Fundort Wien 14/2011


110 20 15MB

German Pages [280] Year 2011

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Stadtarchäologische Forschungen in Wien
Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien. Die Grabung Wien 1, Weihburggasse
Die Keramikfunde aus dem Festungsabschnitt der Grabung Wien 1, Weihburggasse
Die Glasfunde aus dem Festungsabschnitt der Grabung Wien 1, Weihburggasse
Tierreste aus dem frühneuzeitlichen Stadtgraben im Bereich Weihburggasse, Wien 1
Der Wiener Linienwall aus historischer, topographischer und archäologischer Sicht
Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer
Vorratshaltung in Erdgruben: Von einer urnenfelderzeitlichen Speichergrube in Wien-Unterlaa zu den neuzeitlichen Getreidegruben
Zur Peripherie der römischen Zivilsiedlung von Vindobona. Vorbericht zu den Grabungen Wien 3, Aspanggründe (Rennweg 94–102/Ziakp
Siedlungschronologische Studien zu Vindobona. Die Terra-Sigillata-Funde aus dem Legionslager und der Lagervorstadt
Vorbericht zur Publikation
Tag der Stadtarchäologie“ 2010 im Wiener Rathaus
Übersichtskarte
Tagungsberichte
Rezension
Recommend Papers

Fundort Wien 14/2011

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Fundort Wien Berichte zur Archäologie 14/2011

Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Vorwort

„Habt Ihr schon Gold gefunden?“ – eine oft von Passanten gestellte Frage bei laufenden Ausgrabungen. Wertvolle und schöne Objekte lassen natürlich jedes Herz höher schlagen und sie sind auch ein eindrucksvoller Beleg dafür, welche handwerklichen Höchstleistungen bereits in „grauer Vorzeit“ möglich waren. Abseits dieser Glanzlichter kann aber auch Unscheinbares durch eine umfassende Betrachtungsweise einiges über das Leben in vergangenen Zeiten vermitteln. Mehr noch: Vergangene Kulturen werden uns vertrauter, sobald einem bewusst wird, dass manches über Jahrhunderte, wenn nicht sogar über Jahrtausende hinweg gleich geblieben ist. Ein gutes Beispiel dafür liefert eine urnenfelderzeitliche Grube in Wien, Unterlaa, die aufgrund ihrer Form als Silogrube für Getreide interpretiert werden kann. Diese Technik der Vorratshaltung wurde wohl mit der Sesshaftwerdung „erfunden“ und ist heute noch bekannt. Eine imposante Hinterlassenschaft stellen hingegen die frühneuzeitlichen Verteidigungswerke von Wien dar, von denen ein Teil bei einer baubegleitenden Untersuchung im Bereich der Weihburggasse freigelegt wurde. Jüngeren Datums ist der sogenannte Linienwall, von dem ebenfalls ein Teilstück dokumentiert werden konnte. Es ist noch nicht so lange her, dass man der Ansicht war, bauliche Zeugnisse der jüngsten Vergangenheit Wiens bedürften keiner genauen Dokumentation, da man von diesen wenig weit zurückliegenden Zeiten ohnehin alles wisse bzw. es sich um Überreste handle, die nicht schützenswert seien. Durch eine Zusammenschau aller greifbaren Quellen mit den ausgewerteten Grabungen und Funden kann jedoch ein Bild dieser Epoche gezeichnet werden, das weit über die bekannten Eckdaten hinausgeht. Der historisch gewachsene Schwerpunkt der archäologischen Erforschung Wiens ist die Römerzeit. Hierzu konnten jüngst wichtige Erkenntnisse zum Randbereich der römischen Zivilsiedlung im heutigen 3. Bezirk gewonnen werden. Zudem gelang es MitarbeiterInnen der Stadtarchäologie Wien unter äußerst schwierigen Bedingungen, ein Erdprofil im Bereich der Legionslagermauer aufzunehmen – Anlass für die Zusammenschau aller bisher bekannten Fakten zur Lagermauer von Vindobona. Eine Zusammenfassung des aktuellen Standes stadtarchäologischer Forschungstätigkeit zeigt, dass in vielen Bereichen bereits große Fortschritte gemacht wurden, gleichzeitig aber noch immer Lücken vorhanden sind. Trotz der immer vielfältiger werdenden Aufgaben der Stadtarchäologie Wien sind wir bemüht, diese zu schließen und die Forschungstätigkeit forciert voranzutreiben. Es gibt noch viel zu tun!

2 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Inhalt

Inhaltsverzeichnis Fundort Wien 14, 2011. Berichte zur Archäologie

Aufsätze

Tätigkeitsberichte

4

202 Martin Mosser/Sabine Jäger-Wersonig/

Sylvia Sakl-Oberthaler Stadtarchäologische Forschungen in Wien – Der Status quo

32

Heike Krause Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien. Die Grabung Wien 1, Weihburggasse

Kristina Adler-Wölfl Zur Peripherie der römischen Zivilsiedlung von Vindobona. Vorbericht zu den Grabungen Wien 3, Aspanggründe (Rennweg 94–102/ Ziakplatz/Aspangstraße 59–65)

218 Michaela Kronberger/Silvia Radbauer 72

Ingeborg Gaisbauer Die Keramikfunde aus dem Festungsabschnitt der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Siedlungschronologische Studien zu Vindobona. Die Terra-Sigillata-Funde aus dem Legionslager und der Lagervorstadt – Vorbericht zur Publikation

126 Kinga Tarcsay Die Glasfunde aus dem Festungsabschnitt der Grabung Wien 1, Weihburggasse

226 Wolfgang Börner/Susanne Uhlirz „Tag der Stadtarchäologie“ 2010 im Wiener Rathaus

136 Sigrid Czeika Tierreste aus dem frühneuzeitlichen Stadtgraben im Bereich Weihburggasse, Wien 1

144 Ingrid Mader Der Wiener Linienwall aus historischer, topographischer und archäologischer Sicht

164 Martin Mosser Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer – Profildokumentation auf der Parzelle Wien 1, Kramergasse 13

186 Martin Penz

Fundchronik 234 Übersichtskarte 236 Grabungsberichte 2010 266 273 275 276 277 279 279 279

Tagungsberichte Rezension MitarbeiterInnenverzeichnis Namenskürzel Abkürzungsverzeichnis Abbildungsnachweis Inserentenverzeichnis Impressum

Rheinzaberner Schüssel mit Barbotineverzierung aus dem Legionslager Vindobona, Wien Museum Inv.-Nr. MV 11.937/297. (Foto: S. Radbauer) Minengang der Stadtbefestigung von Wien (Weihburggasse). (Foto: H. Krause) Linie bei St. Marx, Landstraße, Aquarell Emil Hütter 1860. (Wien Museum, Inv.-Nr. 66. 821)

Vorratshaltung in Erdgruben: Von einer urnenfelderzeitlichen Speichergrube in Wien-Unterlaa zu den neuzeitlichen Getreidegruben in Mitteleuropa

Kurzzitat: FWien 14, 2011

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Fundort Wien : Berichte zur Archäologie / hrsg. von Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie Erscheint jährlich – Aufnahme nach 1 (1998) kart.: EUR 34,– (Einzelbd.) 1 (1998) –

3 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Stadtarchäologische Forschungen in Wien – Der Status quo Sylvia Sakl-Oberthaler Ziel der hier vorgestellten „Zwischenbilanz“ ist es, den aktuellen Stand stadtarchäologischer Forschungstätigkeit in Wien zusammenfassend darzustellen. 1 1 Das Thema wurde von der Verfasserin erstmals im Rahmen der von der Stadtarchäologie Wien veranstalteten “15th International Conference on Cultural Heritage and New Technologies” im November 2010 im Wiener Rathaus präsentiert. 2 Zur genauen Aufgabenstellung, Organisation und Baustellenmanagement der Stadtarchäologie siehe K. Fischer Ausserer, Stadtarchäologie Wien – Aufgaben und Management. Vindobona–Aquincum. Probleme und Lösungen in der Stadtarchäologie. Aquincum Nostrum II 5 (Budapest 2009) 9–14; Ch. Öllerer/ S. Sakl-Oberthaler, Archäologisches Baustellenmanagement – Planung und Durchführung, ebd. 89–96; K. Fischer Ausserer/Ch. Öllerer, Die rechtliche und organisatorische Situation der Stadtarchäologie Wien. Vindobona–Aquincum. Herausforderungen und Ergebnisse in der Stadtarchäologie. Aquincum Nostrum II 6 (Budapest 2010) 11–13. 3 Zur Geschichte der Stadtarchäologie Wien als Institution: M. Schulz, Eine kurze Geschichte der Stadtarchäologie Wien. FWien 7, 2004, 4–12; C. Litschauer/M. Schulz, Der Umgang mit archäologischen (Be)funden – Ein historischer Abriss am Beispiel Wien. In: Vindobona–Aquincum 2009 (Anm. 2) 23–27. 4 Eine thematische Zusammenstellung aller zwischen 1998 und 2007 in den Jahresberichten der Stadtarchäologie Wien erschienenen Aufsätze findet sich in FWien 10, 2007, 198– 205. Über den Kulturgüterkataster (www.kulturgut.wien.at; siehe auch Anm. 15) ist die Literatur zu den jeweiligen Fundpunkten abrufbar. 5 H. Mitscha-Märheim, Eduard Beninger. ArchA 35, 1964, 111–116; siehe auch O. H. Urban, „Er war der Mann zwischen den Fronten“. Oswald Menghin und das Urgeschichtliche Institut der Universität Wien während der Nazizeit. ArchA 80, 1996, 1–3. 6 M. Much, Die Urzeit. In: Geschichte der Stadt Wien 1 (Wien 1897) 27–36. Zur Person Matthäus Much: O. H. Urban, „… und der deutschnationale Antisemit Dr. Matthäus Much“ – der Nestor der Urgeschichte Österreichs? ArchA 86, 2002, 9–23. 7 Zur Person Oswald Menghin siehe: Urban (Anm. 5) 3–24.

Dies betrifft alle historischen Epochen, wie nach heutigem Selbstverständnis auch der Aufgabenbereich einer Stadtarchäologie definiert ist. 2 Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Forschungen der Stadtarchäologie Wien. 3 Selbstverständlich werden, wo dies nötig ist, auch die Aktivitäten anderer in der Stadt tätiger Institutionen miteinbezogen. Die Literaturzusammenstellung zu den einzelnen Kapiteln erfolgte mit der Intention, einen möglichst guten Überblick zu schaffen, ohne jedoch Vollständigkeit anzustreben. 4 Der Wiener Raum in ur- und frühgeschichtlicher Zeit Der Forschungsansatz für diese Kulturperiode hat naturgemäß mit „Stadtgeschichte“ noch nichts zu tun. Vielmehr geht es um die Nutzung des ursprünglichen Siedlungsraumes und seine kulturhistorische Entwicklung. Begriffe wie Siedlungsarchäologie, Spannungsfeld Naturraum/Siedlungsplatz sind hier relevant. Forschungsgeschichte Maßgebliche Institutionen für die Etablierung der prähistorischen Forschung in Wien waren das Institut für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien sowie die Prähistorische Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien, letztere vor allem unter der Leitung von Eduard Beninger (1897–1963). 5 Der Fokus der Forschungen war jedoch von vornherein nicht auf Wien, sondern großräumiger, gesamtösterreichisch ausgerichtet. Es gab auch keine gezielten Forschungsvorhaben, die spezifisch den Wiener Raum ins Auge gefasst hätten. Die Quellenlage in Wien war und ist auch deshalb stark von Zufällen bestimmt und die Vorlage vieler Wiener Funde ist in überregionale Werke miteingeflossen. Vereinzelt wurde aber auch die Gelegenheit zu Sammelarbeiten genutzt. Bereits 1897 erschien eine erste zusammenfassende Darstellung von Matthäus Much (1832–1909) als Beitrag über die Urzeit im ersten Band der „Geschichte der Stadt Wien“. 6 Unter Oswald Menghin (1888–1973), dem Nachfolger des ersten Ordinarius für Urgeschichte an der Universität Wien, erreichte die prähistorische Forschung einen – auch international beachtlichen – Höchststand. 7 Die von Menghin begründete und redigierte „Wiener Prähistorische Zeitschrift“ (WPZ) etablierte sich als Publikationsplattform auch für zahlreiche Wiener Bodenfunde. Einige der Schüler Oswald Menghins traten später in den Dienst der Stadt Wien, nämlich als Mitarbeiter des „Museum Vindobonense“ (zum Museum und seiner Geschichte siehe unten Forschungsgeschichte Römerzeit). So

4 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Aufsätze

Abb. 1: Vitrine zur Urgeschichte im Wien Museum am Karlsplatz. (Foto: Wien Museum/P. Kainz)

war Viktor Wanschura seit 1924 als städtischer Fachbeamter tätig. Er verfasste mit Menghin eine „Urgeschichte Wiens“ mit der ersten Kartierung. 8 Hand in Hand damit richtete er auch eine eigene urgeschichtliche Sammlung im 1924 in erweiterter Form neu eröffneten „Römischen Museum der Stadt Wien“ ein. Noch zwei weitere Schüler Menghins, nämlich Richard Pittioni (1906–1985), der spätere (ab 1946) langjährige Vorstand des Instituts für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien, und Otto Seewald (1898–1968), waren als Fachkräfte des „Römischen Museums“ tätig. Letzterer trug durch zahlreiche Rettungsgrabungen maßgeblich zur Erweiterung der prähistorischen Abteilung bei und richtete überdies eine frühgeschichtliche – überwiegend die Völkerwanderungszeit betreffende – Sammlung ein. 9 Neue Forschungsimpulse entstanden in der Zwischenkriegszeit durch die Entstehung von Stadtrandsiedlungen und die Errichtung umfangreicher Ziegelbrennöfen im 21. und 22. Bezirk. Neben Fundbergungen durch das Römische Museum und das Naturhistorische Museum waren auch zahlreiche Heimatforscher wie z. B. Josef Fritz Kastner (1888–1968) und Karl Moßler (1891–1988)10 tätig. Sie waren in erster Linie Sammler, führten aber auch Ausgrabungen durch. So dokumentierte der Hauptschullehrer Kastner in der Umgebung des Asperner Flugfeldes über 90 prähistorische Fundstellen. 11 Seine Sammlertätigkeit konzentrierte sich auf das Wiener Stadtgebiet. Die von ihm angelegten Sammlungen gelangten nach seinem Tod größtenteils in den Besitz des Nie-

8 O. Menghin/V. Wanschura, Urgeschichte Wiens (Wien 1924). 9 Eine detaillierte Schilderung der Sammlungsgeschichte gibt A. Neumann, Fünfzig Jahre Römisches Museum der Stadt Wien. Amtsbl. Stadt Wien, Jg. 58, 3. Juni 1953, 1– 4 bes. 2 f. 10 Siehe: In Memoriam Karl Moßler 1891– 1988. ArchA 72, 1988, III. 11 J. F. Kastner, Prähistorische Fundstellen in Aspern, Wien XXI. WPZ 5, 1918, 48–50; ders., Die Urgeschichte des XXI. Wiener Gemeindebezirkes (Diss. Univ. Wien 1930); J. F. Kastner/H. Mitscha-Märheim, Germanische Siedlungsreste in Aspern, Wien. WPZ 19, 1932, 194–214; J. F. Kastner, Funde der Vucedol (Laibacher)-Kultur und der Glockenbecherkultur von Aspern (Wien, 22. Bez.). WPZ 26, 1939, 118–134.

5 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

derösterreichischen Landesmuseums. Ein kleiner Teil war 1924 vom neu eröffneten Römischen Museum angekauft worden. 12 Mit Ende des Zweiten Weltkrieges kam es zu einer Stagnation der urgeschichtlichen Forschungstätigkeit am Römischen Museum der Stadt Wien. Otto Seewald war, da politisch belastet, fristlos entlassen worden. Seine Stelle wurde nicht nachbesetzt. Der seit dem Jahr 1911 tätige Erich Polaschek wurde pensioniert und Alfred Neumann war nun als sein Nachfolger gemeinsam mit Viktor Wanschura für die Sammlung verantwortlich. Diese wurde nach 1945 in das Historische Museum der Stadt Wien (ab 2004 Wien Museum) eingegliedert und befindet sich seither dort. Eine Auswahl an urgeschichtlichen Objekten wird heute in einer geräumigen Vitrine im Erdgeschoß des Wien Museums am Karlsplatz als Teil der ständigen Schausammlung präsentiert, während sich der Großteil der Sammlung in den Depots des Museums befindet (Abb. 1). Als wichtige Forschungsschritte der Nachkriegszeit sind Abb. 2: Frühbronzezeitliche Hockerbestattung der Grabung Wien 3, Rennweg 16. (Foto: M. Mosser)

vor allem drei Publikationen Alfred Neumanns zu nennen, der als erster Stadtarchäologe Wiens nach dem Zweiten

Weltkrieg zwar mit äußerst widrigen Bedingungen zu kämpfen hatte, aber dennoch bemüht war, den aktuellen Forschungsstand zusammenzufassen: einerseits seine Kartierung mit Fundortverzeichnis im „Atlas von Niederösterreich“ sowie sein Aufsatz „Der Raum von Wien in ur- und frühgeschichtlicher Zeit“ und andererseits das gemeinsam mit Leonhard Franz herausgegebene Fundstättenlexikon. 13 Die jüngere Entwicklung Ab 1974 führte Ortolf Harl, als Nachfolger Neumanns, wieder in zunehmendem Maße Grabungen und Fundbergungen ur- und frühgeschichtlicher Zeitstellung im Wiener Stadtgebiet durch. Zu nennen sind hier vor allem die Ausgrabungen am Asperner Flugfeld im Vorfeld der Errichtung des General-Motors-Werkes 12 Zu Leben und Werk Kastners siehe H. Mitscha-Märheim, Josef Fritz Kastner. MUAG 19, 1968, 81–84. Zu Verbleib und Aufarbeitung der Sammlungen von Kastner und von Moßler siehe Ch. Ranseder, Eine Siedlung der Hallstattkultur in Wien 10, Oberlaa. MSW 2 (Wien 2006) 227 Anm. 62. 13 Atlas von Niederösterreich. 7. Lfg. (Wien 1958) Nr. 8; A. Neumann, Der Raum von Wien in ur- und frühgeschichtlicher Zeit (Wien 1961); L. Franz/A. R. Neumann (Hrsg.), Lexikon urund frühgeschichtlicher Fundstätten Österreichs (Wien, Bonn 1965). 14 Zu früheren Befunden siehe auch V. Wanschura, Gräber der älteren Urnenfelderzeit aus Wien XI, Mühlsangergasse. MAG 72, 1942, 291–297.

1979/1980 sowie 1987 bis 1989 die Ausgrabungen am Ufer des Liesingbaches in Wien 23, Sulzengasse mit prähistorischen Siedlungsspuren und Gräbern. Bereits 1977/1978 war ein bedeutendes awarisches Gräberfeld in Wien-Simmering (Csokorgasse/Mühlsangergasse) ausgegraben worden, unter dem auch verschiedene urgeschichtliche Siedlungshorizonte angeschnitten wurden. 14 Die Auswertung der Grabungsergebnisse erfolgte zu dieser Zeit auf sehr unterschiedlichem Niveau. In den letzten fünfzehn Jahren wurden vor allem Anstrengungen unternommen, die zusammenfassende Betrachtung der Urgeschichte im Wiener Raum zu aktualisieren und möglichst komplette Kartierungen der urgeschichtlichen Fundstellen vorzunehmen. Außerdem sind in den letzten Jahren Monographien zu verschiedenen Ausgrabungen, so über die Grabungen der Universität Wien am Leopoldsberg und zu jenen der Stadtarchäologie Wien 1994 in Oberlaa –

6 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Aufsätze

Abb. 3: Überblick über eine Grabungsfläche am ehemaligen Asperner Flugfeld (Wien 22) mit urgeschichtlichen Befunden. (Foto: M. Penz)

jeweils mit Kartierungen und Fundstellenlisten – sowie zusammenfassende Betrachtungen zu einzelnen Siedlungsräumen, wie in Wien 3-Landstraße entlang dem Rennweg und im Liesingtal, erschienen. Auch in jüngster Zeit ergaben sich wiederholt Nachweise prähistorischer Siedlungsaktivität im Bereich des 3. Bezirks, wie etwa 2005 durch die Ausgrabung auf dem Gelände der ehemaligen Staatsdruckerei am Rennweg 16, bei der eine endneolithische Grube und acht frühbronzezeitliche Hockerbestattungen freigelegt wurden (Abb. 2). In den Jahren 2004 und 2005 wurden im Auftrag des Bundesdenkmalamtes einige Ausgrabungen im Bereich des Liesingtales durchgeführt, bei denen Siedlungs- und Gräberbefunde von der späten Bronzezeit bis in das frühe Mittelalter dokumentiert wurden. Interessante Erkenntnisse ergeben sich durch derzeit noch laufende oder unlängst abgeschlossene Projekte der Stadtarchäologie Wien. Hier sind an erster Stelle die Rettungsgrabungen der Jahre 2009 und 2010 im Bereich des ehemaligen Asperner Flugfeldes zu nennen, das in den nächsten Jahren im Rahmen des Stadterweiterungsprojektes „Seestadt Aspern“ verbaut werden soll. Sowohl 2009 als auch 2010 wurden im südwestlichen Viertel des Flugfeldes Siedlungsreste aus der späten Jungsteinzeit (klassische Badener Kultur) sowie aus der späten Bronzezeit (frühere/ältere Urnenfelderkultur) dokumentiert, wie dies schon bei den Ausgrabungen 1979/1980 der Fall gewesen war (Abb. 3; siehe Beitrag M. Penz, 250 ff.). Eine 2010 durchgeführte flächendeckende archäologische Sondierung der weiter östlich das Flugfeld von Norden nach Süden durchquerenden Trasse für die U2-Verlängerung ins Asperner Flugfeld erbrachte dagegen keinerlei prähistorische Befunde (siehe Beitrag S. Sakl-Oberthaler, 258 ff.).

7 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Publikationen zur Ur- und Frühgeschichte Wiens (Auswahl) Urgeschichte Überblick Ch. Ranseder, Die Urgeschichte. In: P. Csendes/F. Opll (Hrsg.), Wien. Geschichte einer Stadt 1: Von den Anfängen bis zur Ersten Wiener Türkenbelagerung [1529] (Wien, Köln, Weimar 2001) 18–25; V. Lindinger/E. Pichler, Scientific Excursion. Enter the Past – The E-way into the Four Dimensions of Cultural Heritage, CAA (Computer Applications and Quantitative Methods in Archaeology) 2003 (unpubl. Wien 2003); RGA2 34 (Berlin, New York 2007) 20 f. s. v. Wien § 1. Urgeschichte (M. Penz). Asperner Flugfeld, Grabungen 1979/80: Urnenfelderzeit O. Harl/Ch. Spiegel, Wien 22 – Aspern. FÖ 19, 1980, 432 f.; O. Harl/Ch. Spiegel/R. Waissenberger in: Aspern – von der Steinzeit zum Motorenwerk. 70. Sonderausst. HMW (Wien 1980); Ch. Spiegel, Siedlungsfunde der frühen Urnenfelderzeit aus Wien XXII – Aspern (unpubl. Diss. Univ. Innsbruck 1985). Csokorgasse, Grabungen 1977/78 und 1997: Urnenfelderzeit, Awaren L. Streinz, Wien 11 – Csokorgasse. FÖ 16, 1977, 475–531; ders., Wien 11 – Csokorgasse. FÖ 17, 1978, 393; E. H. Huber, Neu entdeckte Awarengräber in Wien, Simmering. FWien 1, 1998, 117–143; N. Piperakis, Wien 11, Csokorgasse/Etrichstraße. FWien 1, 1998, 163–165. Sulzengasse, Grabungen 1987–1989: mittlere Bronzezeit, Urnenfelderzeit B. Hahnel, Wien 23 – Sulzengasse. FÖ 28, 1989, 256–258; ders., Funde der mittleren Bronzezeit, der älteren Urnenfelderzeit sowie der Spätlatèneund Römerzeit in Wien 23, Sulzengasse. ArchA 78, 1994, 29–56; S. Kirchengast, Skelettreste der mittleren Bronzezeit, der älteren Urnenfelderzeit sowie der Römerzeit in Wien 23, Sulzengasse. ArchA 78, 1994, 57–64. Aufarbeitung latènezeitlicher Grabfunde, 21./22. Bezirk V. Holzer, Die latènezeitlichen Siedlungs- und Gräberfunde aus Wien XXI und XXII [Leopoldau und Aspern] (unpubl. Diss. Univ. Wien 1989). Leopoldsberg, Grabungen 1991–1997: Hallstatt- und Latènezeit O. H. Urban, Wien 19 – Leopoldsberg. FWien 1, 1998, 166; ders., Der Leopoldsberg. Archäologische Forschungen auf dem Wiener Hausberg. WAS 2 (Wien 1999) [mit Fundstellenliste von A. Prillinger, Die hallstatt- und latènezeitlichen Fundstellen im Großraum Wien, 251–255]; A. Preinfalk, Das hallstatt- und frühlatènezeitliche Kleinfundmaterial von Wien-Leopoldsberg, Südterrasse (Grabung 1993–1996), mit einem Beitrag zum Stand der Hallstattforschung in Ostösterreich. ArchA 87, 2003, 49–145. Oberlaa, Grabungen 1994: Hallstattzeit Ch. Ranseder, Eine Siedlung der Hallstattkultur in Wien 10, Oberlaa. MSW 2 (Wien 2006) [mit Fundstellen im Stadtgebiet und in den angrenzenden Bundesländern 227–232, Karte Abb. 27 und Fundstellenliste 365–431]. Siedlungsraum Wien 3-Landstraße: Endneolithikum, Frühbronzezeit, Latènezeit, Awaren E. H. Huber, Die awarischen Gräber vom Aspangbahnhof im 3. Wiener Gemeindebezirk. FWien 3, 2000, 4–16; J. Ehrenhöfer/E. Pichler, Spätlatènezeitliche und römische Befunde aus Wien 3, Rudolfstiftung. FWien 4, 2001, 280–293; P. Donat/E. Pichler/H. Sedlmayer, Aspekte spätkeltischer und frührömischer Siedlungsentwicklung in Wien-Landstraße. FWien 5, 2002, 76–100; E. H. Huber, Ungargasse 66. FWien 5, 2002, 286–288; E. Pichler, Ein spätlatènezeitlicher Grubenhausbefund aus Wien 3, Rudolfstiftung. FWien 9, 2006, 4–44; M. Mosser, Wien 3, Rennweg 16. FWien 9, 2006, 282 f.; M. Penz, Eine Siedlungsgrube der späten Glockenbecherkultur aus Wien 3, Rennweg 16 (Vorbericht). FWien 13, 2010, 20–31; S. Czeika, Pferde aus der Jungsteinzeit. Endneolithische Tierreste vom Rennweg 16, Wien 3. FWien 13, 2010, 32–49. Siedlungsräume Liesingtal (Wien 10 und 23) und Aspern (Wien 22): Ur- und Frühgeschichte V. Lindinger/E. Pichler, Beitrag zur Erforschung eines urgeschichtlichen Siedlungsraumes im unteren Liesingtal. FWien 5, 2002, 30–47; B. Samonig, Urgeschichtliche Funde aus Wien 10 – Unterlaa, ebd. 48–74; E. H. Huber, Wien 23, Großmarktstraße – „Islamischer Friedhof“. FWien 7, 2004, 248 f.; U. Scholz, Wien 10 – Oberlaaer Straße 160–166. FÖ 43, 2004, 848 f.; dies., Wien 10 – Oberlaaer Straße. FÖ 43, 2004, 881–883; E. H. Huber/K. Traunmüller/V. Haunschmid, Wien 10 – Unterlaaer Straße. FÖ 44, 2005, 497 f.; V. Lindinger, Urnenfelderzeitliche Siedlungen in Wien. Untersuchungen zum Siedlungswesen der älteren Urnenfelderzeit in Ostösterreich (Saarbrücken 2008); M. Penz, Wien 22, Aspern – ehemaliges Flugfeld. FWien 13, 2010, 224–226.

15 Die Fundortdatenbank enthält die Daten aller bekannten Grabungen und Funde, die mit einem Grabungscode als oberstes Ordnungskriterium eingegeben werden. Sie ist ihrerseits verknüpft mit einem Kartenwerk, dem archäologischen Kataster (ArchKAT) auf der Basis der digitalen Mehrzweckkarte (MZK) der Stadt Wien. Beide Komponenten sind Teil eines magistratsinternen geographischen Informationssytems, des ViennaGIS. Teile der Fundortdaten sind auch via Internet über das Internetportal www.kulturgut.wien.at allgemein zugänglich. Zusammenfassend zum Doku-

Der Status quo Wie lässt sich nun der derzeitige Stand der Forschung für Wien in ur- und frühgeschichtlicher Zeit zusammenfassen? Einerseits liegen mittlerweile immer zahlreichere Ausgrabungsergebnisse und Überblickspublikationen mit Kartierungen für immer mehr Besiedelungszonen der verschiedenen Perioden vor. Von einer vollständigen Aufnahme aller bekannten ur- und frühgeschichtlichen Fundstellen des Wiener Raumes in die Fundortdatenbank und ihrer Verortung im Archäologischen Kataster der Stadtarchäologie15 ist man zurzeit jedoch noch weit entfernt. Vor allem die Sichtung und Bewertung der Altfunde und Befunde wurde bis jetzt nur zu kleinen Teilen durchgeführt. Sie wird auch durch

8 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Aufsätze

die Tatsache erschwert, dass das Fundmaterial auf zahlreiche Institutionen, Museen und Privatsammlungen verteilt oder überhaupt verschollen ist. Bei den Neufunden kann hier – wie andernorts auch – die wissenschaftliche Aufarbeitung mit dem Zuwachs an neuen Wiener Fundstellen nicht Schritt halten Vindobona – Der Wiener Raum in römischer Zeit Bedeutsam für die Entwicklung der Forschung ist die Tatsache, dass noch im Wien der Babenbergerzeit (976–1246) die Reste der antiken Siedlung, speziell diejenigen der römischen Befestigung in Gestalt des Legionslagers, vorhanden und gut sichtbar waren. Eine erste Auseinandersetzung mit der römischen Vergangenheit der Stadt ergab sich durch die Sammelleidenschaft einzelner hochgestellter Persönlichkeiten wie des Festungsbaumeisters Hermes Schallautzer (1503–1561) und seines Neffen Wolfgang Lazius (1514–1565), der sowohl Leibarzt Kaiser Ferdinands I. von Habsburg als auch Historiker war. Beide legten Lapidarien mit römischen Skulpturen und Inschriftensteinen an, die bei Reparaturarbeiten an der Stadtmauer nach der Ersten Türkenbelagerung 1529 zum Vorschein gekommen waren. Beginn der Forschung – Institutionen Am Ende des 18. Jahrhunderts lieferten „Großbaustellen“ wie die des Wiener Neustädter Kanals Funde und damit Hinweise auf die Existenz der römischen Zivilstadt im heutigen 3. Wiener Gemeindebezirk. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurden erste Institutionen zur Unterstützung von Forschung und Denkmalpflege gegründet. Diese Entwicklung gipfelte 1901 in der Schaffung des „Gemeinderatsausschusses zur Förderung der archäologischen Erforschung Wiens“. Dieser Schritt kann als politische Institutionalisierung der Archäologie in Wien gewertet werden. Der Gemeinderatsausschuss bestand bis 1914 und erwies sich als äußerst nützlich, nicht zuletzt deshalb, weil sich über ihn für die archäologischen Forschungen notwendige Geldmittel verhältnismäßig leicht auftreiben ließen. 16 Hier waren Persönlichkeiten wie der Althistoriker Wilhelm Kubitschek (1858–1936) und der aus Litauen stammende Josef Hilarius Nowalski de Lilia (1857–1928) tätig. Letzterer war als Inspektor für die archäologische Überwachung der Baustellen zuständig. Und die in Form von Zeichnungen und handschriftlichen Aufzeichnungen erhaltene Dokumentation Nowalski de Lilias ist noch heute eine wichtige Grundlage bei der Bestimmung von archäologischen Hoffnungsgebieten beispielsweise für die Stellungnahmen der Stadtarchäologie. 17 Als einer der Begründer der Wien-Forschung muss Friedrich von Kenner (1834–1922) bezeichnet werden. 18 Er war seit 1856 in mannigfachen Funktionen in Wien tätig und ihm gelang, gemeinsam mit Wilhelm Kubitschek, die heute noch gültige Lokalisierung des Legionslagers Vindobona. Bereits 1901 waren auf Antrag des Gemeinderatsausschusses Räume in der Mädchenschule in Wien 4, Rainergasse zur Aufbewahrung der Funde zur Verfügung gestellt worden. 1903 wurde dort das „Museum Vindobonense“ eröffnet. Dieses wurde nicht nur als Museum, sondern auch als Institution gegründet, die sich vor allem der Bergung und Rettung

mentationssystem der Stadtarchäologie: S. Sakl-Oberthaler, Von der Ausgrabung ins Internet. Grabungsdokumentation und Auswertung – das System der Stadtarchäologie Wien. In: Vindobona–Aquincum 2010 (Anm. 2) 37–44. 16 Ausführlich dazu z. B. Neumann (Anm. 9) 2; siehe auch O. Harl, Das ehemalige Römische Museum der Stadt Wien. In: Hundert Jahre Historisches Museum der Stadt Wien. 106. Sonderausst. HMW (Wien 1987) 53 f. 17 U. Stipanits, Über 100 Jahre handschriftliche Fundmeldungen und ihre EDV-gestützte Erfassung. FWien 1, 1998, 67–72. 18 Zur Person Friedrich von Kenners zuletzt ausführlich: M. Kronberger, Siedlungschronologische Forschungen zu den canabae legionis von Vindobona. Die Gräberfelder. MSW 1 (Wien 2005) 14–19.

9 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Abb. 4: Schauraum des neuen Römermuseums am Hohen Markt (Wien 1). (Foto: Wien Museum/P. Kainz)

von Bodenfunden widmen sollte. 19 1924 wurde die römische Sammlung von Erich Polaschek (1885–1974) neu, nämlich nach topographischen Gesichts19 Dazu Neumann (Anm. 9) 1–4 bes. 1; siehe auch Harl (Anm. 16) 54. Zuletzt M. Kronberger, Seit über 150 Jahren angewachsen – Inventarisierung und Verwahrung der archäologischen Sammlung des Wien Museums. In: Aquincum–Vindobona 2010 (Anm. 2) 15–23. 20 Das Historische Museum der Stadt Wien war 1887 gegründet worden und befand sich ursprünglich im Neuen Rathaus. Siehe Hundert Jahre Historisches Museum der Stadt Wien. 106. Sonderausst. HMW (Wien 1987). 21 W. Kos in: M. Kronberger (Hrsg.), Vindobona. Das römische Wien. Kurzführer Römermuseum (Wien 2009) 8 f. 22 M. Kronberger, Ein Römermuseum für Wien. In: Vindobona–Aquincum 2009 (Anm. 2) 115–122. 23 Zuletzt M. Mosser, Geschichte der archäologischen Forschungen im Legionslager Vindobona. In: M. Mosser et al., Die römischen Kasernen im Legionslager Vindobona. Die Ausgrabungen am Judenplatz in Wien in den Jahren 1995–1998. MSW 5/I (Wien 2010) 21–27 mit umfassenden weiterführenden Literaturverweisen; Kronberger (Anm. 18) 13–20; dies., Die durchwühlte Schuttdecke – Die Erforschung des römischen Vindobona in Zeiten des städtischen Umbruchs. In: W. Kos/Ch. Rapp, Alt-Wien – Die Stadt, die niemals war. 316. Sonderausst. Wien Museum (Wien 2004) 86–92. 24 Eine ausführliche Monographie (MSW) zu den Ausgrabungen ist in Vorbereitung. 25 Neben den detaillierten Befund- und Fundauswertungen ist auch ein populär aufbereiteter Überblick zur Geschichte des Michaelerplatzes erschienen: Ch. Ranseder/S. SaklOberthaler/S. Czeika/C. Litschauer/A. Kaltenberger/K. Tarcsay/R. Chinelli/I. Pavic´/U. Eisenmenger/H. Krause, Michaelerplatz. Die archäologischen Ausgrabungen. WA 12 (Wien 2011).

punkten, geordnet und nunmehr das gesamte Gebäude als „Römisches Museum der Stadt Wien“ wieder eröffnet. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der durch einen Bombentreffer stark dezimierte Bestand als „Ur- und Frühgeschichtliche Sammlung“ dem „Historischen Museum der Stadt Wien“ zugeführt, trotz der Bemühungen Alfred Neumanns (1905–1988), dem Nachfolger Polascheks, einen Neubau als Ausstellungsraum für die Sammlung durchzusetzen. Das Historische Museum der Stadt Wien20 befindet sich seit 1959 in einem Neubau neben der Karlskirche und wurde 2004 in „Wien Museum“ umbenannt. 1949/50 war zusätzlich ein Schauraum am Hohen Markt eingerichtet worden, in dem die konservierten Reste der 1948/49 und 1959/ 61 ausgegrabenen Tribunenhäuser bis heute präsentiert werden. 2007 mietete das „Wien Museum“ das Erdgeschoß sowie ein weiteres Stockwerk des Gebäudes über dem unterirdischen Schauraum an und ließ die Räume unter der Bezeichnung „Römermuseum“ als Dauerausstellung in Form eines „modernen Kleinmuseums“21 komplett neu ausbauen. Das „Römermuseum“ am Hohen Markt wurde im Mai 2008 eröffnet. Dort wird nun die römische Sammlung in zeitgemäßem Rahmen mit viel aktueller Zusatzinformation und überdies kindergerecht präsentiert (Abb. 4). 22 Die Forschungen der letzten Jahre Da die Erforschung der römischen Vergangenheit Wiens lange der primäre Forschungsansatz der städtischen Institutionen war, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits ein relativ fortgeschrittener Wissensstand festzustellen. Die Forschungsgeschichte der letzten hundertdreißig Jahre ist an anderer Stelle mehrfach nachzulesen. 23 Es sollen hier also nur die Entwicklungsschritte der letzten Jahrzehnte dargestellt werden. Die Ära Ortolf Harl brachte eine lebhafte Grabungstätigkeit mit großflächigen Ausgrabungen an mehreren zentralen Stellen mit sich. Zu nennen sind hier die Ausgrabungen 1989/1990 am Rennweg 44 in der römischen Zivilstadt. 24 Dazu kamen mehrere Untersuchungen im Bereich der canabae legionis, nämlich die Grabungskampagnen 1987 und 1991–1994 auf der Freyung bzw. im Palais Harrach, 1990/1991 zwei Kampagnen am Michaelerplatz25 sowie

10 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Aufsätze

1992 in der Renngasse und 1995/1996 im Palais Porcia in der Herrengasse. Auch die Ausgrabungen im Bereich des Legionslagers mit der Aufdeckung der Kasernen der Ersten Kohorte am Wildpretmarkt 1982–1983 und zuletzt jener der Kasernen unmittelbar westlich des Prätoriums am Judenplatz zwischen 1995 und 199826 sind hier zu nennen. Außerdem konnten schon früher Ziegelbrennöfen im 17. Bezirk, die das Lager mit Baumaterial versorgten, aufgedeckt werden. 27 Der Aufarbeitungsstatus der einzelnen Grabungen ist bis dato unterschiedlich. Als bedeutender Schritt ist die Aufnahme aller Befunde inklusive deren digitaler Verortung innerhalb des Legionslagers zu bezeichnen, die gleichzeitig mit den Ausgrabungen am Judenplatz begonnen wurde und seither stetig fortgeführt wird. Parallel dazu wurde die Artikelserie „Befunde im Legionslager Vindobona“ im Jahresbericht der Stadtarchäologie Wien begonnen, die eine vollständige Vorlage der Legionslagerbefunde zum Ziel hat. Dafür werden die Alt(be)funde in Kombination mit den neuen und neuesten Grabungsergebnissen neu bewertet. Etwa zeitgleich wurden auch die Daten zu den römischen Befunden aus den canabae legionis und der Zivilstadt in die Fundortdatenbank der Stadtarchäologie aufgenommen. 28 Der Status quo der Römerforschung Nicht jeder Bereich der römischen Besiedelung (Legionslager – canabae legionis – Zivilsiedlung – Territorium) konnte bisher gleich ausführlich erforscht werden. 29 Die folgende Gegenüberstellung fasst den gegenwärtigen Stand nochmals kurz zusammen (Abb. 5). Das Legionslager Vindobona Am weitesten fortgeschritten innerhalb der Erforschung des römischen Wien ist die Rekonstruktion des Legionslagers. Hier haben die Ausgrabungen zwischen 2007 und 2009 am Vorplatz und im Innenhof der Wiener Zentralfeuerwehrwache (Wien 1, Am Hof) die neuesten Erkenntnisse gebracht. Dort wurden (unter der neuzeitlichen und mittelalterlichen Bebauung) vallum, intervallum, fabrica und Teile von Kasernenbauten der westlichen retentura des Lagers freigelegt (Abb. 6). 30 Bei Aushubarbeiten im Jahr 2011 für einen Neubau in Wien 1, Kramergasse 13 konnte im Profil mit großer Wahrscheinlichkeit der Ausriss der Legionslagermauer dokumentiert werden (siehe Beitrag M. Mosser, 164 ff.). Die Lagervorstadt (canabae legionis) Von den unter Militärverwaltung stehenden canabae legionis sind Lage und ungefähre Ausdehnung bekannt, wobei die nachantike Überbauung beispielsweise im Bereich der Renaissancebefestigung den Erkenntnissen gewisse Grenzen setzt. Ebenso ist bekannt, dass große Teile der Lagervorstadt in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts aufgelassen und in Gräberfelder umgewandelt wurden. Vor allem die Gräberfelder als spätester antiker Nutzungshorizont sind bereits seit dem 19. Jahrhundert gut dokumentiert, während darunter liegende Siedlungsreste oft übersehen wurden. Die siedlungschronologische Er-

26 Zusammenfassend siehe M. Mosser, Judenplatz. Die Kasernen des römischen Legionslagers. WA 5 (Wien 2008). 27 O. Harl, Wien 17 – Steinergasse. FÖ 15, 1976, 294 f.; L. Streinz, Wien 17 – Steinergasse. FÖ 17, 1978, 381; Ch. Gugl/M. Mosser/R. Sauer, Untersuchungen an gestempelten römischen Ziegeln aus dem Raum Carnuntum und Vindobona. FWien 6, 2003, 228–237. 28 Zur Fundortdatenbank siehe Anm. 15. 29 Zusammenfassend: RGA2 34 (Berlin, New York 2007) 22–30 s. v. Wien § 2. Römerzeit (Ch. Öllerer/M. Mosser/M. Kronberger/S. Sakl-Oberthaler/M. Müller/K. Adler-Wölfl). 30 Die detaillierte Vorlage der fabrica-Befunde des Legionslagers ist in Form einer Diplomarbeit an der Universität Wien (Markus Jandl) in Arbeit.

11 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Abb. 5: Die römerzeitlichen Siedlungsbereiche auf heutigem Wiener Stadtgebiet. (Plan: M. Mosser)

12 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Aufsätze

forschung der canabae legionis wurde mit einer Monographie über die Gräberfelder begonnen. Ein derzeit laufendes Projekt zielt darauf ab, anhand der Provenienzen der Terra-Sigillata-Funde aus der Wiener Innenstadt einen Beitrag zur Erforschung der Siedlungschronologie der canabae-Verbauung zu leisten (siehe Beitrag M. Kronberger/ S. Radbauer, 218 ff.). 31 In den Jahren 2004/2005 führte das Bundesdenkmalamt eine großflächige Rettungsgrabung im Bereich der Stallburg in der Herrengasse durch, die weitere Erkenntnisse über die Siedlungsstruktur der canabae entlang der Limesstraße erbrachte. Die Publikation der Befunde dieser Ausgrabung ist in Vorbereitung. 32 Auch von den anderen größeren Grabungen, wie jene auf der Freyung, im Palais Harrach sowie im Palais Porcia, gibt es bislang nur Vorberichte. Nach wie vor sind die Kenntnisse über Ausdehnung, Baustrukturen und Besiedelungsgeschichte und über die wichtigen städtischen Einrichtungen wie Forum, Tempel, Theater oder Thermen begrenzt. Die römische Zivilsiedlung Die Lage der römischen Zivilsiedlung wird seit dem 18. Jahrhundert auf dem Gebiet des 3. Bezirkes, Wien-Land-

Abb. 6: Mauern der römischen fabrica, Grabung Am Hof (Wien 1). (Foto: M. Mosser)

straße vermutet, eine Annahme, die sich seither laufend durch neue Befunde bestätigt. 33 Mittlerweile ist auch ihre ungefähre Ausdehnung und ihr Verbauungsschema bekannt sowie die Grundstruktur des Straßensystems nachvollziehbar: Der Verlauf der Limesstraße als west-östliche Hauptachse ist mehr oder weniger gesichert und bei flächigen Grabungen kommen immer wieder Querstraßen zutage. In den letzten Jahren wurde außerdem ein System mit Befestigungsgräben des 2. Jahrhunderts entdeckt. Die Lage der für eine derartige Siedlung obligaten öffentlichen Gebäude kann aber bis jetzt nur durch Häufungen auffallender Funde, wie z. B. die Fragmente repräsentativer Statuen, vermutet werden. Dokumentiert sind weiters zahlreiche Grabfunde und Gräberbezirke. Der Zeitpunkt der Stadtrechtsverleihung ist ebenfalls unbekannt. Sie muss spätestens im Jahr 212 im Rahmen der allgemeinen Bürgerrechtsverleihung durch Caracalla erfolgt sein. Die Auswertung einer Serie von Ausgrabungen der Jahre 2004 bis 2010 verspricht eine Fülle von neuen Erkenntnissen. Im Rahmen von Denkmalschutzgrabungen wurden am Rennweg 16 (2005), in der Schützengasse 24 (2005), an zwei Stellen in der Klimschgasse (19–21/2004–2005 und 40/2005), in der Hafengasse 14 (2007), im Hof der Rennwegkaserne am Rennweg 93A (2010; siehe Beitrag I. Mader, 243 ff.) sowie anlässlich des Bauprojektes „Eurogate“ auf dem Gelände des ehemaligen Aspangbahnhofes (2009–2010) römerzeitliche Befunde aufgedeckt (Abb. 7; siehe Beitrag M. Mosser/S. JägerWersonig/K. Adler-Wölfl, 202 ff.). Es handelt sich dabei um bislang unerforsch-

31 Das Projekt schließt auch Terra Sigillata aus der Zivilsiedlung (Wien 3) mit ein: Silvia Radbauer/Michaela Kronberger, „Terra Sigillata – Provenienzbestimmungen und Siedlungschronologie“. 32 Vorberichte: M. Krenn/N. Hofer/P. Mitchell/J. Wagner, Wien 1 – Stallburg. FÖ 43, 2004, 78; M. Krenn/P. Mitchell/J. Wagner, Wien 1 – Reitschulgasse 2, Stallburg. FÖ 44, 2005, 69 f. Siehe auch die Vorberichte zu kleinflächigeren Untersuchungen in der Herrengasse und in der Salvatorgasse: M. Kaltenegger, Wien 1 – Herrengasse 9. FÖ 42, 2003, 71–73; M. Krenn/J. Wagner/P. Mitchell, Wien 1 – Salvatorgasse 12. FÖ 45, 2006, 74 f. 33 Eine Überblicksdarstellung zur römischen Zivilsiedlung: M. Müller/I. Mader/R. Chinelli/S. Jäger-Wersonig/S. Sakl-Oberthaler/U. Eisenmenger/S. Czeika/C. Litschauer/Ch. Öllerer/ E. Eleftheriadou, Entlang des Rennwegs. Die römische Zivilsiedlung von Vindobona. WA 8 (Wien 2011).

13 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Abb. 7: Römerzeitliche Straße im stadtauswärtigen Teil der Aspanggründe (Wien 3). (Foto: M. Mosser)

te römische Siedlungsbereiche im Zentrum (Schützengasse 24, Rennweg 16, Hafengasse 14) und an der südöstlichen Randzone der Zivilsiedlung (Rennwegkaserne und im stadtauswärtigen Teil der „Eurogate“-Fläche). Die Ausgrabung in der Klimschgasse 40 ergab ein weiteres Teilstück der nördlichen fortifikatorischen Doppelgrabenanlage der Zivilstadt und ein Brandgrab. Auf dem Grundstück Klimschgasse 19–21, unmittelbar außerhalb der Doppelgrabenanlage gelegen, wurden weitere vier Brandgräber, darunter ein besonders gut erhaltenes Bustumgrab, entdeckt. Zum Stand der Aufnahme der Zivilstadtbefunde in die Fundortdatenbank ist zu bemerken, dass die Altfunde vollständig verortet sind und die Datenbank laufend aktualisiert wird. Hinsichtlich der Interpretation der Altbefunde bedürfen Datenbank und archäologischer Kataster – vor allem im Hinblick auf die Erkenntnisse durch die jüngsten Grabungen – jedoch einer Überarbeitung. 34 Das Territorium Zum Thema Territorium sind in erster Linie die Untersuchungen in Wien 10-Unterlaa zu nennen, die jahrelang als einzige Forschungsgrabung der Stadtarchäologie Wien betrieben wurden. Bereits 1963 wurden hier im Hinterland des Limes von Alfred Neumann Ausgrabungen begonnen, die in den 1970erJahren unter der Leitung von Ortolf Harl weitergeführt wurden. Es handelt sich um einen römischen Siedlungskomplex, der von flavischer Zeit bis in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts bestand und als eine Art Streusiedlung anzusprechen ist. Die Dokumentationen der Stadtarchäologie von 1974 bis 1999 wur34 In diesem Zusammenhang ist das Projekt „Provenienzbestimmung von Terra Sigillata“ zu erwähnen. Siehe Anm. 31. 35 Details dazu bei M. Penz, Forschungsund PR-Grabungen im Rahmen einer Stadtrandarchäologie. In: Vindobona–Aquincum 2009 (Anm. 2) 29–36.

den im Rahmen einer Dissertation ausgewertet, eine Gesamtvorlage unter Einbeziehung der Grabungsergebnisse ab dem Jahr 2000 ist derzeit in Arbeit. Auf dem Gelände der Ausgrabung Unterlaa bot sich für die Stadtarchäologie Wien überdies die Möglichkeit, Veranstaltungen im Rahmen der Öffentlichkeits- und Vermittlungsarbeit durchzuführen. 35

14 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Aufsätze

Übergeordnete Forschungsthemen und Materialvorlagen Abgesehen von siedlungsarchäologischen Fragen zur Römerzeit in Wien werden innerhalb der Stadtarchäologie Wien auch übergeordnete Themen verfolgt. In Zusammenarbeit mit der geologischen Abteilung der Stadt Wien wird beispielsweise versucht, das Bodenrelief zur Zeit der römischen Besiedelung flächendeckend zu rekonstruieren. 36 Erwähnenswert ist hier auch die Internetplattform „VBI ERAT LVPA“ (www.ubierat-lupa.org), eine Datenbank römischer Steindenkmäler aus verschiedenen Provinzen des Römischen Reiches mit einem online verfügbaren Bildarchiv. Auch die Steindenkmäler aus Vindobona sind dort teilweise erfasst. Zu guter Letzt soll hier auch noch auf eine mittlerweile bereits stattliche Reihe von Monographien bzw. zusammenfassenden Aufsätzen zu verschiedenen römischen Materialgruppen hingewiesen werden (siehe unten Publikationen). 37 Außerdem sind auch naturwissenschaftliche Analysen aus dem Bereich Archäozoologie, Archäobotanik und Archäometrie zu nennen, die im Übrigen für alle Kulturepochen Anwendung finden. 38

36 R. Gietl/M. Kronberger/M. Mosser, Rekonstruktion des antiken Geländes in der Wiener Innenstadt. FWien 7, 2004, 32–53. Die Rekonstruktion des Geländemodells für die römische Zivilstadt ist für die nächste Zukunft geplant. 37 Eine zusammenfassende Vorlage der Militaria (Anna Maspoli) sowie eine ebensolche der römischen Lampen aus Vindobona (Verfasserin) sind in Arbeit. 38 Für eine Zusammenstellung der entsprechenden Publikationen der Stadtarchäologie bis zum Jahr 2007 siehe Anm. 4.

Publikationen zur Römerzeit in Wien (Auswahl) Ältere Vindobonensia – die wichtigsten Publikationen von Alfred Neumann A. Neumann, Die Römischen Ruinen unter dem Hohen Markt (Wien 1957); ders., Die römischen Baureste Am Hof 9. Historisches Museum der Stadt Wien – Museumsführer (Wien 1958); ders., Der Raum von Wien in ur- und frühgeschichtlicher Zeit (Wien 1961); ders., Zur Entstehung von Vindobona. Wiener Schr. 5 (o. J.); ders., Die Skulpturen des Stadtgebietes von Vindobona. CSIR Österreich I 1 (Wien 1967); ders., Lampen und andere Beleuchtungsgeräte aus Vindobona. RLÖ 22 (Wien 1967); ders., Forschungen in Vindobona 1948 bis 1967. I. Teil: Lager und Lagerterritorium. RLÖ 23 (Wien 1967); ders., Forschungen in Vindobona 1948 bis 1967. II. Teil: Zivilstadt und Landbezirk. RLÖ 24 (Wien 1968); ders., Ziegel aus Vindobona. RLÖ 27 (Wien 1973); ders., Vindobonensia. Zum Corpus der Ziegel aus Vindobona – zur Neugestaltung der römischen Ruinenstätte, Wien 1, Hoher Markt 3, 1974. In: Pro Arte Antiqua. Festschr. Hedwig Kenner II. SoSchrÖAI 18 (Wien 1985) 252–257. Das römische Wien im Überblick Vindobona – Die Römer im Wiener Raum. 52. Sonderausst. HMW (Wien 1978); O. Harl, Vindobona. Das römische Wien. Wiener Geschichtsbücher 21/22 (Wien 1979); K. Genser, Der österreichische Donaulimes in der Römerzeit. Ein Forschungsbericht. RLÖ 33 (Wien 1986) zu Wien 435–531; O. Harl, Die Römerzeit. In: P. Csendes/F. Opll (Hrsg.), Wien. Geschichte einer Stadt 1: Von den Anfängen bis zur Ersten Wiener Türkenbelagerung [1529] (Wien, Köln, Weimar 2001) 25–48; RGA2 34 (Berlin, New York 2007) 22–30 s. v. Wien § 2. Römerzeit (Ch. Öllerer/M. Mosser/M. Kronberger/S. Sakl-Oberthaler/M. Müller/K. Adler-Wölfl); M. Kronberger (Hrsg.), Vindobona. Das römische Wien. Kurzführer Römermuseum (Wien 2009); M. Kronberger/M. Mosser, Kulte in und um Vindobona. In: F. Humer/G. Kremer (Hrsg.), Götterbilder – Menschenbilder. Religion und Kulte in Carnuntum. Ausstellungskat. (Wien 2011) 105–116. Legionslager M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil I: Altgrabungen am Judenplatz und Umgebung. FWien 2, 1999, 48–85; I. Gaisbauer/M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil II: Altgrabungen im Bereich der principia. FWien 4, 2001, 114–157; M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil III: Das Lagergrabensystem. FWien 7, 2004, 212–223; ders., Die Kasernen der ersten Kohorte im Legionslager Vindobona (unpubl. Diss. Univ. Wien 2007); M. Jandl/M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil IV: Vallum, fabrica und Kasernen in der westlichen retentura – Vorbericht zu den Grabungen Am Hof im Jahr 2007. FWien 11, 2008, 4–34; M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil V: Das Intervallum an der westlichen Lagermauer – Vorbericht zu den Grabungen Am Hof in den Jahren 2008/09. FWien 13, 2010, 50– 74; M. Mosser et al., Die römischen Kasernen im Legionslager Vindobona. Die Ausgrabungen am Judenplatz in Wien in den Jahren 1995–1998. MSW 5/I–II (Wien 2010). canabae legionis Überblick M. Kronberger, Zu römischen Töpferöfen in den südlichen canabae legionis von Vindobona: Neuer Markt und Umgebung. FWien 7, 2004, 82–111; dies., Siedlungschronologische Forschungen zu den canabae legionis von Vindobona. Die Gräberfelder. MSW 1 (Wien 2005); S. Sakl-Oberthaler, Wohnhäuser in den canabae legionis von Vindobona. In: Domus – Das Haus in den Städten der römischen Donauprovinzen. SoSchrÖAI 44 (Wien 2008) 124–142.

15 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Ausgrabungen Umfeld Freyung: Freyung (1987), Palais Harrach (1991–1994), Renngasse (1992), Palais Porcia (1996) K. Süss, Die archäologischen Ausgrabungen auf der Freyung und im Palais Harrach. In: Palais Harrach. Geschichte, Revitalisierung und Restaurierung des Hauses an der Freyung in Wien (Wien 1995) 131–143; K. Süss/W. Bauer, Wien 1 – Freyung. FÖ 36, 1997, 870–876; O. Harl, Wien 1 – Renngasse. FÖ 33, 1994, 613 f.; M. Müller, Wien 1 – Herrengasse. FÖ 36, 1997, 876–881. Ausgrabungen Michaelerplatz, 1990/1991 P. Donat/S. Sakl-Oberthaler/H. Sedlmayer, Die Werkstätten der canabae legionis von Vindobona. Befunde und Funde der Grabungen Wien 1, Michaelerplatz (1990/1991), Teil 1. FWien 6, 2003, 4–57; P. Donat, Von einem biedermeierzeitlichen Malerwerkplatz zu den möglichen Hinterlassenschaften einer römischen Keramikwerkstatt am Wiener Michaelerplatz. FWien 6, 2003, 68–94; P. Donat/S. Sakl-Oberthaler/H. Sedlmayer et al., Die Wohnbereiche der canabae legionis von Vindobona. Befunde und Funde der Grabungen Wien 1, Michaelerplatz (1990/1991), Teil 2. FWien 8, 2005, 24–91. Ausgrabungen Gräberfeld Albertina, 2000/2001 E. H. Huber, Wien 1, Albertina. FWien 4, 2001, 258 f.; dies., Wien 1, Albertina. FWien 5, 2002, 289–291. Zivilstadt Überblick I. Mader, Vindobona. Die zivile Siedlung. In: M. Šašel Kos/P. Scherrer (Hrsg.), The Autonomous Towns of Noricum and Pannonia. Die autonomen Städte in Noricum und Pannonien. Pannonia II. Situla 42 (Ljubljana 2004) 252–259; M. Großmann, Untersuchungen zum Iuppiter- und Kaiserkult im municipium Vindobonense. Ein Diskussionsbeitrag. FWien 7, 2004, 198–210; I. Mader/M. Müller, Die römische Zivilsiedlung von Vindobona. In: F. Krinzinger (Hrsg.), Vindobona. Beiträge zu ausgewählten Keramikgattungen in ihrem topografischen Kontext. AForsch 12 (Wien 2005) 29–33; M. Müller, Wohnbauten in der Zivilsiedlung von Vindobona – Lebensorte. In: Domus – Das Haus in den Städten der römischen Donauprovinzen. SoSchrÖAI 44 (Wien 2008) 105–121; dies., Die Erforschung der Zivilstadt von Vindobona. In: Vindobona–Aquincum. Probleme und Lösungen in der Stadtarchäologie. Aquincum Nostrum II 5 (Budapest 2009) 71–80. Ausgrabungen in den 1990er-Jahren S. Czeika/Ch. Öllerer/H. Sedlmayer, Römische Funde und Befunde aus dem Siedlungsbereich Wien 3, Hafengasse. FWien 2, 1999, 90–109; M. Müller, Römische und neuzeitliche Funde aus Wien 3, Eslarngasse 20. Zur Befestigung der Zivilstadt von Vindobona. FWien 3, 2000, 76–103; A. Kaltenberger, Das Fundmaterial der Grabung Wien 3, Eslarngasse 20. FWien 3, 2000, 104–145; S. Czeika, Tierknochenfunde aus der Eslarngasse 20 im 3. Wiener Gemeindebezirk. FWien 3, 2000, 146 f.; M. Müller, Die Auswertung der Grabungen Rennweg 44 (1989/1990) im Bereich der römischen Zivilsiedlung von Vindobona. FWien 5, 2002, 302–312. Ausgrabungen seit 2004 M. Müller, Wien 3, Klimschgasse 19–21. FWien 8, 2005, 213–218; dies., Wien 3, Klimschgasse 19–21. FWien 9, 2006, 292–294; S. Jäger-Wersonig, Wien 3, Schützengasse 24 und Rennweg 57. FWien 9, 2006, 285–288; M. Mosser, Wien 3, Rennweg 16. FWien 9, 2006, 289–291; M. Müller, Wien 3, Klimschgasse 40. FWien 9, 2006, 294–296; M. Mosser, Eine Translatio cadaveris in der Nachbarschaft des M. Antonius Tiberianus in Vindobona. In: G. Grabherr (Hrsg.), Akten des 11. Österreichischen Archäologentages in Innsbruck 23.–25. März 2006. IKARUS 3 (Innsbruck 2008) 183–194; M. Müller, Wien 3, Hafengasse 14. FWien 11, 2008, 332–337; dies., Wien 3, Aspanggründe. FWien 13, 2010, 227–231. Territorium K. Adler-Wölfl, Die römische Siedlung von Wien-Unterlaa [Grabungen 1974–1999] (unpubl. Diss. Univ. Wien 2003) mit ausführlicher Forschungsgeschichte; B. Samonig, Wien 10, Unterlaa – Klederinger Straße. FWien 6, 2003, 246–248; M. Penz, Wien 10, Unterlaa – Klederinger Straße. FWien 7, 2004, 250 f.; ders., Wien 10, Unterlaa – Klederinger Straße. FWien 8, 2005, 218–222; ders., Wien 10, Unterlaa – Klederinger Straße (Johannesberg). FWien 9, 2006, 296–298; ders., Wien 10, Unterlaa – Klederinger Straße (Johannesberg). FWien 10, 2007, 241 f.; ders., Wien 10, Unterlaa – Klederinger Straße (Johannesberg). FWien 12, 2009, 220 f. Infrastruktur D. Herrmann/K. Süss, Wien 23 – Atzgersdorf. FÖ 31, 1992, 518; S. Sakl-Oberthaler, Untersuchungen zur Limesstraße in Wien-Simmering. FWien 2, 1999, 110–127; D. Talaa/I. Herrmann, Eine römische Straßenstation in Biedermannsdorf bei Wien – Vorbericht. FWien 6, 2003, 212–224; Ch. Öllerer, Über die Erprobung eines satellitengesteuerten Verortungssystems im Dienste der Archäologie. FWien 8, 2005, 16–20; S. Sakl-Oberthaler/ Ch. Ranseder, Wasser in Wien. Von den Römern bis zur Neuzeit. WA 22 (Wien 2009) bes. 13–34. Materialvorlagen I. Weber-Hiden, Die reliefverzierte Terrasigillata aus Vindobona. WAS 1 (Wien 1996); P. Donat, Feinkeramik aus Vindobona – Hinweise auf eine lokale Produktion? FWien 2, 1999, 32–46; dies., Zur Herkunft der Terra Sigillata von der Ausgrabung Michaelerplatz. FWien 2, 1999, 210–215; S. Sakl-Oberthaler/K. Tarcsay, Römische Glasformen aus Wien. FWien 4, 2001, 78–112; dies., Römerzeitliche Glasobjekte aus Wien. FWien 5, 2002, 140–158; I. Pavic´, Zum Formenspektrum der pannonischen Glanztonkeramik von Wien 1, Michaelerplatz – Grabungen 1990/91. FWien 7, 2004, 118–166; N. Willburger, Die römische Wandmalerei der Grabung Wien 1, Michaelerplatz. FWien 7, 2004, 188–197; Ausgewählte Funde vom Rennweg 44 in Wien. G. Dembski/M. Zavadil, Der Münzschatz vom Rennweg 44. D. Gabler, Zur frühen Terra Sigillata der Zivilsiedlung von Vindobona. WAS 6 (Wien 2004); T. Bezeczky, Roman Amphorae from Vindobona. In: F. Krinzinger (Hrsg.), Vindobona. Beiträge zu ausgewählten Keramikgattungen in ihrem topografischen Kontext. AForsch 12 (Wien 2005) 35–107; R. Chinelli, Eiförmige und birnenförmige Gefäße aus Wien, ebd. 143–170; G. Dembski/C. Litschauer, Die antiken Fundmünzen der Grabungen Wien 1, Michaelerplatz (1990/1991). FWien 8, 2005, 92–106; M. Mosser, Siegelkapseln von Vindobona. FWien 9, 2006, 50–63; I. Pavic´, Feinware: Becher und Faltenbecher des 2. und 3. Jahrhunderts von

16 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Aufsätze

Wien 1, Michaelerplatz – Grabungen 1990/1991. FWien 10, 2007, 134–193; R. Chinelli, Some Notes about the Production of Late Roman Glazed Pottery in Vindobona (Appendix by Roman Sauer). In: C. Magrini/F. Sbarra (eds.), Late Roman Glazed Pottery in Carlino and in Central-East Europe. Production, Function and Distribution. BAR Internat. Ser. 2068 (Oxford 2010) 43–70; M. Kronberger/M. Heinrich/B. Moshammer/M. Mosser, Preliminary Results of an Interdisciplinary Project on Roman Stone Material and Historic Quarries in Vienna. In: Vindobona–Aquincum. Herausforderungen und Ergebnisse in der Stadtarchäologie. Aquincum Nostrum II 6 (Budapest 2010) 61–68; M. Schmid, Die römischen Fibeln aus Wien. MSW 6 (Wien 2010).

Die Entstehung der Stadt – Wien im Mittelalter Da die Mittelalterarchäologie in Österreich ein relativ junger Forschungszweig ist, wurde mittelalterlichen Befunden in Wien vor den 1960er-Jahren bedauerlicherweise kaum Beachtung geschenkt. Einige spektakuläre „Zufallsfunde“ in Wien in den 1970er-Jahren, wie die Entdeckung der unterirdisch gelegenen Virgilkapelle, die beim Bau der U1 direkt neben dem Stephansdom zum Vorschein kam, oder auch die Neidhartfresken, die bei Renovierungsarbeiten 1979 in einem Haus in Wien 1, Tuchlauben 19 zufällig entdeckt wurden, haben jedoch das Bewusstsein für die mittelalterliche Vergangenheit Wiens geschärft. 39 Forschungsgeschichte – Die neueren Ausgrabungen Seit den 1990er-Jahren erfolgte ein Aufschwung in den archäologischen Forschungen zum Mittelalter, der durch mehrere Ausgrabungen in der Wiener Innenstadt ausgelöst wurde. Schon 1990/1991 wurden am Michaelerplatz direkt vor der Hofburg neben römischen und neuzeitlichen Befunden auch mittelalterliche Besiedelungsspuren dokumentiert. 40 In den Jahren 1994/1995 kamen beim Umbau eines Hauses in Wien 1, Tuchlauben 17 über einem kleinen Ausschnitt des gepflasterten Hofes der principia des römischen Legionslagers wieder unterschiedliche hochmittelalterliche Befunde und Funde zutage. Einen „Quantensprung“ für die Mittelalterarchäologie in Wien stellen sicherlich die Ausgrabungen am Judenplatz in den Jahren 1995 bis 1998 dar, bei denen die spätmittelalterliche Synagoge mit Teilen des anschließenden Ghettos sowie als wichtige siedlungsarchäologische Fakten die Parzellenstrukturen des 13. Jahrhunderts freigelegt werden konnten. 41 Im Zuge der Ausgrabungen ergab sich auch die Möglichkeit zu bauhistorischen Untersuchungen im Haus Judenplatz 8, dem sog. Misrachihaus. Ein weiteres „Highlight“ war auch die Entdeckung eines an der Außenwand der Albertina erhalten gebliebenen Turmes der mittelalterlichen Stadtmauer, der 1999 bei Umbauarbeiten freigelegt wurde. Bereits 1996 und in den Jahren 2000/2001 führte das Bundesdenkmalamt im Stephansdom ausgedehnte Grabungen durch, bei denen Gräber aus dem frühen Mittelalter gefunden wurden. Außerhalb des städtischen Kernbereichs führte die Stadtarchäologie Wien zwischen 1994 und 2001 im Zuge von Umbauarbeiten im heute als Justizanstalt geführten Schloss Kaiserebersdorf (Wien 11) Ausgrabungen und bauhistorische Untersuchungen durch. Dabei konnten Teile der befestigten mittelalterlichen Burg der Herren von Himberg-Ebersdorf aufgedeckt werden. 42

39 Erwähnt werden muss auch die Entdeckung des hochmittelalterlichen Stadtgrabens beim Bau der U1 im Jahr 1974 am Graben. Außerdem fanden beim Bau der U3 in den 1980er-Jahren Grabungen bei und in der Minoritenkirche statt, bei denen die Fundamente der Ludwigskapelle aufgedeckt wurden. 40 Siehe auch Anm. 25. 41 Eine umfassende Endauswertung wurde bisher nicht publiziert. 42 Einen zusammenfassenden Überblick bietet: H. Krause/M. Schulz/Ch. Ranseder/G. Scharrer-Liška, Schloss Kaiserebersdorf. Vom Adelssitz zur Justizanstalt. WA 7 (Wien 2011).

