regelmechanismus

Funktionen einer Risikoquantifizierung

Abbildung 56:

Risikomanagementprozess bei einer Projektfinanzierung – Teil II

Das Cashflow-Modell ist für die Risikoquantifizierung von zentraler Bedeutung, aber die Risikoquantifizierung endet nicht mit dem Cashflow-Modell. Zusätzlich erfolgen auf Grundlage des Cashflow-Modells – zumeist separat vorgenommene – Simulationsrechnungen über ein Rating-Tool, die verschiedene Projektverläufe bei unterschiedlichen Umweltszenarien simulieren und aus Risikosicht der Banken bewerten. Die Simulationsrechnungen werden dabei im Geothermiebereich wesentlich durch die Qualität des Ressourcenangebotes beeinflusst. Qualitative Faktoren, wie etwa die Bewertung des Fertigstellungsrisikos und die Erfahrungen des EPC-Contractors, haben gegenüber den quantitativen Faktoren eine zumeist nachrangige Bedeutung. Tabelle 12:

Systematisches Vorgehen bei der Risikoquantifizierung Schritte:

Besonderheiten und Hinweise:

Bankenspezifika:

CF-Modell

Plausibilisierung und Übernahme der Daten des Entwicklers in ein Cashflow-Modell (im Prinzip soll die wahrscheinlichste Entwicklung des Projektes angegeben werden)

Es bestehen bankenspezifische Unterschiede hinsichtlich der Laufzeit der Term Loans und Belastbarkeitskriterien

Rating-Tool

Übertragung des CashflowModells in ein Rating-Tool und Vornahme von automatisierten Simulationsrechnungen  Ziele: Objektive Risikoeinschätzung

1. Nicht überoptimistisch sein, aber auch nicht das Projekt schlechter machen; 2. Ausnahme: Wartungskosten werden mindestens zu Full-Service-Preisen eingestellt 1. Variabilität und Untergrenzen von Projektverträgen berücksichtigen; 2. Explizite Angabe der Gutachter-Unsicherheit im Solargutachten verlangen

KalkulationsTool

Einstellung der Risikoeinschätzung und der Margenbestandteile in ein weiteres Bewertungs-Tool, das die Wirtschaftlichkeit aus Bankensicht bewertet

Risikobewertung sollte bei demselben Projekt bei unterschiedlichen Banken identisch sein

Je nach Verzinsungsanforderungen der Banken können sich unterschiedliche Preise für das Risiko ergeben

256

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Zusammenfassend erfüllt die Risikoquantifizierung folgende Funktionen:  

Quantifizierung der Wirtschaftlichkeit und der Belastbarkeit des Projektes, Erarbeitung einer Projektstruktur, die die einzelnen Chancen und Risiken sachgerecht zuweist und damit einen nachhaltigen Projekterfolg unterstützt, sowie Festlegung eines Frühwarnsystems, das Plan-Abweichungen erkennt und damit die Handhabe liefert, um frühzeitig Gegenmaßnahmen durch einzelne Projektbeteiligte oder den Einsatz von Kreditsicherheiten einzuleiten.



Wir werden im folgenden Abschnitt skizzieren, wie eine Risikoquantifizierung bei einer Projektfinanzierung erfolgen kann.

5.2.3

Darstellung der Reagibilität eines Geothermie-Projektes auf verschiedene Parameter-Änderungen

Im Folgenden soll dargestellt werden, wie ein Geothermie-Vorhaben auf eine Änderung einzelner Parameter aus Finanzierungssicht reagiert477. Tabelle 13:

Rahmendaten eines Geothermieprojektes in Deutschland

Projektname:

BUCO NERO

Projektstandort:

Deutschland

Gesamtinvestitionsvolumen:

M€ 90,8

Fremdkapitalvolumen:

M€ 52,0

Eigenkapitalvolumen:

M€ 38,8

Finanzierungsstruktur:

Rückzahlung der Projektfinanzierungsdarlehen über 17 Jahren mit linearem Tilgungsverlauf (Ratendarlehen).

Tilgungsfreie Zeit

36 Monate

Schuldendienstreserve:

nicht vorgesehen

Summe der Betriebskosten p.a.:

T€ 6.756 (anfänglich)

Inbetriebnahmezeitpunkt:

01.01.2013

Nennleistung:

7,5 MW

Jahresenergieproduktion:

66,01 GWh

Einspeisetarif:

25 Cent/kWh für 20 Jahre Projektlaufzeit

Auf Basis dieser Daten wurde von den Sponsoren ein erstes Cashflow-Modell als Sponsors Case erstellt. Dieses Modell stellt die Ausgangsbasis für die Analyse einzelner Projektrisiken dar, bevor es später im Rahmen der Risikoquantifizierung unter Berücksichtigung sämtlicher 477

Es handelt sich um ein reales Projekt, bei dem die Namen, die Größenrelationen und die Annahmen zur Finanzierungsstruktur fiktiv sind. Wir haben in den früheren Kapiteln deutlich gemacht, wie wichtig die Risikoidentifikation und Risikoallokation für den Erfolg einer Projektfinanzierung sind. Hier gehen wir davon aus, dass diese Themen zufriedenstellend gelöst sind und betrachten ausschließlich die Cashflow-Ebene.

5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

257

zu bewertenden Risiken zur Entwicklung einer geeigneten und tragfähigen Projektfinanzierungsstruktur dient.

2,00

DSCR-Verlauf

1,80

1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. Operative Kosten plus 9 %: 4. Kombinationsfall (2+4):

1,60 1,40 1,20 1,00

Abbildung 57:

DSCR Geothermie-Projekt (Sponsors Case)

Tabelle 14:

DSCR-Werte im Ausgangsfall Min. DSCR

Ø DSCR

IRR

1.

Sponsors Case

1,33

1,90

8,44 %

2.

Einnahmen bei 91 %:

1,12

1,67

4,40 %

3.

Operative Kosten plus 9 %:

1,21

1,78

6,40 %

4.

Kombinationsfall (2 +3):

1,00

1,56

2,17 %

Erkennbar ist, dass das Projekt bei der beschriebenen Finanzierungsstruktur einerseits eine gewisse Wirtschaftlichkeit aufweist (IRR von 8,4 %), andererseits auch eine gewisse Belastbarkeit aufweist. Ob diese der fremdfinanzierenden Bank ausreicht, soll im Folgenden detaillierter untersucht werden.

5.2.3.1

Zinssatzänderung

Anhand des Fallbeispiels werden die Auswirkungen von Zinsänderungen in verschiedenen Abstufungen dargestellt. Dabei werden ausgehend von der von den Sponsoren vorgeschlagenen Finanzierungsstruktur der Zinssatz des Projektfinanzierungskredites in diesem Modell verändert und die hieraus resultierenden Ergebnisse im Folgenden beschrieben.

258

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

2,00

DSCR-Verlauf

1,80

1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. wie 1, Zinssatz plus 1 % p.a.: 4. Zinssatz plus 3 % p.a.: 5. Zinssatz plus 6,4 % p.a.:

1,60 1,40 1,20 1,00

Abbildung 58:

DSCR bei unterschiedlichen Zinssätzen

Tabelle 15:

DSCR-Werte bei unterschiedlichen Zinssätzen

1. 2. 3. 4. 5.

Sponsors Case Einnahmen bei 91 %: Wie 1, Zinssatz plus 1 % p.a.: Wie 1, Zinssatz plus 3 % p.a: Wie 1, Zinssatz plus 6,4 % p.a.:

Min. DSCR

Ø DSCR

IRR

1,33 1,12 1,32 1,22 1,00

1,90 1,67 1,74 1,53 1,30

8,44 % 4,40 % 7,31 % 5,15 % 1,85 %

Die Erhöhung der Zinssätze führt dazu, dass der DSCR durchgängig über die gesamte Finanzierungslaufzeit unterhalb der Ausgangslage im Sponsors-Case liegt. Bei einem Anstieg des Zinssatzes des Projektfinanzierungskredites um 6,4 Prozentpunkte auf einen Satz von 11,4 % jährlich beträgt der DSCR im vierten Betriebsjahr 2016 noch 1,0, was bedeutet, dass der Kapitaldienst gerade noch geleistet werden kann. Bei einem noch höheren Zinsanstieg wäre dies nicht mehr sichergestellt und die bankseitigen Anforderungen der jederzeitigen und vollständigen Leistung des Kapitaldienstes würden verfehlt. Die betrachtete Höhe des Zinsanstieges stellt somit die Grenze der Projektbelastbarkeit dar. Die Erhöhungsdifferenz von 6,4 Prozentpunkten bis zur Erreichung der Projektbelastbarkeitsgrenze kann als Sicherheitspuffer des Projektes für das Zinsänderungsrisiko verstanden werden. Die Höhe dieses Sicherheitspuffers zeigt dabei, dass das Projekt BUCO NERO recht empfindlich auf einen Zinsanstieg reagiert. Diese Beobachtung kann generell bei Projektfinanzierungen im Bereich Geothermie gemacht werden.

5.2.3.2

Betriebskostenänderung

Die Folgen aus dem Eintritt des Betriebs- und Managementrisikos werden über eine Erhöhung der Betriebskosten dargestellt und die hieraus resultierenden Ergebnisse im Folgenden beschrieben. Die genannten Beträge beziehen sich auf den Ausgangswert der Betriebskosten im ersten Betriebsjahr ohne Berücksichtigung des im Modell generell kalkulierten Betriebskostenanstieges von 2 % jährlich.

5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

259

Die entgegen der Ausgangslage im Sponsors-Case zusätzlich anfallenden Betriebskosten müssen durch den unveränderten Projekt-Cashflow gedeckt werden. Dadurch sinkt der Teil des Projekt-Cashflows, der für die Bedienung des Kapitaldienstes zur Verfügung steht. Die Kapitaldienstfähigkeit in Form des DSCR sinkt folglich über die gesamte Finanzierungslaufzeit, wie es die nachfolgende Abbildung 59 veranschaulicht.

2,00 1,80

1. Sponsors Case

DSCR-Verlauf

2. Operative Kosten plus 5 %: 3. Operative Kosten plus 10 %: 4. Operative Kosten plus 24 %:

1,60 1,40 1,20 1,00

Abbildung 59:

DSCR bei veränderten Betriebskosten

Tabelle 16:

DSCR-Werte bei Betriebskostenänderungen

1. 2. 3. 4.

Sponsors Case Operative Kosten plus 5 %: Operative Kosten plus 10 %: Operative Kosten plus 24 %:

Min. DSCR

Ø DSCR

IRR

1,33 1,26 1,19 1,00

1,90 1,84 1,77 1,59

8,44 % 7,33 % 6,17 % 2,66 %

Es zeigt sich, dass auch hier der DSCR durch die vorgenommene Veränderung durchgängig unterhalb der Ausgangslage im Sponsors-Case liegt. Bei allen betrachteten Fällen liegt der DSCR über 1,0, so dass der Kapitaldienst noch geleistet werden kann. Bei noch höheren Betriebskosten wäre dies nicht mehr sichergestellt und die bankseitigen Anforderungen der jederzeitigen und vollständigen Leistung des Kapitaldienstes würden verfehlt. Die Frage ist hier, ob und inwieweit die operativen Kosten und Kostensteigerungen abgesichert werden können. Während dies bei Windenergieprojekten bei den wichtigsten Kostenpositionen der Fall ist, gilt dies für Geothermie-Vorhaben nur eingeschränkt. Eine wichtige Kostenposition, die Stromkosten für die Pumpen, können – zumindest nicht langfristig – zu ökonomisch vertretbaren Konditionen abgesichert werden478. Insgesamt zeigt sich das Projekt BUCO NERO recht empfindlich gegenüber einem Betriebskostenanstieg, weil die Betriebskosten im Verhältnis zu Investitionsvolumen, ProjektCashflow und Kapitaldienst einen relativ großen Anteil ausmachen. Diese Empfindlichkeit 478

Siehe zu einer beispielhaften Aufgliederung etwa Abbildung 44.

260

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

ist nicht nur in diesem speziellen Fall zu beobachten, sondern eine generelle Eigenschaft von Geothermie-Projekten.

5.2.3.3

Einnahmenrückgang

Die dargestellten Folgen aus dem Eintritt des Ressourcenrisikos und die sich hierdurch ergebenden Auswirkungen haben wir im Folgenden über eine Variation des Jahresenergieertrages in mehreren Szenarien abgebildet. Die Kapitaldienstfähigkeit in Form des DSCR sinkt folglich über die gesamte Finanzierungslaufzeit, wie es die nachfolgende Abbildung 60 veranschaulicht.

