Geburtstag und Namenstag im deutschen Volksbrauch [Reprint 2020 ed.] 9783112361061, 9783112361054

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Geburtstag und Namenstag im deutschen Volksbrauch [Reprint 2020 ed.]
 9783112361061, 9783112361054

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Hort deutscher Volkskunde Band 4 Geburtstag und Namenstag im deutschen Dolksbrauch

Schriften des Bundes für deutsche Volkskunde

Geburtstag und Äamenstag in deutschen Äolksbrauch von Fritz Boehm

Berlin und Leipzig Walter de Gruyter & Co.

1938

Archiv Jlr. 16 49 37 Gedruckt bei Otto von Holten in Berlin D 17 Printed in Germany

Inhalt Vorwort....................................................................................................7 Begriff, Bezeichnung und Bedeutung von Geburtstag und Namenstag............................................................................... 9 Zur Geschichte des Geburtstages und Namenstages

. ... 13

Heutige Verbreitung........................................................................... 21 Brauchtum

Religiöse Feiern........................................................................... 24 Glückwünsche.................................................................................... 25 Speisen und Getränke.................................................................. 33

Geschenke...............................

35

Gemeinschaftliche Feiern.............................................................. 37 Volksglaube.................................................................................... 38 Heutige Förderung der Geburtstagsfeier.............................. 4° Einschränkungen........................................................................... 41 Oer Geburtstag im Volksmund................................................ 45

Volkstümliche Züge in den Glückwunschgedichten des 17. Jahrhunderts............................................................... 4$

Binden und Würgen...................................................................... 50

Rückblick und Ausblick...................................................................... 75

Schrifttum zum Geburtstag und Namenstag...............................77

Abbildungen............................................................................................. 78

Vorwort Als ich vor mehreren Jahren vor einer größtenteils aus Berliner Kindern bestehenden Zuhörerschaft über den Ge­ burtstag sprach und mit der Frage begann: „Welches ist euer schönster Tag im Jahr?", klang es einstimmig zurück: „Weihnachten!" — „Und der zweitschönste?" — gleichfalls einstimmig: „Geburtstag!".— Überall da, wo man überhaupt

den Geburtstag feiert, würde die Entscheidung ebenso ge­ fallen sein; für unsere Kinder gehört er nun einmal zu den „hohen Zeiten". Die Wissenschaft der Volkskunde hat dieser Tatsache bisher nicht Rechnung getragen. Während sie die Feste des Jahreslaufes und die großen Wegemarken des Le­ bens, Geburt, Hochzeit und Tod, unendlich oft beschrieben und untersucht hat, ist sie über den Geburtstag und den mit ihm brauchmäßig so eng verbundenen Namenstag fast völlig hinweggegangen. Nicht ohne Grund. Denn was kann gegen­ über der Fülle und Buntheit der Gebräuche und Meinungen, die sich um jene bedeutungsvollen Jahresfeste und Lebensstationen ballen, die einfache Feier im Familienkreise an sinn­ vollem und festem Brauchtum aufweisen? Und doch — selbst wenn es nur um Kinderdinge ginge — wann hätte die Volks­ kunde sonst dazu geschwiegen? Hat sie sich nicht von je den Spielen, den Liedern und Märchen der Kinder mit besonderer Liebe gewidmet und in den Kindern oft die letzten Bewahrer von Gebräuchen und Vorstellungen entdeckt, die den Erwachse­ nen längst abhanden gekommen sind? Dazu scheint es, als ob in unserer Zeit mit der Neubele­ bung des Familiensinnes und der Familienforschung der Ge­ burtstag und — in einigem Abstand von ihm — der Namens-

tag auch dem Erwachsenen wieder mehr ein Gegenstand ernste­ rer Beachtung zu werden beginnt. So ist der Versuch, der in den folgenden Blättern gemacht wird, vielleicht nicht ganz un­

nötig und unzeitig. Mehr als ein Versuch will und kann das

Büchlein nicht sein. Denn noch fehlt es völlig an einer breiten Grundlage zuverlässigen Quellenmaterials. Für einige Tat­

sachen konnten die Antworten auf die im Jahre 1929 ver­ anstaltete Rundfrage des „Atlas der deutschen Volkskunde"

verwendet werden, die ich als damaliger Leiter der wissen­ schaftlichen Zentralstelle dieses Forschungsunternehmens be­

reits vor längerer Zeit in einem Dortrage heranziehen durfte,

und deren Benutzung für die folgende Darstellung mir die jetzige Atlasleitung freundlichst gestattet hat. Freilich bezog sich diese Befragung nur auf die geographische Verteilung

der beiden Tage, und nur gelegentlich äußerte sich ein Ge­

währsmann auch zu ihrem Brauchtum, das mir hier be­

sonders am Herzen liegt. Die Dolkstumsgeographie habe ich in meiner Darstellung absichtlich nur in groben Umrissen behandelt; hier ist alles erst von der Auswertung des riesigen

Stoffes zu erhoffen, der für den Atlas aus dem ganzen deut­ schen Kulturgebiet eingesammelt worden ist. Für dieMaterial-

sammlung war ich in der Hauptsache auf die weit verstreute Zeitschriftenliteratur angewiesen, und ohne Zweifel ist mir

darunter manches entgangen. Einiges beruht auf eigenen Er­ innerungen und Erkundungen und auf mündlichen Beiträgen von Freundesseite. Gewiß bewahrt man in den Familien noch

manche Sitte und manchen Gegenstand, der unsere Darstel­ lung bereichern könnte: vielleicht hilft sie dazu mit, solche ver­

borgenen Quellen zu erschließen.

Begriff, Bezeichnung und Bedeutung

Was unter „Geburtstag" zu verstehen sei, darüber wird

nach dem heutigen Sprachgebrauch kaum eine Unklarheit be­

stehen. Zwar will das Wort, das im Mittelhochdeutschen, im 16. und 17. Jahrhundert und bei Jean Paul auch in der Form

„Geburttag" vorkommt, zunächst nichts anderes besagen, als „Tag der Geburt", d. h. Tag, an dem die Geburt erfolgt. Doch

hat sich die Bedeutung schon früh verengert, und heute wird

„Geburtstag" allgemein als der Tag verstanden, an dem die Geburt sich jährt und gefeiert wird, wie ja auch sonst gelegent­

lich „Tag" für „Jahrestag, Gedenktag" verwendet wird. Der erste Geburtstag schließt also das erste Lebensjahr ab und

führt in das zweite hinein. Daß Geburtstag auch in dem Sinne

von „Geburtstagsfeier" verwendet werden kann, zeigt die Wendung „seinen Geburtstag begehen" u. dgl., anderseits kommen dafür auch die Bezeichnungen „Geburtsfeier" oder

„Geburtsfest" vor; so kann denn I. H. Doß in seiner „Luise" sagen: „Gehen wir doch in den Wald, mein Töchterchen, oder ge­

fällt dirs.

Weil die Sonne so brennt, in der Geißblattlaub' an dem

Bache Deine Geburt zu feiern?"

und so verzeichnen die Wörterbücher auch die Kurzformen „Geburtsheld" (so Jean Paul für das übliche „Geburtstags­ kind"; in Sachsen sagt man dafür auch „Geburtstäger", wie

,LTamenstäger" in der Schweiz), „Geburtslied", „Geburts­

gedicht", „Geburtsgabe", „Geburtsschma^, „Geburtslicht"

(eine vereinzelte Bezeichnung für den Geburtstag, die wohl

von dem an diesem Tage angezündeten „Lebenslicht" herge­ nommen ist). „Wiegenfest" lebt mehr in der gehobenen Sprache

prosaischer und poetischer Glückwünsche und Ansprachen als

der des Alltags. Der Geburtstag kann zwar für den, der ihn begeht, und für den Kreis, in dem er lebt und aufwachst,

nicht nur ein Tag der Fröhlichkeit, sondern auch ernster Einkehr und religiöser Weihe fein, ein „Ruheort der Wanderer", wie

Herder einmal sagt, und die tiefsten Geburtstagsgedichte, die

wir besitzen, sind nicht Glückwünsche für andere, sondern solche Selbstbetrachtungen, wie wir sie z. B. bei Gryphius mehrfach

finden. Seinem eigentlichen Wesen und der Art nach, wie er im allgemeinen begangen wird, ist der Geburtstag eine welt­ liche Angelegenheit und ein Freudenfest. Das gilt natürlich nur

für den Geburtstag von Lebenden und nicht für die weitver­ breiteten Gedenkfeiern an den Geburtstagen Verstorbener, die sich in ihrem Charakter oft kaum von denen am Todestage

unterscheiden; sie waren schon bei Griechen und Römern üblich.

Der Begriff des „Namenstages" wird in den Gegenden,

wo (eine Feier nicht üblich ist, d. h. in den rein protestantischen Gebieten, nicht selten mißverstanden. Der Namenstag ist nicht

der Tag der Namengebung, der Tauftag, sondern der Tag des

Heiligen, auf dessen Namen man getauft ist, und zwar sein

Todestag. Denn durch den leiblichen Tod wird der Mensch

für den Himmel geboren. „Mit Recht", sagt Augustin, „feiern wir den Geburtstag derer, die die Welt glücklicher für das ewige Leben gebar, als der Mutterleib für die Welt", und so

ist in den kirchlichen Schriften der Geburtstag (natalis) der

Heiligen stets als ihr Todestag zu verstehen; aus sie trifft vor

allem zu, was der deutsche Mystiker Seuse (14. Jahrh.) sagt: „So mag der leiplich tod wol heißen ein newe gebürt von des

schweren leibes abval, von dem freien ingang in die ewigen

selikeit." Ein Nachklang dieser Auffassung ist es vielleicht, wenn es im Volksglauben für ein Glück gilt, an feinem Ge­ burtstag zu sterben; auch diese Meinung findet sich bereits bei den Griechen und Römern, die aus diesem Grunde Männer wie Alexander den Großen und Pompejus glücklich priesen. Auch der „natalis“ eines Papstes oder Bischofs ist nicht fein irdischer Geburtstag, sondern der Tag, an dem er zu seinem Amte geweiht wurde, und wenn das Brauchtum der Primiz, d. h. des Tages, an dem der neugeweihte Priester zum ersten Male die heilige Messe feiert, in vielen Stücken an das einer Hochzeit erinnert, so enthält es doch auch manche Züge der Geburtstagsfeier. Bisweilen bezeichnet „natalis“ auch den Tauftag, weil die Aufnahme in die Christenheit gleichfalls als eine Wiedergeburt aufgefaßt wird. Im Mittelalter, als man die Kinder noch gern unmittelbar am Tage ihrer Geburt taufte, konnte alfo Tauf- und Namenstag zusammenfallen. Wenn anderseits die Eltern für ihr Neugeborenes den Heili­ gen als Patron wählen, dessen Name am Tage der Geburt im Kalender steht, so decken sich Geburtstag und Namenstag. Die­ ser Brauch bildet jedoch durchaus nicht die Regel, wenn man auch die Wahl des ^alenderheiligen vielfach für glückbringend

hält und gern dem Kinde, wie man in Kärnten sagt, den Namen gibt, den es „in der Faust mitbringt". Auch vermeidet man eine allzugroße Spanne zwischen dem Tag der Geburt und dem des Namensheiligen. Besonders das „Zurücktaufen", das nötig ist, wenn der Heiligentag vor dem Geburtstag liegt, gilt für das Kind als entwicklungshemmend, und auch, wenn der Tag des Patrons erst längere Zeit auf den der Geburt folgt, sieht man das dann erforderliche „Vortaufen" als un­ günstig an; der Heilige steht dann „seinem Schützling zu fern" oder „kann nicht so weit zurückschauen". In vielen Fällen aber siegen über diese naiven Bedenken andere Beweggründe der Eltern, sich für einen anderen Heiligen zu entscheiden, als

den des Kalendertages der Geburt oder eines benachbarten Tages. Nur wenige Heilige zwar gibt es, die aus irgend­

welchen Bedenken als Namenspatrone geradezu gemieden werden, wie der hl. Alban (in Oberösterreich) oder der hl. Isi­

dor (in Niederösterreich). Häufiger sind es andere Gründe, die

die Wahl bestimmen: man richtet sich nach dem Orts- oder Kirchenpatron, nach den Schutzheiligen von Zünften oder

Bruderschaften oder einer Gnadenstätte, oder man dankt auf diese Weise einem Nothelfer. Dazu kommen die mehr per­ sönlich als religiös bestimmten Benennungen nach den Eltern, Großeltern und anderen Verwandten, vor allem nach den

Paten, auch nach Lieblingshelden aus Sage, Geschichte und Kunst und großen Persönlichkeiten der Gegenwart; oft genug

folgt

man

freilich

gedankenlos

einer bloßen Mode

und

wählt auch Namen, die in keinem Heiligenkalender stehen; nach einer Bestimmung des kanonischen Rechtes ist der Priester

zur Beifügung eines christlichen Namens verpflichtet, wenn

die Eltern einen „sichtlich ungehörigen" ausgewählt haben. Wie beim Geburtstag finden wir auch für den Namenstag

einige seltener gebrauchte oder veraltete Bezeichnungen, wie „Namensfest" oder „Namensfeier" bekanntlich hat Beethoven

eine Ouvertüre

zum

Namenstag

des Kaisers Franz I.

(Opus 115) komponiert, die unter dem Titel „Zur Namens­

feier" verbreitet wurde.

Wenn noch heute in gedruckten Gratulationen, Gedichten usw. häufig vom „heiligen Namenstag" die Rede ist, so spricht sich darin deutlich der Grundcharakter dieses Tages aus, der

ihn vom Geburtstag unterscheidet. Ist dieser eine mehr welt­

liche Feier, so ist der Namenstag tief im Religiösen und Ma­ gischen verwurzelt. Er bringt jeden einzelnen in eine persönliche

Verbindung mit der Gemeinschaft der Heiligen und ist eine Brücke zwischen irdischer Welt und himmlischer Heimat. Erst durch die Taufe, die den Namen verleiht, wird der Mensch

ein Mitglied der christlichen Gemeinde: „einen Heiden bringt man in die Kirche hinein, einen Christen hinaus" heißt es im Dolksmund. Selbst da, wo die kirchliche Einstellung bewußt oder unbewußt in den Hintergrund tritt, bleibt der Name doch von Magie umwittert. Im Glauben aller Völker und auch im deutschen Volksglauben geht aus zahllosen Einzelvorstellungen hervor, daß der Name für den einfachsten wie für den höchst­ kultivierten Menschen alles andere ist als „Schall und Rauch" oder ein nichtssagendes Nummernschild, das dem neugeborenen Erdenbürger umgehängt wird. Er birgt geheime Kräfte, gute und verderbliche, er ist ein zweites Ich mit selbständigem Leben, Sterben und Nachleben: „Wenn der Leib in Staub zerfallen, lebt der große Name noch", und wer seinen „guten Namen" verliert, ist ebenso unglücklich daran wie der, dem sein Schattenbild verlorengeht. Und nicht nur der Glaube, die Hoffnungen und Wünsche des Einzelnen, sondern Sehn­ sucht, Bekenntnis und Dank eines ganzen Volkes lassen sich an den Namen ablesen, die es in bestimmten Zeiten seinen Kindern mit auf den Weg gibt.