17 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Forschungsansätze Hier muss chronologisch gesehen zwischen Früh-, Hoch- und Spätmittelalter unterschieden werden. Topographisch ist zwischen Fragen zur Entwicklung der Stadt und Fragen zur Entwicklung des Umlandes zu differenzieren. Für den Bereich der Mittelalterarchäologie kommt – einerseits traditionell, andererseits methodisch bedingt – der Forschungstätigkeit anderer Institutionen größere Bedeutung zu. Methodisch ist hier die für die Mittelalterarchäologie unerlässliche Verbindung von Bau- und Bodenarchäologie gemeint. Vor allem im Bereich der Bauforschung muss das Bundesdenkmalamt Wien und seine „Wissenschaftliche Abteilung für Inventarisation und Denkmalforschung“ als federführend bezeichnet werden. 43 Siedlungskontinuität oder Diskontinuität? Eine zentrale Fragestellung für das Stadtgebiet ist die nach der Siedlungskontinuität zwischen Spätantike und Frühmittelalter44 oder einem Siedlungsbeginn, der zwar in Interaktion, aber nicht in direkter Kontinuität mit der römerzeitlichen Siedlung stattfand. Hier spielt auch die Beschäftigung mit der sog. Schwarzen Schicht (dark earth) hinein, jener dunklen, unterschiedlich stark ausgeprägten Bodenbildungsschicht, die als Horizont zwischen antiker und nachantiker Besiedelung gesehen werden kann (Abb. 8). 43 Zu erwähnen sind auch die periodisch erscheinenden „Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich“, herausgegeben von der Österreichischen Gesellschaft für Mittelalterarchäologie. Siehe Literaturliste Mittelalter. 44 Vor allem die ältere Forschung vertrat diese These, siehe z. B. A. Klaar, Die Siedlungsformen Wiens. Wiener Geschichtsbücher 8 (Wien, Hamburg 1971); H. Ladenbauer-Orel, Archäologische Stadtkernforschung in Wien. JbVGW 21/22, 1965–1966, 7–66; dies., Der Berghof. Archäologischer Beitrag zur frühesten Siedlungsgeschichte. Wiener Geschichtsbücher 15 (Wien, Hamburg 1974); dies., Die mittelalterlichen Quellen zur römischen Lagermauer von Vindobona. WGBl 39/2, 1984, 67–79; dies., Markt, Burg, Kirche und der Donauhafen im frühen Wien. Ein Beitrag über das Erbe der Römer für das Werden der Stadt. WGBl Beih. 2 (Wien 1999). 45 S. Felgenhauer-Schmiedt, Früh- bis hochmittelalterliche Funde aus Wien 1, Ruprechtsplatz und Sterngasse. BeitrMAÖ 8, 1992, 63–67. Die Arbeiten von Sabine Felgenhauer-Schmiedt gaben in der 1990er-Jahren wesentliche Impulse für die Forschung. 46 Eine zusammenfassende Darstellung mit Schwerpunkt Wien wird demnächst erscheinen: H. Krause/Th. Kühtreiber, Hochmittelalterliche Transformationsprozesse und ihre Wirkung auf das Siedlungsbild Ostösterreichs. In: E. Gringmuth-Dallmer/J. Klápste (Hrsg.), Tradition – Umgestaltung – Innovation. Transformationsprozesse im hohen Mittelalter (Praha, in Vorbereitung).

Die Siedlungsentwicklung Wiens vom frühen bis ins hohe Mittelalter Die Siedlungsentwicklung Wiens vom Früh- (9./10. Jahrhundert) bis ins Hochmittelalter (12. Jahrhundert) ist für die heutige Forschung in groben Zügen nachvollziehbar. Ein Siedlungsbeginn frühestens im 9. Jahrhundert ist durch Keramikfunde belegt. 45 Die Nutzung der teilweise noch vorhandenen Legionslagerbefestigung als erste mittelalterliche Befestigung – allerdings ohne eine echte Siedlungskontinuität – wird mittlerweile mit schlüssigen Argumenten angenommen. Die Stadt im Hochmittelalter Die Forschungsthemen für die Periode des Hochmittelalters im Stadtgebiet kreisen um Fragen wie „Stadtwerdung“ (1137?) und „Stadtplanung“ oder um die Frage der Stadterweiterung ab 1200. 46 Hier wird beispielsweise diskutiert, ob die Stadterweiterung geplant war und wenn ja, inwieweit diese Planungen auf ältere Strukturen zurückgreifen. Ein zentraler Punkt dieser Betrachtungen ist auch die Hofburg. Für diese werden Fragen wie ihre Situierung (nämlich am damaligen Stadtrand) und ihre Datierung (und damit die Frage, ob sie von den Babenbergerherzögen oder von Ottokar Prˇ semysl gegründet wurde) diskutiert. Die Quellenlage ist hierbei vor allem für das frühe Mittelalter (bevor Wien zur Residenz der Babenberger wurde) spärlich. Die Ergebnisse der Altgrabungen und Baubeobachtungen an sensiblen Stellen wie dem Berghof oder dem Ruprechtsplatz sind ebenfalls dürftig. Dazu kommt die massive Zerstörung mittelalterlicher Bausubstanz – bis in die Kellerbereiche der Gebäude – durch die Bautätigkeit während der Barock- und der Gründerzeit. Eine Reihe von großteils externen, also nicht von der Stadtarchäologie Wien durchgeführ-

18 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Aufsätze

ten Projekten setzten und setzen sich seit dem letzten Jahrzehnt mit diesen Fragen auseinander. Hier ist das Bauforschungsprojekt „Historischer Baubestand in den Kellern der Wiener Innenstadt“ zu nennen, das einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis der Entwicklung der mittelalterlichen Stadt, beispielsweise zum Thema „Versteinerung“, also der Entstehung der ersten Steinbauten anstelle von Holzhäusern, leistete. 47 Ein weiteres Großprojekt befasst sich derzeit ausführlich mit der Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg. 48 Der Stand der Materialbearbeitung Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Entwicklung der mittelalterlichen Keramik in groben Zügen nachvollziehbar. Allgemeine Tendenzen bezüglich Datierung und technologischen Fortschritts sind bekannt. Zusammenfassend ist zuletzt 2010 ein neuer Leitfaden zur Bestimmung und Klassifizierung der mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik in Österreich erschienen, der von einer Gruppe von Keramikspezialisten aus ganz Österreich verfasst wurde. Auch zum Thema Glasforschung in Wien sind in den letzten Jahren Überblicksarbeiten publiziert worden. Forschungen zum weitgehend agrarisch geprägten Um-

Abb. 8: Die sog. Schwarze Schicht, dokumentiert auf der Grabung Wien 1, Am Hof. (Foto: M. Mosser)

land Von Interesse ist vor allem, wie sich die Peripherie der mittelalterlichen Residenzstadt entwickelt hat. Untersucht werden hier anhand historischer und archäologischer Quellen die Entstehung von Dörfern und Burgen, aber auch Wüstungs- und Siedlungsverlagerungsprozesse. Zu diesem Thema betreibt die Stadtarchäologie Wien seit 2004 das Projekt „Burgeninventar Wien“. Ziel ist es, sämtliche erhaltenen bzw. aus Quellen erschließbaren Adelssitze des 10.–16. Jahrhunderts auf dem heutigen Wiener Stadtgebiet zu erfassen und in eine Datenbank aufzunehmen. Im Zusammenhang mit dem Burgenprojekt wird auch die Entwicklung der zugehörigen Siedlung als Fragestellung behandelt! Bisher näher untersuchte Standorte sind Sievering und der sog. Perchhof in Heiligenstadt, zu denen bereits Einzelaufsätze im Jahresbericht der Stadtarchäologie erschienen sind. Darüber hinaus wurden im Umland nur punktuell Ausgrabungen oder andere Untersuchungen durchgeführt. Erwähnt werden sollen hier die Ausgrabung in der Nikolaikapelle in Wien 13, Lainzer Tiergarten sowie eine Bauuntersuchung jüngeren Datums in der Johanneskirche in Wien 10, Unterlaa. Die neuesten Ausgrabungen Von 1997 bis 2002 führte das Bundesdenkmalamt49 Ausgrabungen auf dem Gelände der Alten Universität (Wien 1, Riemergasse) durch. Dabei wurden Baustrukturen (Mauerzüge, mehrere Erdkeller, Brunnen) aus dem Hoch- und Spät-

47 FWF-Projekt „Historischer Baubestand in den Kellern der Wiener Innenstadt“ 2002, Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien, Leitung: Mario Schwarz. 48 FWF-Projekt „Die mittelalterliche Baugeschichte der Wiener Hofburg“ 2006–2012, Kommission für Kunstgeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Leitung: Mario Schwarz. 49 Zu den Baubeobachtungen und kurzfristigen Grabungsaktivitäten des Bundesdenkmalamtes siehe auch deren Jahresberichte in den „Fundberichten aus Österreich“ (FÖ).

19 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Abb. 9: Zwingermauer vor der mittelalterlichen Stadtmauer, dokumentiert auf der Grabung Wien 1, Wipplingerstraße 33/35. (Foto: Stadtärchologie Wien)

mittelalter sowie ein Stück eines im 17. Jahrhundert überbauten Straßenzuges freigelegt. Weitere Ausgrabungen des Bundesdenkmalamtes fanden 2004/2005 in der Stallburg der Hofburg statt, bei denen neben Fundamenten von Gebäuden, die der babenbergischen Stadterweiterung zuzurechnen sind, auch die Fundamente der von Friedrich III. (um 1470) errichteten „Öden Kirche“ freigelegt werden konnten. 2005/2006 führte das Bundesdenkmalamt auch in Wien 1, Salvatorgasse Ausgrabungen durch, die über der spätantiken Legionslagerbebauung ebenfalls mittelalterliche Siedlungsbefunde zum Vorschein brachten. Auch bei einigen Grabungen der Stadtarchäologie der letzten Jahre kamen mittelalterliche Befunde zutage. So konnten bei zwei Ausgrabungskampagnen in Wien 1,Wipplingerstraße 33/35 im Bereich der renaissancezeitlichen Elendbastion zwischen 2005 und 200850 sowohl Siedlungsspuren aus dem Spätmittelalter als auch ein Abschnitt der mittelalterlichen Stadtmauer dokumentiert werden (Abb. 9). Ebenfalls 200851 wurde im Bereich der östlich der Elendbastion gelegenen Neutorbastion (Wien 1, Neutorgasse 6–8) gegraben und auch dort fanden sich neben Teilen der Renaissancebefestigung hochmittelalterliche Kul50 Die monographische Vorlage der Grabungskampagnen 2005 bis 2008 im Bereich der Elendbastion ist in Vorbereitung. 51 Die monographische Vorlage der Grabungskampagne im Bereich der Neutorbastion ist ebenfalls in Vorbereitung.

turschichten. Zuletzt wurden in den Jahren 2007 bis 2009 bei den Ausgrabungen in der Wiener Innenstadt auf dem Areal der Hauptfeuerwehrwache Am Hof verschiedene mittelalterliche Bebauungsphasen über den Befunden des römischen Legionslagers dokumentiert.

20 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Aufsätze

Publikationen zu Wien im Mittelalter (Auswahl) Beginn der Mittelalterforschung: Virgilkapelle und Neidhartfresken Virgilkapelle G. Mossler, Die Ausgrabungen des Bundesdenkmalamtes. Ein Vorbericht. ÖZKD 27, 1973, 144–153; R. Perger, Zur Geschichte des neuen Karners und der Kapellen St. Virgilius und St. Maria Magdalena auf dem Wiener Stephansfreithof, ebd. 153–160; M. Zykan, Zur kunstgeschichtlichen Bedeutung der neuentdeckten Unterkirche, ebd. 160–169; R. Perger/W. Brauneis, Die mittelalterlichen Kirchen und Klöster Wiens. Wiener Geschichtsbücher 19/20 (Wien, Hamburg 1977) 69–72; M. Zykan, Der Stephansdom. Wiener Geschichtsbücher 26/27 (Wien, Hamburg 1981) 26; 187–189; B. Schedl, … die Chappellen die da leit in sant Stephans Vreythof … Zu Ausstattung und Wirkung des unterirdischen Nischenraumes. FWien 5, 2002, 246–254. Neidhartfresken E. M. Höhle/O. Pausch/R. Perger, Die Neidhart-Fresken im Haus Tuchlauben 19 in Wien. Zum Fund profaner Wandmalerei der Zeit um 1400. ÖZKD 36, 1982, 110–144; G. Blaschitz/B. Schedl, Die Ausstattung eines Festsaales im mittelalterlichen Wien. In: G. Blaschitz (Hrsg.), Neidhartrezeption in Wort und Bild. Medium aevum quotidianum Sonderbd. 10 (Krems 2000) 84–111. Befunde anlässlich des Baus der U1 und der U3 O. Harl, Wien 1 – Graben. FÖ 13, 1974, 132 f.; ders., Archäologische Ergebnisse aus dem Bau der U1 für die mittelalterliche und neuzeitliche Geschichte Wiens. In: R. Waissenberger (Hrsg.), Studien 79/80 aus dem Historischen Museum der Stadt Wien. Wiener Schr. 44 (Wien 1980) 19–62; R. Pohanka, Grabungen im Bereich des Minoritenplatzes und der Herrengasse. PAR 12, 1986, 33; ders., Die mittelalterliche Stadtbefestigung am Stubentor. BeitrMAÖ 3, 1987, 33–46. Die Ausgrabungen/Bauforschungen der 1990er-Jahre Michaelerplatz H. Krause, Von der Straßenkreuzung zum Platz – Die Geschichte des Michaelerplatzes vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. FWien 10, 2007, 4– 42; I. Gaisbauer/G. Reichhalter/S. Sakl-Oberthaler, Mittelalterliche Befunde der Grabungen Wien 1, Michaelerplatz (1990/1991), ebd. 44–65; C. Litschauer/K. Tarcsay, Mittelalterliche Münz- und Glasfunde der Grabungen Wien 1, Michaelerplatz (1990/1991), ebd. 66–71; A. Kaltenberger, Die mittelalterliche Keramik aus den Grabungen Wien 1, Michaelerplatz (1990/1991), ebd. 72–126; Autorenteam Michaelerplatz, Mittelalter, Ausgrabungen Wien 1, Michaelerplatz – Zusammenfassende Analyse der mittelalterlichen Befunde, ebd. 128–132. Tuchlauben 17 I. Gaisbauer, Wien I, Tuchlauben 17: Baustrukturabfolge und keramisches Fundmaterial von der Römerzeit bis zum späten Mittelalter (Dipl. Univ. Wien 2002). Judenplatz H. Helgert, Die Or Sarua-Synagoge auf dem Judenplatz. Ausgrabungen im spätmittelalterlichen Judenviertel Wiens. FWien 1, 1998, 10–19; H. Helgert/P. Mitchell, Wien 1, Judenplatz. FWien 2, 1999, 171–179; H. Helgert/P. Mitchell/M. A. Schmid, Die mittelalterliche Synagoge auf dem Judenplatz in Wien. Version 1. Befund – Analogien – Rekonstruktion (Mskr. Stadtarchäologie Wien 1999); H. Helgert/M. A. Schmid; Die mittelalterliche Synagoge auf dem Judenplatz in Wien. Baugeschichte und Rekonstruktion. Wiener Jahrb. Jüdische Gesch., Kultur- u. Museumswesen 4, 1999/2000, 91–110; dies., Die Archäologie des Judenplatzes. In: Museum Judenplatz zum mittelalterlichen Judentum (Wien o. J. [2000]) 17–49; dies., Die mittelalterliche Synagoge auf dem Judenplatz. In: Judenplatz. Mahnmal – Museum. Perspektiven 6/7, 2000, 47–52; I. Krueger, Erstmals aus Wien: Fragmente mittelalterlicher Spiegelfassungen. FWien 3, 2000, 40–46; D. Schön, Von spätmittelalterlichen Mauern, renaissancezeitlichen Fenstern und barocken Fußböden. Bauforschung im Haus Wien 1, Judenplatz 8. FWien 6, 2003, 96–139; I. Gaisbauer, Mittelalterliche und neuzeitliche Keramik aus Wien 1, Judenplatz 8, ebd. 140–175; O. Harl/H. Helgert/P. Mitchell/M. A. Schmid/C. Wawruschka et al. bearbeitet von I. Lindinger-Bauer/V. Lindinger, Die mittelalterliche Synagoge auf dem Judenplatz in Wien. Version 2. Befund – Analogien – Rekonstruktion (Mskr. Stadtarchäologie Wien 2004); P. Mitchell, Synagoge und jüdisches Viertel im mittelalterlichen Wien. In: Synagogen, Mikwen, Siedlungen. Jüdisches Alltagsleben im Lichte neuer archäologischer Funde. Schr. Arch. Mus. Frankfurt 19 (Frankfurt 2004) 139–150; M. Goriany/D. Schön, Latest News from Vienna’s Medieval Jewish Quarter. In: Enter the Past. The E-way into the Four Dimensions of Cultural Heritage. CAA (Computer Applications and Quantitative Methods in Archaeology) 2003. BAR Internat. Ser. 1227 (Oxford 2004) 562–565; K. Tarcsay, Glaslampen und Fensterfunde aus der mittelalterlichen Synagoge am Judenplatz. FWien 9, 2006, 140–151. Augustinerturm E. H. Huber, Die mittelalterliche Stadtbefestigung Wiens im Bereich der Albertina. AÖ 10/2, 1999, 33–35; dies., Der „Augustiner-Turm“ – ein Vorbericht. WGBl 54/4, 1999, 316–319; dies., Wien 1, Albertina. FWien 3, 2000, 206–209; G. Scharrer, Ein Aquamanile aus der Latrine im so genannten Augustinerturm in Wien. FWien 5, 2002, 160–167; S. Fritsch (mit einem Beitrag von S. Czeika und U. Thanheiser), Essen im Augustinerkloster in Wien (Spätmittelalter/Frühe Neuzeit) – Rekonstruktionsversuch der klösterlichen Ernährung mit Unterstützung schriftlicher Quellen und bioarchäologischer Funde. FWien 6, 2003, 188–197; H. Aspöck/H. Auer/O. Pichler, Parasiten in Fäkalien aus dem Augustinerturm. In: K. Brunner/P. Schneider (Hrsg.), Umwelt Stadt. Geschichte des Natur- und Lebensraumes Wien. Wiener Umweltstud. 1 (Wien 2005) 242 f.; E. H. Huber/ G. Scharrer-Liška, Der „Augustinerturm“ – ein Turm der mittelalterlichen Stadtbefestigung Wiens und seine sekundäre Nutzung als Latrine. Ein Vorbericht. In: I. Ericsson/R. Atzbach (Hrsg.), Depotfunde aus Gebäuden in Zentraleuropa. Bamberger Koll. Arch. Mittelalter u. Neuzeit 1 (Berlin 2005) 35–41.

21 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Stephansdom J. Offenberger/A. Geischläger, Wien 1 – St. Stephan. FÖ 35, 1996, 54 f.; dies., Wien 1 – Stephansdom. FÖ 39, 2000, 61–64; dies., Wien 1 – Stephansdom. FÖ 40, 2001, 67 f. Schloss Kaiserebersdorf M. Müller et al., Die archäologischen und bauhistorischen Untersuchungen im Schloss Kaiserebersdorf. MSW 3/I–II (Wien 2008). Siedlungskontinuität/Diskontinuität – neuere Forschung S. Felgenhauer-Schmiedt, Zur Stadtkernarchäologie in Wien. In: M. Gläser (Hrsg.), Archäologie des Mittelalters und Bauforschung im Hanseraum. Eine Festschrift für Günther P. Fehring (Rostock 1992) 67–74; dies., Früh- bis hochmittelalterliche Funde aus Wien 1, Ruprechtsplatz und Sterngasse. BeitrMAÖ 8, 1992, 61–84; P. Mitchell, Zur „Kontinuitätsfrage“ in Wien anhand neuester Erkenntnisse. Von der Ausgrabung Judenplatz und anderen Fundstellen. In: S. Felgenhauer-Schmiedt et al. (Hrsg.), Zwischen Römersiedlung und mittelalterlicher Stadt. Archäologische Aspekte zur Kontinuitätsfrage. BeitrMAÖ 17 (Wien 2001) 205–214; I. Gaisbauer, Ein Beitrag zu spätantiker und erster mittelalterlicher Besiedlung in Wien, ebd. 215–222; dies., Überlegungen zur Vorlage von Keramik aus Altgrabungen am Beispiel Wien – Innere Stadt. BeitrMAÖ 20, 2004, 43–58; dies., Neue Überlegungen zu einem nicht ganz neuen Problem: Der Berghof in Wien. BeitrMAÖ 22, 2006, 51–60; dies., „Schwarze Schicht“ – Kontinuität/Diskontinuität. FWien 9, 2006, 182–190; dies., Der derzeitige Forschungsstand der Stadtarchäologie zum Wiener „Siedlungsbeginn“. In: F. Opll/Ch. Sonnlechner (Hrsg.), Europäische Städte im Mittelalter. Forsch. u. Beitr. Wiener Stadtgesch. 52 (Wien 2010) 141–154. „Übergangsphase“ zwischen Antike und Mittelalter (siehe auch oben die Publikationen zur Ur- und Frühgeschichte Wiens) H. Adler, Die Langobarden in Niederösterreich. In: Germanen, Awaren, Slawen in Niederösterreich. Das erste Jahrtausend nach Christus. Kat. Niederösterr. Landesmus. N. F. 75 (Wien 1977) 73–87; F. Daim, Archäologische Zeugnisse zur Geschichte des Wiener Raums im Frühmittelalter. WGBl 36, 1981, 175–197 mit Kartierungen; K. Tarcsay, Ein merowingerzeitlicher Glasperlenanhänger mit Rosettendekor aus Wien 1, Judenplatz. FWien 9, 2006, 132–139 mit einem Exkurs zu Wien im 6. Jahrhundert. Siedlungsbeginn I. Gaisbauer, Von Mauer und Graben – Überlegungen zur ersten mittelalterlichen Stadtbefestigung Wiens. FWien 7, 2004, 244–233; ein kompakter Überblick über den Forschungsstand bis 2003: I. Gaisbauer/P. Mitchell/D. Schön, Forschungen zum mittelalterlichen Wien. Neuansätze und Verpflichtungen zum Weiterdenken. In: K. Kühtreiber et al. (Hrsg.), Beiträge zur historischen Archäologie. Festschrift für Sabine Felgenhauer-Schmiedt zum 60. Geburtstag. BeitrMAÖ Beih. 6 (Wien 2003) 125–139; RGA2 34 (Berlin, New York 2007) 30–32 s. v. Wien § 3. Mittelalter. a. Arch. (I. Gaisbauer/H. Krause/K. Tarcsay/K. Fischer Ausserer). Stadtentwicklung im Hochmittelalter D. Schön/I. Gaisbauer, … und jenseits der Straße beginnt das Judenviertel. Zu spätmittelalterlichen Parzellenstrukturen in Wien 1, Kurrentgasse 4– 8. FWien 3, 2000, 62–74; G. Buchinger/P. Mitchell/D. Schön, Das Palais Collalto – Vom Herzogshof und Judenhaus zum Adelspalast. ÖZKD 56/4, 2002, 402–419; P. Mitchell/D. Schön, Brunnen und Latrinen in historischen Wiener Profanbauten, ebd. 474–480; G. Buchinger/P. Mitchell/D. Schön, Katalog des Projektes Hausforschung in der Wiener Innenstadt im Jahr 2002. ÖZKD 56/4, 2002, 506–534; F. Opll, Schutz und Symbol. Zur Stadtbefestigung von Wien vom hohen Mittelalter bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. ÖZKD 64/1–2, 2010, 12–21; P. Mitchell, Die Hofburg als Festung (13.–16. Jahrhundert), ebd. 35–44. Materialvorlagen S. Felgenhauer-Schmiedt, Überblick über die mittelalterliche Keramik in Wien; Herstellungsmethoden der mittelalterlichen Keramik, Katalog. In: Keramische Bodenfunde aus Wien. Mittelalter – Neuzeit. Kat. Museen Stadt Wien (Wien o. J. [1982]) 20–24; 35–126; K. Tarcsay, Mittelalterliche und neuzeitliche Glasfunde aus Wien. Altfunde aus den Beständen des Historischen Museums der Stadt Wien. BeitrMAÖ Beih. 3 (Wien 1999); dies., Neue Erkenntnisse zum Spektrum des mittelalterlichen und neuzeitlichen Glases in Wien. FWien 5, 2002, 168–191; E. H. Huber/K. Kühtreiber/G. Scharrer, Die Keramikformen des Hoch- und Spätmittelalters im Gebiet der heutigen Stadt Wien sowie der Bundesländer Niederösterreich und Burgenland. Nearchos 12 (Innsbruck 2003) 43–86; K. Tarcsay, Zu den Rohstoffen und Rezepturen von Gläsern aus Wien – Materialanalytische Untersuchungen. FWien 8, 2005, 162–169; I. Gaisbauer, Mittelalterliche Keramik vom Wildpretmarkt im 1. Wiener Gemeindebezirk. FWien 9, 2006, 152–181; Handbuch zur Terminologie der mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik in Österreich. FÖMat A, Sonderh. 12 (Wien 2010). Forschungen zum Umland G. Pichler/A. Kaltenberger/M. Müller, Die Nikolaikapelle im Lainzer Tiergarten in Wien. WAS 4 (Wien 2002); M. Penz/G. Reichhalter, Beiträge zur mittelalterlichen Baugeschichte der Johanneskirche in Wien, Unterlaa. FWien 8, 2005, 170–195; G. Buchinger/P. Mitchell/D. Schön, Spätmittelalterliche Winzerhäuser im Wiener Umland. Zwei baugeschichtliche Fallbeispiele aus Grinzing und Klosterneuburg. BeitrMAÖ 22, 2006, 5–14; H. Krause/G. Reichhalter, „Die einzige Merkwürdigkeit des Dorfes ist die Kirche“ – Ein Beitrag zum „Burgenstandort Sievering“ und zur Baugeschichte der Sieveringer Pfarrkirche. FWien 9, 2006, 192–225; H. Krause, Mittelalterliche Burgen und Adelssitze im Wiener Raum. In: G. H. Jeute/J. Schneeweiß/C. Theune (Hrsg.), Aedificatio terrae. Beiträge zur Umwelt- und Siedlungsarchäologie Mitteleuropas. Festschrift für Eike GringmuthDallmer zum 65. Geburtstag. Internat. Arch. Stud. honoraria 26 (Rahden/Westf. 2007) 239–246; H. Krause/G. Reichhalter, Der „Perchhof“ zu Heiligenstadt. Ein klösterlicher Profanbau und Kleinadelssitz. FWien 12, 2009, 124–175. Neueste Ausgrabungen/Bauforschungen J. Offenberger/A. Geischläger, Alte Universität Wien. Kurzbericht über archäologische und bauanalytische Untersuchungen der Abteilung für Bodendenkmale des Bundesdenkmalamtes im Bereich der Alten Aula und des Kollegiumshofes. ÖZKD 56/4, 2002, 369–376; M. Krenn/P. Mitchell/J. Wagner, Wien 1 – Reitschulgasse 2, Stallburg. FÖ 44, 2005, 69 f.; M. Krenn/J. Wagner/P. Mitchell/M. Hinterwallner, Wien 1 – Salvatorgasse 12,

22 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Aufsätze

ebd. 70 f.; G. Buchinger/D. Schön/P. Mitchell, Wien 1 – Am Hof, ebd. 627–630; 644; M. Krenn/J. Wagner/P. Mitchell, Wien 1 – Salvatorgasse 12. FÖ 45, 2006, 74 f.; G. Buchinger/D. Schön/P. Mitchell, Wien 1 – Am Hof 12, ebd. 757–760; Th. Kühtreiber, Die Ausgrabungen in der Alten Universität in Wien [1997–2002] (unpubl. Diss. Univ. Wien 2006); M. Mosser, Wien 1, Wipplingerstraße 35. FWien 9, 2006, 302–307; M. Jandl/M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. FWien 11, 2008, bes. 29–31; M. Mosser, Wien 1, Am Hof 7–10, ebd. 340; S. Sakl-Oberthaler, Wien 1, Wipplingerstraße 33/Helferstorferstraße 17. FWien 12, 2009, 201–203 und 210 Abb. 1; M. Mosser, Wien 1, Am Hof 10, ebd. 203–205; I. Mader, Wien 1, Neutorgasse 4–8, ebd. 205–208; I. Gaisbauer/M. Mosser, Wien 1, Am Hof 10. FWien 13, 2010, 233–236.

Abb. 10: Die Stadtentwicklung Wiens im Mittelalter. (Plan: I. Gaisbauer/M. Mosser/L. Dollhofer)

23 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Der Status quo Wie in den vorangegangenen Kapiteln gezeigt wurde, ist die Aufnahme in den archäologischen Kataster der Stadtarchäologie Wien nicht für alle Phasen gleich weit fortgeschritten. Auch hier bedarf es einer Neubewertung der Altfunde und Befunde. Als nächste Ergänzung für das Internet-Portal „Wien Kulturgut“ ist geplant, die mittelalterliche Siedlungsentwicklung in drei groben Schritten darzustellen, nämlich den Beginn im 9./10. Jahrhundert, dann den „vorbabenbergischen“ Status und zuletzt die Ausdehnung innerhalb der von den Babenbergern errichteten Stadtmauer (Abb. 10). 52 Die archäologischen Forschungen zu Wien in der Neuzeit Die Einbeziehung neuzeitlicher Befunde in die archäologische Forschung ist erst in jüngster Zeit selbstverständlich geworden. Daher muss auch die Neuzeitarchäologie als junger Forschungszweig angesehen werden. Im Unterschied zum Mittelalter liegen für die Neuzeit umfangreichere Schrift- und Bildquellen vor. Auch das Stadtbild von Wien ist in dieser Zeit durch historische Stadtpläne und Ansichten bereits gut dokumentiert. Bodenarchäologie und Bauforschung werden jetzt in erster Linie eingesetzt, um jene Details zu dokumentieren, die durch schriftliche Quellen und historische Pläne sowie Ansichten nicht erschlossen werden können. Forschungsansätze Die Forschungsansätze für die Neuzeitarchäologie innerhalb einer sich stetig ausdehnenden Metropole wie Wien müssen notwendigerweise auf eine zusammenfassende Sicht ihrer historisch gewachsenen „Einzelbestandteile“, wie etwa ihren Befestigungssystemen (Stichwort Basteien, Linienwall), abzielen. Dieses Ziel kann auch für die Neuzeitarchäologie in der komplett verbauten Stadt nicht zur Gänze erreicht werden, bieten sich doch die Möglichkeiten für Ausgrabungen meist nur anlässlich von Bauvorhaben, auf deren Planung die Stadtarchäologie keinen Einfluss hat. Rein methodisch stellen sich im Zuge der Auswertung Fragen zur Bausubstanz, wie nach den Mauerwerksstrukturen und deren Datierung, nach den Bauphasen sowie der Einbeziehung älterer Bauteile in neuere Bauwerke. Dazu kommt die Notwendigkeit eines quellenkritischen Umganges mit dem Planmaterial. Darüber hinaus ergeben sich auch Fragen zur Nutzung von Räumen, die sich oft erst durch archäologische Ausgrabungen erschließt. Die umfangreiche Quellenlage erfordert eine verstärkte Zusammenarbeit mit Historikern und Archivaren. Für Fragestellungen wie jene nach offensichtlichen Landschaftsveränderungen und danach, ob diese durch den Menschen oder durch die Natur stattgefunden haben, wird in Zusammenarbeit mit Geologen oder Hydrobiologen nach Antworten gesucht. Auf diesem Gebiet haben sich 52 Eine vereinfachte Darstellung der mittelalterlichen Siedlungsentwicklung in Form von Karten sowie eine Darstellung der Entwicklungsstufen der mittelalterlichen Keramik liegen als Informationsmaterial dem „Mittelalterkoffer“, einem Vermittlungsprogramm der Stadtarchäologie speziell für Schulen, bei.

bereits zahlreiche Kooperationen der Stadtarchäologie Wien mit städtischen und staatlichen Institutionen, wie Archiven, Museen, Bibliotheken und Universitätsinstituten, entwickelt. Für besonders spektakuläre neuzeitliche Befunde wird außerdem zunehmend die Konservierung einiger erhaltenswerter Bereiche zum Thema (Stichwort

24 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Aufsätze

„Kulturelles Erbe“). Vonseiten der Stadtarchäologie werden unter Umständen entsprechende Vorschläge an die Bauherren herangetragen. Letzte Instanz für derartige Entscheidungen ist nach dem Gesetz das Bundesdenkmalamt. Der Beginn der Forschungen Bereits in den 1980er-Jahren gab es die ersten Ansätze neuzeitarchäologischer Forschungstätigkeit. So wurden im renaissancezeitlichen Schloss Neugebäude in Wien-Simmering bereits ab 1986 Grabungen der Stadtarchäologie und des Historischen Museums der Stadt Wien durchgeführt, die im Zusammenhang mit Revitalisierungskonzepten für das Gebäude und die Gärten standen (siehe auch Beitrag J. Groiß, 247 ff.). 53 Das erste Projekt der Stadtarchäologie, bei dem nicht nur umfangreiche neuzeitliche Befunde ausgegraben, sondern auch alle Perioden ausgewertet werden konnten, sind die Ausgrabungen der Jahre 1990/1991 am Michaelerplatz. 54 Ebenso umfassend aufgearbeitet wurden die neuzeitlichen Befunde der Ausgrabungen zwischen 1994 und 1998 und der Bauforschungen in den Jahren von 1998 bis 2001 im Schloss Kaiserebersdorf55 sowie die Untersuchungen in der Nikolaikapelle im Lainzer Tiergarten. Die aktuellen Forschungsschwerpunkte der Stadtarchäologie Wien Die Stadtbefestigung der frühen Neuzeit Bereits seit den 1980er-Jahren gerieten die „Basteien“ mehrmals ins Blickfeld der Stadtarchäologie. So wurden 1985 beim Bau der U3 im Bereich Stubentor ein Teil der Renaissancebefestigung (inklusive eines kurzen Abschnittes der mittelalterlichen Stadtmauer) freigelegt und Teile des neuzeitlichen Stubentores in die U3-Station „Stubentor“ integriert. Einen willkommenen Anlass zur Erforschung und zur „Erhaltung“ der Braunbastion lieferte die Umgestaltung des Palais Coburg zum Hotel „Palais Coburg“. Noch 1983 waren gleich nebenan große Teile der Braunbastion im Zuge der Errichtung des Hotels Marriott ohne archäologische Untersuchungen abgebrochen worden. 56 Im Jahr 2000 und nochmals im Jahr 2006 konnten ein Stück der Kurtine und ein großer Teil der Kasematten der Bastion archäologisch und bauhistorisch untersucht und dokumentiert werden. Schlussendlich wurden Teile der Kurtine sowie die restaurierten Kasematten in den Hotelbau integriert. Auf spektakuläre neue Grabungsergebnisse kann die Stadtarchäologie Wien in den letzten Jahren verweisen. Sie gelangen im Zuge einer Serie von Denkmalschutzgrabungen in der Innenstadt zwischen 2005 und 2008. Vom Herbst 2005 bis ins Frühjahr 2006 wurden anlässlich der Errichtung einer Tiefgarage in der Weihburggasse ein Teil der sog. Konterescarpe – also der Befestigungsmauer am äußeren Grabenrand – und überdies die Pfeiler der über den Graben in die Stadt führenden Karolinenbrücke dokumentiert (siehe Beitrag H. Krause, 32 ff.). 2006 traten im Zuge von Sanierungsarbeiten im bis heute als Theater genutzten Etablissement Ronacher sowohl Fundamente des Kaiserlichen Zeughauses als auch ein kurzes Teilstück der Kurtine zwischen Braunbastion

53 Die Ergebnisse sind bislang unpubliziert. Zu einer zusammenfassenden Darstellung mit Manuskript- und Literaturverzeichnis siehe: M. Wehdorn, Das Neugebäude. Ein Renaissance-Schloss in Wien. Perspektiven Sondernr. 2004 (Wien 2004). Ein Depot von französischen Flintensteinen wurde 2002 von Mitarbeitern der Stadtarchäologie und des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien untersucht: M. Penz/G. Trnka, Ein ehemaliges Flintensteindepot aus dem Schloss Neugebäude in Wien. FWien 7, 2004, 234–244; H. Krause, Schloss Neugebäude. In: Krause et al. (Anm. 42) 41–46. 54 Siehe auch Anm. 25. 55 Siehe auch Anm. 42. 56 Die Fotodokumentation der Abbrucharbeiten befindet sich im Archiv der Stadtarchäologie Wien.

25 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

und Wasserkunstbastion zutage (Abb. 11). 2005/2006 und 2008 kam es dann im Zuge von Hausneubauten direkt neben der Börse in der Wipplingerstraße und in der Neutorgasse wieder zu Denkmalschutzgrabungen, bei denen bedeutende Teile der Elendbastion und der Neutorbastion freigelegt werden konnten. 57 Auch von der späteren zweiten Befestigungsanlage, dem Linienwall, konnte im Jahr 2010 ein Abschnitt im Bereich Wildgansplatz (Wien 3) dokumentiert werden (siehe Beitrag I. Mader, 246 f.). Zum aktuellen Stand der Forschungen muss erwähnt werden, dass außer den laufenden Auswertungsprojekten in nächster Zeit auch die Einbindung der oben aufgezählten Grabungsergebnisse im Bereich der Stadtbefestigung in den archäologischen Kataster des Vienna-GIS als Planungsgrundlage für weitere Bauprojekte vorgesehen ist (Stichwort „Denkmalpflegerisches Anliegen der Stadtarchäologie“)58. Adelssitze Hier ist nochmals die Arbeit am Projekt „Burgeninventar Wien“ der Stadtarchäologie hervorzuheben, soweit die ErAbb. 11: Strebemauer der renaisssancezeitlichen Stadtmauer, freigelegt bei der Grabung Wien 1, Ronacher. (Foto: I. Mader)

gebnisse in die Neuzeit hineinreichen (siehe oben Mittelalter, Forschungen im Umland).

Friedhöfe Einblicke in einen ganz anderen Bereich der frühneuzeitlichen Lebenswelt wurden in den letzten Jahren durch die Untersuchungen mehrerer neuzeitlicher Friedhöfe möglich. Bei Friedhofsgrabungen arbeiten die Teams der Stadtarchäologie Wien grundsätzlich mit Anthropologen zusammen, um bei der Aufarbeitung auch Fragestellungen in Richtung Sozialanthropologie beantworten zu können. Zu erwähnen sind hier der Friedhof rund um die Pfarrkirche St. Peter und Paul 57 Die monographischen Vorlagen der Grabungskampagnen im Bereich der Elend- und der Neutorbastion sind in Vorbereitung. Eine zusammenfassende Darstellung bieten: H. Krause/G. Reichhalter/I. Gaisbauer/I. Mader/ S. Sakl-Oberthaler/Ch. Ranseder, Mauern um Wien. Die Stadtbefestigung von 1529 bis 1857. WA 6 (Wien 2009) und I. Mader, Wien vor dem Fall der Mauern – ein Überblick. FWien 13, 2010, 4–19. 58 Siehe Anm. 3. 59 Schon in den 1980er-Jahren wurde ein Massengrab mit Kinderbestattungen bei Ausgrabungen im Umfeld der Jakobskirche in Wien 19, Heiligenstadt aufgedeckt (H. Krause/G. Reichhalter, Der „Perchhof“ zu Heiligenstadt. Ein klösterlicher Profanbau und Kleinadelssitz. FWien 12, 2009, 167 Anm. 3).

in Wien 11, Münnichplatz und der Friedhof der ehemaligen Pfarrkirche St. Andreas in Wien-Hütteldorf. 59 In den frühen 2000er-Jahren bot sich anlässlich mehrerer Tiefgaragebauten in Parkanlagen die Gelegenheit, einige ehemalige Kommunalfriedhöfe zu untersuchen. Darunter waren der ehemalige Währinger Ortsfriedhof im Schubertpark, der Allgemeine Währinger Friedhof im Währinger Park und ein Teil des ehemaligen Friedhofs auf der Schmelz im Märzpark (15. Bezirk), sämtlich Friedhofsanlagen des 18. und 19. Jahrhunderts. Im Frühjahr 2005 wurde im Hof des Gymnasiums Wien VI, Marchettigasse ein Teil des zum Militärspital von Gumpendorf gehörenden Friedhofs (Belegungszeit 1769–1784) ausgegraben. In den Jahren 2005 und 2006 fanden in Wien 9, Sensengasse ebenfalls ausgedehnte Denkmalschutzgrabungen statt. Diesmal wurden im Umfeld des Alten Allgemeinen Krankenhauses, einem Areal, das seit Jahrhunderten für Spitäler und Friedhöfe genutzt wurde,Teile dreier Friedhöfe freigelegt. Es handelte

26 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Aufsätze

Abb. 12: Überblick über die Grabung Wien 17, St.-Bartholomäus-Platz. (Foto: E. Pichler)

sich dabei um den „Bäckenhäusel Gottesacker“ (1665–1784), den zum „Spanischen Spital“ gehörigen Friedhof (1717–1784) und um den „Neuen Schottenfriedhof“ (Belegungszeit 1765–1784). Im Mai 2008 wurde anlässlich eines Lifteinbaues in der Zollergasse eine Denkmalschutzgrabung notwendig, bei der sechs Gräber des ehemaligen Friedhofes zu St. Ulrich im heutigen 7. Bezirk (1590–1783) freigelegt werden konnten. Zuletzt ist hier die im Herbst 2009 durchgeführte Ausgrabung am St.-Bartholomäus-Platz in Wien 17 zu nennen. Dort wurden vor der Sanierung des Kirchenplatzes der seit dem Barock bestehenden Kalvarienbergkirche ca. 300 Bestattungen des Friedhofs der ehemaligen Pfarrkirche Hernals (14. Jahrhundert bis 1785) geborgen. Dieser Friedhof befand sich seit dem Mittelalter an der Stelle des heutigen St.-Bartholomäus-Platzes (Abb. 12–13). Industriearchäologie Auch zum Thema „Industriearchäologie“ haben Grabungen der Stadtarchäologie in den letzten Jahren interessante Ergebnisse gebracht. Im Sommer 2005 fand etwa eine archäologische Untersuchung auf dem Gelände der ehemaligen Brauerei Hernals statt. Für die jüngste Zeit hervorzuheben sind auch die Grabungskampagnen 2009/2010 auf mehreren Bauplätzen des neuen Stadtentwicklungsgebietes „Eurogate“, auf den sog. Aspanggründen im 3. Bezirk. Neben antiken Strukturen im Randbereich der römischen Zivilstadt (siehe Römerzeit) wurde dort vor allem ein Teil des jüngeren Hafenbeckens des Wiener Neustädter Kanals und sein Gerinne selbst dokumentiert (Abb. 14). Außerdem wurde ein Abschnitt des Bahnhofgebäudes des früheren Aspangbahnhofes mit den dazugehörenden infrastrukturellen Einrichtungen wie Lokomotivendrehscheiben, Wagenremise und Stellwerk sowie Wasserturm ausgegraben (siehe Beitrag W. Chmelar/M. Mosser/S. Jäger-Wersonig, 237 Abb. 1).

27 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Abb. 13: Bestattungen im Friedhof der ehemaligen Pfarrkirche Hernals,Wien 17. (Foto: H. Krause)

Schlachtfeldarchäologie Großflächige Vorsondierungen der Stadtarchäologie Wien für die Errichtung der U2-Verlängerung ins ehemalige Asperner Flugfeld haben zu Beginn des Jahres 2011 einen Beitrag zur Spezialdisziplin „Schlachtfeldarchäologie“ geleistet. Dort konnten zwei Massengräber mit Soldaten aufgedeckt werden, die in der Schlacht von Aspern gegen Napoleon 1809 gefallenen waren (siehe Beitrag S. Sakl-Oberthaler, 258 ff.). Weitere Relikte dieser Schlacht kamen auch bei den Grabungen 2010 im Rahmen des Stadterweiterungsprojektes „Seestadt Aspern“ am Flugfeld zutage. 60 Projekte anderer Institutionen zur Neuzeitarchäologie in Wien Abschließend sollen einige wichtige Tätigkeitsfelder und Projekte anderer Institutionen zum Thema Neuzeitarchäologie bzw. aus deren Umfeld herausgegriffen werden. Zum Thema Bauforschung ist auch für das neuzeitliche Wien das Bundesdenkmalamt federführend. 61 Hier müssen nochmals zwei bereits im Kapitel „Mittelalter“ angesprochene bodenarchäologische Projekte des Bundesdenkmalamtes erwähnt werden: Gemeint sind die Ausgrabungen zwischen 1997 und 2002 in der Alten Universität Wien und die beiden Kampagnen 2004/2005 in der Stallburg der Wiener Hofburg. In der Alten Universität Wien wurden nachmittelalterliche Ein- und Umbauten bis zur Entstehung des Jesuitenkollegs ab 1623 dokumentiert. Die Grabungen in der Stallburg erbrachten Einbauten, Brunnen, Wasserleitungskanäle und Fundamente von der Barockzeit bis ins 19./20. 60 Die Auswertung der Befunde und Funde soll in Form einer Aufsatzserie in „Fundort Wien“ vorgelegt werden. 61 Zu den einzelnen Projekten siehe die Jahresberichte der Abteilung für Bodendenkmale in den FÖ. 62 Die Abschlusspublikation ist in Vorbereitung.

Jahrhundert. 62 Das jüngste Projekt des Bundesdenkmalamtes waren die archäologischen Untersuchungen anlässlich der Abbrucharbeiten des Wiener Süd-/Ostbahnhofes im Frühjahr 2010. Für den Bau des neuen Hauptbahnhofes Wien mussten die imposanten Baureste der älteren Bahnhofsbauten weichen und darüber hinaus konnte ein Teil des Matzleinsdorfer Friedhofes dokumentiert werden.

28 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Aufsätze

Abb. 14: Hafenbecken des Wiener Neustädter Kanals. Grabung Wien 3, Aspanggründe. (Foto: N. Piperakis)

Auch das im Kapitel zum Mittelalter erwähnte Forschungsprojekt zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg ist hier neuerlich anzuführen. 63 Einen gänzlich anderen Ansatz hat ein interdisziplinäres Projekt, das die Umweltgeschichte des Wiener Donauabschnittes von 1500 bis ins 19. Jahrhundert zum Thema hat. Es wird derzeit von Wissenschaftlern der Universität für Bodenkultur Wien in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Umweltgeschichte durchgeführt. 64 Ebenfalls mit der Donau im Wiener Raum – konkret mit der Entwicklung der Donauregulierung von ihren Anfängen im 16. bis ins 20. Jahrhundert – befasste sich der bereits 1996 von einem Stadtraumplaner und einem Wasserbauingenieur der Wiener Stadtverwaltung fertiggestellte „Donauatlas“. Ebenso hier genannt werden soll – last but not least – der „Historische Atlas von Wien“. Dabei handelt es sich um ein vom Wiener Stadt- und Landesarchiv gemeinsam mit dem Verein für Geschichte der Stadt Wien und dem Ludwig Boltzmann Institut für Stadtgeschichtsforschung herausgegebenes Kartenwerk. Es wird seit 1981 in bislang 13 Lieferungen publiziert und dabei ständig erweitert. Der Historische Atlas besteht aus zahlreichen historischen und thematischen Karten sowie zusätzlichen Kommentarbänden. 65 Der thematische Zusammenhang mit der Archäologie besteht darin, dass seine Karten unter anderem als Informationsquellen bei der Vorbereitung von Ausgrabungen nützlich sind. Andererseits fließen die Erkenntnisse der stadtarchäologischen Forschungen letztlich wieder in diverse Karten des Historischen Atlas ein. Dasselbe gilt für den Österreichischen Städteatlas, der auch einen Teil zu Wien enthält. 66 Er ist ein historisch-topographisches Kartenwerk, ergänzt durch wissenschaftliche Kommentare und Karten zur Siedlungsentwicklung.

63 Siehe Anm. 48. 64 FWF-Projekt „Umweltgeschichte der Wiener Donau 1500–1890“, Leitung: Verena Winiwarter. 65 Detaillierte Informationen unter www. wien.gv.at/kultur/archiv/kooperationen/lbi/ wienatlas/index.html (25.5. 2011). 66 Österreichischer Städteatlas. Wien. 1. Lfg. (Wien 1982).

29 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Ausblick Der hier präsentierte Überblick sollte zeigen, wo die stadtarchäologische Forschung in Wien heute steht, welche Fortschritte gemacht wurden und welche Desiderate noch immer vorhanden sind. Daraus wurde auch deutlich, dass die Themengebiete für moderne stadtarchäologische Forschungen stetig vielfältiger und damit komplexer werden. Abgesehen von dem mehrere historische Epochen umfassenden Aufgabengebiet wird auch dem Bereich der Vermittlung neben der wissenschaftlichen Auswertung der Ausgrabungsergebnisse heute immer größere Bedeutung beigemessen. Erste und wichtigste Quelle für die Bodenarchäologie in verbautem Gebiet ist nach wie vor die Ausgrabung. Die wohl größte Herausforderung für die Archäologen in der Stadt sind die Rettungsgrabungen, die infolge von Bauvorhaben hier die Regel und nicht die Ausnahme sind. Das heißt, weder Ort noch Zeitpunkt können von den Institutionen selbst beeinflusst werden, zusätzlich ist auch der Zeitrahmen für die Untersuchungen meist sehr knapp gehalten. Glücklicherweise ermöglichen ständig verbesserte Hilfsmittel immer effizientere Arbeitsabläufe bei der Dokumentation und der Archivierung archäologischer Funde und Befunde, angefangen von der Ausgrabungsvorbereitung über die Auswertung bis hin zur Vermittlung. Die Kunst liegt wohl darin, in diesem Spannungsfeld zwischen den meist wirtschaftlichen Sachzwängen einerseits und den berechtigten Wünschen nach Wissenschaftlichkeit andererseits, eine für alle Beteiligten befriedigende Lösung zu finden. Hier ist vor allem Beharrlichkeit gefragt und auch die Fähigkeit, den Überblick über das Ganze nicht zu verlieren. Publikationen zu Wien in der Neuzeit (Auswahl) Michaelerplatz, Ausgrabungen 1990/1991 H. Krause, Von der Straßenkreuzung zum Platz – Die Geschichte des Michaelerplatzes vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. FWien 10, 2007, 4– 42; H. Krause/G. Reichhalter/S. Sakl-Oberthaler, Neuzeitliche Befunde der Grabungen Wien 1, Michaelerplatz (1990/1991). FWien 11, 2008, 86– 131; C. Litschauer, Das neuzeitliche Münzspektrum aus den Grabungen Wien 1, Michaelerplatz (1990/1991), ebd. 132–143; A. Kaltenberger, Die neuzeitliche Keramik aus den Grabungen Wien 1, Michaelerplatz (1990/1991), ebd. 144– 240; R. Sauer, Untersuchung von Farbspuren an neuzeitlichen Gefäßen aus den Grabungen Wien 1, Michaelerplatz (1990/1991), ebd. 242–245; K. Tarcsay, Die neuzeitlichen Glasfunde aus den Grabungen Wien 1, Michaelerplatz (1990/1991), ebd. 246– 310; A. R. Hassl, Austernschalen und Schildpatt – Hinterlassenschaften eines gehobenen Lebensstils in den „Stöckl“-Häusern am Wiener Michaelerplatz, ebd. 312–316; Autorenteam Michaelerplatz, Neuzeit, Zusammenfassende Analyse der neuzeitlichen Befunde der Grabungen Wien 1, Michaelerplatz, ebd. 318–321; A. Kaltenberger, Neuzeitliche Keramikfunde aus den Grabungen Wien 1, Michaelerplatz (1990/1991) – Teil 2. FWien 13, 2010, 158–221. Nikolaikapelle und Schloss Kaiserebersdorf G. Pichler/A. Kaltenberger/M. Müller, Die Nikolaikapelle im Lainzer Tiergarten in Wien. WAS 4 (Wien 2002); M. Müller et al., Die archäologischen und bauhistorischen Untersuchungen im Schloss Kaiserebersdorf. MSW 3/I–II (Wien 2008). Stadtbefestigung Stubentor: H. Liebsch/R. Pohanka, Der „Maulwurf“ als Archäologe. Das alte Stadttor – ein Teil der U-Bahn-Station Stubentor3 (Wien 1985); R. Pohanka, Die archäologischen Untersuchungen entlang der Linie U3. In: W. J. Hinkel (Hrsg.), Die U-Bahn-Linie U3 1981–1997 (Wien 1991) 69–72. – Braunbastion: O. Harl, Wien 1 – Parkring. FÖ 22, 1983, 342; E. H. Huber, Wien 1, Seilerstätte 1–3 (Palais Coburg). FWien 4, 2001, 264 f.; K.-P. Högel, Geschichte und Entwicklung der Renaissancefestung Wien, unter besonderer Berücksichtigung der Braunbastion. In: K.-P. Högel/R. Kurdiovsky (Hrsg.), Das Palais Coburg (Wien 2003) 26–47; E. H. Huber, Wien 1 – Coburgbastei. FÖ 45, 2006, 772 f. – Etablissement Ronacher: I. Mader, Bericht über die archäologischen Untersuchungen im Etablissement Ronacher 2006/2007. FWien 11, 2008, 56–73; I. Gaisbauer, Ein Pfeifentonfigürchen aus der Grabung im Ronacher in Wien, ebd. 74–84. – Elendbastion: M. Mosser, Wien 1, Wipplingerstraße 35. FWien 9, 2006, 302–307; ders., Wien 1, Hohenstaufengasse 12. FWien 10, 2007, 242–244; S. Sakl-Oberthaler, Wien 1, Wipplingerstraße 33/Helferstorferstraße 17. FWien 12, 2009, 209–212. – Neutorbastion: I. Mader, Wien 1, Neutorgasse 4–8. FWien 12, 2009, 205–208.

30 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

S. Sakl-Oberthaler, Stadtarchäologische Forschungen in Wien

Aufsätze

Friedhöfe E. H. Huber, Wien 11, Münnichplatz. FWien 3, 2000, 213 f.; dies., Wien 18, Währinger Straße – Schubertpark. FWien 5, 2002, 296–299; C. P. Huber/K. Traunmüller, Wien 18, Währinger Straße – Schubertpark. FWien 6, 2003, 262–264; dies., Wien 18, Franz-Klein-Gasse – Währinger Park, ebd. 266–268; E. H. Huber, Wien 15, Märzpark, ebd. 259 f.; N. Müllauer, Geschichte und Archäologie der Pfarrkirche St. Andreas in Wien Hütteldorf. Interdisziplinäre Forschungen zur Entwicklung der Wiener Vororte vom 13. bis zum 19. Jahrhundert (unpubl. Dipl. Univ. Wien 2003); M. Binder/M. Mosser, Ein Militärfriedhof der Barockzeit und ein Beitrag zur Geschichte von Gumpendorf – Grabungen im Innenhof des Bundesrealgymnasiums Wien VI, Marchettigasse 3. FWien 9, 2006, 226–247; M. Binder, Der Soldatenfriedhof in der Marchettigasse in Wien. Die Lebensbedingungen einfacher Soldaten in der theresianisch-josephinischen Armee anhand anthropologischer Untersuchungen. MSW 4 (Wien 2008); C. Litschauer/Th. Pototschnig, Ein neuzeitliches Bestattungsareal im Bereich der Sensengasse in Wien 9. FWien 12, 2009, 4–41; I. Gaisbauer, Gefäßkeramisches Material aus ausgewählten Befunden der Grabungen Wien 9, Sensengasse 1–3, ebd. 42–78; M. Gebetsroither/K. Großschmidt, Anthropologische Grundbestimmungen und ausgewählte Pathologien aus den drei neuzeitlichen Friedhöfen der Grabungen Wien 9, Sensengasse 1–3, ebd. 80–102; M. Binder/H. Krause, Der ehemalige Friedhof zu St. Ulrich in Wien-Neubau. Ausgrabung Zollergasse 32. FWien 13, 2010, 114–144; H. Krause, Wien 17, St.-Bartholomäus-Platz, ebd. 240–246. Industriearchäologie – Wiener Neustädter Kanal und Brauerei Hernals S. Sakl-Oberthaler, Die archäologische Betreuung der U3-Baustelle in Wien, Simmering. FWien 1, 1998, 104 f.; E. H. Huber, Wien 3, Aspangbahnhof. FWien 2, 1999, 165 f.; dies., Wien 3, Aspangbahnhof. FWien 4, 2001, 270 f.; Ch. Öllerer, Wien 3, Obere Bahngasse 2–4, ebd. 271 f.; H. Krause, Wien 17, Parhamerplatz/Ortliebgasse 17. FWien 8, 2005, 231 f.; H. Krause/M. La Speranza, Wien 17, Ortliebgasse 17/ehemaliges Brauhaus zu Hernals. FWien 9, 2006, 316–319; M. Müller, Vom Wiener Neustädter Kanal zum Aspangbahnhof. Ausgrabungen in Wien 3, Aspanggründe. FWien 13, 2010, 146–156. Schlachtfeldarchäologie – Ausgrabungen Aspern M. Penz, Wien 22, Aspern – ehemaliges Flugfeld. FWien 13, 2010, 224–226. Externe Projekte – Kooperationen Historischer Atlas von Wien. 1.–13. Lfg. (Wien 1981–2010); M. Krenn/P. Mitchell/J. Wagner, Wien 1 – Reitschulgasse 2, Stallburg. FÖ 43, 2004, 78; dies., Wien 1 – Reitschulgasse 2, Stallburg. FÖ 44, 2005, 69 f.; Th. Kühtreiber, Die Ausgrabungen in der Alten Universität in Wien [1997–2002] (unpubl. Diss. Univ. Wien 2006); P. Mohilla/F. Michlmayer, Donauatlas Wien. Geschichte der Donauregulierung auf Karten und Plänen aus vier Jahrhunderten (Wien 1996); Ch. Blesl et al., Zeitschienen II. Der Südbahnhof in Wien. FÖMat A, Sonderh. 13 (Wien 2010); Wiener Stadt- und Burgbefestigung. ÖZKD 64/1–2, 2010 (Tagungsbericht mit Hinweisen auf demnächst erscheinende Publikationen zum Thema und weiterführender Literatur zur Hofburg).

31 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien. Die Grabung Wien 1, Weihburggasse Heike Krause Einleitung Die Errichtung einer Tiefgarage unter der Weihburggasse zwischen den Querstraßen Schellinggasse und Parkring erforderte vom Herbst 2005 bis zum Frühjahr 2006 eine archäologische Baubegleitung durch die Stadtarchäologie Wien. Anhand des georeferenzierten Franziszeischen Katasterplans von 1830 in Überlagerung mit der aktuellen Mehrzweckkarte der Stadt Wien war bereits im Vorhinein absehbar, dass man an dieser Stelle Reste der Wiener Stadtbefestigung vorfinden würde. Das von den Bauarbeiten betroffene Areal liegt im Bereich des ehemaligen Stadtgrabens der Festung Wien. Hier befand sich bis zu seiner Planierung 1862 bis 1863 eine seit 1817 bestehende Fußgängerbrücke, die den Zugang zum Wasserglacis (heute Stadtpark) von der Innenstadt über das Karolinentor erleichterte. Nahe der Einmündung der Hegelgasse in die Weihburggasse kamen noch gut erhaltene Mauerreste der Kontereskarpe (äußere Grabenfuttermauer), an sie anschließende unterirdische Räume, Reste zweier Stiegenaufgänge und ein Gang zutage. Der im Herbst 2005 in Angriff genommene erste Bauabschnitt betraf den Bereich des Stadtgrabens der frühneuzeitlichen Befestigung zwischen der Schellinggasse und der Hegelgasse, der zweite und dritte Bauabschnitt – von Jänner bis Anfang Oktober 2006 – den Bereich des Glacis, der Kontereskarpe und des östlichen Teils des Stadtgrabens zwischen Parkring und Hegelgasse. Die ar1 H. Krause, Wien 1 – Weihburggasse. FÖ 44, 2005, 646 f.; dies., Wien 1, Weihburggasse 28–32. FWien 9, 2006, 308–310; H. Krause/ Ch. Reisinger, Wien 1 – Weihburggasse. FÖ 45, 2006, 774 f.; dies., Wien 1, Weihburggasse 28–32. FWien 10, 2007, 248–251 sowie H. Krause, Stadtgraben und Karolinentor. Die Ausgrabung Weihburggasse 28–32. In: Krause et al. 2009, 50–65. 2 Mein Dank gilt v. a. Christian Reisinger, der die Grabung des 3. Bauabschnittes leitete, sowie Gerhard Reichhalter, Martin Mosser, Christoph Öllerer, Martin Penz und Werner Chmelar für die Mitarbeit bei zum Teil „arktischen“ Temperaturen; Eleni Eleftheriadou, Ingrid Mader und Johannes Groiß für ihre Unterstützung bei der Baubeobachtung; Planbearbeitung: Christian Reisinger, Gerhard Reichhalter und Lotte Dollhofer; Fundzeichnungen: Ursula Eisenmenger-Klug, Gerhard Reichhalter. 3 H. Trimmel, Die Lage Wiens. In: Naturgeschichte Wiens 1 (Wien, München 1970) 23 f. 4 S. Grupe/Ch. Jawecki, Geomorphodynamik der Wiener Innenstadt. FWien 7, 2004, 25.

chäologische Untersuchung fand unter großem Zeitdruck parallel zum Bauaushub statt. Daher war es unmöglich, eine Schichtengrabung durchzuführen. Die baulichen Überreste konnten ausreichend, die Erdschichten jedoch nur in wenigen Profilen dokumentiert werden. Erste kurze Fundberichte sind bereits publiziert. 1 Mit diesem Aufsatz sollen nun die Grabungsergebnisse in ausführlicher Form vorgelegt werden (siehe auch Beiträge I. Gaisbauer, 72 ff., K. Tarcsay, 126 ff. und S. Czeika, 136 ff.). 2 Topographie und Geologie Das Grabungsareal liegt zwischen der Stadt- und Praterterrasse in der Zone der rezenten Talsohle (Holozän) des in die Donau bzw. heute in den Donaukanal entwässernden Wienflusses (Abb. 1). 3 Der Wienfluss ist der Hauptfluss des Wienerwaldes, der bis zur Regulierung wegen seiner verheerenden Hochwasser gefürchtet war. Offenbar blieben weite Flächen innerhalb des Wientales „aufgrund der spezifischen Abflussdynamik der Wienerwaldbäche der Retention vorbehalten und somit frei von Siedlungstätigkeit“. 4 Johann Pezzl beschreibt den Wienfluss 1786 als „ungebärdige[s] Flüßchen“, das der Stadt bisher mehr Schaden als Vorteil gebracht habe. Zu den Vorteilen zählte die Nutzung des Wassers durch Wäscherinnen, für Mühlen

32 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Aufsätze

und als Pferdeschwemme. 5 Erst zwischen 1895 und 1902 wurde der Wienfluss reguliert, das Terrain bis zu 15 m angehoben und somit das Wiental im Stadtbereich komplett umgestaltet. 6 Es ist jedoch anzunehmen, dass es im Zuge der Errichtung der frühneuzeitlichen Stadtbefestigung, insbesondere der Anlage des Stadtgrabens und der davor befindlichen Glaciszone, bereits zu Abtragungen bzw. möglichen gleichzeitigen Anschüttungen und Geländeerhöhungen kam. Bislang sind keine archäologischen Siedlungsbefunde aus dem Bereich des stadtnahen Wientals rund um den Parkring zutage getreten. Historische Überlieferung und Entwicklung des Areals um die Weihburggasse Die mittelalterliche Bebauung und Stadtbefestigung im Bereich der Seilerstätte Im hohen Mittelalter wurde die Stadt erweitert und mit einer neuen Stadtmauer mit Türmen und vorgelagertem Graben versehen. Mit dem Lösegeld für die Freigabe des englischen Königs Richard Löwenherz aus der österreichischen Gefangenschaft im Jahr 1193 waren offenbar finanzielle Mittel verfügbar, um dieses kostspielige Vorhaben umzusetzen. Danach umfasste die Stadt ein weitaus größeres Gebiet als zuvor. Der Verlauf dieser mittelalterlichen Stadtmauer (Abb. 2) lässt sich in unserem Areal annähernd rekonstruieren, und zwar mit Hilfe des Planes von Bonifaz Wolmuet aus dem Jahr 1547 und des Planes von Joseph Daniel (?) Huber um 1770 sowie aufgrund der auf der Stadtmauer gründenden Baulinien im Bereich der Seilerstätte. Auffällig ist der ein- und ausschwingende Verlauf

Abb. 1: Talsohle der Donau und ihrer Zubringer aufgrund hydrogeologischer Bearbeitung der Wiener Gewässer Management GmbH (WGM) im Auftrag der MA 45 – Wiener Gewässer sowie unter Berücksichtigung morphologischer Daten und historischer Pläne. (Plan: WGM 2011)

des südlichen Abschnittes im Bereich der Seilerstätte. Dieser dürfte mit dem seichten Hang der rezenten Talsohle des Wienflusses korrespondieren, der hier wohl ebenfalls einen geschwungenen Verlauf hatte (vgl. Abb. 1). Die Stadtmauer war offenbar auf der Stadtterrasse, also oberhalb der Talsohle des Wienflusses errichtet worden. Der durch die Grabung Weihburggasse betroffene Bereich lag unmittelbar vor der Stadt, außerhalb der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Die Weihburggasse beginnt bei der Kärntner Straße und reichte im Mittelalter nur bis zur Seilerstätte. Erstmals ist für 1234 eine Gegend – also keine Straße –, die Wihpurch genannt wird, überliefert. 7 Die Bedeutung dieses Namens ist nicht geklärt. Vermutet wird, dass sich dieser auf eine „ummauerte Vorstadtsiedlung des 12. Jahrhunderts“ mit der Herleitung des Namens von „Wih“, „Wich“, „Weichbild“ (Umkreis der Stadt), und zwar vor der Zeit der Stadterweiterung um bzw. nach 1200, beziehe. 8 Richard Perger schrieb 1967/69 von einer ursprünglichen Einheit dreier Höfe, die sich aus dem auffälligen Grundriss der Parzellierung bzw. Bebauung in der Weihburggasse erkennen lasse. Dieser

5 S. Békési, Die Metamorphosen des Wienflusses. Zur Geschichte der Vergesellschaftung von Natur am Beispiel eines städtischen Gewässers. JbVGW 66, 2010, 37–61 bes. 38. 6 Grupe/Jawecki (Anm. 4) 25 f. 7 K. Lohrmann/F. Opll, Regesten zur Frühgeschichte von Wien. Forsch. u. Beitr. Wiener Stadtgesch. 10 (Wien, München 1981) 131 Nr. 511. 8 R. Perger, Straßen, Türme und Basteien. Das Straßennetz der Wiener City in seiner Entwicklung und seinen Namen. Ein Handbuch. Forsch. u. Beitr. Wiener Stadtgesch. 22 (Wien 1991) 154 s. v. Weihburggasse, Anm. 1: Burg in der Bedeutung für ummauerte Siedlung und Wih evtl. für Weichbild, Umkreis der Stadt.

33 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Abb. 2: Rekonstruktion des Verlaufs der mittelalterlichen Befestigung im Umfeld der Weihburggasse anhand der Pläne von Bonifaz Wolmuet (1547) und Joseph Daniel (?) Huber (1770). (Plan: M. Mosser)

9 R. Perger, Die Grundherren im mittelalterlichen Wien. III. Teil. JbVGW 23/25, 1967/ 1969, 16 f. 10 P. Csendes, Das Werden Wiens – Die siedlungsgeschichtlichen Grundlagen. In: P. Csendes/F. Opll (Hrsg.), Wien. Geschichte einer Stadt 1: Von den Anfängen bis zur Ersten Türkenbelagerung [1529] (Wien, Köln, Weimar 2001) 70. 11 F. Opll, Die Entwicklung des Wiener Raumes bis in die Babenbergerzeit. JbVGW 35, 1979, 32 und Anm. 140 und 141. 12 Siehe dazu Krause et al. 2009. 13 G. Reichhalter/H. Krause, Der Ausbau der Stadtbefestigung Wiens. In: Krause et al. 2009, 33. 14 A. Camesina, Urkundliche Beiträge zur Geschichte Wien’s im XVI. Jahrhundert (Wien 1881) 55 Nr. V. 15 Auf einem Plan der Stadt Wien von 1680 (ÖStA, KA, KPS, Kartensammlung KVIIe 1523 E) ist sie als Praum Basstey bezeichnet.

weiche von dem sonstigen recht regelmäßigen System der anderen Seitengassen ab, und zwar dort, wo jene Höfe von der Ballgasse und der Blumenstockgasse umschlossen werden. Daher müsse hier von einer Besiedlung ausgegangen werden, die bereits vor der Stadterweiterung existierte. 9 Peter Csendes sieht in der Weihburg einen befestigten Hof. 10 Ferdinand Opll hält die Interpretation des Namens „Weihburg“ im Sinne einer Wik-/Kaufmannsiedlung aufgrund seiner späten Nennung – noch dazu im österreichischen Raum, aus dem solche Nennungen sonst unbekannt sind – für wenig zutreffend. Die Herleitung vom Worte wîhen (weihen) sei wahrscheinlicher, vor allem in Zusammenhang mit den in diesem Viertel zahlreich vertretenen Klöstern. 11 Archäologische Funde und Befunde aus dieser Zeit liegen jedoch nicht vor, so dass diese Thesen derzeit nicht verifiziert bzw. falsifiziert werden können. Die frühneuzeitliche Stadtbefestigung im Umfeld der Weihburggasse Nach der Ersten Türkenbelagerung im Jahr 1529 erfolgte der Ausbau Wiens zur Festung. 12 Dadurch wurde das unmittelbar südöstlich der Seilerstätte befindliche Areal – zwischen Wasserkunst- und Braunbastion gelegen – in die

34 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Aufsätze

frühneuzeitliche Befestigung miteinbezogen. Ein neuer breiter Stadtgraben wurde angelegt, vor dem sich das Glacis – das unbebaute Schussfeld vor einer Festung – erstrecken und somit gemeinsam mit dem Wienfluss die Stadt und die Vorstädte voneinander trennen sollte. Schon 1531 wurde befohlen, die Vorstadt beim Stubentor abzubrechen, um das Glacis zu schaffen. 13 Zugleich beschäftigte man sich mit der Frage, wo die Gewerbetreibenden wie Lederer, Kotzenmacher, Weißgerber, Fischer, Hauer und Gärtner, die Fließwasser für die Ausübung ihres Berufes benötigen und nicht in der Stadt untergebracht werden können, angesiedelt werden sollten. Man schlug vor, sie mögen sich an der Scheffstraße, am stadtseitigen Ufer der Wien zwischen Stubentor und Donau, niederlassen, wo sie Holzbauten errichten durften. 14 Die Braunbastion Unmittelbar nordöstlich unseres Grabungsareals wurde die Braunbastion15 wohl anstelle der 1538 entstandenen

Abb. 3: Die Festungsanlagen um die südöstliche Stadthälfte Wiens. Ausschnitt aus dem Plan von Nicolò Angielini (zugeschrieben), um 1560/70. (ÖNB Bildarchiv, Sign. E 21.267-C/D)

Wasenbastei16 errichtet und 1555 fertiggestellt. 17 1863 brach man die Bastion ab. An ihrer Stelle fanden die Anlagen der „k. k. Wiener Gartenbau-Gesellschaft“ ihren Platz. Das darauf befindliche Gebäude wurde bis auf seinen Mitteltrakt 1913 abgerissen, 1919 wurde darin das Gartenbaukino eingerichtet. 1959 kam es zur vollständigen Demolierung.