2,00 1,80

1. Sponsors Case

DSCR-Verlauf

2. Einnahmen bei 90 %: 3. Einnahmen bei 80 %:

1,60 1,40 1,20 1,00

Abbildung 60:

DSCR bei Einnahmenveränderung

Tabelle 17:

DSCR-Werte bei Einnahmenveränderung

1. 2. 3.

Sponsors Case: Einnahmen bei 90 %: Einnahmen bei 80 %:

Min. DSCR

Ø DSCR

IRR

1,33 1,10 1,00

1,90 1,65 1,39

8,44 % 3,93 % – 1,11 %

Durch die vorgenommene Veränderung liegt der DSCR durchgängig unterhalb der Ausgangslage im Sponsors-Case. Bei einer Senkung des Jahresenergieertrages um 20,0 % erreicht der DSCR im 17. Betriebsjahr des Projektes sein Minimum von 1,0479. Das hier betrachtete Ausmaß des Absinkens des Jahresenergieertrages stellt folglich die Grenze der Projektbelastbarkeit dar. Die Differenz von 20,0 % bis zum Erreichen der Projektbelastbarkeitsgrenze aus Sicht des Sponsors-Case kann somit auch als dessen Sicherheitspuffer im Hinblick auf das Ressourcenrisiko verstanden werden. Die Höhe des Sicherheitspuffers bei BUCO NERO ist dabei als auskömmlich zu bewerten, wenn man sich vor Augen hält, dass die jährliche Energieproduk479

Der Rückgang des DSCR im letzten Betriebsjahr erklärt sich aufgrund der in diesem Jahr deutlich ansteigenden Gewerbesteuerzahlung.

5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

261

tion eine grundlastfähige Energieproduktion zulässt. Damit ist der Sicherheitspuffer im Sponsors Case aus Sicht der Kapitalgeber ausreichend. Bevor wir uns den Möglichkeiten einer Optimierung der Finanzierungsstruktur zuwenden, stellen wir zunächst die relevanten Beurteilungsverfahren dar.

5.2.4

Verfahren der Risikoquantifizierung: Cashflow-Modell und Rating-Verfahren

5.2.4.1

Dynamische Ziele einer Risikoquantifizierung

Ziel einer Risikoquantifizierung ist, die Wahrscheinlichkeit und den quantitativen Umfang möglicher negativer Abweichungen des Projektes im zeitlichen Ablauf zu ermitteln. Die hierzu in der Praxis entwickelten Methoden haben dabei die betriebswirtschaftlichen Tendenzen nachvollzogen und entwickelten sich von den statischen Methoden zu dynamischen Verfahren, die nunmehr die einzelnen Risiken im zeitlichen Ablauf berücksichtigen. Zum Teil sieht man allerdings auch heute noch Kalkulationsbeispiele, die darauf abzielen, eine Betrachtung für lediglich ein Jahr anzustellen oder aber eine Gewinngröße zu ermitteln. Von beiden Herangehensweisen muss dringend abgeraten werden: Zum einen sollte klar sein, dass eine statische Betrachtung künftige Veränderungen von Einzahlungen und Auszahlungen nicht abbilden und damit zu einer gravierenden Fehleinschätzung der Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens führen kann. Zum anderen sind es lediglich die zahlungswirksamen Größen, die für die Begleichung der operativen Kosten und des Kapitaldienstes herangezogen werden können, nicht aber eine aus der Gewinn- und Verlustrechnung stammende Größe, die für Rechnungslegungszwecke entwickelt wurde. Es sollte daher Standard sein, auf dynamische Verfahren zu setzen und nur Nach-Steuer-Cashflows zu betrachten.

Traditioneller Ansatz

Definition:

Sichtweise des Sponsors

Sichtweise der Bank

Interner Zinssatz (IRR) oder Kapitalwert

Debt Service Cover Ratio

Zinssatz, bei dem der Kapitalwert Null wird.

Cash Flow vor Schuldendienst Schuldendienst

Spanne: zwischen 7 % und 15 %

Üblicherweise > 1,3

Anforderung:

Interner Zinssatz / Debt Service Cover Ratio Abbildung 61:

Gegenüberstellung Interner Zinssatz/Debt Service Cover Ratio

262

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Aus Sicht des Investors werden regelmäßig die Ein- und Auszahlungen, die er leisten muss bzw. erhält, auf den Zeitpunkt der Investitionsentscheidung mit einem geeigneten Kalkulationszinssatz abgezinst. Ergibt sich ein positiver Kapitalwert, erscheint das Vorhaben vorteilhaft. Alternativ – wenn auch mit gewissen theoretischen Nachteilen – kann der interne Zinssatz den Investor darüber informieren, ob eine bestimmte Mindestverzinsung seines Eigenkapitals erreicht oder überschritten wird. In der Praxis wird hierfür meist der interne Zinssatz (Internal Rate of Return) herangezogen. Bei dieser Methode wird der Zinssatz berechnet, bei dem die Barwerte der Einzahlungen und Auszahlungen des Investitionsvorhabens gleich groß sind. Daraus ergibt sich folgende Formel, wobei die Zielgröße der interne Zinssatz r ist: n ∑ (Et – At) * (1 + r)–t = 0 t=0 Et

Einzahlungen in Periode t

At:

Auszahlungen in Periode t

t:

Periode

n:

Nutzungsdauer des Investitionsobjektes

r:

interner Zinssatz

Auf diese Weise erhält man die interne Verzinsung eines Investitionsvorhabens. Die Investition wird unter der Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes dann durchgeführt, wenn der interne Zins über dem Kapitalmarktzins liegt. Für die Berechnung wird außerdem die Annahme getroffen, dass etwaige Überschüsse zum jeweiligen internen Zinssatz angelegt werden. Allerdings sind die so abgeleiteten Kennzahlen nicht geeignet, die Dimensionierung und Struktur der Fremdmittel zu bestimmen. Hier kommt die Sichtweise der Fremdkapitalgeber ins Spiel. Aus Sicht der Fremdkapitalgeber interessiert die Frage, wie sicher es ist, dass Zinsen und Tilgung aus dem Cashflow des Projektes erbracht werden können – je höher hier die Überdeckung ist, um so robuster sollte das Projekt auf Planänderungen reagieren. Im Folgenden betrachten wir das Cashflow-Modell unter dem Blickwinkel der Ausgestaltung einer Finanzierungsstruktur, und damit in einem fortgeschrittenen Stadium aus Sicht der Fremdkapitalgeber. Hauptproblem der im Folgenden darzustellenden Verfahren ist die Prognose der zukünftigen Periodenerfolge, die sich – in den Planungen der Projektbeteiligten – häufig als eine einmalige Analyse der wahrscheinlichen Entwicklung des Projektes darstellt. Dabei weisen diese Verfahren zwei Mängel auf: Zum einen wird die Wechselwirkung des Projekterfolgs mit den Interessen der verschiedenen Projektbeteiligten meist nicht thematisiert. Wir haben diesen Aspekt in Kapitel 2 skizziert. Zum anderen werden Handlungsmöglichkeiten der Projektbeteiligten – v.a. der Projektgesellschaft – auf Veränderungen der Umwelt, die auf das Projekt einwirken, nicht abgebildet, so dass die eher statische und gerichtete Sicht der traditionellen Bewertungsverfahren ergänzt werden muss. Gleichwohl sind die Kennzahlenermittlung und die Projektsteuerung über Kennzahlen die zentralen Elemente jeder Risikoquantifizierung.

5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

263

Der primäre Finanzierungsgedanke einer Projektfinanzierung beinhaltet, dass der generierte Cashflow ausreichen soll, um einerseits den Schuldendienst zu decken und andererseits eine angemessene Absicherung gegen den Eintritt möglicher Risiken zu bieten. Zur Umsetzung dieser Zielvorgabe werden die erwarteten Projekterlöse ermittelt und anschließend in Bezug zum ausstehenden Schuldendienst oder Kreditbetrag gesetzt. Bei diesem Modell werden die Cashflows des Projekts unter Annahme der Plandaten periodenweise simuliert und es wird dann geprüft, inwiefern das Projekt in der Lage ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Die ermittelte Über- oder Unterdeckung kann mit Hilfe des Debt Service Cover Ratio (DSCR, Schuldendienstdeckungsgrad) aggregiert dargestellt werden. Der DSCR beschreibt dabei, inwieweit der Cashflow zur Deckung des Schuldendienstes ausreicht. Da es üblich ist, zur Erhöhung der Belastbarkeit des Projekts eine Schuldendienstreserve (SDR) vorzuhalten, wird der DSCR im weiteren Verlauf der Arbeit wie folgt definiert480:

DSCR =

Cashflow der Periode + Schuldendienstreserve Schuldendienst der Periode

Die so für die einzelnen Perioden ermittelten DSCR können in einem Graphen, der die gesamte Kreditlaufzeit abbildet, dargestellt werden, wodurch die für das Projekt kritischen Phasen leicht zu identifizieren sind. Bei einem DSCR ≥ 1,0 ist der Schuldendienst der Periode durch die Cashflows und ggf. die Schuldendienstreserve gedeckt. Um eine Absicherung gegen Schwankungen des Cashflows vorzunehmen, besteht von Seiten des finanzierenden Kreditinstituts der Anspruch, dass das Projekt in der Lage sein muss, auch in einem Worst-Case-Fall einen DSCR ≥ 1,0 zu generieren. Die Anforderung an die als notwendig angesehene Überdeckung hängen von dem Umfang der Risikoüberwälzung ab, so dass eine bankseitige Forderung nach einem Mindestdeckungsverhältnis durch die projektspezifische Risikostruktur mit beeinflusst wird. Je ausgeprägter die Risikoübernahme unter Berücksichtigung der Risikotragfähigkeit des betreffenden Risikoträgers ist, umso geringer kann die Überdeckung ausfallen. Der Schuldendeckungsgrad fordert lediglich eine pauschale Überdeckung für den Risikofall. Demnach gibt der DSCR noch keine Auskunft über die Entwicklung des Cashflows unter Risikoeinfluss. Inwieweit eine im DSCR enthaltene Sicherheitsmarge im Falle einer Risikorealisation ausreichend bemessen ist, wird zunächst noch nicht ersichtlich. Erst unter Anwendung von dynamischen Analysemethoden wird der DSCR zu einer Bewertungs- und Steuerungsgröße. Der Einsatz des Cashflow-Modells und die Betrachtung des DSCR als zentrale Kenngröße unterstützt auch die in dieser Arbeit eingenommene Sichtweise, da die aus Sicht der Kredit gebenden Bank elementare Fähigkeit des Projektes zur Leistung von Zins und Tilgung abgebildet wird. 480

Die so gewählte Interpretation ist nur dann sinnvoll, wenn sie in einem Belastungsfall betrachtet wird. In allen anderen Fällen wird der DSCR um den Bestand der Schuldendienstreserve zu hoch ausgewiesen. Dieses Vorgehen ist aus Sicht der Fremdkapitalgeber aber gleichwohl sinnvoll, da es die Belastbarkeit des Vorhabens unter Einbezug der Reserven zeigt.

264

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

1,6 Basisfall

1,4

Einnahmen bei 80 %: Kapitaldienstfähigkeit:

1,2 1 0,8 0,6 0,4 1 Abbildung 62:

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

481

Grundlegendes Cashflow-Modell mit Base- und Worst-Case

Neben der Bewertung der Ausgangssituation mit Plandaten kann mit dem Cashflow-Modell auch der Einfluss einzelner Risiken auf das Projekt bewertet werden. Mit Hilfe der Sensitivitätsanalyse wird dabei durch eine Simulation der verschiedenen Input-Daten geprüft, inwiefern entstehende Veränderungen im Cashflow die Tragfähigkeit des Projektes beeinflussen. Ziel ist es, die Reaktionsempfindlichkeit des Projektes auf veränderte Umweltbedingungen aufzuzeigen. Auf diese Weise wird ersichtlich, welche Bedeutung jeweils der Absicherung eines Risikos zukommt. Da sich die Einzelrisiken und die spezifischen Risikoinstrumente im zeitlichen Ablauf des Projektes wandeln können, treten neben die eher statische Betrachtung des Schuldendienstdeckungsgrades den zeitlichen Ablauf stärker betonende dynamische Methoden in den Vordergrund, nämlich die Sensitivitätsanalyse, die Szenariotechnik, die simulative Risikoanalyse und neuerdings die Methode der Real- oder Handlungsoptionen. Ziel der Sensitivitätsanalyse ist die Darstellung der Auswirkungen von Variationen des Wertes einzelner oder mehrerer Parameter auf das Entscheidungskriterium (z.B. Cashflow oder DSCR), um so zusätzliche Informationen über den Risikogehalt des Projektes zu gewinnen. Die Sensitivitätsanalyse kann dabei grundsätzlich in zweierlei Weise vorgenommen werden: Zum einen vom gewählten Beurteilungskriterium zum variablen Risikoparameter (Fragestellung: um wie viel darf der Risikoparameter schwanken, ohne den Zielwert beim gewählten Kriterium zu beinträchtigen? – Methode der kritischen Werte), zum anderen vom Risikoparameter zum Beurteilungskriterium (Fragestellung: Wie schwankt die Messzahl des Beurteilungskriteriums, wenn der Risikoparameter verändert wird – Alternativenrechnung). Vorteil-

481

P.K. Nevitt; F.J. Fabozzi 2000, S. 12.