Zur Geschichte des Geburtstages und Namenstages Die Feier des Geburtstags ist für das griechisch-römische Altertum durch viele Zeugnisse belegt, und zwar sind wir, zu­ mal für die ältere Zeit, am besten über die Verhältnisse in Athen unterrichtet. Hier bestand seit alters die erste Vor­ bedingung für eine Feier der Geburt, nämlich eine genaue amtliche Feststellung. Alljährlich wurden an einem bestimmten Festtage die in dem abgelaufenen Jahr geborenen Kinder in die Sippenverbande ausgenommen und in Verzeichnisse ein­ getragen, die später die Unterlage für Steuerlisten und mili­ tärische Stammrollen hergaben, also eine Einrichtung, die an

ein Mitglied der christlichen Gemeinde: „einen Heiden bringt man in die Kirche hinein, einen Christen hinaus" heißt es im Dolksmund. Selbst da, wo die kirchliche Einstellung bewußt oder unbewußt in den Hintergrund tritt, bleibt der Name doch von Magie umwittert. Im Glauben aller Völker und auch im deutschen Volksglauben geht aus zahllosen Einzelvorstellungen hervor, daß der Name für den einfachsten wie für den höchst­ kultivierten Menschen alles andere ist als „Schall und Rauch" oder ein nichtssagendes Nummernschild, das dem neugeborenen Erdenbürger umgehängt wird. Er birgt geheime Kräfte, gute und verderbliche, er ist ein zweites Ich mit selbständigem Leben, Sterben und Nachleben: „Wenn der Leib in Staub zerfallen, lebt der große Name noch", und wer seinen „guten Namen" verliert, ist ebenso unglücklich daran wie der, dem sein Schattenbild verlorengeht. Und nicht nur der Glaube, die Hoffnungen und Wünsche des Einzelnen, sondern Sehn­ sucht, Bekenntnis und Dank eines ganzen Volkes lassen sich an den Namen ablesen, die es in bestimmten Zeiten seinen Kindern mit auf den Weg gibt.

Zur Geschichte des Geburtstages und Namenstages Die Feier des Geburtstags ist für das griechisch-römische Altertum durch viele Zeugnisse belegt, und zwar sind wir, zu­ mal für die ältere Zeit, am besten über die Verhältnisse in Athen unterrichtet. Hier bestand seit alters die erste Vor­ bedingung für eine Feier der Geburt, nämlich eine genaue amtliche Feststellung. Alljährlich wurden an einem bestimmten Festtage die in dem abgelaufenen Jahr geborenen Kinder in die Sippenverbande ausgenommen und in Verzeichnisse ein­ getragen, die später die Unterlage für Steuerlisten und mili­ tärische Stammrollen hergaben, also eine Einrichtung, die an

unsere standesamtlichen Personalakten erinnert. Da das Datum der Geburt seit dem 4- Jahrhundert häufig erwähnt wird, kann man mit Sicherheit annehmen, daß bei dieser Gelegenheit

nicht nur Jahr und Monat, sondern auch der Tag der Geburt verzeichnet wurde, und da ähnliche Sippenfeste in zahlreichen

anderen Gemeinden stattfanden, wird diese für uns höchst wichtige Festlegung des Geburtstags auch außerhalb Athens üblich gewesen sein. Man kannte also seinen eigenen Geburts­

tag; schon der um 520 geborene Dichter Pindar erwähnt, daß er am Tage des Pythienfestes geboren sei, und wir wissen die Geburtstage des großen Arztes Hippokrates, des Epikur und anderer hervorragender Männer. Übrigens wurde — worum

manches Kind von heute die alten Griechen beneiden dürfte — anfänglich des Geburtstages nicht alljährlich, sondern in

jedem Monat gedacht, so oft das Tagesdatum wiederkehrte. Das galt vor allem auch für die Geburtstage der Götter, über die es eine alte und feste Überlieferung gab, die sich freilich fast

immer nur auf den Tag, nicht auf den Monat, bezieht. So heißt es z. B., Athene sei am 3., Artemis am 6., ihr Zwillings­ bruder Apollon am 7. geboren; in den vierten Monatstag

teilen sich sogar vier Olympier: Aphrodite, Eros, Hermes und

Herakles. Auf dessen mühevolles Erdenleben in fremden Dien­ sten bezog sich ein Sprichwort, das man auf Leute anwandte, die sich gleichfalls ohne Lohn für andere abmühen mußten:

„Du bist am 4- geboren!" — ein antikes Gegenstück zu „tra-

vailler pout le toi de Prussei“ Platon war angeblich am Apollonstage geboren — gleichviel ob tatsächlich oder nach

einer Legende —, und noch Jahrhunderte später vereinigten sich die Platoniker in der athenischen Akademie an jedem

7. Monatstage zu seinem Gedächtnis; ähnlich scheinen es auch

die Schüler des Aristoteles gehalten zu haben. Zahlreiche Fürsten nach Alexander dem Großen wurden ebenso gefeiert,

auch der Kaiser Augustus.

Vielleicht fyat auch bei den Römern die monatliche Feier

am Anfang gestanden; freilich sind wir bei ihnen für die ältere Zeit überhaupt mehr auf Vermutungen angewiesen. Dagegen fließen später die Quellen reichlich, so daß wir uns von dem

äußeren Verlauf einer privaten Geburtstagsfeier ein recht

deutliches Bild machen können. Die Geburtstagsfeiern des Kaisers und seiner Angehörigen gaben immer wieder Gelegen­

heit für Beweise der Freigebigkeit einerseits und für Huldi­ gungen und Ehrungen anderseits. Dazu beging man in Rom

wie in den Provinzen vielfach „Geburtstage" von Städten, Einrichtungen, Ereignissen; die unserem „Geburtstag" ent­ sprechenden griechischen und lateinischen Bezeichnungen er­ weitern ihre Bedeutung nicht selten zu „Gedenktag" oder

„Jubiläum", z. B. waren auch Amtsjubiläen beliebt; schon

Cicero feierte jährlich den „Geburtstag" seiner Wahl zum Konsul. Werden wir schon dadurch stark an die Ausbreitung lind Ausweitung des Geburtstags in unserer Zeit erinnert, so fallen die Ähnlichkeiten noch mehr ins Auge, sobald man die

äußeren Formen und Gebräuche der antiken Geburtstagsfeier

betrachtet. Wir hören von Glückwünschen, angefangen von der einfachen Form mündlicher Begrüßung bis zum kunst­

vollen Gratulationsgedicht und zur feierlichen Ansprache, für

die wir nicht nur Proben, sondern auch Anweisungen zur An­ fertigung besitzen, Lehrstoff für die Rhetorenschulen und durch­

aus vergleichbar unseren Nothelfern für Festredner und noch mehr den poetischen Lehrbüchern vergangener Jahrhunderte,

und es besteht kein Zweifel darüber, daß unsere Sitte der

Geburtstagscarmina und Geburtstagstoaste auf die Antike zurückgeht. Der Brauch des Beschenkens bestand gleichfalls schon bei Griechen und Römern, und oft werden die Geschenke

von Gedichten begleitet; auch die in unseren barocken Geburts­

tagsgedichten gern angebrachte Pointe, daß das Gedicht die Stelle des Geschenkes vertrete, finden wir bereits damals.

ebenso die Widmung selbstverfaßter Bücher; die gemeinsam

dargebrachten „Festschriften" unserer Zeit scheint dagegen das

Altertum noch nicht gekannt zu haben. Selbstverständlich fehlen auch die festlichen Mahlzeiten nicht, zu denen man Freunde und Bekannte mündlich oder schriftlich einlud, kurz,

es mangelt kaum einer von den Zügen, der auch bei uns zu einer

„solennen" Geburtstagsfeier gehört. Man muß sich jedoch hüten, über diesen äußeren Ähnlich­ keiten die Verschiedenheit der Grundauffassungen zu über­

sehen; ein Fehler, der bei Dergleichen von Altertum und Neu­

zeit nur zu oft gemacht wird. Wie, ursprünglich wenigstens, bei den Griechen die Aufführung einer Tragödie oder einer Komödie eine kultische Handlung war, so lagen auch die Wurzeln der Geburtstagsfeier im Religiösen, und zwar bei

den Griechen ebenso wie bei den Römern, so sehr sie auch im Lauf der Zeit von weltlicher Fröhlichkeit und weltlichem

Brauchtum überlagert wurde. „Dom ersten Augenblick des Lebens an gesellt

Ein Dämon jedem Menschen sich zur Seite, Ein treuer Führer durch des Lebens Dunkel."

Der Glaube an einen persönlichen Schutzgeist, der sich in diesen Dersen des griechischen Dichters Menander ausspricht, war Griechen und Römern gemeinsam; oft wird dem guten

ein böser Geist gegenübergestellt, der den Menschen zu ver­ führen trachtet. Dem guten Dämon gilt ursprünglich die Feier des Geburtstags, ihm die Opfer, die Gebete, die Blumen und

die Lichter, auch der Kuchen, der noch bei uns ein Haupt­

bestandteil der Geburtstagsfeier ist und uns gewiß nicht reli­ giös anmutet, und noch ein Redner des 2. Jahrhunderts n. Chr.

beginnt und schließt eine erhaltene Geburtstagsrede mit dem Dank an den „Heiland und Führer durch das Leben". Da auch die Stadtgemeinde, die Tempel, die öffentlichen Gebäude usw.

ihren Schutzgeist haben, ist es erklärlich, daß man auch ihren

^Geburtstag" beging.

Die Urzelle ist aber jedenfalls die

Familie, das Haus, und so ist denn z. 23. auch bei den Römern der Geburtstag des Hausherrn ein besonders feierlich be­

gangener Tag, an dem sich die „Familie" im römischen Sinne, d. h. nicht nur Weib und Kinder und andere Anverwandte,

sondern auch das gesamte Gesinde, die Sklaven und die Frei­ gelassenen, beteiligen; eine der Wurzeln des späteren Kaiser­

kults dürfte auf die Verehrung des

Geburtsgottes,

des

„Genius", des Kaisers zurückgehen. Jene Verbundenheit mit Heim und Familie ist auch ein

Hauptkennzeichen

unserer Geburtstagsfeier, die, wie wir

sahen, so viel Brauchtümliches aus dem Altertum über­ nommen hat. Was ihr jedoch fehlt, ist der ursprünglich reli­

giöse Charakter, die Grundstimmung der Feiernden, daß der

Tag eigentlich nicht dem Menschen, sondern seinem göttlichen Patron gilt. Diese fromme Note klingt bei uns viel stärker im Namenstag durch, dessen Feier gleichfalls letztlich nicht

dem Menschen, sondern seinem heiligen

Schutzpatron zu­

kommt; scheinen doch auch die christlichen Vorstellungen von

dem „Schutzengel" des Menschen auf die antiken vom „guten Dämon" und vom „Genius" zurückzugehen. Trotz dieser ver­

wandten Grundvorstellungen ist ein unmittelbarer Zusammen­

hang der antiken Feier des Geburtstags mit der des Namens­

tags kaum anzunehmen; er müßte sich länger als ein Jahr­ tausend unter der Oberfläche lebendig erhalten haben, da man

den Namenstag erst spät zu feiern begonnen hat. Dagegen kann wohl kein Zweifel darüber bestehen, daß der Ursprung der Geburtstagsfeier in der Antike zu suchen ist. Freilich kann

man über den Weg, den sie dabei genommen hat, vorläufig nur Vermutungen aufstellen, da die Grundlagen für eine exakte Untersuchung noch nicht gelegt sind. Daß er nicht durch die Kirche vorgezeichnet wurde, ist weniger wegen der Konkurrenz des

Namenstages als wegen der ablehnenden Stellung anzu­

nehmen, die die katholische Glaubenslehre grundsätzlich gegen­ über der Feier des irdischen Geburtstages einnimmt. In fran­

zösischen und deutschen Dichtungen des Mittelalters ist ver­ einzelt von Geburtstagsfeiern in höfischen und ritterlichen Kreisen die Rede. Wenn es in dem Troja-Dersroman Kon­ rads von Würzburg (13. Jahrh.) heißt (93.5006ff.): Der künic der begie den tac.

An dem (In muoter in gebar.

Und hete vil geladet dar der fürsten üz dem rlche,

so müssen dem Dichter Gepflogenheiten seiner eigenen Zeit vorgeschwebt haben, und aus höfischer Umwelt wird die Ge­

burtstagsfeier in das Bürgertum gedrungen fein, wo wir sie dann feit dem 17. Jahrhundert ihren bevorzugten Platz finden sehen, und zwar in friedlichem Nebeneinander mit dem Na­

menstag. Der katholische Kölner Ratsherr Hermann Weins­

berg (1518—1598), dessen Tagebuchaufzeichnungen wir so

viele wertvolle Zeugnisse zur rheinischen Volkskunde verdanken, gedenkt zwar einmal seines Namenstags am 19. November

1581, erzählt aber weit öfter von der Feier seines Geburts­ tags. Doch auch in bürgerlichen Kreisen konnte die Feier des

Geburtstags erst dann zum allgemeinen Brauch werden, als jedem das Tagesdatum seiner Geburt bekannt war. Noch

Felix Platter (1536—1614) sagt von sich: „Der geburtztag ist mir nit anzeigt, jedoch wol abzenemmen, daß es wenig tag vor Simonis und Judae beschächen", und sein Vater Thomas

muß sogar sein Geburtsjahr ausrechnen: „wie ich dann der zyt miner gebürt nachgedacht und gefragt hab, so hatt man zelt

i499"’ Auch über Luthers Geburtsjahr herrschte bei den

nächsten 93erwandten keine völlige Klarheit, und noch Goethes Gattin Christiane feierte alljährlich ihren Geburtstag irr-

tümlich am 6. August, während sie tatsächlich am i. Juni

geboren war. Und selbst nachdem die Vorbedingungen da­ für geschaffen waren, daß jeder sein Geburtsdatum kennen

mußte, setzte sich die Feier auf dem Lande erst in den letzten zwei Menschenaltern durch und wird auch heute noch häufig als etwas „Neumodisches" empfunden, besonders für Er­

wachsene.

Daß sich die Feier des Geburtstags nach der Reformation

vorzugsweise in den protestantischen Gebieten ausbreitete, er­ klärt sich nicht allein aus dem Wegfall der Heiligenverehrung;

blieben doch die Heiligen tage auch sonst als Daten des welt­ lichen Jahres, z. B. als Termine für landwirtschaftliche Ar­ beiten, für Gesindewechsel und Zinszahlung, noch bis in unsere Zeit bei Protestanten in Gebrauch. Die katholische Kirche mußte die Feier des Geburtstages grundsätzlich ablehnen und

hat sie vermutlich nicht selten geradezu bekämpft. Denn nach

ihrem Dogma ist der Mensch durch die Geburt mit der Erb­ sünde behaftet und wird dadurch von seinem himmlischen Ziel

abgelenkt. Daher feiert sie ja auch nicht den Geburtstag der Heiligen, sondern deren Todestag, den Tag der Wiedergeburt zu einem höheren Leben. Nur der Geburtstag des Heilandes und der hl. Jungfrau, die über die Erbsünde erhaben sind, und

des Täufers Johannes, der schon im Mutterleib geheiligt war, wird festlich begangen. Bei den Menschen duldet man

wohl gewisse Ausnahmen, wie die Feier des 60., 70., 80. Ge­ burtstages, aber die Sitte, jeden Geburtstag zu einem Festund Freudentag zu gestalten, gilt vom dogmatischen Stand­

punkt aus als widersinnig und eigentlich „heidnisch"; der Kirchenvater Origines (gest. 254) weist darauf hin, daß in der

Bibel nur die Heiden Pharao und Herodes ihren Geburtstag feiern. So erklärt es sich aus dem Standpunkt des einfachen Menschen, der in jener Auffassung aufgewachsen ist, daß er

den Geburtstag als bloße Mode oder in naivem Gegensatz zur

Heiligeiwerehrung, wie sie dem Namenstag zu Grunde liegt, als ^Menfchenkult" bezeichnet; nur „Freidenker" und „moderne

Heiden", so sagt man wohl, hätten sich vom Namenstag los­

gesagt, ja, an der Mosel kann man von den Frommen im

Lande das verächtliche Wort hören „Jet Kalf hat'n Jeburts-

dag, awer noch lang keen Nomensdag". 3m allgemeinen je­ doch — und dessen wollen wir uns freuen — mag unser Volk,

das die Feste gern feiert, wie sie fallen, von solcher unterschied­ lichen Bewertung nichts wissen.