18

Bei der darauf-

folgenden Errichtung eines Hotel- und Bürohauses traf man auf umfangreiche Mauerpartien der Braunbastion, die bei ihrem Abbruch 1863 im Boden verblieben waren. 19 Die Face der Braunbastion trat beim Bau des „Vienna Marriott Hotel“ (Parkring 12A) im Jahr 1983 zutage. Sie wurde damals vor ihrem Abbruch nur fotografisch dokumentiert (Abb. 4). 20 Ein Teil der Kasematten der Braunbastion ist unter dem Palais Coburg erhalten und in das 2003 eröffnete Hotel gleichen Namens miteinbezogen worden. 21 Während der vorausgegangenen Bauarbeiten wurde in der Nordost-Ecke des Grundstücks Seilerstätte 1–3 eine 1 m starke und 8 bis 10 m hohe Mauer aus „Bruchsteinen und Ziegeln in guter Mörtelbindung“ untersucht, die in den Kellerausbau des Palais integriert ist und als mittelalterliche Stadtmauer interpretiert wurde. 22 Die Kurtine Im Zuge des Festungsbaues wurde der stadteinwärts schwingende Bogen der mittelalterlichen Stadtmauer – nordwestlich des Grabungsareals gelegen – begradigt. Wahrscheinlich geschah dies um 1560, als die Kurtinen mit Ziegeln verkleidet wurden. 23 Die nun gerade verlaufende Kurtine wurde dabei nach Südosten verlegt. Gut erkennbar ist diese Situation auf einem Nicolò Angielini zugeschriebenen Plan aus der Zeit um 1560/1570 (Abb. 3). In dem Zwischenraum zwischen Kurtine und alter Stadtmauer wurde wenig später das Zeughaus eingerichtet, wobei die Stadtmauer vermutlich baulich integriert worden

16 Eberle 1909, 233. 17 Eberle 1909, 223. 18 F. Czeike, Historisches Lexikon Wien 22 (Wien 2004) 467 f. s. v. Gartenbaugebäude. 19 Fotos von diesen 1959 freigelegten Überresten bzw. der Kasematten der Braunbastion finden sich im Wien Museum: Inv.-Nr. 106.034/1–17 und Inv.-Nr. 106.035/2–7. 20 O. Harl, Wien 1 – Parkring. FÖ 22, 1983, 342. Im Fundbericht wurde der Neubau als „Hotel Parkring City Center, Parkring 14“ bezeichnet. 21 Zur „archäologischen Überwachung der Umbauarbeiten“ im Jahr 2006 siehe: E. H. Huber/K. Traunmüller/C. P. Huber-Meduna, Wien – 1. Bezirk, Coburgbastei. FÖ 45, 2006, 772 f.; zum Palais Coburg siehe weiters K.-P. Högel, Geschichte und Entwicklung der Renaissancefestung Wien, unter besonderer Berücksichtigung der Braunbastion. In: K.-P. Högel/R. Kurdiovsky (Hrsg.), Das Palais Coburg. Kunst- und Kulturgeschichte eines Wiener Adelspalastes zwischen Renaissance-Befestigung und Ringstraßenära (Wien 2003) 43–45. 22 E. H. Huber, Wien 1, Seilerstätte 1–3 (Palais Coburg). FWien 4, 2001, 265. 23 Eberle 1909, 233; 1562/1563 arbeitete man noch an der Errichtung der Kurtine beim Stubentor (ÖStA, FHKA, AHK, NÖHA W 61/ C 3, b, 1562 Juni 30, fol. 736r und W 61/C 3, c, Allgemein 1532, fol. 802r).

35 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Abb. 4: Abbrucharbeiten an der Braunbastion im Jahr 1983. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

sein dürfte. Mauerreste der Kurtine und des Zeughauses wurden im Zuge einer Ausgrabung im Theater Ronacher 2006/07 freigelegt und dokumentiert. 24 Der Stadtgraben Parallel zur Errichtung der Bastionen um die Mitte des 16. Jahrhunderts erfolgte der Stadtgrabenausbau. Ludwig Eberle bezweifelte, dass schon um 1529 ein regelmäßiger Graben um die Stadt bestanden hat. 25 Nach der Ersten Türkenbelagerung wurden 1530 die Gräben bzw. 1531 der statgraben geräumt. 26 Wenig später wurde jedenfalls mit dem Ausbau eines solchen Stadtgrabens begonnen. Für das Jahr 1533 wird bereits ein Graben genannt, durch den die Wien in den Stadtgraben rinnt. 27 Das durch die Erweiterung des Stadtgrabens gewonnene Erdmaterial verwendete man für die Anschüttung des Walls. 1548 war geplant, den St.-Ulrich-Bach (Ottakringer Bach) in den Stadtgraben zu leiten. Für das Wasser des Baches sollte im Stadtgraben ein eigener 24 Krause/Mader 2010, 29–33; Mader 2008. 25 Eberle 1909, 257. 26 Siehe z. B. ÖStA, FHKA, AHK, NÖHA W 61/C 3, a, 1530 Juli 3, fol. 68r; 1531 März 10, fol. 93r.; zum Graben siehe auch: Camesina (Anm. 14) 55 Nr. V. 27 Eberle 1909, 257 mit Hinweis auf die im WStLA aufbewahrten Ober-Stadtkammeramtsrechnungen 1533, 63. 28 ÖStA, FHKA, AHK, NÖHA W 61/C 3, a, 1548 Jänner 13, fol. 336r. 29 ÖStA, FHKA, AHK, NÖHA W 61/C 3, a, 1549 Juni 9, fol. 363v–364r. 30 O. H. Stowasser, Ein unbekannter Bericht des Hermes Schallautzer über den Fortgang des Baues der Wiener Festungswerke vom 31. Dezember 1554. Monatsbl. Verein Gesch. Stadt Wien VII (42.) Jg. Nr. 6/8, 1925, 79–83.

Graben nahe dem äußeren Wall angelegt und somit ein Abfluss in die Donau geschaffen werden. Außerdem wurden Ziegelöfen im Stadtgraben für den Bau der Bastionen errichtet. 28 Hermes Schallautzer berichtet 1549, dass der „Wasserfluss“ der Wien in den Stadtgraben auf einer Länge von fünf Klaftern vollbracht sei. Zudem erwähnt er die im Vorjahr in den Gräben errichteten vier Ziegelöfen sowie den Umstand, dass zwei weitere beim Kärntnertor aufgerichtet worden seien und daher der Graben um die angefangene Bastei nicht stattlich ausgeführt werden könne. Außerdem sei der Graben von der angefangenen Bastei und zur Heynerbastei (= Wasserkunstbastion) Nahennt die Zway thaill ausgeführt. Auch bei anderen Basteien sei man bei der Grabenherstellung weiter fortgeschritten. So sei er auch bei der Wasenbastei (= Braunbastion) fast ganz fertiggestellt. Hier seien täglich an die 600 Personen tätig, die die Erde aus den Grundfesten und Gräben führen. 29 Schallautzer verfasste am 31. Dezember 1554 erneut einen Bericht über den Fortgang des Befestigungsbaues der Stadt Wien. 30 Darin werden wiederum auch Kosten für die Ausführung des

36 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Aufsätze

Grabens von der unteren (auch Braunbastion genannt) und oberen Paradeisbastei (auch Wasserkunstbastion genannt) angeführt, die auf „1000 t d“ (Pfund? Pfennige) veranschlagt waren. Er schlägt vor, einen Teil davon zu sparen, indem man dort, wo die Erde zur Anfüllung der Basteien nicht vonnöten sei, diese Arbeiten einstelle. 31 1558 wurden alle Brücken, die über den Stadtgraben und die Wien führten, mit ihrer Jochanzahl aufgelistet. 32 Wie dieser Graben zu jener Zeit ausgesehen haben mag, ist jedoch unklar. Zeitweise und lokal beschränkt dürfte er trocken bzw. versumpft gewesen sein. 33 Der Wasserstand ist – da saisonal ohnehin schwankend – in den verschiedenen erhaltenen Plänen unterschiedlich wiedergegeben. Der Ottakringer und der Alser Bach wurden in den Stadtgraben geleitet, ebenso Wasser vom Wienfluss (Abb. 3). Darüber geben die Berichte aus den Jahren 1548 und 1549 Auskunft. Eine sogenannte Künette – ein schmaler, tieferer Graben in der Grabenmitte, gespeist durch das eingeleitete Bachwasser – war offenbar zunächst nur partiell vorhanden. 1596 sollte sie an der ganzen Nord- und Westseite bis zum Kärntnertor fortgesetzt werden. 34 Donaunahe Bereiche dürften eher wasserführend gewesen sein. Jedenfalls konnte im Stadtgraben auch gefischt werden. 35 Auf einigen Plänen sind zudem kleine Teiche zu sehen. So zum Beispiel auf einem Plan der Inneren Stadt von Constantin Johann Walter aus dem Jahr 1750. Er zeigt zwischen der Kurtine und dem Dachslochravelin (siehe unten) eine sumpfige Zone mit einem Teich. 36 Darüber hinaus wurden Bereiche des Grabens auch als Wildgehege, zur Viehhaltung und als Küchengarten genutzt. 37 Die „Grasfechsung“ im Graben, auf den Wällen und Ravelins gehörte dem kaiserlichen Hofspital. 38 Aus den unterschiedlichen Wasserständen und Nutzungen wird klar, dass der Stadtgraben kein einheitliches Aussehen hatte. Seine Breite und Tiefe waren zonal unterschiedlich. Dass für die Erhaltung, Ausbesserung und Säuberung des Stadtgrabens unablässig Arbeit investiert werden musste, wird zudem daraus deutlich, dass diese Tätigkeiten seit dem 16. bis ins 18. Jahrhundert auch als Strafe zu leisten waren. 39 Die Verurteilung zum „Festungsbau in Band und Eisen“ galt als schwere Strafe. 40 Auch nach der Zweiten Türkenbelagerung mussten die Gräben um die Stadt gänzlich ausgeräumt werden. Davon berichtet Matthias Fuhrmann in seinem zweiten Band „Alt- und Neues Wien“ aus dem Jahr 1739. 41 Carl August Schimmer wusste 1851 zu berichten, dass es im Stadtgraben in der Nähe des Karolinentores einen Privatgarten des verstorbenen, botanisch interessierten Erzherzog Anton Viktor (1779–1835) mit Kamelien gegeben habe. 42 Ein Garten mit mehreren Beeten ist auf verschiedenen Ansichten aus dem 19. Jahrhundert sowie auf dem Franziszeischen Katasterplan zwischen Wasserkunstbastion und der Fußgängerbrücke vor dem Karolinentor zu sehen, der vielleicht mit jenem genannten identisch sein könnte. Die Kontereskarpe und das Glacis Die äußere Grabenwand (Kontereskarpe) war zunächst offenbar nicht mit einer Mauer verkleidet. Die frühen Pläne weichen in der Darstellung der Kontereskarpe relativ stark voneinander ab, so dass nur begrenzt Schlüsse aus ihnen ge-

31 Stowasser (Anm. 30) 80. 32 ÖStA, FHKA, AHK, NÖHA W 61/C 3, b, 1558 Juli 8, fol. 529. 33 Eberle 1909, 259; zur Nutzung des Grabens siehe auch: Masanz/Nagl 1996, 55. 34 Eberle 1909, 259. 35 Eberle 1909, 260. 36 ÖStA, KA, KPS, KS, G I h 768-10. 37 Masanz/Nagl 1996, 55. 38 Eberle 1909, 260. 39 ÖStA, FHKA, AHK, NÖHA W 61/C/9: Gefangene im Stadtgraben 1577–1719 und FHKA, SUS Patente 6.81, 1597 Juni 12: Zigeuner in Österreich sind nach Wien zu liefern und bei der Arbeit im Stadtgraben zu verwenden. 40 P. Csendes, „In alhiesigen Stattgraben zur Arbeith condemniert“. Ein Beitrag zur Wiener Strafrechtsgeschichte. WGBl 26/1, 1971, 130. 41 M. Fuhrmann, Alt- und Neues Wien 2 (Wien 1739, Reprint 2003) 1139. 42 C. A. Schimmer, Das Kaisertum Oesterreich in seinen merkwürdigen Städten, Badeorten, seinen Domen, Kirchen und sonstigen ausgezeichneten Baudenkmälern 1 (Darmstadt 1851) 166.

37 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

zogen werden können. Der Plan des Bonifaz Wolmuet von 1547 zeigt erst einen projektierten Stadtgraben, also keinen realen Bestand desselben. 43 Nur der Plan von Angielini aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dürfte eine Vorstellung über das Aussehen des Grabens zu jener Zeit vermitteln (Abb. 3). Mit dem Regierungsende Kaiser Ferdinands I. (gest. 1564) kamen vorerst die Arbeiten an der Festung – obwohl noch längst nicht vollendet – zum Stillstand. Ein aus dem Jahr 1590 erhaltener Bericht schildert einen schadhaften Zustand der Festungswerke. 1594 war sogar von gänzlicher Wehrlosigkeit die Rede. Zum Bau der Stadtguardiahäuser habe man sogar aus den Festungsmauern Ziegel entnommen. 1596 wurden die Unzulänglichkeiten der Festung beschrieben: Unter anderem sei das Glacis zu niedrig und kein gedeckter Weg am Graben vorhanden. Auch 1597 waren die Schäden noch nicht behoben. Die Kosten für eine Instandsetzung wurden auf 256. 846 Gulden geschätzt. Doch kam es nicht gleich zur Umsetzung dieses kostspieligen Projekts. 1614 heißt es in einem Gutachten, dass seit 1567 nichts Namhaftes mehr gebaut worden sei. 44 Erst für die 1630er-Jahre verdichten sich Nachrichten über tatsächliche Bauausführungen. In der zweiten großen Ausbauphase der Festung zwischen 1637 und 1672 wurden die Außenwerke vervollständigt. 45 Der Graben wurde umgebaut und erweitert, die Ravelins, die die zwischen den Bastionen verlaufenden Abb. 5: Stadtgraben und Glacis mit Kontereskarpe und Waffenplatz zwischen Wasserkunst- und Braunbastion. Ausschnitt aus dem Stadtplan von Werner Arnold Steinhausen, 1710. (Wien Museum, Inv.-Nr. 105.500).

Kurtinen zusätzlich gegen Beschuss schützen sollten, im Graben errichtet. Zudem wurden an der äußeren Grabenwand ein gedeckter Weg zur Verteidigung des Grabens sowie Waffenplätze errichtet, die in den einspringenden

Winkeln der Kontereskarpe im Ernstfall als Sammelplatz für Truppen dienen sollten. Eberle gibt für diese Ausbauten die Zeiträume von 1640 bis 1647 sowie 1656 bis 1672 an und erwähnt auch noch Arbeiten nach der Zweiten Türkenbelagerung im Jahr 1683. 46 Der sogenannte Dachslochravelin, der unmittelbar südlich des Grabungsareals lag, dürfte nach 1650 errichtet worden sein. 47 Matthias Fuhrmann wusste zu berichten, dass mit der Errichtung der Ravelins und der Reparatur der Befestigungswerke im Jahr 1650 täglich 700 Mann beschäftigt waren. 48 Dass die Festung trotz des erfolgten Ausbaus keinesfalls den idealen Vorstellungen entsprach, wird durch Berichte von Experten im Jahr 1674 43 www.wien.gv.at/kultur/kulturgut/karten/ wolmuet/index.html (1.6. 2011). 44 Eberle 1909, 225–227. 45 Eberle 1909, 228. 46 Eberle 1909, 224. 47 Eberle 1909, 233. 48 Fuhrmann (Anm. 41) 932. 49 Eberle 1909, 229 mit Quellenangabe. 50 Eberle 1909, 261.

deutlich. Die Nähe zum Wienfluss und sein tief eingeschnittenes Bett mit seinen Unebenheiten wurden unter anderem als nachteilig angesehen. 49 Die Ravelins waren zunächst offenbar reine Erdwerke. Der gedeckte Weg an der Kontereskarpe war mit einer Palisade vom Außenfeld abgeschlossen. 50 Es ist anzunehmen, dass im Zuge des zweiten Ausbaus auch die Kontereskarpe abschnittsweise als Massivbau ausgeführt wurde. Die anderen genannten Elemente wurden ebenso erst nach und nach mit Mauerwerk verkleidet. Eberle

38 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Aufsätze

Abb. 6: „Plan des neuen Thores und der Brücke über den Stadtgraben, des Steges über den Wienfluß und der damit verbundenen Aleen von der Säulerstätte bis zur Raabengasse“ (Ausschnitt) – kolorierter Plan von A. Behsel, 1817. (WStLA, Plan- und Schriftenkammer, H I, Stadttore und Brücken, Plan Nr. 184)

versuchte bereits 1909 anhand vorhandener historischer Pläne der Frage der Datierung dieser Metamorphose nachzugehen. Eindeutige Schriftquellen dazu konnte er nicht anführen. Im Vogelschauplan von Wien von Jacob Hoefnagel aus dem Jahr 1609 ist noch eine Erdböschung der Kontereskarpe im Bereich der Weihburggasse zu sehen. 51 Der Plan von Daniel Suttinger zeigt zwar 1684 eine durchgängig gemauerte Kontereskarpe, doch im Plan von Werner Arnold Steinhausen aus dem Jahr 1710 sind neben gemauerten auch nur aus Erde geböschte Partien wiedergegeben. 52 Dazu zählt auch der Bereich Weihburggasse (Abb. 5). 1698 ist von der eingestürzten Kontereskarpenmauer in der Nähe des Burgbasteiravelin die Rede, für deren Wiederaufbau eine große Anzahl Ziegel benötigt wurde. 53 Geht man vom Steinhausen-Plan aus, dürfte die von der Stadtarchäologie freigelegte Kontereskarpe erst nach 1710 verkleidet worden sein. Funktionsverlust und Umwidmung der Festungswerke – Das Ende der Festung 1785 gab Kaiser Joseph II. die „Bastei“, wie man die Festungsanlagen gewöhnlich nannte, zum Besuch frei. 54 Damit wurde sie Teil des öffentlichen Raumes. Man begann daraufhin mit der gärtnerischen Gestaltung des Glacis, das nun auch „Esplanade“ genannt wurde und fortan der Bevölkerung für Spaziergänge diente. Schilderungen darüber finden sich in der zahlreichen Reise- und Stadtliteratur jener Zeit. 55 Kaiser Franz I. hob schließlich 1817 Wien als Festung auf. Zunächst wurden die bereits durch Napoleon gesprengten Ravelins56 im Bereich von der Kärntnerbastei bis zur Elendbastei vollständig abgetragen. In demselben Jahr wurde schließlich auch ein neuer Zugang in Form einer Fußgängerbrücke samt Tor von der Stadt zum Wasserglacis in der Verlängerung der Weihburggasse geschaffen. 57 Das sogenannte Wasserglacis war eine stark frequentierte Promeniermeile. Auf diesem Areal stand bereits seit 1788 ein Kaffeezelt. 58 Das neue Tor wurde zunächst Seilerstättentor genannt, seit ca. 1827 jedoch auch Karolinentor, nach Karoline Augusta, der vierten Gemahlin Kaiser Franz I. 59 Nach der Errichtung des Tores und der verbesserten Anbindung an die Stadt wurde das

51 Jacob Hoefnagel, Vogelschau der Stadt Wien 1609. F. Czeike et al. (Hrsg.), Historischer Atlas von Wien 5.1/1609 (Wien 2005). 52 Die Pläne von Suttinger und Steinhausen: www.wien.gv.at/kultur/kulturgut/karten/index. html (1.6. 2011). 53 ÖStA, FHKA, AHK, NÖHA W 61/C 88, fol. 200. 54 Hummelberger/Peball 1974, 73. 55 R. Witzmann, „Die Eröffnung des irdischen Paradieses“. Neue Lebenswelten auf der Wiener Bastei zwischen Josephinismus und Vormärz. ÖZKD 64/1–2, 2010, 155. 56 Hummelberger/Peball 1974, 78. 57 Hummelberger/Peball 1974, 81. Im Österreichischen Staatsarchiv ist ein Plan aus dem Jahr 1801 erhalten, der bereits die Planung eines Stadttores mit einer über den „Haupt Festungsgraben“ führenden Brücke an demselben, später ausgewählten Standort zeigt (ÖStA, KA, KPS, Kartensammlung G VII 1920). 58 Masanz/Nagl 1996, 62. 59 F. Czeike, Historisches Lexikon Wien 32 (Wien 2004) 470 s. v. Karolinentor. In Plänen aus der Zeit um 1828–30 wird es noch als Seilerstätter Tor bezeichnet: ÖStA, KA, Inv.-Nr. GPA Inland C I a 1: Wien Nr. 9: Übersichtsplan der an den Festungswerken und der Esplanade der […] Stadt Wien […] herzustellen angeordneten Veränderungen und Verschönerungen, 1828; Plan der Magazine und Märkte auf dem Glacis (1829/30) WStLA, Kartographische Sammlung, Pläne der Plan- und Schriftenkammer 106.195: Franziszeischer Katasterplan um 1830 jedoch als Carolinenthor.

39 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Abb. 7: Blick von der Wasserkunstbastei Richtung Münzgraben und Karolinentor mit der Fußgängerbrücke, 1819. Der Dachslochravelin ist noch rechts neben der Brücke erkennbar. (Wien Museum, Inv.-Nr. 33.169)

Wasserglacis „verschönert“. Man pflanzte Alleen und eröffnete um 1820 ein Kaffeehaus. 60 Zudem wurde Mineral- und Heilwasser in einer Mineralwassertrinkanstalt ausgeschenkt, von der das Glacis auch seinen Namen hat. Zahlreiche historische Ansichten aus dem 19. Jahrhundert zeigen das bunte Treiben am Wasserglacis. 61 Zu seiner Nutzung schrieb Carl August Schimmer: „In schöner Jahreszeit bildet das Glacis, besonders Morgens und Abends einen äußerst angenehmen Spaziergang, der zwischen dem Burg= und Stubenthore am meisten frequentirt wird. Am besuchtesten aber ist das sogenannte Wasserglacis vor dem Carolinenthore, wo sich ein gut eingerichtetes Kaffeehaus 60 Masanz/Nagl 1996, 62. 61 Zum Beispiel WM Inv.-Nr. 9293; 31.314; 56.591; 65.155; 105.890. Zur 1818 eröffneten Mineralwassertrinkanstalt siehe auch W. Kisch, Die alten Strassen und Plaetze von Wien’s Vorstädten und ihre historisch interessanten Haeuser 1 (Wien 1888, Reprint Cosenza 1967) 555 Fig. 193. 62 Schimmer (Anm. 42) 168. 63 Wie z. B. Johann Adam Klein, Das Wasserglacis um 1825. WM Inv.-Nr. 65.155. 64 „Plan des neuen Thores und der Brücke über den Stadtgraben, des Steges über den Wienfluß und der damit verbundenen Aleen von der Säulerstätte bis zur Raabengasse“ von A. Behsel, 1817, WStLA, Plan- und Schriftenkammer, H I, Stadttore und Brücken, Plan Nr. 184. 65 Zum Beispiel WM Inv.-Nr. 33.168 und Franziszeischer Katasterplan (Abb. 8). Die Ansichten weichen in Bezug auf die Darstellung der Brücke in Details oft ab. Ein Problem ist die unzureichende Datierung dieser Ansichten.

und eine Mineralwasser=Trinkanstalt befindet, auch Früh und Abends Harmoniemusik ist […].“62 Die Pavillons auf dem Wasserglacis sind auf mehreren historischen Ansichten wiedergegeben (siehe Beitrag I. Gaisbauer, 76 Abb. 2). 63 Der Plan von Anton Behsel (1780–1838) aus dem Eröffnungsjahr des Karolinentores (1817) gibt den Bauzustand der Brücke über den Stadtgraben am genauesten wieder (Abb. 6). 64 Aus dieser Zeit bis zur Aufgabe der Stadtbefestigung um 1862/63 sind zahlreiche Ansichten überliefert, die das Tor und die Brücke aus verschiedenen Perspektiven zeigen. So wurde die Brücke von einer durch den Stadtgraben führenden Pappelallee flankiert. 65 Eine Ansicht der Wasserkunstbastion mit dem Münzgraben und der Brücke zum Karolinentor zeigt die Situation um 1819 noch ohne Pappeln (Abb. 7). Daneben ist rechts der Brücke der Dachslochravelin ansatzweise zu erkennen, der jedoch recht bald abgetragen worden sein dürfte. Der Franziszeische Kataster um 1830 (Abb. 8) zeigt bereits die Veränderungen am Stadtgraben nach Auflassung des Ravelins. Das kaiserliche Schreiben vom 20. Dezember 1857 gab schließlich den Startschuss zur gänzlichen Auflassung der Festung. In den Jahren danach wurde

40 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Aufsätze

Abb. 8: Ausschnitt aus dem Franziszeischen Katasterplan um 1830, Blatt 19.

der Abbruch und die Planierung schrittweise durchgeführt. Mit der Abtragung der Wasserkunstbastion begann man bereits 1860. Der Abbruch der Kurtine zwischen Wasserkunstbastion und Braunbastion erfolgte im November 1862, der des Karolinentores von November 1862 bis September 1863. 66 Die Braunbastion selbst wurde wohl erst im September 1863 demoliert. 67 Die Planierung des Stadtgrabens erfolgte zum Teil Hand in Hand mit und zum Teil nach der Demolierung. Parallel zur Schleifung der Befestigung erfolgte die Errichtung der Ringstraße. 1867 wurde die Weihburggasse in Richtung Südwesten bis zum Parkring verlängert68 und die Bebauung zwischen Parkring und Schellinggasse vorgenommen. Die Schleifung der Festung war schließlich erst 1876 komplett abgeschlossen. 69 Die Befunde, ihre Interpretation und Datierung (Abb. 9 und Tab. 4) Der Stadtgraben Die Grabensohle Zahlreiche historische Pläne lassen keine Zweifel, dass sich im Bereich der Weihburggasse 28–30 der ehemalige frühneuzeitliche Stadtgraben befunden hatte, der 1862/1863 aufgegeben und planiert wurde und seitdem oberirdisch nicht mehr auszumachen ist. Er war ursprünglich an dieser Stelle ca. 78 m breit. Die durch die Grabung erfasste Breite des Grabens betrug ca.

66 K. Weiß, Alt- und Neu-Wien in seinen Bauwerken2 (Wien 1865) 63; F. Baltzarek/ A. Hoffmann/H. Stekl, Wirtschaft und Gesellschaft der Wiener Stadterweiterung (Wiesbaden 1975) 186. 67 Hummelberger/Peball 1974, 85. 68 Perger (Anm. 8) 154 s. v. Weihburggasse. 69 Hummelberger/Peball 1974, 86.

41 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Abb. 9: Wien 1, Weihburggasse, Befunde der Grabungen 2005/2006 in Überlagerung mit dem Franziszeischen Katasterplan. (Plan: Ch. Reisinger)

58,50 m. Seine ehemalige Sohle dürfte an der tiefsten Stelle ungefähr 10 m unter dem heutigen Straßenniveau gelegen sein. In Zusammenhang mit ihr dürfte die schwarzgraue, tonig schluffige Schicht (Bef.-Nr. 51, Abb. 10) stehen. Sie wurde nur in Schurf 1 ab 2,01 m über Wr. Null beobachtet und reichte bis zur Unterkante des Schurfs (1,26 m über Wr. Null). Schicht 51 enthielt nur vereinzelt Steine bis zu einer Größe von 6 cm und hatte teilweise größere Beimengungen zersetzter, feiner organischer Substanzen, die die Ursache für die Schwarzfärbung sein dürften. Diese Schicht wird daher als Ablagerung eines eher stehenden Gewässers (Feinsediment) zu interpretieren sein, das heißt hier dürfte es sich um eine Sedimentationsschicht handeln, die mit dem Stadtgraben in Zusammenhang steht. Vor der Baumaßnahme wurden bereits durch Erik Würger drei Aufschlussbohrungen im Bereich der Weihburggasse durchgeführt und analysiert, wovon eine im Bereich des Stadtgrabens lag, eine im Glacis und eine direkt eine Mauer im Bereich der erwarteten Kontereskarpe traf. Aus der Analyse der Aufschluss-

42 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Aufsätze

bohrungen geht hervor, dass die heterogenen Anschüttungen bis 2,30 und 2,90 m über Wr. Null reichen und als Stadtgrabenverfüllung aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angesehen werden können. 70 Weitere Bohrprofile liegen auch aus dem unmittelbaren Umfeld der Weihburggasse vor. In der Schellinggasse 1/ Weihburggasse 28 wurden 1950 zahlreiche Bohrpfähle für die Unterfangung des Hauses gesetzt. Im Vorfeld dieser Maßnahme gab es drei Sondierungsbohrungen, wovon zwei direkt die Weihburggasse betrafen. Auch hier deuten grundwassernahe Schichten auf einen Feuchtbereich hin, die möglicherweise das Ergebnis von Sedimentationsprozessen im Stadtgraben gewesen sind. Diese

Abb. 10: Wien 1,Weihburggasse (Schurf 1, S-Profil), Schichten im Stadtgraben. (Foto: H. Krause)

Schichten werden als graublauer bzw. grauschwarzer Schlick oder Schluff, teilweise auch fälschlich als blauer Tegel bezeichnet. Zumeist war diese Schicht in einer Tiefe zwischen 9,60 und 11 m unter dem Gehniveau festgestellt worden. 71 Im Bereich der ehemaligen Gartenbaugründe (Weihburggasse 29–31, heute Hotel Marriott) wurden ebenfalls Bohrprofile angelegt und dokumentiert. Auch hier fanden sich ähnliche Befunde. Eine graue, sandig-tonig schluffige Schicht lag zwischen 3,60 bis 1,80 m bzw. 1,93 bis 1,23 m über Wr. Null,72 die ebenso mit Befund 51 vergleichbar sein dürfte. Über das Alter des Grabens liefern diese Aufschlussbohrungen jedoch keine Anhaltspunkte. Aus der Schicht 51 stammen zwei Funde, wobei jedoch der Ziegel (MV 74536/01) durch die Tätigkeit des Baggers beim Ausheben des Schurfs sekundär in die Schicht eingedrückt worden sein kann. Eine Glasscherbe (MV 74536/02) fand sich eindeutig in situ, ist aber aufgrund ihres isolierten Vorkommens für eine Datierung des Sediments nur bedingt aussagefähig. Das Fundstück ist der Rest einer Fensterscheibe, die am ehesten ins 17. Jahrhundert datiert (siehe Beitrag K. Tarcsay, 126 Kat.-Nr. 1). Bei der Grabung im Theater Ronacher wurde eine mit Bef.-Nr. 51 vergleichbare Schicht an der Stadtgrabenseite der Kurtinenmauer bei ca. 1,90 m über Wr. Null beobachtet. 73 Über Bef.-Nr. 51 lagen die Schotterschichten 74 (UK 2,01–2,13 m über Wr. Null) und 75 (UK 2,39–2,50 m über Wr. Null). In die fundfreie Schicht 74 war das Fundament des Brückenpfeilers 5 eingebracht. Der Schotter 75 enthielt anthropogene Beimengungen. Möglicherweise sind diese Schichten als Planierungen im Zuge des Brückenbaues von 1817 zu interpretieren. Die Grabensohle fiel zur Grabenmitte hin ab. Das lässt sich aus den entsprechend unterschiedlich tiefen Fundamentierungen der Brückenpfeiler sowie aus dem Plan der Brücke von Anton Behsel aus dem Jahr 1817 (Abb. 6) schließen. Streufunde (z. B. MV 74564, 74569, 74574) aus dem unteren Bereich des Wassergrabens, das heißt aus einer Tiefe zwischen ca. 2 bis 3 m über Wr. Null, dürften jedoch die Reste von Deponierungen sein, die noch während des Bestehens des Stadtgrabens erfolgten. Darunter fand sich eine große Anzahl von Mineral- und Bitterwasserflaschen (siehe Beitrag I. Gaisbauer, 74 f.).

70 E. Würger, Aufschlussbohrungen Bauvorhaben Tiefgarage 1010 Wien, Weihburggasse ONr. 28–32 (unpubl. Mskr.) 15 f. 71 Bohrprofile aus dem Baugrundkataster der MA 29 – Brückenbau und Grundbau, A695 (1949/1950) Schellinggasse 1/Weihburggasse 28, Sondierungsbohrungen 1 bis 3 sowie Bohrpfähle P1 bis P66. 72 Bohrprofile aus dem Baugrundkataster der MA 29 – Brückenbau und Grundbau, G626/1 und G626/5 (1979) Weihburggasse 29–31. 73 Krause/Mader 2010, 30; Mader 2008, 64.

43 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Die Künette Innerhalb des Stadtgrabens, zwischen dem vierten und fünften Brückenpfeilerpaar, wurden zwei parallel angeordnete, Südwest-Nordost orientierte Holzpfostenreihen in einer Tiefe von ca. 2 bis 2,09 m über Wr. Null (Bef.-Nr. 80) entdeckt (Abb. 9). Insgesamt waren es sieben Holzpfosten rechteckigen bis quadratischen Querschnittes mit einer ungefähren Seitenlänge von 0,20 m (drei in der westlichen, vier in der östlichen Reihe). Ihre tatsächlichen Ober- und Unterkanten konnten nicht erfasst werden. 74 In Überlagerung mit dem Franziszeischen Katasterplan um 1830 wurde klar, dass dies die Pfosten der Uferbefestigung der in der Grabenmitte verlaufenden, 3,30 m breiten Künette (Wassergraben im Stadtgraben) waren. Auch der Plan von Anton Behsel aus dem Jahr 1817 (Abb. 6) verdeutlicht das Aussehen dieser Künette, die als ein weiteres Annäherungshindernis im Graben dienen sollte. Die Grabenfuttermauern Die Eskarpe Die Eskarpenmauer (Kurtine) des Stadtgrabens konnte nicht erfasst werden. Sie liegt außerhalb des Grabungsareals und dürfte unmittelbar nordwestlich der Straßenkreuzung Weihburggasse/Schellinggasse zu erwarten sein (Abb. 9). 75 Die Kontereskarpe Die Kontereskarpe des Stadtgrabens kam dagegen östlich der Einmündung der Hegelgasse in die Weihburggasse zum Vorschein. Hier, vor dem Haus Weihburggasse 32, wurde – wie schon erwähnt – im Vorfeld der Baumaßnahmen in einer Aufschlussbohrung eine Mauer angefahren, die anhand ihrer Lage und durch den Vergleich mit historischen Stadtplänen zunächst als ehemalige Kontereskarpe interpretiert wurde. 76 Im Haus Parkring 16 traf man bei einer Untersuchung des Untergrundes in einer Tiefe von ca. 4,80 m über Wr. Null auf ein Mischmauerwerk aus Ziegeln und „Blöcken“. Seine Unterkante lag bei 2,90 m über Wr. Null. Der Lage nach könnte es sich hierbei ebenfalls um die Reste der Kontereskarpe gehandelt haben (Abb. 9). 77 Durch die Ausgrabung im Bereich Weihburggasse/Ecke Hegelgasse konnten die baulichen Überreste der Kontereskarpe (Bef.-Nr. 77) schließlich komplett freigelegt und vor ihrer Zerstörung dokumentiert werden (Abb. 11–13). Sie erstreckte sich von Süden nach Nordosten und war zum Stadtgraben hin geböscht. Der Böschungswinkel der Mauer betrug 76 Grad. Die Maueroberkante erreichte 7,40 bis 10,80 m, die Unterkante lag bei 3,06–3,10 m über Wr. Null. 74 Es liegen keine Schichtenbeschreibungen aus diesem Bereich vor. 75 Archäologisch nachgewiesen werden konnten Teile dieser Mauer bei der Ausgrabung im Theater Ronacher: Krause/Mader 2010, 30 f. Abb. 26; Mader 2008, 64–68. 76 Würger (Anm. 70). Siehe unten: Stützmauer für eine Rampe. 77 Baugrundkataster der MA 29 – Brückenbau und Grundbau, L095/1 (1990) Parkring 16.

Der erhaltene Mauerzug wurde auf einer Länge von ca. 18,80 m freigelegt und war bei ca. 4,50 m über Wr. Null bis zu 1,80 m stark. Die Kontereskarpe verjüngte sich nach oben hin und war an ihrer Oberkante nur noch 0,76 m stark. Sie folgte dem Verlauf der Kurtinen, das heißt den Wallabschnitten, die die Bastionen verbanden, und der Bastionsfacen (Frontmauern der Bastionen), in unserem Fall der Braun- und Wasserkunstbastion. Daher war sie mehrfach abgewinkelt. Ihr freigelegter Teil war eine in den Stadtgraben einspringende Ecke, die nochmals abgeschrägt war und damit offenbar Bezug auf den dahinter lie-

44 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Aufsätze

genden, rechteckigen unterirdischen Raum nahm (Abb. 13–14). Der grabenseitige Eingang zu diesem Raum war wahrscheinlich sekundär in das Mauerwerk eingebracht und zu einem noch späteren Zeitpunkt wiederum mit Ziegeln vermauert worden. Die sichtbare Mauerschale der Kontereskarpe bestand aus Ziegelmauerwerk, bei dem sich Läufer und Binder lagenweise abwechselten (Ziegelformate der oberen Zone zwischen 27,5–29613–14,566–7 cm). Im nordöstlichen Abschnitt der Kontereskarpe wurde die Unterkante des Mauerwerks erreicht, dessen Fundament aus einer Lage großer Bruchsteine (max. 40 cm Länge bzw. Höhe) aus Sandstein bestand und auf der anstehenden tonigen Schicht Bef.-Nr. 52 lag. Formate und Farbe der Ziegel im unteren erhaltenen Drittel waren unterschiedlich. Dies deutet auf verschiedene Provenienz, möglicherweise auch auf wiederverwendetes Baumaterial hin. Hier fanden sich besonders großformatige Ziegel (31–35616,868,5–9 cm). Der gegen das Glacis gemauerte Teil wies überwiegend bruchrohe, blockige Sandsteine (Formate zumeist zwischen 18–28613–32 cm) und Ziegel (Formate wie in der Mauerschale) mit wenigen Auszwickelungen in Kalkmörtel auf. Dieses rückseitige Mischmauerwerk besaß partiell Ausgleichslagen bzw. Abgleichungen aus Mauerziegeln und -splitt. Die Farbe der Ziegel variierte zwischen rötlichem Beige bzw. Ocker. Im südlichen Abschnitt der Mauer kam bei Abbruch der Kontereskarpe ein in der Mauer vertikal verlaufender Schacht mit den Maßen 71–76680–84 cm zutage (OK des Schachts ca. 6,30 m über Wr. Null), dessen Funktion nicht geklärt werden konnte. Datierung Die Frage, wann die Kontereskarpe in Mauerwerk ausgeführt wurde, ist bislang nicht eindeutig zu beantworten. Anhand des Baubefundes und der verwendeten Baumaterialien käme ein Errichtungszeitraum vom ausgehenden 17. Jahrhundert bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts infrage. Die Mauerwerkstruktur an sich lässt keine feinere Datierung zu. Die großen Ziegelformate im unteren Drittel der Mauerschale weisen das „Fortifikationsmaß“ auf, das seit dem 18. Jahrhundert im Verschwinden begriffen war. 78 Die kleineren Ziegelformate entsprechen dem typischen neuzeitlichen Mauerziegelmaß (16.–20. Jh.). 79 In der Krypta der Karlskirche in Wien verwendete man in einer Bauphase nach 1722 an Pfeilern – wohl aus Gründen der Stabilisierung – ebenfalls „antiquierte“ Großformate mit einer Länge von 33 bis 34 cm. 80 Es ist überliefert, dass die Niederösterreichische Regierung 1690 empfahl, den Graben mit Ziegeln zu verkleiden. 81 Aus einer weiteren Schriftquelle aus dem Jahr 1698 ist ersichtlich, dass die Kontereskarpe zu dieser Zeit stellenweise bereits in Mauerwerk ausgeführt war. Jedoch dürfte sich dieses Vorhaben über eine längere Zeit erstreckt haben. Im Frühjahr jenes Jahres führte der nahe der Burgbastion in den Stadtgraben eingeleitete St.-Ulrichs-Bach (auch Ottakringer Bach genannt) Hochwasser. Dies hatte einen teilweisen Einsturz der Contrascarpen-Mauer beim Burgbasteiravelin zur Folge. Für die Reparaturmaßnahmen wurde ein Kostenvoranschlag vorgelegt, in dem auch der Ankauf von Ziegeln für den Bau vorgesehen war. 82

78 Zu Parallelen in Wien: P. Mitchell/D. Schön, Zur Struktur und Datierung des Mauerwerks in Wien. ÖZKD 56/4, 2002, 473; P. Mitchell, Bricks in the central part of Austria-Hungary. Key artefacts in historical archaeology. Historische Archäologie 2009, 6 = www.histarch.uni-kiel.de/Artikel2009.htm (1.6. 2011). 79 P. Mitchell, Mauerziegel am Beginn der Neuzeit. Ergebnisse aus archäologischen Grabungen und Bauuntersuchungen in Wien und Niederösterreich. In: B. Scholkmann et al. (Hrsg.), Zwischen Tradition und Wandel. Archäologie des 15. und 16. Jahrhunderts. Tübinger Forsch. hist. Arch. 3 (Büchenbach 2009) 221 Tab. 3. 80 P. Mitchell, Archäologische Voruntersuchung in der Karlskirche, Wien 4 (unpubl. BDA-Bericht, Wien 2011) 9. 81 Nach Eberle 1909, 258 Anm. 9. 82 ÖStA, FHKA, AHK, NÖHA W 61/C/88, fol. 200 (in Kopie): Vberschlag (Kopie, 1 Seite) des Hauptmanns und Unteringenieurs Leander Anguisolla und des Fortifikations-Werk- und Maurermeisters Vlrich Hueber vom 16. April 1698.

45 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Abb. 11: Wien 1, Weihburggasse 32, Detailplan der Mauerwerksbefunde. (Plan: G. Reichhalter/L. Dollhofer)

Aufsätze

46 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Aufsätze

Abb. 12: Wien 1,Weihburggasse 32, Schnitt über das südöstlichste Pfeilerpaar der Brücke, die Kontereskarpe mit vermauertem Eingang und durch die anschließenden Räume. (Plan: G. Reichhalter/L. Dollhofer)

Der Plan von Werner Arnold Steinhausen aus dem Jahr 1710 (Abb. 5) zeigt im Bereich Weihburggasse noch keine gemauerte Kontereskarpe. Demnach wäre die Errichtung dieser Partie erst danach anzusetzen. Eine Ansicht von Matthias Gail aus dem Jahr 1796 zeigt den Stadtgraben und den Ravelin am Kärntnertor. Am rechten Bildrand ist zu sehen, dass die Ziegelmauer der Kontereskarpe zum Teil eingefallen war und eine Holzverschalung den weiteren Einsturz verhindern sollte. 83 Daher ist davon auszugehen, dass es immer wieder Schäden an der Kontereskarpe gab, die auszubessern waren und daher möglicherweise zum Teil auch jünger zu datierendes Baumaterial in der Mauer zu erwarten ist. Stützmauer für eine Rampe in den Stadtgraben Im Südwesten der Kontereskarpe war eine weitere Mauer mit einer Stärke von ca. 0,95 m (gemessen an der Mauerkrone) angebaut (Bef.-Nr. 76). Diese Mauer wurde durch die Aufschlussbohrung getroffen (siehe oben) (Abb. 11 und 13). Das Mauerwerk glich äußerlich dem der Kontereskarpe, bestand aus Mischmauerwerk und war zum Graben hin mit Ziegeln (28613,5– 13,766,5 cm) in Läufer-Binder-Verband verschalt. Das Mischmauerwerk war gegen das Erdreich gestellt und hatte einen hohen Ziegelanteil. Die Maße der Ziegel schwankten zwischen 26 bis 34613,5 bis 1565,6 bis 10,5 cm. Ihre Farben waren Dunkelrot, Hellrot oder Hellgelb. Einige darunter waren Großformate mit Läufermaßen von 34610,5 cm. Sie waren ocker- bis fleischfarben

83 Matthias Gail d. Ä., Die Karlskirche mit den davor gelegenen Gebäuden, 1796 (WM Inv.-Nr. 15.470).

47 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

und wiesen dunkelrote Einschlüsse auf. Ein Teil der Ziegel dürfte hier zweitverwendet worden sein. Die vermauerten Steine waren Bruchsteine, Quader, quaderartige und bruchrohe Sandsteine. Das Mauerwerk enthielt wenig Zwickelmaterial. Zwischen den Steinlagen gab es regelmäßig durchlaufende Abgleichhöhen aus Ziegeln. Der eher lockere und sandige Mörtel war mit Kieseln grob gemagert und außen stark abgewittert. Die Mauer war partiell sekundär mit dem Mauerwerk der älteren Kontereskarpe (Bef.-Nr. 77) verzahnt. Interpretation und Datierung Diese an die Kontereskarpe angesetzte Mauer war wohl nach der gänzlichen Abtragung der Ravelins (Außenwerke der Festung) – nach der Aufhebung Wiens als Festung84 – entstanden. Der Brückenplan von Anton Behsel (Abb. 6) aus dem Jahr 1817 zeigt noch den Verlauf der älteren Kontereskarpe. Der Graben dürfte wenig später, nach Abtragung des Dachslochravelins, feldseitig begradigt worden sein. Die in einen Ziegel eingeritzten Initialen „A P“ mit der Jahreszahl 1818, die neben dem vermauerten Eingang der älteren Kontereskarpe festgestellt wurden, könnten Abb. 13: Die freigelegte Kontereskarpe mit sekundär vermauertem Eingang. Rechts schließt die jüngere Stützmauer („Rampe“, mit der Beschädigung durch die Aufschlussbohrung) an, Blick nach Süden. (Foto: H. Krause)

eventuell mit derartigen baulichen Veränderungen in Zusammenhang stehen. Den begradigten Verlauf der Kontereskarpe zeigt der Franziszeische Katasterplan um 1830 (Abb. 8). Die freigelegte, an die Kontereskarpe ange-

setzte Mauer (Bef.-Nr. 76) dürfte eine Rampe gestützt haben, die in den Stadtgraben führte. 85 Die oberen Teile der Kontereskarpe und dieser Stützmauer waren im Zuge der Demolierung der Befestigung 1862/63 abgetragen worden. 86 Der Waffenplatz Wohl bereits gleichzeitig mit der Anlage eines gedeckten Weges und der Ravelins ab dem ausgehenden 16. Jahrhundert wurde mit der Errichtung von Waffenplätzen in den einspringenden Winkeln der Kontereskarpe begonnen. 87 Sie dienten im Ernstfall zum Sammeln von Truppen und zur Aufstellung von Wach84 Hummelberger/Peball 1974, 78. 85 Ein Plan im WStLA, Kartographische Sammlung, Pläne der Plan- und Schriftenkammer 106.195 (um 1829/30) zeigt zudem eine Überblendung des damaligen Zustandes mit dem ehemaligen Dachslochravelin. 86 Zur Demolierung der Befestigung Hummelberger/Peball 1974, 84–88. 87 Eberle 1909, 261. 88 www.wien.gv.at/kultur/kulturgut/karten/ suttinger/suttinger4.html (1.6. 2011). 89 www.wien.gv.at/kultur/kulturgut/karten/ marinoni/marinoni5.html (1.6. 2011).

posten. Unklar ist, seit wann es im Bereich der Weihburggasse einen Waffenplatz gegeben hat und wie dieser ausgesehen haben mag. Nur anhand historischer Pläne ist es möglich, sein einstiges Aussehen zu rekonstruieren. Leider ist dieses Befestigungselement in den frühen Plänen wenig präzise dargestellt. Im Grundrissplan der Stadt Wien von Daniel Suttinger von 168488 sowie im Plan von Wien mit seinen Vorstädten und dem Linienwall von Leander Anguissola und Johann Jacob Marinoni89 aus dem Jahr 1706 sind bereits Waffenplätze – jedoch noch ohne schützende Wälle – dargestellt. Der Suttinger-Plan zeigt zudem an der Stelle des Waffenplatzes eine hölzerne Brücke, die zum Dachslochravelin führt. In Plänen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts weisen die Waf-

48 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Aufsätze

fenplätze der Feldseite zugewandte, pfeilförmig ausspringende Wälle auf, die zunächst aus Erde bestanden, später sukzessive mit Mauerwerk verkleidet wurden. 90 Diesen Wall hatte man im Zuge der Errichtung des Karolinentores und der über den Stadtgraben führenden Brücke aufgegeben und geschleift. Daher waren keine Spuren von ihm nachweisbar. Anders sah es mit den unterirdischen Überresten dieses Waffenplatzes aus, sie traten während der Ausgrabung zutage und bestanden aus zwei Treppenaufgängen und zwei hintereinander liegenden, gewölbten Räumen (Räume 1 und 2). Von Raum 1 führte ein gemauerter Gang unter das ehemalige Glacis (Abb. 9 und 11).

Abb. 14: Der vermauerte Eingang in der Kontereskarpe. (Foto: G. Reichhalter)

Datierung Wie aus dem Steinhausen-Plan aus der Zeit um 1710 (Abb. 5) ersichtlich ist, dürften zum Waffenplatz im Bereich Weihburggasse in dieser Zeit wohl noch keine unterirdischen Räume vorhanden gewesen sein. Auf einem Plan, der den Bestand sowie Planungen (gelb gezeichnet) „vor 1746“ wiedergibt, ist bereits ein Wall auf dem Waffenplatz sowie ein unterirdischer Minengang als existent dargestellt (Abb. 15). 91 Die Räume an der Kontereskarpe (Abb. 11–12) Raum 2 (Bef.-Nr. 73) mit den Treppenaufgängen Eine im abgeschrägten Bereich der Kontereskarpe befindliche Öffnung mit einer lichten Höhe von 2,53 m und einer Weite von 1,45 m (Abb. 14), die vom Stadtgraben in Raum 2 führte, war bis auf ein kleines, unregelmäßiges, offenbar später ausgebrochenes Loch in der Mitte des oberen Drittels sekundär mit Ziegeln zugemauert. Der Mauerbereich, in dem sich diese Öffnung befand, war nicht geböscht, so dass hier eine Nische von 1,85 m Breite entstand. Den oberen Abschluss der vermauerten Öffnung stellte ein Segmentbogen aus einer doppelten Binderreihe (Scheitelpunkt bei 6,88 m über Wr. Null) dar, der über ihre gesamte Breite bis in den geböschten Bereich der Kontereskarpe reichte. Die Randzonen der Öffnung sowie die unmittelbar anschließenden Mauerpartien waren auffällig unregelmäßig gemauert. Daraus lässt sich schließen, dass sie wahrscheinlich sekundär in das Mauerwerk der Kontereskarpe eingebracht worden war und eine ursprüngliche Eingangssituation veränderte. Unmittelbar südlich der Öffnung waren im Mauerwerk zwei Keilsteine (OK ca. 6,47 m über Wr. Null) erkennbar, die möglicherweise als Rest eines Bogens anzusprechen sind. Dieser könnte den ursprünglichen Sturz des Eingangs anzeigen, womit der Segmentbogen als ehemaliger Entlastungsbogen interpretiert werden kann. Vor dem ehemaligen Eingang wurden drei Trittsteine festgestellt. Ihre Oberkanten lagen bei 4,35 m über Wr. Null (Bef.-Nr. 79; Maße der Steine: 1,0860,44– 0,4660,14 m; 160,4860,14 m; 1,0560,5060,15 m). Sie zeigten ein ehe-

90 Der Rapportsplan von der Festung Wien aus dem Jahr 1759 (ÖStA, KA, Inv.-Nr. GPA Inland C 1 a 1: Wien Nr. 35) zeigt, dass bis auf die Waffenplätze beim Burg- und Fischertor die Verkleidung mit Mauerwerk noch in Planung war. 91 ÖStA, KA, KPS, K VII e 155: Plan der Befestigung von Wien mit den Anlagen von Minen vor 1746.

49 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Abb. 15: Ausschnitt aus dem „Plan der Befestigung von Wien mit den Anlagen von Minen vor 1746“. (ÖStA, KA, KS, K VII e 155)

maliges Gehniveau im Stadtgraben an, das deutlich höher gelegen haben dürfte als die zur Mitte hin abfallende Sohle des Grabens (siehe oben). Hinter dem ehemaligen Eingang schloss sich der Raum 2 (Bef.-Nr. 73) mit einer Grundfläche von ca. 1,4562,80 m an, der ein flaches Kreuzgratgewölbe aufwies. Von Raum 2 führten südlich und nördlich zwei Treppenaufgänge nach oben auf den einstigen Waffenplatz. Im Osten befand sich ein weiterer Durchgang zu Raum 1 (Bef.-Nr. 72). Das Mauerwerk inklusive des Gewölbes bestand aus Ziegeln. Es zeigten sich großflächige Reste von Feinputz, so dass keine Ziegelmaße genommen werden konnten. In der Westmauer des Raumes korrespondierte eine schwach segmentbogige Nische mit dem oben beschriebenen Eingang. Ihr Scheitel lag bei 6,51 m über Wr. Null und stimmte höhenmäßig mit dem Rest des ursprünglichen Einganges an der Außenseite überein. Sie war raumseitig 2,13 m breit. Ihre Laibung war 0,62 bis 0,69 m tief und verjüngte sich in Richtung Westen auf 1,87 m Breite. An dieser Stelle sprang die Mauer nochmals ein, so dass eine weitere schmälere Nische mit einer lichten Weite von 1,33 m entstand, die sich bei einer Tiefe von 0,50 bis 0,56 nochmals auf 1,06 m verjüngte. Die Nische war sekundär

50 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Aufsätze

Abb. 16: Blick auf den südlichen Treppenaufgang (Bildmitte) an der Kontereskarpe, den Raum 1 mit teilweise zerstörtem Gewölbe und die Schichten des Glacis. (Foto: H. Krause)

vermauert, wobei sich der obere Teil dieser Vermauerung später wieder gelöst haben und ausgebrochen sein dürfte. Die erhaltene Raumhöhe zum Zeitpunkt der Untersuchung betrug ca. 1,40 m, der ursprüngliche Boden war von Bauschutt bedeckt. In diesem fand sich auch ein Keramikbruchstück (MV 74550/1), das ins späte 18. bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts datiert (siehe Beitrag I. Gaisbauer, 83 f. Kat.-Nr. 143). Südlicher Treppenaufgang (Abb. 11 und 16) Im Süden des Raumes 2 schloss sich ein tonnengewölbter Treppenaufgang mit einer Spannweite von 1,52 m an. Er war weitgehend verschüttet und sein überwiegender Teil samt Gewölbe und Treppenstufen bereits abgetragen, so dass dieser Bereich nur hypothetisch anhand erhaltener Pläne ergänzt werden kann. Das Treppenhaus schloss direkt an die Kontereskarpe an. Teilweise sah es so aus, als seien die Mauern miteinander verzahnt. Ob diese Verzahnung primär oder sekundär erfolgte, ließ sich nicht eindeutig feststellen. Die 0,60 m starke Ostmauer des Treppenhauses verlief parallel zur Mauer der Kontereskarpe und verzahnte mit der Süd- und Westmauer von Raum 1. Sie wies Mischmauerwerk (sog. Netzmauerwerk)92 auf der Schüttungsseite auf, das dem der Außenmauern von Raum 1 ähnelte (siehe unten) und gegen die anstehenden Schichten gebaut war. Die Innenseite sowie der gering erhaltene Teil des Gewölbes waren wiederum aus Ziegeln (Maße 27–27,5613,4–13,766– 7 cm) gefertigt, an denen noch Verputz vorhanden war. Reste von vier Treppenstufen waren erhalten, die nicht mit den Außenmauern verzahnt waren, also nachträglich eingebracht worden waren. Diese Stufen bestanden aus hochgestellten Ziegeln und hatten eine Auftrittsbreite von 28 cm und eine Höhe von 21 cm. Unter diesen Treppenstufen lag jeweils eine Reihe flacher Ziegel, darunter wurde eine sandige Lehmschicht festgestellt (Bef.-Nr. 68: OK ca. 5,90, UK ca. 5,30 m über Wr. Null). Sie enthielt viele Mörtelreste, mäßig viele Holzkohlepartikel und vereinzelt Ziegelstücke. Aus ihr konnten auch Funde geborgen

92

Mitchell/Schön (Anm. 78) 470.

51 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

werden. Darunter befanden sich mittelalterliche Keramikscherben, Hornzapfen und Schädelreste von Rindern sowie das Bodenfragment einer Glasflasche mit Siegel (MV 74548/03, siehe Beitrag K. Tarcsay, 127 Kat.-Nr. 4). Diese Objekte könnten also vor bzw. im Zuge der Errichtung der Treppenstufen, wohl mit deren Unterfüllung eingebracht worden sein. Unter der Schicht 68 wurden die sterilen Schotterschichten 60 und 61 beobachtet. Über den verbliebenen Treppenstufen lag eine Verfüllung (Bef.Nr. 71), die wohl erst im Zuge der Aufgabe der Anlage eingebracht worden war. In ihr fanden sich unter anderem ein Rest einer Muschel mit Spuren der Perlmuttknopfherstellung, ein zerbrochener Ring aus einer Metalllegierung, Reste glasierter Keramik aus dem 18./19. Jahrhundert, Fayence- und Steinzeugflaschenscherben, Hornzapfen sowie ein Glasfragment (MV 74545, siehe Beiträge I. Gaisbauer, 84 Kat.-Nr. 144–151 und K. Tarcsay, 128 Kat.-Nr. Abb. 17: Die Kasematten in der Braunbastion und das Karolinentor. „Übersichtsplan der Stadtumfassung nebst Detailgrundrissen aller […] Kasematten 1834“, Ausschnitt; rechts oben der Bereich in der Weihburggasse mit sekundär angesetzter Stützmauer und abgemauertem nördlichem Treppenaufgang. (ÖStA, KA, Inv.-Nr. GPA Inland C I a 2: Wien Nr. 2, Plan Lit. W Bastion I–IV)

3). Nördlicher Treppenaufgang (Abb. 11) Der nördliche Treppenaufgang war spiegelbildlich genauso konstruiert wie der südliche und wies dieselben Mauerwerkscharakteristika auf. Seine lichte Weite betrug 1,48 m.

Er war weitgehend verfüllt und konnte daher nicht ausreichend befundet werden. In der Verfüllung steckten zahlreiche Ziegel, die wahrscheinlich vom Abtrag seines Gewölbes stammten. Auf der Innenseite war weitaus mehr Verputz erhalten als im südlichen Stiegenhaus. Auffallend war eine Quermauer aus Ziegeln, die ca. 4,50 m vom Beginn des Treppenaufganges bei Raum 2 entfernt lag. Sie war mit der westlichen Treppenhausmauer nicht verzahnt und dürfte eine sekundär eingebrachte Abmauerung des Aufganges darstellen. Die östliche Treppenhausmauer endete mit einer deutlichen Baunaht an der Quermauer, scheint also bis zu diesem Punkt abgebrochen worden zu sein. Innerhalb dieser Abmauerung fanden sich auch keine Treppenstufen mehr in situ, jedoch unmittelbar nördlich der Quermauer konnten noch spärliche Reste einer Stufe aus hochkant gestellten Ziegeln festgestellt werden. Daraus wird klar, dass die Treppe ursprünglich weiter hinauf reichte und die Quermauer eine spätere Vermauerung darstellte. Diese Beobachtung deckt sich mit der Darstellung des Waffenplatzes in einem Plan von 1834 (Abb. 17), der genau diese Quermauer und keine Stufen mehr zeigt. Raum 1 (Bef.-Nr. 72) (Abb. 11–12) An der östlichen Seite von Raum 2 schloss ein weiterer Raum mit einem OstWest ausgerichteten Tonnengewölbe an. Die Innenmaße des Raumes betrugen 2,5062,70 (Nord- und Ostmauer) sowie 2,5462,72 m (Süd- und Westmauer). Die Südost-Ecke des Raumes war erst durch die Baggerarbeiten zerstört worden. Die maximale erhaltene Höhe zum Zeitpunkt unserer Untersu-

52 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Aufsätze

chung betrug 1,80 m. Der Raum war allerdings im unteren Bereich mit Bauschutt verschüttet. Die Unterkanten der Mauern lagen bei 3,90 bis 3,92 m über Wr. Null. Anhand der vor dem Eingang aufgefundenen Trittsteine wurde ein Gehniveau bei ca. 4,35 m bestimmt (siehe oben). Bei Übertragung dieses Niveaus ins Innere der Anlage könnte die lichte Höhe dieses Raumes ca. 2,75 m betragen haben (vgl. Abb. 12). Die Ostmauer war ca. 0,55, die Südmauer ca. 0,63 m stark. Das Mauerwerk der Schüttungsseite bestand aus Bruchsteinen, Ziegeln sowie Ziegelbruch und war direkt gegen die anstehenden Schichten gemauert, so dass der Mörtel aus den Fugen quoll (Abb. 18). Eine Lage Bruchsteine wechselte zumeist mit einer bis zwei, manchmal auch mehreren Lagen Ziegeln ab, wobei die Bruchsteine mit Ziegeln bzw. -fragmenten ausgezwickelt

Abb. 18: Außenansicht von Raum 1 mit dem Rest des angesetzten Minenganges rechts, Blick nach Westen. (Foto: H. Krause)

waren (sog. Netzmauerwerk). Für die Innenseiten des Raumes sowie für das Gewölbe wurden nur Ziegel verwendet. Im Bereich des Gewölbes, das die Stärke eines Ziegelläufers aufwies, waren Baugruben festzustellen (zur Verfüllung siehe unten). Alle Mauern des Raumes sowie das Gewölbe waren miteinander verzahnt, sie wurden in einem Bauvorgang errichtet. Innen war das Mauerwerk nicht vollflächig mit Grobputz versehen, so dass die Oberfläche der Ziegel großteils sichtbar war (Ziegelmaße 28–29613– 1466–7 cm). Der Durchgang zwischen Raum 1 und 2 – mit einer lichten Weite von 1,11 m – lag annähernd in der Mitte der Westmauer. Die 0,48 m tiefe Laibung verjüngte sich leicht zum Raum 2 hin auf 1,01 m. In Raum 2 fanden sich die Reste eines hölzernen Türstocks, für den die Mauer entsprechend ausgespart worden war. Der Türsturz war großteils ausgebrochen. Von Raum 1 führte wiederum – unmittelbar an der Nordecke der Ostmauer gelegen – ein niedriger, tonnengewölbter, aus Ziegeln gemauerter Gang unter das Glacis. Der Zugang hatte eine lichte Weite von 0,97 m, das Mauerwerk der Nordmauer war dafür leicht abgeschrägt worden. Baugrubenverfüllungen (Abb. 19) Die Mauern der Einbauten (südlicher Treppenaufgang und Raum 1) waren im Osten direkt gegen die Schichten Bef.-Nr. 58 bis 63 sowie 66 und 67 gemauert. Die Gewölbe hatte man dagegen in offener Bauweise errichtet, da hier Baugruben zu beobachten waren. So ist der Befund 64 als Verfüllung der Baugrube für das Gewölbe des Raumes 1 anzusprechen. Darin fanden sich wenige Keramikscherben, die ins 16. und 17. Jahrhundert datieren (MV 74549 und 74553, Beitrag I. Gaisbauer, 84 Kat.-Nr. 153) und zwei unbestimmbare Tierknochenfragmente. Unmittelbar oberhalb des Gewölbes von Raum 1 wurde Keramik geborgen (MV 74552 und 74555), die einerseits umgelagerte Altstücke aus dem späten Mittelalter darstellen, andererseits ins 17./18. Jahrhundert datieren (siehe Beitrag I. Gaisbauer, 84 f. Kat.-Nr. 154–156). Aus der Baugrubenverfüllung des südlichen Treppenaufganges (Bef.-Nr. 65) stammen leider keine Funde.

53 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Datierung Pläne, die den Waffenplatz mit den Treppenaufgängen wiedergeben, sind aus dem 18. Jahrhundert erhalten. Sie weichen jedoch in Einzelheiten voneinander ab. Der Plan der Inneren Stadt Wien von Constantin Johann Walter aus dem Jahr 1750 zeigt die zwei unmittelbar an der Kontereskarpe gelegenen Treppenaufgänge des Waffenplatzes. 93 Diese frühen Pläne stellen die Ecke der Kontereskarpe spitz und nicht abgeschrägt dar. Ob dies als eine Ungenauigkeit zu deuten ist, bleibt unklar. Im Baubefund wurden keine Auffälligkeiten beobachtet, die auf eine sekundäre Abschrägung der Mauer der Kontereskarpe in diesem Bereich hindeuten könnten. Am präzisesten und annähernd deckungsgleich scheint die Darstellung in einem Plan von 1792 (Abb. 20) zu sein. 94 Jedoch ist nicht eindeutig zu erkennen, ob der Durchgang in der Kontereskarpe zum Stadtgraben hinaus dargestellt ist. Dieser Ausgang ist in einem Plan von 180195 sowie im Plan von Anton Behsel aus dem Jahr 1817 (Abb. 6) verzeichnet. Eine genaue Darstellung liegt in einem Plan von 1834 vor (Abb. 17),96 die die mehrfache Profilierung der Laibung samt der Nische in Raum 2 annähernd so zeigt, wie sie tatsächAbb. 19: Die Schichten des Glacis und die Baugrubenverfüllungen zwischen südlichem Treppenaufgang und Raum 1. (Foto: H. Krause)

lich während der Grabung (Abb. 11) vorgefunden wurde. Dargestellt ist auch der verkürzte nördliche Treppenaufgang, der eine Abmauerung (Quermauer) erhalten hatte.

Offenbar war zu jener Zeit nur noch der südliche Treppenaufgang in Funktion. Die Darstellung der Räume selbst entspricht jedoch nicht dem vorgefundenen Bestand. Ausschlaggebend für die Datierung des Raumes 1 sind Formate und Zeichen der vermauerten Ziegel (MV 74547 und MV 74579/01–02, siehe Tab. 3). Sie weisen ein erhabenes, hochkant gestelltes „K“ auf, das wahrscheinlich einem bisher namentlich unbekannten Pächter des Stadtziegelofens in der Zeit von 1700 bis 1736 zuzuordnen ist. 97 Die Mauerwerkstrukturen und die dafür verwendeten Baumaterialien sind typisch für die Barockzeit und lassen sich nicht näher eingrenzen. Der Minengang (Bef.-Nr. 57) 93 ÖStA, KA, KPS, KS, G I h 768-10. 94 ÖStA, KA, Inv.-Nr. GPA Inland C 1 a 2: Wien Nr. 16: Festungs- und Minenplan von Wien 1792, Teile 5 und 6. 95 ÖStA, KA, G VII 1920. 96 ÖStA, KA, Inv.-Nr. GPA Inland C I a 2: Wien Nr. 2, Plan Lit. W Bastion I–IV: Übersichtsplan der Stadtumfassung nebst Detailgrundrissen aller […] Kasematten 1834, Plan Lit. W Bastion I–IV. 97 Freundliche Mitteilung Dr. Gerhard Zsutty, Ziegelmuseum Wien.

