Handbuch Windenergie: Onshore-Projekte: Realisierung, Finanzierung, Recht und Technik 9783486714746

Weltweit sind Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mit mehreren krisenhaften Entwicklungen konfrontiert – der langsam ab

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German Pages [352] Year 2012

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Handbuch Windenergie: Onshore-Projekte: Realisierung, Finanzierung, Recht und Technik
 9783486714746

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Handbuch Windenergie Onshore-Projekte: Realisierung, Finanzierung, Recht und Technik von

Jörg Böttcher (Hrsg.)

Oldenbourg Verlag München

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2012 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Thomas Ammon Herstellung: Constanze Müller Titelbild: thinkstockphotos.de Einbandgestaltung: hauser lacour Gesamtherstellung: Grafik & Druck GmbH, München Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-486-70701-4 eISBN 978-3-486-71474-6

Vorwort Weltweit sind Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mit mehreren krisenhaften Entwicklungen konfrontiert – der abklingenden Finanz- und Wirtschaftskrise, die in eine Schuldenkrise mindestens der EU und der USA mündet, der seit den Unglücksfällen von Fukushima erneut befeuerten Energiediskussion sowie dem globalen Klimawandel. Alle Krisen gehen an die Wurzeln der gegenwärtigen Gesellschafts- und Wirtschaftsstrukturen westlicher Prägung, haben erhebliche volkswirtschaftliche Auswirkungen und stellen die Frage nach einer Überwindung tradierter Strukturen. Innerhalb weniger Wochen haben die Erneuerbaren Energien in der politischen und öffentlichen Wahrnehmung nochmals an Wertigkeit gewonnen und insbesondere die in Deutschland beschlossene „Energiewende“ markiert neben dem Abschied von der Atomenergie auch die stärkere Hinwendung zu erneuerbaren Energien, die insbesondere die Nutzung der Onshore-Windenergie in das Zentrum der Überlegung rückt. Löst man sich von der übergeordneten politischen Dimension der Erneuerbaren Energien und betrachtet ihre Teilsegmente, so stellt man fest, dass sie sich in unterschiedlichen Entwicklungsphasen befinden, was wiederum mit ihrer Marktintegration und politischen Förderung korrespondiert. Wasserkraft, Onshore-Windenergie und Photovoltaik-Kraftwerke sind mittlerweile etablierte Formen, während sich Offshore-Windenergie und solarthermische Kraftwerke in einer frühen Marktphase befinden. Angesichts der umfangreichen bereits getätigten Investitionen in die beiden letztgenannten Bereiche kann aber erwartet werden, dass auch sie vor einem deutlichen Marktwachstum stehen. Wir wollen uns in dieser Abhandlung mit dem Teilsegment Onshore-Windenergie beschäftigen, das in den letzten Jahren durch ein kontinuierliches und breites Wachstum in mehreren Ländern getragen wurde. Bei all der Fach- und Medienpräsenz der Erneuerbaren Energien ist ein Aspekt erstaunlich: Im Zusammenhang mit Erneuerbaren Energien wird nur sehr selten das Thema ihrer Umsetzung angesprochen. Stattdessen fokussiert sich die Diskussion zumeist auf einzelne Themenfelder, wie ihren politischen, ökologischen und technischen Aspekten. Eine zusammenhängende Darstellung der rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Aspekte, die gleichermaßen erfüllt sein müssen, damit ein Windenergie-Vorhaben realisiert werden kann, liegt bislang nicht vor. Dies mag damit zusammenhängen, dass Vorhaben aus dem Bereich Erneuerbare Energien erst seit wenigen Jahren Größenordnungen erreicht haben, die sie für Kapitalgeber interessant machen und sich in einer jungen Branche im Anschluss an die Bewährtheit der Technik rechtliche und wirtschaftliche Standards erst etablieren müssen. Dieses Buch ist aus der Wahrnehmung entstanden, dass es eines gemeinsamen Verständnisses und konzertierten Vorgehens von Vertretern aus Technik, Recht und Wirtschaft bedarf, um Windenergievorhaben zu realisieren. Daher wird in dieser Publikation der Weg beschrit-

VI

Vorwort

ten, verschiedene Experten aus den genannten Bereichen zum Thema Projektfinanzierung von Windenergieprojekten zu Wort kommen zu lassen, so dass in der Gesamtschau vermittelt wird, welche Aspekte bei der Realisierung von Windenergieprojekten zu beachten sind. Der Anspruch dieser Publikation ist zum einen aufzuzeigen, welche technischen und rechtlichen Voraussetzungen zum derzeitigen Zeitpunkt erfüllt sein müssen, um ein großvolumiges Windenergieprojekt über die Finanzierungsmethode einer Projektfinanzierung zu realisieren. Dabei muss man sich zum einen bewusst sein, dass sich insbesondere die Technik ständig dynamisch weiterentwickelt sowie die rechtlichen Rahmendaten auf die Marktgegebenheiten und möglichen energiepolitischen Vorgaben reagieren, so dass Windenergieprojekte insbesondere während der Entwicklungsphase dynamisch und flexibel gesteuert werden müssen. Zum anderen soll durch den bewussten interdisziplinären Ansatz auch erreicht werden, dass der Leser für die Anforderungen der verschiedenen Teilbereiche sensibilisiert wird. Diese Darstellung ersetzt aber umgekehrt auch nicht eine projektspezifische Unterstützung und Beratung durch Spezialisten aus den jeweiligen Bereichen – dafür sind die Vorhaben einerseits zu spezifisch und andererseits befinden sich rechtliche, technische und wirtschaftliche Aspekte auch in einer beständigen Weiterentwicklung. Zur Realisierung von Projektfinanzierungen in einer Branche müssen mindestens zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Technik muss langfristig einen stabilen und prognostizierbaren Output liefern können und der Staat muss ein klares, planbares und verlässliches Rechts- und Regulierungsumfeld vorgeben, das den Investoren und Fremdkapitalgebern eine hinreichende Planungssicherheit für einen wirtschaftlichen Betrieb verschafft. Sind diese beiden grundsätzlichen Anforderungen erfüllt, eröffnet sich die Möglichkeit für eine wirtschaftliche Nutzung der Windenergie, und zwar zumeist in Form einer Projektfinanzierung. Zentrales Merkmal einer Projektfinanzierung ist die enge Verknüpfung des Schicksals des Projektes mit der Rückführung der Darlehen. Es sind die zukünftigen Cashflows des Vorhabens, die einzig für die Begleichung der operativen Kosten, die Bedienung des Kapitaldienstes und für Ausschüttungen an die Investoren verwandt werden können. Neben diese CashflowOrientierung der Projektbeurteilung tritt eine vertragliche Einbindung verschiedener Projektbeteiligter, die den Erfolg des Vorhabens unterstützen sollten (Risk Sharing). Damit ist der gesamte Risikomanagement-Prozess bei einer Projektfinanzierung ein gleichgerichtetes Zusammenspiel von Risikoidentifikation, Risikoallokation und Risikoquantifizierung. Damit Projektfinanzierungen im Windenergiebereich realisiert werden können, müssen konsequenterweise Experten aus den Bereichen Technik, Recht und Wirtschaft zusammenfinden und eine für ein Vorhaben maßgeschneiderte Lösung entwickeln. Dieses in der Praxis bei jedem Vorhaben geübte Vorgehen war auch Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Bereits an dieser Stelle lässt sich festhalten: Onshore-Windenergie stellt eine bewährte und weltweit etablierte Technologie dar. Ein wesentlicher Vorteil gegenüber anderen Formen der Erneuerbaren Energien sind verhältnismäßig geringe Gestehungskosten. Kritisch sind die der Finanzkrise nachlaufende rückläufige Aufstellungszahl von Windenergieanlagen und die Diskussion um die Stabilität des Regulierungsumfeldes zu werten, die sich zwar derzeit auf das Thema Solarenergie konzentriert, aber auch auf andere Bereiche der Erneuerbaren Energien ausstrahlen könnte.

Vorwort

VII

Der guten Ordnung halber sei angemerkt, dass die Autoren ihre individuelle Meinung vertreten. Ihre Aussagen und Wertungen müssen weder notwendigerweise die Meinung der Unternehmen oder Institutionen widerspiegeln, für die die Autoren arbeiten, noch die Auffassung der übrigen Autoren treffen. Fehler habe ich selbstverständlich selbst zu vertreten. Mein aufrichtiger Dank gilt den Autoren dieses Buches, die mit großem Enthusiasmus und Engagement seine Realisierung erst ermöglicht haben. Kiel, im Oktober 2011

Jörg Böttcher

Inhalt Vorwort Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis

V XV XIX

Windenergie – die treibende Kraft

1

1

Projektfinanzierung eines Windparks

9

1.1

Einleitung ................................................................................................................... 9

1.2

Windenergie und Projektfinanzierung ...................................................................... 14

1.3

Risikomanagement bei Windenergievorhaben ......................................................... 18

1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.4.6 1.4.7

Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten ............................. 22 Das Ressourcenrisiko – Abschätzung des Energieertrages ...................................... 22 Das Funktionsrisiko – Bewährte Technologie? ........................................................ 28 Das Fertigstellungsrisiko – Einbindung eines Generalunternehmers ....................... 31 Das Betriebs- und Managementrisiko ...................................................................... 32 Das Rechts- und Regulierungsrisiko in ausgewählten Ländern – die wesentlichen Systeme ......................................................................................... 34 Zinsänderungsrisiko ................................................................................................. 35 Zusammenfassende Würdigung der Einzelrisiken ................................................... 37

1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3

Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aus dem bisherigen Risikomanagement 38 Grundsätzliche Überlegungen .................................................................................. 38 Hinweise zur Optimierung aus Sicht der Investoren und der Fremdkapitalgeber .... 41 Einbindung von Versicherungen in die Finanzierungsstruktur ................................ 42

2

Rechtliche Rahmenbedingungen

2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.4.1 2.1.4.2

Darstellung und Konzeption eines Due Diligence-Prozesses ................................... 45 Einleitung ................................................................................................................. 45 Ablauf eines Due Diligence-Prozesses ..................................................................... 47 Konzeption und Umfang der Due Diligence ............................................................ 48 Grundstückssicherung .............................................................................................. 50 Konzeption ............................................................................................................... 50 Inhaltliche Anforderungen ....................................................................................... 52

45

X

Inhalt

2.1.5 2.1.5.1 2.1.5.2 2.1.5.3 2.1.6 2.1.6.1 2.1.6.2 2.1.6.3 2.1.7

Öffentlich-rechtliche Genehmigungen ..................................................................... 61 Art der erforderlichen Genehmigung ....................................................................... 61 Wirksamkeit und Bestandskraft der Genehmigung .................................................. 62 Auflagen und/oder Bedingungen ............................................................................. 63 Netzanschluss ........................................................................................................... 64 Einspeisezusage ....................................................................................................... 65 60 %-Referenzertragsgutachten ............................................................................... 65 Nutzung eines Umspannwerks ................................................................................. 65 Betreibergesellschaft ................................................................................................ 66

2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.2.1 2.2.2.2 2.2.2.3 2.2.2.4 2.2.3 2.2.3.1 2.2.3.2 2.2.3.3 2.2.4 2.2.4.1 2.2.4.2 2.2.4.3 2.2.5 2.2.5.1 2.2.5.2 2.2.5.3 2.2.6

Vergleich einzelner Regulierungssysteme – Deutschland, Frankreich, Italien und Polen ................................................................................................................. 67 Einleitung ................................................................................................................. 67 Regulierung in Deutschland – Das EEG .................................................................. 68 Historie und Ziele des EEG sowie seine Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht 68 Anwendungsbereich des EEG .................................................................................. 71 Der fünfstufige Fördermechanismus des EEG ......................................................... 71 Rechtsschutz............................................................................................................. 86 Regulierung in Frankreich........................................................................................ 87 Rechtlicher Rahmen ................................................................................................. 88 Fördermechanismus im Einzelnen ........................................................................... 88 Praktische Hinweise ................................................................................................. 91 Regulierung in Italien ............................................................................................... 91 Rechtlicher Rahmen ................................................................................................. 92 Fördermechanismus im Einzelnen ........................................................................... 92 Praktische Hinweise ................................................................................................. 95 Regulierung in Polen ................................................................................................ 95 Rechtlicher Rahmen ................................................................................................. 95 Fördermechanismus im Einzelnen ........................................................................... 96 Praktische Hinweise ................................................................................................. 97 Ergebnis und Ausblick ............................................................................................. 98

2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.2.1 2.3.2.2 2.3.2.3 2.3.3 2.3.3.1 2.3.3.2 2.3.3.3 2.3.4 2.3.4.1 2.3.4.2 2.3.4.3

Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag .................... 100 Einleitung ............................................................................................................... 100 Der Generalunternehmervertrag ............................................................................. 100 Grundsätzliche Überlegungen ................................................................................ 102 Gestaltung des Vertragsinhalts ............................................................................... 104 Zusammenfassung .................................................................................................. 123 Der Wartungsvertrag .............................................................................................. 124 Rechtsnatur und Vertragsfunktionen ...................................................................... 124 Vertragsgestaltung ................................................................................................. 128 Zusammenfassung .................................................................................................. 133 Direktverträge ........................................................................................................ 134 Bedeutung und Entwicklung .................................................................................. 134 Gründe für den Abschluss von Direktverträgen ..................................................... 135 Vertragsgestaltung ................................................................................................. 137

Inhalt

XI

2.3.4.4 Insolvenzrechtliche Risiken ................................................................................... 139 2.3.4.5 Zusammenfassung .................................................................................................. 141 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.2.1 2.4.2.2 2.4.3 2.4.3.1 2.4.3.2 2.4.4 2.4.4.1 2.4.4.2 2.4.5

Besondere rechtliche Anforderungen an Repowering-Projekte ............................. 142 Einleitung ............................................................................................................... 142 Energierecht ........................................................................................................... 145 Vergütung für Strom aus Repowering-Anlagen ..................................................... 145 Netzanschluss ......................................................................................................... 147 Zivilrechtliche Fragen ............................................................................................ 148 Grundstückssicherung ............................................................................................ 149 Gesellschaftsrechtliche Neustrukturierung ............................................................. 150 Genehmigung von Repowering-Projekten ............................................................. 151 Genehmigungsverfahren ........................................................................................ 153 Materiell-rechtliche Anforderungen ....................................................................... 154 Zusammenfassung .................................................................................................. 162

3

Technische Rahmenbedingungen

3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.2.1 3.1.2.2 3.1.2.3 3.1.3 3.1.4

Techniksysteme und Entwicklungstendenzen ........................................................ 163 Einleitung ............................................................................................................... 163 Bestehende heutige Systeme .................................................................................. 166 Mechanische Konzepte........................................................................................... 169 Elektrische Konzepte.............................................................................................. 171 Tragwerk ................................................................................................................ 172 Entwicklungstendenzen .......................................................................................... 173 Zusammenfassung .................................................................................................. 174

3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7 3.2.8 3.2.9

Professionelles Management zentraler Fertigstellungsrisiken ................................ 175 Einleitung ............................................................................................................... 175 Begriffliche und theoretische Abgrenzung ............................................................. 176 Fertigstellungsrisiken und deren Management ....................................................... 177 Praxisbeispiel Windpark Hurakan .......................................................................... 178 Ablauf des Phasenmodells...................................................................................... 180 Die Teilphasen der Umsetzungsphase und ihre Herausforderungen ...................... 181 Lösungsansätze unter besonderer Berücksichtigung eines partnerschaftlichen Risk-Sharings ......................................................................................................... 187 Risiken bei Auslandsprojekten ............................................................................... 191 Schlussfolgerungen der risikominimierten Strategie .............................................. 194

3.3 3.3.1 3.3.1.1 3.3.1.2 3.3.1.3 3.3.1.4 3.3.2 3.3.3

Abschätzung des Energieertrages ........................................................................... 195 Rückblick ............................................................................................................... 196 Die Pionierphase .................................................................................................... 196 Erste Planungsbüros ............................................................................................... 197 Erste Phase der Professionalisierung ...................................................................... 198 Phase der Intensivierung ........................................................................................ 199 Windmessung oder nicht? ...................................................................................... 200 Spezielle Probleme der Windgutachten auf Basis von Ertragsdaten ...................... 215

163

XII 3.3.4 3.3.4.1 3.3.4.2 3.3.4.3 3.3.5 3.3.6 3.3.7 3.3.8 3.3.9

Inhalt Spezielle Probleme der Windgutachten auf Basis von Standort-Windmessdaten .. 218 Messstrategie.......................................................................................................... 218 Wahl der Messgeräte .............................................................................................. 221 Prüfung, Interpretation und Verwendung der Messdaten....................................... 223 Strömungsmodelle ................................................................................................. 226 Ertragsberechnungen .............................................................................................. 229 Parkoptimierung ..................................................................................................... 230 Bestimmung der Unsicherheit von Windgutachten................................................ 230 Klimaänderung ....................................................................................................... 231

3.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten................................................................ 232 3.4.1 Einleitung ............................................................................................................... 232 3.4.2 Allgemeine Betriebserfahrungen............................................................................ 234 3.4.2.1 Windaufkommen .................................................................................................... 234 3.4.2.2 Erfahrungen mit Marktteilnehmern ........................................................................ 235 3.4.3 Übersicht Betriebskosten ....................................................................................... 242 3.4.3.1 Nutzungsentgelte .................................................................................................... 242 3.4.3.2 Instandhaltung ........................................................................................................ 243 3.4.4 Asset Management ................................................................................................. 249 3.4.4.1 Geschäftsführung ................................................................................................... 249 3.4.4.2 Kaufmännische Geschäftsbesorgung ..................................................................... 250 3.4.4.3 Technische Betriebsführung................................................................................... 251 3.4.4.4 Zusammenfassende Bemerkungen ......................................................................... 252 3.4.5 Beratungskosten ..................................................................................................... 253 3.4.6 Versicherungen ...................................................................................................... 254 3.4.7 Avalkosten und Rückstellungen für den Rückbau ................................................. 256 3.4.8 Steuern ................................................................................................................... 256 3.4.9 Sonstiges ................................................................................................................ 258 3.4.10 Entwicklung der Betriebskosten............................................................................. 258 3.4.10.1 Die einzelnen Betriebskostenarten ......................................................................... 258 3.4.10.2 Beeinflussung der Betriebskosten .......................................................................... 260 3.4.10.3 Zustandsorientierte Instandhaltung ........................................................................ 261 3.4.10.4 Rotorblätter ............................................................................................................ 262 3.4.10.5 Getriebe .................................................................................................................. 262 4

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

4.1 4.1.1

Einbindung eines geeigneten Versicherungskonzepts............................................ 265 Darstellung von Risiken aus der Planung, der Errichtung und dem Betrieb von Onshore-Windparks ........................................................................................ 265 Risikobewältigungsstrategien ................................................................................ 268 Darstellung der Erfahrung mit Schäden ................................................................. 270 Darstellung von Versicherungslösungen für die Planungs- und Errichtungsphase 272 Darstellung von Versicherungslösungen für die Betriebsphase ............................. 277 Besondere Absicherungsmöglichkeiten gegen Wetterrisiken ................................ 283

4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.1.6

265

Inhalt 4.1.7

XIII Besondere Anforderungen an die Betreiber von Onshore-Windpark-Projekten aus Versicherersicht ............................................................................................... 285

4.2 4.2.1

Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur ..... 288 Anforderungen an die Finanzierungsstruktur aus Sicht von Investoren und Banken............................................................................................................. 288 4.2.2 Methodik und Zusammenspiel zwischen Risikoidentifikation, Risikoallokation und Risikoquantifizierung ...................................................................................... 289 4.2.3 Darstellung der Reagibilität eines Windenergievorhabens auf verschiedene Parameter-Änderungen ........................................................................................... 295 4.2.4 Verfahren der Risikoquantifizierung: Cashflow-Modell und Rating-Verfahren .... 299 4.2.4.1 Dynamische Ziele einer Risikoquantifizierung ...................................................... 299 4.2.4.2 Der Schuldendienstdeckungsgrad als zentrale Kennziffer ..................................... 305 4.2.4.3 Die Einbindung des Rating-Verfahrens.................................................................. 306 4.2.5 Entwicklung einer geeigneten Finanzierungsstruktur ............................................ 308 Literaturverzeichnis

317

Glossar

327

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:

Globale installierte Windenergiekapazität in MW......................................11

Abbildung 2:

Prognose der globalen installierten Stromerzeugung in TWh pro Jahr ......13

Abbildung 3:

Entwicklung der globalen Erzeugungskapazitäten in GW .........................13

Abbildung 4:

Vergleich Unternehmensfinanzierung und Projektfinanzierung .................16

Abbildung 5:

Einflussfaktoren für die Wirtschaftlichkeit .................................................19

Abbildung 6:

Risikomanagementprozess bei einer Projektfinanzierung – Teil I .............21

Abbildung 7:

Durchschnittliche Windgeschwindigkeit in m/s am Standort Malin Head ............................................................................26

Abbildung 8:

Jährliche Energieproduktion in kWh am Standort Malin Head ..................27

Abbildung 9:

Relative Entwicklung einzelner Parameter im Windenergie-Bereich.........29

Abbildung 10:

Durchschnittliche Nenn-Leistung neuer Windkraftanlagen in kW .............30

Abbildung 11:

Auswirkung einer Zinsänderung auf den DSCR-Verlauf ...........................36

Abbildung 12:

DSCR bei verschiedenen Parameteränderungen.........................................39

Abbildung 13:

Modell einer Persischen Windmühle (Quelle: Deutsches Museum) ........163

Abbildung 14:

Holländische Windmühle (Quelle: Alfred Boruta) ...................................164

Abbildung 15:

Elektrische Systeme in den USA und Dänemark, Ende 19. Jahrhundert ................................................................................165

Abbildung 16:

Enercon E-126 WEA als Beispiel einer modernen Großwindanlage .......166

Abbildung 17:

Höhenzunahme der mittleren Windgeschwindigkeit ................................167

Abbildung 18:

Häufigkeitsverteilung der Windgeschwindigkeit im Jahr 2007 in Kiel ....168

Abbildung 19:

Kleinwindanlage der Fa. Ropatec .............................................................170

Abbildung 20:

Prototyp der zweiblättrigen SCD (3 MW) Anlage ...................................171

Abbildung 21:

Projektplan „Hurakan“..............................................................................179

Abbildung 22:

Visualisierung des Phasenmodells ............................................................180

XVI

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 23:

Beispiel für Abrechnungen berechneter Energieerträge im Vergleich zur Realität ............................................................................................... 202

Abbildung 24:

Berechnungsfehler in einem Windpark abhängig von der geodätischen Höhe ................................................................................... 203

Abbildung 25:

Lageplan mit den Positionen zweier Messmasten (M1 und M2) ............. 204

Abbildung 26:

Mittlere gemessene Windgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Windrichtung ........................................................................................... 205

Abbildung 27:

Vergleich einer berechneten Windrose mit den Daten einer Anlagensteuerung .................................................................................... 206

Abbildung 28:

Beispiel für den mittleren Tagesgang der Windgeschwindigkeit ............. 207

Abbildung 29:

Mittlerer Tagesgang der Windgeschwindigkeit II ................................... 208

Abbildung 30:

Gemessene und berechnete Häufigkeitsverteilungen der Windgeschwindigkeiten ........................................................................... 208

Abbildung 31:

Näherungsbedingte Fehler der Ertragsberechnungen ............................... 209

Abbildung 32:

Vergleich berechneter und gemessener Höhenprofile der Windgeschwindigkeit............................................................................... 212

Abbildung 33:

Höhenexponenten des von WAsP berechneten Höhenprofils .................. 213

Abbildung 34:

Ertragsverlauf zweier benachbarter WEAs mit unterschiedlicher Nabenhöhe ............................................................................................... 217

Abbildung 35:

Vergleich eines gemessenen und eines berechneten Höhenprofils an einem Standort in Südeuropa .............................................................. 224

Abbildung 36:

Windjahre in Prozent zum langjährigen Mittel in Deutschland................ 235

Abbildung 37:

Marktanteile der WEA-Hersteller in Deutschland in 2009 und 2010....... 237

Abbildung 38:

Bestandteile der Instandhaltung ............................................................... 244

Abbildung 39:

Häufigkeit von wesentlichen Instandsetzungsarbeiten ............................. 260

Abbildung 40:

Ersatzinvestitionen bzw. Instandhaltungskosten über 20 Jahre Laufzeit .............................................................................. 261

Abbildung 41:

Bestandteile des Risikomanagementprozesses ......................................... 290

Abbildung 42:

Risikoeinflüsse auf ein Erneuerbare-Energien-Projekt............................. 292

Abbildung 43:

Risikomanagementprozess bei einer Projektfinanzierung – Teil II .......... 294

Abbildung 44:

DSCR Windenergie-Projekt (Sponsors Case) .......................................... 296

Abbildung 45:

DSCR bei unterschiedlichen Zinssätzen................................................... 296

Abbildungsverzeichnis

XVII

Abbildung 46:

DSCR bei veränderten Betriebskosten .....................................................298

Abbildung 47:

DSCR bei Einnahmenveränderung ...........................................................299

Abbildung 48:

Gegenüberstellung Interner Zinssatz/Debt Service Cover Ratio ..............300

Abbildung 49:

Grundlegendes Cashflow-Modell mit Base- und Worst-Case ..................303

Abbildung 50:

Variation der Laufzeit bei einem Windenergieprojekt .............................309

Abbildung 51:

DSCR bei Veränderung der tilgungsfreien Zeit........................................310

Abbildung 52:

DSCR bei Veränderung der Höhe der Schuldendienstreserve ..................312

Abbildung 53:

DSCR bei Flexibilisierung der Wartungskosten .......................................314

Abbildung 54:

DSCR nach Verhandlungsprozess ............................................................315

Tabellenverzeichnis Tabelle 1:

Installierte Windenergiekapazität in MW .......................................................12

Tabelle 2:

Erfolgsfaktoren einer Projektfinanzierung im Bereich Windenergie ..............18

Tabelle 3:

Übersicht über exogene und endogene Risiken ..............................................20

Tabelle 4:

Abhängigkeit der Energieproduktion von der Windgeschwindigkeit .............23

Tabelle 5:

Beispiele einer Unsicherheitsbewertung .........................................................23

Tabelle 6:

Verteilung von Fertigstellungsrisiken auf die Kapitalgeber ...........................31

Tabelle 7:

Vergütungssätze in ausgewählten Ländern .....................................................34

Tabelle 8:

Einzelrisiken bei Windenergieprojekten .........................................................37

Tabelle 9:

Unterschiede zwischen dem förmlichem und dem vereinfachten Verfahren........................................................................154

Tabelle 10:

Herstellungspreise elektrischer Energie (in €/MWh), Jan. 2011 ..................166

Tabelle 11:

Windklassen; Werte in m/s, nach IEC 61400 ...............................................167

Tabelle 12:

Beispiel Eintrittswahrscheinlichkeit von Risiken .........................................178

Tabelle 13:

Beispiel Auswirkungsklasse .........................................................................178

Tabelle 14:

Beispiel Risikomatrix ...................................................................................178

Tabelle 15:

Risikomatrix für das Projekt Hurakan ..........................................................189

Tabelle 16:

Beispiel für eine Reihenfolge von Auszahlungspositionen...........................240

Tabelle 17:

Auflistung ausgewählter Wartungsbestandteile einer Windkraftanlage .......245

Tabelle 18:

Aufteilung der Betriebskosten im Mittel der Jahre 1997 bis 2001................258

Tabelle 19:

Risikoart, Risiko-Instrument und Risikoträger .............................................291

Tabelle 20:

Systematisches Vorgehen bei der Risikoquantifizierung ..............................294

Tabelle 21:

Rahmendaten eines Windenergieprojektes in Deutschland ..........................295

Windenergie – die treibende Kraft DR. KLAUS RAVE Dr. Klaus Rave ist eine der profiliertesten Persönlichkeiten in der deutschen und internationalen Windenergieszene. Die folgenden Eckpunkte umfassen nur einen Teil seiner vielfältigen Stationen und Aktivitäten: Vice President der EUROPEAN WIND ENERGY ASSOCIATION (seit 1997), Vorstand der INVESTITIONSBANK SCHLESWIG-HOLSTEIN (2003–2011), Vorsitzender des Hochschulrats der Fachhochschule Flensburg (seit 2007).Vorsitzender GLOBAL WIND ENERGY COUNCIL (seit 2010) und Vorsitzender des Aufsichtsrats der WKN AG (seit 2011).

Elektrizität ist die Leitenergie des 21. Jahrhunderts. • Stromerzeugung ist der Schlüssel für wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Wohlstand und Wachstum. • Wie, wo und wann der Strom erzeugt wird, beantwortet Fragen sowohl auf der Ebene der internationalen Beziehungen wie mit lokalem Bezug. • Stromerzeugung ist ein Umwandlungsprozess, der mit entsprechenden Verlusten einhergeht. • Stromerzeugung ist ein risikoreicher Prozess, dessen jeweils spezifische Risikofaktoren sich in Gestehungskosten und Preisen abbilden. Knappheit und Endlichkeit der natürlichen Ressourcen, die als Rohstoffe für die Umwandlung in Strom eingesetzt werden – das ist spätestens seit den 70iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein dominantes Thema. Öl, Gas, Kohle, Uran, all diese Stoffe sind sowohl endlich als auch in zum Teil extremer Form über den Globus verteilt. „Global 2000“ hieß der Bericht an den US-Präsidenten CARTER, der diese Frage detailliert adressierte. „Limits of Growth“ war die bahnbrechende Publikation des CLUB OF ROME betitelt. Und die erste dramatische Ölpreiskrise führte im automobilvernarrten Deutschland zu Sonntagsfahrverboten. Tankerunfälle und Ölkatastrophen wie im Golf von Mexiko verdeutlichten die Gefahren von Exploration und Transport. Aktuell wird über besondere Gefährdungen durch die Förderung in ökologisch äußerst sensiblen Gebieten wie der Antarktis und Arktis bzw. so genannter unkonventioneller Quellen wie Teersände u.ä. heftig gestritten. Doch selbst bei Hintanstellen jeglicher umweltbezogener Bedenken führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass das Verbrennen dieser wertvollen Ressourcen kein Weg ist, den steigenden Energiebedarf einer wachsenden Weltbevölkerung und Weltwirtschaft zu decken. In Anerkennung der strategischen Bedeutung der Stromerzeugung galt die Kernspaltung und Errichtung von Atomkraftwerken jahrzehntelang als der Königsweg in ein zukunftsfähiges

2

Windenergie – die treibende Kraft

Energiesystem. Durch die Brütertechnologie sollte ein permanenter Kreislauf errichtet werden, der zu einem sich selbst tragenden Prozess führen sollte. Doch „Super Phoenix“ wurde in Frankreich zu einem Milliardengrab. Ein Schneller Brüter wurde in Deutschland nicht in Betrieb genommen. Stattdessen werden Risiken und Gefahren immer wieder aufs Neue in Erinnerung gerufen: Monatelang schwelte der Konflikt zwischen dem Iran und der IAEA über die Nutzung der Atomtechnologie zur Herstellung spaltbaren, waffenfähigen Materials. Proliferation bleibt ein mit der sogenannten friedlichen Nutzung der Kernenergie untrennbar verbundenes Problem. Wie auch der Umgang mit den nuklearen Abfällen weltweit ungelöst ist. Auf der Produktionsstätte der ehemaligen Plutoniumfabrik in HANFORD im US Bundesstaat Washington warten 200 Millionen Liter hochgiftigen Mülls seit 1987 auf ihre Entsorgung, die nach optimistischen Einschätzungen von Experten bis mindestens 2047 dauern wird und ca. 74 Mrd. $ kosten soll. Auf Milliarden wird auch der Aufwand für „die Asse“ geschätzt, die nichts anderes als eine wilde Atommüllkippe ist. Der technische Weg der sicheren Verbringung aus der Biosphäre ist immer noch umstritten. Die Endlagerfrage ist nach wie vor eben das: ein Frage, ungelöst. Optimisten hoffen auf ein Endlager in Finnland in vielleicht 20 Jahren. Doch selbst dort ist das neue, im Bau befindliche AKW mindestens 3 Jahre hinter dem Zeitplan und hat den Kostenrahmen fast um das Doppelte überschritten. Klimaschutzgründe wurden zuletzt am häufigsten für die Nutzung der Kernspaltung zur Stromerzeugung ins Feld geführt. So auch in 2010 anlässlich der Debatte um die Laufzeitverlängerung deutscher AKW. Ökonomisch wie ökologisch wurde dies mit guten Argumenten hinterfragt. Doch dann veränderte ein nuklearer GAU in Japan in Deutschland, aber nicht nur dort, die Energiedebatte grundsätzlich. Der Unfall in THREE MILES ISLAND war schon Geschichte, Gedenktage anlässlich des Unglücks von Tschernobyl fast schon erstarrtes Ritual. Fukushima, der GAU nach dem Seebeben der Stärke 9, die Bilder von Wasserstoffexplosionen waren Erinnerungs- und Weckruf in einem. Schockierend, was sich dort in einem Hochtechnologieland ereignen konnte. Die Bundesregierung beschloss ein Moratorium und die – vorübergehende (?) – Stilllegung von sieben AKW. Indien und China überdenken Ihre Ausbauprogramme. Kernenergie als Hauptwaffe im Kampf für den Klimaschutz hat ausgedient. Doch bleibt eben dieser Klimaschutz eine der größten Herausforderungen der Menschheit in diesem Jahrhundert. Mit dem IPCC hat die Völkergemeinschaft in diesem Zusammenhang ein einzigartiges Instrument geschaffen, eine Institution ohne historisches Vorbild. Wissenschaftsbasiert werden der Staatengemeinschaft Analysen und Handlungsvorschläge vorgelegt. Mögen auch einzelne Verhandlungsrunden eher wie Nachfolger des berühmten Wiener Kongresses erscheinen, der ja bekanntlich mehr tanzte als arbeitete, so ist doch unverkennbar, dass Fortschritte erzielt werden. So lange ist es schließlich nicht her, dass sowohl von der NASA wie von post-sowjetischen Wissenschaftlern die Existenz anthropogener Klimaeffekte überhaupt geleugnet wurde.

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Inzwischen kann man das „2-%-Ziel“, d.h. eine Begrenzung des Anstiegs klimaschädlichen CO2 auf maximal 2 % bis zum Jahr 2050, als nahezu völkerrechtlich verbindlich bezeichnen. Die noch zu leistende Detailarbeit, die immensen Hürden, die noch vor ratifizierungsfähigen Vereinbarungen liegen, sollen keineswegs unterschätzt werden. Ebenso wenig darf aber auch die große gemeinsame Anstrengung unterschätzt werden, derer sich die Völkergemeinschaft unterzieht, um wirksamen Klimaschutz global voranzubringen. Von der internationalen Agenda ist die Klimaschutzdebatte nicht mehr weg zu bringen. Das Zeitalter des Verbrennens wertvoller Rohstoffe zur Energieumwandlung, speziell Stromerzeugung geht auf sein Ende zu. Die Risikotrias – Endlichkeit der Ressourcen, nukleare Gefahren, Klimaveränderungen – kann und darf nicht länger durch das Austauschen der Argumente im jeweiligen opportunistischen Zusammenhang diskutiert werden. Vielmehr können und müssen die Erkenntnisse gesamthaft bewertet werden. Die extrem hohe Kapitalbindung von Investitionen im Energiesektor gebietet es, dabei die größtmögliche Sorgfalt anzuwenden und die am stärksten belastbaren Prognosen zu Rate zu ziehen. Auch strategische Leitmotive gilt es zu berücksichtigen: „Manage the unavoidable and avoid the unmanageable“; „Minimise the cost of error“; Effizienz gleich Potenzial mal Akzeptanz. Versorgungssicherheit, Kostengünstigkeit und Umweltverträglichkeit, das ist die traditionelle Trias der Anforderungen an die Energiewirtschaft. Energiemärkte waren und sind politisch geprägt. Überragend ist die Bedeutung von Energiedienstleistungen für die nationale wie globale Volkswirtschaft. „The market is not a good master, but a good servant“ schrieb der „ECONOMIST“. Regulierende, steuernde Eingriffe in die Energiemärkte haben eine lange Geschichte. Ein „level-playing-field“ der Energieerzeuger wird postuliert, doch sowohl im Rahmen der EU wie auch international sind wir weit von der Erreichung dieses Zieles entfernt. Damit sind auf den Energiemärkten sehr spezifische politische Risiken auszumachen, deren Einschätzung für Investoren gleichermaßen schwierig wie notwendig ist. So waren zwar die Energieträger Kohle und Kernenergie neben Stahl Gründungspfeiler der Europäischen Gemeinschaft, ein wirklicher Binnenmarkt hat sich aber keineswegs entwickelt. Dies gilt insbesondere für den Bereich der leitungsgebundenen Energien, speziell auch den Stromsektor. Stromleitungen sind unverzichtbarer Teil dieses Systems. Sie sind natürliche Monopole und unterliegen gesonderter Regulierung. Der Zugang zu ihnen ist entscheidend für die Entwicklung eines Marktes. Hier beginnt und endet Diskriminierung. „Unbundling“, so der Terminus für die Trennung von Netzbetrieb und Erzeugung, ist eine Grundvoraussetzung für eine echte Marktentwicklung. Die entsprechende Vorgabe in Form einer Richtlinie der EU-Kommission harrt noch der Umsetzung bzw. ist in einzelnen Mitgliedsstaaten in unterschiedlicher Art und Weise bzw. noch überhaupt nicht umgesetzt worden. Damit konnte ein „Geschäftsmodell Netzbetrieb“ noch nicht in ausreichender Form ausgestaltet werden. Ein solches wird sich aber sukzessive ausprägen und wesentliche Impulse für den Stromsektor geben. Nicht ohne Grund hat die NATIONAL ACADEMY OF ENGINEERING der USA das Stromnetz, die groß angelegte Verbreitung der Elektrifizierung als größte Ingenieurleistung des 20sten Jahrhunderts gewürdigt.

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Windenergie – die treibende Kraft

Das deutsche Netz ist dabei in seinem Betrieb weltweit führend. Ausfallzeiten von ca. 20 Minuten pro Jahr werden nirgendwo sonst erreicht. Die Kosten von Blackouts in den USA werden auf über 150 Mrd. $ jährlich veranschlagt. Allerdings ist diese Netzkonfiguration über 100 Jahre alt, stammt aus den Zeiten der Industrialisierung, bedarf der Reform und Modernisierung. Die Stichworte heißen „Smart Grid“ und „Smart Metering“, die Technologie der Hochspannungleichstromübertragung über Tausende von Kilometern mit geringen Leistungsverlusten regt die Diskussion z.B. auch über eine europaweites „Supergrid“ an. Das Netz wird intelligenter, weil die Energietechnik im Verbund mit der Informationstechnologie völlig neue Optionen eröffnet. Ein neues Zusammenspiel zentraler und dezentraler Erzeugungskapazitäten wird so ermöglicht: ein erneuertes Netz für den Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Ein derartiges Netz, derartige neue Verbindungen und Verbünde der Stromerzeugung sind die infrastrukturelle Voraussetzung für den Eintritt in das Zeitalter der Erneuerbaren Energien. So lässt sich die Antwort auf die Risikotrias finden wie auch die Bewahrung der Trias der Anforderungen an die Energiewirtschaft. Wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß und in verschiedenen Ausprägungen, ein nicht nur nationaler, sondern globaler Konsens zeichnet sich ab: Die Zukunft der Energiebedarfsdeckung der Menschheit liegt in den Erneuerbaren. Und Windenergie ist dabei die treibende Kraft. Szenarien gibt es viele, für Deutschland, auf europäischer Ebene, international in globalem Maßstab werden die Potenziale erneuerbarer Energieträger aufgezeigt, durch die bzw. mit denen 80 bis 100 % der Strombedarfsdeckung aus derartigen Quellen möglich sind. Der SACHVERSTÄNDIGENRAT FÜR UMWELTFRAGEN (SRU), das UMWELTBUNDESAMT (Energieziel 2050: 100 % Strom aus erneuerbaren Quellen), der EUROPEAN RENEWABLE ENERGY COUNCIL (EREC), das IPCC, sie alle haben Studien in zum Teil großem Detaillierungsgrad vorgelegt. Zuletzt das IPCC auf fast 1000 Seiten: 80 % Erneuerbare bis 2050. 164 Szenarien wurden ausgewertet. 194 Ländervertreter einigten sich auf diese Aussage: erstmals. In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass mit der INTERNATIONAL RENEWABLE ENERGY AGENCY (IRENA) seit 2010 von der internationalen Staatengemeinschaft auch eine Institution geschaffen wurde, die diesen Prozess koordinierend und initiierend voranbringen soll. Traditionell hat auch die IEA, die Internationale Energieagentur in Trägerschaft der OECD-Staaten, Prognosen und Szenarien entwickelt, die auch vom GLOBAL WIND ENERGY COUNCIL (GWEC) für den Global Wind Energy Outlook herangezogen werden. Dieser wie auch der „Annual Market Update“ sind Grundlage der folgenden Beobachtungen bezüglich der globalen Marktentwicklung. Eine uniforme Entwicklung gibt es allerdings nicht. Vielmehr sind drei große Trends zu unterscheiden: • erstens das Wachstum des reifen bzw. heranreifenden Onshore-Marktes; • zweitens die Entwicklung eines Offshore-Marktes; • drittens die Bedarfsdeckung der Unversorgten, d.h. der 1,4 Mrd. Menschen ohne Zugang zu Elektrizität.

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Gerade die letzten beiden Märkte zeigen, wie stark sich die Entwicklung ausdifferenzieren wird. Verlangt der Offshore-Sektor eine exzellente Bonität der Inverstoren angesichts der zu inverstierenden Summen in Größenordnungen von mehreren Hundert Millionen $, bewegt sich der Markt in den bisher un- bzw. unterversorgten Ländern im Mikrokreditbereich. Turbinen grösser als 5 MW auf der einen Seite, in der Klasse von 5 KW auf der anderen. Die treibende Kraft ist der reife und heranreifende Onshore-Markt. Der Global Wind Energy Outlook untersucht in seinen Szenarien die Windenergiepotenziale für die Zeiträume 2020, 2030 und 2050 (in Zusammenarbeit mit GREENPEACE INTERNATIONAL und der DLR). Ein eher konservatives Szenario geht dabei aus von den Annahmen des World Energy Outlook der IEA aus 2009 (diese reichen bis 2030 und wurden von der DLR für das Jahr 2050 extrapoliert). Das moderate Szenario berücksichtigt alle bis dato bereits entwickelten Förderinstrumente und unterstellt, dass diese wie auch schon gesetzte nationale Ausbauziele auch umgesetzt und erreicht werden. In dem fortschrittlichen Szenario wird eine Vision entwickelt: die ehrgeizigsten Ausbauziele werden Wirklichkeit. Die Einschätzung des Kapazitätswachstums erfolgt dabei auf der Grundlage historischer Daten wie auch aktueller Trends und der energiepolitischen bzw. Marktentwicklungen. Ein Wachstum von über 25 %, wie es dem fortgeschrittenen Szenario zugrunde liegt, mag zwar generell im Maschinenbau ungewöhnlich sein, ist aber in der abgelaufenen Dekade mit durchschnittlich 28 % übertroffen worden. Das konservative IEA Szenario ging für 2010 von einem Rückgang der jährlich installierten Leistung auf nur noch 26,8 GW aus und darf damit als zu vorsichtig gewertet werden, betrug doch die neu aufgestellte Leistung mehr als 36 GW. Dieses Referenzszenario schätzt dann eine Gesamtleistung von 415 GW in 2020 und 572 GW in 2030 ein. Das moderate Szenario geht von jährlich ca. 40 GW aus, die ab 2015 auf 63 GW gesteigert werden bei einem weiteren jährlichen Wachstum von 90 GW ab 2020 und 150 GW ab 2030. Das wurde bedeuten, dass in 2020 830 GW, in 2030 1.800 GW aufgestellt sein würden: eine Verdoppelung bzw. Verdreifachung gegenüber dem Referenzszenario. Hier sei angemerkt, dass auch bei dieser Betrachtung ab 2030 die jährliche Zuwachsrate auf 4 % fallen würde. Eine durchaus vergleichbare Degression unterstellt auch die fortschrittliche Betrachtung: von den 27 % des Jahres 2010 zu 17 % in 2015, 9 % in 2020 und nur noch 5 % in 2030. Der Märkt würde dabei ab 2020 um 120 GW jährlich wachsen, dann um 185 GW ab 2030. In 2020 wären 1.000 GW installiert, in 2030 2.300 GW. Welchen Beitrag würde die Windkraft in diesen Fällen an der Strombedarfsdeckung haben? Wiederum auf die Jahre 2020 und 2030 bezogen, käme das Referenzszenario auf 1.000 TWh (dies wäre eine Verdreifachung der ca. 350 TWh der 158,5 GW installierten Leistung aus 2009) und damit auf 4,5 bis 4,8 % des weltweiten Strombedarfs, also ungefähr wie derzeit in Europa. 2030 würden 1.400 TWh erzeugt, ca. 4,9 bis 5,6 %, insgesamt also ein relativ geringer Beitrag zur globalen Strombedarfsdeckung. In der moderaten Betrachtung stünde dem 2.000 TWh gleich 8,9 bis 9,5 % für 2020 sowie 4.300 TWh gleich 15 bis 17,5 % für 2030 gegenüber. Das würde schon als ein relevanter Beitrag gewertet werden können. Sollte die Windkraft tatsächlich zur treibenden Kraft ausgebaut werden, wie im fortgeschrittenen Szenario angenommen, sind folgende Zahlen zu markieren: 2.600 TWh entsprechend 11,5 bis 12,3 % in 2020 sowie 5.400 TWh und 18,8 bis

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Windenergie – die treibende Kraft

21,8 % in 2030. Ein Fünftel der weltweiten Strombedarfsdeckung aus Windkraft bis 2030: ehrgeizig aber möglich. Ein breiter Investitionskorridor tut sich auf. Durch ständig steigende Stückzahlen sowie sich verschärfender Wettbewerbssituation aufgrund des Markteintritts neuer Anbieter hat – trotz einiger Verwerfungen bei bestimmten Rohstoff- oder Komponentenpreisen – eine nahezu kontinuierliche Preisdegression stattgefunden. Heute sind z.B. unter den Top Ten-Unternehmen drei chinesische Anbieter und ein indischer. Fremdkapitalkosten waren auf einem historischen Tiefstand, allerdings dürfen die negativen Auswirkungen der Finanzmarktkrise auch nicht außer Betracht gelassen werden. Ohne eine aktivere Rolle von staatlichen Entwicklungsbanken wäre das Wachstum der Jahre ab 2008 nicht finanzierbar gewesen. Im Global Wind Energy Outlook werden Durchschnittskosten von € 1.350 per kW für 2009 zugrunde gelegt. Im Referenzszenario fallen diese bis 2020 auf € 1.240 bzw. € 1.216 in 2030. Ist das fortgeschrittene Szenario der Ausgangspunkt, werden sogar € 1.093 in 2030 erreicht. Das jährliche Investitionsvolumen in diesen Jahren reicht dabei von € 26,6 bzw. 51,8 im Referenzszenario bis zu € 106,5 und € 166 im moderaten sowie auf € 202 in 2030 bei fortschrittlicher Betrachtung – jeweils Milliarden. Zum Vergleich: in den 90iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts betrugen die jährlichen Investitionssummen zwischen 158 und 186 Mrd. €. Der Markt ist global. Dementsprechend entwickelt sich die Branche der Hersteller. Servicedienstleistungen bleiben immer lokal. Dies sind spezifische positive Beschäftigungseffekte wie auch die Entwicklungschance für ländliche Räume in einer Energiedienstleistungsfunktion zu den Ballungszentren einschließlich eigener neuer Steuerkraft. Die „Up-Front-Kosten“ sind hoch, aber die Abhängigkeit von volatilen Brennstoffpreisen und -märkten wird reduziert und damit tendenziell der Strompreis gesenkt. Von großer Bedeutung ist auch die Beschäftigungsentwicklung über die gesamte Wertschöpfungskette der Branche betrachtet: von der Produktion über die Zulieferer, die Windparkplanung und -entwicklung, die Installation, den Transport, den Service, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen. Der Global Wind Energy Outlook geht von ca. 14 Mannjahren pro installierter MW in 2010 aus mit leicht fallender Tendenz. Danach waren in 2009 ca. 600.000 Menschen in der Windbranche beschäftigt. Im Referenzszenario würde diese Zahl zunächst abnehmen, um dann in 2030 809.000 zu erreichen. Die moderate Entwicklung kommt auf einen globalen Wert von 2,6 Millionen Arbeitskräfte in 2030, während die fortschrittliche Betrachtung eine Zahl von 3 Millionen ergibt. Diese Arbeitskräfte stellen Anlagen her, die einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz, zur Reduzierung der energiebedingten CO2-Emissionen leisten. Sie arbeiten in einer Branche, die wie keine zweite für eine neue Qualität des Wachstums steht: für ökologisches Wachstum. Um die vermiedenen CO2-Emissionen zu quantifizieren, bedarf es verschiedener Annahmen z.B. bezüglich des real existierenden Kraftwerkparks bzw. Energiemixes.

Windenergie – die treibende Kraft

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Im Global Wind Energy Outlook werden derartige Annahmen getroffen und auf die diversen Szenariobetrachtungen übertragen. Unterstellt werden 600 kg vermiedener Emissionen pro erzeugter MWh im Durchschnitt. So werden Werte von 500 Millionen Tonnen bis zu 843 Millionen Tonnen in 2020 bzw. 2030 erreicht (Referenzszenario) oder 1,2 und folgend 2,6 Milliarden im moderaten Szenario, schließlich bis zu 3,3 im fortschrittlichen. Ein Blick auf aktuelle Entwicklungen und Trends auf dem Weltmarkt soll diese einleitenden Bemerkungen abschließen. So war das Jahr 2010 nicht nur durch die Spätfolgen der Finanzmarktkrise gekennzeichnet, sondern auch dadurch, dass erstmals die Nicht-OECD-Staaten die wesentlichen Wachstumstreiber waren, allen voran China und Indien. China hat nun die USA als das Land mit der größten installierten Gesamtleistung abgelöst und mit ca. 18 GW neuer Leistung bei insgesamt über 44 GW einen neuen Rekord aufgestellt. Fast ein Fünftel der jährlich neu errichteten Kapazität ist jetzt Windkraft. Die politische Unterstützung, auch ausgedrückt in den aktuellen Wirtschaftsplänen, ist klar. Ebenso der Anspruch, eigene Fertigungskapazitäten auszubauen und weltmarktfähig zu machen. Ein erfreuliches Bild zeichnete sich in Indien ab. Erstmals wurde die 2 GW-Grenze überschritten, so dass mit 2,3 GW dieses Land Platz drei weltweit einnehmen konnte. Die offizielle Ausbauzahl von 48,5 GW, wie sie das INDIAN MINISTRY FOR NEW AND RENEWABLE ENERGY nennt, wird von Experten als weit unter den Möglichkeiten bleibend bezeichnet. Es kann davon ausgegangen werden, dass der südostasiatische Raum in absehbarer Zukunft den Weltmarkt dominieren wird. Erfreuliche Signale sind darüber hinaus auch in Lateinamerika zu verzeichnen. Brasilien mit einer Projektpipeline von über 4.000 MW ist dabei führend. Mexiko, Argentinien, Chile sowie Uruguay folgen in kleineren Schritten. GWEC hat eine detaillierte Bestandsaufnahme gemacht und in Form des Global Wind Report – Annual Market Update 2010 – veröffentlicht. Selbstverständlich werden in diesem Zusammenhang auch weitere sich entwickelnden Märkte betrachtet, wie z.B. Nordafrika, Schwerpunkt Marokko, oder auch Südafrika, und auch eine Einschätzung der Situation in den USA fehlt nicht. Die besondere Bedeutung der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union für die weitere Entwicklung speziell der Technologie aber auch der Netzeinbindung gilt es hervorzuheben, insbesondere vor dem Hintergrund der 20-20-20 Strategie und deren konkrete Ausgestaltung im Rahmen der „National Action Plans“. Hier werden die Machbarkeit und die Wünschbarkeit eines konkreten Ausbauziels im Kontext hoch entwickelter Industriestaaten beschrieben. Die Vorreiterländer Dänemark, Deutschland und Spanien sehen sich in der Richtigkeit ihrer Zukunftsinvestitionen bestätigt. Der Markt entwickelt sich mit großer Dynamik weiter, von China bis nach Baden-Württemberg.

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Projektfinanzierung eines Windparks

JÖRG BÖTTCHER Dipl.-Ökonom und Bankkaufmann, ist seit 1995 bei der HSH NORDBANK AG tätig. Als Risk Adviser ist er dort mit der Strukturierung und dem Risikomanagement von Projekten im Bereich Erneuerbare Energien befasst. Nebenberuflich arbeitet Jörg Böttcher als freier Mitarbeiter der HANS-BÖCKLER-STIFTUNG. Er hat in den letzten Jahren eine Reihe von Publikationen zu den Themen Projektfinanzierung und Erneuerbare Energien veröffentlicht.

JÜRGEN H. LANGE Jürgen H. Lange ist Leiter Energy bei der HSH NORDBANK AG, die sich als einer der führenden Sektorspezialisten im Bereich Finanzierung von großen Wind- und Solarprojekten etabliert hat. Nach einer Banklehre und dem Studium der Volks- und Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Bonn und Hamburg arbeitet Jürgen H. Lange seit 1984 bei der HSH Nordbank AG. Auf eine solide Ausbildung im Firmenkundengeschäft folgten diverse Managementfunktionen im In- und Ausland in verschiedenen Sektoren, u.a. Corporate Finance, Aircraft Finance, Real Estate. In seiner Laufbahn hat Jürgen H. Lange erfolgreich Geschäfte und Niederlassungen im Inland, sowie u.a. in London, Paris, Amsterdam, Warschau, Moskau und den USA aufgebaut. Seit Anfang 2008 konzentriert er sich auf den Auf- und Ausbau des europäischen Geschäftes im Segment Erneuerbare Energien für die HSH Nordbank. Herr Lange ist seit der Gründung bei der DII GMBH, die als Industrie-Initiative mit der Implementierung des DesertecKonzeptes beschäftigt ist, stark engagiert. Er ist Mitglied des Kuratoriums der STIFTUNG OFFSHORE WINDENERGIE.

1.1

Einleitung

Die INTERNATIONAL ENERGY AGENCY (IEA) prognostiziert in einer ihrer Studien (WORLD ENERGY OUTLOOK 2009), dass der weltweite primäre Energiebedarf zwischen 2007 und 2030 mit einer jährlichen Wachstumsrate von 1,5 % ansteigen wird, wobei Asien und der Mittlere Osten Hauptträger des Bedarfs sein werden. Die Stromnachfrage wird im gleichen Zeitraum sogar um 2,5 % ansteigen. Dieser erwartete Energiebedarf lässt sich nur dann decken, wenn auch hinreichende Finanzierungsmittel zur Verfügung stehen, was vor dem Hintergrund der noch nicht gänzlich ausgestandenen Finanzkrise eine Herausforderung sein wird. Die IEA sieht bis 2030 einen kumulierten Kapitalbedarf von etwa 26 Billionen USD, wobei etwa die Hälfte der Investitionen in Entwicklungsländern benötigt wird. Im gleichen Zeitraum steigen die CO2-Emissionen – ohne einen Politikwechsel – ebenfalls mit einer jährlichen Wachstumsrate von 1,5 % an mit den vielfach beschriebenen Folgen für das globale Klima. Um den Temperaturanstieg unter 2 Grad Celsius zu begrenzen, bedarf es erheb-

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1 Projektfinanzierung eines Windparks

licher politischer Anstrengungen und umfangreicher Investitionen in umweltverträgliche Energieträger. Der STERN-REPORT hat darüber hinaus deutlich gemacht, welche weltweiten ökonomischen Folgen sich aus dem Klimawandel ergeben: Die jährlichen Kosten entsprechen, sofern nicht gehandelt wird, einem jährlichen Verlust zwischen 5 % bis 20 % des globalen Bruttoinlandsprodukts, wobei Entwicklungs- und Schwellenländer noch wesentlich härter betroffen sein können. Die genannten Aspekte umreißen das politische Spannungsfeld der Energiepolitik, die eine langfristige Versorgungssicherheit zu akzeptablen Preisen und ökologisch verträglichen Rahmenbedingungen sicherstellen will. Erneuerbaren Energien kommt in diesem Umfeld eine hohe Bedeutung zu, da sie benötigt werden, um den Treibhauseffekt möglichst klein zu halten. Während bestimmte Formen – wie Wasserkraft, Onshore-Windenergie und Photovoltaik – mittlerweile als etablierte Technologien angesehen werden können, befinden sich andere Technologien – wie Offshore-Windenergie und Solarthermie – in einer frühen Marktphase, die aber gleichwohl erhebliches Ausbaupotential versprechen. Im Rahmen dieser Darstellung soll untersucht werden, welche Rahmenbedingungen bei der Realisierung von Windenergie-Vorhaben in Form einer Projektfinanzierung zu beachten sind. Dieses bedarf, wie im Vorwort beschrieben, eines abgestimmten Vorgehens von Spezialisten aus den Bereichen Recht, Technik und Wirtschaft, was sich hier in einer Aufteilung in drei entsprechende Themenblöcke widerspiegelt. Wir haben uns dazu entschieden, hier ausschließlich die Windenergie an Land zu betrachten, da zu Offshore-Windenergieprojekten erhebliche Unterschiede im Risikoprofil und teils auch in den Fördersystemen bestehen, was wiederum Auswirkungen auf die Marktteilnehmer, die Spielregeln und die Finanzierungsstruktur hat. Im Vorwort hat DR. KLAUS RAVE dargestellt, welche Zukunftsperspektiven die OnshoreWindenergie hat und vor welchen Herausforderungen sie steht. Die Einleitung – JÖRG BÖTTCHER und JÜRGEN H. LANGE – beschreibt die wesentlichen Aspekte einer Projektfinanzierung und leitet auf die einzelnen Fachkapitel über. Im rechtlichen Teil stellen MARKUS JENNE und DR. KARLHEINZ RABENSCHLAG dar, wie ein Due Diligence-Prozess aufgebaut und strukturiert werden sollte, der die Basis für die Erreichung des Financial Close ist. DR. WOLFRAM DISTLER beschreibt im folgenden Beitrag, wie sich das Rechts- und Regulierungsumfeld in wichtigen Ländern der Windbranche darstellt und entwickelt. Dr. JÖRN MICHAELSEN beleuchtet im Anschluss zwei wesentliche Projektverträge, den Generalunternehmer-Vertrag und den Wartungsvertrag, die für die rechtliche Strukturierung und wesentliche Teile der Risikoallokation essentiell sind. Abgeschlossen wird der rechtliche Teil mit dem Beitrag von DR. MARTIN DENECKE und BURKHARD REPPICH, die die wesentlichen rechtlichen Anforderungen beschreiben, die bei der Realisierung von Repowering-Projekten zu beachten sind. Im technischen Teil stellt PROF. DR. ALOIS SCHAFFARCZYK dar, wie die Technik einer Windenergieanlage („WEA“) funktioniert und welche Entwicklungsperspektiven derzeit erkennbar sind. ROLAND STANZE beschreibt, wie der Fertigstellungsprozess eines Windparks in der Praxis gemanagt werden kann. Auf die methodischen Anforderungen an die Abschätzung des Energieertrages und möglicher Fallstricke geht HERBERT SCHWARTZ in seinem Beitrag

1.1 Einleitung

11

ein. DIRK BAUMGART untersucht die Betriebsrisiken und Betriebskosten von Windenergieprojekten. Damit werden im Technik-Teil die Aspekte dargestellt, die für die Beurteilung der langfristigen Geeignetheit der Technik relevant sind. Im wirtschaftlichen Teil wird auf den Ergebnissen der rechtlichen und technischen Darstellung aufgesetzt, die um verschiedene, komplementäre wirtschaftliche Teilaspekte ergänzt werden. Dem Thema Versicherung wird mit der Darstellung gewerblicher Versicherungen (Dr. THOMAS KOTTKE) umfangreich Raum gegeben. JÖRG BÖTTCHER gibt Hinweise zur Optimierung der Finanzierungsstruktur. Starten wollen wir mit einer Entwicklungsperspektive – den Chancen von Windenergieprojekten an dem zukünftigen Energie-Mix. Betrachtet man die Zuwachszahlen der Kapazität von Windenergieprojekten, so erkennt man eine außerordentliche Erfolgsgeschichte der Windenergie während der letzten 20 Jahre.

120.000 EU

Weltweit

100.000 80.000 60.000 40.000 20.000

Abbildung 1:

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

1995

1994

1993

1992

1991

1990

0

Globale installierte Windenergiekapazität in MW

Fragt man nach den Gründen für die ausgeprägte Erfolgsstory bei der Nutzung der Windenergie, so wird man folgende Phasen unterscheiden können: in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts ging es darum, verlässliche, großindustrielle Techniksysteme zu entwickeln. Die Entwicklung war dabei getrieben durch kleine und mittelständische Ingenieurgesellschaften und nur in wenigen Ländern durch ein staatliches Regulierungssystem gestützt, so dass sich die wirtschaftliche Entwicklung wesentlich auf Dänemark, Deutschland, Spanien und einzelne US-Bundesstaaten konzentrierte. Diese Situation änderte sich erst mit der Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes („EEG“) in Deutschland, das einerseits als

12

1 Projektfinanzierung eines Windparks

Wachstumsmotor für den deutschen Markt fungierte, andererseits als internationales Vorbild für die Ausgestaltung verschiedener Regulierungssysteme diente1. Insbesondere die relativ niedrigen Stromgestehungskosten begünstigen die Finanzierbarkeit von Windenergie-Projekten, wobei ihre technische Komplexität hoch ist. Damit bietet sich für die Politik eine besonders gute Chance, mit relativ geringen Einflüssen ihre energiepolitischen Ziele umzusetzen. Hieraus resultiert ein Risikoprofil, das die Windenergie für eine Projektfinanzierung besonders attraktiv macht. Tabelle 1:

Installierte Windenergiekapazität in MW

Festpreissystem Deutschland Spanien Frankreich Portugal Griechenland Mengenregulierungssystem Dänemark Italien Großbritannien Niederlande Schweden Belgien Polen USA Rest der Welt China

2006 20.662 11.623 1.567 1.716 746

2007 22.247 15.145 2.454 2.150 871

2008 23.912 16.754 3.456 2.833 985

2009 25.777 19.149 4.492 3.535 1.087

2010 27.577 20.749 5.592 4.235 1.237

3.136 2.123 1.962 1.558 571 194 153

3.125 2.726 2.389 1.746 788 287 276

3.180 3.736 3.317 2.216 1.021 384 405

3.465 4.850 4.051 2.229 1.560 563 725

3.715 5.850 5.651 2.379 2.060 803 1.025

11.575

16.818 13.926 6.050

25.129 17.467 12.020

35.064 21.484 25.805

42.064 26.642 37.805

2.604

Auffällig an Tabelle 1 ist, dass es insbesondere Länder mit einem Festpreissystem sind, die offensichtlich in der Lage sind, im nennenswerten Umfang Investitionen zu begünstigen. Bei den Ländern mit einem Mengenregulierungssystem muss man bedenken, dass Dänemark im Jahr 2004 von einem Festpreissystem zu einem Mengenregulierungssystem wechselte, was unmittelbar zu einem faktischen Stillstand des Aufbaus neuer Kapazitäten führte. Italien und Großbritannien weisen sehr hohe Preise für Windstrom und auf grüne Zertifikate auf, was ein Indiz für die Risikoprämie ist, die Investoren in preisvolatilen Märkten verlangen. Eine weitere dynamische Entwicklung ist möglich, insbesondere weil Windenergie eine der kostengünstigen Erzeugungsformen der Erneuerbaren Energien ist. Der Anteil des Stromverbrauchs, der durch Windenergie abgedeckt wird, liegt derzeit in Deutschland bei 16 %. Die spezifischen Investitionskosten für größere Windenergievorhaben haben in der Vergangenheit aufgrund des technischen Fortschritts deutlich abgenommen und betragen derzeit etwa 6,4 Cent/kWh an einem durchschnittlichen Binnenstandort in Deutschland. Im Jahr 2010 kostet ein MW installierte Leistung noch etwa 1,3 M€, wobei dann sämtliche Transaktionskosten mit eingerechnet sind. 1

Siehe hierzu auch die umfangreichen Ausführungen von DR. MANFRED DISTLER, beginnend ab Fachkapitel 2.2.2.

1.1 Einleitung

13

12.000

10.000

Wellenenergie Biomasse

Solarthermie Photovoltaik

Geothermie Windenergie

Wasserkraft

Nuklear

Öl und Diesel

Gas

Braunkohle

Kohle

8.000

6.000

4.000

2.000

0 2007

Abbildung 2:

2015

2020

2030

2040

2050

Prognose der globalen installierten Stromerzeugung in TWh pro Jahr

Für die Zukunft werden der Windenergie deutliche Potentiale zugeschrieben, wie die nachfolgende Abbildung 3 einer vorstellbaren Entwicklung eines Mix von Energieträgern zur Deckung des prognostizierten globalen Energiebedarfs zeigt.

12.000

10.000

Wellenenergie Biomasse

Solarthermie Photovoltaik

Geothermie Windenergie

Wasserkraft

Nuklear

Öl und Diesel

Gas

Braunkohle

Kohle

8.000

6.000

4.000

2.000

0 2007

Abbildung 3:

2015

2020

2030

Entwicklung der globalen Erzeugungskapazitäten in GW

2040

2050

14

1 Projektfinanzierung eines Windparks

Die Onshore-Windenergie weist dabei nach wie vor ein ungebrochenes Wachstumspotential aus. Dies gilt zum einen für die Länder, bei denen Onshore-Windenergie erst vor einigen Jahren Einzug gefunden hat, aber auch für die Länder, die seit nunmehr zwei Jahrzehnten Erfahrungen mit dieser Technologie aufweisen: Nach einer Studie des FRAUNHOFERINSTITUTS FÜR WINDENERGIE UND ENERGIESYSTEMTECHNIK (IWES) sind etwa acht Prozent der Fläche in Deutschland für Windenergie geeignet. Rechnet man lediglich mit einer Flächennutzung von 2 %, könnte eine Kapazität von 189 GW erreicht werden, was mehr als die Hälfte des Strombedarfs in Deutschland decken würde2. Regelmäßig werden Windvorhaben in Form einer Projektfinanzierung realisiert, da die Sponsoren eine Haftungsbeschränkung erreichen können. Dies gelingt aber nur, wenn die vom Projekt generierten Cashflows als so stabil und vorhersagbar angesehen werden können, dass auf eine Mithaft der Initiatoren über die gesamte Projektdauer verzichtet werden kann. Welche methodischen Besonderheiten bei einer Projektfinanzierung dabei zu beachten sind, stellen wir im folgenden Kapitel 1.2 vor.

1.2

Windenergie und Projektfinanzierung

Mehrheitlich werden Windenergievorhaben in Form von Projektfinanzierungen realisiert, sofern sie eine hinreichende technische Stabilität aufweisen und über ein zugeschnittenes Rechts- und Regulierungsumfeld verfügen. Bei einer Projektfinanzierung sind es das Vorhaben und dessen Cashflow, nicht aber ein bestimmtes Unternehmen, das für die Finanzierung gerade steht. Das Vorhaben muss daher ein geschlossener, in sich rechtlich, technisch und wirtschaftlich tragfähiger Kreis sein, der den Investoren eine glaubwürdige Aussicht auf eine angemessene Eigenkapitalverzinsung und den Fremdkapitalgebern ausreichende Sicherheit auf Rückführung des eingesetzten Kapitals bietet: Das Projekt muss sich selbst tragen, sich selbst finanzieren. Dies ist der Grundgedanke einer Projektfinanzierung. Für den Begriff der Projektfinanzierung finden sich in der Literatur unterschiedliche Definitionsansätze, wobei sich der von NEVITT/FABOZZI weitgehend durchgesetzt hat: Projektfinanzierung ist die Finanzierung eines Vorhabens, bei der ein Darlehensgeber zunächst den Fokus der Kreditwürdigkeitsprüfung auf die Cashflows des Projekts als einzige Quelle der Geldmittel, durch die die Kredite bedient werden, legt3.

2

J.-R. Zimmermann 2011, S. 37 f.

3

P. K. Nevitt; F.J. Fabozzi 2000, S. 1. Auch wenn durch die Definition eine klare Betonung auf die Rolle der Kreditgeber gelegt werden, wird im Folgenden die Methode der Projektfinanzierung aus dem Blickwinkel der verschiedenen Projektbeteiligten vorgenommen, da ihr effizientes Zusammenspiel entscheidend für den Erfolg einer Projektfinanzierung ist. Die deutliche Betonung der Rolle der Kreditgeber ist gleichwohl sinnvoll, da sie den mit Abstand größten Anteil an der Gesamtfinanzierung übernehmen sollen und damit ihre Akzeptanz dafür entscheidend ist, ob eine Projektfinanzierung zustande kommt oder nicht.

1.2 Windenergie und Projektfinanzierung

15

Aus dieser Definition werden regelmäßig drei Merkmale einer Projektfinanzierung abgeleitet, nämlich die Cashflow-Orientierung (Cash-Flow Related Lending), das Prinzip der Risikoteilung zwischen den Projektparteien (Risk Sharing) und die Verbuchung der Projektkredite in der Projektgesellschaft (Off-Balance-Finanzierung)4. Da die Cashflows die einzige Quelle der Kreditbedienung und Eigenmittelverzinsung sind, ergeben sich besondere Anforderungen an ihre Stabilität und Verlässlichkeit. Neben einer intensiven Risikoidentifikation geht es darum, nach ökonomischen Kriterien Risiken auf einzelne Projektbeteiligte zu verteilen. Im Anschluss erfolgt eine Risikoquantifizierung in Form eines Cashflow-Modells und eines Rating-Verfahrens, die u.a. darüber Auskunft geben, wieviel Fremdmittel einem Vorhaben zur Verfügung gestellt werden können, wie die Tilgungsstruktur aussehen sollte und welche weiteren Gestaltungselemente Einzug in die Struktur finden sollten. Die Erarbeitung einer Finanzierungsstruktur und die Möglichkeiten ihrer Optimierung sind ein Hauptthema des Fachkapitels 4.2. Dabei muss man sich bewusst sein, dass die jeweiligen Teilaspekte des Risikomanagementprozesses – Identifikation, Quantifizierung und Allokation von Risiken – nicht in einer gerichteten zeitlichen Abfolge geschehen, sondern miteinander wechselseitig in Verbindung stehen. Um die Aussagen zur Risikoquantifizierung angemessen würdigen zu können, ist es daher notwendig, die verschiedenen Teilaspekte eines Risikomanagements zu berücksichtigen. Dies werden wir – soweit nötig – in diesem Einführungskapitel tun und ansonsten auf die spezifischen Kapitel verweisen. Zum Verständnis des methodischen Ansatzes ist es hilfreich, kurz die Unterschiede zwischen einer Unternehmensfinanzierung und einer Projektfinanzierung zu skizzieren (Abbildung 6): Kommt eine Unternehmensfinanzierung zum Einsatz, wird ein Investitionsvorhaben als Teil des Unternehmens betrachtet. Die Bewertung des Investitionsvorhabens basiert auf der Kreditwürdigkeit des Gesamtunternehmens und nicht auf dem erwarteten Cashflow des Projekts an sich. Wird dagegen eine Projektfinanzierung realisiert, ist die Bewertung der Fremdkapitalgeber ausschließlich an die Fähigkeit des Projekts geknüpft, einen eigenen Cashflow zu generieren. Da die Sponsoren bei einer Projektfinanzierung eine unbegrenzte Haftung für das Fremdkapital ablehnen, wird für die Realisierung der Projekte die Gründung einer eigenständigen Projektgesellschaft durch die Sponsoren als Gesellschafter regelmäßig notwendig. Alleiniger Geschäftsgegenstand dieser Projektgesellschaft ist die Realisierung, also die Errichtung und der Betrieb des Projekts. Sie nimmt als Einzweckgesellschaft die Fremdmittel auf und haftet unbeschränkt mit ihrem Vermögen, so dass bei formaler Betrachtung ein Unternehmenskredit vorliegt. Materiell handelt es sich aber um einen Kredit für das konkrete Vorhaben. Die Kreditgeber erwarten die Rückzahlung des Kapitaldienstes allein aus dem Cashflow, der aus dem Projekt generiert wird. Als Sicherheit stehen allein die Aktiva und der Cashflow des Projekts als Haftungsmasse den Gläubigern zur Verfügung. Diese Haftungsmasse ist allerdings projekttypisch nur schwer verwertbar, was mit Blick auf die hohen Investitionsspezifika (Kraftwerke, Mobiltelefonienetze, Transportsysteme etc.) nicht näher erläutert werden muss. Daher wird im Krisenfall, in dem der Cashflow zur Bedienung des Kapitaldienstes 4

W. Schmitt 1989, S. 24.

16

1 Projektfinanzierung eines Windparks

Unternehmensfinanzierung

Projektfinanzierung

Kreditgeber

Kredit / Schuldendienst

Kreditgeber Kredit / Schuldendienst

Beschränkter (oder kein) Rückgriff

Eigenkapitalgeber = Sponsoren

Kreditnehmer Fremdkapital und Eigenkapital

Projekt (Verwendungszweck)

Abbildung 4:

Eigenkapital Projekt (Zweckgesellschaft) = Kreditnehmer 5

Vergleich Unternehmensfinanzierung und Projektfinanzierung

nicht ausreicht, nicht die Sicherheitenverwertung im Vordergrund stehen, sondern die Fortführung des Projekts, erforderlichenfalls unter finanziellen Opfern aller Beteiligter6. Da die Cashflows die einzige Quelle der Kreditbedienung und Eigenmittelverzinsung sind, ergeben sich besondere Anforderungen an ihre Stabilität und Verlässlichkeit. Neben einer intensiven Risikoidentifikation geht es darum, nach ökonomischen Kriterien Risiken auf einzelne Projektbeteiligte zu verteilen7. Im Anschluss erfolgt eine Risikoquantifizierung in Form eines Cashflow-Modells, das u.a. darüber Auskunft gibt, wieviel Fremdmittel einem Vorhaben zur Verfügung gestellt werden können, wie die Tilgungsstruktur aussehen sollte und welche weiteren Gestaltungselemente Einzug in die Struktur finden sollten. Dabei muss man sich bewusst sein, dass die jeweiligen Teilaspekte des Risikomanagementprozesses – Identifikation, Allokation und Quantifizierung von Risiken – nicht in einer gerichteten zeitlichen Abfolge geschehen, sondern miteinander wechselseitig in Verbindung stehen. Um die Aussagen zur Risikoquantifizierung angemessen würdigen zu können, ist es daher notwendig, die verschiedenen Teilaspekte eines Risikomanagements zu berücksichtigen, die in den verschiedenen Kapiteln dargestellt werden. Wesensmerkmal jeder Projektfinanzierung ist die Orientierung an den zukünftigen Cashflows und der Einbindung der Projektbeteiligten, woraus sich folgende Konsequenzen ableiten: 5

In Anlehnung an W. Schmitt 1989, S. 22.

6

J. Böttcher 2006, S. 130–133.

7

Siehe hierzu J. Böttcher 2009,S. 52–71.

1.2 Windenergie und Projektfinanzierung

17

1. Zunächst ist bei einer Projektbeurteilung ein besonderes Augenmerk auf die Faktoren zu legen, die den Cashflow beeinflussen. Als maßgebliche Cashflow-Determinanten für ein Projekt kommen namentlich die Beschaffungsseite, die Absatzmärkte, die Betriebskosten, die Finanzierungskonditionen und schließlich Einflussgrößen des öffentlichen Sektors in Betracht. 2. Die Aufteilung der Risiken auf die Projektbeteiligten erfolgt dabei normalerweise nach dem Grundsatz, dass die Vertragspartei das Projektrisiko übernehmen sollte, das sie aufgrund ihrer Geschäftstätigkeit am besten beurteilen und somit auch kontrollieren kann (Grundsatz der Kontrollfähigkeit). 3. Dieser Grundsatz der Risikoverteilung ist aber nur dann anwendbar, wenn außerdem der Grundsatz der Risikotragfähigkeit berücksichtigt wird: Es geht dabei um die Frage, ob die vertraglich verpflichteten Projektbeteiligten aufgrund ihrer Bonität und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auch in der Lage sind, ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Insofern beinhaltet jede Projektfinanzierung auch Bestandteile einer Unternehmensfinanzierung, da die zumindest partielle Risikoübernahme durch die Projektbeteiligten wesentlich für eine Projektfinanzierung ist und in jedem Fall auch eine Bonitätsbeurteilung dieser Risikoträger erforderlich macht, wie sie für Unternehmensfinanzierungen typisch ist. Die Bonität des Risikoträgers ist umso intensiver zu prüfen, je weitgehender sich ein Projektbeteiligter vertraglich gegenüber dem Projekt verpflichtet. Diesbezüglich wird auf die einschlägige Literatur der Kreditnehmerbeurteilung verwiesen. 4. Schließlich müssen zwingend die Anreizwirkungen der jeweiligen Vertragsgestaltung mit berücksichtigt werden. Aus einer Ex-post-Perspektive mag es dem Auftraggeber gleichgültig sein, wie ein gutes Projektergebnis erzielt wurde. Ex ante möchte er aber die Wahrscheinlichkeit eines guten Ergebnisses erhöhen, und das kann er nur, indem er Einfluss auf das Verhalten der beauftragten Partei nimmt. Könnte er ihn beobachten, würde er ihn durch entsprechende Anweisungen zu dem gewünschten Verhalten zwingen. Regelmäßig kann der Auftraggeber aber nicht kostenlos kontrollieren, ob seine Anweisungen befolgt wurden. Wesentlich ist daher, dem Auftragnehmer ein Anreizschema zu geben, das ihn aus eigenem Interesse zu dem gewünschten Verhalten anhält. Dafür muss er in aller Regel am Erfolg und auch am Risiko des jeweiligen Vorhabens beteiligt werden, und zwar unabhängig davon, über welche Risikotragfähigkeit er verfügt. Die methodischen Besonderheiten einer Projektfinanzierung – Fokussierung auf den Cashflow des Projektes, die Haftungsentlassung der Sponsoren nach erfolgter Fertigstellung und die explizite vertragliche Einbindung der verschiedenen Projektbeteiligten – führen dazu, dass dem Risikomanagement eines Windenergievorhabens eine besondere Bedeutung zukommt. Diese Teilaspekte skizzieren wir im folgenden Kapitel 1.3.

18

1 Projektfinanzierung eines Windparks

1.3

Risikomanagement bei Windenergievorhaben

In der betriebswirtschaftlichen Literatur existiert eine Vielzahl von Interpretationsvarianten für den Begriff des Risikos8. Risiko soll hier als Möglichkeit einer negativen Abweichung vom Planwert einer Zielgröße verstanden werden, da sie für jeden Beteiligten eine Verlustgefahr bedeutet9. Durch das Risikomanagement soll ein systematischer und erfolgsorientierter Ansatz zum Umgang mit Risiken erreicht werden. Dies gilt insbesondere für Projektfinanzierungen, da die Neuartigkeit und Einzigartigkeit jedes Projekts unbekannten Einflussfaktoren unterliegt, welche zu Risikopositionen führen10. Des Weiteren ergeben sich durch die zukunftsgerichtete Cashflow-Orientierung und die damit verbundene Rückgriffsbegrenzung auf die Sponsoren spezielle Anforderungen an das Risikomanagement, da hierdurch regelmäßig auch unternehmerische Risiken auf die Fremdkapitalgeber übertragen werden11. Die Bedeutung der Behandlung von Risiken im Zusammenhang mit einer Projektfinanzierung ergibt sich unmittelbar aus ihrem Charakter: Da es allein das Vorhaben ist, das als wirtschaftliche Basis für die angemessene Eigenkapitalverzinsung und die Bedienung des Kapitaldienstes dient, ist die Werthaltigkeit und die Robustheit des Projekts von entscheidender Bedeutung. Da das Projekt aber erst sukzessive entsteht, lässt sich die Wirtschaftlichkeit nur per Prognose bestimmen. Da die Perspektive in die Zukunft zunehmend unsicher ist, hat sich die Prognose mit dem Eintritt aller Arten von Einflüssen zu befassen, deren Wirkung auf das Projekt einzuschätzen und nach Wegen zu suchen, ob und inwieweit einzelne Projektbeteiligte bereit sind, das Projekt von Risiken freizuhalten. Dabei lassen sich die Erfolgsfaktoren von Windenergieprojekten wie folgt beschreiben: Tabelle 2:

Erfolgsfaktoren einer Projektfinanzierung im Bereich Windenergie

1.

Verlässlichkeit und Prognostizierbarkeit des Rechts- und Regulierungsumfeldes / Durchsetzbarkeit von Verträgen Einsatz nur von bewährter Technik 2. Angemessene Risikozuweisung zu einzelnen Projektbeteiligten 3. Rechnerische Wirtschaftlichkeit des Vorhabens 4. 4.1. Volatilitäten der Hauptrisikotreiber 4.1.1. Einzahlungen und Auszahlungen 4.1.2. Volatilitäten der Preise und Mengen 4.1.3. Makroökonomische Faktoren (i.w. Zinssatzentwicklung) 4.2. Unsicherheit über das Niveau der Prognose für die Cashflows, so genannte Banking Case Uncertainty (BCU) 4.3. Korrelationen zwischen den Hauptrisikotreibern, insbesondere zwischen den Kosten und Erlösen

Qualitative Projekt-Prüfung

CF-Modell / Rating-Tool Rating-Tool Rating-Tool Rating-Tool CF-Modell / Rating-Tool

8

Ausführlicher M. Hupe 1995, S. 43 ff.; D. Tytko 1999, S. 142 f.; H. Uekermann 1993, S. 23. Zum Risikobegriff aus technischer Sicht siehe P. Frohböse 2010, S. 13–16.

9

In Anlehnung an M. Hupe 1995, S. 46. In einem breiteren Begriffsverständnis wird unter Risiko die Gefahr verstanden, dass ein tatsächlich realisiertes Ergebnis vom erwarteten Ergebnis positiv oder negativ abweicht. Positive Abweichungen werden dann als „Chance“ bezeichnet, negative Abweichungen als „Risiko im engeren Sinn“. Dieser letztgenannten Interpretation des Risikobegriffs wollen wir hier folgen.

10

M. Hupe 1995, S. 43 ff.

11

K.-U. Höpfner 1995, S. 166 ff.

1.3 Risikomanagement bei Windenergievorhaben

19

Die ersten drei genannten Aspekte – Stabilität des Rechts- und Regulierungsumfeldes, Einsatz bewährter Technik und Risikoallokation – müssen bei jeder Projektfinanzierung vollumfänglich erfüllt sein. Sobald diese Anforderungen erfüllt sind, geht es letztlich um eine finanzielle Optimierungsaufgabe, die in Abhängigkeit von den Volatilitäten der verschiedenen Einflussgrößen zu lösen ist. Der erste Teil der Projektprüfung ist damit eher grundsätzlicher Natur, der zweite Teil Gegenstand der Risikoquantifizierung. Am Anfang des Einsatzes von Projektfinanzierungen steht die Frage nach der grundsätzlichen Geeignetheit der einzusetzenden Technik, die eine klare und langfristig stabile Energieproduktion garantieren muss. Derzeit erleben wir eine Unterteilung zwischen Onshore- und Offshore-Projekten. Da beide Teilbereiche deutlich unterschiedliche Risikoprofile aufweisen und auch im Rahmen der jeweiligen Regulierungssysteme regelmäßig unterschiedlich gefördert werden, ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an das jeweilig angemessene Risikokonzept, so dass diese beiden Teilbereiche auch gesondert dargestellt werden. Die Risiken bei Projektfinanzierungen können von Projekt zu Projekt hinsichtlich ihres Inhalts, ihrer Ursache, ihres Ausmaßes und ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit stark voneinander abweichen. Gleichwohl gibt es Gruppen von Risiken, die in gleicher oder ähnlicher Weise bei den meisten Projektfinanzierungen zu einer Gefährdung des Cashflows führen können und insofern Gegenstand des Risikomanagements sein müssen. Zur Visualisierung ist es häufig hilfreich, die Einflussgrößen der Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens darzustellen. Einnahmen

Betriebskosten

Finanzierungskosten

Preis

Energiemenge

Rechts- und Regulierungsumfeld

Ressourcenangeb Verfügbarkeit und ot am Standort Zuverlässigkeit der (Wind, Sonne, Technik Biomasse)

z.B. Betriebs- und Wartungskosten

Zins und Tilgung der Darlehen

Zuverlässig und vorhersagbar?

Einschätzung durch Gutachter

Grundlage: Schätzungen, Verträge und Erfahrungswerte

Weitgehende Fixierung bei Financial Close

Qualität der WEAs

Einflussfaktoren für die Wirtschaftlichkeit

Abbildung 5:

Einflussfaktoren für die Wirtschaftlichkeit

Eine zweckmäßige Unterteilung der Risiken kann so erfolgen, dass sie in Bezug auf ihre Inhalte und ihre Ursachen weitgehend überschneidungsfrei ist und auf die Möglichkeiten ihrer Beeinflussbarkeit durch die verschiedenen Projektbeteiligten abgestellt wird. Eine solche Gliederung erscheint sinnvoll, da sich in der Praxis unterschiedliche Maßnahmen herausgebildet haben, die die Risiken meist mit einem möglichst engen Bezug zu ihren Ursachen handhaben12. Daher wird im Folgenden unterschieden zwischen Risiken, die von der 12

Auch eine ökonomische Analyse der Vertragsbeziehungen legt eine derartige Verknüpfung von Risiko und Risikoträgerschaft nahe. Aus Effizienzgesichtspunkten ist es besser, wenn die Risikozuweisung auf den Risikoeintritt konditioniert ist. Siehe hierzu J. Böttcher 2009, S. 67–69.

20

1 Projektfinanzierung eines Windparks

Projektgesellschaft oder anderen Projektbeteiligten kontrolliert werden können (projektendogene Risiken) und solchen Risiken, die außerhalb der Projektbeteiligten auf das Projekt einwirken (projektexogene Risiken). Eine Besonderheit von projektexogenen Risiken stellen Risiken dar, die von keiner der am Projekt beteiligten Parteien kontrolliert werden können, so genannte Force Majeure-Risiken. Diese Unterteilung ist wirtschaftlich zweckmäßig, da die Methodik der Projektfinanzierung wesentlich darin besteht, belastbare Verträge zwischen der Projektgesellschaft und zentralen Projektbeteiligten zu strukturieren, die damit Risiken vom Projekt fernhalten. Dies erfordert die vertragliche Einbindung von Projektbeteiligten in das Projekt, oder anders formuliert: Endogene Risiken sind aus Sicht der Projektgesellschaft besser beherrschbar als exogene Risiken. Tabelle 3:

Übersicht über exogene und endogene Risiken

Endogene Risiken Fertigstellungsrisiko (Kapitel 3.2, Kapitel 2.3) Technisches Risiko i.e.S. (Kapitel 3.1) Managementrisiko (Kapitel 3.4) Absatzrisiko Betriebsrisiko (Kapitel 3.4 und 2.3) Abandonrisiko

Exogene Risiken Technisches Risiko i.w.S. Ressourcenrisiko (Kapitel 3.3) Zulieferrisiko Marktrisiko Vertragsrisiko (Kapitel 2.1, 2.3 und 2.4.) Wechselkursrisiko Rechts- und Regulierungsumfeld (Kapitel 2.2 und 2.3) Inflationsrisiko Zinsänderungsrisiko Force Majeure-Risiko

Wichtig ist: Es ist die Vertragsstruktur, die bei einzelnen Risikotypen darüber entscheidet, ob es sich um endogene oder exogene Risiken handelt: So überführt erst die vertragliche Verpflichtung des Abnehmers, Produkte der Projektgesellschaft zu einem bestimmten Preis, einer bestimmten Menge und Qualität abzunehmen, ein exogenes Marktrisiko in ein endogenes Absatzrisiko. Die wesentlichen Projektrisiken haben wir in Tabelle 3 dargestellt, wobei wir auch jeweils angegeben haben, in welchem Teilabschnitt dieses Buches diese Themen behandelt werden. In vielen Bereichen haben sich im Laufe der Zeit bestimmte Grundverteilungsregeln von Risiken etabliert. Da die Technik der Projektfinanzierung – mit unterschiedlichen Abstufungen – für bestimmte Bereiche, z.B. Offshore-Windenergieprojekten – aber verhältnismäßig neu ist, haben sich bestimmte Grundregeln noch nicht trennscharf herausgebildet und zwingen zu neuen Diskussionen über eine angemessene Zuordnung von Chancen und Risiken. Die verschiedenen Einzelrisiken können adressiert und durch Einbindung der verschiedenen Projektbeteiligten in ihren Auswirkungen auf das Projekt zumindest gemildert werden. Gleichwohl verbleiben Restrisiken, die über übergeordnete Sicherungssysteme aufgefangen werden müssen. Zu diesen Systemen zählen neben dem Aufbau einer effizienten Informationsstruktur vor allem die Entwicklung einer stabilen Projekt- und Finanzierungsstruktur. Folgendes Schaubild soll die Zusammenhänge verdeutlichen:

1.3 Risikomanagement bei Windenergievorhaben

21

Chance-Risikoprofil eines Projektes

Risiko Risikoinstrument und Risikoträger

Schaffung einer Interessengemeinschaft Endogene Risiken, z.B. Fertigstellungs- Betriebsrisiko Technologisches Risiko risiko z.B. Sponsoren, die Grundsatz: Einsatz nur z.B. bewährter Technik Fertigstellungs- auch als Betreiber auftreten garantie

Exogene Risiken, z.B.: Ressourcenrisiko Einschätzung durch Gutachter der Banken

Länderrisiko

Marktrisiko

Einschaltung von Take-or-PayExportkreditgesell Abnahmevertrag / gesetzliche schaften Abnahmepflicht

Versicherungen Voraussetzung: Abbau von Informationsasymmetrien

Restrisiken, die nicht einer Partei zugeordnet werden können

Kern: Quantifizierung von Projektrisiken Informationsebene: Verhältniszahlen informieren über die Projekt-Performance zu einem verhältnismäßig frühen Zeitpunkt

Abbildung 6:

Entwicklung einer Finanzierungsstruktur, die eine angemessene IRR bei akzeptabler Robustheit auch in einem Downside Szenario ermöglicht

Simulationsrechnung des sich ergebenden Cashflow-Modells typischerweise über ein separates Rating-Tool

Etablierung von anreizkompatiblen Verträgen, die die Projektbeteiligten dazu anhalten, den Projekterfolg zu verfolgen

Risikomanagementprozess bei einer Projektfinanzierung – Teil I

Für ein erfolgreiches Risikomanagement ist es wichtig, ausgehend von den identifizierten Risiken eines Projektes deren Auswirkungen auf die ökonomische Leistungsfähigkeit und Belastungsfähigkeit zu erfassen. Dadurch lassen sich Erkenntnisse für die Auswahl der risikopolitischen Maßnahmen und die erfolgreiche Bewältigung von Krisensituationen gewinnen. Hierzu bedarf es einer Risikoquantifizierung, die den Einfluss der einzelnen Projektrisiken auf den Cashflow abbildet. Erkennbar ist aber auch, dass das Thema Risikomanagement eines gemeinschaftlichen Antritts von Spezialisten aus Recht, Technik und Wirtschaft bedarf. Die Projektbeteiligten eines Vorhabens werden die Teilaspekte ihrer Einbindung in der Abbildung 6 wieder finden, aber erst durch ihr abgestimmtes Zusammenspiel lässt sich ein tragfähiges Projekt entwickeln und realisieren. Im Anschluss an diese allgemeine Darstellung zum Risikomanagementprozess werden wir im folgenden Kapitel 1.4 die verschiedenen Einzelrisiken skizzieren, die bei Windenergievorhaben von besonderer Bedeutung sind.

22

1.4

1 Projektfinanzierung eines Windparks

Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten

Wie eingangs beschrieben, erfordert eine erfolgreiche Projektfinanzierung eine angemessene vertragliche Einbindung der Projektbeteiligten. Das Grundprinzip eines an den Handlungsanreizen orientierten Risk Sharings bei einer Projektfinanzierung ist, der Partei das Risiko zuzuordnen, die den Risikoeintritt am besten beeinflussen kann. Bei risikoaversen Projektbeteiligten ist bei dieser Risikoübertragung allerdings der Trade-Off mit der vom jeweiligen Vertragspartner eingeforderten Risikoprämie zu berücksichtigen. Es gibt Fälle, in denen es sich nicht lohnt, Handlungsanreize zu setzen, weil die Prämie dafür zu hoch wäre. Im Ergebnis kommt es nicht auf einen maximalen, sondern auf einen optimalen Risikotransfer an, der gerade ausreicht, die gewünschten effizienten Handlungsanreize zu setzen. Wesentlich ist, der beauftragten Partei ein Anreizschema zu geben, das sie aus eigenem Interesse zu dem gewünschten Verhalten bringt. Dafür muss sie in aller Regel am Erfolg und damit auch am Risiko des jeweiligen Vorhabens beteiligt werden, und zwar unabhängig davon, über welche Risikotragfähigkeit sie verfügt. Die Vereinbarungen zur Risikoallokation bilden ein komplexes Anreizschema, das die Interessen der Projektbeteiligten harmonisieren und auf den Erfolg des Projekts ausrichten soll. Danach noch verbleibende Risiken können nach dem Kriterium der Risikotragfähigkeit verteilt werden, also z.B. an Versicherungen ausgelagert werden oder bei den Kapitalgebern verbleiben. Zunächst kommt es aber darauf an, eine Vertragsstruktur zu finden, bei der sich alle Beteiligten für das Projekt einsetzen. Welche Verträge sich hierfür eignen, hängt davon ab, was zum Verhalten der einzelnen Parteien gerichtsfest feststellbar ist. In diesem Kapitel werden die branchenspezifischen Besonderheiten von WindenergieVorhaben mit dem traditionellen Risikomanagementprozess einer Projektfinanzierung verzahnt. Die Darstellung ermittelt für verschiedene Formen von Windenergieprojekten das jeweilige Risikoprofil und beschreibt geeignete Maßnahmen zur Risikobewältigung. Das Kapitel endet mit einer bewertenden Zusammenfassung der betrachteten Einzelrisiken (Kapitel 1.4.7). In Kapitel 4.3 erfolgt die Risikoquantifizierung, bei der die zuvor dargestellten Risikopotentiale der Einzelrisiken ganzheitlich untersucht werden und unter diesen Aspekten eine tragfähige Finanzierungsstruktur entwickelt wird. Die Risikoquantifizierung erfolgt anhand eines Fallbeispiels.

1.4.1

Das Ressourcenrisiko – Abschätzung des Energieertrages

Von zentraler Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit eines Windenergievorhabens ist eine realistische Prognose seines Energieertrages. HERBERT SCHWARTZ wird dieses zentrale Thema in Fachkapitel 3.3 behandeln.

1.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten

23

Das Windangebot an einem Standort ist für die Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens, aber auch für die Auslegung der Anlagen zentral. Dies gilt insbesondere aufgrund der physikalischen Gesetzmäßigkeit, dass die aus dem Wind zu gewinnende Energiemenge unter idealen Bedingungen mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit zunimmt: Verdoppelt sich etwa die Windgeschwindigkeit, verachtfacht sich die theoretisch mögliche Energieausbeute. Tabelle 4:

13

Abhängigkeit der Energieproduktion von der Windgeschwindigkeit

WindgeschwinEnergieproduktion Relative digkeit, bezogen eines 10 MW- Energieproduktion, auf 6 m/s Windparks * bezogen auf 6 m/s 5 83,33 11.150 62,94 6 100,00 17.714 100,00 7 116,67 24.534 138,50 8 133,33 30.972 174,84 9 150,00 36.656 206,93 10 166,67 41.386 233,63 3 * Luftdichte: 1,225 kg/m ; Verluste von 12 %, Raleigh-Wind-Verteilung Windgeschwindigkeit in m/s

Relative Kapitalkosten, bezogen auf 6 m/s 100 100 102 105 110 120

Dass dies ein theoretischer Wert ist, zeigt sich bereits an der obigen Tabelle 4. Die alleinige Kenntnis der durchschnittlichen Windgeschwindigkeit sagt zunächst wenig über die zu erzielende Jahresenergieproduktion aus, sondern muss um eine Reihe von zusätzlichen Informationen ergänzt werden. Gleichwohl kommt einer präzisen und zuverlässigen Abschätzung des Windangebots am Standort eine überragende Bedeutung zu. Dabei gibt es zwei grundsätzliche Unsicherheiten: Das Ressourcenrisiko, also die durch den Wind erzielbare Energieproduktion, und die Unsicherheit dieses Berechnungsergebnisses („Gutachtenrisiko“). Beispielhaft können Unsicherheiten an einem Standort wie in Tabelle 5 ausgewiesen werden: Tabelle 5:

Beispiele einer Unsicherheitsbewertung

Ergebnisunsicherheit im Energieertrag Gesamtunsicherheiten plausibilisierte Windklimatologie Berechnungsunsicherheiten bei Übertragung auf WEA-Standorte innerhalb des Windparks Unsicherheiten der Leistungskurve Unsicherheiten der Parkwirkungsgradberechnung Gesamtunsicherheit für Langjahresenergieertrag

10 % 2% 10 % 3% 14,6 %

Innerhalb der Unsicherheitsberechnung wird angenommen, dass die jeweiligen Teilunsicherheiten voneinander unabhängig sind, so dass die Gesamtunsicherheit über die Quadratwurzel bestimmt wird. Viele Banken verlangen, dass die Gesamtunsicherheit nicht einen Wert von 20 % überschreitet. Spätestens in einem solchen Fall müsste eine Reduzierung der Unsicherheit angestrebt werden, etwa durch den Einbezug weiterer Standortmessungen oder einen längeren Zeitraum von Messdaten14. 13

14

EWEA (Hrsg): Wind Energy – The Facts, Technology, S. 47. Allerdings würde sich auch vorher schon empfehlen, diese Unsicherheit zu reduzieren, da der ermittelte Wert Eingang in die Rating-Verfahren der Banken findet. Je geringer die Unsicherheit ausfällt, desto besser wird in der Tendenz das Rating ausfallen.

24

1 Projektfinanzierung eines Windparks

Beim Ressourcenrisiko soll auf einige Besonderheiten hingewiesen werden. Eigenkapitalgeber und Fremdkapitalgeber haben ein weitgehend gleichgerichtetes Interesse daran, die Ressourcenqualität zuverlässig einzuschätzen: Je höher die Überdeckungsrelationen aus Sicht der Fremdkapitalgeber sind, umso wirtschaftlicher ist das Vorhaben auch aus Sicht der Eigenkapitalgeber. An dieser Einschätzung ändert sich auch wenig, wenn die unterschiedlichen Ausgangspunkte – Sponsors Case (Eigentümer) bzw. Banking Case (Fremdkapitalgeber) – berücksichtigt werden. Eine Überschätzung der Standortqualität führt tendenziell zu einer höheren Fremdmittelausstattung, als sie das Projekt verträgt. Konsequenz ist, dass die Wahrscheinlichkeit zunimmt, dass das Vorhaben den Kapitaldienst nicht wie geplant bedienen kann und es zu einer Restrukturierung kommt, die meist langwierige Verhandlungen und Zugeständnisse von beiden Seiten nach sich zieht. Deutlich anders ist die Ausgangslage, wenn ein Projektentwickler ein Vorhaben an die Eigenkapitalgeber vor oder bei der Fertigstellung verkaufen will, wie es für einen hohen Anteil deutscher Windenergieprojekte typisch ist. In dieser Konstellation besteht ein Anreiz für den Entwickler, die Projektqualität zu überschätzen, da er damit einen höheren Verkaufspreis realisieren kann15. Dies muss nicht passieren, aber eine Ursache für die Probleme bei der Platzierung von deutschen Windenergieprojekten etwa in den Jahren 2002 und 2003 bestand auch darin, dass die Erwartungen der Investoren durch die realisierten Daten mit Blick auf zum Teil überoptimistische Gutachten enttäuscht worden sind. Angesichts der herausragenden Bedeutung des Ressourcenrisikos für die Wirtschaftlichkeit eines Windenergieprojektes verwundert es, dass es offensichtlich nach wie vor eine Reihe von Verbesserungsmöglichkeiten gibt, die aber bislang noch nicht genutzt worden sind16. Vielleicht können hier zwei Überlegungen als partielle Erklärungsansätze dienen: Zunächst einmal sind es die Kapitalgeber von Projekten, die in ihrer jeweiligen Gruppe in einem intensiven Wettbewerb um Projekte stehen. Dabei muss man die Investoren und die Banken unterscheiden: Der Wettbewerb bei den Investoren ist dabei dadurch gekennzeichnet, dass sich Nachfragegruppen beständig verändern und ihr Erfahrungshintergrund unterschiedlich einzuschätzen ist. Betrachtet man allein die wichtigsten Investorengruppen im Bereich Onshore-Windenergie der letzten 20 Jahre, wird man nacheinander Landwirte, lokale Investoren („Bürgerwindparks“), private Fondszeichner, ausländische Privatinvestoren und institutionelle Investoren anführen können. Zum Zeitpunkt ihres Markteintritts waren die jeweiligen Newcomer vielfach noch nicht hinreichend mit der Asset-Klasse Windenergie vertraut, hatten aber den festen Willen oder die geschäftspolitische Vorgabe, genau in diesen Bereich zu investieren, so dass die Risikoprüfung nicht umfassend genug ausfiel. Damit waren insbesondere die Newcomer empfänglich für das Akzeptieren von Risiken, die sie bei fairer Kenntnis der Sachlage nicht eingegangen wären. Normalerweise würde man erwarten, dass bei etablierten Märkten und erfahrenen Marktteilnehmern ein gewisser einheitlicher Standard der Risikoeinschätzung und des Risikomanagements vorliegt, wie es der Ansatz von AKERLOF nahelegt. Das Konzept des Signalling und Screening scheitert aber dann, wenn auf derartige Maßnahmen des Abbaus der Informationsasymmetrien kein Wert gelegt wird, anders ausgedrückt: sich die Erwartungen über eine durchschnittliche Projektqualität erst 15

16

Wiederum besteht ein Principal-Agent-Problem, das zu einem Marktversagen führen kann. Siehe hierzu die Ausführungen von HERBERT SCHWARTZ ab Kapitel 3.3.

1.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten

25

noch bilden müssen. Bei den fremdfinanzierenden Banken liegen die Dinge ein wenig anders: Viele haben langjährige Erfahrung bei der Finanzierung von Windenergieprojekten. Allerdings ist ihre Chance-Risikoposition wesentlich auf eine Verlustvermeidung ausgelegt. Solange der Risikopuffer der Projekte ausreichend dimensioniert ist, die verschiedenen Risiken aufzufangen, mag es der Bank egal sein, welches Risiko schlagend wird, auch wenn dies nicht ursachenadäquat ist. Weiter gibt es eine Reihe von Ansätzen, eine breitere und qualitativ höherwertige Prognosequalität zu erreichen. Diese können dann scheitern, wenn die Prognosedaten ein öffentliches Gut darstellen, was bedeutet, dass niemand von seiner Nutzung ausgeschlossen werden kann und auch keine Rivalität im Konsum besteht. In diesem Fall ist ein Marktversagen wahrscheinlich, da kein Nutzer bereit sein wird, Geld für etwas auszugeben, was er alternativ auch kostenlos als Trittbrettfahrer erhalten kann. Einem privaten Anbieter bleibt dann nur die Möglichkeit, derartige Prognosedaten auf eigene Kosten zu ermitteln und zu hoffen, dass er genug private Abnehmer finden wird, die seine Daten erwerben werden17. Die Einschätzung des an einem Standort zu erwartenden Energieangebotes basiert auf Windgutachten oder Windmessungen, Erfahrungen über die Verfügbarkeit, zu erwartende Netzverluste aufgrund der notwendigen Umspannung und Leitungsverluste aufgrund des Stromtransports vom Windpark zum Netzeinspeisepunkt. Regelmäßig werden von den Banken mindestens zwei Gutachten unterschiedlicher Windgutachter eingefordert. Der Prozess der Erstellung eines Ertragsgutachtens kann wie folgt ablaufen18: 1. Vorbereitung und Analyse: Inspektion des Standortes und Messung am Standort, 2. Durchführung: Analyse der Messdaten und Abgleich mit Langzeitmessungen und 3. Überführung in Energieerträge: Simulation der Leistungskurven und Unsicherheitsanalyse. Es erscheint überraschend, aber trotz zunehmender Professionalisierung der Branche und einer breiteren Datenbasis besteht eine Reihe von Problemen bei der Ertragsprognose. Wichtige Gründe sind in diesem Zusammenhang, dass 1. zunehmend auch Standorte erschlossen werden, die eher windschwach sind oder in Waldgebieten gelegen sind. Diese weisen Charakteristika auf, die eine differenzierte Interpretation der Ertragsdaten erforderlich machen. 2. Weiter sind selbst große Anemometermasten nur sehr selten höher als 80 Meter, allerdings ist die Nabenhöhe moderner Anlagen regelmäßig größer. Der Gutachter steht dann vor der Aufgabe, einen geeigneten Skalierungsfaktor zu finden, um das Windpotential der wesentlich größeren Anlage abzuschätzen (so genanntes „wind shear profile“). Dabei können sich Unterschiede im Jahresenergieertrag von mehreren Prozentpunkten ergeben. Zur Planung und Durchführung von Windmessungen haben renommierte Gesellschaften (u.a. die IEA, MEASNET) Empfehlungen herausgegeben, nach denen die Erstellung von 17

Siehe hierzu Kapitel 3.3.4 und die folgenden Kapitel.

18

Bei all diesen Prozessstufen ist der Langzeitbezug zum Gelände und zur Nabenhöhe herzustellen, bevor der Ertrag berechnet wird.

26

1 Projektfinanzierung eines Windparks

Ertragsgutachten erfolgen sollte. Insgesamt ist die Abschätzung des Jahresenergieertrages gerade bei Windenergieprojekten eine anspruchsvolle Aufgabe, die vom Gutachter viel Erfahrung und Verantwortung verlangt. Neben dem oben beschriebenen Gutachterrisiko spielt das Ressourcenrisiko die herausragende Bedeutung bei der Wirtschaftlichkeit eines Standortes. In der folgenden Abbildung haben wir die Entwicklung der durchschnittlichen Windgeschwindigkeit in MALIN HEAD, einem Standort in Irland, dargestellt. 9,3

Jährliche Windgeschwindigkeit in m/s

9,1 8,9 8,7 8,5 8,3 8,1 7,9 7,7 7,5

Abbildung 7:

Durchschnittliche Windgeschwindigkeit in m/s am Standort Malin Head

19

Erkennbar ist, dass die durchschnittliche Windgeschwindigkeit an dem Standort wesentlich schwankt, und zwar in einer Spanne zwischen 7,77 m/s und 9,16 m/s. Die Standardabweichung der Windgeschwindigkeit liegt bei 4,5 %. Daraus ergibt sich ebenfalls, dass auch eine vollständig korrekte Windmessung an einem Standort über einen Zeitraum von einem Jahr zu einer deutlichen Fehleinschätzung des Jahresenergieertrages führen kann, wenn dieses Messjahr als repräsentativ für den gesamten Zeitraum angenommen wird. Daher erfolgt im Regelfall ein Abgleich der physikalischen Messdaten mit langfristigen Winddaten, die üblicherweise von einer Referenzstation stammen. Referenzgrößen sind dabei zunächst die Messdaten am Standort während der Messkampagne. Wenn sichergestellt werden kann, dass diese Messdaten eine hohe Korrelation mit Langzeitmessungen eines Referenzstandortes aufweisen, können über die langfristigen Referenzwerte auf die langfristigen erwarteten Werte am Standort geschlossen werden können. Dieses so genannte MCP-Verfahren (measure, correlate, predict) kann bei einer hohen Korrelation recht gut funktionieren, allerdings auch zu einer deutlichen Fehleinschätzung des Energieertrages führen. Auf weitere Probleme des Verfahrens weist HERBERT SCHWARTZ in seinem Beitrag (Kapitel 3.3) hin. 19

EWEA 2009, S. 44.

1.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten

27

Die Fehleinschätzung der Windgeschwindigkeit kann insbesondere bei Binnenstandorten noch größer werden, da windschwächere Standorte eine höhere Reagibilität auf Schwankungen der Windgeschwindigkeit aufweisen. Auf Grund der eingangs beschriebenen physikalischen Gesetzmäßigkeit weist die damit erzielbare Jahresenergieproduktion aber deutlich größere Schwankungen auf.

39000 37000 35000 33000 31000 29000 Jährliche Energieproduktion in kWh

27000 25000

Abbildung 8:

Jährliche Energieproduktion in kWh am Standort Malin Head

Zwar ist der Verlauf der Energieproduktion hoch korreliert mit der Windgeschwindigkeit, aber die Standardabweichung der Energieproduktion liegt nunmehr bei 7,3 %. Bei einem Mittelwert von 32,85 GWh ergibt sich eine Spanne des Jahresenergieertrages zwischen 29,5 GWh und 37,4 GWh. Zum Teil gibt es auch Windparks, die noch höhere Schwankungen in der Jahresenergieproduktion aufweisen, allerdings geht eine Reihe von Branchenexperten davon aus, dass die Standardabweichung des Energieangebotes in einer Größenordnung von etwa 6 % liegt20. Dabei ist zu berücksichtigen: Eine Fehleinschätzung von 10 % der Windgeschwindigkeit an einem schwächeren Windstandort kann durchaus zu einer Fehleinschätzung des Jahresenergieertrages von 20 % resultieren. Im Quervergleich etwa mit Solarvorhaben zeigt sich, dass Windvorhaben eine deutlich größere Schwankungsbreite beim Ressourcenrisiko aufweisen. Die Erkenntnisse von HERBERT SCHWARTZ legen des Weiteren nahe, dass ein pauschaler Risikoabschlag auf den Jahresenergieertrag, wie er meist von den Banken vorgenommen wird, nicht sachgerecht erscheint und durch einen an den Charakteristika des Standortes orientierten, differenzierten Ansatz abgelöst werden sollte. 20

EWEA 2009, S. 54.

28

1.4.2

1 Projektfinanzierung eines Windparks

Das Funktionsrisiko – Bewährte Technologie?

Mit Hilfe einer Windenergieanlage wird die Strömungsenergie des Windes in mechanische bzw. elektrische Energie umgewandelt. Zentrales Bauelement ist der Rotor, der von der umströmenden Luft in Bewegung gesetzt wird. Es werden zwei Wirkprinzipien unterschieden: Bei dem bereits bei den ersten Windmühlen verwendeten einfachen Widerstandsläufer wird eine geometrische Fläche dem Wind entgegengehalten. Mit diesem Prinzip können maximal 12 % der Strömungsenergie gewonnen werden. Der effizientere Auftriebsläufer hingegen nutzt die aerodynamischen Auftriebskräfte einer Flügelform zur Erzeugung einer Drehbewegung und kann damit mit heutiger Technologie einen Wirkungsgrad von bis zu 50 % erzielen, was bereits nahe an dem physikalischen Limit von 59 % liegt (so genannte BETZGrenze). Der Rotor ist über eine Welle und in der Regel über ein Getriebe mit einem Generator verbunden, der entweder direkt oder über eine Leistungselektronik Strom in das Netz einspeist. Die Leistung einer Windenergieanlage steigt mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit, die wiederum mit der Höhe über dem Boden zunimmt und allgemein von der Beschaffenheit des Geländes abhängt. Kleinere WEA werden meist durch eine Windfahne von selbst in den Wind gedreht, während größere Anlagen die Gondel mit geregelten Elektromotoren aktiv der Windrichtung nachführen. Bei der Leistungsregulierung von WEA werden zwei Prinzipien unterschieden: Bei der einfachen Stall-Regelung erfolgt die Leistungsbegrenzung bei Erreichen der Nenndrehzahl und Nennleistung automatisch durch konstruktionsbedingten Strömungsabriss (so genannter Stall-Effekt) an den Blättern. Bei größeren Anlagen wird jedoch meist eine Pitch-Regelung eingesetzt, bei der die Blattflügel elektromotorisch um ihre eigene Achse gedreht (gepitcht) werden können. Auf diese Weise kann abhängig von der Windgeschwindigkeit immer der günstigste Blattanstellwinkel eingehalten werden, so dass die Leistungsabgabe im Volllastbetrieb und im Teillastbetrieb bessere Stromerträge einfahren können. Die Anlaufgeschwindigkeit einer WEA beträgt ca. 3 bis 4 m/s. Bei Nennwindgeschwindigkeit (ca. 12–16 m/s) gibt sie ihre maximale Leistung (Nennleistung) ab, die in etwa konstant gehalten wird bis zum Erreichen der Abschaltgeschwindigkeit (d.h. etwa bei 25 m/s). Dann muss aus Schutz vor mechanischer Überlastung der Rotor gebremst oder stillgesetzt und ggf. die Blätter aus dem Wind gedreht werden. Bereits Mitte der 80er Jahre wurde in Deutschland mit „GROWIAN“ eine für damalige Verhältnisse mit 3 MW Leistung außergewöhnlich große Experimentalanlage in Betrieb genommen. Wegen Dauerfestigkeitsproblemen wurde sie jedoch wenige Jahre später wieder abgebaut. Letztendlich gelang der Durchbruch bei der Windenergienutzung erst mit einer evolutionären, stufenweisen Entwicklung und Vergrößerung der Anlagentechnik, ausgehend von Leistungsgrößen zwischen 50 und 100 kW. Die folgende Abbildung verdeutlicht den technischen Fortschritt, der bei neuen WEA in Bezug auf Leistung, Größe und insbesondere Ertrag erzielt werden konnte: Im Zeitraum von 1985 bis 2005 konnte die Leistung von WEA um das 60-Fache und ihr Ertrag sogar um das 180Fache gesteigert werden.

1.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten

29

12

10

8

Nennleistung neu installierter WKA (in kW) Rotordurchmesser Nabenhöhe

6

Jahresenergieproduktion in MWh

4

2

0 1980

Abbildung 9:

1985

1990

1995

Relative Entwicklung einzelner Parameter im Windenergie-Bereich

2000

2005

21

Die Leistungssteigerung der Windenergieanlagen hat dabei zu einer wesentlichen Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Anlagen geführt22, die die Windenergie an Hochwindstandorten in die Lage setzt, Strom auch im Wettbewerb zu konventioneller Stromerzeugung wettbewerbsfähig produzieren zu können. Die EWEA schätzt, dass Windenergie an Hochwindstandorten kostendeckend einen Vergütungssatz zwischen 4 bis 5 € Cent/kWh verlangt, und an windschwächeren Standorten von bis zu 8 € Cent/kWh23. Bei einer derartigen Abschätzung muss man immer vor Augen haben, dass sich die Anlagenpreise gerade im Bereich der Erneuerbaren Energien sehr dynamisch innerhalb der letzten Jahre entwickelt haben: Steigende Rohstoffpreise führten etwa 2006 und 2007 zu einem deutlichen Anstieg der Turbinenpreise, so dass sich die obigen Preise nach oben entwickelten. Abzuwarten bleibt, wie sich der Turbinenmarkt im weiteren Gefolge der Finanz- und Wirtschaftskrise und dem sich anschließenden Aufschwung weiter entwickeln wird. Die Anforderung, lediglich bewährte Technik zu verwenden, stellt im Bereich Windenergie eine besondere Herausforderung dar. Ein erstes Beispiel hierfür ist die Entwicklung der Nennleistungen bei neu installierten Windkraftanlagen in Europa: 21

Die Werte des Jahres 1995 wurden jeweils auf 100% gesetzt, so dass die Abbildung die relative Entwicklung in Bezug auf dieses Jahr abbildet. Die absoluten Werte für 1995 lauten: Nennleistung: 250 kW, Rotordurchmesser: 30 m, Nabenhöhe: 50 m und Jahresenergieproduktion: 400 MWh. BTM Consult Update 03/2008.

22

Von Branchenexperten wird eine Effizienzverbesserung zwischen 2 und 3 Prozent pro Jahr während der letzten 15 Jahre geschätzt.

23

EWEA, Wind Energy – The Facts, S. 8. Die Vergleichsrechnung ging dabei von Turbinenpreisen von 1,1 M€ pro MW sowie einem Abzinsungszinssatz von 7,5% aus.

30

1 Projektfinanzierung eines Windparks

1800 1600 1400

Ø Nennleistung neuer WEA in Europa

1200 1000 800 600 400 200

19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 20 01 20 02 20 03 20 04 20 05 20 06 20 07

0

Abbildung 10:

Durchschnittliche Nenn-Leistung neuer Windkraftanlagen in kW

24

Erkennbar ist, dass sich die durchschnittliche Nennleistung von neu installierten Anlagen innerhalb des letzten Jahrzehnts fast kontinuierlich erhöht hat, was zum einen mit erhöhten Materialanforderungen, zum anderen aber auch mit höherem Energieertrag einhergeht. Das Problem stellt sich für die Kreditgeber darin, dass sie Anlagen finanzieren sollen, für die es erst Erfahrungswerte von wenigen Jahren gibt, sie andererseits ihren Kredit – bei einer typischen Finanzierungsstruktur – erst vollständig nach 15 Jahren zurückgezahlt erhalten. Der Einsatz wird insoweit möglich, als zum einen Null-Serien durch den Hersteller getestet werden, um Verbesserungen zu ermöglichen und einen gewissen Track Record vorzuweisen. Andererseits handelt es sich um graduelle Weiterentwicklungen bewährter Technologie und zumeist nicht um ein vollständig neues Technik-Konzept25. Die technische Verfügbarkeit von Windenergieanlagen hat erheblichen Einfluss auf die produzierte Strommenge. Eine Reduzierung der Verfügbarkeit um 1 % hat eine Reduzierung der Erlöse um 1 % zur Folge. Vor diesem Hintergrund bieten die Anlagenlieferanten regelmäßig eine Verfügbarkeitsgarantie an, die meist zwischen Werten von 95 % und 98 % schwankt. Kommt es in der Startphase eines Projektes zu technischen Problemen, sind diese häufig nicht trennscharf von dem Fertigstellungsrisiko abzugrenzen. Dies ist insoweit relevant, als regelmäßig unterschiedliche Verpflichtete für das eine oder das andere Risiko eintreten. Das Fertigstellungsrisiko betrachten wir im folgenden Kapitel. 24 25

EWEA 2009, S. 41. Allerdings müssen die Kreditgeber gegenüber der Argumentation, es handele sich um eine Modifikation bewährter Technologie, vorsichtig sein. Gerade bei Projektfinanzierungen, die hierauf vertraut haben, haben sich teils erhebliche Probleme ergeben, sei es, weil das Zusammenwirken unterschiedlicher Anlagenkomponenten nicht funktioniert hat oder weil bestimmte Einsatzstoffe zum ersten Mal großindustriell bei einem Projekt eingesetzt worden sind.

1.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten

1.4.3

31

Das Fertigstellungsrisiko – Einbindung eines Generalunternehmers

Das Fertigstellungsrisiko beinhaltet alle Risiken und die daraus folgenden Verluste, die realisiert werden, wenn die Projektanlage nicht mit vertragsgerechter Leistung, verzögert, zu höheren Kosten oder gar nicht fertig gestellt wird26. Das Fertigstellungsrisiko sollte bei Onshore-Windenergievorhaben im Regelfall gut zu handhaben sein. Allerdings sind die Besonderheiten des Geländes zu berücksichtigen, die sich im Transport, der Gründung und der eigentlichen Errichtung als unterschiedlich schwierig erweisen können. Das genannte Risiko kann erhebliche Auswirkungen auf das Projekt haben und im schlimmsten Fall den wirtschaftlichen Betrieb unmöglich machen und somit zum Abbruch des Projektes führen. Da die Banken eine Projektfinanzierung nur bei ausreichend hohem und stabilem Projekt-Cashflow gewähren werden, verlangen sie bei Identifizierung eines solchen Preisrisikos in der Regel eine umfangreiche Haftung eines der Projektbeteiligten, der für den ggf. entstehenden Schaden aufkommen muss. Um dem Fertigstellungsrisiko entgegenzuwirken, sind eine Reihe von Verträgen entwickelt worden, die dieses Risiko – in unterschiedlichem Umfang – Sponsoren, Kreditnehmern und Anlagenlieferanten zuweisen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass bei Verfehlen eines Stichtages, der zu einem bestimmten Tarif berechtigt, eine Strafzahlung vereinbart wird, die die Mindereinnahmen kompensiert. Dabei kann die Pönale so gewählt werden, dass die Belastbarkeit des Vorhabens aus Banksicht konstant bleibt. Grundsätzlich können die üblichen finanziellen Möglichkeiten, die Folgen eines Fertigstellungsrisikos zu begrenzen, wie in Tabelle 6 dargestellt klassifiziert werden. Tabelle 6:

Gegenstand:

Umfang bzw. Form:

Verteilung von Fertigstellungsrisiken auf die Kapitalgeber Fertigstellungsgarantien Die Sponsoren stehen solange für die Rückführung der Kredite ein, bis das Projekt fertiggestellt ist. Der Umfang der Fertigstellungsgarantie kann sich auf den Gesamtbetrag der Projektkredite oder auch nur auf einen bestimmten Prozentsatz beziehen.

Nachschussverpflichtung Werden die geplanten Kosten überschritten, verpflichten sich Sponsoren oder Kreditgeber, dem Projekt zusätzliches Eigenkapital oder Fremdkapital zur Verfügung zu stellen. 1.

2.

Completion Undertaking: Die Sponsoren müssen so lange weiteres Kapital zuführen, bis die Fertigstellung erreicht ist. Ist diese Verpflichtung unbegrenzt, entspricht dies wirtschaftlich einer Fertigstellungsgarantie Pool-of-Funds-Vereinbarung: Ökonomisch handelt es sich um eine betragsmäßig begrenzte Nachfinanzierungsverpflichtung der Sponsoren.

Wegen des sehr weit reichenden Umfangs einer Fertigstellungsgarantie einerseits und den bei der Projekterstellung häufig kaum überschaubaren Risiken andererseits werden häufig Regeln vereinbart, die die Verpflichtungen des Garanten beschränken. 26

J. Böttcher 2009, S. 73–79.

32

1 Projektfinanzierung eines Windparks

Im Regelfall der Limited-Recourse-Finanzierung wechselt die Risikotragung mit der Fertigstellung der Anlage: Waren bis dahin die Sponsoren oder der Anlagenbauer für die Fertigstellung verantwortlich und zumindest teilweise auch den Kreditgebern gegenüber verpflichtet, ist es im Anschluss nur noch das Projekt, das sich damit zu einer Non-Recourse-Projektfinanzierung wandelt27. Diese zeitliche Haftungsbeschränkung der Sponsoren ist der wesentliche ökonomische Grund für diese, eine Projektfinanzierung statt einer Unternehmensfinanzierung zu wählen. Da dieser Haftungswechsel für die Risikoallokation entscheidend ist, wird regelmäßig große Sorgfalt darauf verwandt zu definieren, wann „Fertigstellung“ erreicht ist28. Im Regelfall wird die Fertigstellung durch einen unabhängigen Gutachter festgestellt, der neben der Feststellung der Errichtung auch bestimmte Leistungstests vornimmt. Nach dieser Skizzierung des Themas Fertigstellung wenden wir uns nunmehr dem Betriebsrisiko zu.

1.4.4

Das Betriebs- und Managementrisiko

Unter dem Betriebs- und Managementrisiko werden alle Gefahren verstanden, die zu Unterbrechungen oder sogar zum Stillstand der Anlage führen können. Die Ursachen für ein Betriebs- und Managementrisiko liegen in der Regel in Fehlern bei der Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle von Betriebsabläufen (z.B. logistische Schwachstellen oder Fehlkalkulationen) oder in einer fehlerhaften Bedienung sowie mangelhafter Wartung und Instandhaltung durch das Anlagenpersonal. Das Betriebsrisiko ist eng mit dem technischen Risiko verbunden. Letztlich ist von dem Betrieb der Anlage abhängig, wie die Komponenten belastet werden und die Langfrist-Performance des Projektes ausfällt. Aufgrund der besonderen Bedeutung eines qualifizierten Betriebsmanagements wird sich DIRK BAUMGART in Kapitel 3.4 mit dem Betrieb von Onshore-Windparks beschäftigen. Häufig lässt sich das Betriebs- und Managementrisiko auch auf die Unerfahrenheit des Managements selbst zurückführen29. Selbst die Einstellung erfahrenen Personals garantiert noch keine gute Betriebsführung. Bei komplexen Projekten ist neben der reinen Qualifikation wichtig, dass das Team gut zusammenarbeitet und richtig in das Projekt eingewiesen ist.

27

Für die Projektprüfung bedeutet dies: Die Fremdkapitalgeber müssen sich nicht nur über die Tragfähigkeit des Projektes aufgrund seines erwarteten Cashflow-Stroms in der Betriebsphase Gedanken machen, sondern sich bis zum Abschluss der Fertigstellungsphase in ihren Analysen auf die Bonität der Sponsoren konzentrieren. Dabei muss man auch vor Augen haben, dass die Haftung der Sponsoren oder des Generalunternehmers nicht unbeschränkt ist, sondern aus ökonomischen Überlegungen regelmäßig betragsmäßig begrenzt ist.

28

Der frühest mögliche Zeitpunkt ist die Errichtung der Anlage, also das Ende der Bau- und Montagearbeiten (physische Fertigstellung). Allerdings kommt es für den Wert einer Anlage auf deren Funktionstüchtigkeit an – Fertigstellung meint in diesem Zusammenhang den Probelauf, bei dem bestimmte Leistungsparameter nachgewiesen werden müssen. Darüber hinaus kann eine gewisse Betriebszeit gefordert sein, in der stufenweise bestimmte Leistungsparameter nachgewiesen werden müssen. Am weitesten geht die Forderung, dass auch bestimmte Wirtschaftlichkeitskriterien des Anlagenbetriebs nachgewiesen werden (Economic Test). Sofern Parameter herangezogen werden, die nicht mit der Anlage selbst zusammenhängen (z.B. realisierte Nachfrage), verschiebt sich der Charakter einer Non-Recourse-Projektfinanzierung wieder in Richtung einer Unternehmensfinanzierung.

29

M. Schulte-Althoff 1992, S. 118.

1.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten

33

Die dadurch hervorgerufenen Einschränkungen des Produktionsbetriebes wirken sich in Abhängigkeit ihres Ausmaßes auf die Produktionsmenge und somit auf den Absatz sowie die Erlössituation negativ aus. Des Weiteren kann sich das Betriebsrisiko in erhöhten Produktionskosten äußern, beispielsweise durch technische Probleme der Projektanlage während des Produktionsprozesses. Diese erhöhten Kosten mindern bei konstanter Ertragslage wiederum den Cashflow30. Da dieser nach Projektfertigstellung durch den üblichen Wegfall der Fertigstellungsgarantie die wichtigste Sicherheit darstellt und die primäre Tilgungsquelle ist, reagieren Kreditgeber sensibel auf Betriebsstörungen, so dass Banken ein Management bevorzugen, das hinlängliche technische und wirtschaftliche Erfahrung bei der Betriebsführung einer ähnlichen Anlage aufweisen kann. Sofern die Sponsoren nicht die nötige Erfahrung einer Betriebsführung aufweisen können, ist der Einsatz einer professionellen Betriebs- und Managementgesellschaft notwendig, die sich verpflichtet, für einen kontinuierlichen Betrieb des Projektes und für die Funktionsfähigkeit der Projektanlage zu sorgen. Die Auswahl des Betreibers sollte sich anhand folgender Kriterien orientieren und erfolgt häufig über entsprechende Referenzprojekte der Gesellschaft: • • • •

Reputation der Gesellschaft, Fähigkeit zur Betriebsführung, Erfahrung im Betrieb vergleichbarer Anlagen, Fähigkeit, geeignetes Personal zur Verfügung zu stellen.

Die rechtliche Strukturierung erfolgt über den Betriebsführungsvertrag, der die Rechte und Pflichten des Betreibers genau festlegt. Um einen angemessenen Anreiz für den Betreiber zu setzen, sollte seine Vergütung zumindest zum Teil variabel gestaltet werden: Gewinnbeteiligungen und Pönalen wirken als Anreiz zum besseren Wirtschaften und effizienten Betrieb der Projektanlage und bilden das Gegenstück zur Eigenkapitalrendite der Sponsoren31. Mit der Wahl eines Betreibers sollte mithin eine dem Projekt und den Projektkrediten entsprechende Laufzeit vereinbart werden. Für den Fall, dass man sich in der Eignung des Betreibers getäuscht hat oder mangelhafte Leistungen einen Wechsel verlangen, sollte der Betriebs- und Managementvertrag ein Recht zur Kündigung zulassen. Um Probleme aus der Schnittstelle zwischen Betreiber und Hersteller möglichst zu vermeiden, wird in vielen Projekten ein langfristiger Wartungsvertrag mit dem Hersteller abgeschlossen. Wichtige Wartungen werden damit außerhalb der Verantwortung des Betreibers durchgeführt und Anzeichen für fehlerhaften Betrieb können frühzeitig erkannt werden. Inhaltlich weist DIRK BAUMGART mit Recht auf die herausgehobene Bedeutung von Condition Monitoring-Systemen hin. Ziel eines Condition Monitoring ist, Schäden frühzeitig zu erkennen, um so die Reparaturkosten zu minimieren. Dabei werden Schäden erkannt, indem Veränderungen im Schwingungsverhalten der überwachten Komponenten erkannt werden. Durch einen Vergleich von Soll- und Istwerten bzw. der Entwicklung der Ist-Werte können zu einem frühen Zeitpunkt geeignete Maßnahmen zur Schadensvermeidung oder Schadensminderung getroffen werden. Dies kann folgende Vorteile mit sich bringen: 30

W. Schmitt 1989, S. 146; H. Uekermann 1993, S. 75.

31

Mit näheren Erläuterungen zur Ausgestaltung von Betriebsführungsverträgen siehe H. Uekermann 1993, S. 76 ff. und D. Tytko 1999, S. 84 f.

34

1 Projektfinanzierung eines Windparks

• Die Ausfallzeiten können reduziert werden, da ungeplante Stillstandszeiten vermieden werden, • Großschäden können durch frühzeitige Schadenserkennung erkannt und ggf. vermieden werden, • Versicherungskosten können häufig gesenkt werden (u.a. verringerter Zeitwertabzug) und • Erstellung einer detaillierte Historie über den Zustand der überwachten Komponenten, was für eine eventuelle Veräußerung hilfreich ist. Nach dieser kurzen Einstimmung auf das Thema Betrieb wenden wir uns nunmehr einem der wichtigsten Themen bei der Projektrealisierung zu, der Beurteilung des Rechts- und Regulierungssystems.

1.4.5

Das Rechts- und Regulierungsrisiko in ausgewählten Ländern – die wesentlichen Systeme

Wie bereits in der Einleitung beschrieben, kommt der Stabilität und Verlässlichkeit des Regulierungsumfeldes eine herausragende Bedeutung zu. Dies ist auch der Grund, dass DR. WOLFRAM DISTLER verschiedene Regulierungssysteme in Fachkapitel 2.2 vorstellt. Zentrale Bedeutung haben in diesem Zusammenhang die nationalen Branchen-Regulierungen, die regelmäßig in Form von Mindestpreissystemen ausgestaltet sind und zumeist eine vorrangige Abnahmepflicht für „grünen Strom“ vorsehen. Mittlerweile sind die BreakEven-Kosten von Windenergieprojekten so niedrig, dass auch Vorhaben in Mengenregulierungssystemen realisiert werden können. Zumeist erfolgt hier dann aber die Strukturierung auf Basis eines staatlich garantierten Mindestpreises oder eines bilateralen Stromabnahmevertrages. Die Verbreitung der Windenergie hat in den letzten Jahren entscheidend an Breite gewonnen, wofür neben einer zunehmend effizienteren Technik auch auskömmliche Vergütungssysteme mit ausschlaggebend waren: Tabelle 7: Festpreissystem Deutschland Spanien Frankreich

Vergütungssätze in ausgewählten Ländern Kapazität in 2010 27.577 20.749 5.592

Portugal Griechenland Irland Mengenregulierungssystem Dänemark Italien Großbritannien Niederlande Schweden Belgien Polen

Tarif in Cent/kWh: 9 (Referenzertragsmodell) + evtl. SDL-Bonus ca. 7,8 8,1 für 10 Jahre, danach Anpassung gemäß Anzahl Vollaststunden (zusätzlich Inflationierung) 4.235 7,36 (Inflationsanpassung) 1.237 8,78 (tw. Inflationierung) 1.326 ca. 6,3 (Inflationsanpassung)

3.715 5.850 5.651 2.379 2.060 803 1.025

ca. 7,3 (Strom + Bonus) ca. 15 (kein Floor) ca. 11,7 (Energy + ROC + Klimaschutzabgabe) ca. 10,6 (Strom und Bonus) ca. 6,6 (Strom und Zertifikate) mind. ca. 11,5 (auf Basis Floor-Preis) ca. 11 (Zertifikate plus Strom)

Laufzeit in Jahren: 20 20 15 15 20 15

10 15 20 15 15 15 12

1.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten

35

Der Deutsche Bundestag hat am 30.06.2011 die EEG-Novelle 2012 beschlossen, die im Zusammenhang mit der Entscheidung für den Atomausstieg steht und die am 01.01.2012 in Kraft treten wird. Die grundsätzliche Systematik des EEG bleibt – wie auch schon bei früheren Überarbeitungen – unangetastet, wobei es allerdings Änderungen im Detail gibt. Im Folgenden sind die wichtigsten Änderungen für den Bereich Onshore-Windenergie dargestellt: 1. Die Anfangsvergütung beträgt 8,93 Cent/kWh für den Zeitraum der erhöhten Vergütung, anschließend 4,87 Cent/kWh. 2. Die jährliche Degression erhöht sich ab dem Jahr 2013 auf 1,5 %. 3. Der Systemdienstleistungsbonus wird auch weiter Bestand haben. Die Anfangsvergütung für Neuanlagen, die vor dem 01.01.2015 in Betrieb genommen werden, erhöht sich um 0,48 Cent/kWh, wenn die Anlagen die entsprechenden technischen Voraussetzungen erfüllen. 4. Der Repowering-Bonus wird begrenzt auf alte, netztechnisch problematische Anlagen, die bis einschließlich 2001 in Betrieb gegangen sind. Die Vergütungssysteme geben einen ersten Eindruck über die Attraktivität eines Landes für Windenergie-Projekte. Primär muss aber sichergestellt werden, dass das Vorhaben mit allen Rechten versehen ist, um errichtet und wie geplant betrieben werden zu können. Zudem muss die Rechtsordnung es zulassen, dass die jeweiligen Projektverträge auch durchgesetzt werden können. Damit kommen dem Due Diligence-Prozess (siehe Fachkapitel 2.1) und der Ausgestaltung zentraler Projektverträge (siehe Fachkapitel 2.3) eine herausragende Bedeutung zu. Basis eines Engagements in Projekte ist das Vertrauen darin, dass ein einmal gesteckter rechtlicher Rahmen auch für die Laufzeit des Projektes respektiert wird und nicht nachträglich auch für bestehende Engagements geändert wird. Dieses Thema, das in der Literatur unter dem Aspekt der „unechten Rückwirkung“ diskutiert wird, hat gegen Jahresende 2010 eine ungeahnte aktuelle Bedeutung erlangt, nachdem die spanische Regierung ein Dekret erlassen hat, das unmittelbar Einfluss auf bestehende Solarvorhaben nimmt und unter anderem eine projektbezogene Absenkung der Vergütung in den Jahren 2011 bis 2014 zwischen 10 und 20 % vornimmt. Der Windbereich war hiervon ausgenommen; gleichwohl ist natürlich das Vertrauen in die Stabilität des spanischen Regulierungssystems beeinträchtigt. Die aus einem Projekt und seinem Regulierungssystem erwarteten Cashflows können durch Veränderungen auf der Kostenseite wesentlich beeinflusst werden. Während eine Vielzahl von Projektkosten weitgehend vertraglich fixiert und damit gut planbar ist, kann über eine ungesicherte Zinsposition ein erhebliches finanzielles Risiko auf ein Projekt einwirken.