Während die antiken Wurzeln unserer Geburtstagsfeier deutlich zutage liegen, handelt es sich beim Namenstag um ein

christliches Erbteil. Zwar kommt das Wort „Namenstag"

auch im Griechischen vor, doch aller Wahrscheinlichkeit nach im Sinne von „Geburtstag", und nirgends wird überliefert,

daß man im Altertum die Wiederkehr der Namengebung jährlich feierte, oder daß der Träger eines ,^otthaltigen"

Namens, z. B. Apollodoros, den Tag seines göttlichen Namenspatrons festlich beging. Die Entstehung der Namens-

tagsfeier im christlichen Sinne ist für Deutschland nicht allzu­ früh anzunehmen. Denn wer sich zur Zeit der Christianisierung taufen ließ, behielt im

allgemeinen seinen germanischen

Namen bei, selbst wenn er in den geistlichen Stand trat, und

es hat Jahrhunderte gedauert, bis sich die Sitte durchsetzte, den Kindern bei der Taufe einen Heiligen als Namenspatron

auszuwählen, in bürgerlichen Kreisen kaum vor dem 12. Jahr­ hundert; in den Ritualien und Konzilienbeschlüssen der Kirche wird der Taufname sogar erst seit dem 14. Jahrhundert be­ rücksichtigt. Die deutschen Besiedler Siebenbürgens dürften den Brauch bereits gekannt und in ihre neue Heimat verpflanzt

haben, wo er auch nach der Reformation beibehalten wurde

(f. u. S. 22). Als allgemeine Sitte begegnet uns die Namens­

tagsfeier in Deutschland erst im 17. Jahrhundert, also um die­ selbe Zeit wie die Geburtstagsfeier, und beide sind seitdem

trotz der Verschiedenheit ihres Ursprungs und ihres Wesens im lebendigen Brauch des Volkes vielfach einander angeglkchen,

ja miteinander verbunden worden.

Heutige Verbreitung

3m allgemeinen kann als Regel gelten, daß in den prote­

stantischen Teilen des deutschen Kulturgebietes der Geburtstag, in den katholischen der Namenstag gefeiert wird. Wenn erst einmal die darauf bezüglichen Karten des Atlas der deutschen

Volkskunde veröffentlicht sein werden, wird man dies Verhält­ nis deutlich erkennen können; bis dahin genügt zur Not eine

Konfessionskarte. Die Haupträume des Geburtstages sind

also der protestantische Block in Nord- und Mitteldeutschland,

auch der größere Teil von Württemberg, während im Westen und in den jetzt zu Polen geschlagenen Landesteilen sowie in

Altbayern und Österreich der Namenstag überwiegt. In Franken, Baden und im Elsaß entspricht das Verhältnis der

beiden Tage in der Hauptsache der Mischung der Konfessionen; auch die katholischen Enklaven, z. D. die Hildesheimer Gegend,

das Eichsfeld, das Ermland, heben sich als Namenstags­ gebiete deutlich hervor, und da, wo sich zusammenhängende protestantische und katholische Landesteile berühren, finden sich selbstverständlich Übergangs- und Mischgebiete, in denen

zum Teil beide Tage nebeneinander gefeiert werden. Die Gründe für die Bevorzugung der Geburtstagsfeier in den

protestantischen Gebieten haben wir bereits angedeutet: nach Beseitigung der Heiligenverehrung und dogmatischer Be­

denken durch die Reformation wurde dem Namenstag der Boden entzogen, und an seiner Stelle fetzte sich der Geburtstag durch. Auch die Reformierten feierten den Geburtstag; so

schreibt die Pfälzerin Elisabeth Charlotte: ,^Nich deucht, vor dießem hatt man bei den Reformierten und Lutherischen keinen

trotz der Verschiedenheit ihres Ursprungs und ihres Wesens im lebendigen Brauch des Volkes vielfach einander angeglkchen,

ja miteinander verbunden worden.

Heutige Verbreitung

3m allgemeinen kann als Regel gelten, daß in den prote­

stantischen Teilen des deutschen Kulturgebietes der Geburtstag, in den katholischen der Namenstag gefeiert wird. Wenn erst einmal die darauf bezüglichen Karten des Atlas der deutschen

Volkskunde veröffentlicht sein werden, wird man dies Verhält­ nis deutlich erkennen können; bis dahin genügt zur Not eine

Konfessionskarte. Die Haupträume des Geburtstages sind

also der protestantische Block in Nord- und Mitteldeutschland,

auch der größere Teil von Württemberg, während im Westen und in den jetzt zu Polen geschlagenen Landesteilen sowie in

Altbayern und Österreich der Namenstag überwiegt. In Franken, Baden und im Elsaß entspricht das Verhältnis der

beiden Tage in der Hauptsache der Mischung der Konfessionen; auch die katholischen Enklaven, z. D. die Hildesheimer Gegend,

das Eichsfeld, das Ermland, heben sich als Namenstags­ gebiete deutlich hervor, und da, wo sich zusammenhängende protestantische und katholische Landesteile berühren, finden sich selbstverständlich Übergangs- und Mischgebiete, in denen

zum Teil beide Tage nebeneinander gefeiert werden. Die Gründe für die Bevorzugung der Geburtstagsfeier in den

protestantischen Gebieten haben wir bereits angedeutet: nach Beseitigung der Heiligenverehrung und dogmatischer Be­

denken durch die Reformation wurde dem Namenstag der Boden entzogen, und an seiner Stelle fetzte sich der Geburtstag durch. Auch die Reformierten feierten den Geburtstag; so

schreibt die Pfälzerin Elisabeth Charlotte: ,^Nich deucht, vor dießem hatt man bei den Reformierten und Lutherischen keinen

Namenstag gefeiert, nur den Geburtstag". Dom französischen

Hof berichtet sie im Jahr 1718, daß die Mode, den Geburts­ tag zu feiern, durch Ludwig XIV. abgeschafft worden sei, so

daß man seit mehr als 25 Jahren keinen Geburtstag mehr ge­ feiert habe. Dagegen ersieht man aus einem Brief Schillers,

daß in Mannheim, doch nur dort, die Namenstage und nicht

die Geburtstage gefeiert wurden. An den Höfen gaben gewiß oft mehr die äußeren als die konfessionellen Motive den Aus­

schlag; die Huldigungsgedichte Joh. v. Bessers sprechen öfters davon, daß der Große Kurfürst und seine Gemahlin, die

lutherische,

späterhin reformierte Holsteinerin Dorothea,

beide am 6. Februar feierten, er seinen Geburtstag, sie ihren Namenstag.

Daß die Geburtstagsfeier als Dolksbrauch etwas ver­ hältnismäßig Junges ist, beweist u. a. der Befund bei den

Siebenbürger Sachsen. Die Einwanderung von Ansiedlern aus verschiedenen deutschen Stämmen fand, wie bekannt, seit

dem 12. Jahrhundert statt und war in der Haupffache vor der

Reformation angeschloffen. Obwohl sich das Luthertum bei den Siebenbürger Sachsen früh durchsetzte, wird dort noch heute von der protestantischen Bevölkerung in erster Linie der

Namenstag gefeiert, erst in neuerer Zeit daneben auch der

Geburtstag. So, wie sich in Siebenbürgen auch auf anderen

Gebieten des Volkstums und in der Mundart zum Teil der mittelalterliche Bestand gehalten hat, wurde dort auch die

Feier des Namenstages beibehalten. Auch in der Pfalz wird gelegentlich von Protestanten der Namenstag gefeiert, und zwar meist in der kollektiven Form (s. u. S. 37), die ein später

Ersatz für die individuelle Feier sein dürfte. 3m elsässischen Münstertal hielt sich gleichfalls auch nach der Reformation

die Feier des Namenstages bei den Evangelischen, und noch

heute wird er dort in alten Familien beider Bekenntnisse be­ gangen.

Sehr auffallend und nicht leicht zu erklären ist anderseits die Tatsache, daß in den zu 90 bis 100 Prozent katholischen

Teilen Oberschlesiens vorzugsweise der Geburtstag gefeiert wird. Es geht kaum an, diesen Zustand als eine Nachwirkung

der anfangs in Oberschlesien ziemlich starken Ausbreitung der Reformation zu deuten. Denn einmal fand diese in einer Zeit

statt, in der die Feier des Geburtstages — mindestens beim

Landvolk — noch so gut wie unbekannt war, und dazu ist es kaum denkbar, daß die radikale Ausrottung des Luthertums im 17. Jahrhundert nicht auch diesen Brauch beseitigt hätte,

selbst wenn er in der protestantischen Zeit aufgekommen wäre.

Vermutlich liegt es so, daß die meist in sehr bescheidenen Ver­

hältnissen lebende Landbevölkerung zunächst weder Namenstag noch Geburtstag begehen konnte, und sich die Feier des Ge­

burtstages erst allmählich aus den städtisch-bürgerlichen Krei­ sen der „aus dem Reiche" Zugezogenen, besonders der prote­

stantischen preußischen Beamten, auf das Land verbreitete, wo sie sich übrigens auch heute nur in sehr bescheidener Weise vom Alltag abhebt. Bezeichnend ist, daß der polnische Teil der Bevölkerung den Namenstag feiert; offenbar haben für diese

private Angelegenheit oft mehr nationale als konfessionelle Gründe die Entscheidung gebracht.

Wenn wir vielfach den Geburtstag auch in katholischen

Gegenden, meist neben dem Namenstag, gefeiert sehen, so bedeutet dies nach dem oben Ausgeführten bereits eine Ab­ weichung von der strengen Auffassung der katholischen Kirche,

die ja die Geburtstagsfeier aus dogmatischen Gründen ab­

lehnt. Trotzdem kann man beobachten, daß in letzter Zeit auch

in überwiegend katholischen Gebieten der Namenstag hinter dem Geburtstag zurücktritt, u. a. in Böhmen und in Tirol,

und noch mehr zeigt sich in den konfessionellen Mischgebieten, daß der Geburtstag überall im Vormarsch begriffen ist. Be­

sonders die jüngere Generation neigt zu dieser Umstellung, und

ebenso, wie oft genug die Volkstracht nur von den Alten ge­

tragen wird, und die junge Welt sich städtisch kleidet — erst in

jüngster Zeit hat sich das zum Teil geändert —, so feiern auch

nur sie noch den Namenstag, während die Jugend sich für den durch Lustbarkeit und Geschenke reicher bedachten Geburtstag entscheidet, und die Alten klagen dann: „de gung Leit wullen

ebber fü was scho einsihren". Bemerkenswert ist, daß in sozial gemischter Landbevölkerung katholischen Bekenntnisses

die Bauern oft mehr dem Namenstag, die Arbeiter und An­

gestellten mehr dem Geburtstag zuneigen.

Brauchtum 3m Brauchtum tritt die ursprüngliche religiöse Bedeu­

tung des Namenstages nur wenig hervor, die meisten Ge­ bräuche sind zum größten Teil die gleichen für beide Gelegen­

heiten. Der Besuch der Messe ist am Morgen des Namenstages besonders üblich; an den Tagen der Heiligen, nach denen sich

zahlreiche Gemeindemitglieder nennen, werden wohl auch eigene Namensgottesdienste veranstaltet. Es versteht sich von

selbst, daß auch der fromme Protestant seinem Geburtstag, wenn möglich, durch Kirchenbesuch eine religiöse Weihe geben

wird; in vielen Familien besteht wenigstens der Brauch, am Geburtstagsmorgen „Lobe den Herrn ..." oder einen anderen

Choral gemeinsam zu singen; die Gesangbücher, besonders die älteren, enthalten bisweilen besondere Lieder und Gebete für

diesen Anlaß. Aus der Postille liest der „redliche Tamm" in

Vossens „Siebzigstem Geburtstag" eine „erbauliche Predigt". An manchen Orten ist es Sitte, die Kinder an ihrem ersten

Geburtstag oder an dem darauf folgenden Sonntag mit in die Kirche zu nehmen. Gelegentlich werden auch Versuche ge­ macht, alle die Gemeindemitglieder, die in dem betreffenden

Jahr ihren 60. oder 70. Geburtstag begehen, zu einem Fest-

ebenso, wie oft genug die Volkstracht nur von den Alten ge­

tragen wird, und die junge Welt sich städtisch kleidet — erst in

jüngster Zeit hat sich das zum Teil geändert —, so feiern auch

nur sie noch den Namenstag, während die Jugend sich für den durch Lustbarkeit und Geschenke reicher bedachten Geburtstag entscheidet, und die Alten klagen dann: „de gung Leit wullen

ebber fü was scho einsihren". Bemerkenswert ist, daß in sozial gemischter Landbevölkerung katholischen Bekenntnisses

die Bauern oft mehr dem Namenstag, die Arbeiter und An­

gestellten mehr dem Geburtstag zuneigen.

Brauchtum 3m Brauchtum tritt die ursprüngliche religiöse Bedeu­

tung des Namenstages nur wenig hervor, die meisten Ge­ bräuche sind zum größten Teil die gleichen für beide Gelegen­

heiten. Der Besuch der Messe ist am Morgen des Namenstages besonders üblich; an den Tagen der Heiligen, nach denen sich

zahlreiche Gemeindemitglieder nennen, werden wohl auch eigene Namensgottesdienste veranstaltet. Es versteht sich von

selbst, daß auch der fromme Protestant seinem Geburtstag, wenn möglich, durch Kirchenbesuch eine religiöse Weihe geben

wird; in vielen Familien besteht wenigstens der Brauch, am Geburtstagsmorgen „Lobe den Herrn ..." oder einen anderen

Choral gemeinsam zu singen; die Gesangbücher, besonders die älteren, enthalten bisweilen besondere Lieder und Gebete für

diesen Anlaß. Aus der Postille liest der „redliche Tamm" in

Vossens „Siebzigstem Geburtstag" eine „erbauliche Predigt". An manchen Orten ist es Sitte, die Kinder an ihrem ersten

Geburtstag oder an dem darauf folgenden Sonntag mit in die Kirche zu nehmen. Gelegentlich werden auch Versuche ge­ macht, alle die Gemeindemitglieder, die in dem betreffenden

Jahr ihren 60. oder 70. Geburtstag begehen, zu einem Fest-

gottesdienst zu versammeln, eine geistliche Kontrafaktur -er noch zu schildernden weltlichen Kollektivfeiern.

Ebenso wie zu Beginn des Kalenderjahres ist auch am Geburts-und Namenstag das Glückwünschen der verbrei­ tetste Brauch, heute meist zur bloßen Form herabgesunken,

ursprünglich aber eine im Magischen verwurzelte Handlung; man braucht nur an das Gegenteil, an das „Unglück An­

wünschen" zu denken, das im Aberglauben noch heute stark im zauberischen Sinne empfunden wird. Da das neue Lebens­

jahr möglichst sofort bei seinem Anbruch durch einen guten „Angang" gesegnet werden soll, werden die Glückwünsche der

nächsten Angehörigen gleich beim Erwachen oder gar schon um 12 Uhr nachts dargebracht, und auch die schriftlichen

Gratulationen werden so früh abgeschickt, daß sie pünktlich mit der ersten Post eintreffen. Dagegen gelten verspätet ein­ treffende Wünsche im Volksglauben als „unheilbringend".