5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

265

haft ist dabei die Ermittlung, welche Änderungen des Datenkranzes sich besonders sensibel auf den Cashflow auswirken. Nachteilig bei der Sensitivitätsanalyse ist der Umstand, dass sich in der Realität nur selten einzelne Parameter c.p. verändern, sondern Interdependenzen zwischen den CashflowDeterminanten eher die Regel sind. Weiter ist mit der Sensitivitätsanalyse noch nichts für die Frage der Eintrittswahrscheinlichkeit der verschiedenen Parametereinsätze gewonnen. Das Verfahren macht jedoch deutlich, auf welche Änderungen das Projekt – gemessen am Beurteilungskriterium – am sensibelsten reagiert und weist so darauf hin, welchen Risiken besonderes Augenmerk geschenkt werden muss. Einen Schritt weiter geht die Szenariotechnik. Die Szenariotechnik stellt eine besondere Form der Sensitivitätsanalyse dar, bei der auf Basis verschiedener als realistisch angenommener Datenkonstellationen – so genannten Szenarien – die Auswirkungen auf den Cashflow aufgezeigt werden, gemessen über den Schuldendienstdeckungsgrad (DSCR). Dadurch wird abgebildet, wie sich die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens in Abhängigkeit der für die wichtigsten Einflussparameter hypothetisch unterstellten Entwicklungen verändern kann. Die Untersuchung wird häufig auf drei Szenarien eingegrenzt:   

Base-Case (Unterstellung der wahrscheinlichsten Parameterwerte), Best-Case (Unterstellung günstigster Parameterwerte) und Worst-Case (Unterstellung ungünstigster Parameterwerte).

Als Vergleichsgröße dient das Base-Case-Szenario, das die verschiedenen Projektparameter mit ihrem wahrscheinlichsten Wert berücksichtigt. Ausgehend von dem Base-Case-Szenario lässt sich durch pessimistische Schätzungen ein Worst-Case-Szenario aufstellen. Der Begriff des Worst Case ist dabei in der Finanzierungspraxis alles andere als klar definiert. In einem Extremszenario – etwa einer nicht erfolgten Fertigstellung – generiert das Projekt gar keine Cashflows, was im eigentlichen Wortsinn einen „Worst Case“ darstellt. Dies ist aber mit dem Begriff des Worst Case nicht gemeint. Mit einem Worst-Case-Szenario wird eine Projektsituation beschrieben, die bei einer ungünstigen, aber gleichwohl realistischen Entwicklung der Cashflow-Determinanten eintreten kann und deshalb für die Fremdkapitalgeber von besonderer Bedeutung ist482. Denn anhand einer Worst-Case-Betrachtung kann festgestellt werden, ob auch bei stark negativen Entwicklungen das Projekt in der Lage ist, den Schuldendienst zu erbringen. Ergeben die Auswertungen dieses Szenarios, dass eine Unterdeckung des Schuldendienstes vorliegt, müssen die Banken über mögliche Modifikationen am entworfenen Finanzierungsplan nachdenken. Aus Sicht der fremd finanzierenden Bank ist ein besserer Verlauf als der Base Case im Regelfall nicht entscheidungsrelevant, da ihr Risikobegriff aufgrund ihrer Chance-Risiko-

482

Die Definition eines Worst Case-Szenarios beruht faktisch auf Erfahrungen der Bank mit vergleichbaren Projekten und spiegelt ein bestimmtes und institutsspezifisches Annahmen-Set wider. Für ein GeothermieVorhaben könnten die relevanten Veränderungen gegenüber dem Basisfall wie folgt aussehen: 1. Die Einnahmen liegen bei 80 %, 2. nach Ende der Zinsbindung steigt der Zinssatz auf einen Wert von 9 % p.a. und 3. die Betriebskosten steigen um 20 %. Die Annahmen zeigen bereits, dass je nach angesprochener Bank die Ausprägung der Veränderungen auch unterschiedlich ausfallen kann, so dass sich ein anderes Worst-Case-Szenario ergibt. Eine Unterschreitungswahrscheinlichkeit lässt sich für das Worst-Case-Szenario auch nicht ermitteln. Dies erfolgt in der Praxis auf Grundlage des Base Case im Rahmen der Simulationsrechnungen.

266

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

position als negative Zielabweichung definiert ist und der Schuldendienst unabhängig vom Projektergebnis erbracht werden muss. Bedeutung des Base Case-Szenarios:  

Als Vergleichsgröße zu anderen Vorhaben dient das Base Case-Szenario, das die verschiedenen Projektparameter mit ihrem wahrscheinlichsten Wert berücksichtigt. Für die Eingaben in das Rating-Tool der Banken müssen die Annahmen auf ein Base CaseNiveau gebracht werden. Die Rechnung innerhalb des Rating Tools simuliert auch negative Projektverläufe, die das maximal vertretbare Fremdfinanzierungsvolumen aufzeigen.

Bedeutung des Worst-Case-Szenarios: 



In diesem Szenario wird eine Projektsituation antizipiert, die bei einer ungünstigen Entwicklung der Cashflow-Determinanten eintritt und für die Fremdkapitalgeber von besonderer Bedeutung ist, da geprüft wird, ob auch bei stark negativen Entwicklungen das Projekt in der Lage ist, den Schuldendienst zu erbringen. Liegt im Worst Case-Szenario eine Unterdeckung des Schuldendienstes vor, müssen die Banken über mögliche Modifikationen am entworfenen Finanzierungsplan nachdenken.

Bei Geothermie-Vorhaben werden die folgenden Parameter im Rahmen einer Simulationsrechnung variiert:  

Für das Zinsumfeld, soweit die Darlehenstranchen nicht zinsgesichert sind, erfolgt ebenfalls eine Simulation von Zinsszenarien, die länderspezifisch hinterlegt sind. Des Weiteren gibt es weitere makroökonomische Größen – wie z.B. Inflationssätze – die als eigene Datensätze hinterlegt sind.

Dabei wird das Rating-Ergebnis umso besser ausfallen, je geringer die Volatilitäten sind und je höher die Überdeckungsrelationen (DSCRs) ausfallen. Die Tatsache, dass auf der Grundlage der Sensitivitätsrechnung bzw. Szenariotechnik keine Aussage über die Eintrittswahrscheinlichkeit der unterstellten Cashflow-Konstellationen möglich ist, wird als das größte Defizit dieser Untersuchungsmethode angesehen. Um dies zu kompensieren, können aufgrund vorhandenen Fachwissens subjektive Eintrittswahrscheinlichkeiten unterstellt werden. In den folgenden Abschnitten werden wir die verschiedenen, in der Praxis dominierenden Kennzahlen innerhalb einer Projektfinanzierung darstellen und kritisch würdigen.

5.2.4.2

Der Schuldendienstdeckungsgrad als zentrale Kennziffer

Der Schuldendienstdeckungsgrad (Debt Service Cover Ratio, DSCR) ist die wahrscheinlich am häufigsten gebräuchliche Kennzahl innerhalb einer Projektfinanzierung:

DSCR =

Cashflow der Periode + Schuldendienstreserve Schuldendienst der Periode

Diese Kennzahl wird zum einen jährlich – manchmal auch zu jedem Kapitaldiensttermin – berechnet, zum anderen aber bereits zur Planung eines Projektes über die gesamte Kredit-

5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

267

laufzeit ausgewiesen. Die Dominanz des DSCR erklärt sich unmittelbar aus dem zentralen, wirtschaftlichen Charakteristikum einer Projektfinanzierung: Da die zur Finanzierung des Projektes aufgenommenen Darlehen ausschließlich aus dem vom Projekt generierten Cashflows zurückgeführt werden, ist es nahe liegend, den Cashflow-Verlauf dahingehend zu untersuchen, ob er in der Lage ist, den Kapitaldienst für die Darlehen zu erbringen. Selbst wenn der Schuldendienstdeckungsgrad die einzige verwandte Kennzahl ist, ist dies für die Zwecke einer Projektfinanzierung gleichwohl ausreichend. Der DSCR gibt an, um welchen Faktor der erwartete Cashflow den Kapitaldienst in jedem Jahr über- oder unterdeckt. Banken sind aufgrund ihrer Risikopräferenzen nur bereit, Projektkredite bei Überschreitung bestimmter Überdeckungsverhältnissen zur Verfügung zu stellen. Wenn der DSCR unter 1,00 fällt, kann das Projekt seinen Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag nicht mehr vollständig nachkommen und muss entweder weitere Kreditmittel aufnehmen, Eigenmitteleinschüsse erhalten oder eine Änderung des Tilgungsprofils muss verhandelt werden. Die Kennzahl ist im besonderen Maße dafür geeignet, das Rückzahlungsprofil eines Projektes zu bestimmen. In der oben genannten Verwendung beinhaltet sie die Schuldendienstreserve: Dies hat zwar den Nachteil, dass im Basisfall der DSCR strukturell überschätzt wird, aber den deutlichen Vorteil, dass in einem Belastungsfall – und vor allem dieser interessiert die Kreditgeber – die Belastbarkeit des Vorhabens inklusive der Reserven, die für die Bedienung des Kapitaldienstes zur Verfügung stehen, aufgezeigt wird. Wenn die Kennzahl wie oben benutzt wird, sollte sich die Interpretation auf einen Belastungsfall beziehen. In einem Basisfall ist zu berücksichtigen, dass der DSCR um die Schuldendienstreserve zu hoch ausgewiesen wird. Keinesfalls dürfen hier andere Konten als die Schuldendienstreserve eingerechnet werden, wie z.B. eine Wartungskostenreserve. Der Schuldendienstdeckungsgrad ist eine hochgradig verdichtete Kennzahl, da sie sämtliche Einzahlungen und Auszahlungen eines Vorhabens vor dem Hintergrund der Kapitaldienstfähigkeit darstellt. In jedem Fall sei davor gewarnt, allein auf den minimalen Schuldendienstdeckungsgrad eines Vorhabens zu sehen. Dies ist ein eher allgemeiner Merksatz, der bereits in einer Reihe von Rechnungslegungssystemen festgeschrieben ist: Es existiert keine Möglichkeit, die Performance eines Unternehmens in einer Kennzahl auszudrücken. Daher sollte keine alleinige, übertriebene Bedeutung auf eine noch so wichtige Kennzahl gelegt werden, sondern zusätzlich untersucht werden, welche Parameter realistischerweise wie weit schwanken können und welche Konsequenzen sich insoweit auf die Belastbarkeit des Vorhabens ergeben. Je nach Risikoeinschätzung kann der festgesetzte Mindestdeckungsgrad stark variieren, wobei er umso höher sein wird, je größer die Risikoübernahme der Projektbeteiligten ist. Entsprechend schwanken die Überdeckungsverhältnisse in Abhängigkeit von den Erfahrungen der Branche und dem jeweiligen Risikoprofil eines Projektes. Wichtig ist die Frage, wie robust das Projekt auf negative Planabweichungen reagiert und welche Sicherungsmechanismen greifen, um daraus eine Mindestdeckungsrelation für die Vergabe von Projektkrediten zu ermitteln. Die Bedeutung der Risikoabsicherung nach dem Kriterium des Schuldendienstdeckungsgrades zeigt auch eine Schwäche dieses Verfahrens: Sein Ausgangspunkt ist nicht die Analyse der Risiken als solche und ihre Bemessung, sondern die auf die möglichen Folgen abgestellte Bemessung eines Risikopolsters, mit dem die verbleibenden Risiken pauschal abgesichert werden sol-

268

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

len. Solange das pauschal bestimmte Sicherheitspolster eine ausreichende Abfederung verschafft, mag dies genügen. Je dünner allerdings die Polster werden, umso stärker rücken wiederum die Einzelrisiken und die spezifischen Risikoinstrumente in den Vordergrund.