1.4.6

Zinsänderungsrisiko

Vorhaben im Windenergiebereich reagieren aufgrund ihrer Kapitalintensität sensibel auf Änderungen der Zinskosten. Damit sind neben dem absoluten Zinsniveau gleichermaßen die Zinssatzveränderungen abzusichern. Das allgemeine Zinsniveau zum Zeitpunkt des Financial Close ist eine erste Größe, die bei der Projektprüfung zu betrachten ist. Üblicherweise werden die Zinssätze zum Zeitpunkt des

36

1 Projektfinanzierung eines Windparks

Financial Close zu einem Teil und für einen bestimmten Zeitraum gesichert, so dass eine feste Kalkulationsbasis besteht. Regelmäßig wird bei den Term Loans eine Zinsbindung über einen bestimmten Zeitraum vereinbart. Nach Ablauf dieser Zinsbindung werden die Konditionen entsprechend den dann geltenden Marktkonditionen neu festgelegt. Aus einem dann höheren Zinssatz ergeben sich relativ höhere Zinszahlungen, die sich direkt auf den Cashflow auswirken. Diese Gefahr wird als Zinsänderungsrisiko bezeichnet. Wir haben in der folgenden Kalkulation dargestellt, wie sich eine Veränderung des Zinsniveaus um jeweils einen bzw. zwei Prozentpunkte auf die Belastbarkeit auswirkt.

2,00

DSCR-Verlauf

1,90 1,80

1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. wie 1, Zinssatz plus 1 % p.a.: 4. wie 3, Einnahmen bei 94,5 %: 5. Zinssatz plus 2 % p.a.:

1,70 1,60 1,50 1,40 1,30 1,20 1,10 1,00

2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026

Abbildung 11:

Auswirkung einer Zinsänderung auf den DSCR-Verlauf

Sponsors Case Einnahmen bei 91 %: Wie 1, Zinssatz plus 1 % p.a.: Wie 3, Einnahmen bei 94,5 %: Wie 1, Zinssatz plus 2 % p.a.:

Min. DSCR 1,17 1,03 1,08 1,00 1,00

Ø DSCR 1,76 1,55 1,59 1,48 1,47

IRR 10,05 % 6,42 % 8,61 % 6,48 % 7,27 %

Erkennbar ist, dass die Abhängigkeit der Wirtschaftlichkeit vom Zinsniveau zum Zeitpunkt des Financial Close bedeutsam ist und gleichermaßen Investoren wie Sponsoren betrifft. Für die Investoren bedeutet eine selbst geringfügige Erhöhung des Zinssatzes eine deutliche Verschlechterung ihrer internen Rendite. Zusätzlich müssen aber auch bestimmte Belastungsanforderungen der Fremdkapitalgeber eingehalten werden. Sehen diese beispielsweise vor, dass eine bestimmte Belastbarkeit erreicht wird, müsste bei der Gefahr einer Zinserhöhung eine Anpassung der Finanzierungsstruktur angestrebt werden, die genau dies sicherstellt. Dies kann auch über eine Eigenmittelerhöhung erfolgen, was wiederum zu einer Absenkung der internen Rendite führen würde. Die hier diskutierte Darstellung spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn die Projektgesellschaft aus bestimmten Gründen mit dem Abschluss eines Zinssicherungsgeschäftes wartet.

1.4 Relevante Einzelrisiken – Zuweisung von Verantwortlichkeiten

37

Mit dem Auslaufen der Zinsbindungsfrist stellt sich dieses Thema wiederum von neuem. Regelmäßig wird daher für den Großteil der langfristigen Darlehen und meistens für den größten Teil der Laufzeit eine Zinssicherung vereinbart. Auf die Darstellung entsprechender Szenarien verzichten wir hier allerdings. Hinsichtlich weiterer Überlegungen zu Zinsänderungsrisiken verweisen wir auf das Fallbeispiel im Fachkapitel 4.2.

1.4.7

Zusammenfassende Würdigung der Einzelrisiken

Während wir bislang die Risiken und die Risikoinstrumente isoliert betrachtet haben, müssen diese in der Finanzierungspraxis hinsichtlich ihrer gesamten Wirkung auf das Projekt analysiert und bewertet werden. Dies erfolgt im Rahmen der Risikoquantifizierung des Projektes über ein Cashflow-Modell. Das Cashflow-Modell dient dabei der Entwicklung einer projektbezogenen Finanzierungsstruktur, die unter der Berücksichtigung eines zu definierenden Sicherheitsabschlages so auszugestalten ist, dass die bankseitigen Anforderungen für die Gewährung einer Projektfinanzierung über die gesamte Finanzierungslaufzeit stets erfüllt werden können. Die Einzelrisiken stellen sich in einer Gesamtschau wie folgt dar: Tabelle 8:

Einzelrisiken bei Windenergieprojekten

Risiko

Risikoinstrumente

Elementarrisiko

Heranziehen von mindestens zwei Ertragsgutachten, die standortspezifisch erstellt werden

Unsicherheit des Ertragsgutachtens

Explizite Nennung der Unsicherheiten im Ertragsgutachten, z.T. Eliminierung auch von Teilunsicherheiten (z.B. durch Besichtigung vor Ort)

Verzögerte Fertigstellung

Hereinnahme einer Fertigstellungsgarantie

Angemessene Berücksichtigung der Verfügbarkeit

Vertragliche Verpflichtung, Erfahrungswerte

Steigerung der operativen Vertragliche Fixierung der operativen Kosten. Kosten Vorsichtige, konservative Kalkulation der Kosten Preis- bzw. Absatzrisiko

Absatzpreise gesetzlich garantiert und damit über Projektlaufzeit kalkulierbar

Force Majeure Gesamte Standardabweichung

Abschluss der üblichen Versicherungen

Standardabweichung gegenüber Plan-Annahmen Onshore Offshore

8,00%

9,00%

4,00%

5,00%

0,00%

3,00%

0,50%

5,00%

1,00%

4,00%

0,00% 0,00%

0,00% 0,00%

9,01%

12,49%

Aus Gründen der mangelnden Quantifizierbarkeit der nach Anwendung von Risikoinstrumenten verbleibenden Einzelrisiken wird von den Banken ein pauschaler Sicherheitsabschlag anhand von Erfahrungswerten aus dem jeweiligen Anwendungsgebiet festgelegt. Der Sicherheitsabschlag für ein konkretes Projekt kann in seiner Höhe folglich von Bank zu Bank unterschiedlich bemessen sein. Den Untersuchungen in dieser Arbeit soll ein Sicherheitsabschlag von 20 % auf den geplanten Jahresenergieertrag zu Grunde gelegt werden. Dieser Abschlag ist ausreichend bemessen, um auch das kombinierte Eintreten von Einzelrisiken bei dem betrachteten Projekt AZUR BLUE (siehe Fachkapitel 4.2) realistisch abbilden und auffangen zu können.

38

1 Projektfinanzierung eines Windparks

1.5

Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aus dem bisherigen Risikomanagement

1.5.1

Grundsätzliche Überlegungen

Im Anschluss an die Prozessstufen Risikoidentifikation und Risikoallokation schließt sich die Risikoquantifizierung an, die auch eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit darstellt. Hierzu werden die monetären Konsequenzen der vertraglichen und gesetzlichen Grundlagen eines Projektes über ein Cashflow-Modell abgebildet und mit Blick auf mögliche Änderungen des Planablaufs untersucht. Dabei endet die Risikoquantifizierung im Regelfall nicht mit einer statischen Cashflow-Bewertung, sondern wird um ein Rating-Tool ergänzt, das über Simulationsrechnungen verschiedene Umweltszenarien abbildet und zu einer Risikoeinschätzung des Vorhabens gelangt. Das Cashflow-Modell eines Projektes ist aber nicht nur für die Kreditgeber von herausragender Bedeutung, sondern auch für die Investoren eines Projektes. Beide Kapitalgebergruppen sind gleichermaßen am Erfolg eines Vorhabens interessiert, wobei sie allerdings unterschiedliche Anspruchsebenen und Anspruchsgrundlagen haben. Während die Fremdkapitalgeber einen erfolgsunabhängigen und fixen Anspruch auf Bedienung des Kapitaldienstes aus dem Projekt haben, erheben die Eigenkapitalgeber einen erfolgsabhängigen und damit variablen Anspruch auf den verbleibenden freien Cashflow. Das methodische Werkzeug, mit dem beide Gruppen ein Vorhaben beurteilen, ist ein projektspezifisches Cashflow-Modell. Allerdings markiert das Cashflow-Modell noch nicht den Endpunkt der wirtschaftlichen Betrachtung der Kreditgeber. In einem nächsten Schritt geht es darum, eine Simulationsrechnung des Cashflow-Verlaufs vorzunehmen, die darüber informiert, wie sich das Projekt unter einer Vielzahl von möglichen Umweltszenarien entwickeln kann. Das Ergebnis dieser Simulationsrechnungen ist eine Ratingeinschätzung, die eine Risikokategorie ausweist und damit über die Risikoprämie die Zinskosten bestimmt und somit auch die Finanzierungsstruktur maßgeblich beeinflusst. Damit geht es in einem zweiten Teil darum herauszuarbeiten, welche quantitativen und qualitativen Faktoren das Rating beeinflussen können. Im Folgenden soll ein Windenergie-Vorhaben mittels einer Analyse seiner Risikopotentiale auf seine Projektfinanzierungsfähigkeit hin untersucht werden. Da die Ausprägung der Projektrisiken in großem Maße von dem jeweiligen Finanzierungsobjekt abhängt, wird ein Fallbeispiel aus der Praxis betrachtet und bewertet (siehe hierzu Fachkapitel 4.3). Im Regelfall werden dabei in einem ersten Schritt – ausgehend vom Basisfall – verschiedene, zentrale Cashflow-relevante Parameter verändert und in ihrer Auswirkung auf den Cashflow untersucht. Wir stellen im Folgenden nur die zentralen Ergebnisse vor; eine detaillierte Diskussion erfolgt in Fachkapitel 4.2.

1.5 Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aus dem bisherigen Risikomanagement

2,00 1,90

39

1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. Operative Kosten plus 9 %: 4. Kombinationsfall (2+3):

1,80 1,70 1,60 1,50 1,40 1,30

DSCR-Verlauf

1,20 1,10 1,00 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025

Abbildung 12:

1. 2. 3. 4.

DSCR bei verschiedenen Parameteränderungen

Sponsors Case Einnahmen bei 91 %: Operative Kosten plus 9 %: Kombinationsfall (2+3):

Min. DSCR 1,17 1,03 1,14 1,00

ø DSCR 1,76 1,55 1,72 1,51

IRR 10,05% 6,42% 9,26% 5,60%

Erkennbar ist, dass Windenergievorhaben empfindlich auf eine Änderung des Einnahmenniveaus reagieren, während sie gegenüber Änderungen der Betriebskosten einigermaßen robust sind. Die wesentliche Erklärung für dieses Risikoprofil liegt in den verhältnismäßig geringen Kapitalkosten begründet, die etwa drei Mal geringer sind als bei Solarprojekten. Die eigentliche zusammenfassende Quantifizierung eines Projektrisikos erfolgt über ein Cashflow-Modell, das neben der Bewertung der Projektrisiken auch eine Optimierung der Finanzierungsstruktur zulässt. Das Cashflow-Modell ist für die Risikoquantifizierung von zentraler Bedeutung, aber die Risikoquantifizierung endet nicht mit dem Cashflow-Modell. Zusätzlich erfolgen auf Basis des Cashflow-Modells – zumeist separat vorgenommene – Simulationsrechnungen über ein Rating-Tool, das verschiedene Projektverläufe bei unterschiedlichen Umweltszenarien simuliert und aus Risikosicht der Banken bewertet. Die Simulationsrechnungen werden dabei im Windenergiebereich wesentlich durch die Variabilität des Windangebotes sowie der prognostizierten Entwicklung der Zinsstrukturkurven beeinflusst. Qualitative Faktoren, wie etwa die Bewertung des Fertigstellungsrisikos und die Erfahrungen des EPC-Contractors, haben gegenüber den quantitativen Faktoren eine zumeist nachrangige Bedeutung32. Das Cashflow-Modell dient einer ersten Abschätzung der Projektbelastbarkeit und Wirtschaftlichkeit, und das Rating-Verfahren ermöglicht es dann, die Robustheit des CashflowVerlaufs angesichts verschiedener Umweltveränderungen zu bewerten. Das Rating-Ergebnis korrespondiert mit einer Risikobepreisung. Sofern diese von der im Cashflow-Modell ver32

Da es sich bei den Rating-Tools um separate Software-Anwendungen handelt, die für den Benutzer lediglich Eingaben zulassen, können die Details des Verfahrens im Rahmen dieser Arbeit leider nicht vorgestellt werden.

40

1 Projektfinanzierung eines Windparks

wandten Risikobepreisung abweicht, die ja zunächst eine Schätzgröße abbildet, muss das Modell angepasst und die Simulationsrechnung wiederholt werden. Im Bedarfsfall muss dieser Prozess so lange wiederholt werden, bis Cashflow-Modell und Rating-Modell von denselben Annahmen ausgehen. Insofern ist die Cashflow-Modellierung und die Bewertung durch ein Rating-Tool ein iterativer Prozess. Die Ziele, die mit einem Rating-Tool verfolgt werden, lassen sich wie folgt subsumieren: 1. Objektive und standardisierte Risikobeurteilung eines Projektes. 2. Kalkulation eines Gesamtrisikos für eine Projektfinanzierung – Ermittlung einer Ausfallwahrscheinlichkeit, die wiederum für die Risikobepreisung relevant ist. 3. Regulatorische Anforderungen, insbesondere die Kapitaladäquanzanforderungen nach Basel II, können eingehalten werden33. Das Rating-Tool geht dabei wie folgt vor: 1. Simulation der wesentlichen Risikotreiber unter einem bestimmten Annahmen-Set und unter Berücksichtigung von 2. makroökonomischen Faktoren: Zinssätze, Wechselkurse und Inflationsannahmen sowie 3. branchenspezifischen Annahmen: basierend auf einem Random-Walk-Ansatz, der auf historischen Volatilitäten und Korrelationen basiert. In diesem Zusammenhang müssen aus Rating-Sicht zwei Volatilitäten unterschieden werden: Dies ist zum einen die Volatilität des Elementarangebots, zum anderen die im Ertragsgutachten angegebene Prognoseunsicherheit der Gutachter. Da wir die Volatilität des Elementarangebots bereits oben skizziert haben und im Fachkapitel 3.3 vertieft betrachten werden, wollen wir hier auf den zweiten Aspekt, die Prognoseunsicherheit der Gutachter, eingehen. Diese zweite Volatilität, die so genannte Banking Case Uncertainty (BCU), beschreibt den Umstand, dass nicht nur das Windangebot als solches unsicher ist, sondern auch das korrekte Startniveau des Windenergieangebots. Das im Rating-Sinn korrekte Start-Niveau ist das Annahmen-Set, das mit derselben Wahrscheinlichkeit p = 0,5 überschritten und unterschritten wird (so genannter p(50)-Fall). Die BCU ist daher ein Maß für die Verlässlichkeit der Prognose eines Ertragswertgutachtens. 1. Die Berücksichtigung der BCU führt zu einer Parallelverschiebung der DSCR-Reihe und damit zu einer Erhöhung der Ausfallwahrscheinlichkeit. 2. Wird die BCU nicht explizit vom Gutachter angegeben, wird systemseitig ein Wert von 16 % unterstellt (bei expliziter Angabe sind vielleicht 10 bis 15 % üblich). Damit ergeben sich folgende Empfehlungen für die Beauftragung von Ertragsgutachten: 1. Es sollten standortspezifische Gutachten erstellt werden. Regelmäßig sind die dabei ermittelten Standardabweichungen geringer als die länderbezogenen Werte. 2. Des Weiteren sollte der Gutachter explizit angeben, mit welcher Unsicherheit er bei seinem Gutachten rechnet, ansonsten erfolgt auch hier eine „Bestrafung“ des Projekts mit 33

Der BASELER AUSSCHUSS hat in 2004 ein Kapitalregelwerk verabschiedet (Basel II), das im Kreditwesengesetz und der Solvabilitätsverordnung in deutsches Recht umgesetzt worden ist. Siehe hierzu z.B. T. Cramme et al. (Hrsg): Handbuch Solvabilitätsverordnung, Stuttgart 2007 [Schäffer-Poeschel-Verlag].

1.5 Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aus dem bisherigen Risikomanagement

41

verhältnismäßig hohen Werten. Ggf. lässt sich auch über relativ kostengünstige Maßnahmen eine Verbesserung der Prognosequalität erreichen, etwa dem Einbezug von Daten benachbarter Windparks. Ein Standortbesuch sollte ohnehin Standard sein, um die lokalen Verhältnisse abschätzen zu können. Beide Maßnahmen führen dazu, dass die Volatilitäten bezogen auf das Elementarangebot geringer ausfallen, was sich günstig auf das Rating-Ergebnis und damit auf die Fremdkapitalausstattung auswirkt. Damit haben wir bereits erste Hinweise zur Verbesserung der Finanzierungsstruktur gegeben. Dieses Thema werden wir nun etwas systematischer in Kapitel 1.5.2 darstellen.

1.5.2

Hinweise zur Optimierung aus Sicht der Investoren und der Fremdkapitalgeber

Investoren und Kreditgeber haben das gleichgerichtete Interesse, ein Projekt so wirtschaftlich wie möglich zu gestalten. Ein hoher Cashflow-Überschluss bedeutet einerseits, dass die Fremdkapitalgeber mit größerer Sicherheit ihre festen und erfolgsunabhängigen Rückzahlungsansprüche erfüllt sehen, aber auch, dass die Sponsoren mehr bzw. frühzeitigere Ausschüttungen realisieren können. Während beide Gruppen ein gleichgerichtetes Interesse haben, den Projektwert zu steigern, besteht ein Wettbewerb um die Verwendung der Cashflows. Wie bereits oben angesprochen, haben die Sponsoren ein Interesse daran, möglichst viel Cashflow frühzeitig auszuschütten, während die Fremdkapitalgeber möglichst schnell getilgt werden wollen. Die Erarbeitung einer Finanzierungsstruktur beinhaltet damit immer auch einen Verhandlungsprozess zwischen den beiden Kapitalgebergruppen. Die wichtigsten Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzierungsstruktur liegen in folgenden Aspekten: 1. Eine Verlängerung der Laufzeit der Term Loans führt zu einer Verbesserung der internen Rendite, aber auch zu einer höheren Belastbarkeit des Projektes. Die Grenzen der Laufzeitwahl werden durch das Rechts- und Regulierungsumfeld sowie die technische Lebensdauer der Anlagen abgesteckt. 2. Bei der Wahl der optimalen tilgungsfreien Zeit ist es nicht ganz so einfach. Einerseits wird der Sponsor an einer möglichst langen tilgungsfreien Zeit interessiert sein, die fremdfinanzierende Bank hingegen wird typischerweise einen Zeitraum zwischen 18 und 24 Monaten präferieren. Dies liegt wesentlich darin begründet, dass die Schuldendienstreserve mit hinreichender Sicherheit auch in einem Belastungs-Szenario aufgebaut werden kann. 3. Dieser Aspekt bringt uns zur Wahl der Höhe der Schuldendienstreserve. Tendenziell wird ein Sponsor dieses Konto so gering halten wie möglich, andererseits würden die Banken bei einem vollständigen Verzicht auf dieses Sicherungsinstrument ihre Eigenkapitalanforderungen wesentlich anheben. Die dargestellten Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzierungsstruktur können selbstverständlich noch weiter ausdifferenziert werden. Zusammen gefasst geht es aber zumeist darum, die verfügbaren Cashflows so zu verteilen, dass die Investoren eine akzeptable Wirtschaftlichkeit bei einer angemessenen Belastbarkeit erreichen können.

42

1 Projektfinanzierung eines Windparks

1.5.3

Einbindung von Versicherungen in die Finanzierungsstruktur

Ein auf das Projekt bezogenes Risikomanagement bedarf eines zugeschnittenen Versicherungsprogramms während der Errichtungs- und Betriebsphase. Der Erwerb von Versicherungsschutz ist der entgeltliche Transfer bestimmter eigener Risiken in die Bilanzen von Versicherungen. Ökonomisch besteht damit kaum ein Unterschied zwischen der Risikoübertragung auf eine Versicherung oder andere Beteiligte, so dass die obigen Überlegungen zum Risikotransfer auch hier gelten. Dr. THOMAS KOTTKE stellt im Fachkapitel 4.2 verschiedene Aspekte der Einbindung von Versicherungen in eine Projektfinanzierungsstruktur vor. Bei der Einbindung von gewerblichen Versicherungen in ein Risikomanagementkonzept sind folgende Aspekte zu beachten: 1. Bei Projektfinanzierungen gilt ein gestuftes Subsidiaritätsprinzip: Zunächst wird nach ökonomischen Prinzipien verhandelt, welche Projektpartei welches Risiko übernimmt, bevor die Einbindung einer Versicherung erfolgt. Die Entscheidung ob, wann, zu welchen Konditionen und in welchem Umfang ein Risikotransfer vorgenommen werden muss, ist keine isolierte Entscheidung, sondern Teil eines geschlossenen Risikomanagementprozesses. 2. Versicherungen werden den Versicherungsnehmer regelmäßig auf bestimmte Verhaltensweisen und Informationspflichten verpflichten, die wiederum Rückwirkung auf die Vertragserfüllung auch anderer Verträge haben werden. Neben den Anforderungen an eine Versicherbarkeit von einzelnen Risiken, die für die Planbarkeit der Cashflows von großer Bedeutung ist, tritt die Anforderung, über den Umfang und die Ausgestaltung der Versicherungen die richtigen Anreize für die Projektbeteiligten zu setzen. Bei der Einbindung von Versicherungen in ein Risikomanagementkonzept sind folgende Aspekte zu beachten. Zunächst einmal muss die Versicherung prüfen, ob ein Risiko überhaupt versicherbar ist, wobei verschiedene Prüfungsebenen zu unterscheiden sind: In einem ersten Schritt wird geprüft, ob die Risiken Anreiz kompatibel verteilt sind: Dies verlangt, dass Projektbeteiligte, die ein Risiko auch üblicherweise kontrollieren können, dies auch im konkreten Einzelfall tun. Umgekehrt: Eine Versicherung wird beispielsweise kaum ein Fertigstellungsrisiko übernehmen, wenn der Anlagenbauer nicht einen wesentlichen Teil dieses Risikos selbst übernimmt. Als weitere, versicherungs-mathematische Bedingungen werden dabei der Zufallsgrad eines Schadenseintritts, die eindeutige Zurechenbarkeit des Versicherungsfalls auf ein versichertes Ereignis und die Abschätzbarkeit der finanziellen Konsequenzen bei Risikoeintritt untersucht. Zentral für die Versicherbarkeit von Projektrisiken ist, dass überhaupt ein Sachschaden an den versicherten Sachen entstanden ist und dass dieser unvorhergesehen eingetreten ist. Dies bedeutet zunächst, dass einzelne Teile der Projektanlage zerstört oder beschädigt sein müssen; die bloße Mangelhaftigkeit einer Sache genügt nicht34.

34

T. Haukje; T. Kottke 2010, S. 60 f.

1.5 Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aus dem bisherigen Risikomanagement

43

Ebenfalls wird kein Versicherungsschutz greifen, wenn ein Schadenereignis unvermeidbar ist und definitiv eintreten wird. Die Zufälligkeit bzw. die Ungewissheit über das Entstehen, den Zeitpunkt und/oder die Schadenhöhe sind zwingend erforderlich. Zu den vorhersehbaren Schäden von Windvorhaben zählen insbesondere Schäden durch Abnutzung und Verschleiß. Es ist eindeutig, dass einzelne Komponenten – wie etwa der Generator – nur eine begrenzte Lebensdauer aufweisen und damit kein zufälliges Schadensereignis ursächlich ist. Der Versicherungsnehmer muss damit rechnen, dass Verschleißteile nach einer gewissen Zeit zwangsläufig ausgetauscht werden müssen. Vorhersehbar sind etwa Schäden durch bekannte Mängel, welche nicht versicherbar sind. Sind Mängel bekannt, so ist die Projektgesellschaft verpflichtet, diese zu beseitigen. Ohne Versicherungsschutz käme der Sachschaden wahrscheinlich gar nicht erst zustande, da sofort Maßnahmen zur Verhinderung eingeleitet worden wären. Aus diesem Grund kann eine Versicherung nicht eine Entschädigung leisten, die grob fahrlässig aufgrund der Kenntnis des Versicherungsschutzes verursacht worden ist. Eine besondere und auch qualitativ herausgehobene Bedeutung für Projektfinanzierungen bietet die Möglichkeit der Einbindung von Exportkreditversicherungen, die wir im Folgenden skizzieren wollen. Ihre Bedeutung steht in engem Zusammenhang mit einem Erklärungsansatz für Projektfinanzierungen, die ihren Bedarf gerade bei internationalen Großprojekten in der Verknüpfung von Anlagenlieferung und Anlagenfinanzierung sieht. Zur Absicherung des Kreditrisikos bei Exportgeschäften stellen eine Reihe von Ländern ihren Exporteuren Ausfuhrgewährleistungen, Kapitalanlagegarantien und so genannte ungebundene Finanzkredite. Die Auswirkungen einer Exportkreditversicherung erschöpfen sich nicht allein in der Absicherungsfunktion und der dagegen stehenden Versicherungsprämie, sondern führen zu erheblich niedrigeren Liquiditätskosten im Rahmen der Refinanzierung. Dabei sind drei Aspekte gegeneinander abzuwägen: 1. Eine Risikoabsicherung verursacht eine Versicherungsprämie, die je nach Risikoland unterschiedlich hoch ausfällt und im Rahmen der Investitionsplanung mitfinanziert werden muss. 2. Positiv wirkt die risikomäßige Substitution des Projektrisikos durch das Länderrisikos des Garantiegebers für den gedeckten Kreditteil. Dieser Vorteil wird umso größer ausfallen, je größer die Differenz zwischen dem Projektrisiko und dem Risiko des Garantielandes ausfällt. 3. Durch die zusätzliche Einbindung einer Verbriefungsgarantie wird erreicht, dass die finanzierenden Banken für den gedeckten Teil den Pfandbriefmarkt als Refinanzierungsquelle erschließen. Dieser weist regelmäßig wesentlich niedrigere Liquiditätskosten auf als sie jedenfalls in Folge der Finanzkrise für kommerzielle Bankkredite üblich geworden sind. Dieser Vorteil wird umso größer ausfallen, je größer die Differenz zwischen den Liquiditätskosten der beiden Refinanzierungsquellen ausfällt. Bewertet werden müssen diese Maßnahmen einerseits durch den Investor im Rahmen seines Investitionskalküls, andererseits durch die Bank im Rahmen ihrer Risikobewertung. Im Ergebnis wird durch die Einbindung einer Finanzkreditdeckung bereits eine erhebliche Verbesserung der LGD (Loss Given Default) erreicht, die sich positiv auf die Entscheidungsgröße RAROC (Risk Adjusted Return on Capital) auswirkt. Die Hereinnahme einer Verbriefungsgarantie verbessert das Ergebnis nochmals wesentlich, da diese eine günstigere Refinanzie-

44

1 Projektfinanzierung eines Windparks

rung ermöglicht und damit ebenfalls höhere Deckungsbeiträge der Bank zulässt. In jedem Fall erscheint es bei großvolumigen Windenergie-Vorhaben angeraten zu überprüfen, ob eine Finanzkreditgarantie – mit oder ohne Verbriefungsgarantie – nicht eine sinnvolle Ergänzung der Finanzstruktur darstellt. In der Gesamtbetrachtung erweisen sich Versicherungen als äußerst vielschichtige Strukturelemente für die Absicherung und Optimierung von Projektfinanzierungen. Einerseits erlauben sie unter den beschriebenen Voraussetzungen eine notwendige residuale Absicherung gegenüber spezifischen Projektrisiken und sind damit ein unverzichtbarer Bestandteil einer Risikoallokation. Andererseits ermöglichen Exportkreditversicherungen die Mobilisierung von Fremdkapital zu günstigeren Konditionen als sie jedenfalls im Zuge der Finanzkrise üblich sind.

2

Rechtliche Rahmenbedingungen

2.1

Darstellung und Konzeption eines Due Diligence-Prozesses

MARKUS JENNE, DR. KARLHEINZ RABENSCHLAG Dr. Karlheinz Rabenschlag studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Mannheim und Freiburg und promovierte an der Universität Freiburg. Dr. Rabenschlag ist seit 2005 bei der Rechtsanwaltskammer (Barreau) Paris als deutscher Rechtsanwalt zugelassen. Herr Dr. Rabenschlag leitet als Partner die Berliner Niederlassung von STERR-KÖLLN & PARTNER. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die umfassende Beratung von Banken, Investoren und Projektentwicklern im Bereich Erneuerbare Energien (Wind, Solar, Biogas, Geothermie) im Zusammenhang mit der Strukturierung, Finanzierung und Veräußerung solcher Projekte in Deutschland und Frankreich, diverse Vortragstätigkeit und Veröffentlichungen. Markus Jenne (Steuerberater) studierte Wirtschaftswissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg mit dem Abschluss Diplom-Volkswirt. Bei STERR-KÖLLN & PARTNER ist Herr Jenne seit 1997 tätig, seit 2004 als Partner. Markus Jenne hat umfangreiche Erfahrung im Rahmen der Entwicklung, Vermarktung und wirtschaftlichen Bewertung und Finanzierung erneuerbarer Energieprojekte mit Länderschwerpunkten Deutschland und Frankreich, diverse Vortragstätigkeit und Veröffentlichungen. STERR-KÖLLN & PARTNER ist eine interdisziplinäre Beratungskanzlei für Unternehmen und Projekte mit Fokus auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz mit Büros in Freiburg, Berlin und Paris.

2.1.1

Einleitung

Wörtlich aus dem Englischen übersetzt, bedeutet der Begriff Due Diligence „gebotene Sorgfalt“. Üblicherweise wird ein Due Diligence-Prozess im Vorfeld einer Unternehmensakquisition durchgeführt, der dazu dient, die rechtliche, wirtschaftliche und technische Lage des Kaufobjekts zu prüfen. Dem Käufer soll die Due Diligence durch eine systematische Stärken- und Schwächen-Analyse des Unternehmens ein eigenes Bild von Risiken und Chancen der Kaufentscheidung vermitteln35. Darüber hinaus dient sie auch der Festlegung der angemessenen Haftungsstruktur (u.a. Gewährleistungen, Garantien) in der Vertragsgestaltung der beabsichtigten Transaktion36. Die unterschiedlichen Prüfungsfelder werden regelmäßig erfasst durch die Legal Due Diligence, die Financial Due Diligence, die Tax Due Diligence, die Commercial Due Diligence und die Technical Due Diligence. 35

H.P. Westermann, in: Münchener Kommentar, BGB, § 453 Rdn. 58.

36

Seibt/Seibt Beck’sches Formularhandbuch, Mergers & Acquisitions, B.VI.2 Anm. 2.

46

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Durch die im Rahmen einer Windpark-Projektfinanzierung durchgeführte Due Diligence möchte sich die finanzierende Bank ein eigenes umfassendes Bild davon verschaffen, ob und wenn ja, welche Risiken das zu finanzierende Projekt im Hinblick auf ihre Sicherheitsinteressen aufweist. Ein solcher Due Diligence-Prozess unterscheidet sich im Umfang und in den Prüfungsfeldern von der Due Diligence-Prüfung im Rahmen einer Unternehmensakquisition. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Legal Due Diligence37. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass auch die wesentlichen wirtschaftlichen Aspekte wie etwa die Vergütungshöhe und -sicherheit38, Einspeisemöglichkeiten sowie Herstellergarantien und Versicherungen durch gesetzliche oder vertragliche Regelungen gesichert werden. Da es sich bei Windenergieanlagen im Onshore-Bereich inzwischen auch für die finanzierenden Bank um eine bewährte, standardisierte und damit aus Finanzierungssicht belastbare Technik handelt39, wird üblicherweise auf die Vergabe einer Technical Due Diligence verzichtet. Üblich ist hier eher, dass zu bestimmten Einzelfragen, die sich aus den vorgelegten Gutachten nicht erschließen lassen, technische Auskünfte eingeholt werden. Eine Financial Due Diligence, die grundsätzlich die wirtschaftlichen und finanziellen Grundlagen eines Unternehmens umfasst, kommt bei dem Darlehensnehmer eher auch nicht in Betracht. Hierzu besteht regelmäßig kein Anlass, da der Darlehensnehmer eine eigene für die Realisierung, d.h. die Errichtung und den Betrieb des Projekts gegründete Gesellschaft (Einzweckgesellschaft) ist, die erst ab Inbetriebnahme operativ tätig wird. Die Tax Due Diligence, die sich in Teilbereichen mit der Financial Due Diligence überschneidet, befasst sich schwerpunktmäßig mit der steuerlichen Situation der Projektgesellschaft. Aus der Sicht des Kreditgebers geht es hier nicht um die steuerliche Analyse der unternehmerischen Struktur40, sondern allenfalls um aktuelle Steuerverpflichtungen, die vielleicht noch aus der Vergangenheit herrühren. Je nach Umfang der mit der Betreibergesellschaft bereits im Prüfungszeitpunkt abgeschlossenen Verträge und dem Alter der Gesellschaft könnte hier Bedarf für die Beauftragung einer Tax Due Diligence bestehen41. Basis für das Erreichen des Financial Close ist aus dem Blickwinkel sämtlicher Beteiligter ein positiver Due Diligence-Prozess. Abhängig von der internen Politik der finanzierenden Bank und der Größe des Projekts wird dieser Prozess bankintern oder durch externe Berater vorbereitet und durchgeführt. So werden die Due Diligence-Prüfungen für großvolumige Windparkprojekte regelmäßig von externen Beratern durchgeführt. Im Gegensatz zur Due Diligence bei einer Unternehmensakquisition sind die hier zu behandelnden Prüfungen für Onshore-Windenergieprojekte bis zu einem gewissen Grad standardisiert durchführbar. Da der Schwerpunkt der Due Diligence bei Windparkprojekten im 37

Hiervon ist die durch einen Investor durchgeführte Due Diligence im Rahmen des Ankaufs eines Windparkprojektes zu unterscheiden, die vergleichbar sein kann mit der einer Unternehmensakquisition.

38

Siehe hierzu Kapitel 2.2.2.

39

Zu den technischen Rahmenbedingungen eines Projekts vgl. die Beiträge im Kapitel 3.

40

Dies wären jedoch Themen für einen Erwerber der Projektgesellschaft.

41

Zu den steuerlichen Prüfungsanforderungen vgl. Kapitel 2.1.7.

2.1 Darstellung und Konzeption eines Due Diligence-Prozesses

47

Onshore-Bereich auf der Legal Due Diligence liegt, beziehen sich die nachfolgenden Ausführungen auch überwiegend hierauf.

2.1.2

Ablauf eines Due Diligence-Prozesses

Der Startschuss für den Beginn des Due Diligence-Prozesses fällt regelmäßig mit dem Abschluss des zwischen der finanzierenden Bank und der Projektgesellschaft/dem Sponsor abgeschlossenen Term Sheets. Die finanzierende Bank wird in Abstimmung mit ihrem Kunden einen oder mehrere Beratungsaufträge für die unterschiedlichen Themenfelder des Due Diligence-Prozesses ausschreiben. Im Bereich der Legal Due Diligence erstreckt sich der von der finanzierenden Bank zu erteilende Beratungsauftrag neben der Projektprüfung oftmals auch auf sämtliche weiteren Fragen, die sich im Zusammenhang mit der angestrebten Projektfinanzierung, insbesondere die Erstellung der kompletten Kreditdokumentation, ergeben. Die entstehenden externen Kosten des Due Diligence-Prozesses hat die Projektgesellschaft zu tragen. Regelmäßig ist der Projektsponsor auch Käufer des zu finanzierenden Projekts und hat im Rahmen der Kaufverhandlungen bereits eine umfangreiche Due Diligence durch eigene externe Berater durchführen lassen. Hier wird er versuchen, diese Ergebnisse der finanzierenden Bank zur Verfügung zu stellen. Sofern diese Due Diligence (Purchaser Due Diligence) entsprechend dem Anforderungskatalog der finanzierenden Bank durchgeführt wurde, kann sich die finanzierende Bank darauf beschränken, die vom Käufer gewonnenen Ergebnisse überprüfen zu lassen. Teilweise erhält die finanzierende Bank in diesem Zusammenhang von den Erstellern des Purchaser Due Diligence-Berichts auf Basis einer speziellen Haftungsvereinbarung (Reliance Letter) eine Garantie hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit des Purchaser Due Diligence-Reports. Dieses Vorgehen stellt in der Praxis jedoch nicht den Regelfall dar42. Nach der Mandatierung werden zwischen dem Berater und der finanzierenden Bank die von der Prüfung zu umfassenden Aspekte (Prüfungskatalog)43 und auch die an die einzelnen Aspekte gestellten Anforderungen (Prüfungsmaßstab) als Grundlage der Due Diligence-Prüfung definiert. Der Berater erhält sodann sämtliche erforderlichen Unterlagen des Projekts zur Verfügung gestellt. Gegebenenfalls wird er diese Unterlagen auch über eine entsprechende der Projektgesellschaft zur Verfügung gestellte Materialanforderungsliste anfordern. Es ist heute zunehmend üblich, diese Unterlagen in Form eines virtuellen Datenraumes (Data Room) zur Verfügung zu stellen, oft werden die Daten aber auch auf einer CD bereitgestellt, eher selten auch noch in Papierform. Nicht selten werden im Rahmen der Due Diligence-Prüfung Abweichungen von dem definierten Prüfungsmaßstab festgestellt und damit etwaige Risiken identifiziert. Um den Finan42

Teilweise werden in der Praxis die Legal Due Diligence-Reports in Abstimmung mit der finanzierenden Bank auch direkt von der Projektgesellschaft mandatiert. Die notwendige Haftungserstreckung auf die finanzierende Bank erfolgt durch die Übergabe eines zu ihren Gunsten erstellten Reliance Letter durch die beauftragten Berater.

43

Hierzu Kapitel 2.1.3.

48

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

zierungsprozess nicht unnötig zu gefährden und zu verzögern, darf sich der Berater hier nicht nur auf die Identifizierung von Risiken fokussieren. Es müssen vielmehr in einem zweiten Schritt die festgestellten Abweichungen eingehend analysiert werden und dem Kreditgeber konkrete Vorschläge unterbreitet werden, ob und wie die Probleme zu lösen sind. Zweifelsfragen sind auf Basis der vorhandenen Rechtsprechung und Literatur zu klären. Angebotene Lösungswege können bis zu eigenständigen – zeitlich befristeten – Haftungserklärungen des Projektsponsors gegenüber der finanzierenden Bank gehen. Vor Abschluss des Prüfungsprozesses sichern die Projektgesellschaft bzw. der Sponsor zu, alle projektbezogenen Unterlagen und Informationen entsprechend dem Prüfungsumfang dem Berater vollständig bis zum Abschluss der Prüfung zur Verfügung gestellt zu haben (Vollständigkeitserklärung). Das Ergebnis des Prüfungsprozesses wird in einem Due Diligence-Report festgehalten. Er wird der finanzierenden Bank vorgelegt und ist Auszahlungsvoraussetzung für das von der Betreibergesellschaft beantragte Investitionsdarlehen. Für das Schicksal des Projektes ist dies ein entscheidender Meilenstein auf dem Weg zur Gewährung des Darlehens. Wesentlich für den weiteren Projektfortgang ist es hier, ob die Behebung des festgestellten Mangels des Projekts für die finanzierende Bank eine Auszahlungsvoraussetzung darstellt oder ob dieser auch noch nachträglich, d.h. nach teilweiser oder vollständiger Auszahlung des Darlehens, geheilt werden kann. In diesem Fall wird die Verpflichtung zur Heilung dieses Mangels in Form einer Auflage, die innerhalb eines vereinbarten Zeitraums von der Betreibergesellschaft erfüllt sein muss, im Darlehensvertrag festgehalten und von den Vertragsparteien im Anschluss an den Financial Close abgearbeitet. Sowohl der finanzierenden Bank hierzu eine Beurteilungs- und Entscheidungsgrundlage zu geben als auch Grundlage für eine optimale Gestaltung des Darlehensvertrages (Aufnahme von Zusicherungen und Gewährleistungen) zu sein, ist ebenso Aufgabe des Berichts.

2.1.3

Konzeption und Umfang der Due Diligence

Die Antwort auf die Frage, welche rechtlichen Voraussetzungen aktuell erfüllt sein müssen, um ein großvolumiges Onshore-Windenergieprojekt über die Finanzierungsmethode einer Projektfinanzierung zu realisieren, ergibt sich aus dem Ziel der Sicherungsinteressen der finanzierenden Bank. Diese erwartet die Rückzahlung des Kapitaldienstes allein aus dem Cashflow, der sich aus dem Projekt generiert (Non Recourse-Finanzierung). Dem Kreditgeber stehen als Sicherheit allein die Aktiva und der Cashflow des Projekts als Haftungsmasse zur Verfügung. Eine Rückgriffsmöglichkeit auf Vermögensgegenstände oder das Vermögen der Projektsponsoren besteht grundsätzlich nicht. Dies verdeutlicht die große Bedeutung des Due Diligence-Prozesses. Ein wesentliches Risiko für die Kreditgeber stellt das Fertigstellungsrisiko dar, denn das Projekt kann nur dann einen positiven Cashflow generieren, wenn es auch fertig gestellt wird. Aufgrund des regelmäßig zu geringen Erlöspotentials im Fall der Verwertung dieser Haftungsmasse, ist dieser Fall projektspezifisch nur wenig attraktiv. Deshalb steht für die finanzierende Bank im Krisenfall, in dem der Cashflow zur Bezahlung des Kapitaldienstes nicht

2.1 Darstellung und Konzeption eines Due Diligence-Prozesses

49

mehr ausreicht, nicht die Verwertung der aus dem Projekt erhaltenen Sicherheiten im Vordergrund, sondern vielmehr die Fortführung des Projekts. Die der Bank zur Verfügung gestellten Sicherheiten44 müssen deshalb inhaltlich derart ausgestaltet sein, dass im Krisenfall die Übernahme des Projekts ohne weitere Mitwirkung der Betreibergesellschaft entweder durch die Bank selbst oder durch einen von ihr benannten Dritten erfolgen kann. Sollte die Betreibergesellschaft insolvent werden, so sollte die Übernahme des Projekts möglichst auch ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters möglich sein. Dabei sind auch die Risiken aus dem Bereich der Grundstückssicherung, wie Zwangsversteigerung des Grundstücks sowie Übertragung des Grundstücks auf einen Dritten zu beachten. Im Rahmen der Legal Due Diligence wird anhand der vom Darlehensnehmer zur Verfügung gestellten Unterlagen das Vorliegen und die Vollständigkeit der für die Errichtung und den Betrieb des Windparkprojekts erforderlichen projektbezogenen rechtlichen Voraussetzungen geprüft, die einer Finanzierung zugrunde liegen sollten (Analyse der rechtlichen Risiken des Projekts). Regelmäßig stehen die Grundstücke, auf denen die Errichtung und der Betrieb der Windenergieanlagen vorgesehen sind, nicht im Alleineigentum des Betreibers. Deshalb muss das Nutzungsrecht für die Errichtung und den Betrieb der Windenergieanlagen an den hierfür erforderlichen Grundstücken langfristig gesichert werden. Gelingt dies, so muss das Projekt dort auch öffentlich-rechtlich genehmigungsfähig sein, was insbesondere aus immissionsschutzrechtlicher Sicht hohe Anforderungen an das Projekt stellt. An dem gesicherten Standort muss zudem der Anschluss an das öffentliche Stromnetz und die Einspeisemöglichkeit für die gesamte von der Windenergieanlage produzierte Energie gewährleistet sein. Ein Anspruch auf die gesetzliche Vergütung nach EEG setzt u.a. voraus, dass bereits vor Inbetriebnahme nachgewiesen ist, dass die Anlagen an dem geplanten Standort mindestens 60 % des Referenzertrages erzielen können (§ 29 Abs. 3 EEG). Erfüllt ein Standort sämtliche der genannten Voraussetzungen, so kann mit der eigentlichen Errichtung und schließlich mit dem Betrieb der Windenergieanlagen begonnen werden und eine (gesellschafts-)rechtliche Strukturierung des Betriebs der Windenergieanlagen vorgenommen werden. Da die finanzierende Bank ihre Finanzierung ausschließlich auf das Projekt abstellen kann, muss insbesondere auch das Fertigstellungs- und Betriebsrisiko in der vorgelegten Vertragsgestaltung (Generalunternehmervertrag, Herstellerkaufvertrag, Wartungsvertrag, Betriebsführungsvertrag) durch entsprechende Vertragsklauseln abgesichert werden. Gegenstand der Prüfung im Rahmen einer Legal Due Diligence sind deshalb • die rechtlichen, wirtschaftlichen und steuerlichen Gegebenheiten der Betreibergesellschaft, • der Generalunternehmer-, der Windenergieanlagen-Kaufvertrag und der Wartungsvertrag45, • der Betriebsführungsvertrag46, 44

Sicherungsübereignung der Windenergieanlagen, Abtretung der Einspeiseerlöse nach EEG, der Rechte aus den Pachtverträgen, des Hersteller-Kaufvertrags, des Generalunternehmervertrags, der Versicherungserstattungen, u.a.

45

Hierzu Kapitel 2.3.

46

Hierzu Kapitel 3.4.

50

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

• die Versicherungen47, • die dingliche und schuldrechtliche Sicherung der erforderlichen Grundstücksflächen, • die zum Bau und Betrieb des Windparkprojekts erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen sowie • der Netzanschluss. Kern der Legal Due Diligence ist deshalb die Prüfung in einem sogenannten Soll-Ist-Vergleich, ob die Betreibergesellschaft und Darlehensnehmerin des zu finanzierenden Windparkprojekts Inhaberin sämtlicher für die Errichtung und den Betrieb des Windparks erforderlichen Rechte ist und sie über diese so verfügen kann, dass diese Rechte der finanzierenden Bank als Kreditsicherheit zur Verfügung gestellt werden können. Hierbei dürfen vorrangige Rechte Dritter die Zugriffsrechte der finanzierenden Bank nicht beeinträchtigen. Auch die Legal Due Diligence ist heute standardisiert. Zu jedem oder oben aufgeführten Themenfelder gibt es üblicherweise typische Prüfungsschwerpunkte. In den letzten Jahren haben sich hierfür rechtliche Anforderungen und Standards entwickelt, die zwischenzeitlich, wenn auch in der Finanzierungspraxis in teilweise unterschiedlicher Ausprägung, von den ein Windparkprojekt finanzierenden deutschen Banken grundsätzlich beansprucht werden.

2.1.4

Grundstückssicherung

2.1.4.1

Konzeption

Für die Errichtung, den Betrieb, die Unterhaltung und ggfs. die Ersetzung der Windenergieanlagen und der erforderlichen Zuwegungen, Anschlussleitungen und Nebenanlagen ist die Benutzung verschiedener Grundstücke erforderlich. Um eine Nutzung dauerhaft zu gewährleisten, muss das Nutzungsrecht an dem jeweiligen betroffenen Grundstück gewährleistet sein. Zur Sicherung der benötigten Grundstücke kommen deren Kauf oder auch die Bestellung eines Erbbaurechtes zugunsten der Betreibergesellschaft in Betracht. Die Bestellung eines Nießbrauchs zugunsten der Betreibergesellschaft scheidet von vornherein aus, zum einen, da sich der Nießbrauch – wie hier erforderlich – nicht nur auf einzelne Rechte (Errichtung und Betrieb einer Windenergieanlage) erstrecken kann, zum anderen aber auch, da der Nießbrauch weder übertragbar noch vererblich ist. Das Erbbaurecht lässt zwar die konkrete Nutzung des Grundstücks zur Errichtung und zum Betrieb der Windenergieanlage zu. Wegen des Formerfordernisses der notariellen Beurkundung und der damit verbundenen erheblichen Kosten hat sich dieses Instrument bis heute in der Praxis jedoch nicht durchgesetzt. Auch der Kauf der erforderlichen Grundstücksflächen kommt in der Praxis für die Betreibergesellschaft regelmäßig nicht vor. Eine dauerhafte Nutzung des Grundstücks ist regelmäßig nicht gewollt, so dass das Grundstück bei Beendigung der Nutzung mit finanziellem Risiko und zeitlichem Aufwand veräußert werden müsste. Als besonders zweckmäßiges Mittel der Grundstückssicherung hat sich der Abschluss eines Pachtvertrages mit entsprechender dinglicher Sicherung der benötigten Grundstücke erwie47

Zu den Versicherungskonzepten und den einzelnen Versicherungen, vgl. Kapitel 4.1.

2.1 Darstellung und Konzeption eines Due Diligence-Prozesses

51

sen. Hierbei wird der Verpächter und Grundstückseigentümer verpflichtet, der Betreibergesellschaft als Pächter den Gebrauch des verpachteten Grundstücks sowie den Genuss der Früchte (§ 581 Abs. 1 BGB) während der Pachtzeit zu gewähren. Vorteil eines Pachtvertrages ist, dass er keinen gesetzlichen Formvorschriften unterliegt; er bedarf keiner notariellen Beurkundung. Damit das eingeräumte Nutzungsrecht nicht nur relativ, d.h. gegenüber dem Verpächter wirkt, sondern absolut, d.h. gegenüber jedermann, muss das Nutzungsrecht „verdinglicht“ werden. Dies geschieht durch die Einräumung einer zugunsten der Betreibergesellschaft ins Grundbuch einzutragenden beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (bpD). Der Pachtvertrag muss zwingend die Verpflichtung zur Bestellung dieser Belastung enthalten (zweistufige Grundstückssicherung). Diese dingliche Sicherung der Grundstücke vermeidet auch die Problematik einer sogenannten Doppelverpachtung. Ist das betreffende Grundstück zuvor bereits an einen Dritten verpachtet worden, könnte hier der Verpächter etwa irrig annehmen, der frühere Pachtvertrag sei nicht mehr wirksam. Beide Pachtverträge sind in diesem Falle wirksam. Wie der Verpächter dann seiner Erfüllungspflicht aus den kollidierenden Verträgen nachkommt, unterliegt seiner Entscheidungsfreiheit. Ist zugunsten des bisherigen Pächters zusätzlich eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen, begründet diese dann gegenüber dem weiteren Pachtvertragsinhaber einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB. Im Rahmen der Due Diligence-Prüfung ist deshalb zu untersuchen, ob die einzelnen Windenergieanlagenstandorte durch den Abschluss von Pachtverträgen und die Bestellung von beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten schuldrechtlich und dinglich gesichert sind. Ebenso ist zu prüfen, ob die für den Betrieb des Windparks erforderlichen Kabel- und Wegeführungen sowie sonstige benötigte Flächen durch privatrechtliche Nutzungsverträge sowie durch die Bestellung von beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten gesichert sind. Anhand eines zur Prüfung der Grundstückssituation von der Betreibergesellschaft zur Verfügung gestellten aktuellen Standort- und Übersichtsplans ist im Einzelnen zu untersuchen, 1. ob alle Flurstücke, die auf dem zum Zwecke der Due Diligence vorgelegten Standortund Übersichtsplan (regelmäßig Maßstab 1 : 5.000) des Windparkgebiets einschließlich der parkexternen Kabeltrasse als für Standort-, Kranstell-, Wege-, Kabel- und Rotorflächen benötigt eingezeichnet sind, durch Pachtverträge schuldrechtlich gesichert sind; 2. ob die in den Pachtverträgen genannten Verpächter bzw. die in den DienstbarkeitsBestellungsurkunden bezeichneten Eigentümer auch in den zur Verfügung gestellten Grundbuchauszügen als Eigentümer eingetragen sind; 3. ob alle Flurstücke, die auf dem Standort- und Übersichtsplan des Windparkgebiets und der externen Verkabelung als betroffen eingezeichnet und in den Aufstellungen enthalten sind, durch beschränkte persönliche Dienstbarkeiten und Vormerkungen48 dinglich gesichert sind und 4. ob die vorgelegten Pachtverträge und die beschränkten persönlichen Dienstbarkeits-Bestellungsurkunden den definierten Anforderungen entsprechen (hierzu nachfolgend). 48

Wegen der Übertragbarkeit der Kabeldienstbarkeiten gem. § 1092 Abs. 3 BGB bedarf es hier keiner Vormerkung.

52

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Das Vorliegen der unter 1. bis 3. aufgeführten Prüfungspunkte ist regelmäßig Voraussetzung für die Auszahlung des Investitionsdarlehens. Bei den unter 4. angesprochenen und nachfolgend unter Kapitel 2.1.5 näher beleuchteten definierten Anforderungen kann im Einzelfall auch die Heilung eines Mangels in Form einer befristeten Auflage im Darlehensvertrag möglich gemacht werden. Im Folgenden werden die einzelnen Regelungsinhalte eines Pacht-/Gestattungsvertrags sowie die Anforderungen an die beschränkte persönliche Dienstbarkeit zur Sicherung der erforderlichen Grundstücksflächen (Standort-, Kranstell-, Wege-, Kabel- und Rotorflächen) für die Errichtung und den Betrieb von Windenenergieanlagen nebst Nebenanlagen vorgestellt, die grundsätzlich erforderlich sind, um die Sicherungsinteressen der Kreditgeber zu erfüllen. An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass die an die Grundstückssicherung gestellten Anforderungen aktuell zwischen den deutschen Finanzierungsinstituten abweichen können. Insbesondere im Falle der externen Kabeltrasse, die oftmals mehrere Kilometer Länge aufweisen kann, wird aufgrund des erheblichen Prüfungsaufwandes im Sinne einer Kosten-/Nutzenabwägung teilweise auf den Nachweis einer dinglichen Sicherung verzichtet. Der Abschluss der Gestattungsverträge für die notwendigen Kabelgrundstücke ist jedoch – wenn auch mit geringeren inhaltlichen Anforderungen – nachzuweisen. Auf der anderen Seite stehen Kreditinstitute, die sowohl die parkinterne als auch die parkexterne Grundstückssicherung in vollem Umfange (wie nachfolgend auch ausgeführt) voraussetzen. Es ist jedem Kreditnehmer in dieser Situation anzuraten, die aktuellen Anforderungen des angefragten Kreditgebers in Erfahrung zu bringen.

2.1.4.2

Inhaltliche Anforderungen

Die Anforderungen an die für die Grundstückssicherung erforderlichen Pacht-/Gestattungsverträge und die beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten werden üblicherweise wie folgt definiert: Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten und Vormerkungen • Eintragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten und Vormerkungen zugunsten der Betreibergesellschaft in der Art, dass keine Rechte in Abteilungen II und III im Grundbuch vorgehen bzw. sie nur hinter solchen Rechten stehen, die der Ausübung der Dienstbarkeiten und Vormerkungen nicht entgegenstehen; • mit geplanter Nutzung übereinstimmender Inhalt des Rechts; • Möglichkeit, die Ausübung der Dienstbarkeit einem Dritten zu überlassen (§ 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB), soweit nicht Kabelgrundstücke betroffen sind. Pacht-/Gestattungsverträge • • • •

Betreibergesellschaft und Grundstückseigentümer als Vertragspartner; mit geplanter Nutzung übereinstimmender Inhalt der Gestattung; Ausschluss der ordentlichen Kündigung; Zustimmung des Grundstückseigentümers zur Übertragung des Pachtvertrages auf Dritte;

2.1 Darstellung und Konzeption eines Due Diligence-Prozesses

53

• Verpflichtung des Grundstückseigentümers zur Verwendung einer Veräußerungsklausel gegenüber einem Grundstückskäufer; • Änderungen des Pachtvertrages nur mit Zustimmung der finanzierenden Bank; • Vertragsdauer mindestens Dauer der Finanzierung zuzüglich 2 Jahre49; • vorzeitige Beendigung des Pachtvertrages nur mit Zustimmung der finanzierenden Bank bzw. Benennungsrecht/Selbsteintrittsrecht der Bank; • Einholung einer Zustimmungserklärung, sofern Unterpacht- bzw. Landpachtverhältnisse bestehen (nicht zwingend bei Rotorflächen); • Ausschluss des Verpächterpfandrechts; • Bei Windenergieanlagen-Standortgrundstücken: Scheinbestandteilseigenschaft der Windenergieanlage. Zusätzlich, sofern die beschränkte persönliche Dienstbarkeit und Vormerkung noch nicht ranggerecht im Grundbuch eingetragen sind: • Verpflichtung zur Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit und Vormerkung für das vertragliche Nutzungsrecht in der Art, dass keine Rechte in Abteilungen II und III im Grundbuch vorgehen bzw. sie nur hinter solchen Rechten stehen, die der Ausübung der Dienstbarkeit bzw. Vormerkung nicht entgegenstehen; • für Windenergieanlagen -Standortgrundstücke, Rotor- und Wegegrundstücke50: • Verpflichtung zur Bestellung einer inhaltsgleichen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit und Vormerkung für einen in den Pachtvertrag eintretenden Dritten; Allgemeine Vertragsinhalte Das Pachtobjekt und der Umfang der zu gewährenden Nutzung müssen im Pachtvertrag im Einzelnen genannt sein. So geht es um die Nutzung für die Errichtung, den Betrieb, die Unterhaltung und ggfs. die Ersetzung der geplanten Windenergieanlage(n), der Anschlussleitungen und der Nebenanlagen, für Zuwegung, Kabel, Trichter, Überhang, Rotorfläche, Kranstellfläche oder Abstandsflächen. Weiterhin sollte bei Standortverträgen die Nutzung durch eine genaue Anzahl der Windenergieanlagen, der installierten Leistung und Nabenhöhe präzisiert werden. Es sollte immer ein Lageplan als Anlage beigefügt werden, der sicher stellt, dass auch aus räumlicher Sicht der genaue Umfang der verpachteten Fläche bestimmt ist. Der Verpächter muss anderweitige Pacht- oder Nutzungsverhältnisse an dem Grundstück, insbesondere Verpachtungen an Landwirte, mit Benennung des Pächters bzw. Nutzers im Vertrag auflisten. Das Nutzungsrecht eines landwirtschaftlichen Nutzers etwa räumt diesem gleichzeitig auch ein Recht zum Besitz ein, welches gegenüber etwaigen neuen Nutzern einen Herausgabeanspruch begründen kann, vgl. § 1007 Abs. 1 BGB. Um dies zu vermeiden, muss dieser andere Pächter schriftlich seine Zustimmung zu der Nutzung des Grundstücks durch die Betreibergesellschaft erteilen. 49

Bei einer Due Diligence für den Investor im Rahmen des Ankaufs eines Windparkprojektes erfahrungsgemäß 20 Jahre mit zweimaliger Verlängerungsmöglichkeit um jeweils fünf Jahre.

50

Wegen der Übertragbarkeit der Kabeldienstbarkeiten gem. § 1092 Abs. 3 BGB bedarf es bei Kabelgrundstücken nicht dieser weiteren Verpflichtung.

54

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Nutzungsentgelt Teilweise wird in Pachtverträgen das Nutzungsentgelt nicht – wie üblich – als Ratenzahlung, sondern als eine Einmalzahlung, die nach Vertragsunterzeichnung für die gesamte Laufzeit im Voraus zu bezahlen ist, ausgestaltet. Für die Betreibergesellschaft und damit für die finanzierende Bank kann dies ein erhebliches Haftungsrisiko darstellen, sofern nach Erhalt der Pachtzahlung das Grundstück verkauft, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betrieben oder der Verpächter insolvent wird. In Fällen wie auch hier, in denen die Einmalzahlung für einen befristeten Zeitraum geleistet wird und auf eine monatlich zu erbringende Gegenleistung des Verpächters umgerechnet werden kann, kann der Erwerber eines Grundstücks trotz der Erfüllung der ursprünglichen Pflicht zur Einmalzahlung von der Betreibergesellschaft nach der Rechtsprechung des BGH51 für den Zeitraum ab dem Kalendermonat, der auf die Kenntniserlangung des Pächters von dem Übergang des Grundstückseigentums folgt, im Falle des § 566 c S. 1 BGB weitere Pachtzahlungen verlangen52. Der Pächter erhält dann zwar einen entsprechenden Rückzahlungsanspruch gegen den ursprünglichen Verpächter. Dessen Werthaltigkeit ist aber insbesondere im Fall der Insolvenz des ursprünglichen Verpächters äußerst fraglich. Vor diesem Hintergrund und um der Betreibergesellschaft bzw. der finanzierenden Bank unabhängig eine gesicherte Rechtsposition einzuräumen, sollte der mögliche Rückzahlungsanspruch der Betreibergesellschaft gegen den ursprünglichen Grundstückseigentümer wegen Unwirksamkeit der vorausgezahlten Einmalzahlung gemäß § 566 c BGB durch eine erstrangige Grundschuld, lastend auf dem Standortgrundstück, abgesichert werden. Sicherungsübereignung an die finanzierende Bank Die Möglichkeit der Übernahme bzw. der Verwertung des Projekts verlangt zugunsten der finanzierenden Bank die Sicherungsübereignung der Windenergieanlagen und ggfs. der Kabel. Damit die Sicherungsübereignung möglich ist, muss gewährleistet sein, dass die Windenergieanlagen und Kabel nicht in das Eigentum des Grundstückseigentümers fallen und dass letzterer auch keine anderen vorrangigen Rechte an ihnen geltend machen kann. Ausschluss des gesetzlichen Eigentumserwerbs für den Grundstückseigentümer Die heute überwiegende Auffassung geht davon aus, dass die Windenergieanlage, bestehend aus Turm, Rotor, Gondel nebst dem Fundament ein Gebäude im Sinne des § 94 Abs. 2 BGB und deshalb auch wesentlicher Bestandteil des Grundstücks sei53.

51

BGH, NJW 1998, 595; auch Häublein, in Münchner Kommentar, BGB, § 566 c Rdn. 9 a.E.

52

Streitig, vgl. Palandt, BGB, § 566 c Rdn. 2; Entsprechendes gilt nach § 110 Abs. 2 InsO, § 1124 BGB für den Fall der Insolvenz des Grundstückseigentümers und § 57 ZVG i.V.m. § 566 c BGB für den Fall der Zwangsvollstreckung in das Pachtgrundstück.

53

Zu dieser Frage, Peters, WM 2007, 2003–2008 mit weiteren Nachweisen, der den aktuellen Streitstand in Rechtsprechung und Literatur umfangreich darstellt.

2.1 Darstellung und Konzeption eines Due Diligence-Prozesses

55

Damit ein gesetzlicher Eigentumserwerb an den Windenergieanlagen (§ 946 BGB) nicht stattfindet, muss es sich bei den Windenergieanlagen um Scheinbestandteile (§ 95 BGB) handeln. Eine solche Scheinbestandteilseigenschaft liegt dann vor, • wenn die Verbindung der Windenergieanlage mit dem Grundstück „nur zu einem vorübergehenden Zweck“ (§ 95 Abs. 1 S. 1 BGB) erfolgt oder • wenn die Windenergieanlage „in Ausübung eines Rechts mit dem Grundstück verbunden“ wird (§ 95 Abs. 1 S. 2 BGB). Der Pachtvertrag muss deshalb so ausgestaltet sein, dass er den gesetzlichen Eigentumserwerb an den Anlagen (§ 946 BGB) durch den Grundstückseigentümer ausschließt. Maßgeblich ist nach der inzwischen herrschenden Meinung, dass nach dem Willen der Vertragsparteien der Pächter Eigentümer der Windenergieanlage bleiben soll und diese nach Beendigung des Pachtvertrages vom Pächter von dem Grundstück zu entfernen ist (sog. Rückbauverpflichtung). Im Gegensatz zu der früheren Auffassung kommt es nicht mehr darauf an, ob dies ggfs. erst nach Ablauf der Lebensdauer der Windenergieanlage erfolgt54. Die Windenergieanlage ist ebenfalls ein Scheinbestandteil (§ 95 Abs. 1 S. 2 BGB), wenn sie in Ausübung eines Rechts (hier einer beschränken persönlichen Dienstbarkeit) auf dem Grundstück errichtet wird. Sofern die beschränkte persönliche Dienstbarkeit im Zeitpunkt der Errichtung der Windenergieanlage noch nicht im Grundbuch eingetragen sein sollte, ist dies nach der herrschenden Meinung dann nicht schädlich, wenn im Pachtvertrag die Verpflichtung zur Bestellung dieses Rechts aufgenommen ist und deren Eintragung später tatsächlich auch erfolgt. Teilweise wird ergänzend zu diesem Zeitpunkt die wirksame Bestellung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit verlangt55. Entsprechende Vertragsklauseln müssen deshalb in den Pachtvertrag aufgenommen werden. Verzicht auf das Verpächterpfandrecht Die Sicherungsübereignung der Windenergieanlage, der Anschlussleitungen und Nebenanlagen sind für die finanzierende Bank nur dann als Sicherungsmittel belastbar, wenn Dritte bezüglich des Sicherungsguts keine anderen vorrangigen Rechte geltend machen können. In Betracht kommt hier das gesetzliche Pfandrecht des Verpächters gemäß §§ 581 Abs. 2, 562 ff. BGB, welches dem Verpächter zur Sicherung seiner Forderungen aus dem Pachtvertrag an den eingebrachten Sachen des Pächters sowie an den Früchten der Pachtsache zusteht. Grundsätzlich erwirbt der Verpächter nur an den im Eigentum des Pächters stehenden Sachen ein Verpächterpfandrecht. Die Vereinbarung einer Sicherungsübereignung des Pächters mit und zugunsten der Bank, die regelmäßig vor der Einbringung der Windenergieanlagen in das gepachtete Grundstück stattfindet, kann jedoch nicht verhindern, dass der Verpächter ein Verpächterpfandrecht an diesen Anlagen erwirbt. Denn diese Vereinbarung begründet nur einen schuldrechtlichen Verschaffungsanspruch. Zu der dinglichen Übertragung des Eigentums an die finanzierende Bank kommt es erst, wenn der Pächter Besitzer der Anlagen wird, wenn sie also auf das gepachtete Grundstück geliefert werden. Damit fallen der Zeitpunkt 54 55

So auch OLG Schleswig, WM 2005, 1909, 1912; Peters, WM 2007, 2003, 2006. Peters, a.a.O., m.w.N.; OLG Schleswig, WM 2005, 1909, 1912.

56

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

der Sicherungsübereignung und der Zeitpunkt des Entstehens des Verpächterpfandrechts zusammen, so dass der Pächter zumindest für eine „logische Sekunde“ Eigentümer der Anlagen wird. Das Verpächterpfandrecht erstreckt sich dann also ungeachtet der gleichzeitig vollendeten Sicherungsübereignung auf die eingebrachten Anlagen56. Deshalb ist eine vertragliche Vereinbarung eines Verzichts des Verpächters auf sein Pfandrecht erforderlich57. Sofern im Einzelfall eine Sicherungsübereignung – meist für die Kabel – nicht erfolgt, entfällt die Notwendigkeit dieses Verzichts. Nicht zwingend notwendig ist der Verzicht auch bei Kabelgrundstücken, sofern als Nutzungsentgelt eine Einmalzahlung vereinbart ist. Da in diesem Fall bereits alle Zahlungsverpflichtungen des Pächters erfüllt wurden und Beschädigungen des Grundstücks durch die Kabelführung nur sehr schwer denkbar sind, ist kaum mehr ein Fall denkbar, in dem der Verpächter sein Pfandrecht ausüben könnte. Dies wird die finanzierende Bank im konkreten Einzelfall im Rahmen ihrer Abwägung berücksichtigen. Beschränkte persönliche Dienstbarkeit und Vormerkung Die Bestellung und Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten der Betreibergesellschaft gewährleistet neben der vertraglichen Sicherung durch den Pachtvertrag eine weitere Absicherung des Nutzungsrechts an dem Grundstück. Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit berechtigt denjenigen, zu dessen Gunsten sie bestellt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu nutzen (§ 1090 Abs. 1 BGB). Aufgrund dieser Belastung muss der Eigentümer, der ansonsten eine uneingeschränkte Herrschaftsmacht über das Grundstück hat, die Benutzung des Grundstücks dulden bzw. gewisse tatsächliche Handlungen unterlassen. Um den Anforderungen der finanzierenden Banken gerecht zu werden, stellen diese teilweise entsprechende Muster für die Bestellung von beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten58 und der Vormerkung zur Verfügung. Deren Eintragung im Grundbuch hat in der Weise zu erfolgen, dass keine Rechte in Abteilungen II und III im Grundbuch vorgehen bzw. nur hinter solchen Rechten, die der Ausübung der Dienstbarkeit bzw. der Vormerkung nicht entgegenstehen59. Sofern vorrangige Eintragungen bestehen, muss ein Rangrücktritt mit dem Inhaber des vorrangigen Rechts vereinbart werden60. Ist im Zeitpunkt der beabsichtigten 56

Vgl. Palandt, § 562, Rdnr. 10; Artz, in Münchener Kommentar, BGB, § 562 Rdnr. 18; OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.12.1998 – 11 U 33/98 in ZMR 99, 474 ff.

57

In manchen Fällen, in denen der Ausschluss des Verpächterpfandrechts gegenüber dem Verpächter nicht durchsetzbar war, verpflichtete sich die Betreibergesellschaft gegenüber der finanzierenden Bank, die vertragsgemäße Erbringung der Pachtzahlungen nachzuweisen, sodass die Bank ggf. die Ausübung des Verpächterpfandrechts durch eigene Zahlung des Pachtzinses abwenden konnte. Das Risiko eventueller Schadenersatzforderungen aus Beschädigungen am Grundstück konnte hiermit jedoch nicht gemindert werden.

58

Die Entstehung setzt eine Einigung und die Eintragung im Grundbuch voraus (§ 873 BGB).

59

U.a. vorrangige Wege- oder Leitungsrechte, die jedoch im konkreten Fall die Ausübung der Dienstbarkeit nicht beeinträchtigen. Dies ist durch Vorlage eines entsprechenden Lageplans der finanzierenden Bank nachzuweisen.

60

Teilweise verpflichtet die finanzierende Bank den Grundstückseigentümer zu ihren Gunsten oder zugunsten eines von ihr zu benennenden Dritten, eine zusätzliche beschränkte persönliche Dienstbarkeit einzutragen und sichert diesen Anspruch durch die Bestellung einer entsprechenden Vormerkung hierauf, die unmittelbar nach der bereits zugunsten der Betreibergesellschaft bestellten beschränkten persönlichen Dienstbarkeit einzutragen ist.

2.1 Darstellung und Konzeption eines Due Diligence-Prozesses

57

Auszahlung des Kredites die beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach Antragstellung noch nicht im Grundbuch eingetragen, kann ein Notar stattdessen gegenüber der finanzierenden Bank eine sogenannte Notarbestätigung, dass einer rangrichtigen Eintragung des Rechts zugunsten des Kreditinstituts nichts entgegensteht, abgeben. Insoweit übernimmt der Notar die Gewähr für die rangrichtige Eintragung. Der Pächter muss berechtigt sein, einem Dritten die Ausübung der Dienstbarkeit zu gestatten. Diese Regelung, die auf eine Absicherung der finanzierenden Bank im Falle der Rechtsnachfolge abzielt, ist zwingend. Grundsätzlich ist die zugunsten der Betreibergesellschaft bestellte beschränkte persönliche Dienstbarkeit nicht übertragbar, vgl. § 1092 Abs. 1 S. 1 BGB. Damit die Ausübung der Dienstbarkeit durch einen Dritten möglich ist, muss dies im Rahmen der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit gestattet werden, vgl. § 1092 Abs. 1 S. 1 BGB. Bei der Gestattung handelt es sich um eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung61, die auch nachträglich zum Inhalt der Dienstbarkeit gemacht werden kann. Sie sichert im Falle ihrer Eintragung ins Grundbuch, dass das Ausübungsrecht nicht nur gegenüber dem Verpächter (Grundstückseigentümer), sondern auch gegenüber dessen Rechtsnachfolger (Grundstückserwerber) besteht62. Hierzu muss die Gestattung nicht ausdrücklich im Grundbuch eingetragen werden, nach § 874 BGB genügt bei der Eintragung auch die Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung63. Erforderlich wird eine Gestattung etwa, wenn auf Seiten des von der Dienstbarkeit Berechtigten die Betreibergesellschaft als Rechtsträger wechselt64. Vor dem Hintergrund, dass sich eine Übertragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit auf den Rechtsnachfolger gemäß § 1092 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich verbietet65 und dies gemäß § 399 BGB ebenso für den entsprechenden schuldrechtlichen Anspruch auf Bestellung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit gilt66, erscheint es naheliegend, dass sich der Verpächter bereits im ursprünglichen Vertrag gegenüber dem Betreiber nach § 328 BGB verpflichtet, für den Fall der Rechtsnachfolge auf Pächterseite dem später Berechtigten eine (neue) beschränkte persönliche Dienstbarkeit mit dem gleichen Inhalt zu bestellen67. Dies stellt insofern keine unzulässige Umgehung des § 1092 Abs. 1 S. 1 BGB dar, als der später Berechtigte nicht die bisherige beschränkte persönliche Dienstbarkeit, sondern einen Anspruch auf Einräumung eines

61

Siehe bereits RGZ 159, 193, 204.

62

Hierzu Joost, in Münchener Kommentar, BGB, § 1092 Rdn. 5.

63

Vgl. BGH, Urteil vom 29.09.2006 – Az.: V ZR 25/06 in WM 2006, 2226 ff.; OLG Karlsruhe BB 1989, 942, 943. Ohne eine entsprechende Eintragung fehlt es an einer dinglichen Sicherung und entsprechenden Bindung des Grundstückserwerbers. Grundsätzlich vermag eine bloß auf schuldrechtlicher Ebene geschlossene Vereinbarung keine Bindung des Rechtsnachfolgers des Eigentümers bewirken, Ausnahmen sind Fälle von Treu und Glauben (§ 242 BGB), hierzu Joost, in Münchener Kommentar, BGB, § 1092 Rdn. 5.

64

Sog. Asset-Deal.

65

Anders bei Kabeldienstbarkeiten, § 1092 Abs. 3 BGB.

66

Siehe hierzu Joost, in Münchener Kommentar, BGB, § 1092 Rdn. 3.

67

Siehe hierzu Joost, in Münchener Kommentar, BGB, § 1092 Rdn. 4. Vgl. BGHZ 28, 99 = NJW 1958, 1677, 1678.

58

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

neuen dinglichen Rechts erwirbt. Der hierauf gerichtete schuldrechtliche Anspruch kann sogleich im Wege der Vormerkung gesichert werden. Eine solche Absicherung ist jedoch dann nicht ausreichend, wenn zusätzlich zeitgleich auch der Grundstückseigentümer wechselt. Eine dingliche Absicherung bestünde erst zu dem Zeitpunkt, zu dem zugunsten der neuen Betreibergesellschaft68 eine neue beschränkte persönliche Dienstbarkeit eingetragen ist. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht die Gefahr, dass das in dem Pachtvertrag vereinbarte Ausübungsrecht für Dritte nicht gemäß §§ 581 Abs. 2, 566 Abs. 1 BGB69 auf den Erwerber übergeht70, sofern in dem Kaufvertrag zwischen Alt- und Neueigentümer keine sogenannte Veräußerungsklausel71 aufgenommen worden ist und deshalb eine Gestattung zugunsten der neuen Betreibergesellschaft nicht erfolgen kann. Ausschluss der ordentlichen Kündigung Die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung muss im Nutzungsvertrag ausgeschlossen sein. Dies ist gewährleistet, wenn der Nutzungsvertrag für einen begrenzten Zeitraum geschlossen wird. Dann entspricht der Ausschluss der ordentlichen Kündigung der Vorschrift des § 542 Abs. 2 BGB. Für die Annahme einer zeitlichen Begrenzung ist ausreichend, wenn der Vertrag die Nutzung „für die Dauer des Bestehens des Windparks (voraussichtlich 30 Jahre)“ vorsieht. Damit wird nämlich deutlich, dass der Betrieb des Windparks von vornherein nur auf Zeit vorgesehen ist. Erfahrungsgemäß enthalten Verträge mit der öffentlichen Hand jedoch häufig ein Kündigungsrecht für den Verpächter für den Fall, dass die Kündigung im Hinblick auf das öffentliche Wohl erforderlich ist. Angesichts der öffentlichen Bedeutung der Energieversorgung ist es jedoch schwer vorstellbar, dass Gründe des öffentlichen Wohls tatsächlich eine Kündigung erforderlich machen. Das Risiko einer Kündigung aufgrund dieser Klausel dürfte also als außerordentlich gering einzustufen sein. Es muss also vorgesehen sein, dass eine Kündigung grundsätzlich nur außerordentlich, d.h. aus wichtigem Grund, erfolgen kann. Für den Fall, dass der Pachtvertrag vorzeitig zu einem Zeitpunkt beendet wird, in dem die Finanzierung durch die Bank noch nicht abgeschlossen ist, muss die Verpflichtung für den Verpächter vorgesehen sein, einen entsprechenden Pachtvertrag mit der finanzierenden Bank oder einem von der Bank benannten Dritten abzuschließen. Durch eine solche Klausel wird gewährleistet, dass das Nutzungsrecht an dem Grundstück auch bei einem Ausscheiden der Betreibergesellschaft als ursprünglichem Vertragspartner weiterhin gesichert bleibt und so das Windenergieprojekt weiterhin wirtschaftlich betrieben wird.

68

Dies kann auch den Fall der Fortführung des Projekts durch die finanzierende Bank oder einen eintretenden Dritten betreffen.

69

Dieser Fall gilt entsprechend auch für den Erwerb des Grundstücks im Wege der Zwangsversteigerung, § 57 ZVG i.V.m. §§ 566, 581 Abs. 2 BGB.

70

Palandt, BGB, § 566 Rdn. 15.

71

Hierzu vgl. nachfolgend unter „Veräußerungsklausel“.

2.1 Darstellung und Konzeption eines Due Diligence-Prozesses

59

Konkret sollte für den Kündigenden die Pflicht vorgesehen sein, im Fall der außerordentlichen Kündigung des Pachtvertrages vor vollständiger Rückführung der Finanzierung die finanzierende Bank von der Kündigungsabsicht zu unterrichten. Sodann muss die Bank innerhalb einer festgelegten Frist (z.B. vier Wochen) an die Stelle des Pächters treten oder hierfür einen Dritten benennen oder den Kündigungsgrund beseitigen können. Zustimmungserfordernis der finanzierenden Bank Es muss vertraglich sichergestellt sein, dass vor vollständiger Rückführung der Kredite, die Pachtvertragsparteien keine das Sicherungsinteresse der finanzierenden Bank berührenden Abreden72 aufheben, ändern oder ergänzen dürfen. Insoweit wird in den Pachtvertrag zwingend ein entsprechender Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Kreditgebers für die Dauer der Finanzierung aufgenommen. Eine hiergegen verstoßende Vertragsregelung zwischen den Pachtvertragsparteien ist unwirksam. Gleiches gilt für die beschränkte persönliche Dienstbarkeit nebst Vormerkung, die ebenso nicht ohne die Zustimmung der finanzierenden Bank gelöscht, geändert oder ergänzt werden darf. Fehlt im konkreten Prüfungsfall eine solche Klausel, muss die finanzierende Bank abwägen, ob ihr die ebenfalls im Kreditvertrag zwischen Betreibergesellschaft und ihr abgeschlossene inhaltsgleiche Regelung zur Erfüllung ihrer Sicherungsinteressen genügt. Eintritt eines Dritten in den Pachtvertrag Damit das Projekt im Krisenfall fortgeführt werden kann, muss der Verpächter im Pachtvertrag bereits für den Fall der Verwertung der Windenergieanlagen oder falls der Pächter aus sonstigen Gründen das Windenergieprojekt nicht weiter betreiben kann, dem Eintritt eines Dritten in den Vertrag als Pächter mit allen Rechten und Pflichten an Stelle des bisherigen Pächters unwiderruflich einwilligen. Hierfür ist die finanzierende Bank zu bevollmächtigen, den für die Vertragsübernahme erforderlichen Eintrittsvertrag mit einem Dritten zu schließen. Diese Vollmacht endet mit vollständiger Rückführung der von der finanzierenden Bank gewährten Kredite. Der Eintritt des Dritten an Stelle des bisherigen Pächters muss wirksam werden können, wenn der schriftlich hierüber abgeschlossene Eintrittsvertrag dem Verpächter schriftlich angezeigt worden ist und der übernehmende Dritte in schriftlicher Form gegenüber dem Verpächter die Übernahme der Rechte und Pflichten aus dem Pachtvertrag erklärt hat. Diese Anzeigepflicht entspricht den Schutzinteressen des Verpächters. Für den Eintritt eines Dritten muss der Pachtvertrag außerdem die Verpflichtung zur Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit für diesen Dritten vorsehen. Zur Sicherung dieses Anspruchs ist eine Vormerkung im Grundbuch einzutragen. Für den Fall der Verwertung der Windenergieanlage durch die finanzierende Bank, ist diese berechtigt, anstelle des bisherigen Pächters mit allen Rechten und Pflichten in den Pachtvertrag einzutreten. Der Verpächter stimmt bereits mit Abschluss des Pachtvertrages dessen Übertragung auf die finanzierende Bank zu. In diesem Fall stehen der finanzierenden Bank 72

U.a. für folgende Regelungen: Verzicht auf das Verpächterpfandrecht; Regelung, dass die Windenergieanlage nicht in das Eigentum des Verpächters fällt; Bestellung der dinglichen Sicherheiten; Eintrittsrecht zugunsten der finanzierenden Bank.

60

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

alle Rechte aus dem Vertrag zu. Vorgenannter Vertragseintritt wird jedoch erst dann wirksam, wenn die finanzierende Bank in schriftlicher Form gegenüber dem Verpächter die Übernahme der Rechte und Pflichten aus diesem Pachtvertrag angezeigt hat. Veräußerungsklausel Im Falle der Veräußerung oder anderweitigen Übertragung73 des Grundbesitzes durch den Eigentümer an einen Dritten sehen die gesetzlichen Regelungen grundsätzlich vor, dass der Erwerber anstelle des Verpächters in die sich aus dem Pachtverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten eintritt (§§ 581 Abs. 2, 566 Abs. 1 BGB). Nicht erfasst werden hiervon jedoch solche Vereinbarungen, die nur aus Anlass des Pachtvertrages zugunsten Dritter getroffen werden74. Soweit der Pachtvertrag somit Rechte Dritter regelt – wie z.B. das Eintrittsrecht zugunsten der finanzierenden Bank oder von ihr benannten Dritter –, gehen diese nach den gesetzlichen Regelungen ohne eine gesonderte Vereinbarung nicht per se über. Deshalb muss sich mit der sogenannten „Veräußerungsklausel“ der Verpächter für den Fall, dass er den im Pachtvertrag betroffenen Grundbesitz veräußert oder sonst überträgt, verpflichten, dem Erwerber aufzuerlegen, dass dieser in alle Verpflichtungen eintritt, die sich aus dem Pachtvertrag, insbesondere gegenüber der finanzierenden Bank ergeben. Kommt der Verpächter dieser Verpflichtung nicht nach, so haftet er gegenüber dem jeweiligen Berechtigten für sämtliche entstehenden Schäden, insbesondere gegenüber der finanzierenden Bank. Widerrufsbelehrung Es muss geprüft werden, ob dem Verpächter ein Widerrufsrecht zusteht, und wenn ja, ob diesbezüglich eine ordnungsgemäße Belehrung stattgefunden hat. Ist der Verpächter ein Verbraucher und erfolgt die Widerrufsbelehrung nicht oder nicht ordnungsgemäß, so steht dem Verpächter ein grundsätzlich unbefristetes Widerrufsrecht zu. Denn die zweiwöchige Frist zum Widerruf beginnt erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Verbraucher entsprechend den gesetzlichen Anforderungen ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde, § 355 Abs. 2 BGB. Dies hätte zur Folge, dass der Pachtvertrag quasi jederzeit seitens des Verpächters beendet werden könnte. Damit ein Widerrufsrecht besteht, muss der Grundstückseigentümer ein Verbraucher i.S.d. § 13 BGB und der Pächter ein Unternehmer i.S.d. § 14 BGB sein. Von letzterem ist regelmäßig auszugehen, da die Betreibergesellschaft des Windparkprojektes als juristische Person in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit, nämlich dem Betrieb von Windenergieanlagen, handelt. Der persönliche Anwendungsbereich des § 312 BGB entfällt nur dann, wenn der Pacht- oder Nutzungsvertrag mit hauptgewerblichen Landwirten, Agrargesellschaften oder mit Gemeinden abgeschlossen ist75.

73

Z.B. Tausch, Schenkung, vgl. Häublein, in Münchener Kommentar, BGB, § 566 Rdn. 17.

74

Vgl. Palandt, BGB, § 566 Rdn. 15 m.w.N., sowie Kapitel 2.1.4.2.

75

Vgl. auch BGH, NJW 2002, 368.

2.1 Darstellung und Konzeption eines Due Diligence-Prozesses

61

Außerdem muss der Abschluss des Pachtvertrages als Haustürgeschäft einzustufen sein. Wurde der Verbraucher durch die Haustürsituation zum Vertragsschluss bestimmt, so soll ihm ein Widerrufsrecht zustehen. Die mündliche Verhandlung im Bereich einer Privatwohnung könnte hierunter fallen. Im Einzelfall kann die Feststellung, ob ein Haustürgeschäft vorliegt oder nicht, jedoch schwierig sein76. Durch eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung wird die zweiwöchige Widerrufsfrist in Gang gesetzt, § 355 Abs. 2 BGB. Sollte sich im Rahmen der Due Diligence ergeben, dass zwar eine Widerrufsbelehrung erfolgt ist, deren Wirksamkeit allerdings zweifelhaft sein, so sollte die Widerrufsbelehrung formell und inhaltlich korrekt nachgeholt werden. Hierzu würde die finanzierende Bank die Betreibergesellschaft insoweit auch verpflichten.

2.1.5

Öffentlich-rechtliche Genehmigungen

Für den öffentlich-rechtlichen Teil der Projektprüfung ist aus der Sicht der finanzierenden Bank zu prüfen, ob die vorliegenden Genehmigungen den Betrieb der Windenergieanlagen erlauben. Zu prüfen ist damit, 1. ob alle erforderlichen Genehmigungen für Errichtung und Betrieb der Windenergieanlagen vorliegen; 2. ob die vorliegenden Genehmigungen bestandskräftig sind; 3. ob die vorliegenden Genehmigungen Auflagen und/oder Bedingungen enthalten, die den wirtschaftlichen Betrieb der Windenergieanlagen offensichtlich beeinträchtigen77.

2.1.5.1

Art der erforderlichen Genehmigung

Für die Errichtung von Windenergieanlagen bedarf es grundsätzlich einer Genehmigung nach Bundesimmissionsschutzgesetz. Denn als ortsfeste Einrichtung ist eine Windenergieanlage eine Anlage i.S.d. § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG und sie übersteigt auch in aller Regel die Höhe von 50 m und damit die Grenze für die Erforderlichkeit einer baurechtlichen Genehmigung, vgl. § 4 Abs. 1 S. 1, 3 BImSchG, § 1 4. BImSchVO, Nr. 1.6 Anhang zur 4. BImSchVO. Die Genehmigung nach BImSchG kann in einem einfachen (§ 19 BImSchG) oder in einem förmlichen Verfahren (§ 10 BImSchG) erlangt werden. Welches Verfahren jeweils vorgegeben ist, richtet sich nach der Anzahl der zu genehmigenden Windenergieanlagen, danach, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist und gegebenenfalls nach deren Ergebnis. Auch wenn gesetzlich ein vereinfachtes Verfahren vorgesehen ist, kann der Antragsteller fakultativ den Antrag auf ein förmliches Verfahren stellen, vgl. § 19 Abs. 3 BImSchG. Umgekehrt kann hingegen kein vereinfachtes Verfahren beantragt werden, wenn die Voraussetzungen für ein förmliches Verfahren vorliegen. 76

Zu den einzelnen Fallgruppen, Ulmer, in: Münchener Kommentar, BGB, § 312 Rdn. 49.

77

Der öffentlich-rechtliche Teil der Due Diligence im Rahmen eines Ankaufs eines Windparkprojektes für einen Investor ist an dieser Stelle deutlich umfangreicher.

62

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Das vereinfachte Verfahren bietet den Vorteil, auf aufwändige Schritte wie insbesondere eine umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung zu verzichten. Sein Nachteil ist allerdings, dass es gerade aufgrund der fehlenden Öffentlichkeitsbeteiligung auch keine Präklusionswirkung entfaltet. Das bedeutet, dass trotz der Wirksamkeit der Genehmigung für einen Dritten weiterhin die Möglichkeit besteht, Einwendungen gegen sie geltend zu machen. „Dritter“ ist hierbei jeder Nachbar, der eine besondere Beziehung zu einem Ort im Einwirkungsbereich der Windenergieanlage hat78. Angesichts des weiten Einwirkungsbereiches einer Windenergieanlage aufgrund ihres Schattenwurfes, ihrer Sichtbarkeit und ihrer Schallemissionen ist der Kreis der „Dritten“ i.S.d. BImSchG oftmals nicht im Vorhinein abschließend zu erkennen. Ein förmliches Verfahren hingegen sieht zwingend eine Öffentlichkeitsbeteiligung vor. Gemäß § 10 Abs. 3 S. 1 BImSchG muss das Vorhaben veröffentlicht werden und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen sind gemäß § 10 Abs. 3 S. 2 BImSchG für die Dauer eines Monats öffentlich auszulegen. Dies hat zur Folge, dass gemäß § 10 Abs. 3 S. 4 BImSchG zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist alle Einwendungen gegen das Vorhaben ausgeschlossen sind, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen (Präklusionswirkung). Ist von vornherein mit vielen Einwendungen gegen das Vorhaben zu rechnen, sollte deshalb von einer bestehenden Wahlmöglichkeit vom förmlichen Verfahren Gebrauch gemacht werden. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung entfaltet gemäß § 13 BImSchG grundsätzlich Konzentrationswirkung für alle weiteren, das Windenergievorhaben betreffenden behördlichen Entscheidungen. Das bedeutet, dass neben dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren auch dann keine weiteren Verfahren durchgeführt werden, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, denn das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren berücksichtigt auch alle weiteren Genehmigungsvorbehalte. Von der Konzentrationswirkung ausgenommen sind gemäß § 13 BImSchG wasserrechtliche und wasserhaushaltsrechtliche Entscheidungen. Gegebenenfalls erforderliche Genehmigungen, die diese Rechtsgebiete betreffen, müssen parallel zu der Genehmigung nach BImSchG eingeholt und vorgelegt werden. Sollte die Genehmigung nicht auf die Betreibergesellschaft ausgestellt sein, ist noch ein Betreiberwechsel gegenüber der Genehmigungsbehörde anzuzeigen.

2.1.5.2

Wirksamkeit und Bestandskraft der Genehmigung

Die Genehmigung wird grundsätzlich mit Zustellung an den Antragsteller wirksam. Es ist allerdings möglich, dass die Behörde die Wirksamkeit der Genehmigung gemäß § 12 Abs. 1 BImSchG unter aufschiebende Bedingungen stellt. Dann wird die Genehmigung erst mit deren Erfüllung wirksam. Im Zusammenhang mit der Errichtung von Windenergieanlagen betreffen die aufschiebenden Bedingungen zumeist die Absicherung des Rückbaus der Windenergieanlagen durch den Nachweis einer Rückbaubürgschaft oder den Nachweis der Eintragung von Abstandsflächen im Baulastenverzeichnis oder im Grundbuch. Sobald die 78

Vgl. Jarass, Kommentar zum BImSchG, 8. Auflage, 2010, § 6 Rdn. 69.

2.1 Darstellung und Konzeption eines Due Diligence-Prozesses

63

Genehmigung wirksam ist, kann der Antragsteller gemäß den landesrechtlichen Bauordnungsvorschriften mit der Errichtung der Windenergieanlagen beginnen. Es kann jedoch bereits vor Zustellung der Genehmigung mit der Errichtung von Windenergieanlagen begonnen werden, wenn die Behörde dies auf Antrag des Antragstellers vorläufig zulässt, vgl. § 8a BImSchG – Zulassung vorzeitigen Beginns. Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf, in der Regel einen Widerspruch, gegen die Genehmigung ein, so hängt dessen Wirkung von dem genauen Inhalt des Genehmigungsbescheides ab. Ordnet der Genehmigungsbescheid, wie in den meisten Fällen, seine sofortige Vollziehung an, so entfaltet der Rechtsbehelf des Drittbetroffenen keine aufschiebende Wirkung. In den anderen Fällen hemmt der Rechtsbehelf eines Dritten gegen die Genehmigung deren Vollziehbarkeit. Dann muss die Errichtung der Windenergieanlagen unterbrochen werden. Aus Sicht der finanzierenden Bank ist zum einen zu prüfen, ob die aufschiebenden Bedingungen, unter die die Wirksamkeit der Genehmigung möglicherweise gesetzt ist, erfüllbar sind. Grundsätzliche Voraussetzung für die erste Valutierung des Investitionsdarlehens ist die Bestandskraft der Genehmigung. Dies ist mit Ablauf der Rechtsmittelfrist der Fall. Wurde die Genehmigung im Rahmen eines förmlichen Verfahrens erteilt, beträgt die Frist zum Einlegen eines Rechtsmittels, auch für Dritte, einen Monat. Wurde die Genehmigung hingegen im vereinfachten Verfahren erlangt, Dritte also nicht daran beteiligt, beginnt die Widerspruchsfrist für Dritte nicht zu laufen79. Allerdings verwirken Dritte ihr Widerspruchs- und Klagerecht, wenn sie längere Zeit, d.h. entsprechend dem Rechtsgedanken des § 58 Abs. 2 VwGO, mehr als ein Jahr zuverlässige Kenntnis von der Genehmigung hatten oder hätten haben müssen und keine Rechtsmittel eingelegen haben80. Sollte im Zeitpunkt der Due Diligence-Prüfung die erforderliche Genehmigung noch keine Bestandskraft erlangt haben, stellt sich für die finanzierende Bank regelmäßig im Falle von vereinfachten Verfahren die Frage, ob die längere Drittwiderspruchs- und Klagefrist abgewartet werden sollte. Oftmals ist es dann Aufgabe der Due Diligence-Prüfung, die Genehmigung in diesem Fall materiell-rechtlich zu überprüfen, um festzustellen, ob ihre Erteilung rechtmäßig war und somit ein Rechtsmittel dagegen auch keinen Erfolg haben könnte. Je nach Ergebnis dieser Prüfung muss seitens der finanzierenden Bank dann eine Risikoabwägung erfolgen, anhand derer entschieden wird, ob eine Finanzierungszusage, trotz möglicherweise verbleibenden Restrisikos der Aufhebung der Genehmigung, erteilt wird.

2.1.5.3

Auflagen und/oder Bedingungen

Oftmals erlöschen Genehmigungen, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist in Anspruch genommen worden sind, m.a.W. mit dem Bau begonnen worden ist. Sollten im konkreten Fall Zweifel hierüber bestehen, hat die Betreibergesellschaft den Nachweis über den rechtzeitigen Baubeginn zu erbringen.

79

Jarass, Kommentar zum BImSchG, 8. Auflage, 2010, § 19 Rdn. 23 m.w.N.

80

Jarass, a.a.O.; zum Baurecht BVerwGE 44, 294/298 ff.

64

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Notwendige Abstandsflächen oder Geh- und Fahrrechte werden teilweise dergestalt gesichert, dass der unteren Bauaufsichtsbehörde vor Baubeginn nachzuweisen ist, dass Dienstbarkeiten zugunsten des Landkreises für die Sicherung von Abstandsflächen und/oder Gehund Fahrrechte zur Eintragung in das Grundbuch vorliegen. Sollte dieser Nachweis im Zeitpunkt der Due Diligence noch nicht geführt worden sein, wäre die Verpflichtung, dies der finanzierenden Bank bis vor Baubeginn nachzuweisen, im Rahmen einer Auflage in den Darlehensvertrag aufzunehmen. Bei den im Rahmen der Due Diligence näher zu prüfenden Auflagen und/oder Bedingungen geht es insbesondere auch um solche, die die Lärmimmissionen, den Schattenwurf oder auch Ausgleichs- bzw. Ersatzmaßnahmen betreffen und den wirtschaftlichen Betrieb der Windenergieanlagen offensichtlich beeinträchtigen können. Hier ist zu prüfen, ob bestimmte Drosselungen und Abschaltregeln vorgesehen sind. Wichtig ist hier, dass die finanzierende Bank solche Sachverhalte in ihrem Berechnungsmodell hinreichend berücksichtigt hat.

2.1.6

Netzanschluss

Die von den Windenergieanlagen erzeugte Energie muss in das örtliche Stromnetz eingespeist werden können. Für Netzbetreiber besteht gemäß § 5 Abs. 1 EEG die Pflicht, Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien unverzüglich vorrangig an ihr Netz anzuschließen (Anschlusspflicht). Grundsätzlich ist der Betreiber des nächstgelegenen, wirtschaftlich und technisch geeigneten Netzes zum Anschluss der jeweiligen Anlage verpflichtet81. Für die Einspeisung bedarf es aus rechtlicher Sicht einer entsprechenden Einspeisezusage, die der Netzbetreiber dem Windenergieanlagenbetreiber erteilt. Damit sichergestellt ist, dass der eingespeiste Strom die Vergütung gemäß § 29 EEG erhält, müssen außerdem vor Inbetriebnahme der Windenergieanlagen ein Nachweis über den Ertrag der Windenergieanlagen vorgelegt werden sowie die Voraussetzungen aus der Systemdienstleistungsverordnung erfüllt sein82. In den meisten Fällen ist außerdem für die Stromeinspeisung die Nutzung eines Umspannwerkes erforderlich. Das entsprechende Nutzungsrecht muss wiederum schuldrechtlich und dinglich abgesichert sein. Hieraus ergeben sich für die Sicherstellung des Netzanschlusses und der Vergütung des in das Netz des Netzbetreibers eingespeisten Stroms für die finanzierende Bank folgende zu prüfende Anforderungen: 1. Sicherung des Netzanschlusses zugunsten der Betreibergesellschaft durch Vorlage einer Einspeisezusage; 2. Bestehen eines 60 %-Referenzertragsgutachtens eines dem Netzbetreiber genehmen Gutachters; 3. Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen gemäß § 29 EEG für den Erhalt der Vergütung nach dem EEG. 81

Cosack, in: Frenz/Müggenborg, EEG, § 5 Rdn. 4. Dabei muss der Netzanschluss grundsätzlich am nächstgelegenen Netzverknüpfungspunkt erfolgen, so auch OLG Hamm, Urteil vom 3. Mai 2011, Az. I-21 U 94/10; hierzu auch Kapitel 2.2.2.3.

82

§ 16 Abs. 6 i.V.m. § 6 Abs. 2 EEG 2009 bzw. § 17 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 5 EEG 2012; vgl. Kapitel 2.2.2.

2.1 Darstellung und Konzeption eines Due Diligence-Prozesses

2.1.6.1

65

Einspeisezusage

Die Einspeisezusage wird nach Durchführung einer Netzverträglichkeitsprüfung erteilt, muss verbindlich sein und die Betreibergesellschaft als Berechtigte ausweisen. Ein bloßes Netzanschlussangebot ist nicht ausreichend. Ist die Betreibergesellschaft zunächst nicht als Adressat der Einspeisezusage ausgewiesen, teilt die Betreibergesellschaft dem Netzbetreiber mit, dass sie nunmehr der Anlagenbetreiber ist. Außerdem muss die Einspeisung der gesamten von den Windenergieanlagen des zu finanzierenden Windparkprojektes der Betreibergesellschaft produzierten elektrischen Energie für die volle Laufzeit des Windparks zugesagt sein83. Das Vorliegen einer solchen Einspeisezusage ist für die finanzierende Bank immer unabdingbare Voraussetzung für die Auszahlung des Investitionsdarlehens.

2.1.6.2

60 %-Referenzertragsgutachten

Netzbetreiber sind gemäß § 29 Abs. 3 EEG nur verpflichtet, Strom aus Anlagen zu vergüten, für die vor Inbetriebnahme nachgewiesen ist, dass sie an dem geplanten Standort mindestens 60 % des Referenzertrages erzielen können. Der Anlagenbetreiber hat den Nachweis gegenüber dem Netzbetreiber durch Vorlage eines nach Maßgabe der Bestimmungen von § 29 Abs. 4 EEG und der Anlage 5 zum EEG erstellten Referenzertragsgutachtens eines im Einvernehmen mit dem Netzbetreiber beauftragten Sachverständigen zu führen. Die Kosten des Gutachtens werden zwischen Anlagenbetreiber und Netzbetreiber aufgeteilt, § 29 Abs. 4 S. 3 EEG. Auch das Vorliegen dieses Gutachtens ist für die finanzierende Bank stets Auszahlungsvoraussetzung.

2.1.6.3

Nutzung eines Umspannwerks

In vielen Fällen erfolgt die Einspeisung in das Netz des Netzbetreibers über ein Umspannwerk. Wird dieses nicht von der Betreibergesellschaft des Windparks betrieben, muss sowohl schuldrechtlich als auch dinglich sichergestellt werden, dass die Nutzungsrechte am Umspannwerk für die Betreibergesellschaft zur Zufriedenheit der finanzierenden Bank gesichert sind. Hierfür muss zwischen den Betreibergesellschaften des Windparks und des Umspannwerks ein Nutzungsvertrag abgeschlossen sein, welcher grundsätzlich alle vertraglichen Anforderungen erfüllen muss, die auch ein Pachtvertrag für einen Windenergieanlagenstandort aufzuweisen hat84. Zusätzlich muss die Verpflichtung zum Abschluss einer Betriebsunterbrechungsversicherung mit ausreichender Deckung vorgesehen sein. Die Nutzungsrechte am Umspannwerk müssen auch dinglich zugunsten der Betreibergesellschaft abgesichert werden. Ist die Betreibergesellschaft des Umspannwerks auch Eigentümer des Umspannwerkgrundstücks, geschieht dies durch die Eintragung der beschränkten persön-

83

Zum Risiko eines eventuellen Einspeisemanagements gemäß § 11 Abs. 1 EEG und dessen Folgen für die Vergütung, vgl. Kapitel 2.2.2.3 – Regelungsstufe 1.

84

Vgl. hierzu Kapitel 2.1.4.2.

66

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

lichen Dienstbarkeit am Betriebsgrundstück des Umspannwerks85. Hat sie das Grundstück nur gepachtet86, kann das Nutzungsrecht am Umspannwerk nur durch die Bestellung eines Nießbrauchs am Umspannwerk dinglich gesichert werden. Der Nießbrauch stellt ein der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit vergleichbares Sicherungsrecht dar87. Analog zur beschränkten persönlichen Dienstbarkeit sollte auch beim Nießbrauch die Berechtigung der Betreibergesellschaft aufgenommen werden, die Ausübung des Nießbrauchs einem Dritten zu überlassen. Ist die Betreibergesellschaft gleichzeitig auch Gesellschafter an der Umspannwerksgesellschaft, wird sich die finanzierende Bank die entsprechenden Anteile an der Gesellschaft88 verpfänden lassen.

2.1.7

Betreibergesellschaft

Windparks werden in Deutschland üblicherweise in der Gesellschaftsform einer Kommanditgesellschaft betrieben, die Rechtsform der GmbH ist eher selten. Da es sich bei den Betreibergesellschaften um Gesellschaften handelt, deren alleiniger Geschäftsgegenstand die Realisierung, also die Errichtung und den Betrieb des Windparkprojekts, ist (Einzweckgesellschaft), wird sie erst mit Inbetriebnahme der Windenergieanlagen nach Errichtung entsprechend ihrem Geschäftszweck operativ tätig. Insoweit weist die Gesellschaft im Zeitpunkt der Due Diligence-Prüfung regelmäßig keine besondere Historie auf. Im Gegensatz zur gesellschaftsrechtlichen Prüfung im Rahmen einer klassischen Unternehmensakquisition kann sich die Prüfung hier deshalb beschränken auf nachfolgende Anforderungen: • Die Betreibergesellschaft wurde gemäß den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben des deutschen Rechts gegründet; • Eine Eintragung der Betreibergesellschaft im Handelsregister liegt vor; • Insolvenzverfahren über das Vermögen der Betreibergesellschaft sind weder beantragt noch bereits eröffnet; • Bestehen von Auffälligkeiten in den Jahresabschlüssen der Betreibergesellschaft seit deren Gründung, maximal jedoch der letzten vier Jahre; • Bestehen von steuerlichen Risiken, die sich aus den Steuererklärungen und Steuerbescheiden der Betreibergesellschaft (Gewerbesteuer, Umsatzsteuer, Feststellungserklärung) seit deren Gründung, maximal jedoch in den letzten vier Jahren, ggf. aus erfolgten Betriebsprüfungen/Umsatzsteuersonderprüfungen, ergeben.

85

Zu den Anforderungen an die beschränkte persönliche Dienstbarkeit nebst der Vormerkung, vgl. hierzu Kapitel 2.1.4.2.

86

Auch dieser Pachtvertrag muss dann die vorgenannten Anforderungen erfüllen.

87

Auch im Falle der Insolvenz der Betreibergesellschaft des Umspannwerks könnte die beschränkte persönliche Dienstbarkeit gemäß § 1092 Abs. 3 BGB auf einen neuen Betreiber übertragen werden, vgl. Joost, in Münchener Kommentar, BGB, § 1092 Rdn. 11.

88

Regelmäßig wird die Umspannwerksgesellschaft in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft ausgestaltet sein.

2.2 Vergleich einzelner Regulierungssysteme

2.2

67

Vergleich einzelner Regulierungssysteme – Deutschland, Frankreich, Italien und Polen

DR. WOLFRAM DISTLER Dr. Wolfram Distler ist Rechtsanwalt im Frankfurter Büro der internationalen Anwaltskanzlei LINKLATERS LLP. Er beschäftigt sich dort seit 2003 schwerpunktmäßig mit Finanzierungen im Energie- und Infrastruktursektor, und hier insbesondere mit der Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Projekten. Zu seinen Mandanten zählen deutsche und internationale Projektentwickler, Energieversorger, Netzbetreiber, Finanzinvestoren, Infrastrukturfonds, kommerzielle Banken und öffentliche Förderbanken. Er hat die Finanzierungen von Solar- und Windprojekten (onshore und offshore) in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Kroatien, Polen und im Vereinigten Königreich beraten.

2.2.1

Einleitung

Von zentraler Bedeutung für jeden, der als Investor, Betreiber, Vertragspartner, Finanzierer oder Stromabnehmer mit Erneuerbaren Energien zu tun hat, ist die rechtliche Regulierung hinsichtlich Einspeisung und Vergütung. Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass erst die gesetzliche Regulierung Erneuerbare Energie-Erzeugungsprojekte ermöglicht und in großem Stil für Sponsoren, Entwickler und Betreiber wirtschaftlich attraktiv und finanzierbar gemacht hat. Dieses Kapitel soll zunächst einen Überblick für die aus Sicht der Sponsoren bzw. Betreiber und Finanzierer von Windenergieprojekten in Deutschland relevanten Vorschriften geben, bevor ein kurzer Ausblick gewagt wird auf die Regulierung von Windenergieprojekten in wichtigen und aufstrebenden Windmärkten wie Frankreich, Polen und Italien. Grundsätzlich ist hinsichtlich der Förderung Erneuerbarer Energien in Europa zwischen dem System der garantierten Einspeisevergütung (das seinen Ursprung in Deutschland hat) und dem aus Großbritannien stammenden sogenannten Quotensystem zu unterscheiden. Bei dem Einspeisemodell wird kraft Gesetz eine fixe Einspeisevergütung für einen bestimmten Zeitraum gewährt. Der Tarif bestimmt sich nach variablen Faktoren, wie etwa der Menge an eingespeistem Strom und dem jeweiligen Typ der Energiequelle. Die konkreten Vergütungssätze sind häufig degressiv ausgestaltet, je nach dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anlage. Bei dem Quotensystem hingegen werden die Energieversorgungsunternehmen verpflichtet, einen bestimmten Anteil ihres Stromportfolios mit Strom aus Erneuerbaren Energien abzudecken. Dabei kann die jeweilige Quote meistens durch den Erwerb sogenannter „Grüner Zertifikate“ ausgeglichen werden. In Deutschland und Frankreich wird in jeweils unterschiedlicher Ausprägung das System der Einspeisevergütung angewendet; Italien und Polen hingegen fördern den Ausbau Erneuerbarer Energien derzeit (noch) über ein Quotensystem.

68

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

2.2.2

Regulierung in Deutschland – Das EEG

2.2.2.1

Historie und Ziele des EEG sowie seine Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht

Historie Zentral für die Regulierung von Windenergieprojekten in Deutschland ist bekanntlich das EEG, das „Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien“ vom 25. Oktober 2008, wie es offiziell heißt89. Das EEG ist Höhepunkt einer Entwicklung, die mit einem „kartellrechtlichen Anspruch auf vermiedene Kosten“ begann90, über eine rechtlich unverbindliche „Verbändevereinbarung“91 und das Stromeinspeisegesetz92 schließlich zum Ursprungs-EEG (Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien vom 29.3.2000, BGBl I 2000, 305) führte, das am 1. April 2000 in

89

Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG) vom 25. Oktober 2008, BGBl. I 2008, 2074, zuletzt geändert durch das Gesetz v. 11.8.2010, BGBl. I 2010, 1170 und das Gesetz vom 12.4.2011, BGBl. I 2011, 619.

90

Zunächst hatten die Betreiber unabhängiger Stromerzeugungsanlagen in Abwesenheit einer bundesgesetzlichen Normierung lediglich einen kartellrechtlich begründeten Anspruch auf Einspeisung ihres Stroms in das Netz eines öffentlichen Energieversorgungsunternehmens. Hierfür konnten sie eine Vergütung verlangen, jedoch ausschließlich in Höhe der Kosten, die der abnahmeverpflichtete Energieversorger im konkreten Einzelfall einsparte, weil er die eingespeiste Strommenge nicht anderweitig bereitstellen musste (sogenannte „vermiedene Kosten“), vgl. hierzu Oschmann in Danner/Theobald, Einleitung Rn. 3.

91

Die Idee einer Einspeisevergütung in Form von typisierten Vergütungssätzen für Strom aus Erneuerbaren Energien fand sich zunächst in einer Verbändevereinbarung zwischen der VEREINIGUNG DEUTSCHER ELEKTRIZITÄTSWERKE (VDEW), der VEREINIGUNG INDUSTRIELLER KRAFTWIRTSCHAFT (VIK) und dem BUNDESVERBAND DER DEUTSCHEN INDUSTRIE (BDI). Die Vereinbarung war jedoch rechtlich unverbindlich und bot auf lange Sicht keine befriedigende Lösung. Zum Nachlesen für historisch Interessierte: „Grundsätze über die Intensivierung der stromwirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Elektrizitätsversorgung und industrieller Kraftwirtschaft“, VIK-Mitteilungen 1979, 71 ff.

92

Das Stromeinspeisegesetz vom 7.12.1990 (das „StrEG“) war sehr übersichtlich und bestand lediglich aus 4 Paragraphen. Hiernach waren die Energieversorgungsunternehmen erstmalig verpflichtet, Strom u.a. aus Windkraft abzunehmen und einen Mindestpreis hierfür zu zahlen. Maßgebend für die Höhe der Vergütung war der Erlös, welchen die Energieversorgungsunternehmen bei dem Verkauf ihres Stroms an den Endverbraucher pro Kilowattstunde im Bundesdurchschnitt erzielten. So erhielten die Stromanbieter, die unter das StrEG fielen, eine deutlich höhere Vergütung als zuvor. Die Höhe der Vergütung für Strom aus Windkraft betrug mindestens 90% des Durchschnittserlöses, § 3 Abs. 2 StrEG; im Durchschnitt war in den Neunziger Jahren ein Betrag in Höhe von etwa 8,5 Cent je Kilowattstunde zu verzeichnen (vgl. Oschmann in Danner/Theobald, Einleitung Rn. 4). Mit einer Novellierung im Jahre 1994 führte der Gesetzgeber jedoch eine Obergrenze in Höhe von 5% für die Abnahmepflicht der Energieversorgungsunternehmen ein („Erster Deckel“). Hinsichtlich der übrigen Strommengen erhielt das jeweilige netzbetreibende Energieversorgungsunternehmen einen Erstattungsanspruch gegen den ihm vorgelagerten Netzbetreiber. Die Erstattungspflicht reichte soweit, bis 5% des Gesamtstromabsatzes im Gebiet des vorgelagerten Netzbetreibers erreicht waren („Zweiter Deckel“, zusammen sogenannter „Doppelter Fünf-Prozent-Deckel“) (zur Vertiefung: Reshöft in Reshöft, Einleitung Rn. 5 f.). – Als vor dem Hintergrund der Liberalisierung des Strommarktes Ende der Neunziger Jahre die Strompreise sanken, an die die Vergütung nach dem StrEG gekoppelt war, wurde vom Gesetzgeber ein zukünftig unwirtschaftlicher Betrieb von Stromerzeugungsanlagen befürchtet. Zudem wurde mit dem Erreichen des Zweiten Deckels gerechnet. Das Stromeinspeisungsgesetz wurde daher nach zehn Jahren am 1.4.2000 durch das EEG abgelöst, das auf fünf Regelungsstufen einen Anschluss-, Abnahme- und Vergütungszwang regelt, um eine bundesweite Gleichverteilung der Kosten des Gesetzes zu ermöglichen.

2.2 Vergleich einzelner Regulierungssysteme

69

Kraft trat, 200493 und 200694 kleinere Änderungen erfuhr, bevor es 2008 völlig neu im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde und seit dem 1. Januar 2009 in seiner jetzigen Fassung95 Rechtswirkung entfaltet. Der Deutsche Bundestag hat am 30. Juni 2011 eine erneute Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes beschlossen. Mit der Entscheidung des Bundesrates vom 8. Juli 2011 ist das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen worden; die Novelle tritt zum 1. Januar 2012 in Kraft.96 Zweck und Ziel Das EEG normiert programmatisch in seinem ersten Paragraphen selbst den Gesetzeszweck und das weitere Ziel des Gesetzgebers: Zweck des Gesetzes ist es gemäß § 1 Abs. 1 EEG, „insbesondere im Interesse des Klima- und Umweltschutzes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen, die volkswirtschaftlichen Kosten der Energieversorgung auch durch die Einbeziehung langfristiger externer Effekte zu verringern, fossile Energieressourcen zu schonen und die Weiterentwicklung von Technologien zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien zu fördern.“ Im nächsten Absatz wird das energiepolitische Ziel, das der Gesetzgeber mit dem EEG bezweckt, ausdrücklich normiert: Hiernach soll der „Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis zum Jahr 2020 auf mindestens 30 % und danach kontinuierlich weiter“ erhöht werden. Zweck und Ziel des EEG, in dieser Form ausdrücklich normiert, können bei der Auslegung und der Beurteilung zweifelhafter Rechtsfragen in der Praxis eine Rolle spielen97. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht Auf der Basis der bisher ergangenen Rechtsprechung kann davon ausgegangen werden, dass das EEG und hierbei insbesondere die in §§ 5 ff. und 16 ff. enthaltene Anschluss-, Abnahme93

Das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich vom 21.7.2004, BGBl I 2004, 1918 löste zum 1.8.2004 das EEG 2000 ab. Der fünfstufige Fördermechanismus des EEG 2000 wurde beibehalten. Die Höhe der Vergütung für Strom aus Windenergieanlagen betrug nach § 10 Abs. 1 EEG 2004 für die Dauer von fünf Jahren ab Inbetriebnahme mindestens 8,7 Cent je Kilowattstunde, darüber hinaus mindestens 5,5 Cent je Kilowattstunde. Es kamen jedoch zahlreiche Neuerungen hinzu, sodass aus den 13 Paragraphen des EEG 2000 21 Paragraphen wurden. Als Gesetzeszweck wurde die Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien an der Stromversorgung auf 12,5% bis 2010 und auf 20% bis 2020 genannt.

94

Zwei Jahre nach seinem Inkrafttreten wurde das EEG 2004 mit dem Ziel geändert, den Ausgleichsmechanismus transparenter zu gestalten und sicherzustellen, dass die Energieverbraucher nur mit den tatsächlichen Kosten der EEG-Stromeinspeisung belastet werden (in Kraft getreten am 1.12.2006, BGBl. I 2006, 2550). Den Energieversorgungsunternehmen wurden bestimmte Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten auferlegt, die von der Bundesnetzagentur überwacht wurden. Zudem kam eine weitere Ausgleichsregelung hinzu, die vorsah, dass Unternehmen, die viel Strom verbrauchten, in geringerem Umfang an den Kosten des EEG zu beteiligen waren als bisher im EEG vorgesehen, sogenannte Ausgleichsregelung für die Industrie, § 16 EEG 2004.

95

Zuletzt geändert durch das Gesetz v. 11.8.2010, BGBl. I 2010, 1170 und das Gesetz vom 12.4.2011, BGBl. I 2011, 619.

96

BT-Drucks. 17/6363; vgl. die konsolidierte (unverbindliche) Fassung des EEG in der ab dem 1. Januar 2012 verbindlichen Fassung, abrufbar unter http://www.erneuerbare-energien.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/ eeg_2012_bf.pdf

97

Oschmann in Danner/Theobald, § 1 Rn. 63.

70

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

und Vergütungsverpflichtung für EEG-Strom mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Erst diese Rechtssicherheit gibt im Ergebnis die Planungs- und Finanzierungssicherheit, die mit der Einführung des EEG bezweckt war. In der Vergangenheit wurde zwar verschiedentlich die Vereinbarkeit des EEG mit höherrangigem Recht bezweifelt; diese Zweifel lassen sich aber nach allgemeiner Auffassung nicht aufrechterhalten. So wurde teilweise die Unvereinbarkeit des EEG mit Unionsrecht behauptet98. Diese Behauptung hat allerdings vor dem Hintergrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache PreussenElektra an Gewicht verloren99. Zudem hat die Europäische Kommission am 22. Mai 2002100 entschieden, dass das EEG in seiner damaligen Fassung keine staatliche Beihilfe im Sinne des EG-Vertrags darstellte101. Schließlich ergibt sich die Vereinbarkeit des EEG mit dem Binnenmarktziel inzwischen explizit aus der RL 2009/28/EG102 (die „EE-Richtlinie“), insbesondere aus deren Erwägungsgrund 25103 sowie Art. 2 lit. k S. 2, Art. 3 Abs. 3 und Art. 15 der EE-Richtlinie104. Auch die verschiedentlich in der Vergangenheit geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des EEG lassen sich nach der ausführlichen Entscheidung des BGH zum StrEG vom Jahr 2003105 kaum mehr aufrechterhalten106. Hiernach kommt weder ein Verstoß der Abnahme- und Vergütungsverpflichtung gegen Art. 12107 oder Art. 14108 noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG109 in Betracht.

98

Karpenstein/Schneller, RdE 2005, 6; Smeddinck/Witthohn, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 2001, 466, 469; Richter, RdE 1999, 23; Salje, RiW 1998, 86.

99

EuGH, Urteil v. 13.3.2001, Rs. C-379/98, Slg. 2001 I 2099; der EuGH hat dort festgestellt, dass das StrEG mit den Beihilfevorschriften, Art. 107 ff. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union („AEUV“), und den Regelungen über den freien Warenverkehr, Art. 34 AEUV, vereinbar ist. Das EEG ist hinsichtlich der unionsrechtlich relevanten Bestimmungen mit dem StrEG identisch, sodass wegen seiner Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht kaum mehr Bedenken bestehen; vgl. auch vertiefte Darstellung bei Cremer, EuZW 2007, 591, 592 ff.

100

Abl. EG 2002 Nr. C, 164 f.

101

Oschmann in Danner/Theobald, Einleitung Rn. 79.

102

Richtlinie 2009/28/EG vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG, Abl. EG 2009 Nr. L, 16 ff.

103

Lehnert/Vollprecht, ZUR 2009, 307, 312.

104

Vgl. hierzu näher Kahl, JuS 2010, 599, 601; Kühling/Pisal, ZNER 2011, 13, 15; vgl. auch Klinski, ZNER 2005, 207, 210 ff. zur (EE-)Richtlinie 2001/77/EG; zweifelnd insoweit wohl noch Cremer, EuZW 2007, 591, 594 ff.

105

BGH, Urteil v. 11.6.2003, NVwZ 2003, 1147.

106

So auch Scholtka/Baumbach, NJW 2010, 1118, 1123; Oschmann/Sösemann, ZUR 2007, 1, 2.

107

Die Regelungen des EEG, d.h. insbesondere die Verpflichtung zur Abnahme und Vergütung von Strom aus Erneuerbaren Energien bzw. zur Zahlung der EEG-Umlage stellen zwar einen Eingriff in Form einer Berufsausübungsregelung dar. Dieser Eingriff ist jedoch durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls verfassungsmäßig gerechtfertigt: Durch Art. 20 a GG wurde der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, die Schonung der Ressourcen an endlichen Energieträgern sowie der Umwelt- und Klimaschutz zum Staatsziel erhoben. Die Förderung der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien durch das EEG ist zur Erreichung dieses Staatsziels geeignet und mangels weniger einschneidender, gleich effektiver Mittel auch erforderlich, vgl. hierzu ausführlich Kahl, JuS 2010, 599, 601.

2.2 Vergleich einzelner Regulierungssysteme

2.2.2.2

71

Anwendungsbereich des EEG

Bevor Ansprüche aus dem EEG geltend gemacht werden, ist stets der Anwendungsbereich dieses Gesetzes zu überprüfen. Sachlich findet das EEG nur auf Strom aus Erneuerbaren Energien (sowie aus Grubengas) Anwendung, § 2 Nr. 1 EEG; dies ist bei Windparks freilich unproblematisch. Räumlich ist das EEG nur auf solchen Strom anwendbar, der im Bundesgebiet oder der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone erzeugt wird, § 2 Nr. 1 EEG. Nicht erfasst ist demnach der außerhalb der Bundesrepublik produzierte Strom, der anschließend nach Deutschland transportiert wird110. Auch in persönlicher Hinsicht muss der Anwendungsbereich beachtet werden: So sind nur Personen, die Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien (oder aus Grubengas) im Sinne von § 3 Nr. 1 EEG nutzen, anspruchsberechtigt; verpflichtet zur vorrangigen Abnahme, Übertragung, Verteilung sowie zur Vergütung des Stroms nach § 3 Nr. 8 in Verbindung mit § 5 Abs. 1, 8 Abs. 1 EEG ist nur der jeweils nächstgelegene Netzbetreiber. In der Praxis von großer Bedeutung kann die Frage des zeitlichen Anwendungsbereichs des EEG in seiner (zwischenzeitlich geänderten111) Fassung vom 1.1.2009 sein – entsprechende intertemporäre Fragestellungen stellen sich bei jeder Gesetzesnovelle neu und sind stets genau zu prüfen, insbesondere wenn eine Gesetzesänderung eine Änderung des Einspeisetarifs zur Folge hat. Zeitlich findet das EEG grundsätzlich auch auf Anlagen Anwendung, die vor dem 1.1.2009 in Betrieb genommen wurden, allerdings sieht § 66 EEG für diese Anlagen die Anwendung einer enumerativen Aufzählung von Vorschriften des EEG 2004 in der Fassung vom 31.12.2008 in bestimmten Konstellationen vor. So gelten etwa gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 6 EEG besondere Vergütungsregelungen für Strom aus Windenergieanlagen, die nach dem 31.12.2001 und vor dem 1.1.2009 in Betrieb genommen wurden.

2.2.2.3

Der fünfstufige Fördermechanismus des EEG

Bereits die Ursprungsfassung des EEG aus dem Jahr 2000 sah einen fünfstufigen Fördermechanismus vor, der umfassend aus Erneuerbaren Energien gewonnenen Strom förderte112. Diese umfassende Förderung hatte seinerzeit weltweiten Pilotcharakter; sie war der Grund, warum sich der Anteil Erneuerbarer Energien am gesamten Stromverbrauch in Deutschland

108

Grundsätzlich gilt, dass Art. 14 GG nur das bereits Erworbene, aber nicht den künftigen Erwerb schützt. Durch das EEG werden den Energieversorgern zwar gewisse Pflichten auferlegt, diese betreffen jedoch nur den künftigen Erwerb. Daher ist Art. 14 GG nicht einschlägig, vgl. Oschmann in Danner/Theobald, Einleitung Rn. 69.

109

Die Abnahme- und Vergütungspflicht ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar. Durch die Einführung des bundesweiten Ausgleichsmechanismus, der die unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten kompensiert und die Einspeisung insbesondere von Windenergie gleichmäßig auf alle Endverbraucher verteilt, ist schon keine Ungleichbehandlung gegeben, vgl. Oschmann in Danner/Theobald, Einleitung Rn. 77.

110

Oschmann in Danner/Theobald, Einleitung Rn. 45.

111

Zuletzt geändert durch das Gesetz v. 11.8.2010, BGBl. I 2010, 1170 und das Gesetz vom 12.4.2011, BGBl. I 2011, 619.

112

Im Einzelnen vgl. Reshöft in Reshöft, Einleitung Rn. 13 ff.

72

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

seit 1998 von 4,7 % auf 16,1 % im Jahr 2009 erhöht hat113. Mit gutem Grund behält daher das EEG in seiner derzeitigen Fassung114 diesen fünfstufigen Fördermechanismus bei115. An dieser Stelle kann nur ein kurzer Überblick über den Regelungsgehalt der fünf Förderstufen gegeben werden116: Regelungsstufe 1: Anschluss der Anlage, Abnahme und Vergütung des Stroms durch den Netzbetreiber Anschluss- und Abnahmepflicht Ausgangspunkt für die Regulierung des EEG ist die ausdrückliche Normierung der Anschluss- und Abnahmepflicht für Netzbetreiber von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien117. Diese zentrale Verpflichtung der Netzbetreiber, die gleichzeitig ein einklagbares Recht der Anlagenbetreiber darstellt, ist Voraussetzung für die Einspeisevergütung und damit gleichzeitig Voraussetzung für die Planungs- und Investitionssicherheit, die zu dem enormen Aufschwung von Erneuerbare Energie-Erzeugungsprojekten in Deutschland – insbesondere im Windbereich – geführt hat118 und mittlerweile mehr als 60 anderen Ländern als Vorbild dient119. Zunächst zur Anschlusspflicht: Das EEG verpflichtet die Netzbetreiber in § 5 Abs. 1 EEG, Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien unverzüglich und vorrangig an ihr Netz anzuschließen. Die Anschlusspflicht umfasst zunächst die Herstellung des Anschlusses an einen Verknüpfungspunkt zum Netz des Netzbetreibers. Die notwendigen Kosten hierfür trägt der künftige Anlagenbetreiber gemäß § 13 Abs. 1 EEG. Nach § 7 Abs. 1 EEG hat er ein Wahlrecht, ob er die Anlage an das Netz des Netzbetreibers durch diesen selbst oder durch einen fachkundigen Dritten anschließen lassen will. Damit sollen unnötige Kosten vermieden werden120. Beauftragt er einen Dritten und bedient sich dieser des Netzbe113

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland im Jahr 2009, Stand: 18. März 2010, S. 5, abrufbar unter: http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/ application/pdf/ee_hintergrund_2009.pdf.

114

Gemeint ist das EEG vom 25. Oktober 2008, BGBl. I 2008, 2074, zuletzt geändert durch das Gesetz v. 11.8.2010, BGBl. I 2010, 1170 und das Gesetz vom 12.4.2011, BGBl. I 2011, 619.

115

Über 60 Länder weltweit haben den deutschen Fördermechanismus bis heute übernommen, vgl. Oschmann, ZNER 2010, 117, 121; Markus Balser, Ökostrom, Süddeutsche Zeitung, Online-Artikel vom 15.12.2010, abrufbar unter sueddeutsche.de.

116

Zur Vertiefung: Oschmann, NJW 2009, 263, 264 f.

117

Die Anschluss- und Abnahmepflicht wurde erstmalig im Stromeinspeisegesetz vom 7.12.1990 normiert. Die Energieversorgungsunternehmen waren danach erstmalig verpflichtet, Strom u.a. aus Windkraft abzunehmen und einen Mindestpreis in Höhe des Erlöses zu zahlen, welchen sie bei dem Verkauf ihres Stroms an den Endverbraucher pro Kilowattstunde im Bundesdurchschnitt erzielten. Im Durchschnitt war in den Neunziger Jahren ein Betrag in Höhe von etwa 8,5 Cent je Kilowattstunde zu verzeichnen, vgl. Oschmann in Danner/Theobald, Einleitung Rn. 4.

118

Ingesamt machte der Anteil Erneuerbarer Energien an der gesamten Stromversorgung 2009 mehr als 16,1% aus, hieran betrug der Anteil der Windenergie mehr als 40% (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Erneuerbare Energien in Zahlen, S. 11, 13; abrufbar unter http://www.erneuerbareenergien.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/broschuere_ee_zahlen_bf.pdf).

119

M.w.N. Oschmann, ZNER 2010, 117, 121.

120

Bönning in Reshöft, § 7 Rn. 4.

2.2 Vergleich einzelner Regulierungssysteme

73

treibers als Subunternehmer, so hat der Netzbetreiber keinen direkten Anspruch gegen den Anlagenbetreiber, sondern muss sich an den Dritten halten121. Aufgrund der Kostentragungspflicht zentral für den Anlagenbetreiber ist die Frage, wo der Netzverknüpfungspunkt liegt, da der Anlagenbetreiber aus Kostengründen eine möglichst kurze Leitung und damit einen möglichst nahen Netzverknüpfungspunkt benötigt. Das EEG sieht diesen Punkt und regelt in § 5 Abs. 1 EEG ausdrücklich, dass die Verknüpfung zum Netz an der Stelle erfolgen soll, „die im Hinblick auf die Spannungsebene geeignet ist und die in der Luftlinie kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage aufweist, wenn nicht ein anderes Netz einen technisch und wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt aufweist“. Zur Bestimmung des richtigen Netzanknüpfungspunktes ist somit zunächst das nach der Spannungsebene geeignete Netz festzustellen. Gemäß § 3 Nr. 7 EEG handelt es sich bei einem „Netz“ im Sinne des EEG um die „Gesamtheit der miteinander verbundenen technischen Einrichtungen zur Abnahme, Übertragung und Verteilung von Elektrizität für die allgemeine Versorgung“. Nach der Rechtsprechung des BGH fallen unter den Begriff auch solche Netze, die dazu bestimmt sind, andere Energieversorgungsunternehmen mit Strom zu beliefern, die ihrerseits Netze für die allgemeine Versorgung von Endverbrauchern betreiben122. Die Geeignetheit des Netzes ist vor dem Hintergrund des jeweiligen Einzelfalls zu betrachten123. Hierfür kann eine Netzverträglichkeitsprüfung erforderlich sein. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass Windparks je nach ihrer Größe an Mittel- oder Hochspannungsnetze angeschlossen werden124. In einem zweiten Schritt ist die in der Luftlinie kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage zu bestimmen. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es darauf an, bei welchem der möglichen Anschlüsse die geringsten Gesamtkosten für die Herstellung des Anschlusses und für die Durchführung der Stromeinspeisung zu erwarten sind125. Nach der Formulierung in § 5 Abs. 1 EEG „[…] wenn nicht […]“ wird die Darlegungs- und Beweislast dem Netzbetreiber auferlegt. Er muss mithin darlegen, dass ein weiter entfernter Punkt der technisch und wirtschaftlich günstigere Verknüpfungspunkt ist126. Oftmals stellen hierbei natürliche (geografische) Gegebenheiten Hindernisse127 dar, die eine Verlegung von Leitungen unwirt-

121

BGH, Urteil v. 26.11.2003, NVwZ 2004, 766, 768.

122

BGH, Urteil v. 8.10.2003, NVwZ 2004, 251, 252.

123

Bönning in Reshöft, § 5 Rn. 21.

124

Siehe zu den konkreten Spannungsgrößen Reshöft in Reshöft, § 3 Rn. 61 ff.

125

BGH, Urteil v. 8.10.2003, NVwZ 2004, 251, 253.

126

BGH, Urteil v. 1.10.2008, NVwZ-RR 2009, 104, 105; BGH, Urteil v. 8.10.2003, NVwZ 2004, 251, 253.

127

Kein Hindernis stellt es allerdings dar, wenn die Abnahme des Stroms erst durch die Erweiterung der Netzkapazität möglich wird, was § 5 Abs. 4 EEG durch einen Verweis auf das Kapazitätserweiterungsprinzip in § 9 EEG klarstellt. Die Netzausbauverpflichtung folgt in diesem Rahmen mittelbar aus der in § 8 Abs. 1 EEG angeordneten Abnahmeverpflichtung, vgl. Kühling/Pisal, ZNER 2011, 13, 15.

74

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

schaftlich machen, ebenso häufig sind freilich Grundstückseigentümer, die ihre Zustimmung zur Leitungsverlegung über ihr Grundstück nicht erteilen128. Die Abnahmepflicht des aufgrund des Anschlusses eingespeisten Stroms ist in § 8 Abs. 1 EEG geregelt. Hiernach muss der gesamte angebotene Strom aus Erneuerbaren Energien unverzüglich und vorrangig abgenommen, übertragen und verteilt werden. Diese Abnahmepflicht besteht für den Netzbetreiber auch dann, wenn die Anlage nicht unmittelbar an dessen Netz angeschlossen ist und der Strom erst durch das Netz eines Dritten in das Netz gelangt (§ 8 Abs. 2 EEG, sogenannte kaufmännisch-bilanzielle Weitergabe)129. Bei der Abnahmepflicht gilt somit (ebenso wie bereits bei der Anschlusspflicht) das Vorrangprinzip: Der Netzbetreiber muss im Konkurrenzfall, also bei Vorhandensein von Strom aus fossiler oder Nuklearenergie, den Strom aus Erneuerbaren Energien zuerst an sein Netz anschließen und ihn zuerst abnehmen, übertragen und verteilen. Dies hat unverzüglich zu geschehen. Dem Netzbetreiber ist es damit verwehrt, sich etwa darauf zu berufen, dass die konventionellen Anlagen zuerst angeschlossen waren und der Konkurrenzstrom zuerst abgenommen und übertragen werden müsse130. Allerdings können unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 EEG Anlagenbetreiber und Netzbetreiber zur besseren Integration der Anlage in das Netz vertraglich etwas anderes vereinbaren. Der Gesetzgeber wollte hiermit der Vereinbarung eines Erzeugungsmanagements im Wege des „gegenseitigen Gebens und Nehmens“ nicht entgegenstehen, wodurch die Gesamtkosten für die Stromerzeugung und Stromverteilung gesenkt werden können, was wiederum zu niedrigen Strompreisen für die Verbraucher führen soll131. Im Zusammenhang mit der Anschlusspflicht soll hier auf ein weiteres Prinzip hingewiesen werden, das aller Voraussicht nach in den kommenden Jahren von immer größerer praktischer Bedeutung werden wird: Wie mittlerweile fast täglich nicht nur in Fachorganen, sondern auch in der Tages- und Wirtschaftspresse zu lesen ist, reichen die derzeit bestehenden Netzkapazitäten nicht aus, die in den nächsten 20 Jahren geplanten zusätzlichen Mengen an Strom, der aus Erneuerbaren Energien gewonnen wird, aufzunehmen. Daher wird sich in den 128

Aus praktischer Sicht muss der Anlagenbetreiber zunächst eine Netzanschlussanfrage beim Netzbetreiber stellen. Nach § 5 Abs. 5 EEG sind sowohl der Netzbetreiber als auch der Anlagenbetreiber verpflichtet, einander die für die Ermittlung des Netzanknüpfungspunktes sowie die für die Planung des Netzbetreibers notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, insbesondere bezieht sich dies auf die Daten, die für eine nachprüfbare Netzverträglichkeitsprüfung notwendig sind (vgl. Bönning in Reshöft, § 5 Rn. 46). Die Auskunft ist jeweils innerhalb von acht Wochen nach dem Verlangen zu erteilen (Bönning aaO, § 5 Rn. 49). Dabei ist zu beachten, dass lediglich die Herausgabe der Daten durch den Netzbetreiber kostenfrei zu erfolgen hat, vgl. LG Hof, Urteil v. 7.10.2004, ZNER 2005, 242; AG Cochem, Urteil v. 26.6.2006, RdE 2003, 314; a.A. noch LG Frankfurt (Oder), Urteil v. 14.9.2001, NVwZ 2002, 1150. Die Auskunft ist hingegen kostenpflichtig, wenn eine umfassende Netzverträglichkeitsprüfung unter Berechnung und Bewertung der Datenlage vom Netzbetreiber vorgenommen wird (vgl. LG Hof, Urteil v. 7.10.2004, ZNER 2005, 242; AG Fürstenwalde, Urteil v. 12.2.2000, RdE 2001, 161 f). Keine Netzdaten im Sinne des Auskunftsanspruchs sind insbesondere die Anschlussmöglichkeit, die abnehmbare Strommenge und die voraussichtlichen Kosten (AG Fürstenwalde, Urteil v. 12.2.2000, RdE 2001, 161 f.).