Der Wortlaut ist oft formelhaft; treuherziger als das kon­ ventionelle „Herzlichen Glückwunsch" klingt das schwäbische Sprüchlein: „I wünsch dr Glück zum Namensdag, daß de

gsund bleibscht, lang lebscht un en Himmel kommscht". Die Kinder sagen dem Vater oder der Mutter wie am Weihnachts­ tage ein oft mit Mühe eingeübtes und mit Lampensteber vor­

vorgetragenes Gedicht auf, meist ist es irgendeiner gedruckten Sammlung von Gelegenheitsgedichten entnommen. Die frü­

here Sitte, daß die Kinder ihre Glückwünsche für die Eltern

auch schriftlich darbrachten, ist heute wohl ziemlich im Schwin­

den. Die Papiergeschäfte lieferten dazu herrlich mit bunten Blumen und dergl. kolorierte Bogen, sogenannte „Wünsche",

auf die man, nicht ohne Angst vor dem Verschreiben und

Klexen, sein Sprüchlein möglichst kalligraphisch hinmalte; wer es konnte, fügte wohl eine eigenhändige Zeichnung oder wenig­ stens ein „Abziehbild" oder eine aufgeklebte Oblate hinzu. Bisweilen wurden die Glückwünsche in Herzform geschrieben;

auch gedruckte „carmina figurata,, dieser Art kommen vor

(Wb. i und 2). Heutzutage nehmen uns die GlückwunschPostkarten, die meist mit Sinnbildern des Glückes versehen

sind, die eigene Mühe nur allzu gefällig ab.

Anno 1709. Austinen guten Freund/ den 30. Novembr. Ein Hertz Mtt Lieb erfüllt Stecktan dteSegens-Kertz, Als eln getreues Bild, Wodurch man G-nner ehret, Ihr Nahmens • Licht vermehret, MtWünschnugs-Pflicht die trcucSchuld abtrLgt. Drum werd ich auch, Herr Vetter, iatzt bewegt, Daß bey Andreas Nabmeas • Scheine Ich bringe dar ein Wünfchüng. Blatt, So lauter Segen tit sich hat, Da- Glück ihn stets umzäune. Er grüne voll von Lust, GOtt stänke stineBrust, Daß er in Freude« Stchmögeweidc, Diß meynet Vereinet ohnSchertz Mel«

V Abbildung i

a6

Die poetischen Glückwünsche sind die letzten Ausläufer

eines bereits im klassischen Altertum geübten und von dort her­ zuleitenden Glückwunschbrauches. Unter den zahllosen Ge­

legenheitsdichtungen besonders des 17. Jahrhunderts machen

Ein andersauf Johannes. Iohannes. Um a

Reine Hände Die opffern Brände, 55 W«n einst berTag erscheint, * Den Hertz und Seelemeynt, *V^r 0 e Darin» der Nahme brennet, gZ,-s De» unser Aoge kennet. $ s Drum bringt auch unser Pflicht Ssn* "Z Ä, De, dessen Nahmens. Lich, K Dm Wünschungs-Segen, > Der sich woll leg?» Mit Glück und Heyl ZmnFkeudr.rheil jp W0SÄ?/ e>», A

(V)

Abbildung 2

die Geburtstags- und Namenstagscarmina einen erheblichen

Bestandteil aus. Nur wenige von ihnen erheben sich über die Linie öder und schematischer Reimereien voll Schwulst und Schmeichelei. Eine volkskundliche Plauderei, wie die vorlie­

gende, darf über sie hinweggehen, soweit in ihnen nicht aus

dem Leben gegriffene, wirklich volkstümliche Motive

an­

klingen; von ihnen soll weiterhin noch die Rede sein.

Der Glückwunsch wird oft auch in musikalischer Form dar­ gebracht. Den Eltern gibt das Kind eine Probe feiner Fort­

schritte auf dem Klavier oder der Geige durch ein heimlich ein­

geübtes „Geburtstagsstück", und wenn der Feiernde etwa Mitglied oder gar Vorsitzender eines Gesangvereins ist, wird

ihm in aller Frühe ein Ständchen gebracht; in der Großstadt erscheinen nicht selten auch ungebetene Bläserkapellen, die von

dem Geburtstag irgendwie etwas erfahren haben. Solche Ständchen werden häufig schon am Vorabend oder um Mitter­ nacht gebracht. So ist im oberbayerischen Mittenwald das

„Namenstag-Ansingen" noch heute in Gebrauch: Schlag 12 Uhr nachts stellen sich vier bis sechs stimmbegabte junge Leute vor dem Hause ein und singen mehrstimmig, von Gui­

tarren und Geigen begleitet, nach einer choralartigen Melodie

folgendes Lied: „Wachet auf, Ihr Menschenkinder Wachet auf in schneller Eil',

Denn der Tag, er kommt schon wieder

Zu unsrem Seelenheil. Laßt uns den heiligen N. N. loben Hoch in dem Himmel da droben.

Auf daß er bei Gott für uns bitt' Um Verzeihung unsrer Sünd'."

Für abendliche Ständchen zu festlichen Gelegenheiten kennt

schon das 16. Jahrhundert die Bezeichnung „Hofrecht", und

noch heute wird in manchen Orten Steiermarks und Tirols das „Hofrecht aufgemacht". Da erscheinen am Vorabend des Namenstags Gratulanten und Musikanten vor dem Hause, und ein Ansager hält eine gereimte Ansprache, die aus mehre­

ren Absätzen besteht; die Pausen zwischen den einzelnen Teilen werden durch Musik und Böllerschießen ausgefüllt. Die Be­

nennung des Brauches läßt feine Herkunft aus höfischem Zere­ moniell deutlich erkennen, jene Anspracheverse aber machen einen durchaus volkstümlichen Eindruck: fromme Betrach­

tungen, die ihre Heckunft aus der Kirche oder Schule kaum verleugnen, machen den Hauptinhalt aus, und der fönst in Glückwünschen ungebräuchliche Gedanke an Tod und Jenseits

kommt reichlich zum Ausdruck. Dazwischen aber werden recht deutliche und handfeste Wünsche für das irdische Wohlergehen

ausgedrückt, und V. von Gera mb, der einen solchen Text mitgeteilt hat, erinnert dabei mit Recht nicht nur an die un­

bedenkliche Mischung frommer und weltlicher Elemente in den

Dolksschauspielen, sondern auch an die derben Scherzi, die Anton Bruckner zwischen die tief ernsten Teile seiner Sympho­

nien gesetzt hat. Ein paar Verse aus der ziemlich umfangreichen Ansprache müssen genügen:

„Wohlan, mein Freund, so hör mich an.

Wir wollen dir gratulieren.

Gott zu Lob und dich zu ehren Bin ich heut zu dir hieher gekommen. Weil nun heute wieder ist angekommen Dein heiliger Namenspatron:

So ist es bei dir wiederum ein neues Jahr, Daß du in die Welt bist eingangen Und dahier auf diesem Erdenkreis Deinen Lebenslauf haft angefangen.

Ich wünsche dir denn viel Glück und ein langes Leben,

Wenn Gottes Willen anders fei, so müssen wir uns

ergeben.

Ich wünsche dir viel Glück in deinem Leben, In deinem Handel und Wandel Stets vor Gott,

Dann bekommst du einen glückseligen Tod. Ich wünsch dir Glück in deinem Haus,

Auf deinem Feld, bei deinem Bieh Und auch bei deinen Leuten,

Um die Gnade Gottes gar ritterlich zu streiten. Und wie man schon bevor hat gesagt.

So bleib auch noch dabei. Und wie man zeigt und spricht. Die erste Stunde ist uns offenbar.

Und die letzte weiß man nicht.

So wünsch ich dir, christlicher Hausvater mein. Wir wollen dir gratulieren Und auch schön grüßen Und wollen um Erlaubnis bitten. Ihm ein Stücklein musizieren.

e Ich wollt auch wünschen, was dir recht war.

Wenn ich deinen Sinn und Willen nur sagen kunnt.

Drum roate (— rechne) dir nur selber aus und bitte den

lieben Gott. Er wird dein bester Beschützer sein und Helfer in der Not.

Dazu ruf ich auch deinen Schutzengel und deinen heiligen

t N^rm^ns^atron,

Nämlich den hl. Ägnatius: Sie werden dich gewißlich führen zu der schönen

Himmelskron.

Am deutlichsten werden die irdischen Wünsche im Schlußteil

ausgedrückt, und hier kommt denn auch die Mundart zum

Durchbruch: „Christlicher Hausvater! Was ich dir zu einem Bungut (— Angebinde) soll

wünschen,

Woaß i a net, was dir zum besten wird gfalln; Zum ersten a saubere, a semlate (= semmelfarbige) Kalm,

Zum zweiten a zwölf Paar Ochsen in Stadl,

Geht a jedes Paar mit der Adl (--- Pstug). Dier Paar sind scheckat, vier Paar sind braun,

Dier Paar han i gsegn nit so genau; Und zum dritten a zehn Küah

Und dazu an sauban, schönan, bleamaten (--- gesteckten) Stier.

Dann wünsch ich dir, daß du alle Jahr kannst verkaufen Fünfzig Metzen Weiz, achtzig Metzen Hafer und

hundert Metzen Korn

Urid auf den Hausgebrauch zwei a dreitausend Lodn (= Bretter).

Dann wünsch ich dir, wie daß es verlangt, net groß A Paar schöne Mühlstein;

fund net klein.

Dann a hirschhäutige Hosen, Ast hast in Winter bein Ofen guat losen.

Dann wünsch ich dir ein Hektoliter-Faß Wein Und ein Fünfhunderttausend-Kronenstück drein.

Das soll in Hausvater in der Früh, wann er aufsteht.

sein Bungut sein!

O Mensch, horch auf zu deiner Zeit, Weil du hast erlebet

Deinen Namenstag, nach dem du hast gestrebet,

Mit Namen sollst du heißen 3m heiligen Sakrament der Tauf. Tue so, wie dein Patron getan.

Und mache daraus einen Brauch, Damit du daran aber nicht vergißt.

So spielen wir noch eins auf.

Und ich wünsch dir für morgen Einen freudenreichen, glücklichen Namenstag

Und den lieben Gsund Und auch einstmal a glückselige Ewigkeit. Gold, Silber und Edelstein Soll in der anderen Welt dein Ruhebett sein! Amen.

Gelobt sei Jesus Christus!" Eine handschriftliche Aufzeichnung derselben Ansprache

aus einem Tiroler Dorf, wo das „Hofrechtmachen" gleichfalls noch heute üblich ist, ist zum Teil bis zu völliger Unverständ­ lichkeit abgefchliffen, ein sicherer Beweis für das Alter dieses

ländlichen Brauches. Wie beim Polterabend wird bei diesen Dorabendständchen gern ein tüchtiger Lärm verübt, nicht nur

durch Döllerschießen, sondern auch mit dem „Rummelpott" und anderen

Radauinstrumenten (das „Ausklempern"

in

Steiermark), vielleicht nur als Ausdruck der Festfreude, viel­

leicht auch, wie bei so vielen anderen Lärmgebräuchen, um auf

diese Weise schädliche Einflüsse der Geisterwelt zu beseitigen. Auf ursprünglich magische Vorstellungen ist es auch zurückzu­

führen, wenn man hier und da versucht, das Geburtstagskind

mit Wasser zu begießen; bekanntlich ist dies ein weitverbrei­ tetes Mittel zur Beförderung von Wachstum und Fruchtbar­

keit bei Mensch und Tier. Auch der sonst nur im Advents-,

Weihnachts- und Fastnachtsbrauch auftretende „Schimmel­

reiter", ein Gestell in Pferdegestalt, das um den Leib getragen wird, ist für Tiroler Orte im Dor-Namenstagbrauch noch für

1914 belegt.

Abbildung 3. Geburtst agsmann

Abbildung 4- Daniel Chodowiecki: Dev Geburtstag

Zu den schriftlichen Glückwünschen sind auch jene zu zäh­ len, die unter den „Familienanzeigen" der Zeitungen großer

und kleiner Städte

dem Feiernden von seinen „Dereins-

brüdern" oder Arbeitskollegen dargebracht werden. Sie zeich­ nen sich dadurch aus, daß sie zum Schluß in mehr oder weniger deutlicher und geschmackvoller Art, meist mundartlich, die Erwartung ausdrücken, daß der Gefeierte sich für die ihm dar­

gebrachten Glückwünsche erkenntlich zeige, etwa in der Form: „Fritz, das Späßel, des koscht e Fässel" oder „Ob he sich woll wat marken lett?" oder „August, merkste was?". So prosaisch

und egoistisch das auch klingt, wir werden noch sehen, daß auch die fein gedrechselten Geburtstagsgedichte des 17. Jahr­ hunderts genau so gut „mit dem Zaunpfahl zu winken" ver­

stehen. Daß der Geburts- und Namenstag sich auch durch ein be­

sonderes Essen und Trinken vom Alltag abhebt, versteht sich

von selbst. Ja, in sehr vielen Fällen, besonders, wo die Mittel

knapp sind, und die Tagesarbeit keine Unterbrechung durch „Feiern" zuläßt, ist dies das einzige Unterscheidungsmerkmal.

Freilich haben die Speisen, die an diesem Tage aufgetischt werden, nur wenig Charakteristisches, etwa wie die zu Weih­

nachten, Neujahr, Ostern und anderen Festen gebräuchlichen,

gar nicht zu reden von der feststehenden Speisenfolge, die noch heute bei ländlichen Hochzeitsfeiern üblich ist. Die persön­

liche Eigenart des Geburts- und Namenstages zeigt sich darin, daß der Feiernde meist sein Leibgericht vorgesetzt be­ kommt. Sehr bevorzugt werden Eier und Eierspeisen, und

zwar besonders bei Kindern, die sie von ihren Eltern und von ihren Paten als herkömmliches Geschenk erhalten; vielleicht liegt dieser Sitte ursprünglich der auch in manchen anderen

Gebräuchen vorkommende Glaube an die Gedeihen und Frucht­ barkeit vermittelnde Kraft des Eies zu Grunde. Typisch ge­

formte Gebäcke, Gebildbrote, wie sie bei so vielen anderen

Festen hergestellt werden, spielen kaum eine Rolle, höchstens, daß man in Baden den Kindern ringförmige Kuchen, „Drossel­

ringe" schenkt, von denen noch zu sprechen sein wird. Ein Ku­ chen oder eine Torte, besonders am Namenstage mit dem

Vornamen des Feiernden versehen, darf, wenn die Mittel es

irgendwie erlauben, nicht fehlen; schon bei den alten Römern hat, wie wir sahen, dieser Brauch bestanden. Es knüpfen sich

an ihn auch einige volkstümliche Meinungen und Gebräuche; so ist es ein unglückliches Vorzeichen für das neue Lebensjahr,

wenn er mißlingt. Manche Leute machen es wie der alte Schadow, der von einer biederen Gevatterin aus Thüringen

alljährlich

zu

feinem

Geburtstage

einen

selbstgebackenen

,^Ouarksiaden" zum Geschenk erhielt und in seinem Dankbrief nie zu bemecken vergißt, daß er davon nichts oder doch nur

wenig „abgegeben", sondern ihn allein verzehrt habe. Jeden­

falls habe ich eine sonst sehr gebefreudige alte Miesbacherin gekannt, die ihre Namenstagstorte stets ängstlich hütete und

lieber allmählich trocken werden ließ, als daß sie jemandem

davon auch nur ein Kosthäppchen abgegeben hätte. Möglich,

daß auch dies mit einem Aberglauben zusammenhängt. Wenn dagegen der Kuchen in fröhlicher Gesellschaft gemeinsam ver­

tilgt werden soll, bäckt man wohl, wie beim Dreikönigskuchen, eine Bohne mit ein, die für den, der sie in seinem Stück sindet,

eine glückliche Vorbedeutung hat. Weitverbreitet, besonders

in Norddeutschland, ist der Brauch, dem Geburtstagskind, zumal wicklichen Kindern, einen Kuchen aufzubauen, der mit

soviel Lichtern umsteckt ist, als es Jahre zählt. In der Mitte steht ein großes Licht, das „Lebenslicht", das beileibe nicht aus­

geblasen werden darf, sondern ganz verbrennen muß. Die Symbolik dieses Brauches istschön und so deutlich, daß sie kaum

einer weithergeholten Erklärung bedarf; ähnliche Lichtorakel sind auch sonst, und zwar seit alter Zeit, üblich. Übrigens gibt es in vielen Familien besondere „Geburtstagsleuchter", meist

von einer Amorette getragen, die nur einmal im Jahre andern festlichen Tage mit einer gewissen Feierlichkeit verwendet werden.