5.2.4.3

Die Einbindung des Rating-Verfahrens

Wie wir oben dargestellt haben, sind das Cashflow-Modell und das Rating-Verfahren zwei ineinander greifende methodische Verfahren, deren Ziel es letztlich ist, eine für ein Projekt aus Risikoaspekten angemessene Risikostruktur zu ermitteln. Dabei dient das Cashflow-Modell einer ersten Abschätzung der Projektbelastbarkeit und Wirtschaftlichkeit und das Rating-Verfahren ermöglicht es dann, den Cashflow-Verlauf innerhalb einer Simulation zu bewerten. Das Rating-Ergebnis korrespondiert mit einer Risikobepreisung. Sofern diese von der im Cashflow-Modell verwandten Risikobepreisung abweicht, die ja zunächst eine Schätzgröße abbildet, muss das Modell angepasst und die Simulationsrechnung wiederholt werden. Im Bedarfsfall muss dieser Prozess so lange wiederholt werden, bis Cashflow-Modell und Rating-Verfahren von denselben Angaben ausgehen. Insofern ist die Cashflow-Modellierung und die Bewertung durch ein Rating-Tool ein iterativer Prozess. Die Ziele, die mit einem Rating-Tool verfolgt werden, lassen sich wie folgt subsumieren:   

Objektive und standardisierte Risikobeurteilung eines Projektes. Kalkulation eines Gesamtrisikos für eine Projektfinanzierung – Ermittlung einer Ausfallwahrscheinlichkeit (PD, „probability of default“), die wiederum für die Risikobepreisung relevant ist. Regulatorische Anforderungen, insbesondere die Kapitaladäquanzanforderungen nach Basel II, können eingehalten werden.

Das Rating-Tool geht dabei wie folgt vor:   

Simulation der wesentlichen Risikotreiber unter einem bestimmten Annahmen-Set und unter Berücksichtigung von makroökonomischen Faktoren: Zinssätze, Wechselkurse und Inflationsannahmen sowie branchenspezifischen Annahmen: basierend auf einem Random-Walk-Ansatz, der auf historischen Volatilitäten und Korrelationen basiert.

In diesem Zusammenhang müssen zwei Volatilitäten unterschieden werden: Dies ist zum einen die Volatilität des Energieangebots, zum anderen die im Ertragsgutachten angegebene Prognoseunsicherheit der Gutachter. Die Volatilität des Energieangebotes wird typischerweise über standortspezifische Gutachten dargestellt. Zu den Details der Abschätzung des Elementarangebots siehe insbesondere das Kapitel 3.3. Die zweite Volatilität, die sich auf das Elementarangebot bezieht, ist die im Gutachten angegebene Unsicherheit, die so genannte Banking Case Uncertainty (BCU). Die BCU beschreibt den Umstand, dass nicht nur die Einstrahlung als solche unsicher ist, sondern auch das korrekte Startniveau der Einstrahlung. Das im Rating-Sinn korrekte Start-Niveau ist das Annahmen-Set, das mit derselben Wahrscheinlichkeit überschritten und unterschritten wird (so genannter p(50)-Fall). Die BCU ist daher ein Maß für die Verlässlichkeit der Prognose eines Ertragswertgutachtens.

5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur  

269

Die Berücksichtigung der BCU führt zu einer Parallelverschiebung der DSCR-Reihe und damit zu einer Erhöhung der PD. Wird die BCU nicht explizit vom Gutachter angegeben, wird ein Wert von 10 % unterstellt (üblich sind vielleicht 5 %).

Damit ergeben sich folgende Empfehlungen für die Beauftragung von Ertragsgutachten:   

Es sollten standortspezifische Gutachten erstellt werden. Regelmäßig sind die dabei ermittelten Standardabweichungen deutlich geringer als die länderbezogenen Werte. Des Weiteren sollte der Gutachter explizit angeben, mit welcher Unsicherheit er bei seinem Gutachten rechnet, ansonsten erfolgt auch hier eine „Bestrafung“ des Projektes mit verhältnismäßig hohen Werten. Beide Maßnahmen führen dazu, dass die Volatilitäten bezogen auf das Elementarangebot geringer ausfallen, was sich günstig auf das Rating-Ergebnis und damit auf die Fremdkapitalausstattung auswirkt.

Neben den quantitativen Eingaben, die Eingang in das Cashflow-Modell finden, wird das Vorhaben hinsichtlich seiner Struktur und der Einbindung der Projektbeteiligten qualitativ beurteilt.   

Projektstruktur und Beurteilung der Einbindung von Projektparteien, Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit des Projektes und Marktumfeld und Komplexität der Transaktion.

Die vorgenannten Faktoren werden über ein Scorecard-System zu einer Kennzahl verdichtet, die zu dem Rating vor qualitativen Faktoren hinzuaddiert wird. Die maximal mögliche Verbesserung – sofern alle qualitativen Faktoren den bestmöglichen Wert erzielen (was aber unrealistisch ist) – läge bei zwei Notches, das maximale Downgrade bei drei Notches. Eine typische Veränderung liegt regelmäßig bei einem Notch. Im Ergebnis dominiert damit die Höhe und Entwicklung der Schuldendienstdeckungsgrade das Rating-Ergebnis. Dem Länderrisiko kommt für jede Projektfinanzierung eine besondere Bedeutung zu, da im Rahmen der üblichen Rating-Verfahren das Länderrating das Projektrating nach oben begrenzt – oder anders formuliert: ein Projektrating kann im Rahmen der Ratingverfahren nicht besser sein als das Rating des Sitzlandes. Nunmehr haben wir mit der Darstellung des Cashflow-Modells und des ihn bewertenden Rating-Tools die Voraussetzungen geschaffen, um Hinweise für eine Optimierung der für ein Projekt geeigneten Finanzierungsstruktur zu entwickeln.

5.2.5

Entwicklung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

Investoren und Kreditgeber haben das gleichgerichtete Interesse, ein Projekt so wirtschaftlich wie möglich zu gestalten. Ein hoher Cashflow-Überschluss bedeutet einerseits, dass die Fremdkapitalgeber mit größerer Sicherheit ihre festen und erfolgsunabhängigen Rückzahlungsansprüche erfüllt sehen, aber auch, dass die Sponsoren mehr bzw. frühzeitigere Ausschüttungen realisieren können. Während beide Gruppen ein gleichgerichtetes Interesse haben, den Projektwert zu steigern, besteht ein Wettbewerb um die Verwendung der Cashflows. Wie bereits oben angesprochen, haben die Sponsoren tendenziell ein Interesse

270

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

daran, möglichst viel Cashflow frühzeitig auszuschütten, während die Fremdkapitalgeber möglichst schnell getilgt werden wollen. Die Erarbeitung einer Finanzierungsstruktur beinhaltet damit immer auch einen Verhandlungsprozess zwischen den beiden Kapitalgebergruppen. Die folgenden Beispiele sollen verdeutlichen, wie ein Prozess zur Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aussehen kann und welche Möglichkeiten bestehen, ein Projekt aus Sicht beider Kapitalgebergruppen zu verbessern. Zu diesem Zweck werden wir jeweils einzelne Parameter unseres obigen Beispiels verändern (siehe Tabelle 13), uns die hieraus resultierenden Auswirkungen auf die jeweiligen Beurteilungskennziffern der Kapitalgeber ansehen und im Anschluss eine Finanzierungsstruktur entwickeln, die die verschiedenen Gestaltungsparameter in einem unterschiedlichen Maße aufgreift. In einem ersten Schritt sehen wir uns an, welche Auswirkungen sich auf eine Finanzierungsstruktur ergeben, wenn wir die Laufzeit verändern.

5.2.5.1

Laufzeit-Variation

Während bei der ursprünglichen Struktur eine Laufzeit von 17 Jahren vorgeschlagen wurde, ist diese nunmehr um zwei Jahre erhöht worden. Damit ergibt sich folgende Abbildung 63:

2,00 1,80 1,60 1,40 1,20 1,00 0,80

1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. Verlängerung um 2 Jahre: 4. wie 3, Einnahmen bei 85 %:

DSCR-Verlauf

0,60

Abbildung 63:

Variation der Laufzeit

Tabelle 18:

DSCR-Werte bei Laufzeitvariation

1. 2. 3. 4.

Sponsors Case Einnahmen bei 91 %: Verlängerung um zwei Jahre: wie 3, Einnahmen bei 91 %:

Min. DSCR

Ø DSCR

IRR

1,33 1,12 1,41 1,05

1,90 1,67 1,93 1,54

8,44 % 4,40 % 8,82 % 1,22 %

Erkennbar ist, dass der Schuldendienstdeckungsgrad im Sponsors Case durchgängig niedriger ist als bei einer um zwei Jahre längeren Laufzeit. Während die Belastbarkeit im Sponsors Case bei einem Einnahmenniveau von 79,2 % liegt, verbessert sie sich mit Verlängerung der Laufzeit um 2,3 Prozentpunkte auf 76,9 %. Zusätzlich geht die Verbesserung der Belastbar-

5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

271

keit mit einer Erhöhung der internen Rendite einher, und zwar von 8,44 % auf 8,82 %. Bei einer Verkürzung der Laufzeit kehren sich die beschriebenen Effekte spiegelbildlich um. In einem ersten Schritt könnte man damit denken, dass beide Kapitalgebergruppen ein gleichgerichtetes Interesse an einer möglichst langen Laufzeit der Darlehen haben sollten. Doch tatsächlich sind die Darlehenslaufzeiten bei Geothermie-Vorhaben zumeist auf 15 Jahre begrenzt. Der Grund für diesen vermeintlichen Widerspruch liegt darin, dass nur für eine ökonomische Nutzungsdauer auch eine Finanzierung möglich ist. Die ökonomische Nutzungsdauer wird begrenzt durch die technische Nutzungsdauer der Anlagen einerseits und die Laufzeit des Regulierungsumfeldes andererseits. Üblicherweise erwarten die Banken, dass ihre Darlehen früher zugeführt sind als es die maximale Laufzeit der Vergütung nach dem Regulierungssystem vorsieht. Laufzeit – Erkenntnisse:    

Je länger die Laufzeit gewählt wird, umso höher wird die interne Rendite ausfallen und umso besser werden die Deckungsrelationen sein. Eine leichte Kompensation ergibt sich dadurch, dass mit längerer Laufzeit auch mehr Zinsen gezahlt werden müssen. Es gibt regelmäßig Restriktionen der Banken hinsichtlich einer maximalen Laufzeit des Term Loans, die sich wesentlich aus der Laufzeit und Struktur des Regulierungsumfeldes sowie der verwendeten Technik ableiten lassen. Es lässt sich der allgemeine Hinweis ableiten, die Laufzeit des Term Loans so lange zu wählen, wie es die anderen Beteiligten zulassen. Die für eine Bank maximale Laufzeit des Term Loans ist noch aus einem anderen Grunde interessant: Aus ihrer Kenntnis und der Kenntnis des geforderten Belastbarkeitsabschlages lässt sich mit dem restlichen Annahmen-Set ableiten, wie die Eigenkapital-/Fremdkapitalausstattung aussehen sollte.

5.2.5.2

Tilgungsfreie Zeit

Im nächsten Beispiel sei die Veränderung der tilgungsfreien Zeit des Vorhabens dargestellt.

2,40 2,20

DSCR-Verlauf

2,00 1,80 1,60 1,40 1,20 1,00

Abbildung 64:

DSCR bei Veränderung der tilgungsfreien Zeit

1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. Tilgungsfreie Zeit bei 1 Jahr: 4. wie 3, Einnahmen bei 85 %: 5. Tilgungsfreie Zeit bei 2 Jahren:

272

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Tabelle 19:

1. 2. 3. 4. 5.