129

Bönning in Reshöft, § 8 Rn. 17.

130

Konsolidierte Begründung zu dem Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-EnergienGesetz – EEG), BT-Drucks. 16/8148, S. 33, abrufbar unter: http://www.erneuerbare-energien.de/inhalt/40508.

131

Konsolidierte Begründung zu dem Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-EnergienGesetz – EEG), BT-Drucks. 16/8148, S. 34, abrufbar unter: http://www.erneuerbare-energien.de/inhalt/40508.

2.2 Vergleich einzelner Regulierungssysteme

75

nächsten Jahren zunehmend das Problem stellen, dass die Kapazitäten des Netzbetreibers auch ohne Vorhandensein von Strom aus fossilen oder nuklearen Quellen erschöpft sein werden. Das EEG regelt in diesem Zusammenhang die Kapazitätserweiterungspflicht der Netzbetreiber: Diese können sich somit nicht darauf berufen, dass ihre Kapazitäten erschöpft seien; sie sind vielmehr gemäß § 9 Abs. 1 EEG „auf Verlangen des Einspeisewilligen“ verpflichtet, „unverzüglich ihre Netze entsprechend dem Stand der Technik zu optimieren, zu verstärken und auszubauen, um die Abnahme, Übertragung und Verteilung des Stroms aus Erneuerbaren Energien […] sicherzustellen.“ Die Kosten der Kapazitätserweiterungsmaßnahmen haben sie nach § 14 EEG selbst zu tragen132. Ein Verstoß gegen die Pflichten aus § 9 Abs. 1 EGG kann gemäß § 10 Abs. 1 EEG sogar Schadensersatzansprüche gegen den Netzbetreiber zur Folge haben133. Voraussetzung für die Entstehung des Schadensersatzanspruchs ist hierbei, dass der Netzbetreiber seine Verpflichtung aus § 9 Abs. 1 EEG verletzt hat, er diese Pflichtverletzung zu vertreten hat (ihm also Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist) und daraufhin kausal ein Schaden eingetreten ist. Dabei wird das Vertretenmüssen nach § 10 Abs. 1 S. 2 EEG vermutet134. Eine Ausnahme der Kapazitätserweiterungspflicht ist nach § 9 Abs. 3 EEG allerdings für den Fall wirtschaftlicher Unzumutbarkeit vorgesehen. Zu beachten ist hierbei, dass mit der EEGNovelle 2009 eine Beweislastumkehr durchgesetzt wurde und nunmehr der Netzbetreiber die Unzumutbarkeit des Netzausbaus darlegen und beweisen muss135. Entscheidend für die Frage der Unzumutbarkeit ist ein gesamtwirtschaftlicher Kostenvergleich zwischen den verschiedenen Ausführungsmöglichkeiten für den Anschluss und den Kosten für den Netzausbau136. 132

Den Netzbetreibern entstehen jährlich Netzausbaukosten in Höhe von bis zu 400 Millionen Euro, vgl. m.w.N. Stein/Thoms, BB 2009, 1451, 1455.

133

Vgl. auch Stein/Thoms, BB 2009, 1451, 1455; Oschmann, NJW 2009, 263, 265.

134

Zur Vertiefung: Schäfermeier in Reshöft, § 10 Rn. 4 ff.

135

Konsolidierte Begründung zu dem Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-EnergienGesetz – EEG), BT-Drucks. 16/8148, S. 36, abrufbar unter: http://www.erneuerbare-energien.de/inhalt/40508.

136

BGH, Urteil v. 18.7.2007, NJW-RR 2007, 1645, 1647. – Eine entsprechende Methode zur Bestimmung sieht bereits die Gesetzesbegründung zum EEG 2004 vor: Danach ist ein Netzausbau in der Regel zumutbar, wenn durch den Ausbau die Gesamtkosten der Anbindung und Einbindung einer Anlage in das Netz (losgelöst von der jeweiligen Kostentragungspflicht) geringer sind als eine Anbindung an einer anderen Stelle des Netzes, an der das Netz unmittelbar (ohne Ausbau) technisch für den Anschluss geeignet ist. Dabei soll nicht nur auf den Anschluss der einzelnen Anlage abgestellt, sondern berücksichtigt werden, ob der Anschluss weiterer Anlagen geplant ist, vor allem, wenn bereits konkrete Netzprüfungsanfragen vorliegen. In diesem Fall sind nach der Gesetzesbegründung die Gesamtkosten aller Anschlüsse mit denen eines Netzausbaus zu vergleichen. Gleichzeitig sei zu berücksichtigen, dass der Netzbetreiber die ihm entstehenden Kosten über die Netznutzungsentgelte umlegen kann. Die Zumutbarkeit des Ausbaus finde ihre Grenze dort, wo der sich aus den Vergütungssummen im Vergütungszeitraum ergebende Wert der Gesamtstrommenge aus den durch den Ausbau anschließbaren Erzeugungsanlagen die Kosten des Ausbaus nicht deutlich übersteige. Da der Wert des Stroms, der aus einer Erzeugungsanlage geliefert werden kann, in der Regel näherungsweise in einem festen Verhältnis zu den Investitions- und Betriebskosten der Anlage stehe, die Investitionskosten und erwarteten Betriebsaufwendungen etwa für den Brennstoffeinsatz der Erzeugungsanlage aber zu Projektbeginn sicherer abzuschätzen seien als das gesamte Vergütungsvolumen, sei die Bezugnahme auf die Höhe dieser Kosten der Anlage ein geeigneter Anhaltspunkt für die Beurteilung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit. Verhältnismäßig und damit zumutbar im engeren Sinne sei der Ausbau daher insbesondere dann, wenn die Kosten des Ausbaus 25% der Kosten der Errichtung der Stromerzeugungsanlage nicht überschreiten (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich, BT-Drucks. 15/2864, S. 34). – Diese Zumutbarkeitsgrenze von 25% wurde in der Rechtsprechung übernommen. Gleichzeitig wurde da-

76

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Nach einem Votum der CLEARINGSTELLE EEG sind Netzausbaukosten in Höhe von 12,5 % der gesamten zu erwartenden Stromvergütung zumutbar137. Das Votum nimmt dabei Bezug auf den Gedanken, dass der Ertrag einer Anlage zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien das Doppelte der Installationssumme betragen sollte, um eine anreizende Eigenkapitalrendite zu erzielen. Nicht geklärt ist bisher, ob der Kapazitätserweiterungsanspruch neben dem qualitativen Ausbauanspruch auch einen quantitativen Anspruch auf räumliche Erweiterung umfasst. Der BGH hat diese Frage offen gelassen138. Der neue Wortlaut „optimieren, verstärken und ausbauen“ spricht allerdings durchaus dafür, dass auch eine Erweiterung in quantitativer Hinsicht umfasst sein soll139. Da die Netzanschlusskosten auf den Anlagenbetreiber und die Netzerweiterungskosten auf den Netzbetreiber entfallen, spielt in der Praxis die Abgrenzung beider Kosten eine entscheidende Rolle: • Zu Maßnahmen des Netzanschlusses gehören alle erforderlichen Aufwendungen, die der Verbindung der Anlage mit dem Verknüpfungspunkt dienen, also auch die Kosten für die technischen Einrichtungen. Allerdings gilt dies nicht für Anlagen, die im Eigentum des Netzbetreibers stehen oder später in dessen Eigentum fallen140. • Wird das Netz verstärkt oder erweitert, handelt es sich hingegen um eine Netzausbaumaßnahme. Entscheidend ist hierfür das Abgrenzungsmerkmal des „Netzes“. Die oben genannte funktionale Definition des Netzes in § 3 Abs. 7 EEG ist dabei grundsätzlich unabhängig vom Eigentum an betriebsnotwendigen Einrichtungen141. Für die Frage, wer als Netzbetreiber anzusehen ist, ist maßgeblich, wer die tatsächliche Gewalt über das Netz hat; das Eigentum spielt keine Rolle142. Die Abgrenzung beider Kostenarten bereitet dennoch Schwierigkeiten. Denn für beide Arten von Maßnahmen werden beispielhaft dieselben technischen Vorgänge wie das Verlegen von Stromleitungen und das Errichten von Trafos angeführt143. Sinnvollerweise sollte in der Praxis eine lokale Unterscheidung in der Weise vorgenommen werden, dass Anschlussmaßnahmen vor dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Netzverknüpfungspunkt in Rich-

rauf hingewiesen, dass im Rahmen der Zumutbarkeit grundsätzlich auf den nächstgelegenen gedachten Netzanknüpfungspunkt abzustellen sei, ohne dass ein solcher bereits existieren muss (vgl. OLG Hamm, Urteil v. 28.11.2005, BeckRS 2006, 297). 137

Votum 14/2008 der Clearingstelle EEG vom 19.9.2008, S. 25, abrufbar unter http://www.clearingstelleeeg.de/VotV/2008/14.

138

BGH, Urteil v. 1.10.2008, NVwZ-RR 2009, 104, 106.

139

So auch Schäfermeier in Reshöft, § 9 Rn. 30.

140

Schäfermeier in Reshöft, § 13 Rn. 10.

141

OLG Celle, Urteil v. 12.1.2006, Beck RS 2008, 10505.

142

Oschmann in Danner/Theobald, § 3 Rn. 112.

143

M.w.N. Schäfermeier in Reshöft, § 9 Rn. 32.

2.2 Vergleich einzelner Regulierungssysteme

77

tung des Anlagenbetreibers Netzanschlussmaßnahmen sind und Anschlussmaßnahmen dahinter in Richtung des Netzbetreibers Netzausbaumaßnahmen darstellen144. Vergütungsanspruch Von zentraler Bedeutung für alle Beteiligten ist naturgemäß der Vergütungsanspruch des Anlagenbetreibers gegen den jeweiligen Netzbetreiber – hier handelt es sich um das Herzstück der Regulierung Erneuerbarer Energien in Deutschland, um das alle übrigen Vorschriften kreisen. Wenn von nicht ausreichender Förderung oder – ganz im Gegenteil – von (vermeintlicher) Überförderung der Erneuerbaren Energien die Rede ist, kreist die Diskussion immer um die Frage des gesetzlichen Vergütungsanspruchs, der in Teil 3 des EEG geregelt ist (§§ 16 ff.). § 16 EEG stellt gleich zu Beginn dieses Abschnitts den wesentlichen Grundsatz vor, den Vergütungsanspruch generell, also das „ob“ der Vergütung – die Höhe der Vergütung wird in den Paragraphen §§ 20 ff. EEG geregelt. § 16 Abs. 1 EEG statuiert eine Mindestvergütungspflicht145 der Netzbetreiber gegenüber den Anlagenbetreibern, die Strom aus Anlagen gewinnen, die ausschließlich146 Erneuerbare Energien einsetzen. Wichtig ist für alle Beteiligten, dass diese Mindestvergütungspflicht des ersten Absatzes im vierten Absatz dieser Norm ergänzt wird durch eine seit der Gesetzesnovelle 2009 nunmehr ausdrücklich im EEG verankerte Andienungspflicht des Anlagenbetreibers gegenüber dem Netzbetreiber. Der Hintergrund für diese Verpflichtung ist klar: Wenn schon mit dem in § 16 Abs. 1 EEG geregelten Vergütungsanspruch ein deutlicher Eingriff in die Vertragsfreiheit der Parteien vorgenommen wird, indem der Netzbetreiber einen gesetzlich festgelegten Preis für den von dem Anlagenbetreiber hergestellten Strom bezahlen soll, so muss zumindest im Gegenzug auch grundsätzlich geregelt sein, dass der Anlagenbetreiber den gesamten Strom, hinsichtlich dessen er berechtigt ist, die gesetzlich geregelte Mindestvergütung zu erhalten, in das Netz des Netzbetreibers einspeist. Ohne eine solche Gesamtabgabeverpflichtung könnte der ge144

Schäfermeier in Reshöft, § 9 Rn. 32. – Die Rechtsprechung hat in zahlreichen Urteilen ebenfalls diese Unterscheidung angewandt. So handelt es sich bei der Errichtung eines Trafos, der zur Umspannung auf eine höhere Spannungsebene benötigt wird, um eine Netzanschlussmaßnahme (BGH, Urteil v. 28.11.2007, NVwZ-RR 2008, 462). Auch die Umspannungskosten, wenn die anzuschließende Anlage in Niederspannung produziert und der abnehmende Netzbetreiber ein Mittelspannungsnetz betreibt, hat der Anlagenbetreiber zu zahlen (OLG Karlsruhe, Urteil v. 14.7.2005, NJOZ 2005, 3112, 3113). Wird jedoch von einer Station eine neue Leitung zu einer anderen Netzstation innerhalb des bestehenden Netzes errichtet, so liegt eine Netzausbaumaßnahme vor, für die der Netzbetreiber aufzukommen hat (BGH, Urteil v. 18.7.2007, NJW-RR 2007, 1645). Ebenso liegt es bei der Verstärkung einer bestehenden Hauptanschlussleitung (BGH, Urteil v. 10.11.2004, NJW-RR 2005, 565) sowie der Errichtung eines weiteren Schaltfeldes und der Veränderung der Sammelschiene im Umspannwerk (OLG Koblenz, Urteil v. 20.11.2006, BeckRS 2006, 15171). Schließlich sind auch die Einschleifung einer Übergabestation in das Netz des Netzbetreibers und die Errichtung einer Erdschluss-Kompensationsanlage Netzausbaumaßnahmen (LG Mainz, Urteil v. 13.11.2006, 4 O 286, LSK 2007, 390585). Vgl. auch BGH, Urteil v. 1.10.2008, NVwZ-RR 2009, 104, 105.

145

Mindestvergütungspflicht deswegen, weil der Netzbetreiber sich – theoretisch – vertraglich zu einer höheren Vergütung verpflichten kann; die gesetzliche Regelung im EEG ist allerdings abschließend.

146

Die strenge Geltung des Ausschließlichkeitsprinzips ist bei der hier betrachteten Windenergie nicht weiter relevant, da das Anfahren mit Strom, der nicht aus der Windenergieanlage gewonnen wird, nur der Vorbereitung der Stromerzeugung dient und nicht den Stromerzeugungsprozess an sich darstellt, vgl. Reshöft in Reshöft, § 16 Rn. 19.

78

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

setzliche Vergütungsanspruch nur in den Zeiten geltend gemacht werden, in denen Marktpreise unterhalb des Niveaus der Einspeisevergütung erzielt werden. Damit wären die Risiken eines niedrigen Marktpreises sozialisiert, die Chancen eines höheren Marktpreises allerdings privatisiert. Ein solches Verbot des „Rosinenpickens“ ist daher verständlich147. Gleichzeitig stand der Gesetzgeber vor der Aufgabe, in sinnvollem Umfang eine Direktvermarktung von Strom, der aus Erneuerbaren Energien gewonnen wird, zuzulassen – denn trotz der Gründe, die für die strikten Regularien des EEG sprechen, muss auch im Bereich der Erneuerbaren Energien grundsätzlich Vertragsfreiheit und Privatautonomie möglich sein. Der Gesetzgeber hat sich mit der Neufassung der §§ 16 und 17 EEG für einen Kompromiss entschieden, der von den meisten Beobachtern als sinnvoll und tragfähig angesehen wird und die grundsätzliche Andienungspflicht wie folgt einschränkt: • Die Andienungspflicht gilt natürlich nur, soweit ein Vergütungsanspruch überhaupt besteht (§ 16 Abs. 4 lit. a); • Die Andienungspflicht gilt nicht, soweit der Anlagenbetreiber den von ihm produzierten Strom selbst verbraucht (§ 16 Abs. 4 lit. b)148; • Die Andienungspflicht gilt nicht, soweit der Strom zwar nicht vom Anlagenbetreiber selbst verbraucht wird, aber von einem Dritten, der unmittelbar an ein Netz des Anlagenbetreibers angeschlossen ist, das kein Netz für die allgemeine Versorgung ist (§ 16 Abs. 4 lit. c)149. Daneben hat der Gesetzgeber mit § 17 EEG eine weitere wichtige Ausnahme zur Andienungspflicht eingeführt: die Möglichkeit der Direktvermarktung. Die erstmalige Normierung der Direktvermarktung außerhalb des gesetzlichen Vergütungssystems ist dem längerfristigen gesetzgeberischen Ziel geschuldet, den EEG-Strom marktfähig zu machen150. Die Direktvermarktung war zwar auch schon vor der EEG-Novelle 2009 zulässig151, jedoch kam es mangels einer konkreten Regelung gerade zu dem „Rosinenpicken“, das nunmehr verhindert werden soll. Denn die Direktvermarktung lohnte sich nur (kurzfristig und in Teilmengen) in den Zeitpunkten, in denen die Stromnachfrage sehr groß war und damit der Marktpreis über dem EEG-Vergütungssatz lag. § 17 Abs. 1 EEG bestimmt nun aber, dass die Direktvermarktung nur noch zulässig ist, wenn diese für einen gesamten Kalendermonat erfolgt und der Anlagenbetreiber dem Netzbetreiber vor Beginn des jeweils vorangegangenen Kalendermonats die Direktvermarktung angezeigt hat. Daneben sieht § 17 Abs. 2 EEG die Möglichkeit 147

Die Frage der Gesamtabnahmeverpflichtung bzw. des Andienungszwangs war nach der alten Rechtslage vor der Gesetznovelle 2009 äußerst umstritten. Zum Stand der damaligen Diskussion vgl. die Nachweise bei Reshöft in Reshöft, § 16 Rn. 41 f. und Altrock/Lehnert, ZNER 2008, 118, 121 f.

148

Hierbei ist interessant, dass das Gesetz ausdrücklich auf die Person des Anlagenbetreibers abstellt, nicht auf die Anlage selbst. Daher kann ein Unternehmen, das irgendwo in Deutschland seinen Sitz hat, den von ihm ebenfalls irgendwo in Deutschland produzierten Strom selbst verbrauchen, ohne unter die Andienungspflicht zu fallen. Soweit es freilich hierzu das Netz für die allgemeine Stromversorgung benutzt, sind evtl. Netznutzungsentgelte sowie Stromsteuer zu entrichten, vgl. Reshöft in Reshöft, § 16 Rn. 49.

149

Dieses Direktbelieferungsprivileg ist besonders relevant für Anlagenbetreiber, die außerhalb des allgemeinen Stromnetzes den selbst produzierten Strom an andere Industriebetriebe weiterveräußern wollen, etwa Betreiber von Industrieparks. Vgl. hierzu näher Reshöft in Reshöft, § 16 Rn. 51 ff.

150

Kühling/Pisal, ZNER 2011, 13, 16; Altrock/Lehnert, ZNER 2008, 118, 121.

151

Altrock/Lehnert, ZNER 2008, 118, 121.

2.2 Vergleich einzelner Regulierungssysteme

79

vor, kalendermonatlich einen festen Prozentsatz der aktuellen Erzeugung direkt zu vermarkten und für den verbleibenden Anteil die gewöhnliche EEG-Vergütung zu beanspruchen. Unklar ist hierbei, ob dieser Prozentsatz jederzeit eingehalten werden muss oder er sich nur auf den gesamten Monat bezieht. Vor dem Hintergrund, dass eine Direktvermarktung nur zu Höchstpreiszeiten unzulässig sein soll, ist eher von Ersterem auszugehen152. Damit bleibt die Direktvermarktung derzeit unattraktiv, denn die Marktpreise liegen zumeist noch immer unter den Vergütungssätzen des EEG153. Wie oben bereits erwähnt, wird das EEG mit Wirkung zum 1. Januar 2012 erneut geändert154. Ein für Anlagenbetreiber, Investoren und Finanzierer interessanter Gesichtspunkt ist die Einführung einer sogenannten optionalen Marktprämie gemäß §§ 33g, 33h EEG 2012, durch die Anlagenbetreiber angehalten werden sollen, ihre Anlagen marktorientierter zu betreiben155. Ausgangspunkt dieser Überlegung ist, dass die Direktvermarktung an der Strombörse – wie gerade dargestellt – für den Anlagenbetreiber erst dann interessant ist, wenn er hiermit einen Gewinn erzielen kann, also die Erlöse aus dem Direktverkauf über denjenigen der Einspeisevergütung liegen. Da dies bisher in der Regel nicht der Fall ist, soll zusätzlich zum Erlös durch die Direktvermarktung in Höhe des Marktpreises eine Prämie gezahlt werden156. Die Höhe dieser Marktprämie ergibt sich aus der Differenz der Einspeisevergütung und dem monatlich ex-post ermittelten durchschnittlichen Börsenpreis157. Die Marktprämie dient damit der Abfederung des Preisrisikos, das derzeit bei der Direktvermarktung besteht. Die Höhe der Einspeisevergütung, also das „wie“ der Vergütung, bestimmt sich nach dem Jahr der Inbetriebnahme der Anlage. Eine Anlage ist gemäß § 3 Nr. 5 EEG in Betrieb genommen, wenn ihre technische Betriebsbereitschaft hergestellt ist, unabhängig davon, ob der Generator der Anlage mit Erneuerbaren Energien oder sonstigen Energieträgern in Betrieb gesetzt wurde158; die Einspeisung des dabei erzeugten Stroms über den Netzanschluss ist keine Voraussetzung der Inbetriebnahme159. Nach § 20 EEG sinkt mit jedem Jahr die Einspeisevergütung um einen gesetzlich festgelegten Prozentsatz (sogenannte Degression). Für Windenergieanlagen an Land beträgt dieser 1 %, um dem technischen Fortschritt Rechnung 152

So auch Altrock/Lehnert, ZNER 2008, 118, 122.

153

Oschmann, ZNER 2010, 117, 123.

154

BT-Drucks. 17/6363; vgl. die konsolidierte (unverbindliche) Fassung des EEG in der ab dem 1. Januar 2012 verbindlichen Fassung.

155

Entwurf des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Erfahrungsbericht 2011 zum Erneuerbare-Energien-Gesetz, Stand: 3.5.2011, S. 20, abrufbar unter: http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/ application/pdf/eeg_erfahrungsbericht_2011_entwurf.pdf.

156

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung, 28. September 2010, Auszüge, ZNER 2010, 570, 576; siehe auch Becker, ZNER 2011, 531, 535.

157

Entwurf des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Erfahrungsbericht 2011 zum Erneuerbare-Energien-Gesetz, Stand: 3.5.2011, S. 13, abrufbar unter: http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/ application/pdf/eeg_erfahrungsbericht_2011_entwurf.pdf; siehe auch Weigt, ZNER 2009, 205, 208.

158

BGH, Urteil v. 16.3.2011, BeckRS 2011, 08037, Rn. 16.

159

Kersting, BKR 2011, 57, 59; zur Vertiefung und früheren Rechtslage: Altrock/Lehnert, ZNER 2008, 118, 120.

80

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

zu tragen160; gleichzeitig hat der Gesetzgeber die Vergütungssätze für Windenergie erhöht und das Repowering (siehe hierzu Fachkapitel 2.4) attraktiver gemacht161. Für Strom aus Windenergie an Land hat der Gesetzgeber die Vergütung auf mindestens 9,20 Cent je Kilowattstunde für die Dauer von fünf Jahren ab Inbetriebnahme (Anfangsvergütung) erhöht (§ 27 Abs. 2 EEG), darüber hinaus beträgt sie mindestens 5,02 Cent je Kilowattstunde (Basisvergütung, § 27 Abs. 1 EEG). Für neue Anlagen, die bestehende leistungsschwächere Anlagen ersetzen, sogenannte Repowering-Anlagen, ist eine zusätzliche Vergütung von 0,50 Cent je Kilowattstunde (Repowering-Bonus) vorgesehen, § 30 S. 1 EEG. Windanlagen, die bestimmte technische Anforderungen erfüllen, können weitere 0,50 Cent je Kilowattstunde bei Neuanlagen und 0,70 Cent je Kilowattstunde bei bestehenden Anlagen (Systemdienstleistungsbonus)162 beanspruchen163. Die Vergütung ist gemäß § 21 Abs. 1 EEG zu zahlen, sobald der Generator ausschließlich Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugt und in das Netz einspeist164. Der Zeitpunkt für die Errichtung der Windturbinen sollte daher möglichst auf den Zeitpunkt der Verfügbarkeit des Netzanschlusses abgestimmt sein, um zu gewährleisten, dass eine Inbetriebnahme der Turbinen erst dann erfolgt, wenn der Netzanschluss verfügbar ist und es aufgrund des Vergütungsbeginns nach § 21 Abs. 1 EEG zu einer effizienten Kostendeckung kommt. Gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 EEG ist die Vergütung jeweils auf 20 Jahre befristet. Verbot vertraglicher Vereinbarungen Alle Regelungsstufen sind gemäß § 4 EEG als gesetzliches Schuldverhältnis ausgestaltet. In § 4 Abs. 1 EEG wird bestimmt, dass die Netzbetreiber die Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem EEG nicht von dem Abschluss eines Vertrags abhängig machen dürfen, sogenanntes Koppelungsverbot. Gleichwohl sind vertragliche Regelungen zu Nebenpflichten, die das EEG nicht regelt, möglich165. Umstritten ist, ob ein Verstoß gegen das Koppelungsverbot zur Nichtigkeit nach § 134 BGB führt. Nach einer Ansicht ist dies zu bejahen166. Zur Begründung wird angeführt, dass das 160

Reshöft in Reshöft, § 20 Rn. 17.

161

Scholtka/Baumbach, NJW 2010, 1118, 1119.

162

Vgl. §§ 29 Abs. 2 S. 4, 66 Abs. 1 Nr. 6 in Verbindung mit der Systemdienstleistungsverordnung nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EEG.

163

Die EEG-Novelle beinhaltet auch Regelungen hinsichtlich der Höhe der Einspeisevergütung für Windenergie an Land: Änderungen betreffen vor allem (gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 7 b EEG 2012) die Erhöhung der Degression von 1% auf 1,5% ab 2013 zur Erhöhung des Drucks auf Kostensenkung und die Angleichung des Systemdienstleistungsbonus (die Anfangsvergütung für Neuanlagen, die vor dem 01.01.2015 in Betrieb genommen werden, erhöht sich gemäß § 29 Abs. 2 EEG 2012 um 0,48 Cent/kWh, wenn die Anlagen die entsprechenden technischen Voraussetzungen erfüllen). In Hinblick auf das Repowering verbleibt es auch nach dem EEG 2012 bei einem Bonus von 0,5 ct/kWh auf die Anfangsvergütung, die Voraussetzungen hierfür haben sich allerdings etwas geändert: Inbetriebnahme vor dem 1.1.2002 (statt bisher Mindestalter 10 Jahre); für ersetzte Anlage(n) muss dem Grunde nach ein EEG-Vergütungsanspruch bestehen und die „obere Leistungsgrenze“, wonach die Leistung der Neuanlagen maximal das fünffache der Altanlagen betragen durfte, ist weggefallen.

164

Kersting, BKR 2011, 57, 59.

165

Vgl. etwa Oschmann in Danner/Theobald, § 4 Rn. 18.

166

So bspw. Reshöft in Reshöft, § 4 Rn. 16; a.A. Salje, EEG, § 4 Rn. 40.

2.2 Vergleich einzelner Regulierungssysteme

81

Koppelungsverbot jedenfalls dem Schutz der Anlagenbetreiber gegenüber Forderungen der Netzbetreiber diene, selbst wenn es sich einseitig an die Netzbetreiber richte167. Nach der Rechtsprechung des BGH führt ein Verstoß gegen das Koppelungsverbot allerdings nicht zur Nichtigkeit168. Begründet wird dies damit, dass der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz nur dann die Nichtigkeit zur Folge habe, wenn sich das Verbot gegen beide Seiten richte. Anders sei es nur dann, wenn es mit dem Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene Regelung bestehen zu lassen. Das treffe bei dem Koppelungsverbot gerade nicht zu, denn die Vorschrift diene lediglich der Rechtssicherheit169. Nach § 4 Abs. 2 EEG darf von den Bestimmungen des EEG nicht zu Lasten der Anlagenbetreiber und der Netzbetreiber abgewichen werden; ein Verstoß hiergegen zieht die Nichtigkeit nach § 134 BGB nach sich170. Eine Ausnahme gilt lediglich gemäß § 8 Abs. 3 EEG, wonach Anlagenbetreiber und Netzbetreiber zur besseren Integration der Anlage in das Netz vertraglich vereinbaren können, von der vorrangigen Abnahmeverpflichtung abzuweichen (siehe oben). Einschränkungen/Risiken Ein Risiko für den Anlagenbetreiber (und entsprechend für finanzierende Banken) stellt das Prinzip des Einspeisemanagements gemäß § 11 Abs. 1 EEG durch den Netzbetreiber dar. Der Netzbetreiber darf hiernach, um sicherzustellen, dass die insgesamt größtmögliche Strommenge abgenommen wird, bei Auslastung seiner Kapazitäten bis zur Durchführung der Netzerweiterungsmaßnahmen seine Abnahmepflicht gemäß § 8 Abs. 1 EEG vernachlässigen171. Der angebotene Strom muss in dieser Zwischenzeit nicht bzw. nicht vollständig abgenommen werden. Voraussetzung hierfür ist gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EEG, dass 1. andernfalls die Netzkapazität im Netzbereich durch Strom aus EEG-Anlagen und KraftWärme-Koppelungsanlagen überlastet wäre, 2. sichergestellt ist, dass insgesamt die größtmögliche Strommenge aus EEG-Anlagen und Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen eingespeist wird, und 3. die Daten über die Ist-Einspeisung in der jeweiligen Netzregion abgerufen worden sind. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Wichtig ist, dass eine Auslastung durch konventionelle Energie das Einspeisemanagement nach § 11 Abs. 1 EEG nicht begründen kann; in diesem Fall gilt das Vorrangprinzip aus § 8 Abs. 1 EEG und die EEG-Anlagen dürfen zunächst einmal unbeschränkt einspeisen172. Allerdings ist gemäß § 11 Abs. 2 EEG das Spannungsverhältnis zu den Vorschriften des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversor167

Reshöft in Reshöft, § 4 Rn. 16.

168

BGH, Urteil v. 27.6.2007, NJW 2007, 3637, 3639.

169

BGH, Urteil v. 27.6.2007, NJW 2007, 3637, 3639.

170

Oschmann in Danner/Theobald, § 4 Rn. 16.

171

Es handelt sich um eine Ausnahme von der Abnahmepflicht: Konsolidierte Begründung zu dem Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG), BT-Drucks. 16/8148, S. 38, abrufbar unter: http://www.erneuerbare-energien.de/inhalt/40508.

172

Schäfermeier in Reshöft, § 11 Rn. 15, 30.

82

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

gung (EnWG)173 zu beachten – in diesem Zusammenhang kann eine Netzüberlastung auch dann Auswirkungen auf die Einspeise- und Vergütungsregelungen haben, wenn gleichzeitig noch konventionelle Energie in das Netz eingespeist wird174: Der Netzbetreiber ist nämlich bei einer Netzgefährdung oder Netzstörung nach § 13 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 EnWG auf einer ersten Stufe berechtigt und verpflichtet, netzbezogene Maßnahmen (Netzschaltung) oder marktbezogene Maßnahmen (Einsatz von Regelenergie, vertraglich vereinbarte abschaltbare und zuschaltbare Lasten, Informationen über Engpässe, Management von Engpässen, Mobilisierung zusätzlicher Reserven) in Bezug auf konventionelle Anlagen175 zu treffen. Diese Maßnahmen sind nicht entschädigungspflichtig nach § 12 EEG176. Das Einspeisemanagement nach § 11 Abs. 1 EEG ist die auf zweiter Stufe zu treffende Maßnahme, wenn es lediglich um eine Überlastung des Netzes mit Strom aus EEG-Anlagen, Grubengasanlagen oder Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen geht177. Hier gilt die Entschädigungspflicht aus § 12 Abs. 1 EEG. Wenn die Einspeisemaßnahme nicht ausreicht, sind auf einer dritten Stufe netzbezogene Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 S. 2 EnWG in Bezug auf die EEG-Anlagen, Grubengasanlagen oder Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen durchzuführen, die wiederum nicht entschädigungspflichtig sind nach § 12 EEG. Wenn sich die Gefährdung oder Störung durch marktbezogene Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig beseitigen lässt178, kann auf einer vierten Stufe gemäß § 13 Abs. 2 EnWG179 der Strom in Bezug auf alle Anlagen angepasst werden. Kommt es zu einer solch außergewöhnlichen Situation, besteht nach herrschender Auffassung in der Literatur keine Entschädigungspflicht nach § 12 EEG; Rechtsprechung existiert hierzu nicht180. Geht man davon aus, dass es in Zukunft wegen einer möglichen Überlastung der Netze regelmäßig zu solchen Szenarien kommt, in denen der Netzbetreiber nicht entschädigungspflichtig Anlagen herunterregelt, kann auch bei deutschen Onshore-Windparkprojekten nicht mehr guten Gewissens von „steady cashflow“ ohne Risiken gesprochen werden. Dies muss Sponsoren von

173

Energiewirtschaftsgesetz vom 7.7.2005, BGBl. 1970 I, 3621, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 7.3.2011, BGBl. 2011 I, 338.

174

Zur Vertiefung: Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement der Bundesnetzagentur, Stand: 29.3.2011, abrufbar unter: http://www.bundesnetzagentur.de.

175

Salje, EEG, § 11 Rn. 35.

176

Salje, EEG, § 11 Rn. 34.

177

Salje, EEG, § 11 Rn. 35. Ein Einspeisemanagement ist demnach möglich, wenn die konventionellen Kraftwerke zum „netztechnisch erforderlichen Minimum“ heruntergeregelt wurden, vgl. Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement der Bundesnetzagentur, Stand: 29.3.2011, S. 9 f., abrufbar unter: http://www.bundesnetzagentur.de. 178 Schäfermeier in Reshöft, § 11 Rn. 30. 179

Obwohl § 11 Abs. 2 EEG nur auf § 13 Abs. 1 EnWG verweist, finden alle Absätze des § 13 EnWG Anwendung, vgl. Schäfermeier in Reshöft, § 11 Rn. 26.

180

Salje, EEG, § 11 Rn. 35; für eine Entschädigungspflicht allerdings Schäfermeier in Reshöft, § 11 Rn. 30. Gleichwohl muss die getroffene Maßnahme gegenüber den unmittelbar Betroffenen und der Regulierungsbehörde nach § 13 Abs. 5 EnWG unverzüglich begründet werden.

2.2 Vergleich einzelner Regulierungssysteme

83

Windparks ebenso deutlich sein wie finanzierenden Banken, die evtl. § 11 EEG in Verbindung mit § 13 EnWG in ihren downside case Szenarien abbilden müssen. Liegt tatsächlich eine Überlastung im Sinne von § 11 EEG vor, so ist zu prüfen, welche der EEG-Anlagen, Grubengasanlagen und Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen vor den anderen einspeiseberechtigt ist. Nach der Gesetzesbegründung sollen zuerst diejenigen Erzeugungseinheiten herangezogen werden, die den stärksten Effekt auf die Sicherstellung der (N-1)-Sicherheit (die auf den Endverbraucher bezogene Sicherheit der Stromversorgung181) haben182. Die Umsetzung bleibt dem Netzbetreiber überlassen183. Wenn der Netzbetreiber feststellt, dass die Gefahr der Herunterregelung einer Anlage besteht, hat er den Anlagenbetreiber über den Zeitpunkt, den Umfang und die Dauer gemäß § 9 Abs. 1 S. 2, 2.Hs. EEG in Kenntnis zu setzen. Wenn der Netzbetreiber das Einspeisemanagement durchgeführt hat, muss er dem Anlagenbetreiber nach § 11 Abs. 3 S. 1 EEG auf Anfrage innerhalb von vier Wochen Nachweise über die Erforderlichkeit der Maßnahme vorlegen. Regelt der Netzbetreiber eine Anlage nach § 11 Abs. 1 EEG herunter, steht dem Anlagenbetreiber ein Entschädigungsanspruch gemäß § 12 Abs. 1 EEG zu. Die Höhe der Entschädigung kann vertraglich vereinbart werden. Diese vertragliche Vereinbarung kann sich jedoch nicht als genereller Verzicht auf ein Einspeisemanagement durch den Netzbetreiber darstellen184. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass diese Vereinbarung auch erst nach der Durchführung der Maßnahme erfolgen kann185. In Abwesenheit einer vertraglichen Vereinbarung hat der Netzbetreiber eine Entschädigung in Höhe der entgangenen gesetzlichen Einspeisevergütung abzüglich der ersparten Aufwendungen zu leisten186. Bei Windenergie ist kaum ein Abzug möglich, da der Energieträger „umsonst“ zur Verfügung steht; es kommt lediglich der Abzug des ersparten Betriebsstroms in Frage187. Somit kommt es zu einem annähernd vollständigen Verlustausgleich188. Wenn die Einspeisemaßnahme allerdings erforderlich war und der Netzbetreiber sie nicht zu vertreten hat, was er gegenüber der Regulierungsbehörde nachweisen muss, kann er nach

181

Schäfermeier in Reshöft, § 11 Rn. 14.

182

Konsolidierte Begründung zu dem Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-EnergienGesetz – EEG), BT-Drucks. 16/8148, S. 39, abrufbar unter: http://www.erneuerbare-energien.de/inhalt/40508.

183

Schäfermeier in Reshöft, § 11 Rn. 19.

184

Schäfermeier in Reshöft, § 12 Rn. 13.

185

Konsolidierte Begründung zu dem Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-EnergienGesetz – EEG), BT-Drucks. 16/8148, S. 40, abrufbar unter: http://www.erneuerbare-energien.de/inhalt/40508; so auch Schäfermeier in Reshöft, § 12 Rn. 15.

186

Schäfermeier in Reshöft, § 12 Rn. 15.

187

Salje, EEG, § 12 Rn. 24.

188

Salje, EEG, § 12 Rn. 26.

84

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

§ 12 Abs. 2 S. 1 EEG die nach Abs. 1 geleistete Entschädigung bei der Berechnung des Netzentgelts berücksichtigen189. Regelungsstufe 2: Abnahme und Vergütung des Stroms durch den Übertragungsnetzbetreiber Das EEG macht sinnvollerweise nicht Halt bei der Abnahme und Vergütung des Stroms durch die jeweiligen Netzbetreiber, an deren Netz die Anlage angeschlossen wird, sondern regelt den gesamten weiteren Werdegang des Stroms sowie dessen Vergütung auf den weiteren Regelungsstufen. Die zweite Regelungsstufe dieses sogenannten „Belastungsausgleichs“ behandelt hierbei • die Verpflichtung des Netzbetreibers, den auf der ersten Stufe gemäß §§ 16 ff. EEG dem Anlagenbetreiber vergüteten Strom unverzüglich an den zuständigen Übertragungsnetzbetreiber190 weiterzugeben (§ 34 EEG); und • die Verpflichtung des zuständigen Übertragungsnetzbetreibers, dem Netzbetreiber diesen Strom abzunehmen und ihm die an den Anlagenbetreiber gezahlte Vergütung zu erstatten (§ 35 Abs. 1 EEG)191. Die konkrete Abgabe des Stroms an den Übertragungsnetzbetreiber erfolgt nach der Stromnetzzugangsverordnung vom 25.7.2005 192. Diese Regelung wird ergänzt durch den Anspruch des Netzbetreibers auf Abnahme, Übertragung und Verteilung gegen den Übertragungsnetzbetreiber, vgl. § 8 Abs. 4 EEG. Regelungsstufe 3: Ausgleich zwischen den Übertragungsnetzbetreibern Die nächste, sogenannte dritte, Regelungsstufe betrifft nur die Übertragungsnetzbetreiber untereinander: § 36 Abs. 1 EEG normiert die Pflicht der Übertragungsnetzbetreiber, den unterschiedlichen Umfang und zeitlichen Verlauf der Strommengen sowie die Vergütungszahlungen zu erfassen, die Strommengen untereinander auszugleichen und nach einer speziellen Berechnungsmethode (vgl. § 36 Abs. 2 EEG) gegenseitig abzurechnen. Dieses Bündel aus verschiedenen Verpflichtungen ist eine notwendige Ergänzung zu den Regelungsstufen 1 und 2, denn hierdurch werden die Übertragungsnetzbetreiber in Regionen, in denen etwa aufgrund der Windverhältnisse und/oder des Vorhandenseins von geeigneten Flächen besonders intensiv Strom aus Erneuerbaren Energien gewonnen wird (z.B. die Küstenregionen an Nord- und Ostsee), entlastet und es wird eine bundesweite Verteilung des Anteils der Erneuerbaren Energien und der damit verbundenen Kosten erreicht193. Direkte 189

Salje, EEG, § 12 Rn. 27 ff. Ein Vertretenmüssen liegt insbesondere vor, wenn der Netzbetreiber nicht alle Möglichkeiten zur Netzoptimierung, Netzverstärkung und zum Netzausbau vorgenommen hat, vgl. Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement der Bundesnetzagentur, Stand: 29.3.2011, S. 4, abrufbar unter: http://www.bundesnetzagentur.de.

190

Derzeit gibt es in der Bundesrepublik vier Übertragungsnetzbetreiber: 50Hertz Transmission GmbH, Amprion GmbH (RWE), EnBW Transportnetze AG und TenneT TSO GmbH, vgl. EEG/KWK-G Informationsplattform der deutschen Übertragungsnetzbetreiber, abrufbar unter: http://www.eeg-kwk.net.

191

Zur Vertiefung: Oschmann in Danner/Theobald, Einleitung Rn. 62; Oschmann, NJW 2009, 263, 265.

192

BGBl. 2005 I, 2243, zuletzt geändert durch die Verordnung v. 17.10.2008, BGBl. 2008 I, 2006.

193

Oschmann in Danner/Theobald, Einleitung Rn. 63.

2.2 Vergleich einzelner Regulierungssysteme

85

Rechte oder Pflichten treffen Projektgesellschaften, die in Deutschland Windparks betreiben, hieraus allerdings nicht. Stufe 4: Abnahme und Vergütung des EEG-Stroms durch die Energieversorgungsunternehmen In der sogenannten vierten Regelungsstufe sieht das EEG einen vertikalen Ausgleich in der Weise vor, dass die Übertragungsnetzbetreiber den EEG-Strom an die Energieversorgungsunternehmen durchliefern, § 36 Abs. 4 EEG, und die Energieversorgungsunternehmen, die den EEG-Strom an die Endverbraucher liefern, verpflichtet sind, den EEG-Strom von dem zuständigen Übertragungsnetzbetreiber abzunehmen und zu vergüten, § 37 EEG. Dies geschah bisher in Form eines aufwendigen physikalischen und finanziellen Ausgleichs194. Seit dem 1.10.2010 besteht die physikalische Ausgleichsverpflichtung allerdings nicht mehr. Auf Grundlage von § 64 Abs. 3 EEG hat die Bundesregierung von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Ausgleichsmechanismus durch Erlass einer Rechtsverordnung abzuändern. Hierzu hat sie die Ausgleichsmechanismusverordnung195 erlassen, um den Ausgleichsvorgang transparenter zu gestalten und die Kosten zu verringern196. Energieversorgungsunternehmen müssen damit keinen EEG-Strom mehr abnehmen; dies hat sich jedoch nicht negativ für die Anlagenbetreiber ausgewirkt197. Stufe 5: Vermarktung des EEG-Stroms Letzten Endes wird der aus Erneuerbaren Energien gewonnene Strom als Teil des Stromportfolios des jeweiligen Energieversorgungsunternehmens an andere Energieversorgungsunternehmen, Stromhändler oder Endverbraucher verkauft. Diesen letzten Schritt regelt das EEG bewusst nicht198. § 53 Abs. 1 EEG gibt dem Energieversorgungsunternehmen nur die Möglichkeit, die ihm entstehenden Differenzkosten (Differenzbetrag zwischen den zu erwartenden EEG-Vergütungen und den Strombezugskosten pro Kilowattstunde) dem Stromabneh-

194

Die Übertragungsnetzbetereiber wandelten den EEG-Strom, den sie abgenommen, bezahlt und untereinander ausgeglichen hatten, in Zusammenarbeit mit den Energieversorgungsunternehmen in sogenannte Monatsbänder um und lieferten diese an die Energieversorgungsunternehmen. Dabei hing die Höhe dieser Monatsbänder von einer Prognose aus dem Vorjahr ab, vgl. im Einzelnen Findeisen in Reshöft, § 64 Rn. 53

195

Verordnung der Bundesregierung zur Weiterentwicklung des bundesweiten Ausgleichsmechanismus („AusgleichsMechV“) vom 17.7.2009, BGBl. 2009 I, 2101.

196

Nunmehr wird der eingespeiste Strom an der Strombörse in Leipzig (EUROPEAN ENERGY EXCHANGE AG, „EEX“) als sogenanntem Spotmarkt gemäß § 2 Abs. 2 AusgleichsMechV verkauft. Die Übertragungsnetzbetreiber sind gemäß § 2 Abs. 1 AusgleichsMechV verpflichtet, den vergüteten EEG-Strom selbst oder gemeinsam diskriminierungsfrei und transparent zu vermarkten. Damit soll sichergestellt werden, dass der gesamte EEG-Strom vermarktet wird; die Preisbildung richtet sich nach Angebot und Nachfrage (vgl. Rostankowski, ZNER 2010, 125, 127). Die Energieversorgungsunternehmen haben nach § 2 Abs. 3 AusgleichsMechV den Differenzbetrag zwischen dem Verkaufserlös und den von den Übertragungsnetzbetreibern gezahlten Vergütungen zu tragen.

197

Rostankowski, ZNER 2010, 125, 127.

198

Vgl. Oschmann, NJW 2009, 263, 265.

86

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

mer gegenüber ausdrücklich auszuweisen; verpflichtet ist es hierzu jedoch nicht199. Eine vertragliche Weitergabe der durch das EEG entstehenden vertrieblichen Mehrkosten an den Endverbraucher ist grundsätzlich zulässig und kann in allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden200. Damit finanziert der jeweilige Stromkunde über seine Stromrechnung die finanzielle Förderung des Stroms aus Erneuerbaren Energien201. Eine Ausnahme gilt lediglich nach §§ 41 ff. EEG für stromintensive Unternehmen und Schienenbahnen, die unter bestimmten Voraussetzungen einen gebundenen Anspruch auf Befreiung von der Abnahme von EEG-Strom haben, um ihre Stromkosten zu senken und somit ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten202.

2.2.2.4

Rechtsschutz

Der Gesetzgeber hat im EEG auch Aspekte des einstweiligen Rechtsschutzes geregelt. Gemäß § 59 Abs. 1 EEG kann der Anlagenbetreiber seinen Anspruch auf Auskunft, Anschluss, Abnahme und Abschlagszahlungen vorläufig im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen. Nach der früheren Rechtsprechung zur Vorgängerregelung setzten der Anspruch auf Anschluss und Abnahme voraus, dass die betreffende Anlage anschlussfertig errichtet war203. Dies ist nach dem neuen eindeutigen Gesetzeswortlaut seit 2009 nicht mehr der Fall, die Durchsetzung der Ansprüche ist bereits vor Errichtung der Anlage möglich. Grundsätzlich ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nur begründet, wenn sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund, also eine besondere Dringlichkeit glaubhaft gemacht werden204. § 59 Abs. 2 EEG befreit den Anlagenbetreiber von dieser zweiten Voraussetzung, sodass lediglich ein Anordnungsanspruch dargelegt und glaubhaft gemacht werden muss. Trotzdem ist das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nicht geeignet, alle im Rahmen des EEG in Betracht kommenden Ansprüche zu klären. Insbesondere steht dem Streit um die angemessene Höhe des Vergütungsentgelts bei einer bereits errichteten Anlage das generelle Prinzip des deutschen Verfahrensrechts, dass der einstweilige Rechtsschutz nicht die Hauptsache vorwegnehmen darf, entgegen205. Hieran hat nach der Rechtsprechung auch der weite Wortlaut des § 59 EEG nichts geändert. Zur Begründung wird angeführt, dass der Zweck der Regelung sei, Investitionshindernisse abzubauen: Dem Anlagebetreiber soll die Durchsetzung seiner Ansprüche erleichtert werden, um zu verhindern, dass er von seinem Vorhaben Abstand nimmt. Dieser Zweck sei aber gerade bei einer bereits angeschlossenen und produ199

Salje, EEG, § 54 Rn. 6; aus Transparenzgründen gelten gemäß § 53 Abs. 2 EEG hinsichtlich der Form und des Inhalts dieser Anzeige bestimmte Anforderungen, § 54 Abs. 1 EEG enthält bestimmte Vorgaben hinsichtlich der Endabrechnung.

200

Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 27. Auflage 2010, Rn. 110; vgl. auch Scholtka/Baumbach, NJW 2010, 1118, 1123.

201

Stein/Thoms, BB 2009, 1451, 1455.

202

Stein/Thoms, BB 2009, 1451, 1455.

203

BGH, Urteil v. 12.7.2006, NJW-RR 2006, 1485 f; zur Vertiefung: Fischer/Henning, ZUR 2006, 225, 231 f.

204

Vollkommer in Zöller, ZPO, § 935 Rn. 6 ff.

205

MüKo-Drescher, ZPO, § 938 Rn. 9, 11; Vollkommer in Zöller, ZPO, § 935 Rn. 3.

2.2 Vergleich einzelner Regulierungssysteme

87

zierenden Anlage nicht tangiert206. Daneben steht dem Anlagenbetreiber natürlich die Verfolgung seiner Ansprüche im Klageweg offen. Alternativ kann sich ein Anlagenbetreiber an die Clearingstelle EEG wenden, die im Oktober 2007 aufgrund von § 19 EEG 2004 (nunmehr § 57 EEG) eingerichtet wurde. Dies ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn Aussicht auf eine Einigung mit dem Netzbetreiber besteht. Die Clearingstelle EEG hat sich eine Verfahrensordnung („VerfO“)207 gegeben, in der vier Verfahren vorgesehen sind: das Einigungsverfahren (§§ 17 ff. VerfO)208, das Empfehlungsverfahren (§§ 22 ff. VerfO)209, das Hinweisverfahren (§§ 25 a ff. VerfO)210 und das Votumsverfahren (§§ 26 ff. VerfO)211. Jede Partei trägt dabei ihre Kosten selbst, § 15 VerfO. Die Entscheidungen der Clearingstelle sind nicht rechtsverbindlich. Allerdings können die Parteien die Rechtsverbindlichkeit der Entscheidungen im Einigungs- oder Votumsverfahren in Form eines Vergleichs vereinbaren212.

2.2.3

Regulierung in Frankreich

Frankreich hat nach Großbritannien das zweithöchste Windpotential in Europa213. Dennoch beginnt es erst in letzter Zeit, sein Potential in der Windenergiebranche zu entdecken. Dies ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass vor allem die Windenergie (neben der Solarenergie) Frankreich die Möglichkeit bietet, das nationale Gesamtziel für den Anteil von Erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch von 23 % bis 2020214 zu erfüllen, da die übrigen Energiegewinnungsformen aus Erneuerbaren Energien noch nicht hinreichend ausgereift oder wettbewerbsfähig sind. Charakteristisch für den Energiemarkt in Frankreich ist trotz der Liberalisierung die noch immer starke Position des Staates215. Der französische Marktführer ist die ÉLECTRICITÉ DE 206

LG Potsdam, Beschluss v. 19.3.2009, 3 O 89/09, S. 4, abrufbar unter http://www.clearingstelleeeg.de/node/650; siehe auch Fischer/Henning, ZUR 2006, 225, 232.

207

Verfahrensordnung der Clearingstelle EEG vom 1. Oktober 2007 in der Fassung vom 6. April 2010, abrufbar unter http://www.clearingstelle-eeg.de/files/verfo.pdf.

208

Im Einigungsverfahren nimmt die Clearingstelle die Rolle eines Mediators ein, um eine Lösung für die Streitigkeit zwischen dem Anlagenbetreiber und dem Netzbetreiber zu finden. Die Teilnahme ist freiwillig.

209

Innerhalb des Empfehlungsverfahrens sollen generelle Anwendungs- und Auslegungsfragen zum EEG erörtert werden. Es wird auf Anregung von der Clearingstelle selbst, Behörden oder Verbänden eingeleitet.

210

Das Hinweisverfahren hat ebenfalls Anwendungs- und Auslegungsfragen zum Gegenstand, allerdings werden nur Fragen mit weniger grundsätzlicher Bedeutung behandelt. Die Begründung fällt weniger umfangreich aus als im Empfehlungsverfahren.

211

Die Parteien können sich im Votumsverfahren an die Clearingstelle wenden, um eine Sach- oder Rechtslage begutachten zu lassen. Auch hierbei handelt es sich um ein Schlichtungsverfahren. Die Ergebnisse werden in anonymisierter Form veröffentlicht.

212

Zur Vertiefung: http://www.clearingstelle-eeg.de/auftrag.

213

Global Wind Report 2010 des GLOBAL WIND ENERGY COUNCIL, S. 40, 64, abrufbar unter: http://www.gwec.net.

214

Anhang I zur EE-Richtlinie 2009/28/EG, Abl. EG 2009 Nr. L, 46.

215

Daneben kennzeichnet ein hoher Anteil an Atomstrom den französischen Energiemarkt: Der Anteil an der Gesamtstromgewinnung aus Kernenergie lag Mitte 2010 bei etwa 75%, in Deutschland hingegen bei 26%.

88

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

FRANCE SA (EdF), eine börsennotierte Elektrizitätsgesellschaft, deren überwiegende Anteile vom französischen Staat gehalten werden. Ihre Schwestergesellschaft, die RÉSEAU DE TRANSPORT D’ÉLECTRICITÉ (RTE), bei der der französische Staat Alleinaktionär ist, fungiert als Übertragungsnetzbetreiber.

2.2.3.1

Rechtlicher Rahmen

Den rechtlichen Rahmen der Förderung von Windenergie in Frankreich bildet das Gesetz zur Modernisierung und Entwicklung der öffentlichen Elektrizitätsversorgung vom 10.2.2000 216. Dieses Gesetz regelt die Rahmenbedingungen für die Abnahme und Vergütung von Strom aus Erneuerbaren Energien durch die EdF und die lokalen Stromversorgungsunternehmen (Art. 10), die Bedingungen für Ausschreibungen (Art. 8), die Konditionen für die Finanzierung der Förderung (Art. 5) sowie die Bedingungen des Netzzugangs. Im Jahre 2005 hat die Förderung von Windenergie eine bedeutende Änderung erfahren durch die Einführung des Regimes der Entwicklungszonen für Windkraft (zones de développement de l’éolien, „ZDE“)217, das seit 15.7.2007 Anwendung findet. Der französische Gesetzgeber hat hierdurch das Genehmigungsverfahren zur Errichtung von Windparks grundlegend verändert218. Voraussetzung für die Abnahmepflicht ist danach, dass die Anlage innerhalb einer ZDE errichtet wird219. Bei der Ausweisung einer ZDE wird zunächst eine geografische Abgrenzung vorgenommen und sodann die minimale und die maximale Produktionskapazität der in der ZDE zu errichtenden oder bereits genehmigten Anlagen festgelegt.

2.2.3.2

Fördermechanismus im Einzelnen

Ähnlich wie das EEG sieht das Rahmengesetz vom 10.2.2000 eine Abnahmepflicht sowie eine Vergütungspflicht zu einem bevorzugten Tarif für fünfzehn Jahre220 ab Inbetriebnahme

216

Gesetz n° 2000-108 vom 10.2.2000 zur Modernisierung und Entwicklung der öffentlichen Elektrizitätsversorgung (Loi n° 2000-108 du 10 février 2000 relative à la modernisation et au développement du service public de l'électricité), JOURNAL OFFICIEL DE LA RÉPUBLIQUE FRANÇAISE („JO“) vom 11.2.2000, 2143, zuletzt geändert am 24.10.2010.

217

Gesetz n° 2005-781 vom 13.7.2005 über das Programm zur energiepolitischen Orientierung, zuletzt geändert am 14.07.2010. Näher hierzu unten.

218

Bis zum 15.7.2007 war das sogenannte 12-MW-Regime in Kraft. Danach konnten nur solche Erzeuger von der Abnahmepflicht profitieren, deren Kapazitäten an einem Standort eine Grenze von 12 MW nicht überschritten. Zu diesem Standort gehörten alle Windturbinen einer Unternehmensgruppe, deren Abstand voneinander weniger als 1500 Meter betrug. Auf die bis zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden oder genehmigten Anlagen ist das 12-MW-Regime noch immer anwendbar.

219

Die Ausweisung einer ZDE erfolgt durch den zuständigen Präfekten (Regionaldirektion für Umwelt, Raumordnung und Wohnungswesen), wobei er das Windpotential des Gebiets, die Möglichkeit der Einbindung ins Stromnetz sowie Belange des Natur, Landschafts- und Denkmalschutzes berücksichtigt. Insgesamt wurden bis Mitte 2008 74 ZDE eingerichtet, dabei lag die durchschnittliche Produktionskapazität einer ZDE bei etwa 55 MW. Vgl. hierzu und hinsichtlich des Verfahrens zur Errichtung einer ZDE Fröding, Entwicklungszonen für Windenergie (ZDE) in Frankreich, Magazin des Deutschen Windenergie-Instituts (DEWI) No. 34, Februar 2009, S. 66, 69 ff.

220

Für Offshore-Anlagen beträgt die Dauer zwanzig Jahre.

2.2 Vergleich einzelner Regulierungssysteme

89

der Anlage vor. Um hiervon zu profitieren, muss der Anlagenbetreiber bestimmte Genehmigungen beibringen und gewisse Verträge abschließen: Zunächst bedarf es einer Betriebsgenehmigung (autorisation d’exploiter) des Energieministeriums221. Diese Genehmigung ist nicht übertragbar; bei der Veräußerung eines Windparks kann es daher erforderlich sein, eine neue Genehmigung zu beantragen. Der nächste wichtige Schritt ist die Bescheinigung zur Geltendmachung der Abnahmepflicht (Certificat ouvrant droit à l’obligation d’achat) durch den Präfekten, d.h. der zuständigen Regionaldirektion für Umwelt, Raumordnung und Wohnungswesen (Direction Régionale de l'environnement, de l'aménagement et du logement, „DREAL“)222, worin der Anspruch auf Abnahme und Vergütung verbrieft ist. Diesem Antrag sind – soweit erforderlich – die Baugenehmigung und andere möglicherweise erforderliche umweltrechtliche Genehmigungen beizufügen sowie ein Nachweis darüber, dass die Anlage in einer bereits ausgewiesenen ZDE errichtet werden soll223. Der Sinn dieser detaillierten Nachweispflicht besteht darin, dass dem Anlagenbetreiber nicht erst eine Bescheinigung erteilt werden soll und das Projekt aufgrund fehlender Voraussetzungen später nicht realisiert werden kann. Wenn die Bescheinigung erteilt wird, wird sie im bulletin des actes administratifs de la préfecture veröffentlicht. Grundsätzlich gilt die Bescheinigung für den gesamten Zeitraum der Abnahme- und Vergütungspflicht, also für fünfzehn Jahre. Sie verliert allerdings ihre Wirksamkeit, wenn die Anlage nicht innerhalb von drei Jahren nach Erteilung der Bescheinigung in Betrieb genommen wird. Zudem kann die Bescheinigung aufgehoben werden, wenn die Energieerzeugung die ZDE-Grenze überschreitet. Diese Bescheinigung wird einem bestimmten Anlagenbetreiber erteilt und ist nicht übertragbar, der Präfekt kann jedoch seine Zustimmung zur Übertragung erteilen. Bei einer Veränderung der technischen Vorrichtungen zur Stromerzeugung bedarf es ebenfalls der vorherigen Zustimmung. Hingegen ist bei einem Kontrollwechsel in der Gesellschaft, der die Bescheinigung erteilt wurde, keine Zustimmung des Präfekten nötig. Die Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung erfolgt innerhalb von zwei Monaten nach Antragstellung. Die nächste Voraussetzung der Abnahme- und Vergütungspflicht ist ein Anschlussvertrag (Convention de raccordement) und ein Netzzugangsvertrag (Contrat d’accès au réseau) zwischen dem Anlagenbetreiber und dem Netzbetreiber. Der Netzbetreiber muss den Anschluss der Anlage und den Zugang zum Netz nach diskriminierungsfreien Kriterien gewähren (Kontrahierungszwang)224. Allerdings ist eine Privilegierung von Anlagen zur Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien nicht geregelt. Der Netzbetreiber erstellt hinsichtlich der Anschlussbedingungen am Standort ein Gutachten zu den technischen und finanziellen 221

Le ministère de l'Ecologie, du Développement durable, des Transports et du Logement.

222

Art. 1 Abs. I der Verordnung n° 2001-410 vom 10.5.2001, grundlegend novelliert im Jahre 2009 und zuletzt geändert durch die Verordnung n° 2011-240 vom 4.3.2011. Die DREAL umfasst nunmehr die vor der Novellierung zuständige Bezirksdirektion für Industrie, Forschung und Umwelt (Direction régionale de l’industrie de la recherche et de l’environnement, „DRIRE“).

223

Art. 1 Abs. II bis. der Verordnung n° 2001-410 vom 10.5.2001.

224

Art. 23 des Gesetzes n° 2000-108.

90

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Anforderungen. Der Anlagenbetreiber muss sich an den Anschlusskosten beteiligen und bei Vertragsschluss eine Anzahlung leisten. Auch nach den französischen Regelungen ist der Netzbetreiber verpflichtet, Netzausbaumaßnahmen durchzuführen. Dies ergibt sich bereits nach den allgemeinen Maßstäben des „service public de l’électricité“225. Weiterhin kann der Netzbetreiber hierzu vertraglich verpflichtet sein, wenn dies für den Anschluss der Anlage an das Netz erforderlich ist. Indes besteht keine gesetzliche Regelung bezüglich der Netzstabilisierung226. Schließlich ist ein Stromabnahmevertrag mit der EdF oder einem lokalen Stromversorger für die Dauer von fünfzehn Jahren ab Inbetriebnahme der Anlage zu schließen. Der Verteilungsnetzbetreiber ist zum Abschluss des Vertrags über die Abnahme des Stroms zu einem gesetzlich festgelegten Preis verpflichtet (Kontrahierungszwang). Die Inbetriebnahme der Anlage muss innerhalb von drei Jahren nach vollständiger Antragstellung bei der EdF erfolgen. Jeder weitere Monat wird von der Vertragslaufzeit abgezogen. Wenn die Vertragslaufzeit abgelaufen ist, muss der Strom aus Erneuerbaren Energien am Markt frei verkauft werden. Aus dem Stromabnahmevertrag steht dem Anlagenbetreiber ein vertraglicher Anspruch auf die Vergütung zu. Mit der Verordnung über die Bedingungen für die Abnahme von Elektrizität aus Windkraftanlagen wurde der Vergütungstarif für Onshore-Anlagen zuletzt auf 8,20 Cent je Kilowattstunde für die ersten zehn Jahre nach Errichtung der Anlage festgelegt, danach schwankt der Wert zwischen 2,8 und 8,2 Cent je Kilowattstunde227. Dieser Einspeisetarif ist ebenso wie in Deutschland degressiv ausgestaltet. Anders als in Deutschland sieht die französische Regelung allerdings einen Inflationsausgleich vor228. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit der steuerlichen Vergünstigung durch eine Steuergutschrift auf die persönliche Einkommensteuer bei getätigten Investitionen in Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien (crédit d’impôt)229. In Frankreich finanziert der Verbraucher die Mehrkosten durch die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien mit einer Contribution au Service Public de l'Électricité („CSPE“). 225

Art. 2 in Verbindung mit Art. 14 und Art. 18 des Gesetzes n° 2000-108.

226

Bei Netzauslastung oder Netzüberlastung werden Sofortmaßnahmen zur Abschaltung von Stromanlagen durch die Netzbetreiber getroffen, vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Rechtsquellen Erneuerbare Energien – Frankreich, abrufbar unter: http://www.res-legal.de.

227

Arrêté du 23 décembre 2008, zuletzt geändert am 29.12.2008, vgl. Art. Annexe. Besondere Vergütungssätze können sich für die Gewinner von Ausschreibungen über den Bau von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien ergeben, die der Staat zur Erfüllung seiner Kapazitätsziele durchführt, vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Rechtsquellen Erneuerbare Energien – Frankreich, abrufbar unter: http://www.res-legal.de.

228

Die Verordnung über die Bedingungen für die Abnahme von Elektrizität aus Windkraftanlagen sieht eine jährliche Anpassung der Vergütungssätze für Bestandsanlagen an die Inflation vor. Zudem wird hinsichtlich 20% des Vergütungssatzes an jedem Jahrestag des Vertragsschlusses eine Tarifindexierung vorgenommen; hierbei werden der Kostenindex der Arbeitsstunden sowie der Produktionspreisindex der Industrie berücksichtigt, vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Rechtsquellen Erneuerbare Energien – Frankreich, abrufbar unter: http://www.res-legal.de.

229

Loi n° 2004-1484, novelliert durch Loi n° 2008-1425.

2.2 Vergleich einzelner Regulierungssysteme

91

Hierdurch werden unter anderem die Ausgleichszahlungen an die EdF oder die lokalen Stromversorger geleistet. Der Ausgleich erfolgt in vier Zahlungen pro Jahr230.

2.2.3.3

Praktische Hinweise

Neben diesen energierechtlichen Themen gibt es weitere rechtliche Gesichtspunkte, die Anlagenbetreiber, Investoren und Finanzierer in ihre Planung einbeziehen sollten. So sind z.B. Besonderheiten im Baugenehmigungsverfahren zu beachten. Ab einer Anlagenhöhe von 12 Metern ist eine Baugenehmigung zu beantragen231. Ab einer Anlagenhöhe von 50 Metern gelten strengere Anforderungen: Hier muss zusätzlich eine Umweltverträglichkeitsstudie (étude d’impact) sowie ein öffentliches Anhörungsverfahren (Enquête Publique) durchgeführt werden232. Nach dem Gesetz „Grenelle II“233 vom 12.7.2010 fallen Anlagen, die eine Höhe von 50 Metern überschreiten, mit Wirkung ab 13.7.2011 unter das Regime der klassifizierten Anlagen (Installations Classées pour la Protection de l’Environnement, „ICPE“), bei denen ebenfalls eine Umweltverträglichkeitsstudie und ein öffentliches Anhörungsverfahren vorgesehen sind. Die Baugenehmigung kann innerhalb von zwei Monaten angefochten werden. Diese Frist beginnt mit dem Aushang der Baugenehmigung auf dem Baugrundstück und im zuständigen Rathaus zu laufen. Auch im Zusammenhang mit dem Pachtvertrag, den der Projektentwickler mit dem Grundstückseigentümer abschließt, gibt es eine französische Besonderheit zu beachten: In der Praxis wird meistens kein gewöhnlicher Pachtvertrag (bail de droit commun), sondern ein Erbpachtvertrag (bail emphytéotique) abgeschlossen. Der Erbpachtvertrag wird für eine Laufzeit von 18 bis zu 99 Jahren geschlossen und gibt dem Pächter ein eigentumsähnliches Recht.

2.2.4

Regulierung in Italien

Italien zählt ebenfalls zu den aufstrebenden Windmärkten in Europa und peilt ein nationales Gesamtziel für den Anteil von Erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch von 17 % bis 2020 an234. Großes Windpotential weisen insbesondere die Bergregionen Mittelund Süditaliens sowie die Mittelmeerinseln auf.

230

Art. 5 des Gesetzes n° 2000-108. Näher zu dem konkreten Ausgleichmechanismus: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Rechtsquellen Erneuerbare Energien – Frankreich, abrufbar unter: http://www.res-legal.de.

231

Art. L. 421-1-1 du Code de l'urbanisme (Raumordnungsgesetz), version consolidée au 20 avril 2011.

232

Art. L. 553-2 Code de l’environnement. Bei Anlagen, die weniger als 50 Meter hoch sind, muss lediglich eine Umweltverträglichkeitsanzeige (notice d’impact) eingereicht werden.

233

Loi n° 2010-788 du 12 juillet 2010 portant engagement national pour l'environnement.

234

Anhang I zur EE-Richtlinie 2009/28/EG, Abl. EG 2009 Nr. L, 46.

92

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

2.2.4.1

Rechtlicher Rahmen

Den rechtlichen Rahmen hinsichtlich der Förderung von Strom aus Erneuerbaren Energien bildet das legislative Dekret vom 16.3.1999, Nr. 79 („DL 79/99“ oder „BERSANI-Dekret“)235. Anders als der deutsche und der französische Fördermechanismus sieht das italienische Förderprinzip eine Kombination aus einer Abnahmepflicht für Strom aus Windenergie zum Marktpreis und dem Erlös aus dem Verkauf „Grüner Zertifikate“ (certificati verdi) vor und folgt daher dem sogenannten Quotensystem236. Dahinter verbirgt sich folgendes Prinzip: Die Anlagenbetreiber erhalten für eine bestimmte Menge an erzeugtem grünen Strom sogenannte „Grüne Zertifikate“ vom Staat. Die Energieversorgungsunternehmen werden durch den Staat verpflichtet, einen bestimmten Anteil ihres Stromportfolios mit Strom aus Erneuerbaren Energien zu decken. Sie können diese Quote entweder durch selbst produzierten Strom aus Erneuerbaren Energien abdecken oder „Grüne Zertifikate“ zum Ausgleich erwerben. Wenn sie dem nicht nachkommen, haben sie Strafzahlungen zu leisten. Die Anlagenbetreiber haben somit zwei Einnahmequellen237: den Preis für den produzierten Strom und den Preis für die im Markt gehandelten „Grünen Zertifikate“. Erst wenn beide Einnahmequellen zusammen eine ausreichende Gewinnaussicht versprechen, werden Investoren bereit sein, eine Investition zu tätigen.

2.2.4.2

Fördermechanismus im Einzelnen

Zunächst ist eine Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Anlage einzuholen. Die Voraussetzungen hierfür sind im legislativen Dekret vom 29.12.2003, Nr. 387 („DL 387/03“)238 geregelt. Charakteristisch für dieses Genehmigungsverfahren ist, dass lediglich eine einzige Genehmigung von der jeweiligen Region oder Provinz einzuholen ist. Diese Genehmigung hat Konzentrationswirkung, d.h. sie enthält und ersetzt alle weiteren Genehmigungen und Lizenzen, die zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage notwendig sind mit Ausnahme der Umweltstudie und der Umweltverträglichkeitsuntersuchung nach dem Umweltdekret239 („DL 152/06“), die für Anlagen mit einer Produktionskapazität von mehr als einem Megawatt durchzuführen sind. Für Windanlagen, die einen Ertrag von 60 Kilowatt oder weniger haben, gelten geringere Anforderungen. Hierfür muss lediglich eine Erklärung hinsichtlich des Baubeginns (denuncia di inizio attività, „DIA“) bei der je-

235

Decreto Legislativo 16 marzo 1999, n. 79. Attuazione della direttiva 96/92/CE recante norme comuni per il mercato interno dell'energia elettrica. „Decreto Bersani“.

236

Allgemein hierzu Oschmann, ZNER 2010, 117, 121. Dieses System stammt aus Großbritannien. Derzeit wird die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien neben Großbritannien und Italien auch in Belgien, Polen, Rumänien und Schweden durch Quotenregelungen gefördert.

237

Siehe hierzu auch Zenke in Danner/Theobald, Energierecht-Kommentar, Band I b: Rechtsfragen des Handels mit Energie, Finanzinstrumenten und Zertifikaten, Stand: 66. Ergänzungslieferung Mai 2010, Rn. 36 f.

238

Decreto Legislativo 29 dicembre 2003, n. 387, zuletzt geändert am 28.3.2011, Attuazione della direttiva 2001/77/CE relativa alla promozione dell'energia elettrica prodotta da fonti energetiche rinnovabili nel mercato interno dell'elettricita. Am 10.9.2010 wurden von der italienischen Regierung hierzu prozessuale Richtlinien erlassen, die auf Genehmigungsverfahren seit dem 1.1.2011 Anwendung finden.

239

Geändert durch das legislative Dekret vom 3.12.2010, Nr. 205.

2.2 Vergleich einzelner Regulierungssysteme

93

weiligen Gemeinde eingereicht werden. Wenn diese der DIA nicht innerhalb von 30 Tagen widerspricht, gilt der Baubeginn als genehmigt. Am 29.3.2011 ist das legislative Dekret vom 3.3.2011, Nr. 28 „DL 28/11“240 in Kraft getreten, das unter anderem Änderungen in Bezug auf das Genehmigungsverfahren enthält. Die einzelne Genehmigung ist weiterhin nach dem Dekret DL 387/03 zu beantragen. Nach dem Dekret DL 28/11 ist sie nunmehr innerhalb von 90 Tagen nach Antragstellung zu erteilen241. Das DIA-Verfahren hinsichtlich der Anlagen mit geringerer Kapazität wird leicht modifiziert beibehalten. Darüber hinaus können die autonomen Provinzen oder Regionen fortan vorgeben, wann mehrere Anträge für verschiedene Projekte in denselben oder benachbarten Gebieten hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsstudie als ein Antrag behandelt werden sollen. Die neuen Regelungen sind nur auf Anträge anwendbar, die nach dem Inkrafttreten des Dekrets DL 28/11 eingereicht worden sind. Der Anlagenbetreiber hat einen Anspruch darauf, an das nationale Stromnetz angeschlossen zu werden242. Der Netzbetreiber muss den Anschluss innerhalb von 90 Werktagen vornehmen243. Zwischen ihm und dem Netzbetreiber wird ein Vertrag (contratto per la connessione) abgeschlossen. Wie im französischen Recht gilt auch hier ein Kontrahierungszwang: Der Netzbetreiber ist zum Abschluss des Vertrags verpflichtet. Der Antrag auf Anschluss der Anlage zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien sowie der Anschluss selbst werden vorrangig behandelt. Bei Konflikten mit dem Netzbetreiber kann sich der Anlagenbetreiber an die Marktdirektion (Direzione mercati) der Autorita Energia Elettrica e Gas wenden244. Die Kosten des Netzanschlusses entfallen auf den Anlagenbetreiber. Wenn ein Netzausbau erforderlich ist, um den Netzanschluss durchzuführen, so hat der Anlagenbetreiber hierauf sogar einen Anspruch gegenüber dem Netzbetreiber245. Der Strom aus Erneuerbaren Energien muss vorrangig vom Netzbetreiber übertragen werden246, es gilt hierbei folgendes Prioritätsprinzip: An erster Stelle muss der Strom aus nicht programmierbaren Quellen wie Wind, Sonne, Erdwärme, fließenden Gewässern und Biogas übertragen werden, erst danach ist der Strom aus programmierbaren Quellen wie KraftWärme-Kopplung zu übertragen. Die Kosten für die Netznutzung trägt der Anlagenbetreiber.

240

Decreto Legislativo 3 marzo 2011, n. 28. Attuazione della direttiva 2009/28/CE sulla promozione dell’uso dell’energia da fonti rinnovabili recante modifica e successiva abrogazione delle direttive 2001/77/CE e 2003/30/CE, Veröffentlichung in der Gazzetta Ufficiale della Repubblica Italiana am 28.3.2011.

241

Zuvor waren es 180 Tage. Diese Frist bezieht sich nicht auf das Verfahren hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsstudie.

242

Art. 3.1 und Art. 9.1 DL 79/99. Zu den Details siehe Integrierter Text der technischen und wirtschaftlichen Konditionen für den Anschluss an die Stromnetze mit der Anschlusspflicht für Dritte von Anlagen zur Erzeugung elektrischer Energie („TICA“), Deliberazione 23 luglio 2008 – ARG/elt 99/08.

243

Anhang A ARGelt 99/08.

244

Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Rechtsquellen Erneuerbare Energien – Italien, abrufbar unter: http://www.res-legal.de.

245

Art. 3.1 und Art. 9.1 DL 79/99.

246

Art. 3.3 DL 79/99.

94

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Wenn die Kapazität und damit die Sicherheit des Netzes eingeschränkt ist, können Maßnahmen zur Kapazitätsbegrenzung getroffen werden247. Für den produzierten Strom erhält der Anlagenbetreiber den regulären Marktpreis248. Hierbei ist ihm grundsätzlich anzuraten, einen mehrjährigen Stromliefervertrag mit einem Energieversorgungsunternehmen abzuschließen, um einen stabilen Cashflow über die Laufzeit des Stromliefervertrags hinweg sicherzustellen. Zusätzlich werden dem Anlagenbetreiber für eine Dauer von fünfzehn Jahren „Grüne Zertifikate“ erteilt249. Jedes „Grüne Zertifikat“ repräsentiert eine Megawattstunde an produzierter Energie. Durch den Verkauf dieser „Grünen Zertifikate“ kann er einen zusätzlichen Ertrag erzielen. Die Nachfrage wird dadurch kreiert, dass die „Stromproduzenten“250 und Stromimporteure gegenüber der italienischen Energieagentur Gestore dei Servizi Energetici („GSE“) bis zum 31. März eines jeden Jahres nachweisen müssen, dass sie die Produktionsquote251 hinsichtlich Erneuerbarer Energien eingehalten oder durch „Grüne Zertifikate“ ausgeglichen haben252. Der Preis der Zertifikate wird dabei durch den Markt, also durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Eine Alternative zu diesem Fördermechanismus besteht lediglich für Anlagenbetreiber, die pro Jahr nicht mehr als ein Megawatt an grünem Strom produzieren. Sie können sich anstelle des Quotenmodells mit „Grünen Zertifikaten“ für einen festen Einspeisetarif (tariffa fissa onnicomprensiva) in Höhe von 30 Cent je Kilowattstunde für die Dauer von 15 Jahren entscheiden253. Neben diesem Fördermechanismus gilt für Windanlagen eine reduzierte Umsatzsteuer in Höhe von 10 % anstelle der sonst zu entrichtenden 20 %254.

247

Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Rechtsquellen Erneuerbare Energien – Italien, abrufbar unter: http://www.res-legal.de.

248

Alternativ hat er die Option, die GSE als Vermittler zwischen ihm und dem Markt agieren zu lassen, indem er einen Vertrag mit der GSE abschließt mit einer jährlichen Verlängerungsoption, vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Rechtsquellen Erneuerbare Energien – Italien, abrufbar unter: http://www.res-legal.de.

249

Dies gilt für Anlagen, die seit 1.1.2008 in Betrieb genommen wurden. Für zuvor in Betrieb genommene Anlagen galt eine Dauer von zwölf Jahren.

250

Gemeint sein dürften die Energieversorgungsunternehmen.

251

Die Produktionsquote für Erneuerbare Energien lag 2009 bei 5,3% je 100 Gigawattstunden, vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Rechtsquellen Erneuerbare Energien – Italien, abrufbar unter: http://www.res-legal.de.

252

Art. 13 des Dekrets vom 18.12.2008 zur Förderung der Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energiequellen („DM 18/12/2008“ oder „Decreto Rinnovabili“).

253

Art. 2 Abs. 145 Legge 24 Dicembre 2007, n. 244. Disposizioni per la formazione del bilancio annuale e pluriennale dello Stato. Legge finanziaria 2008 („L 244/07“); vgl. auch Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Rechtsquellen Erneuerbare Energien – Italien, abrufbar unter: http://www.reslegal.de.

254

Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Rechtsquellen Erneuerbare Energien – Italien, abrufbar unter: http://www.res-legal.de.

2.2 Vergleich einzelner Regulierungssysteme

2.2.4.3

95

Praktische Hinweise

Anlagenbetreiber, Investoren und Finanzierer sollten beachten, dass die Regulierung hinsichtlich der Förderung Erneuerbarer Energien in Italien demnächst eine grundlegende Änderung erfahren wird. In dem Dekret DL 28/11 vom 3.3.2011 wurde die Aufhebung des Quotensystems für Ende 2015 beschlossen. Das Quotensystem findet nur noch auf Anlagen Anwendung, die bis 31.12.2012 in Betrieb genommen werden. Eine konkrete neue Regelung, die anstelle des Systems der „Grünen Zertifikate“ tritt und weiterhin die Attraktivität der Investition in Erneuerbare Energien absichert, wird spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten des Dekrets DL 28/11 in Form eines weiteren Dekrets verabschiedet, ist also bald zu erwarten. Das Dekret DL 28/11 regelt lediglich die Rahmenbedingungen, auf die das noch zu erlassende Dekret zurückgreifen soll. So sieht es weiterhin die Unterscheidung der Anlagen in zwei Kategorien nach dem jeweiligen Erzeugungsvermögen vor. Bei Anlagen mit einer Erzeugungskapazität bis zu fünf Megawatt soll eine Mindestvergütung erfolgen255. Für Strom von Anlagen mit einer Erzeugungskapazität über diesem Schwellenwert soll ebenfalls eine Einspeisevergütung eingeführt werden. Diese soll auf der Basis einer Auktion durch die GSE berechnet werden. Hierbei sollen die Art der Energiequelle, der Tag der Inbetriebnahme und die jeweilige Produktionskapazität berücksichtigt werden. Bis 2015 ist die GSE verpflichtet, die Zertifikate, die von 2011 bis 2015 ausgegeben wurden und die die Anlagenbetreiber größerer Anlagen am Markt nicht verkaufen konnten, zurückzukaufen, jedoch soll der Preis der Zertifikate von 100 % auf 78 % des Preises fallen, für den die GSE die Zertifikate am Markt platzieren könnte256.

2.2.5

Regulierung in Polen

Auch für Polens Regierung stellt die Erweiterung der Stromgewinnung aus Erneuerbaren Energien ein zentrales Element ihrer Energiepolitik dar, das nationale Gesamtziel für den Anteil von Erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch beträgt 15 % bis 2020257. Obwohl die Errichtung der ersten Windanlagen in Polen noch nicht allzu lang zurückliegt, hat die Windkraft bereits die Spitzenposition als Erzeugungsquelle für Strom aus Erneuerbaren Energien eingenommen.

2.2.5.1

Rechtlicher Rahmen

Die gesetzliche Grundlage für die Förderung von Windenergie ist das Prawo energetyczne258 (das „Energiegesetz“). Der Hauptfördermechanismus besteht – ähnlich wie in Italien – aus 255

Diese Mindestvergütung variiert je nach Energiequelle, Tag der Inbetriebnahme und Produktionskapazität der jeweiligen Anlage.

256

Die Reduzierung um 22% soll dem Unterschied zwischen dem allgemeinen Preis für Zertifikate in Höhe von 180,00 Euro je Megawattstunde und dem jährlichen Stromdurchschnittspreis entsprechen.

257

Anhang I zur EE-Richtlinie 2009/28/EG, Abl. EG 2009 Nr. L, 46.

258

Ustawa z dnia 10 kwietnia 1997 r. Prawo energetyczne, zuletzt geändert am 8.1.2010. Es bildet den rechtlichen Rahmen bis Ende 2017.

96

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

einer mengenmäßigen Verpflichtung von Energieversorgungsunternehmen zum Kauf „grünen“ Stroms und handelbarer „grüner“ Zertifikate. Zudem vergibt der nationale Fonds für Umweltschutz und Wasserwirtschaft Kredite zu einem vergünstigten Zinssatz zur Förderung umweltfreundlicher Projekte, weiterhin sind Erzeuger von Strom aus Erneuerbaren Energien von der Verbrauchssteuer befreit, die auf den Stromverbrauch und Stromverkauf erhoben wird259.

2.2.5.2

Fördermechanismus im Einzelnen

Zunächst muss eine Lizenz der zuständigen Energieregulierungsbehörde Urząd Regulacji Energetyki („URE“) beantragt werden260. Es ist nicht notwendig, dass die Projektgesellschaft, die die Lizenz beantragt, eine polnische Gesellschaft ist, sofern sie ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraums oder in der Schweiz hat261. Die Lizenz wird für einen Zeitraum zwischen 10 und 50 Jahren erteilt262. Es ist üblich, dass die URE eine finanzielle Sicherheit wie etwa eine Bürgschaft der Muttergesellschaft verlangt. In einem nächsten Schritt muss der Anlagenbetreiber die Festlegung der Anschlussbedingungen beim Netzbetreiber beantragen263, die dieser innerhalb einer bestimmten Frist zu erteilen hat264; die Dauer ist abhängig von der Netzebene, an die die Anlage angeschlossen wird. Ähnlich wie in Frankreich ist der Netzbetreiber verpflichtet, mit dem Anlagenbetreiber nach diskriminierungsfreien Kriterien einen Netzanschlussvertrag abzuschließen und den Netzanschluss nach diskriminierungsfreien Kriterien zu gewähren, wenn die technischen und wirtschaftlichen Bedingungen erfüllt sind265. Bei Streitfragen entscheidet die URE266. Der Anlagenbetreiber hat eine Gebühr für den Netzanschluss zu entrichten. Die Gebühr entsteht in Höhe der tatsächlich angefallenen Kosten für den Netzanschluss; er hat eine Vorschusszahlung zu leisten267. Daraufhin wird ein Netznutzungsvertrag zwischen dem Anlagenbetreiber und dem Netzbetreiber geschlossen268. Die Mindestanforderungen an den Vertragsinhalt sind gesetzlich geregelt269.

259

Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Rechtsquellen Erneuerbare Energien – Polen, abrufbar unter: http://www.res-legal.de.

260

Art. 32 Abs. 1 Nr. 1 Energiegesetz. Zu den baurechtlichen Voraussetzungen siehe Sowa, WiRO 2002, 177.

261

Art. 33 Abs. 1 Nr. 1 Energiegesetz.

262

Art. 36 Energiegesetz.

263

Art. 7 Abs. 3 a Energiegesetz.

264

Art. 7 Abs. 8 g Energiegesetz.

265

Art. 7 Abs. 1 Energiegesetz.

266

Art. 8 Abs. 1 Energiegesetz.

267

Diese darf nicht höher sein als 3 Millionen PLN (ca. 770.000 Euro), Art. 7 Abs. 8 b Energiegesetz.

268

Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Rechtsquellen Erneuerbare Energien – Polen, abrufbar unter: http://www.res-legal.de.

269

Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 Energiegesetz.

2.2 Vergleich einzelner Regulierungssysteme

97

Nach den polnischen Regelungen ist der Netzbetreiber verpflichtet, Strom aus Erneuerbaren Energien vorrangig weiterzuleiten. Hierbei ist jedoch die Verlässlichkeit und Sicherheit des Netzes zu beachten. Netzausbaumaßnahmen muss der Netzbetreiber allerdings lediglich nach den allgemeinen Energievorschriften vornehmen; der Anlagenbetreiber hat keinen individuellen Anspruch hierauf. Weiterhin gibt es auch keine Regelung über die Kosten der Netznutzung durch Strom aus Erneuerbaren Energien. Die Kosten der Netznutzung trägt daher der Verbraucher über den Strompreis; die Netzbetreiber kalkulieren ihren Stromtarif unter Berücksichtigung der ihnen bspw. durch den Netzausbau entstehenden Kosten270. Die Anlagenbetreiber können den erzeugten Strom am Markt oder zum Marktpreis des vorigen Jahres271 an ein dafür bestimmtes Energieversorgungsunternehmen verkaufen. Dies geschieht in der Praxis über den Abschluss von Stromlieferverträgen, wobei ein längerfristiger Stromliefervertrag mit einem Hauptabnehmer dringend zu empfehlen ist, um einen stabilen Cashflow sicherzustellen. Die Mehrkosten, also die Differenz zwischen den Betriebskosten der Anlage und dem Marktpreis des Stroms, der von den Energieversorgungsunternehmen gezahlt wird, sollen die Anlagenbetreiber durch den Handel mit „Grünen Zertifikaten“ ausgleichen. Dieses System wurde im Oktober 2005 eingeführt. Die Zertifikate werden auf Antrag des Anlagenbetreibers von der URE ausgegeben272. Die Energieversorgungsunternehmen sind verpflichtet, solche Zertifikate zu halten. Die erforderliche Anzahl an Zertifikaten ergibt sich aus der Strommenge, die an die Endverbraucher verkauft wird, multipliziert mit dem verkauften Mindestanteil von Strom aus Erneuerbaren Energien. 2011 beträgt dieser Mindestanteil 10,4 %. Die Anlagenbetreiber können die von der URE erhaltenen Zertifikate somit an die Energieversorgungsunternehmen veräußern und damit einen zusätzlichen Ertrag erzielen. Auch hier gilt im Interesse der Sicherstellung stabiler Cashflows, dass ein Anlagenbetreiber die Veräußerung der Zertifikate mit dem Stromliefervertrag koppeln sollte. Die Energieversorgungsunternehmen können sich der Verpflichtung, Zertifikate zu halten, entziehen, müssen dann jedoch eine Ersatzgebühr zahlen. Wenn sich das Energieversorgungsunternehmen der Verpflichtung komplett entzieht, also auch keine Ersatzgebühr zahlt, wird ihm ein Strafgeld auferlegt. Die „Grünen Zertifikate“ können zudem an der polnischen Strombörse („POLPX“) gehandelt werden.

2.2.5.3

Praktische Hinweise

In der Praxis ist es Anlagenbetreibern dringend anzuraten, einen langfristigen Stromabnahmevertrag mit einem Hauptabnehmer abzuschließen, der sowohl die Zertifikate als auch den Strom zu einem Mindestpreis abnimmt (häufig in Form einer Kombination aus einem fixen Strompreis und anderen Faktoren). Hintergrund hierfür ist insbesondere, dass der An270

Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit Art. 3 Nr. 21 Energiegesetz.

271

Art. 9 a Abs. 6 Energiegesetz. Dieser Grundbetrag wird aufgrund von Art. 23 Abs. 2 Nr. 18 Energiegesetz jährlich im März von der URE bekannt gegeben und betrug etwa im März 2011 195,32 PLN pro Megawattstunde, abrufbar unter: http://www.ure.gov.pl/portal/pdb/497/3994/Srednia_cena_sprzedazy_energii_elektrycznej_na_rynku_ konkurencyjnym_za_rok_2010.html.

272

Art. 9 e Abs. 3 Energiegesetz.

98

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

teil von Strom aus Windenergie in den nächsten Jahren erheblich steigen wird und damit ein Überangebot droht. Ein steigendes Angebot an Strom geht mit einer Senkung des Marktstrompreises einher, welcher Grundlage für den Erlös für den Strom aus Erneuerbaren Energien ist. Ein langfristiger Stromliefervertrag mit einem Fixpreis kann diesem Risiko entgegenwirken. Auch in Polen ist das Fördersystem für Erneuerbare Energien im Umbruch. Das polnische Wirtschaftsministerium plant noch 2011 den Entwurf eines neuen Erneuerbare-EnergienGesetzes, bisher liegt lediglich ein Strategieentwurf des Wirtschaftsministeriums vor. Änderungen sind danach vor allem hinsichtlich des Fördermechanismus für die Energieproduktion aus Photovoltaik und Solarthermie angekündigt. Gleichzeitig soll die Berechnung der Ersatzgebühr vereinfacht werden, um die Gefahr einer unkontrollierbaren Erhöhung dieser Gebühr entgegenzuwirken und dadurch der Erhöhung der Energiekosten für die Endverbraucher vorzubeugen. Zudem sollen Investitionsrisiken abgebaut werden durch die Einführung eines Fördersystems in Form einer Garantie von Mindesteinnahmen273. Hiermit dürfte jedoch nicht die Abschaffung des Quotensystems gemeint sein, denn der Strategieentwurf erwähnt zum einen den garantierten Absatz der in den „Grünen Zertifikaten“ verkörperten Vermögensrechte in mehrjähriger Perspektive274, zum anderen geht er selbst davon aus, dass das neue System nach wie vor auf den Zertifikaten basieren soll275.

2.2.6

Ergebnis und Ausblick

Die Mehrheit der europäischen Mitgliedsstaaten verwendet das System der Einspeisevergütung in jeweils unterschiedlicher Ausprägung276. In der Praxis hat sich dieses System auch als das deutlich effektivere Mittel erwiesen, den Anteil Erneuerbarer Energien am Energieverbrauch deutlich zu erhöhen. Gegenüber der These, dass bei dem angelsächsischen Quotensystem volkswirtschaftlich geringere Kosten entstünden als bei einer staatlich garantierten Einspeisevergütung, da die jeweiligen Marktverhältnisse über den Ausbau der Erneuerbaren Energien entscheiden277, wird daher zu Recht entgegengehalten, dass sich in der Praxis gezeigt hat, dass das System der Einspeisevergütung gesamtwirtschaftlich effektiver ist278 und zu einem erheblich größeren Wachstum Erneuerbarer Energien führt279. Eine der Ursachen 273

Vgl. hinsichtlich der genannten Neuerungen MINISTER GOSPODARKI, KRAJOWY PLAN DZIAŁANIA W ZAKRESIE ENERGII ZE ŹRÓDEŁ ODNAWIALNYCH (Projekt), Warschau 2010, S. 31, abrufbar über das polnische Wirtschaftsministerium unter: http://bip.mg.gov.pl/Prawo/Projekty+aktow+prawnych/Energetyka.

274

MINISTER GOSPODARKI, KRAJOWY PLAN DZIAŁANIA W ZAKRESIE ENERGII ZE ŹRÓDEŁ ODNAWIALNYCH (Projekt), Warschau 2010, S. 78, abrufbar über das polnische Wirtschaftsministerium unter: http://bip.mg.gov.pl/Prawo/Projekty+aktow+prawnych/Energetyka.

275

MINISTER GOSPODARKI, KRAJOWY PLAN DZIAŁANIA W ZAKRESIE ENERGII ZE ŹRÓDEŁ ODNAWIALNYCH (Projekt), Warschau 2010, S. 31, abrufbar über das polnische Wirtschaftsministerium unter: http://bip.mg.gov.pl/Prawo/Projekty+aktow+prawnych/Energetyka.

276

Lehnert/Vollprecht, ZUR 2009, 307, 311.

277

M.w.N. Lehnert/Vollprecht, ZUR 2009, 307, 311.

278

Et/Hennig, ZUR 2009, 543, 545.

279

Reshöft in Reshöft, Einleitung Rn. 97.

2.2 Vergleich einzelner Regulierungssysteme

99

hierfür ist das hohe Maß an Investitionssicherheit, welche für Investoren und Finanzierer von herausragender Bedeutung ist, und die das Quotensystem in dieser Form nicht gewähren kann. Dies haben auch die Verantwortlichen in Italien und Polen erkannt, die ihr Quotensystem abschaffen bzw. zumindest anpassen werden. Was die Konsequenz und Durchdachtheit der verschiedenen Regulierungen Erneuerbarer Energien in Europa angeht, hat Deutschland mit dem EEG einen klaren Standortvorteil. Bereits die aktuelle Fassung stärkt die Position der Anlagenbetreiber in finanzieller wie auch in rechtlicher Hinsicht gegenüber der früheren Rechtslage und schafft die Rechtssicherheit, die Investitionen und ihre Finanzierung erst ermöglichen. Die Novelle des EEG fügt sich hier ein, indem sie den Ausbau der Direktvermarktung zwar fördert, das Marktrisiko aber weitgehend minimieren will. Sollte der von der Bundesregierung angekündigte beschleunigte Ausstieg aus der Kernenergie Wirklichkeit werden, hat der deutsche Rechtsverkehr mit dem EEG ein praxiserprobtes und effektives Gesetz, das den ehrgeizigen Umbau der Energiewirtschaft rechtlich begleitet und sinnvoll reguliert.

100

2.3

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

DR. JÖRN MICHAELSEN Dr. Jörn Michaelsen, Rechtsanwalt, ist seit 2005 bei der HSH NORDBANK AG als Syndikus tätig und befasst sich schwerpunktmäßig mit der rechtlichen Gestaltung von Projekten und Projektfinanzierungen im Bereich erneuerbarer Energien.

2.3.1

Einleitung

Zu den wesentlichsten Projektverträgen eines Windparks in der Errichtungsphase gehört der Generalunternehmervertrag und während der Betriebsphase der Wartungsvertrag. Neben dem Vertrag über die Lieferung der Windkraftanlagen haben die in ihnen vereinbarten Bestimmungen einen wesentlichen Einfluss auf das technische Schicksal und damit auf die Ertragskraft des Projektes. Neben Generalunternehmer- und Wartungsverträgen werden auch die Direktverträge mit der finanzierenden Bank behandelt, da sie die Befugnis der Bank vorsehen, selbst in diese Projektverträge einzutreten. Der vorliegende Beitrag beabsichtigt, den Leser in einige der wesentlichen rechtlichen Aspekte und Zusammenhänge der Gestaltung von Generalunternehmer-, Wartungs- und Direktverträgen einzuführen. Vollständigkeit ist weder angestrebt noch im vorgegebenen Rahmen erreichbar. Auch soweit Hinweise für vertragliche Gestaltungen gegeben werden, ersetzt dieser Beitrag nicht die rechtliche Beratung bei der konkreten praktischen Gestaltung und Verhandlung dieser Projektverträge.

2.3.2

Der Generalunternehmervertrag

Durch den Generalunternehmervertrag verpflichtet sich der Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber zur Errichtung einer Anlage oder eines Bauwerkes, sowohl durch Erbringung eigener Leistungen als auch durch Leistung Dritter sowie zur Koordination dieser Nach- oder Subunternehmer280. Durch die Einbeziehung der Leistungen Dritter unterscheidet sich der Generalunternehmer vom Alleinunternehmer, der das Werk alleine errichtet. Vom Generalübernehmervertrag unterscheidet sich der Generalunternehmervertrag dadurch, dass der Generalübernehmer im Vertrag mit dem Bauunternehmen als Auftraggeber auftritt und damit zum Bauherrn teilweise in einem Verhältnis eines Geschäftsbesorgungs-, teilweise eines Treuhändervertrages281 steht. Der Generalunternehmervertrag wird in der Praxis oft auch als „Turnkey Contract“ oder „Engineering, Procurement and Construction Contract“, kurz EPC Contract282, bezeichnet. 280

BGH NJW 1978, S. 1054 f.; MünchKommBGB/Busche (2009) § 631, Rn. 233.

281

Staudinger/Peters/Jacoby (2008) § 631 Rn. 41; MünchKommBGB/Busche (2009) § 631, Rn. 234.

282

Kersting, Mark Oliver, Die Projektfinanzierung eines Offshore-Windparks, BKR 2011, S. 57, 60.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

101

Nach weitgehend herrschender Auffassung ist der Generalunternehmervertrag als Werkvertrag anzusehen und nach den Regeln der §§ 631 ff. BGB zu behandeln, da ein bestimmter Erfolg, nämlich die mangelfreie Erstellung eines Bauwerkes bzw. einer Anlage geschuldet ist, der sich nicht lediglich in der Lieferung einer Sache erschöpft283. In der Rechtsprechung der letzten Jahre wird hingegen eine Tendenz erkennbar, auf Verträge zur Errichtung von Anlagen über § 651 BGB das Kaufvertragsrecht der §§ 433 ff. BGB anzuwenden284. Danach soll es für die Einordnung des Vertrages maßgeblich darauf ankommen, ob nach dem Willen der Parteien die Übereignung lediglich zu montierender Einzelteile im Vordergrund steht oder die Herstellung eines Werkes vereinbart ist. Für die Beurteilung im Einzelfall wird auf das Größenverhältnis zwischen den für Lieferung bzw. Montage vereinbarten Kostenkomponenten abgestellt285. Die Rechtsprechung kommt aber auch auf der Grundlage dieser Kriterien zu unterschiedlichen Ergebnissen286. Diese Unterschiede ergeben sich aus den unterschiedlichen Interessenlagen und Parteienkonstellation der zugrunde liegenden Fälle und lassen sich nicht ohne weiteres verallgemeinern. Zudem ist auch die technische Entwicklung zu berücksichtigen. So erfordert z.B. die zunehmende Errichtung von Windenergieanlagen mit über 100 m Nabenhöhe im Vergleich zu den herkömmlichen einfachen Stahltürmen aufwändige, an Ort und Stelle montierte Betontürme; eine Entwicklung, die zugunsten einer werkvertragsrechtlichen Beurteilung spricht. Für die Einordnung der Errichtung von Windenergieanlagen spricht auch die sachenrechtliche Konsequenz der Errichtung. Nach wohl überwiegender Ansicht führt die Errichtung einer Windenergieanlage zur festen Verbindung mit dem Grundstück, wodurch sie deren wesentlicher Bestandteil im Sinne von § 94 Abs. 1 BGB wird. Damit wird die Werkleistung an der nicht gelieferten Hauptsache Grundstück erbracht, und eine Lieferung nach Kaufrecht scheidet aus. Für herkömmliche Windenergieanlagen ist die sachenrechtliche Beurteilung freilich sehr umstritten287. Sie dürfte aber bei den neueren, über 100 m hohen Anlagen mit komplexen Betontürmen überzeugen. Soweit man die Errichtung auf der Basis des Anlagenliefervertrags mit dem Hersteller als Werkvertrag ansieht, dürfte auch der Generalunternehmervertrag unproblematisch als Werkvertrag anzusehen sein. Aber auch wenn die Errichtung nach § 651 BGB dem Kaufvertragsrecht unterliegen sollte, hindert dies zumindest nicht grundsätzlich daran den Generalunterneh-

283

BGH NJW 1978, S. 1054 f.; Staudinger/Peters/Jacoby (2008) Vorbemerkungen zu § 631 ff. Rn. 105; MünchKommBGB/Busche (2009) § 631, Rn. 233; Nicklisch, Rechtsfragen des Subunternehmervertrages bei Bau- und Anlagenprojekten im In-und Auslandsgeschäft, NJW 1985 S. 2361; a. A.: Michaelis de Vasconcellos, Muss der Anlagenbauer alles wissen?, NZBau 2000, S. 361 sieht im Generalunternehmervertrag einen Werklieferungsvertrag, ohne daraus jedoch praktisch andere Konsequenzen zu ziehen.

284

BGH, NJW-RR 2004, S. 850; BGH, NJW 2009, S. 2877 ff.; OLG Naumburg, Urt. v. 25.06.2009 (AZ 1 U 14/06) BeckRS 2009, 29077; OLG Schleswig NJOZ 2008, S. 851 ff.; OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 1.6.2001 (AZ: 15 U 291/98) NZBau 2002, S. 615.

285

BGH, NJW-RR 2004, S. 850.

286

BGH, NJW 2006, S. 904 f. wendet Werkvertragsrecht an; vgl. BGH, NJW-RR 2004, S. 850: Kaufvertragsrecht.

287

Zu dieser lebhaften Diskussion vertiefend: Goecke, Klaus, Gamon, Peter, Windkraftanlagen auf fremdem Grund und Boden, WM 2000, S. 1309 ff.; Ganter, Hans Gerhard, Die Sicherungsübereignung von Windkraftanlagen als Scheinbestandteil eines fremden Grundstücks, WM 2002, S. 105 ff.; Peters, Bernd, Wem gehören die Windkraftanlagen auf fremden Grund und Boden?, WM 2002, . 110 ff.; ders., Windkraftanlagen und §§ 93 ff. BGB, WM 2007, S. 2003 ff.

102

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

mervertrag abweichend vom Anlagenliefervertrag dem Werkvertragsrecht zu unterwerfen288. Mit welcher rechtlichen Einordnung von Generalunternehmerverträgen über die Errichtung von Windparks seitens der Rechtsprechung in Zukunft zu rechnen sein wird, bleibt abzuwarten. Da durch die Schuldrechtsreform das Werkvertrags- und das Kaufrecht einander weitgehend angeglichen wurden, halten sich die rechtlichen Konsequenzen dieser Unterschiede in gewissen Grenzen. In einzelnen Aspekten kann es jedoch zu erheblichen Abweichungen kommen, namentlich hinsichtlich des Zeitpunkts des Gefahrübergangs, des Eingreifens der handelsrechtlichen Rügepflicht289 sowie des Verjährungsbeginns290. Auf diese Punkte soll daher in diesem Beitrag an entsprechender Stelle291 gesondert eingegangen werden. Die Darstellung beschränkt sich jedoch im Interesse übersichtlicher Vermittlung im Wesentlichen auf die mit dem Werkvertragsrecht verbundenen Fragen. In der Errichtungsphase eines Onshore-Windparks umfasst der Generalunternehmervertrag zusammen mit dem Anlagenliefervertrag den größten Teil der insgesamt zu erbringenden Leistungen292. Durch die an diese Verträge geknüpften gesetzlichen und vertraglichen Gewährleistungspflichten wirken sie zudem mehrere Jahre lang in die Betriebsphase des Projektes hinein. Daher stehen beide Verträge in einem engen sachlichen und rechtlichen Zusammenhang, der in der Praxis unter vielen Gesichtspunkten eine enge Abstimmung ihrer Inhalte erfordert. Dies gilt unabhängig davon, dass nach der Auffassung des BGH ein Generalunternehmervertrag nach Werkvertragsrecht, der mit ihm zusammen hängende Anlagenliefervertrag aber nach Kaufrecht beurteilt werden kann293.

2.3.2.1

Grundsätzliche Überlegungen

Für die Entwicklung eines Projektes ebenso wie für seine Finanzierung ist die Entscheidung zum Abschluss eines Generalunternehmervertrages anstelle multilateraler Verträge mit den Einzelgewerken (Multicontracting) von erheblicher Bedeutung. Für die Vereinbarung eines Generalunternehmervertrages sprechen aus Sicht des Projektentwicklers und der Bank mehrere Gründe. Der Generalunternehmer koordiniert den Einsatz der Einzelgewerke und sorgt dafür, dass sich die Schnittstellen zwischen ihnen nicht nachteilig auswirken. Er haftet zudem unmittelbar gegenüber der Projektgesellschaft für die Mängel der einzelnen Gewerke

288

BGH NJW 2009, S. 2877, 2879, mit einer eingehenden Stellungnahme zu diesem „vermeintlichen Wertungswiderspruch“; OLG Schleswig NJOZ 2008, S. 851 ff.: wendet Kaufvertragsrecht nur auf den Liefervertrag an und lässt die Rechtsnatur des Generalübernehmervertrages des Käufers ausdrücklich offen; Schuhmann, BauR 2005, S. 293, 295.

289

Thomas Günther, Ausschluss von Mängelrechten – schärfere Rügepflichten bei Solar- und Windenergieanlagen? NZBau 2010, S. 465 f.

290

Schuska, Frederek, Die Wirksamkeit des Haftungsausschlusses bei Erwerb sanierter Altbauten, NZM 2009, S. 108, 109.

291

Siehe hierzu näher die Unterabschnitte „Abnahme“ und „Gewährleistung für Mängel“.

292

Böttcher, Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Vorhaben, 2009, S. 257.

293

BGH NJW 2009, S. 2877, 2879; vgl. auch Nachweise in Fußnote 288.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

103

und der Koordination insgesamt294. Dies gilt zumindest, soweit es ihm nicht gelingt, seine eigene Haftung einzuschränken und auf die Gewährleistung der einzelnen Subunternehmer zu verweisen. Für den Generalunternehmer kann die Übernahme dieser Verantwortung neben einer entsprechenden Vergütung dadurch interessant sein, dass er gegenüber der Projektgesellschaft bzw. den Investoren und der Bank eine starke Verhandlungsposition einnimmt und in der Regel besser als diese die Kostenstruktur der Subunternehmer kennt. In der Praxis hängt die Beauftragung durch Generalunternehmervertrag und die Durchsetzung der jeweiligen Parteiinteressen in den Vertragsverhandlungen von der aktuellen Marktsituation der Beteiligten ab. Anlagenhersteller versuchen in aller Regel, sich auf die Rolle des bloßen Anlagenlieferanten zurück zu ziehen, um den mit der Übernahme der Position eines Generalunternehmers verbundenen Haftungsrisiken zu entgehen295. Größere Projektentwickler, die über ausreichendes fachliches know how, Erfahrung und Kapazitäten verfügen, treten dagegen oft selbst als Generalunternehmer auf. Dies bietet ihnen die Möglichkeit ihre Wertschöpfungskette über Planung und Entwicklung hinaus auf die Errichtungsphase auszudehnen. Trotz verschiedener Möglichkeiten der Rollenverteilung ist Vorsicht geboten, wenn die Rolle des Generalunternehmers von einer Partei eingenommen wird, mit deren Rolle kollidierende Interessen verbunden sind. Beteiligt sich der Generalunternehmer zugleich als Co-Investor am Projekt, könnte er dazu neigen die starke Position des Generalunternehmers auszuspielen, um bereits in dieser Rolle seine Gewinnerwartungen weitgehend zu realisieren, ohne sich – wie die anderen Investoren – dem Betriebsrisiko auszusetzen. Als Gesellschafter der Projektgesellschaft kann er zudem auf die Willensbildung der Gesellschafter einen seinen Interessen dienlichen Einfluss nehmen. Die Risiken solcher Interessenkollisionen werden in der anfänglichen Euphorie einer Kooperation oft unterschätzt. Daher sollten sowohl die Investoren als auch die das Projekt finanzierende Bank frühzeitig auf eine Entflechtung der beteiligten Interessen hinwirken, soweit ihnen dies möglich ist. Als Auftraggeber eines Generalunternehmervertrages eignet sich aus Sicht des Projektes und der Bank in aller Regel die das Projekt betreibende Gesellschaft selbst am besten. Dadurch wird vermieden, dass durch spätere Übertragungen des Vertragsverhältnisses Auseinandersetzungen über den wirksamen und vollständigen Rechtsübergang auftreten, Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche in Frage gestellt werden und Mängel ggf. unter hohem Zeit- und Kostenaufwand geprüft und behoben werden müssen. Insbesondere Zeitverluste können wegen der im EEG vorgesehenen Degression der Einspeisetarife und aufgrund der häufigen Bindung der Preise für Windenergieanlagen an feste Abnahmefristen erhebliche wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen. Die Projektgesellschaft sollte daher so frühzeitig gegründet werden, dass sie unmittelbar selbst die Projektrechte, insbesondere die für die Errichtung des Windparks

294

Siebel, Röver, Knütel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, 2. Aufl. 2008, Rn. 2614, 3032; Reuter, Wecker Projektfinanzierung 1999, S. 96.

295

Busch, Ralph, Ausgewählte (vertrags-) rechtliche Fragen bei der Errichtung von Offshore-Windparks, NZBau 2011, S. 2, diese Aussage gilt in der Grundtendenz auch für die Hersteller von Onshore-Windkraftanlagen.

104

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

erforderlichen öffentlichen Genehmigungen, erwerben und die Projektverträge abschließen kann296.

2.3.2.2

Gestaltung des Vertragsinhalts

Risikoverteilung der Parteien als unmittelbare Gestaltungsgrundlage Aus Sicht der Projektgesellschaft und der Bank kommt es darauf an, das Risiko der Fertigstellung des Windparks so weitgehend wie möglich auf den Generalunternehmer zu verschieben. Dieses Ziel kann aber – unabhängig von der jeweiligen Verhandlungsstärke der Parteien – nicht nur aus Kostengründen, sondern auch aus sachlichen Erwägungen nicht vollständig verfolgt werden. In der Regel ist der Generalunternehmer nicht bereit die Planungs-, Genehmigungsund Baugrundrisiken zu übernehmen. Die Planung des Windparks erfolgt in aller Regel zeitlich vor der Beauftragung des Generalunternehmers. Entsprechendes gilt oft auch für die Sicherung der Grundstücke und die Einholung der Errichtungsgenehmigung. Der Generalunternehmer ist daher schon unter zeitlichen Gesichtspunkten nicht in der Lage, diese Risiken zu steuern297. Zudem kann er ein belastbares Angebot für seine Leistungen nur auf der Grundlage eines in den wesentlichen Punkten fixierten Projektentwicklungsergebnisses abgeben, wenn die Bebaubarkeit des Projektstandortes zivilrechtlich, genehmigungsrechtlich und tatsächlich für eine Angebotsabgabe hinreichend definiert ist. Diesen Gesichtspunkten trägt die VOB/A Rechnung, indem sie für Ausschreibungen dem Auftraggeber in § 7 die exakte Definition des Auftragsumfanges aufträgt. Das Baugrundrisiko weist VOB/A § 7 Abs. 1 Nr. 6 sogar ausdrücklich dem Auftraggeber zu. Rechtlich verbindlich sind die Regelungen der VOB jedoch nur, wenn sie von den Vertragsparteien in den konkreten Vertrag einbezogen werden. Ferner trägt der Generalunternehmer – vorbehaltlich einer vertraglichen Einigung der Parteien – auch nicht die Verantwortung für die Auswahl des Herstellers der Windkraftanlagen. Die Auswahl der für den Standort geeigneten Anlagen ist eine Planungsleistung, die in einem früheren Entwicklungsstadium auf die Windprognosen folgt und den Auftragsinhalt des Generalunternehmervertrages wesentlich prägt. Unabhängig von der vertraglich fixierten Risikozuweisung kann den Generalunternehmer jedoch eine Prüfungs- und Hinweispflicht treffen. In der Regel ist der Generalunternehmer aufgrund seiner spezifischen Branchenerfahrung besser als der Auftraggeber in der Lage, Risiken des Vorhabens oder besonderer Kundenwünsche besser und früher zu erkennen. Er kann daher im Einzelfall verpflichtet sein, den Auftraggeber auf diese Risiken frühzeitig hinzuweisen298. Diese Verpflichtung ändert jedoch nicht die vertragliche vereinbarte Risikoverteilung299. Hat sich z.B. ein Baugrundrisiko realisiert, kann der Auftraggeber keine Nacherfüllung wegen eines mangelhaften Werkes nach Werkvertragsrecht verlangen, sondern 296

Siebel, Röver, Knütel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, 2. Aufl. 2008, Rn. 1641.

297

Busch, Ralph, NZBau 2011, S. 5.

298

BGH NJW 1978, S. 1311, 1312 f.; Heuchemer, II. Das Baugrundrisiko in der internationalen Vertragspraxis, BB 1991 Beilage 20 S. 12 m. w. N. auf S. 14.; Michaelis de Vasconcellos, NZBau 2000, S. 361 ff.; Im Ergebnis, jedoch mit der Begründung durch Sachmangel aufgrund ungeeigneter Spezifikation der an sich technisch voll funktionsfähigen Anlage: BGH, NJW-RR 1996, S. 340.

299

Michaelis de Vasconcellos, NZBau 2000, S. 366 f.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

105

lediglich Schadenersatz, falls der Generalunternehmer ihn pflichtwidrig nicht auf das Risiko hingewiesen hat300. Ein weiteres wesentliches Risiko in der Errichtungsphase stellt der potentielle Ausfall des Generalunternehmers unmittelbar vor oder während der Auftragserfüllung dar. Dabei ist nicht nur der Ausfall als Folge einer wirtschaftlichen Unternehmenskrise relevant, sondern auch die Verschleppung oder Einstellung der Arbeit aus anderen Gründen. Da es sich hierbei nicht um ein Projektrisiko im eigentlichen Sinne handelt, kann es nicht einer Partei zugewiesen werden, sondern muss durch geeignete vertragsrechtliche Regelungen, u.a. Vergütung nach Baufortschritt, Pönalen, Stellung von Sicherheiten, begrenzt werden. Vereinbarung der VOB? Für die Bauwirtschaft ist aufgrund der für diese Branche spezifischen Anforderungen mit der Verdingungsordnung Bau, kurz VOB genannt, bereits 1926301 ein standardisiertes Regelwerk geschaffen worden, das die Parteien eines Generalunternehmervertrages durch vertragliche Übereinkunft zum Vertragsinhalt machen können. Bei der VOB handelt es sich rechtlich um Verwaltungsvorschriften, die nur mit intern geltender Rechtswirkung für die Vergabe und Vereinbarung von Bauvorhaben der öffentlichen Behörden gelten. Die VOB enthält die Teile A, B und C. Für die Gestaltung des Generalunternehmervertrages ist in der Praxis auch und gerade außerhalb der öffentlichen Auftragsvergabe in erster Linie die VOB Teil B relevant geworden, der die vertraglichen Inhalte enthält, die der Ausschreibung und Vereinbarung zugrunde liegen. Die Rechtsprechung hatte bei Vereinbarung der VOB/B von einer Überprüfung des Vertragsinhalts nach dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) abgesehen, soweit die VOB als Ganzes vereinbart sei. Die Parteien nahmen oft neben der VOB/B auch abweichende Bestimmungen auf, was zu einer umfangreichen Rechtsprechung in der Frage führte, ab welchem Grad der Abweichung von der VOB/B die Prüfung der Klauseln nach dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einzusetzen hat. Im Urteil des VII. Senats des BGH vom 22.01.2004 entschied das Gericht schließlich, dass die VOB unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten nur vollständig, also ohne irgendwelche inhaltliche Abweichungen vereinbart werden könne, ohne einer AGB-rechtlichen Prüfung zu unterliegen. Mit dieser Rechtsprechung erscheint es praktisch ausgeschlossen, Musterverträge einzusetzen, ohne eine AGB-rechtlichen Prüfung und damit die Unwirksamkeit einzelner Klauseln zu riskieren. Denn die Baupraxis dürfte ohne technik- und projektspezifische Anpassungen der VOB/B auf den Einzelfall kaum auskommen302. Wollen die Parteien das Risiko einer AGB-rechtlichen Prüfung ihres Vertrages vermeiden, dürfte im Ergebnis anstelle einer pauschalen Übernahme der VOB/B die detaillierte Verhandlung der einzelnen Vertragsklauseln der aussichtsreichere Weg sein, zumal die intensive Verhandlung die beste Gewähr für eine fruchtbare Auseinandersetzung mit dem konkreten Inhalt und den speziellen Problemen des jeweiligen Vorhabens bietet. Inwieweit ein Gericht die Verhandlung im 300

Michaelis de Vasconcellos, NZBau 2000, a. a. O. S. 366.

301

Möller, Jutta, VOB/B als Ganzes nur ohne jede vertragliche Abweichung – Konsequenzen für die baurechtliche Beratung, ZfBR 2005, S. 119.

302

Möller, Jutta, ZfBR 2005, S. 125.

106

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Nachhinein als ein „ernsthaftes zur Disposition stellen“303 der verhandelten Regelung anerkennt und somit nicht der Prüfung nach AGB-Recht unterwirft, bleibt eine Frage des Einzelfalls. Das Risiko einer AGB-rechtlichen Überprüfung kann also nicht immer sicher ausgeschlossen werden304. Im Folgenden kann aus Platzgründen nur auf einzelne Regelungen der VOB/B und ohne Anspruch auf Vollständigkeit eingegangen werden. Leistungsbeschreibung Die Übernahme des Fertigstellungsrisikos durch den Generalunternehmer im Generalunternehmervertrag findet ihren zentralen vertraglichen Platz in der Leistungsbeschreibung. Diese definiert sowohl den Leistungsumfang des Auftrages und damit die von der vereinbarten Vergütung abgegoltenen Leistungen, als auch den Maßstab für eine eventuelle Mängelgewährleistung und die Abnahmepflicht. Grundsätzlich kann die Leistungsbeschreibung nach zwei gegenläufigen Ansätzen konzipiert werden. Man kann sie umfassend formulieren, so dass alle für die geschuldete Leistung funktionell erforderlichen Leistungselemente als Auftragsinhalt anzusehen sind, auch wenn sie nicht ausdrücklich genannt sind. Negative Konsequenz ist jedoch, dass mangels konkreter Risikozuweisung bereits im Vertrag potentielle Konflikte über Leistungs-, Haftungs- und Vergütungsumfang angelegt werden. Der andere Ansatzpunkt, die ausdrückliche und detaillierte Beschreibung aller erforderlichen Details, minimiert dieses Problem. Dies erlaubt eine Interpretation, wonach alle nicht genannten Punkte vom Leistungsumfang auszuschließen sind. Leistungen, die nicht unter den Katalog subsumiert werden können, wären dann extra zu vergüten und ihre Nichtberücksichtigung wäre nicht als Mangel angreifbar305. In der Praxis kommen oft beide Ansätze zum Tragen. Aus der Sicht der Projektgesellschaft als Auftraggeber und der hinter ihr stehenden Bank besteht das wesentliche Interesse darin, dem Generalunternehmer alle wesentlichen Leistungen so vorzugeben, dass der geplante Windpark in der vorgesehenen Zeit funktionstüchtig errichtet und in Betrieb genommen werden kann. Daher empfiehlt es sich, den Leistungskatalog in den funktionsrelevanten Bereichen wie Standorte, Fundamentierung, Anlagenspezifikation und Errichtung, interne und externe Netzanbindung sowie Inbetriebnahme detailliert im Auftrag vorzugeben und im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit dem Generalunternehmer im Einzelnen zu verhandeln. Die detaillierte Verhandlung des Leistungskatalogs bietet die Gelegenheit, die bisherige Planungs- und Entwicklungsleistung auf technische Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu überprüfen und gegebenenfalls Optimierungsvorschläge und Hinweise des Generalunternehmers auf Risiken einzuarbeiten306. Auch wenn die Geltung der VOB nicht vereinbart wird, können zur Orientierung die oben erwähnten Vorschriften des § 7 VOB/A und der DIN

303

BGH NJW 2002, S. 2388, 2389; BGH NJW 2005, S. 2543, 2544.

304

MünchKomm/Basedow § 305 Rn. 36; Heddäus, Jürgen, Probleme und Lösungen um den Pauschalvertrag – Mischformen von Pauschalverträgen – Komplettheitsklauseln, ZfBR 2005, S. 117 f.

305

Michaelis de Vasconcellos, NZBau 2000, S. 364.

306

Quack, Friedrich, Baugrundrisiken in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, BB 1991, Beilage 20 S. 11; Heuchemer, BB 1991 Beilage 20, S. 15.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

107

18299 sowie die im Anlagenbau entwickelten Standards dienen. In der Praxis geschieht dies jedoch nur selten307. Da die Windenergieanlagen den wesentlichen Teil der Investitionen eines Windparks ausmachen und das Herzstück seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit darstellen, enthält die Leistungsbeschreibung oft auch die technischen Spezifikationen der Anlagen. Der Anlagenhersteller steht bei Vorliegen eines Generalunternehmervertrages zum Generalunternehmer im Verhältnis eines Sub- oder Nachunternehmers. Daher haftet er nur diesem unmittelbar aus dem Liefervertrag. Eine unmittelbare Haftung des Anlagenherstellers gegenüber der Projektgesellschaft für den Leistungsinhalt des Anlagenliefervertrages setzt voraus, dass entweder der Anlagenliefervertrag auch durch die Projektgesellschaft mit abgeschlossen wird oder der Generalunternehmer seine Ansprüche aus dem Anlagenliefervertrag an die Projektgesellschaft abtritt. Dies gilt insbesondere für etwaige Leistungsgarantien des Anlagenliefervertrages, wie z.B. die Leistungskurve. Ferner ist die verbindliche Verpflichtung zur Einhaltung der zeitlichen Vorgaben des Auftraggebers wesentlich. In Generalunternehmerverträgen findet aufgrund seiner Relevanz für den Vergütungstarif nach EEG insbesondere der Zeitpunkt der Inbetriebnahme aller Windkraftanlagen besondere Berücksichtigung. Zeitliche Vorgaben werden oft auch für den rechtzeitigen Abruf der Windenergieanlagen beim Hersteller gesetzt, wenn ein Hersteller die Verbindlichkeit seiner Preiszusage von der Einhaltung einer Abnahmefrist abhängig macht. Die detaillierte Aufstellung des Leistungsumfanges birgt – wie oben dargestellt – ein gewisses Risiko, dass nicht erwähnte Inhalte nicht zum vertraglichen Leistungsumfang gerechnet werden. In der Vertragspraxis wird diesem Problem und eventuellen Unklarheiten oft durch eine Regelung begegnet, die solche, für die definierten Auftragselemente funktionell erforderlichen, aber nicht erwähnten Schritte einer Vertragspartei – in der Regel dem Generalunternehmer – zuweist. Die VOB/B sieht in § 1 Abs. 4 eine entsprechende Auffangregelung vor. Wird die VOB nicht insgesamt vereinbart, besteht jedoch das Risiko, dass sich formularmäßig vereinbarte Auffangklauseln – oft auch Komplettheits- oder Vollständigkeitsklauseln genannt – aufgrund des AGB-Rechts als unwirksam erweisen können308. Die Rechtsprechung ist jedoch uneinheitlich309. Um Risiken zu vermeiden, empfiehlt sich eine eingehende und gut dokumentierte Verhandlung der Parteien über die Gestaltung der Auffangklausel310. Pflichten und Obliegenheiten des Auftraggebers Das Komplementärstück zum Leistungskatalog des Generalunternehmers bilden die Verpflichtungen und Obliegenheiten der Projektgesellschaft. Auch wenn der Auftraggeber bemüht sein wird, das Fertigstellungsrisiko weitestgehend auf den Generalunternehmer zu 307

Busch, Ralph, NZBau 2011, S. 6, die dort geschilderte Problematik gilt ebenso für Generalunternehmer- und Anlagenlieferungsverträgen bei Onshore-Projekten.

308

Heddäus, Jürgen, ZfBR 2005, S. 117 f.; Roquette, Vollständigkeitsklauseln: Abwälzung eines Risikos unvollständiger oder unrichtiger Leistungsbeschreibungen auf den Auftragnehmer, NZBau 2001, S. 61 f.

309

Heddäus, ZfBR 2005, S. 117 f.

310

Heddäus, ZfBR 2005, S. 116.; Roquette, NZBau 2001, S. 62 f.

108

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

verlagern, hat er diesem bestimmte Vor- und Mitwirkungsleistungen als Grundlage der Auftragserfüllung zu erbringen. Hierzu gehören in der Praxis vor allem die Planungsunterlagen, die rechtliche Bereitstellung der Bauflächen durch Miet- bzw. Pachtverträge für die Anlagenstandorte, parkinternen Kabelstrecken und Wegerechte, deren tatsächliche Zugänglichkeit sowie die Einholung einer mit dem Errichtungsauftrag kongruenten Errichtungsgenehmigung. Dazu können aber bei vermuteten oder erkannten besonderen Risiken auch weitere Maßnahmen treten, wie z.B. die Erstellung von Baugrundgutachten in Bergbauregionen oder die Räumung von Munitionsresten auf ehemaligen Truppenübungsplätzen. Diese der Errichtung vorangehenden Entwicklungsleistungen werden der Projektgesellschaft in der Regel auf der Grundlage von sogenannten „Planungs- und Entwicklungsverträgen“ oder „Projektübernahmeverträgen“ durch den Projektentwickler erbracht. Im Rahmen eines Generalunternehmervertrages stellen die Vor- und Mitwirkungspflichten des Auftraggebers zwar keine eigentlichen vertraglichen Leistungspflichten des Auftraggebers dar. Doch kann der Generalunternehmer nach § 642 Abs. 1 BGB vom Auftraggeber Schadenersatz verlangen, wenn dieser durch die unterlassene Mitwirkungshandlung in Abnahmeverzug nach den §§ 293 ff. BGB gerät311. Ein Verschulden des Auftraggebers ist für diese Rechtsfolgen nicht erforderlich. Der Schadenersatz ist anhand der Dauer des Verzuges und der Höhe der Vergütung zu bemessen. Erspart der Generalunternehmer durch die Verzögerungen aber eigene Aufwendungen oder kann er seine Ressourcen anderweitig einsetzen, vermindert sich dadurch sein Schadenersatzanspruch. Der Generalunternehmer kann zudem nach § 643 BGB dem Auftraggeber eine Frist zur Vornahme der Mitwirkungshandlung setzen und für den erfolglosen Ablauf der Frist die Kündigung androhen. Etwaige, gemäß § 642 BGB entstandene Schadenersatzansprüche des Generalunternehmers können daneben geltend gemacht werden312. Da die Rechtsfolgen der §§ 642 und 643 BGB für das Projekt erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen haben können, liegt es im Interesse der Projektgesellschaft, diese Vorschriften zumindest teilweise im Vertrag abzubedingen. Dies wird allgemein als zulässig angesehen313. Soweit die Parteien im Generalunternehmervertrag aber verbindliche Vorleistungs- und Mitwirkungspflichten des Auftraggebers vereinbaren, kann der Verzug oder Nichterfüllung dieser Verpflichtungen über die gesetzlichen Rechte hinaus zu einem vertraglichen Schadenersatzanspruch und, wenn dem Generalunternehmer wegen eines solchen Verstoßes ein weiteres Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann, zu einem Recht auf außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund führen314. Um diese Risiken im Rahmen des Vorhersehbaren zu begrenzen, liegt die explizite Definition der Mitwirkungspflichten des Auftraggebers im Generalunternehmervertrag und ihre präzise Abgrenzung zur Leistungsbeschreibung des Generalunternehmers nicht zuletzt im wohlverstandenen Interesse der Pro311

Palandt/Sprau BGB (2011) § 642 Rn. 2.

312

Staudinger/Peters, Jacoby (2008) BGB, § 643, Rn. 25; Palandt/Sprau BGB (2011) § 643 Rn. 2.

313

MünchKommBGB/Busche § 643 Rn. 9; Palandt/Sprau BGB (2011) § 643 Rn. 1.

314

MünchKommBGB/Busche § 643 Rn. 9.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

109

jektgesellschaft315. Vereinbaren die Parteien die VOB/B als Vertragsinhalt, gelten bereits auf dieser Grundlage Vorleistungs- bzw. Bereitstellungs- und Mitwirkungspflichten z.B. gemäß §§ 3 und 4 Abs. 1 VOB/B. Vergütung und Zahlungsmodalitäten Die Vergütung ist zwischen den Parteien zu vereinbaren. Soweit eine Vereinbarung fehlt, weil z.B. eine erforderliche Leistungskomponente nicht vertraglich vereinbart wurde, bestimmt § 632 Abs. 2 BGB, dass im Zweifel die übliche Vergütung zu zahlen ist. Um das Baukostenrisiko einzuschränken, ist die Projektgesellschaft an einer strikten vertraglichen Begrenzung der Vergütung interessiert. Zu diesem Zweck wird üblicherweise ein Pauschalpreis, manchmal etwas ungenau als „Festpreis“ bezeichnet, vereinbart. Ein Pauschalpreis liegt vor, wenn ein bestimmter Leistungsumfang für einen bestimmten von vornherein festgeschriebenen Preis vereinbart ist316. Der Pauschalpreis kann aufgrund dieses Zusammenhangs nur erfolgreich verhandelt werden, wenn der Leistungsumfang exakt definiert ist, und die Parteien davon ausgehen, dass damit keine unbekannten oder schwer kalkulierbaren Risiken für den Generalunternehmer verbunden sind. Die kostenbremsende Wirkung der Pauschalpreisabrede hängt folglich in großem Maße von der Vollständigkeit und exakten Definition des Leistungsumfanges ab. Trotzdem können im Laufe der Errichtungsarbeiten nicht vorhersehbare zusätzliche Leistungen erforderlich werden. Diese sind gemäß § 632 Abs. 2 BGB zusätzlich zu vergüten, wenn sie nicht in den vertraglichen Leistungsumfang fallen. Steigen die Kosten des Generalunternehmers im Bereich seiner Leistungspflichten, hat er bei einer Pauschalpreisvereinbarung grundsätzlich diese Kostensteigerungen hinzunehmen. Er kann jedoch nach § 313 BGB bei einer unzumutbaren Entwicklung seiner Kosten die Anpassung des Vertrages verlangen und notfalls, wenn die Anpassung scheitert, den Vertrag kündigen. Wesentliche Komponenten der Preisfindung sind die Vergütungen der für die Erfüllung des Leistungsumfanges zu kontrahierenden Subunternehmer sowie ein bestimmter Generalunternehmerzuschlag. Die Projektgesellschaft hat als Auftraggeber in der Regel keinen Einblick in die Vergütungen der Subunternehmer, da sie beim Generalunternehmervertrag im Gegensatz zum multicontracting keine eigene Vertragsbeziehung zu diesen unterhält. Dieses Informationsdefizit wirkt sich insbesondere beim Anlagenliefervertrag aus, da dieser mit etwa 75 % einen Großteil des gesamten Auftragsvolumens ausmacht317. Der Informationsvorteil des Generalunternehmers ist besonders hoch, wenn er individuelle Konditionen mit dem Anlagenhersteller verhandeln und damit seine eigene Marge gestalten kann. Um die Vertraulichkeit der Windenergieanlagenpreise zu gewährleisten, erhält die Projektgesellschaft in der Praxis oft nur eine Version des Anlagenliefervertrages mit geschwärzten Preisangaben. Die Fälligkeit der Vergütung tritt nach § 641 Abs. 1 BGB erst mit der Abnahme der Werkleistung durch den Auftraggeber ein. Diese Regelung kommt dem Interesse der Projektge315

Quack, BB 1991, Beilage 20, S. 11; Busch, NZBau 2011, S. 5.

316

Michaelis de Vasconcellos, NZBau 2000, S. 364.

317

Böttcher, Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Vorhaben, 2009, S. 257.

110

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

sellschaft und der finanzierenden Bank entgegen, ein eigenes finanzielles Risiko möglichst erst zu einem Zeitpunkt einzugehen, zu dem das Fertigstellungsrisiko vollständig oder weitgehend ausgeschlossen ist. Der Generalunternehmer hat jedoch Anspruch auf Abschlagszahlungen gemäß § 632a S. 1 BGB für einzelne, in sich abgeschlossene Teile des Auftrages. Zudem können nach § 632a S. 2 BGB Abschlagszahlungen auch für eigens angefertigte oder angelieferte Bauteile verlangt werden. Dies wird insbesondere bei der Anlieferung der Windkraftanlagen relevant, die den wesentlichsten Anteil an den Kosten ausmacht. Die Errichtung und Inbetriebnahme der Windenergieanlagen prägt den gesamten Ablauf der Errichtungsphase und erfolgt in aller Regel unter der technischen und organisatorischen Regie des Anlagenherstellers – wenn auch als Subunternehmer des Generalunternehmers. Die für die Abschlagszahlungen maßgeblichen Bauabschnitte hängen daher weitgehend von den Arbeitsschritten des Anlagenherstellers und den im Anlagenliefervertrag vereinbarten Teilzahlungen ab. Zur Steuerung der Zahlungsverbindlichkeiten der Projektgesellschaft kommt es für sie daher maßgeblich darauf an, die für sie günstige Teilzahlungsfolge nicht nur im Generalunternehmervertrag, sondern im Anlagenliefervertrag selbst durchzusetzen. Üblicherweise werden die Abschlagszahlungen, oder auch „Meilensteine“318 so vereinbart, dass sie erst mit Erledigung des jeweiligen Arbeitsabschnittes fällig werden, der Generalunternehmer also jeweils in Vorleistung zu treten hat. Zudem hat die Projektgesellschaft, und bei Fremdfinanzierung der Errichtungsphase die finanzierende Bank, ein erhebliches Interesse daran, dass die Zahlungen unmittelbar an den Anlagenhersteller erfolgen, um das Insolvenzrisiko des Generalunternehmers zu vermeiden und um die Ablösung der Eigentumsvorbehalte an den gelieferten Windenergieanlagen sicher zu stellen319. Dem Interesse der Projektgesellschaft und der Bank an einer direkten Beziehung zum Anlagenhersteller steht das Interesse des Generalunternehmers entgegen, wenn dieser mit dem Anlagenhersteller individuelle Konditionen getroffen hat, die beide Parteien vertraulich behandeln, weil der Anlagenhersteller seine Listenpreise im Markt aufrechterhalten und der Generalunternehmer seine Margenkalkulation nicht offen legen möchte. Eine vertragliche Lösung dieser Interessenwidersprüche kommt ohne die intensive gegenseitige Verständigung der Parteien über ihre Interessen und ohne den Willen zur gemeinsamen Lösung nicht aus. Einen einheitlichen Lösungsweg gibt es nicht. Das konkrete Ergebnis hängt vom gegenseitigen Vertrauen der Beteiligten und ihrem jeweiligen Verhandlungsgewicht ab. In der Praxis kommt es vor, dass der Generalunternehmer die Preise seiner Subunternehmer offenlegt (open book policy)320. Besteht diese Bereitschaft nicht, wird manchmal auch vereinbart, dass die Abschlagszahlungen der Projektgesellschaft bzw. der Bank an einen Treuhänder erfolgen, der den Betrag in die Anlagenkomponente und die Generalunternehmerkomponente aufteilt und an die entsprechenden Parteien weiterleitet. Ausfall- und Insolvenzrisiken von Beteiligten können zusätzlich durch Bankbürgschaften abgesichert werden. 318

Siebel Röver Knüttel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, Rn. 520.