Natürlich ist der Geburts- und Namenstag auch eine be­ liebte causa bibendi. Getrunken wird je nach Lebensalter, Ge­ schlecht und Landessttte Schokolade, Kaffee, Bier, Wein und Branntwein; besondere brauchmaßige Überlieferungen gibt

es dafür nicht, es gilt eben der Spruch: „Heut ist mei Namenstag, Da sauf i, was i mag!" Oft sind es allein diese leiblichen Genüsse, in denen sich die

häusliche Feier der beiden Tage erschöpft, sie stellen dann allein auch die Geschenke dar. Freilich breitet sich die Sitte des

Beschenkens zu Geburts- und Namenstag immer mehr aus,

die ja in letzter Zeit auch auf andere Feste des Jahreslaufs, wie Neujahr, Ostern und Pfingsten übergreift und die Sonder­ stellung des Gabenfestes Weihnachten zu erschüttern beginnt.

Allerdings — das Geheimnisvolle, mit dem die Bescherung zu

Weihnachten verbunden ist, kann diesem Feste nicht geraubt werden, solange noch Kinder an Christkind, Weihnachtsmann und andere himmlische Spender glauben. Zwar geistert durch

die Erzählungen mancher Eltern ein „Geburtstagsmann", doch er bleibt ein Schatten, der in der Phantasie des Kindes nur selten wirklich lebt, obwohl die Spielwarenindustrie den

Versuch gemacht hat, ihn — wie den Weihnachtsmann — bildlich darzustellen (s. Abb. 3; auffallend ist das aus einer

Getreidegarbe hergestellte Gewand). Und so gern sich das Kind auch bei jeder Gelegenheit beschenken laßt, das größte Erlebnis

bleibt doch der Gabentisch unter dem brennenden Weihnachts­

baum. Ein gewisses Gegengewicht liegt nur darin, daß sich das Geburtstagskind mehr als Hauptperson des Tages fühlen

darf, als „Geburtsheld", wie Jean Paul sagt, und allein be­

schenkt wird. Auch bietet der persönliche Charakter des Festes

Gelegenheit, Gemeinschaftssinn zu betätigen: in Betrieben, Büros usw. herrscht vielfach der Brauch, dem „Kollegen" eine

gemeinschaftliche Gabe zu seinem „Ehrentage" darzubringen.

Allerdings bekommt das leicht etwas Geschäftsmäßiges; man schätzt ab und ist seinerseits zu dem entsprechenden Beitrag ver­ pflichtet, wenn der Nächste an der Reihe ist. Ein hübscher Brauch ist es in manchen Schulklassen, daß die Geburtstage

der einzelnen Kinder auf einem Wandkalender vermerkt oder

dem Lehrer jedesmal angesagt werden, damit das Geburtstags­ kind auch hier irgendwie „gefeiert" werden kann. Auch kommt es in der Stadt vor — ich habe es selbst als Kind erlebt —, daß

die Eltern eines Geburtstagskindes die Kinder des ganzen Mietshauses auf dem Hof zu Schokolade und Kuchen ein­ laden, wozu die kleinen Gäste dann aus ihren eigenen Spiel-

zeugkisten irgendein, manchmal recht defektes Geschenk mit­ bringen. Die Auswahl der Geschenke hat, wenigstens in unserer Zeit, kaum eine nennenswerte Tradition; sie richtet sich nach den vorher geäußerten Wünschen des Feiernden oder soll ihm eine Überraschung bereiten. Blumen sind, wie zu allen Zeiten, so auch heute die beliebteste und sicherlich auch die sinnigste

Spende für diesen sonst von einer gewissey Prosa umwitterten

Tag. Vereinzelt wird auf dem Lande auch ein Maibaum vor dem Hause des Geburstagskindes

errichtet

oder gar am

Schornstein ein großer Blumenstrauß angebunden. In man­

chen Gegenden Hannovers war es früher Sitte, daß sich die

jungen Leute Bilder schenkten, die in der Mitte einen gereimten

Spruch trugen, umgeben von einem aus Zelluloid gefertigten bunten Blumenkranz und als „Wandschmuck"^ aufgehängt.

Eine gewisse Schenkverpflichtung besteht in vielen Gegen­

den, auch in städtischen Kreisen, für die Paten; sie beginnt

meist mit dem ersten Geburtstag oder Namenstag des Kindes — während man sonst für diesen Tag Geschenke noch nicht

gibt — und gilt gewöhnlich bis zur Konfirmation oder Firme­

lung. Nur für diese Patengeschenke herrscht eine gewisse

brauchtümliche Gesetzmäßigkeit, die nicht selten zu Dubletten führt; manches Kind erhält so zu seinem Geburtstag eine ganze Kollektion von Löffelchen, Eierbechern, Tassen usw. Die Paten gehören auch zu den unerläßlichen Gästen, falls sich überhaupt die Feier des Geburtstags oder des Namens­

tags über den engsten Familienkreis hinaus erstreckt. Je nach

Neigung und Mitteln halten sich diese „Festivitäten" in einem bescheidenen Rahmen oder wachsen sich zu großen Gastereien mit Ansprachen, Tischliedern, Aufführungen usw. aus. Wäh­

rend der eine solchen Tag am liebsten im Schoß der Familie

verbringt, wohin er ja eigentlich auch gehört, sehnt sich der

andere bei dieser Gelegenheit nach großer Gesellschaft und ge­ räuschvoller Fröhlichkeit. Dieser Zug und daneben der Wunsch, an den Kosten zu sparen, hat mancherorts zur Einrichtung

gemeinsamer Feiern — zunächst des Namenstages — geführt. Besonders im Westen des Reiches finden sich vielfach

die Namensbrüder eines Ortes oder auch eines Stadtbezirks an ihrem Namenstage zu einem Festabend zusammen, mög­ lichst in einem Wirtshaus, dessen Wirt mit zur Namens­ bruderschaft gehört und in der Zeitung vorher zur Teilnahme

an einem „hübschen Bierfest" aufgefordert hat. Da sitzen denn die Seppe, Peter usw. zusammen, mit oder ohne Anhang,

es wird bei Musik und allerlei anderen Mitteln zur Hebung der

„Stimmung" auf eigene Rechnung gegessen und vor allem ge­

trunken — „Sauftage" heißen diese Namenstage im Munde des Volkes. An ihnen nehmen nicht selten auch Protestanten des gleichen Namens, besonders an den „Karlstagen" und

„Georgstagen", teil. An den im deuffchen Südwesten verbreite­

ten Kollektivfeiern der im gleichen Jahre Geborenen,besonders der Vierziger, Fünfziger und Sechziger, beteiligen sich gleich-

f alls Protestanten wie Katholiken. Auch zu diesen Feiern, die

gern in beliebten Ausflugsorten abgehalten werden, laden die

Gastwirte in den Zeitungen alle ein, die es angeht; es unter­ bleibt nicht eine entsprechende Notiz unter „Lokales" im Blätt­

chen, etwa wie folgt: Eberbach, 19. g. igzH- „Die diesjährigen 50er, also der Jahrgang 1884, feierten ihre 50er- und Wieder­

sehensfeier, wozu sich auch eine große Anzahl auswärtiger Alterskollegen

und

-kolleginnen

eingefunden

hatten.

Die

Wiedersehensfeier, die unter Leitung von Fritz Koppes stand verlief anregend und gemütlich." Man sieht deutlich, daß hier der kollektiven Namenstagsfeier eine entsprechende Feier wenig­

stens des Geburtsjahres zur Seite gestellt wird. Wir haben

bereits oben darauf hingewiesen, daß gelegentlich auch in den protestantischen Kirchen gemeinsame Gottesdienste für gleiche Geburtsjahrgänge veranstaltet werden. Übrigens ist es inter­

essant, daß auch diese Sonderform der kollektiven Feier ihre Entsprechung in der Antike findet. Damals taten sich gleich­ falls Leute, die an demselben Monatstage geboren waren, zu

einer gemeinsamen Feier, die vor allem in einem Festessen be­

stand, zusammen. Und wie wir bei uns die Fünfziger, Sechziger haben, so nannten sie sich Einser, Vierer, Zwanziger oder auch

nach ihrem göttlichen Datumsbruder Herakleisten oder Dionysiasten. Was sich sonst noch an Gebräuchen und Meinungen an den Geburts- und Namenstag heftet, ist im Vergleich zu an­

deren festlichen Gelegenheiten spärlich. Wie bei anderen wichti­ gen Anfangsterminen achtet man aufDorzeichen und vermeidet

ominöse Handlungen. Ebenso wie man das Lebenslicht auf dem Geburtstagskuchen nicht ausblasen darf, soll man während des ganzen Tages das Feuer nicht ausgehen lassen. Träume in der

vorhergehenden Nacht gehen in Erfüllung, verspätete Glück­

wünsche, ein mißlungener Kuchen, auch schlechtes Wetter gelten

als ungünstiges Vorzeichen. Gelegentlich wird, wie in der

Neujahrsnacht, in der Andreasnacht oder in anderen „Los-

nächten", durch allerlei Orakel die Zukunft erforscht. Auch das „Glücksgreifen" kommt vor, besonders läßt man ein Kind an seinem ersten Geburtstage nach Gegenständen (Ei, Geldstück,

Buch) greifen und schließt daraus auf künftiges Schicksal und

Beruf (Bauer, Kaufmann, Gelehrter). Don einem eigenarti­ gen „Zigeunerbrauch", der nicht eben volkstümlich anmutet, berichtete vor einigen Jahren eine Berliner Funkzeitschrift,

sogar mit Abbildung: in Münzenberg bei Quedlinburg halte

man die Kinder an ihrem ersten Geburtstag aus dem Fenster, um ihnen die Welt zu zeigen, und sage dabei: „Alles, was du siehst, ist dein!" In Wien meinen die Kinder, wenn man an

seinem Namenstage weine, so müsse man es das ganze neue Lebensjahr hindurch an jedem Tage tun, und wenn an diesem

Tage die Blätter fallen, so verliere man seine Haare. Geschenke müsse man so viele erhalten, wie man Jahre alt wird — nach

einer freilich nicht sicheren Annahme galt das im alten Rom für die Anzahl der Kuchen. Kränze sollen unter den Blumen­ spenden nicht sein, denn die bedeuten den Tod; manchmal frei­

lich kehrt sich dies böse Omen auch gegen den Geber: „die's meiner Mutter geschickt hat, ist aber selbst gestorben!" fügt

die kleine Gewährsmännin ihrem Bericht über diesen Aber­

glauben hinzu. Ob man mit Rücksicht auf die gute oder böse Vorbedeutung bestimmter Wochentage Schlüsse auf den Ver­

lauf des neuen Lebensjahres zieht, je nach dem Tag, auf den der Geburtstag oder Namenstag fällt, ist nicht unmittelbar aus deutschem Volksglauben zu belegen — im italienischen gab

es diesen Glauben. Immerhin finden sich in Geburtstags­ gedichten des 17. Jahrhunderts Anklänge. So heißt es z. B. „Der Montag müsse sich dir öffters noch verneuren

Und wie der volle Mond dir zeigen Licht und Schein; Er müsse dir und uns ein guter Montag sein. Der sich, so offt er kommt, mit Jauchzen lasse feyren."

Der Nationalsozialismus sieht in der Familie die festeste Grundlage alles staatlichen und völkischen Gedeihens. Er

halt es deshalb für seine Pflicht, alle Bestrebungen für ein ge­ sundes, zufriedenes und überlieferungsbewußtes Familienleben zu fördern. Dadurch wird manchen Anschauungen Halt ge­

boten, die in den letzten Jahrzehnten aufkamen und der typischen Familienfeier des Geburtstags in allen Kreisen

unseres Volkes Abbruch taten. Heute hören wir, wie die

führenden Männer der Regierung nicht nur an den Geburts­ tagen, die sich durch eine Rundzahl besonders hervorheben,

sondern alljährlich vom Führer durch einen Glückwunsch ge­ ehrt werden, wie auch schlichte Volksgenossen von ihm zu ihrem 90. oder gar 100. Geburtstag ein freundliches Wort

und eine Ehrengabe erhalten. In ähnlicher Weise wird der Beamten von ihrer vorgesetzten Behörde gedacht, z. D. ord­

nete im Jahre 1934 der Reichspostminister an, daß in Zukunft

die im Ruhestand befindlichen Postbeamten zu ihrem 80., 90. usw. Geburtstag oder zu ihrer Goldenen, Diamantenen oder Eisernen Hochzeit ein Glückwunschschreiben des Reichspost­

ministers und bei Bedürftigkeit eine Ehrengabe erhalten soll­ ten. Zum 70. Geburtstag sollen die Präsidenten der Reichs­

postdirektionen gratulieren. Beim Rundfunk herrscht bekannt­ lich schon seit längerer Zeit der Brauch, den ganz Alten einen persönlichen Glückwunsch auszusprechen und mit einem Ständ­

chen, einem Choral oder einem „Geburtstagsmarsch" auf-

zuspielen. Solche Freundlichkeiten erfreuen nicht nur die Jubi­

lare, sondern führen es auch jedermann zu Gemüte, daß man, wie es in der Vergangenheit oft genug geschah, keinen Grund hat, diese Feiern als überlebt und altmodisch abzutun. Sie

verschönen, so bescheiden sie auch verlaufen mögen, das Leben

in der Familie und stärken das Gefühl der Zusammengehörig­ keit im kleinsten und doch so wichtigen Kreise. Es ist nicht aus­

geschlossen, daß durch die heute übliche stärkere Hervorhebung

des Geburtstages der Vorsprung, den er schon seit geraumer

Zeit vor dem Namenstag gewonnen hat, befördert wird, wenigstens überall da, wo die beiden Tage gleichsam in Kon­

kurrenz stehen. Dagegen ist in überwiegend katholischen Ge­

bieten der Namenstag doch wohl so fest im Volksleben ver­ wurzelt, daß er dort seine Stellung wahren dürfte. Höchstens wird sich die Sitte, beide Tage nebeneinander zu begehen, noch

mehr ausbreiten; wird doch z. B. in Bayern neben dem all­ gemeinen Dolksfeiertag des Geburtstags des Führers auch dessen Namenstag von vielen Volksgenossen mitgefeiert.