DSCR-Werte bei Variation der tilgungsfreien Zeit

Sponsors Case Einnahmen bei 91 %: Tilgungsfreie Zeit bei 1 Jahr: Wie 3, Einnahmen bei 85 %: Tilgungsfreie Zeit bei 2 Jahren:

Min. DSCR 1,44 1,30 1,63 1,29 1,42

Ø DSCR 1,93 1,55 1,85 1,50 1,86

IRR 8,44 % 1,48 % 7,96 % 1,78 % 8,19 %

Während bei der ursprünglichen Struktur eine tilgungsfreie Zeit von 36 Monaten vorgeschlagen wurde, ist diese nunmehr um jeweils 12 Monate gekürzt worden, wobei die Gesamtlaufzeit der Darlehen bis zu ihrer vollständigen Rückführung gleich geblieben ist. Erkennbar ist, dass der Schuldendienstdeckungsgrad im Sponsors Case praktisch durchgängig geringer ist als bei einer kürzeren tilgungsfreien Zeit. Dies korrespondiert mit einer verbesserten Belastbarkeit der kürzeren tilgungsfreien Zeit in einem Belastungsfall. Während die Belastbarkeit im Sponsors Case bei einem Einnahmenniveau von 79,2 % liegt, verbessert sie sich bei einer tilgungsfreien Zeit von 1 Jahr um 4,7 Prozentpunkte auf 74,5 %. Allerdings geht die Verbesserung der Belastbarkeit mit einem Rückgang der internen Rendite einher, und zwar von 8,44 % auf 7,96 %. Der Grund für die unterschiedlichen Belastbarkeiten ergibt sich aus folgender Überlegung: Angenommen sei, man verzichte bei gegebener Gesamtlaufzeit des Darlehens auf eine tilgungsfreie Zeit. In diesem Fall ergeben sich einerseits insgesamt mehr Rückzahlungszeitpunkte, in denen das Darlehen zurückgezahlt werden kann, so dass sich die jeweiligen Tilgungsbeträge reduzieren und die ausgewiesenen Schuldendienstdeckungsrelationen erhöhen. Andererseits besteht in einem Belastungs-Szenario praktisch keine Möglichkeit mehr, die Schuldendienstreserve aus dem Cashflow des Projektes aufzubauen, so dass kein Risikopuffer vorhanden ist. Im umgekehrten Fall einer verhältnismäßig langen tilgungsfreien Zeit kann zwar auch in einem Belastungs-Szenario die Schuldendienstreserve aufgebaut werden, aber die Tilgungsbeträge steigen pro Rückzahlungstermin an, da relativ weniger Rückzahlungstermine zur Verfügung stehen. Aus Sicht der Fremdkapitalgeber ergibt sich damit eine Optimierungsaufgabe mit Blick auf die Ausgestaltung der tilgungsfreien Zeit, die jeweils projektspezifisch zu lösen ist. Die Sponsoren haben tendenziell ein Interesse daran, eine möglichst lange tilgungsfreie Zeit durchzusetzen, da sie ihnen ermöglicht, früher Ausschüttungen vorzunehmen, so dass sich ihre interne Rendite verbessert. Tilgungsfreie Zeit – Erkenntnisse:   

Bereits leichte Veränderungen der tilgungsfreien Zeit haben deutliche Änderungen der internen Rendite zur Folge und noch größeren Einfluss auf die Belastbarkeit. Die Auswirkungen auf die Belastbarkeit fallen umso größer aus, je flacher der DSCRVerlauf ist. Für die meisten Projekte ist eine tilgungsfreie Zeit von 18 Monaten eine erste gute Näherung; die allermeisten Vorhaben sollten mit einer tilgungsfreien Zeit zwischen 18 und 24 Monaten realisiert werden.

Die Dimensionierung der tilgungsfreien Zeit muss auch im Zusammenhang mit der Höhe und Dotierung der Schuldendienstreserve gesehen werden, wie wir im Folgenden darstellen werden.

5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

5.2.5.3

273

Die Schuldendienstreserve

Ein Diskussionspunkt zwischen Banken und Projektgesellschaft ist die angemessene Höhe der Schuldendienstreserve. Wiederum seien die beiden Extrempositionen betrachtet: Würde auf die Schuldendienstreserve verzichtet, stünden bei Schwankungen des operativen Cashflows möglicherweise nicht genügend liquide Mittel zur Verfügung, um den Kapitaldienst zu bedienen. Um dies von vornherein zu vermeiden, würden die Banken ihre Belastbarkeitsprüfung rein auf Basis der operativen Cashflows auslegen, so dass sich c.p. eine höhere Eigenmittelausstattung und damit auch eine niedrigere interne Rendite ergäbe. Auf der anderen Seite ist es aber weder durchsetzbar noch notwendig, die Schuldendienstreserve übermäßig zu dimensionieren. Zum einen wirkt der Einbau einer Schuldendienstreserve in eine Finanzierungsstruktur als eine faktische Ausschüttungssperre, da sie aus dem Cashflow zwar nach dem Kapitaldienst dotiert wird, aber vor den Ausschüttungen. Daher wird die interne Rendite umso niedriger ausfallen, je mehr Liquidität in die Dotierung der Schuldendienstreserve umgeleitet wird, anstatt an die Sponsoren ausgeschüttet zu werden. Zum anderen muss der Cashflow des Vorhabens auch so strukturiert sein, dass realistischerweise der Zielwert der Schuldendienstreserve erreicht werden kann. Wenn unter einem Stress-Szenario das Projekt nicht in der Lage ist, einen bestimmten Zielwert der Schuldendienstreserve zu überschreiten, ist es auch aus Kapitalgebersicht nicht zielführend, auf diesem überhöhten Zielwert zu beharren. In unserem Beispiel wird gegenüber dem Sponsors Case der Zielwert der Schuldendienstreserve von 0 % des Kapitaldienstes des Folgejahres auf 50 % angehoben. Damit wird während der tilgungsfreien Zeit Cashflow in die Dotierung der Schuldendienstreserve umgeleitet, so dass sich einerseits die Belastbarkeit des Vorhabens auf einen Wert von 27,2 % verbessert, andererseits aber die interne Rendite des Vorhabens von 8,44 % auf 7,83 % sinkt.

2,60 2,40 2,20

DSCR-Verlauf

1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. wie 1, SDR von 6 Monaten: 4. wie 3, Einnahmen bei 73 %:

2,00 1,80 1,60 1,40 1,20 1,00

Abbildung 65:

DSCR bei Veränderung der Höhe der Schuldendienstreserve

274

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Tabelle 20:

1. 2. 3. 4.

DSCR-Werte bei Veränderung der Höhe der Schuldendienstreserve

Sponsors Case Einnahmen bei 91 %: Wie 1, SDR von 6 Monaten: Wie 3, Einnahmen bei 73 %:

Min. DSCR 1,44 1,12 1,33 1,03

Ø DSCR 1,93 1,67 2,37 1,44

IRR 8,44 % 4,40 % 7,83 % 4,70 %

Schuldendienstreserve – Erkenntnisse: 



Der Einbau einer Schuldendienstreserve führt regelmäßig zu einer erheblichen Verbesserung der Belastbarkeit, was wiederum Raum für Gestaltungen der Finanzierungsstruktur bei anderen Elementen lässt, wie etwa der Eigenkapitalausstattung. Dies setzt voraus, dass die Banken bei ihren Stress-Szenarien die Schuldendienstreserve mit berücksichtigen, was im Regelfall so ist. Eine Obergrenze der Ausstattung der Schuldendienstreserve wird dann erreicht, wenn in einem unterstellten Belastungsszenario die Schuldendienstreserve nicht mehr angespart werden kann. In diesem Fall entfaltet die Schuldendienstreserve keine Sicherungswirkung mehr für die Banken, verschlechtert aber die interne Rendite der Investoren.

Neben der Höhe der Schuldendienstreserve gibt es weitere Gestaltungselemente, die bei der Ausgestaltung der Schuldendienstreserve eine Rolle spielen, die aber nur skizziert werden sollen: 



In unserem Fallbeispiel wird die Schuldendienstreserve aus dem Cashflow des Vorhabens aufgebaut. Alternativ ist denkbar, dass diese von Anfang an als zusätzliche Kreditlinie durch die finanzierenden Banken zur Verfügung gestellt wird. Aus Sicht der Sponsoren ergibt sich der Vorteil, dass für die Verfügbarkeit dieser Kreditlinie lediglich eine Bereitstellungsprovision anfällt und Ausschüttungen früher möglich sind. Da die Kreditgeber das Vorhaben vorrangig unter einem Belastungsszenario bewerten, werden sie nur dann bereit sein, eine derartige Fazilität zur Verfügung zu stellen, wenn das Vorhaben eine Verschuldungskapazität hat, die die Inanspruchnahme und planmäßige Rückführung dieser Linie mit abdeckt. Regelmäßig kommt diese Variante daher dann in Frage, wenn die Überdeckungsrelationen des Vorhabens besonders gut sind. Eine Variante dieser Fazilität besteht darin, dass eine dritte Partei sich verbürgt, etwaige operative Cashflow-Defizite aufzufangen. In jedem Fall ist die Entscheidung, ob eine der vorgenannten Varianten gewählt wird, auch aus Sicht der Sponsoren ein Rechenexempel, bei dem Bereitstellungsprovisionen und etwaige Zinszahlungen mit dem Vorteil früherer Ausschüttungen verglichen werden müssen. Die Höhe der Schuldendienstreserve kann in Abhängigkeit gebracht werden von der Performance des Projektes. In Phasen mit geringeren Überdeckungsrelationen kann etwa der Zielwert der Schuldendienstreserve höher sein als in Phasen mit höheren Überdeckungsrelationen.

5.2.5.4

Performance-abhängige Betriebskosten

Wenn operative Kosten Performance abhängig sind, besteht ein natürlicher Puffer bei einem Einnahmenrückgang. Dieser Puffer ist umso ausgeprägter, je größer der Anteil dieser Performance abhängigen Kosten an den Einnahmen ist. Die Belastbarkeit kann sich bei einigen

5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

275

Projekten um mehrere Prozentpunkte verbessern, was wiederum Spielraum bei anderen Finanzierungsparametern eröffnet. Variable Kosten müssen nicht vollständig variabel sein, um als „variabel“ im Sinne von Rating-Verfahren der Banken angesehen zu werden. Wird etwa ein Floor in der Größenordnung von max. 75 % des Wertes der jeweiligen Kostenposition im Vergleich zum Base Case vereinbart, wird regelmäßig der gesamte Kostenblock als variabel angesehen. In unserem Beispiel wird gegenüber dem Sponsors Case ein Teil der operativen Kosten in Abhängigkeit von der Performance des Vorhabens gezahlt. Im Sponsors’ Case betrugen die gesamten jährlichen operativen Kosten M€ 6,76. Wie ändert sich das Bild, wenn die Wartungskosten – das sind etwa 15,6 % der gesamten operativen Kosten – nunmehr variabel sind? Damit sinken in einem Belastungsfall zunächst die Einnahmen, allerdings reduziert sich auch ein Teil der operativen Kosten, so dass sich die Belastbarkeit des Vorhabens gegenüber dem Basisfall mit fixierten operativen Kosten erhöht. Graphisch stellt sich die Situation wie in Abbildung 66 dar:

2,00 1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. wie 1, Wartungskosten flexibel 4. wie 3, Einnahmen bei 85 %:

1,80 1,60 1,40 1,20 DSCR-Verlauf 1,00

Abbildung 66:

DSCR bei Flexibilisierung der Wartungskosten

Tabelle 21:

DSCR-Werte bei flexiblen Wartungskosten

1. 2. 3. 4.

Sponsors Case Einnahmen bei 91 %: Wie 1, Wartungskosten flexibel: wie 3, Einnahmen bei 85 %:

Min. DSCR

Ø DSCR

IRR

1,33 1,12 1,33 1,06

1,90 1,67 1,90 1,58

8,44 % 4,40 % 8,44 % 2,78 %

Operative Kosten – Erkenntnisse 

Der Vergleich der beiden Basisfälle (1 und 3) zeigt keine Unterschiede. Dies liegt darin begründet, dass die Flexibilisierung der Wartungskosten im Basisfall noch keine Auswirkung hat, sondern nur in den vom Basisfall abweichenden Szenarien.

276   

5 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen Obwohl die vertragliche Veränderung scheinbar gering ist und sich nur auf einen kleinen Teil der gesamten operativen Kosten bezieht, ergibt sich doch eine deutliche Verbesserung bei der Belastbarkeit. Ob sich die interne Rendite verbessert, hängt von der tatsächlichen Performance ab. Ist sie schlechter als im Basisfall, verbessert sie sich relativ zu dem Szenario ohne Flexibilisierung, ist sie besser, verschlechtert sie sich relativ. Insgesamt kann der Rat gegeben werden, möglichst weitgehend Performance-abhängige Verträge (mit einem angemessenen niedrigen Floorpreis) abzuschließen. Dies ist meist für die Vertragspartei nicht mit übermäßigen Einschränkungen verbunden, verbessert aber die Belastbarkeit des Vorhabens erheblich und eröffnet so die Chance auf eine höhere Fremdkapitalausstattung für das Projekt.

Die Beispiele zeigen, dass die angesprochenen Veränderungen einzelner Finanzierungsparameter hinsichtlich der Verwendung der Cashflows in einem Konkurrenzverhältnis stehen. Zwar verbessert sich durch einzelne Maßnahmen die Belastbarkeit aus Sicht der Fremdkapitalgeber, andererseits verschlechtert sich die interne Rendite der Sponsoren. In der Diskussion der beiden Kapitalgebergruppen wird jeweils neu auszutarieren sein, wie sich die endgültige Finanzierungsstruktur darstellt. Eine Ausnahme von diesem Konkurrenzverhältnis stellt die Gestaltung der Verträge in der Betriebsphase dar. Nach einem Verhandlungsprozess zwischen Sponsoren und Banken könnte eine geänderte Finanzierungsstruktur wie folgt aussehen:     

Zielwert der Schuldendienstreserve bei 50 % des Kapitaldienstes des Folgejahres, Tilgungsfreie Zeit läuft aus am 01.07.2012 (eineinhalb Jahre tilgungsfrei), Flexibilisierung der Wartungskosten in Abhängigkeit vom Jahresenergieertrag, Laufzeit der Darlehen bei 14 ½ Jahren und Erhöhung des Term Loans um T€ 5.000 auf insgesamt T€ 57.000.