319

Siebel Röver Knüttel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, Rn. 3032: der Anlagenhersteller wird als qualifizierter Subunternehmer bezeichnet, wenn dieser direkt bezahlt wird.

320

Reuter, Wecker, Projektfinanzierung 1999, S. 96.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

111

Abnahme Die Abnahme der Generalunternehmerleistung stellt eine wesentliche Zäsur in der Fertigstellung eines Windparks dar und gestaltet die Rechte der Vertragsparteien, insbesondere durch die damit eintretende Fälligkeit der Vergütung und den Beginn der Mängelgewährleistungsfristen, in einschneidender Weise. Das Gesetz definiert in § 640 BGB nicht, was unter einer Abnahme zu verstehen ist. Sie umfasst jedoch regelmäßig zwei Aspekte: die körperliche Hinnahme des errichteten Werkes durch den Auftraggeber und dessen Anerkennung des Werkes als zumindest im Wesentlichen vertragsgerechte Leistung321. Soweit das vereinbarte Werk seiner Beschaffenheit nach nicht abgenommen werden kann, tritt gemäß § 646 BGB an ihre Stelle die Vollendung. Diese betrifft jedoch in erster Linie nicht körperliche Werke, wie z.B. Transportleistungen. Technische Anlagen und Bauwerke wie Windparks sind dagegen einer Abnahme nach § 640 BGB fähig. Die Abnahme stellt eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Sie kann ausdrücklich oder auch konkludent erfolgen. Zusätzlich sieht § 640 Abs. 1 S. 3 BGB die Fiktion einer Abnahme für den Fall vor, dass der Auftraggeber nicht innerhalb einer durch den Auftragnehmer gesetzten angemessenen Frist die Abnahme erklärt, obwohl er dazu verpflichtet ist. Der Auftragnehmer kann ferner die Abnahme nach § 641a Abs. 1 BGB durch Einholung einer Fertigstellungsbescheinigung ersetzen, die durch einen unabhängigen Sachverständigen nach Besichtigung des Werkes erstellt wird. Verweigert der Auftraggeber die Besichtigung, wird die Abnahmefähigkeit des Werkes nach § 641a Abs. 3 BGB gesetzlich fingiert. Eine Fiktion der Abnahme sieht auch § 12 Nr. 5 I VOB/B vor, wenn mangels Abnahmeverlangen eine schriftliche Fertigstellungsmitteilung an den Auftraggeber ergeht, und dieser nicht innerhalb von zwölf Tagen abnimmt. Nach § 12 Nr. 5 I VOB/B wird die Abnahme durch Ingebrauchnahme ersetzt. Wann eine Ingebrauchnahme vorliegt, kann im Einzelfall nicht sicher beurteilt werden, so dass diese Vorschrift ein erhebliches Konfliktpotential birgt. Die Bestimmungen der VOB/B gelten jedoch, wie bereits erwähnt, nur, wenn sie durch die Parteien vereinbart wurden. Um den für die Projektgesellschaft erheblichen Wirkungen der Abnahme zu entgehen, die bei konkludent erklärter oder fiktiv eingetretener Abnahme eintreten, wird in Generalunternehmerverträgen oft vereinbart, dass die Abnahme ausdrücklich zu erfolgen hat und als sogenannte förmliche Abnahme dokumentiert wird. Da das Gesetz die förmliche Abnahme nicht vorsieht, müssen die Parteien Voraussetzungen und Verfahren der Abnahme selbst vertraglich vereinbaren. Diese Vereinbarungen sehen in der Regel vor, dass die Abnahme schriftlich zu erfolgen hat und ein Abnahmetermin vorausgeht, bei dem das Werk überprüft und hierüber sowie über die geltend gemachten Mängel ein Protokoll angefertigt wird322. Für Windparks und andere technische Anlagen verlangen die finanzierenden Banken ferner häufig die Hinzuziehung eines unabhängigen technischen Experten zum Abnahmetermin, um eine zweifelsfreie Prüfung sicher zu stellen323. Da es sich bei Windparks um technische An321

BGH NJW 1996, S. 1749; Hartung, Die Abnahme im Baurecht, NJW 2007, S. 1099.

322

Hartung, Sven, NJW 2007, S. 1101.

323

Reuter, Wecker, Projektfinanzierung 1999, S. 97.

112

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

lagen handelt, bei denen nicht die Errichtung alleine, sondern ihre Funktionsfähigkeit und die Erreichung der vertraglichen Leistungswerte im Vordergrund stehen, kommt der Bestimmung des Abnahmezeitpunkts eine besondere Bedeutung zu. Häufig wird die Abnahme für die erfolgte Inbetriebnahme der Windenergieanlagen des Projektes, d.h. mit Produktion der ersten kWh elektrischer Energie vereinbart. Der für die Projektgesellschaft und die Bank aufgrund der dann bereits überprüften Leistungswerte günstigere Abnahmetermin erst nach Abschluss einer Probebetriebsphase ist nicht immer durchsetzbar. Inhaltlich kann die Abnahme verlangt werden, wenn das Werk vertragsgemäß, d.h. mangelfrei hergestellt ist. Nach § 640 Abs. 1 S. 2 BGB kann die Abnahme jedoch nicht wegen unwesentlicher Mängel verweigert werden. Als unwesentliche Mängel sind solche negativen Abweichungen der erbrachten Leistung von dem vereinbarten Leistungsumfang anzusehen, die die Funktionsfähigkeit des Werkes nicht beeinträchtigen324. Als unwesentlich können in aller Regel die durch Errichtungsgenehmigung vorgeschriebenen und bei Inbetriebnahme des Windparks meist noch nicht abgeschlossenen Ausgleichsmaßnahmen angesehen werden. Die Begrünung kann erst nach einer Wachstumsperiode als erfolgreich gelten, also oft mehrere Monate nach Inbetriebnahme eines Windparks. Fehlt die Begrünung noch bei der Abnahme, hat dies auf die Funktionsfähigkeit des Windparks keine negativen Auswirkungen. Mit der Abnahme treten einige wesentliche Rechtsfolgen im Vertragsverhältnis ein, die in erster Linie die Rechte des Auftraggebers einschränken. Grundsätzlich ist der Auftragnehmer schon während der Herstellung des Werkes verpflichtet Mängel zu beseitigen. Dies ergibt sich bereits aus seiner vertraglichen Pflicht, ein mangelfreies Werk zu liefern325. Der Auftraggeber dagegen kann vor der Abnahme nur einen Teil der ihm nach § 635 BGB ab Abnahme zustehenden Rechte geltend machen. Der Erfüllungsanspruch des Auftraggebers besteht zwar grundsätzlich fort, doch wird er durch § 635 BGB auf die Nacherfüllung beschränkt. Gleichzeitig erlangt der Auftraggeber das Recht auf Ersatzvornahme oder Anspruch auf Schadenersatz. Lediglich sein Rücktrittsrecht kann er unter bestimmten Voraussetzungen auch vor einer Abnahme ausüben. Mit der Abnahme beginnt nach § 634a Abs. 2 BGB auch die Verjährung dieser Mängelgewährleistungsansprüche. Ferner wird mit der Abnahme auch die Vergütung fällig. Die Vorleistungspflicht des Generalunternehmers endet, und der Auftraggeber hat für das abgenommene Werk seine Gegenleistung zu erbringen. Ein weiteres Zurückhalten der Zahlung lohnt sich für ihn nicht, da der Vergütungsanspruch ab der Abnahme auch zu verzinsen ist. Da in der Regel ein beiderseitiges Handelsgeschäft vorliegt, beträgt die Verzinsung gemäß § 352 HGB 5 % p.a., soweit nicht Verzug eintritt.

324

BGH NJW 1981, S. 1448, 1449; BGH NJW 1996, S. 1280, 1281; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, S. 1178; Hartung, NJW 2007, S. 1102.

325

BGHZ 51, 275, 277; BGH NJW 1971, S. 838 f.; Staudinger/Peters, Jacoby (2008) BGB, § 633, Rn. 89; § 634 Rn. 11.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

113

Die Abnahme hat auch zur Folge, dass die rechtlichen Risiken der Parteien sich ändern. Bis zur Abnahme trägt der Generalunternehmer nach § 644 Abs. 1 BGB die Vergütungsgefahr. Die Vergütungsgefahr besteht darin, dass der Generalunternehmer im Falle eines zufälligen Untergangs oder Verschlechterung des im Bau befindlichen Werkes keinen Anspruch auf die Vergütung hat326. Etwas anderes gilt nur, wenn der Auftraggeber mit der Annahme des Werkes in Verzug gerät oder wenn der Untergang oder die Verschlechterung eine durch den Auftraggeber beschaffte Komponente betrifft, z.B. durch nicht tragfähigen Baugrund, dessen Untersuchung dem Auftraggeber oblag. Mit der Abnahme endet zudem die Leistungsgefahr des Generalunternehmers. Dabei handelt es sich parallel zur Vergütungsgefahr darum, dass im Falle eines zufälligen Untergangs oder Verschlechterung des Werkes vor Abnahme der Generalunternehmer durch den Generalunternehmervertrag weiterhin zur Erstellung des Werkes verpflichtet bleibt327. Die Abnahme führt schließlich zu einer im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung oft entscheidenden Beweislastumkehr. Vor der Abnahme trägt grundsätzlich der Generalunternehmer die Beweislast für die Mangelfreiheit seiner Leistungserbringung328. Verweigert der Auftraggeber zu Recht die Abnahme oder macht er einen Vorbehalt wegen Mängeln gemäß § 640 Abs. 2 BGB geltend, bleibt der Generalunternehmer ebenfalls beweisbelastet. Dies führt dazu, dass der Generalunternehmer für den Mangel einzustehen hat, wenn sich die Mangelfreiheit nicht hinreichend beweisen lässt. Der Auftraggeber muss dagegen vor der Abnahme bzw. bei berechtigter Abnahmeverweigerung oder Vorbehalten nicht das Bestehen eines Mangels beweisen. Mit erfolgter Abnahme ist es der Auftraggeber – soweit er sich keine Rechte vorbehalten hat – der etwaige Mängel zu beweisen hat. Kann er dies nicht, darf er keine Beseitigung auf Kosten des Generalunternehmers verlangen. Wie eingangs betont wurde, ist nicht auszuschließen, dass die Rechtsprechung auch einen Generalunternehmervertrag zur Errichtung von Windenergieanlagen über § 651 BGB dem Kaufvertragsrecht unterwirft. Damit könnte bereits vor Abnahme die Preisgefahr auf den Auftraggeber übergehen, nämlich nach § 446 BGB mit der Übergabe der gelieferten Komponenten an den Auftraggeber. Damit verbunden knüpft das Kaufrecht in § 438 Abs. 2 BGB auch den Verjährungsbeginn der Mängelgewährleistungsrechte an die körperliche Übergabe. Ob die Übergabe einer Windenergieanlage mit Anlieferung der Komponenten oder erst nach erfolgter Inbetriebnahme und Probebetrieb angenommen werden kann, ist durch die Rechtsprechung bisher nicht geklärt worden und daher in der Praxis nur schwer einzugrenzen. Daher erscheint es sinnvoll, im Generalunternehmervertrag nicht nur die Abnahme vorzusehen, sondern ausdrücklich auch den Zeitpunkt des Gefahrübergangs zu regeln. Die gesetzlichen Bestimmungen zum Gefahrübergang sind grundsätzlich vertraglich abdingbar329. Eine weitere wesentliche Konsequenz aus der Anwendung von Kaufvertragsrecht auf den Generalunternehmervertrag kann sich daraus ergeben, dass über § 381 Abs. 2 HGB auch die 326

Hartung, NJW 2007, S. 1103.

327

Hartung, NJW 2007, a.a.O. S. 1103.

328

BGH, NJW 1996, S. 2924, 2927; Staudinger/Peters, Jacoby (2008) BGB, § 640, Rn. 1.

329

BGH NJW 1982, S. 1278.

114

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Vorschriften des § 377 HGB Anwendung finden, da die Errichtung eines Windparks in aller Regel für die Parteien ein Handelsgeschäft ist. Nach § 377 HGB hat der Käufer einer Sache unverzüglich nach deren Ablieferung die Ware auf etwaige Mängel zu untersuchen und einen entdeckten Mangel zu rügen. Unterbleibt die unverzügliche Untersuchung und Rüge, gilt die Ware als genehmigt. Der Erwerber kann dann Mängel nur noch eingeschränkt geltend machen, nämlich gemäß § 377 Abs. 2 und 5 HGB, wenn der Mangel entweder nicht erkennbar war oder er arglistig verschwiegen wurde. Insbesondere die Unverzüglichkeit der Untersuchung eines Mangels kann aufgrund ihrer Abhängigkeit vom Einzelfall Schwierigkeiten bereiten. Das OLG Frankfurt a. M. hat darauf hingewiesen, dass ein vertraglicher Verzicht auf die Überprüfungs- und Rügepflicht zulässig ist330. Daher sollte auch der Verzicht im Generalunternehmervertrag vereinbart werden. Gewährleistung für Mängel Der Auftragnehmer hat das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln herzustellen. Nach dem in § 633 Abs. 2 S. 1 BGB ausgedrückten Grundsatz der Privatautonomie ist der Maßstab für die Beurteilung der Funktionsfähigkeit in erster Linie der im Generalunternehmervertrag vereinbarte Leistungsinhalt- und Umfang. Nur soweit eine vertragliche Regelung fehlt, regelt § 633 Abs. 2 Nr. 1. und 2. BGB, dass sich das Werk für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, oder soweit der Vertrag auch insofern keine Aussage macht, für die gewöhnliche Verwendung eignet. Ein Sachmangel liegt nach § 633 Abs. 2 S. 3 BGB ferner vor, wenn das Werk ein anderes als das bestellte ist, also ein sogenanntes aliud darstellt oder wenn es in zu geringer Menge hergestellt wird. Rechtsmangelfreiheit liegt nach § 633 Abs. 3 BGB vor, wenn Dritte gegen den Auftraggeber in Bezug auf das Werk keine Rechte geltend machen können oder soweit ihre Rechte durch den Generalunternehmervertrag wirksam begrenzt sind. Rechte eines Dritten sind z.B. Eigentumsvorbehalte der Hersteller an den von ihnen gelieferten Windenergieanlagen. Die gesetzlichen Rechte des Auftragnehmers sind Anspruch auf Nacherfüllung, Ersatzvornahme mit Aufwendungsersatz, wahlweise Rücktritt vom Vertrag oder Minderung der Vergütung und Schadenersatz. Der Auftraggeber kann Erfüllung verlangen, solange er das Werk noch nicht abgenommen hat. Nach erfolgter Abnahme steht ihm nur noch der durch die §§ 634 ff. BGB begrenzte Nacherfüllungsanspruch zu. Verlangt der Auftraggeber Nacherfüllung, so kann der Auftragnehmer nach seiner Wahl entscheiden, ob er den Mangel beseitigt oder ein völlig neues Werk herstellt. Bei einem Windpark dürfte regelmäßig nur die Beseitigung des Mangels in Betracht kommen. Der Auftragnehmer kann die Mangelbeseitigung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten durchgeführt werden könnte. Der Auftraggeber ist seinerseits befugt auf diese Verweigerung sofort mit Rücktritt und Forderung von Schadenersatz reagieren, ohne zuvor die nach § 323 Abs. 1 BGB grundsätzlich erforderliche Frist zur Nacherfüllung setzen zu müssen. Die Kosten der Nacherfüllung hat nach § 635 Abs. 2 BGB grundsätzlich der Auftragnehmer zu tragen. Dies gilt jedoch nur insoweit, als die Kosten nicht auch bei mangelfreier Herstellung angefallen wären. 330

OLG Frankfurt a. M., Beschluss v. 1.6.2001 (AZ: 15 U 291/98), NZBau 2002, S. 615.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

115

Fordert der Auftraggeber erfolglos Nacherfüllung, kann er nach Setzung und erfolglosem Ablauf einer diesbezüglichen Frist den Mangel auch selbst beseitigen. Den dadurch verursachten, erforderlichen Aufwand kann er vom Auftragnehmer nachträglich erstattet verlangen oder nach § 637 Abs. 3 BGB auch einen Vorschuss dafür fordern. Die Selbstvornahme setzt nicht voraus, dass der Auftraggeber die erforderlichen Maßnahmen selbst vornimmt. Eine Projektgesellschaft als Träger eines Windparks wird in aller Regel auf die Durchführung durch Fachunternehmen angewiesen sein. Das ursprünglich durch nur einen Generalunternehmer errichtete Werk wird bei der Selbstvornahme teilweise von einem anderen Unternehmer bearbeitet. Es kann daher zu Schnittstellenproblemen kommen, die durch die Wahl des Generalunternehmervertrages eigentlich hatten ausgeschlossen werden sollen, und es besteht das Risiko, dass der Auftraggeber bei späteren Mängeln in dem von der Selbstvornahme berührten Bereich gegen den Generalunternehmer möglicherweise nur eingeschränkt Gewährleistungsmängel geltend machen kann. Der Rücktritt folgt den allgemeinen Regeln des § 323 BGB. Anders als bei den übrigen Mangelgewährleistungsrechten ist der Rücktritt nicht zulässig, wenn es sich nur um unwesentliche Mängel handelt, § 323 Abs. 5 S. 2 BGB. Diese Einschränkung ist gerechtfertigt, da sich im Rücktritt durch einseitige Erklärung des Auftraggebers das volle Preisrisiko des Auftragnehmers realisiert und damit auch seine wirtschaftliche Existenz gefährdet sein kann. Der Rücktritt kann grundsätzlich auch teilweise erfolgen, wie sich im Umkehrschluss aus § 323 Abs. 5 S. 1 BGB ergibt. Diese Vorschrift lässt den Rücktritt vom gesamten Vertrag nur zu, wenn der Auftraggeber an der bereits erfolgten Teilleistung kein Interesse mehr hat. Besteht an der erstellten Teilleistung noch Interesse, so kann der Rücktritt in zulässiger Weise auf die übrigen Teile der Leistung beschränkt werden. Die akzeptierte Teilleistung ist dann vertragsgemäß zu vergüten. Ausgeschlossen ist der Rücktritt nach § 323 Abs. 6 BGB, wenn der Auftraggeber für den zum Rücktritt berechtigenden Grund selbst überwiegend verantwortlich ist oder der Schuldner den Grund nicht zu vertreten hatte und dieser Grund zur Zeit des Annahmeverzuges des Auftraggebers eintritt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das errichtete Werk durch einen Zufall in einem Zeitpunkt beschädigt wird, in dem der Auftraggeber es pflichtwidrig noch nicht abgenommen hat. Hat der Auftraggeber den Rücktritt in zulässiger Weise erklärt, sind die Parteien verpflichtet sich die gegenseitig erbrachten Leistungen Zug um Zug zurück zu gewähren. Der Generalunternehmer hat also die erhaltene Vergütung zurück zu zahlen und der Auftraggeber die erbrachten Leistungen zurück zu geben. Die Rückgabe der erbrachten Werkleistungen kann aus technischen oder rechtlichen Gründen ausgeschlossen sein, z.B. wenn ein Betonfundament einer Windkraftanlage zu schwer ist, um unzerstört geborgen werden zu können. Dann ist nach § 346 BGB der Wert der Leistung zu bestimmen und von der zu erstattenden Generalunternehmervergütung abzuziehen. Anstelle des teilweisen oder vollständigen Rücktritts kann der Auftraggeber den Werklohn durch einseitige Erklärung mindern. Die Minderung ist – anders als der Rücktritt nach § 638 Abs. 1 S. 2 BGB ausdrücklich auch bei geringfügigen Mängeln zulässig. Die Vergütung ist

116

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

dabei um den Betrag zu mindern, der dem Verhältnis zwischen dem Wert der mangelfreien und der mangelhaften Leistung entspricht. Der Auftraggeber hat ferner Anspruch auf Schadenersatz. Diesen kann er sowohl isoliert geltend machen als auch gemäß § 325 BGB neben dem Rücktritt vom Vertrag, soweit sein Schaden über die zurück zu gewährende Vergütung hinausgeht. Dieser Schaden kann sich insbesondere aus dem bis zum Rücktritt entgangenem Gewinn als auch aus Schäden ergeben, die der Leistungsmangel an anderen Gegenständen des Auftraggebers verursacht hat331. Nach der hier gemäß § 634 Nr. 4 BGB anzuwendenden allgemeinen Bestimmung des § 281 BGB ist die Forderung von Schadenersatz für die gesamte Leistung ausgeschlossen, wenn der Mangel nur unerheblich ist oder wenn eine bereits erbrachte Teilleistung für den Auftraggeber von Interesse bleibt. Wird Schadenersatz für die gesamte Leistung verlangt, hat der Auftragnehmer Anspruch auf Rückgabe der bereits erbrachten Werkleistung. Diese Bestimmungen zum Schutz des Auftragnehmers vor willkürlichen Entscheidungen des Auftraggebers entsprechen in ihrer Struktur damit grundsätzlich den oben dargestellten Einschränkungen des Rücktrittsrechts. Ist die Leistung unmöglich geworden, kann der Auftraggeber nach § 311a BGB trotzdem Schadenersatz für die nichterbrachte Leistung verlangen. Nach § 311a Abs. 2 S. 2 BGB ist ein Schadenersatzanspruch jedoch ausgeschlossen, soweit der Auftragnehmer die Unmöglichkeit der Leistung nicht kannte und er seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat. So kann sich z.B. die Errichtung eines Windparks wegen bisher unbekannter unterirdischer Höhlen oder alter Stollen als statisch unmöglich erweisen, ohne dass die Parteien des Generalunternehmervertrages diesen Umstand vorher kannten. Ist im Generalunternehmervertrag vereinbart, dass dem Auftraggeber die Durchführung von Baugrunduntersuchungen obliegt, so hat der Generalunternehmer seine Unkenntnis nicht zu vertreten. Er muss daher dem Auftraggeber keinen Schadenersatz leisten. Die Gewährleistungsrechte wegen Mängeln verjähren nach § 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB in zwei Jahren bei Verträgen, die die Herstellung, Wartung oder Veränderung einer Sache oder die Planung oder Überwachung hierfür betreffen. Handelt es sich bei der von der Leistung betroffenen Sache um ein Bauwerk oder die Planung oder Überwachung solcher Leistungen an einem Bauwerk, dann beträgt nach § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB die Verjährungsfrist 5 Jahre. Dieser erhebliche Unterschied in der Dauer der Verjährungsfristen erfordert die Klärung des Begriffes „Bauwerk“. Unter Bauwerken sind alle durch menschliche Tätigkeit mit dem Grundstück verbundenen Werke unabhängig von ihrem Zweck oder Betretbarkeit durch Menschen zu verstehen332. Der Begriff des Bauwerkes ist somit weiter als der sachenrechtliche Begriff des Gebäudes nach § 94 Abs. 2 BGB, der nur solche Bauwerke umfasst, die durch räumliche Umfriedung

331

332

BGH WM 2006, S. 1925, 1926; Staudinger/Peters, Jacoby (2008) BGB, § 634, Rn. 122; MünchKommBGB/ Busche § 634 Rn. 70. BGH NJW 1999, S. 2434, 2435; Staudinger/Peters, Jacoby (2008) BGB § 634a Rn. 20 f.; MünchKommBGB/ Busche (2009) § 634a Rn. 18; Palandt/Sprau (2011) BGB § 634a Rn. 10.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

117

Schutz gewähren und den Eintritt von Menschen erlauben333. Für die Eingrenzung des in § 634a Abs. 1 BGB verwendeten Begriffs des Bauwerkes spielt weniger die sachenrechtliche Fragestellung eine Rolle, ob das Werk eine bewegliche Sache oder eine Immobilie darstellt334. Die längere Dauer der Verjährung nach § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB bezieht ihre Rechtfertigung vielmehr aus dem Umstand, dass Bauwerke in aller Regel besonders komplex und in ihrer Qualität schwierig zu überprüfen sind, so dass auch anfänglich angelegte Mängel, wie z.B. eine falsch berechnete Statik oder mangelhafte Materialqualitäten, ihrer Natur gemäß erst später erkennbar werden als bei einfacheren und meist auch kurzlebigeren sonstigen Sachen335. Bauwerke erfordern zudem regelmäßig erhebliche Investitionen und sind in aller Regel auf eine vergleichsweise sehr lange Nutzungsdauer angelegt, die einen langfristigeren rechtlichen Schutz rechtfertigen336. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich auch die Planung und Überwachung der Errichtung des Werkes genannt, da nicht zuletzt die Notwendigkeit von Planung und Überwachung die Komplexität kennzeichnen und Fehler hierbei oft auch die Entdeckung von Mängeln erschweren. In der Praxis können z.B. Mängel an Fundamenten nicht überprüft werden, wenn bei ihrer Errichtung die Arbeiten nicht ordnungsgemäß durchgeführt, überwacht und protokolliert wurden. Für Windenergieanlagen kann anhand der bisherigen Rechtsprechung und der intensiven sachenrechtlichen Diskussion über die Frage ob es sich um wesentliche Bestandteile von Grundstücken handelt337, zumindest für das Fundament davon ausgegangen werden, dass es sich um ein Bauwerk nach § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB handelt und somit die fünfjährige Verjährungsfrist gilt. Eine spezifische höchstrichterliche Entscheidung liegt jedoch hierfür bisher ebenso wenig vor wie für die übrigen Teile der Windenergieanlage: Turm, Gondel und Rotor. Für diese Komponenten ist angesichts der sachenrechtlichen Diskussion eine Einschätzung ungewiss. Die Generalunternehmerverträge sehen in der Praxis daher vielfach eine ausdrückliche Regelung der Verjährungsdauer vor. Es werden verschiedene Zeiträume vereinbart, in vielen Verträgen ist für das Fundament eine fünfjährige Verjährung und für die Komponenten Turm, Gondel und Rotoren eine zweijährige Verjährung vorgesehen. Die Generalunternehmer sind jedoch kaum dazu bereit, längere Verjährungsfristen zu akzeptieren als sie gegenüber dem Anlagenhersteller im betreffenden WEA-Liefervertrag durchsetzen können. Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche nach § 634a Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB beginnt gemäß § 634a Abs. 2 BGB mit dem Zeitpunkt der Abnahme. Werke, die weder unter § 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB noch als Bauwerk unter Nr. 2 fallen, verjähren nach § 634a Abs. 1 Nr. 3 BGB i. V. m. § 195 BGB in drei Jahren. Dies sind in erster 333

Staudinger/Jickeli, Stieper (2004) BGB, § 94, Rn. 23.

334

Die sachenrechtliche Diskussion wird in Bezug auf Windkraftanlagen intensiv geführt. Dabei geht es jedoch nicht um die Mangelgewährleistungsrechte, sondern um das Eigentum an den Anlagen und die Besicherung der finanzierenden Bank. Zu dieser Diskussion vertiefend siehe Nachweise in Fußnote 287.

335

BGH NJW 1999, S. 2434 f., m.w. Nachw.; MünchKommBGB/Busche § 634a Rn. 18.

336

MünchKommBGB/Busche § 634a Rn. 17.

337

BGH WM 1988, S. 1423; BGH NJW 1978, S. 1311; Peters WM 2007, S. 2003, 2004 m w. Nachw.

118

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Linie Werkleistungen, bei denen nach § 631 Abs. 2 BGB der zu erreichende Erfolg durch Dienstleistungen oder Arbeit erbracht wird. Sie spielen bei der Errichtung von Windparks eine untergeordnete Rolle. Die Verjährung nach § 195 BGB beginnt nach der allgemeinen Bestimmung des § 199 Abs. 1 BGB mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Beschränkung der Gewährleistungsrechte Oft versuchen die Auftragnehmer, im Generalunternehmervertrag ihre Haftung zu begrenzen oder auf die Haftung ihrer Subunternehmer zu verweisen. Hier werden verschiedene Gestaltungen entwickelt. Eine solche, formularmäßig für eine Mehrzahl von Vertragsabschlüssen vorgesehene Klausel kann je nach konkreter Gestaltung jedoch nach den Regeln über die Zulässigkeit allgemeiner Geschäftsbedingungen, namentlich gemäß § 309 Nr. 8 lit. b aa) BGB unwirksam sein. Dies ist zumindest bei einem völligen Ausschluss eigener Haftung und Verweisung an die Subunternehmer der Fall, ferner, wenn die gerichtliche Inanspruchnahme der Subunternehmer zur Voraussetzung gemacht wird338. Der BGH hat jedoch in einer Entscheidung zu einem Bauträgervertrag darüber hinaus auch die Voraussetzung eines vorherigen erfolglosen außergerichtlichen Vorgehens gegen den Generalunternehmer und die Subunternehmer für unzulässig erachtet339. Ob dies in diese Entscheidung auch für Generalunternehmerverträge Bedeutung entfaltet oder ob ein erfolgloses außergerichtliches Vorgehen verlangt werden darf, ist angesichts der Tendenz der Rechtsprechung zumindest fraglich. Zudem kommt es stets auf die konkreten Umstände des einzelnen Vertragsverhältnisses und die Formulierung der betreffenden Klausel an. Haftungseinschränkungen zugunsten des Generalunternehmers können nach § 639 BGB – bei Anwendung des Kaufvertragsrechts greift die parallele Vorschrift des § 444 BGB ein – dann unwirksam sein, wenn ein Mangel arglistig verschwiegen wurde oder, was der häufigere Fall sein dürfte, der Auftragnehmer eine Garantie oder eine Zusicherung340 für die Beschaffenheit des Werkes übernommen hat. Wann eine Garantie vorliegt, die ein gesteigertes Vertrauen des Auftraggebers rechtfertigt, und wann stattdessen nur eine einfache Vereinbarung über die Beschaffenheit des Werkes gewollt ist, muss durch Auslegung ermittelt werden. Auch insofern kommt es auf die Umstände des Einzelfalls und die konkrete vertragliche Gestaltung an. Für Windenergieanlagen wird regelmäßig eine Garantie für die technische Verfügbarkeit und für die Leistungskurve verlangt. Beide Parameter sind jedoch wesentlich vom Anlagenliefervertrag abhängig, so dass auf der Ebene des Generalunternehmervertrages wenig Verhandlungsspielraum besteht. Gewährleistung nach Kaufvertragsrecht Wie eingangs erwähnt, lässt sich eine Tendenz in der Rechtsprechung erkennen, der zufolge Generalunternehmerverträge für die Errichtung von Windparks als Werklieferungsvertrag zu 338

BGH NJW 1998, S. 904; Staudinger/Peters, Jacoby (2008) BGB, § 639, Rn. 37.

339

BGH NJW 2002, S. 2470; a. A.: Staudinger/Peters, Jacoby (2008) BGB, § 639, Rn. 37.

340

Michaelis de Vasconcellos, Garantien in der Praxis des Anlagenvertrages und das neue Schuldrecht: ein unauflöslicher Widerspruch?, NZBau 2003, S. 121, 125; Lotz, Haftungsbeschränkungen in Anlagenverträgen, ZfBR 2003, S. 424, 428.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

119

qualifizieren und gemäß § 651 BGB nach Kaufvertragsrecht zu beurteilen sind. Hinsichtlich der materiellen Gewährleistungsrechte ergeben sich seit der Schuldrechtsreform von 2002 grundsätzlich nur wenige Abweichungen, da die Systematik und die Vorschriften des Werkvertrags- und Kaufrechts in weiten Bereichen an einander angepasst wurden. Auch die Verjährungsbestimmungen laufen in beiden Rechtsgebieten im Wesentlichen parallel. Dies schließt nicht aus, dass es in Einzelfällen zu relevanten Unterschieden in der Behandlung kommen kann341. So kennt das Kaufvertragsrecht keine Ersatzvornahme, sondern Nacherfüllung, Rücktritt oder Minderung und den Anspruch auf Schadenersatz und Ersatz vergeblicher Aufwendungen. Zu beachten ist insbesondere, dass die Abnahme im Kaufvertragsrecht nicht vorgesehen ist. Die Verjährung der Mangelgewährleistungsrechte beginnt bereits mit der Übergabe bzw. Ablieferung der verkauften Sache. Beides liegt vor, sobald die gekaufte Sache in den Besitz des Käufers im Sinne von § 854 Abs. 1 BGB übergeht342. Die Rechtsprechung lässt die Verjährung nur dann anstelle bei Ablieferung erst bei vollständiger Montage beginnen, wenn die Parteien die Montagepflicht des Verkäufers vertraglich vereinbart haben343. Haftungsbegrenzungen Nach dem gesetzlichen Grundsatz haftet der Auftragnehmer für die Erreichung des vertraglich vereinbarten Leistungserfolges. Soweit dieses Ziel nicht erreicht wird, weil das Werk mangelhaft ist, greifen die gesetzlichen Gewährleistungsregeln ein, die in erster Linie die Behebung des Mangels oder den wirtschaftlichen Ausgleich hierfür vorsehen und vertraglich nur in begrenztem Maße abbedungen werden können. Der in § 634 Nr. 4 BGB vorgesehen Anspruch auf Schadenersatz verweist auf die allgemeine Schadenersatzvorschriften, die über den unmittelbaren Mangel hinaus auch weitergehende Schäden betreffen. Durch Mängel und Verzögerungen im vereinbarten Terminplan können beim Auftraggeber wirtschaftliche Schäden entstehen, die weit über die Kosten der Mangelbeseitigung hinausgehen und deren Beseitigung die Existenz des Generalunternehmers gefährden kann. Daher besteht ein erhebliches Interesse des Generalunternehmers an der Begrenzung seiner Haftung. Die VOB/B trägt diesem Interesse in § 13 Abs. 7 dadurch Rechnung, dass die Haftung im Bereich der einfachen Fahrlässigkeit auf wesentliche Mängel und in der Höhe auf den Schaden an der baulichen Anlage beschränkt ist. Damit sind weiter gehende Schäden, insbesondere entgangener Gewinn, grundsätzlich nicht zu ersetzen. Über den Schaden an der Anlage hinaus sind Schäden nur zu ersetzen bei einem Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik, bei Fehlen einer vertraglich vereinbarten Beschaffenheit oder wenn der Auftragnehmer den Schaden durch eine tarifmäßige inländische Haftpflichtversicherung hätte decken können, also zu angemessenen Konditionen die Fähigkeit zur Leistung von hohen Schadenersatzbeträgen hätte herstellen können.

341

Thomas, NZBau 2010, S. 466.

342

Staudinger/Matusche-Beckmann (2004) BGB, § 438, Rn. 54.

343

BGH NJW 1961, S. 730, f. m. w. Nachw.; Staudinger/Matusche-Beckmann (2004) BGB, § 438, Rn. 61.

120

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Vereinbaren die Parteien des Generalunternehmervertrages nicht die Geltung der VOB/B, hängt die vertragliche Haftungsbegrenzung wesentlich vom Verhandlungsgewicht der Parteien ab. Häufig vereinbarte Beschränkungen sind die Begrenzung der Haftung auf die für die betreffende Partei vorhersehbaren oder nach der Erfahrung zu erwartenden Schäden. Ist ein Risiko marktüblich versicherbar, wird oft eine Klausel vereinbart, durch die die Haftung auf eine bestimmte versicherte Summe begrenzt wird. Der Generalunternehmer wird daneben vertraglich zur Aufrechterhaltung der Haftpflichtversicherung verpflichtet. Üblich ist auch die Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz. Dies ist zwar nach § 309 Nr. 7 BGB grundsätzlich auch in AGB zulässig. Doch bestehen wesentliche Einschränkungen. Haftungseinschränkungen von Schäden für Leben, Körper und Gesundheit von Menschen können nach § 309 Nr. 7 BGB nicht durch AGB ausgeschlossen werden. Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB kann der Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit unwirksam sein, wenn dies auch solche Pflichten betrifft, deren sorgfältige Erfüllung der Vertragspartner stets erwarten durfte und deren Nichterfüllung den Vertragszweck gefährden würde. Generell ist gerade bei Haftungsbegrenzungen mit teilweise erheblichen rechtlichen Risiken im Bereich des AGB-Rechts zu rechnen. Neben einer anwaltlichen Beratung bei der Konzeption dieser Vereinbarungen sollte auch die Verhandlung dieser Bestimmungen im Einzelnen gesucht und dokumentiert werden, um nach Möglichkeit die Anwendung von AGB-Recht auszuschließen. Stellung von Sicherheiten In der Verhandlung von Generalunternehmerverträgen und Anlagenlieferverträgen spielt die Absicherung gegen die Leistungsunfähigkeit der jeweils anderen Partei eine besondere Rolle. Üblich ist die Ausreichung einer Bürgschaft für die durch die Projektgesellschaft geleistete Anzahlung durch die Bank des Generalunternehmers sowie einer Bürgschaft der Projektgesellschaft für die jeweils ausstehende Meilensteinzahlung. Ferner kann die Projektgesellschaft während der Errichtungsphase eine Erfüllungsbürgschaft verlangen. Erfüllungsbürgschaften sichern die vertragsgemäße, vollständige und rechtzeitige Leistung des Generalunternehmers ab344. Die Erfüllungsbürgschaft wird in der Praxis häufig mit einer Höhe von 10 % der Auftragssumme festgesetzt345. Individualvertraglich kann auch eine Höhe von 30 % wirksam vereinbart werden346. Die Wirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Vertragserfüllungsbürgschaft hängt jedoch nicht nur von ihrer Höhe ab, sondern auch davon, ob sie im Zusammenhang mit den übrigen vertraglichen Vereinbarungen über Vertragstrafen und Zurückbehaltungsrechte nicht zu einer unzumutbaren Benachteiligung der anderen Vertragspartei führt347.

344

Staudinger/Peters, Jacoby (2008) BGB § 641 Rn. 62.

345

BGH, WM 2011, S. 598, 600.

346

Auch eine individualvertragliche Gesamthöhe von 30% der Auftragssumme kann zulässig sein: BGHZ 139, 325 ff.

347

BGH WM 2011, S. 598, 601.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

121

Die Gewährleistungsbürgschaft sichert etwaige künftige Mängelgewährleistungsansprüche der Projektgesellschaft ab. Sie wird erst bei Abnahme und Zahlung der letzten Vergütungstranche übergeben. Für bereits im Zuge der Errichtung der Anlage aufgetretene Mängel muss sich der Auftraggeber nicht auf die erst später zu stellende Gewährleistungsbürgschaft verweisen lassen, sondern kann ggf. offene Vergütungszahlungen zurück behalten oder die Erfüllungsbürgschaft in Anspruch nehmen348. Zur zulässigen Höhe einer Gewährleistungsbürgschaft hat der BGH in seinem Urteil vom 05.05.2011 ausführlich Stellung genommen349. Danach hat das Gericht Bürgschaften in Höhe von 5 % der Auftragssumme bisher nicht beanstandet. Diese Höhe entspreche auch der allgemeinen Übung in der privaten Bauwirtschaft. Im Falle einer Gewährleistungsbürgschaft in Kombination mit einer Vertragserfüllungsbürgschaft kann auch noch ein Satz von 6 % als angemessen angesehen werden. Eine Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von 10 % der Auftragssumme ist jedoch für den Unternehmer unzumutbar und daher unzulässig350. Unzulässig sind ferner formularmäßige Vereinbarungen über eine Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern, da der Auftraggeber sich, ohne sachliche Gründe nachweisen zu müssen, Liquidität verschaffen kann und dadurch dem Unternehmer neben dem Verlust eigener Liquidität auch das Klagerisiko und das Bonitätsrisiko aufzwingt351. Die VOB sieht in § 17 die Besicherung der Forderungen des Auftraggebers für die vertragsgemäße Leistungserbringung sowie die Mängelgewährleistung durch Bürgschaften und Hinterlegung vor. In der Praxis der Windparkerrichtung ist die Hinterlegung unüblich. Die Bürgschaft des Auftragnehmers ist unter Verzicht auf die Vorausklage, also selbstschuldnerisch zu erbringen. Eine Bürgschaft auf erstes Anfordern ist jedoch nach § 17 Abs. 4 VOB unzulässig. Durch dieses Verbot wird verhindert, dass die Bürgschaft ohne ausreichende sachliche Begründung geltend gemacht wird, um sich mit Liquidität zu versorgen. Für den Generalunternehmer kommt zudem die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts in Betracht. Der Eigentumsvorbehalt stellt nach § 449 BGB eine Vereinbarung dar, der zufolge der Verkäufer einer beweglichen Sache sein Eigentumsrecht an der Sache bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises vorbehält. Der Eigentumsübergang steht damit unter der aufschiebenden Bedingung des vollständigen Eingangs des Kaufpreises beim Eigentümer. Die dem Eigentumsvorbehalt unterworfenen Sachen müssen nach den sachenrechtlichen Regeln spezifiziert sein. Andernfalls wäre im Vollstreckungsfall nicht feststellbar, welche Gegenstände an den Verkäufer herauszugeben sind. Üblicherweise wird diesem Erfordernis dadurch Rechnung getragen, dass sämtliche gelieferten beweglichen Sachen dem Eigentumsvorbehalt unterworfen werden. Voraussetzung für den Eigentumsvorbehalt ist, dass der Generalunternehmer selbst Eigentümer von Leistungskomponenten ist. Ist der Generalunternehmer nicht zugleich Hersteller der Windenergieanlagen, kann nur der Hersteller den Eigentumsvorbehalt geltend machen. 348

BGH, NJW 1982, S. 2494; Staudinger/Peters, Jacoby (2008) BGB § 641 a. a. O.

349

BGH, Urt. v. 05.05.2011, WM 2011, S. 1125 ff.

350

BGH WM 2011, a.a.O. S. 1128, mit einem Verweis auf BGH Urt. v. 25.03.2004, WM 2004, S. 1079 ff.

351

BGH NJW-RR 2007, S. 1319 f.

122

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Das Vorbehaltseigentum geht zudem unter, wenn die ihm unterliegende bewegliche Sache nach § 946 BGB fest mit einem Grundstück verbunden und damit dessen wesentlicher Bestandteil gemäß § 94 BGB wird. Der Vorbehaltseigentümer kann lediglich eine Entschädigung für den Rechtsverlust nach § 951 BGB verlangen, die Sicherungsfunktion des Vorbehaltseigentums ist jedoch verloren. Ob und in welchem Umfang Windenergieanlagen bewegliche Sachen oder wesentliche Bestandteile eines Grundstücks werden, ist umstritten und hängt zudem von der konkreten Eigentumsrechtslage im Einzelfall ab. Fundamente werden jedoch einhellig als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks angesehen352. Ob der Eigentumsvorbehalt bestehen bleibt, wenn die betreffende Sache nur einen Scheinbestandteil des Grundstücks nach § 95 BGB darstellt, ist umstritten353. Die im BGB für Werkverträge im Baugewerbe vorgesehenen Sicherheiten der Bauhandwerkersicherungshypothek nach § 648 BGB und der Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB spielen bei Windparkprojekten in der Regel kaum eine Rolle. Die Bauhandwerkersicherungshypothek ist in der Regel bereits rechtlich ausgeschlossen, da die meisten Windenergieanlagen auf fremdem Grund errichtet werden und daher eine Hypothek nicht bestellt werden kann. Dieses Sicherungsrecht ist zudem weitgehend unüblich geworden; die mit ihm verbundenen Kosten und der Aufwand sind am Markt nur schwer durchsetzbar. Die Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB kann vom Unternehmer einseitig verlangt werden. Er ist befugt seine Leistung zu verweigern oder den Vertag zu kündigen, wenn die Sicherheit nicht gestellt wird. Die Bauhandwerkersicherung kann durch Garantie oder Bürgschaft geleistet werden. Praktisch relevant wird dieses Sicherungsrecht nur, wenn Zweifel an der Zahlungsfähigkeit oder Willigkeit der Projektgesellschaft bestehen und der Generalunternehmer keine ausreichenden anderen Sicherungsrechte innehat. Rechtswahlklausel Bei der Errichtung von Windparks an inländischen Standorten kommt der Auswahl eines Vertragsrechts keine Bedeutung zu. Handelt es sich bei dem Generalunternehmer oder auch beim Anlagenhersteller um ein ausländisches Unternehmen, könnte dieser Auslandsbezug jedoch ausländisches Recht oder die internationale Vereinbarung der Convention on International Sale of Goods vom 11. April 1980 (CISG) zur Anwendung bringen. Um Unklarheiten und rechtliche Risiken zu vermeiden, sollte in einem Generalunternehmervertrag mit Auslandsberührung das zugrunde liegende Recht ausdrücklich geregelt werden. Wollen die Parteien die Anwendung der CISG ausschließen, ist dies im Vertrag ausdrücklich vorzusehen. Es handelt sich zwar um eine internationale Vereinbarung. Da sie jedoch im Anwendungsfall als Norm des inländischen deutschen Rechts gilt, reicht zu ihrem Ausschluss die Wahl des deutschen Rechts nicht aus354.

352

Siehe zu dieser Diskussion Fußnote 287 mit Nachweisen.

353

Bejahend: Staudinger/Wiegand (2004) BGB, § 449, Rn. 12 m. w. Nachw.; verneinend: MünchKommBGB/ Füller § 946 Rn. 2.

354

BGH NJW 1997, S. 3309, 3310; BGH NJW 1999, S. 1259, 1260; Staudinger/Magnus (2005) Art. 6 CISG Rn. 24, m. w. Nachw.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

2.3.2.3

123

Zusammenfassung

Der Generalunternehmervertrag gehört zu den wichtigsten Verträgen eines Windenergieprojektes. Der Generalunternehmer verpflichtet sich gegenüber der Projektgesellschaft zur Errichtung und Inbetriebnahme des Windparks und haftet ihr gegenüber unmittelbar für die Mängel der einzelnen von ihm unterbeauftragten Gewerke sowie für seine eigene Koordination dieser Gewerke. Beim Generalunternehmervertrag zur Errichtung von Windenergieanlagen handelt es sich nach herrschender Auffassung um einen Werkvertrag, doch kann im konkreten Einzelfall auch Kaufvertragsrecht zur Anwendung kommen. Trotz der Angleichung des Werks- und Kaufvertragsrechts kann es im Einzelfall zu relevanten unterschiedlichen Rechtsfolgen führen. Um die Risiken solcher Unterschiede zu vermeiden empfiehlt es sich, die betreffenden Fragen wie z.B. Abnahme, Rügepflicht nach § 377 HGB usw., im Vertrag selbst eingehend zu regeln. Die inhaltliche Gestaltung des Generalunternehmervertrages durch Aufnahme der VOB birgt das Risiko, dass schon einzelne Abweichungen von der VOB dazu führen, dass der Vertrag insgesamt der AGB-Kontrolle unterworfen und inhaltlich in Frage gestellt werden kann. Durch individuelles Aushandeln aller wesentlichen vertraglichen Regelungen minimieren die Parteien diese Rechtsunsicherheit. Die individuelle Verhandlung ist zudem geeignet, etwaige technische oder organisatorische Probleme der Errichtungsphase frühzeitig zu identifizieren und vertraglich zu regeln. Inhaltliches Kernstück des Generalunternehmervertrages ist die Leistungsbeschreibung, in der der Umfang der vom Generalunternehmer zu erbringenden Leistungen sowie die Qualitätsanforderungen und zeitlichen Vorgaben geregelt werden. Besondere Sorgfalt ist darauf zu verwenden, dass keine wesentlichen Vertragspflichten in diesem Katalog fehlen. Die Leistungsbeschreibung definiert den Umfang der Vergütungsansprüche des Generalunternehmers, den Maßstab der Abnahme des fertig gestellten Windparks durch die Projektgesellschaft und den Umfang der Mängelgewährleistungsrechte der Projektgesellschaft. Die Vergütung des Generalunternehmers wird üblicherweise durch eine „Pauschalpreisvereinbarung“ geregelt, die unabhängig von tatsächlichem Aufwand und Kosten des Generalunternehmers grundsätzlich keine Veränderung erfährt. Eine Anpassung erfolgt nur bei schweren und unzumutbaren Abweichungen der tatsächlichen Kosten vom geplanten Verlauf sowie dann, wenn Leistungen abgefragt werden, die nicht in die Leistungsbeschreibung des Vertrages fallen. Die Abnahme des errichteten Windparks hat erhebliche Rechtswirkungen für das Vertragsverhältnis. Unter anderem wird mit ihr die Vergütung des Generalunternehmers fällig, der Erfüllungsanspruch der Projektgesellschaft wird eingeschränkt und die Verjährung ihrer Mangelgewährleistungsrechte beginnt zu laufen. Ferner geht das Risiko des Untergangs des Windparks geht auf die Projektgesellschaft über und muss von ihr versichert werden. Der Vertrag sollte daher stets ausdrücklich eine Abnahme vorsehen, ihr Verfahren regeln und eine konkludente oder fiktive Abnahme ausschließen.

124

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Die Gewährleistung des Generalunternehmers und seine Haftung werden in Generalunternehmerverträgen oft beschränkt oder auf Subunternehmer verlagert. Diese vertraglichen Regelungen, die sich üblicherweise nachteilig für die Projektgesellschaft auswirken, können im Einzelfall nach den Vorschriften des AGB-Rechts oder sonstiger Vorschriften des BGB unwirksam sein und gerichtlich angegriffen werden. Da der Generalunternehmervertrag die Lieferung von Windenergieanlagen umfasst und ggf. nach Kaufvertragsrecht behandelt wird, kann bei Auslandsberührung die UN-Konvention über den internationalen Warenkauf Anwendung finden, soweit ihre Geltung nicht ausdrücklich im Vertrag ausgeschlossen wird.

2.3.3

Der Wartungsvertrag

Sobald der Windpark in Betrieb genommen worden ist, sollen die Anlagen den für die Leistung des Schuldendienstes erforderlichen Cashflow erwirtschaften. Windparks sind hierfür in erster Linie von der nicht beeinflussbaren Windausbeute abhängig. Umso wichtiger für die wirtschaftliche Leistung des Windparks ist die ständige technische Verfügbarkeit aller Windenergieanlagen während der gesamten vorgesehenen Betriebsdauer. Auf der Grundlage der gesetzlichen Mängelgewährleistung und der im Generalunternehmervertrag vereinbarten Zusicherungen und Garantien kann die Projektgesellschaft nach Werkvertragsrecht vorgehen, um die durch technische Mängel bedingten Ausfälle zu beheben. Die Mängelgewährleistung greift jedoch nur für die Dauer der vereinbarten Gewährleistungsfristen und umfasst keine Haftung für den im ordnungsgemäßen Betrieb zu erwartenden Verschleiß. Sie berechtigt zudem nicht zum Schadenersatz für die durch einen Mangel bereits eingetretenen Ertragsverluste. Diese werden nur dann ersetzt, wenn dies im Generalunternehmervertrag vorgesehen wurde. Versicherungen treten für Ausfallzeiten nur dann ein, wenn diese durch bestimmte fremdverursachte Ereignisse eintreten. Dazu gehört nicht der durch den vorgesehenen Betrieb verursachte Verschleiß der Windenergieanlagen. Um die technischen Voraussetzungen für den geplanten Ertrag des Projektes permanent sicher zu stellen, ist es daher erforderlich die technische Leistungsfähigkeit des gesamten Windparks dauerhaft auf einem möglichst hohen Niveau zu halten und Ausfallzeiten zu minimieren. Die zu diesem Zweck vereinbarten Wartungsverträge müssen mit den übrigen Projektverträgen abgestimmt werden. Dies sind in erster Linie Generalunternehmervertrag, Betriebsführungsvertrag sowie die Maschinenbruch- und Betriebsunterbrechungsversicherung.

2.3.3.1

Rechtsnatur und Vertragsfunktionen

Die Einordnung des Wartungsvertrages in die vom BGB vorgesehenen Vertragsformen ist nicht abschließend geklärt. Neben Werk-355 und Dienstvertragsrecht356 wird auch die An-

355

BGHZ 91, 316, 320; OLG Frankfurt, ZIP 1983, S. 702; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1988, S. 441 f.; Busch, NZBau 2011 S. 85 f.

356

Beise, DB 1979, S. 1214 f.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

125

wendung von Kaufvertragsrecht357 diskutiert. Aus aufsichtsrechtlicher Warte ist sogar die versicherungsrechtliche Natur des Wartungsvertrages vertreten worden358. Als Werkvertrag ist nach § 631 Abs. 1 BGB ein Vertrag zu behandeln, durch den sich der Auftragnehmer dazu verpflichtet, ein vereinbartes Werk herzustellen. Dies legt nahe an eine Leistung zu denken, die zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossen ist. Das ist jedoch nicht der Fall. Der § 631 Abs. 2 BGB stellt ausdrücklich klar, dass neben Herstellung oder Veränderung einer Sache auch ein durch eine Dienstleistung herzustellender Erfolg geschuldet sein kann. Maßgeblich ist für den Werkvertrag nicht die Art und Weise der Leistung, sondern, dass erst der vertraglich vereinbarte Erfolg zur Erfüllung des Vertrages führt und erst dafür auch die Vergütung zu zahlen ist359. Daher trägt der Auftragnehmer, wie oben zum Generalunternehmervertrag bereits ausführlich dargestellt wurde, das Risiko keine Vergütung zu erhalten und darüber hinaus auch dem Auftraggeber dafür zu haften, wenn er den vertraglich vereinbarten Erfolg nicht erzielt. Die rechtliche Bedeutung des Leistungserfolges unterscheidet den Werkvertrag vom Dienstvertrag. Nach § 611 Abs. 1 BGB wird der Auftragnehmer verpflichtet den vereinbarten Dienst zu leisten. Die Vergütung erfolgt nach § 614 Abs. 2 BGB grundsätzlich in den Zeitabschnitten, nach denen die Dienstpflicht bemessen ist. Eine Abnahme der erbrachten Leistung ist im Dienstvertragsrecht nicht vorgesehen, da ein Erfolg des Dienstes nicht geschuldet ist. Ob der erhoffte Erfolg eintritt, bleibt im Dienstvertragsverhältnis das alleinige Risiko des Auftraggebers. Da die Leistung von Diensten auch im Werkvertrag vereinbart werden kann, kommt es für die Unterscheidung zwischen diesen Vertragstypten darauf an, ob der Auftragnehmer nur den Dienst oder einen bestimmten, dadurch erzielten Erfolg schuldet. Anders als im Werkvertrag und Dienstvertrag steht beim Kaufvertrag nicht die Erstellung eines Werkes oder die Leistung eines Dienstes im Vordergrund, sondern die Verpflichtung des Verkäufers, dem Käufer das Eigentum an einem Gegenstand zu verschaffen. Wie oben bereits zum Generalunternehmervertrag dargestellt, hängt die Unterscheidung zwischen Werk- und Kaufvertrag davon ab, ob der Vertragsinhalt die Herstellung oder die Verschaffung des Kaufgegenstandes betrifft. Welcher Vertragsform die Bestimmungen eines Wartungsvertrages zuzuordnen sind, hängt von der Gestaltung dieser Bestimmungen ab. Hierbei kann es nicht auf die Benennung der vereinbarten Vereinbarungen im Vertrag selbst ankommen. Die in der Praxis verwendeten Begriffe sind nicht einheitlich und werden in den Verträgen nicht immer präzise verwendet. Für die Bezeichnung der im Rahmen eines Wartungsvertrages zu regelnden Vertragspflichten kann man auf die in der DIN 31051:2003-06 enthaltenen Definitionen zurückgreifen. Unter dem Oberbegriff „Instandhaltung“ können die Unterbegriffe „Wartung“, „Inspektion“

357

Beise, DB 1979, a. a. O. S. 1214.

358

BVerwG, NJW-RR 1988, S. 343 f.

359

Staudinger/Peters/Jacoby (2008) BGB, § 631 Rn 14; Palandt/Sprau BGB (2011) Einf. V. § 631 Rn. 6.

126

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

und „Instandsetzung“ unterschieden werden360. Als Inspektion ist die Prüfung und Bewertung des tatsächlichen Zustandes der Anlage anzusprechen, also Prüfen, Messen und Beurteilen. Mit Wartung bezeichnet man die Erhaltung des Sollzustandes durch Maßnahmen wie Reinigung, Konservierung, Schmierung, Nachstellung und Ergänzung. Die Instandsetzung bezeichnet die Wiederherstellung des Sollzustandes durch Reparatur und Austausch von Komponenten361. Für die Frage, ob auf einen bestimmten Wartungsvertrag Werk-, Kauf- oder Dienstrecht oder – je nach der jeweils betreffenden Vertragsregelung – die Vorschriften des BGB für den einen oder anderen Vertragstyp anzuwenden sind, ist nach den in den §§ 133 und 157 BGB niedergelegten Auslegungsregeln der wirkliche Wille der Parteien maßgeblich, und zwar so wie er für einen verständigen Vertragspartner oder verständigen Dritten erkennbar ist. Es kommt also nicht auf den genauen Wortlaut an, sondern auf den im Vertrag erkennbar gewordenen gemeinsamen Willen der Parteien ein Problem in einer bestimmten Weise zu regeln362. Legt man die Unterscheidungskriterien für die Vertragstypen an die oben definierten Vertragsinhalte Wartung, Inspektion und Instandhaltung an, so kann im Grundsatz die nachfolgende Einteilung vertreten werden, wobei stets zu bedenken bleibt, dass der konkret formulierte Vertragsinhalt insgesamt, nicht die Wahl von einzelnen Schlagworten darüber entscheidet, nach welchen Regeln der Vertrag zu behandeln ist. Inspektion umfasst mit der Prüfung und Bewertung zunächst einmal nur Tätigkeiten des Erkennens und der Sachverhaltsaufklärung. Zwar kann die Feststellung eines Schadens an einer Windenergieanlage als ein konkreter Erfolg angesehen werden, doch stellt die Inspektion diesen Erfolg nicht her363. Daher erschöpft sich die Inspektion als solche in der Dienstleistung, mit der Folge, dass auf reine Inspektionstätigkeiten Dienstvertragsrecht anzuwenden ist. Die Wartung enthält dagegen Tätigkeiten, die neben der bloßen Durchführung wie Reinigung, Konservierung, Schmierung auch solche Tätigkeiten umfasst, denen ein gewisses Erfolgsmoment innewohnt, wie die Nachstellung und Ergänzung von einzelnen Teilen. Die Ergänzung kommt jedoch im Wartungszusammenhang nur für unter geordnete Komponenten in Betracht und erfolgt in der Regel aufgrund der vom Hersteller empfohlenen Wartungsfristen, ohne dass die betreffende Komponente bereits verbraucht, schadhaft oder ausgefallen sein muss. Diese teilweise auch als prophylaktische Instandhaltung bezeichneten Arbeiten sollen also weniger einen Erfolg herbeiführen, als einen potentiellen Nachteil ausschließen. Einzelne obergerichtliche Entscheidungen haben werkvertragliche Mängelhaftung für den

360

Busch, NZBau 2011, S. 85; Kühnel, Vollwartungsverträge, BB 1985, S. 1227 f.; derselbe: Instandhaltung und das Jahr 2000 im Maschinen- und Anlagenbau, BB 1998, S. 2586; Siebel/Röver/Knütel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, Rn. 2826.

361

Busch, NZBau 2011, S. 85 a. a. O. ; Kühnel, BB 1985, a.a.O. S. 1227 f.

362

Die durch das englische bzw. US-amerikanische Recht geprägten Rechtsordnungen legen – zumindest im Prinzip – Verträge sehr viel strikter nach dem Wortlaut aus. Dies wird häufig deutlich bei Verhandlungen mit ausländischen Partnern, da die international üblichen Vertragsgestaltungen sehr stark vom englischen Recht geprägt sind. Es empfiehlt sich daher bei der Verhandlung von Verträgen im internationalen Umfeld auch dann, wenn sie dem deutschen Recht unterworfen sind, sehr sorgfältig am Vertragstext zu arbeiten.

363

Kühnel, BB 1985, S. 1227, 1231; ders.: BB 1998, S. 2586.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

127

Fall angenommen, dass schlechte oder fehlende Wartung zu Schäden führt364. In der Tat kann der regelmäßige Austausch von Verschleißteilen, der sich aufgrund der damit verbundenen Kosten auch in der Vergütung des Wartungsunternehmers niederschlägt, für den Betreiber der Anlage von erheblicher Bedeutung sein, so dass die Vereinbarung einer Abnahme bestimmter Ergänzungsleistungen, mindestens aber die Protokollierung und Mitteilung von Wartungsmaßnahmen im Vertrag vorgesehen werden sollte. Anstelle der werkvertraglichen Einordnung kann aber auch Kaufrecht in Betracht kommen, da beim Austausch einzelner Komponenten durch den Wartungsunternehmer in aller Regel der Lieferungsaspekt im Vordergrund steht und nur minimale bis geringe Montageleistungen erfordert. Da jedoch bei solchen Maßnahmen die Funktionsfähigkeit der Gesamtanlage im Vordergrund steht, erscheint es interessengerechter, von einer erfolgsorientierten Bearbeitung der Windenergieanlage der Projektgesellschaft zu sprechen, als von der Lieferung einzelner Bauteile. Die Instandsetzung im Sinne der Wiederherstellung des Sollzustandes der Anlage durch Reparatur und Austausch von Komponenten trägt keine dienstvertraglichen Züge mehr. Der Wartungsunternehmer hat den durch den Schaden verlorenen Sollzustand wieder herzustellen und haftet insoweit für einen herzustellenden Erfolg. Daher gilt für Instandsetzung Werkvertragsrecht365. Wie bei der Errichtung ist auch bei der Reparatur die Frage zu klären, ob die Montage oder die Lieferung der Neukomponenten im Vordergrund der Leistung steht und damit Werk- oder Kaufvertragsrecht Anwendung findet. Insofern bestehen hier das gleiche Abgrenzungsproblem und ähnliche Unterschiede in der Rechtsfolge, wie es oben bei der Einordnung des Generalunternehmervertrages bereits besprochen wurde. Bei der Reparatur stehen die erforderlichen Ersatzteile als Liefergegenstände in der Regel nur in einem untergeordneten Verhältnis zur gesamten, bereits bestehenden Anlage und gehen in dieser auf. Der vorrangige Zweck der Maßnahme, die Wiederherstellung der vereinbarten Leistungsfähigkeit der Windenergieanlage geht in seiner wirtschaftlichen Bedeutung weit über diese Lieferung der Ersatzteile hinaus. Es erscheint daher gerechtfertigt, die Reparatur einer Anlage auch dann als werkvertraglich zu regelnde Materie anzusehen, wenn man die Errichtung und Inbetriebnahme derselben Anlage als Kaufvertrag qualifiziert. Ob man den Wartungsvertrag insgesamt aufgrund seines Hauptzwecks der Erhaltung der technischen Funktionsfähigkeit, insbesondere wegen der Verfügbarkeitsgarantie, als Werkvertrag ansieht, dem die Inspektion und Wartung nur zugeordnet sind366, hängt nicht zuletzt davon ab, ob die vereinbarten Bestimmungen dieses Vertragsziel als einen für die Parteien exakt überprüfbaren Sachverhalt definieren. Für die Vertragsgestaltung ergibt sich hieraus die Konsequenz, alle relevanten Fragen im Vertrag selbst präzise zu klären und Verfahren der Überprüfung, Abnahme und Geltendmachung von Gewährleistungsrechten im Vertrag selbst zu regeln. 364

OLG Düsseldorf, NJW-RR 1988, S. 441 f.; OLG München, Urt. v. 22.11.1988 (AZ: 25 U 5810/86) Beck RS 2010, 9111.

365

BGHZ 91, 316, 320; OLG Frankfurt, ZIP 1983, S. 702; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1988, S. 441 f.; .; OLG München, Urt. v. 22.11.1988 (AZ: 25 U 5810/86) Beck RS 2010, 9111; Kühnel, BB 1985, a.a.O. S. 1231; Busch, NZBau 2011 S. 85 f.

366

OLG Düsseldorf, NJW-RR 1988, S. 441 f.; .; OLG München, Urt. v. 22.11.1988 (AZ: 25 U 5810/86) Beck RS 2010, 9111

128

2.3.3.2

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Vertragsgestaltung

Wartungsverträge werden durch die Anbieter, die in der Regel zugleich Hersteller der Windenergieanlagen sind, als Standardverträge angeboten. Die in den Verträgen vorgeschlagenen Regelungen entsprechen daher in der Regel den Interessen der Anbieter. Die stärkere Verhandlungsmacht liegt in der Regeln auf ihrer Seite, insbesondere in den Fällen, in denen die Projektgesellschaft wegen technischer Besonderheiten der Anlagen auf die Kooperation des Herstellers selbst angewiesen ist. Sind die Windenergieanlagen verbindlich bestellt, wird es für die Projektgesellschaft schwieriger die eigenen Interessen im Wartungsvertrag durchzusetzen. Daher empfiehlt sich für die Projektgesellschaft den Wartungsvertrag zum Abschluss zu bringen, solange der Anbieter in einer Wettbewerbssituation steht, also spätestens gleichzeitig mit dem Anlagenliefervertrag. Unabhängig von der Verhandlungssituation ist der Verhandlungsspielraum bei Wartungsverträgen begrenzt. Das Interesse des Anbieters an dem Angebot von individuellen Lösungen ist nicht besonders ausgeprägt, da er für den wirtschaftlichen Betrieb seines Servicenetzes auf eine standardisierte Organisation angewiesen ist. Leistungsbeschreibung Die Hersteller der Anlagen bieten ihre Wartungsverträge in aller Regel als einen Mustervertrag an, der einerseits den Kunden an den Hersteller binden und andererseits die rechtlichen Interessen des Anbieters so weit wie möglich schützen soll. Die Vielfalt der Gestaltungsformen und unterschiedlichen Bezeichnungen der Verträge unterstreicht die Unverwechselbarkeit des Firmenauftritts, trägt aber zur rechtlichen Klärung nicht viel bei367. Dazu kommt, dass die verwendeten Begriffe im alltäglichen Gebrauch nicht immer hinreichend sorgfältig geklärt werden. Es erweist sich daher in der Praxis als hilfreich, mit dem Verhandlungspartner solche Begriffe so detailliert zu klären, dass für alle Beteiligten feststeht, was der andere unter einer bestimmten Bezeichnung (z.B. „Vollwartung“) im Einzelnen inhaltlich versteht und was davon nicht umfasst ist. Daher empfiehlt es, sich die wesentlichen Schlüsselbegriffe im Vertrag sorgfältig zu definieren oder auf die einschlägigen DIN-Normen zu verweisen. Neben der Begriffsklärung ist die exakte Beschreibung der technischen Ziele hinsichtlich Umfang, Intervallen, Zeitaufwand sowie Qualität und Quantität für die drei Ebenen Inspektion, Wartung und Instandsetzung erforderlich368. Für die Projektgesellschaft kommt es darauf an, die Leistungsbeschreibung des Wartungsvertrages so zu verhandeln, dass die Wartung den Anforderungen der Maschinenbruch- und Betriebsunterbrechungsversicherungsverträge sowie der Bank gerecht wird. Dies kann ggf. auch die Verpflichtung zum Vorhalten eines bestimmten Ersatzteilvorrats umfassen. Es bietet sich an, für die Instandhaltung Service Level-Vereinbarungen zu schließen. Durch eine Service Level-Vereinbarung werden zunächst die Eigenschaften der erforderlichen 367

Busch, Ausgewählte vertragsrechtliche Fragen bei der Instandhaltung von Offshore-Windparks – Teil 2, NZBau 2011, S. 85 ff.

368

Siebel/Röver/Knütel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, Rn. 2826.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

129

Funktion und Leistung der Anlage, z.B. Leistungskurve oder die technische Verfügbarkeit, festgelegt. Für den Fall der Nichteinhaltung dieser Anforderungen wird bestimmt, durch welche Maßnahmen und innerhalb welcher Reaktionszeiten die Leistung der Anlage wieder hergestellt wird. Zusätzlich werden die rechtlichen Folgen geregelt, die gelten sollen, wenn die vorgeschriebenen Leistungen nicht innerhalb der vereinbarten Reaktionszeiten erreicht werden. Diese können in Vergütungskürzungen oder Schadenersatzansprüchen bestehen369. Verfügbarkeitsgarantien Die durch die Hersteller angebotenen Wartungsverträge enthalten in der Regel eine Garantie der technischen Verfügbarkeit. Die Garantie besteht in der Haftung des Anbieters dafür, dass entweder jede einzelne Windenergieanlage oder der Anlagenbestand insgesamt für einen bestimmten Prozentsatz des Betriebsjahres technisch zur Produktion von Strom in der Lage ist. Im Falle einer unterhalb des vereinbarten Prozentsatzes liegenden technischen Verfügbarkeit erhält die Projektgesellschaft einen aufgrund von Durchschnittswerten berechneten Ersatz für den entgangenen Erlös. Die Verfügbarkeitsgarantie und damit die – zumindest teilweise – Haftung für den wirtschaftlichen Erfolg der Windenergieanlage betonen den werkvertraglichen Charakter der Instandhaltung370. Die Bezeichnung als „Garantie“ darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich nicht um eine Garantie im Sinne einer verschuldensunabhängigen und einredefreien Haftung für eine zugesicherte Eigenschaft der Windenergieanlage im Sinne des § 639 BGB handelt371. Beschränkungen der Haftung sind zumindest grundsätzlich in dem Umfang zulässig, in dem die Garantie über die ohnehin bestehenden gesetzlichen Ansprüche der anderen Partei hinausgeht372. Je nachdem, ob es sich um eine individualvertragliche oder eine AGB- rechtlich zu beurteilende, formularmäßige Haftungsbeschränkung handelt, können sich unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben373. Die Berechnung der technischen Verfügbarkeit erfolgt in der Regel allein auf Stundenbasis. Es wird also davon ausgegangen, dass die Windenergieanlage bei Vorliegen der Verfügbarkeit tatsächlich in der Lage ist ihre volle Nennleistung zu erreichen. Teilweise werden zur Berechnung der möglichen Betriebszeit von der theoretisch in einem Jahr zur Verfügung stehenden Stundenzahl von 8760 Stunden diejenigen Zeiträume ausgeschlossen, in denen externe Umstände wie Netzfehler, Abschaltungen der Anlagen durch den Netzbetreiber im Rahmen des Netzmanagements gemäß § 11 EEG oder höhere Gewalt die Stromproduktion und Lieferung ohnehin nicht zugelassen hätten. Einige Vertragsmuster gehen so weit, sämtliche Zeiten einer aufgrund höherer Gewalt, geplanter Wartungsarbeiten oder durch die Projektgesellschaft verursachten Nichtverfügbarkeit im vollen Umfang als technische Verfügbarkeit anzusetzen. Ob sich aus solchen Vorschriften eine Übervorteilung der Projektgesellschaft ergibt, lässt sich nur anhand der konkreten Formel ermitteln. Ferner ist eine präzise Defini369

Siebel/Röver/Knütel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, Rn. 1415.

370

Kühnel, BB 1985, S. 1232.

371

Busch, NZBau 2011, S. 85, 89; Michaelis de Vasconcellos, NZBau 2003, S. 121, 124.

372

Schuhmann, BauR 2005, S. 296; Müller NJW 2002, S. 1026 f.; Triebel, Hölzle, BB 2002, S. 521, 531; a. A.: v. Westphalen, BB 2002, S. 209 f.

373

Staudinger/Peters/Jacoby (2008) BGB, § 639 Rn. 3 ff.

130

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

tion der Ausschlusszeiten und der einzelnen Variablen der Verfügbarkeitsformel im Vertrag im Interesse beider Parteien. Die Haftung des Anbieters aus der Verfügbarkeitsgarantie wird in vielen Verträgen auf einen bestimmten Betrag begrenzt. Dies ist insoweit nicht zu beanstanden als die gesetzlichen Mängelgewährleistungsrechte nicht eingeschränkt werden und keine Verstöße gegen AGBrechtliche Bestimmungen vorliegen. Obliegenheiten und Pflichten der Projektgesellschaft Zu den wesentlichen Verpflichtungen der Projektgesellschaft im Rahmen von Wartungsverträgen gehören die Informationspflichten. Hierzu zählt die Verpflichtung die Windenergieanlagen regelmäßig zu begehen und Auffälligkeiten dem Wartungsdienstanbieter mitzuteilen, ferner die Verpflichtung zur Unterhaltung eines Fest- oder Funknetzanschlusses, durch den die Fernüberwachung erfolgen kann. Die Projektgesellschaft hat üblicherweise dafür zu sorgen, dass die Infrastruktur, insbesondere die Zuwegungen und Kranstellflächen, so erhalten werden, dass der Wartungsdienstanbieter seine vertraglichen Leistungen erbringen kann. Zu den Obliegenheiten der Projektgesellschaft gehört es ferner, alle anderen Anlagen, die nicht dem Wartungsvertrag unterliegen so instand zu halten, dass die Wartungsarbeiten und ihr Erfolg nicht beeinträchtigt werden. Einige Wartungsverträge sehen ferner vor, dass die Projektgesellschaft bei Austausch defekter Anlagenbauteile diese zur Ansicht und Ursachenermittlung verlangen kann. Diese Vorschrift ist für die Projektgesellschaft von Bedeutung, da die Möglichkeit zur Ursachenerkundung zu den Verpflichtungen aus Versicherungsverträgen gehört. Daher sollte die Projektgesellschaft in den Vertragsverhandlungen versuchen, die Fristen und Konditionen für die Bereithaltung der defekten Teile an den Anforderungen der Versicherungen auszurichten. Ferner sollte die Projektgesellschaft die Anforderungen des Wartungsvertrages mit den Regelungen ihres eigenen Betriebsführungsvertrages abstimmten, um sicher zu stellen, dass der Betriebsführer die Verpflichtungen des Wartungsvertrages wahrnimmt. Vergütung Die Vergütung wird in Wartungsverträgen in der Regel als Jahrespauschale für die regulären Leistungen vereinbart und um eine zusätzliche Vergütung für Instandsetzungsleistungen ergänzt. Die zusätzliche Vergütung enthält neben dem eigentlichen Vergütungsanteil auch die Kosten der Instandsetzungsarbeiten. Da Umfang und Häufigkeit von Instandsetzungsleistungen nicht sicher vorhersehbar sind und mit steigendem Alter der Windenergieanlage die Kosten dieser Maßnahmen steigen, versuchen die Wartungsdienstanbieter diese Risiken auf ihre Kunden abzuwälzen. Diese müssen dagegen an einer Begrenzung der Kosten interessiert sein. Dies kann durch eine Indexierung erfolgen oder durch die Verpflichtung des Wartungsdienstanbieters vor Instandsetzungsarbeiten eines bestimmten finanziellen Umfangs ein Angebot mit einem Pauschalpreis oder zumindest festen Einzelpreisen vorzulegen.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

131

Als eine andere Möglichkeit, den Wartungsdienstanbieter zur Übernahme von Risiken zu bewegen, kommt in Betracht, ihn am wirtschaftlichen Ertrag des Windparks partizipieren zu lassen. Dieser Anreiz erscheint jedoch in der Praxis auf nur wenig Interesse der Anbieter zu stoßen, die durch den Wartungsvertrag vorrangig die eigenen Risiken zu reduzieren suchen. Neben der Abwälzung von Risiken auf die Projektgesellschaften versuchen sie ihre Vergütung durch Aufrechnungsausschlüsse gegen etwaige Gewährleistungsansprüche abzuschirmen. Abnahme von Wartungs- und Instandhaltungsleistungen Soweit der Wartungsvertrag nach Werkvertragsrecht zu beurteilen ist, kann die Projektgesellschaft auf einer Abnahme bestehen. Dies gilt für die Instandsetzungsarbeiten des Wartungsunternehmens und dürfte darüber hinaus zumindest für diejenigen Wartungsarbeiten gelten, die über eine bloße Überprüfung hinaus auch Betriebsstoffwechsel, Justierungen und andere Arbeiten an der Windenergieanlage selbst umfassen. Zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Abnahme kann im Wesentlichen auf die Ausführungen zum Generalunternehmervertrag verwiesen werden. Für die Vertragsgestaltung gilt daher die Empfehlung, die Abnahme, ihre Voraussetzungen und das Verfahren im Vertrag zu regeln. Soweit eine Abnahme nicht erfolgt, insbesondere bei den eher als Dienstleistung einzuordnenden Inspektionsarbeiten, sollte der Vertrag zumindest die Protokollierung und Mitteilung der Inspektionsarbeiten und ihrer Ergebnisse vorsehen. Mängelgewährleistung Die Mängelgewährleistung für Wartungsverträge folgt grundsätzlich dem Werkvertragsrecht. Daher kann insoweit auf die Ausführungen zum Generalunternehmervertrag verwiesen werden. Soweit der Wartungsvertrag dienstvertragliche Elemente enthält, kommt zwar grundsätzlich eine Haftung für einen bestimmten Erfolg nicht in Betracht. Aber im Einzelfall kann auch der Verstoß gegen dienstvertragliche Verpflichtungen, z.B. regelmäßige Schmierung von Lagern, zu einem Instandsetzungsfall führen. Auch wenn die Instandsetzung korrekt ausgeführt wird, verbliebe der Projektgesellschaft ein wirtschaftlicher Schaden, wenn sie gemäß der vertraglichen Vereinbarung die zusätzliche Vergütung und die Kosten der Instandhaltung zu tragen hätte. Da diese bei ordnungsgemäßer Wartung nicht entstanden wären, muss der Projektgesellschaft zumindest der allgemeine Schadenersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB zustehen, der in einer Freistellung von Vergütung und Kosten der Instandhaltung besteht. Das OLG München hat darüber hinaus die werkvertragliche Gewährleistungshaftung aber auch auf Inspektions- und Wartungsleistungen auf den Fall ausgedehnt, dass aufgrund schlechter oder nicht innerhalb der vertraglichen Intervalle erfolgter Wartungsmaßnahmen mit Störungen der Anlage zu rechnen ist, ohne dass ein Schaden an der Anlage bereits eingetreten sein muss374. Die Projektgesellschaft ist nach den Anforderungen der Banken und Versicherungen gehalten, spätestens mit Beginn des Betriebes einen Wartungsvertrag abzuschließen. Der Wartungsvertrag läuft daher während der ersten zwei bzw. fünf Jahre parallel neben der Gewährleistungszeit des Anlagenliefervertrages und des Generalunternehmervertrages. Insbesondere 374

OLG München, Urt. v. 22.11.1988 (AZ: 25 U 5810/86) Beck RS 2010, 9111.

132

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

zu Beginn der Betriebsphase kann es unklar sein, ob ein auftretender Mangel auf einer Schlechtleistung bei Errichtung beruht oder einer fehlerhaften Wartung zuzuweisen ist. Gehört der Wartungsdienstanbieter zum Konzern des Anlagenherstellers, sollte die Projektgesellschaft vertraglich klarstellen, dass dem Wartungsdienstanbieter Schlechtleistungen des Anlagenherstellers zuzurechnen sind375. Laufzeit des Wartungsvertrages und Pflicht zum Vertragsabschluss Die Vertragsdauer des Wartungsvertrages ist für die finanzierende Bank von besonderer Bedeutung, da sie mit fortschreitender Alterung der Windenergieanlagen mit einer steigenden wirtschaftlichen Belastung des Windparks rechnen muss. Dieses Risiko stiege zusätzlich, wenn während der Darlehenslaufzeit ein neuer Wartungsvertrag abgeschlossen werden müsste. Dies gilt besonders bei solchen Anbietern, die aufgrund von Patentrechten und spezifischem know how faktisch als einziger Partner für einen Anschlussvertrag in Frage kommen. Daher werden in der Praxis Laufzeiten von deutlich über zehn Jahren vereinbart. Diese Dauer der Laufzeit kann sich, soweit sie formularmäßig vereinbart ist, als nach § 309 Nr. 8 a) BGB unwirksam erweisen376. Da die AGB-rechtlichen Vorschriften des BGB jedoch den Vertragspartner des Verwenders von Formularverträgen schützen sollen, im Falle des Wartungsvertrages also die Projektgesellschaft, muss sie nicht befürchten, dass der Wartungsanbieter den Vertrag unter Hinweis auf AGB-Recht vorzeitig beendet. Anders als in den üblichen Fällen formularmäßig langfristiger Verträge hat die Projektgesellschaft bei Wartungsverträgen grundsätzlich ein Interesse an einer langfristigen Bindung. Im Zusammenhang mit der vertraglich vereinbarten Vertragsdauer steht die Frage, ob die Projektgesellschaft vom Wartungsunternehmen nach Auslaufen des ersten Wartungsvertrages den Neuabschluss bzw. die Fortsetzung des Wartungsvertrages verlangen kann. Hierzu hat der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 1974 für ein technisch kompliziertes Druckgerät Stellung genommen377. Maßstab der Prüfung waren die Verbote der Diskriminierung und der unbilligen Behinderung nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sowie die Vorschriften der §§ 823 ff. BGB über unerlaubte Handlungen. Nach Auffassung des Gerichts kann bei wertvollen, technisch komplexen und hochsensiblen Geräten das Interesse des Betreibers an einer fachlich spezialisierten und erfahrenen Wartung so stark überwiegen, dass er einen Anspruch auf Abschluss eines angemessenen Wartungsvertrages gegen den Hersteller oder dessen Vertreter haben kann378. Das Gericht verlangte jedoch, dass die Wartung dem Hersteller bzw. seinem Vertreter auch zumutbar sein müsse. Dies ist nach seiner Auffassung dann nicht gegeben, wenn die Maschine ohne Zutun des Herstellers so wesentlich verändert wurde, so dass man die Übernahme der Verantwortung für ihre Funktionsfähigkeit von ihm nicht verlangen kann379. Unter den wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten spielt zudem eine Rolle, ob der Wartungsanbieter eine faktisch marktbeherrschende 375

Busch, NZBau 2011, S. 87.

376

BGH NJW 1994, S. 2693; LG Saarbrücken NJW-RR 2002, S. 1715.

377

BGH, Urt. v. 19.09.1974 GRUR 1975, S. 326 ff.

378

BGH, Urt. v. 19.09.1974 GRUR 1975, S. 328.

379

BGH, Urt. v. 19.09.1974 GRUR 1975, S. 328.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

133

Stellung hat oder ob die Wartung auch durch andere Unternehmen durchgeführt werden kann, da es sich um eine verbreitete und allgemein bekannte Technik handelt380. Aufgrund dieser Rechtsprechung kann die Auffassung vertreten werden, dass eine Projektgesellschaft gegen einen Wartungsunternehmer grundsätzlich einen Anspruch auf Fortsetzung oder Neuabschluss eines abgelaufenen Wartungsvertrages haben kann, wenn er auf die Fremdwartung technisch angewiesen ist und ein anderer kompetenter Anbieter nicht zur Verfügung steht. Dies dürfte zumindest auf solche Typen von Windenergieanlagen zutreffen, deren Technik nicht aus Standardkomponenten, sondern speziell angefertigten Teilen besteht oder nach einem außergewöhnlichen technischen Prinzip funktioniert. Die Projektgesellschaft sollte zudem vermeiden, ohne Abstimmung mit dem Wartungsunternehmen technische Änderungen an den Anlagen durchzuführen. Ihre Grenze findet diese Verpflichtung zum Neuabschluss oder Fortsetzung des Vertrages jedoch dann, wenn dem Wartungsunternehmen ein Kündigungsgrund zu Gebote steht, der es für ihn unter Abwägung aller relevanten, auch der vorgenannten Interessen beider Parteien und unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben nicht mehr zumutbar erscheinen lässt, die Vertragsbeziehung fortzusetzen.

2.3.3.3

Zusammenfassung

Der Wartungsvertrag umfasst Inspektion, Wartung und Instandsetzung von Windenergieanlagen. Da der Wartungsdienstanbieter durch die Übernahme dieser Leistungen für den Erfolg der permanent aufrechterhaltenen Leistungsfähigkeit der Windenergieanlagen zu sorgen hat, handelt es sich beim Wartungsvertrag um einen Werkvertrag mit dienstvertraglichen Elementen. Die Leistungsbeschreibung des Wartungsvertrages muss präzise definiert sein und technische, zeitliche und wirtschaftliche Parameter so bestimmen, dass der Nachweis von Leistungsmängeln gewährleistet wird. Kern des Leistungskatalogs des Wartungsvertrages ist die Garantie der technischen Verfügbarkeit. Diese Garantie ist keine abstrakte und einredefreie Garantie, sondern kann durch inhaltliche Einschränkungen, Vorbehalte und Einreden in zulässiger Weise beschränkt werden, soweit diese Einschränkungen nicht die gesetzlichen Gewährleistungsrechte berühren. Die Projektgesellschaft muss die Anforderungen des Wartungsvertrages mit den übrigen relevanten Projektverträgen abstimmen. Insbesondere sollten die Verpflichtungen und Obliegenheiten aus dem Wartungsvertrag deckungsgleich auf den Betriebsführer übertragen werden, um ihre Erfüllung sicher zu stellen. Anforderungen der Versicherer müssen in der Leistungsbeschreibung des Wartungsvertrages reflektiert werden. Die Vergütung ist üblicherweise in eine Pauschale für die regulären Inspektions- und Wartungsarbeiten und eine zusätzliche Vergütung für Instandsetzungsmaßnahmen aufgeteilt. Für die zusätzliche Vergütung sollte die Projektgesellschaft eine vertragliche Begrenzung der in diese Vergütung einfließenden Kosten anstreben.

380

Hefermehl, Anm. zu BGH, Urt. v. 19.09.1974 GRUR 1975, S. 329.

134

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Abnahme und Mängelgewährleistung unterliegen dem Werkvertragsrecht. Soweit eine Abnahme einer Leistung wegen fehlender Erfolgshaftung nicht in Betracht kommt, sollte der Wartungsvertrag Protokollierungs- und Mitteilungspflichten vorsehen. Die Gewährleistung kann in besonderen Fällen auch die rein dienstvertraglichen Komponenten der Inspektionsund Wartungsarbeiten ergreifen. Die Laufzeit von Wartungsverträgen überschreitet in der Regel deutlich die Dauer von 10 Jahren. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht die Aussicht, dass die Projektgesellschaft einen Anspruch auf Fortsetzung des Wartungsvertragsverhältnisses haben kann.

2.3.4

Direktverträge

2.3.4.1

Bedeutung und Entwicklung

Grundsätzlich wird die Bank bei einer Projektfinanzierung nicht Partei der zwischen der Projektgesellschaft und den anderen Parteien abgeschlossenen Verträge. Die Banken lassen sich üblicherweise die Rechte und Ansprüche der Projektgesellschaft aus Projektverträgen als Sicherheit abtreten. Die Abtretung rückt die Bank jedoch nicht in die Rolle einer Vertragspartei. Sie erlangt durch eine Forderungsabtretung keine Gestaltungsrechte, wie z.B. das Recht zu Rücktritt oder Kündigung oder sonstiger rechtlich abgesicherter Einflussnahme auf die Vertragsgestaltung. Forderungsabtretungen sollen in erster Linie die Vollstreckung potentieller Drittgläubiger vermeiden und auf diesem Wege das Insolvenzrisiko im Sinne eines ringfencing minimieren. Die klassische Verwertung von Forderungen in der Projektfinanzierung spielt in diesem auf Sicherung des aus dem Projektbetrieb fließenden Cashflows ausgerichteten Konzepts nur eine untergeordnete Rolle381. Für die Erhaltung des Cashflows für den Schuldendienst kommt es vielmehr auf Inhalt und Bestandskraft der wesentlichen Projektverträge an. Daher werden neben der Forderungsabtretung der Bank in Bezug auf bestimmte Projektverträge durch die Vertragsparteien eigene Rechte eingeräumt. Beim Abschluss von Nutzungsverträgen zur Errichtung von Windparks wird üblicherweise zwischen der Projektgesellschaft und den Grundeigentümern vereinbart, dass die Bank in den Nutzungsvertrag anstelle der Projektgesellschaft das Nutzungsentgelt zahlen oder in den Vertrag eintreten darf, wenn dem Grundeigentümer ein Kündigungsrecht zusteht. Rechtstechnisch handelt es sich hierbei um die Vereinbarung eines Rechtes zugunsten eines Dritten nach § 328 BGB. Mit der Einräumung dieses Rechtes wird die Bank jedoch nicht Vertragspartei und bleibt in ihrem Einfluss auf das Schicksal des Projektvertrages beschränkt. In jüngerer Zeit gehen Banken auch bei Projektfinanzierungen in Deutschland verstärkt dazu über, wesentliche Projektverträge durch sogenannte Direktverträge zu ergänzen. Als solche bezeichnet man zwischen einem Projektbeteiligten und der Bank direkt abgeschlossene Verträge, die neben einem Projektvertrag bestehen. Dadurch entsteht eine dreiseitige vertragliche Struktur, in der z.B. der Generalunternehmer neben dem mit der Projektgesellschaft 381

Sester, Peter, Insolvenzfeste Direktverträge in der Projektfinanzierung und bei Public-Private-PartnershipProjekten, ZBB 2004, S. 283, 284 a. E.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

135

geschlossenen Generalunternehmervertrag einen Direktvertrag mit der Bank abschließt, in dem er sich der zugunsten der Bank für die Dauer der Finanzierung in Bezug auf seine Rechte als Generalunternehmer bindet. Der Gedanke des Direktvertrages wurde im englischen Recht für Projektfinanzierungen entwickelt382.

2.3.4.2

Gründe für den Abschluss von Direktverträgen

In der Projektfinanzierung steht die Sicherung des fortlaufend erwirtschafteten Cashflows im Vordergrund der Finanzierungsstruktur. Daher ist die Bank daran interessiert, die für den Erfolg des Projektes wesentlichen Beteiligten unmittelbar an sich zu binden und überwachen zu können. In der Errichtungsphase sind dies vor allem der Generalunternehmer und der Hersteller der Windenergieanlagen. In der Betriebsphase gehören hierzu die Grundeigentümer und gegebenenfalls das Wartungsunternehmen. Die Bank hat ein erhebliches Interesse daran frühzeitig zu erfahren, wenn es in der Abwicklung von Projektverträgen zu Problemen kommt, die sich auf den Schuldendienst auswirken können383. Üblicherweise sehen Direktverträge daher vor, dass der Generalunternehmer gegenüber der Bank die Verpflichtung zu kooperativem Verhalten, insbesondere Informationspflichten, übernimmt. Diese betreffen z.B. den Eintritt von Kündigungsgründen, aber auch die Erreichung bestimmter Meilensteine im Baufortschritt oder den Ausfall oder Leistungsmängel wesentlicher Subunternehmer. Durch den Direktvertrag kann die Bank in die Lage versetzt werden, Risiken aufgrund mangelnder Leistungs- bzw. Zahlungsfähigkeit oder obstruktiver oder unprofessioneller Geschäftsführung der Projektgesellschaft zu vermindern. Diese Risiken könnten auf Seiten des anderen Projektbeteiligten zu nachteiligen Rechten führen, wie z.B. Zurückbehaltungs-, Leistungsverweigerungs- und Kündigungsrechte des Generalunternehmers. Um dies zu verhindern, kann die Bank im Direktvertrag für sich die Befugnis vorsehen, anstelle der Projektgesellschaft Zahlungen oder andere Leistungen mit vertragsgemäß erfüllender Wirkung an den Generalunternehmer zu bewirken384. Diese, die Rolle der Projektgesellschaft teilweise ersetzende Befugnis kann durch die Vereinbarung des Rechts der Bank ergänzt werden, anstelle der Projektgesellschaft selbst in den Projektvertrag einzutreten. Im Verwertungsfall ermöglicht diese Befugnis der Bank, die in aller Regel auch Sicherungseigentümer der Gegenstände des Anlagevermögens der Projektgesellschaft ist, in die relevanten Projektverträge selbst oder durch einen Dritten einzutreten und das Projekt ohne die Projektgesellschaft weiter zu betreiben. Der Direktvertrag bietet somit im Verein mit den übrigen Sicherungsrechten die Möglichkeit einer Verwertung durch 382

Sester, ZBB 2004, S. 283, 285: Bis mit der Contracts (Right to Third Party) Act von 1999 Vereinbarungen zugunsten Dritter zugelassen wurden, war die Vereinbarung von Rechten zugunsten Dritter im englischen Recht unwirksam. Um trotzdem den Banken eine direkte rechtliche Beziehung zu wesentlichen Projektbeteiligten zu ermöglichen, wurde der Direktvertrag entwickelt. Er spielt im englischen Recht auch nach 1999 bei Projektfinanzierungen noch eine wesentliche Rolle.

383

Minuth, Klaus, Stiller, Friedrich, Direktverträge mit Generalunternehmern in der Projektfinanzierung, NZBau 2009, S. 574, 576.

384

Minuth, Stiller, NZBau 2009, S. 578.

136

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

asset deal anstelle einer Verwertung der verpfändeten Gesellschaftsanteile an der Projektgesellschaft als share deal385. Dies wird bei Windparks relevant, deren Gesellschaftsanteile nicht an die Bank verpfändet werden, sei es aus steuerlichen Gründen oder weil es sich um einen Publikumsfonds handelt. Ein weiterer Vorteil von Direktverträgen besteht darin, dass die Bank in diesem Vertrag bestimmte, für die Projektgesellschaft nachteilige Bestimmungen des zugrunde liegenden Projektvertrages im Rahmen ihres Verhandlungsspielraums abmildern oder abdingen kann386. Dies kann bedeutsam werden, wenn der Projektvertrag bereits abgeschlossen ist, bevor die Bank die Finanzierung in Angriff nimmt und eine nachträgliche Öffnung der Vertragsverhandlungen nicht durchsetzbar oder zeitlich nicht realistisch ist. Für den anderen, der Projektgesellschaft gegenüber stehenden Projektbeteiligten kann es trotz der erheblichen Rechte der Bank, ebenfalls interessant sein, einen Direktvertrag abzuschließen. Durch die Option der Bank anstelle einer nicht leistungsfähigen Projektgesellschaft in den Vertrag einzutreten, vermindert sich das Ausfallrisiko. Insbesondere für einen Generalunternehmer, der während der gesamten Errichtungsphase das Leistungs- und Vergütungsrisiko trägt, kann die Bereitschaft der Bank zur Übernahme des Projektes von Bedeutung sein, insbesondere dann, wenn die Bonität der Sponsoren der Projektgesellschaft nicht über alle Zweifel erhaben ist oder die durch sie zu stellenden Sicherheiten das Unternehmerrisiko nicht im erwarteten Maße abdecken. Die vorgenannten Zwecke des Direktvertrages lassen sich durch einen allein von den Projektbeteiligten ohne Beteiligung der Bank geschlossenen Vertrag zugunsten eines Dritten nach § 328 BGB nur ungenügend erreichen. Da die Bank als begünstigter Dritter nicht Partei eines zweiseitigen Projektvertrages wird, kann sie nicht aus eigenem Recht an die Stelle der Projektgesellschaft treten. Es fehlen ihr als Forderungsinhaber die vertraglichen Gestaltungsrechte. Zwar umfassen manche Sicherungsabtretungen auch Gestaltungsrechte. Ob jedoch Gestaltungsrechte wirksam abgetreten werden können, ist zumindest umstritten387. Die Vertragsübernahme ist im deutschen Recht als dreiseitiger Vertrag ausgestaltet und kann, wenn sich eine Partei in einer wirtschaftlichen Krise befindet, nach den §§ 103 ff. und §§ 129 ff. InsO angegriffen werden388. Zudem zeigt § 334 BGB, nach dem Einwendungen gegenüber der Projektgesellschaft auch gegenüber der berechtigten Bank eingreifen, dass dem berechtigten Dritten letztlich nur abgeleitete Rechte zustehen. Durch den Direktvertrag erwirbt die Bank eine eigene Position als Vertragspartei und die damit verbundenen Gestaltungsrechte. Der Direktvertrag ist zudem in seinem Bestand unabhängig von der Wirksamkeit des zugrunde liegenden Projektvertrages389. 385

Sester, ZBB 2004, S. 286; Siebel, Röver, Knütel Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, Rn. 1470.

386

Minuth, Stiller, NZBau 2009, S. 576 f.

387

Der BGH lässt die Abtretung von Gestaltungsrechten zu, wenn sie zusammen mit der Hauptforderung erfolgt und ausdrücklich vereinbart ist, BGH NJW 1973, S. 1793; 1985, S. 2640; BGH WM 2002, S. 649, 650; a. A: MünchKommBGB/Roth 2009, § 399 Rn.19; stark differenzierend: Staudinger/Busche 2005 § 413, Rn. 13 f.

388

Sester, ZBB 2004, S. 286.

389

Siebel, Röver, Knütel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, Rn. 1469.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

2.3.4.3

137

Vertragsgestaltung

Die Gestaltung eines Direktvertrages hängt wesentlich von den Besonderheiten eines Projektes und der Projektverträge ab. Schon mit Rücksicht auf Ressourcen und Zeitplan wird die Bank nur für die wesentlichen Projektverträge den Abschluss von Direktverträgen verlangen. Der Inhalt dieser Verträge wird ihrem Zweck entsprechend am Inhalt des jeweiligen Projektvertrages und der für relevant eingeschätzten Risiken orientiert sein. Die im Direktvertrag zusammen gefassten unterschiedlichen Klauseln, ausgehend von weiten Kooperationsverpflichtungen über Informationspflichten bis hin zur Ersatzvornahme und Vertragseintritt erlauben keine Zuordnung zu einem der im BGB angebotenen Leitbilder. Es kommen vielmehr verschiedene dienst- und werkvertragliche Aspekte sowie Schuldversprechen in Betracht. Daher dürfte es sich beim Direktvertrag vielmehr um einen typengemischten Vertrag oder gar einen Vertrag sui generis handeln. Als typengemischte Verträge werden Verträge angesehen, die Elemente verschiedener Vertragsarten enthalten und kombinieren, ohne dass die Einordnung in eine einzige Kategorie den Vertrag befriedigend erklärt390. Die rechtliche Beurteilung orientiert sich daher nur insoweit an einem gesetzlichen Leitbild, wie dies in Bezug auf die konkrete einzelne Bestimmung des Direktvertrages zu angemessenen Ergebnissen führt. Dies ist aufgrund der dem BGB zugrundeliegenden Vertragsfreiheit unproblematisch. Die Parteien können daher bis an die Grenzen privatautonomer Vereinbarung, den Vertragsinhalt frei aushandeln, und sollten dies auch im Detail sorgfältig tun. Informationspflichten Für die Bank kommt es darauf an, die im Verlaufe der Abwicklung eines Projektvertrages auftretenden Risiken und ihre Verschärfung frühzeitig zu erfahren. Daher wird sie, in ähnlicher Form wie im Darlehensvertrag mit der Projektgesellschaft, frühzeitige Informationen vom Projektbeteiligten verlangen. Im Gegensatz zum Darlehensnehmer werden die Informationen auf die Entwicklung des Vertragsverhältnisses zur Projektgesellschaft und in Bezug auf wenige wesentliche Nachunternehmerverträge, beschränkt sein. Informationspflichten über seine innerbetrieblichen Umstände wird der Projektbeteiligte nicht akzeptieren. Auch in Bezug auf seine Nachunternehmer wird er möglicherweise Vorbehalte gegen die Offenlegung von Details haben. Bestehen zwischen dem Generalunternehmer und seinen Nachunternehmern Vertraulichkeitsabreden, kann die Bank den Generalunternehmer auch nicht umgehen, indem sie direkte Beziehungen zu den Nachunternehmern sucht. Die üblichen Informationspflichten umfassen den Hergang der Abwicklung des Projektvertrages, insbesondere die Einhaltung des Zeitplans, die Erreichung von Meilensteinen, Vertragsverstöße oder Versäumnis der Projektgesellschaft mit ihren Obliegenheiten und der Eintritt oder der potentielle Eintritt von Gestaltungsrechten des Projektbeteiligten. Zu diesen letzten Ereignissen zählen insbesondere Zurückbehaltungs- und Leistungsverweigerungsrechte sowie das Recht zur Kündigung- bzw. zum Rücktritt.

390

Larenz, Karl, Canaris, Claus-Wilhelm, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 123 f.

138

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Leistung anstelle der Projektgesellschaft Die frühzeitige Information der Bank wird im Direktvertrag oft durch die Befugnis der Bank ergänzt, anstelle der Projektgesellschaft deren Vertragspflichten und Obliegenheiten zu erfüllen. Die Regelungen der Projektverträge bestimmen in der Regel ausdrücklich, dass es sich um eine Option, nicht aber um eine Verpflichtung zur Übernahme der Leistung handelt. Andernfalls könnte die Erfüllungsbefugnis als Schuldübernahme nach § 414 BGB oder Erfüllungsübernahme nach § 329 BGB beurteilt werden und das Risiko einer Haftung der Bank für die Verbindlichkeiten der Projektgesellschaft bergen. Ein solches Ergebnis wäre in mehrerlei Hinsicht problematisch für die rechtliche und ökonomische Position der Bank. Zudem wird in Direktverträgen oft klargestellt, dass die Leistung der Bank mit Erfüllungswirkung erfolgt. Um die für die Entscheidungsfreiheit und reale Entscheidungsfähigkeit der Bank wesentliche freie Ausübung der Option auch praktisch zu sichern, sehen Direktverträge bestimmte Stillhalteperioden vor. Während dieser Perioden ist es dem Projektbeteiligten untersagt, die ihm aufgrund des Projektvertrages oder Gesetzes grundsätzlich zustehenden Rechte auszuüben. Die Dauer dieser Perioden hängen von den Gegebenheiten des Projektes und dem Verhandlungsgewicht der Parteien ab und variieren zwischen 30 Tagen und mehreren Monaten. Sollte die Einhaltung der Stillhalteperiode für den Projektbeteiligten mit Risiken behaftet sein, kann die Bank durch Vereinbarung einer Sicherheit oder Haftungsübernahme für bestimmte Ereignisse die Akzeptanz der Stillhalteperiode durch den Vertragspartner erleichtern391. Das Eintrittsrecht Für die Sicherung des Cashflows im Falle einer krisenhaften Entwicklung der Projektgesellschaft sehen Direktverträge für Projektfinanzierungen in der Regel auch den Eintritt der Bank anstelle der Projektgesellschaft vor. Die praktischen Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts werden durch die erwähnten Informationspflichten und die Stillhaltepflicht gewährleistet. Da ein Eintrittsrecht in aller Regel für den Fall der Kündigung durch den Projektbeteiligten eingreifen soll, verlangt die Bank die Mitteilung des Eintritts eines Kündigungsrechts und auch der Kündigungsabsicht des Projektbeteiligten. Die für die Entscheidung über den Vertragseintritt erforderliche Stillhalteperiode muss jedoch deutlich länger angesetzt werden als für Optionen der Bank für auf weniger einschneidende Schritte. Ob die in der Literatur vorgeschlagenen392 und in der Praxis oft zu beobachtenden 90 Tage ausreichen und im Einzelfall stets ausgenutzt werden können, kann nicht theoretisch beantwortet werden. Erfordern die Umstände ein schnelles Handeln, z.B. wenn die Inbetriebnahme eines Windparks noch vor Ende der laufenden Degressionsperiode erfolgen soll, kann die Bank in der konkreten Situation unter erheblichen Entscheidungsdruck geraten. Das Eintrittsrecht wird in den meisten Direktverträgen parallel in zwei Alternativen ausgestaltet. Zum einen wird ein Recht der Bank vereinbart, durch einseitige Erklärung unmittelbar in den Projektvertrag anstelle oder neben der Projektgesellschaft einzutreten und die Rechte und Pflichten darauf in der Lage zum Zeitpunkt der Optionsausübung zu überneh391

Siebel, Röver, Knütel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, Rn. 1467.

392

Siebel, Röver, Knütel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, Rn. 1467: nennt mindestens 90 Tage für die Entscheidung der Bank; Minuth, Stiller, NZBau 2009, S. 576 f.: sehen 30 bis 120 Tage als marktüblich an.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

139

men. Der Projektvertrag bleibt bei dieser Variante inhaltsgleich in Kraft393. Die Parteien müssen daher auch mit Blick auf die gesetzlichen Regelungen der §§ 417 ff. BGB bestimmen, ob und in welchem Umfang die eintretende Bank vor Eintritt begründete Verpflichtungen übernimmt und Sicherheiten fortgelten sollen. Anstelle der Vertragsübernahme kann die Bank in vielen Verträgen den neuen Abschluss eines inhaltlich gleichen Projektvertrages verlangen. Bei dieser Variante handelt es sich nicht um die Gestaltung des Vertragsverhältnisses unmittelbar durch einseitige Erklärung. Die Eintrittserklärung der Bank schafft lediglich die Verpflichtung des Projektbeteiligten, mit der Bank den Projektvertrag zu den bisherigen Konditionen neu abzuschließen394. Stimmt der Projektbeteiligte nicht zu, macht er sich gegebenenfalls schadenersatzpflichtig. Doch der Projektvertrag kommt mit der Bank nicht zustande. Schwierigkeiten können sich im Einzelfall ergeben, wenn der Projektbeteiligte ursprünglich vereinbarte günstige Konditionen nicht mehr aufrechterhalten will. Dieses Risiko erscheint weniger bedeutend, wenn die Bank sich von vornherein darüber im Klaren ist, dass ein Direktvertrag seiner gesamten Struktur nach nicht zur Lösung von Problemen geeignet ist, die vom Projektbeteiligten ausgehen. Beide Varianten sehen in der Regel vor, dass die Bank anstelle selbst in den Projektvertrag einzutreten, die Befugnis erhält, den Eintritt durch einen Dritten vorzunehmen. Dabei kann es sich sowohl um eine von der Bank gehaltene Einzweckgesellschaft als auch um einen externen, interessierten Investor handeln. Für den Projektbeteiligten ergibt sich bei Eintritt eines Dritten das Risiko, dass er entgegen seiner Erwartung nicht auf die regelmäßig geschätzte Bonität der Bank vertrauen darf, sondern dem höheren Risiko der eintretenden Gesellschaft ausgesetzt ist. Kann sich der Projektbeteiligte in den Verhandlungen durchsetzen, wird im Direktvertrag oft eine Absicherung der Bonität des übernehmenden Vehikels durch die Bank vorgesehen.

2.3.4.4

Insolvenzrechtliche Risiken

Werden die im Darlehensvertrag mit der Projektgesellschaft und im Direktvertrag vereinbarten Informationspflichten erfüllt und durch die Bank hinreichend überwacht, kann die Bank frühzeitig vor dem Eintritt der Insolvenz der Projektgesellschaft ihre Rechte aus dem Direktvertrag ausüben. Entwickelt sich die Krise der Projektgesellschaft jedoch, bevor eine Restrukturierung gelingt, müssen die im Direktvertrag vereinbarten Rechte auch nach den Vorschriften des Insolvenzrechts beurteilt werden. Hier lauern insbesondere für die Interessen der Bank einige rechtliche Risiken. Im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Projektgesellschaft hat der Insolvenzverwalter mit der Eröffnung nach § 103 InsO bei beidseitig nicht voll erfüllten Verträgen das Recht, die Erfüllung durch die Insolvenzmasse zu wählen. Verweigert der Insolvenzverwalter die Erfüllung, kommt die weitere Erfüllung des Vertrages unmittelbar zum endgültigen Stillstand. Weitere Bestimmungen über die Beendigung und Fortgeltung von Verträgen in der Insolvenz enthalten insbesondere die §§ 104ff. InsO, unter anderem 393

Sester, ZBB 2004, S. 288.

394

Sester, ZBB 2004, S. 288.

140

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

enden Vollmachten der insolventen Gesellschaft an Dritte, die sich auf das Vermögen der insolventen Gesellschaft beziehen. Diese Bestimmungen dienen dazu, die Insolvenzmasse unabhängig von den bereits bestehenden Verträgen anzureichern. Daher bestimmt § 119 InsO ergänzend, dass Vereinbarungen, die diese Bestimmungen im Voraus ausschließen oder einschränken, unwirksam sind. Die Fortführung eines Projektvertrages durch die Bank kann daher nur sichergestellt werden, wenn diese weder von einer Erklärung der Projektgesellschaft noch des Insolvenzverwalters abhängt. Eine Vertragsübertragung von der Projektgesellschaft an die Bank scheidet daher aus, weil sie als dreiseitiger Vertrag unter anderem von der aktiven Beteiligung der Projektgesellschaft abhängig ist. Die in Direktverträgen vorgesehenen einseitigen Optionen der Bank und Neuabschlussverpflichtungen vermeiden die Beteiligung der Projektgesellschaft. Doch können auch hier Risiken auftreten. Die Ausübung des Eintrittsrechts nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens könnte als Eintritt einer im Direktvertrag vereinbarten aufschiebend bedingten Verfügung der Projektgesellschaft im Sinne des § 81 InsO und damit als unwirksam angesehen werden395. Aber auch ein lange vor der Krise des Projektes abgeschlossener Direktvertrag kann in der Insolvenz durch die insolvenzrechtlichen Anfechtungsrechte betroffen sein. Der Insolvenzverwalter ist unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt, einzelne die Masse benachteiligende Klauseln anzufechten396. Die Eintrittsrechte der Bank sind an die Kündigung oder den Rücktritt des Projektbeteiligten gekoppelt. Kündigt der Projektbeteiligte den Projektvertrag aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, könnte die Kündigung aufgrund von § 119 InsO unwirksam sein. Liegt ein die Projektgesellschaft benachteiligender Kündigungsgrund vor, könnte der Insolvenzverwalter nach den §§ 129 ff. InsO berechtigt sein, die Vereinbarung dieses Kündigungsgrundes anzufechten397. In beiden Fällen wäre die Lösung des Projektbeteiligten vom Projektvertrag unwirksam bzw. nichtig und das Eintrittsrecht der Bank träte nicht in Kraft. Zwar könnte der Projektbeteiligte trotzdem mit der Bank einen inhaltlich gleichen Vertrag schließen. Da der Insolvenzverwalter in einem solchen Szenario die Kündigung zu dem Zweck anfechtet, selbst die Erfüllung des bestehenden Projektvertrages zu wählen, sähe sich der Projektbeteiligte zwei Verträgen über die inhaltlich selbe Leistung gegenüber. Er wird daher dazu neigen, mit der Bank keinen neuen Vertrag abzuschließen. Der BGH hat jedoch solche Kündigungsgründe als zulässig und grundsätzlich nicht anfechtbar angesehen, auf die die kündigende Vertragspartei einen gesetzlichen Anspruch hat. Dies ist der Fall, wenn der Vertragspartner zur Leistung nicht in der Lage ist oder er sich schwere Vertragsverletzungen hat zuschulden kommen lassen398. Eine Kündigung aufgrund solcher Gründe dürfte daher eine rechtliche Basis für den Neuabschluss des Vertrages durch die Bank bieten.

395

Bunsen, Reichert-Facilides, in: Unternehmensfinanzierung, 2008, S. 629.

396

BGH NJW 1994, S. 449, 451; BGH ZIP 2000, 757, 759; Sester, ZBB 2004, S. 287.

397

Siebel, Röver, Knütel, Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, Rn. 1471; Sester, ZBB 2004, S. 287

398

BGH NJW 1994, S. 449, 451; Sester, ZBB 2004, S. 287.

2.3 Projektverträge: Generalunternehmer-Vertrag und Wartungsvertrag

141

Um die dargestellten Risiken im Vorfeld einer Insolvenz zu vermindern, sollte die Bank in der sich anbahnenden Krise frühzeitig über den Eintritt in den Projektvertrag nachdenken. Da bisher noch keine gerichtlichen Entscheidungen über die Durchsetzbarkeit von Direktverträgen unter den Bedingungen eines Insolvenzverfahrens nach deutschem Recht vorliegen399, kann nicht von der rechtssicheren Funktionsfähigkeit von Direktverträgen ausgegangen werden. Die Bedeutung des Direktvertrages für die Besicherung der Bank liegt trotz der offenen rechtlichen Fragen darin, dass er eine rechtliche Grundlage dafür bietet, in der Krise des Projektes die Projektbeteiligten „bei der Stange zu halten“, und bevor es zu einem Insolvenzverfahren kommt, das Projekt durch Übertragung auf eine Auffanggesellschaft zu restrukturieren400.

2.3.4.5

Zusammenfassung

Die aus dem englischen Rechtskreis stammenden Direktverträge finden zunehmend Eingang in die deutsche Projektfinanzierung. Im Zusammenspiel mit den von der Projektgesellschaft gestellten Sachsicherheiten kann der zwischen der Bank und dem Vertragspartner der Projektgesellschaft einzugehende Direktvertrag geeignet sein, das Projekt selbst und seine Verträge zu übernehmen und auf diese Weise den Cashflow sicher zu stellen. Kernstück eines Direktvertrages ist neben Kooperations- und Informationspflichten die Befugnis der Bank, in den betreffenden Projektvertrag anstelle der Projektgesellschaft einzutreten bzw. einen neuen Vertrag gleichen Inhalts mit dem Projektbeteiligten abzuschließen. Aufgrund insolvenzrechtlicher Restriktionen besteht das Risiko, dass Direktverträge in oder auch schon vor einem später eröffneten Insolvenzverfahren nicht wirksam eingesetzt werden können. Direktverträge müssen daher sorgfältig entworfen und unter Berücksichtigung der jeweiligen insolvenzrechtlichen Situation ausgeübt werden. Insolvenzrechtliche Rechtsprechung fehlt hierzu bisher. Daher ist eine sorgfältige Überwachung von Anzeichen einer Krise der Projektgesellschaft und frühzeitiges Handeln der Bank erforderlich.

399

Minuth, Stiller, NZBau 2009, S. 579.

400

Bunsen, Reichert-Facilides, in: Unternehmensfinanzierung, 2008, S. 630; Minuth, Stiller, NZBau 2009, S. 579.

142

2.4

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Besondere rechtliche Anforderungen an Repowering-Projekte

DR. MARTIN DENECKE Dr. Martin Denecke ist seit 2006 als Rechtsanwalt in München tätig und seit 2010 Partner der Kanzlei SATELL RECHTSANWÄLTE STEUERBERATER: Martin Denecke berät Projektentwicklungen und Transaktionen von Wind- und Solarenergieanlagen sowie Geothermieprojekte insbesondere aus öffentlich-rechtlicher Sicht und in Fragen des EEG.

BURKHARD REPPICH Burkhard Reppich ist seit 2000 als Rechtsanwalt in Rostock, Frankfurt am Main und München tätig und seit 2010 Partner der Kanzlei SATELL RECHTSANWÄLTE STEUERBERATER. Burkhard Reppich betreut Finanzinvestoren, Energieversorgungsunternehmen und Projektentwickler im Bereich der Erneuerbaren Energien mit dem Schwerpunkt Transaktion und EEG.

2.4.1

Einleitung

Unter Repowering wird das Ersetzen älterer Windenergieanlagen durch neue, leistungsstärkere Anlagen verstanden. Die technische Entwicklung der Windenergieanlagen hat in den letzten Jahren zu einer Vervielfachung der Anlagenleistung geführt, die durch das Repowering in mehrfacher Hinsicht genutzt werden kann. Während Mitte der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland gewöhnlich Anlagen mit einer Leistung von 500–650 kW installiert wurden, werden heute überwiegend Anlagen errichtet, deren Leistung im Durchschnitt um die zwei MW und höher liegt. Die durchschnittliche Leistungsfähigkeit hat sich damit rund vervierfacht, vereinzelt werden an Land Windkraftanlagen mit einer Leistung von bis zu 7,5 MW installiert. Erreicht wurde diese Vervielfachung der Leistung zum einen durch größere Windenergieanlagen, zum anderen durch die elektrotechnische und strömungsmechanische Optimierung der Anlagen401. Die Vorteile des Austauschs älterer Windenergieanlagen durch neue, leistungsstärkere Turbinen im Zuge eines Repowering liegen auf der Hand: zunächst geht damit eine erhebliche Effizienzsteigerung einher. Durch die um ein mehrfaches höhere Leistungsfähigkeit moderner Anlagen wird das Windenergieangebot am selben Standort deutlich besser ausgenutzt, Anlagenbetreiber können so größere Erträge erzielen. Zugleich führt die Effizienzsteigerung zu sinkenden Erzeugungskosten für Windstrom. Infolge der höheren Leistung der neuen Anlagen kann durch das Repowering außerdem die Zahl der Anlagen insgesamt verringert werden, so wird auch eine Entlastung des Landschaftsbildes erreicht. Auf diese Weise bietet sich insbesondere für die betroffenen Standortgemeinden die Möglichkeit, frühere Planungsfehler bzw. Missstände aufgrund fehlender Planung oder Steuerung der Ansiedlung von Windenergieanlagen im Zuge der Neuanordnung der Anlagen zu beheben. Weiterhin spricht für die Ersetzung älterer Windenergieanla401

Vgl. Möhring, Leitfaden Repowering, 2010, S. 14.

2.4 Besondere rechtliche Anforderungen an Repowering-Projekte

143

gen, dass moderne Turbinen aufgrund der deutlich geringeren Rotordrehzahlen auf Betrachter ruhiger wirken. Die Rotoren neuer Anlagen drehen sich ca. zehn bis zwanzigmal pro Minute, Anlagen der 500 kW-Klasse arbeiten dagegen noch mit vierzig bis sechzig Umdrehungen in der Minute. Dieser Vorteil wird freilich dadurch geschmälert, dass neue Anlagen auch deutlich größer und höher sind als ältere Anlagen und so von weitem sichtbar sind und das Landschaftsbild stärker dominieren. Andererseits erzeugen moderne Anlagen trotz der höheren Leistung in der Regel keine größeren Lärmemissionen als die kleineren Vorgängermodelle. Schließlich spricht für den Ersatz älterer durch moderne Anlagen, dass diese aufgrund des verbesserten Netzanschlussverhaltens eine bessere Netzintegration gewährleisten. An moderne Windenergieanlagen werden in dieser Hinsicht Anforderungen gestellt, die sich an den Kriterien für den Anschluss konventioneller Kraftwerke orientieren. Windenergieanlagen sind heute imstande, bestimmte Systemdienstleistungen bereit zu stellen und in kritischen Situationen (zum Beispiel Netzkurzschluss oder -engpass) einen stabilen und netzstützenden Betrieb zu gewährleisten402. Im Ergebnis werden so durch das Repowering von Altanlagen neben wirtschaftlichen Vorteilen auch positive Effekte für Nachbarn der Anlagen und die Allgemeinheit erzielt403. Vor diesem Hintergrund sieht auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in § 30404 einen Anreiz für das Repowering vor. Dieser Anreiz in Form eines erhöhten Vergütungssatzes, dem sog. Repowering-Bonus, wird als erforderlich angesehen, weil die zu ersetzenden Altanlagen häufig noch nicht vollständig abgeschrieben wurden405. Üblicherweise werden die Fremdfinanzierungen für die Altanlagen auch nach einem Zeitraum von durchschnittlich zehn bis fünfzehn Jahren auslaufen. Wirtschaftlich besonders interessant ist daher ein Repowering von Anlagen der sog. 500 kW-Klasse, die Mitte bis Ende der 1990iger Jahre errichtet wurden, und durch neuere Anlage mit einer Leistung von zwei MW oder mehr ersetzt werden können, da hier besonders hohe Effizienz- und Rentabilitätssteigerungen erreicht werden können. Mittlerweile ist erklärtes Ziel der Bundesregierung, die Energieversorgung in Deutschland im Lauf der kommenden Jahrzehnte weitgehend aus regenerativen Quellen sicherzustellen. Der Erzeugung von Strom aus Wind kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, da die Windenergie gegenwärtig und zumindest auf absehbare Zeit den größten Anteil aus erneuerbarer Energie erzeugten Stroms liefern kann. Für die Errichtung von Windenergieanlagen an Land stehen allerdings immer weniger Standorte zur Verfügung, die Zubauraten von Onshore-Anlagen 402

Deutscher Städte- und Gemeindebund (Hrsg.), Dokumentation Nr. 94, Repowering von Windenergieanlagen – kommunale Handlungsmöglichkeiten, S. 22.

403

Vgl. zu den Vorteilen des Repowering: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – http://www.erneuerbare-energien.de/inhalt/44473/ und Bundesverband WindEnergie e.V. – http://www.windenergie.de/de/themen/repowering/warum-repowering/.

404

Alle zitierten Paragraphen des EEG beziehen sich auf das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien in der ab dem 01.01.2012 geltenden Fassung, BGBl. I, S. 1634 (EEG 2012).

405

Salje, EEG-Kommentar, 5. Auflage 2009, § 30, Rn. 2.

144

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

sinken daher seit dem Jahr 2002406. Allgemein wird angenommen, dass die ehrgeizigen Ausbauziele der Bundesregierung nur durch die Realisierung der geplanten Offshore-Anlagen und Repowering-Projekte erreicht werden können. Gerade dem Repowering von Windenergieanlagen wird dabei ein großes Potenzial bescheinigt. Nach Angaben des Bundesverbandes Windenergie werden im Jahr 2012 in Deutschland 9.359 Anlagen mit einer installierten Leistung von 6.104 MW ein Alter von mindestens zwölf Jahren erreicht haben. Da diese Anlagen vor allem an windstarken Küstenstandorten stehen, bieten sie ein riesiges Potenzial für das Repowering407. Ungeachtet dieser großen Erwartungen an das Repowering von Windenergieanlagen sind tatsächlich durchgeführte Repowering-Projekte bislang eher selten zu finden. So waren im Jahr 2009 nur etwa 7 % des Zubaus an Windenergieanlagen Repowering-Maßnahmen zuzurechnen. Die weit überwiegende Zahl der Repowering-Maßnahmen wurde in SchleswigHolstein durchgeführt und konzentriert sich dabei noch im Besonderen auf den Landkreis Nordfriesland408. Trotz aller oben geschilderter wirtschaftlicher Vorteile und technischer Entwicklungen bleibt der Ersatz kleiner, älterer Windenergieanlagen durch moderne, leistungsstärkere Anlagen vor Ablauf des gesetzlich garantierten Vergütungszeitraums somit deutlich hinter den Erwartungen zurück409. Den wesentlichen Grund für die zögerliche Verwirklichung von Repowering-Projekten stellen sicher die zahlreichen rechtlichen Probleme dar, die mit dem Repowering einer Windenergieanlage verbunden sind. Neben einer Reihe von Voraussetzungen, die eine Windenergieanlage erfüllen muss, um die erhöhte Einspeisevergütung durch den Repowering-Bonus nach dem EEG zu erhalten, stellen sich vor allem auch zahlreiche planungs- und genehmigungsrechtliche Fragen. So ist das „repowern“ einer Anlage aus öffentlich-rechtlicher Sicht nicht anders zu bewerten als deren erstmalige Errichtung. Das Auswechseln älterer Anlagen durch neue, größere Windenergieanlagen – zumeist verbunden mit einer Reduzierung der Gesamtanlagenzahl – macht daneben auch die Auflösung oder Änderung bestehender Vertragsverhältnisse (z.B. mit Verpächtern der Anlagengrundstücke) erforderlich und führt im Regelfall zu erheblichen Änderungen in der Betreiberstruktur. Im Folgenden soll ein Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen eines RepoweringProjekts gegeben werden und insbesondere die in der Praxis auftretenden Probleme herausgearbeitet werden. Ziel dieser Ausführungen ist es, ein Bewusstsein für die bei einem Repowering von Windenergieanlagen zu beantwortenden Fragen zu schaffen. Dabei sollen in dieser Darstellung zunächst die energierechtlichen Voraussetzungen des Repowering erörtert werden (Kapitel 2.4.2), danach werden einige aus zivilrechtlicher Sicht zu berücksichtigen406

Vgl. zur Entwicklung der Windenergienutzung in Deutschland die Darstellung in: Deutscher Städte- und Gemeindebund (Hrsg.), Dokumentation Nr. 94, Repowering von Windenergieanlagen – kommunale Handlungsmöglichkeiten, S. 17 ff.

407

Vgl. Bundesverband WindEnergie e.V. – http://www.wind-energie.de/de/themen/repowering/

408

Vgl. Deutscher Städte- und Gemeindebund (Hrsg.), Dokumentation Nr. 94, Repowering von Windenergieanlagen – kommunale Handlungsmöglichkeiten, S. 25 ff.

409

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, EEG-Erfahrungsbericht 2011, S. 107.

2.4 Besondere rechtliche Anforderungen an Repowering-Projekte

145

den Fragestellungen behandelt (Kapitel 2.4.3), um schließlich eine Übersicht über die Genehmigungssituation bei Repowering-Maßnahmen zu geben (Kapitel 2.4.4).

2.4.2

Energierecht

Als wesentlicher Impuls für den rasanten Ausbau der Erneuerbaren Energien in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland wird man das EEG ansehen können. Das im Jahr 2000 in Kraft getretene Gesetz verfolgt ausweislich seines programmatischen § 1 Abs. 1 im Interesse von Klima- und Umweltschutz das Ziel, eine nachhaltige Energieversorgung zu ermöglichen, die volkswirtschaftlichen Kosten der Energieversorgung zu verringern, fossile Ressourcen zu schützen und die Weiterentwicklung von Technologien zur Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien zu fördern. Zu diesem Zweck soll der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung kontinuierlich ansteigen (§ 1 Abs. 2 EEG)410. Um diese Ziele in der Praxis der Energieerzeugung umzusetzen, hat der Gesetzgeber im EEG insbesondere mehrere gesetzliche Ansprüche des Betreibers einer Anlage zur Erzeugung von Strom aus regenerativen Quellen gegen den Netzbetreiber geregelt. So bestehen Ansprüche auf unverzüglichen vorrangigen Anschluss der Anlage an das öffentliche Stromnetz, auf die vorrangige Abnahme und die Vergütung des erzeugten Stroms zu festgeschriebenen Vergütungssätzen411. Gerade der gesetzliche Vergütungsanspruch, der – zumindest in den ersten Betriebsjahren einer Windenergieanlage – noch deutlich über dem durchschnittlichen Marktpreis für Strom liegt, hat dabei zum beschleunigten Ausbau der Energieerzeugungsanlagen beigetragen. Für Strom, der in Windenergieanlagen erzeugt wird, die ältere, leistungsschwächere Anlagen ersetzt haben (sog. Repowering-Anlagen) sieht das EEG seit 2004 unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen eine erhöhte Vergütung in Form des sog. Repowering-Bonus vor.

2.4.2.1

Vergütung für Strom aus Repowering-Anlagen

Für Strom, der aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, besteht nach § 16 EEG grundsätzlich ein Anspruch des Anlagenbetreibers auf Zahlung einer gesetzlich festgelegten Vergütung gegen den Netzbetreiber. Zu den erneuerbaren Energien gehört nach der Definition des § 3 Nr. 3 EEG auch die Windenergie. Die Vergütung des in einer Windenergieanlage erzeugten Stroms richtet sich nach den besonderen Vergütungsregelungen der §§ 29–31 EEG. Mit Blick auf die Vorteile der Ersetzung leistungsschwächerer Anlagen durch moderne, stärkere Turbinen hat sich der Gesetzgeber zu einer darüber hinaus gehenden Förderung des Repowering im EEG entschlossen. Geleitet war er dabei – ausweislich der Gesetzesbegründung – neben der Nutzung der Ertragssteigerung aufgrund des technischen Fortschritts vor allem auch von der Idee, dass durch das Repowering planerische Fehlentwicklungen bei der 410

Nach § 1 Abs. 2 EEG ist nunmehr eine stufenweise Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung von 35 % bis 2020, 50% bis 2030, 65 % bis 2040 und 80 % bis 2050 festgeschrieben.

411

Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 2.2.2.

146

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Errichtung von Windenergieanlagen in den 1990iger Jahren behoben werden können, da im Wege des Repowering eine Bündelung zahlreicher verstreut liegender Anlagen an einzelnen Standorten erreicht werden kann. Dadurch sollte auch die Akzeptanz der Windkraft in der Bevölkerung verbessert werden412. Für eine Förderung bietet sich im EEG die Aufnahme einer eigenen Vergütungsregelung für das Repowering an. Erstmals wurde daher mit § 10 Abs. 2 EEG 2004 eine eigenständige Regelung für das Repowering in das EEG aufgenommen. Um die Potenziale der Windenergie besser zu erschließen, wird mit der seit 2009 in § 30 EEG enthaltenen Regelung ein wirtschaftlicher Anreiz für Anlagenbetreiber zum Repowering ihrer Bestandsanlagen geboten. Strom aus Repowering-Anlagen erhält eine um 0,5 Cent/kWh erhöhte Anfangsvergütung – den sog. Repowering-Bonus. Um den Anspruch auf die erhöhte Vergütung zu erhalten, müssen mehrere Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein, die nachfolgend im Einzelnen dargestellt werden. 1. Zunächst müssen die Repowering-Anlagen im selben oder in einem angrenzenden Landkreis eine oder mehrere bestehende Windenergieanlagen endgültig ersetzen. Die Legaldefinition der Repowering-Anlagen in § 30 Abs. 1 Satz 1 EEG ist somit enger als das allgemeine Begriffsverständnis einer „repowerten“ Anlage. „Endgültig ersetzt“ im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, dass demontierte Anlagen im selben oder einem benachbarten Landkreis nicht wieder in Betrieb genommen werden dürfen413. Werden Altanlagen im Geltungsbereich des EEG wieder in Betrieb genommen, besteht kein Vergütungsanspruch für den mit diesen Turbinen erzeugten Strom. § 30 Abs. 2 EEG legt hierzu präzisierend fest, dass eine Anlage im Sinne des EEG ersetzt ist, „wenn sie höchstens ein Jahr vor und spätestens ein halbes Jahr nach der Inbetriebnahme der Repowering-Anlage vollständig abgebaut und vor Inbetriebnahme der Repowering-Anlage außer Betrieb genommen wurde. Der Vergütungsanspruch für die ersetzte Anlage entfällt endgültig.414. 2. Die ersetzte Anlage muss außerdem vor dem 01.01.2002 in Betrieb genommen worden sein (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EEG). Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Anlagenbetreiber den Nachweis erbringen kann, dass der Rückbau der Altanlage bzw. der Altanlagen gerade aufgrund des Repowering erfolgte. Dieser Nachweis kann durch Vorlage entsprechender vertraglicher Vereinbarungen zwischen den Betreibern der Altanlage und der Repowering-Anlage geführt werden415. Als Indiz kann auch die ununterbrochene Zahlung der EEG-Vergütung gelten416. Begründet wird diese Beschränkung des RepoweringBonus auf Anlagen, die vor dem 01.01.2002 in Betrieb genommen wurden, mit der fehlenden Möglichkeit der netztechnischen Nachrüstung dieser Anlagen und der Tatsache, dass Anlagen vor diesem Zeitpunkt oftmals als Einzelanlagen errichtet wurden. Aus 412

Vgl. BT-Drucks. 16/8148, S. 58.

413

Vgl. die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 16/8148, S. 58; Kahle/Reshöft, in: Reshöft (Hrsg.), EEG, 3. Auflage 2009, § 30, Rn. 14; Salje, EEG-Kommentar, 5. Auflage 2009, § 30, Rn. 12.

414

Durch diese Klarstellung in der Gesetzesnovelle 2012 sind die anderslautenden Auffassungen von Salje, EEGKommentar, 5. Auflage 2009, § 30, Rn. 11 und Wustlich, Das Recht der Windenergie im Wandel, ZUR 2007, S. 16 (23) überholt.

415

Kahle/Reshöft, in: Reshöft (Hrsg.), EEG, 3. Auflage 2009, § 30, Rn. 20.

416

Salje, EEG-Kommentar, 5. Auflage 2009, § 30, Rn. 14.

2.4 Besondere rechtliche Anforderungen an Repowering-Projekte

147

Gründen der Netzintegration und des Landschaftsschutzes sei ein Repowering hier besonders wünschenswert. Durch diese Vorschrift verkleinert sich das zukünftige Potential des Repowering, da nach diesem Zeitpunkt errichtete Windenergieanlagen unabhängig von ihrem Alter jedenfalls aus vergütungsrechtlicher Sicht nicht mehr repoweringfähig sind. 3. Als weitere Voraussetzung nennt § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EEG eine Mindestleistung für das Repowering. Die Leistung der Repowering-Anlagen muss danach mindestens das Zweifache der ersetzten Anlagen betragen. Fraglich war bisher, welchen Leistungsbegriff das EEG an dieser Stelle zugrunde legt, ob also auf die installierte elektrische Wirkleistung der Anlage417, auf die Generatorleistung oder auf den Referenzertrag abzustellen ist418. Der Gesetzgeber hat hier durch die EEG-Novelle 2012 Klarheit geschaffen: Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EEG soll die „installierte Leistung der Repowering-Anlage“ maßgeblich sein. 4. Eine bis 2012 nicht ausdrücklich im Gesetz enthaltene Voraussetzung für den RepoweringBonus wurde im Zuge der EEG-Novelle als Nr. 4 in § 30 Abs. 1 Satz 1 EEG aufgenommen: Die Anzahl der Repowering-Anlagen darf die Anzahl der ersetzten Anlagen nicht übersteigen419. Entsprechend dem Gesetzeszweck, dass Repowering-Vorhaben immer auch der Entlastung des Landschaftsbildes und damit der Steigerung der Akzeptanz der Windenergie dienen sollen, müssen also im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 30 EEG mehr Anlagen abgebaut werden, als neu installiert werden. Sind diese Voraussetzungen gegeben, erhöht sich die Anfangsvergütung für die RepoweringAnlage um 0,5 Cent/kWh. Unter Anfangsvergütung ist hier die für die Repowering-Anlage zu zahlende Anfangsvergütung gemäß § 29 EEG, nicht die der ersetzten Anlage zu verstehen420. Der Repowering-Zuschlag ist zunächst für einen Zeitraum von fünf Jahren zu zahlen, aufgrund der Verweisung auf § 29 EEG verlängert sich der Zeitraum, in dem der RepoweringBonus gezahlt wird, entsprechend der Verlängerung des Zeitraums für die Zahlung der Anfangsvergütung für die Windenergieanlage.

2.4.2.2

Netzanschluss

Das EEG differenziert grundsätzlich nicht nach der Erzeugung von Strom aus Windenergie und nach der Erzeugung von Strom aus Windenergie-Repowering-Projekten, lässt man die in Abschnitt 2.4.2.1 geschilderten rechtlichen Besonderheiten im Zusammenhang mit dem Repowering-Bonus einmal unberücksichtigt. Dies bedeutet, dass alle sonstigen allgemeingültigen Vorschriften des EEG, insbesondere aus Teil 1 und Teil 2 Abschnitt 1 des EEG, naturgemäß auch auf Repowering-Anlagen Anwendung finden, da das Repowering von Windenergieanlagen grundsätzlich in weiten Bereichen entsprechend zu beurteilen ist wie die Neuerrichtung von Windenergieanlagen. 417

So z.B. Kahle/Reshöft, in: Reshöft (Hrsg.), EEG, 3. Auflage 2009, § 30, Rn. 21; Prall im Altrock/Oschmann/ Theobald (Hrsg.), EEG, f30, Rn. 24.

418

Vgl. hierzu Salje, EEG-Kommentar, 5. Auflage 2009, § 30, Rn. 18 f.

419

BT-Drucks. 17/6071, S. 24.

420

Salje, EEG-Kommentar, 5. Auflage 2009, § 30, Rn. 20.