Von Raum 1 führte – wie oben schon erwähnt – ein tonnengewölbter, aus Ziegeln gemauerter, unterirdischer Gang, dessen ursprünglicher Boden weder Belag noch Estrich aufwies (Mauerwerk des Ganges: UK 4,12–4,18 m, OK 5,95–6,35 m über Wr. Null, lichte Weite: 0,92 m), leicht ansteigend in Richtung Südosten unter das Glacis (Abb. 9 und 11–12). Er war noch auf einer Länge von 9 m komplett erhalten, im mittleren Bereich der Baugrube durch die Bauarbeiten aber zerstört worden. Die Mauerstärke des Ganges entsprach einer Ziegellänge (Ziegelmaße 27,5–28,5613–13,566,3–7 cm). Der Kalkmörtel war fest und grob gemagert und enthielt wenige Kalkeinschlüsse bis 2 cm

54 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Abb. 20: Festungs- und Minenplan von Wien 1792. (ÖStA, KA, Inv.-Nr. GPA Inland C 1 Nr. 16, Teile 5 und 6)

Aufsätze

a2: Wien

Durchmesser. Durch die Ankerungsarbeiten beim Bau des Hotels Marriott in den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurde an einigen Stellen sein Mauerwerk durchbohrt, so dass Beton hineingelangen konnte und seinen Boden bedeckte (Abb. 21). An der Innenseite von Raum 1 sah es so aus, als sei seine Ostmauer mit dem Mauerwerk des Ganges verzahnt. An der Außenseite konnte jedoch eine deutliche Baunaht zwischen beiden beobachtet werden. Hier war das Mauerwerk des Ganges an das des Raumes 1 angesetzt. Die Errichtung des Ganges erfolgte abschnittsweise unter Tage. Über ihm lagen die Schichten des Glacis (Bef.-Nr. 58–60), ebenso schnitt er die Schichten 60 und 61, allesamt ältere Ablagerungen (siehe unten). Die Bauabschnitte waren an seiner Außenseite durch unregelmäßige Baunähte gut sichtbar. Hier bildeten die Ziegel keine glatte Mauerschale, durch ihr Vor- und Zurückspringen war die Oberfläche uneben (Abb. 22). In der Übergangszone vom aufgehenden Mauerwerk zum Gewölbe waren in unregelmäßigen Abständen senkrecht verlaufende Abdrücke von Holzpfosten mit einer Stärke von 7 cm sichtbar, die möglicherweise von der Pölzung für die Errichtung des Ganges unter Tage stammten. Innen war der Gang unregelmäßig verputzt, so dass teilweise Ziegel sichtbar geblieben waren (Abb. 21). An der östlichen Baugrubenkante (Parkring) konnte sein Verlauf noch weiter verfolgt werden. Interpretation und Datierung Aufgrund seiner Lage innerhalb des Befestigungssystems kann der Gang als Minengang angesprochen werden. Er gehörte zu einem strahlenförmig um die Winkelpunkte der Kontereskarpe angeordneten Minengangsystem, das unter das Glacis führte und sich hier verzweigte. Solche Minen konnten mit Sprengladungen versehen werden, um sie im Ernstfall unter dem angreifenden

55 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Abb. 21: Der Minengang von innen. Zu sehen ist einer der Maueranker und der Beton im Bodenbereich. (Foto: H. Krause)

Abb. 22: Überblick über den freigelegten Minengang von außen, Blick nach Westen. (Foto: H. Krause)

Feind zu zünden. Wann genau diese Gänge errichtet wurden, ergibt sich nur 98 ÖStA, KA, KPS, K VII e 155: Plan der Befestigung von Wien mit den Anlagen von Minen von 1746; ÖStA, KA, KPS, K VII e 157: „Plan von Wienn wie er sich Anno 1748 befundet“. 99 Hummelberger/Peball 1974, 66; Eberle 1909, 265 Anm. 9 nennt schriftliche Belege für das Jahr 1702 und 1711, wobei die zum Jahr 1711 angegebenen Bände der Hofkriegsratsprotokolle keine Hinweise auf Bauarbeiten an Gegenminen erbrachten. Für die Archivrecherchen sei Markus Jeitler herzlich gedankt. 100 ÖStA, KA, HKR Protokolle R 416 (1702) fol. 252r. 101 ÖStA, FHKA, HFÖ E 1029/1030 (1702) fol. 326r und HFÖ E 1031/1032 (1702) fol. 430r sowie HFÖ Fasz. 638, 1702 Juni 1 (unfoliert): Von einer Ausräumung des Gewölbes einer Kontermine im Bereich der Löblbastion ist schon 1545 die Rede (M. Jeitler, Schriftquellen zur Bauorganisation der Wiener Stadtbefestigung im 16. Jahrhundert. Neue Überlegungen zum Bau der Burg- und Löblbastei. ÖZKD 64/1–2, 2010, 51). 102 ÖStA, FHKA, HFÖ Fasz. 638, 1702 Juni 1 (nicht paginiert). 103 Eberle 1909, 265.

aus dem Terminus ante quem der Pläne aus der Zeit vor 1746 (Abb. 15) und aus dem Jahr 174898 sowie den verwendeten Ziegeln. Walter Hummelberger und Kurt Peball geben das Jahr 1702 für ihre Errichtung an. 99 Die Hofkriegsratsprotokolle dieses Jahres verzeichnen Reparaturvorhaben an den Wiener-Fortifikations-Contra=minen. 100 Über Schadhaftigkeiten und den stündlich zu erwartenden Einsturz der Contraminen und Kasemattengewölbe in den Basteien sowie die für diese Reparatur nötigen Gelder geht es auch in einem erhaltenen Akt der Hoffinanz aus dem Jahr 1702. Daraus wird klar, dass es bereits zu dieser Zeit Minengänge gab, deren Zustand allerdings miserabel war. 101 Wie diese beschaffen waren und ob sie damals schon aus Ziegeln gemauert waren, geht aus den Berichten nicht hervor. Leander Anguissola gibt für die notwendigen Reparaturen einen Kostenvoranschlag mit 19.511 Gulden an und mahnt, dass diese Unkosten das Zehnfache betragen könnten, wenn man nicht bald damit beginne. 102 Schriftquellen, die über derartige alsbald erfolgten Baumaßnahmen berichten, sind offenbar nicht erhalten. In einem Memoire von 1758 werden schließlich 68 gemauerte Minengänge genannt, die vom Stubentor bis zum Neutor reichten. 103 Eduard Suess berichtet 1862, dass 24 Fuß von der Ringstraße entfernt gemauerte, zur neueren Fortifikation gehörende Minengänge gefunden wurden. 104

56 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Aufsätze

Im Minengang waren Ziegel (siehe Tab. 3) mit den hochgestellten, erhabenen Initialen „GM“ (MV 74541/01) und einer darüberliegenden Krone mit den Maßen 27613,567 cm vermauert. Diese Initialen dürften für Graf Mollard stehen, der im heutigen 6. Bezirk einen Ziegelofen betrieb. Diese Ziegelei produzierte in der Zeit von 1687 bis nach 1761. In der Karlskirche fanden sich ebenfalls Ziegel mit dieser Marke im Ostraum der Krypta, der in der Zeit vor 1722 errichtet worden ist. 105 Ein weiterer Ziegel (MV 74541/02) mit den Maßen 2761367 cm dürfte dem verwendeten Ton zufolge aus der Gemeindeziegelei Aspern stammen, die nach 1683 bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts produzierte. 106 Damit widersprechen die Ziegelmaße nicht dem aus Plänen und schriftlichen Überlieferungen ermittelten Entstehungszeitraum des Ganges zwischen frühestens 1702 und 1746 (Abb. 15). Schichten des Glacis Nicht eindeutig zu beantworten ist die Frage, ob die annähernd horizontal verlaufenden sandigen Lehm-, Schotter- und Kiesschichten (Abb. 19, Bef.-Nr. 58–63 sowie 66–67) als Schichten des Holozäns – also alluviale Schichten innerhalb der Talsohle des Wienflusses – oder als anthropogen eingebrachtes, umgelagertes, jedoch fundleeres Material zu interpretieren sind. In den Dokumentationen nahe gelegener Aufschlussbohrungen im Bereich des Hotels Marriott waren keine derartigen Schichtpakete erkennbar. 107 Allerdings ist diese Zone bereits durch zahlreiche Veränderungen und Einbauten seit der Ringstraßenära stark gestört, so dass möglicherweise nur selten die anstehenden Schichten erhalten sind. Aus den oberen Schichten im Glacis – zwischen 9 und 12 m über Wr. Null bzw. bis 3 m unter dem heutigen Gehniveau – wurde Fundmaterial (MV 74538, 74540, 74542–74544) geborgen, das bis ins 18./19. Jahrhundert datiert (siehe Beiträge I. Gaisbauer, 85 Kat.-Nr. 157–159 und K. Tarcsay, 126 Kat.-Nr. 2). Da dies Streufunde sind, können keine weiteren Aussagen gemacht werden. Möglich ist, dass dieses Material im Zuge der Schleifung und Planierung der Befestigung umgelagert wurde und so dorthin gelangte. Die Brücke über den Stadtgraben (Abb. 9 und 23) Durch die Grabung kamen die Überreste der Fußgängerbrücke zutage, die zwischen 1817 und 1862 vom Wasserglacis über den Stadtgraben zum Karolinentor führte. Es wurden acht Brückenpfeilerpaare aus Ziegelmauerwerk (Bef.-Nr. 78) freigelegt und dokumentiert. Bei den westlichen vier Paaren wurde im Zuge der Dokumentation jeder Pfeiler (1–8) nummeriert. Die östlichen Pfeiler wurden nur paarweise nummeriert (Pfeilerpaare 5–8). Jeweils ein Brückenpfeilerpaar stand auf einem Ziegelfundament (Abb. 23 und 28,1). Die Längen der Fundamente schwankten zwischen 5,64 und 5,96 m, ihre Breiten zwischen 1,34 und 1,51 m und ihre Höhen zwischen 0,80 und 1 m, wobei die zwei südöstlichsten Pfeilerfundamente die geringste Höhe aufwiesen (0,80 und 0,82 m) und am wenigsten tief lagen. Unter dem Fundament der Pfeilerpaare 1 bis 6 konnten jeweils Holzpiloten zur zusätzlichen Stabilisierung fest-

104 E. Suess, Der Boden der Stadt und sein Relief. In: Geschichte der Stadt Wien 1 (Wien 1862) 23. 105 Mitchell (Anm. 80) 4 f. 106 Für die Bestimmung und Datierung der Ziegel danke ich Dr. Gerhard Zsutty, Ziegelmuseum Wien. 107 Bohrprofile aus dem Baugrundkataster der MA 29 – Brückenbau und Grundbau, G 626/3 (1979) Weihburggasse 29–31.

57 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

gestellt werden. Dies dürfte mit dem feuchteren,

tieferen

Bereich

des

Stadtgrabens korrelieren. Die Brückenpfeilerpaare 1 bis 4 besaßen jeweils einen Sockel mit einer Länge von ca. 1,33 bis 1,42 m, einer Breite von ca. 1,07 bis 1,16 m und einer Höhe von ca. 1,29 bis 1,55 m. Darüber verjüngten sich die Pfeiler auf ca. 1,23 bis 1,2660,86 bis 1,12 m. Bei den höher erhaltenen Pfeilern der Paare 5 bis 8 war ein niedrigerer, teilweise geringfügig aus der Achse verschobener Sockel sowie eine weitere Verjüngung festzustellen. Die erhaltenen Höhen variierten zum Teil stark Abb. 23: Überblick über die Reste der Brückenpfeiler im ersten Bauabschnitt, Blick nach Osten. (Foto: H. Krause)

(Tab. 1). Der Abstand zwischen Nordund Südpfeiler eines Paares lag je-

weils zwischen 2,56 und 2,80 m und die Spannweite zwischen den Fundamenten der Pfeilerpaare betrug 5,76 bis 5,93 m (Tab. 2). Das durchschnittliche Ziegelmaß der Brückenpfeiler betrug 29,761466,3 cm (variierte jedoch im Einzelnen zwischen 28,5–31613,3–14,566,0–6,7 cm). Zwei Ziegel vom Nordpfeiler des sechsten Paares tragen die eingeritzten Initialen „IM“ (Abb. 24 u. Tab. 3), wobei auf dem Ziegel MV 74568/02 rechts von den Initialen weitere schwache Ritzungen (eventuell eine Acht) zu erkennen sind. Die Bedeutung dieser Zeichen bleibt unklar. Pfeilerpaar 1 2 3 4 5 6 7 8

Fundament OK/UK 3,42/2,40 3,33/2,33 3,10/2,10 3,10/2,10 2,83/1,82 2,96/1,97 3,64/2,80 3,58/2,70

N-Pfeiler/erh. OK 5,60 5,24 5,92 5,72 5,87 6,19 5,98 6,58

S-Pfeiler/erh. OK 5,20 5,14 4,90 4,88 6,05 6,23 5,78 6,53

Tab. 1: Höhenmaße der Brückenpfeiler (Bef.-Nr. 78), Niveaus in m über Wr. Null. zw. Pfeilerpaar 1–2 2–3 3–4 4–5 5–6 6–7 7–8

Abstand 5,90 5,76 5,91 5,93 5,86 5,91 5,90

Tab. 2: Abstände zwischen den Fundamenten der Pfeilerpaare (in m).

58 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Aufsätze

Datierung Die Datierung der Brücke über den Stadtgraben ergibt sich aus der historischen Überlieferung der Eröffnung des Karolinentores im Jahr 1817 sowie aus dem Plan von Anton Behsel aus demselben Jahr (Abb. 6). Ihr Aussehen ist durch mehrere Ansichten überliefert, die jedoch in Details voneinander abweichen. Träger, Brüstung und der Gehbelag dürften in späterer Zeit erneuert worden sein (Abb. 25). 108 Unklarheit besteht über den genauen Abbruchzeitraum der Brücke, der gemeinhin zeitgleich mit der Schleifung

Abb. 24: Ziegel vom Brückenpfeilerpaar 6 mit den eingeritzten Initialen „IM“. (Foto: H. Krause)

der Befestigung 1862/63 angenommen wird. Eine kolorierte Tuschezeichnung aus dem Nachlass Emil Hütters im Wien Museum zeigt die Brücke vor dem Karolinentor demoliert. Auf der Rückseite ist mit Bleistift vermerkt, dass diese Skizze nach der Natur am 11.10. 1860 angefertigt worden ist (Abb. 26). Man sieht eine verkürzte provisorische Holzbrücke, die auf einer Art Erdrampe im Bildvordergrund aufliegt. Ein Teil der die Brücke säumenden Pappeln fehlt bereits. Eines der wenigen Fotos der Wiener Stadtbefestigung zeigt den Bereich Wasserkunstbastei und Stadtgraben vom Standpunkt der bereits zum Teil abgebrochenen Wasserkunstbastion vor 1862/63 (Abb. 27). Am rechten Bildrand, der leider etwas unscharf ist, ist nur noch eine Pappel, aber keine Brücke mehr zu sehen. Möglicherweise war sie tatsächlich durch eine Erdrampe ersetzt worden. Ob die im Profil 1 (siehe unten, Bef.Nr. 33–43) festgestellten Schichten damit in Zusammenhang gebracht werden können, sei dahingestellt. Die Stadtgrabenverfüllung Der Aushub für den Tiefgaragenbau erfolgte mit schwerem Gerät. Daher war es nur an wenigen Stellen möglich,Verfüllschichten zu dokumentieren. Das meiste Fundmaterial stellen Streufunde dar, die während der Baggerarbeiten geborgen wurden. Die Verfüllung enthielt nur wenig Bauschutt und Funde wie Keramik, Tier- und dislozierte Menschenknochen109 sowie Glas und Kleinfunde aus Metall. Aus dokumentierten Schichten konnten nur in den Profilen vereinzelt Funde entnommen werden, die jedoch aufgrund ihrer geringen Menge nur bedingt aussagefähig für eine Datierung sind. Der Großteil der Keramikfragmente war derart zerscherbt, dass (mehrfache) Umlagerungsprozesse des Materials angenommen werden müssen. Profil 1 am ersten Brückenpfeilerpaar (Abb. 28,1 Tab. 4) Auf der Höhe des ersten Brückenpfeilerpaares wurde ein Profil von Südwesten nach Nordosten angelegt (siehe Abb. 9). Es zeigt die Reste des ersten Brückenpfeilerpaares auf einem gemeinsamen Fundament. Das Erdreich über den Pfeilern war großteils bereits vom Bagger entfernt worden. Die Oberkante des Fundamentes lag bei 3,39 bis 3,42 m über Wr. Null. Zwischen den Pfeilern befanden sich verschiedene Schichten (Bef.-Nr. 3–9), die mehr oder weniger Bauschutt wie Ziegelfragmente und Mörtelreste enthielten. Nur aus der Schutt-

108 Vgl. auch die Ansicht der Inneren Stadt von der Karlskirche aus, 1850 (WM Inv.-Nr. 79971). 109 Zu den Tierknochenfunden siehe Beitrag S. Czeika, 136 ff. Vereinzelte umgelagerte menschliche Knochen von mehreren Individuen fanden sich in der Stadtgrabenverfüllung (Fnr. 4, 9, 23, 28, 32, 60–63 und 66). Für die Bestimmung sei Michaela Binder herzlich gedankt.

59 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Abb. 25: Blick von der Braunbastion zur Wasserkunstbastion. Unten links die zum Karolinentor führende Fußgängerbrücke, Aquarell. (Wien Museum, Inv.-Nr. 55.352)

Abb. 26: Die bereits demolierte Brücke beim Karolinentor, „nach der Natur gezeichnet 11.10.1860“, Nachlass Emil Hütter, kolorierte Federzeichnung. (Wien Museum, Inv.-Nr. 213.465)

schicht 7 konnten wenige glasierte, nicht genauer datierbare Keramikfragmente geborgen werden. Ob sich die über dem Brückenfundament liegenden Schichten 3 bis 8 noch während der Bestandszeit des Stadtgrabens abgelagert haben oder nach dem Brückenbau einplaniert wurden, kann aufgrund mangelnden datierenden Materials nicht gesagt werden. Die Schichten im Profil, die unmittelbar nordöstlich des Pfeilers 1 anschlossen (Bef.-Nr. 11–15 und 81–84) ließen sich bis in die Tiefe von 2,62 m über Wr. Null dokumentieren. Sie enthielten nur wenig Bauschutt, unterschieden sich aber in Zusammensetzung, Festigkeit und Farbe. Auffällig ist hier die lössig-lehmig-sandige, ockerfarbene Schicht (Bef.-Nr. 1) an der Profilgrenze, deren Oberkante bei ca. 3,50 m über Wr. Null fast horizontal verlief und die eine fast senkrechte Kante aufwies. Hier

60 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Aufsätze

Abb. 27: Blick von der Wasserkunstbastion zur Braunbastion, Fotografie vor 1862/63. (Wien Museum, Inv.-Nr. 79.829)

grenzten die Schichten 10 bis 14 an. In Schicht 1 befand sich der Rest eines vermorschten Holzpfostens (Bef.-Nr. 26). In dem Nordwest-Südost verlaufenden Profil 2 (siehe unten, Abb. 28,2) fand sich in regelmäßigen Abständen die Schicht 1 wieder, die auch hier Reste von Holzpfosten enthielt, die parallel zur Brücke verliefen. Auch auf der gegenüberliegenden Seite der Brücke konnten zwei derartige Pfosten beobachtet werden. Möglicherweise sind diese die Reste eines Baugerüstes für die um 1817 erfolgte Brückenherstellung. Aus Schicht 1 wurden Keramik- und Tierknochenreste geborgen, wobei die spärlichen Keramikfunde vom späten Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert datieren (siehe Beiträge I. Gaisbauer, 81 Kat.Nr. 101 mit Tab. 15 und S. Czeika, 136 ff.). Mit Ausnahme von Schicht 11 konnte kein Fundmaterial aus den an Brückenpfeiler 1 anschließenden Schichten geborgen werden. 110 Auch südwestlich von Pfeiler 4 wurden zahlreiche Anschüttungsschichten dokumentiert (Bef.Nr. 31, 33–43), die auch nur wenig Bauschutt enthielten. Die untersten im Profil erkennbaren Befunde waren die sterilen Schotterschichten 30 und 32, die bis zu einer Tiefe von 3,05 m über Wr. Null verfolgt werden konnten. In diese Schotterschichten schnitt zum Teil ein gusseisernes Rohr (3,35 m über Wr. Null) mit einem Innendurchmesser von 6 bis 7 cm und einem Außendurchmesser von 10 cm ein. Dieses war Teil einer Rohrleitung (eventuell einer Gasleitung), die parallel zur Brücke verlief. Es lag teilweise auf dem Brückenfunda-

110 Das Fundmaterial konnte nicht näher datiert werden.

61 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

ment auf und ist daher erst nach dem Brückenbau verlegt worden. Die oberen Schichten haben einen nach Süden abfallenden Verlauf und dürften zum Teil beim endgültigen Abtragen des Brückenpfeilers geschnitten worden sein (siehe Bef.-Nr. 9). Funde enthielten in diesem Bereich nur die Schichten 33 und 42. Die Keramikund Porzellanfragmente datieren vom 16. bis ins 18./19. Jahrhundert (siehe Beitrag I. Gaisbauer, 101 ff. Tab. 12 und 13). Interpretation und Datierung Die Brücke, von der das Fundament und die Pfeiler stammen, wurde 1817 eröffnet. Einige der Straten (Bef.-Nr. 11–14) könnten bereits im Zuge des Brückenbaus entstanden sein, der überwiegende Teil wird jedoch erst danach bzw. mit dem Abbruch der Brücke und der Planierung des Stadtgrabens in der Zeit von 1862 bis 1863 in Zusammenhang stehen. Die in den Schichten enthaltenen Fundobjekte lassen keine präzisere Datierung zu. Profil 2 (Abb. 28,2 Tab. 4) In diesem Profil konnten Schichten (Bef.-Nr. 1, 10, 15–29) auf einer Länge von 12,75 m und in einer Höhe zwischen 2,60 und 4,14 m über Wr. Null dokumentiert werden. In regelmäßigen Abständen zeigten sich Verfärbungen von vermorschten Holzpfosten (Bef. Nr. 26 und 28) sowie dazwischen liegende Bauschuttlinsen (Bef.-Nr. 21 und 23). Die Schichten unterschieden sich wiederum in Zusammensetzung, Konsistenz und Farbe. Aus einigen Befunden konnte Fundmaterial – jedoch meist insignifikantes – geborgen werden (Bef.-Nr. 17– 19, 22–23 und 26, siehe Beitrag K. Tarcsay, 132 Kat.-Nr. 8). Interpretation und Datierung Die Pfosten könnten, wie oben bereits ausgeführt, eventuell als Rest eines Holzgerüstes für den einstigen Brückenbau und die Schuttlinsen als Abbruchmaterial zu interpretieren sein. Stadtgrabenverfüllung im Bereich Garagenzufahrt Hegelgasse Während des Aushubs für die Garagenzufahrt in der Hegelgasse kam ca. 3 m unter dem Gehniveau ein in der Straßenmitte verlaufender ehemaliger tonnengewölbter Abwasserkanal (lichte Breite 0,64 und Höhe 0,86 m), gemauert aus Ziegeln der Ziegelei Heinrich Drasche (produziert von 1857 bis ca. 1918), zum Vorschein. Der Kanal dürfte im Zuge des Ringstraßenbaus um 1867 angelegt worden sein. In seinem Umfeld wurden Funde (MV 74585) geborgen, die in diese Phase datieren (siehe Beitrag I. Gaisbauer, 73 ff. Kat.-Nr. 1–22). Ausgewählte Klein- und Großfunde Münzen111 Auf den Trittsteinen vor dem vermauerten Eingang in der Kontereskarpe wurde ein Rechenpfennig des Hans Krauwinckel, Nürnberg, gefunden (MV 74576), 111 Ich danke herzlich Constance Litschauer für die Bestimmung der Münzen.

der in der Zeit zwischen 1586 bis 1635 geprägt worden ist. Dieser Pfennig dürfte über die Stadtgrabenverfüllung um 1862/63 dorthin gelangt sein.

62 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

Abb. 28: 1 – Westprofil im Stadtgraben, Profil 1 mit erstem Brückenpfeilerpaar; 2 – Nordprofil im Stadtgraben, Profil 2. (G. Reichhalter/Ch. Reisinger)

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

63 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Eine weitere Kleinmünze (MV 74580) kam direkt auf der Oberkante des nördlichen Brückenpfeilers von Pfeilerpaar 8 zutage. Es handelt sich dabei um einen Kreuzer aus dem Jahr 1858 (Franz Joseph I., 1858, 2,85 g, Dm 19,2 mm, 12 h). Im Zuge des Abrisses und der Verfüllung des Grabens dürfte der Kreuzer auf die Pfeilerkrone gelangt sein. Reitersporn? Ein aus zwei leicht konvex gebogenen Schenkeln bestehendes Objekt (MV 74575) aus stark korrodiertem Eisen (Länge 9 cm, Breite 10,5 cm), das Teil eines Reitersporns gewesen sein könnte, fand sich in der Stadtgrabenverfüllung westlich der Kontereskarpe. Weder der Sporn selbst noch der Teil für die BeAbb. 29: 1 – Zahnbürste (?); 2 – Kleiner Tiegel. (Zeichnungen: G. Reichhalter)

festigung am Stiefel sind erhalten. Aufgrund seiner starken Fragmentierung ist eine genaue Datierung nicht möglich. Kanonenkugel Aus der Stadtgrabenverfüllung (ca. 3–6 m über Wr. Null), nordwestlich von Brückenpfeilerpaar 7, wurde eine große Kanonenkugel aus Eisen mit einem Durchmesser von 25 cm geborgen (MV 74583). Zahnbürste ? (MV 74575) In der Stadtgrabenverfüllung (3–7 m über Wr. Null) kam westlich der Kontereskarpe ein Schaft (Griff) aus Bein mit einer erhaltenen Länge von 12,6 cm und einer maximalen Breite von 1,25 cm zutage (Abb. 29,1). Der sich verjüngende Griff ist leicht geschwungen, der Querschnitt rechteckig, die Ecken sind leicht abgeschrägt. Das abgebrochene, verbreiterte Ende weist auf einer Seite drei parallel verlaufende, feine Rillen auf, die in drei Bohrungen münden. Da der entscheidende funktionsgebende Teil abgebrochen ist, lässt sich das Objekt nicht mehr eindeutig bestimmen. Hier sind Spuren einer Grünfärbung zu beobachten, die von einem Buntmetall stammen könnten. Eventuell diente dieses Objekt als Zahnbürste (Neuzeit). Kleiner Tiegel Unter den zahlreichen Funden aus dem Stadtgraben – am nördlichen Pfeiler des Brückenpfeilerpaares 5 – fand sich in einer Tiefe von 3 m über Wr. Null (MV 74564) auch ein kleines tiegelartiges, im Bodenbereich fragmentiertes Objekt (Abb. 29,2, Dm oben 28 mm, unten erhalten 22 mm, Höhe 14 mm, muldenartige, kreisrunde Vertiefung: Dm oben 23 mm). Seine Funktion ist unklar. Es erinnert in seiner Form an Kupellen, die als Probierschalen für die Kupellenprobe (Feuerprobe) dienten. 112 Datierung der Stadtgrabenverfüllung – Demolierung der Befestigung Die Datierung der Verfüllung ergibt sich aus dem überlieferten Demolierungs-

112 S. von Osten, Das Alchimistenlaboratorium Oberstockstall. Ein Fundkomplex des 16. Jahrhunderts aus Niederösterreich (Diss. Univ. Wien 1992) 39–41. 113 Baltzarek/Hoffmann/Stekl (Anm. 66) 194.

zeitraum dieses Teils der Stadtbefestigung von November 1862 bis September 1863. Das dabei angefallene Erd- und Schuttmaterial diente zur Auffüllung des Stadtgrabens. 113 Die Verfüllung ist daher als umgelagertes Material unterschiedlicher Herkunft – wohl aber aus der Nähe des untersuchten Areals –

64 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Aufsätze

aus dem Bereich der Stadtbefestigung anzusehen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich Fundmaterial verschiedener Zeitstellung in den Schichten fand. Zudem werden durch die Demolierungsarbeiten verschiedene Objekte – wie zum Beispiel die Kleinmünze (MV 74580) auf dem Brückenpfeiler – bzw. Abfall in die Verfüllung gelangt sein. Darüber hinaus dürften die Streufunde aus den unteren Bereichen des Stadtgrabens, das heißt nahe seiner Sohle, von Abfalldeponierungen zeugen, die wohl noch zur Bestandszeit des Grabens erfolgten. Die hier in großer Zahl aufgefundenen Reste von Mineral- und Bitterwasserflaschen sind sicherlich in Zusammenhang mit der seit 1818 existierenden Mineralwassertrinkanstalt auf dem nahen Wasserglacis zu sehen. Zusammenfassung Durch die Ausgrabungen in der Weihburggasse wurden verschiedene Elemente der Wiener Stadtbefestigung dokumentiert. Im Großteil der Fläche erfasste man den Stadtgraben mit Verfüllschichten der Planierungsphase der Jahre 1862/63. Aus diesen Schichten wurde Fundmaterial geborgen, das über einen großen Zeitraum datiert und großteils Spuren von Umlagerungsprozessen aufweist. Zudem trat die äußere Grabenfuttermauer (Kontereskarpe) mit baulichen Überresten des einstigen Waffenplatzes zutage. Ob der gesamte Ausbau der Kontereskarpe in Mauerwerk mit den anschließenden unterirdischen Räumlichkeiten des Waffenplatzes gleichzeitig erfolgte, konnte leider nicht eindeutig geklärt werden. Die unterirdischen Räume mit den Stiegenaufgängen sind allerdings miteinander verzahnt und daher in einem Zuge entstanden. Der Minengang ist zwar mit einer Baufuge an Raum 1 angesetzt, doch dürfte er dennoch zeitnah zu ihm errichtet worden sein. Dafür sprechen sowohl die überlieferten Pläne als auch die verwendeten Ziegel (Tab. 3). Der Entstehungszeitraum lässt sich anhand historischer Pläne und verwendeter Baumaterialien mit hoher Wahrscheinlichkeit zwischen 1710 und 1746 eingrenzen. Auch die Mauerwerksstrukturen und die wenigen Funde in den Baugrubenverfüllungen widersprechen dieser Datierung nicht. Ob die gemauerte Kontereskarpe vorher schon bestand, bleibt unklar. Der Eingang vom Stadtgraben in den unterirdischen Raum 2 wurde wahrscheinlich sekundär in die Kontereskarpe eingebaut. Wann dies geschah, ließ sich nicht feststellen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts verschloss man den Eingang mit Ziegelmauerwerk und das nördliche Treppenhaus wurde auch aufgegeben, indem man es teilweise abtrug und abmauerte. Weiters wurden die Reste von acht Ziegelpfeilerpaaren der Fußgängerbrücke über den Graben untersucht, die 1817 eröffnet wurde und bis kurz vor der Schleifung der Befestigung bestand. Intensive Archivrecherchen, von denen im Rahmen des vorliegenden Artikels aus zeitlichen Gründen Abstand genommen werden musste, erbrächten möglicherweise neuere Erkenntnisse insbesondere genauere Datierungen zu diesem späten Ausbau der Festung Wien.

65 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Kataloge Bef.-Nr. Inv.-Nr. (MV) 51 74536/01

Zeichen/Besonderheit Zeichenart Interpretation

Datierung

Maße







evtl. 19. Jh.

57

74541/01

GM, darüber Krone

erhaben

erh. L 1161267 Mörtelreste, Ton gebändert 27613,567 Mörtelreste

57

74541/02





72

74547

K

72

74579/01– K 02

76

74577/01– auf beiden plastische 02 Abdrücke jeweils an derselben Stelle, jedoch unidentifizierbar 74578/01– – 02 74587 –

erhaben, hochgestellt erhaben, hochgestellt erhaben

Mollard Ziegelofen (GM für 1687–ca. 1761 Graf Mollard) dem verwendeten Ton zufolge 1683–M. 19. Jh. 2761367 aus Gemeindeziegelei Aspern vermutlich Pächter des Stadt- 1700–1736 28,5613,567 ziegelofens

77 77?

– –

Anmerkung

Mörtelreste Mörtelreste

vermutlich Pächter des Stadt- 1700–1736 ziegelofens

28,5613, 566–7 Mörtelreste





28613–13,56 6–6,5

„rosafarben“

nach Maßen, Farbe und Zeichenlosigkeit datiert nach Maßen, Farbe und Zeichenlosigkeit datiert an der Läuferseite jeweils an Stirnseite IM geritzt, einer nur fragmentiert

M.–spätes 18. Jh.? M.–spätes 18. Jh.? um/vor 1817 um/vor 1817

28–29613,566

„rosafarben“

2861467

„rosafarben“

29613,566 29613,5–146 6–6,5

– gleiche Ziegelei wie Inv.-Nr. MV 74567 (Bef.-Nr. 78) Mörtelreste an allen Seiten außer der Bruchfläche –

78 78

74567 X 74568/01– IM 02

geritzt geritzt

Streufund

74584

Hundepfotenabdruck



von mittelgroßem bis großem, – schwerem Hund

erh. L 19613,566,5

Streufund

74588





Handziegel in spätmittelalterli- 1. H. 16. Jh.? cher Tradition mit Handabstrich, aber in größerem Format

28,5612,866,5

Tab. 3: Ziegelkatalog, Maße in cm. Fnr. – Inv.-Nr. Pfostengrubenverfüllungen vom 11, 20 – Gerüst für Brückenbau vor 1817 (?) – MV 74511, Abb. 28,1.2 MV 74520 Mauerwerk der Brücke von 1817 – – Abb. 28,1 Planierschicht/Ablagerung (?) nach – Brückenbau 1817 – Abb. 28,1 Planierschicht/Ablagerung (?) nach – Brückenbau 1817 – Abb. 28,1 Planierschicht (?) nach Brückenbau – 1817 – Abb. 28,1 Planierschicht/Ablagerung (?) nach – Brückenbau 1817 – Abb. 28,1 Schuttschicht (?) nach Brückenbau 10 – 1817 – Abb. 28,1 MV 74510 Planierschicht/Ablagerung (?) nach – Brückenbau 1817 – Abb. 28,1

Bef.-Nr. Interpretation

Beschreibung

OK min. OK max. UK max. UK min.

1

lössig, lehmig, sandig; wenige Funde: Ker., Kn.

3,46

3,63

2,62 (ergr.)

3,11

Rest eines Brückenpfeilers mit Fundament (nördlichstes Pfeilerpaar = Pfeiler 1 + 4) sandig lehmiger Schotter; sehr wenig Ker., Z-Splitter, HK u. Mörtel dünn (ca. 5 cm stark), mörtelhaltig (Mörtel aufgelöst) Z-Schuttschicht (40–50 cm stark)

3,39

3,42



2,40

3,56

3,61

3,39

3,42

3,59

3,67

3,56

3,61

3,71

3,90

3,59

3,67

Z-Schutt mit sandig schottrigem Lehm

4,32

4,20

3,72

4,90

ca. 20 cm starke Mörtel-/Z-Schuttschicht; 4,42 Funde: Ker., Kn. dunkelbraune, sandige Lehmschicht 4,53 (ca. 10–15 cm stark), wenig HK, Z-Stückchen u. Mörtel – rezente, sehr heterogene Verfüllung mit Schutt zwischen Pfeiler 1 u. 4: lehmig, sandig, schottrig mit schluffigen Einschlüssen, aus übereinanderliegenden Schichtbändern (schichtenweises Auffüllen des Grabens?); Funde: Z, Steine, Mörtel, Ker.

4,50

4,22

4,32

4,67

4,42

4,52



4,53



2 3 4 5 6 7 8

9

Stadtgrabenverfüllung (um 1862/ 1863?) – Abb. 28,1



66 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Fnr. – Inv.-Nr. (umgelagerter) Schotter – Abb. 28,1.2 –

Aufsätze

Bef.-Nr. Interpretation

Beschreibung

OK min. OK max. UK max. UK min.

10

(steriler) sandiger Schotter bis 10 cm Dm (fand sich in mehreren Bereichen der Baugruben-UK) schottriger, hellgrauer Lehm mit wenig ZFragm., HK Band grünlich grauen, sandigen Lehms (ca. 10 cm) Schutt (12–30 cm stark) mit recht großen Z-Fragm. u. Schotter, wird nach N dünner sandig schottriger Schutt (ca. 10 cm stark), nach N abfallend schottrig, lehmig, heterogen (ca. 0,50 m stark), vereinzelt HK, Z u. Mörtel blaugrauer Lehm, wenig HK, Mörtel u. ZFragm.; unterste Schicht in Holzpfostengrube unter Verfüllung Bef.-Nr. 1 sandiger Lehm, wenig Schotter, HK, ZFragm., Ker. u. Kn.; unterste Schicht in Holzpfostengrube für Pfosten Bef.-Nr. 26 sandiger Lehm, wenig Kiesel u. Z-Fragm.; Funde: Glas, Ker., Kn.; unter Bef.-Nr. 1 in Holzpfostengruben für Pfosten Bef.-Nr. 26 u. 28 (?) kiesige, sandige, lehmige Schicht mit wenig Z-Fragm.; Pfostengruben schneiden ein durchziehende fundarme, lehmige Schicht mit HK, Z-Fragm. u. Mörtel zw. 2 Holzpfostengruben eingebrachte ZSchuttverfüllung (ca. 1 m stark) lehmig schottrige Schicht (bis ca. 1 m stark) mit HK, Z-Fragm. u. Mörtel jeweils zw. 2 Holzpfostengruben eingebrachte Schuttschicht mit vielen Z (versch. Formate u. Farben), tlw. auch SchamotteZ, z. T. fragm., ummörtelt (von einem Abriss stammend?), Maße z. B. 8617–18 cm schottriger Lehm, wenig HK u. Z-Fragm.; oberste dok. Schicht im Profil 2 lehmige, blaugraue Schicht mit wenigen Z-Fragm. u. Mörtel angespitzter runder Pfosten (max. erh. Dm 0,34 m), vermorscht; wie Bef.-Nr. 28

2,80– 2,72

2,65– 2,97





3,18

3,28

2,65

2,73

3,30

3,39

3,18

3,28

3,42

3,68

3,30

3,39

3,51

3,78

3,42

3,68

4,04

4,39

3,51

3,78

2,76

2,80

2,60 (ergr.)



2,82

3,19



2,82 (ergr.)

3,12

3,32

2,80 (ergr.)

2,82

3,02

3,44

2,80

2,97

3,43

3,84

3,11

3,64

4,09

3,87

3,47

3,52

3,91

4,14

3,43

3,83

3,80

4,01

3,36

3,55





3,91

4,14

3,12

3,24

3,03

4,21 (erh.)



2,91 (ergr.) –

sandiger Lehm mit hohem HK-Anteil; Kn.-Reste; ähnl. Bef.-Nr. 1, örtlich stark begrenzt, über Bef.-Nr. 19 ursprünglich wohl angespitzter Pfosten, vermorscht

3,26

3,64

3,18

3,43

4,18 (erh.)



3,10 (ca.) –

sandiger, graubrauner Lehm unmittelbar unter Schuttschicht 23 (steriler) Schotter, südlich Pfeiler 4 schlecht sortierter, lehmiger Schotter mit Z-Fragm., Mörtel u. HK; unmittelbar südlich an Pfeiler 4 anschließend (steriler) Feinschotter, gut gerundet (bis 3 cm Dm), südlich Pfeiler 4 gelblich grüner Lehm mit Steinchen, Ker. u. Z-Fragm., unmittelbar südl. an Pfeiler 4 anschließend, nach S abfallend sandiger Lehm mit Steinen, Z-Fragm. u. HK, südl. Pfeiler 4, nach S abfallend lehmiger Schotter mit Mörtelrest, südl. Pfeiler 4

3,32

3,38

3,14

3,21

3,22 4,23

3,29 4,52

3,05 3,22

3,12 3,38

3,29

3,38

3,18

3,29

4,25

4,94

4,25

4,52

4,62

4,90

4,30

4,68

4,67

4,97

4,67

4,94

Planierschicht/Ablagerung (?) – Abb. 28,1 Planierschicht/Ablagerung (?) – Abb. 28,1 Schuttschicht (nach Brückenbau?) – Abb. 28,1 Schuttschicht (nach Brückenbau?) – Abb. 28,1 Verfüllung im Stadtgraben – Abb. 28,1.2 Pfostengrubenverfüllung um 1817 – Abb. 28,2

13 – MV 74513 –

17

Pfostengrubenverfüllung um 1817 – Abb. 28,2

18 – MV 74518

18

Pfostengrubenverfüllungen um 1817 – 17 – Abb. 28,2 MV 74517

19

Ablagerung/Sediment (?) im Stadtgraben – Abb. 28,2 Gehniveau der Brückenbaustelle (?) – Abb. 28,2 Schuttschicht/Verfüllung – Abb. 28,2

24 – MV 74524 –

Verfüllung im Stadtgraben – Abb. 28,2 Schuttschicht/Verfüllung – Abb. 28,2

19 – MV 74519 15, 26 – MV 74515, MV 74526

11 12 13 14 15 16

20 21 22 23

– – – –



24

Verfüllung im Stadtgraben – Abb. 28,2 –

25

Ablagerung/Sediment (?) im Stadtgraben – Abb. 28,2 Holzpfosten der Pfostenreihe parallel zur 1817 eröffneten Brücke (ehemaliges Baugerüst?) – Abb. 28,1.2 Verfüllung – Abb. 28,2

26

27

– 21 – MV 74521 –

29

Holzpfosten der Pfostenreihe parallel – zur 1817 eröffneten Brücke (ehemaliges Baugerüst?) – Abb. 28,2 Verfüllung – Abb. 28,2 –

30 31

(umgelagerter) Schotter – Abb. 28,1 Verfüllung – Abb. 28,1

– –

32

(umgelagerter) Schotter – Abb. 28,1



33

Anschüttung (?) – Abb. 28,1

29 – MV 74529

34

Anschüttung (?) – Abb. 28,1



35

Anschüttung (?) – Abb. 28,1



28

2,92

67 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

36

Anschüttung (?) – Abb. 28,1

Fnr. – Inv.-Nr. –

37

Anschüttung (?) – Abb. 28,1



38

Anschüttung (?) – Abb. 28,1



39

Anschüttung (?) – Abb. 28,1



40

Anschüttung (?) – Abb. 28,1



41

Anschüttung (?) – Abb. 28,1



42

Anschüttung (?) – Abb. 28,1

30 – MV 74530

43

Anschüttung (?) – Abb. 28,1



44 45

Stadtgrabenverfüllung (um 1862/63?) – – Abb. 28,1 Verfüllung – Abb. 28,1 –

46

(umgelagerter) Schotter

31 – MV 74531

47

(umgelagerter) Schotter



48

Anschüttung



49

Schuttschicht/Planierschicht

35 – MV 74535

50

Anschüttung



51

Sediment – Stadtgrabensohle – Abb. 10

36 – MV 74536

52

anstehende Schicht im Glacis- und Stadtgrabenbereich



53

Anschüttung (?) nördl. der Quermauer 37 – von Treppenaufgang 2 MV 74537 Ablagerung (?) nördl. der Quermauer – von Treppenaufgang 2

Bef.-Nr. Interpretation

54

55

Ablagerung (?) nördl. der Quermauer – von Treppenaufgang 2

56

Ablagerung (?) nördl. der Quermauer – von Treppenaufgang 2 Ziegelmauerwerk des Minenganges 41 – (von Raum 1 unter das Glacis) – Abb. MV 74541 11 u. 12

57

Beschreibung

OK min. OK max. UK max. UK min.

lehmiger Schotter (Anteile ca. 50:50) mit Mörtel, Z-Fragm. u. HK lehmiger Schotter, schlecht sortiert mit ZFragm., Mörtel u. HK lockerer Feinschutt mit Verputzresten, HK, Mörtel, Steinchen, Z-Fragm. u. Ker. schottrig kiesiger Lehm mit Verputzresten u. HK feiner, gelbbrauner Lehm, vereinzelt Kies, mit wenigen Z-Fragm., Mörtel u. HK schottriger Lehm, Schotter gerundet mit Mörtel, Z-Fragm. u. HK lehmig kiesiger Schotter (schlecht sortiert) mit Resten von Steinzeugflaschen, Mörtel u. Z-Fragm. grauschwarzer, lehmiger Sand mit wenig Schotter, viel HK u. wenig Mörtel lockerer Schutt aus Z-Fragm., Steinen, Sand u. Mörtel gelblich brauner, fester Lehm mit Schotter u. HK; Einschluss in Bef.-Nr. 31 feiner bis grober, lehmiger Schotter mit Ker. im Bereich der ersten 3 Pfeilerpaare; tlw. ähnl. Bef.-Nr. 32 unterste dok. Schicht in „Schurf 2“ mit sehr wenigen Z-Fragm., Mörtel, HK u. Kn.-Splittern gut sortierter, sandiger Schotter in „Schurf 2“; über Bef.-Nr. 47 lehmiger, inhomogener, kompakter Schutt in „Schurf 2“ mit wenigen Z-Fragm., Mörtel u. HK; Funde: Ker., Kn.; möglicherweise bereits durch Planierarbeiten gestört, oberer Teil war bereits durch Bagger abgetragen sandig kiesiger Schotter mit wenigen ZFragm., HK u. Mörtel; über Bef.-Nr. 48 schwarz-grauer Ton/Schluff in „Schurf 1“, fleckige, großflächige Beimengungen, z. T. organisch (kleine Wurzelchen) = Ablagerung eines eher stehenden Gewässers? (Feinsediment); Funde: 1 Z (evtl. vom Bagger eingebracht?) u. 1 Glasscherbe hellgelb, feinsandig, tonig, steril; stellenweise bis ca. 40 cm über UK der Kontereskarpe beobachtet schottriger Lehm, gut gerundete Steine, mit HK, Z-Fragm. u. Ker. steriles Lehmpaket hinter der Kontereskarpe; unter Bef.-Nr. 53, evtl. mit Bef.-Nr. 58 gleichzusetzen graubrauner Lehm mit hohem Anteil an gut gerundetem Schotter; unter Bef.-Nr. 54 Schotter mit Sandanteil; unter Bef.-Nr. 55

4,67

5,13

4,62

4,98

4,42

4,67

4,23

4,30

4,50

5,18

4,42

5,13

4,62

5,04

4,50

5,04

4,74

5,24

4,62

5,18

4,85

5,27

4,74

5,24

5,07

5,48

4,85

5,27

5,14

5,59

5,07

5,48



5,84 (erh.) 3,98

5,14

5,59

3,73

3,77

3,15 (ca.)







2,32

2,34

2,27



2,43

2,45

2,32

2,34

2,82 (ergr.)



2,49

2,67

2,49

2,67

2,45

2,01

2,13

2,29 (ergr.) 1,26

2,94

3,12





































6,35

4,12

4,18

3,92

Gang mit Tonnengewölbe (Scheitelpunkt 5,95 6–6,20 m über Wr. Null), unter Tage in Abschnitten errichtet, innen grob verputzt, Z z. T. fragm., 1 bruchroher Stein an NSeite des Ganges



68 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Fnr. – Inv.-Nr. ältere Ablagerung (?) zwischen Trep- – penaufgang 1 und Raum 1 und über Minengang – Abb. 19

Aufsätze

Bef.-Nr. Interpretation

Beschreibung

OK min. OK max. UK max. UK min.

58

sandiger Lehm (insges. 62 cm stark) in 3 Zonen: mittlere mit ca. 20 cm starkem, lehmigem, festem Kern (feucht), Eisenoxide, -ausfällungen v. a. in Feuchtzone; obere u. untere Zone sandiger steriler, sandiger Schotter mit Eisenausfällungen (gebändert), schlecht sortierter, gerundeter Schotter steriler, sandiger, gut gerundeter, schlecht sortierter Schotter; geschichtet, bunt gebändert steriler, sandiger, gut gerundeter, schlecht sortierter Schotter mit Eisenausfällungen

6,73

6,94

6,32

6,35

6,32

6,35

5,91

6,09

5,91

6,09

5,31

5,50

5,31

5,50

5,03 (ergr.)



6,90

6,92

6,72

6,73

59

60

61

62

63

64

ältere Ablagerung (?) zwischen Treppenaufgang 1 und Raum 1 und über Minengang – Abb. 19 ältere Ablagerung (?) zwischen Treppenaufgang 1 und Raum 1 und über Minengang – Abb. 19 ältere Ablagerung (?) zwischen Treppenaufgang 1 und Raum 1 – Abb. 19 ältere Ablagerung (?) zwischen Treppenaufgang 1 und Raum 1 – Abb. 19 ältere Ablagerung (?) zwischen Treppenaufgang 1 und Raum 1 – Abb. 19 Baugrubenverfüllung über dem Gewölbe von Raum 1 – Abb. 19

65

Baugrubenverfüllung des Treppenaufganges 1 – Abb. 19

66

ältere Ablagerung (?) zw. Baugruben von Treppenaufgang 1 und Raum 1 – Abb. 19 ältere Ablagerung (?) zwischen Treppenaufgang 1 und Raum 1 – Abb. 19 Baugrubenverfüllung unter Stufen des Treppenaufganges 1

67

68









steriler, sandiger Schotter mit Eisenausfällungen



steriler, sandiger Kies (bis 3 cm Dm); ähnl. – Bef.-Nr. 66, nur feiner

6,95

6,72

6,73

49, 53 – MV 74549, MV 74553 –

sandiger, graubrauner Lehm mit wenig – Schotter, Kies, Kalk, HK, Mörtelresten, ZFragm. u. wenigen Funden sandiger, graubrauner Lehm, mit wenig – Schotter, Kies und Kalk, vereinzelt ZFragm. u. HK anstehender, steriler Schotter mit Eisen- 7,09 ausfällung?

7,21 (erh.)



6,22

7,19 (erh.

6,73

6,73

7,11

7,01

7,02

7,02

6,90

6,92





steriler, lehmiger Sand; über Bef.-Nr. 62

48 – MV 74548

feiner, geschichteter Lehm mit Ker., Kn., ca. 5,90 – Hornzapfen, Glas, viel HK u. wenig Z, Mörtel – nur noch in Zwickel zwischen Mauer 76, – 77 u. Radisson-Blu-Hotel-Mauer erh.; schottriger Lehm mit wenigen Z-Fragm., HK u. Mörtel fester, sandiger, hellgrau-brauner Lehm – – mit kleinteiligem Bauschutt (Z-Fragm., HK, Mörtel) u. kleinen Steinen

69

Verfüllung zw. Stützmauer und Kon- – tereskarpe

70

– Verfüllung nördlich und südlich des Abwasserkanals in der Hegelgasse im Bereich der Zufahrtsrampe (wahrscheinlich 19. Jh.) Verfüllung im Treppenaufgang 1 45 – MV 74545

71

72

Mischmauerwerk Raum 1 – Abb. 11 47, 79 – u. 12 MV 74547, MV 74579

73

Ziegelmauerwerk/Schutt Raum 2

50 – MV 74550

74

Planierung in Zusammenhang mit Brückenbau um 1817? – Abb. 10



75

Planierung in Zusammenhang mit Brückenbau um 1817? – Abb. 10



grauer, sandiger Lehm (bei Radisson-BluHotel) oberhalb der Stufen; Funde: Ker., Me., Glas, Kn. O-W ausgerichtetes Tonnengewölbe mit einer Läuferlängenstärke, Misch- u. ZMauerwerk (im Innenraum), lichte erh. Höhe 1,80 m, Verputz nur innen, jedoch nicht vollflächig, Mauerstärke: O-Mauer 0,55 m, S-Mauer 0,63 m mit sekundär vermauerter Öffnung zum Stadtgraben u. anschließenden Treppenaufgängen zum Waffenplatz; raumseitig mit Feinputz, flaches Kreuzgratgewölbe lehmiger Schotter (bis 10 cm Dm) in „Schurf 1“, mit Sand- u. Kiesanteilen, wenig HK, unmittelbar an Pfeiler 5 anschließend; über Bef.-Nr. 51 lehmiger Schotter mit Sand u. Kies in „Schurf 1“, mit wenigen Z-Fragm., Mörtel u. HK, unmittelbar an Pfeiler 5 anschließend; über Bef.-Nr. 74

6,99

ca. 5,30 –



















7,42

3,90

3,92



7,24

3,90



2,39

2,50

2,01

2,13

2,75 (erh.)



2,39

2,50

69 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

H. Krause, Der Stadtgraben und das Glacis der Festung Wien

Bef.-Nr. Interpretation

Beschreibung

76

Fnr. – Inv.-Nr. Stützmauer für Rampe (nach Abbruch 77 – der Ravelins zu Beginn des 19. Jh.) MV 74577 – Abb. 11

77

Kontereskarpe – Abb. 11 u. 12

87, 78 – MV 74587, MV 74578

78

Ziegelpfeiler der Brücke von 1817

79

Trittsteine vor dem Ausgang von Raum 2 in den Stadtgraben – Abb. 11 u. 12

67, 68 – MV 74567, MV 74568 –

Mischmauerwerk mit Z-Schale zum Gra- – ben hin geböscht, hoher Z-Anteil, verschiedene Maße u. Farben, z. T. wiederverwendete Z u. Steine (Bruchsteine, Quader, quaderartige u. bruchrohe Sandsteine), wenig ausgezwickelt, sekundär verzahnt mit Kontereskarpe (Bef.-Nr. 77); in Probebohrung 3 (Gutachten Würger) erfasst 7,40 Mischmauerwerk mit Z-Schale, zum Stadtgraben hin geböscht (Böschungswinkel 76 Grad), Bruchsteine, bruchroher Sandstein, wenig ausgezwickelt, mittelgroße Steine, im unteren Bereich große Z (31–35616,869 cm); mit vermauertem Zugang zu Raum 2 insges. 8 Pfeilerpaare mit Fundamentso- 4,88 ckeln

80

Uferbefestigung der Künette (Wassergraben im Stadtgraben) Verfüllung im Stadtgraben (mit Sediment aus Stadtgraben) – Abb. 28,1

81

82 83 84

– –

Verfüllung im Stadtgraben (mit Sedi- – ment aus Stadtgraben) – Abb. 28,1 Stadtgrabenverfüllung/Planierschicht – (?) – Abb. 28,1 Stadtgrabenverfüllung/Planierschicht – (?) – Abb. 28,1

OK min. OK max. UK max. UK min. –





10,80

3,06

3,10

6,58

1,82

2,80

4,35

4,35

4,20

4,21

2,00 (erh.) 3,50

2,09 (erh.) 3,70





3,47

3,63

3,55

3,85

3,50

3,70

lockeres, hellgelbes, sandiges Mörtelband 4,41

4,12

4,11

4,39

fester, dunkelbrauner Lehm

4,50

4,05

4,41

3 Steinplatten, die evtl. ein ehemaliges Gehniveau im Stadtgraben anzeigen; Maße von O nach W: 1,0860,44– 0,4660,14 m; 160,4860,14 m; 1,0560,5060,15 m 7 erh. Holzpfosten, rechteckig bis quadratisch, Dm ca. 0,20 m fester, grauer Schluff (ähnl. Bef.-Nr. 51) mit vereinzelten Kieseln; evtl. umgelagerte Schicht 51 (steriler) ockerfarbener Lehm-Schluff

4,18

Tab. 4: Befundkatalog der Ausgrabung Wien 1, Weihburggasse 28–32 (GC: 2005_16), Niveaus in m über Wr. Null. HK – Holzkohle, Ker. – Keramik, Kn. – Tierknochen, Me. – Metall, Z – Ziegel, erh. – erhalten, ergr. – ergraben.

Abgekürzt zitierte Literatur EBERLE 1909 – L. Eberle, Wien als Festung. In: Geschichte der Stadt Wien 4 (Wien 1909) 218–282. HUMMELBERGER/PEBALL 1974 – W. Hummelberger/K. Peball, Die Befestigungen Wiens. Wiener Geschichtsbücher 14 (Wien, Hamburg 1974). KRAUSE ET AL. 2009 – H. Krause/G. Reichhalter/I. Gaisbauer/I. Mader/S. Sakl-Oberthaler/Ch. Ranseder, Mauern um Wien. Die Stadtbefestigung von 1529 bis 1857, WA 6 (Wien 2009). KRAUSE/MADER 2010 – H. Krause/I. Mader, Die frühneuzeitliche Stadtbefestigung von Wien. Aktuelle Grabungsergebnisse der Stadtarchäologie Wien. ÖZKD 64/1–2, 2010, 22–34. MADER 2008 – I. Mader, Bericht über die archäologischen Untersuchungen im Etablissement Ronacher 2006/2007. FWien 11, 2008, 56–73. MASANZ/NAGL 1996 – M. Masanz/M. Nagl, Ringstraßenallee. Von der Freiheit zur Ordnung vor den Toren Wiens. Forsch. u. Beitr. Wiener Stadtgesch. 30 (Wien 1996).

70 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

71 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Die Keramikfunde aus dem Festungsabschnitt der Grabung Wien 1, Weihburggasse Ingeborg Gaisbauer Einleitung Als mit dem Abschluss der Grabung in der Weihburggasse, der ersten Grabung des noch jungen und gewissermaßen erst seine endgültige Gestalt suchenden Projektes zur Erforschung der neuzeitlichen Stadtbefestigung, im Frühjahr 2006 nach und nach deren Ergebnisse einsehbar wurden, erwiesen sie sich auf den ersten Blick bezüglich der Grabenverfüllung als archäologisch eher unergiebig bzw. resultierte aus ihnen ein reichhaltiger Katalog von Ergänzungsfragen an andere wissenschaftliche Disziplinen. Der Autorin des folgenden Beitrags wurde in diesem schwierigen Zusammenhang die Teilaufgabe gestellt, das von dieser Grabung für die Bereiche des Glacis, der Kontereskarpe und vor allem des Grabens vorliegende keramische Material zu bearbeiten und unter verschiedenen Gesichtspunkten auszuwerten. Bei einer Überblicksbewertung der Voraussetzungen zeigte sich folgende Situation: Während – als unverzichtbare Grundlage einer fundierten und aussagekräftigen wissenschaftlichen Bearbeitung – im Bereich der Kontereskarpe klar definierte Befunde existierten, konnten innerhalb des Stadtgrabens nur an vereinzelten Stellen Schichten dokumentiert werden (siehe Beitrag H. Krause, 42 Abb. 9 Schurf 1, Profile 1 und 2 und allgemein zu den Grabungsumständen 72). Die Folge: Eine Vorlage des gesamten mit dem Graben assoziierten Materials, die unter den gegebenen Umständen lediglich nach typologischen Kriterien möglich gewesen wäre, hätte grundsätzlich kaum einen Beitrag zu (oder Fortschritt in) einer differenzierteren Betrachtung der Problemstellungen rund um den Graben und seine Zuschüttung zu liefern vermocht. Nach einer zeit- und arbeitsintensiven Auseinandersetzung mit den einzelnen Fundnummern ließen sich letztendlich – zumindest in den meisten Fällen – als publizierbare Minimalergebnisse mehr oder weniger deutliche inhärente Strukturen und Homogenitäten erschließen/erahnen, die es nahelegten oder zumindest zuließen, von „Fundkomplexen“ zu sprechen und damit einen Terminus zu benutzen, der Geschlossenheit vor dem Hintergrund eines Befundzusammenhangs impliziert. Anders ausgedrückt: Betrachtet man den „Fundkomplex“, die Fundnummer, als verzerrtes Spiegelbild einer Befundrealität, so bietet sich die Notlösung an, aus den Fundnummern und den während der Bergung vermerkten Höhenangaben eine Abfolge von Befunden zu rekonstruieren und sich auf diese Weise der inneren Struktur des Grabens und seiner Schichtenabfolge zumindest versuchsweise anzunähern. Zur Vorlage der Keramik In einem ersten Schritt wurde anvisiert, bei der Vorlage des Materials eine möglichst vollständige Bearbeitung zu bieten. In einem zweiten Schritt, das heißt

72 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

nach der Erstaufnahme und der ersten Ordnung der Fundkomplexe in Hinblick auf latente Befunde bzw. die Möglichkeit, solche zu rekonstruieren (und auch angesichts der Tatsache, dass es sich hier nicht um einen Teil einer Monographie, sondern um einen als solchen begrenzten Aufsatz handelt), wurde dann rasch ein bescheideneres, adäquateres Konzept gewählt: Beim Material aus dem Stadtgraben wurde eine mit den begrenzten Aussagemöglichkeiten akkordierte Auswahl getroffen, die man insofern noch immer als eine weitreichende, ja großzügige bezeichnen darf, als sie sich keineswegs nur auf die datierenden jüngsten Stücke beschränkt, sondern eben auch alle jene sogenannten Altstücke vorlegt, die für den Versuch der Charakterisierung eines Komplexes und damit der Visualisierung einer möglichen stratigraphischen Beschaffenheit nötig sind. Der Graben Die Grabensohle Bei jedem Grabenbefund stellt sich an erster Stelle die Frage, ob die Grabensohle – bzw. die Schichten der letzten Zeit von Nutzung und Offenstehen – einwandfrei dokumentiert und von einem ein- oder mehrstufigen Prozess des Zuschüttens differenziert werden konnte. Darüber hinaus erweisen sich beim geborgenen Material unter anderem folgende Fragen als sinnvoll und notwendig: Handelt es sich innerhalb der Verfüllung um primär entsorgten Abfall oder um mehrfach verlagerte Objekte oder lässt sich anhand der Funde eine solche Zuordnung gar nicht treffen? Im Zusammenspiel von Befunden und Funden ergäbe sich dann im besten Fall nicht nur eine Datierung der genannten Situationen, sondern es könnten auch zusätzliche Informationen über das direkte Umfeld, über Nutzung und Status der Verbauung in nächster Nähe usw. gewonnen werden. Bei der Frage nach der Originaloberfläche des Grabens musste aufgrund der Dokumentationslage nicht nur die oben skizzierte Auswertung der Komplexe zur Anwendung kommen, sondern darüber hinaus war auch ein Zusammenspielen dieser Ergebnisse mit historischem Quellenmaterial notwendig. Aus archäologischer Sicht präsentiert sich die Situation folgendermaßen: Auf einer Höhe von 2 bis 3 m über Wr. Null wurden nicht nur die am tiefsten liegenden Fundkomplexe der Grabung geborgen, es zeichnete sich auch eine erstaunliche Konzentration von Steinzeugfragmenten ab, die alle in einem sehr engen Spektrum formaler Entfaltung als Reste von Mineralwasserflaschen angesprochen werden konnten und nur von wenigen sonstigen gefäßkeramischen Beifunden begleitet wurden. Das Fundmaterial in einem Bereich von 2 bis 3 m über Wr. Null (Fnr. 64, 69 und 74 – Kat.-Nr. 1–15) Die in dieser Tiefe stark unterrepräsentierte Irdenware ist durch oxidierend gebrannte, glasierte Topf- und Schüsselfragmente vertreten. An Randausbildungen zeigen sich sowohl Kragen- als auch eckig ausgeprägter Kremprand, wie er mit Dreifußschüsseln assoziiert wird. Der Datierungskonsens weist hier ans Ende des 18. bzw. in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts.

73 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Abb. 1: Wien 1, Weihburggasse, Mineralwasserflaschenfragmente aus dem Stadtgraben. (Foto: Ch. Ranseder)

Ein entsprechender Datierungsansatz gilt auch für die beiden Porzellantellerfragmente aus demselben Bereich. Eines der beiden weist eine unterglasurblaue Bordüre als Verzierung auf, für die ein Produktionszeitraum zwischen dem späten 18. Jahrhundert und ca. 1840 angegeben wird. Auch ein Pfeifenkopf fügt sich in den angegebenen Zeitraum, den Hauptanteil des Fundmaterials stellen Mineralwasserflaschen aus Steinzeug dar. Exkurs zu Steinzeugflaschen für den Mineralwasserversand Die Ausgrabung Weihburggasse erbrachte eine bemerkenswerte Menge an Steinzeugfragmenten, die anhand der feststellbaren Proportionen der Gruppe 31 zugeordnet werden können (Abb. 1). Bezüglich ihrer Funktion lassen sie sich auf den ersten Blick als handgedrehte Mineral- bzw. Bitterwasserflaschen ansprechen. Umgekehrt proportional zu der Menge an Fragmenten verhält sich die formale Vielfalt der Flaschenbruchstücke. Der Großteil der Stücke weist einen zylindrischen Gefäßkörper und eine steile bzw. eine runde Schulter auf und lässt sich daher den Typen D bzw. E nach Brinkmann2 zuordnen. Typ D zeichnet sich durch eine zylindrische Gefäßform mit steiler Schulter und abgesetzter, leicht eingezogener Standfläche aus. Bei den Typ D zuordenbaren Fragmenten ist der symptomatische Grat am Übergang von der Schulter zum Hals unterschiedlich deutlich ausgeprägt, aber vorhanden. Typ D wird dem ausgehenden 18. und dem ersten Viertel des 19. Jahrhunderts zugeord1 Die im Folgenden gewählten Ansprachen der jeweiligen Gefäßform richten sich nach den im Handbuch zur Terminologie der mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik in Österreich. FÖMat A Sonderh. 12 (Wien 2010) definierten Grundformen (G1–G7). 2 Brinkmann 1982, 12; 15.

net, womit sich auch für diese Fragmente ein zeitlicher Rahmen ergibt. Mit diesem Typ werden Brunnenstempel/Blindstempel wie „Franzensbad“, „Marienbad“ und „Selters“ in Verbindung gebracht. Diese Stempel sind auch für das vorliegende Material nachweisbar, allerdings in sehr fragmentierter Form.

74 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

Typ E verfügt im Gegensatz zu D über eine runde Schulter und einen deutlich zylindrischen Bauch. Im vorliegenden Material sind die Halsformen ausnahmslos als glatt zu bezeichnen und sprechen daher für eine zeitliche Einordnung vor 1870. Lediglich einige wenige Fragmente gehören Typ I3 an, der einen stark bauchigen, auf vier Seiten eingedrückten Gefäßkörper aufweist und über eine runde Standfläche verfügt. Parallel zu den zylindrischen Formen wird auch hier aufgrund des glatten Halses eine frühere Datierung angenommen als bei Flaschen mit geripptem Hals. 4 Es gibt keine Fragmente, die auf die Präsenz der früheren Typen A bis C hinweisen könnten, wodurch sich für die Mineralwasserflaschen aus der Weihburggasse ein ungefährer Zeitrahmen vom Ende des 18. bis ungefähr in die Mitte des 19. Jahrhunderts ergibt. Brunnenstempel An Brunnenstempeln finden sich, fragmentiert und deshalb nicht klar zu ergänzen, „EGER FRANZENS…“ (-BAD oder -BRUNNEN, 1. H. 19. Jh. 5) sowie ein Stempel „SALZQUELLE“. Dabei dürfte es sich um „EGER SALZQUELLE“ handeln, dargestellt ist das Wappen von Eger mit dem Reichsadler über einem Schräggitter. 6 Ein Stempel „SELTERS HN“ (Herzogtum Nassau) wird zwischen 1806 und 1830 datiert, stammt allerdings nicht von der Grabensohle, sondern aus der Grabenverfüllung (Kat.-Nr. 89), aus einem Bereich relativ knapp darüber, zwischen 3 und 7 m über Wr. Null (siehe unten). Ebenfalls aus dem vermutlich unteren Bereich der Verfüllung stammt ein Fragment mit schlecht lesbarer Stempelung, bei der es sich um den Schriftzug „PILLNA…“ und „KRUG …“ handeln dürfte. Tatsächlich liegt hier offenbar eine Stempelung „KRUG & KOENIG“ vor. Soweit der Erhaltungszustand der Flasche eine Aussage zulässt, handelt es sich um eine Flasche des Typs I nach Brinkmann mit einem im Schnitt quaderförmigen Bauch. Aufgrund der großen Menge dieser Flaschen auf dem angegebenen Niveau und weiterer Fragmente in höherer Lage, auf die noch bei der Diskussion der Grabenverfüllung zurückzukommen sein wird, ist es naheliegend und legitim, historisches Quellenmaterial zurate zu ziehen. Exkurs zur Mineralwassertrinkanstalt Tatsächlich dürften diese Funde in direktem Zusammenhang mit der seit 1818 existierenden Mineralwasser-Trinkanstalt am Glacis zu sehen sein und ein bemerkenswertes Beispiel für direkten und sehr zielgerichteten „Missbrauch“ eines Teils der inzwischen aufgehobenen Stadtbefestigung zur Abfallentsorgung darstellen. Nachdem im Jahre 1817 das „Carolinenthor“ eröffnet worden war, wurde 1818 auf dem Glacis in nächster Nähe zu diesem Tor eine für diesen Bereich namengebende Mineralwasser-Trinkanstalt eröffnet (siehe Beitrag H. Krause, 39 ff.). Das sogenannte Wasserglacis entwickelte sich auf diese Weise offenbar zu einem Ort mit hohem Beliebtheitsgrad. Eine Grafik aus dem Jahr 1818 (Abb. 2) –

3 4 5 6

Brinkmann Brinkmann Brinkmann Brinkmann

1982, 1982, 1984, 1984,

20. 20. 174. 176.

75 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Abb. 2: Die Mineralwasser-Trinkanstalt auf dem Wasserglacis 1818. (nach Kisch [Anm. 7] Fig. 193)

also unmittelbar nach der Entstehung – weist zumindest einige der angebotenen Mineralwasserquellen aus. 7 Auch wenn die Entsorgung der geleerten Flaschen in diesem Zusammenhang nicht dezidiert beschrieben wird, dürfte der Zusammenhang zwischen dem starken Mineralwasserkonsum am Glacis und den entsorgten Flaschen im Graben eindeutig sein. 8 Auswertung auf dem Umweg über eine rekonstruierbare Befundsituation Die besondere Bedeutung dieses Komplexes ergibt sich dadurch, dass hier – in einer ungefähren Höhe von 3 m über Wr. Null – die Oberfläche der Grabensohle zumindest für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts rekonstruiert, wenn auch nicht im vollen Verlauf sichtbar gemacht werden kann. Das Hinzuziehen der historischen Quellen zur Trinkanstalt auf dem Glacis ermöglicht es, die beschriebene Häufung der Fragmente von Mineralwasserflaschen als direkt und primär entsorgten Abfall der Trinkanstalt zu interpretieren, der, einem klar erkennbaren Entsorgungsweg folgend, auf der Sohle des offen stehenden Grabens zu liegen kam. Die Verfüllung des Grabens Da es sich bei der Grabensohle, puristisch betrachtet, um ein Interface und nicht um eine Schicht handelt, sollte auch bei dem auf der Sohle aufliegenden Material eine Präzisierung erfolgen und damit eine Unterscheidung von möglichen kleinräumigen Verfüllungen, die über einen längeren Zeitraum hinweg 7 W. Kisch, Die alten Strassen und Plaetze von Wien’s Vorstädten und ihre historisch interessanten Haeuser 1 (Wien 1888, Reprint Cosenza 1967) 555 Fig. 193. 8 Briefe des neu angekommenen Eipeldauers an seinen Herrn Vettern in Kakran. Mit Noten von einem Wiener (Wien 1818) fünftes Heft, dritter Brief; sechstes Heft, dritter Brief.

stattfinden konnten, und einem gezielten großflächigen Zuschütten mit unterschiedlich beschaffenem Material zur Einplanierung des Geländes – ein Vorgang, der mit der Schleifung der Befestigung einherging und ab den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts belegt ist – versucht werden. Da eine Trennung dieser unterschiedlich motiviert in den Stadtgraben gelangten Schichten mehr oder weniger ausschließlich auf der Grundlage einer Betrachtung des keramischen Fundmaterials sich als schwierig erweist, sollen

76 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

zuerst die obersten Schichten im Graben, die eindeutig einen Prozess des Zuschüttens/Einplanierens repräsentieren, behandelt werden. Der oberste Bereich der Grabenverfüllung – Zuschüttung Fnr. 85 (Kat.-Nr. 16–22) – bei 9 m über Wr. Null Dem obersten Bereich der Grabenschichten und damit auf den ersten Blick den planmäßigen Zuschüttungsmaßnahmen zuzuordnen wäre Fundnummer 85 (Kat.-Nr. 16–22). Während des Aushubs für die Garagenzufahrt in der Hegelgasse wurde 3 m unter dem Gehniveau, im Umfeld eines Kanals, der mit dem Ringstraßenausbau um 1867 in Verbindung gebracht wird, ein Keramikkomplex geborgen, bei dem zu untersuchen ist, ob es sich hier um Material aus der Grabenverfüllung oder um durch den Kanaleinbau eingebrachte Gefäßreste handelt. In diesem Komplex überwiegen die Porzellanfragmente unverhältnismäßig, zumeist handelt es sich dabei um Bruchstücke von Tellern. In großer Menge tragen diese Fragmente das unterglasurblaue Bordürenmuster in schwach differierenden Ausführungen. Diese Verzierungsweise findet sich auch auf Steingut- und Fayencefragmenten dieser Fundnummer wieder. Auch wenn gerade dieser Komplex offenbar keinem genau definierten Befund zugeordnet werden kann, spricht doch die formale und technologische Abgrenzung der Fragmente gegenüber anderen Fundnummern aus diesem obersten Stadtgrabenbereich dafür, dass diese Stücke einem eigenen Befund angehörten. Die Keramik lässt sich sehr geschlossen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zuordnen. Versucht man die Zeitspanne von Umlauf und Benutzung bis zur ersten bzw. letzten Entsorgung dazuzurechnen, ergibt sich für den Befund eine Datierung in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Fnr. 3 und 4 (Kat.-Nr. 23–40) – bis 9 m über Wr. Null Innerhalb dieser Komplexe aus einem Bereich bis zu 3 m unterhalb des rezenten Gehniveaus zeigt sich durch einen erheblichen Anteil von ausgewiesenen Altstücken ein deutlicher Unterschied zu dem vorher behandelten Komplex. Davon ausgehend, dass es sich bei dem zugrundeliegenden Abschnitt der Verfüllung allerdings ebenfalls um Schichten mit einer Datierung in Einklang mit Fnr. 85 handeln müsste, fällt auf, dass nur zwei Rand- und einige wenige Wandfragmente diesem chronologischen Kriterium entsprechen (Kat.-Nr. 38 und 39). Formal sind bei den Altstücken Topffragmente, die Krempränder aufweisen, dominierend, gefolgt von Krugrändern, die ein vielfältiges Spektrum von mehr oder weniger eingezogenen und unterschiedlich profilierten Ausformungen zeigen. An Datierungen sind hier das 14./15., das 15. und das 16. Jahrhundert zu nennen. Parallel dazu treten in diesem Komplex keine zu erwartenden Gründerzeitkacheln entgegen, sondern ausschließlich Schüsselkachelfragmente aus dem 14./15. Jahrhundert. Offenbar liegt hier umgelagertes Material aus älteren Befunden vor, das nur sehr geringfügig mit zeitlich entsprechenden Objekten durchmischt wurde.