Unter diesen Rahmendaten verändern sich die Wirtschaftlichkeit und Belastbarkeit gemäß Abbildung 67:

4,00 3,50

DSCR-Verlauf

2. Einnahmen bei 91 %:

3,00

3. Kompromiss-Vorschlag:

2,50

4. wie 3, Einnahmen bei 73,8 %:

2,00 1,50 1,00 0,50 0,00

Abbildung 67:

1. Sponsors Case

DSCR nach Verhandlungsprozess

5.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur Tabelle 22:

1. 2. 3. 4.

277

DSCR-Wert im Kompromiss-Modell

Sponsors Case: Einnahmen bei 91 %: Kompromiss-Vorschlag: wie 3, Einnahmen bei 71,4 %:

Min. DSCR

Ø DSCR

IRR

1,33 1,12 1,54 1,01

1,90 1,67 2,02 1,24

8,44 % 4,40 % 7,52 % - 2,09 %

Die Belastbarkeit des Vorhabens verbessert sich von ursprünglich 20,8 % auf 28,6 %, die interne Rendite verschlechtert sich im Basisfall von 8,44 % auf 7,52 %. Wichtig ist, dass die Änderungen an der Finanzierungsstruktur es der Bank überhaupt ermöglichen, das Vorhaben zu finanzieren. Eine Laufzeit von 17 Jahren, wie sie von den Sponsoren vorgeschlagen worden war, wäre jedenfalls für die Bank außerhalb ihrer akzeptierten internen Risikoanforderungen.

Literatur 2

PROJEKTFINANZIERUNG EINES GEOTHERMIE-VORHABENS DR. JÖRG BÖTTCHER

Böttcher, Jörg: Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Vorhaben, München und Wien 2009 [Oldenbourg Verlag] Böttcher, Jörg: Möglichkeiten einer Projektfinanzierung von CSP-Vorhaben, Frankfurt 2012 [Peter Lang-Verlang] Böttcher, Jörg; Blattner, Peter: Projektfinanzierung, München und Wien 2006 [Oldenbourg Verlag] Böttcher, Jörg (Hrsg.): Handbuch Windenergie, München und Wien 2012 [J. Böttcher 2012a] [Oldenbourg-Verlag] Böttcher, Jörg (Hrsg.): Management von Biogas-Projekten, New York und Heidelberg 2013 [J. Böttcher 2013a] [Springer-Verlag] Böttcher, Jörg (Hrsg.): Offshore-Windenergie, München und Wien 2013 [J. Böttcher 2013b] [Oldenbourg-Verlag] Böttcher, Jörg (Hrsg.): Solarvorhaben, München und Wien 2012 [J. Böttcher 2012d] [Oldenbourg-Verlag] Buljevich, Esteban C.; Park, Yoon S.: Project Financing and the International Financial Markets, Boston, Dordrecht, London 1999 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Erneuerbare Energien – Innovationen für eine nachhaltige Energiezukunft, 2009, http://www. erneuerbare-energien.de/files/pdfs/application/pdf/ee_innovationen_energiezukunft_bf.pdf, Zugriff: 25.05.2010 [BMU 2010] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Tiefe Geothermie 2012- Nutzungsmöglichkeiten in Deutschland, http://www.erneuerbareenergien.de/files/pdfs/application/pdf/broschuere_geothermie_tief_bf.pdf, Zugriff: 07.04.2012 [BMU 2012] Enerchange (Hrsg.): Entwicklung von Geothermieprojekten, Freiburg 2012 Esty, Benjamin C.: Modern Project Finance, Boston 2004 Finnerty, John D.: Project Finance, New Jersey 2007

280

Literatur

GEFGA (Hrsg.): Geothermie – Erdwärme für Nordrhein-Westfalen, http://www.gefga.de/Information/Geothermie-NRW.pdf, abgerufen am 03.04.2012 Haukje, Thomas; Kottke, Thomas: Versicherbarkeit und Versicherungslösungen bei Offshore-Projekten, Düsseldorf 2010 International Energy Agency (IEA): Ensuring Green Growth in a Time of Economic Crisis: The Role of Energy Technology, Paris 2009 [IEA 2009a] International Energy Agency (IEA): World Energy Outlook, Paris 2009 [IEA 2009b] International Geothermal Association (ed.): Installed generating Capacity, http://www.geothermal.energy.org/226,installed_generating_capacity.html, aufgerufen: 15.05.2012 [IGA 2012] Nevitt, Peter K.; Fabozzi, Frank J.: Project Financing, Seventh Edition, London 2000 PK Tiefe Geothermie (Hrsg.): Nutzungen der geothermischen Energie aus dem tiefen Untergrund (Tiefe Geothermie) – Arbeitshilfe für Geologische Dienste, o.O. 2007, www.geotis.de/homepage/Ergebnisse/Arbeitshilfe_08022007.pdf, Aufruf am 21.03.2012 Schierenbeck, S.; Trillig, J. [Projektfinanzierung bei Tiefer Geothermie (2011)]: Risiken der Projektfinanzierung bei der Energieerzeugung durch Tiefe Geothermie-Projekte, in: Bable, C./v. Flotow, P./Schiereck, D. (Hrsg.): Projektrisiken und Finanzierungsstrukturen bei Investitionen in erneuerbare Energien, Frankfurt am Main: Peter Lang Internationaler Verlang der Wissenschaften, S. 86–117 Stern, Nicholas: The Economics of Climate Change: The Stern Review, Cambridge 2007 Tinsley, Richard: Advanced Project Financing – Structuring Risk, London 2000 Vinter, Graham D.: Project Finance, 3rd edition, London 2006 von Dobschütz, Alexander: Finanzierung von Geothermieprojekten: Risikomanagement und Finanzierungsstrukturierung, in: Markus Gerhard, Thomas Rüschen und Armin Sandhövel (Hrsg.): Finanzierung Erneuerbarer Energien, S. 785–804

3

RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN

3.1 DAS DEUTSCHE REGULIERUNGSSYSTEM FÜR TIEFE GEOTHERMIE DANIEL MARHEWKA Altrock, Martin; Große, Andreas; Lehnert, Wieland: Gutachterliche Äußerung „Rechtshemmnisse für die Genehmigung tiefengeothermischer Anlagen“, abrufbar unter http://www.bmu.de/fileadmin/bmu-import/files/pdfs/allgemein/application/pdf/gutachten_bericht_geothermie.pdf (zitiert als Altrock/Große/Lehnert, Hemmnisstudie) Altrock, Martin; Oschmann, Volker: Theobald, Christian: Erneuerbare-Energien-Gesetz, 3. Aufl., München 2011, (zitiert als Altrock/Oschmann/Theobald- Bearbeiter, EEG)

Literatur

281

Battis, Ulrich; Krautzenberger, Michael/Löhr, Rolf-Peter: Baugesetzbuch, 11. Auflage, München 2009 (zitiert als Battis/Krautzenberger/Löhr, BauGB) Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie (StMWIVT): Merkblatt: Hinweise zur Antragstellung bei Erlaubnissen zur Aufsuchung von Erdwärme zu gewerblichen Zwecken, München, 1. Dezember 2008, abrufbar unter http://www.energieatlas.bayern.de/file/pdf/81/Merkblatt%20Erlaubnisse%20Geothermie.pdf (zitiert als StMWIVT, Merkblatt) Boldt, Gerhard; Weller, Herbert: Bundesberggesetz, Berlin, New York, 1984 (zitiert als Boldt/Weller) Boldt, Gerhard; Weller, Herbert: Bundesberggesetz, Ergänzungsband zum Kommentar, Berlin, New York, 1992 (zitiert als Boldt/Weller, Ergz.Bd.) Czychowski, Manfred; Reinhardt, Michael: Wasserhaushaltsgesetz, 10. Aufl., München 2010 (zitiert als Czychowski/Reinhardt, WHG) Dapprich, Gerhard; Römermann, Klaus: Bundesberggesetz, Köln, Berlin, Bonn, München, 1983 (zitiert als Dapprich/Römermann, BBergG) Dolde, Klaus-Peter: Zulässigkeit von Kraftwerken im Außenbereich, NJW 1983, 792–798 (zitiert als Dolde, NJW 1983) Frenz, Walter; Müggenborg, Hans-Jürgen (Hrsg.): Erneuerbare-Energien-Gesetz Kommentar, 2. Auflage, Berlin 2011 (zitiert als Frenz/Müggenborg – Bearbeiter) Giesberts, Ludger; Reinhardt, Michael (Hrsg.): Beck’scher Online-Kommentar Umweltrecht, Edition 25, Stand 1.10.2012 (zitiert als Giesberts/Reinhardt – Bearbeiter, Umweltrecht) Große, Andreas: Strom und Wärme aus der Tiefe, ZUR 2009, 539 ff. (zitiert als Große, ZUR 2009) Große, Andreas: Zu den Genehmigungsvoraussetzungen für geothermische Anlagen, NVwZ 2004, 809 ff. (zitiert als Große, NVwZ) Jarass, Hans D.: Bundesimmissionsschutzgesetz, 9. Auflage, München 2012 (zitiert als Jarass, BImSchG) Kiermasch, Cornelius M.P.: Geothermie in Deutschland – Analyse der gesetzlichen Förderinstrumente und rechtlichen Hemmnisse, 2010 (zitiert als Kiermasch) Kumpf, Tobias: Genehmigungserfordernisse bei Geothermieprojekten, REE 2011, 135–138 (zitiert als Kumpf, REE) Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Inneren: Schreiben vom 2. Dezember 2011 zur Bauplanungsrechtlichen Beurteilung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien, abrufbar unter http://www.stmi.bayern.de/imperia/md/content/stmi/bauen/rechtundtechnikundbauplanung/_baurecht/rundschreiben/rs_erneuerbare_energien_2011_12_02.pdf (zitiert als StMI, Schreiben 2. Dezember 2012)

282

Literatur

Piens, Reinhart; Schulte, Hans-Wolfgang; Vitzthum, Stephan Graf: Bundesberggesetz, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz, 1983 (zitiert als Piens/Schulte/Vitzthum, BBergG) Rausch, Jan-Dirk: Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, 1990 (zitiert als Rausch) Reinhardt, Michael: Geothermiebohrungen und Wasserrecht, UPR 2009, 289 ff. (zitiert als Reinhardt, UPR 2009) Reshöft, Jan, (Hrsg.): Erneuerbare-Energien-Gesetz, 3. Auflage, Baden-Baden 2009 (zitiert als Reshöft - Bearbeiter) Salje, Peter: EEG 2012, 6. Auflage, Köln/Berlin/Bonn/München 2012 (zitiert als Salje, EEG)

3.4 RECHTLICHE ANFORDERUNGEN AN EIN SICHERHEITENKONZEPT AUS BANKENSICHT DR. WOLFRAM DISTLER Bamberger, Heinz Georg; Roth, Herbert (Hrsg.): Beck‘scher Online-Kommentar, BGB, Stand 01.08.2012 (zitiert: Bearbeiter in, Beck-OK BGB, Stand) Baur, Jürgen F.; Stürner, Rolf (Hrsg): Sachenrecht, 18. Auflage, München 2009 (zitiert: Baur/Stürner, Sachenrecht, §, Rn.) Danielewsky, Mike; Dettmar, Jasmin Isabel: Instrumente der Vertragsgestaltung zur Übertragung akzessorischer Sicherheiten im Rahmen von Konsortialkreditverträgen, WM 2008, 713–718 Danner, Wolfgang; Theobald, Christian (Hrsg.): Energierecht, Kommentar, 75. Auflage, München 2012 (zitiert: Danner/Theobald, Energierecht §, Rn.) Fedke, Tibor: Neue Wege zur rechtlichen Absicherung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien?, WM 2011, 1932–1938 Ganter, Hans Gerhard: Die Sicherungsübereignung von Windkraftanlagen als Scheinbestandteil eines fremden Grundstücks, WM 2002, 105–110 Gerhard, Markus; Rüschen, Thomas; Sandhövel, Armin (Hrsg.): Finanzierung Erneuerbarer Energien, Frankfurt 2011, (zitiert: Bearbeiter, in: Gerhard/Rüschen/Sandhövel, Finanzierung Erneuerbarer Energien, Seite) Goecke, Klaus; Gamon, Peter: Windkraftanlagen auf fremden Grund und Boden, WM 2000, 1309–1316 Große, Andreas: Strom und Wärme aus der Tiefe, ZUR 2009, 535–543 Hoenike, Marc; Giebel, Christoph: Die Besicherung von Telekommunikationsunternehmen, MMR 2005, 217–222