148

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Zu diesen allgemeingültigen Vorschriften zählt unter anderem auch der § 5 EEG, welcher detaillierte und seit dem 01.05.2011 in den Absätzen 5 und 6 ergänzte Vorgaben zum Netzanschluss von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien trifft. Das bereits oben beschriebene Procedere421 des Netzanschlusses inklusive der Bestimmung des relevanten Netzverknüpfungspunktes sowie der Reservierung der notwendigen Einspeisekapazität hat auch jede Repowering-Anlage beim Netzbetreiber im Sinne des EEG zu durchlaufen. So ist an dieser Stelle als spezifische rechtliche Anforderung an RepoweringProjekte darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Realisierung eines Repowering-Projektes grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Netzverknüpfungspunkt, welcher in der Vergangenheit bereits als Netzverknüpfungspunkt im Sinne des EEG für die zu ersetzenden Windenergieanlagen ermittelt worden war, mit demjenigen Netzverknüpfungspunkt identisch sein muss, der nunmehr für die Repowering-Anlagen zu ermitteln ist. Ergibt das (möglichst frühzeitig einzuleitende) Verfahren nach § 5 EEG zur Bestimmung des Netzverknüpfungspunktes, dass die Repowering-Anlagen einen gegenüber den von ihnen zu ersetzenden Windenergieanlagen divergierenden Netzverknüpfungspunkt haben, hat dies eine Reihe von rechtlichen Implikationen, die im Rahmen der sorgfältigen Projektplanung und -entwicklung zu bedenken sind. So kann es erforderlich werden, einen ggf. vollständig neuen Kabeltrassenverlauf von der Repowering-Anlage bis hin zum Netzverknüpfungspunkt zu projektieren. Neben den dabei anfallenden zusätzlichen Kosten ist zu bedenken, dass in diesem Fall die neu projektierte Kabeltrasse (neuerlich) vollständig schuldrechtlich und dinglich über entsprechende Nutzungsverträge mit den Grundstückseigentümern sowie der Eintragung beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten zu sichern ist. Entsprechendes gilt u.U. natürlich auch für Grundstücke, auf denen ein Umspannwerk oder eine Übergabestation errichtet werden sollen. Auch insoweit kann es erforderlich werden, für ein ggf. neu zu errichtendes Umspannwerk oder eine ggf. neu zu errichtende Übergabestation der Repowering-Anlage neue schuldrechtliche und dingliche Grundstückssicherungen vorzunehmen.

2.4.3

Zivilrechtliche Fragen

Aus den rechtlichen Vorgaben, die das EEG für die Vergütung von Repowering-Anlagen aufstellt, wird insbesondere auch vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Klarstellung im Zuge der EEG-Novelle und der Einfügung der Nr. 4 in den § 30 Abs. 1 EEG 422 deutlich, dass eine erfolgreiche Umsetzung eines Repowering-Vorhabens die Verfügbarkeit und die Zusammenfassung von mehreren bereits installierten (Alt-)Anlagen voraussetzt. Ohne diese Verfügbarkeit und Zusammenfassung bestehender Anlagen ist die gesetzgeberische Intention, die Verringerung von Anlagenzahlen, nicht erfüllbar und sind die Vergütungsvoraussetzungen im EEG für Repowering-Anlagen nicht zu erbringen. 421

Vgl. die Ausführungen in Kapitel 2.2.2.1 von Dr. Wolfram Distler.

422

BT-Drucks. 17/6071, S. 24.

2.4 Besondere rechtliche Anforderungen an Repowering-Projekte

149

Ob im Zusammenhang mit dem „Einsammeln“ verstreuter Einzelanlagen, d.h., von mehreren Windenergieanlagen, die jeweils im Eigentum unterschiedlicher natürlicher oder juristischer Personen stehen, oder im Zusammenhang mit dem Repowering eines bereits existierenden größeren zusammenhängenden Windparks, bei dem die jeweiligen Windenergieanlagen einer einzigen natürlichen oder juristischen Person zuzuordnen sind, in jedem Fall werden zwischen allen Beteiligten, insbesondere aber zwischen den alten und ggf. neuen Anlagenbetreibern sowie den alten und ggf. neuen Grundstückseigentümern, vielfältige bestehende zivilund gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen geprüft und angepasst bzw. aufgehoben werden müssen.

2.4.3.1

Grundstückssicherung

Eine zentrale Herausforderung jedes Repowering-Vorhabens besteht in der EEG-konformen Auswahl der neuen Windenergiestandortflächen und in der für alle Beteiligten zufrieden stellenden Behandlung der Eigentümer der zu ersetzenden Windenergieanlagenflächen. Einerseits gilt es, die Nutzung der Repowering-Anlagenflächen (sowie aller ggf. erforderlichen sonstigen Flächen für Zuwegungen, Kabel, Umspannwerke, Übergabestationen bzw. Ausgleichsmaßnahmen) aus Sicht der Betreiber schuldrechtlich und dinglich hinreichend für die prognostizierte Laufzeit der Repowering-Anlagen sicherzustellen. Auf der anderen Seite haben die Eigentümer der Flächen mit aufstehenden und zu ersetzenden Windenergieanlagen im Regelfall noch mehrere Jahre andauernde vertragliche Ansprüche aus Pacht- oder Nutzungsverträgen gegenüber den bisherigen Betreibern dieser zu ersetzenden Windenergieanlagen. Sofern eine Repowering-Anlage auf einem Grundstück errichtet und betrieben werden soll, welches zuvor schon für die Nutzung der zu ersetzenden Windenergieanlage in Anspruch genommen wurde, bietet sich die Anpassung des bestehenden Nutzungsvertrages (insbesondere hinsichtlich der konkreten Lage der Repowering-Anlage auf dem Grundstück, Laufzeit des Vertrages, Vergütung etc.) sowie ggf. die Überleitung dieses Vertrages vom alten Betreiber auf einen neuen Betreiber mittels eines den Schriftformanforderungen des BGB genügenden Nachtrages unter Mitwirkung aller Beteiligten an. Dabei ist nicht nur zu beachten, dass regelmäßig kein Rechtsanspruch auf Anpassung des ursprünglichen Pacht- oder Nutzungsvertrages und Abschluss eines entsprechenden Nachtrages bestehen wird und schon allein aus diesem Grunde die kooperative Mitwirkung des Grundstückseigentümers erforderlich ist, sondern dass zusätzlich die ggf. geänderten Anforderungen der die RepoweringAnlage finanzierenden Bank an einen solchen Pacht- oder Nutzungsvertrag (z.B. ein geändertes dingliches Sicherungskonzept, geänderte Eintrittsrechte etc.) in die Vertragsgestaltung zu implementieren sind. Sofern ein Grundstück mit aufstehender und zu ersetzender Windenergieanlage künftig nicht mehr benötigt wird, um darauf eine Repowering-Anlage zu errichten und zu betreiben, ist in aller Regel der der Nutzung dieses Grundstücks zugrunde liegende ursprüngliche Nutzungsvertrag zu beenden. Dabei ist in Betracht zu ziehen, dass die Vertragsparteien dieses ursprünglichen Nutzungsvertrages die Möglichkeiten der vorzeitigen Beendigung des Vertrages vor Ablauf der zumeist vereinbarten Festlaufzeit des Vertrages gerade weitestgehend einschränken bzw. auf das gesetzlich zulässige Maß beschränken wollten und in der Regel

150

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

auch rechtlich wirksam beschränkt haben, um dem alten Betreiber ein hohes Maß an Rechtssicherheit für die Nutzung des Vertragsgegenstandes (des Grundstückes) und dem Grundstückseigentümer ein hohes Maß an Rechtssicherheit für die Erzielung des vereinbarten Nutzungsentgeltes während der vertraglichen Festlaufzeit zu verschaffen. Ein rechtssicherer Anspruch des alten Betreibers von zu ersetzenden Windenergieanlagen auf Auflösung oder Beendigung des immer noch bestehenden Nutzungsvertrages vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Festlaufzeit lässt sich somit auch nur in den seltensten Fällen dem zugrunde liegenden Vertrag entnehmen, da die Vertragsparteien die ordentliche Kündigung des Vertrages für die vereinbarte Festlaufzeit zumeist wirksam ausgeschlossen haben. Die unternehmerisch motivierte Teilnahme des bisherigen Betreibers der Windenergieanlage an einer Repowering-Maßnahme und die damit ggf. einhergehende Entscheidung über die Einstellung des Betriebs der zu ersetzenden Windenergieanlage wurde im Regelfall auch nicht vertraglich als Grund für eine außerordentliche Kündigung des Vertrages definiert. Eine erfolgversprechende Berufung des ursprünglichen Betreibers auf den in § 314 BGB geregelten Fall der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund erscheint zudem zumindest fraglich, da ein wichtiger Grund aus der bloßen Absicht an der Teilhabe an einer Repowering-Maßnahme wohl eher nicht rechtswirksam zu konstruieren sein dürfte. Damit verbleibt im Regelfall die Notwendigkeit, den Eigentümer eines Grundstückes mit aufstehender und zu ersetzender Windenergieanlage anderweitig zu motivieren, an einer vorzeitigen Vertragsbeendigung mitzuwirken, sei es durch eine Beteiligung an einer neu zu gründenden Betreibergesellschaft der Repowering-Anlage oder durch Zahlung einer Entschädigung für entgangene Nutzungsvergütungen. Sofern eine Repowering-Anlage auf einem Grundstück errichtet und betrieben werden soll, welches zuvor nicht schon für die Nutzung einer zu ersetzenden Windenergieanlage in Anspruch genommen wurde, ist der Neuabschluss eines Nutzungsvertrages, welcher den Anforderungen des neuen Betreibers sowie der die Errichtung der Repowering-Anlage finanzierende Bank entspricht, erforderlich. Dieser Nutzungsvertrag wiederum weist grundsätzlich keine spezifischen Besonderheiten gegenüber einem Vertrag auf, der ursprünglich die zu ersetzenden Windenergieanlagen umfasste.

2.4.3.2

Gesellschaftsrechtliche Neustrukturierung

Eine weitere zentrale Herausforderung jedes Repowering-Vorhabens besteht in der gesellschaftsrechtlichen Strukturierung einer den Interessen aller beteiligten Eigentümer von zu ersetzenden Windenergieanlagen ausreichend Rechnung tragenden Form. So wird es in den seltensten Fällen gelingen, dass die Eigentümerstruktur bezüglich der zu ersetzenden Windenergieanlagen identisch mit der Eigentümerstruktur bezüglich der Repowering-Anlagen ist. Weit häufiger war im Rahmen von erfolgreich umgesetzten Repowering-Maßnahmen ein Sachverhalt zu verzeichnen, wonach die Eigentümer der zu ersetzenden Windenergieanlagen – häufig auch gemeinsam mit neuen Investoren und/oder beteiligten Grundstückseigentümern von Alt- und Neustandorten – in die Gesellschafterstellung einer neu gegründeten Betreibergesellschaft für die Repowering-Anlagen wechselten. In diesem Zusammenhang spielt eine Vielzahl von vor allem wirtschaftlichen Erwägun-

2.4 Besondere rechtliche Anforderungen an Repowering-Projekte

151

gen eine zentrale Rolle für die zu klärende Frage der Verteilung der gesellschaftsrechtlichen Anteile an einer solchen neu gegründeten Betreibergesellschaft für die Repowering-Anlagen. Dabei fließen Faktoren, wie z.B. Inbetriebnahmejahre der Altanlagen, Abschaltdaten der Altanlagen, Rückbaukosten der Altanlagen etc., in die Ermittlung der jeweiligen Beteiligungshöhen ein oder führen ggf. auch dazu, dass die Repowering-Maßnahme nicht mittels einer neu zu gründenden Betreibergesellschaft umgesetzt werden kann. Alternativ zu dem zuvor geschilderten Szenario sind in der Praxis Repowering-Maßnahmen anzutreffen, bei denen die Eigentümer der zu ersetzenden Windenergieanlagen eigentumsrechtlich an den Repowering-Anlagen gar nicht mehr, auch nicht mittelbar über eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an einer neu gegründeten Betreibergesellschaft, beteiligt sind. Diese Konstellation ist einschlägig, wenn ein Repowering-Initiator Altanlagen bzw. Altstandorte im Sinne des Wortes „einsammelt“, um allein bzw. mit neuen Investoren unter Beachtung der gesetzlichen Maßgaben des § 30 EEG ein Repowering-Vorhaben umzusetzen. Allen Alternativen ist jedoch eines gemeinsam: Ohne eine ausreichende wirtschaftliche Kompromissbereitschaft unter den beteiligten Parteien wird es eine erfolgreiche Umsetzung dieser gesellschaftsrechtlichen Struktur mit sinnvollem zeitlichem und wirtschaftlichem Aufwand für das Repowering-Projekt nicht geben können, da der Frage der Gewinnmaximierung aus Sicht der einzelnen Beteiligten nicht das maßgebliche Gewicht beigemessen werden kann, soll die erfolgreiche Umsetzung des Repowering-Projektes gelingen. Weitergehende allgemeinhaltige Aussage zur gesellschaftsrechtlichen Strukturierung lassen sich an dieser Stelle nicht treffen, da die in der Praxis anzutreffenden gesellschaftsrechtlichen Fallgestaltungen bzgl. der Eigentümerstellungen an den zu ersetzenden Anlagen (z.B. Publikumsgesellschaften/Fonds, Bürgerwindparks) wie auch an den Repowering-Anlagen vielfältiger Natur sind.

2.4.4

Genehmigung von Repowering-Projekten

In diesem Abschnitt sollen in Grundzügen die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen für die Genehmigung eines Repowering-Projektes dargestellt werden. Wurden Anlagen identifiziert, die nach Standort und Alter repoweringfähig sind und wurden etwa bestehende Fragen der Grundstückssicherung mit den Eigentümern der Pachtflächen bzw. – bei verschiedenen Eigentümern/Betreibergesellschaften – gesellschaftsrechtliche Vorüberlegungen geklärt, stellt sich die Frage, ob die Ersetzung der Altanlagen auch öffentlich-rechtlich genehmigungsfähig ist. Bereits vorab lässt sich hier festhalten, dass das Repowering von Windenergieanlagen genehmigungsrechtlich genauso zu beurteilen ist wie die Neuerrichtung von Anlagen. Im Rahmen dieser Darstellung wird vorausgesetzt, dass das Repowering von Windenergieanlagen eine Genehmigung nach § 4 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) erfordert, da Windenergieanlagen neueren Bautyps nicht auf Grundlage eines Baugenehmigungsverfahrens errichtet werden können. Die Zulassung von Windenergieanlagen durch eine Baugenehmigung ist nur für Anlagen bis zu einer Gesamthöhe von 50 m möglich; heute übliche

152

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Multimegawattanlagen sind deutlich, teilweise um ein mehrfaches, höher und unterliegen daher dem Immissionsschutzrecht. Zwar ist nach § 15 Abs. 1 BImSchG die Änderung einer genehmigungsbedürftigen Anlage lediglich schriftlich anzuzeigen, beim Repowering von Windenergieanlagen handelt es sich jedoch nicht um eine bloße Änderung im Sinne des Immissionsschutzrechtes, vielmehr ist hier von einer Neuerrichtung der Anlage auszugehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Altanlage durch eine deutlich höhere und leistungsstärkere Anlage ersetzt wird, wie es im Rahmen eines Repowering regelmäßig der Fall ist. Die damit verbundene Änderung der Anlage ist von dem für die Altanlage erteilten Genehmigungsbescheid nicht mehr gedeckt. Im Einzelfall mag zwar eine Änderungsgenehmigung gem. § 16 Abs. 1 BImSchG genügen, falls eine ältere Altanlage tatsächlich am selben Standort durch eine nicht wesentlich größere Neuanlage ersetzt wird. Sobald aber mehrere Altanlagen durch deutlich größere und leistungsstärkere Anlagen – womöglich an anderen Standorten – ersetzt werden, liegen die Voraussetzungen einer Änderungsgenehmigung nach § 16 Abs. 1 BImSchG nicht vor, die Neuerrichtung von Anlagen stellt nämlich keine Änderung dar. Eine Neuerrichtung liegt vor, wenn durch die Änderung der Charakter der Anlage verändert wird423 oder wenn die Änderung derart prägend ist, dass die gesamte Anlage als eine neue Anlage qualifiziert werden muss. Im Einzelnen liegt eine Neuerrichtung vor, wenn die künftig zu schaffende Anlage nicht mehr als veränderte Fortsetzung einer bereits bestehenden Anlage bewertet werden kann424, wenn also durch die Änderung der Charakter der Gesamtanlage so verändert wird, dass sich die Genehmigungsfrage einschließlich der Standortfrage völlig neu stellt425. Dies wird bei einem Repowering regelmäßig der Fall sein. Schließlich kann für ein Repowering-Projekt auch nicht der sog. Bestandsschutz geltend gemacht werden. Unter Bestandsschutz wird die aus der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes abgeleitete Rechtsposition verstanden, welche die rechtmäßig errichtete und betriebene Anlage gegenüber einer späteren Änderung der Rechtslage schützt426. Bei einem Repowering werden aber rechtmäßig errichtete und betriebene Anlagen abgebaut und durch neue Anlagen ersetzt. In diesem Fall ist eine Berufung auf die für die Altanlage erteilte Genehmigung nicht möglich, da bereits keine Bestandsanlage mehr vorliegt, sondern eine andere Windenergieanlage installiert wird, deren Errichtung und Betrieb eben nicht von der ursprünglichen Genehmigung umfasst ist. Der Bestandsschutz der bestehenden Anlage entfällt also durch das Repowering. Da somit das Repowering der Neuerrichtung von Windenergieanlagen gleichkommt und demnach eine (neue) immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 4 BImSchG erforderlich ist, werden nachfolgend die wesentlichen Schritte des Genehmigungsverfahrens erörtert. 423

BayVGH, NVwZ-RR 2006, 457.

424

Jarass, BImSchG, 8. Auflage 2010, § 15, Rn. 11.

425

Büge, in: Giesberts/Reinhardt (Hrsg.), Beck‘scher Online-Kommentar Umweltrecht, Ed. 15, Stand: Mai 2011, BImSchG, § 16, Rn. 7.

426

Sellner, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), Umweltrecht, Band III, Stand: 59. Ergänzungslieferung 2010, BImSchG, § 16, Rn. 160.

2.4 Besondere rechtliche Anforderungen an Repowering-Projekte

153

Ferner sollen die materiell-rechtlichen Anforderungen an die Genehmigungsfähigkeit einer Windenergieanlage dargestellt werden.

2.4.4.1

Genehmigungsverfahren

Für die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist zunächst ein Antrag bei der zuständigen Genehmigungsbehörde erforderlich. Der Ablauf des Genehmigungsverfahrens richtet sich sodann danach, ob ein förmliches Verfahren nach § 10 BImSchG i.V.m. der 9. BImSchV durchzuführen ist oder ein vereinfachtes Verfahren im Sinne des § 19 BImSchG. Obligatorisch ist ein förmliches Verfahren im Sinne des § 10 BImSchG nur, wenn nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) ein Verfahren durchzuführen ist, das eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich macht. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Windpark mit zwanzig oder mehr Anlagen errichtet werden soll oder die zuständige Behörde in einer allgemeinen – ab einer Anzahl von sechs bis neun Windenergieanlagen erforderlich – oder einer standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls – notwendig, wenn drei bis fünf Windkraftanlagen betroffen sind – feststellt, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. In allen anderen Fällen wird ein vereinfachtes Verfahren durchgeführt, es sei denn, der Antragsteller beantragt die Durchführung eines förmlichen Verfahrens. Von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen kann sinnvoll sein, wenn mit einer Vielzahl von Einwendungen und Widersprüchen gegen das Projekt zu rechnen ist, wie gleich dargelegt werden wird427. Handelt es sich um ein UVP-pflichtiges Vorhaben, hat der Antragsteller die Möglichkeit, die Genehmigungsbehörde bereits vor Antragstellung über das Vorhaben zu unterrichten und sich im Hinblick auf die Antragstellung beraten zu lassen. Gerade bei Repowering-Projekten wird dieses sog. Scoping zur Klärung der Genehmigungsvoraussetzungen und des Untersuchungsumfangs an dem in Aussicht genommenen Standort sinnvoll und nützlich sein. Sowohl im förmlichen als auch im vereinfachten Verfahren findet eine Beteiligung betroffener Fachbehörden und sog. Träger öffentlicher Belange statt, denen von der Genehmigungsbehörde Gelegenheit zu geben ist, Stellungnahmen zu dem Vorhaben abzugeben. Der wesentliche Unterschied zwischen förmlichem und vereinfachtem Verfahren besteht aber darin, dass im förmlichen Verfahren das Vorhaben öffentlich bekannt gemacht wird und eine Beteiligung der Öffentlichkeit stattfindet, wodurch das Verfahren einen deutlich größeren Umfang annimmt und auch mehrere Monate länger dauert, als ein vereinfachtes Verfahren. Im förmlichen Verfahren liegen die Antragsunterlagen – sobald diese vollständig bei der Genehmigungsbehörde eingegangen sind – für einen Monat aus und können von jedermann eingesehen werden. Der entscheidende Vorteil des förmlichen Verfahrens liegt dabei in einem Gewinn an Rechtssicherheit für den Antragsteller. Einwendungen Dritter gegen das Vorhaben müssen bereits im Verfahren bis spätestens zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist geltend gemacht werden. Nicht erhobene oder verspätet geltend gemachte Ein427

Dietlein, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), Umweltrecht, Band III, Stand: 59. Ergänzungslieferung 2010, BImSchG, § 19, Rn. 46; Jarass, BImSchG, 8. Auflage 2010, § 19, Rn. 9.

154

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

wendungen sind ausgeschlossen, d.h. wer seine Einwendungen nicht schon im Verfahren vorträgt kann auch keine Widersprüche oder Klagen gegen die später erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung erheben. Im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG findet dagegen keine Beteiligung der Öffentlichkeit statt, daher ist dort auch nicht absehbar, welche Einwände gegen das Vorhaben bestehen. Widerstände Dritter gegen das Vorhaben werden so unter Umständen erst ersichtlich, wenn gegen den Genehmigungsbescheid für die Anlage Rechtsbehelfe eingelegt werden. Die Unterschiede im Ablauf der beiden Verfahrensarten sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst: Tabelle 9:

Unterschiede zwischen dem förmlichem und dem vereinfachten Verfahren

Förmliches Verfahren gem. Vereinfachtes Verfahren (§ 10 BImSchG i.V.m. 9. BImSchV) (§ 19 BImSchG i.V.m. 9. BImSchV) „Scoping“ – Unterrichtung über den voraussichtlichen Untersuchungsrahmen Schriftlicher Antrag und vollständige Antragsunterlagen Öffentliche Bekanntmachung des Vorhabens Öffentliche Auslegung des Antrags mit Antragsunterlagen Beteiligung betroffener Fachbehörden und Träger öffentlicher Belange (evtl. Einholung von Sachverständigengutachten) Bei Vorliegen von Einwendungen: ggf. Durchführung eines Erörterungstermins Entscheidung über Antrag (grds. 7 Monate nach EinEntscheidung über Antrag (grds. 3 Monate nach gang der vollständigen Antragsunterlagen bei der GeEingang der vollständigen Antragsunterlagen bei der nehmigungsbehörde) Genehmigungsbehörde) Zustellung des Genehmigungsbescheids an Antragsteller und Einwender

2.4.4.2

Materiell-rechtliche Anforderungen

Werden Windenergieanlagen im Zuge eines Repowering ausgetauscht, ist eine Vielzahl öffentlich-rechtlicher Anforderungen zu erfüllen. Im Folgenden sollen die wesentlichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die damit verbundenen Anforderungen an ein Repowering-Projekt beleuchtet werden. Immissionsschutzrecht Zunächst gelten für Repowering-Maßnahmen dieselben immissionsschutzrechtlichen Anforderungen wie für die erstmalige Errichtung einer Windenergieanlage auch. Die Anlagen sind also so zu errichten und zu betreiben, dass von ihnen keine schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG). Regelmäßig gehen von einer Windenergieanlage vor allem Lärmimmissionen, Lichtimmissionen (sog. Disco-Effekt) sowie Beeinträchtigungen infolge des Schattenwurfes der Rotorblätter aus. Der durch den Betrieb einer Windenergieanlage erzeugte Lärm darf nicht die Schwelle zu einer schädlichen Umwelteinwirkung überschreiten. Schallimmissionen gelten grundsätzlich

2.4 Besondere rechtliche Anforderungen an Repowering-Projekte

155

solange als zulässig, wie die Richtwerte der sog. Technischen Anweisung Lärm (TA Lärm) eingehalten werden. Die TA Lärm stellt bei der Zulässigkeit von Schallimmissionen auf die bauliche Nutzung der betroffenen Gebiete ab. Insbesondere beim Repowering von Windenergieanlagen ist dabei zu berücksichtigen, dass sich die Anforderungen an den Lärmschutz in den vergangenen Jahren dadurch verschärft haben, dass die Behörden deutlich höhere Anforderungen an die im Genehmigungsverfahren vorzulegenden Schallimmissionsprognosen stellen. Es ist daher vorstellbar, dass derzeit Anlagen betrieben werden, die nach geltendem Recht nicht mehr genehmigungsfähig wären bzw. nur mit erheblichen Auflagen, da sie in zu hohem Maße Lärm erzeugen. Beim Repowering solcher Anlagen ist somit sicherzustellen, dass – soweit dies nicht durch den Einsatz der neuen und daher regelmäßig weniger lärmintensiven Anlagen ohnehin erreicht werden kann – z. B. durch die Wahrung entsprechender Abstände zu bebauten Gebieten, die Richtwerte der TA Lärm eingehalten werden. Problematisch können vor allem Fälle sein, in denen in einem Windpark nur einzelne Anlagen „repowert“ werden, andere Altanlagen aber erhalten bleiben. Hier ist es möglich, dass die zulässigen Schallimmissionswerte durch den bestehenden Windpark deutlich überschritten werden und es durch das Repowering zwar zu einer Reduzierung der Schallimmissionen insgesamt kommt, die zulässigen Werte wegen der lärmintensiven Altanlagen aber immer noch überschritten werden428. Diese Situation kann im ungünstigsten Fall zur fehlenden Genehmigungsfähigkeit des Projekts führen, soweit durch Auflagen wie z.B. Betriebsbeschränkungen oder Leistungsbeschränkungen der Anlage, nicht sichergestellt werden kann, dass die zulässigen Grenzwerte eingehalten werden. Die Probleme des sog. Disco-Effekts, also störender Lichtblitze durch die Reflektion auf den Rotorblättern, und den Schattenwurf durch Rotoren, lassen sich aufgrund der technischen Weiterentwicklung der Anlagen in diesem Bereich durch entsprechende Beschichtungen bzw. technische Vorrichtungen, wie beispielsweise eine Abschaltautomatik, so in den Griff bekommen, dass dies für die Genehmigung der Anlage regelmäßig keine größeren Hindernisse darstellen dürfte. Wegen der deutlich gestiegenen Gesamthöhen neuerer Windkraftanlagen, die eine Gesamthöhe von 100 m regelmäßig überschreiten, gelten diese als Luftfahrthindernisse und sind demzufolge nach den luftverkehrsrechtlichen Vorschriften zu kennzeichnen. Eine Belästigung von Nachbarn geht dabei insbesondere von der Nachtbefeuerung – also der blinkenden Warnbeleuchtung – aus. Auch insoweit sind durch technische Weiterentwicklungen allerdings Verbesserungen erreicht worden. Bauplanungsrecht Mit der planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens ist eine der entscheidenden Fragestellungen bei der Umsetzung jedes Repowering-Projekts angesprochen. 428

Zu diesem Problem Hinsch, Erneuerbare Energien, Juli 2010, S. 78 f., der eine Lösung in der sog. „Irrelevanzklausel“ der Nummer 3.2.1 der TA-Lärm sieht, nach der die Genehmigung für eine Anlage dann nicht versagt werden darf, wenn der von der Anlage verursachte Immissionsbeitrag nicht relevant ist. Ein Immissionsbeitrag gilt dann als irrelevant, wenn die Zusatzbelastung durch die Anlage die maßgeblichen Richtwerte um 6 dB(A) unterschreitet. Soweit diese Werte eingehalten werden, ließen sich „für ein Repowering Spielräume schaffen, die ein Anlagenbetreiber nutzen kann“.

156

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

Maßgeblich für die Zulässigkeit des Vorhabens ist dabei zunächst, in welchem planungsrechtlichen Gebiet die Anlage errichtet werden soll. Bauplanungsrechtlich werden drei Bereiche unterschieden: Neben Gebieten, für die von der Gemeinde ein Bebauungsplan aufgestellt wurde (Bebauungsplangebiet nach § 30 BauGB), gibt es zwei Arten unbeplanter Bereiche, für die kein Bebauungsplan existiert: den sog. unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB, also einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil, und den außerhalb eines solchen Bebauungszusammenhangs liegenden Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB. Für die Errichtung und das Repowering von Windenergieanlagen sind in der Praxis nur Bebauungsplangebiete und der sog. Außenbereich relevant. Die Zulässigkeit des Repowering in diesen Bereichen soll daher im Folgenden genauer betrachtet werden. Im Außenbereich sind Windenergieanlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegiert zulässig; d.h. obwohl der Außenbereich grundsätzlich von Bebauung freigehalten werden soll, lässt der Gesetzgeber die Errichtung von Windenergieanlagen in diesen Gebieten ausdrücklich zu. Im Außenbereich können Windenergieanlagen grundsätzlich auch zulässig sein als einem landwirtschaftlichen Betrieb zugeordnete Anlage (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) und unter Umständen auch als Nebenanlage zu anderen, im Außenbereich privilegiert zulässigen Anlagen429. Voraussetzung für die Zulässigkeit ist jeweils, dass die ausreichende Erschließung gesichert ist (1.) und dem Vorhaben keine öffentlichen Belange entgegenstehen (2.). 1. Für die ausreichende Erschließung stellt das Gesetz auf die Mindestanforderungen zur Befriedigung des durch das Einzelvorhaben ausgelösten Erschließungsbedürfnisses ab430, bei Windenergieanlagen müssen demnach eine Zufahrtsmöglichkeit und die erforderlichen Versorgungsleitungen vorhanden sein; die Kabeltrasse zur Einspeisung des erzeugten Stroms in das Netz ist dagegen nicht Voraussetzung der ausreichenden Erschließung431. 2. Daneben dürfen dem Repowering-Vorhaben öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Öffentliche Belange, die durch ein Vorhaben beeinträchtigt werden können, sind zunächst in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB aufgeführt, diese Aufstellung ist aber nicht abschließend, so dass einem Vorhaben auch andere bodenrechtliche Belange entgegenstehen können432. Für Repowering-Maßnahmen sind dabei insbesondere Widersprüche zu Darstellungen des Flächennutzungsplans oder sonstigen Plänen zu nennen, z.B. weil dort eine andere Nutzung geplant ist oder jedenfalls planerische Vorgaben gemacht wurden, die mit der Windenergienutzung nicht in Einklang gebracht werden können (z.B. Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Erhaltung von Natur und Landschaft oder Flächen für Erholungs-, Kur- und Freizeitzwecke), auch Höhenbegrenzungen, die die Errichtung moderner Anlagen unmöglich machen, können z.B. in einem Flächennutzungsplan geregelt sein. Liegen keine Widersprüche zu entsprechenden Planungen vor, 429

Vgl. Deutscher Städte und Gemeindebund (Hrsg.), Dokumentation Nr. 94, Repowering von Windenergieanlagen – kommunale Handlungsmöglichkeiten, S. 49.

430

Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Hrsg.), BauGB, 11. Auflage 2009, § 35, Rn. 7.

431

BVerwG, NVwZ 1996, 597.

432

Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, Stand: 97. Ergänzungslieferung 2010, § 35, Rn. 60.

2.4 Besondere rechtliche Anforderungen an Repowering-Projekte

157

können z.B. auch eine Beeinträchtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Denkmalschutzes oder der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswertes sowie eine Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbildes gegeben sein. Ob eine Beeinträchtigung dieser Belange vorliegt, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Nicht jede Beeinträchtigung öffentlicher Belange führt jedoch zur Unzulässigkeit einer grundsätzlich privilegierten Repowering-Anlage. Vielmehr ist eine Abwägung zwischen dem Zweck des Vorhabens und dem öffentlichen Belang erforderlich, wobei das Gewicht, das der Gesetzgeber den privilegierten Vorhaben im Außenbereich – wie hier Windenergieanlagen – zubilligt, besonders zu berücksichtigen ist433. Neben diesen beispielhaft im Gesetz aufgeführten Belangen sind aber vor allem Festlegungen in Raumordnungsplänen (Landesentwicklungspläne, Regionalpläne, o.ä.) und Flächennutzungsplänen für die Zulässigkeit eines Vorhabens des Repowering entscheidend. So dürfen gemäß § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB raumbedeutsame Vorhaben den Zielen der Raumordnung – also verbindlichen Festlegungen in einem Raumordnungsplan – nicht widersprechen. Voraussetzung ist, dass die Ziele der Raumordnung hinreichend sachlich und örtlich konkret für die Beurteilung eines Vorhabens sind, also über allgemeine Planaussagen hinausgehen434. Die Raumbedeutsamkeit eines Vorhabens beurteilt sich nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 ROG und liegt vor, wenn ein Vorhaben Raum beansprucht oder die räumliche Entwicklung oder Funktion eines Gebiets beeinflusst. Moderne Windenergieanlagen, wie sie im Rahmen eines Repowering zum Einsatz kommen, werden aufgrund ihrer Höhe und sonstigen Ausmaße sowie ihrer Auswirkungen regelmäßig als raumbedeutsame Anlagen gelten und dürfen damit nicht im Widerspruch zu den in den jeweiligen Raumordnungsplänen festgeschriebenen Zielen der Raumordnung stehen. Schließlich haben im Außenbereich auch die Gemeinden Steuerungsmöglichkeiten für die Ansiedlung oder eben das Repowering von Windenergieanlagen, indem sie entsprechende Darstellungen in ihren Flächennutzungsplan aufnehmen, gleiches gilt für die Träger der Landes- oder Regionalplanung. Nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stehen einem privilegierten Vorhaben (außer land- und forstwirtschaftlichen Betrieben nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BauGB) öffentliche Belange nämlich in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Sind im Flächennutzungsplan oder Raumordnungsplan Vorranggebiete oder Sonderbauflächen für die Windenergie (sog. Konzentrationszonen) dargestellt oder festgelegt, setzt die privilegierte Zulassung der neuen Windenergieanlagen im Außenbereich grundsätzlich voraus, dass die Standorte für die neuen Windenergieanlagen auch im Flächennutzungsplan bzw. Raumordnungsplan als Standorte für die Windenergie ausgewiesen sind435. Nur wenn der Standort der Re433

BVerwG, Urteil v. 25.10.1967, NJW 1967, 1385; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, Stand: 97. Ergänzungslieferung 2010, § 35, Rn. 60 m.w.N.

434

Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), BauGB, Stand: 97. Ergänzungslieferung 2010, § 35, Rn. 66.

435

Vgl. hierzu die Darstellung in: Deutscher Städte- und Gemeindebund (Hrsg.), Dokumentation Nr. 94, Repowering von Windenergieanlagen – kommunale Handlungsmöglichkeiten, S. 49 f.

158

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

powering-Anlagen an einer Stelle im Außenbereich liegt, die im Flächennutzungsplan oder im Raumordnungsplan für die Windenergienutzung ausgewiesen ist, sind die neuen Anlagen privilegiert zulässig. Andere (überwiegende) öffentliche Belange, die durch das Vorhaben beeinträchtigt werden, können dem privilegierten Repowering-Vorhaben allerdings auch hier entgegenstehen. Liegt der Standort dagegen außerhalb solcher Darstellungen bzw. Festlegungen, ist die neue Anlage regelmäßig nicht zulässig436. Dies gilt selbst dann, wenn die neue Anlage am selben Standort errichtet werden soll, an dem sich die zu ersetzende Anlage befindet. Wie bereits dargelegt, entfällt der immissionsschutzrechtliche und bauplanungsrechtliche Bestandsschutz einer Anlage durch deren Abbau437, auf die einmal erteilte Genehmigung oder auch die frühere Zulässigkeit der Altanlage kann sich der Träger des Repowering-Vorhabens nicht berufen. Hat also z.B. die Gemeinde nach der Errichtung der Altanlage die rechtlichen Rahmenbedingungen geändert, indem sie in ihrem Flächennutzungsplan Konzentrationszonen für die Windenergie an anderer Stelle im Gemeindegebiet ausgewiesen hat, ist die Errichtung am „Altstandort“ grundsätzlich nicht zulässig438. Im Genehmigungsverfahren ist eine Abweichung hinsichtlich der Flächen, die nach dem Planungskonzept der Gemeinde von Windenergieanlagen freizuhalten sind, nur in Ausnahmefällen möglich439. Es müsste sich um eine so nicht vorhergesehene, atypische Fallkonstellation handeln440. Ob diese Voraussetzung bei einem Repowering-Vorhaben erfüllt werden kann ist zumindest zweifelhaft441. Auf Ebene der Raumordnung wurde in einzelnen Ländern bereits Abhilfe geschaffen indem Raumordnungspläne vorsehen, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Repowering auch außerhalb eines im Eignungsgebiet gelegenen Altstandortes möglich ist442. Vor jedem Repowering-Projekt ist daher eine genaue Prüfung der planerischen Vorgaben durchzuführen, um festzustellen, ob und ggf. welche Belange oder planerischen Aussagen dem Vorhaben entgegenstehen können, um geeignete Standorte auswählen zu können. Stehen Darstellungen des gemeindlichen Flächennutzungsplans der RepoweringMaßnahme entgegen, ist ggf. eine Änderung des Flächennutzungsplans in Kooperation mit der Gemeinde herbeizuführen. Liegt der geplante Standort eines Repowering-Vorhabens nicht im Außenbereich, sondern im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, ist die Errichtung einer Windenergieanlage baupla436

Deutscher Städte und Gemeindebund (Hrsg.), Dokumentation Nr. 94, Repowering von Windenergieanlagen – kommunale Handlungsmöglichkeiten, S. 50.

437

Siehe unter Kapitel 2.4.4.

438

In diesem Fall hat die Gemeinde der Rechtsprechung des BVerwG zufolge – Urteil v. 24.01.2008, NVwZ 2009, 559 (560) – bei der Ausweisung von Konzentrationszonen das Interesse der Anlagenbetreiber, „ältere Anlagen durch effizientere neue Anlagen zu ersetzen und diese dabei gegebenenfalls auch neu anzuordnen (Repowering)“ allerdings zu berücksichtigen.

439

BVerwG, Urteil v. 26.04.2007, NVwZ 2007, 1081 (1082).

440

Ebd.; BVerwG, Urteil v. 17.12.2002, NVwZ 2003, 733 (737).

441

Vgl. Köck, planungsrechtliche Anforderungen an die räumliche Steuerung der Windenergienutzung – Unter besonderer Berücksichtigung des Repowering, ZUR 2010, S. 507 (511) m.w.N.

442

Vgl. z.B. Landesentwicklungsplan Schleswig-Holstein 2010, Ziffer 3.5.2 Abs. 13.

2.4 Besondere rechtliche Anforderungen an Repowering-Projekte

159

nungsrechtlich zulässig, wenn das Vorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist (§ 30 Abs. 1 BauGB). Hinsichtlich der Sicherung der Erschließung gelten die Ausführungen zu den Außenbereichsvorhaben entsprechend. Im Bebauungsplan ist es möglich, ein sonstiges Sondergebiet nach § 11 Abs. 1 und 2 BauNVO für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, festzusetzen. Besteht bereits ein Bebauungsplan, der für die Errichtung der bestehenden Altanlagen aufgestellt wurde, sind dessen Festsetzungen auch für die Zulassung der durch das Repowering zu errichtenden Anlagen maßgeblich. Für das Repowering kann das insbesondere zu Problemen führen, wenn Festsetzungen zum Standort der Anlagen oder zur maximal zulässigen Höhe der Anlagen getroffen sind. Die dadurch zulässigen Anlagenhöhen und -abstände sind für die neuen und regelmäßig deutlich größeren Windenergieanlagen unter Umständen nämlich nicht mehr ausreichend. Grundsätzlich besteht dann zwar im Genehmigungsverfahren die Möglichkeit, Befreiungen von den Festsetzungen des zu „engen“ Bebauungsplans nach § 32 Abs. 1 BauGB zu beantragen, da in diesen Fällen aber vermutlich die Grundzüge der Planung berührt sein werden, wird dieser Weg in der Praxis nur selten zur Genehmigung führen. Die Lösung des Problems bietet dann nur eine Änderung des Bebauungsplans443. Eine Änderung des Bebauungsplans kann nur die Gemeinde in Ausübung ihrer Planungshoheit durch ein eigenes Bebauungsplanverfahren herbeiführen. Existiert an dem in Aussicht genommenen Standort kein Bebauungsplan, kann es zur Umsetzung eines Repowering auch sinnvoll sein, die Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens bei der Gemeinde anzuregen, um das Baurecht für die Anlagen auf diesem Weg zu schaffen. Auf die Änderung von Bebauungsplänen besteht ebenso wie auf deren Aufstellung gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB kein Anspruch des Trägers des Repowering-Vorhabens. Die Zulässigkeit des Vorhabens ist in diesem Fall nur in Zusammenarbeit mit der Gemeinde zu erreichen. Eine Kooperation mit der Standortgemeinde ist denkbar, um durch die Aufstellung oder Änderung von Bebauungsplänen oder die Anpassung von Flächennutzungsplänen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für ein Repowering-Projekt zu schaffen. Die rechtlichen Voraussetzungen für diese planungsrechtliche Sicherung von RepoweringStandorten sind vom Deutschen Städte- und Gemeindebund in einer Dokumentation ausführlich dargestellt, auf die an dieser Stelle verwiesen werden soll444, da eine weitere Vertiefung den Rahmen dieses Überblicks sprengen würde. Um nur die wesentlichen Stichpunkte zu nennen: Denkbar ist z.B. die Aufstellung eines „Bebauungsplans für das Repowering“445, der 443

Ebenso Deutscher Städte- und Gemeindebund (Hrsg.), Dokumentation Nr. 94, Repowering von Windenergieanlagen – kommunale Handlungsmöglichkeiten, S. 51.

444

Deutscher Städte- und Gemeindebund (Hrsg.), Dokumentation Nr. 94, Repowering von Windenergieanlagen – kommunale Handlungsmöglichkeiten; vgl. auch Söfker, Zur bauplanungsrechtlichen Absicherung des Repowering von Windenergieanlagen, ZfBR 2008, S. 14 ff.

445

Dazu Söfker, Zur bauplanungsrechtlichen Absicherung des Repowering von Windenergieanlagen, ZfBR 2008, S. 14 (15).

160

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

festsetzt, dass alte Anlagen durch neue, leistungsstärkere ersetzt werden. Auch die Begleitung der bauleitplanerischen Verfahren durch städtebauliche Verträgen, in denen entsprechende Verpflichtungen zwischen Vorhabenträger und Gemeinde vereinbart werden, sind möglich. Zu berücksichtigen ist allerdings generell, dass die Gemeinde trotz ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Planungshoheit bei der Aufstellung oder Änderung von Bauleitplänen rechtlichen Bindungen und tatsächlichen und politischen Einflüssen unterliegt. Schließlich erfordert die Änderung eines Flächennutzungsplans ebenso wie die Aufstellung eines Bebauungsplans auch einen Beschluss des gewählten Gemeindegremiums (Stadt- oder Gemeinderat, Stadtverordnetenversammlung, etc.), der eine entsprechende Mehrheit, also auch den Willen der Gemeinde voraussetzt. Es kommt insoweit also auch darauf an, die Gemeindeeinwohner und ihre Vertreter von den Vorteilen des Repowering zu überzeugen446. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Gesetzgebungsverfahren zur sog. Energiewende der Bundesregierung am 30.07.2011 das Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden in Kraft getreten ist447. Die damit verbundene Änderungen im Baugesetzbuch dienen ausdrücklich dazu, das Repowering zu erleichtern und die gemeindlichen Steuerungsmöglichkeiten zu verbessern448. Zu diesem Zweck wurde in § 249 Abs. 1 BauGB vorgesehen, dass eine Gemeinde zusätzliche planungsrechtliche Grundlagen für die Windenergie nicht die vorhandenen oder zusätzlichen Darstellungen (z.B. zum Flächenbedarf oder zum Maß der baulichen Nutzung) zur Erzielung der Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB als nicht ausreichend anzusehen sind. Diese Regelung dient wohl nur der Klarstellung und soll vor allem den planenden Städten und Gemeinden die Sorge nehmen, dass durch entsprechende Änderungen des Flächennutzungsplans oder der Bebauungspläne das gesamte Konzept für die Windkraftplanung in der Gemeinde in ein Ungleichgewicht gerät und so die Bauleitpläne fehlerhaft und angreifbar machen könnte449. Auf diese Weise soll wohl der Zurückhaltung der Gemeinden bei der zusätzlichen Ausweisung von Windenergieflächen entgegengetreten werden. Daneben wurde ein neuer § 249 Abs. 2 BauGB ergänzt, in dem ausdrücklich klargestellt wird, dass die oben beschriebene Praxis bedingter Festsetzungen in einem Bebauungsplan für das Repowering (Festsetzung neuer Standorte nur gegen Abbau und Stilllegung alter Anlagen) zulässig ist, um eventuelle Rechtsunsicherheiten zur Zulässigkeit dieses Vorgehens zu beseitigen. Dadurch werden die Möglichkeiten des Baurechts auf Zeit nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauGB auch für das Repowering eröffnet450 Schließlich wurde § 5 Abs. 2 b BauGB, der die Aufstel446

447

Empfehlungen zur Steigerung der Akzeptanz von Repowering-Vorhaben finden sich in der Broschüre der Windenergieagentur Bremerhaven/Bremen, „Repowering von Windenergieanlagen in der Metropolregion Bremen-Oldenburg“ aus dem Jahr 2010 – abrufbar unter http://www.windenergie-agentur.de/deutsch/projekte/ Repowering_Dialog/WAB_Repowering-Dialog_final.pdf. BGBl I, S. 1509.

448

Vgl. zur Gesetzesbegründung den „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der klimagerechten Entwicklung in den Städten und Gemeinden“ der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, BT-Drucks. 17/6076.

449

Battis/Krautzberger/Mitschang/Reidt/Stüer, Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden in Kraft getreten, NVwZ 2011, S. 897 (903).

450

Ebd.

2.4 Besondere rechtliche Anforderungen an Repowering-Projekte

161

lung sachlicher Teilflächennutzungspläne regelt, ausdrücklich auch zur Schaffung von Rechtssicherheit für das Repowering neu gefasst451. Hier wurde klargestellt, dass – grundsätzlich auch für Repowering-Vorhaben einsetzbare – sachliche Teilflächennutzungsplan nicht nur Darstellungen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB enthalten können, sondern auch weitere Darstellungen, durch die insbesondere Vorgaben für die daraus zu entwickelnden Bebauungspläne gemacht werden. Teilflächennutzungspläne können zudem auch für räumliche Teilgebiete eines Gemeindegebiets aufgestellt werden, es muss also nicht das gesamte Gemeindegebiet überplant werden. Diese Ergänzungen des städtebaulichen Instrumentariums sollen nach Vorstellung des Gesetzgebers bestehende Rechtsunsicherheiten beseitigen und zur Absicherung des Repowering beitragen. Es wird sich zeigen, ob die Instrumente von den planenden Städten und Gemeinden angenommen werden und bauplanungsrechtliche Hindernisse für das Repowering dadurch zukünftig tatsächlich beseitigt werden können. Bauordnungsrecht Aus bauordnungsrechtlicher Sicht werden an ein Repowering dieselben Anforderungen gestellt, wie an jede Neuerrichtung einer Windenergieanlage. Da das Bauordnungsrecht der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterfällt, finden sich die zu beachtenden Vorschriften in der jeweiligen Bauordnung. Aufgrund des Einsatzes moderner und damit deutlich höherer Anlagen ist bei einem Repowering vor allem die Frage der Abstandsflächen von Bedeutung. Hier ist sicherzustellen, dass die Repowering-Anlage die baurechtlich vorgeschriebenen Abstände einhält. Die für die Bestandsanlagen erforderlichen Abstandsflächen werden regelmäßig nicht ausreichend sein, so dass ggf. Abstandsflächensicherungen auf benachbarten Grundstücken notwendig werden. Naturschutzrecht Auch aus naturschutzrechtlicher Sicht sind bei einem Repowering grundsätzlich keine Besonderheiten im Vergleich zur erstmaligen Zulassung eines Vorhabens zu beachten. Die Errichtung einer Windenergieanlage im Außenbereich stellt einen Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 14 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) dar. Solche Eingriffe sind nach den Vorgaben der §§ 14 und 15 BNatSchG und der jeweiligen Vorschriften der Naturschutzgesetze der Länder grundsätzlich zu unterlassen, soweit sie vermeidbar sind, bzw. soweit sie nicht vermeidbar sind, durch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen, ggf. auch durch Kompensationszahlungen auszugleichen. Dass die Genehmigung einer Anlage aufgrund naturschutzrechtlicher Eingriffe versagt wird, ist zwar nicht auszuschließen, angesichts des Umstandes, dass am selben Standort bereits Windenergieanlagen genehmigt und betrieben wurden, müssten hierfür aber wohl besondere Gründe vorliegen. Jedenfalls aus Landschaftsschutzaspekten ist dieses Ergebnis schwer vorstellbar, da das Ergebnis des Repowering regelmäßig ja auch ein „Aufräumen der Landschaft“ ist. Durch die Altanlagen liegt auch eine Vorprägung des Landschaftsbildes vor, die bei der Entscheidung über die Genehmigung zu berücksichtigen ist. Auch bei der Festlegung 451

Vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 17/6076, S. 5.

162

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

der Kompensationsmaßnahmen für ein Repowering ist dieser Umstand nach hier vertretener Auffassung zu berücksichtigen. Für die Errichtung dieser Anlagen wurden bereits Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt. Die Beseitigung dieser Anlagen müsste demnach für die Bemessung der erforderlichen Kompensation bei dem Repowering Berücksichtigung finden. Weitere materiell-rechtliche Voraussetzungen Je nach dem gewählten Standort sind bei einem Repowering von Windenergieanlagen unter Umständen weitere rechtliche Vorgaben als die genannten zu berücksichtigen. Das Luftverkehrsrecht, das aufgrund der Höhe moderner Anlagen regelmäßig zu beachten ist, wurde oben bereits angesprochen. Liegt das Vorhaben z.B. in der Nähe einer Autobahn oder einer Bahntrasse, können straßenverkehrs- oder eisenbahnrechtliche Vorschriften Bedeutung gewinnen. Da je nach Fallgestaltung im Einzelnen die maßgeblichen Vorschriften zu prüfen sind und nicht als repoweringspezifisch anzusehen sind, sollen diese hier nicht abstrakt erörtert werden.

2.4.5

Zusammenfassung

Der vorstehende Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen eines RepoweringProjektes zeigt, dass die Durchführung derartiger Projekte vielschichtige und teilweise durchaus komplexe rechtliche Herausforderungen an alle Beteiligten bereit hält, was neben anderen Faktoren eine taugliche Erklärung dafür ist, dass die großen Erwartungen an das Repowering von Windenergieanlagen in Deutschland noch nicht vollständig erfüllt wurden. Der vorstehende Überblick zeigt aber auch, dass diese rechtlichen Problemstellungen bei entsprechend sorgfältiger und umsichtiger Projektplanung und Projektumsetzung erfolgreich zu meistern sind.

3

Technische Rahmenbedingungen

3.1

Techniksysteme und Entwicklungstendenzen

PROF. DR. ALOIS SCHAFFARCZYK DR. ALOIS SCHAFFARCZYK arbeitet seit 1992 als Professor für Mathematik und Technische Mechanik an der FH KIEL. Er war von 2004 bis 2009 Vorsitzender der FÖRDERGESELLSCHAFT WIND ENERGIE (FGW), ist Gründungsmitglied des KOMPETENZZENTRUMS WINDENERGIE SCHLESWIG-HOLSTEIN und seit 2009 ehrenamtlicher Vorsitzender der daraus hervorgegangenen CEWIND EG.

3.1.1

Einleitung

Wir stellen in diesem Kapitel heutige und mögliche künftige Windenergiesysteme dar. Einleitend betten wir unsere Darstellung in einen kurzen geschichtlichen und ökonomischen Rahmen.

Abbildung 13:

Modell einer Persischen Windmühle (Quelle: Deutsches Museum)

164

3 Technische Rahmenbedingungen

Die Nutzung der Windenergie blickt – nicht ohne Stolz – auf eine viele hundert Jahre zurückliegende Tradition zurück. Abbildung 13 zeigt einer der ältesten bekannten Realisierung, die sog. Persische Windmühle. Erste Varianten sollen in ähnlicher Form sogar schon in China vor unserer Zeitrechnung zum Vermahlen von Korn gedient haben. Aus technischer Sicht handelt es sich um einen sog. Widerstandsläufer mit vertikaler Rotationsachse, einem Typ also, der nach heutigen Maßstäben nur geringen Energieertrag bietet. Die Blütezeit eines anderen wohlbekannten Vertreters älterer Windenergietechnik ist die holländische Windmühle (Abbildung 14), die ihre Blütezeit im 19. Jahrhundert erlebt hat und auch heutzutage des Öfteren funktionsfähig vorgefunden wird. Der technologische Fortschritt macht sich in der horizontalen Anordnung des Rotors sowie des teilweisen, unbemerkten Wechsels zum Auftriebsläufer hin bemerkbar.

Abbildung 14:

Holländische Windmühle (Quelle: Alfred Boruta)

Anwendungen der Windmühlentechnik zur Erzeugung von elektrischer Energie wurden kurz nach Beginn der Einführung dieser Energieform im späten 19. Jahrhundert vorgestellt. Berühmte Vertreter sind die Brush-Windmill (als Gleichstromsystem) und eine Anlage in Askov, Dänemark, von PAUL LA COUR, dem Vater der modernen Windenergie in Dänemark. Mit dem Aufkommen preiswerter Energieträger in Form von Mineralölprodukten ging die Nutzung der Windenergie in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts stark zurück.

3.1 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen

165

Interessanterweise begann gleichzeitig mit der Entwicklung und Anwendung wissenschaftlicher Methoden in Bezug auf Schiffs- und Flugzeugpropeller auch ein Aufschwung theoretischer Modellierung von Windrädern oder wie man heute sagt: Windturbinen. Alle namhaften Wissenschaftler wie RANKINE, FROUDE, JOUKOVSKI, LANCHESTER und BETZ setzten sich mit der Frage „optimierter“ Windturbinen auseinander.

Abbildung 15:

Elektrische Systeme in den USA und Dänemark, Ende 19. Jahrhundert

Unstrittig ist der Einfluss des Windangebotes auf den ökonomischen Preis der zur Verfügung gestellten „nützlichen“ Energie. Da diese Fragen in Kapitel 4.2 behandelt werden, gehen wir in diesem Zusammenhang von folgender, zunächst von ökonomischen Zwängen unabhängiger, Definition einer „optimalen“ Windturbine aus: Wie groß ist der maximale Anteil des Energieflusses (= J/s m²) im Wind gegebener homogener Geschwindigkeit v, der durch eine gegebene Fläche geerntet werden kann? Diese Frage wurde abschließend behandelt und ihre Beantwortung ist seitdem als „BETZ’SCHER Grenzwert“ bekannt. Zahlenmäßig beträgt er 16/27 = 59,2 %. Ein Zahlenbeispiel möge dies veranschaulichen. Ein Rotor mit 100 m Durchmesser überstreiche eine Fläche von Ar = 7.854 m². Bei einer sog. Nennwindgeschwindigkeit von v = 12 m/s ist dem Wind eine Leistung von P = 0,5 ρ v3 Ar = 8,3 MW zuzuordnen. Hierbei ist ρ = 1,225 kg/m³ die Dichte der Luft. Der Betz’sche Grenzwert begrenzt die dem Turbinengenerator zuzuführende maximale Leistung nun zu 4,9 MW. Eine Windkraftanlage ist also im physikalischen Sinn optimiert, wenn sie diese Leistung erbringt. In konkreten technischen Ausführungen ist dies jedoch nicht erstrebenswert, da ein ökonomisches Optimum erreicht werden soll, weil sowohl die Anlage als auch deren „Produkt“, die kWh Elektrizität, ein wirtschaftliches Gut darstellen und diese über ihren Preis (in € bzw. €/MWh) bewertet werden. Jährlich erneuerte Übersichten der Zeitschrift Wind Power Monthly (Tabelle 10) zeigen, dass durch Wind erzeugte elektrische Energie preislich zu allen konventionellen Energieträgern konkurrenzfähig ist.

166 Tabelle 10: Erdgas Kohle Kernenergie Onshore Wind Offshore Wind

3.1.2

3 Technische Rahmenbedingungen Herstellungspreise elektrischer Energie (in €/MWh), Jan. 2011

452

Minimum Maximum 40 75 45 100 60 100 50 130 120 180

Bestehende heutige Systeme

Die in aktuellen Lehrbüchern vorgenommenen Klassifikationen kommerziell verfügbarer Anlagen orientieren sich an den Merkmalen, „Standort“, „Größe“ sowie „technischem Typ“453.

Abbildung 16:

454

Enercon E-126 WEA als Beispiel einer modernen Großwindanlage

Naheliegend hängt die Standortwahl eng mit dem verfügbaren Windangebot zusammen. Ohne Kapitel 3.3 vorzugreifen, sei an dieser Stelle vermerkt, dass sich als erste, grobe Charakterisierung die sog. Windklassen nach IEC dazu eignen (Tabelle 11). 452

D. Milborrow 2011.

453

D.A. Spera (Ed.), Wind Turbine Technology, 2nd Ed, ASME Press, New York, USA, 2009; W. Tong (ed.), Wind Power Generation and Wind Turbine Design, WIT Press, Southampton, UK, 2010; R. Gasch, J. Twele (Hrsg.), Windkraftanlagen, 6. Auflage, Vieweg + Teubner, Wiesbaden, 2010.

454

Rotordurchmesser 127m, Nabenhöhe ca. 130 m, Nennleistung 6 (7,5) MW.

3.1 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen Tabelle 11:

167

Windklassen; Werte in m/s, nach IEC 61400

Klasse v-ref v-ave

I

II 50 10

III 42,5 8,5

IV 37,5 7,5

30 6

v-ave (=averaged = gemittelt) gibt den sog. Jahresmittelwert an, v-ref eine sog. Referenzwindgeschwindigkeit, die als Basis für die in der zu erwartenden Lebensdauer von 20 Jahre als maximal auftretende betrachtet werden kann (20-Jahres Bö). Klasse I wird im Allgemeinen Offshore-Standorten zugeordnet; Klasse II einem sehr guten Onshore-Standort und Klasse IV letztlich einem Binnenstandort mit minimalem Windangebot. Das Merkmal der Größe lässt sich untergliedern in Höhe der Gesamtanlage vom Boden zur höchsten Position einer Blattspitze und nur dem Rotordurchmesser als Maß der Erntefläche.

Rosenfeld 150 Model Windatlas Höhe (m)

100

50

0 0,0

Abbildung 17:

2,0 4,0 6,0 Windgeschwindigkeit (m/s)

8,0 455

Höhenzunahme der mittleren Windgeschwindigkeit

Abbildung 17 zeigt deutlich die Stärke der Zunahme der mittleren Windgeschwindigkeit mit der Höhe (logarithmisches Profil der atmosphärischen Grenzschicht), die aus einer wachsenden Höhenzunahme der Anlagen erwächst und somit für eine möglichst große Nabenhöhe spräche. Jedoch scheinen auch meteorologische Gründe gegen ein unbegrenztes Höhenwachstum zu sprechen. Sog. „low-level-jets“ sind starke Windgeschwindigkeitsüberhöhungen, die schon in Höhen bis zu 300 m über Grund auftreten können. Selbstverständlich gibt es auch praktische und technische Grenzen. Die zur Zeit (Feb. 2011) höchste Windkraftanlage hat eine Nabenhöhe von 160 m und einen Rotorradius von 45 m, so dass sich eine Gesamthöhe von 205 m ergibt. Die Frage, welche maximale Größe möglich, sinnvoll und ökonomisch ist, wird oft diskutiert, auch im Rahmen großer EU-Projekte (UPwind). Wir gehen darauf kurz im Kapitel Entwicklungstendenzen ein. 455

Der Standort befindet sich in der Nähe von Kiel. Eigene Untersuchungen des Autors.

168

3 Technische Rahmenbedingungen

Mit der Bauhöhe, die oft nur durch die Nabenhöhe spezifiziert wird, ist der Rotordurchmesser eng verknüpft. Eine ältere, empirische Korrelation besagt456: D[m] = (H[m]-7m)/0,95, allerdings muss berücksichtigt werden, dass diese Korrelation nur eine erste Abschätzung bietet, die unabhängig vom Standort, also der Windklasse ist. Eine weitere charakteristische Größe ist die Nennleistung PNenn, diejenige, die maximal erzeugt werden kann. Sie wird bei der zugeordneten Nennwindgeschwindigkeit vNenn erreicht. Die Nennwindgeschwindigkeit darf nicht mit der standortbezogenen, mittleren Geschwindigkeit vave verwechselt werden.

Windhäufigkeit - Kiel 0,10

h

0,08 0,06

Weibull messung

0,04 0,02 0,00 0

5

10

15

20

v (m/s) Abbildung 18:

457

Häufigkeitsverteilung der Windgeschwindigkeit im Jahr 2007 in Kiel

Da der Wind aufgrund der turbulenten Dynamik eine statistische Größe ist, sind Häufigkeitsverteilungen ein sinnvolles Mittel der Beschreibung (s. Abbildung 18 für einen Standort am Westufer der Kieler Förde). Die mittlere Windgeschwindigkeit ist der aus dieser Verteilungsfunktion folgende Mittelwert, die Nennwindgeschwindigkeit das sog. dritte Moment, da – wie oben gesagt – P ∼v3 . Als Faustregel kann vNenn ≈ 2 vave angenommen werden. Zur wirtschaftlichen Bewertung des Energieertrages ist die Nennleistung offensichtlich nicht geeignet; hierfür wird meistens der Jahresenergieertrag herangezogen. Seit einiger Zeit werden von der FÖRDERGESELLSCHAFT WINDENERGIE E.V. vergleichbare sog. Referenzerträge veröffentlicht458. Wir ziehen als Bespiel die schon oben erwähnte Anlage E-126 heran: Der Rotordurchmesser beträgt D = 126,95 m, die Nabenhöhe 125 m, als Nennleistung ist PNenn = 6 MW angegeben. An einem fiktiven Standort herrsche die mittlere Windgeschwindigkeit vave = 6,95 m/s. Aus dem Referenzertrag von 17,02 MWh/a 459 ergibt sich eine mitt456

A.P. Schaffarczyk, Mechanische Prinzipien des Up-Scalings: Welche Anlagengrößen sind machbar? WIETagung, Flensburg, 2005

457

Nach eigenen Untersuchungen des Autors. Angabe erfolgt für eine Höhe von 35 m.

458

Fördergesellschaft Windenergie eV, Referenzerträge, Kiel, 2004 ff.

459

Fördergesellschaft Windenergie eV, Referenzerträge, Kiel, 2004 ff.

3.1 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen

169

lere Leistung von

= 1,95 MW, der Rayleigh-Betz’sche Maximalwert460 beträgt 2,96 MW. In diesem Sinn kann der Anlage also ein Wirkungsgrad η =

/ PRB = 0,656 zugeordnet werden461. Aus wirtschaftlicher Sicht wird an eine Windenergieanlage die Forderung möglichst geringer Energiegestehungskosten herangetragen. Diese Kosten unterteilen sich in Investitionen (Anlagenkauf) und Betriebskosten. Je nach wirtschaftlichem Konzept des Betreibers sind diese beiden Kostenanteil unterschiedlich zu gewichten; inzwischen scheint sich aber auch bei den Entwicklungsverantwortlichen die Ansicht durchzusetzen, die Energiegestehungskosten über den gesamten Betriebszeitraum (üblich sind 20 Jahre) zu minimieren. Aus dieser globalen Forderung leiten sich einige technische Konzepte ab, die im Folgenden kurz beschrieben werden sollen. Wir unterteilen dabei die Anlage weiter in mechanische und elektrische Komponenten.

3.1.2.1

Mechanische Konzepte

Als maschinenbauliche Komponenten gelten der Rotor, das Maschinenhaus mit dem Triebstrang bis zum elektrischen Generator. Als Stand der Technik kann die dreiblättrige Anlage mit horizontaler Rotationsachse angesehen werden. Solche mit vertikaler Rotationsachse (Abbildung 13) wurden zwar in der verbesserten Variante als DARRIEUS-Rotor bis in die 90iger konzeptionell mit Prototypen bis 4 MW Nennleistung (Éole-C, Kanada) verfolgt, konnten sich jedoch nicht gegen die rasch verbesserten Horizontalanlagen durchsetzten. Erst in jüngster Zeit scheint das Interesse aufzuleben und zwar einerseits bei sehr großen Offshore-Anlagen (20 MW, DEEPWIND462) und andererseits bei Kleinwindanlagen (Rotorfläche < 200 m²), siehe Abbildung 19. Die Anzahl der Blätter ist bei der Mehrzahl der Anlage nun drei, nur noch vereinzelt werden zweiblättrige Anlagen verkauft oder entwickelt. Die hierfür heranzuziehenden Gründe lassen sich einfach zusammenfassen: Anlagen mit zwei oder weniger Blättern zeigen wegen den vertikalen Windgeschwindigkeitsprofils (Abbildung 17) starke Unwuchten, die zu vergrößerten Ermüdungslasten führen. Bei Anlagen mit mehr als drei Blättern ist die Blatttiefe aus aerodynamischen Gründen proportional zur Blattzahl zu verringern463, also werden die Blätter noch schlanker und somit noch schwingungsanfälliger. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal, das sowohl mechanische als auch elektrotechnische Komponenten betrifft, ist die Verwendung eines Getriebes. Legt man einen Windturbinenflügel nach dem üblichen Blattschnittverfahren464 möglichst nahe am Betz’schen Grenzwert aus, so ist die Drehzahl des Rotors im Leistungsoptimum 460

A.P. Schaffarczyk 2011.

461

Die entsprechenden Werte anderer Anlagen finden sich in A.P. Schaffarczyk 2011.

462

L. Vita, U.S. Paulsen, T.F. Pedersen 2010.

463

A.P. Schaffarczyk, Wind Turbine Aerodynamics and Aeroelastics, Chapter 3.

464

A.P. Schaffarczyk 2010.

170

Abbildung 19:

3 Technische Rahmenbedingungen

465

Kleinwindanlage der Fa. Ropatec

direkt proportional zur momentanen Windgeschwindigkeit. Dies hat zur Folge, dass die Drehzahlen in der nun üblichen 2–3 MW Klasse bei etwa 10 bis 15 UPM liegen. Elektrische Generatoren müssen jedoch Wechselspannung mit 50 (Europa) oder 60 (USA) Hz erzeugen. Diese Frequenz ist streng einzuhalten und zwingt den Generator zu einer Drehzahl von 3000/n UPM. Hier ist n die Anzahl der Polpaare im Generator. Möchte man einen Generator direkt – also getriebelos – an den mechanischen Rotor koppeln, so benötigt man eine hohe Anzahl von Polen. Dieses Konzept wird zum Beispiel von der Firma Enercon verfolgt. Andererseits sind Generatoren mit geringer Polzahl als sog. Asynchronmaschinen weit verbreitet und technisch sehr ausgereift, sodass bei deren Verwendung die Nutzung eines Getriebes unumgänglich ist. Bis vor kurzem haben Anlagen mit Getriebe mehr als 80 % der verkauften Anlagen ausgemacht. Ausgeführte Getriebe bewältigen diese Drehzahländerung von 1:100 üblicherweise in mehreren, meist drei, Stufen. Solche Getriebe stellen maschinenbauliche Meisterleistungen dar. In einer 5 MW-Version hat ein solches Getriebe der Firma Winergy AG eine Masse von über 60 to. Es ist jedoch einzuräumen466, dass die Getriebe für einen großen Anteil an vorzeitigen Schadensfällen verantwortlich gemacht werden müssen. Zur Erklärung wird üblicherweise die große Variationsbreite an dynamischen Belastungen herangezogen467.

465

Nennleistung: 20 kW; rechteckige Rotorfläche: 34,4 m², Nabenhöhe ca. 20 m.

466

E. Hau 2008.

467

Systematische und umfassendere Studien darüber findet man zum Beispiel in F. Oyague, D. Gorman, S. Sheng 2010.

3.1 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen

171

Eine Stellung zwischen Anlagen mit und ohne Getriebe nimmt die sog. Multibrid-Technologie ein. Hierbei kommt zwar ein Getriebe zum Einsatz, jedoch beträgt das Übersetzungsverhältnis nur etwa 1:10, sodass nur ein oder zwei Getriebestufen notwendig sind. Demzufolge betragen die mittelschnellen Drehzahlen des Generators nur 50 bis 150 UPM. Die Firmen AREVA WIND (Deutschland, Frankreich), WINWIND (Finnland) sowie der noch kompaktere SCD (SUPER COMPACT DRIVE) Entwurf der Firma AERODYN, Rendsburg, sind Beispiele hierfür.

Abbildung 20:

Prototyp der zweiblättrigen SCD (3 MW) Anlage

3.1.2.2

Elektrische Konzepte

468

Die elektrischen Komponenten umfassen den Generator sowie die notwendigen Vorrichtungen zur Regelung und Betriebsführung der Anlage. Wie oben ausgeführt, beeinflusst die Konzeptwahl (Getriebe ja oder nein?) sehr stark die Eigenschaften des elektrischen Generators. Hatte man in der Anfangsphase der modernen Nutzung der Windenergie (ab ca. 1985) kaum Einfluss auf die Auswahl der Komponenten, so hat sich dies, insbesondere nach dem Einbruch im Maschinenbau im Verlauf der Finanzkrise 2008, sehr stark zu Gunsten der Windenergie geändert. Viele klassische maschinenbauliche Unternehmen sind bereit, speziell für die Belange der Windenergie ausgerichtete Komponenten zu entwickeln und zu fertigen. Dies zeigt sich nun auch im elektrotechnischen Sektor besonders einprägsam durch die Einführung sog. Synchron-Generatoren mit elektrischer Erregung durch Permanentmagnete469. Elektro-mechanische Energiewandlung wurde Ende des 19. Jahrhunderts vor allem für die weiträumige Verteilung von Elektrizität zur Beleuchtung von Leuchttürmen und Gebäuden eingeführt. Das physikalische Prinzip, das FARADAY’SCHE Induktionsgesetz, erlaubt es, durch zeitlich veränderliche Magnetfelder elektrische Spannungen zu induzieren, die ihrerseits elektrische Ladungen mobilisieren. Das Produkt aus elektrischer Spannung und elektrischem Strom (= fließende elektrische Ladung pro Zeiteinheit) stellt eine Leistung dar.

468

Nabenhöhe: 85 m, Rotordurchmeser 100 m, Quelle: AERODYN DEVELOPMENT & MARKETING GMBH.

469

S. Heier 2009.

172

3 Technische Rahmenbedingungen

In den technischen Realisierungen lassen sich folgende Unterscheidungsmerkmale angeben470. Aufbauend auf der sog. Drehstromtechnologie, bei der elektrische Leistung durch drei je um 120 Grad phasenverschobene Teilströme gleicher Frequenz übertragen wird, können der mechanisch angetriebene Rotor und das elektrische Drehfeld mit gleicher Frequenz (= synchron) oder leicht unterschiedlicher Frequenz (asynchron) rotieren. Als weiteres Unterscheidungsmerkmal besitzen Synchrongeneratoren Erregereinheiten durch Permanentmagnete oder durch von außen gespeiste Elektromagnete. Erst in jüngerer Zeit konnte durch die Einführung preislich relativ günstiger Permanentmagnete unter Verwendung Seltener Erden Metalle (Kobalt-Samarium, Eisen-Neodym-Bor) die Entwicklung solcher permanenterregter Synchronmaschinen vorangetrieben werden. Dies ist bei gleichzeitig geforderter Drehzahlvariabilität des mechanischen Rotors jedoch nur bei Einsatz so genannter Frequenzumrichter möglich471. Diese elektrischen Bauteile machen es möglich, Frequenz und Spannung des Generators in weiten Bereichen zu ändern. Im Hinblick auf verschärfte Netzanschlussregeln bietet diese Bauart zudem die Möglichkeit, die Qualität der erzeugten elektrischen Leistung zu erhöhen. Asynchronmaschinen werden als so genannte Kurzschluss- oder Käfigläufer oder Schleifringläufermaschinen ausgeführt. Hat der Kurzschlussläufer den Vorteil eines einfachen mechanischen Aufbaus, so ist es mit dem Schleifringläufer einfacher, in den Erregerkreis einzugreifen, um Drehzahländerungen zu bewirken oder darauf zu reagieren. In einer besonders prägnanten Ausführung des DFIGs (Double-fed induction generator = Doppeltgespeister Asynchrongenerator) ist dies wohl das zurzeit am häufigsten verbaute Generatorkonzept.

3.1.2.3

Tragwerk

Das Tragwerk umfasst den Turm und das Fundament. Das Fundament richtet sich nach den Bodenverhältnissen und der Gesamtmasse der Anlage. Eine Besonderheit gegenüber anderen „Bauwerken“ stellen die sehr viel höheren dynamischen Lasten dar. Der Turm trägt das Maschinenhaus, das bislang immer noch alle wesentlichen Teile der Anlage auf Nabenhöhe beherbergt und bringt den Rotor auf eine möglichst günstige „Windhöhe“. Als Turmbauarten kommen zur Verwendung: Gittertürme wie bei Hochspannungsleitungen, Stahltürme in konifizierter Bauweise und Betontürme, die zum Beispiel von der Firma Enercon verwendet werden. Gittertürme scheinen auf den ersten Blick durch ihren geringeren Materialverbrauch die erste Wahl zu sein, jedoch scheint der langfristige Wartungsaufwand die Vorteile zum Teil wieder zunichte zu machen. Überraschenderweise können Stahlrohrtürme472 mit dem gleichen Mate470

S. Heier 2009 (Kapitel 3.2.).

471

S. Heier 2009.

472

E. Hau 2008.

3.1 Techniksysteme und Entwicklungstendenzen

173

rialaufwand wie Gittermasten gefertigt werden, wenn sie in der sog. „weichen“ Ausfertigung entworfen werden. „Weich“ heißt der Turm dann, wenn die erste Eigenfrequenz der Anlage (Turm + Maschinenhaus) unterhalb der p-fachen Drehzahl des Rotors liegt (p = Anzahl der Blätter). Beim Hochfahren der Anlage in den Nenndrehzahlbereich muss also eine potenzielle Resonanzstelle durchfahren werden. Erfreulicherweise scheint dies die Standfestigkeit der Anlagen in den vorliegenden Ausfertigungen nicht zu gefährden. Die Betonbauweise wird vor allem von der Firma Enercon bevorzugt. Zieht man deren E126 als Beispiel heran, so werden hier Materialmassen von ca. je 3.000 to für Fundament und Turm bei einer zu tragenden Turmkopfmasse von ca. 605 to genannt473. Eine vergleichbare Stahlrohrkonstruktion bei gleicher Nennleistung (REpower 5M) hat eine Masse von ca. 750 to, bei einer Turmkopfmasse von ca. 410 to474.

3.1.3

Entwicklungstendenzen

Die Preise für Onshore-WEA sind in den USA von 4.000 US$/kW (1982) bis auf 1.400 US$/kW (2002) gefallen. Nach 2002 erfolgte jedoch bis 2007 allerdings ein Wiederanstieg auf 1.700 US$/kW475. Ähnliche Trends gelten auch für Europa. Die Turbinenpreise sind von 2008 (1.100 €/kW) bis 2010 (1.000 €/kW) wieder gefallen476. Weiter wird erstmalig über chinesische Exportanlagen zu einem Preis von nur 500 €/kW berichtet. Weitaus detailliertere und umfassendere Kostenmodelle sind jedoch notwendig, um zu entscheiden, welche technischen Entwicklungen ökonomisch sinnvoll sind. Für die reinen Turbinenkosten an einem Windpark gibt MANWELL für 2009 die Spanne 70–85 % an477, so dass die Kostenstruktur während der gesamten Lebenszeit betrachtet werden muss. Möchte man eine Prognose wagen, so muss man davon ausgehen, dass zur Zeit bei OnshoreAnlagen ein gewisser Stillstand in Bezug auf Anlagengröße eingetreten ist, der durch eine Größe von 2–3 MW (Rotordurchmesser um 100 m) beschrieben werden kann. Größere, an Land gebaute Anlagen dienen zumeist nur als Erprobung des Einsatzes Offshore. Eine Ausnahme stellt lediglich die hier schon oft als Beispiel herangezogene E-126 dar, die explizit nicht als Offshore-Anlage konzipiert ist. Der Verfasser geht davon aus, dass vom klassischen Aufbau (zwei oder drei Blätter, LuvLäufer, horizontale Drehachse) in der übersehbaren Zukunft nicht abgewichen wird. Innerhalb des Maschinenhauses scheint sich eine verstärkte Hinwendung zu getriebelosen Anlagen abzuzeichnen. Hersteller mit starkem elektrotechnischem Hintergrund wie SIEMENS und GENERAL ELECTRIC haben dies bereits offiziell angekündigt, weitere große Hersteller werden vermutlich folgen. Die schon erwähnten starken Permanentmagnete benötigen große 473

http://de.wikipedia.org/wiki/Enercon.

474

http://de.wikipedia.org/wiki/REpower_Systems.

475

J.F. Manwell, J.G. McGowan, A.L. Rogers 2009.

476

D. Milborrow 2011.

477

J.F. Manwell, J.G. McGowan, A.L. Rogers 2009.

174

3 Technische Rahmenbedingungen

Mengen an Metallen aus der Gruppe der „Seltenen Erden“. Da in jüngster Zeit von Lieferengpässen berichtet wird, bleibt abzuwarten, ob sich dieser Trend in dieser Weise auch einstellt.

3.1.4

Zusammenfassung

Die Windenergie hat in den letzten zwanzig Jahren eine stürmische Entwicklung erfahren, die sich sowohl in der Entwicklung dieser Technologie als auch deren Verbreitung manifestiert. Die Triebfedern dieser Entwicklung sind leicht ausgemacht: Zum einen sind die Ressourcen an fossilen Energieträgern bei wachsender Nachfrage vor allem aus Asien begrenzt und zum anderen müssen wegen bekannter Gründe CO2 – sowie risikoarme, d.h. nichtnukleare – Technologien verstärkt genutzt werden.

3.2 Professionelles Management zentraler Fertigstellungsrisiken

3.2

175

Professionelles Management zentraler Fertigstellungsrisiken

ROLAND STANZE Roland Stanze (Diplom-Ökonom), begann seine berufliche Laufbahn 1992 als Leiter Finanzierung und Eigenkapitalvertrieb bei der ENERGIEKONTOR AG in Bremen. 1995 wechselte er zur Commerzbank-Tochter COMMERZ LEASING & IMMOBILIEN GMBH, Düsseldorf, wo er als Prokurist für die Konzeption und Realisierung von Infrastrukturfonds verantwortlich war. 1999 begann Roland Stanze seine Tätigkeit als Leiter Projektfinanzierung bei der PLAMBECK NEUE ENERGIEN AG in Cuxhaven, der heutigen PNE WIND AG. Er verantwortet jetzt als Generalbevollmächtigter und Head of Business Development die Unternehmensbereiche Projektfinanzierung, Anlageneinkauf, Vertrieb sowie Nationale und Internationale Akquisition. Diese Tätigkeitsfelder erfordern einen umfassenden Blick auf das Thema Windenergie und insbesondere die Fertigstellungsrisiken von Windenergieprojekten. Ohne deren umfassende Berücksichtigung wäre die erfolgreiche Arbeit eines Projektentwicklers nicht möglich. Danksagung Die Erstellung dieses Kapitels „Management zentraler Fertigstellungsrisiken“ wurde unterstützt durch die Mitwirkung und Erfahrung der folgenden Mitarbeiter der PNE WIND AG: Janina Dräger, Julius Kristof Graf, Olaf Bruno Hamann, Sybille Marquard, Otto-Jan Oellermann, Jens Peters, Henning Prigge, Sabine Roes, Kristian Zolondek

3.2.1

Einleitung

Innerhalb des Projektmanagements lässt sich die Thematik der Fertigstellungsrisiken im Bereich des Risikomanagements einordnen. Diesen Risiken muss eine bedeutende Rolle zukommen, da sie im ungünstigsten Fall zu Abweichungen des Bauplans eines Windparkprojektes führen können. Aufgrund dessen sollen im Folgenden die Risiken der Fertigstellung im Kontext von sowohl rechtlichen, wirtschaftlichen als auch technischen Aspekten erörtert und deren Management näher erläutert werden. Zudem wird ein umfassender Überblick der Fertigstellungsrisiken im Rahmen der Realisierung eines praxisnahen Beispiels im Bereich der Windenergieprojektierung erarbeitet. Der zweite Abschnitt des Kapitels beleuchtet das professionelle Management von Fertigstellungsrisiken. Nach einer Begriffsabgrenzung und einer Erläuterung der wesentlichen Merkmale der Fertigstellungsrisiken werden diese Risiken innerhalb eines Phasenmodells in zeitlicher Reihenfolge eingeordnet, betrachtet. Danach werden die Lösungsansätze anhand des Praxisbeispiels HURAKAN dargelegt. Es wird zudem ein Einblick in die Besonderheiten des Managements von Fertigstellungsrisiken im Ausland aufgezeigt und in Abgrenzung zu den Gegebenheiten des Praxisbeispiels diskutiert. Abschließend werden in einer Schlussfolgerung die wichtigsten Aspekte einer risikominimierten Strategie zusammengefasst und ein Ausblick gegeben.

176

3.2.2

3 Technische Rahmenbedingungen

Begriffliche und theoretische Abgrenzung

Als Fertigstellungsrisiko bezeichnet man alle Risiken, die dazu führen können, dass die planmäßige Errichtung eines Windparkprojektes gefährdet wird. Das Fertigstellungsrisiko in technischer sowie in wirtschaftlicher Hinsicht ist eines der bedeutendsten Aspekte im Bereich der Windenergieprojektierung, da die erforderlichen Finanzierungsmittel nur bei ausreichender Sicherheit gewährt werden. Hinsichtlich der Entwicklung von Fertigstellungsrisiken sei anzumerken, dass die Risiken in den letzten Jahren nicht wesentlich an Einfluss gewonnen bzw. verloren haben. Sie ändern sich jedoch mit der Zeit und den Technologien. Es gilt zu erwähnen, dass mit einer höheren Zahl von realisierten Projekten die Lernkurve steigt und man Risiken somit bewusst minimieren kann. Fertigstellungsrisiken nehmen einen bedeutenden Status der Projektfinanzierung ein, weil ein wesentliches Merkmal der Projektfinanzierung von Windenergieanlagen darin besteht, dass einem enormen Kapitalaufwand für die Anschaffung der WEA ein langfristiger Amortisationszeitraum gegenüber steht. Folglich richtet sich die Bereitschaft einer Kreditvergabe nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Projektes selbst und des zu erwartenden Cashflows. Nur durch einen gesicherten, wirtschaftlich positiven Ertrag lassen sich die Termin- und Kreditverbindlichkeiten vertragsgemäß begleichen. Daher muss es gelingen, jegliche Art von Fertigstellungsrisiken nicht erst in der Phase der Projektumsetzung zu eliminieren, sondern bereits vorher in den Phasen der Projektentwicklung und -planung. Jede Abweichung, welche auf die Fertigstellung eines Windparkprojektes Einfluss hat, führt zu einer Veränderung des Cashflows. Bei vorzeitiger Fertigstellung können verfrüht Einnahmen generiert werden und Kosten vermieden werden. Eine verspätete Fertigstellung hingegen führt zwangsläufig zu geringeren Einnahmen und zusätzlichen Kosten. In der Windenergieprojektierung müssen bis zur Fertigstellung eines Projektes beträchtliche Investitionen getätigt werden. Zwar kann eine bedeutende Wertschöpfung bereits in der Phase der Entwicklung in Form von Genehmigungsrechten generiert werden, dennoch müssen die Kapitalgeber von der Realisierbarkeit eines Projektes überzeugt sein. Da die Kapitalgeber das Fertigstellungsrisiko tragen, werden diese nur Investitionen vornehmen, wenn ein wirtschaftlicher Betrieb des Projektes zu erwarten ist. Fertigstellungsrisiken lassen sich grundsätzlich in vier Bereiche unterteilen: 1. Verzögerte Fertigstellung: Die Fertigstellung des Projektes verzögert sich, und somit auch die Inbetriebnahme, welches zu erhöhten Kosten führt. 2. Nicht vertragsgerechte Fertigstellung: Das Projekt wird fertiggestellt, verfügt jedoch nicht über die vertraglich zugesicherten Leistungen bzw. geplanten technischen und sonstigen Eigenschaften. 3. Fertigstellung zu erhöhten Kosten: Das Projekt wird/kann nur fertiggestellt werden, wenn für die Realisierung erhöhte Kosten in Kauf genommen werden. 4. Keine Fertigstellung: Das Projekt wird nicht realisiert. Je nachdem, ob der Risikoursprung im endogenen oder exogenen Bereich liegt, sind diese Risiken von einem Generalunternehmer zu beeinflussen. Zu den endogenen Risiken zählen alle Risiken, die eine direkte Zugehörigkeit zum eigentlichen Projekt besitzen. Dazu zählt

3.2 Professionelles Management zentraler Fertigstellungsrisiken

177

das eigentliche Fertigstellungsrisiko, das Betriebs- und Managementrisiko sowie das Funktionsrisiko. Exogene Risiken zeichnen sich dadurch aus, dass sie durch die Projektbeteiligten nur schwer bzw. gar nicht beeinflussbar sind. Hierzu zählen unter anderem Risiken wie höhere Gewalt, technische Risiken oder auch politische und wirtschaftliche Risiken.

3.2.3

Fertigstellungsrisiken und deren Management

Die Vielzahl von Fertigstellungsrisiken kann nach unterschiedlichen Kriterien systematisiert werden. Für den hier vorliegenden Zweck sind folgende Fertigstellungsrisiken klassifiziert worden, die wiederum in untergeordnete Teilbereiche gegliedert werden können und im Praxisbeispiel in Abhängigkeit von der Projektentwicklungsphase und der Bedeutung detaillierter beschrieben sind: 1. Technische Risiken: z.B. unerwarteter Bodenzustand oder Rotorblattschäden durch Transport, 2. Rechtliche Risiken: z.B. Erfüllung von Genehmigungsauflagen wie Bauzeitfenster, 3. Wirtschaftliche Risiken: z.B. Lieferzeiten für Gewerke können nicht eingehalten werden, die Inbetriebnahme verzögert sich oder die Bauphase wird teurer als erwartet. Die einzelnen Risiken können selten isoliert betrachtet werden. Oftmals sind sie wie mehrere Zahnräder miteinander verzahnt. Ein technisches Problem beim Bau der Zuwegung kann weitere Auswirkungen in rechtlicher und wirtschaftlicher Sicht haben. Daher ist ein besonderer Fokus auf zentrale Milestones bzw. Trigger Punkte mit wesentlichen Auswirkungen zu legen, die auf einem kritischen Projektpfad liegen. Bei der Einzel-Bewertung der Risiken dürfen Chancen und Risiken nicht saldiert werden. Diese sollten als Fazit erst im Gesamtkontext mit einer vollständigen Übersicht sämtlicher Chancen und Risiken erfolgen. Um den genannten Risiken mit zu ergreifenden Maßnahmen zu begegnen, bieten sich theoretisch vier grundsätzliche Möglichkeiten in der folgenden Reihenfolge an: 1. Vermeidung, d.h. das Risiko wird erst gar nicht eingegangen, das Projekt bzw. Teilbereiche nicht weiter verfolgt. 2. Verminderung, d.h. das Risiko wird soweit wie sinnvoll minimiert. 3. Überwälzung, d.h. das Risiko wird übertragen auf einen Risikoträger, der dieses Risiko besser managen kann. 4. Akzeptanz, d.h. das Risiko wird bewusst in Kauf genommen und damit akzeptiert. Im Hinblick auf das Risikobewusstsein und den möglichen Eintritt von Risiken und deren Folgen ist die Art des Umgangs mit dem Risiko sorgfältig zu dokumentieren und zu systematisieren. Diese Vorgehensweise zielt auf die Darstellung einer einfachen Risikoverfolgung und Risikoberichterstattung ab. Hier sollte neben einer Detailbeschreibung der Risiken festgehalten werden, welche Maßnahmen ergriffen wurden oder eine entsprechende Begründung geliefert werden, für den Fall, dass keine Maßnahmen ergriffen wurden. Für einen guten Überblick sind neben der Eintrittswahrscheinlichkeit und den verantwortlichen Ansprechpartnern auch die zukünftige Risikoentwicklung (Trend) einzuschätzen sowie eine regelmäßige Aktualisierung zwecks fortlaufender Kontrolle vorzunehmen.

178 Tabelle 12:

3 Technische Rahmenbedingungen Beispiel Eintrittswahrscheinlichkeit von Risiken

sehr gering

0–5 %

Ereignis tritt mind. 1× in 20 Jahren ein

gering

5–20 %

Ereignis tritt mind. 1× in 5 Jahren ein

mittel

20–50 %

Ereignis tritt mind. 1× in 2 Jahren ein

hoch

50–100 %

Ereignis tritt eher im lfd. Geschäftsjahr als danach ein

Abschließend kann festgehalten werden, dass die möglichen Auswirkungen der Risiken in der Unternehmens- bzw. Projektplanung Berücksichtigung finden sollten. Mit dem Ziel qualitative Risiken, sofern möglich, auch in Zahlen auszudrücken und die Summe der quantitativen Risiken zu bestimmen, bietet sich die Einteilung in Auswirkungsklassen an. Hierfür kann exemplarisch folgende Einteilung dienen: Tabelle 13: Auswirkung Projekt XYZ

Beispiel Auswirkungsklasse niedrig 0 – 250 T€

moderat 250 – 1.000 T€

wesentlich 2.000 – 5.000 T€

gravierend Mehr als 5.000 T€

Die Eintrittswahrscheinlichkeiten und die möglichen Auswirkungen können sehr übersichtlich in einer gemeinsamen Risikomatrix präsentiert werden: Tabelle 14:

Beispiel Risikomatrix

Auswirkung gravierend wesentlich moderat niedrig sehr gering

gering

mittel

hoch

Eintrittswahrscheinlichkeit

Je nach Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkung auf das Projekt befindet sich das Risiko in einem der Felder. So kann die Unternehmens- oder Projektleitung relativ schnell erkennen, wie die Summe der Einzelrisiken zu einem bestimmten Zeitpunkt ist und ggfs. wie sich die Risiken im Zeitablauf verändert haben.

3.2.4

Praxisbeispiel Windpark Hurakan

Anhand des Praxisbeispiels HURAKAN sollen in diesem Kapitel mögliche Fertigstellungsrisiken identifiziert werden. Denn nur wenn diese bekannt sind, ist eine präventive Minimierung der Fertigstellungsrisiken möglich. Das Gelände, auf dem sich das Windparkprojekt HURAKAN befindet, erstreckt sich über ein Gesamtareal von ca. 259 ha Fläche und liegt nur wenige Kilometer von der Nordseeküste

3.2 Professionelles Management zentraler Fertigstellungsrisiken

Abbildung 21:

179

Projektplan „Hurakan“

entfernt. Die mittlere Windgeschwindigkeit beträgt in dieser Region ca. 7,8 m/s in 100 m Höhe. Bei dem Windparkprojekt HURAKAN handelt es sich um einen Windpark, der insgesamt aus neun WEA des Typs Vestas V 90/3.0 MW besteht. Mit einer Nabenhöhe von 105 m und einem Rotordurchmesser von 90 Metern ist dieser Anlagentyp den Standortgegebenheiten angepasst, da sich dieser in Küstennähe befindet und sich durch hohe Windgeschwindigkeit auszeichnet. Zudem wird in der Regel eine 97 %-ige technische Verfügbarkeit der Anlagen mit einer Dauer von 24 Monaten, die bei der Berechnung der voraussichtlichen Erträge berücksichtigt wird, vom Hersteller gewährleistet.

180

3 Technische Rahmenbedingungen

Die Abbildung 21 beschreibt den zeitlichen Ablauf des Projektes HURAKAN und erstreckt sich über die gesamten Projektphasen vom Erstkontakt bis zum laufenden Betrieb. Für den anliegenden Projektplan werden folgende Annahmen getroffen: 1. Bei dem Windparkstandort handelt es sich um eine noch nicht bearbeitete Fläche. 2. Für den Bau der Fundamente sind zwei Teams vorgesehen, welche parallel arbeiten können. 3. Mit der Montage wird 28 Tage nach Bau der Fundamente begonnen. Diesen Zeitrahmen benötigen die Fundamente, um zu trocknen. 4. Die Montage der Anlagen wird mit nur einem Kran vorgenommen.

3.2.5

Ablauf des Phasenmodells

In diesem Abschnitt des Kapitels wird auf die einzelnen Phasen während der Windparkentstehung und die jeweiligen Risiken eingegangen. Diese können bereits in den Phasen vor der Errichtung entstehen bzw. hier ihren Ursprung haben. Daher müssen eventuelle Risiken bereits während der Projektentwicklung beeinflusst, minimiert oder sogar behoben werden.

Abbildung 22:

Visualisierung des Phasenmodells

Erstkontaktphase In dieser Phase werden mögliche Eignungsflächen identifiziert. In einem Ausschlussverfahren wird hierbei, unter Berücksichtigung verschiedener Abstandspuffer oder Tabuzonen, ein Planungsraum definiert. Daraus resultieren letztendlich Flächen, die für ein Windkraftprojekt geeignet sind. Nach der Identifizierung dieser Eignungsflächen nimmt der Generalunternehmer bzw. der beauftragte Flächenakquisiteur den Kontakt zu Grundeigentümern sowie involvierten Kommunen auf. Erkundungsphase Im Rahmen der Erkundungsphase wird der Erstkontakt intensiviert und u.a. das gemeindliche Einvernehmen geklärt. Des Weiteren werden Wettbewerber identifiziert, um die Konkurrenzsituation am relevanten Standort zu überprüfen. Bereits in diesem Schritt müssen die Prognosen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit des Projektes bzw. des Standortes, die Windleistung, sowie die mögliche Netzanbindung positiv ausfallen.

3.2 Professionelles Management zentraler Fertigstellungsrisiken

181

Entwicklungsphase In der Entwicklungsphase werden Windgutachten erbracht, Kosten hinsichtlich der Netzanbindung bestimmt, sowie Wirtschaftlichkeitsprognosen angefertigt und die Flächensicherung fortgeführt. Planungsphase In der Planungsphase werden alle nötigen Genehmigungen beantragt bzw. eingeholt. Darüber hinaus sind die Windprognosen durch weitere Gutachten abzusichern und der Netzanschluss zu garantieren. Dies setzt ein verbindliches Angebot hinsichtlich der Kosten des Netzanschlusses voraus. Zusätzlich muss die Infrastruktur des Windparkprojektes geklärt sein. Genehmigungsphase Alle in den vorherigen Phasen gewonnenen Erkenntnisse, Gutachten und relevanten Unterlagen werden zusammengetragen und zu einem Antrag basierend auf dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) zusammengefasst478. Hierbei ist es erforderlich, eine stetige und intensive Kommunikation und Abstimmung mit der Genehmigungsbehörde sowie der Unteren Naturschutzbehörde zu pflegen, um möglichst schnell nach Einreichung des Antrags eine Vollständigkeitsbescheinigung des Antrags zu erhalten. Erst dann beginnt die eigentliche inhaltliche Prüfung des Antrags. Umsetzungsphase Diese Phase ist dadurch geprägt, dass die Finanzierung des Projektes gesichert und der Windpark gebaut und schließlich in Betrieb genommen wird. Wie zu Anfang erwähnt, können im Laufe dieser Phasen unterschiedlichste Risiken entstehen und zum Tragen kommen. Die Zuordnung eines bestimmten Risikos in eine bestimmte Phase ist nicht durchführbar, da dies immer individuell von dem einzelnen Projekt und seinen jeweiligen Gegebenheiten abhängig ist.

3.2.6

Die Teilphasen der Umsetzungsphase und ihre Herausforderungen

In diesem Teil des Kapitels werden ausgewählte Risiken aufgezeigt, die innerhalb der Umsetzungsphase eines Windparks auftreten können. Jedes dieser Risiken kann zu einer verspäteten, nicht leistungsgerechten, kostenerhöhenden Realisierung oder gar zum Projektabbruch führen. Da bereits während der Projektentwicklung Risiken identifiziert werden, sind an dieser Stelle kurz die Risiken zu beleuchten, welche bereits in den Phasen vor der Umsetzung entstehen

478

Das BImSchG dient dem Schutz vor schadhaften Einflüssen durch Geräusche, Luftverunreinigung und ähnlicher Einwirkungen auf die Umwelt. Jedes zu realisierende Projekt, welches droht, Einfluss auf die Umwelt zu haben, benötigt eine projektbezogene BImSchG-konforme Genehmigung.

182

3 Technische Rahmenbedingungen

können, bzw. bei einem späteren Eintreten hier ihren Ursprung haben können. Diese Benennung ist nicht abschließend, stellt aber den Kern der am häufigsten auftretenden Risiken dar. Im Verlauf der Windparkerstellung sind die eigentlichen WEA elementar. Bereits in den Angebotsverhandlungen müssen diverse Aspekte beachtet werden. Aufgrund der erhöhten Nachfrage nach WEA ist die Lieferzeit in den letzten Jahren je nach WEA-Typ stark angestiegen, weshalb auf eine frühzeitige Bestellung der WEA zu achten ist, sowie deren Finanzierung sicherzustellen ist. Der Zeitraum zwischen Vertragsabschluss und eigentlicher Erbringung der Leistung nimmt in den meisten Fällen mehr als ein Jahr in Anspruch. Eben diese Zeit birgt weitere Risiken, wie z.B. Lieferschwierigkeiten, Zahlungsverzug und Insolvenz des Projektbeteiligten WEA-Lieferanten. Die Realisierung eines Windparkprojektes setzt die Erfüllung aller bauvoraussetzenden Genehmigungen und deren Auflagen voraus, die existenziell für die Errichtung und den Betrieb eines Windparkvorhabens sind. Somit stellt die Genehmigungsphase eine der wichtigsten Phasen dar. Diese richtet sich insbesondere nach dem BImSchG und dessen Verordnung und Auflagen. Nachfolgend werden die wichtigsten Bestandteile des Genehmigungsantrags dargestellt: • • • • • • • • •

Technische Beschreibung des Vorhabens inklusive Planzeichnungen, Schallimmissionsprognose und Schattenwurfprognose für die umliegende Bebauung, Umweltverträglichkeitsstudie, Naturschutzfachliche Bestandsaufnahmen und Gutachten wie z.B. Avifaunistische Gutachten, Fledermauserfassungen, Landschaftspflegerischer Begleitplan, inklusive einer Kompensationsplanung, Gutachten zur Umgebungsturbulenz, Baugrunduntersuchung, WEA-Beschreibung, Statik der WEA (Typenstatik).

Im Zuge der Realisierung eines Windparkprojektes muss das Projekt den Voraussetzungen des BImSchG entsprechen. Das BImSchG definiert und regelt die Genehmigungsfähigkeit eines Windparkprojektes bezogen auf die eben genannten Aspekte und ist somit ein elementarer Bestandteil desselbigen. Somit können nachträgliche Änderungen der BImSchGenehmigung bzw. der Baugenehmigung zu Änderungen in der Planung führen. Hierbei kann eine fehlende Abstimmung der Projektentwicklung mit der Umsetzungsabteilung zu erheblichen Mängeln in der vorbereitenden Planung, und somit z.B. im Hinblick auf das Wegekonzept zu fehlenden wasserrechtlichen oder straßenrechtlichen Genehmigungen, führen. Ferner kann es zu Widersprüchen gegen die BImSchG von Windkraftgegnern kommen. Ein weiteres Risiko kann durch ungenaues Kartenmaterial bei der Grenzfeststellung entstehen, was die Problematik einer Flurstückverschiebung hervorrufen kann. Außerdem gilt es einzukalkulieren, dass sich das Projekt durch auftretende Probleme bei der Statikprüfung verzögern kann. Zudem besteht die Gefahr, dass eine Behinderung der Anfahrten bzw. der Baustelle durch Unwissenheit der Anwohner und Gemeindemitglieder zu einer Zeitverzögerung führen kann.

3.2 Professionelles Management zentraler Fertigstellungsrisiken

183

Parallel zur Erlangung der BImSchG-Genehmigungen sind weitere projektrelevante Zulassungen für die erfolgreiche Erstellung eines Windparkprojektes nötig. Nachfolgend werden die wichtigsten Genehmigungen bzw. Freigaben aufgelistet: • Baufreigabeschein, • Anmeldung bzw. Freigabe des Baubeginns durch die zuständigen Ämter, • Freigabe des Prüfstatikers hinsichtlich der Typenstatik bzw. Einzelfallprüfung sowie ggf. Pfahlgründungsprüfung, • Dienstbarkeiteneintragung, • Wasserrechtliche Genehmigungen, • Straßenrechtliche Genehmigungen, • Netzanschlusspunkt Genehmigung, • Rückbaubürgschaft, • Zahlung von Ersatzgeld. Diese Genehmigungen bzw. Auflagen können einschränkende Klauseln beinhalten, wie beispielsweise Bauzeitenfenster, die die Bauzeit zum Schutz der Tierwelt einschränken. Diese Auflagen können Risiken darstellen, da sie unter Umständen die eigentliche Erstellung des Windparks terminlich beeinflussen. Jede Verzögerung bzw. Untersagung, die sich durch die Genehmigungsphase ergibt, stellt ein bedeutendes Risiko hinsichtlich der Fertigstellung dar. Nachdem die genehmigungsrechtlichen Sachverhalte geklärt sind, kann mit der eigentlichen Errichtung des Windparks begonnen werden. Die Phasen der Umsetzung werden in einzelne Abschnitte unterteilt: • • • • • • •

Untersuchung der Baustelle auf Kampfmittel und archäologische Funde, Wegeflächenbau, Kranstellflächenbau, Kabellieferungen, Kabelverlegung sowie Anschluss am Netzverknüpfungspunkt, Herstellung des Fundaments, Montage und Innenausbau der Windenergieanlagen, Inbetriebnahme.

Baugrunduntersuchung mit dem Fokus auf Kampfmittel und archäologische Funde In dieser Phase wird der Baugrund auf Kampfmittel bzw. archäologische Funde untersucht. Dies ist notwendig, um eine gefahrlose Inbetriebnahme der Baustelle zu gewährleisten. Zudem kann die BImSchG-Genehmigung Auflagen enthalten, die eine derartige Untersuchung ausdrücklich vorschreiben. Risikopotenzial innerhalb des Gewerks: • Auffindung von Kampfmitteln und • Auffindung von archäologischen Funden. Werden im Rahmen der Baugrunduntersuchung Kampfmittel bzw. archäologische Funde identifiziert, führt dies zur vorübergehenden Stilllegung der Baustelle.

184

3 Technische Rahmenbedingungen

Wegeflächenbau Damit eine reibungslose Erstellung des Windparks gewährleistet werden kann, müssen alle relevanten Zuwegungen so geartet sein, dass sie den Spezifikationen der WEA-Hersteller gerecht werden und eine problemlose Anlieferung von Baumaschinen, Materiallieferungen in Form von Windenergieanlagen- und Großkrankomponenten sowie Baumaterial ermöglicht wird. Allgemeine Mindestanforderung im Zuwegungsbau479: • • • • • • • • • • • • •

Nutzbare tragfähige Fahrbahnbreite (Geraden) 4,0 m Nutzbare tragfähige Fahrbahnbreite (Kurven) 5,5 m Lichte480 Durchfahrtsbreite 5,5 m Lichte Durchfahrtshöhe 5,5 m Kurvenradius Innen V90 40 m Maximale Längsneigung der Fahrbahn (Steigung) 8 % Maximale Querneigung der Fahrbahn (Schiefstellung) 3 % Maximale Krümmungsunregelmäßigkeiten auf 30 m Länge (Bodenfreiheit) 0,15 m Maximale Achslast 12 t Maximales Fahrzeuggewicht 141 t Untergrund Ev2 ≥ 45 MN/m² (bezeichnet das Last-Setzungs-Verhalten an) Tragschicht Ev2 ≥ 100 MN/m² (bezeichnet das Last-Setzungs-Verhalten an) Der Kurveninnenradius beträgt 40 m

Dem WEA-Hersteller ist spätestens 2 Wochen vor Anlieferung der Komponenten ein Nachweis vorzulegen, der die Tragfähigkeit von 12 t pro Achse bescheinigt. Risikopotenzial innerhalb des Gewerks: • • • • •

Nicht-Beachtung der Spezifikationen des WEA-Herstellers, Fehlerhafte Ausführung der Mindestvorgaben der WEA-Hersteller, Örtliche Baugrundverhältnisse geändert, Dränagen nicht bekannt, Starkregen.

Entspricht der Zuwegungsbau nicht den vorgegebenen Richtlinien, ist eine Anlieferung seitens der WEA-Hersteller nicht möglich. Kranstellflächenbau Mit dem Ziel, eine sichere Inbetriebnahme der Montagekräne sowie eine reibungslose Montage der WEA-Komponenten zu gewährleisten, müssen die Kranstellflächen entsprechend den Voraussetzungen der WEA-Hersteller ausgebaut werden.

479

Vgl. Vestas Central Europe (2011), Mindestanforderungen bei Zuwegung und Kranstellfläche, Dokument Nr. X000-TSS-000-XX-04-DE-R03, 2011-02-22.

480

Lichte: Freiraum ohne hängende Hindernisse.

3.2 Professionelles Management zentraler Fertigstellungsrisiken

185

Die Größe der Kranstellflächen und deren Zuschnitt müssen je nach Größe der WEA speziell angepasst werden, damit die Möglichkeit besteht, die Großkräne vor Ort zu montieren und in Betrieb nehmen zu können. In der Regel handelt es sich um Raupenkräne der 750–1000 t Klasse. Risikopotenzial innerhalb des Gewerks: • • • •

Nicht-Beachtung der Spezifikationen des WEA-Herstellers Fehlerhafte Ausführung der Mindestvorgaben der WEA-Hersteller Abweichungen der Ergebnisse von der Baugrunduntersuchung Starkregen

Wenn die Kranstellflächen nicht den Anforderungen entsprechen, ist keine Inbetriebnahme der Großkräne möglich. Kabellieferungen, Kabelverlegung sowie Anschluss am Netzverknüpfungspunkt Eine weitere wesentliche Voraussetzung für die Fertigstellung und Inbetriebnahme des Windparks besteht in dem Anschluss an den Netzverknüpfungspunkt. Erst dieser ermöglicht es dem Windparkbetreiber, den produzierten Strom in das öffentliche Stromnetz einzuspeisen. Die Kabelverlegung erfolgt in einer Tiefe von 0,80–1,20 m unter Geländeoberkante. Die Tiefe kann jedoch in Bereichen von Gewässer- und Straßenquerungen variieren. Im Bereich von landwirtschaftlichen Nutzflächen muss die Verlegungstiefe mit dem Grundeigentümer abgesprochen werden. Des Weiteren sind Einflussfaktoren wie Dränagen und die landwirtschaftliche Bewirtschaftungsrichtung in die Planung einzubeziehen. Risikopotenzial innerhalb des Gewerks: • • • • •

Genehmigung für Straßenquerung liegt nicht vor, Keine Zustimmung der Grundeigentümer bzw. Pächter, Ungenauigkeiten durch veraltete Katasterpläne, Insolvenz von bauausführenden Firmen, Frost sowie Starkregen.

Errichtung des Fundaments Das Fundament beinhaltet diverse Fertigstellungsrisiken. Bei der Herstellung des Fundamentes wird wie folgt vorgegangen: • • • • •

Trockenlegung der auszuhebenden Baugrube mittels Grundwasserabsenkung, Aushub der Baugrube, Erstellung des Planums (geebnete Oberfläche), Abnahme des Gründungsplanums durch den Baugrundgutachter, Betonage der Sauberkeitsschicht481,

481

Die Sauberkeitsschicht beschreibt ein aus Beton bestehendes Bauteil, um eine ebene saubere Fläche für die Bewehrung zu gewährleisten.

186 • • • • • • • •

3 Technische Rahmenbedingungen

Stellen des Fundamenteeinbauteils (FET), Knüpfung der Bewehrung, Einschalung des Bewehrungskorbs, Abnahme des Bewehrungskorbs durch einen Prüfstatiker, Betonage, Prüfung der Betonbeschaffenheit durch ein Prüfinstitut (Frischbeton-Prüfung), Seitliche sowie oberflächige Auffüllung und Verdichtung des Baugrubenringraumes, Versiegelung der Fuge zwischen Beton und FET mittels Abklebung.

Risikopotenzial innerhalb des Gewerks: • • • • • • • •

Diskontinuierliche Anlieferung des Betons, Fehlerhafte Massenbetonausführung und –rezeptur, Fundamentabbindung erfolgt witterungsbedingt langsamer, Unzulässige Betonbeschaffenheit, Schiefstellung des FET’s, Ausführungsmängel, Insolvenz von bauausführenden Firmen, Frost, Hitze bzw. Starkregen,

Montage und Innenausbau der Windenergieanlage Damit die eigentliche Errichtung der WEA beginnen kann, müssen die notwendigen WEAund Krankomponenten durch Schwerlasttransporte angeliefert worden sein. Diese bedürfen einer Genehmigung, die den Transport verkehrsrechtlich absichert. Für den Hauptmontagekran sind 20–25 Schwerlasttransporte erforderlich und zusätzlich 2–3 Transporteinheiten für den Hilfskran. Für jede WEA sind wiederum ca. 10 Schwerlasttransporte notwendig. Die Anzahl der Schwerlasttransporte für Kran- und Windenergieanlagenkomponenten sind abhängig vom WEA-Typ und der Nabenhöhe. Nachdem die Anlieferung der WEA- und Krankomponenten erfolgt ist, werden die Kräne montiert und mit der Errichtung der WEA begonnen. Nach der Errichtung aller WEA-Segmente erfolgt der Innenausbau bzw. die Feinabstimmung und Justierung der einzelnen Aggregate. Risikopotenzial innerhalb des Gewerks: • Verzögerung bzw. Untersagung der Schwerlasttransport-Genehmigung, • Abhängigkeit vorheriger Gewerke (Abbindung des Fundaments, Kabelbau ist nicht abgeschlossen, Wege tragen nicht), • Eigentliche Installation der WEA, • Havarien (Blattschaden), • Insolvenz von bauausführenden Firmen , • Windstärken größer ≥ 8 m/s.

3.2 Professionelles Management zentraler Fertigstellungsrisiken

187

Inbetriebnahme der Windenergieanlagen Nach erfolgreicher Errichtung des Windparks erfolgt die Inbetriebnahme. Diese Phase kennzeichnet sich durch einen mehrstündigen Probebetrieb, bzw. durch einen Test der verbauten Komponenten aus. Risikopotenzial innerhalb des Gewerks: • • • • •

Komponenten, welche für den Betrieb notwendig sind, wurden nicht eingebaut, Komponenten, welche für den Betrieb notwendig sind, funktionieren nicht, WEA-Steuerung funktioniert nicht, Software für Fernüberwachung funktioniert nicht, Datenübertragung funktioniert nicht.

Ausschließlich einwandfrei funktionierende WEAs können nach Abnahme dem Generalunternehmer übergeben werden.

3.2.7

Lösungsansätze unter besonderer Berücksichtigung eines partnerschaftlichen Risk-Sharings

Ein Windenergieprojekt, bei dem bereits in einem frühen Stadium die entsprechenden Leitplanken für die rechtlichen Rahmenbedingungen, die technischen und die wirtschaftlichen Aspekte gesetzt werden, ist von einem relativ geringen Risiko in der Umsetzungsphase gekennzeichnet. Ein nur marginales Risiko erhöht die Attraktivität des Projektes für alle Stakeholder. Insbesondere in der Phase der Umsetzung können die Baufirmen und je nach Übergabezeitpunkt des Projektes auch der Projektentwickler oder der Endinvestor einen bedeutenden Einfluss ausüben. Da geringe Fertigstellungsrisiken bei einem Windparkprojekt nicht zwangsläufig auf eine geringere Rendite hinauslaufen, kann mit einem rechtzeitigen und professionellen Risikomanagement in der Umsetzungsphase die Unternehmens- bzw. Projektleitung unterstützt werden und der Mehrwert für alle beteiligten Parteien erhöht werden. Als Risk-Sharing bezeichnet man in diesem Zusammenhang die Aufteilung von Risiken auf die jeweiligen Projektpartner. Hierbei gilt es zu beachten, dass die Risiken auf diejenigen Projektbeteiligten verteilt werden, die diese am besten managen können. Es wird zudem darauf geachtet, dass kein Partner mit übermäßig vielen oder hohen Risiken belastet wird. Das Ziel des Risk-Sharings ist es somit, eine Finanzstruktur zu ermöglichen, die vorhandene Risiken eliminiert und letztendlich zur Realisierung des Projektes führt (siehe hierzu auch Kapitel 1.2). Mit dem Ziel, die vier unterschiedlichen Risikostrategien (Kapitel 3.2.3) zu implementieren, haben sich neben einer engen und zeitnahen Beobachtung der Risiken verschiedene Instrumente in der Praxis durchgesetzt. Um das Projekt und die Instrumente auch erfolgreich zu realisieren, sind ein erfahrenes Managementteam mit langjähriger Markt- und Projektexpertise sowie eine professionelle Projektkoordination inklusive einer realistischen Zeitplanung mit Reserven von signifikanter Bedeutung:

188

3 Technische Rahmenbedingungen

1. Sensitivitätsanalysen können genutzt werden, um Auswertungen von Szenarien, in denen wesentliche Parameter um bestimmte Prozentsätze verändert werden können, vorzunehmen. 2. Außerdem kann es eine Fixierung von Kostenkomponenten geben. Hierbei greifen entsprechende Vereinbarungen zu den Kosten und Überschreitungslinien und deren Maßnahmen. 3. Projektbeteiligte können sich im Rahmen von Garantien verpflichten, eine Leistung zu erbringen. Bei Windenergieanlagen bspw. kann der Hersteller eine Performance-Garantie abgeben. 4. Eine wichtige Rolle kommt ferner den unterschiedlichen Bürgschaften zu, die zu einer Erfüllung von Verbindlichkeiten unter den Projektbeteiligten führen. 5. Durch eine Nachschusspflicht für das Eigenkapital können Eigentümer zu weiteren Kapitaleinlagen verpflichtet werden, falls das Projekt sich nicht wie geplant wirtschaftlich darstellen lässt und Reservekonten bereits aufgebraucht sind. Diese Nachschusspflicht kann auf einen bestimmten Betrag begrenzt sein (Pool-of-Funds-Vereinbarung) oder bis zur Umsetzung des Projektes andauern, was wiederum einer Fertigstellungsgarantie entspricht. 6. Falls ein Risiko nicht vermieden oder vermindert werden kann, sind die Versicherbarkeiten zu prüfen und ggfs. Versicherungsverträge abzuschließen. 7. Fertigstellungsrisiken können zudem durch ein Condition Monitoring, eine permanente Rund-um-die-Uhr-Überwachung mit Hard- und Software, minimiert werden, um bspw. die Inbetriebnahmephase und die spätere Betriebsphase zu überwachen. 8. Für jegliche Tätigkeiten können die Risiken mit prozentualen Auf- und Abschlägen berücksichtigt werden, z.B. bei Windgutachten mit Sicherheitsabschlägen. Zur Minimierung von Einkaufsrisiken gibt es die Möglichkeit, durch eine Kopplung an Indices die Preise an den aktuellen Marktwerten anderer Güter zu binden, z.B. an Stahlpreise. 9. Ein weiteres Instrument ist die Zahlungsweise nach Baufortschritt. In diesem Fall zahlt der (potentielle) Käufer nur so viel, wie auch an Gegenwert vorhanden ist. Sollte ein Windparkprojekt – was ein eher sehr seltener und daher theoretischer Ausnahmefall ist – in der Umsetzungsphase nicht final realisiert werden können, wären dem Käufer entweder die bisherigen Zahlungen zu erstatten oder er müsste auf eigene Rechnung ein Unternehmen beauftragen, welches den Bau des Windparks bis zur vollständigen Inbetriebnahme übernimmt. 10. Zudem können bestimmte Prozesse durch Prüfhandbücher und Check-Listen vereinfacht werden. Diese enthalten eine Beschreibung und Auflistung aller Voraussetzungen, die mit der Realisierung eines Projektes einhergehen müssen. Denn erst eine Kontrollprüfung dieser Unterlagen ermöglicht einen erfolgreichen Gesamtprozess des Windparkprojektes, da sie einen Überblick über die einzelnen Komponenten und deren Zusammenspiel ermöglichen. Wie bereits erwähnt, gilt es im Vorfeld der Umsetzungsphase Maßnahmen zu treffen, um spätere Fertigstellungsrisiken zu eliminieren. Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach den Normen des BImSchG und ein Flächennutzungsplan sind bereits rechtzeitig für das Projekt HURAKAN einzuholen. Hiermit ist ein entscheidender Grundstein auf dem Weg zur Errichtung des Windparks gelegt. Es muss hierbei von Anfang an im fortlaufenden Austausch

3.2 Professionelles Management zentraler Fertigstellungsrisiken

189

mit den zuständigen Behörden zusammengearbeitet werden. Eine Abstimmung mit der Genehmigungsbehörde ist bereits im Vorwege von großem Vorteil, um Probleme bei der Statik zu vermeiden. Eine frühe Bekanntgabe der Prüfstatiker während der Projektentwicklung ist hilfreich, um erforderliche Unterlagen bereits im Vorfeld zu übermitteln. Das im BImSchG festgelegte Bauzeitfenster kann bei der Unteren Naturschutzbehörde bereits angefragt werden. Mögliche Auflagen bezogen auf die Baufreigabe können vorab im Einzelfall bei der zuständigen Behörde angefragt werden. Außerdem müssen eine rechtzeitige lokale Aufklärung und eine regelmäßige Kommunikation mit den Grundeigentümern bzw. Vertretern der Gemeinde stattfinden, um eventuellen Bedenken der Anwohner konstruktiv entgegenzuwirken. Des Weiteren sind die direkt betroffenen Einwohner in logistische Vorhaben einzubeziehen und es sollte eine rechtzeitige Mitteilung der geplanten Zeitkette erfolgen. Die Risiken für das Projekt HURAKAN wurden im Vorfeld identifiziert und können zusammenfassend in der folgenden Matrix dargestellt werden. Hierbei wird deutlich, dass die Projektrisiken unterschiedlich zu bewerten sind. Zum Beispiel kann das Risiko durch Kampfmittel als eher gering eingeschätzt werden, da man schon im Vorfeld abschätzen kann, welche Gebiete davon betroffen sind. Die oben benannten Instrumente können nun ihre Anwendung in der Matrix finden, um Risiken in der Umsetzungsphase präventiv vorzubeugen. Tabelle 15:

Risikomatrix für das Projekt Hurakan

Auswirkung gravierend wesentlich

X

moderat

X

niedrig

x (z.B. Kampfmittel)

X

sehr gering

gering

x

mittel

hoch

Eintrittswahrscheinlichkeit

Ein wesentlicher Bestandteil der Risikovermeidung im Projekt HURAKAN sind zudem Verträge mit dem Turbinenhersteller, da dieser Aspekt mit einem großen finanziellen Aufwand verbunden ist. Der WEA Liefervertrag garantiert eine termingerechte Lieferung von 9 Vestas V90-Anlagen. Generell umfassen Lieferverträge zudem Nebenleistungen, die eine Erstkontrolle, eine Einweisung in den Betrieb und eine Übergabe der technischen Dokumentationen beinhaltet. Des Weiteren beinhaltet ein Liefervertrag generell einen Standard-Wartungsvertrag, der eine Garantie aller notwendigen Wartungen umfasst. Zudem sind Gewährleistungsbestimmungen im Vertrag verankert. Hierzu zählen die Verfügbarkeit des Windparks, die Garantie einer spezifizierten Leistungskurve und die Einhaltung eines bestimmten Schallleistungspegels. Ein vorgegebener Verfügbarkeitswert wird generell von dem finanzierenden Kreditinstitut gefordert und als Risikoschmälerung gesehen. Die Dauer einer Garantie kann sich über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren erstrecken. Für die Absicherung des zur Verfügung gestellten Kapitals benötigt das Kreditinstitut in den meisten Fällen einen abgeschlossenen Wartungsvertrag mit möglichst zehnjähriger Laufzeit.

190

3 Technische Rahmenbedingungen

Dem Turbinenhersteller müssen sowohl eine Baugenehmigung, eine Einspeisezusage als auch eine Leistung der Anzahlung durch den Generalunternehmer vorliegen. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, endet der Vertrag in den meisten Fällen auch ohne eine Kündigung oder einen Rücktritt automatisch und es wird von dem Kreditinstitut keine Bürgschaft übernommen. Im Rahmen des Liefervertrags sind außerdem beiderseitige Bürgschaften zu übergeben. Als Sicherheit im Falle einer verspäteten Lieferung oder einer Nichtlieferung hat der Hersteller dem Generalunternehmer eine Anzahlungsbürgschaft zu übergeben. Im Gegenzug dazu überlässt der Generalunternehmer dem Hersteller eine Bankbürgschaft als Sicherheit dafür, dass er die bestellten Anlagen auch tatsächlich abnimmt. Zudem wurde als Sicherheit die in der BImSchG vorausgesetzte Bankbürgschaft für Rückbaukosten den Grundeigentümern im Rahmen der Grundstückssicherung vor Baubeginn übergeben. In diesem Zusammenhang wurde im Vorfeld u.a. die Dienstbarkeiteneintragung, also die Eintragung der Grundstücke in das Grundbuch aller relevanten Grundstücke überprüft. Denn diese Voraussetzung muss, neben diversen weiteren Auflagen, als Sicherheit gegenüber dem Kreditinstitut, erfüllt sein. Weitere wichtige Verträge sind Nutzungsverträge hinsichtlich des Netzanschlusses und des Umspannwerks. Der Netzanschlussvertrag mit dem Energieversorger garantiert einen Anschluss am Netzknüpfungspunkt. Der § 13 EEG sieht in diesem Zusammenhang vor, dass der Anschlussnehmer für die Kosten des Netzanschlusses aufkommen muss und der Netzbetreiber sämtliche Kosten des Netzausbaus zu tragen hat. Die Garantie der Einspeisung durch Umspannung und Durchleitung der erzeugten Energie in das Energieversorgungsnetz wird durch einen Nutzungs- und Dienstleistungsvertrag gewährleistet. Dieser Vertrag sieht in der Regel eine Laufzeit von 25 Jahren vor. In diesem Fall regelt ein Gestattungsvertrag mit dem hiesigen Landkreis die Flächensicherung, die für den Wegeflächenbau und die Kabelverlegung notwendig ist. Für die Kabeltrasse ist baurechtlich keine Genehmigung erforderlich. Die parkinterne Flächensicherung wird über Pachtverträge mit privaten Grundstückseigentümern rechtzeitig abgeschlossen. Ein weiterer Bestandteil der Risikovermeidung sind Versicherungen. Hierbei kann nicht auf alle Versicherungen explizit eingegangen werden, da das den Rahmen dieser Analyse überschreiten würde. Gegenstand der Bauleistungs- und Montageversicherung für die WEAs sind der Neubau, die Errichtung und Erstellung von neun Fundamenten. Zudem beinhaltet die Versicherung den Wegebau, die Montage der E-Technik der Übergabestation und der Mittelspannungsschaltung, sowie die Parkverkabelung (intern und extern). Die Laufzeit des Versicherungsvertrages beträgt fünf Jahre und die Haftzeit der Maschinenbetriebsunterbrechung ist auf 12 Monate beschränkt. Eine weitere Versicherung ist die Maschinenversicherung für das Umspannwerk. Hierbei werden Rückwirkungsschäden am und aus dem bestehenden Umspannwerk versichert. Die Laufzeit ist hierbei auf sechs Monate befristet. Des Weiteren benötigt das finanzierende Kreditinstitut für die Sicherstellung des Kapitals Deckungszusagen für die Haftpflicht-, Maschinen- und Betriebsunterbrechungsversicherung. Vielen Risiken kann man durch eine rechtzeitige Bearbeitung der für die Umsetzung notwendigen Voraussetzungen entgegenwirken. So versichert das Führen des Prüfhandbuches für das Projekt HURAKAN, dass im Prozessablauf keine wichtigen Aspekte außer Acht gelassen werden. Hierbei werden u.a. zeitaufwendige Aspekte wie die Kabelbestellung oder der

3.2 Professionelles Management zentraler Fertigstellungsrisiken

191

Bau von Fundamenten abgesichert. Des Weiteren gilt es, bestimmte Genehmigungen rechtzeitig einzuholen. Hierzu gehören sowohl wasser- und straßenrechtliche Genehmigungen und die Anmeldung bzw. Freigabe des Baubeginns durch die zuständigen Ämter. Um den Bauschein zu erhalten, ist es außerdem notwendig, rechtzeitig Zahlungen von Ersatzgeldern für das Eingreifen in die Landschaft an die Naturschutzbehörde zu leisten. Diese Faktoren werden im Vorfeld über das Prüfhandbuch geregelt, um dem Kreditinstitut ein vorgabengerechtes Projektkonzept vorlegen zu können. Nachdem das Projekt HURAKAN unter einer erfolgreichen Risikominimierung mit der Beachtung des partnerschaftlichen Risk-Sharings abgeschlossen ist, gibt es eine Risikoübertragung vom Generalunternehmer zu dem Projektbetreiber. Dokumentiert wird diese Übergabe durch ein Übergabeprotokoll, das die elementaren Bestandteile des Windparkprojektes vertraglich festhält.

3.2.8

Risiken bei Auslandsprojekten

Im Hinblick auf Windparkprojekte im Ausland existiert zusätzlich eine Bandbreite von direkten und indirekten Einflüssen, die sich stark von denen im deutschen Heimatmarkt unterscheiden. Folglich wird in diesem Kapitel der Fokus nur auf die länder-, wirtschafts- und partnerschaftsspezifischen Faktoren gelegt, welche einen erheblichen Einfluss auf die Umsetzung von Windparkprojekten im Ausland haben. Dabei wird weder eine unterschiedliche Gewichtung für spezifische Märkte noch eine auf Vollständigkeit ausgerichtete Betrachtung vorgenommen. Den politischen Rahmenbedingungen kommt neben den wirtschaftlichen Risiken eine übergeordnete Rolle zu. Dazu zählen politische Instabilität durch Unruhen, Korruption, Embargos, Strafzölle, etc. Diese schwer einzuschätzenden Unwägbarkeiten erfordern eine tiefgreifende Einschätzung des Rechts- und Regulierungsumfeldes. Die Sicherung nachhaltiger Erträge ist unweigerlich an die von der Politik vorgegebenen Vergütungssätze gekoppelt, sodass im Hinblick auf die Planbarkeit und den endgültigen Vertrieb der Windparkprojekte schwerwiegende Risiken entstehen können. Dabei spiegelt das EEG in Deutschland eine beispielhafte Finanzierungsgrundlage wider, die die Wirtschaftlichkeit von Windparkprojekten langfristig sichert. Im Falle von unvorhersehbaren Gesetzesänderungen oder langwierigen Genehmigungsverfahren kann ein Erliegen des Projektes die letztendliche Folge sein. Insbesondere in aufstrebenden Märkten kommen Beziehungen und Kontakten eine herausragende Bedeutung zu. Durch die räumliche Entfernung und die unterschiedlichen Rechts- und Wirtschaftssysteme sind die Risiken ungleich größer als im Inlandsgeschäft und können bei unsachgemäßer Herangehensweise die Wirtschaftlichkeit eines Projektes in Frage stellen. Wurde im Zuge einer Risikoanalyse die Notwendigkeit der Absicherung von politischen Risiken erkannt, stehen die folgenden Möglichkeiten zur Verfügung: (1) Der ideale Fall beschreibt die Abwicklung auf Basis von „Vorkasse“, um politische und wirtschaftliche Risiken größtmöglich einzudämmen. Da dies schwerlich durchzusetzen ist, kann (2) die staatliche Exportkreditversicherung einspringen, um eventuellen Zahlungsausfällen entgegenzuwirken. In den Deckungsvertrag können durch eine Ausfuhr-Bürgschaft die politischen Risiken und durch eine Ausfuhr-Garantie die wirtschaftlichen Risiken aufgenommen werden.

192

3 Technische Rahmenbedingungen

Das Schuldnerrisiko ist gegeben, wenn potenzielle Projektkäufer weder zahlungswillig noch -fähig sind. Im Auslandsgeschäft verschärft sich dieses Risiko, da die Bonitätsprüfung des Geschäftspartners durch die Entfernung und die Sprachbarrieren zusätzlich erschwert wird. Zumal ein internationales Handelsrecht noch nicht flächendeckend gilt, bestehen erhebliche Unsicherheiten über das den Verträgen zugrunde liegende Recht. Folglich wird sich im Vorhinein auf ein Rechtssystem und einen Gerichtsstand geeinigt, um (durch Schiedsverfahren) Rechtsfolgen durchsetzen zu können. Die weit verbreitete Problematik der Korruption beschreibt den Missbrauch einer Vertrauensstellung in (nicht-) wirtschaftlichen Organisationen, um daraus einen persönlichen Vorteil zu ziehen, der jedoch nicht auf einem rechtlichen Anspruch beruht. Diese Praktiken können die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens im Windenergiesektor ungemein verzerren, da beispielsweise die erforderlichen Genehmigungen entlang des im Kapitel 3.2.5 und 3.2.6 dargestellten Phasenmodelles die Realisierung eines Projektes signifikant beeinflussen können. Insbesondere in Auslandsmärkten, in denen Korruption als eine verbreitete Geschäftspraxis angesehen wird, gilt es, diese Faktoren einzukalkulieren und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten. Im Hinblick auf mögliche negative Konsequenzen aus nicht konformen Geschäftspraktiken ist die Anwendung einer Regelüberwachung (auch Compliance) aller Prozesse der im Ausland agierenden Mitarbeiter und Niederlassungen zu implementieren. Grundsätzlich können im Auslandsgeschäft ökonomische Risiken wie folgt eingruppiert werden: • Übertragbare und damit versicherbare Risiken, insbesondere Transportrisiko, Wechselkursrisiko sowie Kredit- bzw. Finanzierungs- und Transferrisiko, • Weder übertragbare noch versicherbare Risiken, wie zum Beispiel Markt-, Zoll-, Standort- und Preisrisiko. Im Rahmen der übertragbaren Risiken ist die Problematik des Wechselkursrisikos hervorzuheben, wenn dem Kaufvertrag eine Fremdwährung zu Grunde liegt. Flexible Wechselkurse können, insbesondere bei langwierigen Windparkprojekten, den Wert des ursprünglich vereinbarten Betrages erheblich mindern sowie erhöhen. Als größte Sicherung dient eine Fakturierung in Euro, wobei in diesem Fall der Geschäftspartner nach Schaffung des Projektrechts und der Zahlung des Kaufpreises das volle Kursrisiko trägt. Da dies in der Praxis schwerlich durchzusetzen ist, wird gewöhnlich der Abschluss von Devisentermingeschäften vollzogen, mit dem Ziel, den Wert der jeweiligen Devisen im Vorhinein abzusichern. Das Inflationsrisiko ist im Rahmen der zu erwartenden Ertragsströme zu betrachten, welches bei Preisniveauerhöhungen erhebliche Auswirkungen auf den Cashflow und damit auf die Rentabilität des Windparkprojektes ausüben kann. Ausgewählte Staaten entgegnen dieser Problematik mit einer inflationsbereinigten Vergütung, sodass der Projektentwickler diesen Aspekt in der Wirtschaftlichkeitsberechnung annähernd vernachlässigen kann. Aufgrund der niedrigen Eigenkapitalquote vieler Investoren ist eine Finanzierung aus Eigenmitteln häufig nicht realisierbar. In diesem Zusammenhang ist in kapitalintensiven Vorhaben das Zinsänderungsrisiko einzukalkulieren, welches bei variabel verzinslichem Fremdkapital oder nach Ablauf der Zinsbindung bei Festzinskrediten den Cashflow empfindlich beeinträchtigen kann.

3.2 Professionelles Management zentraler Fertigstellungsrisiken

193

Unter den nicht übertragbaren und versicherbaren Risiken ist das Markt- und Absatzrisiko hervorzuheben, da eine Beurteilung und Prognose der Entwicklung von Angebot und Nachfrage nur sehr eingeschränkt vollzogen werden kann. Neben den regulären Schwankungen am Markt kann eine Änderung des Regulierungsumfeldes oder die Verknappung von Ressourcen beträchtliche Konsequenzen auf den Absatz von Windparkprojekten haben. Daher ist der Aufbau von verlässlichen Netzwerken im Ausland von zentraler Bedeutung, um antizipierend auf die schwindende Marktfähigkeit zu reagieren. Mit Hilfe einer fallbezogenen Einschätzung der Marktpreise durch die ausländischen Partner kann eine Verschlechterung des Cashflows vermieden werden. Abnahmeverträge dienen der Absicherung und Übertragung dieses Risikos. Um die wirtschaftlichen Chancen in neuen Märkten nutzen zu können, bedarf es fachkundiger Partner, die vor Ort eine intensive Prüfung und Analyse der lokalen Gegebenheiten vornehmen sowie über lokales Knowhow und ein Netzwerk zu WEA-Herstellern, Behörden, etc. verfügen. Neben den im Kapitel 3.2.6 geschilderten Risiken in den Teilphasen erfordert ein komplexes Projekt wie der Aufbau eines Windparks neben der reinen Qualifikation der Partner und einem einwandfreien Teamwork die Einkalkulierung von zusätzlichen Faktoren. Da verlässliche Informationen und reibungslose Schnittstellen das Fundament für eine angepasste Reaktion auf unvorhersehbare Risiken und die erfolgreiche Umsetzung internationaler Geschäfte bilden, gilt es eine intensive Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Partnern grenzüberschreitend zu fördern. Oberstes Ziel ist es, die Projekte plangemäß zu realisieren, um somit einen nachhaltigen Cashflow zu generieren, der zugleich als Sicherheit des Projektes dient. Der Eintritt in einen neuen Markt kann über unterschiedliche Unternehmensformen, wie zum Beispiel ein Joint-Venture oder im Rahmen eines M&A-Prozesses, erfolgen. Um die zügige Realisierung eines Windparkprojektes zu garantieren, geht dem Internationalisierungsprozess eine eingehende Bonitätsprüfung der Kooperationspartner und des Marktes voraus. Diese Prüfung beschreibt auf der einen Seite die Gegebenheiten vor Ort (Wind, Netz, Wettbewerb, regulatorisches Umfeld, Genehmigung) sowie auf der anderen Seite die Fachkompetenz, Reputation, Referenzprojekte und Vernetzung (mit den notwendigen Entscheidungsträgern) der Mitarbeiter vor Ort. Defizite in der Einschätzung von Partnern und des Marktes sind eine der Hauptfaktoren, die es in der konkreten Entscheidung für ein Auslandsengagement zu überwinden gilt. Neue Märkte bergen spezielle interpersonelle Risiken, die sich aus den kulturellen Unterschieden ableiten lassen. Daraus resultieren fremd erscheinende Verhaltensweisen im Geschäftsverkehr, deren Einhaltung über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Je größer die Differenz der Unterschiede, desto dringlicher bedarf es einer intensiven Schulung. Auf diese Weise können die unterschiedlichen Arbeitsmentalitäten und Zielvorstellungen sowohl in das Projekt einkalkuliert als auch angemessen darauf reagiert werden. Die Fachkenntnisse der jeweiligen Partner kommen u.a. im Aufbau von Geschäftsbeziehungen und den dazugehörigen regulatorischen und vertraglichen Notwendigkeiten zum Tragen. Im Hinblick auf geografische und klimatische Risiken können extreme Witterungen wie Starkregen, Frost und Hitze die Zeitplanung eines Projektes signifikant beeinflussen. Daher ist eine eingehendere Untersuchung sowohl des Baugrundes als auch der infrastrukturellen und logistischen Voraussetzungen von essentieller Bedeutung.

194

3 Technische Rahmenbedingungen

Abschließend lässt sich festhalten, dass ausländische Märkte trotz einer Fülle an zusätzlichen Einflüssen vielversprechende Chancen bieten können, vorausgesetzt eine eingehende Prüfung der ökonomischen, ökologischen, rechtlichen, politischen, personellen und kulturellen Gegebenheiten führt zu positiven Resultaten.