Freilich wird es immer hier und da aus bestimmten Grün­ den dazu kommen, daß die Feier des Geburtstags unter­

bleibt oder auf ein ganz bescheidenes Maß, etwa ein besseres Essen und einen Festtrunk, oder in anderer Weise einge­

schränkt wird. Nebenbei bemerkt: Auf die Frage „Wird der Geburts­

oder Namenstag gefeiert^ wird man auf dem Lande nicht

selten mißverstanden. Die Leute fassen nämlich von ihrem Sprachgebrauch ausgehend „feiern" im Sinne von „nicht arbeiten" und antworten daher zunächst mit einem Nein, dem

dann gleichwohl Angaben folgen, aus denen man erkerme« kann, daß der Tag auch bei ihnen irgendwie, sei es auch nur

durch Lieblingsgerichte und Kuchen, hervorgehoben wird. Eine Arbeitsruhe, wie an einem kirchlichen oder nationalen Feiertag, können sich selbstverständlich die wenigsten Menschen an die­ sem Tag gestatten, selbst das Schulkind muß ja, so schwer es

ihm auch wird, an seinem Geburts- oder Namenstag den ge­ wohnten Gang gehen. Außer rein persönlichen Gründen ist es zunächst der Man­ gel an Zeit, der oft dazu führt, auf eine Feier zu verzichten; be­

sonders gilt dies auf dem Lande zur Erntezeit, wenn von früh bis spät geschafft werden muß. Da wird dann entweder über­

haupt kein Aufhebens gemacht, oder der Geburtstag wird erst

am nächstfolgenden Sonntag begangen, gelegentlich auch ent­

sprechend vorverlegt. 3n der Karwoche verlegt man die Ge­

burtstagsfeier gern auf den Gründonnerstag, der im Volks­ leben auch sonst im Gegensatz zum Karfreitag einen lichteren

Charakter hat und Anlaß zu allerlei milden Gaben, Paten­ geschenken, Heischegängen und dergl. gibt. In der Schweiz läßt man überhaupt an diesem Tage gern die Arbeit ruhn, da

man dann das ganze Jahr hindurch vor Fieber geschützt ist. Nicht selten fehlt es ferner selbst für eine bescheidene Feier

an Geld, bisweilen scheut man sich auch davor, dadurch bei den

lieben Nachbarn in den Ruf eines Verschwenders zu kommen. So heißt es z. D. in einem Bericht über deutsche Sitten und Gebräuche in Katzbach (Bessarabien), daß in manchen Dör­

fern der Geburtstag eines jeden Familienmitgliedes mit einem kleinen Fest gefeiert und das Geburtstagskind mit Geschenken

überhäuft wird. Dagegen denkt in Katzbach selbst die betref­ fende Person oft nicht einmal daran, daß an diesem Tag der Geburtstag ist. Feiert aber doch einmal jemand seinen Ge­

burtstag mit einem Fest, so wird ihm das von allen sehr übel genommen und als unnötige Verschwendung bezeichnet. Das

gleiche soll übrigens auch in DerlinerMietshäusern vorkommen.

Die verbreitetste Form einer Einschränkung der Geburts­

tagsfeier ist die, daß man sie nur für Kinder veranstaltet. In manchen Gegenden Hannovers beginnt man erst mit dem

zweiten Geburtstag und vermeidet es jedenfalls, am ersten etwas zu schenken, während andernorts, wie wir sahen, ge­

rade der erste Geburtstag durch Geschenke, besonders der Paten, ausgezeichnet ist; er wird auch als „Jahrestag" oder „Jahrestaufe" bezeichnet. Ganz vereinzelt wird in Nord­ deutschland für Kinder die Geburtstagsfeier sogar verdoppelt,

indem man ihnen genau 6 Monate vorher einen „lütten Ge­ burtstag" ausrichtet. Mit zunehmendem Alter psiegt die Feier

des Geburtstags sehr häufig immer mehr zurückzutreten und

nur vom 50. Lebensjahr ab an den jedesmal ein Jahrzehnt abschließenden Terminen reicher ausgestaltet zu werden. Der 50. Geburtstag wird im Dolksmunde als „Abrahamstag"

oder „Abrahamsfest" bezeichnet, da nach Ev. Joh. 8, 57 die Juden zu Jesus sagten: „Du bist noch nicht 50 Jahre alt, und hast Abraham gesehen^ Bei gemeinsamen Geburtstags­

feiern des 50. Geburtstags tritt in Oberschlesien sogar ein als Bischof verkleideter Abraham mit allerlei Späßen auf. Um

die Frauen nicht zu kurz kommen zu lassen, veranstaltet man

gelegentlich auch „Sarahtage" am gleichen Zeitpunkt. Auch diese und ähnliche Sammelfeiern müssen zu den Einschrän­

kungen des Geburtstags, wenigstens im Sinne einer Familien­ feier, gezahlt werden. In der Pfalz feiern öfters auch da, wo

es sonst unterbleibt, Brautleute ihre Geburtstage, gewiß wohl, um einander und auch Verwandten und Bekannten Ge­ legenheit zum Beschenken zu geben. Ähnlich wie beim Geburts­

tag steht es auch mit den Einschränkungen der Namenstagsfeier. Obwohl hier die Bindung an einen festen Termin noch

stärker sein sollte als beim Geburtstag, wird auch sie in Zeiten

dringender Arbeit auf den nächstfolgenden Ruhetag ver­

schoben. Die Träger sehr häufiger Heiligennamen, wie Josef, Jakob, Franz, Maria, Anna usw., haben mehr Gelegenheit, ihren Namenstag in kirchlicher und weltlicher Gemeinschaft

zu begehen, doch auch sie beschränken sich oft darauf, dies nur

alle 5 Jahre zu tun. In Gegenden, wo die Feier des Namens­ tages als allgemeine Sitte abgekommen ist, wird er doch noch

häufig von Personen geistlichen Standes, wie Priestern,

Ordensleuten und Nonnen, begangen, von ihnen selbst natür­ lich nur in religiöser Form, wobei die Mönche und Nonnen

nicht den Tag ihres ursprünglichen Namenspatrons berück­ sichtigen, sondern des Heiligen, dessen Namen sie bei ihrer Auf­

nahme zugelegt bekommen haben. Freunde und Gemeinde­ glieder bringen ihnen wohl auch eine Gabe oder Huldigung,

zumal an den runden Jahrestagen, ebenso wie auch weltlichen

„Standespersonen", Lehrern, Ortsvorstehern usw.

In älterer Zeit, als der Einfluß der Astrologie auf das

tägliche Leben des Menschen noch stark war, zumal im 17. Jahr­ hundert, galten bestimmte Lebensjahre als besonders kritisch.

Zu dieses „klimakterischen" Jahren gehörte vor allem das drei­ undsechzigste, das „große Stufenjahr", dem auch heute noch im Volksglauben und in der Dolksheilkunde eine ominöse Be­ deutung zugeschrieben wird. Man war daher froh, wenn man

dieses Jahr glücklich hinter sich gebracht hatte, und feierte aus diesem Grunde den nächsten oder sogar die nächsten Ge­

burtstage mit erleichtertem Herzen und größerem Aufwand. Die Hofpoeten dieses Zeitalters, die an keinem Geburtstage

ihres Fürsten und seines Hauses mit einem Festgedicht aus­ bleiben durften, machten von dieser besonderen Note gern

Gebrauch. So ersehen wir aus den Dichtungen des branden­ burgischen Hofdichters Johann von Besser, daß im Jahre

1683, als der Große Kurfürst „nach zurückgelegten großen Stuffen-Jahre den 6. Februar Anno 1683 Dero vier und sechzigstes Jahr angetreten", der Kurprinz Friedrich den Tag

mit einem prächtigen Freudenmahle feierte und seinen Vater

durch einen mit Diamanten besetzten Stab beschenkte, deffen Bedeutung der Verfasser dann in einem langen Poem erklären mußte. Noch ausführlicher und ganz mit astrologischen Deute­

leien angefüllt ist Bessers Gedicht zum nächsten Geburtstag des Kurfürsten, betitelt: „Brandenburgischer Glücks-Löwe oder der Geburts-Stern Sr. Churfl. Durchl. Friedrich Wil­

helms des Großen, dem Stein-Bock des Kayser Augusts ent­ gegen gesetzet und vorgezogen, den 6. Februar 1684, da Se.

Churfl. Durchl. nach glücklich überstandenem großen Stuffen-

Jahre allbereits den 65. ten Geburts-Tag erlebet hatten"

(man sieht, daß Besser hier den eigentlichen Tag der Geburt mitgezählt hat, da der Kurfürst im Jahre 1620 geboren ist).

Da heißt es u. a.: „Hingegen stehst Du heut im Fünff und sechzigsten. Der Schwachheit Ruhe-Jahr, des Alters Sonnenwende, Wo sich der Mensch erhohlt."

Auch mit dem Wochentag, auf den dieser Geburtstag fiel, wird gespielt: „Und ob ein Mittewoch uns noch zur Trauer zwinget.

Bringt dieser uns durch Dich doch solchen wieder ein. Denn warum fallt dißmal er auf den Mittewochen?

Als daß er Dir ersetzt, was jener hat verbrochen."

(an einem Mittwoch war vorher „die seligste Chur-Princessin verstorben".)

Schließlich muß auch noch der Umstand herhalten, daß

1684 ein Schaltjahr war: „Das wird viel Jahre Dir einschalten und vermehren, Diß scheint nicht weniger die Erbschafft uns zu lehren.

Mit der Du kurtz zuvor wie angebunden (--- beschenkt)

bist." (es handelt sich um eine durch den Tod des Herzogs von Croy

vom Kurfürst gemachte Erbschaft.) Daß sich Geburtstag und Namenstag an Volkstümlichkeit

mit anderen Festtagen des menschlichen Lebens, namentlich der Hochzeit, nicht im entferntesten messen können, geht auch dar­ aus hervor, daß sie in Volkslied, Märchen, Sage, Sprichwort,

Rätsel und dem übrigen Sag- und Erzählgut fast keinen Platz gefunden haben. Manches, wie die vereinzelt gebräuch­ lichen Ansingeverse und Reimansprachen, haben wir schon

erwähnt.

In Kinderspielversen kommt der Geburtstag gelegentlich vor,

r-B.: „Wer im Januar geboren ist, tritt ein.

Der mache zuerst einen schönen Knix, recht tief.

Wie fröhlich, wie fröhlich, hoppsassa! (Bei diesem aus Mitteldeutschland belegten Spiel gehen und

singen die Kinder im Kreise der Reihe nach die Monate ab; die in dem jedesmal genannten Monat geborenen Kinder treten in den Kreis, machen einen dreifachen Knix, tanzen dann um­

her und treten ab.) Aus Hannover wird folgender Spielvers mitgeteilt:

„Der Blumenkohl, der Blumenkohl,

Das ist die schönste Pflanze. Wenn N. 91. ihr'n Geburtstag hat.

Dann wollen wir mal tanzen. Die 91.9t. geht schon in das Haus, Sie ist schon längst verdorben.

Da kommt fle schon, da kommt sie schon. Und wünscht ihr guten Morgen.

Ach, was bin ich müde. Ach, was bin ich matt.

Möchte gerne schlafen gehn.

Morgen wieder früh aufstehn." 9tach „literarischem" Ursprung und Kindergarten klingt

folgendes Spielliedchen aus dem Wuppertal:

„Es war einmal ein Häschen, Das hat' ein stumpfes 9täschen; Die Ohren waren lang.

Das Schwänzchen war so klein. Und dunkelbraune Äugelein. —

Und als es einmal Sonntag war. Und Häschen sein Geburtstag war. Da kam das kleine Muckelchen Mit seinem runden Buckelchen,

Und dann dort oben von der Höh, Da kam die gute Tante Reh;

Mit seinem prächtigen Geweih

Kam auch der Onkel Hirsch herbei. Und selbst die kleine Munkelmaus Krabbelt aus ihrem Loch hinaus. Alle Tierchen, groß und klein.

Wollten sich mit Häschen freun." Darauf singen alle: „Häschen hat Geburtstag,

Trallerallera!" Eine elsässische

Redensart,

die bei

unerwarteten

an­

genehmen Erlebnissen angewendet wird, lautet: „Ich hab

gemeint, 's ist mein Namenstag!" Die Sprichwörter, die Wanders Sprichwörter-Lexikon für unsern Gegenstand an­

führt: „Wenn du deinen Geburtstag feierst, soll ihn dein armer Nachbar auch haben" und „Der Geburttag macht nit edel" sind nicht volkstümlich. Ein Märchen „Der Geburtstags­

engel" von Pomtow ist ein schwaches Kunstprodukt mit christ­ lich-moralischer Tendenz; bemerkenswert ist immerhin die

Einführung eines mythischen Wesens, eben des Geburtstags­ engels, der ein armes Kind auf den Abendstern entführt, und der Satz: „Dein Sterbetag auf Erden ist dein himmlischer

Geburtstag".



Die poetische Literatur des 17. Jahrhunderts enthält eine Überfülle von Gelegenheitsgedichten. Besonders Opitz und seine Nachahmer, wie Fleming, Gryphius, Tscherning, ferner

Hoffmann von Hoffmannswaldau, Günther, Hofpoeten, wie der Freiherr von Canitz und Johann von Besser und unzählige andere, besingen teils aus eigenem Antrieb, teils aus amtlicher

Verpflichtung alle freudigen und traurigen Ereignisse im Leben ihrer Freunde und Freundinnen, ihrer Fürsten und Gönner. Entfällt dabei auf die Hochzeits- und Begräbnis­

gedichte der Hauptanteil, so nehmen doch auch die Geburts­

und Namenstagscarmina keinen geringen Raum ein. Sie

durchzusehen, ist keine Kurzweil; der größte Teil von ihnen er­ setzt den Mangel an wirklichem Gefühl durch Schmeichelei und Spielerei oder ergeht sich ohne Bindung an den besonderen

Anlaß in allgemeinen Betrachtungen über das menschliche

Leben. Volkstümliche Töne klingen kaum einmal an; auch dann,

wenn der Dichter nicht im eigenen Namen, sondern für einen einfachen Mann oder ein Kind spricht, kommt er vom Schwulst

nicht los. Jeder weiß, daß auch die fertig gelieferten Glück­ wunschgedichte unserer Zeit an diesem Übel kranken. Man muß

schon zufrieden sein, wenn Wort und Gedanken der Person des Gratulanten nicht gänzlich unangemessen sind. So heißt

es etwa in einem „Nahmens-Wunsch im Nahmen eines Sohnes an seine Mutter" von Joh. Chr. Günther nach einer

recht unkindlichen Eingangsstrophe: „Der Abend dämpft bereits des Mittags Last und Hitze;

Ich komme ziemlich spät, doch langsam nährt sich auch'. Du weißt es schon vorhin, ich habe den Gebrauch, Daß ich gar selten viel aus Übereilung schwitze. Die Kindheit überdiß entschuldigt meine Pflicht,

Die das erfreute Fest, so Deinen Nahmen borget.

Nicht eher durch den Reim, der dennoch schnarrt, versorget.

Weil mir die rechte Kraft zur Poesie gebricht.

Abbildung 5. Daniel Chodowiecki: Das frohe Alter

Abbildung 6. Daniel Chodowiecki: Der Geburtstag des Vaters

Was aber folt ich Dir zum Angebinde (aussen, Da ich ein Petrus bin, dem Gold und Silber fehlt? Wer von Salat und Obst die Finger müde zehlt. Der kan vor den Gewinn gar leicht zum Koche laufen.

Die Kräuter bringen mir nicht einen Heller ein. Und könnt' ich einen Markt von Kirfchen-Guth bestellen.

So würden sicherlich mir anderthalb Forellen So wenig als ein Quart ans Hertz gebunden seyn."