Literatur

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Hoffmann, Jutta: Der Einigungsvertrag – rechtliche Grundlage für die Umwandlung ehemals volkseigener hochwertiger Steine-Erden-Rohstoffe in bergfreie Bodenschätze, BB 1994, 1584–1589 Hügel, Stefan (Hrsg.): Beck‘scher Online Kommentar, GBO, Stand 01.09.2012, (zitiert: Bearbeiter, in Beck-OK, GBO Stand) Jauernig, Othmar: Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, BGB, 14. Auflage, München 2011 (zitiert: Bearbeiter, in: Jauernig, BGB, §, Rn.) Kirchhof, Hans-Peter; Lwowski, Hans Jürgen; Stürner, Stürner (Hrsg.): Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Band 1, 2. Auflage, München 2007 (zitiert: Bearbeiter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Bd., §, Rn.) Klein, Martin: Projektfinanzierung, 1. Auflage, Baden-Baden 2004 (zitiert: Klein, Projektfinanzierung, S.) Kremer, Eduard; Neuhaus, Peter: Bergrecht, Stuttgart 2001 (zitiert: Kremer/Neuhaus, Bergrecht, Rn.) Langheid, Theo; Wandt, Manfred (Hrsg.): Münchener Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz , Band 1, 1. Auflage, München 2010, (zitiert: Bearbeiter, in: Münchener Kommentar zum VVG §, Rn) Lwowski, Hans Jürgen; Fischer, Gero; Langenbucher, Katja (Hrsg.): Das Recht der Kreditsicherung, 9. Auflage, Berlin 2011 (zitiert: Bearbeiter, in: Lwowski/Fischer/Langenbucher, Das Recht der Kreditsicherung, §, Rn.) Nobbe, Gerd (Hrsg.): Kommentar zum Kreditrecht, Praxiskommentar zum Darlehens- und Kreditsicherungsrecht des BGB, 2. Auflage, Heidelberg 2012 (zitiert: Bearbeiter, in: Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, §, Rn.) Oefele, Helmut Freiherr von; Winkler, Karl (Hrsg.): Handbuch des Erbbaurechts, 4. Auflage, München 2008 (zitiert: von Oefele/Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, Rn.) Palandt, Otto (Begr.): Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 71. Auflage, München 2012, (zitiert: Bearbeiter, in: Palandt, BGB, §, Rn.) Peters, Bernd: Windkraftanlagen und §§ 93 ff. BGB, WM 2007, 2003–2008 Peters, Bernd: Wem gehören die Windkraftanlagen auf fremden Grund und Boden, WM 2002, 110–118 Piens, Reinhard; Schulte, Hans-Wolfgang; Vitzthum, Stephan Graf (Hrsg.): Bundesberggesetz (BbergG), Stuttgart 1983 (zitiert: Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BbergG, §, Rn.) Prölss, Erich R.; Martin, Anton (Begr./Hrsg.): Versicherungsvertragsgesetz: VVG, 28. Auflage, München 2010 (zitiert: Bearbeiter, in: Prölss/Martin, VVG, §, Rn.) Reuter, Alexander: Wie insolvenzfest sind Sicherheiten bei konsortialen (Projekt-)Finanzierungen und deren Refinanzierung?, NZI 2010, 167–173

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Literatur

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4

TECHNISCHE RAHMENBEDINGUNGEN

4.1 RESERVOIREIGENSCHAFTEN UND RESERVOIRMANAGEMENT PROF. DR. ERNST HUENGES Baumgärtner, J.; Teza, D.; Hettkamp, T.; P. Hauffe (2010): Stimulierung tiefer geothermischer Systeme, bbr Sonderheft, p14–23. Bommer, J.J.; Georgallides, G.; Tromans, I.J. (2001): Is there a near-field for small to moderate magnitude earthquakes? Journal of Earthquake Engineering, 5 (3), 395–423 Bruhn D.; Manzella, A.; Vuataz, F.; Faulds, J.; Moeck, I.; Erbas, K. (2010): Exploration Methods; Huenges, E. (Ed.) (2010): Geothermal Energy Systems: Exploration, Development and Utilization, Wiley-VCH, 37–111 Bruhn D.; Huenges, E.; Ágústsson, K.,; Zang, A.; Rachez, X.; Wiemer, S.; Van Wees, J. D.; Calcagno, P. (2011): Geothermal Engineering Integrating Mitigation of Induced Seismicity in Reservoirs – Transactions of the Geothermal Resources Council Häring, M. O.; Schanz, U.; Ladner, F.: B. C. Dyer (2008): Characterisation of the Basel 1 enhanced geothermal system. Geothermics, 37, 5, 469–495 Huenges, E.; Moeck, I. (2007): Directional drilling and stimulation of a deep sedimentary geothermal reservoir. Scientific Drilling, 5, 47–49 Huenges, E.; Erbas, K.; Moeck, I.; Blöcher, G.; Brandt, W.; Schulte, T.; Saadat, A.; Kwiatek, G; Zimmermann, G. (2009): The EGS project Groß Schönebeck – Current status of the large scale research project in Germany. Transactions of the Geothermal Resources Council, 39, pp. 403–408 Huenges, E. (Ed.) (2010): Geothermal Energy Systems: Exploration, Development and Utilization, Wiley-VCH, 1–463 Kwiatek, G.; Bohnhoff, M.; Dresen, G.; Schulze, A.; Schulte, T.; Zimmermann, G.; Huenges, E. (2010): Microseismicity induced during fluid-injection: A case study from the geothermal site at Groß Schönebeck, North German Basin. Acta Geophysica, 58, 6, 995–1020

286

Literatur

Majer, E.L.; Baria, R.; Stark, M.; Oates, S.; Bommer, J.; Smith, B.; Asanuama, H. (2007): Induced seismicity associated with enhanced geothermal systems. Geothermics, 36, 185–222 Moeck, I.; Kwiatek, G.; Zimmermann, G. (2009): Slip tendency analysis, fault reactivation potential and induced seismicity in a deep geothermal reservoir. Journal of Structural Geology, 31, 10, 1174–1182 Saadat, A.; Frick, S.; Kranz, S.; Regenspurg, S. (2010): Energy use of EGS reservoirs. In: Geothermal Energy Systems: Exploration, Development and Utilization. E. Huenges (ed.), Wiley-VCH, Berlin, Germany, pp. 303–372 (ISBN: 978-3527408313) Schulte T.; Zimmermann, G.; Vuataz, F.; Portier, F.; Tischner, T.; Junker, R.; Jatho, R.; Huenges, E. (2010): Enhancing Geothermal Reservoirs; Huenges, E. (Ed.) (2010): Geothermal Energy Systems: Exploration, Development and Utilization, Wiley-VCH, 173–241 Zimmermann, G.; Moeck, I.; Blöcher, G. (2010): Cyclic waterfrac stimulation to develop an enhanced geothermal system (EGS): Conceptual design and experimental results. Geothermics, 39, 1, 59–69 Zimmermann, G.; Blöcher, G.; Reinicke, A.; Brandt, W. (2011): Rock specific hydraulic fracturing and matrix acidizing to enhance a geothermal system – Concepts and field results. Tectonophysics, 503, 1–2, 146–154

4.2 TECHNIKSYSTEME UND ENTWICKLUNGSTENDENZEN SEBASTIAN JANCZIK, NILS KOCK, PROF. DR. MARTIN KALTSCHMITT Aspen Plus, www.aspen.com Baumgärtner, J.; Teza, D.; Hettkamp, T.: Stimulierung tiefer geothermischer Systeme; Fachmagazin für Brunnen- und Leitungsbau – Tiefe Geothermie Sonderheft 2010, S. 14–23 Drescher,U.: Optimierungspotenzial des Organic Rankine Cycle für biomassebefeuerte und geothermische Wärmequellen; Lehrstuhl für Technische Thermodynamik und Transportprozesse, Universität Bayreuth 2008 Huenges, E.: Persönliche Mitteilung; GeoForschungsZentrum (GFZ), Potsdam, 2002 Janczik, S.; Kock, N.; Kaltschmitt, M.: Geothermische Stromerzeugung, in: Finanzierung Erneuerbarer Energien, 1. Auflage 2011, Gerhard M., Rüschen Th., Sandhövel A. (Hrsg.), Frankfurt School Verlag GmbH, ISBN 978-3-940913-24-1, S. 325–348 Janczik, S.; Kaltschmitt, M.: Kombinierte Nutzung von Geothermie und Klärschlamm – Möglichkeiten und Grenzen, VGB Powertech 90 (2010), 7, S. 84–91 Janczik, S.; Kaltschmitt, M.: Statusreport 2010: Nutzung der Tiefen Geothermie, Erdöl, Erdgas, Kohle 126 (2010), 7/8, S. 285–290

Literatur

287

Janczik, S.; Kaltschmitt, M.: Statusreport 2012: Nutzung der Tiefen Geothermie; Erdöl – Erdgas – Kohle 128(2012), 7/8, S. 296–300 Janczik, S.; Kaltschmitt, M.; Rüter, H.: Anthropogen induzierte seismische Aktivitäten bei Nutzung des tiefen Untergrunds; Energiewirtschaftliche Tagesfragen 60(2010), 8, S. 34–39 Kabus, F.; Möllmann, G.: Gestaltung übertägiger Thermalwasserkreisläufe – Lösung für verschiedene geologische Bedingungen; 3. Fachtagung Geothermische Technologien 2010; VDI-Berichte Nr. 2082, S. 121–139 Kaltschmitt, M.; Huenges, E.; Wolff, H. (Hrsg.): Energie aus Erdwärme; Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Stuttgart, 1999 Kaltschmitt, M.; Streicher, W.; Wiese, A. (Hrsg.): Erneuerbare Energien, Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte. 5. Auflage. Springer Berlin 2013 Kock, N.; Kaltschmitt, M.: Effizientere Ressourcenausnutzung geothermischer Anlagen – Technische Möglichkeiten und deren Bewertung; Zeitschrift für Energiewirtschaft (August 2011), DOI 10.1007/s12398-011-0060-2 Lenz, V.; Kaltschmitt, M.: Erneuerbare Energien; BWK 64(2012), 4, S. 61–75 Peschel, J.: Plattenwärmetauscher für Tiefengeothermische Anwendungen; 3. Fachtagung Geothermische Technologien 2010; VDI-Berichte Nr. 2082, S. 141–151 Seiberth, W.: Förderpumpen in der Geothermie; 4. Fachtagung Geothermische Technologien 2012; VDI-Berichte Nr. 2167, S. 45–54

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WIRTSCHAFTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN

5.1 SOZIO-TECHNISCHE PARAMETER DER PROJEKTENTWICKLUNG: SOZIALE AKZEPTANZ VON VORHABEN DER TIEFEN GEOTHERMIE MARTINA LEUCHT BMU-Broschüre: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Tiefe Geothermie. Nutzungsmöglichkeiten in Deutschland, 3. Aufl., Berlin 2011 BMU-Leitstudie 2008: Weiterentwicklung der „Ausbaustrategie Erneuerbare Energien“ vor dem Hintergrund der aktuellen Klimaschutzziele Deutschlands und Europas, Berlin Oktober 2008 BMU-Leitszenario 2009: Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland unter Berücksichtigung der europäischen und globalen Entwicklung, Berlin August 2009