3.2.9

Schlussfolgerungen der risikominimierten Strategie

Wie bereits erwähnt, muss den Fertigstellungsrisiken eine der Bedeutung angemessene Aufmerksamkeit gewidmet werden, da diese einen entscheidenden Einfluss auf die Realisierbarkeit eines Projektes besitzen. Grundsätzlich zeichnet sich jedes Windparkprojekt durch seine individuellen Charakteristika aus, was eine ganzheitliche Risikoidentifizierung zur Herausforderung macht. Daher muss von Beginn an ein umfassendes Risikomanagement implementiert sein. In diesem Kapitel wurde aufgrund dieser Komplexität ausschließlich eine Betrachtung der wesentlichen Fertigstellungsrisiken anhand des Praxisbeispiels „HURAKAN“ vorgenommen. Um eine frühzeitige Gegensteuerung der Fertigstellungsrisiken in der Umsetzungsphase sicherzustellen, gilt es diese bereits in der Entwicklungs- und Planungsphase eines Windparkprojektes zu eliminieren. Hierzu zählen eine vorausschauende sowie eine auf das Projekt abgestimmte Planung, die ein effizientes Risikomanagement voraussetzt. Ein bedeutender Aspekt ist eine intensive und zielgerichtete Kommunikation sowohl intern als auch mit extern eingebundenen Projektbeteiligten. Wie zuvor beschrieben, stellt das partnerschaftliche Risk-Sharing eine Option dar, Projektrisiken effizient den einzelnen Projektbeteiligten zuzuweisen. Dies ist unerlässlich, um ein fehlerfreies Zusammenspiel der einzelnen Projektphasen und deren Ziele zu garantieren. Eine wichtige Säule bilden Erfahrungswerte, die bereits im Vorfeld zu einer Risikominimierung bzw. -vermeidung führen können. Hinsichtlich der Auslandsaktivitäten ist hinzuzufügen, dass die Kommunikation der Projektbeteiligten eine übergeordnete Rolle spielt, da die Projektphasen durch länderspezifische Gegebenheiten geprägt sind. Aufgrund der dynamischen Veränderungen in der Windenergiebranche kommt den Fertigstellungsrisiken auch in Zukunft eine große Bedeutung zu, was die Notwendigkeit eines sorgfältigen Risikomanagements begründet.

3.3 Abschätzung des Energieertrages

3.3

195

Abschätzung des Energieertrages

HERBERT SCHWARTZ Herbert Schwartz leitet das Windgutachterbüro ANEMOS-JACOB GmbH, in das er vor 11 Jahren eintrat. Zuvor war er über 16 Jahre mit der Modellierung, Konzeption und Vermessung von Windkraftanlagen sowie der Due Diligence bei der UNIVERSITÄT STUTTGART, dem Anlagenhersteller AEV und der Beratungsfirma GARRAD HASSAN AND PARTNERS Ltd. befasst.

Ein Kunde, der ein Windgutachten beauftragt, interessiert sich meistens gar nicht in erster Linie für die Windverhältnisse an einem Standort, sondern er möchte den voraussichtlich zu erzielenden mittleren Energieertrag einer Windkraftanlage wissen. Das Windgutachten ist daher heute zumeist ein Ertragsgutachten. Dafür ist der Wind ein entscheidender Parameter, aber die detaillierte Kenntnis des Windes über den Mittelwert hinaus erscheint für den Kunden oft wie ein akademischer Zeitvertreib. Aufgrund des ambivalenten Fokus ist die Bandbreite der Titel auf Windgutachten groß und phantasievoll. Im Folgenden sollen entsprechend allgemeiner Praxis und Tradition die Oberbegriffe „Windgutachten“ und „Windgutachter“ vereinfachend alles umfassen, was derzeit darunter verstanden wird, also auch Untersuchungen zu Energieerträgen. Die folgenden Kapitel erläutern, • • • • •

wie sich Windgutachten im Lauf der Zeit entwickelt haben, welche grundsätzlichen Herangehensweisen derzeit üblich sind, welche Unsicherheiten und fachliche Probleme bestehen, welche Verbesserungen möglich sind und welch enorme Forschungs- und Entwicklungsaufgaben noch bevorstehen.

Windgutachten beziehen sich üblicherweise auf langjährige mittlere Zustände an einem geplanten Standort im Unterschied zu Kurzfristprognosen, Untersuchungen bestehender Windparks oder zu Betrachtungen der Variabilität über den Tag, über das Jahr hinweg oder von Jahr zu Jahr. Um die Lesbarkeit des Beitrags zu erleichtern, werden im Folgenden Begriffe wie „Windverhältnisse“, „Windgeschwindigkeit“, „Energie“, „Turbulenz“, „Höhenprofil“, „Ertrag“ etc. für die erwarteten langjährigen Jahresmittel an einem geplanten Windkraftstandort verwendet, ohne dies jeweils wieder kenntlich zu machen. Der Beitrag konzentriert sich darüber hinaus auf den üblichen Zweck von Windgutachten als Grundlage für die Finanzierung oder den Verkauf von geplanten Windparks. Weitere windgutachterliche Tätigkeiten wie die Abschätzung des Windpotenzials in einer Frühphase der Projektentwicklung, Flächenpotenzialstudien, die Ermittlung der Standortbedingungen im Sinne der Standsicherheit (Turbulenz, Extremwinde) oder die Analyse der Betriebsdaten von Windkraftanlagen werden nur gestreift. Der Offshore-Bereich wird ignoriert. Häufig wird im Folgenden auf das Strömungsmodell WAsP Bezug genommen, weil dieses in der Branche am weitesten verbreitet ist und somit die Ergebnisse der meisten Windgutachten bestimmt. Andere Modellansätze werden in Kapitel 3.3.5 diskutiert.

196

3 Technische Rahmenbedingungen

Zu vielen Fragen aus dem Bereich der Windgutachten gibt es eine große Bandbreite an Meinungen, Erfahrungen, Einschätzungen und methodischen Ansätzen. Nur in wenigen Punkten besteht Konsens. Daher kann der vorliegende Beitrag nicht objektiv sein. Er ist aber auch darüber hinaus bewusst als Anregung für die fachliche Diskussion gedacht und möchte sich nicht auf eine konsensfähige Beschreibung des Status quo beschränken. Die persönlichen Meinungen und Einschätzungen des Autors werden dabei möglichst als solche erkennbar gemacht. Grundsätzlich können zwei Arten von Windgutachten unterschieden werden: auf der Basis von Ertragsdaten bestehender Windkraftanlagen und auf der Basis von vor Ort erhobenen Windmessdaten. Wie ist dieser Unterschied entstanden und welche Vor- und Nachteile bestehen jeweils?

3.3.1

Rückblick

Die Entwicklung der Windgutachten soll im Folgenden nur skizzenhaft so geschildert werden, wie es sich dem Autor im Rückblick als Folge der Marksituation darstellt.

3.3.1.1

Die Pionierphase

Die ersten Windkraftanlagen in Deutschland wurden überwiegend von Landwirten und anderen Privatpersonen oder -gruppen errichtet. Es handelte sich um kleine Einzelanlagen mit deutlich unter 500 kW Nennleistung und bis etwa 40 m Nabenhöhe. Das Investitionsvolumen war aus heutiger Sicht niedrig. Eine Windmessung hätte hier einen unverhältnismäßig hohen Aufwand bedeutet. Sie war aber häufig auch nicht nötig, denn meistens wurden nur offensichtlich windreiche Standorte beplant – hierin kannten sich die ortskundigen Eigner aus – und die Rolle des Windgutachtens beschränkte sich darauf, eine grobe Fehlinvestition zu vermeiden. Wenn die Windkraftanlage viel mehr Energie lieferte, als prognostiziert, freute man sich. Windgutachten beruhten damals teilweise einfach auf Schätzungen. Sachkenntnis und allgemeine Beobachtungen waren wichtig und hilfreich. 1989 brachte das dänische Forschungszentrum Risø das Berechnungsprogramm WAsP (Wind Atlas Analysis and Application Program) heraus. Dieses erlaubte, mithilfe von Wetterstationsdaten gezieltere Abschätzungen und Vergleiche zwischen Standorten, Anlagentypen und Nabenhöhen durchzuführen. WAsP verwendet die grundlegenden Formeln der Strömungsmechanik und berücksichtigt in einfacher Form den Einfluss von Rauigkeit, Hügeln und Hindernissen auf die Strömung. Hügel werden durch einfache symmetrische Formen angenähert. Die Veränderung der Windgeschwindigkeit mit der Höhe (das Höhenprofil) wird abschnittsweise logarithmisch angenommen. Turbulenz und variable atmosphärische Schichtung werden beispielsweise vernachlässigt. Auch Ertragsberechnungen können mit WAsP durchgeführt werden. WAsP war zeitgemäß und stellte einen umwälzenden Fortschritt dar. Das Programm kostete relativ wenig, war einfach zu bedienen und lieferte auf üblichen PCs schnell sachgerechte Ergebnisse. So konnten rasch zahlreiche Windgutachterbüros, häufig im Nebenberuf oder als Zuverdienstmöglichkeit während des Studiums, entstehen. Windgutachten kosteten oft weniger als 1000 DM. Windgutachter waren teils Fachleute und teils vollkommen fachfremde.

3.3 Abschätzung des Energieertrages

3.3.1.2

197

Erste Planungsbüros

In den 1990er Jahren entstanden in Deutschland viele Planungsbüros, weil klar wurde, dass Windparks und größere Anlagen (500 kW bis 1 MW) wirtschaftlich interessanter waren als einzelne bzw. kleine Anlagen. Während einige dieser Büros vor allem den Abstimmungsbedarf der Bürgerwindparks vor Ort lösen sollten und dort verwurzelt waren, stand bei den meisten das wirtschaftliche Potenzial der breiter angelegten Windparkentwicklung im Vordergrund. Diese boten ortsfremden Investitionen eine interessante Geldanlage an. In den meisten anderen Ländern mit starker Windkraftentwicklung wie Spanien, Italien, Großbritannien und USA spielten die kleinen privaten Betreiber keine nennenswerte Rolle. Die Entwicklung der Windenergie war dort von vorne herein von größeren Strukturen auf Seiten der Projektentwicklung, der Windparks und der Betreiber geprägt. Ein wesentlicher Grund war das größere Interesse von Energieversorgungsunternehmen an der Windenergie. Der professionelleren Struktur und der größeren Investitionshöhe entsprechend waren am Standort durchgeführte Windmessungen im internationalen Bereich üblich, während sie in Deutschland die Ausnahme darstellten. Es gab staatlich geförderte Windmessprogramme, die vor allem von den daran beteiligten Firmen genutzt wurden. Andere Windgutachter hielten diese Messungen für weniger hilfreich als der in 1996 herausgegebene Windatlas des Deutschen Wetterdienstes (DWD), weil • die Messdauern der Messprogramme eher kurz waren und für den Langfristbezug die Wetterstationsdaten ohnehin benötigt wurden, • den Messungen des DWD eine bessere Qualitätskontrolle zuerkannt wurde, • der Windatlas des DWD fertig für die Nutzung mit WAsP aufbereitet war, • das Stationsnetz des DWD in manchen Regionen dichter war als das der Messprogramme (die meisten zu bearbeitenden Standorte waren nicht in der Nähe der geförderten Messungen) und • sich die Messhöhen nicht oder nur mäßig unterschieden. Die Projekte der Planungsbüros erreichten bald eine Größe, bei der auch standortspezifische Windmessungen wirtschaftlich sinnvoll gewesen wären. Aus verschiedenen Gründen haben sich Messungen aber in Deutschland nicht durchgesetzt: • Windmessungen wecken vor Ort die Aufmerksamkeit der Anwohner und potenzieller Konkurrenten. • In einem frühen Planungsstadium erscheint Planern der finanzielle Aufwand für eine Windmessung zu riskant. Im späten Stadium erlaubt der Wunsch nach einer schnellen Realisierung des Projektes nicht mehr die nötige Vorbereitungs- und Messzeit. • Die mit Windmessungen verbundenen Kosten verringern den Gewinn der Planer. • Es gab offensichtlich keinen Konsens, wie Windmessungen durchgeführt werden sollten. Daher war oft die Messqualität schlecht. • Auch hinsichtlich der Auswertung und Interpretation der Messdaten gab es unterschiedliche Ansätze, so dass die Ergebnisse von Windgutachten in den Fällen mit Windmessung nicht weniger divergierten als ohne Messung. Es war nach einigen Jahren nicht einmal erkennbar, dass hierdurch das Ausmaß der Fehlprognosen signifikant verringert worden

198

3 Technische Rahmenbedingungen

war. Daher gaben auch Planungsbüros, die ursprünglich Windmessungen durchgeführt hatten, diese im Lauf der Zeit auf. • Die zunehmende Verfügbarkeit von Ertragsdaten bestehender Windkraftanlagen erlaubte die Entwicklung alternativer Herangehensweisen, die schneller und erheblich billiger waren. Stand der Technik waren in Deutschland daher einfache Prognoserechnungen mit WAsP oder anderen Modellen auf der Basis von Wetterstationsdaten. Nur ein Teil der Gutachter besichtigte die Standorte. Die Modelle, die Methoden und die verwendeten Daten wie Winddaten, Windindices oder von den Anlagenherstellern gelieferten Leistungskennlinien wurden üblicherweise nicht hinterfragt. Windgutachten kosteten häufig zwischen 1000 und 2000 DM. In der Praxis waren Windgutachter mit sehr unterschiedlichen Erwartungshaltungen der Kunden konfrontiert. Auftraggeber, die ihr eigenes Geld oder das von Nachbarn und Bekannten investieren wollten, wünschten die Angabe eines mit Sicherheit erreichten Ertrags. Mehr gewinnorientierte Planungsbüros bauten dagegen einen starken Druck zu eher optimistischen Ergebnissen auf. Je höher das Ergebnis des Gutachtens ausfiel, desto höher war der Gewinn der Auftraggeber. Teilweise wurden sie dabei von Anlagenherstellern unterstützt. Die in der Regel sehr kleinen Windgutachterbüros brachte diese Situation teilweise in schwer lösbare Konflikte.

3.3.1.3

Erste Phase der Professionalisierung

Etwa um das Jahr 2000 änderte sich für Windgutachter in Deutschland vieles: • Eine größere Zahl von Windparks bestand über mehrere Jahre und schrieb offensichtlich starke Verluste. Die Banken akzeptierten nicht mehr alle Windgutachten und verlangten für jedes Projekt entweder zwei Windgutachten oder die Überprüfung eines bestehenden Windgutachtens durch einen Zweitgutachter. Bei starken Abweichungen wurden diese diskutiert oder ein drittes Gutachten eingeholt. Hierdurch wurden die Nachvollziehbarkeit und die Vergleichbarkeit von Gutachten zum Thema. Die Nachfrage nach Gutachten stieg rasant. • Viele Planungsbüros erkannten, dass für eine dauerhafte stabile Präsenz am Markt der Einkauf überzogener Gutachten nicht hilfreich ist. • Es wurde üblich, die Ergebnisse von Windgutachten anhand der Energieerträge bestehender Windkraftanlagen zu plausibilisieren. Die Bedeutung solcher Vergleichsdaten wuchs demnach erheblich und damit die Bedeutung von Windindices, vor allem des Windindex der IWET (heute: BDB-Index). • Der Windgutachterbeirat des BWE (BUNDESVERBAND WINDENERGIE E.V.) wurde gegründet. Er sollte die Transparenz und Vergleichbarkeit von Gutachten verbessern und ermöglichte zum ersten Mal einen Austausch zwischen Windgutachtern auf breiter Basis. Mindeststandards für Windgutachten wurden erarbeitet. Neben Festlegungen zu den notwendigen Angaben in Gutachten enthielten sie nur zwei grundlegende inhaltliche Anforderungen: 1. Die untersuchten Standorte müssen besichtigt werden. 2. Die Ergebnisse müssen plausibilisiert werden.

3.3 Abschätzung des Energieertrages

199

• Nabenhöhen um 100 m wurden zunehmend geplant. Mangels geeigneter Windmessdaten oder Ertragsdaten hatten die Windgutachter keine Grundlage zur Beurteilung dieser Situation und zur Überprüfung ihrer Ergebnisse. Verschiedene Firmen verbreiteten die Nachricht, dass WAsP die Steigerung der Energieerträge mit der Höhe stark unterschätze. • Neue Windgutachterbüros, die andere Modelle als WAsP verwendeten, erlebten einen Boom aufgrund ihrer Behauptung, wesentlich realistischere Ergebnisse zu liefern. Sie konnten für ihre Gutachten deutlich höhere Preise erzielen (3000 bis 4000 € im Unterschied zu den 1200 bis 2000 € der anderen Gutachter). • Windmessgeräte nach dem Sodar-Prinzip wurden für den Windenergiemarkt entdeckt. Diese liefern Messdaten aus größeren Höhen ohne Messmast. Sie nährten die Hoffnung, dass fehlendes Wissen über das Höhenprofil des Windes bald verfügbar sein würde. Allerdings wurden sie aus Kosten- und Zeitgründen in der Regel nur für Kurzzeitmessungen eingesetzt, deren Interpretation und Einbindung in die Gutachten schwierig blieb. • Einige deutsche Planungsbüros wurden vermehrt im Ausland aktiv. Sie nahmen ihre gewohnten deutschen Windgutachter mit. Deren Tätigkeitsfeld verbreiterte sich damit nicht nur geografisch, sondern auch inhaltlich wegen der dort üblichen Windmessungen.

3.3.1.4

Phase der Intensivierung

Die folgenden Jahre waren für deutsche Windgutachter durch kontinuierliche Veränderungen gekennzeichnet: • Finanzierende Banken betrachteten Windgutachten zunehmend kritisch. Teilweise bedienten sie sich hierzu externer Berater, teilweise bauten sie hausinterne Kompetenzen auf. • Deutsche Privatinvestoren verloren das Interesse an Windkraftfonds. Sie wurden durch institutionelle, häufig auch ausländische, Investoren ersetzt. Diese ließen die vorliegenden Windgutachten üblicherweise nochmals durch Gutachter ihres Vertrauens prüfen. Gelegentlich massive Diskrepanzen zwischen der Erwartung und dem tatsächlichen Energieertrag konnten dadurch jedoch nicht verhindert werden. • Mehrere Überarbeitungen des BDB-Index erschienen unausweichlich. Sie brachten eine große Unruhe in den Markt. Die fundamentale Bedeutung des Langfristbezugs von Ertragsdaten wurde erkannt. Diskussionen zu diesem Thema unter Gutachtern flammten immer wieder auf. • Weitere Strömungsmodelle kamen auf den Markt. • Die Vergleichsanlagen wurden immer genauer betrachtet. Ihre Besichtigung und vollständige Modellierung wurde Standard. • Die Zahl an Vergleichsanlagen und der Umfang an Vergleichsdaten stiegen ständig. Nabenhöhen um 100 m wurden üblich, sowohl bei den bestehenden als auch bei den geplanten Anlagen. • Die Mindeststandards des BWE-Windgutachterbeirats wurden von ihm und später von der FÖRDERGESELLSCHAFT WINDENERGIE (FGW) weiter entwickelt482. Die Anforderungen an die Dokumentation und Darstellung wurden präzisiert. Zusätzlich wurden jetzt auch Grundsätze der inhaltlichen Bearbeitung definiert. 482

FGW (Hrsg.) 2011.

200

3 Technische Rahmenbedingungen

• Für Windmessungen setzte sich ein hoher Qualitätsstandard durch. • Wegen einer Novelle des EEG und darauf aufbauenden Forderungen der FGW ließen sich die meisten Windgutachter als Prüflaboratorien akkreditieren. • Der früher übliche Sicherheitsabschlag wurde durch differenziertere inhaltliche und quantitative Unsicherheitsbetrachtungen ersetzt. • Die meisten Windgutachterbüros wuchsen, aber bei weitem nicht so schnell wie der Rest des Marktes. Die Zahl der Büros blieb etwa gleich. Nur wenige Windgutachterteams umfassten mehr als fünf Personen. • Auslandstätigkeiten wurden für die meisten deutschen Windgutachter üblich. Im Ausland formierten sich neben einer großen Zahl kleiner Firmen mehrere große Windgutachterbüros. Ein intensiver Dialog über Methoden und Grundsätze war dort, in Unterschied zu Deutschland, nicht erkennbar. Dem entsprechend unterscheiden sich bis heute die Windgutachten im internationalen Bereich inhaltlich und qualitativ sehr stark. Eine sogar noch stärkere Bandbreite fand und findet sich bei der Qualität der Windmessungen.

3.3.2

Windmessung oder nicht?

Vor allem in Deutschland werden Windgutachten überwiegend ohne spezielle Windmessung am Standort erstellt, während eine solche Messung im Ausland die Regel ist. Nach derzeitiger Praxis werden bei den aus Erträgen abgeleiteten Gutachten die monatlichen Ertragsdaten bestehender Anlagen in der Umgebung eines geplanten Standorts um Ausfälle bereinigt und auf langjährige mittlere Jahresenergieerträge skaliert. Für die Standorte dieser Anlagen („Vergleichsanlagen“) werden wie für den geplanten Standort Geländemodelle erstellt und Strömungs- und Ertragsberechnungen durchgeführt. Diese werden so justiert, dass die angenommenen Langfristerträge der Vergleichsanlagen reproduziert werden. Die justierte Berechnungsmethode wird dann für den geplanten Standort verwendet. Die Strömungsberechnungen basieren auf mehrjährigen Statistiken von Wetterstationen der Region. Liegt eine Windmessung am geplanten Standort vor, wird sie auf langjährige mittlere Windverhältnisse skaliert (Langfristbezug). Auf dieser Basis wird die Strömungs- und Ertragsberechnung durchgeführt, selbstverständlich auch unter Verwendung eines Geländemodells. Im Folgenden werden diese grundsätzlichen Herangehensweisen verglichen. Vor- und Nachteile werden diskutiert und Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt. Damit Windgutachten von Ertragsdaten ausgehend erstellt werden können, müssen diese verfügbar sein. Dies ist in den wenigsten Ländern der Fall. Hier wirken die idealistischen politischen Motive der anfänglichen Windkraftentwicklung in Deutschland noch nach, indem weiterhin die monatlichen Energieerträge vieler Windkraftanlagen zum Nutzen aller veröffentlicht werden. Dies ist als Verdienst der BDB anzusehen. Nur auf diese Weise ist es möglich, Ertragsdaten auf breiter Front zur Ausgangsbasis der Windgutachten zu machen. Ganz eindeutig profitieren auch die Betreiber, die ihre Ertragsdaten nicht veröffentlichen, massiv von den Veröffentlichungen der anderen. Ohne diese müssten sie häufig Windmessungen durchführen lassen.

3.3 Abschätzung des Energieertrages

201

Bei Beauftragung eines Windgutachtens stellen Planungsbüros häufig auch Ertragsdaten zur Verfügung, die nicht veröffentlicht sind. Die Windgutachter werden so zu Jägern und Sammlern. Ihre Informationsgrundlage hängt von ihren Kontakten und der Zahl der Aufträge in einer Region ab. Ungleichgewichte zwischen Gutachterbüros und ihren Ergebnissen sind unvermeidbar. Verschiedene Versuche, eine breite Datenbasis für alle Gutachter herzustellen, scheiterten. Aufgrund einer Forderung des EEG veröffentlichen die meisten Netzbetreiber die eingespeisten Jahreserträge je Anschlusspunkt. Für Windparks sind dies in der Regel die Gesamterträge der von einem Betreiber gleichzeitig errichteten Anlagen. Unter Windgutachtern ist es unüblich, diese Daten zu verwenden. Nach Erfahrung des Autors bieten sie in vielen Fällen dennoch eine wertvolle Stütze für die Arbeit. In Regionen mit sehr wenigen Windkraftanlagen, deren Erträge dann häufig auch nicht veröffentlicht sind, ermöglichen sie überhaupt erst eine Arbeit ohne Windmessung. Sicherlich stellen die Jahreserträge eine grobe Datenbasis dar, weil der Anteil an Ausfällen unbekannt ist und auch statistisch nicht ermittelt werden kann, was bei Monatserträgen einzelner Anlagen möglich ist. Außerdem sind im Unterschied zu den sonst verwendeten Daten die Übertragungsverluste abgezogen und zudem sind einige der veröffentlichten Zahlen unplausibel. Dennoch, wenn mehrere Jahreserträge vorliegen, ist eine grundlegende Plausibilisierung und Langfristextrapolation möglich und kann helfen, Fehlprognosen zu vermeiden. Aus physikalischer Sicht ist die Verwendung von Ertragsdaten als Basis für Windgutachten logisch, da ja auch Erträge das eigentliche Ergebnis sind. Die Winddaten spielen nur als Medium der Übertragung von Informationen zwischen Standorten eine Rolle. In den Winddaten und Strömungsmodellen enthaltene Ungenauigkeiten heben sich dabei teilweise auf. Aus statistischer Sicht ist die Menge an Basisinformationen in vielen Regionen enorm. Während eine Windmessung üblicherweise über etwa ein Jahr durchgeführt wird, stehen die Ertragsdaten meist über mehrere Jahre, teilweise sogar 10 bis 15 Jahre zur Verfügung. Das bedeutet, dass in vielen Fällen auf der Basis von Ertragsdaten eine höhere Prognosegenauigkeit erzielt werden kann als mit Windmessungen. Dies gilt insbesondere, wenn die geplanten Anlagentypen und eventuell sogar die Nabenhöhen denen der Vergleichsanlagen entsprechen, so dass die Unsicherheit der Leistungskennlinie weitgehend entfällt. Außerdem liegen die Ertragsdaten von vielen verschiedenen Anlagenpositionen vor, wenn auch in der Regel nicht am geplanten Standort selbst, während sich die Windmessung auf einen einzigen Ort bezieht. Aus der Fülle an Ertragsdaten können viele Informationen zum Windfeld und zur Güte der Berechnungsverfahren indirekt gewonnen werden. Über mögliche Probleme bei der Verwendung der Ertragsdaten wird in Kapitel 3.3.3 berichtet. Leider wird dies derzeit nur selten genutzt. Praxis ist, Vergleichsrechnungen für verschiedene Windparks durchzuführen und das insgesamt am besten passende Berechnungsverfahren für den geplanten Standort zu verwenden. Dies wird auch von der Richtlinie TR6 so vorgegeben. Werden die Vergleichsrechnungen jedoch einzeln für jede Anlage untersucht und die verschiedenen Windparks hinsichtlich geodätischer Höhe, Exponiertheit, Bewaldung und Nabenhöhe differenziert, entsteht im Lauf der Zeit ein Erfahrungsschatz über die typischen Abweichungen des verwendeten Modells von der Realität in einer Region. Dieser kann zur Korrektur der Prognose verwendet werden. Eine solche empirische Korrektur wird von

202

3 Technische Rahmenbedingungen

der Mehrzahl der Gutachter derzeit abgelehnt. Allerdings erlaubt auch das gegenwärtige Preisniveau für Windgutachten kaum eine solche Mühe und fallspezifische Betrachtungsweise. Zwei typische Beispiele für solche Untersuchungen seien hier dargestellt. In Abbildung 23 sind die Unterschiede einer Ertragsberechnung zur Realität für einen Windpark in einer Region mit Wechsel von Wald und Freiflächen dargestellt. Ein positives Vorzeichen bedeutet ein zu hohes Berechnungsergebnis und umgekehrt.

Abbildung 23:

Beispiel für Abrechnungen berechneter Energieerträge im Vergleich zur Realität

3.3 Abschätzung des Energieertrages

203

Ganz klar ist erkennbar, dass für die Anlagen in Waldnähe zu hohe Erträge berechnet werden und für die freier platzierten Anlagen zu geringe. Das bedeutet, dass der Einfluss des Waldes vom Modell stark unterschätzt wird. Dies wurde an vielen Standorten bestätigt. Leider werden derzeit viele Windkraftanlagen dicht an Wäldern geplant, während die bestehenden Anlagen (also die in den Windgutachten als Vergleichsanlagen untersuchten) häufig freier stehen. Es besteht also die Gefahr einer häufigen Überschätzung. Die folgende Abbildung 24 zeigt die Abweichung einer Ertragsberechnung von der Realität für einen Windpark auf einem Hügel. Jeder Punkt repräsentiert eine Windkraftanlage.

20

Abweichung Modellrechnung / tatsächlicher Ertrag (%)

15 10 5 0 0

10

20

30

40

50

60

70

-5 -10 -15 Höhe über NN (m)

Abbildung 24:

Berechnungsfehler in einem Windpark abhängig von der geodätischen Höhe

Das verwendete Modell (WAsP) unterschätzt hier den Einfluss des Hügels. Der Fehler beträgt etwa 0,7 % pro Höhenmeter, d.h. bei einem Höhenunterschied von 10 m zwischen zwei Anlagen wird für die niedrigere im Vergleich ein um 7 % zu hoher Ertrag berechnet. In zahlreichen Untersuchungen in Deutschland wurden auf der Luvseite von Hügeln in offener Landschaft Abweichungen von etwa 0,2 % bis 0,5 % und auf der Leeseite von 0,5 % bis 1,0 % pro Höhenmeter ermittelt. Tendenziell zeigen höher entwickelte Strömungsmodelle überraschenderweise nach der gegenwärtigen Erfahrung des Autors ähnliche Fehler. Da heutzutage nicht selten Anlagen auf niedrigeren Lagen geplant sind, während die bestehenden Anlagen, also die Vergleichsanlagen, höher stehen, sind auch in dieser Hinsicht vermehrte Überschätzungen in zahlreichen aktuellen Windgutachten zu erwarten. Grundsätzlich können solche Untersuchungen auch bei Windgutachten auf der Basis von Windmessungen angestellt werden. Dies bedingt jedoch die Errichtung mehrerer Maste oder die Verwendung mobiler Messsysteme, was nur selten unternommen wird. Ein solcher Fall

204

Abbildung 25:

3 Technische Rahmenbedingungen

Lageplan mit den Positionen zweier Messmasten (M1 und M2)

sei im Folgenden dargestellt. Hier wurden zwei Messmasten mit 50 m Höhe beiderseits eines Waldes errichtet (Abbildung 25). Die mittleren über etwa ein Jahr gemessenen Windgeschwindigkeiten an den Positionen M1 und M2 unterscheiden sich um 0,6 m/s. Das Strömungsmodell WAsP berechnete jedoch nur einen Unterschied von 0,3 m/s. In der folgenden Abbildung 26 ist gut erkennbar, dass der Wald westlich bis nördlich des Mastes M2 die wesentliche Ursache für den Unterschied der mittleren Windgeschwindigkeiten ist. Ein Blindtest mit einem dreidimensionalen mikroskaligen Strömungsmodell lieferte dagegen eine Überschätzung des Waldeinflusses. Dies muss als Fortschritt angesehen werden, weil es auf die Möglichkeit hinweist, mit geeigneter Modellentwicklung den Einfluss von Wald realistischer zu erfassen. Hierfür sind jedoch zahlreiche Tests und Vergleiche mit Messungen notwendig. Mit der von WAsP ermöglichten Bandbreite kann dagegen lediglich die Unterschätzung in einem engen Bereich variiert werden. Dieses Beispiel demonstriert gleichzeitig einen wesentlichen Vorteil der Windmessungen: Der Wind kann differenziert untersucht werden. In den Abbildungen 23 und 24 werden die Modellfehler summarisch dargestellt. Eine genauere Ursachenforschung, also beispielsweise Differenzierung nach Windrichtung, Höhe über Grund, Tageszeit oder Wetterlage ist auf dieser Basis nicht möglich. Die Windmessung am Standort erlaubt dagegen eine differenzierte Analyse und somit ein Verständnis des Windfeldes. Es sei aber angemerkt, dass eine

3.3 Abschätzung des Energieertrages

205

0 330

10 8

Mast 1 30

6

300

Mast 2 60

4 2 270

90

0

240

120

210

150 180

Abbildung 26:

Mittlere gemessene Windgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Windrichtung

solch differenzierte Untersuchung aus Zeit- und Kostengründen in der Regel unterbleibt. Aber auch ohne diese Mühe liefert die Windmessung vor Ort unmittelbar Informationen über die Windrichtungsverteilung, die Häufigkeitsverteilung der Windgeschwindigkeit, die Turbulenz und das Höhenprofil. Ohne gemessene Winddaten bleibt der Windgutachter gewissermaßen blind und hat nicht die Chance, differenziertere Aussagen zu machen. Bei der derzeit in Deutschland üblichen Übertragung von Wetterstationsdaten auf die Standorte wird zwar die an der Wetterstation gemessene Windrichtungsverteilung lokal angepasst. Einflüsse durch weiter entfernte Geländestrukturen wie beispielsweise die Umströmung eines Mittelgebirges, Kanalisierungen etc. werden bei größeren Abständen zwischen Wetterstation und Standort nicht erfasst. Dies ist zunehmend von Belang, weil Windkraftanlagen vermehrt auch hinter Kuppen und in sehr dichter Aufstellung geplant sind. Dabei ist eine genaue Kenntnis der lokalen Windrichtungsverteilung relevant. Einige Auswege ohne Windmessung vor Ort gibt es in dieser Situation: 1. Die meisten neueren Windkraftanlagen zeichnen die Ausrichtung der Gondel korrekt auf (was früher nicht der Fall war). Den Anlagensteuerungen können also die lokalen Windrichtungsverteilungen entnommen werden. Darüber hinaus ist es sogar möglich, die Strömungsmodellierung mit solchen Steuerungsdaten anzutreiben anstatt mit Wetterstationsdaten. In der Regel sind die Berechnungen dann deutlich realistischer, obwohl die Windgeschwindigkeitsangaben der Steuerung durch den Einfluss des Rotors und der Gondel auf die Gondelanemometer verzerrt sind. Die folgende Abbildung 27 zeigt eine mit WAsP auf der Basis von Wetterstationsdaten für eine Windkraftanlage berechnete Windrose im Vergleich zu den Angaben der Anlagensteuerung.

206

3 Technische Rahmenbedingungen

0 330

20

berechnet 30

gemessen

15 300

60

10 5 0

270

90

240

120

210

150 180

Abbildung 27:

Vergleich einer berechneten Windrose mit den Daten einer Anlagensteuerung

2. Dreidimensionale mesoskalige Strömungsmodelle sind bei fachgerechter Anwendung in der Lage, die regionalen und teilweise auch lokalen Windrichtungsverteilungen gut wiederzugeben. Dies kann ebenfalls als Antrieb für die Strömungsmodellierung verwendet werden. Beide oben skizzierten Lösungsmöglichkeiten sind noch unüblich, dürften aber in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Der benötigte Zusatzaufwand ist allerdings erheblich. Auch darüber hinaus bieten die in 10-minütlichem Takt aufgezeichneten Steuerungsdaten von Windkraftanlagen eine stark unterschätzte Informationsquelle. Mit einer differenzierten Analyse und Vergleich zwischen verschiedenen Anlagen ist es möglich, den Einfluss von Wald und Hügeln in komplexem Gelände flächig zu erfassen und zu verstehen. Der Aufwand hierfür ist jedoch hoch. Mit wesentlich geringerem Aufwand können aus Steuerungsdaten schon die Tagesgänge und Jahresgänge der Energielieferung ermittelt werden, was aber ebenfalls nicht gängige Praxis ist. Tagesgänge werden zunehmend benötigt, um die Ertragsverluste aufgrund von Betriebsbeschränkungen zum Schutz von Fledermäusen, Vögeln, von benachbarten Anlagen oder aufgrund des Schallschutzes zu ermitteln. Ohne Windmessung oder differenzierte Steuerungsdaten fehlt den Windgutachtern die Möglichkeit, diese Verluste realistisch zu quantifizieren. Größere Unterschiede zwischen den Ergebnissen der verschiedenen Büros sind gängig. Vor allem wird häufig der Verlust durch schallreduzierten Betrieb nachts unterschätzt. Bei größeren Nabenhöhen herrschen in Deutschland an den meisten Standorten nachts höhere Windgeschwindigkeiten als tagsüber. Der Verlustanteil durch die Schalldrosselung steigt also mit der Nabenhöhe. Darüber hinaus sollten der Tagesgang und der Jahresgang der Windgeschwindigkeit auch aus energiewirtschaftlicher Sicht unbedingt mehr Beachtung finden.

3.3 Abschätzung des Energieertrages

207

12 20 m Windgeschwindigkeit (m/s)

10

40 m 60 m

8

80 m 100 m

6

120 m 140 m

4

160 m 180 m

2

200 m 0 0

6

12

18

24

Uhrz e it

Abbildung 28:

483

Beispiel für den mittleren Tagesgang der Windgeschwindigkeit

Abbildung 28 zeigt ein typisches Muster für eine offene Landschaft in Deutschland. In Bodennähe herrscht tagsüber mehr Wind als nachts, in der Höhe ist das umgekehrt. Dieser Effekt ist im Sommer erheblich stärker als im Winter. Abbildung 28 zeigt einen Wintermonat und damit einen im Vergleich zum gesamten Jahr noch relativ schwach ausgeprägten Verlauf. Die folgende Abbildung 29 zeigt zum Vergleich den mittleren Tagesgang der Windgeschwindigkeit an einem lokal exponierten Standort im Wald in deutschem Mittelgebirge. Wie in Abbildung 29 tritt in waldreichen Gebieten häufig in niedrigen Höhen kein oder nur ein schwaches Maximum der Windgeschwindigkeit um die Mittagszeit auf, während der Tag/Nacht-Unterschied in der Höhe noch gravierender sein kann als an freien Standorten. Ein weiteres, derzeit noch zu wenig beachtetes Thema ist die Häufigkeitsverteilung der Windgeschwindigkeit. Die Form dieser Verteilung ist für jeden Standort charakteristisch und sie ändert sich mit der Höhe über Grund. Bei der Übertragung von Wetterstationsdaten, die in 10 m bis 20 m über Grund aufgezeichnet worden sind (oder auch mit Modellen generierten Daten) auf einen Standort und dort auf verschiedene Höhen über Grund entstehen Ungenauigkeiten. Oft werden die Häufigkeitsverteilungen auch noch mit analytischen Funktionen (Weibullverteilungen) angenähert. Diese Funktionen werden insbesondere in größeren Höhen über Grund der realen Verteilung nicht gerecht. Im folgenden Beispiel wurde die am Observatorium Lindenberg des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in 9 m über Grund gemessene Häufigkeitsverteilung des Windes mit WAsP 483

Der Tagesgang der Windgeschwindigkeit wurde in Abhängigkeit von der Höhe über Grund mit Sodargeräten in einem Wintermonat an einem offenen Standort in Norddeutschland gemessen.

208

3 Technische Rahmenbedingungen

8

Windgeschwindigkeit (m/s)

7 20 m

6

40 m 5

60 m 80 m

4

100 m

3

120 m

2

140 m

1 0 0

6

12

18

24

Uhrze it

relative Häufigkeit

Abbildung 29:

Mittlerer Tagesgang der Windgeschwindigkeit II

484

0.20

in 98 m Höhe gemessen

0.18

WAsP-Berechnung aus der Messung in 9 m Höhe

0.16

WAsP-Berechnung aus der Messung in 98 m Höhe

0.14 0.12 0.10 0.08 0.06 0.04 0.02 0.00 0

5

10

15

20

25

Windge schwindigke it (m/s) Abbildung 30: 484

Gemessene und berechnete Häufigkeitsverteilungen der Windgeschwindigkeiten

In Abhängigkeit von der Höhe über Grund, gemessen mit einem Sodargerät über ein halbes Jahr an einem bewaldeten Standort in deutschem Mittelgebirge. Die Datenverfügbarkeit in 120 m und 140 m Höhe ist nicht optimal. Bei perfekter Verfügbarkeit wäre dort ein etwas höheres mittleres Windniveau gemessen worden.

3.3 Abschätzung des Energieertrages

209

auf 98 m Höhe extrapoliert (mittelgraue) und mit der dort gemessenen Verteilung (schwarze Kurve) verglichen. WAsP sagte die Steigerung der die mittleren Windgeschwindigkeit von 9 m auf 98 m Höhe sehr gut voraus, aber prognostizierte eine viel zu flache Häufigkeitsverteilung. Die Annäherung der in 98 m Höhe gemessenen Verteilung mittels WAsP bzw. Weibullverteilungen (hellgraue Kurve) gibt die wirkliche Verteilung besser, aber nicht korrekt wieder. Die in Abbildung 30 gezeigte reale Häufigkeitsverteilung (schwarze Kurve) ist typisch für Messungen in mitteleuropäischen Gebieten mit einem stark ausgeprägten, schmalen Maximum, einem steilen Abfall im Bereich rechts des Maximums und einer geringen Häufigkeit von Windgeschwindigkeiten im Nennleistungsbereich von Windkraftanlagen. Die Folge der Modellungenauigkeiten ist eine falsche Darstellung des erzielbaren Energieertrags, da dieser nicht einfach von der mittleren Windgeschwindigkeit, sondern vielmehr von der genauen Häufigkeitsverteilung abhängt. Der Fehler steigt mit dem Verhältnis der Nennleistung zum Rotordurchmesser. Für den in Abbildung 30 gezeigten Fall ergeben sich bei zwei unterschiedlichen Anlagentypen beispielsweise folgende Fehler im berechneten Energieertrag: 10 Enercon E-70 / 2.3 MW

9

NEG Micon NM 82/1500

Berechnungsfehler (%)

8 7 6 5 4 3 2 1 0 aus 98 m Höhe be rechnete Ve rte ilung

Abbildung 31:

aus 9 m Höhe be rechnete Ve rte ilung

485

Näherungsbedingte Fehler der Ertragsberechnungen

Alle Modellrechnungen weisen höhere Energieerträge aus, als es der tatsächlichen Häufigkeitsverteilung des Windes entspricht. Der Fehler von ca. 1 % (beide linke Balken) entsteht durch die Weibullnäherung. Bei einer Übertragung von niedriger Messhöhe auf Nabenhöhe, 485

Die Fehler beziehen sich auf den Standort nach Abbildung 30.

210

3 Technische Rahmenbedingungen

also in dem für Windgutachten in Deutschland üblichen Fall, wird der Ertragsunterschied zwischen den Anlagentypen um gut 5 % falsch wiedergegeben (Unterschied zwischen den rechten Balken). Für die Anlage mit hoher Nennleistung wird üblicherweise ein zu hoher Ertrag berechnet. Wird, wie in Deutschland üblich, ein Windgutachten durch Abgleich mit Erträgen bestehender Windkraftanlagen erstellt, hängt dieser Fehler vom Unterschied der Typen der Vergleichsanlagen und der geplanten Anlagen, vom Nabenhöhenunterschied, der verwendeten Windstatistik und der Landschaft ab. Dabei kann durchaus auch eine Unterschätzung des Ertrags der geplanten Anlage entstehen. Wegen der Nichtlinearitäten von Leistungskennlinie und Schubbeiwerten werden darüber hinaus auch die Parkwirkungsgrade bei einer unpräzisen Wiedergabe der Häufigkeitsverteilung der Windgeschwindigkeit falsch berechnet. Fehler in der Größenordnung von 10 % bis 20 % des berechneten Parkverlustes wurden in einem Beispiel ermittelt. Hier ist die derzeit übliche Vorgehensweise zu optimistisch. Wie zuvor hinsichtlich der Windrose und des Tagesgangs der Windenergie kann auch in diesem Punkt eine Verbesserung der Genauigkeit von Windgutachten sowohl über Windmessungen als auch über die Steuerungsdaten von Windkraftanlagen erreicht werden. Als weitere Möglichkeit schlägt der Autor vor, in verschiedenen Regionen Langzeitmessstationen des Windes, z.B. mit Sodargeräten einzurichten. Diese könnten regional repräsentative Häufigkeitsverteilungen und Tagesgänge des Windes in verschiedenen Höhen liefern. Darüber hinaus wären ihre Messdaten nach einigen Jahren für den Langfristbezug von Windmessungen und Anlagenerträgen hilfreich. Grundsätzlich genügt es aber nicht, einfach mehr Messungen zu fordern und anzunehmen, dass dadurch automatisch Windgutachten sehr genau werden. Wegen der fehlenden Tradition mit Windmessungen in Deutschland wurde die Frage, wie solche Daten bei der Erstellung von Windgutachten behandelt und integriert werden sollen, bisher wenig diskutiert. Die Folge sind erstaunliche Abweichungen der Ergebnisse vor allem in Deutschland, wenn versucht wird, die üblichen Vorgehensweisen mit Windmessdaten zu kombinieren. Ein gängiger Fehler ist beispielsweise, aus einer Windmessung zunächst die mittlere langjährige Windgeschwindigkeit zu bestimmen, dann aber mit einer üblichen Berechnung auf der Basis von Wetterstationsdaten fortzufahren. Wegen des Unterschieds der tatsächlichen Häufigkeitsverteilung mit der berechneten können hier leicht Ertragsfehler in der Größenordnung von 10 % entstehen, da, wie gesagt, der Energieertrag von der genauen Häufigkeitsverteilung und nicht einfach von der mittleren Windgeschwindigkeit abhängt. Während bei den oben genannten Themen Steuerungsdaten von Windkraftanlagen als kostengünstige Alternative zu Windmessungen vor Ort verwendet werden können, liefern diese zum Höhenprofil des Windes und zur Turbulenz keine Informationen. Hier sind Windmessungen unschlagbar. Seit etwa Anfang 2010 werden in Deutschland zunehmend Windparks in Wäldern geplant. In der Regel fehlen hierfür Erfahrungswerte und Vergleichsdaten. Darüber hinaus werden sowohl in Wäldern als auch auf Freiflächen Nabenhöhen zwischen etwa 120 m und 140 m

3.3 Abschätzung des Energieertrages

211

gängig. Auch hierfür sind die Berechnungsverfahren nicht validiert und Vergleichsdaten fehlen. Dennoch ist die Mehrzahl dieser Projekte bisher ohne Windmessung realisiert werden. Vermutlich fehlt vielen Marktteilnehmern das Verständnis für die Dimension des Risikos und die Schwierigkeiten, mit denen Windgutachter hier konfrontiert werden. Wie so häufig bei neuen Markttrends verbreiten sich aufregende Gerüchte in der Branche. Tatsächlich gibt es Fälle, insbesondere in waldreichen Gebieten, in denen mit großen Nabenhöhen erheblich höhere Energieerträge erzielt werden, als prognostiziert wurde. Über starke Überschätzungen der Prognosen bei großen Nabenhöhen wurde aber auch schon berichtet. Die folgenden Beispiele geben einen ersten Eindruck von beobachteten Höhenprofilen der Windgeschwindigkeit im Vergleich mit Berechnungen. Die Messungen umfassen zwischen 2 und 6 Monaten und sind daher nicht ganzjährig repräsentativ. Die Vergleiche genügen also nicht wissenschaftlichen Maßstäben und können nur als qualitative Illustrationen gewertet werden. Wegen der Bedeutung des Themas erschien es dennoch sinnvoll, diese Zwischenergebnisse zu zeigen. Die gemessenen Höhenprofile in Abbildung 32 zeigen, dass • die Steigerung der Windgeschwindigkeit mit der Höhe nicht homogen sein muss. Von der Steigerung in einem Höhenbereich kann daher nicht zuverlässig auf einen anderen Höhenbereich geschlossen werden. Das bedeutet, dass in bewaldetem Gebiet Messmasten relativ nahe an die geplante Nabenhöhe heranreichen sollten. Aus Kostengründen bieten sich als Alternative dort Messungen mit Sodar- und Lidargeräten an. Solche Instrumente wurden bisher zumeist für Kurzzeitmessungen eingesetzt. Es gibt aber keinen Grund, sie nicht auch für einjährige oder längere Messungen zu verwenden. • die Unterschiede der Höhenprofile zwischen den Standorten groß sind und kaum vorhersagbar scheinen. Die Notwendigkeit der Messung wächst demnach bei großen Nabenhöhen. • WAsP in bewaldetem Gebiet unter 100 m Höhe üblicherweise viel zu schwache Höhengradienten berechnet, während über 100 m teilweise plausible Gradienten ermittelt werden. So sehr die teilweise massiven Steigerungen der mittleren Windgeschwindigkeit mit der Höhe über Wäldern hinsichtlich des Energieertrags als gute Nachricht aufgefasst werden mögen, so sehr ist dies hinsichtlich der Belastung der Windkraftanlagen, vor allem bei den inzwischen häufig geplanten Rotordurchmessern von deutlich über 100 m, mit Sorge zu sehen. Die Windkraftanlagen operieren in dieser Hinsicht überall deutlich außerhalb ihrer Auslegungsbedingungen. Dies kann je nach Fall durch niedrige Turbulenz und niedrige mittlere Windgeschwindigkeit kompensiert werden, aber standortspezifische Betrachtungen sollten sorgfältig durchgeführt werden – sofern die Standortbedingungen überhaupt bekannt sind. Ohne Messung kann hier nur spekuliert werden (was gängige Praxis ist). Angesichts der anstehenden Investitionen ist dies vielleicht etwas zu wenig. Fraglich ist auch, wie die Anlagenregelungen auf solch massive Höhengradienten reagieren und ob die Anlagen überhaupt in der Lage sind, die angebotene Windenergie mit den angenommenen Wirkungsgraden umzusetzen. Anders gesagt, die bei Ertragsprognosen angenommenen Leistungskennlinien gelten nicht unbedingt für solche Bedingungen. Die Anlagenhersteller sollten dazu übergehen, nach Turbulenz und Höhenprofil differenzierte Leistungskennlinien herauszugeben. Diese können nach dem Stand der Technik gut berechnet werden.

212

3 Technische Rahmenbedingungen

Kuppe in be waldetem Mitte lge birge

Kuppe in offener Hügellandschaft 160

160 berechnet

berechnet

140

gemessen

120

120

100

100 Höhe (m)

Höhe (m)

140

80

80

60

60

40

40

20

20

0

gemessen

0

0

2

4

6

8

0

Windgeschwindigkeit (m/s)

4

6

8

Windgeschwindigkeit (m/s)

waldre iches Flachland

waldre iches Flachland

160

220 berechnet

200

berechnet

140

gemessen (Sodar)

180

gemessen (Mast) 120

160 140

100 Höhe (m)

Höhe (m)

2

120 100

80

80

60

60

40

40

20

20

0

0 0

2

4

6

8

Windge schwindigkeit (m/s)

Abbildung 32:

10

0

2

4

6

Windgeschwindigkeit (m/s)

Vergleich berechneter und gemessener Höhenprofile der Windgeschwindigkeit

8

3.3 Abschätzung des Energieertrages

213

Zu den in Abbildung 32 dargestellten Modellrechnungen ist noch anzumerken, dass WAsP leider in der Standardeinstellung eine starke Inkonsistenz der berechneten Höhenprofile aufweist, die bisher kaum beachtet wird. WAsP unterteilt die Höhe in verschiedene Bereiche, in der Standardeinstellung 0–25 m, 25–50 m, 50–100 m und 100–200 m. Innerhalb der Bereiche werden abnehmende Steigerungen der Windgeschwindigkeit berechnet, aber zwischen den Bereichen treten Sprünge auf. Die folgende Abbildung zeigt die Exponenten einer Exponentialnäherung des berechneten Höhenprofils der Windgeschwindigkeit. Die Sprünge bei 50 m und 100 m Höhe sind gut erkennbar. Das bedeutet, dass in den Fällen, in denen WAsP das Höhenprofil zwischen 50 m und 100 m Höhe korrekt berechnet (was nach Erfahrung des Autors in vielen offenen Landschaften Deutschlands der Fall ist), die Steigerung oberhalb von 100 m zu stark berechnet wird. Dies dürfte bei vielen derzeit realisierten Projekten der Fall sein. 160 140 120

Höhe (m)

100 80 60 40 20 0 0

0.1

0.2

0.3

0.4

Höhe ne xpone nt Abbildung 33:

Höhenexponenten des von WAsP berechneten Höhenprofils

Für die Prüfung der Standsicherheit von Windkraftanlagen werden Angaben zur Turbulenzintensität benötigt. Die Bedeutung dieser Angaben steigt, wenn Windparks sehr eng geplant und die Grenzen der Standsicherheit ausgereizt werden. Üblicherweise wird mangels Messungen die Turbulenz des Windes in Deutschland anhand einer sehr einfachen Formel berechnet. Diese ignoriert viele Einflussparameter und das Ergebnis hängt stark vom Gutachter ab. Teilweise werden auch Modellrechnungen verwendet. Es liegt nahe, dass auch in dieser Hinsicht Messungen eine bessere Absicherung darstellen.

214

3 Technische Rahmenbedingungen

Glücklicherweise nimmt derzeit die Zahl der Windmessungen in Deutschland stark zu. Neben der Erkenntnis, dass die Windverhältnisse über Wald und in größeren Höhen über Grund nur wenig bekannt sind, spielen hierfür weitere Faktoren eine Rolle: • Die Windkraftentwicklung in Süddeutschland nimmt enormen Schwung auf. Hier akkumulieren sich für die Windgutachter die Schwierigkeiten der komplexeren Geländestruktur, des größeren Waldanteils und der erheblich schlechteren bis gar nicht vorhandenen Vergleichsdatenbasis – ganz einfach, in vielen Regionen gibt es gar keine Windkraftanlagen, deren Erträge als Basis verwendet werden könnten. • Neben den länger etablierten Projektentwicklern werden wieder zahlreiche Privatpersonen und kleine Firmen mit Hauptgeschäftsfeldern außerhalb der Windenergie aktiv. Hinzu kommen kommunale Unternehmen, insbesondere Stadtwerke, Abfallwirtschaftsbetriebe usw. Die Aufbruchsstimmung und der Idealismus der Beteiligten erinnern an die Situation in den 1990er Jahren. Diese Gruppen sind elementar daran interessiert, die Unsicherheit der Ertragsprognosen zu minimieren. Während viele traditionelle Projektentwickler dieses Risiko weitgehend an die Investoren durchreichen und somit strukturell eher an schnell erstellten und kostengünstigen Windgutachten interessiert sind, legen die neuen, lokal agierenden Projektentwickler ein wesentlich größeres Gewicht auf die Ermittlung des Windpotenzials. Auch Fragen wie die Optimierung der Anlagenauswahl und des Parklayouts werden intensiver diskutiert. So kommt es, dass plötzlich Windmessungen hoch aktuell werden. Nicht selten werden Messmasten mit Gesamthöhen von 100 m oder mehr errichtet. Es sei aber erwähnt, dass auch einige traditionelle Planungsbüros verstärkt auf Windmessungen setzen. • Selbst wenn vor Ort Vergleichsanlagen existieren, kann die Datenbasis für neu geplante Anlagen ungenügend sein. Dies gilt für viele Repowering-Projekte, bei denen die Nabenhöhen der geplanten Anlagen mehr als das Doppelte, teilweise sogar das Dreifache der Nabenhöhe der bestehenden Anlagen betragen und eventuell zudem nur wenige Anhaltspunkte für die Leistungskennlinien der Altanlagen bestehen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass in Deutschland verschiedene Mischformen von Windgutachten auf der Basis von Ertragsdaten und Messungen praktiziert werden. Beispielsweise werden kurzzeitige Sodarmessungen mit den Steuerungsdaten von Windkraftanlagen der Umgebung kombiniert, um den Unterschied der Windverhältnisse zwischen dem geplanten Standort und einem Vergleichsstandort zu ermitteln. Dies bietet sich an, wenn eine rein rechnerische Übertragung vom Vergleichsstandort auf den geplanten Standort riskant erscheint. Grundsätzlich ist es denkbar, dass auch im Ausland Windgutachten auf der Basis der Ertragsdaten bestehender Windkraftanlagen erstellt werden. Vereinzelt wurde dies schon durchgeführt. Dabei stellt sich der Langfristbezug der Ertragsdaten als schwierige Hürde heraus. In Deutschland gibt es bekanntermaßen Produktionsindices, vor allem von der BDB, die auf Ertragsdaten basieren und hierfür als Basis dienen. Für nur wenige andere Länder gibt es solche Produktionsindices. In den meisten Fällen müssen sie aus Winddaten generiert werden. Dafür stehen einerseits Winddaten von Wetterstationen und andererseits Reanalysedaten bzw. darauf basierende Modelldaten zur Verfügung. Nun zeigt sich, dass die Ableitung von Energieerträgen aus den Zeitreihen der Winddaten offensichtlich eine große Unschärfe

3.3 Abschätzung des Energieertrages

215

birgt. Die Gründe hierfür sind bisher unbekannt. Es ist also durchaus relevant, ob ein Produktionsindex aus tatsächlichen Ertragsdaten generiert wird oder aus Winddaten. Sofern nur Winddaten zur Verfügung stehen, werden mehrere Jahre benötigt, bis eine Aussage zum Langfristertrag eines bestehenden Windparks belastbar ist. Zur Bildung eines besser angepassten Produktionsindex werden konsistente echte Ertragsdaten über einen längeren Zeitraum benötigt.

3.3.3

Spezielle Probleme der Windgutachten auf Basis von Ertragsdaten

Im Folgenden werden noch einige spezielle Aspekte der auf Ertragsdaten basierenden Windgutachten ohne Bezug auf andere Herangehensweisen diskutiert. Soweit möglich, werden Lösungswege aufgezeigt. Lange war die Zunahme an Windkraftanlagen gleichbedeutend mit einer Verbesserung der Datenbasis und somit der Zuverlässigkeit von Windgutachten in Deutschland. In größeren Windparks kehrt sich paradoxerweise die Situation manchmal um: Durch den sukzessiven Zubau findet sich dann keine längere Phase mit konstantem Ausbauzustand mehr. Dadurch wird die Interpretation der Betriebsdaten nicht nur sehr aufwändig, sondern auch unsicherer. In manchen Fällen müssen die Betriebsdaten einzelner Ausbauphasen anhand von Parkberechnungen so umgerechnet werden, dass sie mit einer anderen Phase kompatibel werden, um überhaupt ausreichend lange Datenreihen betrachten zu können. Häufig wird dieses Phänomen in Windgutachten nicht ausreichend berücksichtigt, d.h. die Vergleichsrechnungen sind teilweise nicht konsistent mit dem Ausbauzustand, von dem die Ertragsdaten stammen. Oft sind zusammen mit Erträgen monatliche Verfügbarkeitsdaten erhältlich. Wie diese zustande gekommen sind und welche Arten der Stillstände sie enthalten, ist zumeist unklar. Häufig dürften sie der Anlagensteuerung entnommen worden sein. Diese bewerten Stillstände aufgrund von Service, Inspektion, Netzausfall, Vereisung, Vogelschutz oder Immissionsschutz nicht als Verfügbarkeitsverluste. Die verwendeten Ertragsdaten können also ein zu ungünstiges Bild vom Windpotenzial zeichnen. Gleiches gilt für Drosselungen zur Schallreduktion, die direkt weder aus den Ertragsdaten noch den Verfügbarkeitsdaten erkannt werden kann und neuerdings zunehmend Abschaltungen aus Gründen der Netzkapazität. Abhilfe würde hier eine bundesweite zentrale Datenbank mit Betriebsdaten und Zusatzinformationen bringen. Einige dieser Fälle können durch einen kritischen Vergleich zwischen den Ertragsdaten verschiedener Windkraftanlagen eines Windparks und mit Nachbarparks erkannt werden. Ohne konkrete Informationen wirkt dies aber leicht spekulativ, was sich negativ auf die Belastbarkeit des Gutachtens und die Unsicherheit auswirkt. Ohnehin sind solche Plausibilitätsprüfungen der vorliegenden Ertragsdaten notwendig. Nicht immer sind die Daten korrekt, z.B. wegen Übermittlungsfehlern, oder aber die angenommenen (Veröffentlichungen entnommenen oder vom Kunden erhaltenen) Anlagenspezifikationen entsprechen nicht der Realität. Hier bietet es sich an, zumindest exemplarisch die Na-

216

3 Technische Rahmenbedingungen

benhöhen mit Entfernungsmessgeräten nachzumessen und die Rotordurchmesser anhand von Fotos zu prüfen. Auch die erhaltenen Koordinaten der Bestandsanlagen sollten zumindest auf Plausibilität geprüft werden. Nicht geprüft werden können die eingestellten Nennleistungen und die tatsächlich erreichten Leistungskennlinien. Es ist seit etwa dem Jahr 2001 bekannt, dass unterschiedliche Anemometertypen, nachdem sie auf gleiche Weise im Windkanal kalibriert worden sind, in der realen turbulenten Strömung unterschiedliche Werte anzeigen. Die Ursachen sind inzwischen bekannt und die Windenergiebranche hat sich auf ein einheitliches Betriebsverhalten geeinigt. Allerdings sind dadurch viele Leistungskennlinien von Windkraftanlagen, die bis etwa 2002 in Deutschland gemessen worden sind, nicht mit den heutigen Leistungskennlinien kompatibel. Werden die nichtkompatiblen Leistungskennlinien bei Vergleichsrechnungen für Windgutachten verwendet, wird auf ein zu hohes Windpotenzial rückgeschlossen. Der Fehler liegt typischerweise in der Größenordnung von 4 % im Energieertrag. Nur eine Minderheit an Windgutachtern berücksichtigt diesen Effekt. Als Faustformel kann angesetzt werden, dass eine Korrektur der für die Vergleichsanlagen berechneten Energieerträge um etwa 4 % nach oben bzw. für die geplanten Anlagen nach unten dann angebracht ist, wenn die Leistungskennlinie der Vergleichsanlage vor 2002 ermittelt worden ist und der maximale Leistungsbeiwert unter 0,44 liegt. Das bedeutet auch, dass die Angaben zu den Windverhältnissen in älteren Windgutachten mit denen der neueren Gutachten nicht kompatibel sind. Zusätzlich zu dem systematischen Fehler aufgrund des Anemometertyps für die Kennlinienmessung (bzw. des angenommenen Typs bei einer Kennlinienberechnung) kommen bisweilen systematische Fehler der Leistungskennlinien für die Vergleichsanlagen aufgrund der unvermeidbaren Messunsicherheit. Das Ausmaß solcher Abweichungen hat nach dem Eindruck des Autors in den vergangenen Jahren abgenommen. Bei älteren Kennlinien können aber durchaus weitere Korrekturen im Bereich bis etwa 6 % sinnvoll sein. Diese können am besten analytisch durch eine Plausibilitätsprüfung der Leistungsbeiwerte und empirisch durch den Vergleich von Produktionsdaten mit denen von Nachbaranlagen anderer Typen ermittelt werden. Mit solchen Korrekturen verringert sich häufig die Bandbreite der Abweichungen bei den Vergleichsrechnungen. Allerdings lehnt die Mehrzahl der deutschen Windgutachter solche empirisch ermittelten Korrekturen ab. Die meisten Fachdiskussionen betreffen seit etwa 2004 den Langfristbezug der Ertragsdaten der Vergleichsanlagen. Es besteht Konsens unter den Windgutachtern, dass zwar die Windindices der BDB die wichtigste Basis für den Langfristbezug der Ertragsdaten von Windkraftanlagen darstellen, in vielen Regionen ihr derzeitiges 100 %-Niveau aber nicht als langjährig repräsentativ angesehen werden kann. Auch wird die Stabilität des 100 %-Niveaus teilweise infrage gestellt. Gleiches gilt aber auch für die Reanalysedaten der NCAR, die häufig als Alternative oder Ergänzung angesehen werden (und damit auch für die von den NCAR-Reanalysedaten abgeleiteten Datensätze). Die Windmessdaten der Wetterstationen werden in Deutschland ohnehin selten als belastbare Zusatzinformation hinsichtlich langfristiger Verläufe der Windverhältnisse angesehen. Eine einfache Möglichkeit eines belastbaren Langfristbezugs ist daher nicht verfügbar. Bei der Verwendung solcher Indizes ist zu beachten, dass aufgrund der Variabilität des bodennahen Windfeldes, aber auch der Eigenschaften der Windkraftanlagen die Erträge ver-

3.3 Abschätzung des Energieertrages

217

schiedener Anlagen eine sehr unterschiedliche Schwankung von Monat zu Monat bzw. Jahr zu Jahr aufweisen. Grob gesagt schwanken die Erträge weniger, je exponierter die Anlagen stehen, je offener ihre Umgebung ist, je größer ihre Nabenhöhe ist und je kleiner ihr Verhältnis von Nennleistung zu Rotordurchmesser. Die folgende Abbildung 34 zeigt die Monatserträge zweier benachbarter Windkraftanlagen bezogen auf den Mittelwert des dargestellten Zeitraums.

relativer Energieertrag

2.5 größere Nabenhöhe

2.0

niedrige Nabenhöhe

1.5 1.0 0.5

09 ez

9 D

kt 0

09

O

ug

09 A

Ju n

09

pr 09 A

08

Fe b

8

ez D

kt 0

08

O

ug

08 A

Ju n

08

pr 08 A

Fe b

ez D

O

kt 0

7

07

0.0

Monat Abbildung 34:

Ertragsverlauf zweier benachbarter WEAs mit unterschiedlicher Nabenhöhe

Die Erträge der kleineren Anlage schwanken um 17 % mehr als die der größeren. Das bedeutet, dass ein 80 %-Ertragsjahr der kleineren Anlage ein 83 %-Jahr für die größere ist. Zwischen unterschiedlichen Standorten kann die Variabilität noch stärker schwanken, so dass innerhalb einer Region Unterschiede der relativen Ertragsänderungen mit bis zu einem Faktor 2 auftreten können. Deshalb ist es falsch, zur Abschätzung des Langfristertrags einer Windkraftanlage die Erträge monatlich oder jährlich über Dreisatz mit Produktionsindices zu korrigieren. Hier treten unweigerlich Über- oder Unterkorrekturen auf. Das gängigste Verfahren, um angemessene Ergebnisse zu erzielen, ist die lineare Regression (auch Ausgleichsgerade genannt). Bei der Neuausgabe der BDB-Indices im Jahr 2004 wurde berücksichtigt, dass die Mehrzahl der Nutzer die Dreisatzrechnungen verwendet. Um die gröbsten Fehler zu vermeiden, wurde die in den Indices dargestellte Variabilität verringert. Da zuvor eine Schwachwindphase herrschte, sanken die Ergebnisse der Dreisatzrechnungen erheblich. Dies löste einen Schock in der Branche aus. Es wird noch heute oft gesagt, dass zu diesem Zeitpunkt das Langfristniveau des BDB-Index stark gesenkt worden sei. Dies stimmt nur in geringem Maß und auch nur in einigen Regionen, z.B. in der Region 13 nach Einteilung der BDB (etwa SachsenAnhalt und Brandenburg) um 2,5 % oder in der Region 23 (Rheinland-Pfalz) um weniger als

218

3 Technische Rahmenbedingungen

2 %. Der Aufruhr in der Branche wurde also eher wegen einer unangemessenen Verwendung der Indices verursacht. Diese Art der Verwendung ist aber bis heute noch bei Planern und Betreibern gängig. Bei der weiteren Überarbeitung der BDB-Indices, die im Jahr 2007 herausgegeben wurde, wurden die Langfristniveaus dagegen stärker verändert. In einigen Regionen führte dies zu plausibleren Ergebnissen, in anderen, insbesondere Süddeutschland, zu unrealistischen. Große Unsicherheit besteht noch immer in der Frage, wie überhaupt ein belastbares Langfristniveau gefunden werden kann. Eine große Sorge besteht auch darin, dass durch den sukzessiven Zubau und die Alterung von Anlagen sinkende Erträge verzeichnet werden, was zu einem künstlichen Absinken der Indices im Lauf der Zeit führt. Diese Themen werden seit etwa 2009 intensiv im Rahmen des Windgutachterbeirats des BWE diskutiert, auch im Austausch mit der BDB. Es wurde klar, dass substanzielle Verbesserungen einen erheblichen Entwicklungsaufwand erfordern, der nur gemeinsam geleistet werden kann. In der Vergangenheit wurde häufig diskutiert, welchen Einfluss die Länge des Bezugszeitraums für den Langfristbezug hat, d.h. des Zeitraums, der als langjährig repräsentativ angesehen wird. Nachdem über mehrere Jahre häufig angegeben wurde, dass Referenzdaten über mindestens 30 Jahre in die Vergangenheit betrachtet werden müssen, wird hier gegenwärtig ein flexiblerer Ansatz bevorzugt. Klar ist, dass das Risiko der Ungenauigkeit bzw. Inhomogenität jeglicher Referenzdaten mit der Länge des betrachteten Zeitraums wächst. Das bedeutet, dass eine über 10 oder 15 Jahre reichende Statistik dem langjährigen Mittel näher kommen kann, als eine über 30 Jahre reichende, wenn diese von Messfehlern beeinflusst ist, obwohl das Windpotenzial einer 10 bis 15jährigen Periode sich durchaus vom Langjährigen spürbar unterscheiden kann. Die Wahl des Bezugszeitraums und ggf. anzuwendende Justierungen sind daher fallspezifisch abzuwägen.

3.3.4

Spezielle Probleme der Windgutachten auf Basis von Standort-Windmessdaten

3.3.4.1

Messstrategie

Schon im Jahr 1999 wurden von der IEA (INTERNATIONALE ENERGIEAGENTUR) international abgestimmte Empfehlungen für Windmessungen herausgegeben486. Diese werden jedoch bis heute bei der Mehrzahl der Messungen missachtet. Einige der wesentlichen Punkte dort betreffen die Anbringung der Sensoren am Mast. Ziel ist, die Beeinflussung der Messdaten durch den Mast und die Halterungen auf ein akzeptables Maß zu begrenzen. Sie haben praktisch keinen Einfluss auf die Kosten. Leider gibt es nach wie vor weltweit in großer Zahl vertriebene Mastsysteme, die diese Empfehlungen ignorieren.

486

IEA (Hrsg.) 1999.

3.3 Abschätzung des Energieertrages

219

Auch abgesehen davon müssen die durchgeführten Messungen zu einem erheblichen Teil als amateurhaft bezeichnet werden. Zum Beispiel existiert häufig keine Dokumentation, obwohl die Dokumentation eines Experiments schon in der Schule als unverzichtbar vermittelt wird. Windgutachter kommen so bisweilen in die Verlegenheit, ein Gutachten auf der Basis von Messdaten erstellen zu müssen, für die keine Belege existieren und deren Mast schon wieder abgebaut worden ist. Hier ist zu überlegen, ob ein solcher Auftrag überhaupt akzeptiert werden kann. Der Windgutachterbeirat des BWE hat im Jahr 2003 veröffentlicht, welche Informationen über eine Messung Windgutachter für unerlässlich halten487. Im Hinblick auf eine solide Projektstrategie ist denkbar, dass eine Windmessung durch einen unabhängigen, erfahrenen Windgutachter geprüft und dokumentiert wird, selbst wenn sie vom Planer selbst oder einem eher handwerklich orientierten Mastbauer betrieben wird. Damit wird eine Grundlage dafür geschaffen, dass auch nach dem Abbau des Mastes involvierte Gutachter oder Investoren eine gute Arbeitsbasis erhalten und ein größeres Vertrauen in die Messung gewinnen. Dieser Punkt ist auch deshalb interessant, weil durchaus vielen Windgutachtern schon gefälschte Messdaten übergeben worden sind. Auch der Anteil an Messungen mit falsch justierten Windfahnen, Tippfehlern bei der Loggerprogrammierung oder falsch angegebenen Messhöhen ist erstaunlich groß. In einigen Ländern, z.B. Frankreich und Polen, aber auch Deutschland, hat sich bei den Messaufbauten und den verwendeten Geräten ein insgesamt guter bis sehr guter Standard etabliert. Sehr gute Beispiele sind auch z.B. aus Bulgarien und Rumänien bekannt. Am ehesten mangelt es dann noch an der Dokumentation und der Überwachung der Messung. Es genügt nicht, beim Messaufbau alles zu dokumentieren – auch für die weitere Betriebszeit müssen alle Beobachtungen und Veränderungen aufgezeichnet werden. Der Einfluss der Entscheidungen während der Planung einer Windmesskampagne auf den Wert und die Belastbarkeit des Ergebnisses wird häufig unterschätzt. Mit geringem Aufwand können hier häufig für ein Projekt große Vorteile erzielt werden. Selbst wenn die Messung durch den Planer selbst durchgeführt wird, sollte in dieser Phase ein Windgutachter hinzugezogen werden. Für die Messstrategie gibt es keine Standardlösungen, sie ist stets projekt- und standortabhängig festzulegen. Dabei sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden: • Wie hoch ist die geplante Investition? Steht der Aufwand für die Messung in einem guten Verhältnis dazu? Bei größeren Parks wird man eher zu einem höheren Messmast oder einem zweiten Messmast tendieren als bei kleineren. • In welchem Bereich werden die Nabenhöhen möglicherweise liegen? Hierzu werden unten weitere Aspekte erläutert. • Gibt es schon gute Kenntnisse und Erfahrungen zu den Windverhältnissen in dieser Region? • Wie sicher ist die Realisierung des Projektes? Könnte es sinnvoll sein, erst einmal mit einer kostengünstigeren Messung zu beginnen und diese später zu ergänzen? • Welche Aspekte liefern voraussichtlich die höchste Unsicherheit beim späteren Windgutachten – das Höhenprofil, die Veränderung des Windpotenzials über das Areal hinweg,

487

BWE (Hrsg.) 2003.

220

3 Technische Rahmenbedingungen

der Langfristbezug? Mit welchen Problemen bei der Modellierung muss gerechnet werden? Sind Probleme hinsichtlich der Standsicherheit zu erwarten? Eine Windmessung liefert zunächst nur Informationen zu einem Punkt im beplanten Areal. Die dort gewonnenen Informationen müssen mit einem Strömungsmodell auf das Areal übertragen werden. Daher sollte die Windmessung so platziert und geplant werden, dass diese Übertragung unter Berücksichtigung der Eigenschaften des verwendeten Modells die geringste Gesamtunsicherheit für das Projekt ergibt. Mit folgenden Überlegungen kann oft bei gleichen Kosten ein sehr unterschiedlicher Nutzen für das Projekt erzielt werden: • Ein Mast sollte an einer möglichst typischen und hinsichtlich des Windpotenzials durchschnittlichen Stelle errichtet werden. Häufig wird dagegen ein Mast an der windigsten oder exponiertesten Stelle gebaut, was die entsprechende Unsicherheit maximiert. • Die direkte Umgebung des Mastes sollte sehr einfach strukturiert und in den meisten Fällen flach sein, da komplexe kleinräumige Situationen nicht genau modelliert werden können. Eine Ausnahme ist, wenn beispielsweise die meisten Anlagenpositionen auf dem scharf konturierten Grat eines Berges geplant sind. Dann sollte auch der Mast an einer solchen Stelle stehen. • An vielen Standorten Südeuropas, wo die Steigerung der Windgeschwindigkeit mit der Höhe über Grund sehr gering ist, dagegen aber das Gelände sehr komplex, liefert möglicherweise ein Messkonzept mit einem nicht sehr hohen Hauptmast und einem oder mehreren zusätzlichen (kleineren oder gleich hohen) Masten die geringste Gesamtunsicherheit. In solchen Fällen kann es auch interessant sein, zeitgleich mit der Messung am Hauptmast einen zusätzlichen Mast über kürzere Zeiträume an verschiedenen Stellen nacheinander zu betreiben. In solchen Fällen bietet sich als Alternative die Verwendung von Sodar- oder Lidargeräten an. • Gibt es stabile und zugängliche Datenquellen für den Langfristbezug? In manchen Regionen ist der Langfristbezug aus physikalischen Gründen ein Problem, d.h. die Korrelation zwischen Standortdaten und Vergleichsdaten ist oft schlecht. Hier sollten auch Messdauern von mehreren Jahren in Betracht gezogen werden. Denkbar ist auch der Aufbau einer vieljährigen Stützmessung in einer Region. • Gibt es Sorgen hinsichtlich Vereisung? Gibt es spezielle Bedenken bei den potenziellen Anlagenherstellern, z.B. wegen Schräganströmung aufgrund der Geländeneigung, Strömungsabriss oder Turbulenz? In diesen Fällen können die späteren Verhandlungen erheblich durch Verwendung zusätzlicher Geräte wie 3D-Ultraschallanemometer oder beheizte Ultraschallanemometer, Webcams oder speziell gewählte Mastpositionen erleichtert werden. In Regionen mit hoher Turbulenz können beispielsweise die Einkaufs- oder Wartungskosten der Anlagen durch Einsatz eines höheren Messmastes verringert werden. Viele Überlegungen gelten der Masthöhe. International hat sich weitgehend die Forderung durchgesetzt, dass die oberste Messhöhe mindestens 2/3 der geplanten Nabenhöhe betragen sollte. Zusätzlich sollten weitere Überlegungen angestellt werden. In Gebieten mit hohem Waldeinfluss sollte, wie aus obigen Abbildungen erkenntlich ist, in dieser Hinsicht vorsichtiger vorgegangen werden, d.h. der Mast sollte tendenziell höher geplant werden. In einfacher Landschaft sind dagegen eher Kompromisse akzeptabel. Häufig mag es aus Sicht des Kosten/Nutzen-Verhältnisses in offener Landschaft sinnvoll sein, anstatt eines eher hohen Mas-

3.3 Abschätzung des Energieertrages

221

tes einen mäßig hoch gewählten Mast mit Anemometern in mehr Höhen (z.B. fünf Höhen) auszustatten. Damit kann das Höhenprofil belastbarer ermittelt werden. Auch der Einfluss von Messungenauigkeiten kann dadurch eher ausgeglichen werden. Seitlich am Mast angebrachte Anemometer liefern nie perfekt vergleichbare Daten mit einem senkrecht oben angebrachten Anemometer. Das bedeutet, dass aus den obersten zwei Anemometern häufig keine sehr belastbare Information zum Höhenprofil ermittelt werden kann. Deshalb sollten, wenn der Mast nicht bis nahe an die geplante Nabenhöhe reicht, mindestens drei Anemometer seitlich am Mast angebracht sein, die auf gleiche Weise durch den Mast abgeschattet sind. Folglich sollte auch das oberste der seitlichen Anemometer deutlich unterhalb der Mastoberkante angebracht sein. In einigen Regionen ändert sich auch ohne Waldeinfluss der Höhengradient der Windgeschwindigkeit mit der Höhe über Grund, ohne dass dies zu erwarten wäre. Hier zahlen sich für den Projektplaner eine größere Masthöhe und die Verwendung einer größeren Zahl an Anemometern unmittelbar aus. Sicherlich ist auch die Kombination eines kleineren Mastes mit einer Sodar- oder Lidarmessung eine bedenkenswerte Option. Hinsichtlich der Gesamtkosten, des Aufwandes für die Messdatenauswertung und der Messunsicherheit ist dies bei mäßigen Nabenhöhen jedoch gegenüber einem von vorne herein höheren Mast häufig die schlechtere Lösung. Bei Nabenhöhen über 100 m sind hingegen die Kosten für eine einjährige Messung mit einem Sodargerät häufig geringer als mit einem Messmast.

3.3.4.2

Wahl der Messgeräte

Stand der Technik für die Messung der Windverhältnisse sind hochwertige, individuell kalibrierte Schalenkreuzanemometer in Kombination mit guten analogen Windfahnen. Die Mehrzahl der Messungen wird aber weltweit mit vergleichsweise einfachen, billigen Instrumenten durchgeführt. Oben wurden schon Ultraschallanemometer erwähnt. Sie zeichnen sich durch eine Verschleißfreiheit aus. Häufig werden sie unter Extrembedingungen eingesetzt, da bei den meisten Herstellern Varianten mit starker Heizung, hoch auflösender Messung der Turbulenz und/oder Messung des Windes in drei Dimensionen erhältlich sind. Insbesondere für Wetterstationen und die Forschung sind sie daher attraktiv. In der Windenergie spielen sie bisher nur in Sonderfällen eine Rolle. Gründe hierfür sind vor allem die relativ hohen Anschaffungskosten, der erhöhte Energieverbrauch auch bei unbeheizten Geräten und die schwierigere Anbindung an Datenlogger. Auch Sodargeräte wurden schon genannt. In den letzten Jahren wurde in der Branche mehr über Lidargeräte gesprochen. Welche Entwicklung die Messtechnik in den kommenden Jahren nehmen wird und wie der Markt die Sodar- und Lidargeräte beurteilen wird, ist momentan nicht abzusehen. Mit Stand Herbst 2011 beurteilt der Autor die Situation wie folgt: • Sodargeräte sind gegenwärtig deutlich preisgünstiger als Lidargeräte. • Bisher bekannt gewordene Vergleichstests weisen nur wenig grundsätzliche Unterschiede in der Messqualität, -genauigkeit und -verfügbarkeit zwischen Sodar- und Lidargeräten

222

• • •





3 Technische Rahmenbedingungen

aus. Die Unterschiede zwischen verschiedenen Sodargeräten und Lidergeräten scheinen größer zu sein als zwischen diesen Gerätegruppen, d.h. sie hängen eher vom jeweiligen Hersteller und technischen Details oder der Software ab als grundsätzlich vom Messprinzip. Praktische Fragen des Transportes, der Installation, Energieversorgung und Sicherung der Geräte spielen in der Praxis eine wichtige Rolle bei der Wahl des Gerätes. Strategische Aspekte wie Störungsanfälligkeit der Geräte, Schnelligkeit des Service und Betreuung durch den Hersteller bei fachlichen Fragen sollten ebenfalls bedacht werden. Die meisten Sodar- und Lidargeräte liefern etwas niedrigere mittlere Windgeschwindigkeiten als Schalenkreuzanemometer. Der Hauptgrund hierfür ist die vektorielle Mittelung der Windgeschwindigkeit bei den Sodar- und Lidargeräten gegenüber der skalaren Mittelung bei Schalenkreuzanemometern. Die Abweichungen liegen bei mittleren Turbulenzniveaus in der Größenordnung von 1 % der mittleren Windgeschwindigkeit. Diese können ansatzweise über die gemessene Turbulenz korrigiert werden. Welche Art der Darstellung der Windgeschwindigkeit für das Betriebsverhalten von Windkraftanlagen besser repräsentativ ist, ist bisher nicht bekannt. Fakt ist, dass die skalare Messung mit Schalenkreuzanemometern gegenwärtig den Standard in der Branche darstellt. Manche Sodar- und Lidargeräte liefern unter Vereisungsbedingungen korrekte Windgeschwindigkeitsdaten mit hoher Verfügbarkeit. Allerdings fehlt dann eine Basis für die Abschätzung, über welche Zeit Vereisung an einer Windkraftanlage zu erwarten gewesen wäre, was von Schalenkreuzanemometern indirekt mitgeliefert wird. Es ist derzeit nicht üblich, Sodar- oder Lidargeräte zu kalibrieren. Dies könnte sich in der Zukunft ändern, was ihre Akzeptanz erhöhen wird.

Ein weiteres Nischenprodukt, das sich in der Windenergiebranche bisher nicht durchgesetzt hat, sind Propellerwindfahnen. Nach Erfahrung des Autors sind diese gegenüber billigen Schalenkreuzanemometern durchaus ernst zu nehmen. Gute Erfahrungen wurden mit einigen Geräten unter Vereisungsbedingungen gemacht. Aufgrund ihrer Größe ist eine Kalibration aufwändig, so dass sie eher als Zusatzgeräte interessant sind. Die Zahl der am Markt verwendeten Datenloggertypen ist begrenzt. Idealerweise sollten Datenlogger • eine ausreichende Auflösung der eingegebenen Kalibrationsparameter ermöglichen (teilweise entstehen relevante Rundungsfehler), • mehrere Kommastellen bei den Windgeschwindigkeiten bieten (für eine genauere Bestimmung der Turbulenz und verzerrungsfreie Möglichkeiten der Korrektur von Kalibrationsparametern), • die eingegebenen Parameter, insbesondere Kalibrationsparameter automatisch und regelmäßig in den Dateien dokumentieren, • bei den Windgeschwindigkeiten neben den Mittelwerten stets Maxima, Minima und Standardabweichungen aufzeichnen (was bei der Datenprüfung hilfreich ist) und • eine Datenspeicherung über mehrere Monate ermöglichen. Nur wenige Firmen kalibrieren Datenlogger. Als Teil der Qualitätskontrolle ist eine solche Kalibration sehr zu begrüßen.

3.3 Abschätzung des Energieertrages

3.3.4.3

223

Prüfung, Interpretation und Verwendung der Messdaten

Generell hat sich die Qualität der an geplanten Standorten erhobenen Windmessdaten in den letzten 10 Jahren massiv verbessert. Dennoch ist es unerlässlich, die Daten gründlich auf Störungen, Ausreißer, Inkonsistenzen und Plausibilität zu prüfen. Wie schon erwähnt, treten Fehleinstellungen oder fehlerhafte Informationen häufig auf. Bisweilen verhalten sich Messgeräte auch einfach unerklärbar falsch. Nach Erfahrung des Autors fehlt hier häufig die Aufmerksamkeit bei Windgutachtern, was sicherlich durch Zeit- und Kostendruck erklärt werden muss. Für die sorgfältige Prüfung der Messdaten eines Jahres durch einen erfahrenen Gutachter können bei guter Messqualität etwa ein bis drei Manntage angesetzt werden, bei stärker gestörter oder inkonsistenter Messung mehr. Die häufigste unerwünschte Beeinträchtigung von Messungen geschieht durch den Messaufbau selbst. Gut bekannt ist das Phänomen der Abschattung von seitlich angebrachten Anemometern durch den Mast. Bei ausreichendem seitlichem Abstand und geeigneter Ausrichtung der Ausleger ist dieser Einfluss gering. Selten beachtet wird dagegen, dass sich zu nahe über dem Mast angebrachte Anemometer wegen der Umströmung des Mastes in einer beschleunigten Strömung befinden, sie also zu hohe Windgeschwindigkeiten messen. Fehler in der Größenordnung von 0,05 m/s bis 0,1 m/s sind nicht selten. Erstaunlich ist dabei, dass selbst bei optisch weit herausragend erscheinenden Anemometern noch solche Effekte in den Messdaten zu finden sind. Empirische Angaben zu dieser Beeinflussung sind leider nicht vorhanden. Der Standard für Leistungskennlinienmessungen empfiehlt einen vertikalen Abstand des obersten Anemometers von der Mastspitze von mindestens fünffachem Mastdurchmesser488, wenn das Anemometer mittig angebracht ist. Nach dem Eindruck des Autors ist diese Forderung keineswegs übertrieben und sollte unbedingt beachtet werden. Eine Anbringung abseits der Mastmitte scheint noch kritischer zu sein. Auch hierzu fehlen wissenschaftliche Aussagen. Analog zu der Fülle an Informationen, die aus Betriebsdaten von Windkraftanlagen gewonnen werden kann, bieten auch Windmessdaten mehr, als üblicherweise genutzt wird. Am deutlichsten kann dies anhand des Höhenprofils der Windgeschwindigkeit erklärt werden. Leider verwendet nur eine Minderheit von Windgutachtern diese Information. Häufig wird eine Strömungsberechnung von der Mastspitze aus gestartet, ohne zu prüfen, ob das berechnete Höhenprofil mit dem gemessenen übereinstimmt. In südeuropäischen Ländern wird häufig ein viel zu starkes Höhenprofil berechnet. Eine Korrektur ist dann unerlässlich. An dem Standort der Abbildung 35 zeigte sich darüber hinaus, dass WAsP im Gegensatz zu den üblichen Beobachtungen in Deutschland die Veränderung des Windfeldes über das (komplexe) Parkareal hinweg überschätzt, d.h. das Windfeld war sogar auf der Leeseite von Hügeln homogener, als die Berechnung auswies. Die Fehler von Strömungsmodellen sind also nicht universal, sondern sie hängen vom einzelnen Fall ab. Selbst wenn das über den Höhenbereich des Mastes gemessene Höhenprofil gut durch die Berechnung wiedergegeben wird, erscheint es aufgrund der oben gezeigten Inkonsistenzen mancher Modellrechnungen (Kapitel 3.3.2) empfehlenswert, die mittlere Windgeschwindig488

Deutsche Kommission Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik im DIN und VDE (Hrsg.) 2006.

224

3 Technische Rahmenbedingungen 90 berechnet

80

gemessen 70

Höhe (m)

60 50 40 30 20 10 0 4.0

4.5

5.0

5.5

6.0

Windge schwindigke it (m/s) Abbildung 35:

Vergleich eines gemessenen und eines berechneten Höhenprofils an einem Standort in Südeuropa

keit in Nabenhöhe durch manuelle Extrapolation des gemessenen Höhenprofils z.B. über einen Potenzialansatz zu berechnen und die Modellrechnung entsprechend anzupassen. Wenn an einem Standort mehrere Messmasten betrieben werden oder wurden, kann durch einen gegenseitigen Vergleich der Daten nicht nur das Verständnis des Strömungsfeldes verbessert werden. Auch die Güte des Strömungsmodells bei der Übertragung des Windfeldes über das Areal hinweg kann dadurch geprüft werden, dass die berechneten Unterschiede des Windes zwischen den Masten mit den gemessenen verglichen werden. Gegebenenfalls können daraus Anpassungen der Modellrechnungen abgeleitet werden, die für das gesamte Areal gelten. Leider wird auch diese Möglichkeit in der Regel nicht genutzt. Üblich ist, die Berechnungen für verschiedene Abschnitte des Areals jeweils von einem der Maste aus anzutreiben. Darüber hinaus erlauben Betrachtungen der Veränderung der mittleren Windgeschwindigkeit und der Turbulenz in Abhängigkeit von der Windrichtung, Höhe und Tageszeit ein weiter gehendes Verständnis des Windfeldes am Standort. Beispielsweise kann damit der Einfluss benachbarter Waldstücke oder Geländeformationen abgeschätzt werden, was bei der Beurteilung der Güte der rechnerischen Übertragung auf andere Positionen im Parkareal und andere Höhen über Grund hilfreich ist.

3.3 Abschätzung des Energieertrages

225

Bei der Extrapolation von Standort-Windmessdaten auf langjährige mittlere Verhältnisse findet sich gegenwärtig eine sehr große Bandbreite an Vorgehensweisen. Eine vertiefte fachliche Diskussion in der Branche über diese Methoden ist dem Autor nicht bekannt. Letztlich hat jede Firma ihre eigenen Verfahren. Jedoch auch innerhalb einer Firma ist der Einsatz verschiedener Vorgehensweisen unvermeidlich, weil die Verfügbarkeit, Qualität, Auflösung und Konsistenz von Vergleichsdaten von Fall zu Fall (grob gesagt von Land zu Land) sehr unterschiedlich ist. In Extremfällen kann eine einfache Dreisatzrechnung die einzig praktikable und sinnvolle Möglichkeit darstellen. Soweit möglich, sollten jedoch die gemessenen Standortdaten auf der Basis von Zeitreihen von Wetterstationsdaten oder modellierten Daten differenziert skaliert werden, wobei • verschiedene Windrichtungssektoren separat behandelt • Nichtlinearitäten im Verhältnis von Vergleichsdaten und Standortdaten berücksichtigt • die am Standort gemessenen Charakteristika (Windrichtungsverteilung und Häufigkeitsverteilung der Windgeschwindigkeit) gewahrt und • die verschiedenen Jahreszeiten gleichwertig gewichtet werden. Eine kritische Prüfung der Langfrist-Referenzdaten auf Belastbarkeit und Homogenität sollte stets vorgenommen werden. Idealerweise werden verschiedene Datenquellen separat verwendet, um die Unsicherheit des Ergebnisses zu vermindern. Traditionell werden hier vor allem Wetterstationsdaten herangezogen. In den vergangenen Jahren hat die Verwendung von Reanalysedaten oder aus Reanalysedaten abgeleiteten Daten (in der Regel mit mesoskaligen Modellen) stark zugenommen. Es sollte jedoch beachtet werden, dass nicht nur Wetterstationsdaten, sondern auch Reanalysedaten Inkonsistenzen aufweisen können. Bei der Windmessung an Wetterstationen ist dies offensichtlich, da Instrumentenwechsel, Änderungen der Messtechnik, Versetzen des Mastes oder Veränderungen der Stationsumgebung (Zubau von Gebäuden, Fällen von Bäumen) langfristig unvermeidlich sind. In manchen Ländern können daher auf der Basis von Wetterstationsdaten Messungen nur auf einen Zeitraum von wenigen Jahren extrapoliert werden, in anderen sind Bezugszeiträume von über 10 Jahren, teilweise sogar bis 20 Jahren möglich. Doch auch Reanalysedaten basieren letztlich auf Messdaten und können so über die Zeit hinweg von Änderungen der Qualität bzw. des Datenniveaus beeinträchtigt sein. Insbesondere hat die Änderung der Zahl und Art der Messstellen (z.B. Übergang von Radiosonden zu Satellitendaten) einen gravierenden Einfluss auf das Ergebnis. In manchen Fällen sowohl in Südeuropa als auch in Nordeuropa sowie in sehr komplexem Gelände wie den Alpen findet sich keine Bezugsdatenquelle mit guter Korrelation zu den Standortdaten. Hier muss das Ergebnis des Langfristbezugs unsicher bleiben. In diesen Fällen ermöglicht eine Verlängerung der Messdauer am Standort auf zwei oder mehr Jahre oder eine Kombination verschiedener Standortmessungen eine erhebliche Verringerung der Unsicherheit des Gutachtens. Ein wesentliches Problem in diesem Zusammenhang sind Verfügbarkeit und Kosten der Wetterstationsdaten. In Kanada können beispielsweise solche Daten direkt über das Internet kostenlos heruntergeladen werden. In den USA oder der Schweiz fallen angemessene Kosten an. In Frankreich muss für Stundenwerte der Windgeschwindigkeit und -richtung über ein

226

3 Technische Rahmenbedingungen

Jahr schon etwa 700 EUR angesetzt werden, in vielen anderen Ländern wie Deutschland und den Niederlanden ein Vielfaches davon, was dann leicht in die Größenordnung der Kosten kommt, die der Windgutachter für seine Arbeit bekommt. In vielen anderen Ländern sind die Wetterdienste nicht bereit, die Daten herauszugeben und bieten an, stattdessen die Windgutachten zu übernehmen. In vielen Ländern einschließlich Deutschland ist zudem die langfristige Konsistenz der Wetterstationsdaten häufig problematisch und Informationen über die Messhistorie der Stationen sind kaum erhältlich. Dagegen besteht ausgiebige Erfahrung mit dem Langfristbezug von Ertragsdaten von Windkraftanlagen, siehe auch Kapitel 3.3.3. Deshalb bietet es sich an, Windmessdaten von Standorten über eine Leistungskennlinie in die Energieerträge umzurechnen, die eine Windkraftanlage am Standort des Messmastes erzielt hätte. Diese können dann wie die Erträge einer normalen Vergleichsanlage behandelt werden. Die Berechnungen des Windfeldes sollten dann trotzdem auf Basis der vor Ort gemessenen Winddaten durchgeführt werden (siehe auch Abschnitt 3.3.2), auch wenn sie nicht hinsichtlich der Windrose oder der Häufigkeitsverteilung auf langfristige Verhältnisse skaliert worden sind (was natürlich anzustreben ist).

3.3.5

Strömungsmodelle

Verschiedentlich wurde in obigen Abschnitten erwähnt, dass das Strömungsmodell WAsP in einigen Situationen die Realität nicht korrekt widergibt. Dennoch ist WAsP weiterhin das weitaus am meisten verwendete Strömungsmodell. Gemessen daran, dass WAsP im Jahr 1989 herausgegeben wurde und mit minimaler Rechenzeit Ergebnisse liefert, ist seine Qualität erstaunlich. Angesichts der inzwischen vielfach größeren Leistungsfähigkeit von Computern, der seitdem vergangenen Zeit und der enormen Entwicklung der Windenergie stellt sich dennoch die Frage, weshalb nicht längst bessere, d.h. realitätsnähere, Strömungsmodelle üblich sind. Tatsächlich wurden in den letzten 10 bis 15 Jahren verschiedene höher entwickelte Strömungsmodelle in der Windenergie eingeführt. Sie stehen unter dem Oberbegriff 3-dimensionale Strömungsmodelle und berücksichtigen mehr physikalische Parameter und enthalten weniger Vereinfachungen als WAsP. Insbesondere können die meteorologischen Modelle Änderungen der atmosphärischen Schichtung bestimmen und berücksichtigen. Damit sollten sie das Potenzial haben, die Realität deutlich besser wiederzugeben. Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Ansätze: • Mesoskalige Modelle stammen aus der meteorologischen Modellierung. Sie haben ihre Stärke in der Darstellung regionaler Effekte, sind nicht auf Skalen unterhalb von etwa 1 km angepasst und daher für die kleinräumige Berechnung innerhalb eines Parkareals weniger geeignet. Ihre Bedeutung liegt heutzutage vor allem bei großräumigen Potenzialstudien und der Bereitstellung von synthetischen Zeitreihen für den Langfristbezug oder als Antrieb für kleinskalige Modelle. • Mikroskalige Modelle sind aus der Meteorologie bekannt. Ihr Fokus liegt auf der Skala über einem Meter. Sie haben bisher keine nennenswerte Bedeutung in der Windenergie erlangt.

3.3 Abschätzung des Energieertrages

227

• CFD-Modelle stammen ursprünglich aus kleinskaligen Anwendungen in technischen Bereichen wie die Umströmung von Flugzeugen und Fahrzeugen oder die Vorgänge in Triebwerken, Motoren und Rohren. CFD steht eigentlich für „computational fluid dynamics“ und trifft als Bezeichnung für jegliche genannten Modelle zu. In der Praxis wird aber nur eine bestimmte Gruppe von Modellen damit bezeichnet. Sie werden derzeit als die wesentlichen Kandidaten für die kleinräumige Modellierung von Windkraftstandorten angesehen. Allen dreidimensionalen Modellen ist gemeinsam, dass aufgrund der Komplexität der Rechenaufwand erheblich steigt und der Anwender ausgiebige Fachkenntnis und Erfahrung benötigt. Das Berechnungsergebnis hängt also nicht nur von den Eigenschaften des Modells, sondern mehr als bei WAsP von den Parametereinstellungen und den Details der Benutzung ab. Für jedes auf dem Markt erhältliche Strömungsmodell gibt es Berichte und Nutzer, die ihnen einen erheblichen Fortschritt gegenüber dem Stand der Technik bescheinigen, aber diese Darstellungen werden immer nur von einer begrenzten Zahl an Marktteilnehmern bestätigt. Überraschenderweise weisen die meisten Vergleichsstudien, die dem Autor bekannt sind, im Ergebnis keinen substanziellen Fortschritt gegenüber WAsP aus. Es gibt darunter Beispiele zum Einfluss von Hügeln, zum Grenzschichtprofil und zum Einfluss von Rauigkeitswechseln wie beispielsweise dem Übergang von Wasser zu Land. Dies mag ein Grund dafür sein, dass sich solche Modelle bisher nicht auf breiter Basis durchgesetzt haben. Doch warum ist dies so? Hier kann der Autor nur Vermutungen anstellen: • Aus Zeit- und Kostengründen werden bei den meisten Modellen die vorhandenen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. Die Berechnungen werden beispielsweise meistens auf wenige atmosphärische Zustände (z.B. neutrale Schichtung) beschränkt. • Über den Wind ist einfach noch zu wenig bekannt. Wenn der Wind mit seinen lokalen, regionalen und zeitlich variablen Eigenschaften und Strukturen nicht verstanden ist, muss die Modellierung unzureichend bleiben. • Die Forschung zur atmosphärischen Strömung wird traditionell in der Meteorologie und von Wetterdiensten unternommen, d.h. die Forschungspolitik sieht hier keine Aufgabe der Windenergiebranche. In der Meteorologie wird jedoch für die eigenen Zwecke kein Forschungsbedarf gesehen. Die Anforderungen der Windenergiebranche sind daher bisher zwischen den Zuständigkeiten der Forschungslandschaft verloren gegangen. Vergleicht man die Zahl der Veröffentlichungen und Forschungsprojekte zur Windströmung onshore mit den Anstrengungen, die im Bereich der technischen Entwicklung von Windkraftanlagen in den letzten 20 Jahren unternommen wurden, wird hier ein wachsendes Defizit im Bereich der Windgutachten offensichtlich. Dies wurde auch auf internationaler Ebene erkannt. Große Forschungsprojekte sind in Vorbereitung. Diese rechnen mit einer Zeitskala in der Größenordnung 10 Jahren, bis substanzielle Fortschritte erzielt werden. Eine Arbeitsgruppe der IEA befindet sich gegenwärtig in Vorbereitung, die Methoden zum Vergleich und zur Validierung und letztlich Hinweise zur Benutzung von dreidimensionalen Strömungsmodellen erarbeiten soll. Auf EU-Ebene sind Forschungsprojekte geplant, die Messdaten zur Validierung von Strömungsmodellen bereitstellen sollen.

228

3 Technische Rahmenbedingungen

Darüber hinaus sollten die Strukturen und Mechanismen beleuchtet werden, die zu diesem Entwicklungsrückstand der Windgutachten geführt haben. Nach Meinung des Autors spielen folgende Aspekte eine Rolle: • Die meisten Windgutachterbüros sind zu klein und finanziell zu schwach, um eine inhaltliche Entwicklung leisten zu können. • Das Größenwachstum der Windgutachterbüros blieb hinter der des Marktes zurück. • Windgutachten werden nicht als „smarte Technologie“ betrachtet und erschienen wenig attraktiv bei der Forschungsförderung. • Es gibt keine Ausbildung zum Windgutachter. Alle Windgutachter haben sich ihre Kenntnisse selbst erarbeitet oder wurden angelernt. Außerdem kann man an vielen Stellen des Marktes mehr verdienen als in Windgutachterbüros. Daher gibt es stets zu wenige Windgutachter, zumal erfahrene. Verschärft wurde dies durch den Aufbau größerer „Site Assessment“-Abteilungen bei den Anlagenherstellern. In dieser Situation können die Windgutachter kaum nennenswerte Kapazitäten für die Forschung und Entwicklung bereitstellen. • Aus Forschungsinstituten kamen in den vergangenen Jahren keine spürbaren Impulse für Windgutachter. Ein Austausch zwischen Windgutachtern und Forschungsinstituten fehlt. • Die Auftraggeber der Windgutachter sind zumeist Planungsbüros. Diese haben kein Interesse an aufwändigeren und damit teureren Windgutachten, die zudem noch längere Lieferzeiten bedingen. Nach Berechnungen des Autors sind die Preise für Windgutachten in Deutschland bezogen auf die Investitionssumme oder die produzierte Energie in den letzten 15 Jahren deutlich gefallen. Gleichzeitig haben sich auch die Lieferzeiten verkürzt. Ein Windgutachten für einen typischen mittelgroßen Windpark in Deutschland mit einer Investitionssumme in der Größenordnung von 40 Millionen EUR ist derzeit für Preise zwischen 2000 und 6000 EUR zu haben. Es ist offensichtlich, dass hier wenig Raum für ausgiebige Überlegungen und differenzierte Betrachtungen ist. Die Belastbarkeit solcher Gutachten kann nur sehr begrenzt, wenn nicht gar fraglich sein. Dem Autor sind einige Projekte bekannt, in denen die tatsächlichen Erträge (auf langfristige Verhältnisse hochgerechnet) um 20 bis 30 % hinter den Ergebnissen der Windgutachten zurückbleiben. Ob dies Einzelfälle sind oder ob sie symptomatisch sind, ist unklar. Statistische Untersuchungen zur Treffsicherheit von Windgutachten wurden nie veröffentlicht, vermutlich gibt es sie nicht. Akteure, die hierin Einblick haben (Banken, Betreiber und Investoren), halten sich mit öffentlichen Aussagen sehr zurück. Damit fehlt der Druck zu einer qualitativen Verbesserung der Arbeit der Windgutachter. Die Diskussionen im Rahmen des Windgutachterbeirats des BWE zeigen, dass bei den Windgutachtern ein hohes Interesse an einer inhaltlichen und qualitativen Weiterentwicklung besteht. Am ehesten kommt interessanterweise Unterstützung von den Site Assessment-Abteilungen der Anlagenhersteller. Gerade in Deutschland sind diese unglücklich darüber, dass die Anlagen zunehmend an Standorten errichtet werden, deren Bedingungen wenig bekannt sind. Aber auch im Ausland unterstützen diese Abteilungen die Forderungen der Windgutachter nach mehr und hochwertigeren Messungen und eingehenden Untersuchungen des Windfeldes. Die meisten Anlagenhersteller haben auch bei der Modellierung und durch ihre Kenntnis von zahlreichen Windmessungen einen Wissensstand aufgebaut, der den der Windgutachter

3.3 Abschätzung des Energieertrages

229

weitgehend übertrifft. So erfreulich dies für die Hersteller sein mag, für den Markt ist es eine ungesunde Entwicklung, denn viel Wissen und ein erheblicher Teil der technischen Möglichkeiten stehen den Planungsbüros, Finanzierern und Investoren nicht zur Verfügung.

3.3.6

Ertragsberechnungen

Die Ertragsberechnungen für eine Einzelanlage basieren derzeit ausschließlich auf einer Skalierung der Windgeschwindigkeiten in Nabenhöhe mithilfe einer weitgehend als universell angesehenen Leistungskennlinie. Lediglich eine Korrektur für den Einfluss der Luftdichte kommt hinzu. Wie schon oben erwähnt, sollte mittelfristig zumindest eine Korrektur für den Einfluss des variablen Höhenprofils des Windes und der Turbulenz vorgenommen werden. Vielleicht wird in der Zukunft die Variabilität des Windfeldes über die Rotorkreisfläche auch genauer behandelt. Hier ist eine Zuarbeit der Anlagenhersteller nötig. Als kritische Spezialfälle sind hierbei die Positionierung eines Rotors nicht weit über der Oberkante eines nahe gelegenen Waldes oder soweit oberhalb kleineren Anlagen zu betrachten, dass die natürliche Steigerung der Windgeschwindigkeit mit der Höhe über Grund noch wesentlich verstärkt wird. Nicht nur aus Sicht der Ertragsberechnung, sondern auch der Lebensdauer der Anlagen sollten solche Situationen besser untersucht oder im Zweifelsfall vermieden werden. Verschiedentlich wird berichtet, dass in großen Windparks wesentlich stärkere Ertragseinbrüche beobachtet werden, als mit gängigen Modellen berechnet wird. Nur selten werden solche Beispiele offen gelegt. In der Regel werden Unzulänglichkeiten der Modelle als Ursache angesehen. Nach Beobachtung des Autors greift diese Annahme zu kurz. Beim Vergleich ähnlich großer und ähnlich dicht gestellter Windparks zeigt sich, dass offensichtlich manche Anlagentypen besser mit der Strömungssituation in Windparks umgehen können als andere. Der Aspekt der Anlagenregelung sollte also in die Betrachtungen einbezogen werden. Andererseits sind dem Autor Fälle von neueren Anlagentypen mit verbessertem aerodynamischem Wirkungsgrad auch mittelgroßer Windparks (etwa 9 bis 20 Anlagen) bekannt, in denen tatsächlich die Erträge abgeschatteter Anlagen wesentlich stärker einbrechen, als berechnet wurde. Teilweise wurden dabei offensichtlich deutlich zu niedrige Schubbeiwerte angesetzt. Auch hier sind die Anlagenhersteller in der Pflicht, realistischere Daten zu liefern. In einem Fall wurde auch beobachtet, dass sich die Leistungskennlinien der Anlagen unter Abschattungsbedingungen offensichtlich gegenüber der freien Anströmung verschlechterten. Die Berechnungsmodelle für Windparks nehmen aber stets gleiche Leistungskennlinien an, unter Abschattungsbedingungen wird lediglich eine niedrigere Windgeschwindigkeit angesetzt. Ohnehin gelten die meisten Leistungskennlinien laut Hersteller nur für eine mittlere Turbulenz, also aufgrund der in Windparks erhöhten Turbulenz dort nicht. Die Hersteller müssten also schon aus diesem Grund mehrere Leistungskennlinien für unterschiedliche Situationen herausgeben. In Deutschland beziehen sich die Ertragsangaben in Windgutachten üblicherweise auf die Leistungsmessung am Turmfuß und berücksichtigen lediglich die Verluste aufgrund der gegenseitigen Abschattung im Windpark. Im internationalen Bereich ist es dagegen üblich, dass Windgutachter auch Abzüge für die Ertragsverluste aufgrund von verringerter Verfügbarkeit, elektrischer Übertragung zum Einspeisepunkt, Ausfällen des Umspannwerkes und des Netzes, Vereisung und sonstiger Effekte vornehmen. Leider stehen ihnen aber in der

230

3 Technische Rahmenbedingungen

Regel nicht die statistischen Informationen über bisherige tatsächlich erreichte Verfügbarkeiten von Anlagen, Umspannwerken und Netzen oder Berechnungsergebnisse für die Übertragungsverluste zur Verfügung. Teilweise wird der Einfluss der Abschalthysterese berücksichtigt. Aufgrund der in Abschnitt 3.3.2 erläuterten Effekte wird er in Deutschland zumeist überschätzt, da die entsprechenden Situationen an vielen Standorten fast nie auftreten, während die Berechnungen noch eine nennenswerte Häufigkeit suggerieren. Selten wird dagegen der Eigenverbrauch der Anlagen berücksichtigt. Im Stillstand verbrauchen Windkraftanlagen zur Versorgung verschiedener Komponenten und Systeme Strom. Die Höhe des Verbrauches ist kaum bekannt. In den meisten Leistungskennlinien werden negative Leistungswerte unterdrückt. Bei Leistungskennlinienmessungen sind die entsprechenden Werte stark durch die Messunsicherheit beeinflusst. In den vergangenen Wintern sind in einigen Windparks massive Ertragseinbrüche durch Vereisung beobachtet worden. Die Ursachen hierfür sollten untersucht werden. Das Ausmaß an Vereisung ändert sich stärker von Jahr zu Jahr als die Windverhältnisse insgesamt. Es gibt noch keine Methoden am Markt, um die bei einer Windmessung in einem bestimmten Winter beobachteten Vereisungssituationen in Ertragsverluste einer Windkraftanlage für derselbe Periode oder gar in eine Abschätzung des langjährigen mittleren Ausmaßes an Vereisung zu übertragen.

3.3.7

Parkoptimierung

Nur in ganz seltenen Fällen werden Windgutachter darum gebeten, die Platzierung der Windkraftanlagen zu überprüfen und Vorschläge für eine hinsichtlich Ertrag und Lebensdauer optimierte Aufstellung zu machen. Dies erstaunt, kann doch mit praktisch gleicher Investition möglicherweise mehr Ertrag erzielt werden. Dem Autor sind Fälle mit Ertragssteigerungen von mehreren Prozent in sowohl kleineren als auch größeren Parks bekannt, die durch Parkoptimierung erzielt wurden. Nur selten kann mit einem Aufwand, der gegenüber der Gesamtinvestition verschwindend gering ist, ein solcher Effekt erzielt werden.

3.3.8

Bestimmung der Unsicherheit von Windgutachten

Nach dem Stand der Technik enthalten Windgutachten differenzierte Angaben zur Unsicherheit. Zur Festlegung der Unsicherheitswerte gibt es jedoch praktisch keine empirischen oder wissenschaftlichen Grundlagen. Hier ist der Windgutachter auf seine Erfahrung und sein Gespür angewiesen. Daher unterscheiden sich die Unsicherheitsangaben in verschiedenen Gutachten häufig massiv. Unterschiede in diesen Angaben können aber auch durch unterschiedliche Datenlagen bei den Gutachtern oder unterschiedliche Bearbeitungstiefen verursacht sein. Gerade in Deutschland liegen den meisten Windgutachtern vertrauliche Informationen vor, die als Erfahrungshintergrund unweigerlich eine Rolle spielen, aber im Gutachten nicht erwähnt werden können.

3.3 Abschätzung des Energieertrages

3.3.9

231

Klimaänderung

Wegen der dramatischen Auswirkungen des Klimawandels auf das Wetter in Form von Hitzewellen und extremen Trockenperioden oder Extremniederschlägen ist naheliegend, auch einen gravierenden Einfluss des Klimawandels auf die Windverhältnisse zu vermuten. Für Deutschland und umliegende Gebiete haben die meisten hierzu durchgeführten Studien allerdings erstaunlicherweise, zumindest für die Periode bis 2050, kaum nennenswerte Folgen für das Windpotenzial ergeben489. Am ehesten scheint ein kaum spürbarer Anstieg des Windpotenzials wahrscheinlich. Für andere Regionen der Welt dürfte sich dies anders darstellen. Häufig ist auch zu hören, dass Stürme aufgrund des Klimawandels zunehmen oder stärker werden. Dies erscheint auch physikalisch verständlich. Klimasimulationen haben jedoch ergeben, dass die Zahl und Stärke (im Sinne der Maximalgeschwindigkeit) zumindest in Mitteleuropa nicht nennenswert zunehmen wird, wohl aber die Größe bzw. Dauer der Stürme. Dies entspricht der Beobachtung eines Hurrikans mit außergewöhnlicher Ausdehnung im Sommer 2011 an der amerikanischen Ostküste.

489

Siehe zum Beispiel H. Schwartz; A. Herholz und J.v. Bremen 2009.

232

3.4

3 Technische Rahmenbedingungen

Betriebserfahrungen und Betriebskosten

DIRK BAUMGART Dirk Baumgart arbeitet bei der DEUTSCHEN IMMOBILIEN LEASING GMBH als kaufmännischer Leiter für den Bereich Portfolio Management Renewable Energy und beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit dem Asset Management von Windkraft-Fonds.

3.4.1

Einleitung

Nach dem schweren Erdbeben in Japan im März 2011 überflutete ein Tsunami weite Landstriche an der Ostküste. Daraufhin kam es in mehreren Atomkraftwerken in Japan zu Störfällen. Besonders schwer sind die Auswirkungen in dem Reaktorkomplex in Fukushima. Als eine Folge aus diesem Unglück hat Deutschland den sukzessiven Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen und die Erneuerbaren Energien rücken erneut in den Fokus einer breiten Öffentlichkeit. Für Deutschland stellt sich die Windkraft immer noch als die kostengünstigste Variante der Erneuerbaren Energien dar. Eine neue Studie des FRAUNHOFER-INSTITUTS FÜR WINDENERGIE UND ENERGIESYSTEMTECHNIK (IWES) zeigt, dass bei einer Nutzung von 2 % der gesamten deutschen Fläche für Windkraft eine installierte Windkraftleistung von 189 Gigawatt möglich wäre, auf der bei durchschnittlich 2.000 Volllaststunden ca. 390 Terrawattstunden Strom erzeugt werden könnten, also mehr als die Hälfte des derzeitigen Energiebedarfs490. Die nahe Zukunft bei den Erneuerbaren Energien in Deutschland gehört damit sicherlich der Windkraft, und nach neuesten Überlegungen neben den geplanten OffshoreWindparks auch dem Onshore-Bereich, da es sich um eine bewährte und kostengünstige Form der Energieerzeugung handelt491. Die Sicht auf die Betriebserfahrungen und später auf die Betriebskosten ist in diesem Beitrag die Perspektive eines Eigentümers oder Investors. Ein Windpark wird in Deutschland üblicherweise in der Gesellschaftsform einer Kommanditgesellschaft betrieben, auch eine GmbH ist nicht unüblich. Die Eigentümergesellschaft wird auch Betreibergesellschaft genannt. Von bewährter Technik wird in der Branche immer wieder gesprochen. Die Kinderkrankheiten seien überwunden, die Technik habe Fortschritte gemacht und das Management sei professioneller geworden492. Sicherlich ist das in großen Teilen richtig. Vieles ist besser als noch vor fünf oder zehn Jahren. Investoren werden aber immer wieder die Erfahrung machen, dass mit einer WEA ein Kraftwerk betrieben wird, das eine kontinuierliche Betreuung erfordert. Betriebserfahrungen mit Windparks aus den letzten zehn Jahren zeigen, dass die tägliche Praxis sehr abwechslungsreich ist, wobei auch eher nebensächlich erscheinende Dinge eine 490

J.-R. Zimmermann 2011, S. 38. Siehe hierzu auch die Ausführungen in Kapitel 3.1.3.

491

Ebenda, S. 37.

492

M. von Arnim 2011, S. E 3.

3.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten

233

Menge Arbeit machen, z.B. wenn einige Landwirte mit ihren Gerätschaften auf den von Windpark-Betreibern gepachteten Flächen bis an den äußersten Rand der Wegebefestigungen fahren und damit den Zufahrtsweg zur WEA jedes Jahr ein paar Zentimeter schmaler machen. Bei Bauarbeiten werden schon einmal Erdkabel der Windkraftanlagen beschädigt und so die WEA einige Zeit stillgelegt. Die Türme sind gelegentlich Ziel von „Graffitiveredelungen“, obwohl die WEA meist etwas abseits liegen und die „Kunstwerke“ kaum von jemandem gewürdigt werden können. Auf gepachteten Flächen für die Ausgleichmaßnahmen hat sich schon das eine oder andere Mal eine Mäuseplage entwickelt oder in einem heißen Sommer musste für solche Flächen für viele tausend Euro zur Rettung der angepflanzten Obstbäume eine zusätzliche Bewässerung organisiert werden. Auf der Technikseite gab es schon größere Herausforderungen. So haben neben naturgemäßen Verschleißerscheinungen diverser Bauteile und technischen Defekten auch konstruktionsbedingte Fehler zu hohen Ertragsausfällen geführt. Dazu zählten Risse und Aufplatzungen an den Rotorblättern, mangelhafter Blitzschutz, Getriebeschäden, Probleme bei der Ausrichtung des Antriebsstranges, Risse in den Maschinenträgern, Probleme mit den Batterien der Pitchantriebe im Winter, Frequenzumrichterprobleme, defekte Loop-Kabel im Turm oder Risse im Fundament. Die Liste der so genannten Kinderkrankheiten ist lang. Viele dieser Probleme wurden mittlerweile beseitigt oder zumindest auf ein erträgliches Maß reduziert. Die entstandenen Kosten haben zum einen die Hersteller im Rahmen ihrer Gewährleistungsvereinbarungen getragen, zum anderen die Betreiber und die Versicherungen. Spektakuläre Schäden, die auch durch die Presse gingen, wie z.B. Brände in der WEA oder größere Schäden an den Rotorblättern durch Blitzeinschlag waren in der Vergangenheit eher die Ausnahme und aufgrund der abgeschlossenen Versicherungsverträge zumeist ohne größeren finanziellen Einfluss auf die Betreibergesellschaften. Wirtschaftlich bedeutender ist es schon, wenn ein anderer Investor Jahre später einen neuen, viel höheren Windpark in Hauptwindrichtung vor dem eigenen Projekt errichtet und es zu Abschattungen und damit Ertragsverlusten kommt. Ein Recht auf Wind lässt sich eben nicht einklagen. Rechtstreite wegen angeblich zu Unrecht erteilter Baugenehmigungen können bei Erfolg für den Kläger ein ganzes Projekt in den Ruin treiben. Hinzu kommen vereinzelte Beschwerden von Anwohnern wegen Schall, Schattenwurf oder Eisabwurf, die je nach Sachlage auch schon einmal zu einer zeitweisen Leistungsreduzierung oder Abschaltung der WEA führen können. Die Weichen für den wirtschaftlichen Erfolg eines Windparks werden häufig schon zu Beginn des Projektes gestellt. Wenn ein Investor einen neuen Windpark kauft, ist es z.B. sinnvoll, die Errichtungsphase zu überwachen. Beim eigenen Hausbau werden ja auch „Zwischeninspektionen“ vorgenommen. Warum sollte dies bei einem Kraftwerk unterbleiben? Was sind schon Kosten von einigen tausend Euro, um zu prüfen, ob die Anlieferung der Bauteile und die anschließende Lagerung vor Ort ordnungsgemäß durchgeführt werden, um später etwa Schimmel im Turm zu vermeiden, die Herstellung des Fundamentes fachgerecht durchgeführt und dokumentiert wird, die Kabeltrasse auch dort gezogen wird, wo sie geplant wurde, um nur einige Beispiele zu nennen. Darüber hinaus sollte sich ein Investor fragen, ob bei der Planung alle Interessengruppen eingebunden wurden. Sind bei der eigenen Planung alle Investitionskosten und alle laufenden Kosten berücksichtigt worden? Verträgt die Pla-

234

3 Technische Rahmenbedingungen

nung auch mal ein oder zwei schwache Windjahre? Ist der Park technisch auf dem neuesten Stand? Falls ein Projekt von Anfang an gewisse Schwächen hat, kann dies eine Menge Arbeit vom technischen, kaufmännischen bis hin zum juristischen Bereich bedeuten. Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit dem laufenden Betrieb eines Windparks. Es soll gezeigt werden, welche wesentlichen Betriebskosten es gibt und beispielhaft welche Möglichkeiten der Einflussnahme der Betreiber hat. Zuvor werden noch Erfahrungen mit dem Windaufkommen und einigen Marktteilnehmern geschildert.

3.4.2

Allgemeine Betriebserfahrungen

3.4.2.1

Windaufkommen

Der wirtschaftliche Erfolg einer Investition in Windkraft ist im Wesentlichen vom Windaufkommen abhängig. Leider mussten in den letzten Jahren viele Investoren feststellen, dass das Windaufkommen nicht das gewünschte Maß erreichte und zu Mindereinnahmen führte. Mit den Windjahren 2009 und 2010 hat die Branche zwei sehr schwache Jahre in Folge erlebt. Beim Kauf eines Windparks wird mit Hilfe von Windgutachten oder Vergangenheitsdaten eine Prognose des Windaufkommens an einem spezifischen Standort erstellt. Stark vereinfacht dargestellt, wertet ein Gutachter zunächst verfügbare Wind-Daten eines Standortes aus493, berücksichtigt die Besonderheiten im Gelände vor Ort, betrachtet die Park-Konfiguration und berechnet daraufhin einen Prognosewert, der mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintrifft. Von dem errechneten Wert können dann noch eine angenommene NichtVerfügbarkeit und Leitungsverluste abgezogen werden, ergänzt durch einen Abschlag für eine gewisse Prognoseunsicherheit sowie einen allgemeinen Sicherheitsabschlag. Der so errechnete Wert wird für einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren als Prognosewert in kWh angesetzt. Multipliziert mit der entsprechenden Einspeisevergütung des Inbetriebnahmejahres gem. Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), wird die voraussichtliche Jahresvergütung in Euro berechnet. In den letzten zehn Jahren war das durchschnittliche Windaufkommen leider geringer als erwartet. Vielleicht waren einige Gutachten zu optimistisch494 und mit den verfügbaren Prognoseprogrammen kann auch heute die Ermittlung des Windertrages in komplexem Gelände sehr schwierig sein. Nicht die Fehlertoleranzen in Gutachten waren in den letzten Jahren im Allgemeinen das Problem, sondern dass das Windaufkommen insbesondere im Vergleich zu 493

Hier sind Vergangenheitsdaten von umliegenden Wetterstationen gemeint oder die Daten von bereits existierenden Windparks in der Nähe. Eine zuverlässige Quelle wäre auch eine längere Windmessung am geplanten Standort. Zu dem methodischen Vorgehen, den möglichen Unsicherheiten und Verbesserungsmöglichkeiten siehe die Ausführungen von Herbert Schwartz im Fachkapitel 3.3.

494

Für manche Standorte gab es vor dem Bau des Windparks verschiedene Gutachten, die zum gleichen Zeitpunkt erstellt wurden und zum Teil im zweistelligen Prozentpunktebereich in ihrer Einschätzung auseinander lagen.

3.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten

235

den 90er Jahren deutlich geringer geworden ist. Eine vom BUNDESVERBAND WINDENERGIE (BWE) veröffentliche Grafik veranschaulicht das durchschnittliche Windaufkommen in Deutschland in den Jahren 1993–2010.

Windjahr in % 120%

116% 111%

110%

110% 106% 103%

104%

102% 98%

100% 93% 90%

99%

98%

94%

88%

89% 90% 86%

86%

80% 74% 70%

60% 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

Abbildung 36:

Windjahre in Prozent zum langjährigen Mittel in Deutschland

495

Insbesondere die letzten zehn Windjahre waren deutlich unterdurchschnittlich, im Gegensatz zu den unmittelbaren davor liegenden Jahren. Der Wind ist sehr volatil und das Windaufkommen eines einzelnen Jahres ist nicht vorhersehbar. Auf ein schwaches Windjahr muss kein gutes Jahr folgen und umgekehrt. Die Wahrscheinlichkeit für ein zukünftiges gutes oder schwaches Windjahr ist gleich groß496.

3.4.2.2

Erfahrungen mit Marktteilnehmern

Energieversorger Die deutschen Energieversorgungsunternehmen (EVU) sind erst spät im positiven Sinne auf die Windkraft aufmerksam geworden. Lange Zeit mochten sie sich mit der Stromerzeugung aus Wind für ihr Portfolio nicht beschäftigen. Im Gegenteil, in ihrer Funktion als Netzbetreiber blockierten sie zum Teil hartnäckig die Entwicklung von Windparks. Es wurde nicht genug Netzkapazität zur Verfügung gestellt, Netzanschlüsse wurden verzögert oder die Ent495

Quelle: Bundesverband Windenergie: http://www.wind-energie.de/de/statistiken/, Zugriff: 27.04.2011.

496

Geyer, Joachim/Mengelkamp, Heinz-Theo: Fehlendes Windzehntel, Erneuerbare Energien, Ausgabe März 2011, S. 67.

236

3 Technische Rahmenbedingungen

wickler mussten zum Teil mit einem weit entfernten und damit teuren Netzanschluss vorlieb nehmen497. Aus Sicht der EVU mag argumentiert werden, dass die Sicherung des Netzes im Vordergrund steht und der Betrieb von Windkraftanlagen auch gewisse Probleme im Netz (Blindleistung etc.) mit sich bringt. Wenn aber politisch ein deutlicher Ausbau der Erneuerbaren Energien gewollt ist, dann gehört auch die Infrastruktur auf die Tagesordnung. In der Vergangenheit musste bei Streitigkeiten generell mit Nachdruck auf die gesetzlichen Ansprüche auf Herstellung des Netzanschlusses und Abnahme und Vergütung der erzeugten elektrischen Energie nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verwiesen oder gar mit rechtlichen Schritten gedroht werden, um das gewünschte Ziel zu erreichen. 2007 hat das Bundesumweltministerium eine Clearingstelle für das Erneuerbare-Energien-Gesetz eingerichtet, bei der solche Streitigkeiten und Anwenderfragen hinsichtlich des EEG geklärt werden sollen. Erst seit einigen Jahren hat sich die Interessenlage der EVU spürbar geändert. Nun treten sie auch als Käufer und Betreiber von Windparks auf. Dabei befinden sich nicht nur die großen vier Energieversorger Deutschlands auf dem Markt. Sehr viele Stadtwerke und örtliche Versorger interessieren sich mittlerweile für die Windkraft. Einige von Ihnen haben sich bereits an Windparks beteiligt oder ganze Projekte erworben. Auch die eigene Entwicklung von Windprojekten wird mittlerweile vorangetrieben. Mag es nun aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen sein, so ist mit den kleinen und großen in- und ausländischen Energieversorgern ein neuer aktiver Kreis von Marktteilnehmern auf der Investorenseite hinzugekommen. Investoren Im Laufe der Jahre hat sich die Art der Investoren bei Windkraftanlagen geändert. Waren es ursprünglich die Landwirte, die auf ihren Flächen die ersten kleinen WEA errichteten, folgten bald die ersten Bürgerwindparks, bei denen sich investitionswillige Anwohner oft mit kleinen Beträgen beteiligten und somit die Bereitstellung des Eigenkapitals für größere Projekte ermöglichten. Gegen Ende der 90er Jahre investierten die geschlossenen WindkraftFonds zum ersten Mal in signifikantem Maße. Nun konnten Projekte mit Anlagen der Megawattklasse in großem Umfang realisiert werden. Die hohe Nachfrage ließ einen Verkäufermarkt entstehen, auf dem die Projektentwickler Windparks teils mit auktionsähnlichen Verfahren verkauften konnten. Ab etwa 2004 ging nach schwachen Windjahren und nicht erfüllten Ertragsprognosen die Auflage von geschlossenen Windkraft-Fonds stark zurück. Zusätzlich wurden private Investoren durch Diskussionen über die Regelungen des EEG verunsichert. Hier wurde von bestimmten Lobbygruppen argumentiert, dass es sich bei dem EEG um eine Subvention handele und deswegen abgeschafft werden müsse. Die EUKommission stellte allerdings bereits im Mai 2001 das angestrengte Beihilfeverfahren ein498. Seit 2004 investierten vermehrt institutionelle Finanzanleger in die Windkraft. In den letzten 497

Auch heute wird noch über einen zügigeren Ausbau des Stromnetzes diskutiert. Vgl. hierzu das Positionspapier des Bundesverband Wind Energie e.V. (BWE e.V.) zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, Dezember 2010, S. 24. Dort wird z.B. vom BWE der Vorschlag gemacht, dass sich die Betreiber an dem Ausbau der Energienetze beteiligen.

498

Kellermann, Daniel: Ratgeber für Umwelt- und Erneuerbare Energien Beteiligungen, Ausgabe 2011/2012, S. 144 f. Siehe hierzu auch den Fachbeitrag von DR. WOLFRAM DISTLER, Fachkapitel 2.2.2.

3.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten

237

Jahren waren es dann auch Stadtwerke und Energieversorger, die zu den üblichen Investoren hinzukamen. Die Investoren kommen mittlerweile aus dem In- und Ausland und auch mit unterschiedlichen Motivationen. Die einen sehen die Investition rein aus Renditegesichtspunkten, Energieversorger wollen vielleicht ihren Stromeinkauf sichern bzw. einen bestimmten Anteil von grünem Strom in ihrem Portfolio haben, andere Investoren nutzen Steuer- und Abschreibungsanreize in ihren Heimatländern oder versuchen steuerliche Verluste im Unternehmensverbund zu nutzen. Wie am Ende einmal die Verteilung unter den Investoren aussehen mag, kann wohl zu diesem Zeitpunkt nicht vorhergesagt werden, doch gibt es Anzeichen dafür, dass die Energieversorger die Bedeutung der Windkraft nun viel höher einschätzen und in der Zukunft einen großen Marktanteil für sich beanspruchen könnten. Windkraftanlagenhersteller Die nachstehende Abbildung 37 gibt einen Überblick über die einzelnen Marktanteile von verschiedenen Herstellern in Deutschland in den letzten zwei Jahren. Anteile der WEA-Hersteller an der in den Jahren 2009 neu installierten Leistung

Anteile der WEA-Hersteller an der in den Jahren 2010 neu installierten Leistung

Enercon 60,4 %

Enercon 59,2 %

Vestas 19,5 %

Vestas 14,6 %

Repower Systems 8,8 %

Repower Systems 10,3 %

Fuhrländer 4,9 %

Nordex 4,5 %

Nordex 1,9 %

Bard 3,9 %

Multibrid 1,6 %

Siemens Wind Power 3,9 %

GE Energy 1,2 %

e.n.o. energy 1,0 %

Sonstige 1,9 % Basis 1.918,8 MW

Abbildung 37:

Marktanteile der WEA-Hersteller in Deutschland in 2009 und 2010

Sonstige 2,6 % Basis 1.551,03 MW

499

Nachdem sich in den Anfangsjahren der Branche kleine und mittelständische Unternehmen dem Bau von Windkraftanlagen gewidmet haben, sind mittlerweile große Konzerne wie SIEMENS und GENERAL ELECTRIC hinzugekommen, auch wenn sie in Deutschland noch nicht die vordersten Plätze bei den Marktanteilen erreichen konnten. Die Firma ENERCON, ein ehemals kleineres Unternehmen aus Aurich, dass mittlerweile viele tausend Mitarbeiter beschäftigt, sichert sich seit vielen Jahren in Deutschland die Marktführerschaft, aktuell mit einem Marktanteil von 60 %. Auf den Plätzen zwei und drei folgen in großem Abstand der Weltmarktführer VESTAS und REPOWER SYSTEMS, wie die obige Abbildung 37 zeigt. Mancher Betreiber war nicht immer gut auf den Hersteller seiner Anlagen zu sprechen. So gab es in den letzten zehn Jahren neben diversen technischen Problemen auch Kommunikationsdefizite zwischen Betreibern und Herstellern und eine unterschiedliche Auslegung des Vertragswerks. Zur Klärung von Differenzen waren manchmal aufwändige Beweisverfahren 499

Quelle: Molly, J. P.; DEWI-Studie: Status der Windenergienutzung in Deutschland – Stand 31.12.2010.