77 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Fnr. 5 und 8 (Kat.-Nr. 41–43) – 6–8,50 m über Wr. Null Diese beiden Fundnummern entsprechen in ihrem „anachronistischen“ Aufbau weitestgehend den vorhergehenden, sie sind aber ungleich materialärmer. Fnr. 9 (Kat.-Nr. 44–50) – 5–7 m über Wr. Null Fnr. 9 zeigt etwas zeitgenössischere Züge, aber auch hier ist der Anteil an Altmaterial auffällig. Aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen zumindest das Porzellanfragment Kat.-Nr. 50 sowie das Fragment einer Vierkant-Bitterwasserflasche. 9 Fnr. 59 (Kat.-Nr. 51–55) – 10–12 m über Wr. Null Ein ganz ähnliches Bild zeigt Fnr. 59, auch hier ist das 15./16. Jahrhundert gut vertreten. Zusammenfassende Interpretation Die Zusammensetzung der Keramik aus den obersten Schichten der Stadtgrabenverfüllung spiegelt nicht die typologischen und technologischen Züge eines zeitgenössischen Materials, das vermutlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Graben eingebracht wurde, wider. Bei der Beschaffung des Erd- und Schuttmaterials wurde deutlich ältere Keramik aus einer selbstverständlich unbekannten Quelle umgelagert und verleiht somit den obersten Schichten ein charakteristisches Gepräge. Die Stadtgrabenverfüllung zwischen 3 und 11 m über Wr. Null Fnr. 60 und 70–71 (Kat.-Nr. 57–73) – 7–11 m über Wr. Null Bei Fundnummern, die aus einem so weit gefassten Bereich der Grabenverfüllung stammen, wäre jede Form von Homogenität des Materials überraschend. Tatsächlich zeigt sich hier ein weites Spektrum von Formen und Zeitstellungen, das sich vom Fuß eines Siegburger Bechers aus dem 15. Jahrhundert (Kat.-Nr. 64) über Topf und Krugrandformen des 16. Jahrhunderts bis zu den jüngsten Fragmenten mit blauer Bordüre erstreckt. Ein sehr schlecht erhaltenes Porzellanfragment mit Resten von Streublümchendekor (siehe Tab. 9) fügt sich – ebenso wie ein gut erhaltener Tiegel (Kat.-Nr. 65), der mit seinem zylindrischen Körper durchaus etwas an das Fragment Kat.-Nr. 115 erinnert – gut in dieses junge Fundspektrum der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein. Vereinzelte Fragmente von Schmelztiegeln gewinnen zwar in diesem Zusammenhang nicht an chronologischer Bedeutung, werfen aber angesichts eines unstratifizierten Komplexes von Schmelzkeramik, der in der Folge noch behandelt werden wird, interessante nutzungsanalytische Fragen auf. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Komplex durch eine Vermischung von einem deutlichen Altmaterialanteil mit jüngeren Fragmenten charakterisiert wird. Fnr. 61, 63, 66 (Kat.-Nr. 74–84) – 3–11 m über Wr. Null Das keramische Material aus diesem Bereich ist ähnlich strukturiert wie jenes 9

Brinkmann 1982, 20 (Typ I).

des vorhergehenden Abschnittes, allerdings übernehmen hier vereinzelte Mine-

78 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

ralwasserflaschenscherben die datierende Funktion der diesmal nicht aufscheinenden Porzellanbruchstücke. Interessant sind auch zwei kleine Steinzeugfragmente (siehe Tab. 10), die aufgrund ihrer Oberflächengestaltung mit Rollstempeldekor möglicherweise derselben Form angehören wie die beiden identifizierbaren Fragmente von sogenannten Prager Kannen (Kat.-Nr. 85 und 146) und damit sogar einen chronologischen Ausblick auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts gewähren. In der Irdenware überwiegen die älteren Formen. Topf- und Krugränder entsprechen dem Formenspektrum des obersten Bereiches der Grabenverfüllung (Fnr. 3, 4 und 8). In dieses Bild passen durchaus auch Schüssel- und Blattkachelfragmente. An einzelnen Schmelzkeramikfragmenten finden sich noch Rückstände des Schmelzgutes. Im Gegensatz zu den obersten Schichten, die eindeutig der Zuschüttung des Stadtgrabens zuzurechnen sind, zeichnen sich diese Komplexe durch eine – man ist versucht zu sagen unauffällige – Mischung aus Altstücken und Fragmenten aus der ersten bzw. auch vereinzelt der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus. 3–8 m über Wr. Null – Verfüllschichten einer letzten Nutzung? Der unterste Bereich der Grabenverfüllung lässt sich gesondert betrachten, da die hier geborgenen Fundkomplexe Unterschiede zu den zuvor besprochenen anzeigen und sich deshalb die Möglichkeit bot, die Frage nach einer Abgrenzung von planmäßig eingebrachtem Planiermaterial zu lokaler Abfallentsorgung zu ergründen. In einem Bereich zwischen 3 und 8 m über Wr. Null wurden zwei Fundkomplexe geborgen, die sich durch einen deutlichen Anteil an Steinzeug-Mineralwasserflaschen auszeichnen und sich in diesem Aspekt von jenen Komplexen, die benutzt wurden, um die Grabensohle zu dokumentieren, nur geringfügig in der Anzahl der Fragmente unterscheiden. Ein gravierender Unterschied liegt allerdings in der „Mächtigkeit“ der Komplexe. Während sich die hohe Konzentration an Fragmenten von Mineralwasserflaschen an der Grabensohle zwischen 2 und 3 m über Wr. Null mit einer unklaren Ausdehnung in der Ebene fand, verteilt sich das Material der nun zu behandelnden Komplexe auf eine Mächtigkeit von gut 5 m in der Höhe, ebenfalls ohne Angaben über die Ausdehnung in der Ebene machen zu können. – Fnr. 75 (Kat.-Nr. 85–96) – 3–7 m über Wr. Null Die Porzellanfragmente dieses Fundkomplexes sind der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zuzuordnen, die Steinzeugfragmente einer „Prager Kanne“ (Kat.-Nr. 85) datieren sogar noch jünger und werden ab dessen Mitte angesetzt. 10 Zwei Pfeifenköpfe (Kat.-Nr. 95–96) von osmanischem Typ11 sind ebenfalls dem 19. Jahrhundert zuzuordnen. Auffällig ist in diesem Zusammenhang ein hoher Anteil an Mineralwasserflaschen, wobei nicht nur der Fundkomplex als Ganzer räumlich an Fnr. 64 (siehe oben) anschließt, sondern auch die Flaschenfragmente formal jenen von der

10 Kaltenberger 2008, 174 f. 176: Datierung. 11 E. Haider (ed.), The History of the Hungarian Pipemaker’s Craft (Budapest 2000) 134 f. Kat.-Nr. 6/10 a bzw. 6/14.

79 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Grabensohle entsprechen. Für diesen Komplex ist auf jeden Fall eine Datierung in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, aufgrund der „Prager Kanne“ und der durchaus etwas längeren Laufzeit der Mineralwasserflaschenformen zumindest bis zu dessen Mitte bzw. darüber hinaus auch eine zeitliche Einordnung in die zweite Hälfte des Jahrhunderts festzumachen. – Fnr. 81 (Kat.-Nr. 97–100) – 3–8 m über Wr. Null Mit einer Angabe von 3 bis 8 m über Wr. Null kann für dieses Material zumindest ein gewisses räumliches Naheverhältnis zur Grabensohle festgestellt werden, was umso bemerkenswerter ist, weil sich auch unter dieser Fundnummer ein auffälliger Anteil an Mineralwasserflaschenfragmenten findet. Formal entsprechen sie dem Material von der Grabensohle, auch treten dieselben Stempel auf. Lediglich in einem Fall (Kat.-Nr. 100) liegt ein schlecht erhaltenes Fragment von einer Vierkant-Flasche Typ I12 vor, das Reste eines Blindstempels mit der Beschriftung „PILLNAER …“ und „KRUG …“, also vermutlich „KRUG & KOENIG“ aufweist und ein weiteres (Kat.-Nr. 97) mit einem fragmentierten Stempel „MARIENBAD“. Diese Flaschenform hat einen stark bauchigen, auf vier Seiten eingedrückten Gefäßkörper und eine runde Standfläche. Parallel zu den zylindrischen Formen wird auch hier aufgrund des glatten Halses eine frühere Datierung angenommen als bei Flaschen mit geripptem Hals. 13 Hier sei auch noch auf eine als Streufund zu betrachtende, allerdings ganz erhaltene Mineralwasserflasche desselben Typs hingewiesen (Kat.-Nr. 56), die aus dem obersten Bereich der Stadtgrabenverfüllung stammt. Damit ergeben sich für diese beiden Komplexe (Fnr. 75 und 81) zwei verschiedene Interpretationsmöglichkeiten: Es könnte sich bei den Befunden um verlagertes Material, ein Schichtenkonvolut, handeln, das in einer ersten Phase des Zuschüttens eingebracht wurde. Selbst wenn zwischen der Einbringung desselben und desjenigen des obersten Grabenbereiches keine zeitliche Differenz gelegen haben sollte, handelt es sich hier aber doch in jedem Fall um Material, das aus deutlich verschiedenen Bereichen entnommen und verlagert wurde. Ein so hoher Anteil an Mineralwasserflaschen lässt sich nur in diesem Sinne verstehen, dass die entsprechenden Erdmassen vom Glacis abgetragen wurden, und zwar aus einem nicht näher spezifizierbaren Bereich, in dem der Flaschenabfall der Trinkanstalt entsorgt worden war. Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, dass es sich hier um primär entsorgtes Material handelt, ebenso wie bei den Komplexen von der Grabensohle. Angesichts der keramischen Beifunde und unter Einbeziehung von Laufzeiten und einer gewissen Unschärfe der Datierung der Mineralwasserflaschen müsste man in diesem Fall von einem Offenstehen des Grabens bis nach der Mitte 12 13

Brinkmann 1982, 20. Brinkmann 1982, 20.

des 19. Jahrhunderts und einer laufenden Entsorgung von Flaschenabfall in selbigen ausgehen.

80 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

Das Baugerüst für den Brückenbau (?) Aus einer Pfostengrubenverfüllung stammen die zwei Fragmente eines spätmittelalterlichen Flachdeckels (Kat.-Nr. 101) und einer Mineralwasserflasche aus Steinzeug (Fnr. 20, Tab. 15). Die Pfeilerstellungen im Stadtgraben In diesem Zusammenhang werden Fundkomplexe angeführt, die sich in verschiedenstem stratigraphischem Naheverhältnis zu den Pfeilerstellungen im Stadtgraben fanden. Sie stammen jeweils aus der nicht näher spezifizierten Umgebung eines Brückenpfeilerpaares, sie waren wohl zum Teil der Stadtgrabenverfüllung zugehörig. Fnr. 14 (Kat.-Nr. 102–105) – 4,90–5,10 m über Wr. Null Der eckig umgebogen ausgeformte Kremprand und ein profilierter Schüsselrand lassen für diesen Komplex eine zeitliche Einordnung in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zu. Fnr. 27 (Kat.-Nr. 106–111) Unter dieser Fundnummer liegen schwerpunktmäßig Stücke des 18. Jahrhunderts vor, lediglich ein profilierter Schüsselrand kann auch noch der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zugeordnet werden. Ein Altstück, ein Henkelfragment mit Hafnermarke, reicht mit seiner Datierung bis ins 16./17. Jahrhundert zurück bzw. gemahnt an spätmittelalterliche Formgebung und Scherbentypen. Fnr. 62 (Kat.-Nr. 112–116) – 3–5 m über Wr. Null Mit einer etwas unklaren Befundsituation und möglicherweise in keinem direkten Zusammenhang mit den Pfeilern stehend, weil Teil der Stadtgrabenverfüllung, zeigt sich dieser in seiner Zusammensetzung etwas jüngere Fundkomplex. Ein gut erhaltener Tiegel lässt sich am ehesten dem 19. Jahrhundert zuordnen, die Kragenränder dürften dem 18./19. Jahrhundert entstammen. Steinzeugfragmente von Mineralwasserflaschen ebenso wie Porzellanbruchstücke mit blauer Bordüre (siehe Tab. 18) stützen eine zeitliche Einordnung eher in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Fnr. 65 (Kat.-Nr. 117) – ca. 3–4 m über Wr. Null Auch eine Datierung dieser Fundnummer lässt sich am ehesten über die Steinzeugfragmente von Mineralwasserflaschen und über das charakteristische blaue Bordürenmuster – diesmal allerdings auf Fayence – vornehmen (siehe Tab. 19). Auffällig ist hier sonst ein chronologisch leider unsensibles Fragment einer Schüssel mit Graphitmagerung, an dem sich deutliche Überreste von Schmelzgut finden. Fnr. 22 (Kat.-Nr. 118–123) – 4,58–4,78 m über Wr. Null Eine Mehrzahl der Stücke aus dieser Fundnummer weist auf eine Zeitstellung am Ende des 18./erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hin. Auch hier fällt wieder das Bordürenmuster als Datierungskriterium auf. Dieser Datierungsansatz so-

81 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Abb. 3: Wien 1, Weihburggasse, Schmelztiegelfragmente aus dem Stadtgraben. (Foto: Ch. Ranseder)

wie die Angabe „Schuttschicht“ in der Befundbeschreibung könnte auch darauf hinweisen, dass es sich hier um Material aus der Verfüllung des Grabens selbst ohne weitere Beziehung zu dem erwähnten Pfeiler handelt. Exkurs zu unstratifizierten Schmelztiegeln aus den Grabenschichten Auch wenn als Streufunde ausgewiesen, soll auf diesen Komplex (Fnr. 82, Kat.-Nr. 124–142) gesondert eingegangen werden, auch deswegen, weil es die Ausgangsbedingungen und Überlegungen dieser Arbeit beispielhaft vor Augen führt. In unserem Fall verdienen vor allem jene „Keramikansammlungen“, die aufgrund einer gewissen strukturellen, chronologischen oder funktionalen Homogenität die Bezeichnung „Komplex“ – als sinnvolle, in sich geschlossene, einem Befund zuordenbare Einheit verstanden – verdienen könnten, besondere Beachtung. Datierend sind auch in diesem Zusammenhang natürlich die vereinzelten und unterschiedlich gut erhaltenen Porzellan- und Steinzeugfragmente (siehe Tab. 21 und Kat.-Nr. 141), id est Mineralwasserflaschen-Fragmente, die wiederum für die Einbringung vor der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sprechen. Auffallend sind die dickwandigen, graphithaltigen Fragmente von Gefäßen der Grundform G1.6, vermutlich G1.6.6, also Tiegeln (Abb. 3). Die häufigen und mangels einer weiterführenden Analyse des Materials einfach als metallisch anzusprechenden Rückstände rechtfertigen die funktionale Ansprache als Schmelztiegel. Weder formal noch chronologisch weisen diese Fragmente Differenziertheit auf, auch der graphithaltige Scherbentyp ist hier nicht hilfreich. Da keine weiteren Informationen zu dem konkreten Befund vorliegen, kann über das „Woher?“ und „Zu welchem Zweck?“ nur spekuliert werden. Man darf wohl davon ausgehen, dass es sich nicht um einen verkappten in-situ-Zustand handelt, aber eine primäre Entsorgung vor dem Zuschütten des Grabens wäre im Bereich des Möglichen, vorausgesetzt die Schmelzprozesse, welcher Art

82 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

auch immer, fanden in direkter Nähe zum Graben statt. Die Beifunde sprechen nicht gegen eine Einbringung vor dem Zuschütten, da sie in den wesentlichen datierenden Aspekten durchaus mit dem Material von der Grabensohle verglichen werden können. Selbstverständlich ist aber auch eine mehrfache Verlagerung möglich, wobei auch hier noch immer die Überlegung nicht von der Hand zu weisen ist, dass die Erst-Deponierung wahrscheinlich in einer gewissen Nähe zum Graben stattgefunden haben muss. Ob man hierbei an das Zeughaus oder das anschließende Gusshaus denken darf, ist eine zu hypothetische Fragestellung, um beantwortet zu werden. 14 Es bedürfte überhaupt einer genaueren Analyse der Entsorgungspraktiken rund um den Stadtgraben, um sich einer Klärung anzunähern. Zusammenfassende Interpretation zu den Grabenbefunden Die Analyse des Fundmaterials ermöglichte relativ genaue Angaben zum Niveau der Grabensohle in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Betrachtung des keramischen Materials zeigt überdies, also gewissermaßen ergänzend und bestätigend, einen erstaunlichen Mangel an älterer Keramik in den unteren Grabenschichten, was eine relativ strikte Wartung des Grabens bis ans Ende des 18. Jahrhunderts suggeriert. Abfall scheint sich an der Grabensohle erst nach dem Ende des 18. Jahrhunderts angesammelt zu haben, was vermutlich mit einem Bedeutungswandel, das heißt dem Verlust der fortifikatorischen Funktion, einhergeht. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war ein penibles Sauberhalten des Grabens wohl nicht mehr unabdingbar. Das massive Vorkommen von Mineralwasserflaschenfragmenten bis zu einer Höhe von 8 m über Wr. Null könnte für einen mehrstufigen Zuschüttprozess sprechen, es ist aber wahrscheinlicher, dass es sich bei den zugehörigen Befunden um direkt vom Glacis aus entsorgten, primär deponierten Abfall handelt. Die doch bemerkenswerte Höhe, bis zu der sich diese Befunde zumindest in gewissen Bereichen erstreckten, ergibt sich möglicherweise durch eine sehr unregelmäßige Oberkante der Verfüllschichten – von Abfall- oder Schutt-„Kegeln“ oder „Halden“ mit unterschiedlicher Stärke zu sprechen, würde vermutlich zu weit gehen, aber ähnlich unregelmäßige Strukturen von Abfallschichten im Graben wären durchaus möglich. Eine Datierung der Funde deutet auf ein Offenstehen bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hin, der Graben scheint also über längere Zeit in einer letzten Nutzungsphase als Platz für die Abfallentsorgung verwendet worden zu sein. Eine genauere Angabe zum endgültigen Zuschütten des Grabens lässt sich aufgrund der Keramik natürlich nicht machen, aber dieser Vorgang ist selbstverständlich in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zu stellen. Das Glacis und die Kontereskarpe Die Räume an der Kontereskarpe Fnr. 50 (Kat.-Nr. 143) – Verfüllung Raum 2 Bei dem aus der Verfüllung von Raum 2 stammenden Keramikfragment handelt es sich um den Rand eines Topfes, der vom späten 18. Jahrhundert bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zu datieren ist. Bezüglich der Nutzung wäre

14 Zum nahe gelegenen Zeughaus – im Zuge der Sanierung des Theaters Ronacher in der Seilerstätte 9 teilweise untersucht – siehe: I. Mader, Bericht über die archäologischen Untersuchungen im Etablissement Ronacher 2006/2007. FWien 11, 2008, 56–73.

83 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

parallel zu einem Stück aus der Grabung Michaelerplatz15 eine Ansprache als Nachttopf anzudenken. Mit einem Einbringen des Schuttes als Verfüllung ist somit nicht vor der ersten Hälfte bzw. der Mitte des 19. Jahrhunderts zu rechnen. Fnr. 45 (Kat.-Nr. 144–151) – Verfüllung im südlichen Treppenaufgang Die Verfüllung über den Stufen enthielt eine größere Menge an keramischen Funden. Diese formal sehr unterschiedlichen Stücke können entweder der zweiten Hälfte des 18. oder der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, bis zu dessen Mitte/zweiter Hälfte, zugeordnet werden, womit ein Ende der Nutzung wohl auch nicht vor der Mitte des 19. Jahrhunderts anzusetzen wäre. Immerhin handelt es sich nicht um primär und während der Nutzung des Raumes deponiertes, sondern durch Verlagerung eingebrachtes Material. Aus diesem Befund stammen auch die Fragmente einiger Mineralwasserflaschen, die zusammen mit Porzellanscherben, einer Schüssel aus Steingut und einem Krugrandbruchstück, das am ehesten der Gruppe der sogenannten Prager Kannen zugeordnet werden kann, ein chronologisch schlüssiges Bild vermitteln. Die „Prager Kanne“ ist als das jüngste Gefäß anzusprechen, es datiert eher in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Fnr. 48 (Kat.-Nr. 152) – Baugrubenverfüllung unter den Stufen des südlichen Treppenaufganges Bei einem Topfrandstück aus dem Bereich unterhalb der Treppenstufen handelt es sich um ein Altstück, das wohl keinen Datierungsansatz für den Befund beisteuert. Eine Parallele bietet als Obergrenze einer zeitlichen Einordnung das erste Viertel des 16. Jahrhunderts, das Stück dürfte älter sein. Fnr. 52, 53 und 55 (Kat.-Nr. 153–156) – Verfüllung der Baugrube über dem Gewölbe von Raum 1 Aus der Verfüllung der Baugrube für das Gewölbe von Raum 1 stammen nur wenige Keramikfragmente, deren Datierungsrelevanz überdies mit Vorsicht zu behandeln ist. Vor allem das Fragment Kat.-Nr. 153 zeigt nur zu deutlich die Einschränkungen, die jeder Typologie und folglich auch Chronologie von handgefertigter Keramik – und in erster Linie die funktionale Gefäßzonengestaltung betreffend – auferlegt sind. Da es sich ja weder bei Kremp- noch bei Kragenrand um eine Modeströmungen unterworfene Verzierungstechnik handelt, sondern um eine als praktisch empfundene Lösung für Rand und Randabschluss, besteht zum einen kein zwingender Grund für Veränderungen, die über kleine Verbesserungen und Adaptierungen der Form hinausgehen. Zum anderen zeigt das vorliegende Fragment exemplarisch, wie inhomogen die Randgestaltung an einem einzigen Topf ausfallen kann (Taf. 12,153). Die Zuverlässigkeit jeder Typologie steht und fällt allerdings mit der Definierbarkeit und klaren Abgrenzbarkeit der einzelnen Typen und Subtypen. Die Arbeit in einem weder zu eng noch zu weit gesteckten formalen Toleranzbereich ermöglicht letztendlich erst das vergleichende Datieren und damit das eigentliche Er15

Kaltenberger 2008, 194 Kat.-Nr. 31.

arbeiten einer chronologischen Abfolge innerhalb eines Materials. Engere typo-

84 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

logische Ansätze – und in Folge chronologische Ansätze bei „Gebrauchskeramik“ – können so leicht ad absurdum geführt werden. Unter den weiteren diesem Bereich zuordenbaren Fragmenten findet sich auch ein Stück einer Blattkachel (siehe Tab. 24), auf der die Schwungfedern einer vermutlichen Doppeladlerdarstellung zu erkennen sind. Als zeitlicher Ansatz wird hier, parallel zu Funden aus der Grabung Wien 1, Judenplatz Haus 8, das 17. Jahrhundert, genauer gesagt eine Datierung nach 1654 vorgeschlagen. 16 Aus der Baugrubenverfüllung oberhalb des Gewölbes stammt ein Teller mit Spritzdekor (Kat.-Nr. 154), bei dem es sich mit einer Datierung 18./Anfang 19. Jahrhundert um das jüngste Stück dieses Komplexes handelt. Weitere Fragmente, wie auch hier das Fragment einer Blattkachel (Kat.-Nr. 155) mit einem Teil eines Adlerflügels aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts17 und ein weiteres Altstück (Kat.-Nr. 156) aus dem 14./15. Jahrhundert, können nicht für eine Datierung herangezogen werden. Fundmaterial des Glacis (Fnr. 40, 42–44, 54 und 72, Kat.-Nr. 157–162) Aus dem obersten Bereich des Glacis, in einer Höhe zwischen 7,20 und 12 m über Wr. Null, konnte nur sehr wenig Material geborgen werden. Zum Teil handelte es sich hier wiederum um Altstücke – dem Spätmittelalter bzw. der frühen Neuzeit zuzuordnen –, wobei allerdings kein Stück, das jünger als in das 18. Jahrhundert datiert, aus diesem Bereich stammen dürfte. Conclusio Das vorliegende Material erwies sich in verschiedenster Hinsicht und nach entsprechender Analyse als unerwartet ergiebig und fruchtbar – auch mit einem relativierenden Blick auf den Stadtgraben. Zum einen ließen sich durch die ausführliche Bearbeitung der Fundkomplexe erstaunlich detaillierte Informationen herausarbeiten, zum anderen ergaben sich interessante Denkanstöße für weitere Forschungsansätze an der Keramik selbst. Die intensive Auseinandersetzung mit den einzelnen Keramikkomplexen half nicht nur, verschiedene Befundsituationen besser chronologisch einzuordnen, ihre Ergebnisse illustrieren auch den Wandel des Grabens vom offenbar gut gewarteten Teil der Stadtbefestigung über einen Ort zur Abfallentsorgung bis zu einem überflüssigen Geländeeinschnitt, der die Ausdehnung der modernen Stadt behinderte und daher zugeschüttet wurde. Was das Fundmaterial anbelangt, so erwiesen sich Porzellan und Steinzeug als relativ verlässliche „Leitfossilien“ der Bearbeitung. Auch der Feststellung, dass sich das weitverbreitete blaue Bordürenmotiv ohne merkbaren zeitlichen Unterschied sowohl auf Porzellan als auch auf Steingut und Fayence findet, kann hier mit diesem Material nur zugestimmt werden. Die typologische und somit in weiterer Folge auch chronologische Unschärfe von Irdenware hingegen, die als reines Nutzobjekt nach funktionalen Kriterien gefertigt wurde, zeigte sich beispielhaft anhand eines Topffragmentes vom Glacis. Zumindest diese letzte Überlegung sollte weiterverfolgt werden und zu einer Diskussion über die

16 17

Zeitschnitte 2007, 34 f. Abb. 2. Zeitschnitte 2007, 34 f. Abb. 2.

85 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Datierungsmöglichkeiten von Gefäßkeramik führen, die sich in erster Linie über ihre Funktionalität definiert. Besonders markant zeigt sich hier auch das Problem der Abfallentsorgung im städtischen Bereich. Die Schwierigkeit, zwischen primär entsorgten Stücken und mehrfach verlagerten Fragmenten mit einer geringeren Datierungsrelevanz zu unterscheiden, begleitet den Stadtarchäologen bei jeder Ausgrabung im dicht verbauten Gebiet, unabhängig von der Zeitstellung; nur selten zeigen sich die Unterschiede zwischen primär deponiert und multipel verlagert allerdings so klar wie hier, wo sie sich überdies noch mit historischen Quellen untermalen lassen. Der direkt entsorgte Abfall an der Grabensohle datiert als Fundkomplex in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts bzw. an den Anfang der zweiten Hälfte und gibt damit auch relativ unverfälscht einen entsprechenden Zeitraum für das Offenstehen und das als Abfallhalde „Missbrauchtwerden“ des Grabens an. Das Material aus der Zuschüttung des Grabens, obgleich aufgrund der jüngsten datierenden Fragmente ähnlich bis gleich einzuordnen, kann wegen der unklaren und von Verlagerungen dominierten Umstände der Einbringung nur ein „spatium ante quem“ umreißen. Katalog Die Gefäßansprachen orientieren sich am Handbuch zur Terminologie der mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik in Österreich. FÖMat A Sonderh. 12 (Wien 2010). Die Farbbestimmung der Scherben erfolgte mittels Munsell Soil Color Charts (Revised Edition 1994), die Farbbestimmung der Glasur und Bemalung nach MICHEL-Farbenführer36 (München 1992). Keramikart Porzellan Por. Steinzeug STZ

Typ

Beschreibung

Referenz



dicht gesinterter, weißer Scherben mit muscheligem Bruch (Kohlprath o. J. [1982] 216)





dicht gesinterter, färbiger Scherben mit muscheligem Bruch; Oberfläche trägt zumeist eine Salzglasur (Kaltenberger 2000, 118)



Steingut STG

1

Magerung: Quarz/Feldspat: wenige Partikel unter 0,5 mm, gerundet, grauweiß, opak, Sortierung schlecht, Verteilung gleichmäßig – Oberfläche: außen u. innen glasiert, Farbwirkung „weiß“; Bruch: fein sandig, Farbe: weiß

MV 74517/2

Irdenware Fay. (Fayence)

ox 1

Magerung: Quarz/Feldspat: wenige Partikel 0,2 mm, gerundet, grauweiß, opak, Sortierung schlecht, Verteilung ungleichmäßig – Oberfläche: glatt; Bruch: feinsandig; Farbe: 7.5YR 8/4 Magerung: Glimmer: wenige Partikel 0,2–0,5 mm, plattig, silbrig, opak, Sortierung schlecht, Verteilung gleichmäßig; Quarz/Feldspat: mittel viele Partikel 0,5–1 mm, gerundet, grauweiß, opak, Sortierung mittel, Verteilung gleichmäßig – Oberfläche: rau, Farbe: 5/10B; Bruch: körnig, Farbe: 4/5PB Magerung: Quarz/Feldspat: wenige Partikel unter 0,2 mm, gerundet, weiß, opak bis schwach transluzid, Sortierung schlecht, Verteilung gleichmäßig; Glimmer: wenige Partikel unter 0,2 mm, plattig, silbrig, Sortierung schlecht, Verteilung gleichmäßig – Oberfläche: rau, Farbe: 5YR 6/8; Bruch: sandig, Farbe: 5YR 6/8 Magerung: Quarz/Feldspat: viele Partikel 0,2–1 mm, gerundet bis länglich, grauweiß, opak bis schwach transluzid, Sortierung gut, Verteilung gleichmäßig – Oberfläche: rau, Farbe: 7.5YR 5/1; Bruch: körnig, Farbe: 2.5YR 6/8 Magerung: Quarz/Feldspat: mittel viele Partikel 0,2–0,5 mm, gerundet bis länglich, weiß, opak, Sortierung gut, Verteilung gleichmäßig – Oberfläche: glatt, Farbe: 5YR 6/4; Bruch: körnig, Farbe: 5YR 6/4

MV 74563/11

ox./wenig Glim- ox 2 mer ox./wenig Quarz unter 0,2 mm ox./viel Quarz

ox 3

ox 4

ox./mittel viel ox 5 Quarz, gut sortiert ox./mittel viel ox 6 Quarz, schlecht sortiert

MV 74563/1

MV 74575/1

MV 74528/1 + 74563/2 MV 74563/10

Magerung: Quarz/Feldspat: mittel viele Partikel 0,1–1 mm, gerundet bis länglich, weiß, opak, Sortierung MV 7454/7 schlecht, Verteilung gleichmäßig – Oberfläche: glatt, Farbe: 5YR 7/6; Bruch: feinsandig, Farbe: 2.5YR 7/6

86 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Keramikart ox./Quarz u. Eisenkonkretionen, gut sortiert ox./Quarz u. Eisenkonkretionen, mittel sortiert red. mit ox. Oberfl./graphithältig

Typ ox 7

Beschreibung Magerung: Quarz/Feldspat: viele Partikel 0,2–1 mm, gerundet, grauweiß, opak bis schwach transluzid, Sortierung gut, Verteilung gleichmäßig; Eisenkonkretionen: wenige Partikel 0,2–1 mm, länglich mit sandiger Oberflächenstruktur, rötlich, opak, Sortierung schlecht, Verteilung gleichmäßig – Oberfläche: rau, Farbe: 7.5YR 4/1; Bruch: körnig, Farbe: 5YR 6/4–6/3 ox 8 Magerung: Quarz/Feldspat: viele Partikel 0,5–0,2 mm, gerundet bis länglich, weiß, opak, Sortierung mittel, Verteilung gleichmäßig; Eisenkonkretionen: wenige Partikel 0,2–0,5 mm, länglich bis gerundet mit sandiger Oberflächenstruktur, rötlich, opak, Sortierung mittel, Verteilung gleichmäßig – Oberfläche: glatt, Farbe: außen u. innen 2.5YR 6/8; Bruch: feinsandig bis schwach rau, Farbe: 5YR 7/8 red-ox Magerung: Graphit: viele Partikel 0,1–1 mm, gerundet, silbriggrau, opak, Sortierung mittel (nur 2 Größen1 klassen), Verteilung gleichmäßig; Quarz/Feldspat: wenige Partikel 0,2–0,5/1,2 mm, gerundet, grauweiß, opak bis schwach transluzid, Sortierung mittel (nur 2 Größenklassen), Verteilung gleichmäßig – Oberfläche: körnig, Farbe: 5YR 6/4; Bruch: geklüftet, Farbe 7.5YR 5/1 ox. mit red. ox-red Magerung: Glimmer: viele Partikel 0,2–0,5 mm, plattig, silbrig, opak, Sortierung mittel,Verteilung regelmäßig; Oberfl./Glim1 Quarz/Feldspat: viele Partikel 0,2–0,5 mm, gerundet, grauweiß, opak, Sortierung mittel, Verteilung gleichmäßig – Oberfläche: rau, Farbe: 7.5YR 5/3 (innen), 7.5YR 6/1 (außen); Bruch: geklüftet, Farbe: 3/N mer red./mittel viel red 1 Magerung: Graphit: mittel viele Partikel 0,2–0,5 mm, gerundet, silbriggrau, opak, Sortierung schlecht, VerGraphit u. teilung regelmäßig; Quarz/Feldspat: mittel viele Partikel 0,3–1 mm, länglich, grauweiß, opak bis schwach Quarz transluzid, Sortierung mittel, Verteilung gleichmäßig – Oberfläche: rau, Farbe: 4/5PB; Bruch: körnig, Farbe: 5/5PB red./viel Grared 2 Magerung: Graphit: viele Partikel 0,2–1,5 mm, länglich bis gerundet, silbriggrau, opak, Sortierung mittel, phit u. Quarz Verteilung gleichmäßig; Quarz/Feldspat: wenige Partikel 0,2–0,5 mm, länglich, weiß, opak, Sortierung gut, Verteilung gleichmäßig – Oberfläche: rau, Farbe: 6/10Y; Bruch: körnig, Farbe: 5/5PB red 3 Magerung: Quarz/Feldspat: viele Partikel 0,2–1 mm, gerundet bis länglich, grau, opak bis schwach red./Graphit, Quarz u. wenig transluzid, Sortierung gut, Verteilung gleichmäßig; Glimmer: wenige Partikel unter 0,2 mm, plattig, silbrig, Glimmer Sortierung mittel, Verteilung gleichmäßig; Graphit: wenige Partikel unter 0,5 mm, länglich, grauschwarz, opak, Sortierung schlecht, Verteilung ungleichmäßig – Oberfläche: rau, Farbe: 2.5/N; Bruch: körnig, Farbe: 7.5YR 6/1 oder 5/1 red./wenig Gra- red 4 Magerung: Graphit: wenige Partikel 0,2–0,5 mm, länglich, schwarzgrau, opak, Sortierung schlecht, Verteilung unregelmäßig; Quarz/Feldspat: viele Partikel 0,5–2 mm, gerundet, weiß, opak, Sortierung gut, phit, Quarz u. Verteilung gleichmäßig; Eisenkonkretionen: wenige Partikel 0,2–0,5 mm, gerundet mit sandiger OberfläEisenkonkretiochenstruktur, rötlich, Sortierung schlecht, Verteilung ungleichmäßig, opak – Oberfläche: rau, Farbe: 3/N nen (außen), 2.5/N (innen); Bruch: körnig, Farbe: 2.5Y 5/2 red./mittel viel red 5 Magerung: Graphit: mittel viele Partikel 0,2–1 mm, länglich, grauschwarz, opak, Sortierung mittel, Verteilung gleichmäßig; Quarz/Feldspat: mittel viele Partikel 0,2–1 mm, länglich, weiß, opak, Sortierung Graphit, Quarz gut, Verteilung gleichmäßig; Eisenkonkretionen: wenige Partikel bis 0,5 mm, gerundet mit sandiger Oberu. Eisenkonkreflächenstruktur, rötlich, Sortierung schlecht, Verteilung gleichmäßig – Oberfläche: rau, Farbe: 2.5/N; tionen Bruch: körnig, Farbe: 5/10Y red 6 Magerung: Graphit: viele Partikel unter 0,5 mm, gerundet bis länglich, grauschwarz, opak, Sortierung red./viel Graschlecht, Verteilung regelmäßig; Quarz/Feldspat: mittel viele Partikel bis 0,5 mm, gerundet, weiß, opak, phit, Quarz u. Sortierung mittel, Verteilung gleichmäßig; Eisenkonkretionen: wenige Partikel unter 0,2 mm, gerundet mit Eisenkonkretiosandiger Oberflächenstruktur, rötlich, Sortierung schlecht, Verteilung ungleichmäßig – Oberfläche: rau; nen Bruch: körnig, Farbe: 4/N red./Quarz u. red 7 Magerung: Quarz/Feldspat: viele Partikel 0,2–0,5 mm, gerundet, weiß, opak bis schwach transluzid, EisenkonkretioSortierung mittel, Verteilung gleichmäßig; Eisenkonkretionen: wenige Partikel unter 0,5 mm, gerundet mit nen sandiger Oberflächenstruktur, rötlich, Sortierung schlecht, Verteilung gleichmäßig – Oberfläche: rau, Farbe: 2.5/N; Bruch: körnig, Farbe: 10YR 5/4 red./Quarz u. red 8 Magerung: Quarz/Feldspat: viele Partikel 0,2–1,2 mm, gerundet bis länglich, grauweiß, opak, Sortierung Glimmer gut, Verteilung gleichmäßig; Glimmer: wenige Partikel 0,1 mm, plattig, silbrig, Sortierung schlecht, Verteilung ungleichmäßig – Oberfläche: rau, Farbe: 2.5 5PB; Bruch: körnig, Farbe: 5/10Y red 9 Magerung: Quarz/Feldspat: viele Partikel 0,2–1 mm, gerundet, grauweiß, opak, Sortierung mittel, red./Quarz, Verteilung gleichmäßig – Oberfläche: rau, Farbe: 3/10B; Bruch: körnig, Farbe: 8/10Y Sortierung mittel; auffällig heller Bruch u. dunkle Oberfläche red 10 Magerung: Quarz/Feldspat: viele Partikel 0,2–2 mm, gerundet bis länglich, grauweiß, opak, Sortierung red./Quarz, gut, Verteilung gleichmäßig – Oberfläche: rau, Farbe: 5/N; Bruch: körnig, Farbe: im Kern 6/N, Zone Sortierung gut; darum 6/10Y auffällig heller Bruch u. dunkle Oberfläche red./wenig red 11 Magerung: Quarz/Feldspat: wenig Partikel 0,2–0,5 mm, gerundet, grauweiß, opak, Sortierung schlecht, Quarz Verteilung gleichmäßig – Oberfläche: rau, Farbe: 4N; Bruch: körnig, Farbe: 7N–6N

Aufsätze

Referenz MV 74552/1

MV 74552/2

MV 74548/2

MV 74572/3

MV 74559/1

MV 7456/4

MV 74563/3

MV 74531/1

MV 74563/9

MV 74563/7

MV 74532/1

MV 74515/1

MV 74563/12

MV 7453/16

MV 7453/15 + 74563/5

Tab. 1: Scherbentypen – Einteilung der Keramikarten nach Brand und Magerung.

87 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Der Graben Die Grabensohle – Das Fundmaterial in einem Bereich von 2–3 m über Wr. Null Fnr. 69: o. Bef.-Nr. Stadtgrabenverfüllung; ca. 1 m südwestlich von Brückenpfeilerpaar 5; obere Stadtgrabenschicht 2–3 m über Wr. Null Kat.-Nr. 1 RS/Topf (G1.6); aufgestellter, profilierter Rand; mittelolivbraun (innen) und dunkeloliv (außen) glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Gaisbauer 2009, Kat.-Nr. 67 f. (spätes 18.–M. 19. Jh.); Kaltenberger 2000, Kat.-Nr. 33 (spätes 18.–1. H. 19. Jh.) Maße: RDm 27 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74569/1 Kat.-Nr. 2 Fragment einer Pfeife/Manschettpfeife mit sechsseitigem Kopf, Wiener Kaffeehauspfeife; Scherben: mittel viel Quarz unter 0,2 mm, gerundet, grauweiß, opak, Sortierung mittel, Verteilung gleichmäßig; wenig Glimmer bis 0,2 mm, plattig, silbrig, opak, Sortierung schlecht; Bruch: feinsandig, Oberfläche: glatt; Farbe: weiß Vgl.: A. Kaltenberger, Pfeifen. In: M. Müller et al., Die archäologischen und bauhistorischen Untersuchungen im Schloss Kaiserebersdorf. MSW 3 (Wien 2008) Kat.-Nr. P12: (2. H.) 19. Jh. Maße: Kopf-RDm 1,2 cm; Kopf-H 4,2 cm; Rohr-Dm 1,5 cm. – Inv.-Nr.: MV 74569/2 Scherben ox 4 STZ STZ

Anzahl 1 2 25

Ansprache HS BS WS

Anmerkungen glasiert Mineralwasserflasche (G3.1) Mineralwasserflasche (G3.1), zylindrischer Bauch

Tab. 2: Fnr. 69 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

Fnr. 74: o. Bef.-Nr. Ton/Schluff westlich von Brückenpfeilerpaar 5 (ca. 3 m entfernt); 2–2,5 m über Wr. Null Kat.-Nr. 3 RS + WS/Teller (G5.2); flach ausladende Fahne, darauf Bordüre und umlaufende Linie, Unterglasurbemalung in Hellblau; Scherbentyp: Porzellan Vgl.: Unterglasurblaue Bordüren in verschiedenen, leicht differierenden Ausformungen werden gegenwärtig zwischen dem späten 18. Jh. bis ca. 1840 angesetzt. Dieselben Mustervarianten finden sich auch auf Steingut und Fayence mit demselben Datierungsansatz: Kaltenberger 2000, 117. Maße: RDm 32 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74574/2 Kat.-Nr. 4 RS/Teller (G5.2); flach ausladende Fahne, darauf Blüten in Dunkelbraunpurpur bis Violettweiß und Blattwerk in Gelboliv; Scherbentyp: Porzellan Vgl.: ohne direkten Vergleich, vermutlich 19. Jh. Maße: RDm?; Wst 0,2 cm. – Inv.-Nr.: MV 74574/1 Scherben Fay. ox 1 ox 7 ox 8 ox 8 Por.

Anzahl 1 7 5 2 3

Ansprache WS Fragm. BS WS WS

STG STZ STZ STZ

1 4 3 1

RS BS WS RS

Anmerkungen – Kachel; abgeschrammte weiße (?) Glasur – glasiert Teller (G5.2), 16mit Bordüre u. umlaufender Linie unter Glasur in Hellblau auf Fahne Teller (G5.2) – – –

Tab. 3: Fnr. 74 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

88 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

Fnr. 64: o. Bef.-Nr. unmittelbar an nördlichem Pfeiler von Pfeilerpaar 5; 3 m über Wr. Null Kat.-Nr. 5 RS/Topf (G1.6.4); Kragenrand, randständiger Vertikalhenkel mit Angarnierungsdruckspur, ellipsoider Bauch; Glasur (innen) dunkelorangebraun bis olivbraun; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Gaisbauer 2009, Kat.-Nr. 47; ähnlich auch Kaltenberger 2000, Kat.-Nr. 24, spätes 18.–M. 19. Jh. Maße: RDm 11,6 cm; Wst 0,2–0,3 cm; BDm 11,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74564/1 Kat.-Nr. 6 RS/Schüssel (G4.5); Kremprand, eckig ausgeführt; innen mittelockerbraun glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: tendenziell Gaisbauer 2009, Kat.-Nr. 17 oder 19, 17./18. Jh. Diese Randform findet sich generell mit Dreifußschüsseln assoziiert (Kaltenberger 2002, 207). Maße: RDm 25,8 cm. – Inv.-Nr.: MV 74564/3 Kat.-Nr. 7 RS + WS (G1?); ellipsoider Körper, florale Motive in Blau auf Weiß; Scherbentyp: Fayence ox 1 Vgl.: eine gewisse Ähnlichkeit mit der Bemalung auf dem Fragment Gaisbauer 2009, Kat.-Nr. 79; der Vergleich mit Kaltenberger 2002, Kat.-Nr. 33 legt eine Datierung ins 18. Jh. nahe. Maße: RDm 7 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74564/2 Kat.-Nr. 8 RS/Flasche (G3.1); Leistenrand, Grat am Schulteransatz, schulterständiger, vertikaler Bandhenkel, zylindrischer Bauch; Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: Typ D (Brinkmann 1982, 12) Maße: RDm 3,5 cm; Wst 0,2 cm. – Inv.-Nr.: MV 74564/8 Kat.-Nr. 9 RS/Flasche (G3.1); Leistenrand, Grat am Schulteransatz; Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: Typ D (Brinkmann 1982, 12) Maße: RDm 3 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74564/19 Kat.-Nr. 10 RS/Flasche (G3.1); Leistenrand, Grat am Schulteransatz, schulterständiger, vertikaler Bandhenkel, zylindrischer Bauch, Blindstempel: „Salzquelle“; Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: Typ D (Brinkmann 1982, 12) Maße: RDm 3,2 cm; Wst 0,2 cm. – Inv.-Nr.: MV 74564/7 a Kat.-Nr. 11 RS/Flasche (G3.1); Leistenrand, Grat am Schulteransatz, schulterständiger, vertikaler Bandhenkel, zylindrischer Bauch, Blindstempel: fragmentiert „Franzensbad“; Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: Typ D (Brinkmann 1982, 12) Maße: RDm 3 cm; Wst 0,2 cm. – Inv.-Nr.: MV 74564/6 a Kat.-Nr. 12 RS/Flasche (G3.1); Leistenrand, Grat am Schulteransatz, Blindstempel: vermutlich „Salzquelle“; Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: Typ D (Brinkmann 1982, 12) Maße: RDm 3,1 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74564/14 Kat.-Nr. 13 RS/Flasche (G3.1); Leistenrand, Grat am Schulteransatz, schulterständiger, vertikaler Bandhenkel, zylindrischer Bauch; Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: Typ D (Brinkmann 1982, 12) Maße: RDm 3,3 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74564/7 Kat.-Nr. 14 RS/Flasche (G3.1); Leistenrand, Grat am Schulteransatz, schulterständiger, vertikaler Bandhenkel, zylindrischer Bauch, Blindstempel: „Salzquelle“; Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: Typ D (Brinkmann 1982, 12); eine Nutzung wird für die Eger Salzquelle seit 1820 angegeben (Brinkmann 1984, 179). Maße: RDm 3,1 cm; Wst 0,2 cm. – Inv.-Nr.: MV 74564/5

89 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Kat.-Nr. 15 WS/Flasche (G3.1); Blindstempel: vermutlich „Franzensbad“, unter dem Rundstempel wahrscheinlich der Schriftzug „Niederselters“; Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: Typ D (Brinkmann 1982, 12) Maße: Wst 0,2 cm. – Inv.-Nr.: MV 74564/10 Scherben STZ STZ STZ STZ

Anzahl 19 19 21 549

Ansprache RS HS BS WS

Anmerkungen Mineralwasserflasche Mineralwasserflasche Mineralwasserflasche Mineralwasserflasche

(G3.1), zylindrischer Bauch (G3.1) (G3.1) (G3.1), zylindrischer Bauch

Tab. 4: Fnr. 64 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

Die Verfüllung des Grabens – Zuschüttung und Verfüllung einer letzten Nutzung Zuschüttung bei 3 m unter rezentem Gehniveau (9 m über Wr. Null) – Fnr. 85: o. Bef.-Nr. Bereich Zufahrtsrampe Tiefgarage Hegelgasse Kat.-Nr. 16 RS/Topf (G1.6); Leistenrand; mittelockerbraun (innen) und dunkelockerbraun (außen) glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: tendenziell wie Kaltenberger 2000, 112 f. Kat.-Nr. 34–35, spätes 18./1. H. 19. Jh. Maße: RDm 44 cm; Wst 0,9 cm. – Inv.-Nr.: MV 74585/1 Kat.-Nr. 17 BS/Teller (G5.2); Blindstempel: „837“, „.62“, Elbogen; Scherbentyp: Porzellan Vgl.: „837“ als Blindstempel weist auf eine Datierung ins Jahr 1837; aufgrund des Stempels kann von der von den Gebrüdern Haidinger gegründeten Manufaktur (Böhmen, heute Loket, Tschechische Republik) ausgegangen werden; die vorliegende Ausformung des Elbogen-Blindstempels datiert zwischen 1833 und 1860 und wurde generell oft mit einer konkreten Jahreszahl als Blindstempel kombiniert (L. Danckert, Handbuch des europäischen Porzellans7 [München 2006] 158). Maße: Bst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74585/8 Kat.-Nr. 18 RS/Schale (G4.4); Beschriftung „G.M.“ (?) in Schwarz; Scherbentyp: Porzellan Vgl.: ohne direkten Vergleich, vermutlich 19. Jh. Maße: RDm 10,5 cm; H 5,8 cm. – Inv.-Nr.: MV 74585/3 Kat.-Nr. 19 RS/Teller (G5.2); Fahne flach; Scherbentyp: Porzellan Vgl.: vermutlich 19. Jh. Maße: RDm 24,8 cm; H 4,9 cm. – Inv.-Nr.: MV 74585/4 Kat.-Nr. 20 RS/Teller (G5.2); Fahne flach; Scherbentyp: Porzellan Vgl.: unverziert, 19. Jh. Maße: RDm 25 cm; Wst 0,2 cm. – Inv.-Nr.: MV 74585/12 Kat.-Nr. 21 RS/Teller (G5.2); flach verlaufende Fahne, unterglasurblaue Bordüre, helllilaultramarin; Scherbentyp: Porzellan Vgl.: Datierung über Muster, siehe Kat.-Nr. 3 Maße: RDm 31 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74585/6 Kat.-Nr. 22 RS/Teller (G5.2); unterglasurblaue Bordüre (siehe Kat.-Nr. 21), dunkellilaultramarin/lilaultramarin; Scherbentyp: Porzellan Vgl.: Datierung über Muster, siehe Kat.-Nr. 3 Maße: RDm 24 cm; Wst 0,3–0,7 cm. – Inv.-Nr.: MV 74585/5

90 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Scherben Fay. ox 1 Fay. ox 1 Fay. ox 1 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 8 ox 8 Por. Por. Por. red 5 red 8 STG STG STG STZ STZ

Anzahl 2 2 1 5 3 1 2 1 1 1 25 15 5 2 1 2 5 1 1 4

Ansprache RS WS BS WS BS Fragm. HS RS BS RS RS BS WS WS WS RS WS BS BS WS

Aufsätze

Anmerkungen siehe Kat.-Nr. 22 Teller (G5.2) Teller (G5.2) Glasur schlecht erh. Glasur schlecht erh. Blattkachel glasiert glasiert – undefinierbare Form Teller (G5.2), siehe Kat.-Nr. 22 Teller (G5.2) Teller (G5.2) Glasur schlecht erh. versch. glasiert, Glasur schlecht erh. Teller (G5.2) Teller (G5.2) Teller (G5.2) – –

Tab. 5: Fnr. 85 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

Der Bereich der Zuschüttung 3–7 m unter rezentem Gehniveau (5–9 m über Wr. Null) – Fnr. 3 und Fnr. 4: o. Bef.-Nr. Planierschicht, bis 3 m unter rezentem Gehniveau (bis 9 m über Wr. Null) Kat.-Nr. 23 RS/Topf (G1.6); Kremprand; Scherbentyp: red 9 Vgl.: Gaisbauer 2003, Kat.-Nr. 15, 14./15. Jh., die Form ist chronologisch nicht sensibel Maße: RDm 21,6 cm; Wst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74503/7 Kat.-Nr. 24 RS/Topf (G1.6); Kremprand; leichter metallischer Anflug in nicht klar begrenzten Flecken; Scherbentyp: red 5 Vgl.: Cech 1987, Taf. 4 A32, 14. Jh.; Nebehay 1978, 17 (15./16. Jh.) Abb. 17,19 Maße: RDm 25,2 cm; Wst 0,4–0,9 cm. – Inv.-Nr.: MV 74504/1 Kat.-Nr. 25 RS/Topf (G1.6); Kremprand, verdickt; Scherbentyp: ox 2 Vgl.: Gaisbauer 2003, Kat.-Nr. 16, 16. Jh. Maße: RDm 22,2 cm; Wst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74504/2 Kat.-Nr. 26 RS/Topf (G1.6); Kremprand; Scherbentyp: ox 2 Vgl.: Gaisbauer 2003, Kat.-Nr. 16, 16. Jh. Maße: RDm 21 cm. – Inv.-Nr.: MV 74504/3 Kat.-Nr. 27 RS/Topf (G1.6); Leistenrand, Rand verdickt; Scherbentyp: ox 8 Vgl.: Gaisbauer 2003, Kat.-Nr. 49, 15./16. Jh. Maße: RDm 25,8 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74503/9 b Kat.-Nr. 28 RS/Topf (G1.6); aufgestellter Rand, profiliert; gelbbraun (innen) und grün (außen) glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Gaisbauer 2009, Kat.-Nr. 64 und 65 weisen Ähnlichkeit auf, 2. H. 18. Jh. Maße: RDm 21,6 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74503/10 Kat.-Nr. 29 RS/Topf (G1.6); verdickter, flach ausladender Rand; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: ähnlich Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 31, Nachttopf spätes 18./1. H. 19. Jh. Maße: RDm 36 cm; Wst 0,5–0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74504/6

91 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Kat.-Nr. 30 RS/Krug (G2.2); flach einziehender Rand; Scherbentyp: ox 2 Vgl.: Cech 1987, Taf. 63 C40 weist Ähnlichkeit auf, 15. Jh. Maße: RDm 19,2 cm; Wst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74503/2 Kat.-Nr. 31 RS/Krug (G2.2); flach einziehender Rand, Henkel tlw. erh.; T-Stempel auf Henkel, deutlicher metallischer Anflug an der Außenseite; Scherbentyp: red 9 Vgl.: Cech 1987, Taf. 66 C56, 16. Jh. Maße: RDm 16,2 cm; Wst 0,6–0,9 cm. – Inv.-Nr.: MV 74503/4 Kat.-Nr. 32 RS/Krug (G2.2); flach einziehender Rand; Scherbentyp: red 3 Vgl.: Cech 1987, Taf. 61 C35, 15. Jh. Maße: RDm 3,4 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74504/5 Kat.-Nr. 33 RS/Krug (G2.2); flach einziehender Rand, Henkel tlw. erh.; T-Stempel auf Henkel; Scherbentyp: red 9 Vgl.: Cech 1987, Taf. 66 C56, 16. Jh. Maße: RDm 16,2 cm; Wst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74503/0 Kat.-Nr. 34 RS/Krug (G2.2); flach einziehender Rand; Scherbentyp: red 11 Vgl.: weist Ähnlichkeit mit Nebehay 1978, Abb. 21,29, 15./16. Jh. auf Maße: RDm 15 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74504/4 Kat.-Nr. 35 RS/Krug (G2.2); flach einziehender Rand; Scherbentyp: ox 2 Vgl.: weist Ähnlichkeit mit Nebehay 1978, Abb. 21,29, 15./16. Jh. auf Maße: RDm 22,8 cm; Wst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74503/1 Kat.-Nr. 36 RS/Schüsselkachel; nicht scharf begrenzte Flecken von metallischem Anflug an der Innen- und Außenseite; Scherbentyp: red 9 Vgl.: Kohlprath (o. J. [1982]), 118 Kat.-Nr. 182, 14./15. Jh. Maße: Wst 0,9–1,2 cm. – Inv.-Nr.: MV 74503/5 Kat.-Nr. 37 Knauf/Flachdeckel; Scherbentyp: red 9 Vgl.: Cech 1987, Kat.-Nr. M12, 15. Jh. Maße: Bst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74503/9 a Kat.-Nr. 38 RS/Schüssel (G4.5); blaue Bordüre; Scherbentyp: Fayence ox 1 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 3 Maße: RDm 18 cm; Wst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74503/13 Kat.-Nr. 39 RS/Teller (G5.2); Linien und Blüten in Lilaultramarin; Scherbentyp: Fayence ox 1 Vgl.: Hier handelt es sich nicht um das übliche Bordürenmuster, die Fundvergesellschaftung lässt eine Datierung ins 19. Jh. annehmen. Maße: RDm 21 cm; Wst 0,6 cm; H 4,2 cm; BDm 12 cm; Bst 0,5 cm. – Inv.-Nr.: MV 74503/12 (1 RS + 1 BS) Kat.-Nr. 40 Kerzenhalter; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Kohlprath (o. J. [1982]), Kat.-Nr. 163, 14./15. Jh. Maße: BDm 4,5 cm. – Inv.-Nr.: MV 74504/7 Scherben Fnr. 3 Fay. ox 1 Fay. ox 1 ox 2 ox 2 ox 4 ox 4 ox 4

Anzahl

Ansprache

Anmerkungen

1 1 12 2 4 2 1

WS BS WS BS WS BS Blattkachelfragm.

– Teller (G5.2) – – glasiert glasiert glasiert

92 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Scherben ox 4 ox 4 ox 5 red 5 red 9 red 9 red 9 red 10 red 11 STG STG Fnr. 4 ox 2 ox 4 ox 4 ox 4 ox 7 red 3 red 9 red 10 red 10 STZ

Anzahl 1 1 1 2 3 7 1 2 1 1 1

Ansprache Zarge + Kachelfragm. Kachelfragm. RS WS BS WS Zargenfragm. WS WS WS BS

Anmerkungen – glasiert verschliffen – – – – – – Teller (G5.2), blaue Linie; Risse in Glasur Teller (G5.2), blaue Bordüre

4 1 1 2 1 1 1 5 1 1

WS BS RS WS Kachelfragm. BS RS WS BS BS

– glasiert Schüsselkachel (G4.5), glasiert – glasiert – Schüsselkachel (G4.5) – – Flasche (G3.1)

Aufsätze

Tab. 6: Fnr. 3 und 4 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

– Fnr. 8: o. Bef.-Nr. Bereich Weihburggasse Nr. 28 – Hotel Marriott/Schellinggasse; Planierschichten; 3,50–5 m unter Gehniveau (7–8,50 m über Wr. Null) Kat.-Nr. 41 RS/Topf (G1.6); Kremprand, verdickt; Scherbentyp: red 1 Vgl.: Bors 1986, 60 Taf. 2,15, 1. V. 16. Jh. Maße: RDm 26 cm; Wst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74508/2 Kat.-Nr. 42 RS/Topf (G1.6); Kremprand; Scherbentyp: red 11 Vgl.: Cech 1987, Taf. 43 A295, 15./16. Jh.; Nebehay 1978, 17 Abb. 16,18 (weist Ähnlichkeit auf), 15./16. Jh. Maße: RDm 15 cm; Wst 0,5 cm. – Inv.-Nr.: MV 74508/1

– Fnr. 5: o. Bef.-Nr. Weihburggasse zur Schellinggasse hin; lehmig-schottrige Planierschicht; 4–6 m unter Gehniveau (6–8 m über Wr. Null) Kat.-Nr. 43 RS/Krug (G2.2); steil einziehender Rand; Scherbentyp: red 11 Vgl.: Kovacsovics 1989/1990, 161 Kat.-Nr. 42 Abb. 27,1 (2. H. 16. Jh.) Maße: RDm 26 cm; Wst 0,6–0,8 cm. – Inv.-Nr.: MV 74505/1

– Fnr. 9: o. Bef.-Nr. Planierung, lehmig, sandig, tlw. schottrig; zwischen 5–7 m unter Gehniveau (5–7 m über Wr. Null) Kat.-Nr. 44 RS/Topf (G); Kragenrand; glasiert, Farbwirkung „grünlicholiv“; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Cech 1987, Taf. 51 A340, neuzeitlich Maße: RDm 16,2 cm; Wst 0,3–0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74509/1 Kat.-Nr. 45 RS/Topf (G1.6); Kragenrand; innen und außen am Rand glasiert, „grünlicholiv“; tlw. sekundär gebrannt; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: ohne direkte Parallele, 16./17. Jh. Maße: RDm?; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74509/4

93 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Kat.-Nr. 46 RS/Krug (G2.2); Stempel an Henkelansatz; Scherbentyp: red 5 Vgl.: Datierung erfolgt über den Stempel Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 3, 16.(–Anf. 17.) Jh. Maße: RDm 28,6 cm; Wst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74509/6 Kat.-Nr. 47 RS/Topf (G1.6); innen glasiert, Farbwirkung mittelbraunocker; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Cech 1987, Taf. 78 M8.M10, 15./16. Jh. Maße: RDm 39 cm; Wst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74509/3 Kat.-Nr. 48 RS/Schale? (G4.4); außen metallische Rückstände; Scherbentyp: red 6 Vgl.: chronologisch unsensible Form, ohne direkten Vergleich Maße: RDm 27 cm; Wst 1,2 cm; Bst 1,2 cm; H 3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74509/5 Kat.-Nr. 49 RS/Flachdeckel (G5.1); sekundäre Kohlenstoffanreicherung an Unterseite und außen am Rand; Scherbentyp: red 11 Vgl.: G. Scharrer-Liška/P. Scherrer, Hafner, Händler, Franziskaner. BeitrMAÖ Beih. 8 (Wien 2010) Taf. 76 T45 A18; 104: 14. Jh. Maße: RDm 9,9 cm; Wst 0,9 cm; BDm 9 cm; Bst 0,6 cm; H 1,5 cm. – Inv.-Nr.: MV 74509/7 Kat.-Nr. 50 RS/Teller (G5.2); Bordüre unter Glasur, lilaultramarin; Scherbentyp: Porzellan Vgl.: siehe Kat.-Nr. 3 Maße: RDm 22,2 cm; Wst 0,3–0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74509/8 Scherben ox 3 ox 4 ox 5 ox 7 ox 8 Por. Por. red 5 red 5 red 9 STZ

Anzahl 1 6 1 2 1 1 1 1 3 1 1

Ansprache WS WS WS Kachelfragm. WS RS BS HS WS RS WS

Anmerkungen glasiert glasiert – glasiert glasiert siehe Kat.-Nr. 50 siehe Kat.-Nr. 50 – – Schüsselkachel (G4.5) Mineralwasserflasche (G3.1), quaderförmiger Bauch – Vierkantflasche

Tab. 7: Fnr. 9 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

– Fnr. 59: o. Bef.-Nr. Planierschichten; 10–12 m über Wr. Null Kat.-Nr. 51 RS/Topf (G1.6); Kremprand verdickt; Scherbentyp: red 1 Vgl.: Nebehay 1978, 17 Abb. 16,18; 15,16, 15./16. Jh.; Cech 1987, Taf. 44 A305, 15./16. Jh. Maße: RDm 39 cm; Wst 1,5 cm. – Inv.-Nr.: MV 74559/2 Kat.-Nr. 52 RS/Topf (G1.6); Kremprand/Kragenrand spitz ausgebildet; innen glasiert, Farbwirkung gelbocker; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: weist Ähnlichkeit mit G. Scharrer-Liška/P. Scherrer, Hafner, Händler, Franziskaner. BeitrMAÖ Beih. 8 (Wien 2010) Taf. 51 F90/40/3 auf, 99: 13./14. Jh. Maße: RDm 11 cm; Wst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74559/3 Kat.-Nr. 53 RS/Topf (G1.6); Kremprand schwach verdickt, spitz zulaufender Randabschluss; Reste eines kreuzförmigen Stempels am Rand; Scherbentyp: red 1 Vgl.: Datierung erfolgt über den Stempel Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 3, 16.(–Anf. 17.) Jh. Maße: RDm 28,8 cm; Wst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74559/1 Kat.-Nr. 54 RS/Topf (G1.6); Kragenrand; innen glasiert, Farbwirkung orangebraun; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Kovacsovics 1989/1990, Abb. 31,5 (2. H. 16. Jh.), 217 Kat.-Nr. 160 Maße: RDm 35,4 cm; Wst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74559/4

94 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

Kat.-Nr. 55 RS/Krug (G2.2); profilierter Rand mit verdicktem Randabschluss; Scherbentyp: red 3 Vgl.: Nebehay 1978, Taf. 21,28, 15./16. Jh. Maße: RDm 9,6 cm; Wst 0,5 cm. – Inv.-Nr.: MV 74559/5 Scherben ox 2 ox 2 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 red 1 red 1 red 10 red 8 red 9 STG

Anzahl 2 1 1 1 2 8 5 1 1 1 2 1

Ansprache BS WS RS HS BS WS WS BS WS HS WS WS

Anmerkungen – – undefinierbar – – – – – – – – –

Tab. 8: Fnr. 59 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

– Fnr. 1: o. Bef.-Nr. Planierschicht; bis 3 m unter Gehniveau (bis 9 m über Wr. Null) Kat.-Nr. 56 Flasche (G3); Leistenrand, auf der Schulter Blindstempel „PILLNAER BITTERWASSER“ als Umschrift für „KRUG & KOENIG“, quaderförmiger Bauch; Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: Typ I (Brinkmann 1982, 20) Maße: H 22,5 cm; RDm 2,9 cm; BDm 9,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74501

Die Stadtgrabenverfüllung zwischen 3 und 11 m über Wr. Null – Fnr. 60 und 70–71: o. Bef.-Nr. 7–11 m über Wr. Null Kat.-Nr. 57 RS/Topf (G1.6); Kremprand; Schwärzung oben auf Rand (Auflagespur Deckel?); Scherbentyp: ox 2 Vgl.: Kovacsovics 1989/1990, 158 Kat.-Nr. 36 Abb. 30,11, 1. H. 16. Jh.; 155 Kat.-Nr. 30 Abb. 30,8, 2. H. 16. Jh.; Bors 1986, 60 Taf. 2,14, 1. V. 16. Jh. Maße: RDm 19,2 cm; Wst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74570/1 Kat.-Nr. 58 RS/Topf (G1.6); Kremprand; Scherbentyp: red 1 Vgl.: Gaisbauer 2009, Kat.-Nr. 48, 19. Jh. Maße: RDm 28 cm; Wst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74560/1 a Kat.-Nr. 59 RS/Topf (G1.6); einfach ausbiegender, leicht aufgestellter Rand; dunkelrotbraun glasiert (innen und außen); Scherbentyp: ox 8 Vgl.: weist eine gewisse Ähnlichkeit mit Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 47, 2. H. 18. Jh. auf Maße: RDm 12,6 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74570/4 b Kat.-Nr. 60 RS/Topf (G1.6); Kragenrand; Henkelansatz von Bandhenkel; innen gelbbraun glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: ohne direkten Vergleich, frühneuzeitlich Maße: RDm 25,8 cm; Wst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74570/2 Kat.-Nr. 61 RS/Topf (G1.6); Kragenrand mit leicht gerundetem Randabschluss; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 22; Kraschitzer 2007, Kat.-Nr. 58, 18. Jh. Maße: RDm 18 cm; Wst 0,3–0,5 cm. – Inv.-Nr.: MV 74560/1 c

95 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Kat.-Nr. 62 RS/Topf (G1.6); Kragenrand; leichter metallischer Anflug; Scherbentyp: red 3 Vgl.: Kraschitzer 2007, Kat.-Nr. 143 Maße: RDm 30 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74560/2 Kat.-Nr. 63 RS/Krug (G2.2); eingebogener Rand; Stempel am Henkelansatz; Scherbentyp: red 9 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 32 Maße: RDm?; Wst 0,9 cm. – Inv.-Nr.: MV 74560/1b Kat.-Nr. 64 BS/Fuß/Becher (G); Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: Siegburger Becher z. B. Kohlprath (o. J. [1982]), 125 Kat.-Nr. 200, 15. Jh. Maße: BDm 4,6 cm; Wst 0,3–0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74560/4 Kat.-Nr. 65 Tiegel (G1.6.6); Leistenrand/Binderand, zylindrischer Bauch; hellblaugrün (außen) und weiß (innen) glasiert; Scherbentyp: Fayence ox 1 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 115 Maße: RDm 5,8 cm; H 5,8 cm; BDm 5,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74571/5 Kat.-Nr. 66 RS/Topf (G1.6); Rand einfach verdickt; Tropfdekor auf Wand lebhaftblaugrün; Scherbentyp: Fayence ox 1 Vgl.: Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 31; siehe Kat.-Nr. 29 Maße: RDm 30,2 cm; Wst 0,4–0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74570/3 Kat.-Nr. 67 RS/Topf (G1.6); aufgestellter Rand; innen gelbbraun glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Kaltenberger 2000, Kat.-Nr. 30 bzw. 31, (spätes) 18.–1. H. 19. Jh. Maße: RDm 26,1 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74560/3 Kat.-Nr. 68 RS/Teller (G); Unterglasurbordüre, lilaultramarin; Scherbentyp: Steingut Vgl.: siehe Kat.-Nr. 3 Maße: RDm 24 cm; Wst 0,4 cm; BDm 12,6 cm; H 3,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74570/4 a Kat.-Nr. 69 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 35) RS/Krug (G2.2); Ansatz eines Ausgusses vorhanden; Scherbentyp: red 1 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 35 Maße: RDm 17 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74571/1 Kat.-Nr. 70 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 35) RS/Krug (G2.2); Scherbentyp: red 1 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 35 Maße: RDm 36 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74571/2 Kat.-Nr. 71 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 151) RS/Topf (G1.6); olivbraun (innen) und dunkelolivgrün (außen) glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 151 Maße: RDm 34 cm; Wst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74571/3 Kat.-Nr. 72 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 1) RS/Topf (G1.6); lebhaftockerbraun (innen) und dunkeloliv (außen) glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 1 Maße: RDm 22,5 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74571/4 Kat.-Nr. 73 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 52) RS/Topf/Schüssel (G?); Kremprand/Kragenrand; innen dunkelorangebraun glasiert; sekundäre Brandspuren am Rand – Kochvorgänge; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 52 Maße: RDm 14,6 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74570/3 a Scherben Fnr. 60 STG Fay. ox 1 Fay. ox 1 Fay. ox 1 ox 4

Anzahl

Ansprache Anmerkungen

1 1 2 1 4

WS RS WS WS RS

Inv.-Nr. MV 74517/2 RDm und Form undefinierbar – Reste unterglasurblauer Bordüre RDm und Form undefinierbar

96 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Scherben ox 4 ox 4 ox 4

Anzahl 8 1 6

Anmerkungen glasiert – –

2 2 2 5 6 1 2 1 2 2 3 1 5

Ansprache WS BS Kachelfragm. Kachelfragm. RS BS WS BS WS RS WS BS WS WS WS WS WS

ox 4

1

ox 8 ox 8 ox 8 red 1 red 1 red 1 red 3 red 4 red 4 red 5 red 6 red 9 STZ Fnr. 70 Fay. ox 1 Fay. ox 1 ox 2 ox 2 ox 4 ox 4 ox 4 ox 8 ox 8 ox 8 Por. Por. Por.