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Literatur

BMU-Leitstudie 2010: Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bei Berücksichtigung der Entwicklung in Europa und global. „Leitstudie 2010“, Berlin Dezember 2010 BMU-Leitstudie 2011: Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bei Berücksichtigung der Entwicklung in Europa und global, Berlin März 2012 Brian, Marcus: Vertrauensbildung durch zielgerichtete Kommunikation, in: bbr Sonderheft Geothermie 2013, S. 72–74 Bussemer, T.: Die erregte Republik: Wutbürger und die Macht der Medien, Stuttgart 2011 Devine-Wright, P.: Renewable Energy and the Public. From NIMBY to participation, 1. Aufl. London 2011 Enerchange Agentur für erneuerbare Energien: Leitfaden Entwicklung von Geothermieprojekten. Die Drei Phasen bis zur Realisierung eines Geothermiekraftwerks, 6. Auflage, Freiburg Mai 2011 BEE Prognose: Hinrichs-Rahlwes und Pieprzyk, B., Ausbauprognose der ErneuerbareEnergien-Branche für Deutschland. REPAP 2020, Prognose 2009 des Bundesverband Erneuerbare Energie e. V. (BEE) unter: http://www.bee-ev.de/_downloads/publikationen/studien/2010/100125_BEE-Roadmap_AusbauEE_2020.pdf Forschungsgruppe Umweltpsychologie Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg: Projektabschlussbericht zur Akzeptanz Erneuerbarer Energien und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen, Magdeburg 2008 Knauber, R.: Neinsagerland. Wege zu einem Konsens für Fortschritt, Berlin 2011 Kurbjuweit, D.: Der Wutbürger, Essay vom 11.10.2010 in: DER SPIEGEL, Ausg. 41/2010 Leucht, M.: Soziale Akzeptanz von Tiefer Geothermie. Das Meinungsbild in den Printmedien, in: bbr Sonderheft Tiefe Geothermie, Juni 2010a, S. 42–49 Leucht, M.; Sipowicz, M.; Lambo, C.; Sevenet, M.: 3. Zwischenbericht zum Projekt „Social Acceptance of Deep Geothermal Technology in Germany” im Auftrag der EnBW AG, unveröffentlichtes Dokument, Karlsruhe 2010b Leucht, M.; Eggert, M.; Serwatka, K.: 5. Zwischenbericht zum Projekt “Social Acceptance of Deep Geothermal Technology in Germany” im Auftrag der EnBW AG, unveröffentlichtes Dokument, Karlsruhe 2011 Leucht, M.: Abschlussbericht 2011 zum Projekt “Social Acceptance of Deep Geothermal Technology in Germany” im Auftrag der EnBW AG, unveröffentlichtes Dokument, Karlsruhe 2012a Leucht, M.: Medienresonanzanalyse von Projekten der Tiefen Geothermie in Landau, Bruchsal, Brühl und Unterhaching. Veröffentlichung im Rahmen des BMU geförderten und von der Agentur Enerchange durchgeführten Projekts „Evaluation der Öffentlichkeitsarbeit für Geothermieprojekte in Deutschland und Erarbeitung von praxisbezoge-

Literatur

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nen Hilfestellungen für Entwickler und Betreiber von geothermischen Anlagen“, Karlsruhe 2012b, Download unter: http://www.pr-geothermie.de/sites/default/files/ dokumente/eifer_mra_schlussbericht_enerchange.pdf Lucke D.; Hasse, M. (Hrsg.): Annahme verweigert. Beiträge zur soziologischen Akzeptanzforschung, 1. Aufl., Opladen 1998 Marg, S.: Himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt, publiziert am 16.05.2012 als Kommentar „Stine Marg über einige Bücher zum Thema Bürgerprotest in der Bundesrepublik“ unter: http://www.demokratie-goettingen.de/blog/himmelhoch-jauchzend-oderzu-tode-betrubt Matzig, G.: Einfach nur dagegen. Wie wir unseren Kindern die Zukunft verbauen, München 2011 Ohme-Reinicke, A.: Das große Unbehagen. Die Protestbewegung gegen „Stuttgart 21“: Aufbruch zu einem neuen bürgerlichen Selbstbewusstsein, 1. Aufl., Stuttgart 2012 Renn, O.: Technikakzeptanz: Lehren und Rückschlüsse der Akzeptanzforschung für die Bewältigung des technischen Wandels. In: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis 2005 (Jg. 14), Vol. 3, S. 29–38 Supp, B.: Die Mutbürger, Essay vom 18.10.2010 in: DER SPIEGEL 42/2010 VBI: Tiefe Geothermie. VBI-Leitfaden, Berlin 2013 Wallquist L.; Holenstein, M.: Stakeholderanalyse Geothermie. Analyse von Einstellungen und Wahrnehmungsprozessen. Veröffentlichung im Rahmen des BMU geförderten Projekts „Evaluation der Öffentlichkeitsarbeit für Geothermieprojekte in Deutschland und Erarbeitung von praxisbezogenen Hilfestellungen für Entwickler und Betreiber von geothermischen Anlagen“, Karlsruhe 2012b, downloadbar unter: http://www.prgeothermie.de/sites/default/files/dokumente/stiftungrisikodialog_stakeholderanalyse_enerchange.pdf Walter, G. et al.: Erfolgsfaktoren für die Akzeptanz von Erneuerbare-Energie-Anlagen, in: Energiewirtschaftliche Tagesfragen 61. Jg. 2011, Heft 3, S. 2–4 Walter, F.: Das Ende der Wutbürgerei? publiziert am 2.1.2013 als Kommentar „Franz Walter über Ambivalenzen der Partizipationsdemokratie“ unter: http://www.demokratiegoettingen.de/blog/ende-oder-fortgang-der-wutburgerei Wunderlich, C.: Akzeptanz und Bürgerbeteiligung für Erneuerbare Energien. Erkenntnisse aus Akzeptanz- und Partizipationsforschung in: Renews Spezial, Ausg. 60, Berlin 2012 Wüstenhagen, R.; Wolsink, M.; Bürer, M.-J.: Social acceptance of renewable energy innovation. An introduction to the concept, in: Energy Policy 2007, Vol. 35, S. 2683– 2691 Zoellner, J.; Rau, I.; Schweizer-Ries, P.: Akzeptanz Erneuerbarer Energien und sozialwissenschaftliche Fragen, Projektendbericht Universität Magdeburg 2009, zitiert in: Rau, I., Zoellner, J. Nolting, K., Rupp, J. und Keppler, D., Aktivität und Teilhabe – Akzep-

290

Literatur tanz Erneuerbarer Energien durch Beteiligung steigern, Projektabschlussbericht Magdeburg, Berlin 2010, S. 11

5.2 WIRTSCHAFTLICHKEIT UND AUSGESTALTUNG EINER GEEIGNETEN FINANZIERUNGSSTRUKTUR DR. JÖRG BÖTTCHER Böttcher, Jörg: Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Vorhaben, München und Wien 2009 Böttcher, Jörg; Blattner, Peter: Projektfinanzierung, München und Wien 2006 Nevitt, Peter K.; Fabozzi, Frank J.: Project Financing, Seventh Edition, London 2000

Autorenverzeichnis Dr. JÖRG BÖTTCHER studierte Wirtschaftswissenschaften an der RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM und promovierte 2011 an der JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITÄT GIEßEN. Seit 1995 ist er bei der HSH NORDBANK AG tätig. Als Senior Credit Adviser ist er dort mit der Strukturierung und dem Risikomanagement von Projekten im Bereich Erneuerbare Energien befasst. Er hat in den letzten Jahren eine Reihe von Publikationen zu den Themen Erneuerbare Energien und Projektfinanzierung veröffentlicht. REINER BRUMME ist seit 1990 in eigener Kanzlei tätiger Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Schlichter + Schiedsrichter SOBau in Chemnitz. Er war und ist bereits seit 1970 in verschiedenen Tätigkeiten als Anlagenfahrer in der SDAG Wismut, Einsatzleiter im Braunkohlekombinat Borna sowie an der Erdgastrasse in der Sowjetunion sowie seit 1978 als Oberjustitiar in der SDAG Wismut für verschiedenste Leistungen der Forschung und Entwicklung, der Suche und Erkundung, dem Aufschluss und der Gewinnung sowie der Sanierung und Rekultivierung im untertägigen und übertägigen Bergbau und der Geologie tätig. Dr. WOLFRAM DISTLER ist Rechtsanwalt und Partner im Frankfurter Büro der internationalen Anwaltskanzlei DLA Piper LLP. Er beschäftigt sich seit 2003 schwerpunktmäßig mit Finanzierungen im Energie- und Infrastruktursektor, und hier insbesondere mit der Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Projekten. Zu seinen Mandanten zählen deutsche und internationale Projektentwickler, Energieversorger, Netzbetreiber, Finanzinvestoren, Infrastrukturfonds, kommerzielle Banken und öffentliche Förderbanken. Er hat Finanzierungen von Energieprojekten in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Kroatien, Polen, Bulgarien, Ungarn, im Vereinigten Königreich und Indien beraten. Dipl.-Ing. SEBASTIAN JANCZIK hat an der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) Energie- und Umwelttechnik studiert und ist heute wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft der TUHH. Hier ist er spezialisiert auf eine Energieerzeugung aus Tiefer Geothermie. Seine Tätigkeitsschwerpunkte umfassen technische, ökonomische und ökologische Analysen sowie Bewertungen von geothermischen Systemen zur Strom- bzw. kombinierten Strom- und Wärmeerzeugung. Weiterhin befasst er sich mit der Erhebung des Standes der Technik und der Nutzung Tiefer Geothermie in Deutschland sowie weltweit, der Identifizierung der F&E-Defizite und einer Ableitung entsprechenden F&E-Strategien. Prof. Dr.-Ing. MARTIN KALTSCHMITT leitet seit 2006 das Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft (IUE) der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH). Von 2008 bis 2010 war er zusätzlich wissenschaftlicher Geschäftsführer des Deutschen BiomasseForschungsZentrums (DBFZ) in Leipzig und zuvor Geschäftsführer des Instituts für Energetik und Umwelt (IE) gemeinnützige GmbH. Davor leitete er von 1993 bis 2000 die Abteilung

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Autorenverzeichnis

„Neue Energietechnologien und Technikanalyse“ (NET) am Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart, wo er sich auch auf dem Gebiet der regenerativen Energien habilitierte. 1992 bis 1993 leitete er die Abteilung „Umwelt und Energie“ beim KTBL in Darmstadt. Davor absolvierte er an der Technischen Universität Clausthal ein ingenieurwissenschaftliches Studium und promovierte an der Universität Stuttgart auf dem Gebiet der regenerativen Energien. Dr.-Ing. NILS KOCK hat an der Technischen Universität München (TUM) und an der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) Maschinenbau studiert und ist derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft der TUHH. Die Schwerpunkte seiner Arbeit liegen im Bereich der Strom- uns Wärmeerzeugung aus regenerativen Energien mit dem Fokus auf Nutzungskonzepte geothermisch bereitgestellter Wärme. Schwerpunktmäßig untersucht und bewertet er Möglichkeiten, die nach der Strombereitstellung im Thermalwasser enthaltene Restwärme technisch effizient und ökonomisch darstellbar nutzbar zu machen. Dafür werden Niedertemperaturwärmenachfragepotenziale identifiziert und unter technischen, ökonomischen und ökologischen Kriterien analysiert. MARTINA LEUCHT absolvierte ihr Diplom der Soziologie an der Freien Universität zu Berlin. Nach ihrer Tätigkeit am INSTITUT FÜR SOZIALFORSCHUNG UND GESELLSCHAFTSPOLITIK (ISG) ist sie seit 2007 am EUROPÄISCHEN INSTITUT FÜR ENERGIEFORSCHUNG (EIFER) als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin beschäftigt. Dort arbeitet sie an der interdisziplinären und interkulturellen Schnittstelle „Technik und Gesellschaft“ im Rahmen der Auftragsforschung energiewirtschaftlicher Kunden und öffentlichen Projekten zu den Themen soziale Akzeptanz von erneuerbaren Energietechnologien, Stakeholder und soziale Parameter der Energiewende und soziale Aspekte von Energieeffizienzmaßnahmen. DANIEL MARHEWKA ist Rechtsanwalt und Partner im Münchener Büro der internationalen Kanzlei WATSON, FARLEY & WILLIAMS LLP. Er befasst sich vorwiegend mit Energie- und Gesellschaftsrecht und betreut insbesondere in diesen Bereichen Transaktionen. Sein Schwerpunkt im Energierecht liegt auf Erneuerbaren Energien (Onshore-und Offshore-Wind, Photovoltaik und Geothermie). Er berät Banken, Investoren, Projektentwickler, sowie Energieversorger und Stadtwerke bei der Realisierung, Finanzierung von und Investitionen in Erneuerbare-Energien-Projekte weltweit. Dr.-Ing. HEINER MENZEL war zuletzt als Senior Consultant und Abteilungsleiter bei CDM SMITH in Alsbach im Bereich Geschäftsentwicklung Geothermie/Energie tätig. Zuvor war er von 2002 bis 2009 Geschäftsführer der geox GmbH in Landau in der Pfalz. Davor war er von 1986 bis 2002 in verschiedenen leitenden Funktionen bei der WEMAG AG zuletzt als Leiter Energiebeschaffung und Energiedatenmanagement in Schwerin tätig. Zusätzlich war er Projektleiter mit Prokura bzw. Handlungsvollmacht für: mea-Energieagentur MVP GmbH, Schwerin; Vietlübbe Biogas GmbH, Vietlübbe; PEG-HGW/WEMAG Polska Energie GmbH, Hamburg. Von 1993 bis 2002 war er zusätzlich Projektleiter und Prokurist der Erdwärme Neustadt-Glewe GmbH und von 2002 bis 2005 technischer Geschäftsführer der Erdwärme-Kraft GbR, Berlin. TILO WACHTER ist Geschäftsführer der RENERCO PLAN CONSULT GMBH, München. Er ist darüber hinaus Mitglied der Geschäftsführung der SÜDDEUTSCHE GEOTHERMIE PROJEKTE GMBH.