238

3 Technische Rahmenbedingungen

notwendig. Viele Betreiber sind aber auch mit ihrem Hersteller und dem erworbenen Anlagentyp zufrieden. Da, wo es Reibungspunkte gab, ist es wichtig, aus der Vergangenheit zu lernen, gegenseitig einen offenen Informationsstil zu pflegen und so die Technik gemeinsam weiter zu entwickeln, um die Kraftwerke immer zuverlässiger zu machen. Die meisten Anlagenhersteller bieten für ihre Windkraftanlagen auch die Wartung und Reparatur an. Die Servicequalität der Hersteller wird von den Betreibern durchaus differenziert gesehen. Ergebnisse von Umfragen bei Betreibern werden beispielsweise regelmäßig in der Zeitschrift „Neue Energie“ vom BUNDESVERBAND WINDENERGIE (BWE) veröffentlicht. Lange Zeit boten sich unzufriedenen Betreibern keine wirklichen Alternativen zu den Serviceangeboten der Hersteller. Mittlerweile gibt es eine wachsende Anzahl von unabhängigen Dienstleistern und die Entwicklung schreitet schnell voran. So werden von den freien Serviceunternehmen für einige Anlagentypen sogar schon Vollwartungskonzepte angeboten, die bisher nur von den Anlagenherstellern offeriert wurden. Das Entstehen von Wettbewerb kann sich nur belebend auf die Leistungen und die Preise auswirken. Banken Zur Finanzierung von Windkraftprojekten war und ist neben dem Eigenkapital in der Regel eine Fremdfinanzierung unerlässlich. Hierbei gibt es zwar verschiedene Formen, sehr häufig wurden dabei aber die Fördermittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau genutzt. Wichtig für den laufenden Betrieb ist aber nicht nur, welche Konditionen erzielt werden können, sondern auch, wie sich das Verhältnis zwischen Bank und Betreiber gestaltet. Da die Banken bei Windkraftprojekten regelmäßig die Finanzierung ausschließlich auf das Projekt abstellen, ist das Bedürfnis nach umfassenden Sicherheiten sehr groß. So lassen sich die Banken z.B. die Windkraftanlagen übereignen und sich alle Erlöse, Versicherungserstattungen und wichtigen Verträge abtreten, bestehen auf den Eintrag von vorformulierten Dienstbarkeits- und Vormerkungstexten und sichern sich den Zugriff auf die Konten der Betreibergesellschaften. Zu Beginn des Jahres 2010 kam es gerade zu Verstimmungen zwischen einigen Betreibern und deren Banken, weil Windparkbetreiber ohne Erlaubnis bzw. Kenntnis ihrer Bank die Vermarktung ihres erzeugten Stroms mit einem Stromhändler oder Energieversorger selbst in die Hand genommen haben und damit zumindest zeitweise auf eine Vergütung gem. EEG verzichtet haben. Mag es volkswirtschaftlich als positiv zu bewerten sein, dass Betreiber sich selbst um die Stromvermarktung kümmern und mittelfristig keine gesicherte Einspeisevergütung über das EEG mehr benötigen, so ist die Nichtvergütung nach EEG mit der finanzierenden Bank abzustimmen, da ja die Sicherheitenposition der Banken und letztendlich auch die Sicherheit der Betreiber beeinträchtigt werden. Denn für beide Parteien hat Priorität, dass eine Rückkehr zur Vergütung nach EEG jederzeit möglich ist und auch die Bonität der Vertragspartner und die Gestaltung des Vertragswerkes bedürfen einer genauen Prüfung. Auf der anderen Seite ist das Geschäft mit dem Wind sehr volatil. Die Erträge schwanken oft stark und blieben zudem in den letzten Jahren meist hinter den Erwartungen zurück. Nicht wenige Windkraft-Gesellschaften sind mittlerweile in eine finanzielle Schieflage geraten. Während auf der einen Seite ein 10 % höherer Ertrag in den Jahren der Finanzierung durch-

3.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten

239

aus eine geplante Ausschüttung oder Dividende verdoppeln kann, führt ein 10 % unterdurchschnittliches Windjahr zu einem entsprechenden Kapitalverlust, der fortgeführt über einige Jahre und gepaart mit erhöhten Betriebskosten in die Illiquidität führen kann. Erstes deutliches Warnsignal für eine solche Entwicklung ist das Unterschreiten der vereinbarten Schuldendienstreserve (SDR) oder auch Mindestreserve genannt. Im Darlehensvertrag wird unter anderem vereinbart, dass die Betreibergesellschaft eine Schuldendienstreserve („SDR“) vorhalten muss, um den nächsten Kapitaldienst zu sichern. In der Regel beträgt die SDR einen Prozentsatz vom jährlichen Kapitaldienst, z.B. 50 %. Diese Reserve ist üblicherweise auf einem Konto zu hinterlegen, das der Bank verpfändet wird und über das die Betreibergesellschaft nur nach Zustimmung durch die Bank verfügen darf. Wenn also die darüber hinausgehenden finanziellen Mittel des Darlehensnehmers ausgeschöpft sind und weiterer Liquiditätsbedarf besteht, muss eine Genehmigung der Bank eingeholt werden, um auf die SDR zuzugreifen. Sobald diese vereinbarte Mindestreserve unterschritten wird, befindet sich der Darlehensnehmer in einer neuen Situation. Er verletzt die Rahmenbedingungen des Vertrages und der Darlehensgeber kann grundsätzlich den Vertrag kündigen. Üblicherweise wird die Bank von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen. Der Darlehensnehmer beantragt zumeist, dass die Bank auf ihr Kündigungsrecht verzichtet (Beantragung eines sog. Waivers) und darf mit Zustimmung der Bank über die Mindestreserve verfügen. Der Waiver ist meist mit zusätzlichen Auflagen und zum Teil auch mit Kosten verbunden. Reichte es vorher häufig, nur die monatlichen Stromerlöse zu melden und die Jahresbilanz einzureichen, wird der Wunsch der Banken nach betriebswirtschaftlichen Auswertungen umfassender bis hin zu einer monatsgenauen Planrechnung, um rechtzeitig einer möglichen Insolvenz vorbeugen zu können. Neben einem intensiveren Berichtswesen darf der Darlehensnehmer bis zur Auffüllung der SDR keine Kapitalrückführungen bzw. Ausschüttungen oder Dividenden vornehmen. Des Weiteren werden mit der Bank Analysen vorgenommen und konsolidierende Maßnahmen besprochen. Es ist zu klären, ob es sich nur um eine kurzfristige Unterschreitung der Mindestreserve handelt oder ob möglicherweise ein ernstzunehmendes Problem vorliegt. In einem solchen Fall ist der Kreditnehmer häufig auf die finanzierende Bank angewiesen. Werden Windparks von vielen Privatpersonen in Form einer Kommanditgesellschaft gehalten, ist eine Aufstockung des Eigenkapitals oft sehr schwierig. Meist wird mit den Banken über eine Tilgungsstreckung, einen Überziehungsrahmen oder eine Umfinanzierung verhandelt, je nach Zukunftsprognose. Darüber hinaus fordern Banken – wenn möglich – weitere Sicherheiten, wie zusätzliche Garantien oder eine Querbesicherung durch andere Windparks der gleichen Eigentümer, die beim gleichen Kreditinstitut finanziert wurden. Im Extremfall kann auch ein Verkauf des Windparks eine sinnvolle Lösung sein. Sobald aber institutionelle Investoren Eigentümer der Windparks sind, fordern die Banken verstärkt, zumindest als begleitende Maßnahmen zum Beitrag der Bank, eine Eigenkapitalerhöhung oder ein zusätzliches nachrangiges Gesellschafterdarlehen. Einen Streitpunkt zwischen Betreiber und Bank gibt es manchmal hinsichtlich der Frage, wann die Mindestreserve unterschritten werden darf. Der restriktivste Ansatz dabei war bisher, dass die SDR nur zur Bedienung des Kapitaldienstes genutzt werden darf und danach sofort wieder aufzufüllen ist. Zum Teil untersagten Banken die Auszahlung von notwendigen

240

3 Technische Rahmenbedingungen

Betriebsmitteln, etwa die Begleichung von Wartungs- und Instandsetzungsrechnungen. Diese Sichtweise ist deutlich zu kurz gegriffen. Werden laufende Rechnungen nicht bezahlt, besteht die Gefahr, dass die entsprechenden Verträge gekündigt werden, was z.B. bei den Pachtverträgen zu einem Wegfall der Betriebsgrundlage führen würde. Alternativ könnten die Dienstleister auf Vorkasse bestehen und letztendlich auch einen Insolvenzantrag stellen. Sinnvollerweise ist zwischen Betreiber und Bank eine Reihenfolge festzulegen, welche Zahlungen trotz Unterschreitung der Mindestreserve vorgenommen werden dürfen, die wie folgt aussehen könnte: Tabelle 16:

Beispiel für eine Reihenfolge von Auszahlungspositionen

500

1. Laufende Betriebskosten und Steuern 2. Instandhaltungskosten und Reparaturen 3. Zinsen und Avalprovisionen gemäß der Darlehensvereinbarung 4. Tilgungen gemäß der Darlehensvereinbarung 5. Ansparung der Mindestliquidität/SDR gemäß Darlehensvereinbarung 6. Ansparung Avaldeckung gemäß Darlehensvereinbarung 7. Zinsen auf Gesellschafterdarlehen oder anderer Fremddarlehen 8. Tilgungen auf Gesellschafterdarlehen oder anderer Fremddarlehen 9. Sonstige Zahlungen und Ausschüttungen/Dividenden

Eine unerfreuliche Erfahrung mussten einige Betreiber im Zusammenhang der Erlangung des Systemdienstleistungs-Bonus in 2010 machen. Am 11. Juli 2009 ist die am 27. Mai 2009 durch das Bundeskabinett beschlossene Verordnung zu Systemdienstleistungen durch Windenergieanlagen (SYSTEMDIENSTLEISTUNGSVERORDNUNG – SDLWINDV) in Kraft getreten, mit dem Ziel, die Sicherheit und Stabilität der Stromnetze auch bei stark steigenden Anteilen von Windenergiestrom zu gewährleisten und zu erhöhen, um somit auch die Voraussetzung für den weiteren Ausbau der Windenergie zu schaffen. Hierfür sind in der Systemdienstleistungsverordnung die künftigen technischen Anforderungen an die Spannungs- und Frequenzhaltung für Windenergieanlagen geregelt. Gemäß § 5 der Systemdienstleistungsverordnung haben Betreiber von WEA, die nach dem 31.12.2001 und vor dem 01.01.2009 in Betrieb genommen wurden, den Anspruch auf einen so genannten Systemdienstleistungs-Bonus (SDL-Bonus) nach § 66 Absatz 1 Nummer 6 EEG. Voraussetzung für den Erhalt des SDL-Bonus ist allerdings, dass der Betreiber von WEA vor dem 01.01.2011 die in Anlage 3 der SDLWindV festgelegten Anforderungen hinsichtlich der Netzanbindung nachweislich erfüllt. Hierfür sind entsprechende Nachrüstungen an der WEA selbst als auch an der Peripherie und dem Netzverknüpfungspunkt erforderlich, deren Funktionsfähigkeit sowohl einzeln als auch in der Gesamtbetrachtung als System mittels einschlägiger Zertifikate und entsprechender Gutachten durch einen Sachverständigen nachgewiesen werden müssen.

500

Eigene Zusammenstellung des Autors.

3.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten

241

Als wirtschaftlichen Anreiz und Gegenleistung für die notwendigen Investitionskosten wird dem Betreiber für die oben genannten WEA eine Zusatzvergütung von 0,7 Cent pro vom EVU vergüteter Kilowattstunde (kWh) für einen Zeitraum von 5 Jahren ab Datum der Einreichung des Nachweises der technischen Leistungsfähigkeit durch einen unabhängigen Sachverständigen beim Netzbetreiber gewährt. Je nach Anlagentyp (notwendige Höhe der Investitionskosten) und Standort (Windertrag) lässt sich eine interessante Verzinsung der Investition erzielen. Diese zusätzliche Liquidität über die nächsten fünf Jahre würde bei vielen Gesellschaften zu einer Verbesserung oder Konsolidierung der wirtschaftlichen Lage beitragen. Notwendig war wegen der leeren Kassen der Windkraftgesellschaften aber häufig eine zusätzliche Finanzierung des derzeitigen Darlehensgebers. Aufgrund der Sicherheitenstruktur kam eine andere als die bisher finanzierende Bank dafür nicht in Frage. Trotz zum Teil sehr positiver Prognosen lehnten Banken bei einigen Projekten eine weitere Finanzierung ab. Es wurde beispielsweise argumentiert, das Projekt sei zu klein und der Aufwand nicht gerechtfertigt. Teils wurde eine solche Finanzierung grundsätzlich abgelehnt und es ist sogar vorgekommen, dass eine Ablehnung erfolgte, weil die SDR hätte angetastet werden müssen, ohne dass ein zusätzliches Darlehen notwendig gewesen wäre. Aus wirtschaftlicher Sicht ist ein solches Verhalten oft nicht nachvollziehbar. Versicherer Neben den Betreibern haben auch die Versicherungsgesellschaften die Erfahrung gemacht, dass Kosten und Risiken sich nicht immer so entwickelten wie geplant. So wurden in Deutschland im Jahr 2002 rd. 40 Mio. EUR an Schadenzahlungen geleistet. Mit 61 Mio. EUR Schadensumme in 2008 wurde der bisherige Höhepunkt erreicht501. Um den ausufernden Schäden vorzubeugen, führten die Versicherer ab 2003 sog. Revisionsklauseln ein, die besagten, dass Bauteile nach fünf Betriebsjahren oder 40.000 Betriebsstunden ausgetauscht werden müssten, unabhängig vom jeweiligen Zustand dieser Bauteile502. Inzwischen sind diese strengen Revisionsklauseln gelockert oder völlig aufgehoben worden. Der BUNDESVERBAND WINDENERGIE hatte sich noch 2003 mit der GOTHAER VERSICHERUNG über eine zustandsorientierte Instandhaltung geeinigt, die eine regelmäßige Inspektion der WEA vorsieht, um möglichst einen Überblick über die Restlaufzeit bestimmter Bauteile zu bekommen503. Durch den Einsatz von Condition Monitoring Systemen (CMS) kann bei fast allen Versicherungen eine Streckung der Inspektionsintervalle erreicht werden, da ja dann eine Permanentüberwachung für den Antriebsstrang vorhanden ist. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Abschreibungssätze für versicherungsvertraglich benannte Bauteile bei CMS-Einsatz reduziert wurden, so dass eine eventuelle Erstattung höher ausfällt. Kontrovers diskutiert wurde dann aber wieder, ob ein im CMS sich abbildendes Ereignis noch als nicht vorhersehbares definiert werden kann. Insofern scheute ein Teil der Betreiber den Einbau eines solchen Systems. 501

C. de Barros Costa 2010, S. 49. Siehe hierzu auch die Ausführungen von Dr. Thomas Kottke (Kapitel 4.1).

502

Ebenda.

503

Ebenda, S. 50.

242

3 Technische Rahmenbedingungen

Aufgrund der hohen Schadenzahlungen haben sich viele Versicherer in Deutschland aus dem Windkraftmarkt zurückgezogen. Die verbliebenen aber beschäftigen sich intensiv mit der Windkrafttechnik.

3.4.3

Übersicht Betriebskosten

Mit Betriebskosten wird üblicherweise der Werteverzehr bezeichnet, der mit der Aufrechterhaltung des operativen Geschäftsbetriebes eines Unternehmens verbunden ist504. Neben dem wertmäßigen Kostenbegriff wird in der Literatur auch gesprochen vom pagatorischen Kostenbegriff und dem Kostenbegriff der pragmatischen Vernunft505. Allerdings herrscht in der Betriebswirtschaft bis heute keine Einigkeit darüber, wie der Kostenbegriff einheitlich zu definieren ist506. Ziel ist es, einen Überblick über die laufenden Betriebskosten eines Windparks zu gewinnen. Hiervon sind die Kapitalkosten per Definition ausgenommen.

3.4.3.1

Nutzungsentgelte

Voraussetzung für den Betrieb einer WEA ist es, ein Grundstück nutzen zu können. Dieses gehört dem WEA-Betreiber entweder selbst oder er kann es käuflich erwerben, meist wird es aber gepachtet. Hierfür ist ein Pacht- oder Nutzungsvertrag abzuschließen. Im Nutzungsvertrag wird geregelt, was auf dem Grundstück verbaut und wie es genutzt werden darf. Hierzu gehört zunächst das Recht, eine WEA sowie die notwendigen Nebenanlagen auf dem Pachtgrundstück zu errichten. Zu den Nebenanlagen zählen die Kabelnetze zum Transport der elektrischen Energie, der Bau von Transformationsstationen sowie Wege- und Kranstellflächen rund um die WEA. Weitere Regelungen können z.B. hinsichtlich der Zulässigkeit von Mobilfunkantennen und das zusätzliche Pachten von Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sein507. Für die Pachtdauer wird regelmäßig ein Zeitraum von 20 Jahren mit Verlängerungsoptionen vereinbart. Der Betreiber muss darauf achten, dass nach dem Rückbau der WEA keine Pachtzahlungen mehr anfallen, etwa durch eine vereinbarte Mindestpacht, die nicht automatisch mit dem Rückbau endet. Für den Verpächter sind noch andere Dinge wichtig, wie der genaue Standort der WEA, die Art und Höhe der WEA, die weitere Nutzbarkeit der verpachteten Flächen und natürlich die Vergütung. Für die Vergütung des Nutzungsrechtes gibt es verschiedene Modelle, die in Verhandlungen zwischen Projektentwickler und den Grundstückseigentümern festgelegt werden. Vergütet werden grundsätzlich die WEA-Standorte, die Zuwegungen und die Kabeltrassen. Häufig erhalten die Verpächter eine prozentuale Vergütung der erzielten Einspeiseerlöse verbunden 504

E. Schmalenbach 1963, S. 6.

505

G. Wöhe 2010, S. 926 f.

506

Ebenda, S. 926.

507

Sächsisches Staatsministerium für Umwelt- und Landwirtschaft (SMUL) 2003, S. 14.

3.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten

243

mit einer vereinbarten Mindestvergütung. Auch eine feste Pacht ist nicht unüblich. Möglich ist auch eine Pachtaufteilung nach Quadratmetern oder anderen festzulegenden Verteilungsschlüsseln. Die Bandbreite der Pachthöhe ist groß. So wurden in den Anfangsjahren der Windkraft eher Pachten zwischen 2–5 % des Jahresertrages gezahlt, heute scheinen es eher 5–10 % zu sein. Stehen die Windvorrangflächen einmal fest, findet zum Teil eine Art „Versteigerung“ der Pachtflächen an verschiedene interessierte Projektentwickler statt. Ob letztendlich der Projektentwickler mit dem höchsten Preisangebot auch für die beste Realisierung eines Windparks steht, sei dahin gestellt. Zu hohe Pachtforderungen können gerade in windschwächeren Gegenden die Wirtschaftlichkeit eines Projektes stark beeinflussen. Eine wichtige Vereinbarung in den Nutzungsverträgen ist, dass der WEA-Betreiber die Rückbaukosten am Ende der Betriebszeit für die WEA übernimmt. Da sich ein Verpächter nicht sicher sein kann, dass der Betreiber am Ende der Betriebszeit noch die finanziellen Mittel hat, um den Park zurück zu bauen, wird regelmäßig vom Betreiber eine Bankbürgschaft verlangt. Die hierfür anfallenden Avalkosten der Bank und die Rückbaukosten sind in der Kalkulation zu berücksichtigen. Die Höhe der Bankbürgschaften liegen in der Megawattklasse bei ca. 40.000–50.000 € pro WEA. Hier werden auch Gutachten über die voraussichtlichen Rückbaukosten eingeholt, um eine unabhängige Grundlage für die Höhe der Bankbürgschaft zu erhalten. Natürlich ist neben der Stellung einer Bankbürgschaft auch die Einzahlung des Rückbaubetrages auf ein Treuhandkonto möglich. Für den Betreiber ist dies aber gerade zu Beginn einer Investition eine hohe finanzielle Belastung. Zur Pacht zählen auch die Kosten aus den städtebaulichen Verträgen, die mit der Gemeinde vor Ort abgeschlossen werden. Der Betreiber übernimmt damit Kosten, die der Gemeinde im Zusammenhang mit der Errichtung oder des Betriebs der WEA anfallen, wie Bereitstellung von Grundstücken, Überfahrrechte von Straßen, Wegen, etc. Im Gegenzug leistet der Betreiber einen Einmalbetrag oder eine jährliche Zahlung.

3.4.3.2

Instandhaltung

Unter Instandhaltung ist die Kombination aller technischen und administrativen Maßnahmen zu verstehen, um den funktionsfähigen Zustand oder die Rückführung in diesen über die Dauer des Lebenszyklus einer Betrachtungseinheit508 zu erhalten, so dass die geforderte Funktion erfüllt werden kann509. Die Instandhaltung kann in die Bestandteile Wartung, Instandsetzung, Inspektion und Verbesserung unterteilt werden510 (Abbildung 38). Im Folgenden soll auf die einzelnen Unterpunkte der Instandhaltung eingegangen werden. Dieses Grundlagenwissen dient dazu, eine realistische Kostenplanung für eine WEA zu erstellen. 508

Unter Betrachtungseinheit ist gem. DIN 31051:2003-06 Grundlagen der Instandhaltung, S. 3 jedes Teil, Bauelement, Gerät, Teilsystem, jede Funktionseinheit, jedes Betriebsmittel oder System, das für sich allein betrachtet werden kann, zu verstehen.

509

DIN 31051:2003-06: Grundlagen der Instandhaltung, S. 3.

510

Ebenda, S. 2; vgl. auch dazu die DIN EN 13306:2001-09.

244

3 Technische Rahmenbedingungen

Instandhaltung

Wartung Abbildung 38:

Instandsetzung

Inspektion

Verbesserung

511

Bestandteile der Instandhaltung

Wartung Unter Wartung werden Maßnahmen verstanden, die zur Verzögerung des Abbaus des vorhandenen Abnutzungsvorrates der Betrachtungseinheit beitragen512. Vergleichbar mit einem Auto ist es bei einer WEA notwendig, in regelmäßigen Abständen die Funktionsfähigkeit und Sicherheit der verschiedenen Komponenten zu prüfen. Arten von Wartungsverträgen Vollwartungsverträge Bei einem Vollwartungsvertrag handelt es sich genau genommen um eine Kombination eines Wartungs- und Instandsetzungskonzeptes, d.h. neben der regelmäßigen Wartung wird auch die notwendige Instandsetzung vorgenommen und das für alle Komponenten der Windkraftanlage. Der Betreiber hat hier eine hohe Planungssicherheit in Bezug auf seine Kosten, indem er für alle Aufwendungen einen vereinbarten Betrag bezahlt. Da alle Reparaturen außer den in Folge von äußeren Einwirkungen wie z.B. Blitzschlag hervorgerufenen Schäden in einem Vollwartungsvertrag enthalten sind, hat dies auch eine vergünstigende Wirkung auf die Versicherungskosten. Vollwartungsverträge gibt es bei unterschiedlichen Herstellern und in verschiedenen Ausprägungen. Nicht immer sind neben den Wartungskosten auch alle Instandsetzungskosten enthalten. Hier gilt es genau zu prüfen, ob bestimmte Komponenten nicht ausgeschlossen werden oder ob es für die Instandsetzung bestimmte Höchstgrenzen gibt. Insofern sind gegebenenfalls ein zusätzlicher Versicherungsumfang und zusätzliche Reparaturrücklagen zu planen. Da ein Vollwartungskonzept nur die WEA selbst betrifft, verbleiben aber noch weitere mögliche Kosten, die zu berücksichtigen sind. Auch ist zu prüfen, welche Kosten bei Ablauf eines Vollwartungsvertrages anfallen könnten, entweder für die Verlängerung eines solchen Vertrages oder für die Umstellung auf einen normalen Wartungsvertrag. Insbesondere der Zustand der einzelnen Komponenten zum Ablauf des Vollwartungsvertrages ist meist nicht geregelt. 511

Quelle: DIN 31051:2003-06: Grundlagen der Instandhaltung, S. 2; eigene grafische Darstellung.

512

DIN 31051:2003-06: Grundlagen der Instandhaltung, S. 3.

3.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten

245

Normale Wartungsverträge Normale Wartungsverträge umfassen nur die regelmäßige Wartung der WEA. Hier kann durchaus vereinbart sein, dass Kleinreparaturen im Leistungspaket des Dienstleisters enthalten sind, generell ist jedoch gemeint, dass Instandsetzungsmaßnahmen separat durchgeführt und vergütet werden müssen. Die Wartung wird im Allgemeinen zumindest in einem Abstand von sechs Monaten von ausgebildetem Fachpersonal durchgeführt. Der Leistungsumfang einer Wartung ist bei Vertragsabschluss in einem Wartungspflichtenheft zu dokumentieren. Der angebotene Umfang kann je nach Hersteller und Dienstleistungsunternehmen unterschiedlich sein. Meist wird ein Standardwartungsvertrag angeboten, der gegen Aufpreis erweitert werden kann. Umfang und Bedürfnisse regeln sich nach Anlagentyp, Wartungsangebot am Markt und letztendlich den Anforderungen des Betreibers, die in dem Ziel münden, eine hohe Verfügbarkeit bei geringen Instandsetzungskosten zu erreichen. Wartungsumfang Im Folgenden soll der Wartungsumfang einer WEA und die Möglichkeiten wie dieser mit einem oder mehreren verschiedenen Wartungsverträgen abgedeckt werden kann, schematisch aufgezeigt werden. Hauptwartungsvertrag Der Hauptwartungsvertrag sollte die wesentlichen Systemkomponenten umfassen, die im Folgenden beispielhaft mit einigen Unterkomponenten dargestellt sind. Tabelle 17:

513

Auflistung ausgewählter Wartungsbestandteile einer Windkraftanlage

Systemkomponente Fundament und Außenbereich Hauptschrank Niederspannungshauptverteiler Turm Sicherheit Maschinenhaus Öl und Fette Frequenzumrichter Antriebstrang Rotorblätter/Nabe

Beispiel Unterkomponenten Beschichtung Filter, Schattenwurfmodul, Leistungsschütz Leistungsschalter Turmflanschverbindungen, Ankerbolzen Leiter, Aufstiegshilfe, Aufzüge Eissensorik, Azimutsystem, Gefahrenfeuer, Temperatur-/Windmessung Hauptlager, Generator, Pitchlager, Azimutlager, Azimutkranz, Getriebe, Hydraulik, Pitchsystem Phasenmodule Getriebe, Bremssystem, Kupplung, Generator, Schleifringübertrager, Kohlebürsten Pitchsystem, Batterietest

Der Wartungsumfang einer WEA erstreckt sich wie in obiger Tabelle dargestellt vom Fundament bis zur Turm- bzw. Blattspitze. Alle Bauteile und Systeme müssen im Wartungspflichtenheft genannt werden. Windkraftanlagen-Hersteller und unabhängige Dienstleister bieten umfangreiche Wartungspakete für verschiedene Anlagentypen an. Dies ist der Haupt513

Eigene Auflistung des Autors.

246

3 Technische Rahmenbedingungen

wartungsvertrag und das durchführende Unternehmen wird das Hauptwartungsunternehmen genannt. Darüber hinaus kann der Betreiber sich für zusätzliche Wartungspakete entscheiden, die er bei dem Hauptwartungsunternehmen oder einem freien Dienstleister in Auftrag gibt. Dies ist mit einer Kosten-/Nutzenanalyse festzulegen. Werden verschiedene Unternehmen mit Wartungsarbeiten beauftragt, kommt es zu einem gewissen Abstimmungsbedarf. Rotorblattwartung Ein zusätzlicher Wartungsvertrag kann für Rotorblattwartungen abgeschlossen werden. In der Regel übernehmen der Hersteller/Hauptdienstleister diese Arbeiten nicht selbst, sondern vergeben diese Arbeiten an darauf spezialisierte Unternehmen. Hier ist es möglicherweise für einen Betreiber sinnvoll und auch günstiger, selbst ein Rotorblattserviceunternehmen zu beauftragen, nicht zuletzt weil die vertraglichen Leistungen individuell und entsprechend den Betreiberanforderungen vereinbart werden können. Wird dies für ein gesamtes Windparkportfolio getan, ergeben sich regelmäßig Preisvorteile, allerdings auch ein erhöhter Koordinationsaufwand. Wartung der Transformatorstationen Transformatorstationen gehören abgesehen von wenigen WEA-Typen, bei denen der Niederspannungs-Mittelspannungstransformator (NS-MS-Transformator) in der Gondel untergebracht ist, nicht zur WEA selbst. Hier müssen Wartungen meist separat beauftragt werden, weil sie im Standardwartungsvertrag nicht enthalten sind. Die Transformatorwartungen bestehen aus verschiedenen Funktionstests, dem Austausch von Verschleißteilen und der regelmäßigen Reinigung von Staub und Verschmutzungen. Die Arbeiten sollten alle zwei Jahre, bei starker Verschmutzung öfter durchgeführt werden. Dies können der Hersteller, das Hauptwartungsunternehmen, ein Energieversorger oder ein örtlicher Fachbetrieb übernehmen. Wartung eines Umspannwerkes Die Wartung des Umspannwerks wird meist vom örtlichen Energieversorger übernommen. Sollte der Windparkbetreiber aber ein eigenes Umspannwerk betreiben oder mit anderen Betreibern an einem beteiligt sein, sind die Wartungs- und laufenden Betriebskosten ebenfalls in den Kosten zu berücksichtigen. Wartung zusätzlich eingebauter Komponenten Aufgrund von behördlichen Auflagen, Forderungen der Versicherung oder einfach aus Optimierungsversuchen des Betreibers werden in den WEA häufig zusätzliche Komponenten eingebaut, die nicht von einem Standardwartungsvertrag erfasst sind. Dies kann z.B. ein Condition Monitoring System, eine spezielle Eissensorik, eine Rotorblattüberwachung oder eine Rotorblattheizung sein. Bei der Investitionsentscheidung sind für solche Komponenten auch immer mögliche laufende Wartungs- und Instandsetzungskosten oder Auswertungskosten zu berücksichtigen. Wartung Peripherie Nicht vergessen werden sollte neben der WEA und den technischen Komponenten auch die Peripherie eines Windparks. Die Wege und Kranstellflächen müssen zu jeder Zeit den uneingeschränkten Einsatz von Transporttechnik und schweren Kränen ermöglichen, die für Reparaturen an Getrieben, Rotorblätter etc. notwendig sind. Im Winter sollte für diese Flächen ein

3.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten

247

Schneeräumdienst organisiert werden. Für die Windpark-Verkabelung ist es sinnvoll, alle vier Jahre eine Isolationsmessung vorzunehmen. Kosten der Wartung Um die Wartungskosten zu kalkulieren, müssen folgende Kostenbestanteile berücksichtigt werden: • • • • • •

Wartung der WEA (Hauptwartungsvertrag), Rotorblattwartung, Wartung Transformatorstation, Wartung Umspannwerk, Wartung zusätzlich eingebauter Komponenten und Wartung Peripherie.

Inspektion Eine Inspektion umfasst Maßnahmen zur Feststellung und Beurteilung des Ist-Zustands einer Betrachtungseinheit, einschließlich der Bestimmung der Ursache der Abnutzung514 und dem Ableiten der notwendigen Konsequenzen für eine künftige Nutzung515. Zu einer regelmäßigen Inspektion der WEA inkl. Peripherie gehören neben der Überprüfung durch den technischen Betriebsführer auch die in der Windbranche geläufigen Sachverständigengutachten. Diese Gutachten sollen so erstellt werden, dass der aktuelle technische Zustand einer WEA eindeutig mit nachvollziehbaren Kriterien wie anerkannten Normen und Richtlinien beschrieben wird und eine Aussage darüber getroffen werden kann, ob die vorgefundenen Zustände einen Mangel darstellen oder nicht516. Eine solche Aussage ist insbesondere in der Diskussion mit den Herstellern der WEA zum Beispiel zum Ende der Gewährleistung von Bedeutung. Entscheidet doch eine solche Einschätzung häufig darüber, ob der Hersteller einen festgestellten Mangel zu vertreten hat oder es sich vielmehr um einen betriebsbedingten Verschleiß handelt, dessen Kosten vom Betreiber zu tragen sind. Die Sachverständigengutachten werden zudem von den finanzierenden Banken, den Versicherungen sowie Behörden grundsätzlich vorgeschrieben. Zum Teil wird dabei auch ein Mindeststandard definiert. Meist werden die Inspektionen im Abstand von ein oder zwei Jahren durchgeführt. Als Ergebnis erhält der Betreiber ein Gutachten mit einer detaillierten Darstellung des technischen Zustands der WEA und entsprechenden Handlungsempfehlungen hinsichtlich notwendiger und sinnvoller Instandsetzungsmaßnahmen. Die Gutachten sind je nach Vereinbarung an die Banken, Versicherungen und Behörden weiterzuleiten oder auf Anfrage vorzulegen. Darüber hinaus erwarten die genannten Parteien natürlich, dass den wesentlichen Empfehlungen aus den Gutachten zeitnah nachgekommen wird. 514

Unter Abbau des Abnutzungsvorrats werden gem. DIN 31051:2003-06: Grundlagen der Instandhaltung, S. 5, Vorgänge verstanden, die durch chemische und/oder physikalische Vorgänge wie Reibung, Korrosion, Ermüdung, Alterung, Kavitation usw. hervorgerufen werden.

515

DIN 31051:2003-06: Grundlagen der Instandhaltung, S. 3.

516

Vgl. Leitfaden des Betriebsführerbeirats im Bundesverband WindEnergie: „Anforderungen an Gutachter und Sachverständige“, verabschiedet am 29.01.2008, S. 2.

248

3 Technische Rahmenbedingungen

Instandsetzung Unter Instandsetzung werden Maßnahmen verstanden, die eine Betrachtungseinheit in den funktionsfähigen Zustand zurückführen, mit Ausnahme von Verbesserungen517. Um die Leistungsfähigkeit und Betriebsbereitschaft einer WEA zu gewährleisten, sind Instandsetzungen unumgänglich. Gelegentlich erwecken Investoren den Eindruck, dass Instandsetzungskosten im Gegensatz zu den Wartungskosten als außerordentlich zu betrachten sind. Dies resultiert möglicherweise aus der Ansicht, dass die Bauteile und Systeme einer WEA grundsätzlich für eine Lebensdauer von 20 Jahren und mehr ausgelegt seien, so dass es keinen zwangsläufigen Bedarf an Ersatzinvestitionen gibt518. Die Erfahrung zeigt aber, dass es selbstverständlich unvorhergesehene Schäden gibt, z.B. aufgrund von Materialermüdung, Bedienfehlern, systematischen Fehlern oder äußeren Einwirkungen. Viele Instandsetzungskosten sind mittlerweile vorhersehbar und damit planbar. Ein erster Schritt hierzu ist die Überlegung, wann mit dem Austausch oder Reparatur der Großkomponenten zu rechnen ist. Eine solche generelle Planung kann durch die oben beschriebenen Inspektionsgutachten ergänzt werden, da hier eine aktuelle Einschätzung abgegeben wird, wie lange es noch bis zum Austausch einer Komponente dauern könnte. Um nur die teuersten Komponenten zu nennen, ist eine Abschätzung hilfreich, wie oft im Laufe eines Anlagenlebens die Rotorblätter, das Getriebe, der Frequenzumrichter etc. ersetzt oder mit welchem Aufwand repariert werden müssen. Wie unter Wartung schon beschrieben, nehmen Vollwartungsverträge dem Betreiber das Risiko von Instandsetzungskosten ab. Um den Preis für einen Vollwartungsvertrag aber beurteilen zu können, ist es sinnvoll, eine eigene Berechnung der Kosten vorzunehmen oder von Sachverständigen vornehmen zu lassen. Verbesserung Verbesserungen sind alle Maßnahmen zur Steigerung der Funktionssicherheit einer Betrachtungseinheit, ohne die von ihr geforderte Funktion zu verändern519. Ein Beispiel aus der Windbranche ist der Generator-Leistungsschalter einer WEA. Ursprünglich für die Industrie dafür entwickelt, hohe Leistungen wenige Male im Jahr zu schalten und zusätzlich Schutzfunktionen zu übernehmen, wird er in der Windkraft dafür verwendet, die WEA in Abhängigkeit der Windgeschwindigkeit häufig auf- und abzuschalten. Bei einer planmäßigen Lebensdauer von ca. 10.000 Schaltspielen kann diese Komponente in einer WEA durchschnittlich drei bis vier Jahre betrieben werden und muss dann ersetzt werden. Diese Schwachstelle kann mit einem sog. Netzkoppelschütz, das parallel zum Leistungsschalter geschaltet wird, behoben werden. Ein Leistungsschütz mit einer Schaltleistungsfä517

DIN 31051:2003-06: Grundlagen der Instandhaltung, S. 4.

518

E. Hau 2008, S. 790.

519

DIN 31051:2003-06: Grundlagen der Instandhaltung, S. 4. In der früheren DIN 31051:1982-03 ist in diesem Zusammenhang von einer Schwachstellenbeseitigung gesprochen worden. Eine Schwachstelle in einem System ist eine Betrachtungseinheit, die häufiger oder stärker abnutzt als es der geforderten Verfügbarkeit entspricht. Ist eine Verbesserung technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar, sollte die Schwachstelle beseitigt werden.

3.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten

249

higkeit von ca. 120.000 Schaltspielen ist dafür ausgelegt, hohe elektrische Leistung häufig zu schalten und ist deshalb für das ständige Auf- und Abschalten der Generatorleistung ideal geeignet. Diese Investition hat sich in wenigen Jahren amortisiert. Der Leistungsschalter verbleibt in der WEA und übernimmt nur noch Schutzfunktionen. Verbesserungskosten werden im laufenden Betrieb eine immer wichtigere Rolle spielen. Am Ende entscheiden die Wirtschaftlichkeit und der Wunsch nach einer hohen Verfügbarkeit der WEA über solche Investitionen.

3.4.4

Asset Management

Ein Asset bezeichnet einen Vermögenswert und damit eine Aktiva-Position in der Bilanz. Der Begriff Asset Management hat seine Ursprünge in der Vermögensverwaltung einer Bank, die zeitweise eine Eigentümerposition für ihren Kunden dadurch einnimmt, dass sie eigenständig Käufe und Verkäufe aus dem betreuten Portfolio tätigt. Im Immobilienbereich wurde das Verständnis durch ein aktives Management erweitert, z.B. Märkte und Mieter analysieren und Kostenbewertungen vornehmen520. Das Asset Management von Windparks umfasst die komplette Betreuung in kaufmännischer und technischer Hinsicht. In Deutschland haben sich drei Komponenten herausgebildet, die im Folgenden näher betrachtet werden sollen: • Geschäftsführung • Kaufmännische Geschäftsbesorgung • Technische Betriebsführung

3.4.4.1

Geschäftsführung

Gem. § 116 HGB erstreckt sich die Geschäftsführung auf alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Geschäftes mit sich bringt. Die meisten Geschäftsführungsaufgaben werden in Deutschland auf einen kaufmännischen Geschäftsbesorger und einen technischen Betriebsführer übertragen. Üblicherweise verbleiben zumindest folgende Aufgaben bei der Geschäftsführung: • • • • • • •

Kauf/Verkauf eines Windparks, Strategische Entscheidungen, Verhandlung, Abschluss und Unterzeichnung von Finanzierungsgeschäften, Kauf bzw. Verkauf von Grundstücken, Unterzeichnung der Steuererklärung, Unterzeichnung des Jahresabschlusses, Sicherstellung der Einhaltung von technischen und organisatorischen Anforderungen/ Auflagen im gesetzlichen Rahmen.

520

Gonding, Hanspeter/Wagner, Thomas: Facility Management, München 2007, S. 26.

250

3 Technische Rahmenbedingungen

Die Einhaltung von technischen und organisatorischen Anforderungen/Auflagen kann selbstverständlich ebenfalls delegiert werden. Mit der Einteilung soll aber deutlich gemacht werden, dass dies eine originäre Aufgabe der Geschäftsführung ist, die, falls sie ignoriert und nicht ordentlich durchgeführt wird, erhebliche Schadenersatzverpflichtungen als auch strafrechtliche Konsequenzen haben kann.

3.4.4.2

Kaufmännische Geschäftsbesorgung

Geschäftsbesorgungsverträge und Betriebsführungsverträge haben Elemente von Dienstleistungsverträgen (§§ 611 ff. BGB), Werkverträgen (§§ 631 ff. BGB) und Geschäftsbesorgungsverträgen (§§ 675 ff. BGB). Es werden entgeltlich in einem Vertrag definierte Dienstleistungen erbracht. Darüber hinaus wird vereinbart, welche Aufgaben und Vollmachten die Geschäftsführung einer Gesellschaft auf den dienstleistenden Vertragspartner überträgt. Die kaufmännische Geschäftsbesorgung ist verantwortlich für alle kaufmännischen Angelegenheiten, im Gegensatz zur technischen Betriebsführung, die sich um alle technischen Belange kümmert. Grundsätzlich werden folgende Aufgaben vom kaufmännischen Geschäftsbesorger übernommen: • • • • • • • • • • •

Abrechnung der Einspeiseerlöse, gegebenenfalls auch innerhalb eines Windparkpools, Abwicklung des Zahlungsverkehrs, Führung des Belegwesens, Buchhaltung, Vertragscontrolling, Abrechnung von Pachten, Vor- und Nachbereitung, Durchführung von Beiratssitzungen und Gesellschafterversammlungen, Regelmäßige Information der Investoren, Erstellung von Berichten (monatlich, vierteljährlich, jährlich), Erstellen von Jahresabschlüssen, Führung der Geschäftsbücher und Ansprechpartner für Betreiber, Geschäftspartner (Banken, Steuerberater etc.)521.

Darüber hinaus werden auch folgende Aufgaben übertragen: • • • •

Cash Management, Budget- und Liquiditätsplanung, Bearbeitung von Versicherungsfällen und Pachtmanagement.

Gegenüber der Geschäftsführung ist ein regelmäßiges Berichtswesen zu implementieren. Dieses umfasst zumindest das Zahlenwerk der Gesellschaft, also Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie eine Liquiditätsbetrachtung. 521

Vgl. Leitfaden des Betriebsführerbeirats im Bundesverband WindEnergie: „Inhalte von Verträgen zur technischen und kaufmännischen Betriebsführung“, verabschiedet am 20.09.2007, S. 3.

3.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten

251

Die Vergütung eines kaufmännischen Geschäftsbesorgers kann unterschiedlich ausgestaltet sein522. • Festpreisregelung, • Vergütung in Abhängigkeit vom Ertrag oder • Vergütung in Abhängigkeit von der Einhaltung bestimmter Termine (z.B. Jahresabschluss). Art und Höhe der Vergütung richten sich nach dem Leistungsumfang und sind natürlich Verhandlungssache. Werden nur der Zahlungsverkehr und die laufende Buchhaltung übernommen oder werden alle oben aufgelisteten Aufgaben durchgeführt? Auch die Größe des Windparks kann eine Rolle spielen, wenn eine prozentuale Vergütung vom Ertrag vereinbart wird. Das Vorhandensein eines Vollwartungsvertrages kann den Preis reduzieren, da ja Aufgaben hinsichtlich Reparaturen und Versicherungsschäden weitestgehend wegfallen. Es ist teilweise auch ein Unterschied, ob die Leistung beim Verkäufer eines Windparks erworben wird oder bei einem unabhängigen Dienstleister. Ein möglicher Interessenkonflikt kann entstehen, wenn vom Verkäufer eines Windparks die kaufmännische Geschäftsbesorgung und technische Betriebsführung übernommen wird. Wer wahrt dann die Interessen des Investors z.B. bei Gewährleistungsansprüchen oder Schlechtleistung? Der Investor sollte sich grundsätzlich fragen, welche Kontrollmöglichkeiten er hat und ob er auch Zugang zu allen notwendigen Informationen besitzt.

3.4.4.3

Technische Betriebsführung

Gemäß den Empfehlungen des BUNDESVERBANDES WINDENERGIE (BWE) gehören beispielhaft zu einer technischen Betriebsführung: • • • • • • • • • •

Fernüberwachung, Organisation Störungsbeseitigung, Organisation planbarer Instandhaltungsmaßnahmen, Sichtinspektionen (Kontrollen vor Ort), Dokumentation der Instandhaltungsmaßnahmen in einer Lebenslaufakte, Fristenüberwachung für Prüfungen und Instandhaltungsmaßnahmen, Berichterstellung für den Kunden, Sachliche Rechnungsprüfung, Versicherungsmanagement, Beratung hinsichtlich technischer Neuerungen und Verpflichtungen gegenüber Behörden und Berufsgenossenschaften etc., • Beratung in technischen Fragen des Windparkbetriebs523.

522

Ebenda.

523

Vgl. Leitfaden des Betriebsführerbeirats im Bundesverband WindEnergie: „Inhalte von Verträgen zur technischen und kaufmännischen Betriebsführung“, verabschiedet am 20.09.2007, S. 1.

252

3 Technische Rahmenbedingungen

Darüber hinaus sind weitere Aufgaben denkbar: • Einsetzen oder Führung eines Parkwartes, • Überwachung des Betriebs der WEA und der Infrastruktur, • Veranlassung, Koordination und Überwachung der Instandhaltungs-, Gewährleistungsarbeiten, • Auswertung von Gutachten, Einholung und Bewertung von Angeboten, • Prüfung und Bewertung der Ölanalysen, Leistungskennlinien, • Sicherstellung der Betriebsbereitschaft und –sicherheit, • Meldungen an Behörden (Flugsicherung, Umweltamt, etc.), • Betreuung der Verpächter, • Veranlassung und Überwachung von Rückbauarbeiten, • Betriebsführung eines Umspannwerkes. Der Betriebsführer soll als technisches Kontrollgremium über den Servicedienstleistern stehen und deswegen auch nicht demselben Unternehmen oder der Unternehmensgruppe wie die Servicedienstleister angehören524. Auch der technische Betriebsführer liefert an die Geschäftsführung ein regelmäßiges Berichtswesen. Dies enthält z.B. einen Vergleich der tatsächlichen Erträge mit der Prognose und einem Windindex, die erreichten Verfügbarkeiten, Aussagen zur Leistungskennlinie, Erläuterung von Stillständen, Ausführungen über den technischen Zustand, Auflistung der anstehenden Arbeiten und besondere Vorkommnisse. Hinsichtlich der Vergütungsmodelle gelten die gleichen Ausführungen wie unter der kaufmännischen Geschäftsbesorgung.

3.4.4.4

Zusammenfassende Bemerkungen

Je nach Leistungsumfang des Vertrages und Ausgestaltung des Projektes etc. werden beispielsweise für die kaufmännische Geschäftsbesorgung und die technische Betriebsführung jeweils ein bis vier Prozent vom Ertrag gezahlt525. Hinzu kommen bei einer Gesellschaft die Kosten für die Geschäftsführung. Die Laufzeit der Verträge liegt üblicherweise zwischen 5 und 20 Jahren. Die Überwachung des Geschäftsbesorgers sollte durch die Geschäftsführung erfolgen. Hier handelt es sich ja wie beschrieben um eine Auslagerung der ursprünglichen kaufmännischen Geschäftsführungsaufgaben. Eine weitere Kontrolle des Geschäftsbesorgers erfolgt durch Steuerberater und ggf. Wirtschaftsprüfer der Windkraftgesellschaft. Da die Geschäftsführung üblicherweise aus Kaufleuten besteht, fehlt prinzipiell eine Kontrollmöglichkeit des technischen Betriebsführers. Hier scheint es sinnvoll, sich eine technisch unabhängige Beratung zu sichern bzw. eine entsprechende Fachkraft selbst zu 524

Denny Gille: Verkannt, erspart, verloren; Erneuerbare Energien Juni 2010, S. 16.

525

Ebenda, S. 18, hier konkret auf die technische Betriebsführung bezogen, kann aber grundsätzlich auf die kaufmännische Geschäftsbesorgung übertragen werden.

3.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten

253

beschäftigen. Zu den zu übernehmenden Aufgaben gehört beispielsweise die Auswertung der Betriebsführungsberichte. Aber hier ist nicht nur eine Kontrollfunktion gemeint. Vielmehr lassen sich bei der Betreuung von größeren Portfolios mit verschiedenen Betriebsführern Synergie-Effekte generieren, die aus der Sicht eines einzelnen Betriebsführers nicht immer möglich sind. Beispiele wären die Vereinbarung von Rahmenverträgen bei der Wartung, Erzielung von Preisvorteilen durch erhöhtes Einkaufsvolumen bei Ersatzteilen oder zusätzlichen Komponenten wie z.B. Condition Monitoring-Systeme oder einfach ein übergreifender Informationsaustausch. Bei der möglichen Konstellation von unterschiedlichen Parteien in Geschäftsführung, Geschäftsbesorgung und Betriebsführung ist es notwendig, sich gemeinsam über die Schnittstellen und die entsprechenden Vollmachten abzustimmen. Dies wäre ggf. in einem weiteren gemeinsamen Vertrag festzuhalten, um eine dauerhafte Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu schaffen. Auch ist der Umfang von Vollmachten zu definieren, so dass die Dienstleister ohne ständige Rücksprache mit der Geschäftsführung ihren Aufgaben nachkommen können. Vollmachten können sich dabei auf bestimmte Auftragsvolumina beschränken oder aber auch die Vertretung der Gesellschaft nach außen z.B. mit einer Handlungsvollmacht beinhalten oder umgekehrt regeln, wann explizit Rücksprache mit der Geschäftsführung zu nehmen ist.

3.4.5

Beratungskosten

Wie bei jeder Gesellschaft fallen auch bei Windkraftgesellschaften Beratungskosten im laufenden Betrieb an. Steuern Die steuerliche Beratung und Betreuung erstreckt sich im Wesentlichen auf die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung, die Erstellung des Jahresabschlusses, der Anfertigung der Steuererklärungen und Kontrolle der Feststellungsbescheide. Darüber hinaus kann weiterer Beratungsbedarf bestehen oder die Begleitung bei einer Betriebsprüfung notwendig sein. Recht Rechtliche Beratung ist meist notwendig, wenn die eigenen Interessen in Verhandlungen vertreten oder Ansprüche Dritter abgewehrt werden sollen. Sollten Auseinandersetzungen nicht in Vergleichsgesprächen beigelegt werden können, ist möglicherweise der Klageweg zu beschreiten, der grundsätzlich rechtsanwaltliche Unterstützung erfordert und entsprechende Kosten auslöst. Technik Bei technischen Fragen hat die Geschäftsführung die Möglichkeit, neben den Aussagen/ Empfehlungen des technischen Betriebsführers, eine weitere fachkompetente Meinung einzuholen. Dies ist oft schon notwendig, wenn technische Vorschläge gemacht werden, deren Umfang und Auswirkungen der Entscheider möglicherweise nicht allein einschätzen kann. Hier ist auf Dauer zu entscheiden, ob diese Kompetenz eingekauft oder selbst aufgebaut wird.

254

3 Technische Rahmenbedingungen

Wirtschaftsprüfer Wirtschaftprüfer prüfen in der Regel die Ordnungsmäßigkeit der Buchhaltung und die Erstellung der Bilanz und geben damit auch Auskunft über das kaufmännische Verhalten des Geschäftsbesorgers und der Geschäftsführung. Hier wird insbesondere für die Investoren eine weitere Prüfinstanz geschaffen.

3.4.6

Versicherungen

Allgefahren-Sachversicherung In der Allgefahrenversicherung gelten grundsätzlich alle unvorhersehbaren Schäden als versichert, die nicht explizit in den Versicherungsbedingungen ausgeschlossen werden526. Unvorhergesehen sind dabei Schäden, die der Versicherungsnehmer weder rechtzeitig vorhergesehen hat noch mit dem für den Betrieb erforderlichen Fachwissen hätte vorhersehen können. Meist wird hier nur auf grobe Fahrlässigkeit abgestellt. Insbesondere sind hierbei Sachschäden durch Bedienungsfehler, Konstruktions-, Material- und Ausführungsfehler, Versagen von Messeinrichtungen, Schäden aufgrund von Naturgewalten, Blitzschlag, Sturm, Frost, Brand, Kurzschluss, Vandalismus und Diebstahl und den daraus resultierenden Folgeschäden versichert. Nicht versichert sind u.a. die betriebsbedingte Abnutzung von Bauteilen oder wenn die Reparaturbedürftigkeit von Bauteilen bekannt sein musste. Der Versicherungsschutz kann auch auf eine Kaskodeckung reduziert werden. Hierbei sind nur Schadensursachen, die von außen auf die Windkraftanlage einwirken (z.B. Sturm, Blitzschlag, Diebstahl, aber auch Brand), versichert, der innere Betriebsschaden ist hierbei ausgeschlossen. Über eine Allgefahrenversicherung können grundsätzlich alle Bauteile einer WEA, die Peripherie des Windparks und eigene Umspannwerke versichert werden. Gemäß den einzelnen Versicherungsbedingungen können die versicherten Komponenten auch definiert werden bzw. von der Versicherung ausgeschlossen werden. Hier ist jeder Versicherungsvertrag einzeln zu prüfen. Grundsätzlich leistet ein Versicherer nur, wenn es einen bestehenden Wartungsvertrag gibt, der die aktuellen Anforderungen erfüllt, und alle behördlichen und herstellerbezogenen Auflagen eingehalten sind. Vollwartungsverträge können je nach Umfang die Versicherungsprämien reduzieren, da Gefahren des inneren Betriebsschadens über den Wartungsvertrag abgesichert werden. Hierbei muss der Versicherungsschutz auf das jeweilige Wartungskonzept angepasst werden, da die Konzepte je nach Anbieter sehr unterschiedlich sind und bei einigen Wartungskonzepten Entschädigungsgrenzen für Reparaturleistungen oder Verfügbarkeitsgarantien vereinbart sind. Ertragsausfallversicherung Die Ertragsausfallversicherung oder Betriebsunterbrechungsversicherung kommt nur zum Tragen, wenn die Betriebsunterbrechung einer versicherten Anlage in Folge eines grundsätzlich unter der Allgefahrenversicherung versicherten Sachschadens entstanden ist. Weiterhin 526

Siehe hierzu auch die Ausführungen von Dr. Thomas Kottke in Kapitel 4.1.

3.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten

255

können Ertragsausfälle aufgrund von Sachschäden an fremden Umspannwerken – so genannte Rückwirkungsschäden – gegen Prämienzuschlag im Rahmen der Ertragsausfallversicherung mitversichert werden. Nimmt ein Netzbetreiber einen Windpark z.B. aufgrund einer Netzstörung vom Netz, führt dies nicht zu einer versicherungspflichtigen Betriebsunterbrechung, da ja kein Sachschaden vorliegt. Zur Berechnung des Ertragsausfalls wird häufig die Produktion einer anderen WEA im Windpark oder der Durchschnitt des verbleibenden Restwindparks für den betreffenden Ausfallzeitraums herangezogen. Grundsätzlich hat der Betreiber eine Schadensminderungspflicht, d.h. er darf nicht schuldhaft die Betriebsunterbrechung hinauszögern. Dies läge z.B. vor, wenn nicht genügend Kapital für eine Reparatur bereitgestellt wird oder eine Reparatur wegen fehlender oder mangelhafter Rahmenbedingungen bei schlechtem Zustand der Zuwegung z.B. nicht begonnen werden kann. Bei der Betriebsunterbrechungsversicherung wird eine maximale Haftzeit vereinbart. Diese gibt an, für welchen Schadenzeitraum der Versicherer eine Entschädigung leistet. Hier ist darauf zu achten, dass die Haftzeit ausreichend bemessen ist, da die Haftzeit mit der Erkennung des Sachschadens beginnt, auch wenn nicht direkt mit der Reparatur begonnen wird und die Anlage z.B. mit verminderter Leistung weiter betrieben wird. Haftpflichtversicherung Gemäß den gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen und den Regelungen des Vertrages gewährt der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für ein potenzielles Schadensereignis gegenüber Dritten, das einen Personenschaden (Tod, Verletzung, Gesundheitsschädigung) oder einen Sachschaden (Beschädigung oder Vernichtung) zur Folge hat. Umwelthaftpflichtversicherung Diese Versicherung bietet Versicherungsschutz für die Haftung des Betreibers nach den Bestimmungen des Umwelthaftungsgesetzes. Versichert wird dabei die rechtliche Pflicht öffentlich-rechtlichen Inhalts, gemäß Umweltschadengesetz für die Sanierung von Umweltschäden einzustehen. Gemäß den Versicherungsbedingungen sind hier Schädigungen von geschützten Arten und Lebensräumen, der Gewässer und des Bodens gemeint. Von der Schadensmeldung bis zur Erstattung Sobald ein Schaden erkannt wurde, ist dieser der Versicherung unverzüglich innerhalb der vereinbarten Frist von meist 24 Stunden zu melden. Die Versicherung teilt dem Schaden eine Bearbeitungskennzeichnung zu und verlangt einen Schadensnachweis. Dieser kann durch das Reparaturunternehmen z.B. durch Berichte, Fotos etc. erbracht werden oder bei größeren Schäden durch eine Analyse eines Gutachters bzw. Sachverständigen. Eine Reparatur kann zur Verkürzung der Stillstandszeit der WEA meist unverzüglich erfolgen, solange die defekten Bauteile für eine Analyse aufbewahrt werden. Ist die Schadensanalyse nicht eindeutig, folgen häufig Verhandlungen mit den Versicherern, ob und in welchem Umfang eine Erstattung möglich ist. Nicht selten stehen sich bei der Diskussion Gutachter des Betreibers und des Versicherers gegenüber. Hilfreich ist in diesen Verhandlungen ein Versicherungsmakler, der ein größeres Portfolio verwaltet und Informationen aus gleichen oder ähnlichen Schadensbildern liefern kann.

256

3 Technische Rahmenbedingungen

Am Ende des Prozesses steht eine Erstattung oder die Ablehnung des Schadens. Bei einem Teilschaden (z.B. Beschädigung eines Bauteiles der Anlage) ist zu berücksichtigen, dass zwar grundsätzlich die Reparaturkosten übernommen werden, aber gemäß Vertrag Abschreibungen für Teile mit begrenzter Lebensdauer vorgenommen werden. Für definierte Teile, zum Beispiel Rotorblätter, Getriebe, Lager des Triebstranges etc., sind diese Abschreibungen meist fest vereinbart (z.B. Prozentsatz je Betriebsmonat). Zum Schluss wird der vereinbarte Selbstbehalt von dem berechneten Betrag abgezogen. Der Betreiber hat zu beachten, dass eine Schadenerstattung auf die Schadenquote seines Windparks oder Portfolios angerechnet wird, da in vielen Versicherungsverträgen schadenquotenabhängige Rabatte vereinbart sind. Wird eine vereinbarte Schadenquote, z.B. 60 % der Nettoversicherungsbeiträge im Verhältnis zu den ausgezahlten Schäden und der Schadenreserven für noch nicht erledigte Schäden, übertroffen, so entfällt der vereinbarte Prämienrabatt rückwirkend ab der letzten oder zur nächsten Hauptfälligkeit. Weiterhin hat der Versicherer, aber auch der Versicherungsnehmer das Recht, den Versicherungsvertrag anlässlich eines Schadens zu kündigen.

3.4.7

Avalkosten und Rückstellungen für den Rückbau

Wie bereits ausgeführt, hat der Betreiber den Verpächtern regelmäßig eine Rückbaubürgschaft zu übergeben, die meist in Form von selbstschuldnerischen Bankbürgschaften durch die den Windpark finanzierende Bank gestellt werden. Mit der Bank wird vereinbart, wie diese Rückbaubürgschaft besichert wird. So könnten etwa jeweils 10 % der Summe über 10 Jahre auf ein der Bank verpfändetes Konto eingezahlt werden. Eine solche Vereinbarung ist in der Liquiditätsplanung zu berücksichtigen. Aus handelsrechtlicher oder steuerlicher Sicht sind ebenfalls Rückstellungen zu bilden, die sich aber nach Vorgaben aus dem Handelsgesetz oder dem Einkommensteuergesetz richten und im Zuge von Gesetzesänderungen angepasst werden527. Als Vergütung für eine selbstschuldnerische Bürgschaft erheben die Banken so genannte Avalkosten528, die sich üblicherweise zwischen 1–2 % p.a. der Gesamtbürgschaftssumme bewegen.

3.4.8

Steuern

Unter dem Oberbegriff Betriebskosten sollen an dieser Stelle nur die Steuern des laufenden Betriebs auf der Ebene der Betreibergesellschaft beschrieben werden. Eine Betrachtung der Einkommen- oder Körperschaftsteuer, die für die Eigentümer einer Windgesellschaft von Bedeutung sind, wird nicht vorgenommen.

527

Vgl. z.B. das Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes vom 29.05.2009 (BilMoG).

528

Vgl. Bea, Franz X./Helm, Roland/Schweitzer, Marcell: BWL-Lexikon, Stuttgart 2009, S. 27.

3.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten

257

Gewerbesteuer Den größten Einfluss aus dem Bereich der Steuern auf die Betriebskosten hat die Gewerbesteuer. Die Gewerbesteuer ist im Gewerbesteuergesetz geregelt. Dort wird beschrieben, wie zunächst der nach den Vorschriften des Einkommen- oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewerbeertrag errechnet wird. Um die zu zahlende Gewerbesteuer zu ermitteln, wird der Gewerbeertrag mit dem Steuermessbetrag und dem Gewerbesteuerhebesatz multipliziert. In Jahren negativer steuerlicher Ergebnisse – üblicherweise sind dies die ersten Betriebsjahre – wird ein Verlustvortrag geschaffen, der mit positiven Ergebnissen der Zukunft verrechnet wird. Insofern führt ein positiver Gewerbeertrag eines Jahres nicht automatisch zu einer Gewerbesteuerzahlung, es sei denn, der Gewerbeertrag liegt über eine Million Euro. Hier ist dann der Gewerbeertrag gem. § 10a GewStG um Verluste zu kürzen und es fällt auf jeden Fall eine Gewerbesteuerzahlung an. Dies ist auch der Grund, warum große Windparks manchmal in mehrere kleinere aufgeteilt werden. Natürliche Gesellschafter von Personengesellschaften können nach § 35 EStG die Möglichkeit der Anrechnung der Gewerbesteuer auf die persönliche Einkommensteuer nutzen. Hier kann im günstigsten Fall die volle Erstattung der von der Gesellschaft gezahlten Gewerbesteuer auf Gesellschafterebene erreicht werden. Gem. Jahressteuergesetz 2009 ist eine Aufteilung der Gewerbesteuer im Verhältnis 70:30 zwischen Betriebsstättengemeinde und der Gemeinde, in der der Sitz der Geschäftsführung der Betreibergesellschaft liegt, vorzunehmen. Es werden 70 % des berechneten Gewerbeertrags mit dem Hebesatz der Gemeinde belegt, in der der Windpark steht und 30 % des Gewerbeertrags mit dem Hebesatz der Gemeinde, in der sich die Geschäftsführung der Betreibergesellschaft befindet. Umsatzsteuer Grundsätzlich kann die Umsatzsteuer in der Betriebsphase als durchlaufender Posten angesehen werden. Die Umsatzsteuer von bezahlten Rechnungen kann im Folgemonat als Vorsteuer wieder geltend gemacht werden. Lediglich bei der Liquiditätsplanung der Gesellschaft sind die verschiedenen Zeitpunkte von Zahllast der Umsatzsteuer und Erstattung der Vorsteuer zu beachten529. Kapitalertragsteuer Die Kapitalertragsteuer530 wird von den Finanzinstituten vom Zinsertrag der Betreibergesellschaft einbehalten. Die Kapitalertragsteuer kann im Rahmen der Steuererklärung gegenüber 529

Bei Windparks ist grundsätzlich eine Dauerfristverlängerung von einem Monat vorzunehmen, da der Monatsumsatz erst mit der Abrechnung durch den Energieversorger – meist in der zweiten Monatshälfte – vorliegt, die Umsatzsteuer aber gem. § 18 Absatz 1 Satz 1 UStG bereits zum 10. Tag des Folgemonats anzumelden und gem. Satz 4 auch fällig ist.

530

Allgemein auch bekannt als Zinsabschlagsteuer (unter „Zinsabschlagsteuer“ (Abk. ZASt) wird diejenige Kapitalertragsteuer verstanden, die auf Zinszahlungen anfällt, der Begriff wird im Einkommensteuergesetz selbst allerdings nicht verwendet).

258

3 Technische Rahmenbedingungen

dem Finanzamt geltend gemacht werden. Sie führt bei Personengesellschaften zu einem Mittelabfluss bei der Gesellschaft, bei den Gesellschaftern wiederum zu einem Zufluss über die entsprechende Steuererklärung.

3.4.9

Sonstiges

Unter die Sonstigen Kosten fallen z.B. die Kosten für den Strombezug. Auch Windkraftanlagen benötigen zum reibungslosen Betrieb so genannten Bezugsstrom. Des Weiteren sind die Telefonkosten für die Datenübertragung zum Serviceunternehmen bzw. technischen Betriebsführer zu nennen. Daneben gibt es eine Anzahl weiterer Positionen wie Bankgebühren, Gerichts-/Notarkosten, Beiträge wie IHK, Kosten für den Geldverkehr, Pflege von Ausgleichsflächen oder auch Spenden an Gemeinden etc. Als nicht vorhersehbarer Aufwand sind z.B. Kosten der Rechtsverfolgung oder Schadenersatzzahlungen zu nennen.

3.4.10

Entwicklung der Betriebskosten

3.4.10.1

Die einzelnen Betriebskostenarten

Neben den tatsächlich erwirtschafteten Erträgen ist für ein Windkraftprojekt der zukünftige Verlauf der Betriebskosten entscheidend. Bei den Einnahmen und den Ausgaben sind also realistische Annahmen bei der Investitionsrechnung zu treffen, um die gewünschte Wirtschaftlichkeit eines Projektes sicherzustellen. Die einzelnen Positionen der operativen Kosten sind im Vorkapitel schon beschrieben worden. Eine Studie des DEWI aus 2002 für die Betriebsjahre 1997–2001 gibt einen Überblick über die prozentuale Aufteilung der Betriebskosten. Tabelle 18: Wartung und Instandhaltung 26 %

531

Aufteilung der Betriebskosten im Mittel der Jahre 1997 bis 2001 Geschäftsführung/ Steuern 21 %

Grundstückskosten 18 %

Versicherung

Sonstiges

Strombezug

13 %

17 %

5%

Die Ergebnisse der Analyse sind sicherlich mit Vorbehalten zu betrachten. Die Auswertung erstreckt sich im Vergleich zur angestrebten Lebensdauer eines Windparks über einen eher kurzen Zeitraum. Daneben fallen in dem üblichen Gewährleistungszeitraum von 2–5 Jahren teils nur sehr geringe Instandsetzungskosten an oder eventuelle Wartungskosten sind schon im Kaufpreis der WEA enthalten gewesen. Außerdem liegt die Auswertung schon einige Jahre zurück, so dass heute von größeren Anlagentypen ausgegangen werden muss, die möglicherweise eine andere Kostenverteilung mit sich bringen. So liegen wie bereits beschrieben, die Entgelte für die Nutzungsverträge heute höher als vor zehn Jahren.

531

Quelle: DEWI Deutsches Windenergie Institut: Studie zur aktuellen Kostensituation 2002 der Windenergienutzung in Deutschland, S. 14.

3.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten

259

Werden die aufgeführten Daten zunächst einmal als gegeben angenommen, denn es geht im Folgenden eher darum, welche Kostenbereiche es sich zu optimieren lohnt, dann ist zu erkennen, dass die Nutzungsentgelte, die Betriebs- und Geschäftsführung und Steuern jeweils rund ein Fünftel der Gesamtkosten aus, die Versicherungskosten etwas über 10 %. Damit ist etwa die Hälfte der Betriebskosten über die Laufzeit fixiert, da die entsprechenden Verträge zu Beginn der Investition abgeschlossen werden bzw. anfallende Steuern gezahlt werden müssen. Natürlich können sich Versicherungskosten durch Prämienanpassungen oder durch die Einbeziehung in Rahmenverträgen ändern, prozentual auf die gesamten operativen Kosten gesehen, spielt dies eine eher untergeordnete Rolle. Es bleibt zu prüfen, welchen Einfluss der Betreiber im laufenden Betrieb auf die Instandhaltungskosten und die Sonstigen Kosten ausüben kann. Unter den Sonstigen Kosten sind in der Studie Beiträge zu Verbänden und Kammern, Strombezug, Rechtsberatung, Bürokosten, Telefon, Geldverkehr und Personalkosten zusammengefasst. Die mögliche Einflussnahme ist eher gering. Natürlich kann sich die Betreibergesellschaft nach einem günstigen Stromanbieter umschauen und sollte das auch tun, Rechtsberatungskosten hingegen werden den Gesellschaften oft von außen aufgedrängt bzw. sind notwendig, um eigene Ansprüche durchzusetzen oder Ansprüche Dritter abzuwehren. Aus dem Blickwinkel einer Kostenoptimierung sind die Instandhaltungskosten am interessantesten, zumal in den letzten Jahren der Anteil an den Gesamtkosten tendenziell höher sein dürfte als in der DEWI-Studie aus dem Jahr 2002. Hier ist sicherlich ein gewisser Sockelbetrag unvermeidlich. So sollte eine umfassende Wartung durchgeführt werden und defekte Bauteile in den WEA müssen ebenfalls repariert oder ausgetauscht werden. Letztendlich können aber mit einer zustandsorientierten Instandhaltung erhebliche Kosten über die Lebensdauer einer WEA eingespart werden. Bei einer ersten Planung der Instandhaltungskosten können sich Betreiber vorhandener Kostenkurven für WEA-Typen bedienen, die bei technischen Beratungsunternehmen käuflich zu erwerben sind. Eine andere Methode wäre, die Kosten eines Vollwartungskonzeptes für eine erste Kalkulation zu übernehmen. Der Preis für das Vollwartungskonzept soll ja für den Anbieter, wenn es richtig kalkuliert wurde, zum einen die kompletten Wartungs- und Instandsetzungskosten sowie die Rückversicherungskosten abdecken und zum anderen auch eine Gewinnmarge ermöglichen. Da ohne Vollwartungskonzept die Instandhaltungskosten in den ersten Jahren niedriger sein dürften, sollten die nicht verbrauchten Anteile einer Reparaturrücklage zugeführt werden. Hier zeigt sich, dass ein Vollwartungskonzept für einen Betreiber eine bequeme Lösung ist, da er für einen fest kalkulierten Preis umfassende Sicherheit erhält. Dies gilt natürlich immer unter der Voraussetzung, dass das Dienstleistungsunternehmen nicht irgendwann insolvent wird und Instandhaltungskosten in späteren Betriebsjahren ohne den vorherigen Aufbau einer Reparaturreserve vom Betreiber allein bestritten werden müssen.

260

3 Technische Rahmenbedingungen

3.4.10.2

Beeinflussung der Betriebskosten

Möchte ein Betreiber die Höhe seiner Instandhaltungskosten signifikant beeinflussen und planen, sollte er die Kosten der verschiedenen WEA-Komponenten analysieren. Dabei ist zwischen Hauptkomponenten und Verschleißteilen zu unterscheiden. Zu den wichtigsten Hauptkomponenten zählen der Turm, Rotorblätter, Frequenzumrichter, Getriebe und Generator; zu den wichtigsten Verschleißteilen zählen der Ölwechsel des Hauptgetriebes, Hydraulikwechsel, Ölwechsel Pitch/Azimutantrieb, Batterien Pitchantrieb, Azimutbremsbeläge, Bremsbeläge schnelle Welle, Kupplung, Dämpfungselement und Hauptschalter. Es wäre zu ermitteln, welche voraussichtliche Lebensdauer die Hauptkomponenten einer bestimmten WEA haben und mit welchen Ersatzkosten zu rechnen ist. Insbesondere die Annahmen zur Lebensdauer von Rotorblättern und Getrieben haben einen wesentlichen Einfluss auf die Höhe der zu berechnenden Instandsetzungskosten. Erste Hinweise zu möglichen Kosten lassen sich der DEWI-Studie 2002 entnehmen. 20 B a n d b r e ite M it te l w e r t

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532

Häufigkeit von wesentlichen Instandsetzungsarbeiten

Nach obiger Auswertung sind etwa alle sieben Jahre mit wesentlichen Instandsetzungsarbeiten am Getriebe und Rotorblätter zu rechnen533. Hier ist allerdings zu erwähnen, dass für den betrachteten Zeitraum der Studie es sich zum einen um eher kleinere Anlagentypen handelte und zum anderen, dass eine zustandsorientierte Instandhaltung in der Branche eher noch ein Fremdwort war. 532

Quelle: DEWI Deutsches Windenergie Institut: Studie zur aktuellen Kostensituation 2002 der Windenergienutzung in Deutschland, S. 19.

533

Vgl. hierzu auch Hau, Erich: Windkraftanlagen, 4. Auflage, Berlin Heidelberg 2008, S. 790 ff. Dort wird darauf hingewiesen, dass Schäden an dem Bauteil Getriebe am häufigsten auftreten, dabei insbesondere Lagerschäden und Schäden an den Zahnrädern.

3.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten

261

Die Abbildung 40 zeigt die voraussichtlichen Kosten pro kWh installierte Leistung. 5 0 0 ,0

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Ersatzinvestitionen bzw. Instandhaltungskosten über 20 Jahre Laufzeit

Die Kosten für die Rotorblätter liegen in der Studie pro kWh bei etwa 220 € und pro Getriebe bei etwa 100 € auf einen Zeitraum von 20 Jahren betrachtet. Werden aus den letzten beiden Abbildungen nur diese beiden kostenintensivsten Bauteile betrachtet und auf eine 2MW-Anlage hochgerechnet, ergäben sich damit über einen zwanzig Jahre Zeitraum Rotorblattinstandsetzungskosten von 440.000 € und Getriebekosten von 200.000 €. Die Erfahrung der letzten Jahre lässt vermuten, dass die dargestellten Kosten aus der DEWI-Studie für die Rotorblätter vielleicht zu hoch, für die Getriebe zu niedrig angesetzt sind. Durch den Einsatz einer zustandsorientierten Instandhaltung können sicherlich bei beiden Bauteilen Kostenverbesserungen erreicht werden.

3.4.10.3

Zustandsorientierte Instandhaltung

In den heutigen Instandhaltungsüberlegungen werden verschiedene Strategien berücksichtigt534. Die wesentlichen sind dabei wohl die korrektive Instandhaltung, die präventive Instandhaltung und die zustandsorientierte Instandhaltung535. Bei der korrektiven Instandhaltung wird eine Reparatur oder ein Austausch erst nach Ausfall eines Bauteils vorgenommen. Bei der präventiven Instandhaltung werden Maßnahmen in vorgegebenen Intervallen sozusagen routinemäßig durchgeführt, wie z.B. der Austausch der Ölfilter bei der planmäßigen Wartung. Bei der zustandsorientierten Instandhaltung werden notwendige Arbeiten aufgrund von vorliegenden Informationen zum Verschleiß durchge534

Vgl. dazu DIN EN 13306:2010: Instandhaltung – Begriffe der Instandhaltung, S. 22–25.

535

Vgl. auch Hentzschel, Jürgen/Patzke, Uwe: Stillgestanden? Eine optimierte Wartung schafft Abhilfe, Erneuerbare Energien November 2009, S. 37; Hier werden die drei Strategien zum Teil etwas anders bezeichnet: Korrektive Instandhaltung, geplante präventive Instandhaltung, zustandsabhängige präventive Instandhaltung.

262

3 Technische Rahmenbedingungen

führt, etwa ein Ölwechsel aufgrund einer Ölanalyse oder der vorbeugende Austausch von Generatorlagern nach Erkennung von Vorschädigungen durch ein CMS. Zustandsorientierte Instandhaltung bedeutet also, notwendige Instandsetzungsmaßnahmen gezielt bei Bedarf und in vorausschauender Weise vorzunehmen, d.h. schon kleinere Schäden zu reparieren, bevor daraus kostspielige Folgeschäden entstehen können. Hierdurch kann auch die maximale Lebensdauer der Bauteile eher ausgenutzt werden und Reparaturen werden besser planbar536, wodurch wiederum unnötig lange Stillstandzeiten vermieden werden können. Dazu ist aber eine gute Kenntnis über den Zustand der betroffenen Komponenten notwendig. Nicht alle Bauteile lassen sich ständig überwachen. Insofern wird es in der Praxis immer einen Mix der o.g. Instandhaltungsstrategien geben. Im Weiteren wird beispielhaft eine mögliche Überwachung der kostspieligen Hauptkomponenten Rotorblätter und Getriebe skizziert.

3.4.10.4

Rotorblätter

Der aktuelle Zustand der Rotorblätter einer WEA wird üblicherweise durch eine Sichtinspektion festgestellt. Hierbei ist die so genannte Begehung des Blattes unerlässlich. Dies kann per Abseiltechnik oder mit einer Hebebühne durchgeführt werden. Die festgestellten Schäden werden dokumentiert und dem Betreiber mitgeteilt. Dem Zustandsbericht folgen dann Reparaturempfehlungen mit deren Umsetzungen. Durch die Reparatur von kleinen Rissen, Lunkern, Abplatzungen oder der Instandsetzung des Blitzschutzes wird eine zustandsorientierte präventive Instandhaltung durchgeführt. Es werden kleinere Schäden repariert, bevor es zu kostspieligen Großschäden kommen kann. Auf diese Weise kann auch die Lebensdauer eines Rotorblattes signifikant verlängert werden. Eine regelmäßige Inspektion kann durch technische Rotorüberwachungssysteme ergänzt werden.

3.4.10.5

Getriebe

Getriebe können mit Hilfe einer Videoendoskopie und einer Offline-Schwingungsanalyse untersucht werden. Hierfür müssen entsprechende Messungen auf der WEA durchgeführt werden. Danach wird eine Einschätzung über den Abnutzungsgrad oder über mögliche Vorschädigungen vorgenommen. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit kann dann die Restnutzungszeit des Getriebes angegeben werden. Aber auch Vorschädigungen bestimmter Bauteile wie z.B. Lager können festgestellt werden. Als Folge können diese vorgeschädigten Lager ggf. auf der WEA gewechselt werden, bevor ein größerer Folgeschaden am Getriebe selbst entsteht. Eine permanente Überwachung des Getriebes ist mit einem Condition Monitoring System möglich. Hierbei werden verschiedene Sensoren am Antriebsstrang angebracht, um eine umfassende Überwachung des Getriebes und auch einzelner Lager zu gewährleisten. Diese Online-Messung hat den Vorteil, dass sie permanent durchgeführt wird und etwaige Veränderungen am Getriebe frühzeitig erkannt werden können. 536

E. Hau 2008, S. 775.

3.4 Betriebserfahrungen und Betriebskosten

263

Eine andere Möglichkeit ist die ständige Überwachung des Getriebeöls auf Metallspäne hin. Auch hier gibt es verschiedene Systeme am Markt, mit denen Anzahl und Größe der Metallpartikel gezählt bzw. erfasst werden. Werden dabei bestimmte Schwellenwerte überschritten, deutet dies auf einen Schaden hin und weitere Untersuchungen sind durchzuführen. Generell ist zu empfehlen, bei jeder Wartung eine Probe vom Getriebeöl zu nehmen. So erhält der Betreiber zumindest halbjährlich u.a. eine Zusatzinformation über Späne im Öl und ob noch ausreichend Additive vorhanden sind. Für welche Überwachungsformen sich der Betreiber auch entscheidet, die Erfahrung zeigt, dass mit dieser Vorgehensweise deutlich wirtschaftlicher gearbeitet wird als wenn das Getriebe einfach bis zur kompletten Zerstörung weiter betrieben wird. Die Funktionsfähigkeit aller Komponenten kann auch durch eine verbesserte Überwachung nicht unendlich verlängert werden. Irgendwann ist verschleißbedingt eine Reparatur oder ein Austausch notwendig. Bauteile können aber über ihre mögliche Lebensdauer genutzt werden, zudem sind die notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen besser planbar und unnötige Folgeschäden werden vermieden. Darüber hinaus können kürzere Betriebsunterbrechungszeiten erreicht werden. Ziel eines Betreibers ist es, die Betriebskosten so gering wie möglich zu halten, ohne die Funktions- und Leistungsfähigkeit der WEA zu beeinträchtigen. Damit kann die Entwicklung nur hin zu einer zustandsabhängigen präventiven Instandhaltung gehen. Im Laufe des Anlagenlebens sind das Instandhaltungskonzept und einzelne Komponenten immer wieder zu hinterfragen. Gibt es eine Möglichkeit, die Verfügbarkeit zu verbessern, die Leistung ohne schädliche Nebenwirkung zu erhöhen, Reparaturkosten zu vermeiden und günstige Austauschteile zu erhalten? Der technische Fortschritt muss genutzt werden, um die Wirtschaftlichkeit ständig zu verbessern. Aber hier ist nicht nur die technische Ebene, sondern auch die kaufmännische gefragt, indem z.B. eine kostengünstige Einkaufspolitik betrieben wird. In der DEWI-Studie aus 2002 werden von Ersatzinvestitionen in Höhe von 54 % des Wertes der WEA über einen Zeitraum von 20 Jahren gesprochen537. Jede positive Abweichung von dieser Größenordnung bedeutet eine Verbesserung der Rendite des Investors. Letztendlich ist – wie eingangs erwähnt – eine intensive Beschäftigung mit dem Projekt erforderlich. Die Dinge regeln sich nicht von allein. Insofern ist ein kompetentes AssetManagement und die Auswahl von guten technischen Serviceunternehmen eine wichtige Erfolgskomponente. Auf durchgängig guten Wind können wir alle nur hoffen.

537

DEWI Deutsches Windenergie Institut: Studie zur aktuellen Kostensituation 2002 der Windenergienutzung in Deutschland, S. 23. E. Hau 2003, S. 688: Hier wird von einer Größenordnung von 50% ausgegangen. In der 4. Auflage von 2008 findet sich auf S. 795 der Hinweis auf eine Größenordnung von 30%. „Diese Größenordnung kommt der Realität nahe und spiegelt den heute erreichten Stand der Technik wider. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass im Anlagenbestand noch viele ältere und kleinere Anlagen enthalten sind, die einen höheren Reparaturbedarf haben.“

4

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

4.1

Einbindung eines geeigneten Versicherungskonzepts

DR. THOMAS KOTTKE Dr. Thomas Kottke, Versicherungskaufmann und Diplom-Ökonom, ist seit Anfang 2010 für die NORDWEST ASSEKURANZMAKLER GMBH & CO. KG tätig. Als Spezialist für Risikomanagement und Industrieversicherung ist er dort mit der Konzeption von Risikomanagementlösungen betraut. Er betreut deren Integration in internationale Projekte, die u.a. Installation und Betrieb von Onshore- und Offshore-Windparks zum Ziel haben. Vorher war er von Juli 2001 bis Dezember 2007 an der Professur für Risikomanagement und Versicherungswirtschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen tätig und hat im Anschluss zwei Jahre bei einem Bremer Versicherungsmakler namhafte deutsche Industriekonzerne im Bereich internationale Versicherungen betreut.

4.1.1

Darstellung von Risiken aus der Planung, der Errichtung und dem Betrieb von Onshore-Windparks

Die Nutzung von erneuerbaren Energien, insbesondere die von Windenergie, erlebt vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Diskussion um eine sich weiter verschärfende Klimaproblematik derzeit erneut einen Aufschwung, nicht zuletzt auch wegen der jüngsten Ereignisse, die das japanische Atomkraftwerk Fukushima I betrafen. Diese hatten zur Folge, dass eine kritische Hinterfragung der zivilen Nutzung von Kernenergie erneut aufgeworfen wurde. Nach einer jüngst veröffentlichten Studie des FRAUNHOFER-INSTITUTS FÜR WINDENERGIE ENERGIESYSTEMTECHNIK (IWES) ist die Entwicklung für die Nutzung von OnshoreWindenergie soweit vorangeschritten, dass damit bereits heute bis zu 65 % des deutschen Strombedarfs gedeckt werden können. Beachtenswert ist dabei, dass das Potenzial aus Offshore-Windenergie noch nicht berücksichtigt wurde und das Potenzial allein aus OnshoreWindenergie damit schon heute erheblich größer ist als der Anteil des Atomstroms im derzeitigen deutschen Strommix.

UND

Auch wenn die in den Windparks errichteten Windenergieanlagen in der jüngsten Zeit durch die technische Entwicklung immer zuverlässiger geworden sind, sind sie vielfältigen Risiken

266

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

ausgesetzt, die zu Schäden führen können. Ohne ein ausreichendes Risiko- und Versicherungsmanagement ist durch diese Schäden am Ende ein Ertragsverlust sehr wahrscheinlich. Grundsätzlich stellen Schäden an WEA zwar ähnliche Probleme dar wie an jeder anderen Maschine auch. Allerdings ist die Anzahl von Lastwechseln über die gesamte Lebensdauer einer WEA ungleich höher als bei einer herkömmlichen stationären Maschine. Neben den aus dem Betrieb resultierenden Risiken ist das Serienschadenrisiko ein typisches Risiko, dem WEA ausgesetzt sind. Zudem existieren für die Phasen der Planung, der Errichtung und des Betriebs weitere Risiken, die eine Ertragssicherung beeinträchtigen können. Zunächst können sich im Rahmen der Planung eines Windparks Risiken manifestieren, die das Resultat einer wenig umsichtigen Projektierung sind, bei der der Fokus auf den Einsatz mangelfreier und zuverlässiger Komponenten vernachlässigt wird. Ebenso kann bereits während der Planung der Grundstein für eine nicht fachgerechte Montage entstehen. So ist beispielsweise vorstellbar, dass bei der Planung das Kostenmanagement einen so hohen Stellenwert einnimmt, dass minderwertige oder nicht ausgereifte Produkte gewählt werden oder für die Montage der Anlagen der Einsatz fachfremden oder unqualifizierten Personals geplant wird. Aber auch der eigentliche Planungsvorgang verlangt bereits ein umsichtiges Verhalten. So kann es sein, dass folgende wesentliche Faktoren zu wenig oder ggf. gar nicht berücksichtigt werden. Daher wäre es möglich, dass eine Nichteignung eines Standortes durch eine nicht genaue oder durch eine fehlende Vorortbesichtigung nicht festgestellt wird. Eine fehlende oder unrichtige Statikberechnung kann negative Konsequenzen nach sich ziehen wie auch die Auswahl von WEA, die möglicherweise für eine bestimmte Region nicht geeignet sind. Neben den üblichen Risiken, die sich im Zusammenhang mit der Errichtung von WEA ergeben, spielen die Risiken, die aus dem Probebetrieb resultieren, eine weitere wichtige Rolle. Hierunter ist zu verstehen, dass die WEA unter normalen Betriebsbedingungen unter Volllast eingesetzt werden. Dieser Probebetrieb ist vor jeder endgültigen Übergabe durchzuführen, um mögliche Fehler oder Mängel vor der Endabnahme zu entdecken. Erfahrungsgemäß ist der Probebetrieb ziemlich schadenbelastet. Die Folgen solcher Schäden haben eine negative Auswirkung auf die Zahlungsströme, da ein Fehlschlag des Probebetriebs eine verzögerte Inbetriebnahme nach sich ziehen kann. Das führt dazu, dass später als geplant Erträge erzielt werden. Der somit entgangene Gewinn wirkt sich wiederum negativ auf die Finanzierungskosten aus. Denn in den meisten Fällen werden Windparks fremd- und eigenfinanziert und die Kalkulation der Finanzierung beginnt zu einem abgestimmten Zeitpunkt. Die Kalkulation des Projekts erfolgt unter Berücksichtigung des Zeitpunkts der voraussichtlichen Inbetriebnahme und den damit verbundenen Erträgen. Bei einer verzögerten Inbetriebnahme wird der Zeitpunkt, zu dem die ersten Erträge erwirtschaftet werden können, nach hinten verlegt. Weitere Risiken, die während der Errichtungsphase zu berücksichtigen sind und die sich nicht auf mögliche technische Risiken beziehen, liegen in der Organisation des Projekts. Beispielsweise stellt sich die Frage nach den Folgen, wenn bei einer Einzelvergabe von Aufträgen ein Subunternehmer einen Schaden an einem Teilgewerk eines anderen Subunternehmers verursacht, oder aber wenn das Personal des Auftraggebers einen Schaden am Teilgewerk eines beauftragten Unternehmens verursacht. Außerdem wäre es möglich, dass ein beauftragtes Unternehmen während der Errichtung einen Schaden verursacht, diesen aber

4.1 Einbindung eines geeigneten Versicherungskonzepts

267

bestreitet. Denkbar wäre auch die Konstellation, dass ein beauftragtes Unternehmen einen Schaden verursacht, aber nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden kann, da es zum Zeitpunkt der Entdeckung oder der Realisierung des Schadens bereits insolvent ist. Eine weitere Frage, die – wenn sie nicht eindeutig geklärt ist – zu Streitigkeiten führen kann, ist die Frage nach der Art, dem Umfang und der Dauer der Gefahrtragung und wie diese vertraglich geregelt wurde. Vor allem ist die Regelung für Schäden durch höhere Gewalt für den Auftraggeber wichtig. Denn wenn er diese Schäden übernehmen muss und dieses Risiko nicht abwälzen kann, drohen ihm möglicherweise hohe Kosten, sollte sich diese Gefahr realisieren. Also stellt sich grundsätzlich für die Errichtungsphase die Frage, wie die Gefahrtragung, Gewährleistung, Haftung und Versicherung geregelt sind, um mögliche Risiken bereits in diesem Stadium des Projekts richtig einschätzen zu können. Weil die Ertragssicherung ein wesentliches Ziel beim Betrieb von Windparks ist, muss hinterfragt werden, welche Umstände den Ertrag in dieser Phase beeinflussen und vor allem beeinträchtigen können. Risiken ergeben sich aus den Betriebsbedingungen, denen die WEA ausgesetzt sind. Die mögliche Herkunft von potenziellen Schäden an WEA kann ermittelt werden, indem die herrschenden Bedingungen an den WEA genauer betrachtet und in fünf verschiedene Kategorien eingeteilt werden. So hat der GESAMTVERBAND DER DEUTSCHEN VERSICHERUNGSWIRTSCHAFT (GDV) bei Betrachtung der klimatischen Verhältnisse neben den sogenannten normalen externen Bedingungen, zu denen wetterbedingte Beeinträchtigungen durch hohe Windgeschwindigkeiten, Böen und Turbulenzen sowie Vereisung, Luftfeuchtigkeit, Flugsand und Salzgehalt zählen, noch sogenannte abnormale externe Bedingungen definiert, zu denen beispielsweise Hagel und Blitzschlag gehören. Ferner können neben weiteren Risiken beispielsweise Spannungsverluste oder Spannungsschwankungen in den Zusammenhang der Netzrückwirkung eingeordnet werden. Zu den sogenannten weiteren Einflüssen können beispielsweise Vogelschlag oder Erdbeben gerechnet werden. Zum Bereich der normalen internen Bedingungen zählt der GDV verschiedene Betriebszustände wie An- und Abfahren oder den Normalbetrieb. Daneben identifiziert der GDV noch windabhängige Zustände wie Schräganblasung sowie die Beeinflussung durch verschiedene Kräfte und Momente. Hierzu zählen u.a. Fliehkräfte und Kreiselkräfte. Zu den abnormalen internen Bedingungen, die das mögliche Schadenrisiko betreffen, zählen Störungen (z.B. GeneratorKurzschluss oder Störungen in der Gondelrichtungssteuerung) sowie beispielsweise Überleistungen oder Vibrationen als Ausprägungen von Betriebszuständen. Schließlich werden noch die sogenannten „anderen Bedingungen“ wie Wartung und Bedienung aufgeführt, denen ein besonderes Schadenpotenzial innewohnt. Eine gesonderte Stellung nimmt in allen drei Phasen die Haftung ein, die in jedem Falle ausreichend abgesichert sein sollte, um vor – vielleicht auch überraschenden – Ansprüchen von Dritten geschützt zu sein. Neben der allgemeinen Haftung eines Betreibers, die aus dem Betrieb einer WEA bzw. eines Windparks resultiert, existiert ebenfalls ein Risiko, welches aus der Planung einer WEA resultieren kann. Beispielsweise kann es aufgrund von falschen Berechnungen zu einem mangelhaften Fundament kommen oder aufgrund falscher Beratungen oder Beurteilungen zu einem nicht geeigneten Standort der WEA. Sollte die Planung für einen Dritten erfolgen, können hieraus mögliche Ansprüche wegen etwaig entstandener Schäden erfolgen. Sofern die Planung für die eigene Anlage erfolgt, würde es sich bei einem Schadenfall jedoch um einen sogenannten Eigenschaden handeln (dieser gilt im Rahmen

268

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

einer Haftpflichtversicherung nicht versichert). In der Errichtungs- und in der Betriebsphase können sich verschiedene Haftungsszenarien ergeben. So können Personen- oder Sachschäden durch herabfallende Anlagenteile oder durch das Abfallen und Abwerfen von Eis von den Rotorblättern, dem sogenannten Eiswurf entstehen. Außerdem besteht ein – wenn auch eher unwahrscheinliches – Haftungsrisiko durch das Einspeisen von Strom in das Netz eines öffentlichen Energieversorgungsunternehmens (EVU). Hier haftet der Betreiber für Schäden durch schädigende Rückwirkungen auf das Eigentum des Netzbetreibers bzw. des EVU des Kunden. Daneben gilt die übliche Verkehrssicherungspflicht, nach welcher man für hieraus verursachte Schäden auch haftet. Eine mögliche Haftung kann sich für den Betreiber der Anlage z.B. als Eigentümer, Mieter, Pächter, Nutznießer von Grundstücken, Gebäuden (beispielsweise Werkhallen als Servicestandort), Anlagen usw. ergeben. Neben dem Umwelthaftungsrisiko, welches Haftpflichtansprüche wegen Schäden durch Umwelteinwirkungen auf Boden, Luft oder Wasser umfasst (z.B. gemäß Umwelthaftungsgesetz), besteht des Weiteren eine noch recht junge zusätzliche Haftung, welche sich aus dem im Jahre 2007 in Kraft getretenen Umweltschadengesetz (USchadG) ergibt. Während bis dato lediglich zivilrechtliche Schadenersatzansprüche nur für die Beeinträchtigung zivilrechtlich geschützter Güter bestanden, gab es für Schäden an Allgemeingütern (bspw. Schäden an Ökosystemen), die nicht im Eigentum Dritter stehen, keine Haftung – wenn man einmal von einer öffentlich-rechtlichen Haftung im Rahmen des Gefahrenabwehrrechts absieht. Durch das USchadG wurde die Haftungslage erheblich verschärft und ist nun bereits dann gegeben, wenn sich die geschädigte Umwelt nicht im Eigentum Dritter befindet und somit nicht zivilrechtlich geschützt ist. Auch ist die Schädigung der Umwelt unabhängig davon, ob Ansprüche erhoben werden. Es ist ausreichend, wenn Behörden – auch auf Aufforderung von Umweltverbänden – ein Handeln oder eine Kostenerstattung fordern. Das USchadG regelt, wer in welchem Umfang haftet. Grundsätzlich gilt dies für jeden Umweltschaden, der auf eine berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist.

4.1.2

Risikobewältigungsstrategien

Zur Bewältigung von Risiken, die aus der Planung, aus der Errichtung und aus dem Betrieb von Windparkprojekten resultieren, ist eine geeignete Risikobewältigungsstrategie unabdingbar. Weil bereits in Kapitel 1.3 ein übergeordnetes Risikomanagement- und Projektrisikomanagement eingehend dargestellt wurden, soll folgend der Fokus auf Risikobewältigungsstrategien gelegt werden, die eine besondere Relevanz für die drei wichtigen Phasen eines solchen Projektes haben. Zur Festlegung einer geeigneten Risikobewältigungsstrategie ist die Implementierung eines Ziel erfüllenden Projektmanagements genauso wichtig wie die Integration eines wirksamen und effektiven Projektrisikomanagements. Das Projektrisikomanagement muss die Sicherung und den Ausbau des Erfolgspotenzials des gesamten Projekts unter Berücksichtigung langfristiger und strategischer Überlegungen umfassen. Ferner muss bereits im Vorfeld das Risikobewusstsein bei den Projektbeteiligten dahingehend sensibilisiert werden, dass die allgegenwärtige Gefahr von Fehlentscheidungen, aber auch die Möglichkeit von Chancen bei

4.1 Einbindung eines geeigneten Versicherungskonzepts

269

sämtlichen Entscheidungen möglichst präsent sind. Mögliche Unsicherheitsfaktoren müssen zur Zielerfüllung analysiert und Handlungsalternativen hinsichtlich Verlustgefahren und Gewinnchancen abgewogen werden. Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass die frühzeitige Einbindung möglichst aller Beteiligter der einzelnen Projektphasen für ein erfolgreiches Projektrisikomanagement notwendig ist, um sicherstellen zu können, dass beim Aufbau eines dem Projekt angepassten Risikomanagementsystems rechtzeitig Chancen und Risiken erkannt werden. Für die praktische Risikobewältigung ist zunächst die Risikoidentifikation durchzuführen, die mittels Risikoanalysen einschließlich der Vorschläge für Handlungsmaßnahmen umgesetzt werden kann. Anhand anschaulicher Visualisierungen – z.B. in Ampelform – wird dem Projektmanagement ein schneller Überblick über kritische Bereiche gegeben, welches dann gegebenenfalls notwendige Maßnahmen einleiten kann. Eine sinnvolle Herangehensweise zur systematischen Erfassung der Risiken ist die Aufteilung des Projektprozesses in unterschiedliche Stufen, die wiederum in sachgerechte Untereinheiten untergliedert werden. Durch diese Modularisierung von Prozessschritten können Projekteinheiten separiert und analysiert werden. Jede separat zu betrachtende Einheit kann ihrerseits mit Risiken belegt werden, die aus dem entsprechenden (Unter-)Prozess resultieren. Auf diese Weise erhält man einen Überblick über eine größtmögliche Anzahl von Risiken, die sich im Projektverlauf manifestieren und den Projekterfolg erheblich gefährden können. Die Aufbereitung der identifizierten Risiken ist mittels einer Risikomatrix möglich. Diese gibt Aufschluss darüber, wann im Projekt welches mögliche Risiko eintreten kann und wie es sich auf das gesamte Projekt auswirken kann. Mit den bereits etablierten „Ampel-Bewertungen“ kann in einem dreistufigen Verfahren die totale Gefährdung, eine gewisse Beeinträchtigung oder aber eine weitestgehende Unbedenklichkeit eines Risikos in Verbindung mit grob geschätzten (oder auf Erfahrungen basierenden) Eintrittswahrscheinlichkeiten dargestellt werden. Ein Vorteil ist, dass der Projektbetreiber frühzeitig einen Überblick darüber erhält, welche Risiken sein Projekt bedrohen können, und er kann bereits in diesem Stadium der Projektplanung Gegenstrategien entwickeln, wie beispielsweise im Falle des Verlusts einer wichtigen Projektkomponente vorzugehen sein wird. Über die Festlegung von Verantwortlichkeiten und die Einschätzung der Dauer von Zeitabläufen kann so der zeitliche Ausfall bei Eintritt eines bestimmten Umstands vorausgesehen und eine eventuell notwendige Verlängerung des Projekts eingeplant werden. Durch eine ex ante Betrachtung eines kritischen Wegs kann so die maximale Dauer eines Projekts zumindest als Worst Case-Szenario eingeschätzt werden. Folgend sollen Handlungsmaßnahmen veranschaulicht werden, die für die Bewältigung von solchen Risiken angezeigt sind, die nicht versicherbar sind, bevor ab Kapitel 4.1.4 Versicherungslösungen für die Planungs-, Errichtungs- und Betriebsphase vorgestellt werden. Ist die Risikoidentifikation erfolgt, ist in einem nächsten Schritt nach geeigneten Handlungsmaßnahmen zu suchen. An dieser Stelle sei angemerkt, dass der Risikotransfer auf Versicherungsunternehmen grundsätzlich nur als zweitbeste Lösung begriffen werden sollte. Daher sollte im Vorfeld geprüft werden, ob andere Instrumente des Risikomanagements geeignet sind, das Risiko einzudämmen bzw. abzuwenden. Ferner gilt es zu prüfen, ob für den Fall, dass eine Risikobewältigungsstrategie nicht angewendet werden kann, ein zur Diskussion stehendes identifiziertes Risiko überhaupt transferiert werden kann. Denn Versicherungsunternehmen sind in bestimmten Fällen entweder nicht in der Lage oder nicht bereit, sämtli-

270

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

che Risiken zu übernehmen. Eine erste Handlungsmaßnahme ist die Risikovermeidung, unter der verstanden wird, dass eine risikoreiche Aktivität von vornherein nicht in Frage kommt. Dagegen wird unter Risikoverminderung verstanden, dass Risikopotenziale nicht ausgeschlossen, sondern auf ein akzeptables Maß reduziert werden. Die Risikobegrenzung als nächste Maßnahme umfasst die beiden Bereiche Risikostreuung (auch Risikodiversifikation genannt) und die Risikolimitierung. Die Risikostreuung basiert auf der Portfolio-Theorie, die besagt, dass es bei der Kombination nicht vollständig miteinander korrelierender Anlagealternativen in einem Portfolio zu einem Diversifikationseffekt kommt, der in der Summe das Gesamtrisiko verringert oder sogar neutralisieren kann. Dahingegen werden bei der Risikolimitierung vom Management definierte Obergrenzen für das Eingehen von Risiken gesetzt, die unbedingt einzuhalten sind. Sowohl die Verminderung als auch die Begrenzung von Risiken schließen die Risiken nicht vollständig aus, sodass das Unternehmen das verbleibende Restrisiko akzeptieren und selbst tragen oder transferieren muss. Für den ersten Fall, Risikoakzeptanz genannt, muss ein entsprechendes Risikodeckungspotenzial (Kapitaldecke) vorhanden sein, weil ein eventuell eintretender Schaden aus eigener (Unternehmens-)Kraft gedeckt werden muss. Unter der letzten Handhabungsmöglichkeit, dem Risikotransfer (oder auch Risikoüberwälzung), versteht man die faktische oder die vertragliche, teilweise oder völlige Überwälzung von Risiken auf Dritte. Das Besondere an diesem Verfahren ist, dass es sich hierbei um ein zusätzliches Geschäft handelt, bei dem das Risiko nicht beseitigt, sondern vollständig oder zu wesentlichen Teilen an Dritte weitergegeben und damit der Risikoträger gewechselt wird. Auch wenn folgend lediglich auf die Möglichkeit des Transfers auf Versicherungsunternehmen eingegangen wird, ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Transfer auf Versicherungsunternehmen oder auf andere Vertragspartner stattfindet.

4.1.3

Darstellung der Erfahrung mit Schäden

Grundlegendes Wie eingangs erläutert sind Windparks unterschiedlichen Risiken ausgesetzt, die sich als Schäden manifestieren und damit die Zahlungsströme beeinträchtigen können. Folgend werden einige Erfahrungen mit Schäden dargestellt, die zunächst widerspiegeln, welche Art von Schäden bei der Planung, Errichtung und beim Betrieb von Windparks aufgrund interner und externer Risiken projektgefährdend sein können. Anschließend werden beispielhaft übliche technische Schäden vorgestellt, die ebenfalls projektgefährdend sein können. Aus einem internen Betriebsrisiko resultieren beispielsweise Schäden durch Bedienungsfehler. Für die Bewältigung der komplexen Technik von WEA ist qualifiziertes und erfahrenes Personal notwendig. Schäden können hier durch Unaufmerksamkeiten, Fehleinschätzungen oder auch durch Ausfall der Mitarbeiter aufgrund von Krankheiten entstehen. Bei Betrachtung der eingangs angesprochenen technischen Risiken hat sich im Laufe der Jahre herausgestellt, dass vorzeitige Abnutzung bzw. Verschleiß oder auch Sachschäden infolge mangelnder Kontrollen nicht selten zu erheblichen Schäden führen. Hinsichtlich der Systemrisiken ist ein Bauteilversagen, beispielsweise in Form von Ausfällen der Elektrik, häufig die Ursache

4.1 Einbindung eines geeigneten Versicherungskonzepts

271

für schwerwiegende Schäden. Insbesondere ein Ausfall des Steuer- und Überwachungssystems für den Anlagenbetrieb kann weitreichende Konsequenzen haben. Beispielsweise kann der Ausfall des Pitchsystems bei zu hohen Windgeschwindigkeiten angeführt werden, der zur Folge hat, dass der Rotor in Überdrehzahl gerät und so durch Überhitzung ein Brand entsteht. Weitere Schäden entstehen durch übermäßige Beanspruchung der Rotorblätter. Dies hat zur Folge, dass die Rotorblätter abbrechen bzw. abreißen oder sich in einem solchen Maß verbiegen, dass sie gegen den Turm schlagen und zerbrechen. Zudem entstehen hohe Schäden durch Ausfälle der Steuerung von WEA durch die Elektrik. Außerdem sind Schäden denkbar, die sowohl auf personelle Ursachen als auch auf Ausfälle der Elektrik bzw. mangelnde Kontrollen zurückgeführt werden können. Hier sind maßgebend eine mangelnde Kühlung oder eine mangelnde Schmierung zu nennen. In beiden Fällen werden das Lager, das Getriebe und der Generator stark belastet, was unter anderem auch zu Schäden durch Brandentwicklung führen kann. Hinsichtlich der externen Risiken sind Stürme und Blitzschläge hervorzuheben. Die Erfahrung aus der Versicherung von Windparks zeigt, dass durch Stürme verheerende Schäden an den Rotorblättern, der Elektrik und am Getriebe entstehen können. Des Weiteren sind Schäden durch Vereisung und Brände zu verzeichnen gewesen. Eine Ursache für Brandschäden waren Kurzschlüsse in Kabeln, die zum Totalschaden geführt haben. Vereisungen an den Rotorblättern führten zu Schäden aufgrund erhöhter Lasten im Rotor und zudem wurden durch den zeitversetzten Eisabgang an den Blättern hohe Querbeschleunigungen ausgelöst, die zu Schäden an den Fundamenten geführt haben. Rotorblätter Bei den üblichen Schäden, die an Rotorblättern entstehen, handelt es sich vor allem um Risse, Schwingungsbrüche, Ablösungen, Laminationsfehler und „Explosion“ oder Aufplatzen der Blätter durch Blitzschlag. Zwar sorgen redundante, bzw. ineinandergreifende Sicherheitssysteme dafür, dass Überlasten verhindert werden, allerdings kann es selbst bei normalen Witterungsverhältnissen durch die Kombination mehrerer Fehler zu einem Versagen der Sicherheitssysteme und damit zu den angesprochenen Schäden kommen. Folgende Ursachen waren häufig der Grund für Schäden: neben Herstellungsfehlern, Schwingungen, Konstruktionsfehlern, Schräganströmungen oder Frost, Eis, Hagel und Gewitter waren auch nicht aktivierte sicherheitsrelevante Alarme sowie Fehler in der Steuerung und Signalübertragung ursächlich für Schäden. Getriebe und Rotorhauptlager Die häufigsten Schäden in diesem Bereich sind Rotorhauptlagerschäden, Lagerschäden an Planetenstufe und Stirnradstufe des Hauptgetriebes sowie Verzahnungsschäden an Planetenund Stirnradstufe. Die Ursachen hierfür liegen in der Regel in ungewöhnlichen Ausprägungen der dynamischen Lasten, in Konstruktions-, Auslege- und Herstellungsfehlern, in falscher oder nicht ausreichender Schmierung und in mangelhafter Wartung begründet. Eine besondere Herausforderung stellt die Beherrschung der unterschiedlichen Belastungen im Antriebsstrang dar, da es auch heute noch schwierig ist, die hier tatsächlich auftretenden dynamischen Lasten ex ante zu berechnen. So bilden Lager- und Verzahnungsschäden in den Getrieben den Schadenschwerpunkt im Antriebsstrang. Ferner ist zu beobachten, dass die

272

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

tatsächliche Lebensdauer von Getrieben in WEA teilweise erheblich unterhalb der vorausberechneten liegt. Generatoren Die Generatoren als Kernbestandteil einer WEA sind in der Vergangenheit ebenfalls schadenbelastet gewesen. Aus Montagefehlern, durch Überlastung, durch beispielsweise nicht fachgerechte Ausführung der Wickelisolation, mangelhafte Wartung oder eine fehlerhafte Ausrichtung während der Montage, entstehen Lagerschäden an A- und B-Lagern sowie Wicklungsschäden. Elektrische Einrichtungen Elektrische Einrichtungen sind erfahrungsgemäß besonders durch Defekte und Fehler betroffen, die entweder teure Folgeschäden oder aber einen Totalschaden der Anlage zur Folge haben können. Auch hier sind Brände durch Überhitzung aufgrund von Lichtbögen, Kurzschlüssen oder Überlasten häufige Schäden. Ursachen hierfür können beispielsweise das Versagen der Steuerelektronik, ein unzureichendes elektrisches Schutzkonzept, ein fehlender Überspannungsschutz, Bauteilausfälle durch Verschleiß oder auch mangelhafte Wartung sein. Fundamente Auch die Fundamente von WEA können durch unterschiedliche Ursachen Schäden davontragen, die zum Beispiel durch Witterungseinflüsse bedingt sind. So kann unter Umständen Wasser durch Risse im Beton zu Rost in der Stahlarmierung führen. Im Zuge fortschreitender Korrosion reißt die Stahlarmierung, was eine Beeinträchtigung der Stabilität zur Folge hat. Außerdem kann Wasser den Beton auswaschen und Hohlräume verursachen, in denen dann große Flächen der Armierung freiliegen. Ferner kann eindringendes Wasser in die Fuge zwischen Fundamenteinbauteil und Fundament durch Auswaschungen und Korrosion zu einer gefährlichen Vergrößerung des Spiels zwischen den beiden Komponenten führen. In jüngster Zeit traten vermehrt Schäden bei Fundamenteinbauteilen mit zwei umlaufenden Druckringen auf. Diese äußern sich durch halbkreis- oder ringförmige Risse um das Fundamenteinbauteil sowie Risse im Turminneren. Weiteres Erscheinungsmerkmal sind Risse über dem oberen und unter dem unteren Druckring sowie radial verlaufende Risse vom Turmschaft zur Außenseite des Fundaments. Die Ursache hierfür ist in einer Verknüpfung unterschiedlicher Faktoren zu finden: unzureichende Bewehrung, fehlende Weichschichten über dem oberen und unter dem unteren Druckring oder Betonierschatten unter den Druckringen.

4.1.4

Darstellung von Versicherungslösungen für die Planungs- und Errichtungsphase

Zur Absicherung des Sachschadenrisikos während der Errichtung eines Windparks empfiehlt sich der Abschluss einer Montageversicherung. Ein solcher Vertrag kann entweder vom Auftraggeber/Besteller oder vom beauftragten Generalunternehmer (Auftragnehmer) bzw. im Fall von Einzelvergaben durch die einzelnen Unternehmen abgeschlossen werden. Ratsam ist jedoch der Abschluss einer einzigen Police, welche die Interessen sämtlicher Unter-

4.1 Einbindung eines geeigneten Versicherungskonzepts

273

nehmer, die an dem Vertrag mit dem Besteller beteiligt sind, versichert – einschließlich die des Auftraggebers/Bestellers selbst. Daneben sind die Interessen der Montage- und Herstellerfirmen einschließlich aller Subunternehmer, die zur Erstellung der mit dem Auftraggeber vertraglich vereinbarten Leistungen beauftragt werden, ebenfalls mitversichert. Versicherungsschutz kann im Zusammenhang mit möglichen Sachschäden jeweils im Rahmen der entsprechenden liefervertraglichen Haftungen der mitversicherten Parteien abgeschlossen werden. Sofern liefervertraglich zumindest ein Teil der Gefahrtragung (z.B. höhere Gewalt) während der Errichtungsphase der WEA beim Auftraggeber liegt, bietet der Abschluss eines Vertrages durch den Auftraggeber/Besteller, bei welchem die Interessen sämtlicher beteiligter Parteien mitversichert sind, für ihn diverse Vorteile. Würden nämlich die beauftragten Unternehmen separate Versicherungsverträge abschließen, in welchen lediglich für die jeweils zu erstellenden Teilgewerke Versicherungsschutz besteht, hätte der Auftraggeber/Besteller keine Möglichkeit, auf die Höhe der Prämie oder die Qualität des Bedingungswerkes Einfluss zu nehmen. Schließt der Auftraggeber/Besteller hingegen eine Montageversicherung für sämtliche Teilgewerke ab, ist er in der Lage, diese maßgebend zu beeinflussen. Außerdem wird hierdurch vermieden, dass die Interessen des Auftraggebers/Bestellers in den Einzelpolicen der Auftragnehmer gegebenenfalls nicht mit eingeschlossen sind. Eine Umlage der Prämie auf die einzelnen Unternehmen ist hierbei grundsätzlich in Erwägung zu ziehen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass im Versicherungsvertrag eine Regelung aufgenommen werden sollte, aus der hervorgeht, dass die Mitversicherten so gestellt werden, dass der Vorsatztatbestand nur dem jeweils schadenstiftenden Unternehmen angerechnet wird. Weiterhin hat der Abschluss eines gemeinsamen Vertrages den Vorteil, dass sowohl Deckungslücken als auch -überschneidungen vermieden werden. So könnten beispielsweise Beistellungen des Auftraggebers nicht vom Versicherungsschutz erfasst sein oder aber Mehrfachversicherungen dadurch bestehen, dass jeder Unternehmer für eventuelle Übergreifschäden auf die Teilgewerke der anderen Unternehmer Sachen im Gefahrenbereich mitversichert. Zudem bietet eine Gesamtpolice den Vorteil, dass im Schadenfall nicht mehrere Versicherungsverträge bei gegebenenfalls unterschiedlichen Risikoträgern betroffen sind und es durch die Prüfung der Zuständigkeiten zu einer verzögerten Schadenabwicklung kommt (Schnittstellenproblematik). Durch das Konstrukt, dass ein gemeinsamer Vertrag geschlossen wird, ist der Auftraggeber/ Besteller der Versicherungsnehmer und daher im Schadenfall auch stets der Entschädigungsberechtigte. Dies spielt beispielsweise dann eine Rolle, wenn ein beauftragtes Unternehmen nach einem Schadenfall aufgrund von Insolvenz seiner Pflicht zur Reparatur nicht nachkommen kann. Im Falle von Einzelverträgen würde die Entschädigungsleistung in die Insolvenzmasse des betroffenen Unternehmens fließen und letztlich müsste der Auftraggeber/ Besteller für die entstehenden Zusatzkosten aufkommen. Es ist zu bedenken, dass auch für den Fall, bei dem der Hersteller lediglich die WEA liefert und errichtet und der Auftraggeber/Besteller dagegen die Infrastruktur (bspw. Umspannwerk und Verkabelung) einrichtet, für einen ausreichenden Montageversicherungsschutz gesorgt wird.

274

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Wie bereits vorab angesprochen, ist die dringende Notwendigkeit, dass der Auftraggeber/ Besteller selbst überhaupt eine Montageversicherung installiert, im Wesentlichen von der im Liefer- und Leistungsvertrag geregelten Gefahrtragung zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer abhängig. Beispielhaft genannt seien hier die VERGABE- UND VERTRAGSORDNUNG FÜR BAULEISTUNGEN (VOB), die dem Vertrag zugrunde gelegt werden können sowie die Vereinbarung eines sogenannten Turn-Key-Vertrages, der das schlüsselfertige Errichten unter Einsatz eines Generalunternehmers oder eines Konsortiums umfassen kann. Im letztgenannten Fall trägt der Auftragnehmer oftmals die Gefahr für sämtliche Risiken, die mit der Errichtung einhergehen. Insbesondere sei hier genannt, dass auch die Planungs- und Koordinierungsrisiken auf ihn übertragen werden können. Werden hingegen die VOB als Vertragsbedingungen für die Errichtung zugrunde gelegt, ist die Gefahrtragung dahingehend geregelt, dass ein Teil der Risiken beim Auftraggeber verbleibt. Dies sind gemäß Teil B, § 7 der VOB z.B. höhere Gewalt sowie andere objektiv unabwendbare und vom Auftragnehmer nicht zu vertretende Umstände. In diesem Falle ist der Abschluss einer Montageversicherung durch den Auftraggeber als Versicherungsnehmer eine wesentliche Absicherungsmöglichkeit. Die Montageversicherung sollte alle Lieferungen und Leistungen zur Errichtung eines Windparks umfassen, soweit diese erstmals innerhalb des Versicherungsortes abgeladen worden sind. Somit sind auch angelieferte, zwischengelagerte Teile mitversichert. Der Versicherungsschutz endet bedingungsgemäß nach Abnahme des Montageobjekts und umfasst daher auch den Probebetrieb, dessen maximale Dauer regelmäßig auf einen gewissen Zeitraum beschränkt wird. Im Rahmen einer solchen Versicherung wird für unvorhergesehen eintretende Beschädigungen und Zerstörungen sowie Verluste der versicherten Sachen Entschädigung geleistet. Hierzu zählt u.a. auch Diebstahl von versicherten Sachen und zwar auch dann, wenn diese noch nicht verbaut, sondern nur zwischengelagert wurden. Somit handelt es sich bei der Montageversicherung um eine Allgefahren-Versicherung mit nur wenigen generellen Ausschlüssen. Diese Ausschlüsse können durch besondere Bestimmungen noch reduziert werden. Gemäß den Allgemeinen Versicherungsbedingungen des GDV leistet der Versicherer zum Beispiel keine Entschädigung für Mängel der versicherten Lieferungen und Leistungen sowie sonstiger versicherter Sachen. Darüber hinaus leistet der Versicherer ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen im Wesentlichen keine Entschädigung für • Schäden durch Vorsatz des Versicherungsnehmers, der mitversicherten Unternehmen oder deren Repräsentanten; • Schäden oder Verluste durch normale Witterungseinflüsse, mit denen wegen der Jahreszeit und der örtlichen Verhältnisse gerechnet werden muss; Entschädigung wird jedoch geleistet, wenn der Witterungsschaden infolge eines anderen entschädigungspflichtigen Schadens entstanden ist; • Schäden, die durch betriebsbedingte normale oder betriebsbedingte vorzeitige Abnutzung oder Alterung verursacht werden; • Verluste, die erst bei einer Bestandskontrolle festgestellt werden; • Schäden, die später als einen Monat nach Beginn der ersten Erprobung eintreten und mit einer Erprobung zusammenhängen;

4.1 Einbindung eines geeigneten Versicherungskonzepts

275

• Schäden durch Einsatz einer Sache, deren Reparaturbedürftigkeit dem Versicherungsnehmer, den mitversicherten Unternehmen oder deren Repräsentanten bekannt sein musste; der Versicherer leistet jedoch Entschädigung, wenn der Schaden nicht durch die Reparaturbedürftigkeit verursacht wurde oder wenn die Sache zur Zeit des Schadens mit Zustimmung des Versicherers wenigstens behelfsmäßig repariert war; • Schäden durch Mängel, die bei Abschluss der Versicherung bereits vorhanden waren und dem Versicherungsnehmer den mitversicherten Unternehmen oder deren Repräsentanten bekannt sein mussten; • Schäden durch Beschlagnahme oder sonstige hoheitliche Eingriffe; • Schäden durch Krieg, kriegsähnliche Ereignisse, Bürgerkrieg, Revolution, Rebellion oder Aufstand; • Schäden durch Kernenergie, nukleare Strahlung oder radioaktive Substanzen. Als Versicherungssumme wird in der Montageversicherung zunächst der voraussichtliche Kontraktpreis inklusive Fracht-, Montage- und Zollkosten, Gewinn sowie Lieferungen oder Leistungen zugrunde gelegt. Etwaige Änderungen des Umfangs werden nach Beendigung der Errichtung erfasst und auf dieser Basis die endgültige Summe ermittelt. Die zu Beginn gezahlte Prämie wird schließlich mit der sich hieraus ergebenden Prämie verrechnet. Zusätzlich werden üblicherweise noch diverse weitere Versicherungssummen auf Erstes Risiko für einzelne Kostenpositionen vereinbart. Die Formulierung „auf Erstes Risiko“ bedeutet, dass diese Summen zusätzlich zur Verfügung stehen und unabhängig vom jeweiligen Versicherungswert Versicherungsschutz besteht. Darüber hinaus bietet es sich an, eine Erstrisikosumme für Sachen im Gefahrenbereich abzuschließen. Werden Sachen im Gefahrenbereich des zu errichtenden Windparks beschädigt oder zerstört, entschädigt der Versicherer die Wiederherstellungskosten bis zur vereinbarten Summe, und zwar unabhängig davon, wem diese Sachen gehören. Je nach Wortlaut der Klausel kann dies für sämtliche Schäden an Sachen Dritter gelten, die im Zusammenhang mit der Errichtung des Windparks entstehen. Üblicherweise wird im Schadenfall die Versicherungsleistung um einen vereinbarten Selbstbehalt gekürzt. Entstehen mehrere Schäden, so wird der Selbstbehalt jeweils einzeln abgezogen. Für Verluste durch Diebstahl wird zusätzlich zum vereinbarten Mindestselbstbehalt oftmals ein prozentualer Abzug vereinbart. Weiterhin gilt zu beachten, dass durch ein ersatzpflichtiges Schadenereignis im Rahmen der Montageversicherung die Gefahr besteht, dass sich die geplante Inbetriebnahme bzw. die Aufnahme des kommerziellen Betriebes verzögert. Durch den Abschluss einer MontageBetriebsunterbrechungsversicherung, als Zusatzdeckung zur Montageversicherung, können die finanziellen Folgen einer solchen Verzögerung abgesichert werden. Diese ergeben sich im Wesentlichen aus entgangenem Gewinn sowie fortlaufenden Fix- und Finanzierungskosten. Hinsichtlich sogenannter Bottleneck-Risiken – darunter werden weitläufig solche Risiken verstanden, die geeignet sind, mittels eines Ausfalls ein gesamtes Projekt zu gefährden (beispielsweise der Totalverlust eines Umspannwerkes kurz vor Fertigstellung eines Windparks) – kommt der Montage-Betriebsunterbrechungsversicherung eine besondere Bedeutung zu. Denn im Rahmen einer (reinen) Montageversicherung besteht grundsätzlich kein Versicherungsschutz für Einnahmeausfälle durch eine nicht rechtzeitige Fertigstellung der

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4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

jeweiligen Projekte. Schadenbedingte Verzögerungen sind jedoch im Rahmen einer Montage-Betriebsunterbrechungsversicherung grundsätzlich versicherbar. Dabei hängen der Umfang des Versicherungsschutzes sowie die Prämienhöhe von der jeweils individuellen Risikosituation, der Höhe der Versicherungssumme, des vereinbarten zeitlichen Selbstbehaltes sowie der Haftzeit ab. Es ist zu beachten, dass die Montage-Betriebsunterbrechungsversicherung nur in Verbindung mit der Montageversicherung abgeschlossen werden kann und regelmäßig nur bei großen Projekten üblich ist. Für die finanzierenden Banken von Onshore Windpark-Projekten gilt, dass geprüft werden sollte, ob die Liquidität infolge einer solchen Verzögerung gesichert ist. Anders als bei der Ermittlung der Versicherungssumme für die Montageversicherung ergibt sich die zu vereinbarende Versicherungssumme bei der Montage-Betriebsunterbrechungsversicherung aus dem erwarteten Jahresenergieertrag. Dieser wird aus dem Produkt der erwarteten Strommenge pro Jahr in kWh und dem Einspeiseertrag pro kWh ermittelt. Wie oben bereits aufgeführt, wird in der Regel ein zeitlicher Selbstbehalt je Schadenfall vereinbart. Im Rahmen dieses Selbstbehaltes sind sämtliche Kosten eines Schadens vom Versicherungsnehmer selbst zu tragen. Zur Absicherung möglicher Haftpflichtansprüche, die sich in erster Linie aus der bereits erwähnten Verkehrssicherungspflicht ergeben, sollte für den Auftraggeber bzw. Projekteigentümer Versicherungsschutz im Rahmen einer Bauherrenhaftpflichtversicherung bestehen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass im Gegensatz zur Montageversicherung für die Haftpflichtversicherung jeder Projektbeteiligte für den eigenen Versicherungsschutz verantwortlich ist. Sollte der Auftraggeber/Besteller als Errichter auch selbst die notwendigen Bauarbeiten ausführen, ist ebenfalls ausreichender Versicherungsschutz für die sich aus der Installation der Anlage, eventuellen Umbauten oder auch Reparaturen sowie aus Abbruch- und Aushubarbeiten ergebenden Haftpflichtrisiken notwendig. Sofern der Auftraggeber/Besteller auch der künftige Betreiber der Anlage ist, bietet es sich an, eine kombinierte Bauherren- und Betreiberhaftpflichtversicherung abzuschließen. Hierdurch wird ein durchgehender Versicherungsschutz während der Errichtungs- und Betriebsphase gewährleistet. Sofern Auftraggeber/Besteller und Betreiber nicht übereinstimmend sind, ist im Rahmen einer Betreiberhaftpflichtversicherung jedoch auch auf den Einschluss des Bauherrenhaftpflichtrisikos zu achten, um den Versicherungsschutz für eventuelle Umbauten oder Reparaturarbeiten sicherzustellen. Bezüglich der Planungsphase ist bereits eingangs dieses Kapitels erläutert worden, dass ein Haftungsrisiko nur dann besteht, wenn für Dritte geplant wird. Führt der Betreiber beispielsweise auch Planungsleistungen aus, handelt es sich bei einem Schaden, der aus einem Planungsfehler resultiert, um einen sogenannten Eigenschaden. Da im Rahmen einer Haftpflichtversicherung nur dann Versicherungsschutz besteht, wenn ein Dritter Ansprüche erhebt, ist dies nicht Gegenstand der Versicherung. Aber es sollte bedacht werden, dass rechtmäßige Ansprüche von Dritten zunächst höchstwahrscheinlich an den Betreiber gestellt werden, der dann, sofern ihn selbst kein Verschulden trifft, Regress bei einem Zulieferer nehmen kann. Aus diesem Grunde ist es wichtig, dass sich Betreiber von WEA von Zulieferern und allen am Bau Beteiligten und den Betriebsführern einen ausreichenden Versicherungsschutz im Rahmen einer Betriebshaftpflichtversicherung nachweisen lassen. Bei Her-

4.1 Einbindung eines geeigneten Versicherungskonzepts

277

stellern/Zulieferern von Teilen sollte im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung auf den Einschluss einer sogenannten erweiterten Produkthaftpflichtversicherung geachtet werden. Diese bietet Versicherungsschutz für bestimmte Vermögensschäden, wie beispielsweise Ausund Einbaukosten durch die gelieferten Erzeugnisse (die erweiterte Produkthaftpflichtversicherung ist jedoch für Hersteller/Zulieferer von kompletten/fertigen WEA nicht notwendig). Sollte das Projekt von einem Dritten geplant worden sein, wäre es auch sinnvoll, sich für die erfolgten Planungsleistungen entsprechenden Versicherungsschutz für Vermögensschäden im Rahmen einer Planungshaftpflichtversicherung nachweisen zu lassen, damit in einem möglichen Schadenfall die eigenen Ansprüche für Schäden, die aus einer falschen Planung resultieren, ebenfalls geltend gemacht werden können und entsprechender Versicherungsschutz beim Planer besteht. Wichtig ist, dass hierüber Versicherungsschutz für Schäden am geplanten Objekt besteht und man sich dieses auch entsprechend durch eine Bestätigung nachweisen lässt.

4.1.5

Darstellung von Versicherungslösungen für die Betriebsphase

Absicherung des Sachschadenrisikos Sobald nach einem erfolgreich beendeten Probebetrieb die Inbetriebnahme der WEA erfolgt ist, wird Versicherungsschutz im Rahmen einer Maschinenversicherung benötigt, sodass ein lückenloser Übergang des Deckungsschutzes zwischen der Errichtungs- und der Betriebsphase gewährleistet ist. Aufgrund der zahlreichen Besonderheiten von WEA werden den Versicherungsverträgen üblicherweise Deckungskonzepte zugrunde gelegt, die zunächst auf allgemeinen Versicherungsbedingungen für fahrbare bzw. stationäre Maschinen538 basieren, jedoch im Rahmen von zusätzlichen Besonderen Vereinbarungen an die besonderen Gegebenheiten angepasst werden. Diese enthalten beispielsweise klare Definitionen der versicherten Sachen. So muss definiert werden, dass Versicherungsschutz für die jeweils genannten WEA inklusive aller zum Betrieb und zur Stromeinspeisung erforderlichen Anlagen, Einrichtungen und Gewerke besteht. Hierzu zählen insbesondere Fundamente, parkinterne Kabel, Transformatoren, Schaltanlagen und Übergabestationen. Die parkexterne Verkabelung sowie ein eventuell vorhandenes Umspannwerk sind hingegen üblicherweise nur nach besonderer Vereinbarung mitversichert und somit müssen diese – je nach Notwendigkeit – in den Versicherungsschutz mit einbezogen werden. Für Windparkbetreiber wird durch den Abschluss solcher spezieller Allgefahren-Konzepte eine weitreichende Absicherungsmöglichkeit geboten, da sämtliche unvorhergesehen eintretende Beschädigungen und Zerstörungen der Anlage oder einzelner Anlagenteile sowie Verluste durch Abhandenkommen infolge von Diebstahl, Einbruchdiebstahl, Raub oder Plünderung versichert sind. So sind insbesondere Sachschäden durch Bedienungsfehler, 538

Es handelt sich hierbei um die Allgemeinen Bedingungen für die Maschinenversicherung von stationären Maschinen (AMB) sowie die Allgemeinen Bedingungen für die Maschinen- und Kaskoversicherung von fahrbaren und transportablen Geräten (ABMG).

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4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Ungeschicklichkeit, Konstruktions- oder Materialfehler, Kurzschluss, Überspannung, Brand, Blitzschlag, Versagen von Regel- oder Sicherheitseinrichtungen, Öl- oder Schmiermittelmangel, Sturm, Frost und Erdbeben vom Versicherungsschutz erfasst. Dass es sich hierbei nur um eine beispielhafte Aufzählung möglicher Schadenursachen handelt, ergibt sich aus der Formulierung Allgefahren-Versicherung. Diese bedeutet, dass grundsätzlich Versicherungsschutz für sämtliche Gefahren besteht und Sachschäden stets dann entschädigungspflichtig sind, sofern kein Ausschlusstatbestand vorliegt. Bei den üblichen der in den jeweiligen Bedingungen geregelten Ausschlüsse handelt es sich im Wesentlichen um vorsätzlich vom Versicherungsnehmer herbeigeführte Schäden, innere Unruhen, Krieg oder Kernenergie, Schäden durch bereits vorhandene und bekannte Mängel, durch den Einsatz reparaturbedürftiger Sachen sowie durch betriebsbedingte normale oder vorzeitige Abnutzung oder Alterung (Verschleiß)539. Je nach individueller Risikolage ist es jedoch möglich, den Ausschluss für Schäden durch innere Unruhen durch spezielle Konzepte abzubedingen. Eine besondere Problematik besteht außerdem im Bereich der Serienschäden. Treten einige Jahre nach Ablauf der Gewährleistung gleichartige Schäden an einer bestimmten Komponente auf, kann dies in den ersten Fällen als zufälliges Schadenereignis interpretiert werden. Wird jedoch deutlich, dass alle gleichen Komponententypen betroffen sind, werden die folgenden Schäden an weiteren Anlagen vorhersehbar. Schließlich handelt es sich um Schäden aufgrund bekannter Mängel. Unklar ist aber, zu welchem Zeitpunkt solche Schäden für den Versicherungsnehmer vorhersehbar werden und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden müssen. Solche Sachverhalte sind höchst brisant und bergen ein erhebliches Konfliktpotenzial zwischen Projektbetreibern und Versicherungsunternehmen, weil oftmals Uneinigkeit darüber besteht, ob tatsächlich ein Serienschaden vorliegt. Ein wichtiger Aspekt für die Betreibergesellschaften ist im Schadenfall der Umfang der Entschädigungsleistung. Tritt ein Teilschadenfall ein, d.h., dass die Wiederherstellungskosten geringer sind als der Zeitwert der versicherten Sache, ersetzt der Versicherer alle Aufwendungen, die zur Wiederherstellung des früheren Zustands vor Eintritt des Versicherungsfalls erforderlich sind. Ein Totalschaden liegt demnach vor, wenn die Kosten zur Wiederherstellung den Zeitwert übersteigen. In diesem Fall wird der Zeitwert unter Abzug des Wertes des Altmaterials entschädigt. Der Zeitwert wird ermittelt, indem vom Neuwert ein Abzug insbesondere für Alter, Abnutzung und technischen Zustand vorgenommen wird. Um im Schadenfall zum einen Diskussionen und zum anderen sehr hohe Abzüge zu vermeiden, sind Regelungen von Vorteil, die maximale jährliche Abschreibungssätze sowie einen maximalen Gesamtabzug definieren. Zusätzlich sollte bedacht werden, dass einige Konzepte auch Neuwertentschädigungen im Totalschadenfall infolge bestimmter Schadenursachen (insbesondere ist hier das Feuerrisiko zu nennen) vorsehen. Je Schadenfall wird sowohl bei einem Teil- als auch bei einem Totalschaden ein vertraglich vereinbarter Selbstbehalt abgezogen. Die Höhe richtet sich zum einen nach der individuellen Risikosituation und zum anderen nach den Präferenzen des Betreibers, da eine höhere Selbstbeteiligung auch immer mit einer geringeren Prämie verbunden ist. 539

An dieser Stelle sei auf die Ausführungen bezüglich der Kriterien zur Versicherbarkeit von Risiken in Kapitel 1.5.3 verwiesen.

4.1 Einbindung eines geeigneten Versicherungskonzepts

279

In der Prämie zur Maschinenversicherung ist neben einem Mehrjährigkeitsrabatt (vom Versicherungsunternehmen oftmals gewährter Rabatt aufgrund mehrjähriger Vertragslaufzeiten) häufig ein schadenabhängiger Rabatt enthalten, welcher in der Regel 20 bis 30 Prozent beträgt. Dieser Rabatt wird im Voraus zu Beginn der Versicherung gewährt, solange die Schadenquote, die das Verhältnis zwischen Schadenzahlungen einschließlich bereits gebildeter Reserven für aktuelle Schäden und gezahlter Prämie darstellt, eine bestimmte Höhe nicht überschreitet. Wenn jedoch die Schadenquote diese Grenze innerhalb eines festgelegten Beobachtungszeitraumes übersteigt, entfällt der bereits gewährte Rabatt ab der nächsten Hauptfälligkeit. Die Möglichkeit, dass der schadenabhängige Rabatt bei einem ungünstigen Schadenverlauf entfallen könnte, sollte von daher unbedingt bei der Kalkulation der Versicherungskosten berücksichtigt werden. Eine grundsätzliche Voraussetzung für den Versicherungsschutz stellt die regelmäßige Wartung der WEA gemäß den Richtlinien und Empfehlungen des Herstellers dar. Weiterhin ist in den Versicherungsverträgen regelmäßig eine Klausel zur zustandsorientierten Instandhaltung vereinbart (vgl. Kapitel 4.1.5). Diese orientiert sich dem Grunde nach an den vom SACHVERSTÄNDIGENBEIRAT DES BUNDESVERBANDES WINDENERGIE (BWE) veröffentlichten „Grundsätzen für die Prüfung zur zustandsorientierten Instandhaltung von Windenergieanlagen“. Des Weiteren werden oftmals Abschreibungen für Bauteile mit begrenzter Lebensdauer (hierzu zählen beispielweise Rotorblätter, Getriebe und Generator) vorgenommen. Dabei errechnet sich die Höhe des Abzuges nach dem Wert dieser Teile unmittelbar vor Eintritt des Schadens. Üblicherweise werden diesbezüglich maximale Abschreibungssätze sowie ein maximaler Gesamtabzug definiert (beispielsweise kann die Höhe des Abzugs insgesamt auf 60 % der Wiederherstellungskosten begrenzt werden). Klarstellend ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass der Abzug keine Anwendung auf die Betriebsunterbrechungs-Versicherung findet. Diese Vereinbarungen können jedoch entbehrlich sein, wenn der Windparkbetreiber einen Vollwartungsvertrag abschließt. Da der Hersteller bzw. das Serviceunternehmen in diesem Fall sämtliche geplante und ungeplante Wartungs- und Servicetätigkeiten sowie anfallende Reparaturen übernimmt und üblicherweise lediglich Schäden durch Eingriffe Dritter und durch höhere Gewalt zu Lasten des Windparkbetreibers fallen, hat die Vereinbarung eines Vollwartungsvertrages erhebliche Auswirkungen auf den notwendigen Versicherungsschutz. Die Betreibergesellschaft muss demnach lediglich eine Zusatzversicherung abschließen, die nur noch die jeweiligen (Rest-)Gefahren abdeckt, die nicht Gegenstand des jeweiligen Vollwartungsvertrages sind. Weitere Besonderheiten in den speziellen Deckungskonzepten für WEA bestehen häufig darin, dass ein genereller Unterversicherungsverzicht gewährt werden kann. Durch einen generellen Unterversicherungsverzicht wird gewährleistet, dass der Versicherer im Schadenfall definitiv anerkennt, dass die gewählte Versicherungssumme auch dem tatsächlichen Versicherungswert entspricht und hier keinerlei Abzüge vorgenommen werden, wie es sonst bei einer fehlerhaften Bemessung der Fall wäre. Weiterhin sollte vereinbart werden, dass der Versicherungsnehmer im Falle eines Sachschadens sofort mit der Reparatur beginnen kann, sofern der Schaden dem Versicherer unverzüglich gemeldet und angemessen dokumentiert wird.