1 2 1 1 1 11 1 1 1 2 1 1 1

WS BS BS WS RS WS RS Griff BS RS RS RS BS

red 11 red 11 red 3 red 5

1 1 1 1

red 5 red 5 red 9 red 9 STG STG Fnr. 71 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 5 ox 5 ox 5 ox 6 red 1 red 2 red 6 red 9

11 1 1 2 2 1

RS BS BS Kachelfragm. WS BS WS BS RS WS

– – – – Kragenrand siehe Kat.-Nr. 60 glasiert undefinierbar Pfanne, hohler Griff mit Lochung (G4.5.6) Teller (G5.2)? – Teller (G5.2) siehe Kat.-Nr. 68 Rest von Streublümchendekor (Kaltenberger 2000, Kat.-Nr. 55, spätes 18./1. H. 19. Jh.) Hohldeckel (G4.1) – – –

1 1 2 1 1 3 3 1 1 1 5 1 2 1

BS WS BS WS RS Fragm. RS WS BS RS WS BS WS BS

Aufsätze

glasiert – glasiert – – – Flachdeckel (G5.1) – – – – – – –

– – metallischer Anflug außen – Teller (G5.2), unterglasurblaue Bordüre, siehe Kat.-Nr. 68 – Schmelzgefäß (G1.1.6) – – sekundär gebrannt – Blattkacheln – – – RDm und Form undefinierbar, glasiert – – Schmelzgefäß (G1.1.6) –

Tab. 9: Fnr. 60 und 70–71 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

97 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

– Fnr. 61, 63 und 66: o. Bef.-Nr. zwischen Pfeilerpaar 5 und 6 (Fnr. 63), bei Pfeilerpaar 6 bis 7 (Fnr. 66); 3–11 m über Wr. Null Kat.-Nr. 74 RS/Topf (G1.6); Kremprand, Stempelung Kreuz (?); Scherbentyp: red 5 Vgl.: Nebehay 1978, 17 Abb. 17,19, 15./16. Jh.; Bors 1986, 60 Taf. 2,12 (ähnlich, aber weniger spitz ausgeführt), 1. H. 16. Jh.; Cech 1987, Taf. 49 A328 weist Ähnlichkeit auf, 16. Jh. Maße: RDm 21,1 cm; Wst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74561/1 Kat.-Nr. 75 RS/Topf (G1.6); Kragenrand; innen dunkelbraun glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Kraschitzer 2007, Kat.-Nr. 31, 18. Jh. Maße: RDm 12,9 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74561/2 Kat.-Nr. 76 RS/Teller (G5.2); Bordüre in Ultramarin; Scherbentyp: Fayence ox 1 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 3 Maße: RDm 21,3 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74561/3 Kat.-Nr. 77 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 33) RS/Krug (G2.2); Scherbentyp: red 1 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 33 Maße: RDm 43 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74566/5 Kat.-Nr. 78 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 33) RS/Krug (G2.2); Scherbentyp: red 1 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 33 Maße: RDm 16 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74566/6 Kat.-Nr. 79 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 114) RS/Topf (G1.6); Kragenrand; innen glasiert, Farbwirkung dunkelbraunocker; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 114 Maße: RDm 17 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74566/7 Kat.-Nr. 80 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 24) RS/Topf (G1.6); Kremprand; Scherbentyp: red 10 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 24 Maße: RDm 24 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74566/3 Kat.-Nr. 81 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 25) RS/Topf (G1.6); Scherbentyp: ox 4 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 25 Maße: RDm 22 cm; Wst 0,5 cm. – Inv.-Nr.: MV 74563/2 Kat.-Nr. 82 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 53) RS/Topf (G1.6); Scherbentyp: red 3 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 53 Maße: RDm 18 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74563/3 Kat.-Nr. 83 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 41) RS/Topf (G1.6); Scherbentyp: ox 2 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 41 Maße: RDm 26 cm; Wst 0,5 cm. – Inv.-Nr.: MV 74563/1 Kat.-Nr. 84 (o. Abb.) BS (G1.6); Schmelztiegel; Schmelzgutrückstände; Scherbentyp: red 6 Vgl.: ohne direkten Vergleich, neuzeitlich Maße: Bst 0,8 cm. – Inv.-Nr.: MV 74566/1 Scherben Fnr. 61 Fay. ox 1 ox 2 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4

Anzahl

Ansprache Anmerkungen

1 2 2 1 3 4 1

WS BS RS BS WS Fragm. Fragm.

– – glasiert glasiert glasiert Kachel Kachel; glasiert

98 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Scherben ox 6 ox 6 ox 7

Anzahl 1 1 1

Anmerkungen – – –

4 1 1 1 1 1 3 2 1

Ansprache RS WS Kachelfragm. WS RS WS HS RS BS WS WS RS

red 1 red 4 red 6 red 8 red 9 red 9 red 9 STZ STZ Fnr. 63 Fay. ox 1 ox 4 red 5 red 5 red 6 Fnr. 66 Fay. ox 1 ox 2 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 7 ox 7 ox 8 ox 8 red 1 red 11 red 11 red 11 red 11 red 6 red 6 red 6 red 9 red 9 red 9 red 9 STZ STZ STZ

1 2 2 3 6

BS Fragm. BS WS WS

mit aus der Masse gedrehtem Standring Kachel – – –

1 4 1 1 1 5 1 2 1 1 1 1 1 1 4 1 3 1 1 2 1 1 2 1 1

WS WS RS WS WS Fragm. Fragm. WS WS BS BS RS BS Fragm. WS WS WS BS Fragm. RS HS WS WS BS HS

– – mit verschliffenem Kragenrand, glasiert glasiert – Kachel; glasiert Zarge glasiert – – – Hohldeckel (G4.1) – Zarge, mit metallischem Anflug – Schmelzgefäß (G1.6.6) Schmelzgefäß (G1.6.6) Schmelzgefäß (G1.6.6) Zarge stark verschliffen – – – Mineralwasserflasche (G3.1), zylindrisch Mineralwasserflasche (G3.1), zylindrisch

Aufsätze

– Schüsselkachel (G4.5) Schmelzgefäß (G?) Krug (G2.2)? Schüsselkachel (G4.5) – – Rollstempeldekor (sog. Prager Kanne?) Mineralwasserflasche (G3.1)

Tab. 10: Fnr. 61, 63 und 66 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

– Fnr. 75: o. Bef.-Nr. Stadtgrabenverfüllung westlich der Kontereskarpe – Verfüllschicht einer letzten Nutzung? 3–7 m über Wr. Null Kat.-Nr. 85 RS/Krug (G2.2); Ranken- und Rollstempeldekor; Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: siehe Kaltenberger 2008, 175–176 sog. Prager Kannen, ab M. 19. Jh. Maße: RDm 15,6 cm; Wst 0,6–0,9 cm. – Inv.-Nr.: MV 74575/27 + 28

99 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Kat.-Nr. 86 RS/Teller (G5.2); flach ausladende Fahne, aus der Masse gearbeiteter Standring; UnterglasurBordüre dunkellilaultramarin; Blaumaler: „6“ (?); Scherbentyp: Porzellan Vgl.: Johann Streßler 1766–1814 (Mrazek/Neuwirth 1971, 67) Maße: RDm 21 cm; Wst 0,3–0,4 cm; BDm 9,3 cm; Bst 0,5 cm; H 3,9 cm. – Inv.-Nr.: MV 74575/ 4a Kat.-Nr. 87 RS/Teller (G5.2); flach ausladende Fahne, aus der Masse gearbeiteter Standring; UnterglasurBordüre helllilaultramarin; Blaumalernummer „6“ oder „9“; Blindstempel „3“; Scherbentyp: Porzellan Vgl.: Mit der Blaumalernummer „9“ können Josef Heroldt (1783–nach 1804) oder Michael Rapp (1814–1834) in Verbindung gebracht werden (Mrazek/Neuwirth 1971, 67) Maße: RDm 22,5 cm; Wst 0,3–0,4 cm; BDm 16 cm; Bst 0,4 cm; H 3,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74575/5 Kat.-Nr. 88 WS/Flasche (G3.1); Mineralwasserflasche; Stempel „MARIE…“; Scherbentyp: Steinzeug Maße: Wst 0,2 cm. – Inv.-Nr.: MV 74575/15 Kat.-Nr. 89 WS/Flasche (G3.1); Mineralwasserflasche; Stempel „SELTERS HN“, HN = Herzogtum Nassau; Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: Stempel wird 1806–ca. 1830 datiert (www.mineralwasserkruege.homepage.t-online.de/niederso.html [16.8. 2011], siehe Niederselters6) Maße: Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74575/16 Kat.-Nr. 90 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 25) RS; innen und außen grün (?) glasiert, Glasur schlecht erhalten; Scherbentyp: ox 8 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 25 Maße: RDm 36 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74575/18 Kat.-Nr. 91 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 21) RS/Teller (G5.2); unterglasurblaue Bordüre, deutliche Risse in Glasur; Scherbentyp: Steingut Vgl.: Form siehe Kat.-Nr. 21 Maße: RDm 22,8 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74575/8 Kat.-Nr. 92 RS/Flasche (G3.1); Mineralwasserflasche; Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: Typ E (Brinkmann 1982, 15) Maße: RDm 2,4 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74575/35 Kat.-Nr. 93 RS/Flasche (G3.1); Mineralwasserflasche; Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: Typ E (Brinkmann 1982, 15) Maße: RDm 2,4 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74575/36 Kat.-Nr. 94 WS/Flasche (G3.1); Mineralwasserflasche, Blindstempel „EGER FRANZENS…“, Franzensbad oder Franzensbrunn; Scherbentyp: Steinzeug Maße: Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74575/37 Kat.-Nr. 95 Fragm. Pfeifenkopf, osmanisch/türkischer Typ; Unterteil kugelförmig mit Zungendekor, Kopf zylindrisch; Scherbentyp: wenig Quarz/Feldspat unter 0,2 mm, Bruch: sandig, Oberfläche glatt 10R 4/4, Reste eines Überzugs 5YR 3/1 Vgl.: A. Kaltenberger, Pfeifen. In: M. Müller et al., Die archäologischen und bauhistorischen Untersuchungen im Schloss Kaiserebersdorf. MSW 3 (Wien 2008) Kat.-Nr. P1, um 1700–Anf. 18. Jh. Maße: Kopf-RDm 2,4 cm; Kopf-H 7,2 cm; Rohr-Dm 1,5 cm. – Inv.-Nr.: MV 74575 c/0 Kat.-Nr. 96 Fragm. Pfeifenkopf, osmanisch/türkischer Typ; Unterteil palmettenförmig abgeflacht, Oberteil schwach ausbiegend; Scherbentyp: mittel viel Quarz unter 0,2 mm, wenig Glimmer, sandig 5YR 6/6 Vgl.: E. Haider (ed.), The History of the Hungarian Pipemaker’s Craft (Budapest 2000) 134 f. (19. Jh.) Abb. 6,10 a bzw. 6,14 Maße: Kopf-RDm 4,5 cm; Kopf-H 4,2 cm; Rohr-Dm 1,2 cm. – Inv.-Nr.: MV 74575 b/0

100 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Scherben Fay. ox 1 ox 2 ox 3 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4

Anzahl 1 1 1 1 1 1 3 2 1

ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 5 Por. Por.

1 2 4 4 2 1 1 2 4

Ansprache HS BS WS RS RS RS WS BS Kachelfragm. HS BS WS BS BS RS WS RS WS

Por. Por.

1 1

RS RS

Por. Por.

1 1

RS BS

Por. Por. red 6 red 9 red 9 red 9 STG STG STG STG STZ STZ STZ STZ STZ STZ

2 2 7 1 1 1 6 3 1 5 1 4 6 40 2 1

WS WS WS HS WS BS RS BS RS WS HS + RS RS BS WS HS WS

STZ STZ STZ STZ STZ

3 18 1 1 11

WS WS HS WS WS

Aufsätze

Anmerkungen – – – Teller? Teller (G5.2) – – – – – – glasiert – glasiert Kragenrand verschliffen; glasiert – Teller (G5.2), siehe Kat.-Nr. 87 Teller (G5.2), wahrscheinlich Streublumendekor, siehe Kaltenberger 2000, Kat.-Nr. 55, spätes 18.–1. H. 19. Jh. Teller (G5.2) Teller (G5.2), Reste von Streublumen Kaltenberger 2000, Kat.-Nr. 55, spätes 18.–1. H. 19. Jh. Teller (G5.2), blaue Bordüre Streublumendekor siehe Kaltenberger 2000, Kat.-Nr. 55, spätes 18.–1. H. 19. Jh. – – Schmelzgefäß (G?), mit Rückständen – – – Teller (G5.2), siehe Kat.-Nr. 21 – Teller (G5.2) – Mineralwasserflasche (G3.1), zylindrischer Bauch Mineralwasserflasche (G3.1), zylindrischer Bauch Mineralwasserflasche (G3.1) Mineralwasserflasche (G3.1), zylindrischer Bauch Mineralwasserflasche (G3.1), zylindrischer Bauch Mineralwasserflasche (G3.1), quaderförmiger Bauch – Vierkantflasche mit Resten von Rollstempeldekor – – siehe Kat.-Nr. 85 –

Tab. 11: Fnr. 75 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

– Fnr. 29: Bef.-Nr. 33 gelblich grüner Lehm mit Steinchen; 4,25–4,94 m über Wr. Null Scherben red 3 red 7 Por. ox 4 ox 5

Anzahl 1 1 2 2 3

Ansprache WS RS BS BS WS

Anmerkungen – siehe Kat.-Nr. 57 blaue Bordüre glasiert –

Tab. 12: Fnr. 29 – summarische Auflistung der Keramikfunde.

101 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

– Fnr. 30: Bef.-Nr. 42 lehmig kiesiger Schotter; 4,85–5,48 m über Wr. Null Scherben Por.

Anzahl 1

Ansprache Anmerkungen RS Teller (G5.2); siehe Kat.-Nr. 22

Tab. 13: Fnr. 30 – summarische Auflistung der Keramikfunde.

– Fnr. 81: o. Bef.-Nr. Stadtgrabenverfüllung – Verfüllschicht einer letzten Nutzung? in unmittelbarer Nähe von Brückenpfeilerpaar 8; 3–8 m über Wr. Null Kat.-Nr. 97 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 88) WS/Flasche (G3.1); Vierkantflasche; Stempel „MARIENBAD“; Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: Brinkmann 1982, 20 Maße: Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74581/3 Kat.-Nr. 98 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 89) WS/Flasche (G3.1); runde Mineralwasserflasche; Stempel „NIEDE…“ (?); Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: siehe Kat.-Nr. 89 Maße: Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74581/4 Kat.-Nr. 99 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 97) WS/Flasche (G3.1); runde Mineralwasserflasche; Stempel „M…“; Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: siehe Kat.-Nr. 97 Maße: Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74581/5 Kat.-Nr. 100 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 56) RS/Flasche (G3.1); Vierkantflasche; Stempel „PILLNAER …“ (?) „KRUG …“ (?); Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: Brinkmann 1982, 20 Maße: RDm 3 cm; Wst 0,2–0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74581/6 Scherben Fay. ox 1 Fay. ox 1 ox 4 ox 4 ox 4 ox 5 ox 5 ox 8

Anzahl 1 1 1 1 2 3 3 1

Ansprache HS RS WS WS WS RS WS RS

red 11 red 5 red 9 STG STZ STZ STZ STZ

1 1 1 2 84 1 2 2

WS WS + HS RS WS WS RS + HS HS BS

Anmerkungen – Teller (G5.2), undefinierbarer Spritzdekor, sehr schlecht erh. – glasiert – Form undefinierbar, stark verschliffen – Teller (5.2), weißer Spritzdekor auf Grün; schlecht erh.; extrem stark verschliffen – – Hohldeckel? (G4.1?) – Mineralwasserflasche (G3.1), zylindrischer Bauch Mineralwasserflasche (G3.1), zylindrischer Bauch Mineralwasserflasche (G3.1), zylindrischer Bauch Mineralwasserflasche (G3.1)

Tab. 14: Fnr. 81 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

Das Baugerüst für den Brückenbau (?) Fnr. 20: Bef.-Nr. 1 Pfostengrubenverfüllung; 3,50–2,70 m über Wr. Null Kat.-Nr. 101 RS/Flachdeckel (G5.1); Rand verstärkt; Scherbentyp: red 11 Vgl.: Für diese, was die Datierung anbelangt, eher unspezifische Form bieten sich verschiedenste

102 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

Vergleiche aus Wien an, z. B. Gaisbauer 2003, Kat.-Nr. 46–48; 50, 14./15. Jh., generell spätmittelalterlich Maße: RDm 28 cm; Wst 0,9 cm; H 2,2 cm. – Inv.-Nr.: MV 74520/1 Scherben STZ

Anzahl 1

Ansprache WS

Anmerkungen Mineralwasserflasche (G3.1), zylindrischer Bauch

Tab. 15: Fnr. 20 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

Die Pfeilerstellungen im Stadtgraben Fnr. 14: o. Bef.-Nr. Fundkonzentration an der Ostseite des zweiten Pfeilerpaares; 4,90–5,10 m über Wr. Null Kat.-Nr. 102 RS/Schüssel (G4.5); Kremprand; innen und außen dunkelgelbocker glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Für dieses durch seine Größe auffallende Schüsselfragment liegt keine direkte Parallele vor; Datierungsvorschlag: 2. H. 18./19. Jh. Maße: RDm 48 cm; Wst 1 cm. – Inv.-Nr.: MV 74514/1 + 2 Kat.-Nr. 103 (o. Abb.) RS/Schüssel (G4.5); aus der Masse gedrehter Standring, ausladende Fußzone; innen und außen dunkelgelbocker glasiert; Scherbentyp: ox 4 Maße: BDm 23 cm; Wst 1 cm. – Inv.-Nr.: MV 74514/1 – Kat.-Nr. 102 zugehörig Kat.-Nr. 104 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 107) RS/Schüssel (G4.5); innen dunkelgelbocker glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Gaisbauer 2009, Kat.-Nr. 19 Maße: RDm 42 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74514/3 Kat.-Nr. 105 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 1) RS/Topf (G1.6); innen dunkelgelbocker glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Kaltenberger 2000, Kat.-Nr. 32; Gaisbauer 2009, Kat.-Nr. 68 Maße: RDm 26 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74514/4 Scherben ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 STG

Anzahl 7 12 1 37 3 5 19 1 1 1 2 1

Ansprache RS WS BS BS RS RS WS RS HS BS Fragm. BS

Anmerkungen siehe Kat.-Nr. 103 siehe Kat.-Nr. 103 siehe Kat.-Nr. 103 glasiert siehe Kat.-Nr. 104 siehe Kat.-Nr. 105 – siehe Kat.-Nr. 103 – glasiert Kacheln –

Tab. 16: Fnr. 14 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

Fnr. 27: o. Bef.-Nr. Streu- und Einzelfunde im Bereich von Pfeilerpaar 3 und 4 Kat.-Nr. 106 RS/Topf (G1.6); Kragenrand, verschliffen; innen lebhaftgelbbraun glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: ohne direkte Parallele Maße: RDm 18 cm. – Inv.-Nr.: MV 74527/7 Kat.-Nr. 107 RS/Schüssel (G4.5); Kremprand eckig ausgeführt mit deutlicher Tendenz zum Rollrand, innen mittelockerbraun glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Kaltenberger 2002, Kat.-Nr. 23, 17./(Anf.) 18. Jh. Maße: RDm 30–32 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74527/4

103 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Kat.-Nr. 108 RS/Teller (G5.2); aufgestellter, profilierter Rand; mit Spritzdekor, Farbwirkung weiß auf Dunkelopalgrün; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 64, 2. H. 18. Jh. Maße: RDm 26 cm; Wst 0,4 cm; BDm 25,8 cm; Bst 0,3 cm; H 3,9 cm. – Inv.-Nr.: MV 74527/6 Kat.-Nr. 109 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 1) RS/Topf (G1.6); innen dunkelockerbraun glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Kaltenberger 2000, Kat.-Nr. 33; Gaisbauer 2009, Kat.-Nr. 68, spätes 18./1. H. 19. Jh. Maße: RDm 29 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74527/1 Kat.-Nr. 110 RS/Schale? (G4.4?); halbkugeliger Körper; Ornament in Form einer Masche in Graublau; Scherbentyp: Fayence ox 1 Vgl.: kein direkter Vergleich; 18. Jh.? Maße: RDm 11,6 cm; H 2,8 cm. – Inv.-Nr.: MV 74527/3 Kat.-Nr. 111 HS; Stempelung: Hafnermarke, Kreuz mit jeweils einem kleinen in den Kreuzwinkeln; Scherbentyp: ox 2 Vgl.: Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 3, 16.(–Anf. 17.) Jh. Maße: HDm 3,9 cm. – Inv.-Nr.: MV 74527/2 Scherben Fay. ox 1 ox 2 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 6

Anzahl 1 1 1 1 1 5 1 1 1

ox 6 Por. red 1 red 11 red 8

1 1 2 1 1

STZ

4

Ansprache WS WS Fragm. RS HS BS WS Fragm. WS oder BS BS BS WS WS Deckelfragm. WS

Anmerkungen – – Kachel, glasiert undefinierbar – glasiert – Zarge glasiert – Teller (G5.2) – – Hohldeckel (G4.1) Mineralwasserflasche (G3.1), zylindrischer Bauch

Tab. 17: Fnr. 27 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

Fnr. 62: o. Bef.-Nr. Stadtgrabenverfüllung, Material neben Pfeilerpaar 5; 3–5 m über Wr. Null Kat.-Nr. 112 RS/Topf (G1.6); Kragenrand, rund ausbiegend; dunkelgrünoliv (innen) und graugrün (außen) glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: keine direkte Parallele; vermutlich 18. Jh. Maße: RDm ca. 18 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74562/3 Kat.-Nr. 113 RS/Topf (G1.6.4); Kragenrand; innen dunkelockerbraun glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 97, 2. H. 18. Jh. Maße: RDm 12 cm; Wst 0,2 cm. – Inv.-Nr.: MV 74562/4 Kat.-Nr. 114 RS/Topf (G1.6); Kragenrand mit abgestrichenem Randabschluss; innen dunkelgraugrün glasiert, darunter mittelockerbraun; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Kaltenberger 2000, Kat.-Nr. 28, 18.–1. H. 19. Jh. Maße: RDm ca. 24 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74562/2 Kat.-Nr. 115 Tiegel (G1.6.6); Leistenrand, zylindrischer Bauch, Standfläche; graublau (außen) und „gelblichweiß“ (innen) glasiert; Scherbentyp: Fayence ox 1

104 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

Vgl.: In Glas ausgeführt findet sich Vergleichbares bei K. Tarcsay, Die neuzeitlichen Glasfunde aus den Grabungen Wien 1, Michaelerplatz (1990/1991). FWien 11, 2008, 303; 307 G92 (2. H. 18./1. V. 19. Jh.); Albarelli aus derselben Grabung weisen eine weit weniger zylindrische, sondern eher ellipsoide Form auf, werden allerdings auch ins 18. Jh. datiert. Hier scheint sich eine formale Abfolge abzuzeichnen. Maße: RDm 5,1 cm; Wst 0,3 cm; H 5,2 cm; Bst 0,4–0,5 cm; BDm 4,3 cm. - Inv.-Nr.: MV 74562/7 Kat.-Nr. 116 RS/Topf/Schüssel (G1.6/G4.5); aufgestellter Rand; innen und außen rotschwarz glasiert; Scherbentyp: Fayence ox 1 Vgl.: eine gewisse Ähnlichkeit besteht mit Kaltenberger 2000, Kat.-Nr. 30 u. 31, spätes 18.–1. H. 19. Jh. Maße: RDm 27,7 cm; Wst 0,4–0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74562/5 + 6 Scherben Fay. ox 1 Fay. ox 1 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 6 ox 6 ox 7 ox 8 Por. Por. STG STZ

Anzahl 2 2 3 1 1 1 5 1 1 1 1 2 3 1 7

Ansprache RS WS Kachelfragm. WS Fuß BS WS RS BS WS WS BS WS WS WS

Anmerkungen undefinierbare Form; Reste einer blauen Bordüre – – – Dreifußpfanne (G4.5.6.1) Dreifußpfanne (G4.5.6.1) glasiert – – glasiert – – Teller (G5.2) – Mineralwasserflasche (G3.1), zylindrischer Bauch

Tab. 18: Fnr. 62 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

Fnr. 65: o. Bef.-Nr. Stadtgrabenverfüllung unmittelbar neben Pfeilerpaar 6; ca. 3–4 m über Wr. Null Kat.-Nr. 117 RS/Schüssel (G4.5)/Schmelzkeramik (?); verstärkter Randabschluss mit einer Riefe an der Außenseite; Scherbentyp: red 6; Schmelzgutablagerungen an der Innenseite Vgl.: Einfache halbkugelige Schüsselformen treten ab dem Hochmittelalter auf (z. B. I. Gaisbauer, Mittelalterliche Keramik vom Wildpretmarkt im 1. Wiener Gemeindebezirk. FWien 9, 2006, 178 Kat.-Nr. 48), eine genaue Datierung ist somit nicht möglich. Maße: RDm 38 cm; Wst 1–1,8 cm. – Inv.-Nr.: MV 74565/1 Scherben red 6 red 1 red 9 ox 5 ox 7 ox 4 ox 4 STZ STZ STZ Fay. ox 1

Anzahl 1 3 3 1 1 2 6 5 1 12 1

Ansprache WS WS WS WS WS RS WS BS HS WS WS

Anmerkungen Schmelzkeramik, sehr dickwandig – – – – undefinierbare Form, glasiert – Mineralwasserflasche (G3.1) Mineralwasserflasche (G3.1) Mineralwasserflasche (G3.1), zylindrischer Bauch Reste einer blauen Bordüre als Verzierung

Tab. 19: Fnr. 65 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

105 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Fnr. 22: o. Bef.-Nr. Westprofil/Fundkonzentration an Ostseite des ersten Pfeilerpaares, Schuttschicht; 4,58–4,78 m über Wr. Null Kat.-Nr. 118 RS/Topf/Nachttopf? (G1.6.?); Rand flach ausladend, Körper ellipsoid, auf der Schulter umlaufender Grat; Scherbentyp: Steingut Vgl.: ohne direkte Parallele, vermutlich 19. Jh. Maße: RDm 20 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74522/4 Kat.-Nr. 119 RS/Schüssel (G4.5); schwach ausgeprägter Kremprand; Bordürenmuster in Blau; Scherbentyp: Fayence ox 1 Vgl.: Datierung über Muster, siehe Kat.-Nr. 3 Maße: RDm 24 cm; Wst 0,3–0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74522/2 (3 RS + 3 WS geklebt) Kat.-Nr. 120 RS/Schüssel (G4.5); Bordürenmuster in Blau; Scherbentyp: Fayence ox 1 Vgl.: Datierung über Muster, siehe Kat.-Nr. 3 Maße: RDm 28 cm; Wst 0,3–0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74522/3 (2 RS geklebt) Kat.-Nr. 121 RS/Schüssel/Teller (G4.5/5.2); Spritzdekor weiß auf Dunkelsiena; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: sehr ähnlich allerdings in Grün gehalten ist Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 64, 2. H. 18. Jh. Maße: RDm 24 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74522/1 Kat.-Nr. 122 BS/Teller (G5.2); Standring; Blaumalernummer „5“; Scherbentyp: Porzellan Vgl.: Johann Pausewein um 1785 (Mrazek/Neuwirth 1971, 67) Maße: BDm 12 cm; Wst 0,4 cm; Bst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74522/6 Kat.-Nr. 123 Fragment Blattkachel; „diamantierte“ Oberfläche; grünoliv glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Kohlprath (o. J. [1982]), 150 Kat.-Nr. 204, 1. H. 16. Jh. Maße: Blatt-St 0,8 cm. – Inv.-Nr.: MV 74522/5 Scherben Fay. ox 1 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 5 ox 5 ox 5 STG STZ STZ

Anzahl 1 4 2 3 3 3 7 1 1 1 1 5 1

Ansprache RS BS BS WS RS BS WS RS + WS geklebt RS WS RS WS BS

Anmerkungen siehe Kat.-Nr. 119 deutliche sekundäre Kohlenstoffanreicherung – – undefinierbare Form, glasiert glasiert glasiert – – – undefinierbare Form, stark verschliffen Mineralwasserflasche (G3.1), zylindrischer Bauch Mineralwasserflasche (G3.1)

Tab. 20: Fnr. 22 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

Unstratifizierter „Fundkomplex“ mit Schmelztiegeln Fnr. 82: o. Bef.-Nr. aus den Grabenschichten – v. a. Schmelztiegel Kat.-Nr. 124 RS/Topf/Tiegel (G1.6.6); Schmelzgutrückstände; Scherbentyp: red 6 Vgl.: Die im Vordergrund stehende Funktionalität macht die Datierung von Schmelzkeramik ausgesprochen schwierig. Stempel (z. B. Obernzell: Kaltenberger 2000, 120 f.) liegen hier nicht vor; die Form kann man nur als neuzeitlich bezeichnen, die Beifunde würden für eine Datierung ins 18./19. Jh. sprechen. Maße: RDm 22 cm; Wst 0,9 cm. – Inv.-Nr.: MV 74582/8

106 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

Kat.-Nr. 125 RS/Topf/Tiegel (G1.6.6); Schmelzgutrückstände; Scherbentyp: red 6 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 124 Maße: RDm 27 cm; Wst 1,8 cm. – Inv.-Nr.: MV 74582/7 Kat.-Nr. 126 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 124) RS/Topf/Tiegel (G1.6.6); v. a. an der Innenseite löchrige Oberfläche, vermutlich durch Hitzeeinwirkung und Schmelzvorgang: Scherbentyp: red 6 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 124 Maße: RDm 44 cm; Wst 1,5 cm. – Inv.-Nr.: MV 74582/5 Kat.-Nr. 127 RS/Topf/Tiegel (G1.6.6); Scherbentyp: red 6 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 124 Maße: RDm 28 cm; Wst 1,5 cm. – Inv.-Nr.: MV 74582/3 Kat.-Nr. 128 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 127) RS; Schmelzgutrückstände; Scherbentyp: red 6 Vgl.: Kat.-Nr. 124 Maße: RDm 27 cm; Wst 1,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74582/12 Kat.-Nr. 129 RS/Topf/Tiegel (G1.6.6); Scherbentyp: red 6 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 124 Maße: RDm 26 cm; Wst 1,2 cm. – Inv.-Nr.: MV 74582/2 Kat.-Nr. 130 RS/Topf/Tiegel (G1.6.6); Scherbentyp: red 6 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 124 Maße: RDm 19 cm; Wst 1,2 cm. – Inv.-Nr.: MV 74582/1b Kat.-Nr. 131 RS/Topf/Tiegel (G1.6.6); Scherbentyp: red 6 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 124 Maße: RDm 24 cm; Wst 1,8 cm. – Inv.-Nr.: MV 74582/1 a Kat.-Nr. 132 (o. Abb.) WS/Topf/Tiegel (G1.6.6); Ansatz zu einer dreieckigen Form, aber stark fragmentiert; Scherbentyp: red 6 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 124 Maße: Wst 0,8 cm. – Inv.-Nr.: MV 74582/6 Kat.-Nr. 133 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 66) RS/Topf (G1.6); Scherbentyp: Fayence ox 1 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 66 Maße: RDm 24,2 cm; Wst 0,9 cm. – Inv.-Nr.: MV 74582/20 Kat.-Nr. 134 (o. Abb.) BS/Topf (G1.6); aus der Masse gedrehter Standring; Scherbentyp: Fayence ox 1 Vgl.: Kat.-Nr. 66 Maße: Standring-Dm 9 cm; Bst 0,5 cm. – Inv.-Nr.: MV 74582/21 Kat.-Nr. 135 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 114) RS/Topf (G1.6); innen glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 114 Maße: RDm ca. 24 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74582/19 Kat.-Nr. 136 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 114) RS/Topf (G1.6); starke sekundäre Kohlenstoffanreicherung; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 114 Maße: RDm 24 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74582/10 Kat.-Nr. 137 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 63) RS/Krug (G); schwacher metallischer Anflug außen; Scherbentyp: red 8 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 63 Maße: RDm 17,5 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74582/5 Kat.-Nr. 138 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 33) RS/Krug (G); Scherbentyp: ox 4 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 33 Maße: RDm 30 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74582/4

107 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Kat.-Nr. 139 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 25) RS/Topf (G1.6); Scherbentyp: red 1 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 25 Maße: RDm 22 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74582/2 Kat.-Nr. 140 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 28) RS (G1.6?); metallischer Anflug; Scherbentyp: red 7 Vgl.: siehe Kat.-Nr. 28 Maße: RDm 25 cm; Wst 0,5 cm. – Inv.-Nr.: MV 74582/3 Kat.-Nr. 141 RS/Flasche (G3.1); Rand sehr schwach einziehend, Bauch zylindrisch; Stempel: fragmentiert „MARIENBAD“; Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: Typ D (Brinkmann 1982,12) Maße: RDm 3 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74582/22 Kat.-Nr. 142 (o. Abb., siehe Kat.-Nr. 4) RS/Teller (G5.2); unterglasurblaue Bordüre, lilaultramarin; Scherbentyp: Steingut Vgl.: siehe Kat.-Nr. 4 Maße: RDm 20 cm; Wst 0,2 cm. – Inv.-Nr.: MV 74582/16 Scherben Fay. ox 1 Fay. ox 1 Fay. ox 1 Fay. ox 1 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 4 ox 6 ox 8 ox 8 Por.

Anzahl 1 1 1 1 2 1 4 5 1 2 10 1 1 1 3 3

Ansprache RS WS BS WS BS WS BS Fragm. RS HS WS Fragm. WS RS WS WS

Por. Por. red 10 red 5 red 6 red 6 red 6 red 6 red 6 red 6 red 6 red 6 red 8 red 8 red 8 red 9 red 9 red 9 red 9 STG STG STG STZ STZ STZ STZ STZ STZ

1 1 1 1 2 14 6 1 1 1 12 1 1 1 1 3 1 1 1 1 5 5 1 2 4 1 24 4

RS RS BS WS BS WS WS BS RS BS WS WS WS RS BS BS RS WS WS WS BS WS WS WS BS RS WS HS

Anmerkungen – – – grüner Träufeldekor auf Weiß, siehe Kat.-Nr. 133 glasiert glasiert – Kachel glasiert – – Kachel – – – Reste von Streublümchen, vgl. Kaltenberger 2000, Kat.-Nr. 55, spätes 18.–1. H. 19. Jh. Teller (G5.2)? Teller (G5.2) – – – mit unterschiedlich starken Schmelzrückständen Schmelzgefäß (G?) Schmelzgefäß (G?) undefinierbar – – – – Kremprand/Topf (G1.6), stark verschliffen – – Schüsselkachelfragm. (G4.5) metallischer Anflug – – Teller (G5.2) Teller (G5.2) – – Mineralwasserflasche (G3.1) Mineralwasserflasche (G3.1), zylindrischer Bauch Mineralwasserflasche (G3.1), zylindrischer Bauch Mineralwasserflasche (G3.1)

Tab. 21: Fnr. 82 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde. 108 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

Das Glacis und die Kontereskarpe Fnr. 50: Bef.-Nr. 73 Schutt in Raum 2, vor der Westwand Kat.-Nr. 143 RS/Topf (G1.6); aufgestellter Rand; innen und außen grün, innen auch grünbraun glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 31 (Nachttopf), spätes 18.–1. H. 19. Jh. Maße: RDm 32 cm; Wst 0,5 cm. – Inv.-Nr.: MV 74550/1

Fnr. 45: Bef.-Nr. 71 Treppenaufgang 1/südlicher Treppenaufgang, Verfüllung Kat.-Nr. 144 (o. Abb.) RS/Topf (G1.6.4); Kragenrand, lebhaftbraunoliv (innen) „dunkelbräunlicholiv“ (außen) glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Gaisbauer 2009, Kat.-Nr. 44; Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 49, 2. H. 18. Jh. Maße: RDm 16 cm; Wst 0,2 cm. – Inv.-Nr.: MV 74545/9 Kat.-Nr. 145 RS/Topf (G1.6); steil ausladender Rand; Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: Kaltenberger 2000, 121 Abb. 6 zeigt eine Parallele, ab M. 18. Jh. Maße: RDm 11 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74545/3 Kat.-Nr. 146 RS/Krug (G2.2); dunkelorangebraun (innen und außen), Ornamente (außen) in Gelbschwarz; Scherbentyp: Steinzeug Vgl.: Kaltenberger 2008, 174–176 sog. Prager Kanne, ab M. 19. Jh. Maße: RDm 8 cm; Wst 0,4–0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74545/4 Kat.-Nr. 147 RS/Schale (G4.4); blau bemalt; Scherbentyp: Fayence ox 1 Vgl.: gewisse Ähnlichkeit mit Kohlprath (o. J. [1982]), 393, 1. H. 18. Jh. Maße: RDm 13,5 cm; Wst 0,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74545/1 Kat.-Nr. 148 RS/Schüssel (G4.5); Farbwirkung weiß; Risse in Glasur; Scherbentyp: Steingut Vgl.: Kaltenberger 2008, 184 Kat.-Nr. 116, 1. H.–M. 19. Jh. Maße: RDm 14,4 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74545/2 Kat.-Nr. 149 RS/Tasse (G4.4); umlaufende Linien an Rand und außen am Bauch in „Mittelbläulichgrün“; Scherbentyp: Porzellan Vgl.: vermutlich 19. Jh. Maße: RDm 10 cm; Wst 0,6 cm; H 6 cm; Standring-Dm 6,2 cm. – Inv.-Nr.: MV 74545/6 Kat.-Nr. 150 RS/Tasse? (G4.4?); Bemalung in „Mittelbläulichgrün“ und Mittelopalgrün; Bindenschild als Blindstempel, „6“ und „864“, „12“ in Mittelopalgrün; Scherbentyp: Porzellan Vgl.: Der Stempel legt eine Datierung ins Jahr „1864“ nahe. Maße: RDm 8 cm; Wst 1,2 cm; Standring-Dm 5,3 cm. – Inv.-Nr.: MV 74545/5 Kat.-Nr. 151 RS/Topf (G1.6.); Leistenrand; innen grün glasiert; Scherbentyp: ox 8 Vgl.: tendenziell wie Kaltenberger 2000, 112 f. Kat.-Nr. 34–35, spätes 18./1. H. 19. Jh. Maße: RDm 34 cm; Wst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74545/8 Scherben ox 4 ox 4 ox 4 Por. STG STZ STZ STZ STZ

Anzahl 1 1 1 1 2 1 1 1 15

Ansprache BS WS HS WS WS Fragm. RS HS WS

Anmerkungen – – – – – undefinierbar Flaschenhals – –

Tab. 22: Fnr. 45 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde. 109 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Fnr. 48: Bef.-Nr. 68 Baugrubenverfüllung unter den Stufen des südlichen Treppenaufganges (Treppenaufgang 1) Kat.-Nr. 152 RS/Topf (G1.6.); Kremprand; Scherbentyp: red 10 Vgl.: Bors 1986, 13, 1. V. 16. Jh. Maße: RDm 17 cm; Wst 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74548/1 Scherben red-ox 1

Anzahl 1

Ansprache Anmerkungen WS –

Tab. 23: Fnr. 48 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

Fnr. 53: Bef.-Nr. 64 Baugrubenverfüllung über dem Gewölbe von Raum 1 Kat.-Nr. 153 RS/Henkeltopf (G1.6.4); Kremprand; Stempelung; Scherbentyp: ox 5 Vgl.: Die Marke am Rand tritt laut A. Kies in: Keramische Bodenfunde aus Wien. Mittelalter – Neuzeit. Kat. Museen Stadt Wien (o. J. [1982]) 29 im 14./15. bzw. im 16./17. Jh. auf. Das Fragment selbst ist aufgrund der uneinheitlichen Randausbildung kaum zeitlich einzuordnen. Maße: RDm 16 cm; Wst 0,4–0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74553/1 Scherben red 11 ox 7 ox 4

Anzahl 1 1 1

Ansprache WS (ad Kat.-Nr. 153?) Blattkachelfragm. WS

Anmerkungen – Adler? glasiert

Tab. 24: Fnr. 53 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

Fnr. 52: o. Bef.-Nr. Baugrubenverfüllung oberhalb des Gewölbes von Raum 1 Kat.-Nr. 154 RS/Teller (G5.2); Spritzdekor, Farbwirkung „hellgrünlichblau“ auf „Mittelgrünlichblau“, schlecht erhalten; Scherbentyp: ox 8 Vgl.: Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 64, 2. H. 18. Jh. Maße: RDm 26 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74552/2–4 Kat.-Nr. 155 Fragment/Blattkachel; mit Adlerfedern; „dunkelgrünlicholiv“ glasiert; Scherbentyp: ox 4 Vgl.: Entsprechende unpublizierte Fragmente mit Darstellungen von Doppeladlern fanden sich im Kachelmaterial des Hauses Wien 1, Judenplatz Nr. 8 und konnten dort ins fortgeschrittene 17. Jh. datiert werden (Zeitschnitte 2007, 34 f. Abb. 2) Maße: Blattstärke 0,6 cm. – Inv.-Nr.: MV 74552/0 Scherben red 5 red 11 red 11 red 9 ox 4 ox 4 ox 8

Anzahl 1 1 1 1 1 1 1

Ansprache HS HS WS Fuß Fragm. Fragm. WS

Anmerkungen – – Riefe auf Schulter Mündelbecher Kacheleck mit Zarge Rand mit Zarge –

Tab. 25: Fnr. 52 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

Fnr. 55: o. Bef.-Nr. Baugrubenverfüllung oberhalb des Gewölbes von Raum 1 Kat.-Nr. 156 RS/Schüsselkachel (G4.5); Scherbentyp: red 9 Vgl.: Kohlprath (o. J. [1982]), 118 Kat.-Nr. 182, 14./15. Jh. Maße: Wst 0,6–2,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74555/1

110 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

Fnr. 40: o. Bef.-Nr. Glacis, Planierschicht, von rezentem Gehniveau (12 m) bis 9 m über Wr. Null Kat.-Nr. 157 RS/Topf (G1.6.); Kremprand; Scherbentyp: Magerung: Glimmer: mittel viele Partikel 0,1–0,5 bzw. 1 mm, plattig, silbrig, opak, Sortierung gut, Verteilung regelmäßig; Quarz/Feldspat: mittel viele Partikel 0,5–1 mm, gerundet, weiß, opak bis transluzid, Sortierung gut, Verteilung gleichmäßig – Oberfläche: rau; Bruch: geklüftet, Farbe: innen und außen 7.5YR 6/4 Vgl.: E. Szameit, Der Krottenturm. Eine mittelalterliche Burganlage bei Zwentendorf, BH Tulln, Niederösterreich. ArchA 73, 1989, Kat.-Nr. A20: 13./14. Jh.; A18: 12./13. Jh.; das vorliegende Stück hat formal Eigenheiten von beiden Fragmenten. Maße: RDm 15 cm; Wst 0,3–0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74540/1 Kat.-Nr. 158 RS/Topf (G1.6); Kremprand; Scherbentyp: red 11 Vgl.: Gaisbauer 2003, Kat.-Nr. 12, 15. Jh.; Cech 1987, Taf. 36 A294, 15./16. Jh. Maße: RDm 16,4 cm; Wst 0,4–0,2 cm. – Inv.-Nr.: MV 74540/2 Kat.-Nr. 159 RS/Topf (G1.6); Kragenrand; Scherbentyp: red 8 Vgl.: am ehesten Kaltenberger 2002, Kat.-Nr. 13, 16./17. Jh. bzw. Anf. 18. Jh. Maße: RDm 19,5 cm; Wst 0,4 cm. – Inv.-Nr.: MV 74540/3 Scherben ox 4 ox 4 STZ red 1

Anzahl 4 2 1 1

Ansprache WS Fragm. BS BS

Anmerkungen innen gelb u. grün glasiert Kachel, grün glasiert – –

Tab. 26: Fnr. 40 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

Fnr. 42: o. Bef.-Nr. Streufunde an erhaltener OK der Kontereskarpe (nahe Hotel Marriott) Scherben ox 2 red 11 red 3 ox 4 ox 4

Anzahl 2 1 1 1 1

Ansprache WS WS WS BS WS

Anmerkungen – – – innen gelbbraun glasiert innen gelbbraun glasiert

Tab. 27: Fnr. 42 – summarische Auflistung der Keramikfunde.

Fnr. 43 und 44: o. Bef.-Nr. Glacis, Streufunde; 7–10 m über Wr. Null Kat.-Nr. 160 (o. Abb.) Flachdeckel (G5.1); Scherbentyp: red 10 Vgl.: siehe Gaisbauer 2003, Kat.-Nr. 17, 14./15. Jh. Maße: BDm 12 cm; Wst 0,5 cm; RDm 13 cm. – Inv.-Nr.: MV 74543/1 Scherben Fnr. 43 ox 2 red 5 Fnr. 44 ox 4 ox 4 red 3 red 9

Anzahl

Ansprache Anmerkungen

1 1

WS BS

– –

1 2 1 1

BS WS RS WS

– innen grün bzw. braun glasiert Hohldeckel (G4.1), schlecht erh. –

Tab. 28: Fnr. 43 und 44 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

111 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Fnr. 54: o. Bef.-Nr. Glacis, Streufunde, Aushub bis UK Raum 1/UK Minengang; ca. 3,90 m über Wr. Null Scherben ox 4

Anzahl 1

ox 4

1

Ansprache Fuß

Anmerkungen Dreifußpfanne (G4.5.6.1), innen gelbbraun glasiert; stark zerkratzt Blattkachelfragm. Akanthusblätter

Tab. 29: Fnr. 54 – summarische Auflistung der Keramikfunde.

Fnr. 72: o. Bef.-Nr. Glacis, unmittelbar östlich der Kontereskarpe; 7–11 m über Wr. Null Kat.-Nr. 161 RS/Schüssel (G4.5); Sichelrand; Scherbentyp: red 3 Vgl.: Gaisbauer 2009, Kat.-Nr. 13, 17. Jh. Maße: RDm 21,6 cm; Wst 1,2 cm. – Inv.-Nr.: MV 74572/1 Kat.-Nr. 162 RS/Schüssel (G4.5); Rand profiliert; innen und außen grün glasiert, Glasur schlecht erhalten; Scherbentyp: ox 8, aber Bruch siehe ox 4 Vgl.: Kraschitzer 2007, Kat.-Nr. 183 bzw. 174, 18. Jh. Maße: RDm 25,2 cm; Wst 0,6–0,9 cm; BDm 11,7 cm; Bst 0,9 cm; H 7,5 cm. – Inv.-Nr.: MV 74572/2 Scherben Por. Fay. ox 1 ox 4 ox 4 ox 4 ox 2

Anzahl 1 1 1 1 1 1

Ansprache WS BS BS WS Kachelfragm. BS

Anmerkungen – – glasiert glasiert – –

Tab. 30: Fnr. 72 – summarische Auflistung weiterer Keramikfunde.

Abgekürzt zitierte Literatur BORS 1986 – K. Bors, Die Keramik des 1529 zerstörten Klosters St. Laurentio. BeitrMAÖ 2, 1986, 59–72. BRINKMANN 1982 – B. Brinkmann, Zur Datierung von Mineralwasserflaschen aus Steinzeug. Keramos 98, 1982, 7–36. BRINKMANN 1984 – B. Brinkmann, Der Mineralwasserversand in Steinzeugflaschen. II. Eger-Franzensbad. Der Mineralbrunnen 5, 1984, 170–180. CECH 1987 – B. Cech, Die mittelalterliche Keramik aus dem Kamptal und dem Horner Becken. ArchA 71, 1987, 173–302. GAISBAUER 2003 – I. Gaisbauer, Mittelalterliche und neuzeitliche Keramik aus Wien 1, Judenplatz 8. FWien 6, 2003, 140–175. GAISBAUER 2009 – I. Gaisbauer, Gefäßkeramisches Material aus ausgewählten Befunden der Grabung Wien 9, Sensengasse 1–3. FWien 12, 2009, 42–78. KALTENBERGER 2000 – A. Kaltenberger, Das Fundmaterial der Grabung Wien 3, Eslarngasse 20. FWien 3, 2000, 104–145. KALTENBERGER 2002 – A. Kaltenberger, Frühneuzeitliches Fundmaterial aus Wien 3, Barmherzigengasse 17. FWien 5, 2002, 198–240. KALTENBERGER 2008 – A. Kaltenberger, Die neuzeitliche Keramik aus den Grabungen Wien 1, Michaelerplatz (1990/1991). FWien 11, 2008, 144–240. KOHLPRATH (o. J. [1982]) – G. Kohlprath, Neuzeitliche Keramikfunde aus Wien. In: Keramische Bodenfunde aus Wien. Mittelalter – Neuzeit. Kat. Museen Stadt Wien (Wien o. J. [1982]) 140–227. KOVACSOVICS 1989/1990 – W. K. Kovacsovics, Aus dem Wirtshaus zum Schinagl – Funde aus dem Toskanatrakt der Salzburger Residenz. JSM 35/36, 1989/1990. KRASCHITZER 2007 – J. Kraschitzer, Das keramische Fundmaterial aus dem Keller des Hauses Rathausplatz 11 in Melk. In: M. Krenn et al., Koch- und Tafelgeschirr des 18. Jahrhunderts. Ein Keramikfundkomplex aus Niederösterreich. FÖMat A 17 (Wien 2007) 17–132. NEBEHAY 1978 – St. Nebehay, Ein spätmittelalterlicher Bodenfund aus Wien. Mitt. Komm. Burgenforsch. u. Mittelalter-Arch. 22. SBWien 334 (Wien 1978). MRAZEK/NEUWIRTH 1971 – W. Mrazek/W. Neuwirth,Wiener Porzellan 1718–1864. Kat. Österr. Mus. angewandte Kunst N. F. 32 (Wien 1971). ZEITSCHNITTE 2007 – Zeitschnitte. Archäologische Ausgrabungen, Funde und Befunde2 (Wien 2007).

112 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

Taf. 1: Festungsabschnitt Weihburggasse, Stadtgraben (Grabensohle): Kat.-Nr. 1–7. M 1:3 (Zeichnungen: U. Eisenmenger-Klug/G. Reichhalter, Fotos: N. Piperakis/Ch. Ranseder)

113 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Taf. 2: Festungsabschnitt Weihburggasse, Stadtgraben (Grabensohle): Kat.-Nr. 8–15. – Stadtgrabenverfüllung (?): Kat.-Nr. 16–17. M 1:3 (Zeichnungen: U. Eisenmenger-Klug/G. Reichhalter)

114 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

Taf. 3: Festungsabschnitt Weihburggasse, Stadtgrabenverfüllung (?): Kat.-Nr. 18–22. – Stadtgrabenverfüllung (Zuschüttung): Kat.-Nr. 23–27. M 1:3 (Zeichnungen: U. Eisenmenger-Klug/G. Reichhalter, Fotos: N. Piperakis)

115 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Taf. 4: Festungsabschnitt Weihburggasse, Stadtgrabenverfüllung (Zuschüttung): Kat.-Nr. 28–42. M 1:3 (Zeichnungen: U. Eisenmenger-Klug/G. Reichhalter, Fotos: N. Piperakis)

116 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

Taf. 5: Festungsabschnitt Weihburggasse, Stadtgrabenverfüllung (Zuschüttung): Kat.-Nr. 43–55. M 1:3 (Zeichnungen: U. Eisenmenger-Klug/G. Reichhalter, Foto: N. Piperakis)

117 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Taf. 6: Festungsabschnitt Weihburggasse, Stadtgrabenverfüllung (Zuschüttung): Kat.-Nr. 56. – Stadtgrabenverfüllung: Kat.-Nr. 57–65. M 1:3 (Zeichnungen: U. Eisenmenger-Klug/G. Reichhalter, Fotos: N. Piperakis/Ch. Ranseder)

118 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

Taf. 7: Festungsabschnitt Weihburggasse, Stadtgrabenverfüllung: Kat.-Nr. 66–68, 74–76. – Stadtgraben (Verfüllschicht einer letzten Nutzung?): Kat.Nr. 85. M 1:3 (Zeichnungen: U. Eisenmenger-Klug/G. Reichhalter, Fotos: N. Piperakis)

119 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Taf. 8: Festungsabschnitt Weihburggasse, Stadtgraben (Verfüllschicht einer letzten Nutzung?): Kat.-Nr. 86–89, 92–96. – Pfostengrube Brückenbaugerüst: Kat.-Nr. 101. – bei Pfeiler im Stadtgraben: Kat.-Nr. 102. M 1:3 (Zeichnungen: U. Eisenmenger-Klug/G. Reichhalter, Fotos: N. Piperakis/Ch. Ranseder)

120 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

Taf. 9: Festungsabschnitt Weihburggasse, bei Pfeiler im Stadtgraben: Kat.-Nr. 106–108, 110–117. M 1:3 (Zeichnungen: U. Eisenmenger-Klug/G. Reichhalter, Fotos: N. Piperakis)

121 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Taf. 10: Festungsabschnitt Weihburggasse, bei Pfeiler im Stadtgraben: Kat.-Nr. 118–123. – Stadtgraben, unstratifiziert (mit Schmelztiegeln): Kat.-Nr. 124–125. M 1:3 (Zeichnungen: U. Eisenmenger-Klug/G. Reichhalter, Fotos: N. Piperakis)

122 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

Taf. 11: Festungsabschnitt Weihburggasse, Stadtgraben, unstratifiziert (mit Schmelztiegeln): Kat.-Nr. 127, 129–131, 141. – Kontereskarpe,Verfüllung Raum 2: Kat.-Nr. 143. – Verfüllung des südlichen Treppenaufganges: Kat.-Nr. 145–151. M 1:3 (Zeichnungen: U. Eisenmenger-Klug/G. Reichhalter, Fotos: N. Piperakis/Ch. Ranseder)

123 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Gaisbauer, Die Keramikfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Taf. 12: Festungsabschnitt Weihburggasse, Kontereskarpe, Verfüllung unter Stufen des südlichen Treppenaufganges: Kat.-Nr. 152. – Baugrubenverfüllung über Gewölbe von Raum 1: Kat.-Nr. 153–156. – Glacis: Kat.-Nr. 157–159, 161–162. M 1:3 (Zeichnungen: U. Eisenmenger-Klug/G. Reichhalter)

124 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

125 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

K. Tarcsay, Die Glasfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Die Glasfunde aus dem Festungsabschnitt der Grabung Wien 1, Weihburggasse Kinga Tarcsay Bei der Grabung Wien 1, Weihburggasse (siehe Beitrag H. Krause, 32 ff.) trat nur eine geringe Anzahl an Glasfunden zutage, die hier gemäß ihrem jeweiligen Befundkontext nach Formen vorgelegt werden. Eine Eingrenzung der ungefähren Zeitstellung formal nicht näher zuordenbarer Wandfragmente wird anhand der Glasfarbe und -masse vorgenommen. Stadtgraben Der unterste Bereich des Stadtgrabens (Bef.-Nr. 51) kann als Sedimentationsschicht angesehen werden; hier fand sich außer einem Glasfragment nur ein Ziegel (MV 74536/01), der jedoch vermutlich sekundär eingebracht worden war (siehe Beitrag H. Krause, 42). Glastafel Bei dem vorliegenden Glasfragment (Kat.-Nr. 1 Taf. 1,1) handelt es sich um ein Fensterglasbruchstück, das an einer Kante mit dem Kröseleisen (Werkzeug mit hakenförmigen Enden) zugearbeitet wurde; bei den zwei angrenzenden Seiten kann nicht eindeutig bestimmt werden, ob sie intentionell zugeschnitten wurden. Da die Seitenwinkel ca. 70 Grad betragen, dürfte das Stück nicht von einer (zumindest regelmäßigen) Sechseckscheibe stammen, wie sie vor allem im 17. Jahrhundert beliebt war. 1 Gekröselte Kanten weisen vor allem Fensterzwickel auf, die als „Lückenfüller“ bei aus runden Butzenscheiben oder Glastafeln beliebiger Form zusammengesetzten Fenstern dienten. Anhand der technologischen Kriterien und der Glasmasse ist das Fragment am ehesten in das 17. Jahrhundert zu setzen. Glacis Die Schichten im Bereich des Glacis, die bis zu 3 m unterhalb des rezenten Gehniveaus erfasst wurden (Fnr. 40), sind vermutlich im Zuge der Schleifung der Befestigung und der Planierung des Stadtgrabens in den Jahren 1862/ 1863 aufgebracht worden. Aus ihnen stammt nur ein nicht näher bestimmbares Glasfragment (Kat.-Nr. 2), das ca. in das 18./19. Jahrhundert datiert. Waffenplatz Die Errichtung der zum Waffenplatz führenden Treppenaufgänge kann zeitlich 1 Siehe K. Tarcsay, Frühneuzeitliche Glasproduktion in der Herrschaft Reichenau am Freiwald, Niederösterreich. FÖMat A 19 (Horn 2009) 195. 2 Siehe dazu die Ausführungen im Beitrag H. Krause, 48 f.

nicht genau eingegrenzt werden. 2 Aus dem Bereich unter den Stiegen des südlichen Aufganges (Bef.-Nr. 68), aus einer Anplanierung, die vor oder während des Baus eingebracht worden war, sowie jenem über den Stiegen (Bef.-Nr. 71), dessen Verfüllung mit der Aufgabe der Anlage in Zusammenhang stehen wird, fand sich jeweils ein Glasstück.

126 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

K. Tarcsay, Die Glasfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

Gewölbter Flaschenboden Unter der Stiege kam ein gewölbt hochgestochener Flaschenboden aus dunkelockerfarbigem Glas (Kat.-Nr. 4 Abb. 1 Taf. 1,2) zutage. Dieser wurde mit einem manuell eingesetzten bzw. eingestempelten Glasposten versehen, der ein Glassiegel mit den verschlungenen Initialen „C“ sowie – darunter und versetzt – ein „AL“ in Ligatur trägt. Das Siegeln von Glasflaschen war ab dem 17. Jahrhundert vor allem im westund nordeuropäischen Bereich (in England, Norddeutschland und den benachbarten Ländern) üblich, später dann auch in anderen Regionen wie Italien und der Schweiz oder dem Baltikum. Unterschieden werden besitz- und ursprungsanzeigende Siegel, Siegel mit allegorischen Darstellungen, Garantieund Handelssiegel, ereignis-, waren- und volumenanzeigende Siegel sowie schließlich Ziersiegel. Diese Siegel wurden jedoch üblicherweise auf der Flaschenschulter angebracht, erst im 19. Jahrhundert offenbar auch direkt am

Abb. 1: Das Glassiegel Kat.-Nr. 4. (Foto: N. Piperakis)

Flaschenboden. 3 Das vorliegende Monogramm konnte bisher nicht eindeutig aufgelöst werden. Als Herkunftsbezeichnung könnte „CAL“ für verschiedenste Regionen stehen (z. B. California, Monte da Cal, Cal y Canto etc.), dagegen spricht aber die abgesetzte Anordnung. Ein stilistisch und formal gut entsprechendes Glassiegel kam bei der Grabung Berlin-Köpenick zutage: Es trägt ein ähnlich verschränktes Monogramm mit den Buchstaben „CF“, das jedoch noch von einem Blätterkranz umrahmt wird. Dieses Monogramm wird Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg (Kurfürst 1688–1701, später Friedrich I., König in Preußen) zugewiesen. 4 Ein dem Wiener Siegel ähnliches Monogramm („CA“, jedoch ohne „L“ in Ligatur) trug etwa zur selben Zeit Herzog Christian Albert von Holstein-Gottorp (1659–1694). 5 Während der Recherchen zu diesem Fundstück wurde zufällig ein fast identisches Glassiegel aus einer Kellerverfüllung der Zeit vor 1880/1881 in Wien 3, Ziakplatz entdeckt (siehe Beitrag W. Chmelar/S. Jäger-Wersonig/M. Mosser, 236 ff.). 6 Auch hier ist das Siegel am Boden angebracht, wobei sich der Schrifttyp etwas vom Fund aus der Weihburggasse unterscheidet. Im Gegensatz zu Letzterem blieb jedoch auch das Unterteil der hellbläulichen Flasche erhalten, so dass diese eindeutig als Zylinderflasche mit hochgewölbtem Boden bestimmt werden kann und damit eher in die 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts zu stellen wäre. Für diesen späteren Datierungsansatz spricht offenbar auch die Position des Siegels am Flaschenboden (siehe oben). Der Umstand, dass nun aus Wien zwei gleichartige Flaschenbodensiegel vorliegen, zu denen es bisher keine bekannten Analogien gibt, spricht eher für eine Produktion der Flaschen im näheren Umkreis. Eine genauere Datierung und Zuordnung ist erst mit Vorliegen der ganzen Flaschenform bzw. mit gesicherter Auflösung des Siegels möglich.

3 R. Kosler, Flasche, Bottle und Bouteille. Faszination eines Hohlglases (Ismaning 1998) 149–196. – Flaschensiegel aus Wien 1, Michaelerplatz: K. Tarcsay, Die neuzeitlichen Glasfunde aus den Grabungen Wien 1, Michaelerplatz (1990/1991). FWien 11, 2008, 276 G97. Ein identisches Siegel stammt aus der Grabung Stallburg (BDA) (GC: 2005_03): K. Tarcsay, Die neuzeitlichen Gläser der Grabung Wien 1, Stallburg (in Vorbereitung). 4 www.stadtentwicklung.berlin.de/denkmal/archaeologentag_2007/index.shtml (Mai 2011). 5 O. Flämig, Monogramme auf Münzen, Medaillen, Marken, Zeichen und Urkunden (Köln 1961) 18 Nr. 252. Hier sei Constance Litschauer für ihre Unterstützung gedankt. 6 GC: 2010_02, Bef.-Nr. 239: Die Autorin bedankt sich bei Sabine Jäger-Wersonig für diesen Hinweis.

127 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

K. Tarcsay, Die Glasfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Zylinderflasche? Aus der Verfüllung über den Stufen des Stiegenhauses stammt ein leicht hochgestochener Boden aus Klarglas (Kat.-Nr. 3 Taf. 1,3), der möglicherweise zu einer kleinen Zylinderflasche gehört hat; das Bodenstück ist in das 19. Jahrhundert zu setzen. 7 Stadtgrabenverfüllung Der überwiegende Teil der Glasfunde aus der Grabung Weihburggasse stammt aus der 1862/1863 erfolgten Stadtgrabenverfüllung. Vor allem hier ist die im Verhältnis zum Gesamtvolumen der Verfüllung sowie speziell zur Keramik sehr geringe Menge an Glasfunden auffällig. Henkel Abb. 2: Der Glasisolator Kat.-Nr. 9. (Foto: N. Piperakis)

Zwei massive Henkelfragmente aus entfärbtem Klarglas (Kat.-Nr. 8 und 20 Taf. 1,4–5) gehörten ursprünglich wohl zu Krügen oder Kannen. Vergleichbare Henkel stammen von der Grabung Wien 1, Michaelerplatz aus Verfüllungen des 18. und 19. Jahrhunderts sowie aus einer Bauschuttplanierung, die nach 1889 bzw. vor 1893 erfolgte. 8 Vierkantflasche Auf eine große, entfärbte Vierkantflasche weisen nur einige dickwandige Wandstücke hin (Kat.-Nr. 21). Diese Flaschen waren aufgrund ihres viereckigen Querschnittes in Kastenkoffern gut zu transportieren und wurden – zum Teil mit Bemalung oder Gravur versehen – vor allem im 18. und 19. Jahrhundert als Behältnisse etwa für Schnaps oder Destillate verwendet. Vergleichbare Vierkantflaschen stammen von der Grabung Wien 1, Michaelerplatz aus Verfüllungen des 18. und 19. Jahrhunderts9 sowie – ohne nähere Datierungshinweise – von der Grabung Wien 1, Judengasse 510. Zylinderflaschen Der leicht hochgestochene Boden Kat.-Nr. 22 (Taf. 1,6) gehörte zu einer frei geblasenen, dunkelolivgelben Zylinderflasche, die aufgrund der Machart und der Glasmasse wohl in das 18. Jahrhundert bzw. in die 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts zu stellen ist. Einzelne Wandstücke (Kat.-Nr. 23) weisen auf eine weitere große, hellbläulich grüne Zylinderflasche hin, deren Maße nicht näher bestimmbar sind (Dm ca. 110 mm). Aufgrund der Glasmasse ist sie wohl ins 18. Jahrhundert bzw. in die 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts zu datieren.

7 Vgl. etwa auch Tarcsay 2008 (Anm. 3) 270 G84. 8 Tarcsay 2008 (Anm. 3) 255 G36. 9 Tarcsay 2008 (Anm. 3) 258 G49–G50. 10 K. Tarcsay, Mittelalterliche und neuzeitliche Glasfunde aus Wien. Altfunde aus den Beständen des Historischen Museums der Stadt Wien. BeitrMAÖ Beih. 3 (Wien 1999) 185 Nr. 253.

Zwei flache bis leicht hochgewölbte Bodenstücke aus entfärbtem bzw. dunkelgelbgrünem Glas dürften zu rotierend luftgepressten Zylinderflaschen (Kat.-Nr. 5–6 Taf. 1,7–8) aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gehört haben. Der leicht gewölbte Boden einer dunkelgrün-olivefarbenen Zylinderflasche zeigt am Boden den erhabenen Schriftzug „05“ (Kat.-Nr. 18 Taf. 1,9). Er wurde offenbar ebenfalls rotierend luftgepresst und datiert eher in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts.

128 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

K. Tarcsay, Die Glasfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

Unbestimmbares Bodenfragment Ein Bodenstück aus entfärbtem Klarglas (Kat.-Nr. 16 Taf. 1,10) zeigt einen leicht gewölbten Ansatz der Wandung und kann formal nicht eindeutig zugeordnet werden. Isolator Bei einem weiteren Stück handelt es sich um einen grob ausgeführten, stempelgepressten Isolator aus dunkelgelblich grünem Glas (Kat.-Nr. 9 Abb. 2 Taf. 1,11). Der zylindrische Oberteil mit leicht gewölbtem Abschluss zeigt zwei Wülste, zwischen denen sich der eigentliche Kabellauf befindet, und weist im Inneren kein Gewinde auf. Der Kabellauf zeigt keine Abnutzungsspuren. Das Stück lässt den Ansatz eines einteiligen „Daches“ erkennen, dessen Fehlen umso bedauerlicher ist, als dieses meist die Prägung des Herstellers oder sogar die Jahreszahl trägt und damit eine direkte Zuordnung ermöglichen würde. Dennoch kann das Stück dank der intensiven diesbezüglichen Forschungstätigkeiten im englischsprachigen Raum formal sehr gut zeitlich eingegrenzt werden. Da es sich um ein industriell gefertigtes Massenprodukt handelt, sind – trotz großer räumlicher Distanz – direkte Rückschlüsse auf die Datierung des

Abb. 3: Funktion und Anbringung eines gläsernen Stützisolators (dig. nach Pope [Anm. 13] Fig. 32).