Die Schlußstrophe freilich mutet dem kleinen Gratulanten und der braven Gartnersfrau allerlei zu:

„Dein Garten baue Dir ein Paradieß auf Erden, 3n welchem jeder Baum Dergnügungs-Früchte trägt! Die keines Unfalls Wind von ihren Zweigen schlägt,

Biß sie von Glücke reich, von Wollust mürbe werden. Trinkt manchmahl Gottes Hand Dir einen Creutz-Kelch zu.

So misch' ein Engel Dir stets Zucker in die Myrrhen; Und mußt Du Deinen Fuß zur letzten Reise schirren.

So bringe Canaan den müden Leib zur Ruh!"

Hübscher und einfacher sind ein paar Glückwunschgedichte in Flemings Sammlung, die nicht von ihm verfaßt, sondern ihm von anderen zu seinem Namenstag gewidmet und dann unter seine eigenen Carmina ausgenommen worden sind. Das

eine schließt:

„Unterdessen seyd gebunden

Mit dem eingelegten Band, Bleibet frölich alle Stunden,

Biß wächst Pfeffer hier im Land: Bleibet alleweil gewogen, Biß ein Sohn dem Sohn gesogen!"

Recht treuherzig mutet der Glückwunsch an, der dem Dichter von seinem „getreuen Johann Michael" dargebracht wird:

„Weil man nun seinen Nahmenstag thut begehn,

So hat mich Herr Magister darzu thun zwingen. Damit solches auch mög itzund geschehn. Weil er Paulus Heist vor allen Dingen,

So nähme er von mir das klein geringe Bändelein, Damit soll er von mir hübsch und säst gebunden seyn.

Nebenst Wünschung langem Leben, Glück, Heyl und aller Wohlfarth,

Das wolle ihm der Höchste geben, Worauff Ich thu trauen hart. Ein mehrers kan ich anitzo nicht finden.

Damit ich den Herrn Magister könnte bindm. Noch eins wil ich hinzu setzen:

Daß ihm kein Leid zustoß zu keiner Hand,

Sondern daß er seine Feind' möge verletzen. Alle die ihn gedencken zu bringen in Band, Und er sie selber möge darein bringen.

Da sie ihm lange haben thun von singen. Solchs kleins Bändelein und guten Wunsch wird er nicht

Weil solches sehr schlecht und klein,

sverachten.

Sondern er wird vielmehr bey sich selbst betrachten.

Daß ich sein getreuer Diener will seyn. Solches habe ich aus gutem Gemüth Ihm zu Ehren

geschrieben. Wie ich auch nicht anders hoffe, als daß es ihm wird belieben." Die beiden letzten Proben deuten auf den Brauch, dem

Feiernden als Gabe ein Band zuzusenden und ihn damit sym­ bolisch zu binden. Die Geburtstagscarmina des 17. Jahr-

Hunderts leben geradezu von diesem Motiv und betiteln sich danach oft als „Bindebrief", „Gebündnis" und dergl. Aus der

Fülle der Beispiele geben wir wieder einige Proben: In einem „Bindebrief" überschriebenen Gedicht von Opitz

heißt es: „Doch mein williges Gemüthe, Darmit ich Euch zugethan, Übertritt des Bandes Güte,

Welches ich jetzt knüpfen kann: Weil der Sinn nun nicht gebricht. So verschmäht das Band auch nicht. Gott, der Euch die Zier gegeben, Lasse den gewünschten Tag Euch mit Freuden bald erleben, Daß ein Band euch binden mag. Das vom Himmel selbst erkiest. Und der Schönheit würdig ist."

Der schlesische Dichter Andreas Tscherning singt zu „einer Jungfrawen Nahmenstag":

„D angenehmer Schein! Die fol gebunden sein. So erstlich mich gebunden Durch ihrer Augen Licht, Daß ich kein Mittel nicht Befreyt zu sein gefunden. Wer knüpffet mir ein Band Der Liebsten um die Hand? Du Kind der süßen Schmertzen, Du weißest Hülff und Raht, Bind an der Hände statt Uns beyde mit den Hertzen!"

oder er verfaßt für die Gattin eines Freundes zum Namenstag ihres Gemahls die Verse: „Ich fol Dich heute binden.

Was kann ich aber finden.

Das über Liebe sey? Kein Gold Du legst mir bey.

Kein edler Raub der See, Kein Horn der Amalthee. Die Liebe, so Dich bindet.

Hat Gott mir angezündet.

Hält Fuß in Noth und Qual!" usw.

Er entschuldigt fich bei einem Adressaten, „daß er ihn mit

nachfolgender Ode nach dem alten Kalender binde": „Ich hette mich ja woll Was eher sollen finden.

Doch bin ich hoffnungsvoll.

Auch heute sey gebunden. Zwar heißt mich Landesbrauch

Sunst binden nach dem Newen, Jedoch was schadt es auch,

Im Alten sich erfrewen."

usw. und schwingt sich sogar auf zu einem Gedicht „Auff einer hohen Standes Person Nahmenstag": '

,JD Morgenstern des Landes, O Blume keuschen Standes,

O Spiegel aller Zucht!

Dorfs ich mich unterwinden. Sie diesen Tag zu binden,

Alß ich noch nie versucht!" usw.

oder: „Aufs Catharina Parsilien . . . Meiner damahls liebsten Braut Nahmens-Tag":

,,2suff! Auff! Du meine Wonne,

Des Himmels Schild, die Sonne, Macht einen Tag für Dich. Wer heut die sprechen wolte.

Wer selbst dich binden solte,

D Liebste, der bin ich. Ist aber was zu finden. Dich stärcker anzubinden. Als durch der Ehe Band,

Das jetzt vor wenig Wochen Ich Dir, Du mir versprochen.

Mit Hertze, Mund und Hand^

Ein anderer Schlefier, Wenzel Scherff er, richtet im

Jahre 1640 an seine Freunde, die am Martinstag ihren Namenstag feiern, ein Gedicht, in dem es heißt:

„Ihr aber frewet Euch, daß ihr gesund gesehen

Den lieben Mertens-Tag, der euren Namen trägt. Daran man jährlich Euch zu binden hat gepflegt." usw.

Andreas Gryphius sendet in Form eines Sonetts ein „Gebundnis an einen guten Freund":

„Ich suche, werther Freund, ich such und kan nicht finden.

Indem eur Nahmens-Tag euch frölich wieder sieht. Und euer neues Glück beym neuen Jahr aufblüht. Ein Band, ein festes Band, auf ewig euch zu binden.

Doch Liebe zwingt, was Welt und Himmel zwingen kann. Eie band den Höchsten selbst an harte Höltzer an!

Die bitt ich, daß sie mir woll ihre Ketten leihen.

Was sag ich? Nein, nicht mir, nur einer frischen Braut,

Die, eh diß Jahr hinweg, auf ewig euch vertraut. So binde, daß euch nicht mög eine Macht befreyen."

Besonders Paul Fleming verzichtet nur in wenigen seiner zahlreichen Glückwunschgedichte zum Geburts- und Namens­

tag (letztere überwiegen an Zahl) auf das Dindemotiv, ohne

sich um Variation oder Pointierung viel zu bemühen. Ein „Anbinde-Brief" beginnt: „Was uns die Gottesfurcht und greiser Brauch befiehlt.

Das nehmet von mir an, Ihr Spiegel aller Frauen, Die nicht auffSchönheit mehr, als auff die Tugend schauen.

Der Weiber besten Schmuck. Worauff diß binden ziehlt.

Ist nichts als Ehrlichkeit

"

In einem „Geburtstags-Gedichte" heißt es:

„Wie glücklich war ich doch zu jeder Zeit zu schätzen. Da ich in Gegenwart sie kunte binden an.

Ich bunde sie mit mir. So durfft ich auch nicht sagen. Daß ihr mein süßer Brieff nicht käme recht zu Hand.

Mein Hertze war die Post. Das reiste stets verborgen Und brachte sich ihr selbst sein Bothe, Brieff und Band.

So bunden wir uns stets und lösten stets uns wieder. Das liebe lange Jahr war ein Geburts-Tag nur."

In einem anderen, das der Dichter zu feinem Namenstag 1631 von seinem Freunde Gloger erhielt, heißt es:

„Kan ich denn außer mir was festes auch wol finden, Wormit ich, du mein Ich, dich heute möge binden? Bind ich das Herhe mir, so darff ich gar kein Band,

Laß ich dich denn so loß, wo bliebe mir mein Pfand? Doch wo man Pfand begehrt, da giebt man zu verstehen.

Daß man nicht trauen wil. — Magst ungebunden gehen. So hab ich Pfand bey Dir, du Band bey mir gefunden. Ich bleibe dir verpfändt, du aber mir verbunden. Und weil noch in der Welt ist Sonn- und Mondenschein,

Soll unser Pfand und Band unauffgehoben sein."

Bei Hoffmann von Hoffmannswaldau und seinen Dichterfreunden wird das Bindemotiv besonders gern in

Liebesgedichten verwendet. So in einem Gedicht von B. Neu­

kirch „An Sylvien auf ihren Namens-Tag": „Dein edler Namens-Tag zeigt heute seinen Schein,

Mir aber meine Pfiicht, dich würdig anzubinden. Allein, wo soll ich was bei meiner Armut finden.

Weil Federn und Papier für dich zu wenig seyn?

Mein Wollen ist zwar groß, doch mein Vermögen klein. Drum laß mich, was ich kan, dir zum Geschenke winden.

Denn wer die Liebe will auf Gold und Reimen gründen. Schleust nur viel Prahlerey und wenig Freundschaft ein.

Ich biete Dir mein Hertz zum Opffer selber an. Mein Hertze, das dich zwar nicht. Schönste, binden kann. Weil du es schon vorlängst mit Ketten angebunden.

Legst du es aber nur zu deinen Füßen hin. So glaube, daß ich auch in Ketten lustig bin. Weil es nach so viel Angst doch einen Ruh-Platz funden."

Jacob Grimm hat die Glückwunschgedichte Flemings als die „artigsten" ihrer Gattung bezeichnet, und man mag ihnen

diesen Vorrang gern lassen. Freilich wiegen viele von ihnen

nicht die Strophen auf, die wir aus einem Gedicht des wackeren Holsteiners Zacharias Lundt (1608—1667) mitteilen:

Wie Liebe bindet.

Freilich kan uns Liebe binden; Aber, Schönste, nicht die Hand. Was hilfft schöne Bänder winden?

Liebe brauchet gar kein Band; Liebe muß das Hertze fassen,

Liebe muß nicht abelaffen. Freilich kan uns Liebe binden. Lösen aber ist ein Tandt;

Wer mag wol die Kunst erfinden,

Auffzulösen Liebeband? Liebe bindet gar zu fest.

Das fich nicht leicht lösen laßt. Hier klingen echtere, an die Sprache des Volkslieds er­

innernde Töne an! Die älteste und zugleich bei weitem reichhaltigste Fund­

grube für Gelegenheitsgedichte dieser Art sind die „Anbind­ oder Fangbriefe" des Dramatikers und Meistersingers Wolfhart Spangenberg (um 1570—1636), erstmalig erschienen 1611 mit dem Untertitel „Glückwünschunge auff etlicher so wol

Weibs als Mannspersonen Ehren Namen und Geburts Tage". Die 3., vermehrte und umgearbeitete Ausgabe (1636) enthält

39 für 29 verschiedene Heiligentage verfaßte, meist sehr um­ fangreiche Glückwunschgedichte an ungenannte Personen. Daß

die Sammlung auch noch in späterer Zeit für vockommende Fälle benutzt wurde, zeigt ein handschriftlich erhaltmer Glück-

Wunsch aus Colmar, etwa im Jahre 1700 in ziemlich genauer Anlehnung an zwei Gedichte Spangenbergs niedergeschrieben.

Spangenberg stammte aus Mansfeld, verbrachte aber den größten Teil seines Lebens in Straßburg und in Buchenbach

an der Jagst; ob er in seiner mitteldeutschen Heimat oder spä­ ter in Süddeutschland auf das Bindemotiv gestoßen ist, läßt

sich nicht entscheiden. 3n dem Einleitungsgedi cht der Sammlung führt Span­ genberg zunächst aus, daß jeder Name seine Bedeutung habe

und Wesen wie Zukunft seines Trägers bestimmen solle. Auch die alten Deutschen hätten sich bei der Namengebung dadurch bestimmen lassen.

Was sie wünschten auf dieser Erden, Daß auß dem Kindlein werden solt.

So es Gott leben lassen wolt. Daher ein Sprichwort ist entstanden-

Bei Teutschen, welchs noch ist vorhanden: Ein guter Name sicherlich

Bringt auch ein gute Tat mit sich.

Durch die Annahme des Christentums seien dann die alten

deutschen Namen durch griechische und hebräische verdrängt worden, deren Bedeutung das Volk nicht verstand, so daß sie

in verstümmelter und verdrehter Form gebraucht würden. Da­ her sei es nötig, diese fremden Namen zu deuten, wofür die Sitte der Glückwünsche zum Namenstag eine vortreffliche Gelegenheit biete. Die hierauf bezüglichen Verse sind auch als

Beitrag zu der Frage „Geburts- oder Namenstagsfeier

sehr wertvoll. Sie lassen erkennen, daß der protestantische

Dichter wohl mehr dem Geburtstag als dem Namenstag zu­ neigt, aber doch die Gründe gelten läßt, die viele seiner Glau-

bensgenoffen veranlaßten, ihren Namenstag zu begehen:

„Darumb so achte ich es auch

Für Löblichen und feinen Brauch So man sein Freund nun nicht allein

Anbindet auff den Jahrstag sein. Sondern ihm seinen Nahmen recht

Außlegt nach seiner Deutung schlecht. Dann solchs nützlich und Lehrhafft ist

Und auch Anmutig jeder Frist. Und thut offtmahls der Nahm darneben

Eim gar ein gut Andeutung geben. Ihm Glück zu wünschen auch darbei Offt nach des Nahmens Deutung frei:

Dann ein Ehrlicher Nahme zwar Ist ein gut Zeichen offt fürwar Deß Glücks, das eim Gott in dem Leben

Durch seine Gnad verheist zu geben. Weil auch offt mancher Mensch nicht weiß Zu zeigen an mit rechtem Fleiß,

Auff welchen Tag er sei geboren. Und welche Zeit ihm sei erkohren.

Daß er seiner Gebürtes Tag An demselben begehen mag:

Und also ihm kein Ziel zuletzt Seiner Geburtsstund ist gesetzt,

An welchem sein Freund mit Verlangen Ihn möchte anbinden und fangen:

So kan er doch ohn Zweiffel diß Ihm machen an dem Tag gewiß.

Der seinen Tag anmeldet frei

Und sein Jahrstag begern dabei.

Den er auch halt in seiner Ehr, Als wann er sein Geburtstag wer. Und ist nunmehr durch alten Brauch

Solches gantz fest bestättigt auch.

Daß die Leut jehund fast allfamen Mehr sehen auf den Ehren Namen Als auff den Gburtstag, der zur Frist

Gleichwol seins Lebens Anfang ist. Dann so man nur den Nahmen find Eins Menschen als bald man ihn bind:

Und solchs thut man mit gutem Recht,

Nicht nur nach alter Gwohnheit schlecht. Und kann es ihm auch niemand wehren, Weils ihm geschieht zu sondern Ehren."

Die Mehrzahl von Spangenbergs „Anbindbriefen" (die

Bezeichnung „Fangbriefe" ist sonst für diese Gattung nicht gebräuchlich und knüpft wohl an die Sprache des Rechtes an:

Fangbrief — Steckbrief) behandelt die Legende des Namens­ patrons und entnimmt daraus Lehren für den Namensträger.