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4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Absicherung von Ertragsausfällen Die Sachversicherung für WEA sollte außerdem in Kombination mit einer Betriebsunterbrechungsversicherung abgeschlossen werden. Insbesondere aus Sicht der Investoren ist diese von erheblicher Bedeutung, da ein Sachschaden an einer Anlage zumeist einen Ertragsausfall für eine gewisse Zeit nach sich zieht, welcher auf diese Weise abgesichert werden kann. Da die Erträge aus der Vergütung für in das öffentliche Netz eingespeisten Strom die einzige Einnahmequelle bei einem Windenergie-Projekt darstellen, ist deren Stabilität und Verlässlichkeit grundsätzliche Voraussetzung dafür, eine größtmögliche Planbarkeit der Cashflows zu erzielen. Als Versicherungssumme zur Betriebsunterbrechungsversicherung wird in der Regel der erwartete Jahresenergieertrag angesetzt. Dieser wird ermittelt, indem die erwartete Jahresarbeit in kWh mit der jeweils gültigen Einspeisevergütung in EUR pro kWh multipliziert wird. Die erforderlichen Daten werden anfangs aus Windgutachten gewonnen, die gegebenenfalls von einem oder auch mehreren Gutachtern erstellt werden. Die grundsätzliche Voraussetzung für eine Entschädigungsleistung aus einer Betriebsunterbrechungsversicherung ist stets ein dem Grunde nach versicherter Sachschaden im Rahmen des Sachversicherungsvertrages. Wird der Betrieb der WEA beispielsweise aufgrund von geplanten Wartungs- oder Reparaturarbeiten zeitweise unterbrochen, kann hierfür selbstverständlich kein Ersatz geleistet werden. Dabei ist es üblicherweise unerheblich, ob die technische Einsatzmöglichkeit der WEA infolge eines versicherten Sachschadens unterbrochen oder lediglich beeinträchtigt wird. Die Dauer des Unterbrechungszeitraums, für die der Versicherer eine Entschädigungszahlung leistet, wird durch die vertraglich vereinbarte Haftzeit begrenzt. Diese beträgt üblicherweise 6 bis 12 Monate und sollte einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der relevanten Faktoren ausreichend lange gewählt werden. Grundsätzlich sollte die Zeit kalkuliert werden, die nach einem Totalverlust einer Anlage benötigt wird, diese wieder aufzubauen. Weitere Faktoren, die bei der Festlegung der Haftzeit betrachtet werden müssen, sind beispielsweise die Verfügbarkeit und die durchschnittlichen Lieferzeiten entsprechender Ersatzteile sowie die Anzahl und die Auftragslage spezieller Reparatur- bzw. Installationsbetriebe. Weiterhin gilt zu beachten, dass regelmäßig ein zeitlicher Selbstbehalt vereinbart wird, welcher analog zum Selbstbehalt der Maschinenversicherung von den Präferenzen des Versicherungsnehmers sowie der jeweiligen Risikosituation abhängt. Dieser üblicherweise in Kalendertagen angegebene Selbstbehalt gibt den Zeitraum an, den der Versicherungsnehmer selbst tragen muss. Nur sofern der Unterbrechungsschaden länger währt als der gewählte zeitliche Selbstbehalt, entschädigt der Versicherer den darüber hinausgehenden Ertragsausfall. Die Bemessung der jeweiligen Entschädigungszahlung erfolgt dabei üblicherweise auf Grundlage der tatsächlichen Windverhältnisse, sodass die Ertragsausfälle erstattet werden, die ohne den versicherten Schaden – nach Abzug des zeitlichen Selbstbehalts und unter Berücksichtigung der Haftzeit – erwirtschaftet worden wären. Zeiten, in denen die betroffene WEA ohnehin stillgestanden hätte (beispielsweise aufgrund von geplanten Wartungseinsätzen), werden dabei selbstverständlich nicht berücksichtigt. Zur konkreten Ermittlung der Entschädigungsleistung werden dabei idealerweise die Werte einer Referenzanlage zugrunde gelegt, um auf diese Weise möglichst genau die tatsächlichen Ertragsausfälle bestimmen zu

4.1 Einbindung eines geeigneten Versicherungskonzepts

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können. Alternativ kann auch eine Entschädigung auf Grundlage der Versicherungssumme vereinbart werden oder erforderlich sein – sei es, weil lediglich eine einzelne WEA versichert gilt oder weil die in Betracht kommenden Referenzanlagen ebenfalls schadenbedingt bzw. aufgrund von Wartungs- und Reparaturarbeiten stillstehen. In diesem Fall errechnet sich die Entschädigung unabhängig von den tatsächlichen Windverhältnissen nach dem 365. Teil der Versicherungssumme je schadenbedingten Ausfalltag. Ein wichtiger Aspekt, der bei der Gestaltung einer Betriebsunterbrechungsversicherung Berücksichtigung finden sollte, ist die Absicherung sogenannter Rückwirkungsschäden. Wie bereits beschrieben, ist die Voraussetzung für eine Entschädigungsleistung, dass ein dem Grunde nach versicherter Sachschaden im Rahmen des Sachversicherungsvertrages eingetreten ist. Tritt nun beispielsweise ein Schaden an der externen Verkabelung oder an dem Umspannwerk ein, die sich im Eigentum Dritter befinden und/oder durch Dritte betrieben werden und somit nicht im Sachversicherungsvertrag mitversichert gelten, fallen hieraus resultierende Ertragsausfälle – dadurch dass die WEA keinen Strom einspeisen können – nicht unter den Versicherungsschutz. Diese Tatsache sollte daher bei der Vertragsgestaltung ausreichend berücksichtigt werden. Wie bereits zur Montage-Betriebsunterbrechungsversicherung angesprochen, kommt den sogenannten Bottleneck-Risiken auch hier eine besondere Bedeutung zu. Zu bedenken gilt daher, dass insbesondere bei einem wochenlangen schadenbedingten Ausfall des Umspannwerkes sämtliche angeschlossene Anlagen betroffen sind. Hieraus können erhebliche Ertragsausfälle resultieren. Absicherung des Haftpflichtrisikos Zur Absicherung der bereits beschriebenen Haftpflichtrisiken, die aus dem Betrieb einer WEA resultieren, sollte eine sogenannte Betreiberhaftpflichtversicherung abgeschlossen werden, d.h. eine Betriebshaftpflichtversicherung, welche das Risiko des Betriebs einer WEA absichert. Dieses Tätigkeitsfeld sollte auch dementsprechend im Rahmen der Betriebsbeschreibung der Police aufgeführt werden. Diese Haftpflichtversicherung basiert grundsätzlich auf den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) und ist durch Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen der Versicherer an die Besonderheiten aus dem Betrieb von WEA zu ergänzen. Hinsichtlich etwaig bestehender Nutzungsverträge – beispielsweise mit den Eigentümern von Grundstücken, der externen Verkabelung oder des Umspannwerkes – sollten die getroffenen Haftungs- und Versicherungsregelungen überprüft und entsprechend berücksichtigt werden. Bezüglich der bestehenden Haftung sollte darauf geachtet werden, dass beim Abschluss einer entsprechenden Haftpflichtversicherung eine ausreichende Deckungssumme für Personenund Sachschäden gewählt wird. Marktüblich sind hier derzeit mindestens EUR 3 Mio. pauschal für Personen- und Sachschäden, die in vielen Fällen auf EUR 5 Mio. erhöht werden. Abhängig von der Größe des Risikos (z.B. Standort der WEA) bzw. auch von der Größe des Windparks, sind gegebenenfalls auch höhere Deckungssummen in Betracht zu ziehen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das Risiko aus der Einspeisung von Elektrizität in das Netz eines Energieversorgungsunternehmens (Einspeisungsrisiko) extra eingeschlossen wird. Die möglicherweise resultierenden Vermögensschäden aus den entstehenden Versorgungsstörungen sind daher im Rahmen der gesetzlichen Haftpflicht in jedem Fall zu berücksichtigen.

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4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Sofern die WEA auf einem gemieteten Grundstück installiert wird, ist mietvertraglich auf die Haftung für Schäden am Grundstück zu achten. Grundsätzlich gelten derartige Sachschäden an gemieteten, gepachteten Grundstücken im Rahmen einer Haftpflichtversicherung ausgeschlossen und sind im Normalfall auch nicht versicherbar. Zu beachten ist außerdem, dass das Bauherrenhaftpflichtrisiko sowie das Risiko aus der Beauftragung von Subunternehmern eingeschlossen gelten. Bezüglich der Beauftragung von Subunternehmern gilt immer die persönliche gesetzliche Haftpflicht der Subunternehmer ausgeschlossen. D.h., es besteht Versicherungsschutz für eine mögliche Falschauswahl oder bei Insolvenz eines Subunternehmers, jedoch nicht für die tatsächliche Tätigkeit des Subunternehmers. Insoweit ist es auch hier, wie zuvor bereits erwähnt, sinnvoll, sich den bestehenden Versicherungsschutz der Subunternehmer nachweisen zu lassen. Auch sollte beachtet werden, dass in angemessener Form Versicherungsschutz für die gesetzliche Haftpflicht aus der Verletzung von Pflichten, z.B. als Eigentümer, Mieter oder Pächter von Grundstücken, Gebäuden und Anlagen, besteht, die dem Versicherungsnehmer in der genannten Eigenschaft obliegen. Beispielsweise kann es sich hierbei um die bauliche Instandsetzung oder Reinigung handeln. Des Weiteren ist darauf zu achten, dass im Rahmen der Haftpflichtversicherung das Umwelthaftungsrisiko sowie das Umweltschadenrisiko ebenfalls eingeschlossen gelten. In jedem Fall sollte hier das sogenannte Basisrisiko mitversichert gelten, welches, wie zuvor bereits erläutert, Umweltschäden durch Boden, Luft oder Wasser aufgrund unterschiedlicher Haftungsrichtlinien umfasst. Sofern besondere Umweltanlagen bzw. Umweltrisiken vorhanden sind, müssen im Rahmen des zu beschaffenden Versicherungsschutzes für die beiden genannten Risiken bestimmte Bedingungsbausteine aktiviert werden. In diesem Zusammenhang ist in jedem Fall darauf zu achten, dass WEA mit einer Leistung von 300 Kilowatt oder mehr nach der 4. Bundesimmissionsschutz-Verordnung (BImSchV) Ziffer 1.6 zu den genehmigungspflichtigen Anlagen gehören und somit als Umweltanlagen gelten und im Rahmen einer Umwelthaftpflicht- und einer Umweltschadenversicherung zu deklarieren sind. Für diesen Fall wird es ein Genehmigungsverfahren für die Anlage geben und einen Genehmigungsbescheid, in dem auf die 4. BImSchV verwiesen wird. Für die Umwelthaftpflichtund die Umweltschadenversicherung bedeutet dies, dass ein entsprechender Bedingungsbaustein versichert und die Anlage hierunter deklariert werden müsste, damit entsprechender Versicherungsschutz für Schäden aus der Anlage besteht. Im Rahmen des Umweltschaden-Basisrisikos gelten lediglich Schäden auf fremden Grundstücken versichert. Sollte hier auch für Schäden auf eigenen Grundstücken Versicherungsschutz gewünscht sein, ist eine Erweiterung des Versicherungsschutzes diesbezüglich möglich und sollte mit dem Versicherer erörtert werden. Abschließend ist noch aufzuführen, dass ebenfalls auf einen risikoadäquaten Versicherungsschutz für das Tätigkeitsfeld der technischen und kaufmännischen Betriebsführung zu achten ist. Sollte der Betreiber dieses Risiko fremdvergeben, wird empfohlen, sich den entsprechenden Versicherungsschutz für Personen- und Sachschäden, die sich aus dieser Tätigkeit ergeben können, im Rahmen einer Betriebshaftpflichtversicherung nachweisen zu lassen. Neben dem Personen- und Sachschadenrisiko existiert aus dieser Tätigkeit heraus ebenfalls ein Risiko für so genannte echte Vermögensschäden, die beispielsweise aus einer mangelhaften

4.1 Einbindung eines geeigneten Versicherungskonzepts

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Rechnungsprüfung oder aus fehlerhaften Abrechnungen entstehen können. Zwischenzeitlich existiert am Markt ein neuartiges Konzept, welches derartige echte Vermögensschäden zum Schutz technischer und kaufmännischer Betriebsführung von Windparks abdeckt, soweit diese Leistungen für Dritte erbracht werden.

4.1.6

Besondere Absicherungsmöglichkeiten gegen Wetterrisiken

In Ergänzung zu den genannten Versicherungslösungen für die Planungs-, Errichtungs- und Betriebsphase sollen folgend Absicherungsmöglichkeiten vorgestellt werden, die insbesondere Wetterrisiken betreffen. Es ist herauszuheben, dass die folgend dargestellte Lösung aufgrund ihres Charakters von üblichen Versicherungsprodukten abweicht. Hierbei handelt es sich um Wetterderivate, die sich einer immer größer werdenden Bekanntheit erfreuen und deren Anwendungsgebiet vor allem für die erneuerbaren Energien und damit auch für die Windenergie interessant sein dürfte. In kaum einer anderen Branche ist eine solche unmittelbare Wetterabhängigkeit gegeben, weil meteorologische Faktoren unmittelbar die Betriebsergebnisse beeinflussen und die Absicherung gegen Negativabweichungen sowohl für Betreiber von Windparks als auch für Investoren von Windparkprojekten interessant sein dürfte. Wetterrisiken werden im Vergleich zu herkömmlichen Risiken, die aus dem Betrieb von Windparks resultieren, regelmäßig als relativ gering eingeschätzt. Das hat zur Folge, dass im Rahmen eines ausgewogenen Risikomanagements die Fokussierung auf andere Problemfelder stattfindet. Außerdem wird häufig auf den Einsatz von Wetterderivaten verzichtet, da dieser als ökonomisch ineffizient angesehen wird. So wird die Meinung vertreten, dass die Kosten der Absicherung den möglichen Nutzen überwiegen. Ein anderer Grund könnte allerdings sein, dass Wetterderivate trotz der momentanen Entwicklung bisher eher wenig bekannt sind. Im Grunde handelt es sich bei Wetterderivaten um derivative Finanzinstrumente, die geeignet sind, Unternehmen gegen ungünstige Wetterbedingungen abzusichern. Im Unterschied zu herkömmlichen derivativen Finanzinstrumenten, die sich häufig der Güter- oder Finanzmärkte bedienen (z.B. Warentermingeschäfte), liegen bei Wetterderivaten meteorologische Daten zugrunde. In der Regel sind dies Windstärke, Temperatur, Sonnenstunden oder Niederschlag. Da diese Wetterdaten – abgesehen von den Beschaffungskosten zum Erhalt der Daten – über keinen Preis verfügen und keine physischen Vermögensgegenstände sind, können sie weder gehandelt noch gelagert werden. Dies bedeutet, dass es sich bei Wetterderivaten um reine Finanztransaktionen handelt. Ein weiterer wichtiger Unterschied zu herkömmlichen derivativen Finanzinstrumenten ist, dass mit Wetterderivaten nicht Preisrisiken, sondern vielmehr Mengenrisiken abgesichert werden. Wetterderivate unterscheiden sich außerdem von solchen Versicherungsprodukten, die auch geeignet sind, die Folgen aus Wetterrisiken zu verringern, darin, dass diese Versicherungsprodukte häufig zur Absicherung selten auftretender außergewöhnlicher Wetterereignisse verwendet werden. Bei Wetterderivaten hingegen können auch weniger drastische Ereignisse, die aber häufiger auftreten, abgesichert werden.

284

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Folgend wird die Funktionsweise von Wetterderivaten erläutert: Sobald ein vorher definierter, objektiv messbarer Wert über- oder unterschritten wird, erfolgen bei Wetterderivaten Zahlungen, unabhängig von tatsächlich eingetretenen Schäden. Daher ist auch ein entsprechender Nachweis – wie dies bei Versicherungsprodukten der Fall ist – nicht notwendig. Ein Vorteil von Wetterderivaten ist, dass durch die Verwendung objektiver Wetterdaten ein Moral Hazard, also ein moralisches Risiko, das sich in einer negativen Verhaltensänderung durch die Versicherung gegen ein Risiko manifestiert, vermieden wird, weil es keine Informationsasymmetrien zwischen Käufer und Verkäufer gibt. Allerdings ist anzumerken, dass keine klare Trennung des Übergangs von Versicherungsprodukten zu Wetterderivaten stattfindet. So werden beispielsweise auch auf Wetterindizes basierende Versicherungslösungen angeboten, die sowohl auf Extremwetterereignisse als auch auf unterdurchschnittliche Erträge abzielen. Wetterderivate werden in der Regel von zwei Vertragsparteien abgeschlossen. Dabei übernimmt der Käufer vom Verkäufer das aus den Schwankungen von definierten Wetterindizes resultierende ökonomische Risiko. Verschiedene Parameter wie Wetterindex, Wetterstation, Laufzeit, Strike Level (kritischer Wert, ab dem eine Auszahlung erfolgt), Tick Size (zu bezahlender Geldbetrag je Indexpunkt) und Auszahlungsstruktur bilden die Grundlage für die jeweils auszugestaltenden Derivate. Die Anwendung von Wetterderivaten zur Absicherung von Produktionsrisiken scheint insbesondere in der Anwendung bei Wind- und Wasserkraft sowie für den Bereich Solarenergie sinnvoll zu sein, da es bei dieser Form der Energieerzeugung möglich ist, einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Wetterindizes und Produktionsmenge herzustellen. Wenn Windparks mit Wetterderivaten abgesichert werden sollen, müssen geeignete Windindizes gefunden werden. Dies stellt sich als eine besondere Herausforderung dar, da von den verfügbaren Daten von Wetterstationen nur schwer auf die tatsächliche Produktion von Elektrizität des Windparks geschlossen werden kann. Für Deutschland sind Windindizes verfügbar, die für unterschiedliche Zwecke konzipiert wurden. Für Ertragsprognosen, Ertragsvergleiche oder als Basisvariablen werden die Indizes in zwei Kategorien eingeteilt: Windmessindizes und Produktionsindizes. Bei den Windmessindizes werden monatliche oder jährliche Windmessungen einem Vergleich mit langjährigen Messreihen unterzogen. Ein Vorteil dieser Indizes ist das Vorhandensein von verlässlichen, langjährigen Messreihen. Allerdings wird es regelmäßig bei vielen Standorten von Windparks in deren unmittelbarer Nähe keine offiziellen Windmessstationen geben, deren Daten verwendet werden könnten. Zudem wird die Windgeschwindigkeit bei solchen Stationen normalerweise in einer Höhe von 10 m vorgenommen, was eine Umrechnung auf die Windverhältnisse in größeren Höhen notwendig macht. Weil bei der Ermittlung dieser Indizes keine Berücksichtigung der Leistungskurve stattfindet, muss eine Umrechnung des Umsetzungsverhaltens von Wind in Elektrizität vorgenommen werden. Im Unterschied dazu wird bezüglich der Produktionsindizes zur Indexberechnung die Elektrizitätsproduktion der Windkraftwerke einer Region verwendet. Dies ist insofern vorteilhaft, als dass die für die Ermittlung von Windmessindizes notwendigen Umrechnungen entfallen.

4.1 Einbindung eines geeigneten Versicherungskonzepts

285

Außerdem bietet sich der Vorteil, dass eine große Anzahl an Produktionsergebnissen für solche Gebiete vorliegt, in denen Windparks aufgrund geeigneter Windverhältnisse errichtet wurden. Damit haben untypische Ergebnisse oder längere Ausfälle nur geringe Auswirkungen auf den Indexverlauf. Dahingegen ist als nachteilig zu bewerten, dass sich die Wahl des Zeitraumes für die Bestimmung langjähriger Mittelwerte als schwierig erweist, denn aufgrund einer sich ständig weiterentwickelnden Technologie und aufgrund der Verfügbarkeit neuer Datenquellen wäre eine Verwendung von älteren Produktionsdaten zur Indexberechnung nicht zu empfehlen. Aus diesem Grunde müssen diese Indizes von Zeit zu Zeit angepasst werden. Die Schwankungen in der Jahreserzeugungsmenge von Windparks machen eine Absicherung von Windparks über Wetterderivate interessant. Wie vorab erläutert bereitet die Verfügbarkeit geeigneter und verlässlicher Windindizes momentan noch das größte Problem. Dies könnte der Grund dafür sein, dass derzeit die Kosten für die Absicherung von Windparks über Wetterderivate den Nutzen offenbar überwiegen. Aber die sich ständig weiterentwickelnde Technik sowie die immer weiter verfeinerten Wetterderivate machen es wahrscheinlich, dass zukünftig vermehrt eine zusätzliche Absicherung von Wetterrisiken durch Wetterderivate stattfinden wird.

4.1.7

Besondere Anforderungen an die Betreiber von Onshore-Windpark-Projekten aus Versicherersicht

Wie in den vorangegangenen Kapiteln dargestellt wurde, ist der Betrieb von Windparks trotz einer sich ständig entwickelnden und sich verbessernden Technologie noch immer vielfältigen Risiken ausgesetzt, die sich mit einer geschickten Risikomanagementstrategie in Verbindung mit einem ausreichenden Versicherungsschutz handhabbar machen lassen. So kann durch eine individuelle Risikobewertung eines anstehenden Projekts ermittelt werden, durch welche Naturgefahren es möglicherweise beeinträchtigt wird, oder ob beispielsweise ausreichende Krankapazitäten oder genügend Ersatzteile verfügbar sind. Nicht zu vernachlässigen ist ein hochentwickeltes Logistikkonzept, um Engpässe und damit mögliche Ertragsausfälle zu vermeiden. Auch der Einsatz von erfahrenen Montage-, Service- oder Wartungsteams und die Ausgestaltung der Liefer- und Leistungsverträge sowie die der Service- und Wartungsverträge kann bereits im Vorfeld das Risiko verringern und den Boden für ein maßgeschneidertes Versicherungskonzept bereiten. Zwar wird trotz Anwendung von Risikomanagementmaßnahmen immer ein gewisses Restrisiko verbleiben, aber ein Schaden bzw. daraus resultierende negative finanzielle Folgen können bei entsprechender Handlungsweise weitgehend abgefedert werden. Weil davon auszugehen ist, dass der Versicherungsbedarf in den kommenden Jahren weiterhin zunimmt, ist zu erwarten, dass die Qualitätssicherung einen immer größeren Stellenwert einnehmen wird. Mittlerweile gibt es bereits viele Erfahrungswerte für die Versicherung von Windparks, die immer dann für den Betreiber hinsichtlich Prämienaufkommen und Deckungsumfang günstiger wird, wenn gewisse Rahmenbedingungen – Schadenverhütungsmaßnahmen – erfüllt werden. Folgend werden einige wichtige Schadenverhütungsmaßnahmen aufgezählt, die grundsätzlich im Eigeninteresse der Betreiber von Windparks in Erwägung

286

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

gezogen werden sollten, um Risiken zu mindern. Spätestens beim Einkauf von Versicherungsschutz, insbesondere zur Montage- und Maschinenversicherung sowie zur Montageund Maschinen-Betriebsunterbrechungsversicherung, werden die meisten Versicherer vertraglich zu erfüllende Anforderungen stellen, um die Risiken aus der Errichtung und aus dem Betrieb von Windparks handhabbar machen zu können. Um die Risiken während der Betriebsphase zu vermindern, wurden bereits diverse Konzepte entwickelt. Da in der Vergangenheit mangelhafte oder unregelmäßig durchgeführte Kontrollen ursächlich für Schäden an den WEA waren, werden von mehreren Herstellern Vollwartungskonzepte angeboten. Der Hersteller übernimmt hierbei die Verantwortung für Wartung, Instandhaltung und Reparaturen und garantiert die technische Verfügbarkeit der WEA. Um das Schadenpotenzial so weit wie möglich zu minimieren, und um auch künftig ausreichenden Versicherungsschutz anbieten zu können, haben einige Versicherungsunternehmen außerdem Wartungs- und Instandhaltungsklauseln in ihre Verträge aufgenommen. Diese Klauseln sehen vor, dass in bestimmten regelmäßigen Abständen die wesentlichen Anlagenkomponenten wie Lager, Rotorblätter, Getriebe und Generatoren durch unabhängige Sachverständige auf ihren Zustand überprüft und gegebenenfalls überholt oder ausgetauscht werden. Es ist möglich, diese zeitlichen Abstände zu verlängern, wenn der Betreiber ein Condition Monitoring System (CMS) installiert. Damit kann der Zustand verschiedener Bauteile elektronisch überwacht werden. Vorteilhaft ist, dass eine optimale Ausnutzung des Abnutzungsvorrats der Anlagenbauteile erreicht wird, Schwachstellen ermittelt und behoben werden können und eine optimale Planung von Reparaturen (z.B. in windarmen Zeiten) erfolgen kann. Somit kann erreicht werden, dass die verwendeten Bauteile erst kurz vor Eintritt eines ernsthaften Schadens ausgewechselt werden müssen. Des Weiteren können die benötigten Ersatzteile mit langen Lieferzeiten vorbestellt werden, wodurch unnötige Verlängerungen der Stillstandzeit verhindert werden. Die Fehlerfrüherkennung führt somit zu erheblichen Kosteneinsparungen, da die Ertragsausfälle auf einem niedrigen Niveau gehalten werden können. Allerdings – und auch hieraus resultieren Risiken – ist an dieser Stelle anzumerken, dass auch beim Einsatz von CMS ein qualifiziertes Fachpersonal benötigt wird, das die Meldungen des Systems überwacht, bewertet und entsprechende Maßnahmen einleitet540. Für das Monitoring und die Fernwartung wird mittlerweile eine Vielzahl an Dienstleistungen und Lösungen angeboten. Dennoch kann ein Anlagen-Monitoring nicht die periodisch durchzuführende Wartung ersetzen. Im Rahmen einer solchen Wartung sollte eine Untersuchung aller funktions- und sicherheitsrelevanten Komponenten und deren Umfeld durchgeführt werden, um sich ankündigende Störungen bereits im Vorfeld zu erkennen und abzuwenden. Damit kann die Ertragssicherung ebenfalls unterstützt werden. Um das Risiko von Schäden an WEA durch hohe Windgeschwindigkeiten oder Stürme zu vermindern, sind die Anlagen mit Pitchsystemen ausgestattet. Um ein Funktionieren der Blattverstellung unabhängig von der externen Stromversorgung zu gewährleisten, werden moderne Systeme mit einer eigenen Notstromversorgung ausgestattet. Dadurch ist das Abschalten der Anlage im Notfall sichergestellt. Damit die geplante Lebensdauer von WEA trotz der hohen Belastungen durch Wind- und andere Witterungseinflüsse sichergestellt werden 540

Siehe hierzu auch die Ausführungen von Dirk Baumgart in Kapitel 3.4.10.3.

4.1 Einbindung eines geeigneten Versicherungskonzepts

287

kann, kann der Materialeinsatz und das dynamische Verhalten der Struktur mithilfe von Simulationen und Testmethoden optimiert werden. Auf diese Weise können Beanspruchungen im Material ermittelt werden, kritische Bereiche gefunden und die Restlebensdauer der Komponenten bestimmt werden. Die Testmethoden liefern einen wichtigen Beitrag für eine Verbesserung der technischen Zuverlässigkeit von Oberflächenbehandlungen, Verbindungstechniken, Versiegelungen, Abdichtungen und Korrosionsschutz. Mit den gewonnenen Daten und Erkenntnissen lassen sich in Zukunft Stillstandzeiten vermeiden oder zumindest verringern. Weitere Maßnahmen zur Risikoverminderung bestehen in Blitz- und Brandschutzsystemen sowie in Ölpartikelzählern, die den Verschleiß oder Beschädigungen von einigen Komponenten des Triebstrangs vor einem Ausfall der Anlage erkennen können. Um die Vereisung an Rotorblättern rechtzeitig zu erkennen, werden derzeit neben den klassischen Methoden, wie Anemometern oder Sensoren, die die Vereisungsbedingungen der Gondel erfassen, neue Konzepte entwickelt, um eine wirksame Eiserkennung zu ermöglichen. Neben den genannten Schadenverhütungsmaßnahmen spielen weitere Aspekte eine Rolle, die Betreiber von Windparks beachten sollten. So sollte die Errichtung und die anschließende Wartung von Windparks grundsätzlich von versierten Fachbetrieben durchgeführt werden, um Schäden durch unsachgemäße Behandlung zu vermeiden. Die genannten Maßnahmen können natürlich nur eine Übersicht über anzuwendende Möglichkeiten zur Schadenverhütung darstellen. Welche Maßnahmen sinnvoll und notwendig sind, hängt von der jeweiligen Risikosituation ab. Diese müssen dann im Rahmen einer Einzelbetrachtung für jedes Risiko ausgewählt und durchgeführt werden. Oftmals ist eine enge Abstimmung mit den Versicherungsunternehmen und den betreuenden Maklern notwendig. Dadurch wird gewährleistet, dass die größten Gefahren und Risiken für eine WEA und damit für den Windpark und für die Umgebung, in der er installiert wird, bestmöglich eingeschätzt werden. Durch möglichst umfassende, kombinierte Maßnahmen im Risikomanagement und im Konzipieren von Versicherungsprogrammen können diese Risiken und Gefahren dann gemindert oder abgewendet werden.

288

4.2

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

JÖRG BÖTTCHER

4.2.1

Anforderungen an die Finanzierungsstruktur aus Sicht von Investoren und Banken

Die bisherigen Kapitel haben deutlich vor Augen geführt, dass es zur Realisierung von Windenergieprojekten einer verlässlichen Technologie und eines belastbaren Rechts- und Regulierungsumfeldes bedarf. Sind diese beiden grundsätzlichen Anforderungen erfüllt, eröffnet sich die Möglichkeit für eine wirtschaftliche Nutzung der Windenergie, und zwar zumeist in Form einer Projektfinanzierung. Da bei einer Projektfinanzierung die Cashflows die einzige Quelle der Kreditbedienung und Eigenmittelverzinsung sind, ergeben sich besondere Anforderungen an ihre Stabilität und Verlässlichkeit. Neben einer intensiven Risikoidentifikation geht es darum, nach ökonomischen Kriterien Risiken einzelnen Projektbeteiligten zuzuweisen. Im Anschluss erfolgt eine Risikoquantifizierung in Form eines Cashflow-Modells, die u.a. darüber Auskunft gibt, wieviel Fremdmittel einem Vorhaben zur Verfügung gestellt werden können, wie die Tilgungsstruktur aussehen sollte und welche weiteren Gestaltungselemente Einzug in die Struktur finden sollten. Die Erarbeitung einer Finanzierungsstruktur und die Möglichkeiten ihrer Optimierung sind Gegenstand dieses Kapitels. Allerdings markiert das Cashflow-Modell noch nicht den Endpunkt der Projektbewertung der Kreditgeber. In einem weiteren Schritt geht es darum, eine Simulationsrechnung des Cashflow-Verlaufs vorzunehmen, die darüber informiert, wie sich das Projekt unter einer Vielzahl von möglichen Umweltszenarien entwickeln kann. Ein Ergebnis dieser Simulationsrechnungen ist ein Rating-Ergebnis, das eine Risikokategorie ausweist und damit über die Risikoprämie die Zinskosten bestimmt und auch die Finanzierungsstruktur maßgeblich beeinflusst. Damit geht es in einem zweiten Teil darum herauszuarbeiten, welche quantitativen und qualitativen Faktoren das Rating beeinflussen können. Dabei muss man sich bewusst sein, dass die jeweiligen Teilaspekte des Risikomanagementprozesses – Identifikation, Allokation und Quantifizierung von Risiken – nicht in einer gerichteten zeitlichen Abfolge geschehen, sondern miteinander wechselseitig in Verbindung stehen. Um die Aussagen zur Risikoquantifizierung angemessen würdigen zu können, ist es daher notwendig, die verschiedenen Teilaspekte eines Risikomanagements zu berücksichtigen, was wir in den verschiedenen Fachkapiteln vorgenommen haben. Das Cashflow-Modell eines Projektes ist aber nicht nur für die Kreditgeber von herausragender Bedeutung, sondern auch für die Investoren eines Projektes. Beide Kapitalgebergruppen sind gleichermaßen am Erfolg eines Vorhabens interessiert, wobei sie allerdings unterschiedliche Anspruchsgrundlagen und Anspruchsebenen haben. Während die Fremdkapitalgeber

4.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

289

einen erfolgsunabhängigen und fixen Anspruch auf Bedienung des Kapitaldienstes aus dem Projekt haben, haben die Eigenkapitalgeber einen erfolgsabhängigen und damit variablen Anspruch auf den verbleibenden freien Cashflow. Das methodische Werkzeug, mit dem beide Gruppen ein Vorhaben beurteilen, ist ein projektspezifisches Cashflow-Modell. Starten wollen wir mit einem Blick auf die methodischen Grundsätze, mit dem die Kapitalgebergruppen – Eigenkapitalgeber und Fremdkapitalgeber – Projekte im Windenergiebereich beurteilen.

4.2.2

Methodik und Zusammenspiel zwischen Risikoidentifikation, Risikoallokation und Risikoquantifizierung

Jede unternehmerische Tätigkeit ist durch die Existenz von Unsicherheit und unvollkommenen Informationen im Rahmen des betrieblichen Handelns Risiken ausgesetzt. Das Unternehmen ist allerdings nicht gezwungen, diese Risiken hinzunehmen, sondern vielmehr gefordert, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Bezogen auf eine Projektfinanzierung bedeutet dies in erster Linie die Sicherung der Projektexistenz. Dies ist darin begründet, dass nur durch das Betreiben des Projektes ein Cashflow generiert werden kann, der die in den meisten Fällen einzige bzw. werthaltigste Sicherheit darstellt, die zur Bedienung der Finanzierung zur Verfügung steht. Bevor wir auf den Aspekt der Risikoquantifizierung bei einem Windenergievorhaben eingehen, wollen wir das Thema Risikoquantifizierung im gesamten Zusammenhang des Risikomanagementprozesses mit seinen verschiedenen methodischen Hilfsmitteln darstellen. Im Rahmen einer qualitativen Projektprüfung müssen zunächst bestimmte Fragen grundsätzlich positiv beantwortet werden (siehe hierzu auch das Kapitel 1 und das Schaubild „Erfolgsfaktoren einer Projektfinanzierung“ [Tabelle 2]): 1. Ist das Rechts- und Regulierungsumfeld hinlänglich verlässlich und prognostizierbar? Die relevanten Fragestellungen sind dabei in Fachkapitel 2 aufgegriffen worden. 2. Wird ausschließlich bewährte Technik eingesetzt? Das Fachkapitel 3.1 hat dabei über die eigentliche Technik informiert, das Fachkapitel 3.3 über die Betriebserfahrungen. 3. Wie können die verschiedenen, zentralen Projektbeteiligten angemessen an den Chancen und Risiken des Vorhabens partizipieren? Einige grundsätzliche Überlegungen finden sich im Einleitungskapitel. Für mindestens diese Fragen müssen zufrieden stellende Antworten gefunden werden, bevor eine Cashflow-Modellierung erfolgen kann, die dann wiederum in eine Finanzierungsstruktur einmündet. Methodisch erfolgt im Anschluss an die drei genannten Fragen eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit, die im Dialog zwischen dem Projekt und der fremdfinanzierenden Bank über ein Cashflow-Modell erfolgt, wobei die Bank intern die Cashflow-Struktur zusätzlich über ein separates Rating-Tool bewertet, woraus sich wiederum Änderungen an der Finanzierungsstruktur ergeben können. Dabei basiert diese zweite Analysestufe auf anderen methodi-

290

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

schen Tools und ist auch von außen her wenig transparent. Dies ist durchaus bedauerlich, da sich häufig durch relativ kleine Änderungen an den Vertrags- und Finanzierungsstrukturen deutliche Rating-Verbesserungen ergeben können, die in Vorteilen bei den Zinskosten und der Finanzierungsstruktur resultieren können. Wir starten in diesem Kapitel mit der Darstellung des Risikomanagementprozesses bei einer Projektfinanzierung. In der betriebswirtschaftlichen Literatur existiert eine Vielzahl von Interpretationsvarianten für den Risikobegriff. Im Rahmen dieses Beitrages soll Risiko als negative Abweichung vom Planwert einer Zielgröße verstanden werden, da sie für jeden Beteiligten eine Verlustgefahr bedeutet. Die Bedeutung der Behandlung von Risiken im Zusammenhang mit einer Projektfinanzierung ergibt sich unmittelbar aus ihrem Charakter: Da es allein das Vorhaben ist, das als wirtschaftliche Basis für die angemessene Eigenkapitalverzinsung und die Bedienung des Kapitaldienstes dient, sind die Werthaltigkeit und die Robustheit des Projektes von entscheidender Bedeutung. Da das Projekt aber erst sukzessive entsteht, lässt sich seine Wirtschaftlichkeit nur per Prognose bestimmen. Da die Perspektive in die Zukunft zunehmend unsicher ist, hat sich die Prognose mit dem Eintritt aller Arten von Einflüssen zu befassen, deren Wirkung auf das Projekt einzuschätzen und nach Wegen zu suchen, ob und inwieweit einzelne Projektbeteiligte bereit sind, das Projekt von Risiken freizuhalten. Die Risiken einer Projektfinanzierung sind mit dem Instrumentarium des Risikomanagements zu steuern, das versucht, Risiken den Projektbeteiligten zuzuordnen, die diese zu verantworten haben und damit auch kontrollieren können. Wesensmerkmal jeder Projektfinanzierung ist die Orientierung an den zukünftigen Cashflows und der Einbindung der Projektbeteiligten, wie wir es in Kapitel 1 skizziert haben. Das Risikomanagement umfasst die Gesamtheit aller Aufgaben zur Handhabung von Projektrisiken unter Beachtung des Risk-Sharing-Prinzips. Das Ziel des Risikomanagements ist die Entwicklung einer Entscheidungsgrundlage für die Auswahl besonders geeigneter risikopolitischer Maßnahmen zur Reduzierung der Projektrisiken auf ein akzeptables Niveau. Der Prozess des Risikomanagements wird häufig als eine Stufenfolge beschrieben: Identifikation

Abbildung 41:

Bewertung

Reduktion

Zuteilung

Bestandteile des Risikomanagementprozesses

Das Erkennen der einzelnen Risiken ist Grundvoraussetzung für die Anwendung risikopolitischer Maßnahmen. Zur Identifikation der einzelnen Risiken bei der Projektfinanzierung werden die Phasen, die ein Projekt bei der Erstellung und im Betrieb durchläuft, systematisch auf ihre Einflussfaktoren hin untersucht. Die Bewertung der einzelnen Risiken erfolgt anhand ihrer Auswirkungen auf den Cashflow, wobei die Ursachen eines Risikos aufgedeckt und die Risikofolgen qualitativ und quantitativ aufgezeigt werden. Das dazu verwendete Instrument – das Cashflow-Modell – wird aufgrund seiner Bedeutung gesondert dargestellt. Im dritten Schritt sind die identifizierten Risiken mit Hilfe geeigneter Techniken auf das

4.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

291

mögliche Minimum zu reduzieren. Bei der Zuteilung – der Risikoallokation – wird untersucht, ob und in welchem Maße die identifizierten Risiken den Projektbeteiligten zugewiesen werden sollen und welche Restrisiken nach Zuteilung bei den Kapitalgebergruppen verbleiben. Schließlich sind die Risiken während der Projektlaufzeit zu kontrollieren und – bei Bedarf – geeignete Gegenmaßnahmen einzuleiten. Die dargestellten Prozessstufen sind nicht als isolierte Teilaufgaben zu verstehen, sondern als ein wechselseitig ineinander greifender Prozess, der das Projekt begleitet und dessen Ergebnis nicht nur vom Risikoprofil des Projektes abhängt, sondern wesentlich auch von den Chance-/Risiko-Präferenzen der verschiedenen Projektbeteiligten. Die Aufgabe der Auswahl und die Anwendung der Risikoinstrumente sowie der Risikoträger erweist sich in der Praxis als komplexer und diffiziler Verhandlungsprozess. In der weiteren Darstellung wird auch deutlich werden, dass die obige Stufenfolge zunächst aus didaktischen Gründen gewählt wird. In der Praxis ergibt sich eine Wechselwirkung zwischen den einzelnen Prozessstufen. Der Katalog der möglichen Maßnahmen des Risikomanagements ist umfangreich und vielschichtig, wodurch sich für den Kreditgeber und die Projektgesellschaft eine Vielzahl von Handlungsoptionen ergeben. Die Auswahl der möglichen Maßnahmen wird als Risikopolitik bezeichnet, deren Ziel es ist, die Kombinationen von Sicherungsinstrumenten zu finden, welche eine auf das Projekt abgestimmte und von allen gemeinsam akzeptierte Risikoverteilung ermöglicht. Die Risikoanalyse ist Ausgangspunkt des Risikomanagementprozesses, da sie maßgeblich die Struktur des Vertragsgeflechtes sowie die materiellen Regelungen jedes einzelnen Vertrages bestimmt. Daher wird man sich mit den Zielsetzungen der Projektbeteiligten und den technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekten des Vorhabens vertraut machen müssen. In den folgenden Abschnitten werden wir uns vertieft mit den verschiedenen Risiken, Risikoinstrumenten und Risikoträgern beschäftigen; insofern dient die folgende Tabelle 19 zunächst nur der Einstimmung: Tabelle 19:

Risikoart, Risiko-Instrument und Risikoträger

Risikoart Risiko-Instrument Verfügbarkeit Rohstoffe oder Energie Vertrag: Angbeot oder Zahlung, Machbarkeitsstduie Vertragserfüllung Vertragspartner Machbarkeitsstudie Kostenüberschreitung Fertigstellunggarantie, Kreditlinie Abnahmerisiko Performancerisiko Rechts- und Regulierungsrisiko Länderrisiko Technologisches Risiko Devisenkurs Inflationsrate Zinssätze Force Majeure

Take-or-Pay-Verträge Machbarkeitsstudie, Vertragskonditionen (Anreize) Reputation des Landes, gute Zusammenarbeit mit Regierungen Machbarkeitsstudie, Versicherung möglicherweise K-O-Kriterium, ansonsten: Lizenzvereinbarung Optionen, Futures, Swaps usw. Langfristige Verträge (Kauf und Verkauf) Feste Zinskonditionen, Zinsderivate usw. Eindeutige Abgrenzung, Versicherung

Risikoart, Risiko-Instrument und Risikoträger

Risikoträger Zulieferer, evtl. Sponsoren Sponsoren Sponsoren, Generalunternehmer, Kreditgeber Nachfrager des Outputs Anlagenlieferant Sponsoren Versicherungsagenturen, ECAs Lizenzgeber Finanzinstitute Anbieter und Nachfrager Finanzinstitute, Gläubiger Versicherung

292

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Im nächsten Schritt werden wir die wesentlichen Risiken bei Projekten im Bereich Erneuerbare Energien betrachten, die wir bereits im einführenden Kapitel skizziert haben. Beispielhaft stellen sich die verschiedenen Risikokategorien im Zeitablauf bei einem Projekt im Bereich Erneuerbare Energien wie folgt dar:

CF Solarkraftwerk Fertigstellung

Bauphase

Verspätung Kostenüberschreitung Nicht-Fertigstellung Energie-Produktion

Einzahlungen Betriebsphase Auszahlungen

Absatzpreis Absatzmenge operative Kosten

Æ Techn. Leistungsfähigkeit Æ Anlagenverfügbarkeit Æ Einstrahlung

Æ Kostensteigerung Æ Inflation

Finanzierungskosten

identifizierte Risiken Abbildung 42:

Risikoeinflüsse auf ein Erneuerbare-Energien-Projekt

Offensichtlich ist, dass die Risiken quantifizierbare Auswirkungen haben und in ihrer Gesamtheit betrachtet und bewertet werden müssen. Die Quantifizierung der Chancen und Risiken eines Projektes erweist sich als der Dreh- und Angelpunkt eines übergeordneten Sicherungssystems. Die Quantifizierung ermöglicht dabei, aus Investorensicht die Wirtschaftlichkeit, aus Sicht der weiteren Projektbeteiligten die Angemessenheit der AnreizBeitragsstruktur und aus Kapitalgebersicht die Robustheit des Projektes zu beurteilen. Die Investoren beurteilen das Projekt aus einer Base-Case-Betrachtung, wobei sie in ihr Kalkül bessere und schlechtere Projektentwicklungen einbeziehen werden. Die anderen Projektbeteiligten beurteilen das Vorhaben danach, welche Beiträge sie zu leisten haben und ob die Gegenleistung dazu in einem angemessenen Verhältnis steht. Die Kreditgeber beurteilen das Projekt danach, ob bei einer Worst-Case-Betrachtung die Bedienung des Kapitaldienstes gesichert erscheint. Hierzu überprüfen sie zum einen die Reagibilität des Projektes gegenüber möglichen adversen Projektänderungen – z.B. verspätete Fertigstellung, MinderPerformance der Anlagen oder Preisverfall auf der Marktseite – und bewerten zum anderen die Möglichkeiten und Verpflichtungen des Projektes und der Projektbeteiligten, bei negativen Planabweichungen unterstützend einzuspringen. Eine Möglichkeit, von Seiten des Projektes gegenzusteuern, kann dabei z.B. die Verpflichtung sein, bei Unterschreitung bestimmter Trigger Events – typischerweise Unterschreiten eines bestimmten Schuldendienstdeckungsgrades – eine beschleunigte Tilgung der Darlehen vorzunehmen (cash sweep).

4.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

293

Die verschiedenen Verpflichtungen der Projektbeteiligten gegenüber dem Projekt haben wir im Zusammenhang mit der Diskussion der Einzelrisiken diskutiert. Im Zusammenhang mit der Risikoquantifizierung geht es nunmehr darum, die vertraglichen Verpflichtungen der Projektbeteiligten zu bewerten, was neben dem Umfang der möglichen Verpflichtungen auch eine Bonitätsbeurteilung der Verpflichteten erfordert. Darüber hinaus signalisiert die Verpflichtung der Projektbeteiligten ein Interesse am Projekterfolg, was über die Ebene der Quantifizierbarkeit hinaus von qualitativer Bedeutung ist. Damit wird ersichtlich, dass Risikoquantifizierung und Risikoallokation in einem engen Wechselverhältnis zueinander stehen. Eine Risikoquantifizierung ist erst dann vollständig, wenn neben der isolierten Projektbetrachtung auch die verschiedenen Beiträge der Projektbeteiligten mit betrachtet werden, die bestimmte Projekt-Risiken übernehmen und das Projekt insoweit freihalten. Nach der Anreiz-Beitrags-Theorie nach BARNARD und MARCH können die individuellen Vor- und Nachteile der Beteiligten als positive und negative Anreize definiert werden, die die Projektbeteiligten durch ihre eingebrachten Beiträge erhalten. Andererseits erfordert eine Risikoallokation die Quantifizierung der Chancen und Risiken sowohl auf Ebene der einzelnen Projektbeteiligten als auch auf Ebene des Gesamtprojektes. Der einzelne Projektbeteiligte kann erst dann seine Chance-Risiko-Position beurteilen, wenn er die vollständige Risikoquantifizierung des Cashflow-Modells mit den oben beschriebenen Beiträgen der einzelnen Projektbeteiligten kennt. An dieser Stelle wird deutlich, dass die Ermittlung einer geeigneten Finanzierungsstruktur mit der Ausgestaltung der Projektstruktur und der Projektverträge auf das engste zusammenhängt: Einerseits bestimmt die Ausgestaltung der Finanzierungsstruktur darüber, welche Beiträge insbesondere die Sponsoren und die Kreditgeber zu leisten haben, andererseits lässt sich eine Finanzierungsstruktur nur vor dem Hintergrund der vertraglichen Verpflichtungen der verschiedenen Beteiligten beurteilen. Aus diesem Grunde ist die von Seiten der Sponsoren gestellte Frage nach der notwendigen Höhe der Eigenmitteleinbringung auch erst dann abschließend zu beantworten, wenn neben dem Risikoprofil des Projektes auch die vertraglichen Verpflichtungen der einzelnen Projektbeteiligten bekannt sind. Weiter ermöglicht erst die Risikoquantifizierung die Information über die Performance des Projektes und ist damit Anknüpfungspunkt für Steuerungsmaßnahmen der Projektgesellschaft bzw. für das Auslösen von Verpflichtungen der Projektbeteiligten. Weichen Kennzahlen von Planwerten ab, werden – je nach vertraglicher Ausgestaltung – die Projektbeteiligten verpflichtet, bestimmte Beiträge zu leisten oder bestimmte Kreditsicherheiten greifen. Damit ermöglicht die Risikoquantifizierung eine dauerhafte Begleitung des Projektes im Zeitablauf und erfüllt die Funktion eines Steuerungsmechanismus. Die folgende Abbildung 43 soll dies abschließend verdeutlichen. Das Cashflow-Modell ist für die Risikoquantifizierung von zentraler Bedeutung, aber die Risikoquantifizierung endet nicht mit dem Cashflow-Modell. Zusätzlich erfolgen auf Grundlage des Cashflow-Modells – zumeist separat vorgenommene – Simulationsrechnungen über ein Rating-Tool, die verschiedene Projektverläufe bei unterschiedlichen Umweltszenarien simulieren und aus Risikosicht der Banken bewerten. Die Simulationsrechnungen werden dabei im Windenergiebereich wesentlich durch die Verteilungsfunktion des Windangebots

294

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Projekt-Performance

Quantifizierung der Chancen und Risiken

Ist-Kennzahlen (aufgrund Soll-Kennzahlen (z.B. tatsächlicher Performance) aufgrund des Base-CaseSzenarios) Abweichungen und Abweichungsanalyse

UnterstützungsMaßnahmen

Projektbeteiligte, insbesondere Sponsoren und Kreditgeber (Finanzierungsstruktur) Umfang der Fähigkeit, die jeweilige Verpflichtung der Verpflichtung auch verschiedenen erfüllen zu können. Projektbeteiligten

Regelmechanismus

Funktionen einer Risikoquantifizierung

Abbildung 43:

Risikomanagementprozess bei einer Projektfinanzierung – Teil II

sowie der Entwicklung der Zinsstrukturkurven beeinflusst. Qualitative Faktoren, wie etwa die Bewertung des Fertigstellungsrisikos und die Erfahrungen des EPC-Contractors, haben gegenüber den quantitativen Faktoren eine zumeist nachrangige Bedeutung. Tabelle 20:

Systematisches Vorgehen bei der Risikoquantifizierung Schritte: Plausibilisierung und Übernahme der Daten des Entwicklers in ein Cashflow-Modell (im Prinzip soll die wahrscheinlichste Entwicklung des Projektes angegeben werden)

Besonderheiten und Hinweise: 1. Nicht überoptimistisch sein, aber auch nicht das Projekt schlechter machen; 2. Ausnahme: Wartungskosten werden mindestens zu Full-Service-Preisen eingestellt

Bankenspezifika: Es bestehen bankenspezifische Unterschiede hinsichtlich der Laufzeit der Term Loans und Belastbarkeitskriterien

Rating-Tool

Übertragung des Cashflow-Modells in ein Rating-Tool und Vornahme von automatisierten Simulationsrechnungen => Ziele: Objektive Risikoeinschätzung

1. Variabilität und Untergrenzen von Projektverträgen berücksichtigen; 2. Explizite Angabe der GutachterUnsicherheit im Solargutachten verlangen

Risikobewertung sollte bei demselben Projekt bei unterschiedlichen Banken identisch sein

KalkulationsTool

Einstellung der Risikoeinschätzung und der Margenbestandteile in ein weiteres BewertungsTool, das die Wirtschaftlichkeit aus Bankensicht bewertet

CF-Modell

Je nach Verzinsungsanforderungen der Banken können sich unterschiedliche Preise für das Risiko ergeben

Zusammenfassend erfüllt die Risikoquantifizierung folgende Funktionen: 1. Quantifizierung der Wirtschaftlichkeit und der Belastbarkeit des Projektes, 2. Erarbeitung einer Projektstruktur, die die einzelnen Chancen und Risiken sachgerecht zuweist und damit einen nachhaltigen Projekterfolg unterstützt, 3. Festlegung eines Frühwarnsystems, das Plan-Abweichungen erkennt und damit die Handhabe liefert, um frühzeitig Gegenmaßnahmen durch einzelne Projektbeteiligte oder den Einsatz von Kreditsicherheiten einzuleiten. Wir werden im folgenden Kapitel skizzieren, wie eine Risikoquantifizierung bei einer Projektfinanzierung erfolgen kann.

4.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

4.2.3

295

Darstellung der Reagibilität eines Windenergievorhabens auf verschiedene Parameter-Änderungen

Im Folgenden soll ein Windenergie-Vorhaben mittels einer Analyse seiner Risikopotentiale auf seine Projektfinanzierungsfähigkeit hin untersucht werden. Da die Ausprägung der Projektrisiken in großem Maße von dem jeweiligen Finanzierungsobjekt abhängt, soll ein Fallbeispiel aus der Praxis betrachtet und bewertet werden541. Tabelle 21:

Rahmendaten eines Windenergieprojektes in Deutschland

Projektname: Projektstandort: Gesamtinvestitionsvolumen: Fremdkapitalvolumen: Eigenkapitalvolumen: Finanzierungsstruktur:

AZUR BLUE Deutschland EUR 15.280.000,– EUR 10.000.000,– EUR 5.280.000,– Rückzahlung der Projektfinanzierungsdarlehen über 16 Jahren mit linearem Tilgungsverlauf (Ratendarlehen). Tilgungsfreie Zeit 36 Monate Schuldendienstreserve: nicht vorgesehen Summe der Betriebskosten p.a.: EUR 336.400,– (anfänglich) Inbetriebnahmezeitpunkt: 01.01.2011 Nennleistung: 8 MW Jahresenergieproduktion: 19,96 GWh Einspeisetarif: 9,02 € Cent/kWh für 20 Jahre Projektlaufzeit (der Referenzertragswert liegt bei 80 %, so dass eine Tarifabsenkung nicht innerhalb des Projektzeitraums erfolgen wird). Auf Basis dieser Daten wurde von den Sponsoren ein erstes Cashflow-Modell als Sponsors Case erstellt. Dieses Modell stellt die Ausgangsbasis für die Analyse einzelner Projektrisiken dar, bevor es später im Rahmen der Risikoquantifizierung unter Berücksichtigung sämtlicher zu bewertenden Risiken zur Entwicklung einer geeigneten und tragfähigen Projektfinanzierungsstruktur dient.

541

Es handelt sich um ein reales Projekt, bei dem allerdings die Namen und die anfänglichen Annahmen zur Finanzierungsstruktur fiktiv sind.

296

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

2,00 1,90

1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. Operative Kosten plus 9 %: 4. Kombinationsfall (2+3):

1,80 1,70 1,60 1,50 1,40 1,30

DSCR-Verlauf

1,20 1,10 1,00 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025

Abbildung 44:

DSCR Windenergie-Projekt (Sponsors Case)

1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. Operative Kosten plus 9 %: 4. Kombinationsfall (2 + 3):

Min. DSCR 1,17 1,03 1,14 1,00

Ø DSCR 1,76 1,55 1,72 1,51

IRR 10,05 % 6,42 % 9,26 % 5,60 %

Zinssatzänderung Anhand des Fallbeispiels werden die Auswirkungen von Zinsänderungen in verschiedenen Abstufungen dargestellt. Dabei werden ausgehend von der von den Sponsoren vorgeschlagenen Finanzierungsstruktur der Zinssatz des Projektfinanzierungskredites in diesem Modell verändert und die hieraus resultierenden Ergebnisse im Folgenden beschrieben.

2,00

DSCR-Verlauf

1,90 1,80

1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. wie 1, Zinssatz plus 1 % p.a.: 4. wie 3, Einnahmen bei 94,5 %: 5. Zinssatz plus 2 % p.a.:

1,70 1,60 1,50 1,40 1,30 1,20 1,10 1,00

2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026

Abbildung 45:

DSCR bei unterschiedlichen Zinssätzen

4.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. Zinssatz plus 1 % p.a.: 4. Wie 3, Einnahmen bei 94,5 %: 5. Zinssatz plus 2 % p.a.:

Min. DSCR 1,17 1,03 1,08 1,00 1,00

Ø DSCR 1,76 1,55 1,59 1,48 1,47

297

IRR 10,05 % 6,42 % 8,61 % 6,48 % 7,27 %

Die Erhöhung der Zinssätze führt dazu, dass der DSCR durchgängig über die gesamte Finanzierungslaufzeit unterhalb der Ausgangslage im Sponsors-Case liegt. Bei einem Anstieg des Zinssatzes des Projektfinanzierungskredites um 2,0 Prozentpunkte auf einen Satz von 6,25 % jährlich beträgt der DSCR im ersten Betriebsjahr 2011 noch 1,0, was bedeutet, dass der Kapitaldienst gerade noch geleistet werden kann. Bei einem noch höheren Zinsanstieg wäre dies nicht mehr sichergestellt und die bankseitigen Anforderungen der jederzeitigen und vollständigen Leistung des Kapitaldienstes würden verfehlt. Die betrachtete Höhe des Zinsanstieges stellt somit die Grenze der Projektbelastbarkeit dar. Die Erhöhungsdifferenz von 2,0 Prozentpunkten bis zur Erreichung der Projektbelastbarkeitsgrenze kann als Sicherheitspuffer des Projektes für das Zinsänderungsrisiko verstanden werden. Die Höhe dieses Sicherheitspuffers zeigt dabei, dass das Projekt AZUR BLUE recht empfindlich auf einen Zinsanstieg reagiert. Diese Beobachtung kann generell bei Projektfinanzierungen im Bereich Windenergie gemacht werden, wobei das Zinsänderungsrisiko bei Solarprojekten aufgrund ihrer größeren Kapitalintensität noch größer ausfällt. Betriebskostenänderung Die Folgen aus dem Eintritt des Betriebs- und Managementrisikos werden über eine Variation der Betriebskosten dargestellt und die hieraus resultierenden Ergebnisse im Folgenden beschrieben. Die jährlichen Betriebskosten werden in verschiedenen Szenarien um jeweils 20 %-Punkte erhöht. Die genannten Beträge beziehen sich auf den Ausgangswert der Betriebskosten im ersten Betriebsjahr ohne Berücksichtigung des im Modell generell kalkulierten Betriebskostenanstieges von 2 % jährlich. Die entgegen der Ausgangslage im Sponsors-Case zusätzlich anfallenden Betriebskosten müssen durch den unveränderten Projekt-Cashflow gedeckt werden. Dadurch sinkt der Teil des Projekt-Cashflows, der für die Bedienung des Kapitaldienstes zur Verfügung stehen kann. Die Kapitaldienstfähigkeit in Form des DSCR sinkt folglich über die gesamte Finanzierungslaufzeit, wie es die nachfolgende Abbildung 46 veranschaulicht. Es zeigt sich, dass auch hier der DSCR durch die vorgenommene Veränderung durchgängig unterhalb der Ausgangslage im Sponsors-Case liegt. Bei allen betrachteten Fällen liegt der DSCR gleichwohl deutlich über 1,0. Das Projekt kann somit in allen Fällen den Kapitaldienst noch leisten. Bei noch höheren Betriebskosten wäre dies nicht mehr sichergestellt und die bankseitigen Anforderungen der jederzeitigen und vollständigen Leistung des Kapitaldienstes würden verfehlt. Hierbei muss man zwischen der rechnerischen und der tatsächlichen Empfindlichkeit unterscheiden: In der Realität der Projektfinanzierungen wird die Mehrzahl der operativen Kosten vertraglich fixiert sein, so dass eine derartige Kostensteigerung nicht realistisch ist.

298

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

2,00

DSCR-Verlauf

1,90 1,80

1. Sponsors Case

1,70

2. Operative Kosten plus 20 %:

1,60

3. Operative Kosten plus 40 %:

1,50

4. Operative Kosten plus 52 %:

1,40 1,30 1,20 1,10 1,00 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026

Abbildung 46:

DSCR bei veränderten Betriebskosten

1. Sponsors Case 2. Operative Kosten plus 20 %: 3. Operative Kosten plus 40 %: 4. Operative Kosten plus 60 %:

Min. DSCR 1,17 1,10 1,04 1,00

Ø DSCR 1,76 1,66 1,56 1,50

IRR 10,05 % 8,28 % 6,47 % 5,36 %

Insgesamt zeigt sich das Projekt AZUR BLUE weniger empfindlich gegenüber einem Betriebskostenanstieg, weil die Betriebskosten im Verhältnis zu Investitionsvolumen, ProjektCashflow und Kapitaldienst nur einen geringen Anteil ausmachen. Diese Empfindlichkeit ist nicht nur in diesem speziellen Fall zu beobachten, sondern eine generelle Eigenschaft von Windenergie-Projekten. Einnahmenrückgang Die dargestellten Folgen aus dem Eintritt des Ressourcenrisikos und die sich hierdurch ergebenden Auswirkungen haben wir im Folgenden über eine Variation des Jahresenergieertrages in mehreren Szenarien abgebildet. Die Kapitaldienstfähigkeit in Form des DSCR sinkt folglich über die gesamte Finanzierungslaufzeit, wie es die nachfolgende Abbildung 47 veranschaulicht. Durch die vorgenommene Veränderung liegt der DSCR durchgängig unterhalb der Ausgangslage im Sponsors-Case. Bei einer Senkung des Jahresenergieertrages um 11,0 % erreicht der DSCR im vierten Betriebsjahr des Projektes sein Minimum von 1,0. Das hier betrachtete Ausmaß des Absinkens des Jahresenergieertrages stellt folglich die Grenze der Projektbelastbarkeit dar. Die Differenz von 11,0 % bis zum Erreichen der Projektbelastbarkeitsgrenze aus Sicht des Sponsors-Case kann somit auch als dessen Sicherheitspuffer im Hinblick auf das Ressourcen-

4.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

299

2,00 1,90

1. Sponsors Case

1,80

2. Einnahmen bei 95 %: 3. Einnahmen bei 90 %: 4. Einnahmen bei 89 %:

1,70 1,60 1,50 1,40 1,30

DSCR-Verlauf

1,20 1,10 1,00 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026

Abbildung 47:

DSCR bei Einnahmenveränderung

1. Sponsors Case: 2. Einnahmen bei 95 %: 3. Einnahmen bei 90 %: 4. Einnahmen bei 89 %:

Min. DSCR 1,17 1,09 1,01 1,00

Ø DSCR 1,76 1,65 1,53 1,51

IRR 10,05 % 8,05 % 6,02 % 5,61 %

risiko verstanden werden. Die Höhe des Sicherheitspuffers bei Wind Azur Blue ist dabei als sehr knapp zu bewerten, wenn man sich die durchschnittliche Schwankung der jährlichen Energieproduktion vor Augen hält (siehe Fachkapitel 3.3 und Abbildung 36). Die dortigen Ausführungen zeigen, dass das jährliche Energieangebot am Standort in einem nicht unerheblichen Maße schwanken kann. Dem theoretischen Sicherheitspuffer von 11,0 % im Cashflow-Modell steht eine gutachterlich ausgewiesene Standardabweichung des Energieangebotes in Höhe von etwa 8 % am Projektstandort gegenüber. Damit ist der Sicherheitspuffer im Sponsors Case zu gering, so dass Anpassungen an der Finanzierungsstruktur notwendig werden. Bevor wir uns den damit verbundenen Möglichkeiten zuwenden, stellen wir zunächst die relevanten Beurteilungsverfahren dar.

4.2.4

Verfahren der Risikoquantifizierung: Cashflow-Modell und Rating-Verfahren

4.2.4.1

Dynamische Ziele einer Risikoquantifizierung

Ziel einer Risikoquantifizierung ist, die Wahrscheinlichkeit und den quantitativen Umfang möglicher negativer Abweichungen des Projektes im zeitlichen Ablauf zu ermitteln. Die hierzu in der Praxis entwickelten Methoden haben dabei die betriebswirtschaftlichen Tendenzen nachvollzogen und entwickelten sich von den statischen Methoden zu dynamischen Verfahren, die nunmehr die einzelnen Risiken im zeitlichen Ablauf berücksichtigen. Zum Teil sieht man allerdings auch heute noch Kalkulationsbeispiele, die darauf abzielen, eine

300

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Betrachtung für lediglich ein Jahr anzustellen oder aber eine Gewinngröße zu ermitteln. Von beiden Herangehensweisen muss dringend abgeraten werden: Zum einen sollte klar sein, dass eine statische Betrachtung künftige Veränderungen von Einzahlungen und Auszahlungen nicht abbilden und damit zu einer gravierenden Fehleinschätzung der Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens führen kann. Zum anderen sind es lediglich die zahlungswirksamen Größen, die für die Begleichung der operativen Kosten und des Kapitaldienstes herangezogen werden können, nicht aber eine aus der Gewinn- und Verlustrechnung stammende Größe, die für Rechnungslegungszwecke entwickelt wurde. Es sollte daher Standard sein, auf dynamische Verfahren zu setzen und nur Nach-Steuer-Cashflows zu betrachten. Traditioneller Ansatz

Definition:

Sichtweise des Sponsors

Sichtweise der Bank

Interner Zinssatz (IRR) oder Kapitalwert

Debt Service Cover Ratio

Zinssatz, bei dem der Kapitalwert Null wird.

Cash Flow vor Schuldendienst Schuldendienst

Spanne: zwischen 7 % und 15 %

Üblicherweise > 1,3

Anforderung:

Interner Zinssatz / Debt Service Cover Ratio Abbildung 48:

Gegenüberstellung Interner Zinssatz/Debt Service Cover Ratio

Aus Sicht des Investors werden regelmäßig die Ein- und Auszahlungen, die er leisten muss bzw. erhält, auf den Zeitpunkt der Investitionsentscheidung mit einem geeigneten Kalkulationszinssatz abgezinst. Ergibt sich ein positiver Kapitalwert, erscheint das Vorhaben vorteilhaft. Alternativ – wenn auch mit gewissen theoretischen Nachteilen – kann der interne Zinssatz den Investor darüber informieren, ob eine bestimmte Mindestverzinsung seines Eigenkapitals erreicht oder überschritten wird. In der Praxis wird hierfür meist der interne Zinssatz (Internal Rate of Return) herangezogen. Bei dieser Methode wird der Zinssatz berechnet, bei dem die Barwerte der Einzahlungen und Auszahlungen des Investitionsvorhabens gleich groß sind. Daraus ergibt sich folgende Formel, wobei die Zielgröße der interne Zinssatz r ist: n

∑ (Et – At) * (1 + r)–t = 0 t=0 Et: At: t:

Einzahlungen in Periode t Auszahlungen in Periode t Periode

n: r:

Nutzungsdauer des Investitionsobjektes interner Zinssatz

4.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

301

Auf diese Weise erhält man die Effektivverzinsung eines Investitionsvorhabens. Die Investition wird unter der Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes dann durchgeführt, wenn der interne Zins über dem Kapitalmarktzins liegt. Für die Berechnung wird außerdem die Annahme getroffen, dass etwaige Überschüsse zum jeweiligen internen Zinssatz angelegt werden. Allerdings sind die so abgeleiteten Kennzahlen nicht geeignet, die Dimensionierung und Struktur der Fremdmittel zu bestimmen. Hier kommt die Sichtweise der Fremdkapitalgeber ins Spiel. Aus Sicht der Fremdkapitalgeber interessiert die Frage, wie sicher es ist, dass Zinsen und Tilgung aus dem Cashflow des Projektes erbracht werden können – je höher hier die Überdeckung ist, um so robuster sollte das Projekt auf Planänderungen reagieren. Im Folgenden betrachten wir das Cashflow-Modell unter dem Blickwinkel der Ausgestaltung einer Finanzierungsstruktur, und damit in einem fortgeschrittenen Stadium aus Sicht der Fremdkapitalgeber. Hauptproblem der im Folgenden darzustellenden Verfahren ist die Prognose der zukünftigen Periodenerfolge, die sich – in den Planungen der Projektbeteiligten – häufig als eine einmalige Analyse der wahrscheinlichen Entwicklung des Projektes darstellt. Dabei weisen diese Verfahren zwei Mängel auf: Zum einen wird die Wechselwirkung des Projekterfolgs mit den Interessen der verschiedenen Projektbeteiligten meist nicht thematisiert. Wir haben diesen Aspekt im Einführungskapitel skizziert. Zum anderen werden Handlungsmöglichkeiten der Projektbeteiligten – v.a. der Projektgesellschaft – auf Veränderungen der Umwelt, die auf das Projekt einwirken, nicht abgebildet, so dass die eher statische und gerichtete Sicht der traditionellen Bewertungsverfahren ergänzt werden muss. Gleichwohl sind die Kennzahlenermittlung und die Projektsteuerung über Kennzahlen die zentralen Elemente jeder Risikoquantifizierung. Der primäre Finanzierungsgedanke einer Projektfinanzierung beinhaltet, dass der generierte Cashflow ausreichen soll, um einerseits den Schuldendienst zu decken und andererseits eine angemessene Absicherung gegen den Eintritt möglicher Risiken zu bieten. Zur Umsetzung dieser Zielvorgabe werden die erwarteten Projekterlöse ermittelt und anschließend in Bezug zum ausstehenden Schuldendienst oder Kreditbetrag gesetzt. Bei diesem Modell werden die Cashflows des Projekts unter Annahme der Plandaten periodenweise simuliert und es wird dann geprüft, inwiefern das Projekt in der Lage ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Die ermittelte Über- oder Unterdeckung kann mit Hilfe des Debt Service Cover Ratio (DSCR, Schuldendienstdeckungsgrad) aggregiert dargestellt werden. Der DSCR beschreibt dabei, inwieweit der Cashflow zur Deckung des Schuldendienstes ausreicht. Da es üblich ist, zur Erhöhung der Belastbarkeit des Projekts eine Schuldendienstsreserve (SDR) vorzuhalten, wird der DSCR im weiteren Verlauf der Arbeit wie folgt definiert: DSCR =

Cashflow der Periode + Schuldendienstreserve Schuldendienst der Periode

302

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Die so für die einzelnen Perioden ermittelten DSCR können in einem Graphen, der die gesamte Kreditlaufzeit abbildet, dargestellt werden, wodurch die für das Projekt kritischen Phasen leicht zu identifizieren sind. Bei einem DSCR ≥ 1,0 ist der Schuldendienst der Periode durch die Cashflows gedeckt. Um eine Absicherung gegen Schwankungen des Cashflows vorzunehmen, besteht von Seiten des finanzierenden Kreditinstituts im Allgemeinen der Anspruch, dass das Projekt in der Lage sein muss, auch in einem Worst-Case-Fall einen DSCR ≥ 1,0 zu generieren. Die Anforderung an die als notwendig angesehene Überdeckung hängen von dem Umfang der Risikoüberwälzung ab, so dass eine bankseitige Forderung nach einem Mindestdeckungsverhältnis durch die projektspezifische Risikostruktur mit beeinflusst wird. Je ausgeprägter die Risikoübernahme unter Berücksichtigung der Risikotragfähigkeit des betreffenden Risikoträgers ist, umso geringer kann die Überdeckung ausfallen. Der Schuldendeckungsgrad fordert lediglich eine pauschale Überdeckung für den Risikofall. Demnach gibt der DSCR noch keine Auskunft über die Entwicklung des Cashflows unter Risikoeinfluss. Inwieweit eine im DSCR enthaltene Sicherheitsmarge im Falle einer Risikorealisation ausreichend bemessen ist, wird zunächst noch nicht ersichtlich. Erst unter Anwendung von dynamischen Analysemethoden wird der DSCR zu einer Bewertungs- und Steuerungsgröße. Der Einsatz des Cashflow-Modells und die Betrachtung des DSCR als zentrale Kenngröße unterstützt auch die in dieser Arbeit eingenommene Sichtweise, da die aus Sicht der Kredit gebenden Bank elementare Fähigkeit des Projektes zur Leistung von Zins und Tilgung abgebildet wird. Neben der Bewertung der Ausgangssituation mit Plandaten kann mit dem Cashflow-Modell auch der Einfluss einzelner Risiken auf das Projekt bewertet werden. Mit Hilfe der Sensitivitätsanalyse wird dabei durch eine Simulation der verschiedenen Input-Daten geprüft, inwiefern entstehende Veränderungen im Cashflow die Tragfähigkeit des Projektes beeinflussen. Ziel ist es, die Reaktionsempfindlichkeit des Projektes auf veränderte Umweltbedingungen aufzuzeigen. Auf diese Weise wird ersichtlich, welche Bedeutung jeweils der Absicherung eines Risikos zukommt. Da sich die Einzelrisiken und die spezifischen Risikoinstrumente im zeitlichen Ablauf des Projektes wandeln können, treten neben die eher statische Betrachtung des Schuldendienstdeckungsgrades den zeitlichen Ablauf stärker betonende dynamische Methoden in den Vordergrund, nämlich die Sensitivitätsanalyse, die Szenariotechnik, die simulative Risikoanalyse und neuerdings die Methode der Real- oder Handlungsoptionen. Ziel der Sensitivitätsanalyse ist die Darstellung der Auswirkungen von Variationen des Wertes einzelner oder mehrerer Parameter auf das Entscheidungskriterium (z.B. Cashflow oder DSCR), um so zusätzliche Informationen über den Risikogehalt des Projektes zu gewinnen. Die Sensitivitätsanalyse kann dabei grundsätzlich in zweierlei Weise vorgenommen werden: Zum einen vom gewählten Beurteilungskriterium zum variablen Risikoparameter (Fragestellung: um wie viel darf der Risikoparameter schwanken, ohne den Zielwert beim gewählten Kriterium zu beinträchtigen? – Methode der kritischen Werte), zum anderen vom Risikoparameter zum Beurteilungskriterium (Fragestellung: Wie schwankt die Messzahl des Beur-

4.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

303

Betrag in Euro Erwarteter Cashflow (Base-Case)

Erwartete Projektlebensdauer DSCR < 1

Worst-Case-Cashflow

Schuldendienst

Laufzeit in Jahren Abbildung 49:

542

Grundlegendes Cashflow-Modell mit Base- und Worst-Case

teilungskriteriums, wenn der Risikoparameter verändert wird – Alternativenrechnung). Vorteilhaft ist dabei die Ermittlung, welche Änderungen des Datenkranzes sich besonders sensibel auf den Cashflow auswirken. Nachteilig bei der Sensitivitätsanalyse ist der Umstand, dass sich in der Realität nur selten einzelne Parameter c.p. verändern, sondern Interdependenzen zwischen den Cashflow-Determinanten eher die Regel sind. Weiter ist mit der Sensitivitätsanalyse noch nichts für die Frage der Eintrittswahrscheinlichkeit der verschiedenen Parametereinsätze gewonnen. Das Verfahren macht jedoch deutlich, auf welche Änderungen das Projekt – gemessen am Beurteilungskriterium – am sensibelsten reagiert und weist so darauf hin, welchen Risiken besonderes Augenmerk geschenkt werden muss. Einen Schritt weiter geht die Szenariotechnik. Die Szenariotechnik stellt eine besondere Form der Sensitivitätsanalyse dar, bei der auf Basis verschiedener als realistisch angenommener Datenkonstellationen – so genannten Szenarien – die Auswirkungen auf den Cashflow aufgezeigt werden, gemessen über den Schuldendienstdeckungsgrad (DSCR). Dadurch wird abgebildet, wie sich die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens in Abhängigkeit der für die wichtigsten Einflussparameter hypothetisch unterstellten Entwicklungen verändern kann. Die Untersuchung wird häufig auf drei Szenarien eingegrenzt: • Base-Case (Unterstellung der wahrscheinlichsten Parameterwerte), • Best-Case (Unterstellung günstigster Parameterwerte) und • Worst-Case (Unterstellung ungünstigster Parameterwerte). Als Vergleichsgröße dient das Base Case-Szenario, das die verschiedenen Projektparameter mit ihrem wahrscheinlichsten Wert berücksichtigt. Ausgehend von dem Base Case-Szenario lässt sich durch pessimistische Schätzungen ein Worst Case-Szenario aufstellen. In diesem 542

P.K. Nevitt; F.J. Fabozzi 2000, S. 12.

304

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Szenario wird eine Projektsituation antizipiert, die bei einer ungünstigen Entwicklung der Cashflow-Determinanten eintritt und deshalb für die Fremdkapitalgeber von besonderer Bedeutung ist. Denn anhand einer Worst Case-Betrachtung kann festgestellt werden, ob auch bei stark negativen Entwicklungen das Projekt in der Lage ist, den Schuldendienst zu erbringen. Ergeben die Auswertungen dieses Szenarios, dass eine Unterdeckung des Schuldendienstes vorliegt, müssen die Banken über mögliche Modifikationen am entworfenen Finanzierungsplan nachdenken. Aus Sicht der fremd finanzierenden Bank ist ein besserer Verlauf als der Base Case nicht entscheidungsrelevant, da ihr Risikobegriff aufgrund ihrer ChanceRisikoposition als negative Zielabweichung definiert ist und der Schuldendienst unabhängig davon erbracht werden muss, welches Ergebnis das Projekt generiert. Bedeutung des Base Case-Szenarios: • Als Vergleichsgröße zu anderen Vorhaben dient das Base Case-Szenario, das die verschiedenen Projektparameter mit ihrem wahrscheinlichsten Wert berücksichtigt. • Für die Eingaben in das Rating-Tool der Banken müssen die Annahmen auf ein Base Case-Niveau gebracht werden. Die Rechnung innerhalb des Rating Tools simuliert auch negative Projektverläufe, die das maximal vertretbare Fremdfinanzierungsvolumen aufzeigen. Bedeutung des Worst-Case-Szenarios: • In diesem Szenario wird eine Projektsituation antizipiert, die bei einer ungünstigen Entwicklung der Cashflow-Determinanten eintritt und für die Fremdkapitalgeber von besonderer Bedeutung ist, da geprüft wird, ob auch bei stark negativen Entwicklungen das Projekt in der Lage ist, den Schuldendienst zu erbringen. • Liegt im Worst Case-Szenario eine Unterdeckung des Schuldendienstes vor, müssen die Banken über mögliche Modifikationen am entworfenen Finanzierungsplan nachdenken. Bei Windenergie-Vorhaben werden die folgenden Parameter im Rahmen einer Simulationsrechnung variiert: 1. Die Volatilitäten, die sich aus dem Windangebot ergeben, werden fortgeschrieben und sind der Haupttreiber für das Rating-Ergebnis eines Windenergie-Projektes. Diese Volatilitäten ergeben sich im Regelfall auf Grundlage einer Verteilungsfunktion des Windangebots an dem Standort, deren Standardabweichung für die Simulation fortgeschrieben wird. 2. Für das Zinsumfeld, soweit die Darlehenstranchen nicht zinsgesichert sind, erfolgt ebenfalls eine Simulation von Zinsszenarien, die länderspezifisch hinterlegt sind. 3. Des Weiteren gibt es weitere makroökonomische Größen – wie z.B. Inflationssätze – die als eigene Datensätze hinterlegt sind. Dabei wird das Rating-Ergebnis umso besser ausfallen, je geringer die Volatilitäten sind und je höher die Überdeckungsrelationen (DSCRs) ausfallen. Die Tatsache, dass auf der Grundlage der Sensitivitätsrechnung bzw. Szenariotechnik keine Aussage über die Eintrittswahrscheinlichkeit der unterstellten Cashflow-Konstellationen möglich ist, wird als das größte Defizit dieser Untersuchungsmethode angesehen. Um dies zu

4.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

305

kompensieren, können aufgrund vorhandenen Fachwissens subjektive Eintrittswahrscheinlichkeiten unterstellt werden. In den folgenden Abschnitten werden wir die verschiedenen, in der Praxis dominierenden Kennzahlen innerhalb einer Projektfinanzierung darstellen und kritisch würdigen.

4.2.4.2

Der Schuldendienstdeckungsgrad als zentrale Kennziffer

Der Schuldendienstdeckungsgrad (Debt Service Cover Ratio, DSCR) ist die wahrscheinlich am häufigsten gebräuchliche Kennzahl innerhalb einer Projektfinanzierung:

DSCR =

Cashflow der Periode + Schuldendienstreserve Schuldendienst der Periode

Diese Kennzahl wird zum einen jährlich – manchmal auch zu jedem Kapitaldiensttermin – berechnet, zum anderen aber bereits zur Planung eines Projektes über die gesamte Kreditlaufzeit ausgewiesen. Die Dominanz des DSCR erklärt sich unmittelbar aus dem zentralen, wirtschaftlichen Charakteristikum einer Projektfinanzierung: Da die zur Finanzierung des Projektes aufgenommenen Darlehen ausschließlich aus dem vom Projekt generierten Cashflows zurückgeführt werden, ist es nahe liegend, den Cashflow-Verlauf dahingehend zu untersuchen, ob er in der Lage ist, den Kapitaldienst für die Darlehen zu erbringen. Selbst wenn der Schuldendienstdeckungsgrad die einzige verwandte Kennzahl ist, ist dies für die Zwecke einer Projektfinanzierung gleichwohl ausreichend. Der DSCR gibt an, um welchen Faktor der erwartete Cashflow den Kapitaldienst in jedem Jahr über- oder unterdeckt. Banken sind aufgrund ihrer Risikopräferenzen nur bereit, Projektkredite bei Überschreitung bestimmter Überdeckungsverhältnissen zur Verfügung zu stellen. Wenn der DSCR unter 1,00 fällt, kann das Projekt seinen Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag nicht mehr vollständig nachkommen und muss entweder weitere Kreditmittel aufnehmen, Eigenmitteleinschüsse erhalten oder eine Änderung des Tilgungsprofils muss verhandelt werden. Die Kennzahl ist im besonderen Maße dafür geeignet, das Rückzahlungsprofil eines Projektes zu bestimmen. In der oben genannten Verwendung beinhaltet sie die Schuldendienstreserve: Dies hat zwar den Nachteil, dass im Basisfall der DSCR strukturell überschätzt wird, aber den deutlichen Vorteil, dass in einem Belastungsfall – und vor allem dieser interessiert die Kreditgeber – die Belastbarkeit des Vorhabens inklusive der Reserven, die für die Bedienung des Kapitaldienstes zur Verfügung stehen, aufgezeigt wird. Wenn die Kennzahl wie oben benutzt wird, sollte sich die Interpretation auf einen Belastungsfall beziehen. In einem Basisfall ist zu berücksichtigen, dass der DSCR um die Schuldendienstreserve zu hoch ausgewiesen wird. Keinesfalls dürfen hier andere Konten als die Schuldendienstreserve eingerechnet werden, wie z.B. eine Wartungskostenreserve. Der Schuldendienstdeckungsgrad ist eine hochgradig verdichtete Kennzahl, da sie sämtliche Einzahlungen und Auszahlungen eines Vorhabens vor dem Hintergrund der Kapitaldienstfähigkeit darstellt. In jedem Fall sei davor gewarnt, allein auf den minimalen Schuldendienstdeckungsgrad eines Vorhabens zu sehen. Dies ist ein eher allgemeiner Merksatz, der bereits in einer Reihe von

306

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Rechnungslegungssystemen festgeschrieben ist: Es existiert keine Möglichkeit, die Performance eines Unternehmens in einer Kennzahl auszudrücken. Daher sollte keine alleinige, übertriebene Bedeutung auf eine noch so wichtige Kennzahl gelegt werden, sondern zusätzlich untersucht werden, welche Parameter realistischerweise wie weit schwanken können und welche Konsequenzen sich insoweit auf die Belastbarkeit des Vorhabens ergeben. Je nach Risikoeinschätzung kann der festgesetzte Mindestdeckungsgrad stark variieren, wobei er umso höher sein wird, je größer die Risikoübernahme der Projektbeteiligten ist. Entsprechend schwanken die Überdeckungsverhältnisse in Abhängigkeit von den Erfahrungen der Branche und dem jeweiligen Risikoprofil eines Projektes. Wichtig ist die Frage, wie robust das Projekt auf negative Planabweichungen reagiert und welche Sicherungsmechanismen greifen, um daraus eine Mindestdeckungsrelation für die Vergabe von Projektkrediten zu ermitteln. Die Bedeutung der Risikoabsicherung nach dem Kriterium des Schuldendienstdeckungsgrades zeigt auch eine Schwäche dieses Verfahrens: Sein Ausgangspunkt ist nicht die Analyse der Risiken als solche und ihre Bemessung, sondern die auf die möglichen Folgen abgestellte Bemessung eines Risikopolsters, mit dem die verbleibenden Risiken pauschal abgesichert werden sollen. Solange das pauschal bestimmte Sicherheitspolster eine ausreichende Abfederung verschafft, mag dies genügen. Je dünner allerdings die Polster werden, umso stärker rücken wiederum die Einzelrisiken und die spezifischen Risikoinstrumente in den Vordergrund.

4.2.4.3

Die Einbindung des Rating-Verfahrens

Wie wir oben dargestellt haben, sind das Cashflow-Modell und das Rating-Verfahren zwei ineinander greifende methodische Verfahren, deren Ziel es letztlich ist, eine für ein Projekt aus Risikoaspekten angemessene Risikostruktur zu ermitteln. Dabei dient das Cashflow-Modell einer ersten Abschätzung der Projektbelastbarkeit und Wirtschaftlichkeit und das Rating-Verfahren ermöglicht es dann, den Cashflow-Verlauf innerhalb einer Simulation zu bewerten. Das Rating-Ergebnis korrespondiert mit einer Risikobepreisung. Sofern diese von der im Cashflow-Modell verwandten Risikobepreisung abweicht, die ja zunächst eine Schätzgröße abbildet, muss das Modell angepasst und die Simulationsrechnung wiederholt werden. Im Bedarfsfall muss dieser Prozess so lange wiederholt werden, bis Cashflow-Modell und Rating-Verfahren von denselben Angaben ausgehen. Insofern ist die Cashflow-Modellierung und die Bewertung durch ein Rating-Tool ein iterativer Prozess. Die Ziele, die mit einem Rating-Tool verfolgt werden, lassen sich wie folgt subsumieren: 1. Objektive und standardisierte Risikobeurteilung eines Projektes. 2. Kalkulation eines Gesamtrisikos für eine Projektfinanzierung – Ermittlung einer Ausfallwahrscheinlichkeit (PD, „probability of default“), die wiederum für die Risikobepreisung relevant ist. 3. Regulatorische Anforderungen, insbesondere die Kapitaladäquanzanforderungen nach Basel II, können eingehalten werden.

4.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

307

Das Rating-Tool geht dabei wie folgt vor: 1. Simulation der wesentlichen Risikotreiber unter einem bestimmten Annahmen-Set und unter Berücksichtigung von 2. makroökonomischen Faktoren: Zinssätze, Wechselkurse und Inflationsannahmen sowie 3. branchenspezifischen Annahmen: basierend auf einem Random-Walk-Ansatz, der auf historischen Volatilitäten und Korrelationen basiert. In diesem Zusammenhang müssen zwei Volatilitäten unterschieden werden: Dies ist zum einen die Volatilität des Elementarangebots, zum anderen die im Windgutachten angegebene Prognoseunsicherheit der Gutachter. Die Volatilität des Elementarangebotes wird typischerweise über standortspezifische Gutachten dargestellt. Zu den Details der Abschätzung des Elementarangebots siehe insbesondere das Fachkapitel 3.3. Die zweite Volatilität, die sich auf das Elementarangebot bezieht, ist die im Gutachten angegebene Unsicherheit, die so genannte Banking Case Uncertainty (BCU). Die BCU beschreibt den Umstand, dass nicht nur die Einstrahlung als solche unsicher ist, sondern auch das korrekte Startniveau der Einstrahlung. Das im Rating-Sinn korrekte Start-Niveau ist das Annahmen-Set, das mit derselben Wahrscheinlichkeit überschritten und unterschritten wird (so genannter p(50)-Fall). Die BCU ist daher ein Maß für die Verlässlichkeit der Prognose eines Ertragswertgutachtens. 1. Die Berücksichtigung der BCU führt zu einer Parallelverschiebung der DSCR-Reihe und damit zu einer Erhöhung der PD. 2. Wird die BCU nicht explizit vom Gutachter angegeben, wird ein Wert von 10 % unterstellt (üblich sind vielleicht 5 %). Damit ergeben sich folgende Empfehlungen für die Beauftragung von Windgutachten: 1. Es sollten standortspezifische Gutachten erstellt werden. Regelmäßig sind die dabei ermittelten Standardabweichungen deutlich geringer als die länderbezogenen Werte. 2. Des Weiteren sollte der Gutachter explizit angeben, mit welcher Unsicherheit er bei seinem Gutachten rechnet, ansonsten erfolgt auch hier eine „Bestrafung“ des Projektes mit verhältnismäßig hohen Werten. Ggf. lässt sich auch über relativ kostengünstige Maßnahmen eine Verbesserung der Prognosequalität erreichen, etwa dem Einbezug von Daten benachbarter Windparks. 3. Beide Maßnahmen führen dazu, dass die Volatilitäten bezogen auf das Elementarangebot geringer ausfallen, was sich günstig auf das Rating-Ergebnis und damit auf die Fremdkapitalausstattung auswirkt. Neben den quantitativen Eingaben, die Eingang in das Cashflow-Modell finden, wird das Vorhaben hinsichtlich seiner Struktur und der Einbindung der Projektbeteiligten qualitativ beurteilt. 1. Projektstruktur und Beurteilung der Einbindung von Projektparteien, 2. Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit des Projektes und Marktumfeld und 3. Komplexität der Transaktion.

308

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Die vorgenannten Faktoren werden über ein Scorecard-System zu einer Kennzahl verdichtet, die zu dem Rating vor qualitativen Faktoren hinzuaddiert wird. Die maximal mögliche Verbesserung – sofern alle qualitativen Faktoren den bestmöglichen Wert erzielen (was aber unrealistisch ist) – läge bei zwei Notches, das maximale Downgrade bei drei Notches. Eine typische Veränderung liegt regelmäßig bei einem Notch. Im Ergebnis dominiert damit die Höhe und Entwicklung der Schuldendienstdeckungsgrade das Rating-Ergebnis. Dem Länderrisiko kommt für jede Projektfinanzierung eine besondere Bedeutung zu, da im Rahmen der üblichen Rating-Verfahren das Länderrating das Projektrating nach oben begrenzt – oder anders formuliert: ein Projektrating kann im Rahmen der Ratingverfahren nicht besser sein als das Rating des Sitzlandes. Nunmehr haben wir mit der Darstellung des Cashflow-Modells und des ihn bewertenden Rating-Tools die Voraussetzungen geschaffen, um Hinweise für eine Optimierung der für ein Projekt geeigneten Finanzierungsstruktur zu entwickeln.

4.2.5

Entwicklung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

Investoren und Kreditgeber haben das gleichgerichtete Interesse, ein Projekt so wirtschaftlich wie möglich zu gestalten. Ein hoher Cashflow-Überschluss bedeutet einerseits, dass die Fremdkapitalgeber mit größerer Sicherheit ihre festen und erfolgsunabhängigen Rückzahlungsansprüche erfüllt sehen, aber auch, dass die Sponsoren mehr bzw. frühzeitigere Ausschüttungen realisieren können. Während beide Gruppen ein gleichgerichtetes Interesse haben, den Projektwert zu steigern, besteht ein Wettbewerb um die Verwendung der Cashflows. Wie bereits oben angesprochen, haben die Sponsoren tendenziell ein Interesse daran, möglichst viel Cashflow frühzeitig auszuschütten, während die Fremdkapitalgeber möglichst schnell getilgt werden wollen. Die Erarbeitung einer Finanzierungsstruktur beinhaltet damit immer auch einen Verhandlungsprozess zwischen den beiden Kapitalgebergruppen. Die folgenden Beispiele sollen verdeutlichen, wie ein Prozess zur Entwicklung einer Finanzierungsstruktur aussehen kann und welche Möglichkeiten bestehen, ein Projekt aus Sicht beider Kapitalgebergruppen zu verbessern. Zu diesem Zweck werden wir jeweils einzelne Parameter unseres obigen Beispiels verändern (siehe Tabelle 21), uns die hieraus resultierenden Auswirkungen auf die jeweiligen Beurteilungskennziffern der Kapitalgeber ansehen und im Anschluss eine Finanzierungsstruktur entwickeln, die die verschiedenen Gestaltungsparameter in einem unterschiedlichen Maße aufgreift. In einem ersten Schritt sehen wir uns an, welche Auswirkungen sich auf eine Finanzierungsstruktur ergeben, wenn wir die Laufzeit verändern. Laufzeit-Variation Während bei der ursprünglichen Struktur eine Laufzeit von 16 Jahren vorgeschlagen wurde, ist diese nunmehr um zwei Jahre erhöht worden. Damit ergibt sich folgende Abbildung 50:

4.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

2,00

309

1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. Verlängerung um 2 Jahre: 4. wie 2, Einnahmen bei 91 %:

1,90 1,80 1,70 1,60 1,50 1,40 1,30 1,20

DSCR-Verlauf

1,10 1,00

2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028

Abbildung 50:

Variation der Laufzeit bei einem Windenergieprojekt

1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. Verlängerung um zwei Jahre: 4. wie 2, Einnahmen bei 91 %::

Min. DSCR 1,17 1,03 1,27 1,12

Ø DSCR 1,76 1,55 1,86 1,65

IRR 10,05 % 6,42 % 10,51 % 6,63 %

Erkennbar ist, dass der Schuldendienstdeckungsgrad im Sponsors Case durchgängig niedriger ist als bei einer um zwei Jahre längeren Laufzeit. Während die Belastbarkeit im Sponsors Case bei einem Einnahmenniveau von 89,0 % liegt, verbessert sie sich mit Verlängerung der Laufzeit um 5,5 Prozentpunkte auf 83,5 %. Zusätzlich geht die Verbesserung der Belastbarkeit mit einer Erhöhung der internen Rendite einher, und zwar von 10,05 % auf 10,51 %. Bei einer Verkürzung der Laufzeit kehren sich die beschriebenen Effekte spiegelbildlich um. In einem ersten Schritt könnte man damit denken, dass beide Kapitalgebergruppen ein gleichgerichtetes Interesse an einer möglichst langen Laufzeit der Darlehen haben sollten. Doch tatsächlich sind die Darlehenslaufzeiten zumeist auf 15 Jahre begrenzt. Der Grund für diesen vermeintlichen Widerspruch liegt darin, dass nur für eine ökonomische Nutzungsdauer auch eine Finanzierung möglich ist. Die ökonomische Nutzungsdauer wird begrenzt durch die technische Nutzungsdauer der Anlagen einerseits und die Laufzeit des Regulierungsumfeldes andererseits. Üblicherweise erwarten die Banken, dass ihre Darlehen früher zugeführt sind als es die maximale Laufzeit der Vergütung nach dem Regulierungssystem vorsieht. Laufzeit – Erkenntnisse: 1. Je länger die Laufzeit gewählt wird, umso höher wird die interne Rendite ausfallen und umso besser werden die Deckungsrelationen sein. Eine leichte Kompensation ergibt sich dadurch, dass mit längerer Laufzeit auch mehr Zinsen gezahlt werden müssen.

310

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

2. Es gibt regelmäßig Restriktionen der Banken hinsichtlich einer maximalen Laufzeit des Term Loans, die sich wesentlich aus der Laufzeit und Struktur des Regulierungsumfeldes sowie der verwendeten Technik ableiten lassen. 3. Es lässt sich der allgemeine Hinweis ableiten, die Laufzeit des Term Loans so lange zu wählen, wie es die anderen Beteiligten zulassen. 4. Die für eine Bank maximale Laufzeit des Term Loans ist noch aus einem anderen Grunde interessant: Aus ihrer Kenntnis und der Kenntnis des geforderten Belastbarkeitsabschlages lässt sich mit dem restlichen Annahmen-Set ableiten, wie die Eigenkapital-/Fremdkapitalausstattung aussehen sollte. Tilgungsfreie Zeit Im nächsten Beispiel sei die Veränderung der tilgungsfreien Zeit des Vorhabens dargestellt.

4,00

DSCR-Verlauf

3,50

1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 89 %: 3. Tilgungsfreie Zeit bei 1 Jahr:

3,00

4. wie 3, Einnahmen bei 83 %:

2,50

5. Tilgungsfreie Zeit bei 2 Jahren:

2,00 1,50 1,00 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026

Abbildung 51:

DSCR bei Veränderung der tilgungsfreien Zeit

1. Sponsors Case 2. Tilgungsfreie Zeit bei 1 Jahr: 3. Tilgungsfreie Zeit bei 2 Jahren::

Min. DSCR 1,17 1,28 1,23

Ø DSCR 1,76 1,69 1,72

IRR 10,05 % 9,40 % 9,72 %

Während bei der ursprünglichen Struktur eine tilgungsfreie Zeit von 36 Monaten vorgeschlagen wurde, ist diese nunmehr um jeweils 12 Monate gekürzt worden, wobei die Gesamtlaufzeit der Darlehen bis zu ihrer vollständigen Rückführung gleich geblieben ist. Erkennbar ist, dass der Schuldendienstdeckungsgrad im Sponsors Case praktisch durchgängig geringer ist als bei einer kürzeren tilgungsfreien Zeit. Dies korrespondiert mit einer verbesserten Belastbarkeit der kürzeren tilgungsfreien Zeit in einem Belastungsfall. Während die Belastbarkeit im Sponsors Case bei einem Einnahmenniveau von 89,0 % liegt, verbessert sie sich bei einer tilgungsfreien Zeit von 1 Jahr um sechs Prozentpunkte auf 83,0 %. Aller-

4.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

311

dings geht die Verbesserung der Belastbarkeit mit einem Rückgang der internen Rendite einher, und zwar von 10,05 % auf 9,40 %. Der Grund für die unterschiedlichen Belastbarkeiten ergibt sich aus folgender Überlegung: Angenommen sei, man verzichte bei gegebener Gesamtlaufzeit des Darlehens auf eine tilgungsfreie Zeit. In diesem Fall ergeben sich einerseits insgesamt mehr Rückzahlungszeitpunkte, in denen das Darlehen zurückgezahlt werden kann, so dass sich die jeweiligen Tilgungsbeträge reduzieren und die ausgewiesenen Schuldendienstdeckungsrelationen erhöhen. Andererseits besteht in einem Belastungs-Szenario praktisch keine Möglichkeit mehr, die Schuldendienstreserve aus dem Cashflow des Projektes aufzubauen, so dass kein Risikopuffer vorhanden ist. Im umgekehrten Fall einer verhältnismäßig langen tilgungsfreien Zeit kann zwar auch in einem Belastungs-Szenario die Schuldendienstreserve aufgebaut werden, aber die Tilgungsbeträge steigen pro Rückzahlungstermin an, da relativ weniger Rückzahlungstermine zur Verfügung stehen. Aus Sicht der Fremdkapitalgeber ergibt sich damit eine Optimierungsaufgabe mit Blick auf die Ausgestaltung der tilgungsfreien Zeit, die jeweils projektspezifisch zu lösen ist. Die Sponsoren haben tendenziell ein Interesse daran, eine möglichst lange tilgungsfreie Zeit durchzusetzen, da sie ihnen ermöglicht, früher Ausschüttungen vorzunehmen, so dass sich ihre interne Rendite verbessert. Tilgungsfreie Zeit – Erkenntnisse: 1. Bereits leichte Veränderungen der tilgungsfreien Zeit haben deutliche Änderungen der internen Rendite zur Folge und noch größeren Einfluss auf die Belastbarkeit. 2. Die Auswirkungen auf die Belastbarkeit fallen umso größer aus, je flacher der DSCRVerlauf ist. 3. Für die meisten Projekte ist eine tilgungsfreie Zeit von 18 Monaten eine erste gute Näherung; die allermeisten Vorhaben sollten mit einer tilgungsfreien Zeit zwischen 18 und 24 Monaten realisiert werden. Die Dimensionierung der tilgungsfreien Zeit muss auch im Zusammenhang mit der Höhe und Dotierung der Schuldendienstreserve gesehen werden, wie wir im Folgenden darstellen werden. Die Schuldendienstreserve Ein Diskussionspunkt zwischen Banken und Projektgesellschaft ist die angemessene Höhe der Schuldendienstreserve. Wiederum seien die beiden Extrempositionen betrachtet: Würde auf die Schuldendienstreserve verzichtet, stünden bei Schwankungen des operativen Cashflows möglicherweise nicht genügend liquide Mittel zur Verfügung, um den Kapitaldienst zu bedienen. Um dies von vornherein zu vermeiden, würden die Banken ihre Belastbarkeitsprüfung rein auf Basis der operativen Cashflows auslegen, so dass sich c.p. eine höhere Eigenmittelausstattung und damit auch eine niedrigere interne Rendite ergäbe. Auf der anderen Seite ist es aber weder durchsetzbar noch notwendig, die Schuldendienstreserve übermäßig zu dimensionieren. Zum einen wirkt der Einbau einer Schuldendienstreserve in eine Finanzierungsstruktur als eine faktische Ausschüttungssperre, da sie aus dem Cashflow zwar nach dem Kapitaldienst dotiert wird, aber vor den Ausschüttungen. Daher wird die interne Rendite umso niedriger ausfallen, je mehr Liquidität in die Dotierung der Schuldendienstreserve

312

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

umgeleitet wird, anstatt an die Sponsoren ausgeschüttet zu werden. Zum anderen muss der Cashflow des Vorhabens auch so strukturiert sein, dass realistischerweise der Zielwert der Schuldendienstreserve erreicht werden kann. Wenn unter einem Stress-Szenario das Projekt nicht in der Lage ist, einen bestimmten Zielwert der Schuldendienstreserve zu überschreiten, ist es auch aus Kapitalgebersicht nicht zielführend, auf diesem überhöhten Zielwert zu beharren. In unserem Beispiel wird gegenüber dem Sponsors Case der Zielwert der Schuldendienstreserve von 0 % des Kapitaldienstes des Folgejahres auf 50 % angehoben. Damit wird während der tilgungsfreien Zeit Cashflow in die Dotierung der Schuldendienstreserve umgeleitet, so dass sich einerseits die Belastbarkeit des Vorhabens auf einen Wert von 80 % verbessert, andererseits aber die interne Rendite des Vorhabens von 10,05 % auf 9,35 % sinkt.

4,00 1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. wie 1, SDR von 6 Monaten: 4. wie 3, Einnahmen bei 80 %:

3,50 3,00

DSCR-Verlauf

2,50 2,00 1,50 1,00 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026

Abbildung 52:

DSCR bei Veränderung der Höhe der Schuldendienstreserve

1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. Wie 1, SDR von 6 Monaten:: 4. Wie 3, Einnahmen bei 80 %::

Min. DSCR 1,17 1,03 1,65 1,00

Ø DSCR 1,76 1,55 2,24 1,59

IRR 10,05 % 6,42 % 9,35 % 1,78 %

Schuldendienstreserve – Erkenntnisse: 1. Der Einbau einer Schuldendienstreserve führt regelmäßig zu einer erheblichen Verbesserung der Belastbarkeit, was wiederum Raum für Gestaltungen der Finanzierungsstruktur bei anderen Elementen lässt, wie etwa der Eigenkapitalausstattung. Dies setzt voraus, dass die Banken bei ihren Stress-Szenarien die Schuldendienstreserve mit berücksichtigen, was im Regelfall so ist. 2. Eine Obergrenze der Ausstattung der Schuldendienstreserve wird dann erreicht, wenn in einem unterstellten Belastungsszenario die Schuldendienstreserve nicht mehr angespart werden kann. In diesem Fall entfaltet die Schuldendienstreserve keine Sicherungswirkung mehr für die Banken, verschlechtert aber die interne Rendite der Investoren.

4.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

313

Neben der Höhe der Schuldendienstreserve gibt es weitere Gestaltungselemente, die bei der Ausgestaltung der Schuldendienstreserve eine Rolle spielen, die aber nur skizziert werden sollen: 1. In unserem Fallbeispiel wird die Schuldendienstreserve aus dem Cashflow des Vorhabens aufgebaut. Alternativ ist denkbar, dass diese von Anfang an als zusätzliche Kreditlinie durch die finanzierenden Banken zur Verfügung gestellt wird. Aus Sicht der Sponsoren ergibt sich der Vorteil, dass für die Verfügbarkeit dieser Kreditlinie lediglich eine Bereitstellungsprovision anfällt und Ausschüttungen früher möglich sind. Da die Kreditgeber das Vorhaben vorrangig unter einem Belastungsszenario bewerten, werden sie nur dann bereit sein, eine derartige Fazilität zur Verfügung zu stellen, wenn das Vorhaben eine Verschuldungskapazität hat, die die Inanspruchnahme und planmäßige Rückführung dieser Linie mit abdeckt. Regelmäßig kommt diese Variante daher dann in Frage, wenn die Überdeckungsrelationen des Vorhabens besonders gut sind. Eine Variante dieser Fazilität besteht darin, dass eine dritte Partei sich verbürgt, etwaige operative Cashflow-Defizite aufzufangen. In jedem Fall ist die Entscheidung, ob eine der vorgenannten Varianten gewählt wird, auch aus Sicht der Sponsoren ein Rechenexempel, bei dem Bereitstellungsprovisionen und etwaige Zinszahlungen mit dem Vorteil früherer Ausschüttungen verglichen werden müssen. 2. Die Höhe der Schuldendienstreserve kann in Abhängigkeit gebracht werden von der Performance des Projektes. In Phasen mit geringeren Überdeckungsrelationen kann etwa der Zielwert der Schuldendienstreserve höher sein als in Phasen mit höheren Überdeckungsrelationen. Performance abhängige Betriebskosten Wenn operative Kosten Performance abhängig sind, besteht ein natürlicher Puffer bei einem Einnahmenrückgang. Dieser Puffer ist umso ausgeprägter, je größer der Anteil dieser Performance abhängigen Kosten an den Einnahmen ist. Die Belastbarkeit kann sich bei einigen Projekten um mehrere Prozentpunkte verbessern, was wiederum Spielraum bei anderen Finanzierungsparametern eröffnet. Variable Kosten müssen nicht vollständig variabel sein, um als „variabel“ im Sinne von Rating-Verfahren der Banken angesehen zu werden. Wird etwa ein Floor in der Größenordnung von max. 75 % des Wertes der jeweiligen Kostenposition im Vergleich zum Base Case vereinbart, wird regelmäßig der gesamte Kostenblock als variabel angesehen. In unserem Beispiel wird gegenüber dem Sponsors Case ein Teil der operativen Kosten in Abhängigkeit von der Performance des Vorhabens gezahlt. Im Sponsors’ Case betrugen die gesamten operativen Kosten T€ 336. Wie ändert sich das Bild, wenn die Wartungskosten – das sind etwa 65 % der gesamten operativen Kosten – nunmehr variabel sind? Damit sinken in einem Belastungsfall zunächst die Einnahmen, allerdings reduziert sich auch ein Teil der operativen Kosten, so dass sich die Belastbarkeit des Vorhabens gegenüber dem Basisfall mit fixierten operativen Kosten erhöht. Graphisch stellt sich die Situation wie folgt dar:

314

4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

2,00 1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. wie 1, Wartungskosten flexibel 4. wie 3, Einnahmen bei 87,5 %:

1,90 1,80 1,70 1,60 1,50 1,40 1,30 1,20

DSCR-Verlauf

1,10 1,00 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026

Abbildung 53:

DSCR bei Flexibilisierung der Wartungskosten

1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 91 %: 3. Wie 1, Wartungskosten flexibel: 4. wie 3, Einnahmen bei 87,5 %:

Min. DSCR 1,17 1,03 1,17 1,00

Ø DSCR 1,76 1,55 1,76 1,51

IRR 10,05 % 6,42 % 10,05 % 5,73 %

Operative Kosten – Erkenntnisse 1. Der Vergleich der beiden Basisfälle (1 und 3) zeigt keine Unterschiede. Dies liegt darin begründet, dass die Flexibilisierung der Wartungskosten im Basisfall noch keine Auswirkung hat, sondern nur in den vom Basisfall abweichenden Szenarien. 2. Obwohl die vertragliche Veränderung scheinbar gering ist und sich nur auf etwa zwei Drittel der gesamten operativen Kosten bezieht, ergibt sich doch eine deutliche Verbesserung bei der Belastbarkeit. 3. Ob sich die interne Rendite verbessert, hängt von der tatsächlichen Performance ab. Ist sie schlechter als im Basisfall, verbessert sie sich relativ zu dem Szenario ohne Flexibilisierung, ist sie besser, verschlechtert sie sich relativ. 4. Insgesamt kann der Rat gegeben werden, möglichst weitgehend Performance-abhängige Verträge (mit einem angemessenen niedrigen Floorpreis) abzuschließen. Dies ist meist für die Vertragspartei nicht mit übermäßigen Einschränkungen verbunden, verbessert aber die Belastbarkeit des Vorhabens erheblich und eröffnet so die Chance auf eine höhere Fremdkapitalausstattung für das Projekt. Die Beispiele zeigen, dass die angesprochenen Veränderungen einzelner Finanzierungsparameter hinsichtlich der Verwendung der Cashflows in einem Konkurrenzverhältnis stehen. Zwar verbessert sich durch einzelne Maßnahmen die Belastbarkeit aus Sicht der Fremdkapitalgeber, andererseits verschlechtert sich die interne Rendite der Sponsoren. In der Diskussion der beiden Kapitalgebergruppen wird jeweils neu auszutarieren sein, wie sich die endgültige Finanzierungsstruktur darstellt. Eine Ausnahme von diesem Konkurrenzverhältnis stellt die Gestaltung der Verträge in der Betriebsphase dar.

4.2 Wirtschaftlichkeit und Ausgestaltung einer geeigneten Finanzierungsstruktur

315

Nach einem Verhandlungsprozess zwischen Sponsoren und Banken könnte eine geänderte Finanzierungsstruktur wie folgt aussehen: • • • • •

Zielwert der Schuldendienstreserve bei 50 % des Kapitaldienstes des Folgejahres, Tilgungsfreie Zeit läuft aus am 01.07.2012 (eineinhalb Jahre tilgungsfrei), Flexibilisierung der Wartungskosten in Abhängigkeit vom Jahresenergieertrag, Laufzeit der Darlehen bei 14 ½ Jahren und Erhöhung des Term Loans um T€ 600 auf insgesamt T€ 10.600.

Unter diesen Rahmendaten verändern sich die Wirtschaftlichkeit und Belastbarkeit gemäß Abbildung 54:

4,00

DSCR-Verlauf

1. Sponsors Case

3,50

2. Einnahmen bei 91 %:

3,00

3. Kompromiss-Vorschlag: 4. wie 3, Einnahmen bei 80 %:

2,50 2,00 1,50 1,00

2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026

Abbildung 54:

DSCR nach Verhandlungsprozess

1. Sponsors Case 2. Einnahmen bei 80 %: 3. Basisfall: 4. wie 3, Einnahmen bei 80 %:

Min. DSCR 1,17 1,03 1,61 1,03

Ø DSCR 1,76 1,55 2,02 1,47

IRR 10,05 % 6,42 % 8,80 % 3,02 %

Die Belastbarkeit des Vorhabens verbessert sich von ursprünglich 11,0 % auf 20,4 %, die interne Rendite verschlechtert sich im Basisfall von 10,05 % auf 8,80 %. Wichtig ist, dass die Änderungen an der Finanzierungsstruktur es der Bank überhaupt ermöglichen, das Vorhaben zu finanzieren. Eine Laufzeit von 16 Jahren, wie sie von den Sponsoren vorgeschlagen worden war, wäre jedenfalls für die Bank außerhalb ihrer akzeptierten internen Risikoanforderungen.

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ABSCHÄTZUNG DES ENERGIEERTRAGES (HERBERT SCHWARTZ) Bundesverband WindEnergie e.V., Windgutachterbeirat: Empfehlungen zur Dokumentation von Windmessungen im Rahmen der Ermittlung des Ertragspotenzials von Windkraftprojekte. Kassel, 25. September 2003 Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik im DIN und VDE (DKE): DIN IEC 61400-12-1, Windenergieanlagen – Teil 12-1: Messung des Leistungsverhaltens einer Windenergieanlage. Entwurf, Berlin, Mai 2006. Fördergesellschaft WindEnergie e.V.: Technische Richtlinie für Windenergieanlagen: Teil 6: Bestimmung von Windpotenzial und Energieerträgen. Revision 8. Berlin, 19. Mai 2011 IEA: Recommended Practices for Wind Turbine Testing and Evaluation. 11. Wind Speed Measurement and Use of Cup Anemometry. 1. Edition 1999 Kalnay, E. et al: The NMC/NCAR 40-Year Reanalysis, Project. Bull. Amer. Meteor. Soc., 77, 437–471. 1996 Mortensen, Niels G.; Landberg, Lars; Troen, Ib; Petersen, Erik L.; Risø National Laboratory: Wind Atlas Analysis and Application Program (WAsP). Vol. 1: Getting Started. Risø-I-666(EN)(v.1). Roskilde, January 1993 Mortensen, Niels G.; Landberg, Lars; Troen, Ib; Petersen, Erik L.; Risø National Laboratory: Wind Atlas Analysis and Application Program (WAsP). Vol. 2: User’s Guide. Risø-I-666(EN)(v.2). Roskilde, January 1993 Schwartz, H.; Herholz, A.; von Bremen, J.: Veränderungen der Windverhältnisse in der Vergangenheit und Zukunft. Vortrag Windmesse 2009, Hamburg, 27. Oktober 2009 Traup, S.; Kruse, B; 1996: Winddaten für Windenergienutzer. Hrsg: DWD

BETRIEBSERFAHRUNGEN UND BETRIEBSKOSTEN (DIRK BAUMGART) Bea, Franz X./Helm, Roland/Schweitzer, Marcell: BWL-Lexikon, Stuttgart 2009 Bundesverband Windenergie: http://www.wind-energie.de/de/statistiken/, Zugriff: 27.04.2011 de Barros Costa, Christina: Mit Argusaugen, Erneuerbare Energien, Ausgabe Dezember 2010 DEWI Deutsches Windenergie Institut: Studie zur aktuellen Kostensituation 2002 der Windenergienutzung in Deutschland DIN 31051: 2003-06: Grundlagen der Instandhaltung

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WIRTSCHAFTLICHKEIT UND AUSGESTALTUNG EINER GEEIGNETEN FINANZIERUNGSSTRUKTUR (JÖRG BÖTTCHER) Böttcher, Jörg: Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Vorhaben, München und Wien 2009 Böttcher, Jörg; Blattner, Peter: Projektfinanzierung, München und Wien 2006 Nevitt, Peter K.; Fabozzi, Frank J.: Project Financing, Seventh Edition, London 2000

Glossar Abnahme: Im Werkvertragsrecht vorgesehene Handlung des Auftraggebers, durch die er das errichtete Werk als solches körperlich hinnimmt und als zumindest im Wesentlichen vertragsgerechte Leistung anerkennt. An die Abnahme knüpft das Werkvertragsrecht für beide Parteien wesentliche Rechtsfolgen. Abschalthysterese: Windkraftanlagen stellen den Produktionsbetrieb ein, wenn der Wind die bei der Auslegung festgelegte Abschaltwindgeschwindigkeit übersteigt. Sie nehmen den Produktionsbetrieb aber erst nach Unterschreiten niedrigerer Windgeschwindigkeiten wieder auf. Das bedeutet, dass sie auch unterhalb der Abschaltwindgeschwindigkeit zeitweise nicht in Betrieb sind. Die Leistungskennlinien gelten aber für permanenten Betrieb bis zur Abschaltwindgeschwindigkeit. Akkreditierung als Prüflaboratorium: Als Prüflaboratorien akkreditierte Firmen müssen über ein firmenweit implementiertes Qualitätssicherungssystem verfügen (entsprechend ISO 9001), eine unabhängige und neutrale Ermittlung der Ergebnisse sicher stellen und bei den der Akkreditierung unterworfenen Messungen und Auswertungen festgelegten Vorgehensweisen folgen, so dass beim selben Prüfobjekt stets im Rahmen der Messstreuung dasselbe Prüfergebnis ermittelt wird. Ziel ist eine Übereinstimmung der Prüfergebnisse verschiedener Laboratorien. Wichtiger Teil der Qualitätssicherung ist die durchgängige Dokumentation aller Vorgänge und der Vita aller Messgeräte. Anemometer: Windmessinstrument Anfechtung: Willenserklärung, durch die eine Person eigene oder fremde Verträge und Verfügungen aufheben kann, wenn dadurch geschützte eigenen Rechte verletzt oder von der Rechtsordnung nicht anerkannte Rechtsfolgen vermieden werden. Im Zusammenhang mit der Projektfinanzierung ist in der Regel nur die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter relevant, mit der dieser Verfügungen aufheben kann, durch die im Vorfeld einer Insolvenz Vermögenswerte des insolventen Unternehmens beiseite geschafft werden. Ein Asset Deal ist eine Form des Unternehmenskaufs, bei dem – im Gegensatz zum Share Deal – nicht eine Gesellschaft als solche, sondern alle Wirtschaftsgüter und Verbindlichkeiten einer Gesellschaft einzeln übertragen werden. Hierfür werden alle Vermögensgegenstände, die Teil des zu verkaufenden Unternehmens sind, erfasst und zum Gegenstand des Unternehmenskaufvertrages gemacht. Atmosphärische Schichtung: Fällt die Temperatur vom Boden aus in die Höhe, steigt Warmluft auf (genannt: Konvektion). Die aufsteigende Warmluft trägt zu einer Verringerung

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der Temperaturstruktur bei. Dies nennt man labile Schichtung. Es findet ein Energieaustausch zwischen den Luftschichten statt. Der Wind ist eher turbulent und das Höhenprofil der Windgeschwindigkeit ist schwach ausgeprägt. Diese Situation ist typisch für tagsüber an sonnigen Tagen. Steigt die Temperatur mit der Höhe über Grund, liegt stabile Schichtung vor. Es gibt wenig Antrieb für einen Energieaustausch zwischen den Höhenschichten. Der Wind ist eher turbulenzarm. Die Windgeschwindigkeit kann stark mit der Höhe über Grund zunehmen. Diese Situation ist typisch für ruhige Sommernächte. Zwischen stabiler und labiler Schichtung liegt die neutrale Schichtung. Außenbereich: Flächen, die weder innerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans, noch innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (so genannter Innenbereich) liegen. Der Außenbereich ist von Bebauung grundsätzlich freizuhalten. Bauwerk: Ist jedes durch menschliche Tätigkeit mit einem Grundstück verbundene Werk unabhängig von seinem Zweck oder der Betretbarkeit durch Menschen, z.B. Häuser, Strommasten, Dämme, Straßen, Kanäle, Brücken. BDB-Index: Von der BDB herausgegebene monatliche Produktionsindices für Deutschland, früher auch IWET-Index und umgangssprachlich Keiler-Häuser-Index genannt. Siehe auch Windindices Bebauungsplan: So genannter verbindlicher Bauleitplan der Gemeinde in Form einer Satzung. Enthält grundstücksgenaue rechtsverbindliche Festsetzungen für die zulässige Bodennutzung. Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit räumt dem Begünstigten das dingliche Recht ein, das Grundstück eines anderen in einzelnen Beziehungen zu nutzen, etwa für die Errichtung einer Windenergieanlage an einem bestimmten Standort des Grundstücks oder zur Verlegung einer Kabeltrasse. Als dingliches Recht wird die beschränkte persönliche Dienstbarkeit in das Grundbuch des belasteten Grundstückes eingetragen und so publik gemacht. Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten können im Nachhinein in ihrem Inhalt geändert werden, sie sind jedoch grundsätzlich nicht übertragbar. Eine Ausnahme hiervon bilden etwa beschränkte persönliche Dienstbarkeiten für „Anlagen zur Fortleitung von Elektrizität“, wie z.B. Kabel oder ein Umspannwerk. Mit Betriebskosten wird üblicherweise der Werteverzehr bezeichnet, der mit der Aufrechterhaltung des operativen Geschäftsbetriebes eines Unternehmens verbunden ist. Betriebsunterbrechungsversicherung: ist in Kombination mit einer Montage- oder Maschinenversicherung abschließbar und sichert Ertragsausfälle ab, die infolge eines dem Grunde nach versicherten Schadenfalls im Rahmen des Sachversicherungsvertrages entstehen. Entschädigt werden der entgangene Gewinn sowie fortlaufende Fix- und Finanzierungskosten während des Unterbrechungszeitraums, welcher durch eine vertraglich vereinbarte Haftzeit begrenzt wird. Grundsätzlich werden bewegliche Sachen, die mit einem Grundstück fest verbunden werden, Bestandteile dieses Grundstücks und gehen somit in das Eigentum des Grundstückeigentümers über. Scheinbestandteile hingegen bleiben, auch wenn sie fest mit einem Grund-

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stück verbunden werden, eigenständige bewegliche Sachen, weil sie entweder nur zu einem vorübergehenden Zweck oder in Ausübung eines dinglichen Rechtes mit dem Grundstück verbunden worden sind. Werden Windenergieanlagen auf einem gepachteten Grundstück errichtet, so sind sie also nur dann Scheinbestandteil und verbleiben im Eigentum des Betreibers, wenn im Pachtvertrag vorgesehen ist, dass sie nur zu einem vorübergehenden Zweck, also zeitlich begrenzt, mit dem Grundstück verbunden werden und nach Beendigung des Pachtvertrages vom Pächter von dem Grundstück zu entfernen ist (sog. Rückbauverpflichtung). Gleiches gilt, wenn die Windenergieanlagen in Ausübung eines dinglichen Rechts, in der Regel einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, auf dem Grundstück errichtet werden. Vorsorglich sollte die beschränkte persönliche Dienstbarkeit dann bei Baubeginn bereits im Grundbuch eingetragen sein. Eigentumsvorbehalt: Soweit der Verkäufer oder Generalunternehmer auch Eigentümer der errichteten oder gelieferten Sache ist, kann er sich das Eigentum bis zum Eintritt der aufschiebenden Bedingung (§ 158 BGB) der Bezahlung seiner Vergütung vorbehalten. Die den Auftraggeber finanzierende Bank kann ihr vereinbartes Sicherungseigentum an der betreffenden Sache erst mit Erlöschen des Eigentumsvorbehalts, also nach Erfüllung dieser aufschiebenden Bedingung erlangen. Fertigstellungsrisiko: Als Fertigstellungsrisiko bezeichnet man alle Risiken, die dazu führen können, dass die planmäßige Errichtung eines Windparks gefährdet wird. Flächennutzungsplan: So genannter vorbereitender Bauleitplan, der von der Gemeinde für ihr Gebiet aufgestellt wird, um die beabsichtigte städtebauliche Entwicklung darzustellen. Häufigkeitsverteilung der Windgeschwindigkeit: Darstellung der relativen oder der kumulativen Auftretenshäufigkeit von Windgeschwindigkeiten Höhenprofil: Veränderung der Windgeschwindigkeit mit der Höhe über Grund. Der Begriff Höhenprofil wird sowohl für den langfristigen mittleren Verlauf der Windgeschwindigkeit als auch für momentane Verläufe verwendet. Äquivalenter Begriff: Höhenprofil der Windgeschwindigkeit. Eine Inspektion umfasst Maßnahmen zur Feststellung und Beurteilung des Ist-Zustands einer Betrachtungseinheit, einschließlich der Bestimmung der Ursache der Abnutzung und dem Ableiten der notwendigen Konsequenzen für eine künftige Nutzung. Unter Instandhaltung ist die Kombination aller technischen und administrativen Maßnahmen zu verstehen, um den funktionsfähigen Zustand oder die Rückführung in diesen über die Dauer des Lebenszyklus einer Betrachtungseinheit zu erhalten, so dass die geforderte Funktion erfüllt werden kann. Unter Instandsetzung werden Maßnahmen verstanden, die eine Betrachtungseinheit in den funktionsfähigen Zustand zurückführen, mit Ausnahme von Verbesserungen. IWET-Index: Ingenieurwerkstatt Energietechnik. IWET-Index siehe BDB-Index

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Langfristbezug: Umrechnung von Windmessdaten oder Ertragsdaten bestehender Windkraftanlagen in langjährig repräsentative Mittelwerte. Äquivalente Begriffe: Langfristextrapolation, Langzeitbezug Leistungsbeschreibung: Vertragliche Festlegung des geschuldeten Leistungsumfang durch Auflistung von Tätigkeiten, Qualitätsanforderungen, Normen etc. Die Leistungsbeschreibung definiert zugleich die von der vereinbarten Vergütung abgegoltenen Leistungen und bildet den Maßstab für Abnahme und Mängelgewährleistung. Leistungskennlinie: Verlauf der von einer Windkraftanlage im Mittel abgegebenen Leistung über der Windgeschwindigkeit. Eine Leistungskennlinie bezieht sich stets auf 10-MinutenMittelwerte und eine mittlere Luftdichte, in der Regel die Standardluftdichte von 1,225 kg/m³. Lidar-Messgeräte: Analog zu Sodar-Messgeräten, wobei statt Schallimpulsen Laserimpulse verwendet werden. Diese werden nicht an der Luft direkt, sondern an Aerosolen in der Luft reflektiert. Maschinenversicherung: übliche Absicherungsform für WEA während der Betriebsphase in Form einer Allgefahrenversicherung. Versicherungsschutz besteht für unvorhergesehen eintretende Sachschäden bzw. für Verluste durch Abhandenkommen mit Ausnahme einiger definierter Ausschlüsse. Die Versicherung beginnt frühestens mit der Betriebsfertigkeit nach abgeschlossenem Probebetrieb. Minderung: Herabsetzung der Vergütung eines Werkvertrages oder des Kaufpreises im Kaufvertrag in dem Umfang, in dem der geleistete Vertragsgegenstand wegen eines Sachoder Rechtsmangels einen geringeren Wert hat als eine korrekte Leistung. Die Minderung erfolgt durch einseitige Erklärung des Bestellers bzw. Käufers. Modell: Vereinfachte Darstellung der Realität, in der Regel unter Verwendung grundlegender physikalischer Gleichungen, zur Abbildung realer Prozesse insbesondere mit einem Computer Montageversicherung: Versicherungsprodukt zur Versicherung sämtlicher Lieferungen und Leistungen zur Errichtung eines bestimmten Montageobjekts. Versicherungsschutz besteht dabei für unvorhergesehen eintretende Sachschäden bzw. für Verluste durch Abhandenkommen mit Ausnahme einiger definierter Ausschlüsse. Üblicherweise werden die Interessen aller an der Errichtung beteiligten Parteien versichert, sodass ein einziger Versicherungsvertrag geschlossen wird. Netzanschluss: Anschluss der Repowering-Anlage an das Netz des Netzbetreibers am sog. Netzverknüpfungspunkt im Sinne des § 5 EEG. Option: die regelmäßig durch zweiseitige Vereinbarung einer Partei eingeräumte Befugnis bei Eintritt bestimmter Voraussetzungen durch einseitige Entscheidung mit verbindlicher Wirkung für die andere/n Partei/en ein Recht auszuüben oder zwischen mehreren Rechten zu wählen.

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Pauschalpreis: Preis, der für einen bestimmten Leistungsumfang von vornherein fest vereinbart wird und nicht nachträglich an die Kostenentwicklung beim Auftragnehmer angepasst werden soll. Phasenmodell: Dient zur Orientierung interner Prozesse während der Realisierung eines Windparkprojektes. Es beschreibt die einzelnen Phasen und deren Besonderheiten. Projektfinanzierung: Finanzierungsmethode, bei der sämtliche Kosten eines Vorhabens allein aus dem Cashflow des Projekts beglichen werden. Projektrisikomanagement: integrierter Prozess, der mit Fokus auf die Sicherung des finanziellen und technischen Projekterfolgs bestandsgefährdende Risiken in einem Projekt identifiziert und bewältigt. Ziele des Projektrisikomanagements sind u.a. die Sicherung und der Ausbau des Erfolgspotenzials von Projekten unter Berücksichtigung langfristiger und strategischer Überlegungen unter Schärfung des Risikobewusstseins aller am Projekt Beteiligten sowie die Analyse von Unsicherheitsfaktoren und die Abwägung von Handlungsalternativen hinsichtlich Verlustgefahren und Gewinnchancen. Rauigkeit: Nahe dem Boden wird Wind durch Bewuchs (Gras, Büsche, Bäume, Wälder), Bebauung und allgemein unebene Oberflächenstruktur (Felsen, Hügellandschaft) gebremst. Die bremsenden Strukturen werden als Rauigkeit bezeichnet. Äquivalenter Begriff: Oberflächenrauigkeit. In der physikalischen Modellierung wird die Rauigkeit durch eine Maßzahl, die Rauigkeitslänge (Einheit: Meter) charakterisiert. Vereinfachend werden in der Windenergie auch Rauigkeitsklassen verwendet. Reanalysedaten: Ein meteorologisches Modell wird mit den weltweit kontinuierlich erhobenen und zwischen Wetterdiensten ausgetauschten meteorologischen Messdaten angetrieben. Das Modell versucht, Ausreißer und Messfehler zu eliminieren und auf dieser Basis eine bestmögliche konsistente Darstellung des Wettergeschehens der Vergangenheit zu erstellen. Die Messdaten werden also zeitlich und räumlich homogenisiert und interpretiert. Die gängigen meteorologischen Größen werden dann weltweit an regelmäßig verteilten Gitterpunkten in verschiedenen Höhen zu festen Zeitabständen ausgegeben. Die am meisten verwendeten Reanalysedaten sind derzeit die der NCAR/NCEP (NCAR = National Center for Atmospheric Research, NCEP = National Center for Environmental Protection) in den USA [NCAR] und des ECMWF (Europäisches Zentrum für Mittelfristvorhersage) Mit einem Reliance Letter wird schriftlich zugesichert, für einen erstellten Due DiligenceBericht zu haften. Wird ein Reliance Letter gegenüber einem Dritten, z.B. einer finanzierenden Bank, abgegeben, erklärt der Ersteller den Due Diligence-Bericht auch gegenüber diesem Dritten für verbindlich. Repowering: Ersetzt ältere Windenergieanlagen durch neue und leistungsstärkere Anlagen. Repowering-Bonus: Gemäß § 30 EEG zu zahlender Vergütungszuschlag für den in einer Repowering-Anlage erzeugten Strom in Höhe von 0,5 Ct/kWh auf die Anfangsvergütung nach § 29 EEG.

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Risk-Sharing: Als Risk-Sharing bezeichnet man die Aufteilung von Risiken auf die jeweiligen Projektpartner. Hierbei gilt es zu beachten, dass die Risiken auf diejenigen Projektbeteiligten verteilt werden, die diese am besten managen können. Risikoinstrumente: Methoden und Ansätze, die genutzt werden, um Risiken in Projektprozessen zu eliminieren. Risikomanagement: Identifikation und Bewertung von Risiken, um mit ausgewählten Methoden entsprechend reagieren zu können. Risikotransfer (auch Risikoüberwälzung): hierunter ist die faktische oder die vertragliche, teilweise oder völlige Überwälzung von Risiken auf Dritte zu verstehen (Wechsel des Risikoträgers). Bei diesem Verfahren wird das Risiko nicht beseitigt, sondern vollständig oder zu wesentlichen Teilen über ein zusätzliches Geschäft an Dritte weitergegeben. Rücktritt: Einseitige Willenserklärung, durch die eine Partei eines Vertrages gegen den Willen der anderen Parteien den Vertrag einseitig auflösen und die Rückabwicklung der bereits ausgetauschten Leistungen verlangen kann. Skalare Mittelung des Windes: Windgeschwindigkeit und Windrichtung werden separat aufgezeichnet. Über das Mittelungsintervall werden jeweils separat Mittelwerte gebildet. Siehe auch vektorielle Mittelung Schubbeiwerte: Normierte Darstellung der Schubkraft. Die Schubkraft ist die Kraft, die der Wind in Windrichtung auf den Rotor einer Windkraftanlage ausübt bzw. die Windkraftanlage in Gegenrichtung auf die Luftmassen. Mit der Schubkraft bremst die Windkraftanlage den Wind. Die Schubbeiwerte sind daher ein wesentlicher Eingangsparameter für die Berechnung der gegenseitigen Abschattung von Windkraftanlagen im Windpark. Bei einer Sicherungsübereignung überträgt der Eigentümer einer Sache dieses Eigentum auf einen anderen, zumeist auf eine Bank, um so eine Forderung, die gegen ihn besteht, etwa den Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens, das ihm eingeräumt wurde, abzusichern. Der andere erlangt dadurch Sicherungseigentum an der übereigneten Sache. Sobald der Sicherungszweck wegfällt, also etwa das Darlehen vollständig zurückgezahlt wurde, hat der ursprüngliche Eigentümer einen Rückgewähranspruch gegen den Sicherungseigentümer auf Rückübertragung der sicherungsübereigneten Sache. Sodar-Messgeräte: Sodar steht für „Sound Detecting and Ranging“. Messgeräte, die vom Boden aus Schallimpulse in verschiedene Richtungen nach oben in die Luft senden. Aufgrund von Dichteunterschieden findet eine Reflektion statt, so dass die reflektierten Schallimpulse wieder am Boden gemessen werden können. In der bewegten Luft entstehen Frequenzverschiebungen (Dopplerverschiebungen), aus denen die Bewegung der Luft, also die Windgeschwindigkeit, in allen Raumrichtungen berechnet werden kann. Beschrieben ist hier nur die Anwendung in der Windenergie. In der Meteorologie werden Sodargeräte vielfältiger eingesetzt. Turbulenz: Veränderlichkeit der Windgeschwindigkeit in Betrag und Richtung an einem Ort oder in einem kleinen Volumen (Größenskala bis wenige 100 m) über einen eher überschaubaren Zeitraum (Größenskala Sekunden bis ca. 10 Minuten)

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Ultraschallanemometer: Windmessgerät, bei dem Schallimpulse über relativ kurze Entfernungen (Größenordnung 20 cm) von einem Sender zu einem Empfänger gesandt werden. Die Bewegung der Luft verursacht eine Frequenzverschiebung (Dopplerverschiebung). Über diese kann die Windgeschwindigkeitskomponente in der Richtung zwischen Sender und Empfänger bestimmt werden. Werden 2 Paare von Sender und Empfänger verwendet, kann Windgeschwindigkeit und -richtung in der horizontalen Ebene berechnet werden. Mit 3 Paaren von Sendern und Empfängern kann auch der Wind in der 3. Dimension erfasst werden. Umsetzungsphase: Diese Phase der Windparkentstehung ist dadurch geprägt, dass die Finanzierung des Projektes gesichert ist und der Windpark gebaut und schließlich in Betrieb genommen wird. Umweltschadengesetz: Gesetz über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden. Hiermit wird die EU-Richtlinie 2004/35/EG über „Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden“ vom 21.04.2004 umgesetzt. Daraus ergibt sich eine öffentlich-rechtliche Umwelthaftung für Boden, Gewässer und Biodiversität. Vektorielle Mittelung des Windes: Zu jedem Zeitpunkt wird der Windvektor (also Windgeschwindigkeit in Zusammenhang mit der Windrichtung) aufgezeichnet. Über das Mittelungsintervall wird der mittlere Windvektor berechnet. Dabei heben sich beispielsweise die Ost- und Westkomponenten gleicher Windgeschwindigkeit und Dauer gegenseitig auf. Siehe auch skalare Mittelung Verbesserungen sind alle Maßnahmen zur Steigerung der Funktionssicherheit einer Betrachtungseinheit, ohne die von ihr geforderte Funktion zu verändern. Verdingungsordnung Bauleistungen (VOB): Einheitliche Verwaltungsvorschriften für die Vergabe und Vertragsgestaltung von Bauvorhaben durch die öffentliche Hand, die durch die private Bauwirtschaft häufig durch vertragliche Einigung übernommen oder als Vorlage für die Vertragsgestaltung genutzt werden. Vergleichsanlagen: Bestehende Windkraftanlagen, deren Energieerträge zur Überprüfung und ggf. Justierung von Modellrechnungen verwendet werden. Verpächterpfandrecht: Der Verpächter eines Grundstückes hat ein gesetzliches Pfandrecht an den in sein Grundstück eingebrachten Sachen des Pächters. Erfüllt der Pächter die gegen ihn bestehenden Forderungen (z.B. Pachtzins) des Verpächters aus dem Pachtverhältnis nicht, kann der Verpächter auf die eingebrachten Sachen des Pächters zugreifen und sie zur Erfüllung seiner Forderungen verwerten. Das Verpächterpfandrecht kann mit den Sicherungsinteressen der finanzierenden Bank kollidieren, die sich die Windenergieanlagen regelmäßig sicherungsübereignen lässt, also auch eine Verwertungsmöglichkeit verlangt. Vertrag zugunsten Dritter: Vereinbarung zwischen zwei Parteien, durch die einer dritten Person ein Recht gegenüber den Parteien der Vereinbarung eingeräumt wird, welches diese dritte Person als eigenes Recht geltend machen kann (§ 328 BGB). Unter Wartung werden Maßnahmen verstanden, die zur Verzögerung des Abbaus des vorhandenen Abnutzungsvorrates der Betrachtungseinheit beitragen. Bezogen auf eine WEA

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sind damit alle Maßnahmen zur Erhaltung und Wiederherstellung der uneingeschränkten Produktionsfähigkeit der WEA gemeint. WAsP: Kurzbezeichnung für „Wind Atlas Analysis and Application Program“. Strömungsmodell für Windenergiezwecke, vom dänischen Forschungszentrum Risø entwickelt. Die Strömungsgleichungen werden unter Annahme einer nicht-turbulenten Strömung für eine Luftsäule über einem betrachteten Punkt in Abhängigkeit von der Geländeform und Rauigkeit der Umgebung gelöst. WAsP ermöglicht darüber hinaus Ertragsberechnungen für Windkraftanlagen. Wetterderivat: derivatives Finanzinstrument, das zur Absicherung gegen finanzielle Verluste aufgrund von Wetterrisiken geeignet ist. Grundlage sind meteorologische Daten wie bspw. Windgeschwindigkeit, die als Basiswert verwendet werden. Wetterderivate werden zwischen einem Unternehmen und Banken oder Versicherungsunternehmen abgeschlossen. Das Wetterrisiko wird hierbei auf die Bank oder auf das Versicherungsunternehmen transferiert. Windindex: Maßzahlen, die das Windangebot eines Monats im Verhältnis zu einem längerfristigen Mittel ausdrückt. Manche Windindices beziehen sich auf die mittlere Windgeschwindigkeit, manche auf den Energieinhalt des Windes, die meisten aber auf den Energieertrag von Windkraftanlagen. Hier werden die Begriffe Produktionsindices und Ertragsindices ebenfalls verwendet. Siehe auch BDB-Index Windrichtungsverteilung: Darstellung der relativen Auftretenshäufigkeit von Windrichtungen. Äquivalente Begriffe: Windrose, Häufigkeitsverteilung der Windrichtung