Wiener Fundes wohl zulässig. Glasisolatoren wurden zunächst in den 1850er-Jahren für Telegrafennetze hergestellt, später dann auch für Telefon- und diverse Elektrizitätsleitungen. 11 Die „elektrische Telegraphie“ wurde in Österreich erstmals 1846 auf der Strecke Wien–Brünn eingeführt; 1848 wurde ein die ganze Monarchie umschließendes Telegrafennetz errichtet, für das jedoch zunächst spezielle Isolatoren aus Porzellan entwickelt wurden. 12 Bei dem Fund der Grabung Weihburggasse handelt es sich um einen Stützisolator, der mittels Pflock auf den Mast aufgesetzt wurde und zur Isolierung sowie zur mechanischen Befestigung der Leiterseile bei Freileitungen diente (Abb. 3). Das „Dach“ sollte die unten liegenden Oberflächen trocken halten, um die Entstehung eines Kriechwegs entlang der Oberfläche des Isolators zu verhindern. 13 Die Anbringung auf dem Pflock geschah üblicherweise mit Hilfe eines Gewindes im Inneren, dessen Fehlen bei dem vorliegenden Stück auf eine frühe Zeitstellung hinweist: Das Patent für Isolatoren mit Gewinde wurde nämlich bereits 1865 vergeben. Gewindelose Isolatoren wurden mittels Bast, Sackleinen, Teer oder Ähnlichem auf der Halterung aufgesetzt bzw. „verkeilt“. 14 Formal kann dieser Isolatortyp anhand der grundlegenden Arbeit von David und Marilyn Delling über gewindelose Isolatoren dem Typ C („pilgrim hat“-förmig mit flacher Oberkante und Grat ober- sowie unterhalb des Kabellaufes) zugeordnet werden, der in den USA von ca. 1855 bis 1870 verbreitet war. 15 Weitere – durch Prägungen zwischen spätestens 1860 und 1870 datierte – sehr gut entsprechende Stücke sind aus Sammlerkreisen bekannt,16 in denen dieser Typ heute mit dem Code CD 736 bis 739 bezeichnet wird. 17 Glastafel Das grünweiße Fragment eines Flachglases (Kat.-Nr. 24 Taf. 1,12) zeigt ein optisches Rautenmuster. Sehr gut vergleichbare Fensterscheiben kamen bei der

11 www.insulators.info/ (Mai 2011). 12 www.waehlamt.at/nte2/geschichte/g1frameset.htm (Mai 2011). F. Pichler, Digitale Kommunikation in der k. k. Monarchie: Die Errichtung der elektrischen Telegrafie in Österreich um 1850. e & i Elektrotechnik und Informationstechnik 121/1, 2004, 17–22. 13 F. L. Pope, Modern Practice of the Electric Telegraph. A Handbook for Electricians and Operators (New York 1881). Siehe folgende Links: www.insulators.info/books/mpet/ chap05.htm; de.wikipedia.org/wiki/Isolator; en.wikipedia.org/wiki/Pin_insulator (Mai 2011). 14 www.nia.org/general/g_tless.htm (Mai 2011). 15 D. und M. Delling, Before threads (USA 1971). www.unitedstatesmilitarytelegraph.org/ files/BeforeThreads.pdf (Juli 2011) 6; 25. 16 www.nia.org/nathist/1986/86 disp5.htm: Reihe 1, 2. von links, 736: Aufschrift „1870“; www.nia.org/general/g_threadless/cd736. htm; www.nia.org/nathist/1986/86 disp2.htm: Reihe 1, 4. von links, 736: Aufschrift „N.Y.& E.R.R.“: steht für New York & Erie Railroad, die von 1832–1861 in Betrieb war. www.nia. org/nathist/1986/86 disp4.htm: Reihe 4, 7. von links, 132: Aufschrift „Leffert’s“: importierte von 1847–1860 Telegrafenkabel aus England (alle Mai 2011). 17 Vgl. www.nia.org/general/g_tless.htm (Mai 2011).

129 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

K. Tarcsay, Die Glasfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Grabung am Wiener Michaelerplatz zutage, wobei ein Stück aus Verfüllungen des 18. und 19. Jahrhunderts stammt. 18 Solche Glastafeln sind aus der k. k. Glasfabrik Gutenbrunn in Niederösterreich für das Jahr 1816 belegt. Ihre Herstellung durch Blasen in die Form sowie die Verwendung als Erdgeschoßfenster wurden 1823 von Stephan Ritter von Keess beschrieben. 19 Befundorientierte Auswertung Der Großteil der Glasfunde aus der Stadtgrabenverfüllung stammt aus der Fläche neben der Kontereskarpe, wobei die Funde aus dem unteren Bereich (Kat.Nr. 20–26: ein Henkel, Reste einer Vierkantflasche und von Zylinderflaschen sowie die Glastafel) eher in das 18. Jahrhundert bzw. in die 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts datieren, während der Flaschenboden mit Bodenmarke aus dem oberen Bereich (Kat.-Nr. 18) schon charakteristisch für die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ist. Aus der obersten Planierschicht stammen wiederum Flaschenbodenfragmente (Kat.-Nr. 5–6), die eher schon in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts tendieren. Bei Pfeiler 6 und 8 fand sich der Telegraphen-Isolator Kat.-Nr. 9, der in dieser Form offenbar ab ca. 1855 erzeugt wurde und – aufgrund fehlender Abnutzungsspuren durch ein Kabel – möglicherweise noch unbenutzt im Zuge der Verfüllung des Stadtgrabens entsorgt worden war. Abwasserkanal In dem Abwasserkanal wurde ein nicht näher bestimmbares Glasfragment (Kat.-Nr. 28) gefunden, das ca. in das 19. Jahrhundert datiert. Zusammenfassung Aus der Nutzungsphase des Festungsabschnittes im Bereich der Weihburggasse gibt es nur einen gesicherten Glasfund, und zwar aus dem untersten Stadtgrabenniveau: ein gekröseltes Fensterglasbruchstück, das grob in das 17. Jahrhundert gesetzt werden kann. Unterhalb der Stiege des südlichen Treppenaufganges zum Waffenplatz fand sich der Flaschenboden mit Siegel, dessen Initialen bisher nicht eindeutig aufgelöst werden konnten; so kann der Fund nichts zur genaueren zeitlichen Fixierung des Befundes beitragen. Angesichts der doch massiven Stadtgrabenverfüllung der Jahre 1862/1863 ist die geringe Menge der hier geborgenen Glasfunde überraschend; sie datieren 18 Tarcsay 2008 (Anm. 3) 261 G67. 19 W. Neuwirth, Farbenglas 1. Farbenpaletten weiß, schwarz, gelb, grün. Vom Biedermeier zum Art Deco (Wien 1993) 81–84 Abb. 44–45.

vorwiegend in das 18. Jahrhundert und in die 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, nur einzelne Stücke weisen schon in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zu diesen gehört der sehr gut datierbare Glasisolator, der ein zeithistorisch sehr interessantes Stück ist.

130 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

K. Tarcsay, Die Glasfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

Katalog Die Farbbestimmungen erfolgten mit dem MICHEL-Farbenführer36 (München 1992). Abkürzungen B Breite BDm Bodendurchmesser Dm Durchmesser Erh. Erhaltung der Glasoberfläche F Farbe form. Dat. formale Datierung H Höhe

Herst. L n. b. St U Wst

Herstellung Länge nicht bestimmbar Glasstruktur erhaltener Gefäßumfang in % Wandstärke

Stadtgraben Fnr. 36: Bef.-Nr. 51 unterstes Niveau Kat.-Nr. 1 – Taf. 1,1 Glastafel, Zwickel, eine Seite gekröselt, die zwei angrenzenden Seiten evtl. zugeschnitten, Herst.: frei geblasen, F: hellolivgrün, St: kleine, etwas länglich gezogene Luftbläschen, Erh.: gut, Kratzspuren (?) in Längs- und Querrichtung, gekröselte Kante: 40 mm, Wst: 2 mm, form. Dat.: 17. Jh. (?) – MV 74536/02.

Glacis Fnr. 40: o. Bef.-Nr. bis 3 m unter rezentem Gehniveau (OK: 12 m über Wr. Null, UK: 9 m über Wr. Null) Kat.-Nr. 2 Unbestimmbares Wandfragment, 1 Fragment, F: grünweiß, ca. 18./19. Jh.

Waffenplatz Fnr. 45: Bef.-Nr. 71 südlicher Treppenaufgang/Treppenaufgang 1, Verfüllung über den Stufen Kat.-Nr. 3 – Taf. 1,3 Flasche, Zylinderflasche?, leicht hochgestochener Boden, Herst.: frei geblasen, Hefteisenabriss, F: entfärbt, St: Klarglas, einige Luftbläschen und Schlieren, Erh.: sehr gut, BDm: ca. 58 mm, erh. U: 25%, form. Dat.: 19. Jh. – MV 74545/10.

Fnr. 48: Bef.-Nr. 68 südlicher Treppenaufgang/Treppenaufgang 1, Baugrubenverfüllung unter den Stufen Kat.-Nr. 4 – Taf. 1,2 Flasche, bogenförmig hochgestochener Boden, in der Bodenwölbung manuell eingesetzter bzw. eingestempelter Glasposten: Glassiegel mit den Initialen „C“, darunter versetzt „AL“ in Ligatur, Herst.: frei geblasen?, F: dunkelocker, St: sauber, Erh.: leicht irisiert, Glassiegel-Dm: ca. 29 mm, form. Dat.: 2. H. 17. Jh. oder 1. H. 19. Jh.? – MV 74548/03.

Stadtgrabenverfüllung Fnr. 3: o. Bef.-Nr. Planierschicht, bis 3 m unter rezentem Gehniveau (9 m über Wr. Null) Kat.-Nr. 5 – Taf. 1,7 Flasche, Zylinderflasche, leicht gewölbter Boden, Herst.: rotierend luftgepresst (ohne Hefteisenabriss)?, F: dunkelgelbgrün, St: n. b., Erh.: irisiert, BDm: 70 mm, erh. U: 100%, form. Dat.: 2. H. 19. Jh. – MV 74503/17.

131 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

K. Tarcsay, Die Glasfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Kat.-Nr. 6 – Taf. 1,8 Flasche, Zylinderflasche, leicht gewölbter Boden, Herst.: rotierend luftgepresst (ohne Hefteisenabriss)?, F: entfärbt, St: Klarglas, Erh.: leicht getrübt, BDm: 90 mm, erh. U: 25%, form. Dat.: 2. H. 19. Jh. – MV 74503/18. Kat.-Nr. 7 Unbestimmbares Wandfragment, 1 Fragment, F: n. b., Dat.: ?

Fnr. 17: Bef.-Nr. 18 Pfostengrubenverfüllung aus der Brückenbauzeit um 1817? Kat.-Nr. 8 – Taf. 1,4 Krug/Kanne?, aufgesetzter, geschwungener Henkel, Herst.: geformt, F: entfärbt, St: Klarglas, Erh.: gut, B: 5,568–9 mm, H: 73 mm, erh. U: 100%, form. Dat.: 18./19. Jh. – MV 74517/04.

Fnr. 32: o. Bef.-Nr. bei Pfeiler 6 und 8 Kat.-Nr. 9 – Taf. 1,11 Isolator, zylindrischer Oberteil mit leicht gewölbtem Abschluss, einem Wulst ober- und unterhalb des Kabellaufes; im Inneren ohne Gewinde; Ansatz des einteiligen „Daches“, Herst.: stempelgepresst (Pressnaht): sehr raue Oberfläche (nicht feuerpoliert), zylindrischer Stempel unzentriert eingesetzt, F: „dunkelgelblichgrün“, St: sehr viele Luftbläschen, Erh.: leicht irisiert, Außen-Dm: 38– 39 mm, Innen-Dm: 20 mm, erh. U: 50%, form. Dat.: 1855–1871 – MV 74532/03.

Fnr. 59: o. Bef.-Nr. Planierschichten, OK: 12 m über Wr. Null, UK: 10 m über Wr. Null Kat.-Nr. 10 Unbestimmbares Wandfragment, 1 Fragment, F: entfärbt, St: Klarglas, ca. 19. Jh.

Fnr. 63: o. Bef.-Nr. zwischen Pfeilerpaar 5 und 6 Kat.-Nr. 11 Unbestimmbares Wandfragment, 1 Fragment, F: hellgrün, ca. 18./19. Jh.

Fnr. 65: o. Bef.-Nr. bei Pfeilerpaar 6, OK: 4 m über Wr. Null, UK: 3 m über Wr. Null Kat.-Nr. 12 Glasplatte, 1 Fragment, F: hellblaugrün, ca. 19. Jh. – MV 74565/03.

Fnr. 66: o. Bef.-Nr. bei Pfeilerpaar 6 bis 7, OK: 11 m über Wr. Null, UK: 3 m über Wr. Null Kat.-Nr. 13 Glasplatte, 1 Fragment, F: hellblaugrün, ca. 19. Jh. – MV 74566/10. Kat.-Nr. 14 Unbestimmbares Wandfragment, 4 Fragmente, F: grünweiß, ca. 19. Jh. Kat.-Nr. 15 Unbestimmbares Wandfragment, 3 Fragmente, F: entfärbt, ca. 18./19. Jh.

Fnr. 69: o. Bef.-Nr. Pfeilerpaar 5, obere Stadtgrabenschicht Kat.-Nr. 16 – Taf. 1,10 Form unbestimmbar, Boden mit gewölbtem Ansatz der Wandung, Herst.: ?, F: entfärbt, St: Klarglas, Erh.: leicht getrübt, BDm: ca. 60 mm, erh. U: 35%, form. Dat.: ? – MV 74569/02.

Fnr. 70: o. Bef.-Nr. OK: 11 m über Wr. Null, UK: 7 m über Wr. Null Kat.-Nr. 17 Unbestimmbares Wandfragment, 1 Fragment, F: hellgrün, ca. 18./19. Jh.

132 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

K. Tarcsay, Die Glasfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Aufsätze

Fnr. 71: o. Bef.-Nr. Stadtgrabenverfüllung westlich der Kontereskarpe, OK: 11 m über Wr. Null, UK: 7 m über Wr. Null Kat.-Nr. 18 – Taf. 1,9 Flasche, Zylinderflasche, leicht gewölbter Boden, am Boden erhabener Schriftzug: „05“, Herst.: rotierend luftgepresst?, F: dunkelgrünoliv, St: rein, Erh.: gut, BDm: ca. 64 mm, erh. U: 50%, form. Dat.: 2. H. 19. Jh. – MV 74571/06. Kat.-Nr. 19 Unbestimmbares Wandfragment, 1 Fragment, F: grünweiß, ca. 18./19. Jh.

Fnr. 75: o. Bef.-Nr. Stadtgrabenverfüllung westlich der Kontereskarpe, OK: 7 m über Wr. Null, UK: 3 m über Wr. Null Kat.-Nr. 20 – Taf. 1,5 Krug/Kanne?, aufgesetzter, geschwungener Henkel, Orientierung unklar, Herst.: geformt, F: entfärbt, St: Klarglas, Erh.: leicht irisiert, B: 30613–15 mm, erh. U: 50%, form. Dat.: 18./19. Jh. – MV 74575/31. Kat.-Nr. 21 Flasche, Vierkantflasche, Wandstück, 5 Fragmente, Herst.: frei geblasen, F: entfärbt, St: Klarglas, Erh.: leicht getrübt, Wst: 3–3,5 mm; L6B: mind. 60660 mm, form. Dat.: 18./19. Jh. – MV 74575/32. Kat.-Nr. 22 – Taf. 1,6 Flasche, Zylinderflasche, leicht hochgestochener Boden, dazu 3 weitere Wandstücke, Herst.: frei geblasen, Hefteisenabriss, F: dunkelolivgelb, St: Luftbläschen, Erh.: sehr gut, BDm: 50 mm, erh. U: 25%, form. Dat.: 18./1. H. 19. Jh.? – MV 74575/33. Kat.-Nr. 23 Flasche, Zylinderflasche, Wandstück, 4 Fragmente, Herst.: frei geblasen, F: „hellbläulichgrün“, St: sehr viele längliche Luftbläschen, Erh.: gut, Dm: ca. 110 mm, form. Dat.: 18./1. H. 19. Jh.? – MV 74575/34. Kat.-Nr. 24 – Taf. 1,12 Glastafel, Bruchstück, optisches Rautenmuster, Herst.: Zylinderblas-Technik, optisch geblasen, F: grünweiß, St: einzelne, sehr große Luftblase, Erh.: gut, Wst: 2 mm, form. Dat.: um 1. D. 19. Jh. – MV 74575/35. Kat.-Nr. 25 Unbestimmbares Wandfragment, 2 Fragmente, F: grünweiß, ca. 19. Jh. Kat.-Nr. 26 Unbestimmbares Wandfragment, 1 Fragment, F: dunkelgraugrün, 2. H. 19. Jh.

Fnr. 81: o. Bef.-Nr. Stadtgrabenverfüllung in Nähe von Brückenpfeilerpaar 8, OK: 8 m über Wr. Null, UK: 3 m über Wr. Null Kat.-Nr. 27 Unbestimmbares Wandfragment, 1 Fragment, F: „grünlicholiv“, ca. 19. Jh.

Abwasserkanal Fnr. 85: o. Bef.-Nr. (Hegelgasse) Kat.-Nr. 28 Unbestimmbares Wandfragment, 1 Fragment, F: grünweiß, ca. 19. Jh.

133 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

K. Tarcsay, Die Glasfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse

Taf. 1: Glasfunde der Grabung Wien 1, Weihburggasse. M 1:2 (Zeichnungen: G. Reichhalter)

134 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

135 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

S. Czeika, Tierreste aus dem frühneuzeitlichen Stadtgraben im Bereich Weihburggasse

Tierreste aus dem frühneuzeitlichen Stadtgraben im Bereich Weihburggasse, Wien 1 Sigrid Czeika Die archäologischen Untersuchungen im Zuge des Baus einer Tiefgarage in Wien 1, Weihburggasse 28–32 (siehe Beitrag H. Krause, 32 ff.) förderten auch Tierreste zutage. Die handaufgesammelten Knochenfunde stammen aus Verfüllschichten des Grabens, welcher der neuzeitlichen Stadtmauer vorgelagert war und 1862/63 endgültig planiert wurde. Die darin geborgenen Funde datieren vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert (siehe die Beiträge I. Gaisbauer, 72 ff. und K. Tarcsay, 126 ff.). Trotz des großen Zeitraums konnten die Tierreste dennoch Auskunft über Abfallentsorgung und handwerkliche Tätigkeiten geben. Die Tierarten Von den 442 Tierresten konnten 371 bestimmt werden. 1 Der Hauptanteil entfällt auf die Hauswirtschaftstiere Rind, Schaf/Ziege und Schwein. Rinderreste überwiegen in Anzahl und Gewicht (127 Stück/4,8 kg) vor Schaf/Ziege (88 Stück/0,9 kg) und Schwein (34 Stück/0,4 kg). Von den kleinen Hauswiederkäuern konnte das Schaf anhand von 19 Funden belegt werden, von der Ziege sind keine eindeutigen Nachweise vorhanden. Eine relativ hohe Anzahl an Funden stammt vom Hund (71 Stück), deren Hauptmenge allerdings auf das Teilskelett eines Tieres entfällt. Geflügel ist durch Huhn (12 Stück) und Gans (7 Stück) repräsentiert. Einzelfunde liegen von Pferd oder Maultier, Katze, Rothirsch, Feldhase und Wildschwein, Haus(?)-Ente sowie von der Auster vor. Die Zusammensetzung der Tierarten und Skelettelemente lässt auf eine Mischung vorrangig aus Abfällen der Fleischverarbeitung und -zubereitung mit einigen Resten der Kadaverentsorgung schließen. Hausrind 1 Mein Dank gilt dem Paläontologischen Institut der Universität Wien, dessen osteologische Vergleichssammlung ich zu Bestimmungszwecken nutzen durfte. 2 Altersbestimmung nach K.-H. Habermehl, Die Altersbestimmung bei Haus- und Labortieren2 (Hamburg, Berlin 1975). 3 Die Geschlechtszuordnung richtete sich vorwiegend nach den Querschnittsmerkmalen der Hornzapfen. Nach Ph. Armitage, A System for Ageing and Sexing the Horn Cores of Cattle from British Post-medieval Sites (17 th to Early 18 th Century) with Special Reference to Early British Longhorn Cattle. In: B. Wilson/C. Grigson et al. (eds.), Ageing and Sexing Animal Bones from Archaeological Sites. BAR British Ser. 109 (Oxford 1982) 37–54.

Die Skelettelemente verteilen sich auf alle Körperregionen, sie repräsentieren vorwiegend gute Fleischklassen. Der fleischreiche Bereich Becken und Oberschenkel ist stärker vertreten als die entsprechende vordere Region. Periphere Elemente sind eher unterrepräsentiert, Hand- und Fußwurzelknochen sowie Mittelhandknochen sind nur als Einzelfunde vorhanden. Elle und dritter Zehenknochen fehlen völlig. Auffallend ist, dass vom Schädel fast nur Hornzapfen vorhanden sind. Die meisten davon gehören zu ausgewachsenen Tieren. Von den restlichen Skelettelementen stammen die jüngsten von Individuen, die weniger als zwei Jahre alt waren2. Ein Knochenfragment belegt die Altersgruppe von zwei bis zweieinhalb Jahren, einzelne Stücke weisen auf ältere Tiere hin. Obwohl eine Unterscheidung anhand der Hornzapfen zwischen Kühen und Ochsen nicht immer eindeutig möglich war3, scheint das Geschlechtsverhältnis leicht zu männlichen

136 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

S. Czeika, Tierreste aus dem frühneuzeitlichen Stadtgraben im Bereich Weihburggasse

Aufsätze

bzw. kastrierten männlichen Tieren verschoben zu sein. Krankhafte Veränderungen liegen kaum vor, leichte Überlastungserscheinungen in Form von etwas vergrößerten Gelenksflächen sind vereinzelt erkennbar. Eine Zahnanomalie, die Kulissenstellung von Backenzähnen des Unterkiefers, ist vorhanden. Spuren der Fleischverarbeitung, überwiegend Hackspuren, sind häufig. Ein Oberschenkelknochen wurde abgesägt und ist, wie die meist abgehackten Hornzapfen, als Handwerksabfall einzustufen. Hundeverbiss und Feuereinwirkung sind kaum vorhanden. Einige zerkratzte und verrundete Elemente zeugen von Umlagerungsvorgängen. Schaf und Ziege Von den kleinen Hauswiederkäuern entfallen ca. 40% der Skelettelemente auf periphere Extremitätenreste (Autopodium). Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Mittelhand- und Mittelfußknochen. Die letzten beiden Zehenknochen (Phalanx 2 und 3) fehlen hingegen völlig. Kaum vertreten sind Reste von Unterkiefer und Elle sowie von Schulterblatt, Wirbelsäule und Becken. Beinahe die Hälfte der altersbestimmbaren Knochen stammen von nicht ausgewachsenen Individuen. Das jüngste Tier war weniger als fünf Monate alt, ein Individuum war älter als drei Monate, aber jünger als zwei Jahre alt, die meisten anderen Jungtierreste sind Altersstufen von jünger als zwei bzw. drei Jahren zuzuordnen. Bei adulten Tieren gibt es Hinweise auf mindestens fünf Jahre alte Individuen. Es gibt allerdings keinen Nachweis von altadulten Tieren. Anhand der Maße zweier vollständiger Mittelhandknochen von Schafen (siehe Tab. 1) konnten Widerristhöhen von 60,8 und 60,3 cm errechnet werden. 4 Das entspricht einer mittleren Größe. 5 Die Breitenindizes deuten auf eher breitwüchsige Tiere hin. So wie beim Rind sind kaum krankhafte Veränderungen an den Knochen festzustellen. An einzelnen Mittelfußknochen sind leichte Überlastungserscheinungen in Form von vergrößerten Gelenksflächen erkennbar. Anders als beim Rind ist der Anteil an Schlachtabfällen sehr hoch. Die so häufigen, meist fragmentierten Mittelhand- und Mittelfußknochen wurden vielleicht zerschlagen, zeigen aber ansonsten keine Hinweise auf irgendwelche Verwertung. Die übrigen Skelettelemente sind vorwiegend als Abfälle der Fleischversorgung anzusprechen, sie tragen meist Schnitt- oder Hackspuren. Einige Knochen wurden von Hunden verbissen, ein Schädelfragment, von dem der Hornzapfen abgehackt war, kann als indirekter Hinweis auf Hornverarbeitung interpretiert werden. Einige zerkratzte und verrundete Knochen lassen Umlagerungsvorgänge erkennen. Schwein Das Schwein tritt hier mit lediglich 34 Funden als drittwichtigstes Hauswirtschaftstier auf. Im Gegensatz zu den kleinen Hauswiederkäuern verteilen sich die Knochenfragmente fast nur auf Körperregionen guter Fleischqualität. Schädelreste und Elemente der peripheren Extremitätenregion fehlen fast vollständig. Beinahe alle Funde stammen von Individuen, die jünger als zwei Jahre alt waren. Auf Tiere, die zum Zeitpunkt ihres Todes jünger als 16 Monate alt wa-

4 Nach M. Teichert, Osteometrische Untersuchungen zur Berechnung der Widerristhöhe bei Schafen. In: A. T. Clason (ed.), Archaeozoological Studies (Amsterdam et al. 1975) 51–69. 5 Vgl. N. Benecke, Archäozoologische Studien zur Entwicklung der Haustierhaltung in Mitteleuropa und Südskandinavien von den Anfängen bis zum ausgehenden Mittelalter. Schr. Ur- u. Frühgesch. 46 (Berlin 1994) 220–222.

137 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

S. Czeika, Tierreste aus dem frühneuzeitlichen Stadtgraben im Bereich Weihburggasse

Abb. 1: Teilskelett eines kurzschnäuzigen Schoßhundes aus dem frühneuzeitlichen Festungsgraben im Bereich der Weihburggasse.

ren, weisen drei Knochenfragmente hin. Ein fast vollständiges Wadenbein ist der einzige Nachweis für ein älteres, über zweieinhalb Jahre altes Individuum. Ein vollständiger Mittelhandknochen lässt eine Widerristhöhe von 79,6 cm abschätzen und stammt somit von einem mittelgroßen bis größeren Tier. 6 Die meisten Knochen zeigen Hack- oder Schnittspuren, vereinzelt sind Knochen von Hunden verbissen worden. Einige zerkratzte und verrundete Fragmente weisen auch hier auf Umlagerungsvorgänge hin. Geflügel Vom Huhn sind außer vom Schädel Elemente aller Körperregionen vorhanden. Es handelt sich fast ausschließlich um Reste von adulten Tieren. Zwei Laufknochen stammen von Hennen. Auf einem Schulterblatt, einer Elle und einem Oberschenkelknochen sind Schnittspuren zu sehen. Von der Gans gibt es ausschließlich Elemente des vorderen Extremitätenbereiches adulter Tiere. Die Ente ist durch das Fragment einer Elle vertreten. Die Geflügelreste können als Abfälle der Fleischzubereitung angesprochen werden. Hund 6 Nach M. Teichert, Osteometrische Untersuchungen zur Berechnung der Widerristhöhe bei vor- und frühgeschichtlichen Schweinen. Kühn-Archiv 83, 1969, 237–292. 7 Die Berechnung der Widerristhöhe erfolgte nach R. A. Harcourt, The Dog in Prehistoric and Early Historic Britain. Journal Arch. Scien. 1, 1974, 151–175 und F. Koudelka, Das Verhältnis der Ossa longa zur Skeletthöhe bei den Säugetieren. Verhandl. Naturforsch. Ver. Brünn 24, 1885, 127–153.

Zu einem Teilskelett eines kleinen, kurzschnäuzigen Hundes gehören 68 Knochenreste. Schädel und Rumpf sind fast vollständig repräsentiert, es fehlen einige Wirbel (Abb. 1). Von den Extremitäten liegen beide Oberarm- und Oberschenkelknochen vor sowie die linke Speiche und die Mittelhandknochen der rechten Seite. Auch der Penisknochen ist vorhanden. Die geschätzte Widerristhöhe des Rüden liegt bei ca. 32 cm, die Schätzungen nach den Langknochenmaßen streuen von 30,8 bis 34 cm. 7 Es handelt sich um ein Tier in der Größe eines Schoßhundes. Im Vergleich mit den Messstrecken und Indizes

138 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

S. Czeika, Tierreste aus dem frühneuzeitlichen Stadtgraben im Bereich Weihburggasse

Aufsätze

von Konrad Wagner8 kommt er in der Wuchsform dem heutigen Pekinesen nahe, wenngleich er etwas größer war und damit eher mit dem Bologneser oder dem Löwchen (eine früher bekannte, kleine Hunderasse) vergleichbar ist. Equide Ein einzelnes Griffelbein (Metatarsus IV) gehört zu einem Pferd oder Maultier. Katze Der Oberschenkelknochen eines Tieres, das sicher noch kein Jahr alt war, ist der einzige Beleg von der Katze im Fundmaterial. Wildtiere Reste von Jungtieren – ein Schienbein- und ein Mittelfußknochen – stammen vom Rothirsch, ein Brustwirbel und der Teil einer Speiche sind dem Feldhasen zuzuordnen. Aufgrund ihrer Größe gehören das Stück eines Eckzahnes vom Unterkiefer, ein Brustwirbelfragment (juvenil) und der Teil eines Wadenbeins zum Wildschwein. Von einer Auster liegt eine linke Klappe mit beschädigtem Außenrand vor. Interpretation Obwohl es sich um Material aus einem zeitlich breit gestreuten Befund handelt und dieses somit nur für eine Gesamtaussage verwendbar ist, spiegeln die Knochenreste der Hauswirtschaftstiere eine sehr glaubhafte Zusammensetzung entsprechend deren Nahrungswertigkeit wider. Die Knochenreste vom Rind stehen mehrheitlich mit der Fleischgewinnung und Nahrungszubereitung in Zusammenhang. Zudem lässt die Verteilung der Skelettelemente auf das Entfernen der Haut und auf die Verarbeitung von Horn schließen. Das Überwiegen männlicher/kastrierter Tiere bei den Hornzapfen muss nicht unbedingt im Zusammenhang mit der Fleischversorgung stehen, denn beim hornverarbeitenden Handwerk waren Ochsenhörner beliebter als diejenigen von Kühen. 9 Als eindeutige Überreste von Knochenhandwerk und Hornverarbeitung können der abgesägte Oberschenkelknochen und etliche vom Schädel abgehackte Hornzapfen angesprochen werden. Die Häufung der Mittelhand- und Mittelfußknochen lässt erkennen, dass sich das Fundspektrum der kleinen Hauswiederkäuer nicht nur aus Nahrungs-, sondern auch aus Schlachtabfällen zusammensetzt. Vielleicht wurden die fleischarmen Extremitätenanteile zur Gewinnung von Knochenmark herangezogen. Die Altersverteilung der Tiere weist auf eine gemischte Nutzung hin. Einerseits waren es Fleischtiere, andererseits waren es Individuen, die vorher für die Gewinnung von Milch und Wolle gehalten wurden. Die Verteilung der Skelettelemente vom Schwein und deren Alterszusammensetzung ist typisch für eine reine Fleischnutzung der Tiere. Vom Geflügel wurden offensichtlich zu Lebzeiten Eier und Federn gewonnen, bevor das Fleisch konsumiert wurde. Wildtiere standen selten auf dem Speiseplan. Zu den kulinarischen Besonderheiten zählten sicherlich die Austern. Das Öffnen der Scha-

8 K. Wagner, Rezente Hunderassen. Eine osteologische Untersuchung. Skr. Utg. Norske Videnskaps-Akad. Oslo 1, Matematisk-Naturvidenskapelig Kl. 1929/9,3 (Oslo 1930). 9 M. Doll, Haustierhaltung und Schlachtsitten des Mittelalters und der Neuzeit. Internat. Arch. 78 (Rahden/Westf. 2003) 166.

139 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

S. Czeika, Tierreste aus dem frühneuzeitlichen Stadtgraben im Bereich Weihburggasse

le scheint wie bei den Funden aus den „Stöckl“-Häusern am Michaelerplatz10 vorgenommen worden zu sein. Geht man davon aus, dass die Tierreste zwar aus unterschiedlichen Epochen, aber aus unmittelbarer Umgebung stammen, wurden die Bewohner der Region um die Fundstelle in der Weihburggasse vorwiegend mit guter Fleischqualität, die kleinen Hauswiederkäuer ausgenommen, versorgt. Tendenzen zu einem gehobeneren Lebensstil – sehr junges Lamm und Auster sowie ein Schoßhund – sind vorhanden. In starkem Gegensatz dazu steht allerdings die Skelettelementverteilung von Schaf/Ziege, die nur als Vorwiegen von Schlachtabfällen in10 A. R. Hassl, Austernschalen und Schildpatt – Hinterlassenschaften eines gehobenen Lebensstils in den „Stöckl“-Häusern am Wiener Michaelerplatz. FWien 11, 2008, 312–316.

terpretiert werden kann. Da die Funde aus einem großen Zeitraum stammen, könnte dies ein Hinweis auf gewisse Fluktuationen in der Bevölkerungsstruktur sein.

RIND Fnr. Os cornu

gr. Dm 23,6 30,9 31,9 35,1 38,1 40,7 41,7 44,5 47,7 51,8

Mandibula

P2–P4 41,0

Scapula

KLC 58,6

Pelvis

KB 25,9

Tibia

KD

48 48 3 48 86 45 48 71 82 86

65

82

27

kl. Dm 30,2 37,8 ~26,8 41,5 39,1 45,9 ~44,3 34,7 34,5 44,9

42,9

Bd ~67,0 68,8

Astragalus

GLl 67,6

Tl 37,0

Phalanx 1

GLpe 55,6 55,7 60,6 61,4

Bp 31,3 32,2 ~33,4 31,6

KD 26,7 28,0 29,8 25,8

Bd 29,4 31,3 32,1 29,3

Phalanx 2

GL

KD

Bd

40,5 44,3

Bp 30,7 28,9 33,3

24,7 26,3

24,9 25,4

gr. Dm 43,2

kl. Dm 32,2

Ovis

60 66

72

60 27 38 71

6 27 81

SCHAF/ZIEGE Fnr. Os cornu 71

140 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

S. Czeika, Tierreste aus dem frühneuzeitlichen Stadtgraben im Bereich Weihburggasse

Scapula

GLP 34,4

LG 28,0

Humerus

KD 12,8

Bd 26,4

BT 25,8

Bp 30,4 34,3

BFp 28,1 32,4

Ovis Ovis

Bp

TC

46,2

23,2

Bd 24,8 23,2

Ovis Ovis

61

16 Radius 82 4 Femur 7 63 Tibia 52 75 Metacarpus 66 3 72 9 6 38 Metatarsus 40 71 55 71 38 38 6 38

GL 123,4 124,3

Bp 19,7 19,8 20 22,6

Bp 21,5 21,8 24,1

Tp 18,5 19,9 20,5 21,7

KD 15,3

Aufsätze

Ovis

Bd 38,2 Ovis

Tp 16 15,7 17,2

KD

KD 12,4 12,2

TD 8,9

Bd 24,2 25,6

Td 16 15,8

15,9

10,2 12,1 9,2

28,5 31,1 20,9

17,4 18,4 13,7

TD

Bd

Td

9,7 9,1

24,1 22,1

16,9 15,2

Ovis Ovis

Ovis Ovis Ovis Ovis Ovis Ovis

10,8 11,5 11,2

Phalanx 1 61 48

GLpe 38,2 38,4

Bp 12,8 13,3

KD 10,9 11,1

Bd 14,3 12,5

SCHWEIN Fnr. Radius

Bp 30,0

Femur

KD 18,2

10

42 75

GL Diaphyse ~68,2

Fibula 17

Bd ~17,9

Metacarpus 5

Mc IV

GL 75,6

B 12,0

Bd 15,9

1 10,7

2 96,6

3 92,0

4 27,0

5 64,9

7 68,3

8 45,6*

9 49,0

10 32,2

11 58,7

12 27,7

13 51,5

13 a 50,0

14 8,9

14 a 7,3

15 34,3

16 11,6

17 28,2

18 6,9

18 a 4,2

HUND Fnr. Cranium 28

141 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

Mandibula 28 28

S. Czeika, Tierreste aus dem frühneuzeitlichen Stadtgraben im Bereich Weihburggasse

19 7,8

21 5,764,2

22 17,0

23 44,3

24 47,5

25 23,6

26 34,9

27 13,7

28 16,6

29 55,4

31 35,5

32 41,2

33 25,7

34 49,1

35 24,8

36 23,9

37 27,3

38 55,7

39 51,5

40 35,1

1 87,5 87,1

2 83,7 83,5

3 77,6 79,6

4 73,4 73,3

5 67,4 65,2

6 73,2 73,9

7 46,9

8 45,7

9 42,4

10 20,8

11 25,8

12 23,2 22,9

13 13,665,1 13,465,2

14 11,6 12,4

15 5,164,2 5,464,1

17 6,8 6,5

18 36,2 37,6

19 12,5 13,2

20 11,5 11,5

28

Vert. cerv. Epistropheus

LCDe 32,2

LAPa 29,9

BFcr 20,3

Bpacd 21,1

BPtr 24,8

KBW 13,7

BFcd 12

H 23,2

28 28

C6 C7

PL 13,2 13,0

GLPa 16,8 18,5

Bpacr 21,9 21,0

Bpacd 20,5 17,7

BPtr 23,8

BFcr 9,6 9,8

BFcd 9,6 13,9

HFcr 8,1 7,8

PL 11,0 10,3 9,9 9,9 10,1 10,6 10,8 11,4 12,0 12,6 13,0 14,0

BPtr

Th1 Th2 Th3 Th5 Th6 Th7 Th8 Th9 Th10 Th11 Th12 Th13

BFcr 16,9 16,8 14,8 12,7 13,1 13,3 13,1 13,4 13,4 12,3 15,0 14,8

BFcd 16,5 15,5 14,3 13,9 12,4 13,6 14,8 15,7 14,5 15,3 15,2 15,3

HFcr 7,5 8,7 9,2 10,6 9,9 8,0 8,5 8,6 9,4 9,7* 10,1* 8,6

HFcd 7,8 8,9 9,2 8,9 7,9 8,5 9,0 9,8 8,2 9,7* 8,5 8,8*

H 45,3

L1 L2 L3 L4 L5 L6 L7

PL 15,4 16,3 16,9 17,4 18,6 18,0 14,3

BPtr 28,2 31,4 34,7

BFcr 15,0 14,9 14,6 14,7 14,8 15,2 16,1

BFcd 15,1 15,2 15,8* 15,9 16,1 17,4 17,0

HFcr 9,9 10,1 11,0 10,6 9,4 10,1 9,7

HFcd 8,9* 8,6 9,1 9,8 9,2 9,4 8,6

H 25,2 27,1 29,5 30,2 29,6 27,6 24,3

Scapula

HS 89,9 89,8

KLC 15,1 15,2

GLP 19,7 19,9

LG 18,2 17,8

BG 12,4 11,9

Humerus

GL 100,7 100,7 141,5

GLC 97,8 98,1 136,8

Tp 27,3 28,3 39,5

KD 7,9 7,8 11,2

Bd 21,6 21,3 31,1

Radius

GL 95,6

Bp 12,4

KD 8,3

Bd 6,4

Ulna

TPa 24,0

KTO 20,8

BPc 16,9

Pelvis

GL ~97,5

LAR 15,9 15,5

KH 12,1 12,3

KB 5,2 4,8

Femur

GL 105,6 106,1

Bp 26,4 26,5

TC 12,9 12,5

KD 8,2 8,2

Vert. thor. 28 28 28 28 28 28 28 28 28 28 28 28 Vert. lumb. 28 28 28 28 28 28 28

28 28

28 28 82

28

82

28 28

28 28

21,3 21,4 21,5 20,0 18,8

37,8

HFcd 9,0 8,1

H 28,6

36,6 31,7 30,6 28,5 25,8 21,3 22,4* 21,2 23,2

Bd 21,8 22,1

142 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

S. Czeika, Tierreste aus dem frühneuzeitlichen Stadtgraben im Bereich Weihburggasse

Metacarpus 28 28 28 28

Mc Mc Mc Mc

II III IV V

GL 36,1 40,8 39,9 34,3

Bd 6,1 5,8 5,6 6,3

Lm 53,8 53,8

BF

Aufsätze

HUHN Fnr. Coracoid 9 82

GL 57,3

~17,3

Scapula

Dc ~12,4

Ulna

Dp 13,1

Bp 10,7

KC 4,5

Femur

GL 67,7 78,4

Lm 64,6

Bp 13,6

Tp 9,2

Tarsometatarsus

GL 64,5 62,3

Bp 11,2 11,8

KC 5,8 5,4

Bd 11,3

Humerus

KC 9,7

Bd 21,9

Ulna

Bp

Dp

KC 6,7

Dd 14,9

17,3

20,8

3

38

59 63

42 70

KC 6 7,2

Bd 13 16,2

Td 11,4

f f

GANS Fnr. 75

75 82 82

12,8

ENTE Fnr. Ulna 65

GL ~71,0

Bp 9,8

KC 5,0

Dd 8,8

Tab. 1: Maße der Tierreste von Wien 1, Weihburggasse 28–32. Maße in mm nach A. von den Driesch, Das Vermessen von Tierknochen aus vor- und frühgeschichtlichen Siedlungen (München 1976). Dm – Durchmesser, f – weiblich, ~ – geschätzt, * – pathologisch verändert.

143 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Der Wiener Linienwall aus historischer, topographischer und archäologischer Sicht Ingrid Mader mit einem Beitrag von Sabine Grupe Zur Geschichte des Wiener Linienwalls 1 Czeike, Lexikon Wien 3, 649 s. v. Kuruzzen; Broucek 1985, 11–21. 2 Eine umfassende historische Untersuchung zu diesem Thema: Buchmann 1974. Siehe außerdem: L. Eberle, Wien als Festung. In: Geschichte der Stadt Wien 4 (Wien 1911) 265–267; E. Gaál, Die Befestigung der Stadt Wien. Wiener Ziegelmus. H. 5/6, 1989, 108– 111. 3 M. Fuhrmann, Alt- und Neues Wien II (1739; Reprint Wien 2003) 1231–1234. Als sich die Rebellen im Juni in Richtung Schwechat zurückzogen, kamen sie auch beim Schloss Neugebäude vorbei und töteten dort die Tiere der Menagerie, die, wie der Autor hervorhebt, von den Türken 1683 verschont worden waren. 4 Czeike, Lexikon Wien 3, 129 s. v. Heistergasse; Broucek 1985, 57 f. 5 Allgemeine deutsche Bibliographie 25 (Leipzig 1887) 78–80 s. v. Pálffy v. Erdöd, Johann IV Graf (A. Schinzl); Broucek 1985, 60. 6 Im Friedensvertrag von Sathmar (1711) schloss Graf Alexander Károlyi, der Anführer der Kuruzzen, mit den Habsburgern Frieden. Die Habsburger gewährten den Aufständischen u. a. das Recht auf ständische Selbstverwaltung. Diese wiederum erkannten das Erbfolgerecht der Habsburger in Ungarn an. Broucek 1985, 43–46; F. Theuer, Brennendes Land. Kuruzzenkriege. Ein historischer Bericht (Wien et al. 1984) 314–320. 7 1741 drangen französische und bayerische Truppen bis St. Pölten vor. Überlegungen, wie die Wiener Linien fortifiziert und mit Mannschaft besetzt werden könnten: ÖStA, KA, HKR Protokoll Expedit, Bd. 734, November bis Dezember 1741, fol. 3041,13. 8 I. Mader, Wien vor dem Fall der Mauern. FWien 13, 2010, 10–17. 9 E. Lichtenberger, Die Wiener Altstadt. Von der mittelalterlichen Bürgerstadt zur City (Wien 1977) 179 f.; G. Meißl, Vom Brillantengrund zur Favoritenlinie. Zum Wandel der Produktion im Wiener Vormärz. In: Bürgersinn und Aufbegehren – Biedermeier und Vormärz in Wien, 1815–1848. 109. Sonderausst. HMW (Wien 1988) 552–558. 10 Mathias Fuhrmann, der Wien im Jahre 1704 besucht hatte, erwähnt, dass sich in den Vorstädten herrliche Gebäude und große

Zum Schutz der Vorstädte und als abschreckende Maßnahme gegen die immer wieder in Niederösterreich einfallenden aufständischen Ungarn (Kuruzzen) aus dem Osten des Reichs1 wurde am Beginn des 18. Jahrhunderts der sog. Linienwall errichtet. Er wurde um die Stadt in einem Radius von ca. 13 km angelegt, quasi als zweiter Befestigungsring. 2 Er entspricht in etwa dem heutigen Verlauf des Gürtels. Tatsächlich musste der Wall als militärische Einrichtung nur ein einziges Mal dem Angriff der aufständischen Ungarn standhalten. Allerdings fielen die Rebellen bereits während des Baus, im März 1704, im Südosten bei St. Marx ein. Als der Bau zum Großteil ausgeführt war, drangen sie im Juni 1704 erneut bis zu den Vorstädten vor. Aus diesem Anlass wurde der Wall zur Verteidigung besetzt. 3 Graf Sigbert Heister (1646–1718)4, der schon 1683 an der Verteidigung Wiens gegen die Türken teilgenommen hatte, übernahm im Jahre 1704 das Kommando über die kaiserlichen Truppen zur Verfolgung der Kuruzzen. Schließlich wurden die Aufständischen immer weiter nach Ungarn zurückgedrängt, bis sie 1711 von Feldmarschall Johann Pálffy von Erdöd (1663–1750)5 endgültig besiegt worden waren. 6 In den folgenden Jahrzehnten wurde Wien mehrmals in Verteidigungsbereitschaft gesetzt, ohne jedoch direkt von feindlichen Truppen bedroht worden zu sein. 7 Bis zum Einmarsch französischer Einheiten am Beginn des 19. Jahrhunderts war keine unmittelbare Gefahr mehr für Wien gegeben. Als Napoleon vor den Toren Wiens stand, spielten weder die Stadtmauer noch der Wall in Anbetracht der fortgeschrittenen Artillerietechnik eine Rolle. 8 Im 19. Jahrhundert wurde das Gebiet innerhalb des Linienwalls als Wohn- und Arbeitsraum erschlossen. Nach und nach ließen sich die Beamten in den Vorstädten nieder, um den teuren Mietpreisen der Innenstadt zu entgehen. 9 Die Adeligen hatten diesen Raum schon lange vorher als idealen Platz für ihre Sommerpalais entdeckt. 10 Nach und nach wanderten die Arbeiter und Dienstleistungsanbieter in die Vororte außerhalb des Linienwalls ab. Einerseits boten die niedrigeren Bodenpreise genügend Anreize, um die im Zuge der Industrialisierung notwendigen Fabriken und Dienstleistungsbetriebe hier anzusiedeln, andererseits wurden den Waren, welche die Linie passierten, hohe Steuern aufgeschlagen. 11 Im Jahre 1848 wurde der Linienwall nochmals besetzt. Diesmal allerdings von den aufgebrachten Bürgern Wiens. An den Linien fanden teilweise heftige Kämpfe statt. 12 Sie wurden als Art äußere Grenze des zu verteidigenden Gebietes betrachtet und waren auch gleichzeitig ein Symbol der Trennung von leist-

144 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Aufsätze

Abb. 1: Angriff auf die besetzte Mariahilfer Linie am 28. Oktober 1848. (Wien Museum, Inv.-Nr. 87.978)

baren und nicht leistbaren Lebenskosten. Am 28. Oktober begann der Angriff der kaiserlichen Truppen auf Wien. Feldmarschall Alfred Windischgrätz (1787– 1862) gab Befehl, bei der Mariahilfer und der Nußdorfer Linie, in der Leopoldstadt und in Erdberg mit Geschützfeuer anzugreifen (Abb. 1). Am 31. Oktober hatte er die Stadt zurückerobert. 13 Im Jahre 1858 gab der Kaiser die Zustimmung, dass die Befestigung Wiens abgerissen werden könne. 14 Mit dem Abbruch der Stadtbefestigung wurde auch die Vereinigung der Vorstädte mit den Vororten ins Auge gefasst. Allerdings entstand sofort die Befürchtung vonseiten der Gemeinde Wien, dass, wenn die Einnahmen aus den höher besteuerten Vorstädten wegfielen, große finanzielle Verluste hinzunehmen wären. Daher wurde die Überlegung gutgeheißen, die Besteuerung außerhalb der Linien zu erhöhen und innerhalb der Linien zu senken. Damit wäre der steuerliche Gesamtertrag gleich geblieben. Diesen Vorschlägen konnten die Bewohner der Vororte wenig abgewinnen und daher wehrten sie sich zunächst gegen die Eingemeindung. Man befürchtete durch die Erhöhung der Steuern in den Vororten sogar ein Abwandern der Bevölkerung. In den folgenden Jahren begann ein Tauziehen zwischen dem Wiener Gemeinderat, der 1872 gebildeten Vorortekommission und der Regierung. 15 Der Gemeinderat bemühte sich immer wieder um eine Reformierung der Verzehrungssteuer und die Vorortekommission setzte sich ab 1876 für das Entfernen des Linienwalls ein. Dem wurde nicht stattgegeben, weil man die Linien in Verbindung mit den Steuereinnahmen sah und auf diese nicht verzichten wollte. Immer wieder wurde das Problem der Verzehrungssteuer thematisiert, es wurden diverse Ausschüsse gebildet und Denkschriften verfasst. Schließlich versuchte der Kaiser ein Zeichen zu setzen. Am 30. September 1888 hielt er anlässlich der Eröffnung des Türkenschanzparks (heute 18. Wiener Gemeindebezirk) eine Rede. Er betonte darin, dass er sich mit dem Erblühen des Gartens auch einen

Lust- und Ziergärten befänden. M. Fuhrmann, Historische Beschreibung Und kurz gefaste Nachricht von der Römisch. Kaiserl. Und Königlichen Residenz=Stadt Wien, und Ihren Vorstädten 1 (Wien 1766) 222. 11 Über die Mauthäuser: I. de Luca, Topographie von Wien. Erster (einziger) Band (1794; Reprint Wien 2003) 222–224. 12 H. Größing, Der Kampf um Wien im Oktober 1848. Militärhist. Schriftenr. 23 (Wien 1973) 2–30; C. A. Ritter (Hrsg. Wiener=Postillon), Tagebuch der letzten Oktober= und ersten November=Tage Wiens (Linz 1848) 13. 13 Ritter (Anm. 12) 40–48; C. Weiss, Die Octobertage Wiens. Eine historische Darstellung vom Standpunkte des Rechts und der Wahrheit (Leipzig 1848) 76–86. 14 Wiener Zeitung, Nr. 296, Freitag, den 25. Dezember 1857. 15 Chronologie der Ereignisse bei Buchmann 1974, 151–154.

145 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Abb. 2: Abbruch des Walls an der Favoritner Linie, 1894. Foto von Ferdinand Ritter von Staudenheim. (Wien Museum, Inv.-Nr. 12.942/18)

ebensolchen Aufschwung der Vororte wünsche und „sobald wie möglich auch keine phisische Grenze“ die Vororte „von der alten Mutterstadt scheiden soll“. 16 Doch es sollten noch einige Jahre vergehen, ehe dem Linienwall ein Ende gesetzt werden konnte. Im Jahre 1890 wurde Wien mit den Vororten per Landesgesetz verbunden. 17 16 WStLA, 3.5.17 A1 Memoiren 87 Reichsrat-Wahlreform, das erste direkt gewählte Abgeordnetenhaus. Petition um Auflassung der Linienwälle. Rede des Kaisers 19 b, 30. September 1888. 17 Landes-Gesetz- und Verordnungsblatt für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns, XVIII. Stück, Nr. 45, ausgegeben am 20. Dezember 1890; Czeike, Lexikon Wien 5, 308 s. v. Stadtverfassung und 558 f. s. v. Vororte. 18 Buchmann 1974, 179. 19 Der Bau der Gürtelstraße begann im September 1865. Czeike, Lexikon Wien 2, 642 f. s. v. Gürtelstraße. 20 Czeike, Lexikon Wien 2, 499 f. s. v. Generalstadtplan. 21 Im Jahre 1892 wurde der Bau der Gürteleisenbahn (Stadtbahn) genehmigt. Czeike, Lexikon Wien 5, 284 f. s. v. Stadtbahn. 22 ÖStA, KA, HKR Protokoll Expedit, Bd. 418/419, 31. Jänner 1703, fol. 86,257. 23 ÖStA, KA, HKR Protokoll Expedit, Bd. 418/419, September 1703, fol. 787,51. 24 WStLA, 3.6 Sammlungen, Patent 1050 vom 9. Dezember 1703: Die niederösterreichischen Landstände befehlen aufgrund des Kriegs mit Frankreich und Bayern sowie wegen des Ungarn-Aufstandes eine Musterung. 25 ÖStA, KA, HKR Protokoll Expedit, Bd. 418/419, Dezember 1703, fol. 1205; 1239 b,313. Akt zur Stelle 313: ÖStA, KA, HKR Expedit Register 88, Februar bis Oktober 1704.

Damit war die rechtliche Voraussetzung geschaffen, den Verzehrungssteuerrayon auszuweiten, was auch 1891 durchgeführt wurde: 33 Vororte und 20 weitere Gemeinden wurden miteinbezogen. Somit war der Wall seiner Funktion als Steuergrenze enthoben und konnte abgerissen werden. 18 Im Jahre 1894 wurde mit dem Abbruch der Linien begonnen (Abb. 2). In dieser Zeit wurden die Gürtelstraße19 fertiggestellt, ein Generalstadtplan20 ausgearbeitet und die Stadtbahn gebaut21. Der Linienwall als Bauwerk Im Laufe des Jahres 1703 wurden verschiedene Überlegungen angestellt und zahlreiche Zusammenkünfte abgehalten, um geeignete Maßnahmen für den Schutz der Stadt zu setzen. Bereits im Jänner 1703 machte der Stadtkommandant Ferdinand Marchese degli Obizzi (gest. 1710) darauf aufmerksam, dass die Kasemattengewölbe in den Bastionen zu reparieren seien, dass Palisaden herbeizuschaffen seien und dass auch Munition und anderes „Zeug“ vonnöten sein werde. 22 Im September desselben Jahres ersuchte er darum, die Vorgärten und Häuser auf den Bastionen zu entfernen, um sie in Verteidigungsbereitschaft setzen zu können. 23 Die Feindesbedrohung an der West- (französische und bayerische Truppen) und an der Ostgrenze (Kuruzzen unter der Führung von Ferdinand Rákóczi) des Habsburgerreiches gegen Ende des Jahres spiegelt sich in den erhaltenen Dokumenten wider24: Eine Hofkommission, welche die Verteidigung der Stadt zum Thema habe, solle eingesetzt werden und ebenso solle eine Konferenz zur Feststellung, wie viel Munition zur Verteidigung der Stadt erforderlich sei, einberufen werden. 25 Weitere Themen, die wegen einer gewissen Dringlichkeit immer wieder angeschnitten wurden, waren zum ei-

146 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Aufsätze

nen die Verproviantierung26 der Bevölkerung für den Fall der Belagerung und zum anderen die Finanzierung der erforderlichen Aufwendungen rund um die Kriegsereignisse. Besonders aus den Jahren 1703 und 1704 sind entsprechende Berichte erhalten, welche die finanzielle Situation (Bedürftigkeit) des Kaisers aufzeigen. Aus diesen geht eindeutig hervor, dass der Kaiser zur Finanzierung des Krieges Geld brauchte und daher seine Untertanen dazu verpflichtete, aus deren Privatvermögen einen gewissen Prozentsatz in Form einer Vermögenssteuer für diese Unternehmungen abzugeben. 27 Schließlich wurde gehandelt. Am 16. Jänner 1704 erließ der Kaiser eine Verordnung, aus der hervorgeht, dass die Stadtbefestigung eiligst repariert werden müsse und die Befestigung der Leopoldstadt und der Vorstädte notwendig sei. Bereits damals wurde zum ersten Mal eingefordert, dass jede Person ohne Unterschied, „gleichwie 1683, Hand anzulegen“ habe, wobei aus dem nachfolgenden Text hervorgeht, dass zu diesem Zeitpunkt von den Bürgern hauptsächlich die Abgabe von Steuern, sie wird in diesem Fall als Schanzsteuer bezeichnet, erwartet wurde. 28 Am 18. Februar 1704 trat eine Kommission unter der Führung des Hofkriegsratspräsidenten, Prinz Eugen von Savoyen, zusammen. 29 Weitere Teilnehmer waren der Generalkriegskommissar Breuner, der Statthalter des Niederösterreichischen Regiments Ferdinand Karl Graf von Welz und Hofkammerpräsident Gundaker Thomas Graf Starhemberg. Die Ergebnisse der Beratung ließ von Savoyen am nächsten Tag zusammenfassen und als Defensionsvorschläge dem Kaiser vorlegen. 30 Folgende fünf Fragestellungen standen im Zentrum der Beratungen: •

Wie viele Menschen sind zur Verteidigung der Stadt notwendig und woher sollen sie rekrutiert werden?



Wie soll die Proviantierung durchgeführt werden und woher soll das Baumaterial beschafft werden?



Wie sollen die Mittel für die Artillerie aufgebracht werden?



Sollen zum Schutz der Vorstädte neue Mauern errichtet werden?



Woher und wie sollen die Mittel beschafft werden?

Die Ausführungen über den Schutz der Vorstädte sind in unserem Fall von besonderem Interesse: Eugen von Savoyen riet mit eingehender Dringlichkeit „vor allen anderen“ Dingen, die Leopoldstadt zu befestigen, da sie wichtig für die Kommunikation mit dem Hinterland sei und den Bauern des Umlandes Schutz gewähren könne. 31 Die übrigen Vorstädte sollten ebenfalls von einer Mauer umgeben werden. In beiden Angelegenheiten wurde angeraten, eiligst Zeichnungen anfertigen zu lassen, damit bald mit der Ausführung der Werke begonnen werden könne. Offensichtlich wurden die Vorschläge der Kommission sehr bald genehmigt, denn bereits am 24. März 1704 ritt der Kaiser die geplante Trasse des Linienwalls ab und ordnete alsbald den Bau der Verteidigungsanlage an. 32 Der Hofmathematiker Johann Jakob Marinoni (1676–1755) wurde mit der Anfertigung eines Entwurfplanes beauftragt. 33

26 ÖStA, KA, HKR Protokoll Expedit, Bd. 423, 3. Februar 1704, fol. 105,293: Visitierung wegen der Proviantierung; ÖStA, AVA, Hofkanzlei, Allgemeine Reihe 1778, 16. Jänner 1704: In diesem Schreiben wird Bezug genommen auf einen Erlass zur Universalproviantierung vom 7. Oktober 1703. 27 WStLA 3.6. A1, Patent vom 23. März 1703, 19. Mai 1703, 29. August 1703, 22. Dezember 1703, 6. Mai 1704. 28 Verordnung von Leopold I. am 16. Jänner 1704, repetiert am 14. Februar 1704 in: Codicis Austriaci Ordine Alphabetico Compilati. Pars Secunda (Wien 1704) 499 f. 29 Buchmann 1974, 18 f. 30 ÖStA, KA, HKR Protokoll Expedit, Februar bis Oktober 1704, Akt zur Stelle 324 im Februar 1704 und ÖStA, KA, HKR Protokoll Register, Bd. 324, 23. Februar 1704, fol. 148. 31 ÖStA, KA, HKR Protokoll Register, Bd. 324, 23. Februar 1704, fol. 8 f. 32 G. Ratzenhofer (Bearb.), Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen. Ser. 1 Bd. 6: Spanischer Successions-Krieg (Wien 1879) 751: Feldzug 1704, 13. Hof-Commissions-Decret über die Befestigung der Vorstädte. Wien, 24. März 1704. 33 Czeike, Lexikon Wien 4, 183 s. v. Marinoni.

147 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Die Ausführung Kaiser Leopold I. betraute den damaligen Vizestatthalter, Graf von Welz, mit der Durchführung des Bauprojekts. Da zu jener Zeit die Kuruzzen das Stadtgebiet von Wien unsicher machten, drängte der Kaiser zu entsprechender Eile, was sich auch darin äußerte, dass alle Bewohner innerhalb der Linien, ganz gleich ob Adelige, Geistliche, Frauen oder Fremde, „Kopf an Kopf“ Hand anzulegen hätten. 34 Weiters rechnete man damit, dass etwa sechstausend Mann täglich zur Arbeit erscheinen würden, die auch für ihr eigenes Arbeitsgerät (Schaufel und Krampen) zu sorgen hätten. Für den Fall des Nichterscheinens wurden verschiedene Strafmaßnahmen angedroht. Am 25. März 1704 sollte mit dem Ausstecken der Linienführung begonnen werden, am darauffolgenden Tag sollten jene Arbeiter angestellt werden, die zuvor an der Brückenschanze in der Leopoldstadt gearbeitet hatten. Auch 34 Ratzenhofer (Anm. 32) 751. 35 ÖStA, KA, HKR Protokoll Expedit, Mai bis August 1704, fol. 952 b; ÖStA, KA, HKR Protokoll Register, Jänner bis Juli 1704, fol. 410 b; 466. 36 WStLA 3.6. A1, Patent 950 vom 22. Dezember 1703: Leopold I. ordnet zur Finanzierung seiner Kriege die Einhebung einer Vermögenssteuer an; Patent 955 vom 30. April 1704: Einführung einer Universalsteuer; Patent 956 vom 6. Mai 1704: Leopold I. erlässt für die Untertanen in Böhmen eine Vermögenssteuer zur Finanzierung seiner Kriege und er erlässt auch am 5. Juni 1705 (Patent 973) für die Grundund Hausbesitzer in Wien und den Vorstädten eine Notsteuer zur Finanzierung der Feldzüge des Eugen von Savoyen in Ungarn und der Lombardei. 37 WStLA 3.6. A1, Patent 959 vom 4. Juni 1704. 38 ÖStA, KA, HKR Protokoll Register, Jänner bis Juli 1704, fol. 747: degli Obizzi fragt am 22. Juli 1704 an, warum und aufgrund welchen Befehls die Arbeit an den Linien eingestellt worden sei. 39 Ein Wiener Schuh entspricht 0,316 m. Czeike, Lexikon Wien 5, 156 s. v. Schuh, Wiener. 40 ÖStA, KA, Kartensammlung VIIe, Wien 107 b, 153E: Einrichtung Disposition über die Linie (1704). 41 C. Freschot, Relation von dem Kayserlichen Hofe zu Wien (Köln 1705) 44–46. 42 A. Desing, Auxilia Historica, Oder Historischer Behülff, Und Bequemer Unterricht Von Denen darzu erforderlichen Wissenschaften II 1 (Regensburg 1741) 1070. 43 ÖStA, AVA, Hofkanzlei, Allgemeine Reihe 1778, Schreiben vom 25. August 1704. 44 WStLA, Alte Registratur, Nr. 151/1705 vom September 1704, Punkt 3. 45 ÖStA, KA, HKR Protokoll Register, August bis Dezember 1704, fol. 1170 (13. November 1704).

Kriegsgefangene, im Speziellen gefangene Rebellen oder Kuruzzen, wurden zu den Arbeiten an den Linien herangezogen. In einem Fall wird berichtet, dass sogar diese Arbeitskräfte zu teuer seien und man daran dachte, die gefangenen Rebellen gegen ebenfalls gefangene steirische Offiziere auszutauschen. 35 Das Umsetzen des neuen Verteidigungskonzepts verlangte nicht nur den Einsatz sehr vieler Arbeitskräfte sowie Arbeitsgeräte und Baumaterial, sondern vor allem auch eine große Menge an Geldmitteln. In Anbetracht der gebotenen Eile musste zusätzlich zu den schon mehrmals eingehobenen Steuern36 zur Finanzierung der Kriegszüge noch die sog. Schanzsteuer eingeführt werden. Trotz dieser Maßnahmen dürfte das Aufbringen von Geldmitteln für die Errichtung des Verteidigungswerks während der Bauarbeiten immer wieder gefährdet gewesen sein. So erfahren wir aus einem Schriftstück vom 4. Juni 1704, dass neuerlich eine Schanzsteuer eingehoben wurde, damit das Werk überhaupt weitergebaut werden konnte. 37 Tatsächlich musste es im Juli 1704, nach knapp viermonatiger Bauzeit, aus Geldmangel für beendet erklärt werden. 38 Nach der eher kurzen, aber intensiven Bauzeit war ein Verteidigungswerk entstanden, das laut zeitgenössischer Quellen folgendermaßen beschrieben wurde: Der Wall sei zwölf Schuh39 hoch und neun Schuh tief, ringsherum mit Palisaden und mehreren geschlossenen Schanzen versehen. 40 Außerdem hatte er neun Tore für den Verkehr und fünf Durchlässe für Flüsse bzw. Bäche. An den Toren war stadtseitig jeweils ein Haus für sechzig Mann Bewachung vorgesehen. Casimir Freschot (gest. 1720), ein Benediktiner, der sich 1704 in Wien aufgehalten hatte, berichtete mit einiger Skepsis über das Projekt, indem er bemerkte, dass man den Wall, der nur aus Erde errichtet sei, ohnehin leicht wieder niederreißen könne und ob das Geld nicht besser, wie schon Prinz Eugen gesagt habe, für den Ausbau der Truppen ausgegeben worden wäre. 41 Anselm Desing (1699–1772), ein anderer Benediktinermönch, der zur Zeit Karls VI. immer wieder in Wien weilte, meinte, dass die Befestigungswerke von Wien stark und die Vorstädte zwar von einer Linie umgeben seien, auf die man sich aber nicht ganz verlassen könne. 42 Bald nach Fertigstellung des Bauwerks wurde ein an den Kaiser gerichtetes Schreiben verfasst, in dem einige Vorschläge zur Bewachung der Linien aufge-

148 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Aufsätze

führt sind. 43 Der Schreiber erwähnte, dass die Linien fertiggestellt seien und für die Erhaltung Geld und für die Bewachung eine Mannschaft notwendig seien. Um Ersteres zu gewährleisten, solle von jeder Person, die innerhalb der Linien wohne und das sechzehnte Lebensjahr überschritten habe, eine Defensionssteuer (maximal 24 Groschen pro Jahr) eingehoben werden. Mit den Einnahmen solle weiters eine Wachmannschaft von mindestens 600 Mann bezahlt werden sowie deren Verpflegung und auch die Instandhaltung der Linien. Damit die Linien auch in Friedenszeiten ausreichend besetzt werden könnten, solle die bestehende Stadtgarde von 1200 Mann auf 2400 Mann aufgestockt werden. Weiters solle man auch 200 Dragoner einsetzen, die bei den Linien wie auch in der Stadt patrouillieren sollten. Schon bald nach der offiziellen Verkündigung der Fertigstellung wurde Kritik an der Ausführung laut. So vermerkte der Bürgermeister in einem Bericht an die Defensionskommission, dass sich die Linien noch nicht in einem klaglosen Zustand befänden. So gehöre, seiner Meinung nach, der Graben erweitert und die Brustwehr vergrößert und in einen vollkommenen Stand gesetzt. 44 Der Kommandant der Stadtguardia, Marchese degli Obizzi, berichtete im November 1704, dass die Linien in einem schlechten Zustand seien. 45 Da sich die unmittelbare Kriegsgefahr in den folgenden Monaten immer weiter nach Osten verlagerte, war der Zustand der Linien im Sinne der Verteidigung aber bald kein besorgniserregendes Thema mehr. Einige Jahre später berichtete Mathias Fuhrmann in seiner chronologisch-historischen Beschreibung der Stadt Wien, dass der Linienwall mit Ziegeln verkleidet worden sei. 46 In den folgenden Jahrzehnten mussten immer wieder Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Vor allem dann, wenn eine militärische Bedrohung erwartet wurde. 47 Der Verlauf des Linienwalls im Überblick Es liegen sowohl im Österreichischen Staatsarchiv, speziell im Kriegsarchiv, als auch im Wiener Stadt- und Landesarchiv zahlreiche Detailpläne zum Verlauf des Linienwalls auf, die vorwiegend nach der Mitte des 19. Jahrhunderts, wohl im Zuge der Entstehung der Gürtelstraße, entstanden sind. 48 Bereits kurz nach der Fertigstellung des Linienwalls wurde eine Karte angefertigt, die die Stadt Wien mit ihren Vorstädten und Verteidigungswerken zeigt. Ausführende waren der Militäroberingenieur Leander Anguissola (1653–1720) und der Hofmathematiker Johann Jakob Marinoni (1676–1755), als Kupferstich wurde der Plan im Jahr 1706 vorgelegt (Abb. 3). Bei Betrachtung des Plans fällt auf, dass der Linienwall sich einerseits an den äußersten Vorstadtbebauungen orientierte und andererseits über weite Strecken auf der Geländekante der Arsenalterrasse zur Stadtterrasse situiert war. 49 Der gesamte Linienwall wurde zickzackförmig angelegt, um die Verteidigungsmöglichkeiten zu verbessern. Im Südosten beginnend beim Hauptarm der Donau (heute in etwa Wien 2, Stadionallee) verlief der Wall ursprünglich knapp nördlich der Schleife eines Donauseitenarmes. Später wurde dieser Arm durch Regulierungsmaßnahmen begradigt50 und die Schleife um das sog. Erdberger Mais51 verlandete. Der

46 Fuhrmann (Anm. 3) 1231. In welchem Jahr der Wall tatsächlich verkleidet wurde, erschließt sich nicht aus den Quellen. Vermutlich erfolgte sie im Zeitraum zwischen 1705 und 1738. 47 ÖStA, KA, HKR Protokoll Expedit, November bis Dezember 1741, fol. 3041: Im Jahre 1741 wollte man die Linien wieder fortifizieren und mit entsprechender Mannschaft besetzen. NÖLA, Präsidialakten 1797, Nr. 383, 30. April 1797: Im Jahre 1797 erging eine Beschwerde an die k. k. Niederösterreichische Landesregierung, dass die Arbeiter, die an der Herstellung der Linien tätig seien, aus dem Militäräraris bezahlt werden sollten. Am 26. Dezember 1800 berichtet der aus Kremsmünster nach Wien geflüchtete Abt, dass in Anbetracht der heranrückenden Franzosen mehrere tausend Menschen zu Schanzarbeiten an die Linien geschickt worden seien. Allerdings wurden am 3. Jänner 1801 die Schanzarbeiter wieder entlassen, da die militärische Bedrohung nicht mehr sehr massiv war. B. Pösinger (Hrsg.), P. Beda Planks „Fluchtreise 1800–1801“ (Linz 1913) 11–15. 48 Eine Überlagerung des heutigen Stadtplanes mit historischen Plänen und somit der genaue Verlauf des Linienwalls ist auf www.kulturgut.wien.at abrufbar. Siehe dazu auch Buchmann 1974, 41–44. 49 Im Wiener Raum handelt es sich um pleistozäne Donauschotterterrassen, die donauparallel getreppt vorliegen, wobei auf der morphologisch höchsten Terrasse die ältesten, eiszeitlichen Ablagerungen liegen. Die einzelnen Terrassen werden im Wiener Stadtgebiet aufgrund der Höhenlage der Terrassensockel in Bezug auf die Donausohle charakterisiert und nach dem dominanten, lokalen Vorkommen benannt, z. B. ist die mindelzeitliche Arsenalterrasse typisch beim Arsenal ausgebildet und die risszeitliche Stadtterrasse im Bereich der inneren Stadt (Sabine Grupe, Wiener Gewässer Management GmbH). Zu den geologischen Grundlagen siehe unten, Beitrag S. Grupe, 161 ff. 50 Diesen Hinweis verdanke ich S. Hohensinner, Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement, Universität für Bodenkultur Wien. Er nannte auch eine Bildquelle, wo der Durchstich am Erdberger Mais dargestellt ist: WStLA 3.2.1.1.P1.42, Mappa über den Erdberger Mais und die in Solchen ausgesteckte gärten und wisen, sambt den alten und neuen alda befindlichen Donau Armbs, 1748. 51 Ein Situationsplan von 1829 zeigt die veränderte Situation. In der ehemaligen Donauschlinge sind zahlreiche Gärten und Felder entstanden: WStLA 3.2.2.P10/3.116891, Katastralplan aus dem Jahr 1829.