Die protestantisch-kritische Stellung des Dichters zu den Hei­

ligengeschichten verleugnet sich nicht, gelegentlich fallen kräf­

tige Worte gegen die Römischen, auch allerlei Historisches und

Schwankartiges wird beigemischt. Daß der Feiernde an seinem Namenstag gebunden wird, bringt der Dichter möglichst mit

dem besonderen Inhalt der Legende in Beziehung, wobei es nicht ohne Gewaltsamkeiten und Geschmacklosigkeiten abgeht, etwa wenn er nach der Erzählung vom Martertod des hl. Lau­

rentius in Beziehung auf den Feiernden sagt: „Doch daß Er nicht gar ledig sei.

So müssen wir nach altem Brauch Ihn dennoch heute binden auch

Und fangen, wiewol nicht im bösen:

Er wird sich wissen wol zu lösen Und seinen Nahmen zu verschenken. Daß man Laurentii mög gedencken.

Auch des Rosts und der Koken fein. Es muß etwas gebraten sein.

Dem Sanct Laurent io zu Gfallen, Es sei gleich ein Ganß oder Quallen (— Keule) Oder ein Brat Fisch auf dem Rost:

Wir können nicht ohn allen Trost Sanct Laurent!i Marter und Pein

Auff diesen Tag eingedenck sein. Solchs unser Nachbar wird betrachten

Und seinen Nahmen so hoch achten.

Daß Er ihn wird zu Ehren fein Einweihen mit einem guten Wein.

Weil auch mit Freuden wir allsamen Ihm wünschen heut zu seinem Nahmen

Diel Glück und alle Wohlfahrt! Amen. Hübsch find die Vorschläge, die Spangenberg in seinem Schlußgedicht, einem „Trost-Briefflein", einem guten Freunde

macht, „so mit Weltlicher Anfechtung beladen, als feie sein Nahme im Calender ausgemustert". 3n Holstein gibt es die

Meinung, daß alle die, deren Namen nicht im Kalender steht, am Quatember gebunden werden dürfen. Sehr häufig, bei Spangenberg fast ausnahmslos, be­

tonen die Glückwunschgedichte des 17. Jahrhunderts, daß das

„Binden" ein alter Brauch sei, und daß es sich um einen wirk­

lichen Dolksbrauch handelt, läßt sich in der Tat auch feststellen. Die Dichter freilich begnügen sich nur selten mit der schlichten

Brauchhandlung, daß man am Geburts- oder Namenstage —

gelegentlich auch einmal am Hochzeitstage — die Feiernden wirklich „band", mit einem Blumengewinde oder einem Band

oder einer Schnur, und dabei seine Glückwünsche aussprach; jene Bindemittel vertreten oft auch das Geschenk. Die noch

heute lebenden Reste des Brauches lehren uns, daß das Band

meist um den Arm gelegt wird; wenn die Dichter dafür mei­ stens die Hand einsehen, so tun sie es ohne Zweifel, um sich die

naheliegenden Reimmöglichkeiten, die für ein ganzes Sonett ausreichen, nicht entgehen zu lassen. Auch spielen sie gern mit der Symbolik der Blumen, der echten, mit denen die Fessel ver­

ziert war, wie der auf die Bänder gemalten; auch Kränze

werden gelegentlich erwähnt, die beim Binden den Feiernden

aufs Haupt gesetzt werden. Sehr oft tritt in den poetischen Zeugnissen der tatsächliche Brauch völlig in den Hintergrund,

und „binden" wird zum Gleichwort für „beglückwünschen" oder

„beschenken", und zwar sind es fast immer höchst abstrakte Ge­

schenke, mit denen man bindet, besonders mit dem Herzen:

„Ein Bändlein wird geknüpfft zum öfftern nur in Schertzen.

Wer besser binden will, der binde mit dem Hertzen!"

oder:

„Wir kommen, wie Du weist. Dich sämtlich anzubinden. Und binden, wie Du siehst, mit lauter Hertzen an!" oder mit Liebe, Freundschaft, Wünschen, ja mit sich selbst, und

nur selten sind es greifbare Gaben, wie etwa Gryphius eine fromme Dame mit Meyfahrts „Himmlischem Jerusalem" binden läßt:

„Weil ich den kein Geschenk, das größer sey, kan finden.

Will ich, Frau Mutter, sie mit Gott und Himmel binden. Diß Band alleine bindt und zwinget Angst und Todt", oder wie in dem oben angeführten Gedicht I. von Bessers der Große Kurfürst mit einer Erbschaft „gebunden" wurde. Die^e Verwendung von „binden" -- „beschenken" findet fich auch, doch nicht in Verbindung mit dem Geburtstag, in einer

Prosaschrift des 17. Jahrhunderts: „zwei kleine Schweindl,

warmit sie Lhne auf aller heiligen unschuldiger Kindlein Tag

(26. Dezember) banden" heißt es in Abeles „Künstlicher Unordnung" (1671 ff.).

Noch

im Jahre

1799 berichtet

Christiane an Goethe, daß sie an ihrem Geburtstage „der Gustel und die Tante jeder mit einem großen Kuchen an­

gebunden" habe.

Während so die Poeten dem „greisen Brauch" sein eigent­

liches Leben ausgeblasen haben, bleiben sie in einem Punkte meist sehr handfest auf dem Boden der Wirklichkeit. Denn wer

gebunden wurde, mußte sich „lösen", und zwar kam er nicht

mit schönen Redensarten und einem bloßen Dank davon, denn nur selten wurde ihm versichert

,/Laß Huld und Gegenhuld bei uns sich finden ein,

Jen's soll mein Angebind, dies Deine Lösung sein,

Don andrer Lösung mag ich sonst durchaus nichts wissen."

Können fich die Gratulanten im ersten Teil ihres Glück­ wunschgedichtes gar nicht genug tun an zarten Anspielungen

und Sinnbildern, so werden sie am Schluß oft sehr deutlich:

„Wie uns der Tag euch Heist binden.

So Heist er euch lösen auch. Bester Freund, den wir hier finden.

Tut, was Heist der graue Brauch,

Und gebt euren lieben Gästen Ein berühmt Gelack zum besten!"

oder: „So löse Dich denn nun mit Deiner kalten Schalen, Die wolschmeckt nach Kaneel und reich an Zucker ist"

und noch deutlicher : „Es (das Band) muß gelöset seyn! Drum, wenn es ist um viere. So schicket hin nach Biere Und laßt auch holen Wein: Um fünfe will ich kommen. Doch nur zu Deinem Frommen." Spangenberg, der groß ist in der Spezialisierung sol­ cher Lösungen", sucht den Brauch auch durch Argumente zu

rechtfertigen. „Ja, es soll ihm auch solcher maßen Niemand beschwerlich diß sein lassen. Weil es geschicht in keinem Dösen, Sondern soll sich freigebig lösen. Wie bräuchlich ist mit gutem Wein. Dasselb wird ihm dann löblich sein Bei allen denen, die ihn kennen Und ihn bei seinem Nahmen nennen. Dann was kan eim löblicher sein. Als wann er recht sein Nahmen fein Also in Ehren Helt dermaßen. Daß er sich nichts thut dauren lassen. Was man demselbigen zu Ehren An seinem Jahrstag thut verzehren. Dann so ers recht betrachtet schon. Hat er ein großen Nutz darvon. Weil ihm dargegen wird ohn schertzen Gewünschet aus Christlichem Hertzen Diel Gluck, Heil, Wohlfahrt und Gsundheit Zu seiner gantzen Lebenszeit." usw.

Das ist gewiß echt und volkstümlich, eine wahre Er­ frischung nach all dem süßlichen Getändel der poetischen Glück­

wünsche; wir erinnern uns dabei an jene deutlichen Winke, die noch heute in Zeitungsglückwünschen dem Geburtstagskind in dieser Richtung gegeben werden (vgl. oben S. 33).

Von den Bändern, die man dem Jubilar als Geschenk zu­ sandte, haben sich in Museen und in Familienbesttz noch einige

Stücke erhalten. Sie stammen wohl ausnahmslos, wie auch

das abgebildete Geburtstagsband des Germanischen Museums

(Abb. 6; ein von ungeübter Hand gesticktes Exemplar aus dem Jahre 1801 befindet sich im Berliner Dolkskundemuseum),

aus dem 19. Jahrhundert, d. h. aus einer Zeit, in der, wenigstens in bürgerlichen Kreisen, ihre eigentliche Bedeu­

tung längst vergessen war. 3n der Dichtung tritt — worauf schon Grimm in dem unten erwähnten Aufsatz hinweist —

das im 17. Jahrhundert so überaus beliebte Bindemotiv spä­

ter kaum noch auf. Ein Teburtstagsgedicht für die Mutter in Campes „Kinderbibliothek" vom Jahre 1782, dem eine von I. Fr. Reichhardt komponierte Singweise beigegeben ist, be­

ginnt noch mit den Worten: ,3K\t diesem Blumenkranz umwindet Dich treue Kindeszärtlichkeit;

Mit diesem Rosenbande bindet Dich Lieb und Ehrfurcht fester heut." Übrigens enthält diese Sammlung, wie auch die Wieder

für Kinder" von Joh. Adam Hiller, abschreckende Proben „vernünftiger" Glückwunschgedichte. Dichterische Nachklänge, doch ohne Bezeichnung auf den Geburts- oder Namenstag,

tönen noch bei Klopstock:

„3m Frühlingsschatten fand ich sie. Da band ich sie mit Rosenbändern",

Abbildung 7. Daniel Chodowiecki: Erwachen am Geburtstag

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3kK Beitem Herzen li S. 46) A. Winger, Deutsche Sitten und Gebräuche in Katzbach (Bessarabien). Der Auslanddeutsche 15 (1932), 464

Binden und würgen: (S. 50ff.): E. Hoffmann-Krayer,

Schweizer Archiv für Volkskunde 3 (1899), 139 s. P. Drechsler, Sitte, Brauch und Volksglaube in Schlesien 1 (Leipzig 1903), 217 f. Büchtold-S.täubli, HOA unter „Binden" . Grimm, Über Schenken und Geben. Kl. Schriften 2.172, rgünzungen OW 1,295.388; 2.21.34 H. Lehmann, Mitteldeutsche Dl. f. Dkde. 9(1934),69, ergänzt tMrch briefliche Mitteilung A. Wetz el. Ein Beitrag zur Feier des Namenstages im Elsaß. Jahrbuch des Gefchichtsvereins Münster 1 (1927), 13 J.Meier, Oie Ballade von der Frau von Weißenburg. Jahr­ buch für Dolksliedforschung 3(1932), 15 f. F. Boehm, Gratulationsbräuche. Volkskundliche Gaben, John Meier zum 70. Geburtstag dargebracht (Berlin und Leipzig >934)- ®. 25 f.

S

Glückrmmschgeölchtr 6eS 17. Ihts.r I. von Besser, Schriften. Leipzig 1732 P. Fleming, Zeit- und weltliche Poemata. Jena 1666 A. Gryphius, Teutsche Gedichte. Breslau und Leipzig 1698 I. Chr. Günther, Gedichte. Frankfurt und Leipzig 1724 C. Hoffmann von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen Gedichte. Leipzig 1697 3. Lundt, Allerhand artige deutsche Gedichte. Leipzig 1636 M. Opitz, Teutsche Gedichte. Frankfort 1746 W. Spangenberg, Anbind- oder Fangbriefe, hsg. von F. Behrend. Tübingen 1914 (Bibl. d. Lit. Vereins in Stuttgart, Dd. 262) A. W. Tscherning, Deutscher Gedichte Frühling. Rostock 1655

Abbildungen 1.

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

9.

10.

Herzförmig gedrucktes Geburtstagsgedicht, Joh. Christ. Münnling, Poetischer Blumen-Garten (Breslau 1717), S. 320 Desgl. S. 321 „Geburtstagsmann". Private Aufnahme Kupferstich von Chodowiecki (1796), Engelmann, Daniel Chodowiecki (Neuauög. Berlin 1926). S. 4*4» N» 777 Desgl. (1797). S. 422, Nr. 791 Desgl. (1799). S. 455, Nr. 825 Desgl. (1800). S. 479» Nr. 889 Geburtstagsband v. I. 1841. Mit Genehmigung des Ger­ manischen National-Museums in Nürnberg Frankenthaler Porzellangruppe (18. Jht.), Goldegg-Lindenburgscher Schloßbesttz, Auktionskatalog Cassterer & Helbing (Berlin 1928), Taf. V, Nr. 35 Desgl., Fr. Hofmann, Frankenthaler Porzellan (Münster 1911), Nr. 328, Taf. 102

Glückrmmschgeölchtr 6eS 17. Ihts.r I. von Besser, Schriften. Leipzig 1732 P. Fleming, Zeit- und weltliche Poemata. Jena 1666 A. Gryphius, Teutsche Gedichte. Breslau und Leipzig 1698 I. Chr. Günther, Gedichte. Frankfurt und Leipzig 1724 C. Hoffmann von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen Gedichte. Leipzig 1697 3. Lundt, Allerhand artige deutsche Gedichte. Leipzig 1636 M. Opitz, Teutsche Gedichte. Frankfort 1746 W. Spangenberg, Anbind- oder Fangbriefe, hsg. von F. Behrend. Tübingen 1914 (Bibl. d. Lit. Vereins in Stuttgart, Dd. 262) A. W. Tscherning, Deutscher Gedichte Frühling. Rostock 1655

Abbildungen 1.

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

9.

10.

Herzförmig gedrucktes Geburtstagsgedicht, Joh. Christ. Münnling, Poetischer Blumen-Garten (Breslau 1717), S. 320 Desgl. S. 321 „Geburtstagsmann". Private Aufnahme Kupferstich von Chodowiecki (1796), Engelmann, Daniel Chodowiecki (Neuauög. Berlin 1926). S. 4*4» N» 777 Desgl. (1797). S. 422, Nr. 791 Desgl. (1799). S. 455, Nr. 825 Desgl. (1800). S. 479» Nr. 889 Geburtstagsband v. I. 1841. Mit Genehmigung des Ger­ manischen National-Museums in Nürnberg Frankenthaler Porzellangruppe (18. Jht.), Goldegg-Lindenburgscher Schloßbesttz, Auktionskatalog Cassterer & Helbing (Berlin 1928), Taf. V, Nr. 35 Desgl., Fr. Hofmann, Frankenthaler Porzellan (Münster 1911), Nr. 328, Taf. 102

Hort deutscher Volkskunde Schriften des Bundes für deutsche Volkskunde

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Oktav. 54 Seiten. Mit 8 Tafeln. 1934« Geb. RM 1.20

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Walter de Gruyter^L Co / Berlin W 35 und Leipzig

Deutsches Volkstum Sm Auftrage des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde herausgegeben von John Meier

Die Reihe soll, vom lebenden Volke ausgehend, die geistigen Mächte schildern, die das gemeinsame Gesicht unseres Dolles formen, und weiter zeigen, wieviel dabei an 2lhnenerbe überkommen ist mid welche Züge die jetzigen Geschlechter geschaffen haben. Richt Selbstzweck ist es, diese Feststellungen zu machen, nicht tot bleiben sollen die Ergebnisse dieser Forschung, sondern befruchtend zu wirken ist vor allem ihre Bestimmung: sie sollen Leben zeugend dazu dienen, die auf» bauenden inneren Kräfte deutschen Wesens pflegend zu umsorgen, und uns instand setzen, die Deutschheit unseres Volkes, in Abwehr des Artfremden und Kräftigung des Eigensten, immer reiner und stärker zu entwickeln.

Bisher sind erschienen: Vierter Band

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