149 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Abb. 3: Grundrissplan von Wien mit seinen Vorstädten und dem Linienwall von Leander Anguissola und Johann Jacob Marinoni, 1704 (1706), Süd-Ost orientiert. (WStLA, Kartographische Sammlung At 41)

Aufsätze

150 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Aufsätze

Wallabschnitt in der ehemaligen Schlinge des Donauarmes war folglich nutzlos, da er isoliert dastand. 52 Beim Erdberger Mais stieg der Wall in Richtung Südwesten relativ geradlinig bergan bis zum heutigen Wildgansplatz (Wien 3; siehe unten). Dort machte er einen scharfen Knick Richtung Norden und verlief einen Halbkreis beschreibend, dessen Scheitel zur Stadt gerichtet war, weiter nach Westen. Ein neuerlicher Richtungswechsel erfolgte im Bereich des heutigen Margaretengürtels und Übergangs zum Gaudenzdorfer Gürtel (Wien 5). Von hier führte der Wall terrassenabwärts zum Wiental (Wienfluss) und stieg auf der anderen Talseite in Richtung Norden wieder an (entspricht heute in etwa dem Verlauf Gumpendorfer Gürtel und Mariahilfer Gürtel). Der Linienwall verlief weiter Richtung Norden bzw. bogenförmig bis in den Nordosten, um dort wie-

Abb. 4: Hundsturmer Linienkapelle in Wien 5, Bruno-Kreisky-Park, Baujahr 1759. (Foto: I. Mader)

der einen Donauarm zu erreichen. Auf diesem Weg mussten drei weitere Bäche und die damit verbundenen Einschnitte im Gelände überwunden werden. Zunächst der Ottakringer Bach, welcher in etwa der heutigen Thaliastraße und Lerchenfelder Straße folgte, und dann der Alsbach, der in diesem Abschnitt im Bereich der heutigen Lazarettgasse (Wien 9) zu suchen ist. Terrassenabwärts, auf der Höhe Gentzgasse und Achamergasse (an der Grenze vom 18. zum 9. Bezirk) wurde der Wall vom Währinger Bach unterbrochen. 53 Der Linienwall endete schließlich wieder an einem Seitenarm der Donau, in der Spittelau (heute Grenzbereich 9./19. Bezirk). 54 Der Wall war in seiner ursprünglichen Konzeption von neun Toren durchbrochen: dem St. Marxer Tor, Favoritner Tor, Wienerberger Tor (Matzleinsdorfer Platz), Schönbrunner Tor, Mariahilfer Tor, Lerchenfelder Tor, Hernalser Tor, Währinger Tor und dem Nußdorfer Tor. Diese wurden in der Nacht geschlossen, was aber nicht bei allen Linientoren gleich gehandhabt wurde. 55 Innerhalb der Linien wurden zwischen 1740 und 1760 bei den Toren Linienkapellen errichtet, die dem Hl. Nepomuk geweiht waren. 56 Die Matzleinsdorfer Kapelle hatte im Volksmund auch den Namen Delinquentenkapelle. 57 Berühmt wurde sie auch, weil die dritte Gemahlin von Franz I., Maria Ludovika, 1816 interimistisch hier beigesetzt und eingesegnet worden war. 58 Alle Kapellen, bis auf jene bei der Hundsturmer Linie (Wien 5, Bruno-Kreisky-Park; Abb. 4), wurden entweder abgetragen oder an einen anderen Standort verlegt. Der Linienwall als Steuergrenze Der Linienwall war ursprünglich zum Schutz der Stadt Wien und ihrer Vorstädte konzipiert und erbaut worden. Nachdem die unmittelbare Gefahr durch die aufständischen Kuruzzen von Wien abgewendet worden war, blieb die Frage, ob und wie man die Erhaltung und Bewachung des Bauwerks weiterhin finanzieren sollte. Relativ rasch wurde der praktische Nutzen der physischen Grenze erkannt. Der Wall brachte neue Möglichkeiten der Kontrolle. Durch neun Tore führten die Hauptverkehrswege für Menschen und Waren zu und aus der Stadt. Ideal für

52 Eine Eingabe des Richters der Gemeinde Erdberg an den Stadtrat und Bürgermeister von Wien verdeutlicht die Situation. Er bittet darum, die unbrauchbare Linie, die durch die Abtrennung des Donaustromes entstanden sei, entweder umzubauen oder abzubrechen. WStLA, Alte Registratur, Nr. 55/1717, Brief vom 26. Februar 1717. 53 Ein Grünstreifen zwischen den Häuserblöcken Sechsschimmel-, Lustkandl- und Fuchsthallergasse (Wien 9) zeigt heute noch den Verlauf des ehemaligen Bachbettes an. 54 Dieser Seitenarm der Donau wurde schon im frühen 18. Jh. zum Verlanden gebracht (siehe Abb. 3). Auf der josephinischen Landesaufnahme (1773–1781) ist die veränderte Situation zu sehen. Der Wall endet an einem schmalen Gewässer, der Hauptarm (Donaukanal) fließt weiter nördlich. 55 A. Zaleisky (Bearb.), Handbuch der Gesetze und Verordnungen welche für die Polizei-Verwaltung im österreichischen Kaiserstaate von 1740–1852 erschienen sind 2 (Wien 1853) 335 s. v. Linien=Passirung; WStLA 1.2.1. A2, Bericht 347 vom 21. August 1769: Anzeige betreffend die Ausschreitungen der Mautbeamten an der Linie in Favoriten. Zu einer humoristischen Darstellung über den Umgang mit Verboten und Bestechlichkeit der Beamten aus dem 18. Jh. siehe: Der Patrullir= Teufel. Bei Gelegenheit des Verbotes nach 9 Uhr Niemanden mehr bei den Linien herein und hinaus zu lassen. Den Aufsehern, Beschauern, und Mauthbeamten an den Linien gewidmet (Wien 1787). 56 Czeike, Lexikon Wien 4, 69 s. v. Linienkapellen. 57 Verurteilte, die zur Richtstätte an der Spinnerin am Kreuz geführt wurden, durften an der Kapelle ein letztes Gebet sprechen.

151 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Abb. 5: Das Favoritner Tor mit Linienkapelle und den Amtshäusern. Ausschnitt aus der Perspektivdarstellung von Joseph Daniel Huber, 1769–1773 (1778). (WStLA, Kartographische Sammlung 11)

58 Wiener Zeitung, Jg. 118, Samstag, 27. April 1816, 1; Die Presse, 44. Jg., Sonntag, 9. August 1891, 9 f. 59 Über die Finanzgebarungen der Stadt Wien siehe v. a. O. Brunner, Die Finanzen der Stadt Wien von den Anfängen bis ins 16. Jahrhundert (Wien 1929) 79–124 zu Steuern, Mauten, Monopolen. 60 Einige Beispiele zur Veranschaulichung: WStLA 3.6. A1, Patent 359 vom 21. Juni 1638: Ferdinand III. erlässt ein Patent, aus dem hervorgeht, dass künftig für jedes Getränk Ungeld (Steuern) bezahlt werden muss; Patent 950 vom 22. Dezember 1703: Leopold I. erlässt für Ober- und Niederösterreich zur Finanzierung seiner Kriege eine Vermögenssteuer; Patent 1009 vom 13. Februar 1707: Joseph I. erlässt zur Finanzierung der Kriege für alle Einwohner Wiens eine doppelte Schanzsteuer. 61 WStLA 1.2.1. A3, Hofdekret 210 vom 19. Juli 1766: Die k. k. Jägerei sei in den Fällen zur Bedienung des Hofes vom Linien- und Weggeld zu befreien. 62 WStLA 1.2.1. A4, Dekret vom 30. Jänner 1760. 63 Im Jahr 1703 wurden z. B. Abgaben auf Mehl, Brot und Grieß eingeführt. Siehe Buchmann 1979, 20 Anm. 3. 64 Buchmann 1979, 21. 65 WStLA, Alte Registratur, Nr. 95/1704, Schreiben vom 30. September 1704. Siehe auch Situationsplan von 1704 (Anm. 40): Stadtinnenseitig sind an den Toren Häuser für 60 Mann Bewachung (Corps de Garde) vorgesehen und zwischen den Toren kleinere Häuser für 20 Mann Bewachung. 66 Joseph I. erließ 1705 ein Patent, in dem er seinen Unmut kundtat, da anscheinend manche Leute nicht die vorgesehenen bewachten Tore benutzten, sondern die Linien auf eigenen

die Nutzung als Steuergrenze. Das weitere Bestehen des Linienwalls verdankte er ausschließlich dieser Bestimmung. Die Einnahmen durch Mauten und andere Steueraufschläge sind keine Erfindung des 18. Jahrhunderts. 59 Die Landesfürsten scheuten sich zu keiner Zeit davor, für gewisse Belange Extrasteuern einzuführen60 oder aus durchaus eigennützigem Ansinnen Steuern oder Mauten zu erlassen61. Manche Einwohner Wiens hatten dadurch ein eher schwereres Los zu tragen, wie das Beispiel eines Fleischhackers zeigt, der jedes Mal, wenn er seine Äcker außerhalb der Linien betrat, die patentmäßige Maut zu entrichten hatte. 62 Bevor die Mauthäuser an den Linien errichtet worden waren, hatten an den Hauptstraßen Schranken bestanden und sog. Aufschlagämter, wo Abgaben für zu importierende Waren zu leisten waren. 63 Überwacht wurde das rechtmäßige Vorgehen von sog. Überreitern, die offensichtlich auch sehr empfänglich für Schmiergeldzahlungen waren. 64 Mit dem Errichten der Linienwälle trat eine Reglementierung ein. Noch im September 1703 erließ der Kaiser ein Schreiben, aus dem hervorgeht, dass für das Corps de Garde und die Bierschreiber (Steuereinnehmer) Wohnungen an den Linien erbaut werden sollten. 65 Natürlich fanden manche Leute trotzdem Mittel und Wege die „Amtswege“ zu umgehen. 66 Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden die Linienämter errichtet. Sie lösten die Aufschlagämter und Mauthäuser ab. Die Einrichtungen waren an den größeren Straßen stadtseitig auf einem eigens gestalteten Platz errichtet worden und setzten sich aus drei unterschiedlichen Gebäuden zusammen. Das größte Bauwerk beherbergte das Linienmauthaus, die zwei kleineren das Wegamt und das Holzaufschlagamt. In den Häusern waren auch die Wohnungen der Beamten untergebracht (Abb. 5). 67 Noch im 18. Jahrhundert entstanden drei weitere Durchlässe: einer am Ende der Erdbergstraße (heute Kreuzung Erdbergstraße/Schlachthausgasse)68, ein Fußgehertor in der Belvedere Linie und ein Fußgehertor in der Gumpendorfer Linie69. Erweitert wurden die meisten Torpassagen im Laufe des 19. Jahrhunderts, denn die verkehrstechnischen Erneuerungen, wie zum Beispiel die Eisenbahnlinien und die zugehörigen

152 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Aufsätze

Abb. 6: Breite Durchfahrt in der Belvedere Linie, im Hintergrund Schloss Belvedere. Foto aus dem Atelier Edmund Tietz, Wien 7. (Wien Museum, Inv.-Nr. 8.945)

Bahnhöfe70, die fast alle außerhalb der Linien lagen, verursachten einen höheren Durchgangsverkehr (Abb. 6). Bevor die Vorstädte mit der Stadt Wien rechtlich einen Zusammenschluss erfuhren, wurde der Linienwall nochmals in seiner fiskalischen Funktion voll bestätigt. Im Jahre 1829 führte man die Verzehrungssteuer ein, die wiederum die seit dem Jahre 1811 eingehobene Stadtmaut ablöste. Sowohl mit der Stadtmaut als auch mit der Verzehrungssteuer versuchte man wohl die historisch gewachsenen, unterschiedlichsten und schwer durchschaubaren Steuerpraktiken zu vereinheitlichen. 71 Allerdings erfreuten sich die neuen Regelungen keiner Beliebtheit bei der Bevölkerung. Bezeichnend ist die Veröffentlichung der Staatsregierung in der Wiener Zeitung vom März 1848: Der Bevölkerung wird mitgeteilt, dass ein Herabsetzen der Verzehrungssteuer auf Lebensmittel wie Obst, Kartoffeln, Getreide, also auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs, der ärmeren Bevölkerung zugute kommen solle. Gleichzeitig wird auch berichtet, dass es zu Plünderungen gekommen sei, da man, nach Ansicht des Schreibers, die Steuern nicht ganz zu Unrecht als drückend empfinde. 72 Mit dem seit langem diskutierten Vorhaben, die Stadt mit ihren Vororten zu vereinen, tauchte neben dem Dauerthema Steuern auch die Frage auf, wem nach Abtragen des Walls die freien Flächen zuzuschlagen seien. 73 Die Gemeinde war bestrebt, die Linienwallgründe in ihre Obhut zu bekommen. Ein Großteil der grundherrschaftlichen Gebiete innerhalb der Linien war im Besitz der Geistlichkeit. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts kaufte die Gemeinde nach und nach zwei Drittel der Besitzungen der verschiedenen Grundobrigkeiten innerhalb der Linien auf. 74 Rechtlich gipfelte die Entwicklung schließlich in dem Zusammenschluss der Inneren Stadt mit den Vorstädten (1850) zu einer gemeinsamen Verwaltungseinheit. 75 Der Linienwall selbst und eine ihn innerhalb und außerhalb umgebende Bauverbotszone unterstand dem Militär und wurde im Jahre 1858 der Finanzverwaltung übergeben. 76 Nach dem Jahre 1890, als Wien mit den Vororten per Gesetz verbunden worden war, wurden die Linien-

Wegen überstiegen. Falls diese Personen erwischt werden sollten, drohe ihnen Band und Eisen oder sogar „Leibs=Straff“. Codex Austriacus, Appendix 18 (Wien 1705) Patent 21 vom 16. September 1705. 67 B. M. Buchmann, Der Wiener Linienwall und die Linienämter. WGBl 33/2, 1978, 70 f. mit Quellenangaben. 68 ÖStA, FHKA, Kartensammlung, Ra 0530/ 1: Situationsplan an der Erdberger Linie. Vorgelegt von Johann Georg Lack, bürgerlicher Bau- und Maurermeister vom August 1765. Wiedergegeben sind die neu konzipierten Wachhäuschen zwischen dem Wiener Kanal, dem alten Kanal, der Hauptstraße (Erdbergstraße) und dem an das Erdberger Mais grenzenden Linienwall. 69 Ein Linientor, das auch für den Fahrverkehr geeignet war, erhielt Gumpendorf erst im 19. Jh. Czeike, Lexikon Wien 2, 634 f. s. v. Gumpendorf. 70 Außerhalb der Linien lagen der Gloggnitzer Bahnhof (Vorgänger des Südbahnhofs, errichtet 1840–1842), der Raaber Bahnhof (Vorgänger des Ostbahnhofs, errichtet 1846) und der Westbahnhof (errichtet 1857–1859). 71 Buchmann 1979; F. Hauer, Die Verzehrungssteuer 1829–1913 als Grundlage einer umwelthistorischen Untersuchung des Metabolismus der Stadt Wien. Social ecology working paper 129 (Wien 2010) www.uni-klu.ac. at/socec/downloads/WP129_web.pdf (31.5. 2011). 72 Wiener Zeitung, Nr. 81, Dienstag, 21. März 1848, 1 f. Dazu auch: NÖLA, Präsidialakten, Index 1848 s. v. L: Bericht über Plünderungen und Brandlegungen an den Linien.

153 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Abb. 7: Linie bei St. Marx, Landstraße. Aquarell von Emil Hütter, 1860. (Wien Museum, Inv.-Nr. 66. 821)

ämter und die Verzehrungssteuergrenze an die Vororte-Grenzen verlegt. Das Finanzministerium verkaufte nun die Grundstücke an die Gemeinde und diese konnte die längst überfälligen städtebaulichen Projekte verwirklichen (Gürtelstraße, Stadtbahnbau, Wienflussregulierung). 77 Die archäologisch-bauhistorischen Untersuchungen Schon im späten 19. Jahrhundert, bevor der Linienwall zum Abbruch freigegeben wurde, waren fotografische Aufnahmen und Pläne angefertigt worden. Die Pläne wurden vor allem hinsichtlich der längst anstehenden Durchführung ver73 Reichshaupt- und Residenzstadt Wien. Vorlagen der Kommission zur Berathung der Verzehrungssteuer und der Vereinigung der Vororte mit Wien (Wien 1880–1890) Nr. 4 (1889); 7 (1889). 74 Dazu W. Sauer, Grund-Herrschaft in Wien 1700–1848. Zur Struktur und Funktion intermediärer Gewalten in der Großstadt. Kommentare Hist. Atlas Wien 5 (Wien 1993) 73–96. 75 Verordnung des Ministers des Innern vom 9. März 1850, Z. 1286-M. I., wegen Erlassung der provisorischen Gemeindenordnung für die Stadt Wien: www.verfassungen.de/at/wien/ statut50-i.htm (31.5. 2011). 76 Buchmann 1974, 93. 77 Ch. Veigl (Hrsg.), Stadtraum Gürtel, Wien: Natur, Kultur, Politik (Wien 1999) 25–53. 78 Der Großteil der erhaltenen Pläne ist im ÖStA, AVA/FHKA, A-II-b/66–71 aufbewahrt, einige im WStLA 3.2.2.P6/1 Straßenbau. 79 Czeike, Lexikon Wien 3, 295 f. s. v. Hütter Emil. Im Wien Museum sind zahlreiche zeitgenössische Fotografien, Malereien und Grafiken aufbewahrt, die kurz vor dem Abriss des Linienwalls entstanden sind. Frau Elke Wikidal sei in diesem Zusammenhang für ihre Unterstützung herzlich gedankt.

kehrstechnischer Maßnahmen in Auftrag gegeben. Für das Projekt „Gürtelstraße“ mussten die Grundstücke, die von der Konzeption betroffen waren, von der Gemeinde abgelöst werden. Dazu war ein detaillierter Bestands- und Situationsplan von äußerster Wichtigkeit. Erfreulicherweise sind einige dieser Pläne erhalten. 78 Im 19. Jahrhundert keimte auch das Interesse auf, monumentale Bauwerke, die zum Abbruch vorgesehen waren, in Bildern festzuhalten. Das gilt in hohem Maße für die Wiener Stadtbefestigung, die kurz vor ihrem Abbruch vor allem von Emil Hütter (1835–1886) zeichnerisch aufgenommen wurde, und auch für den Linienwall (Abb. 7). 79 Im Zuge von Umbauarbeiten oder Stadterweiterungsmaßnahmen konnten und können immer wieder Reste des Linienwalls zutage treten. Im 20. Jahrhundert war das Interesse an Bauwerken der jüngeren Vergangenheit eher mäßig und sie wurden daher auch nur selten dokumentiert. Die Reste von angetroffenen Vorgängerbauten wurden oft entfernt und damit das Wissen um sie. In den letzten Jahrzehnten hat sich erfreulicherweise das Bewusstsein hin zur Wichtigkeit aller Bodendenkmale erweitert. U-Bahn-Baustelle Wien 6, Neubaugürtel Anlässlich der Bauarbeiten zur neu entstehenden U-Bahn-Linie U3 stieß man im Jahre 1988 auch auf den Linienwall in Wien 6, innerer Neubaugürtel, auf

154 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Aufsätze

der Höhe des Sophienspitals. Mitarbeiter der Stadtarchäologie Wien konnten nur mehr ein paar Überreste zumindest fotografisch festhalten (Abb. 8). 80 Die Denkmalschutzgrabung in Wien 3, Dr.-Bohr-Gasse Im November 2006 konnte in Wien 3, Dr.-Bohr-Gasse bei Bauarbeiten auf dem Campus-Vienna-Biocenter von Kollegen des Bundesdenkmalamtes, Abteilung Bodendenkmale, ein Teilstück des Walls dokumentiert werden. 81 Aufgefunden wurde ein ca. 30 m langer Abschnitt des Linienwalls mit ausspringendem Winkel. Auf einem trocken gemauerten Bruchsteinfundament mit einer maximalen Höhe von 0,50 m zeigte sich aufgehend eine grabenseitig

Abb. 8: Reste des Walls mit geböschter Ziegelmauer, aufgedeckt 1988 in Wien 6, Neubaugürtel. (Foto: M. Müller)

stark geböschte Ziegelmauer in Läufer-Binder-Technik (Abb. 9). Die Ziegel waren vereinzelt mit dem erhabenen Buchstaben „H“ versehen. 82 Hinterfüllt war die Mauer mit Ziegelbruchstücken und Bruchsteinen. Insgesamt hatte die Mauer eine Stärke von ca. 0,50 m. Die erhaltene Gesamthöhe der Eskarpe betrug etwa 3 m. Die Höhe lag im Norden bei ca. 18,55 m und im Südosten bei ca. 19,42 m über Wr. Null. Die Unterkante des Steinsockelfundaments wurde im Norden bei ca. 21,31 m über Wr. Null gemessen und im Südosten bei ca. 20,74 m. Diese unterschiedlichen Höhenwerte sind bedingt durch den Anstieg des Walls von der Stadtterrasse zur Arsenalterrasse. Der Wall selbst konnte an einer Stelle durchschnitten werden (Abb. 10). Dort zeigte sich, dass er aus dem anstehenden Löss geformt worden war. Der Graben hatte in dem dokumentierten Bereich eine Breite von ca. 4 bis 5 m und eine Tiefe von etwa 2,50 bis 3 m. Außerdem konnten mehrere Verfüllungsund Sedimentationsschichten festgehalten werden. Historisch-topographisch gesehen lag dieser Wallabschnitt knapp nordöstlich des St. Marxer Linientores. In unmittelbarer Nähe, in der Helmut-QualtingerGasse Nr. 6, waren bis vor wenigen Jahren noch Reste des Linienwalls als Fundamentverbauung sichtbar. 83 Die Denkmalschutzgrabung in Wien 3, Wildgansplatz Im Herbst 2010 ergab sich in Wien 3, Wildgansplatz abermals die Gelegenheit, Reste des Walls zu dokumentieren (siehe auch Beitrag I. Mader, 246 f.). Das Grabungsareal umfasste ca. 174 m2 im südlichen Bereich des Wildgansplatzes. Es war als Ersatzfläche für den Umbau der Anschlussstelle Landstraße (A23 Ast Landstraße) ausgehandelt worden. Der Baumbestand vor Ort gab Lage und Größe der Sondage vor. Die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften (Böschungswinkel) verursachte die Verkleinerung der Grabungsfläche in der Tiefe (siehe „untere Grabungsgrenze“ auf Plan Abb. 11). Nach der archäologischen Dokumentation wurden die Überreste wieder mit Erdreich bedeckt und der Platz in den ursprünglichen Zustand rückgeführt.

80 GC 1988_11: Die Fotos werden im Archiv der Stadtarchäologie Wien aufbewahrt. 81 GC 2006_09: M. Krenn/D. Russ/M. Singer, 3. Bezirk, Dr.-Bohr-Gasse. FÖ 45, 2006, 74. An dieser Stelle möchte ich Bernhard Hebert (Leitung Abteilung für Bodendenkmale des BDA) und Christoph Blesl (Leitung Region Wien der Abteilung für Bodendenkmale des BDA) für das Überlassen des Foto- und Planmaterials danken. 82 Herr Gerhard Zsutty, Leiter des Ziegelmuseums in Wien-Penzing, machte mich freundlicherweise darauf aufmerksam, dass ein erhabenes „H“ auf die Ortschaft Hungelbrunn hinweist, wo zur Entstehungszeit des Linienwalls Ziegel hergestellt worden sind. Hungelbrunn ist im 4. und 5. Wiener Gemeindebezirk aufgegangen. 83 Diesen Hinweis verdanke ich Karl Hauer, Leiter des Bezirksmuseums Landstraße.

155 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Abb. 9: Geböschte Ziegelmauer auf trocken gemauertem Bruchsteinfundament, Grabung Wien 3, Dr.-Bohr-Gasse, 2006, Richtung Nordosten. (Foto: Bundesdenkmalamt)

Abb. 10: Profil des Erdwalls, Grabung Wien 3, Dr.-Bohr-Gasse, 2006. (Foto: Bundesdenkmalamt)

Der Nordwest-Südost verlaufende Wallabschnitt Etwa 0,50 m unter der Geländeoberkante (bei 31,70 m über Wr. Null) wurde eine ca. 0,60 m breite, Nordwest-Südost verlaufende Ziegelmauer angetroffen. Die in Läufer-Binder-Technik errichtete Mauer war im Süden, feldseitig, geböscht und im Norden, stadtseitig, hinterfüllt. Sie fußte auf einer ca. 0,25 m starken Kieselschicht (UK ca. 29,80 m über Wr. Null im Westen und ca. 30 m im Osten). Die erhaltene Höhe der Mauer betrug ca. 1,60 bis 1,70 m. Der Wall selbst konnte an einer Stelle durchschnitten werden und somit auch die Rückseite der Mauer dokumentiert werden. Der stark hervorgequollene

156 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Aufsätze

Abb. 11: Gesamtplan der Ausgrabung Wien 3, Wildgansplatz. (Plan: I. Mader)

Mörtel war mit Kieselsteinchen vermischt und lässt vermuten, dass die Ziegelmauer gegen die mit Kieselsteinen durchsetzte Schichte des Walls gemauert worden ist. Ein Teil der Mauer war wohl in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im oberen Abschnitt zur Gänze neu auf die Mauer des frühen 18. Jahrhunderts gesetzt worden. Eine Baufuge, die Ziegel mit der Stempelung „HD“ (Heinrich Drasche) und der sandigere Mörtel mit horizontalem Fugenstrich machen dies deutlich (Abb. 12). Auch die Hinterfüllung in diesem Bereich beinhaltete hauptsächlich Funde aus dem 19. Jahrhundert. Der kleine Ausschnitt des vor der Mauer liegenden Grabens, der in diesem Teil der Sondage angeschnitten werden konnte, war zur Gänze mit runden Kieselsteinchen verfüllt worden. Die wenigen Funde aus dieser Verfüllung datieren nach Auskunft von I. Gaisbauer in das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert. Das Nordost-Südwest verlaufende Anschlussstück Weiter nordwestlich schloss sich im stumpfen Winkel eine Nordost-Südwest gerichtete Ziegelmauer an. Die beiden Mauern waren nicht miteinander verzahnt und durch eine Baufuge unterscheidbar. Die erhaltene Oberkante lag bei ca. 31 bis 31,35 m über Wr. Null. Die Unterkante konnte nur an einer Stelle (feldseitig) dokumentiert werden. Sie lag bei 29,10 m über Wr. Null. Die zweite Mauer war ebenfalls feldseitig geböscht und in regelmäßiger Läufer-BinderTechnik gearbeitet. Gelegentlich konnten auf den Ziegellagen Putzreste beobachtet werden.

157 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Abb. 12: Wildgansplatz, Rückseite der Wallmauer mit nachträglicher Ausbesserung. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Abb. 13: Wildgansplatz, grabenseitiger Wallabschnitt mit Kanal am unteren Bildrand, Richtung Westen. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

An der Rückseite gab ein kleiner Schnitt Auskunft über die Beschaffenheit des Walls an dieser Stelle. Verschiedenfärbige horizontale Schotterbänder reichten an die Mauer heran und einzelne Kiesel waren zum Teil homogen mit dem bei der Errichtung der Mauer herausquellenden Mörtel verbunden. Die Schichten waren fundleer. Der Kanal Im südwestlichen Abschnitt der Sondage wurde ein Südwest-Nordost verlaufender, eingewölbter Kanal aufgedeckt (Abb. 13). Er konnte wegen der begrenzten räumlichen Gegebenheiten nicht in seiner ganzen Breite dokumentiert werden. Der Kanal führte unter die weiter oben beschriebene, Südost-Nordwest gerichtete Mauer. Die Außenseite war mit einer kompakten sandigen

158 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Aufsätze

Abb. 14: Situationsplan aus dem Jahr 1875: Links verläuft der Wiener Neustädter Kanal, rechts der Linienwall, quer der Arsenalkanal. (WStLA 3.2.1.1.P1, 1429)

Mörtelschicht bedeckt vorgefunden worden. Die Formate der Ziegel ließen sich wegen der Mörtelschicht kaum differenzieren. Die höchste Stelle (Scheitel) des Gewölbes lag bei 29,35 m über Wr. Null. Resümee Zusammenfassend lässt sich zu diesem Grabungsergebnis festhalten, dass für den Aufbau des Walls die vor Ort vorgefundenen geologischen Gegebenheiten genutzt wurden. Der örtliche Donauschotter der Arsenalterrasse diente als Wall und lässt vermuten, dass an dieser Stelle die Wallmauer relativ bald zwecks Befestigung desselben aufgerichtet worden ist, also möglicherweise schon vor 173884. Im 19. Jahrhundert scheinen Sanierungsmaßnahmen durchgeführt worden zu sein. Wahrscheinlich sind diese im Zusammenhang mit dem Bau des Ziegelkanals, der unter der Mauer durchführte, zu sehen. Die Umgebungsfunde aus der Verfüllung der Kanalkünette lassen den Schluss zu, dass der Kanal ebenso wie der neue Mauerteil in der Mitte oder zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet wurde. Es dürfte sich um den sog. Arsenalkanal handeln, der von den Werkstätten des Arsenals Richtung Süden führte (Abb. 14)85. Die erhaltenen, sichtbaren Reste Nur wenige Teile des Linienwalls sind an der Oberfläche sichtbar erhalten geblieben: zum einen ein Stück im 3. Bezirk an der Schnellbahntrasse am äußeren Landstraßer Gürtel86 und zum anderen, ebenfalls im 3. Bezirk, im Bereich der Maiselgasse und des Anton-Kuh-Weges. Letztgenannter Teil dürfte überhaupt erst zu einem späteren Zeitpunkt entstanden sein, da auf keinem der erhaltenen Pläne aus dem 18. Jahrhundert eine vom eigentlichen Wall nach Südosten

84 Siehe Anm. 46. 85 WStLA 3.2.1.1.P1, 1429: Situations Skizze des Areales zwischen der Verbindungs-Bahn, dem Wien-Neustädter und dem Linienwalle bis zur St. Marxer Linie, 1875. 86 Foto siehe de.wikipedia.org/wiki/Linienwall (31.5. 2011).

159 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Abb. 15: Oberer Abschnitt der Wallmauer mit abgerundeten Schlussziegeln im Hof des Hauses Wien 4, Weyringergasse 13. (Foto: I. Mader)

wegführende Mauer zu erkennen ist. Sie dürfte zur Stabilisierung der vorhandenen Geländestufe aufgerichtet worden sein. Die Reste dieser nach Osten ausgreifenden hohen Ziegelmauer markieren wohl das Ende des Linienwalls am Erdberger Mais. Im 4. Bezirk, Weyringergasse 13, ist ein Stück des Walls vor der Hofmauer zu dem benachbarten Grundstück Weyringergasse 15 erhalten (Abb. 15). Zusammenfassung Der Linienwall war im Jahre 1704 in seiner ursprünglichen Konzeption als Verteidigungswerk gegen die einfallenden Kuruzzen gebaut worden. Relativ bald, nachdem die Rebellen nach Ungarn zurückgedrängt worden waren, wurde das Bauwerk als „physische“ Steuergrenze benutzt. Diese Funktion hatte es bis zu seinem Abriss im Jahre 1894 inne. Die Linie in ihrer Funktion als Steuergrenze wurde bald als Last empfunden und verursachte die Entwicklung unterschiedlicher sozioökonomischer Verhältnisse. Im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert siedelten die Menschen aus Kostengründen in den Vorstädten. Auch Fabriken wurden aus den genannten Gründen innerhalb der Linien ansässig. Schließlich wurde das Leben innerhalb der Linien zu teuer und es erfolgte eine Verschiebung der Lebens- und Arbeitswelten in die Vororte Wiens. Wegen der Vereinigung der Stadt mit ihren Vororten im Jahre 1890 und dem Hinausschieben der Steuergrenze an die neue Stadtgrenze verlor der Linienwall seine Funktion und einem Abbruch stand nichts mehr im Wege. Zwei Denkmalschutzgrabungen, die in den vergangenen Jahren durchgeführt werden konnten, gaben partielle Einblicke in den Aufbau dieses Verteidigungswerks.

160 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Aufsätze

Der Linienwall im 3. Wiener Gemeindebezirk – geologische Grundlagen (Sabine Grupe) Der Linienwall im 3. Wiener Gemeindebezirk verläuft geologisch betrachtet auf zwei verschiedenen pleistozänen Donauschotterterrassen. Ihre Unterscheidung erfolgt aufgrund der Terrassensohle bzw. der sie unterlagernden Miozänoberfläche. Abbildung 16 veranschaulicht die geologischen Verhältnisse durch einen Längenschnitt: •

Parallel zum Landstraßer Gürtel steht der Linienwall auf der mindelzeitlichen Arsenalterrasse. Die Kiesunterkante bzw. die unterlagernde Miozänoberfläche liegt auf ca. 183 m über Adria (= 26,32 m über Wr. Null). Die hier ca. 8 m mächtige Schotterflur ist von nur wenige Meter mächtigem Wienerwaldschotter und Anschüttung bedeckt. Letztere ersetzt die natürliche Bedeckung aus Löss.



Zwischen Landstraßer Gürtel und Rennweg wird der Abhang von der Arsenal- zur Stadtterrasse überwunden. Hier fällt die Miozänoberfläche von ca. 183 m auf rund 150 m über Adria (= 6,68 m unter Wr. Null). Sie ist vor allem von bis zu 13 m mächtigem Löss sowie gravitativ verfrachtetem Material der Arsenalterrasse bedeckt. Dieses besteht hauptsächlich aus Schwemmlöss mit lokal eingeglittenen Kiesen (kolluviale Kiese) der Arsenalterrasse.



Zwischen Rennweg und Donauabbruch quert der Linienwall die risszeitliche Stadtterrasse. Hier liegt die Miozänoberfläche im Mittel auf ca. 150 m über Adria. Die Kiese sind ca. 10 bis 15 m mächtig und von wenigen Metern Löss/Schwemmlöss bedeckt.



Der Linienwall endet am Donauabbruch. Als Donauabbruch wird die westliche Begrenzung der Talsohle der rezenten, unregulierten Donau bezeichnet. Hier stehen rezente Donauschotter unter Aulehm-/Ausand-Bedeckung an. Im 3. Bezirk wurde der Donauabbruch durch die Erosion eines Donauseitenarms, dem Erdberger Mais (siehe Abb. 17), geschaffen. Diese Altarmschlinge wurde im Zuge der Donauregulierung begradigt; sie verlandete bzw. wurde zugeschüttet.

Die heutige Geländeoberfläche spiegelt die geologischen Verhältnisse wider (siehe Abb. 17): Im Bereich der Arsenalterrasse liegt sie auf rund 193 m über Adria (= 36,32 m über Wr. Null; braune Fläche), fällt dann mit dem Abhang von der Arsenalterrasse zur Stadtterrasse auf ca. 168 m ab (= 11,32 m über Wr. Null; gelber und grüner Bereich) und macht beim Donauabbruch einen Sprung von ca. 10 m (Violett bis Rot). Das Material zur Errichtung des Linienwalls kam vermutlich aus der unmittelbaren Umgebung. Viele historische Baurohstoffgruben unbekannten Alters um den Linienwall lassen darauf schließen. Abbildung 17 zeigt für den Bereich des Linienwalls im 3. Bezirk die Umrisse historischer Gruben (MA 29 – Wiener Brückenbau und Grundbau; beigefarbene Flächen) und die im Zuge einer hydrogeologischen Untersuchung durch die WGM87 abgegrenzten bzw. erweiterten Grubenumrisse (orangefarbene Flächen). Diese Zusatzinformation konnte aufgrund der Auswertung der Anschüttungsmächtigkeit sowie unter Zuhilfe-

87

WGM 2009.

161 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Abb. 16: Hydrogeologischer Längenschnitt (10 fach überhöht) im Bereich des Linienwalls im 3. Wiener Gemeindebezirk. (aus: WGM 2009)

nahme nicht digital vorliegender historischer Karten aus dem Baugrundkataster der MA 29 gewonnen werden. Die historischen Abbaue befinden sich in diesem Teilabschnitt des Linienwalls alle im Bereich der Arsenalterrassenkante. Hier steht unter geringmächtigem Löss/Schwemmlöss und Arsenalterrassenschotter oberpannoner, schluffiger Sand an. Heute liegen die ehemals ca. 7 bis 13 m tiefen Gruben verfüllt vor. Der Anschüttungsinhalt besteht sowohl aus natürlichem Material der Umgebung (Lehm, Sand, Kies) als auch aus Resten von Ziegeln, Mauerwerk, Beton und Schlacke. Durch die Bohrung A511/3 (Lage siehe Abb. 17) sind auch Tonscherben und Knochen belegt.

162 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

I. Mader, Der Wiener Linienwall

Aufsätze

Abb. 17: Die heutige Geländeoberfläche im Bereich um den Linienwall mit ehemaligen Baurohstoffgruben. (aus: WGM 2009)

Abgekürzt zitierte Literatur BROUCEK 1985 – P. Broucek, Die Kuruzzeneinfälle in Niederösterreich und in der Steiermark 1703–1709. Militärhist. Schriftenr. 55 (Wien 1985). BUCHMANN 1974 – B. M. Buchmann, Der Wiener Linienwall. Geschichte und Bedeutung (unpubl. Diss. Univ. Wien 1974). BUCHMANN 1979 – B. M. Buchmann, Die Verzehrungssteuer. WGBl 34/1, 1979, 20–29. CZEIKE, LEXIKON WIEN – F. Czeike, Historisches Lexikon Wien 1–62 (Wien 2004). WGM 2009 – Angewandte hydrogeologische Forschung – Stadtgebiet Wien, Teilgebiet 2009 (Hauptbahnhof, Aspanggründe, Arsenal, U1-Süd- und U2-Süd-Verlängerung). Wiener Gewässer Management GmbH (WGM) im Auftrag der MA 45 – Wiener Gewässer, Wien 2009.

163 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer – Profildokumentation auf der Parzelle Wien 1, Kramergasse 13 Martin Mosser Einleitung Bis zum heutigen Zeitpunkt ist die Umfassungsmauer des Legionslagers Vindobona im Gegensatz zu seiner Innenbebauung wenig erforscht, da sich außer zu Beginn des 20. Jahrhunderts kaum mehr Gelegenheiten geboten haben, diese bei Ausgrabungen zu dokumentieren. Der in etwa rekonstruierbare Verlauf der Lagermauer ist erst seit der Aufdeckung der porta principalis sinistra im Bereich der Hohen Brücke und der porta decumana an der Ecke Naglergasse/Tuchlauben in den Jahren 1900–1903 gesichert. Zuvor wurde unter anderem die westliche Umwehrung nicht entlang des Tiefen Grabens, sondern weiter innen, in der Verlängerung Seitzergasse/Schulhof/Kurrentgasse nach Norden vermutet. 1 Diverse Indizien lassen – chronologisch bedingt – außerdem auf Umbauten, Reparaturmaßnahmen und Wiederverwendung der Mauer noch bis ins Hochmittelalter schließen, die wissenschaftlichen Grundlagen dazu sind allerdings eher dürftig, ganz zu schweigen von einer vorhandenen stratigraphisch-bauhistorischen Dokumentation. 2 Anlässlich eines Hotelbaus in der 1 F. Kenner, Vindobona. Eine archäologische Untersuchung über den Zustand Wien’s während der Herrschaft der Römer. BMAVW 9, 1865 (1866) 180–187 mit Abb.; Kenner 1897, 46 f. 70–72; auch im Bereich des Oberen Belvedere im 3. Wiener Gemeindebezirk wurde zunächst das Legionslager von einigen Forschern vermutet; vgl. dazu M. Kronberger, Siedlungschronologische Forschungen zu den canabae legionis von Vindobona. Die Gräberfelder. MSW 1 (Wien 2005) 15 mit Anm. 31 mit weiterer Literatur. 2 Siehe zuletzt die indirekten Schlussfolgerungen zur westlichen Umfassungsmauer anlässlich der Ausgrabungen im Intervallum des Legionslagers: Mosser 2010, 69–71; zur südöstlichen Lagermauer vgl. Mosser 2002, 102–107; zu den Altgrabungsbefunden zur Lagermauer in Bezug zu den vorgelagerten Grabenanlagen siehe auch Mosser 2004. 3 Vgl. M. Mosser, Wien 1, Kramergasse 13/ Lichtensteg 3, Bauernmarkt 18/Lichtensteg 5. FWien 10, 2007, 238–241; zwei dieser Quader kamen 2006 ins Depot des Wien Museums. 4 Mosser (Anm. 3) 240 und Abb. 1. 5 Für die hervorragende Unterstützung bedanken wir uns bei Frau Mag. Christiane Weissenborn und Herrn Ing. Walter Hanausek von der Firma Lenikus & Co. Ges. m.b.H.

Wiener Innenstadt ergaben sich aber nun Ansätze, die eine Neubewertung der Wiener Legionslagerbefestigung rechtfertigen. Rahmenbedingungen (Abb. 1) Vor und während der Abbrucharbeiten des 1842/43 errichteten und 1930 umgebauten Gebäudes Wien 1, Kramergasse 13 im Jänner 2006 dokumentierten Mitarbeiter der Stadtarchäologie Wien mächtige Quadersteine, die sowohl in die Architektur des Verkaufsraumes des ehemaligen Kaufhauses als auch als Eckverstärkungen in die benachbarten Häuser in sekundärer Verwendung integriert waren. 3 Für diese Quader wurde schon zum damaligen Zeitpunkt ein Zusammenhang mit der an dieser Stelle vermuteten römischen Legionslagermauer postuliert, da nach Altgrabungsbefunden die Flucht der östlichen Umfassungsmauer des Lagers in etwa entlang der östlichen Parzellengrenze des betroffenen Hauses verlaufen sein dürfte. 4 Da das abgerissene Gebäude bereits zweistöckig unterkellert gewesen war, ließ von archäologischer Seite nur noch eine Profildokumentation während des Baugrubenaushubs für das an dieser Stelle geplante Hotel eventuell Klarheit über den eigentlichen Lagermauerverlauf erhoffen. Eine archäologische Begleitung des Projekts war daher von Anfang an mit dem Bauträger abgesprochen. 5 Im Zuge eines ersten Voraushubes am 12. und 13. Jänner 2011 versuchte man mit Hilfe eines Baggers die ca. 1,50 m breite, aus dem Jahr 1843 noch vorhandene Kellermauer zur Schaffung eines archäologisch auswertbaren Erd-

164 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

Aufsätze

Abb. 1: Umgebungsplan mit römischen Befunden des Legionslagers Vindobona im Umfeld des Hauses Kramergasse 13. (Plan: M. Mosser)

profils zu entfernen. Dabei stieß man auf unerwartete Schwierigkeiten. Die überaus fest mit Kalkmörtel und Ziegeln gefügte Mauer im Norden der Parzelle konnte nur sehr zeitaufwendig mit der Baggerschaufel „abgekratzt“ werden, da mit einem für solche Fälle sonst üblichen Pressluftmeißel Erschütterungen verursacht worden wären, welche die in den benachbarten Kellern eingelagerten Weinflaschen zum Bersten gebracht hätten. Das heikle Unterfangen musste schließlich abgebrochen werden, da dahinter liegende, sehr lockere, schottrige Einfüllungen einer tief reichenden Künette Einsturzgefahr für den anschließenden Gehsteigbereich am Lichtensteg befürchten ließen. Im Südosten der Parzelle zeigte sich wiederum eine Betonwand, die ebenfalls bis unter den Gehsteig der Kramergasse reichte und deshalb nicht entfernt werden konnte. Schließlich gelang es in der Nordost-Ecke des Grundstücks ein etwa 1,10 bis 1,40 m breites Profil bis in eine Tiefe von 4,25 m (= 9,65 m über Wr. Null) von der Gehsteigoberkante (OK 13,90 m über Wr. Null) freizulegen (Abb. 2). Die überaus instabile Baugrubenverfüllung (UK 12,73–12,81 m über Wr. Null) für eine Elektroleitung unterhalb des Gehsteigs sowie starke Regenfälle erschwerten allerdings die Dokumentation des Profils beträchtlich. Dass sich trotz des vergleichsweise winzigen einsehbaren Ausschnitts und technisch

165 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

Abb. 2: Grabungsprofil in der Nordost-Ecke der Hausparzelle Kramergasse 13. (Foto: W. Chmelar; Zeichnung: M. Mosser)

schwierigen Grabungsumständen der Einsatz lohnte, soll im Folgenden gezeigt werden. Profilbeschreibung (Abb. 2) Insgesamt konnten sieben Kulturschichten differenziert werden. Der am tiefsten aufgedeckte Horizont begann bei knapp unter 11 m über Wr. Null als eine Lage aus unregelmäßig in mörteligen, lockeren, meist grauen Lehm gesetzten, bis knapp 40 cm großen Bruchsteinen (Bef.-Nr. 1), die noch mindestens weitere 1,30 m tief reichte. Eine Interpretation als Mauerversturz ist eher auszuschließen, da keine kompakte Mörtelbindung zwischen den Steinen festzustellen war. 6 Darüber folgte eine kiesig-sandige Mörtelausgleichslage (Bef.-Nr. 2), die wiederum von einer aschigen Lehmplanierung (Bef.-Nr. 3) abgedeckt wurde. Schließlich kam über einer massiven, schotterigen Sandschicht (Bef.-Nr. 4) eine dunkelgraue, bis 40 cm hohe Lehmschicht zum Vorschein, welche durch 6 Möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich wäre der Versturz einer nur lose gesetzten Trockenmauer. 7 Vgl. zuletzt Mosser 2010, 69 und 71 Abb. 18; weiters: I. Gaisbauer, „Schwarze Schicht“ – Kontinuität/Diskontinuität. FWien 9, 2006, 182–190.

bekannte Analogien ihrer Zusammensetzung nach als die sogenannte Schwarze Schicht bezeichnet werden kann (Bef.-Nr. 5, OK ca. 11,60 m über Wr. Null). 7 Diese „Schwarze Schicht“, die in Wien im innerstädtischen Bereich eine Zäsur zwischen antiken und hochmittelalterlichen Kulturschichten darstellt, ging nach oben in eine graubraune, sandige Schicht über (Bef.-Nr. 6). Letztere

166 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

Aufsätze

wurde wiederum von einer dunkelgrauen, beinahe schwarzen Lehmschicht überlagert, die im unteren Abschnitt eine größere Anzahl an Bruchsteinen aufwies (Bef.-Nr. 7). Die Künettenverfüllung der bereits erwähnten Elektroleitung bildete den obersten Teil des Erdprofils in der Kramergasse. Befundkatalog Bef.-Nr. 1 (OK 10,70–10,92 m; UK? – bis 9,65 m über Wr. Null ergraben) Bruchsteinlage: bis ca. 1,30 m hoch dokumentiert, UK nicht erreicht; Bruchsteine (glimmeriger Flyschsandstein vom Typ „Greifenstein“)8 bis 0,38 m, dazwischen lockerer, zum Teil sandiger, mörteliger, grauer bis hellbrauner Lehm; wenige Kiesel bis 1 cm, wenig Holzkohle bis 1 cm; an den Steinen zum Teil anhaftender, fester Kalkmörtel. Interpretation: Ausrissverfüllung der Legionslagermauer (?) Bef.-Nr. 2 (OK 10,87–11 m; UK 10,70–10,83 m über Wr. Null ergraben) Übergangsschicht: 20 cm hoch; hellbrauner, zum Teil weißgrauer, mörteliger, sehr sandiger und kiesiger Lehm mit hellgrünen und gelblichen Einschlüssen; Kiesel bis 1 cm, Bruchsteine bis 10 cm. Bef.-Nr. 3 (OK 11–11,05 m; UK 10,87–11 m über Wr. Null ergraben) Planierung: bis ca. 10 cm hoch; dunkelgraue, aschige, im unteren Teil rötlich braune Lehmschicht. Bef.-Nr. 4 (OK 11,16–11,23 m; UK 10,91–11,06 m über Wr. Null ergraben) Dunkelgelbe/hellbraune, schottrige, bis 22 cm hohe Sandschicht; einige Steine bis 5 cm. Bef.-Nr. 5 (OK 11,51–11,59 m; UK 11,16–11,23 m über Wr. Null ergraben) 40 cm hoch; dunkelgrauer, sandiger Lehm; einige Steine bis 8 cm, eher wenig Ziegelbruch bis 7 cm, wenig Ziegelsplitt bis 1 cm, wenig Holzkohle bis 1 cm. Interpretation: „Schwarze Schicht“ Bef.-Nr. 6 (OK 12,07–12,20 m; UK 11,51–11,59 m über Wr. Null ergraben) Planierung: bis 50 cm hoch; ockerfarbener bis graubrauner, sandiger Lehm; wenig Ziegelbruch bis 2 cm, wenige Kiesel bis 1 cm. Bef.-Nr. 7 (OK 12,73–12,81 m; UK 12,07–12,20 m über Wr. Null ergraben) Planierung: 50 cm hoch; fester, dunkelgrauer bis graubrauner Lehm; eher häufig Bruchsteine bis 20 cm, einiger Ziegelsplitt bis 2 cm.

Beschreibungen zur Lagermauer von Vindobona Im Folgenden soll versucht werden, Indizien zu sammeln, um die Bruchsteinlage (Bef.-Nr. 1) in einen Kontext mit der an dieser Stelle vermuteten römischen Legionslagermauer zu bringen. Da Funde zu einer zufriedenstellenden chronologischen Beurteilung der Schichtabfolge nicht beitragen konnten, muss auf andere Weise versucht werden – im Besonderen eben für den markanten Bruchsteinhorizont im untersten Profilabschnitt –, eine Erklärung zu finden. Zunächst soll eine Aufnahme aller bisher bekannten Fundstellen zur Legionsla9

germauer sowie zu den Tor- und Zwischentürmen mehr Klarheit über Aufbau und Dimension des Mauerverbandes bringen, um diese dem Befund aus der Kramergasse gegenüberzustellen. Westliche Umfassungsmauer GC: 1903_03, 1937_04 Wipplingerstraße 19–21 (Abb. 3) Beim Umbau des Hauses Wipplingerstraße 21 im Jahr 1900 und dem Umbau der Hohen Brücke 1903 kamen in zwei Tranchen die Fundamentreste der porta principalis sinistra zum Vorschein:10 Zunächst fand man im Bereich des Hauses Wipplingerstraße 21 eine Mauerecke (d–f) in 0,55 m Tiefe (OK ca. 16,75 m über Wr. Null). Bei f handelt es sich

8 Für die Gesteinsbestimmung danke ich ao. Univ.-Prof. Dr. Andreas Rohatsch vom Institut für Ingenieurgeologie der Technischen Universität Wien, der überdies anmerkte, dass dieser Gesteinstyp z. B. auch in Sievering (Wien 19) vorkommt. Dieses Steinmaterial fand allerdings von der Römerzeit bis in die Neuzeit Verwendung. 9 Nicht berücksichtigt sind Gebäude, die innen an die Lagermauer (Intervallum) angebaut wurden und nicht unmittelbar zur Umwehrung des Legionslagers dienten; vgl. dazu Mosser 2010, 52 f.; zur Anlage römischer Befestigungsmauern siehe auch Vitr. 1, 5. 10 Kenner 1900, 27 f. Fig. 1; 23; Kenner 1904, 105–109 Fig. 95–96.

167 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

Abb. 3: Grundrissplan des südlichen Turms der porta principalis sinistra bei der Hohen Brücke. (nach Kenner 1904, 106 Fig. 95)

um die südlich in der Innenflucht an die porta principalis sinistra anschließende Legionslagermauer, bei d um die Südmauer des Torturms (B 2,30 m, H 1,45 m; UK 15,30 m über Wr. Null, nach FT III, 102 in 3 m Tiefe = 14,30 m über Wr. Null). Die Lagermauer f war nach 1,70 m abgebrochen. Mauer a (B 2,50 m), die im rechten Winkel zu Mauer d Richtung Norden anschloss, bildete die westliche Frontmauer des Torturms und war zum Teil von neuzeitlichen Kellern unterfangen. 11 Nach Kenner12 bestanden die Mauern aus einem Gusskern mit Bruchsteinen („Sieveringer Schleifstein“) in Kalkmörtelbindung, der innen und außen mit Quadern verkleidet war. Das Gussmauerwerk von Mauer a war in Opus-spicatum-Bauweise errichtet. 13 Mauer a setzte sich noch 0,50 m Richtung Süden als äußere, in der Flucht der Frontseite des Torturms verlaufende Lagermauer fort und brach dann ab. Die Quader waren 0,85 bis 1,20 m lang und zum Teil ebenso breit (H 0,50 m) und nach außen buckelförmig behauen, nach innen glatt. Hier zeigten sie oft rote Brandspuren. Die Basis des Torturms war durch einen sockelartigen Vorsprung gekennzeichnet, dessen Verkleidung mit profilierten Quadern im Eingangsbereich zum Torturm (bei g an der Ostseite von Mauer b) über 40 cm hohen Sockelquadern noch erhalten war. Dieser Eingang war 1,15 m breit und enthielt noch den Pfannenstein für die Türeinlassung. Auch die steinerne Türschwelle war in situ vorhanden. Am Nordende von Mauer a folgte ein zur Toranlage gehörender schmaler Maueransatz. Nach Fundtagebuch III, 104 und 107 a14 waren in den über den Mauern a–c gebauten mittelalterlichen/neuzeitlichen (?) Mauerkörpern Blöcke bis 1 m Länge aus „Sandstein mit fremdartigem Mörtel“ aufgeführt. Diese Blöcke könnten ursprünglich Verkleidungsquader der Lagermauer bzw. des Torturms gewesen sein, die dann in diesem Gebäude als Spolien Verwendung fanden. 1903 wur11 Kenner 1900, 28 Fig. 23 Anm. 1. 12 Kenner 1900, 28; Kenner 1904, 107. 13 Kenner 1900, 28 nahm noch an, dass Mauer c keine Quaderverkleidung hatte, bei Kenner 1904, 107 berichtet er von einer durchgehenden Quaderverkleidung. 14 Handschriftliche Grabungsnotizen, aufbewahrt im Wien Museum.

de der Rest des Turmgrundrisses ergraben. Die Mauern waren dabei unterschiedlich hoch erhalten, die höchsten Teile fand man nur 20 cm unter dem Straßenpflaster (ca. 17,10 m über Wr. Null), ihre Breite schwankte zwischen 2,25 und 3 m. Bei einer Nachgrabung vor der Eröffnung der neuen Hohen Brücke am 3. März 1904 konnte Josef Nowalski de Lilia in ca. 6,50 m Entfernung vom südlichen

168 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

Aufsätze

Torturm die untersten Scharen des Fundaments des nördlichen Turms (OK 15,70, UK 15,20 m über Wr. Null; B?) in gleicher Bauart unter der Ziegelmauer des 1899 demolierten Hauses Wipplingerstraße 20 feststellen. 15 Auf einer Länge von ca. 6 m konnte innerhalb der Künettenbreite einer Wasserleitungsgrabung im Juli/August 1937 die Nordseite (GC: 1903_03, Abb. 3 Mauer b) des südlichen Torturms der porta principalis sinistra mit einer Lage der Quaderverkleidung des Turms ergraben werden (UK 16 m über Wr. Null). Unter den sechs aufgefundenen Quadern (L 0,85–1,20 m, B?, H 0,30 m) wurde ein 21 cm breiter Sockelvorsprung des Fundaments festgestellt. Die Unterkante dieses Fundaments wurde nicht erreicht. 16 GC: 1953_02 Am Hof 9 (Abb. 4) Im Zuge der Neuerrichtung der Feuerwehrzentrale Am Hof 9 im Jahr 195317 zeigte sich entlang des westlichen Randes der Parzelle an sechs ungestörten Stellen eine zum Tiefen Graben hin abfallende Böschung. Alfred Neumann interpretierte diese Böschung als künstlich geschaffen, indem über einem Mauerfundament eine weitere schräg ge-

Abb. 4: Ansicht der abgerutschten oder gekippten Lagermauer im Bereich der Baustelle Wien 1, Am Hof 9 im Jahr 1953, Richtung Norden. (Wien Museum, Inv.-Nr. 16013/34)

stellte Mauerung aus Bruchsteinen und Kalkmörtel errichtet wurde, die an der Außenseite verputzt war. Nach der Fotodokumentation dürfte es sich bei der „geböschten“ Mauer um einen abgerutschten oder gekippten Teil der Legionslagermauer handeln, wobei nach der Profilzeichnung zumindest ein Teil des originalen Fundamentabschnitts der Lagermauer auf einer erhaltenen Breite von 1,80 m und einer Höhe von 0,50 m noch vorhanden war. 18 Die Unterkante dieses Fundaments wäre etwas mehr als 4 m unterhalb der damaligen Oberfläche (ca. 14 m über Wr. Null?) zu suchen. Zwischenturm Knapp an der Feuermauer des nördlich angrenzenden Hauses Am Hof 10 kamen Überreste eines Zwischenturms der Legionslagermauer zutage. 19 Dieser bestand aus einem 1 m hohen Gussmauerwerkfundament (UK ca. 14,35 m über Wr. Null), mit bis zu fünf Lagen teilweise in Opus-spicatum-Technik gesetzten Bruchsteinen, das 0,25–0,30 m gegenüber dem aufgehenden Mauerwerk vorsprang. Die Turmreste setzten sich aus drei im rechten Winkel zueinanderstehenden und offensichtlich ohne Baufuge aneinandergesetzten Mauern zusammen, deren Verbindung zur Lagermauer unterbrochen bzw. im Fundamentbereich offensichtlich nie vorhanden war. Das Fundament hatte eine Breite von 1,50–2 m und Außenmaße von 6,906erh. 3 m. Der Raum im Turminneren zeigte eine Grundfläche von 3,506erh. 1,50 m, dürfte aber ursprünglich wohl 3,5062 m groß gewesen sein. Nach der Fotodokumentation bestand der aufgehende, noch 0,20–1,60 m hoch erhaltene Teil aus Bruchsteinen in massiver Kalkmörtelbindung.

15 Kenner 1904, 113 Anm. 2; FA-RZ, Wipplingerstraße – Hohe Brücke, 17. Oktober 1903 und Wipplingerstraße 1904: Nowalski gibt einen Abstand von 7,25 m vom südlichen Torturm an, Kenner von 7 m. Allerdings ist in einer entsprechenden Umzeichnung in die digitale Stadtkarte nur ein Abstand von 6,50 m zwischen den beiden Türmen möglich. 16 FP 1937/18. 17 Neumann 1967, 12–15 Abb. 3–5 Taf. I 1. 18 Neumann 1967, Abb. 4; vgl. Mosser 2010, 53 f. 69–71 Abb. 2; 20. 19 Neumann 1967, 12 Abb. 3 Ba–c; 5 Bc Taf. I 2.

169 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

GC: 1897_03, 1948_02 Heidenschuß 3 In der Künette des Hauptsammelkanals am Heidenschuß konnte Neumann im Juli 1948 zwar eine mächtige, auf 5 Laufmeter zu verfolgende Bruchsteinmauer in „opus incertum“ identifizieren, er zweifelte aber wohl zurecht ihre Zugehörigkeit zur Umfassungsmauer des Legionslagers an, da sie außerhalb ihrer anzunehmenden Flucht lag. 20 Neumann verweist auf eine 50 Jahre zuvor im Oktober/November 1897 anlässlich eines Gasleitungsbaus aufgedeckte Mauer, die Friedrich Kenner folgendermaßen publizierte:21 In 0,80 m Tiefe kam am Heidenschuß nahe der Mündung der Naglergasse eine 2 m breite, tief reichende (UK?) Mauer „aus großen Bruchsteinen sehr fest gefügt“ zum Vorschein (Abb. 5 b). 1909 führte Nowalski eine Nachgrabung am Heidenschuß durch und fand in 0,50– 0,60 m Tiefe eine Mauer, die er mit Fragezeichen der Babenbergerzeit zuordnete, welche aber über der römischen Abb. 5: Verlauf der römischen Lagermauer in der Südwest-Ecke des Legionslagers im Bereich Heidenschuß. (nach Kenner 1911, Planfig. 1)

Lagermauer, die er nicht mehr vollständig aufdecken konnte, errichtet worden sei. Nähere Beschreibungen zur Mauer fehlen. 22

20 Neumann 1967, 8–11 Abb. 1j und 2 (bei Lfm. 20); eine nähere Beschreibung, eine Zeichnung oder ein Foto dieser Mauer ist nicht publiziert, allerdings dürfte die mit max. 20640 cm großen Quadern verkleidete Nordseite dieser (mittelalterlichen?) Mauer im Jahr 2000 in einer Künette erneut aufgedeckt worden sein: Ch. Öllerer, Wien 1, Heidenschuß 3. FWien 4, 2001, 260–262 (GC: 2000_04). 21 Kenner 1900, 26. 22 FA-RZ, Heidenschuß, 22.–23. Juni 1909; vgl. auch Kenner 1911, 108 f. Planfig. 1 b. 23 F. Kenner, Neueste Funde in Wien. Mitt. ZK 27 N. F., 1901, 169; Kenner 1902, 17; Kenner 1903, 32 f.; Kenner 1904, 117–121; beim Abbruch der Häuser konnte zunächst nur die Innenseite der Lagermauer aufgedeckt werden, die Außenseite, die bis unter den Gehsteig der Naglergasse reichte, wurde erst bei der Gasrohrlegung im Jahr 1902 dokumentiert. 24 Vor Naglergasse 2: OK –0,50 m (FT IV, 7), vor Naglergasse 10 (früher 14): OK –2,50 m (FT IV, 59). 25 Nach FT IV, 11 und 16, vor Naglergasse 2: –4,10 m (= 12,30 m über Wr. Null), nach FT IV, 59 vor Naglergasse 10 (früher 14): –3,80 m (= 12,60 m über Wr. Null). 26 FA-RZ, Naglergasse, 1. Mai 1901 (Zeichnung der Stempel); FT IV, 11; A. Neumann, Ziegel aus Vindobona. RLÖ 27 (Wien 1973) Nr. 1504. 27 Nach FT IV, 45 wurden die Quader für den Neubau der Häuser wiederverwendet; vgl. auch Kenner 1902, 17.

Südliche Umfassungsmauer GC: 1902_01 Naglergasse 2–12 (früher 2–16)/Bognergasse 1–11 (früher 1– 15) (Abb. 6) Vom 15. April 1901 bis 20. November 1902 erfolgte der Umbau der acht alten Häuser Naglergasse 2–16 bzw. Bognergasse 1–15 zu sechs neuen Häusern Naglergasse 2–12 bzw. Bognergasse 1–11 und eine neue Gasrohrverlegung für die entsprechenden Häuser. Dabei wurde die Lagerumfassungsmauer (auf 94 m Länge) mit Torturm (porta decumana) als Fundament und Kellermauer der 1901/02 abgetragenen acht (mittelalterlichen/frühneuzeitlichen?) Häuser aufgedeckt. 23 Die Breite der Mauer betrug 2–3,25 m (OK 0,50– 2,50 m unter Ausgangsniveau24, UK 3,50–4,10 m unter Ausgangsniveau25). Sie war 1,20–1,60 m in den gewachsenen Lehmboden gesetzt worden. In der Fundamentgrube der Lagermauer im Bereich Naglergasse 2, an der Innenseite der Mauer, fand man mehrere Ziegel, davon zwei mit Stempeln der 14. Legion. 26 An der Außenseite war die Lagermauer mit Buckelquadern (77650644 cm) aus Sandstein verkleidet,27 deren unterste Reihe – ohne Buckelverzierung – auf einem 50 cm vorspringenden Mauersockel (aus Gussmauerwerk) stand. Das Gussmauerwerk innen war als opus spicatum in Mörtel gelegt (Abb. 7). Wichtig anzumerken ist, dass dieser Mauerkern nach der Beschreibung „aus Bruchsteinen des sogenannten grünlichen Sieveringer Steines in Form von Ährenwerk ohne Zwischenlage und einem fast unzerbrechlichen weißen Mörtel“ bestand. 28 An der Innenseite war die Quaderverkleidung nicht (mehr?) vorhanden. Bei den Häusern Naglergasse 8–12 (früher 12–16) beobachtete Nowalski, dass über der 1,25 m (bis 1,50 m)29 hoch erhaltenen römischen Lagermauer eine 25 cm dicke, mit Steinmaterial und Ziegelbruch

170 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

Aufsätze

Abb. 7: Profilskizze der Legionslagermauer im Bereich Naglergasse 12. (nach Kenner 1903, Fig. 1)

Abb. 6: Plan des westlichen Turms der porta decumana mit anschließender Lagermauer und Zwischenturm. (nach Kenner 1904, Fig. 99)

durchsetzte Humusschicht folgte. Auf diese war eine spätere Mauer aus Bruchsteinen und Ziegelbruchstücken (B 1,50 m) als opus spicatum 1,35 m hoch gesetzt. 30 Darauf fußten die Grundmauern der 1901/02 demolierten Häuser. Nach FT IV, 64 war die Mauer zum Teil durch mittelalterliche oder neuzeitliche Keller unterbrochen. 31 Nach FA-RZ, Naglergasse, 23. Februar 1902 hatte die römische Lagermauer ein 0,70 m hohes Fundament mit nach der Skizze eventuell trocken (?) als opus spicatum verlegten Bruchsteinen und darüber ein 0,50 m hohes Gussmauerwerk aus Bruchsteinen und Mörtel, dieses wurde meist ohne die Buckelquaderverkleidung angetroffen. Lagermauer

Höhe (m) UK (m unter Ausgangsniveau) 1,25 3,80 0,25 2,55 1,35 2,30

Mauer 1 (röm.) Humusschicht Mauer 2 (spätröm./mittelalterl.?) Gesamthöhe 2,85



UK (m über OK (m unter Wr. Null) Ausgangsniveau) 13,60 2,55 14,85 2,30 15,10 0,95

14,85 15,10 16,45

2,35 – 1,50









OK (m über Breite Wr. Null) (m)

Tab. 1: Niveaus und Maße der Lagermauer im Bereich Naglergasse 8–12.

Porta decumana (Abb. 8–9) 1732 wurde das „Peilertor“ abgerissen, ein Torturm der alten Burgmauer der Babenberger zwischen den Parzellen der Häuser Tuchlauben 1 und 2, der erstmals 1278 urkundlich erwähnt wurde. Unter Albrecht V. wurde das Tor 1426 umgebaut und war ab 1565 als städtisches Gefängnis in Verwendung. 32 Dieses Tor stand wahrscheinlich auf den Grundmauern der römischen porta decumana, deren Fundamente 1901/02 aufgedeckt wurden. 33 Der westliche Torturm springt nach außen (Süden) 3,90 m, nach innen (Norden) 4,50 m aus der Flucht der Lagermauer vor und war mit dieser konstruktiv verbunden, wenn auch weniger tief fundamentiert. Ein Zugang zum Turm konnte nicht festgestellt

28 Kenner 1904, 117. 29 1,25 m nach FT IV, 59; 1,50 m nach FARZ, Naglergasse, 3. Februar 1902 bei Naglergasse 12 (früher 16); vgl. auch Kenner 1903, 33: „Auf ihrer Oberfläche gewahrte man eine 25 cm starke Schichte von Humus, Moos, Ziegelstücken und locker gewordenen, ungeordnet liegenden Bruchsteinen […].“ 30 Nach FA-RZ, Naglergasse, 31. Jänner 1902 war die über der römischen Mauer gebaute mittelalterliche (?) Mauer beim Haus Naglergasse 12 (früher 16) aus Quadersteinen (135660–70650 cm) mit integrierten Holzpfosten (Dm 25 cm) errichtet. Bei Kenner 1902, 33 und Kenner 1904, 118 wird dieser Teil als „eilfertig ausgefüllte Bresche der Umfangsmauer“ bezeichnet. 31 Im Keller des Hauses Naglergasse 26/Am Hof 5 dürften noch Reste des südwestlichen Eckturms des Legionslagers vorhanden sein, wie Begehungen von Nowalski und Neumann bestätigen; Kenner 1911, 108 f. Planfig. 1 d: „[…] große[.] Blöcke aus Bruchstein […] in einem der Krümmung des Hauses entsprechenden Halbbogen.“ Neumann 1967, 11 Abb. 3 a.b.c; vgl. auch Öllerer (Anm. 20) 261 Abb. 1 a–c. 32 R. Perger, Straßen, Türme und Basteien. Das Straßennetz der Wiener City in seiner Entwicklung und seinen Namen. Ein Handbuch (Wien 1991) 145; F. Czeike, Historisches Lexikon Wien 42 (Wien 2004) 511 f. s. v. Peilertor. 33 Kenner 1904, 118 f.

171 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

werden. Aufgefunden wurden drei Lagen von Buckelquadern aus Sandstein (L 0,77 m, H 0,44 m, D 0,30–0,50 m), welche den Gusskern einschlossen. 34 Die unterste Schar der Außenquader hatte keine Buckel (vgl. auch die Lagermauer weiter oben). 35 Das Gussmauerwerk bestand aus Bruchsteinen (Sandstein und „Sieveringer Stein“) in Mörtelbindung (OK 0,50–0,80 m; UK 3,05 m36 unter dem Niveau der Naglergasse). Der Fundamentsockel setzte sich wie Abb. 8: Profilschnitt durch die porta decumana im Bereich Naglergasse 2. (nach Kenner 1904, Fig. 100)

bei der anschließenden Lagermauer aus Bruchsteinen in Mörtelbindung in Opus-spicatum-Technik zusammen

(H 0,90 m, mit 0,50 m Sockelvorsprung). In der nördlichen Ost-West-Mauer 34 FT IV, 1 (D 0,30 m); FT IV, 8 (L 0,77 m, H 0,44 m, D 0,50 m); FT IV, 15 f. bei c (L 0,77 m, D 0,50 m). 35 FT IV, 8. 36 Nach FT IV, 8 allerdings –2,10 m, nach FT IV, 16 war die erhaltene Turmhöhe 2,55 m mit der OK 0,50 m unterhalb der Naglergasse (insgesamt also –3,05 m; vgl. auch FT IV, 11; Kenner 1904, 119 interpretiert den Wert 2,55 m fälschlich als UK unter der Naglergasse). 37 Kenner 1904, 119. 38 Kenner 1904, 119 Fig. 99. 39 FT IV, 15. 40 Kenner 1904, 119 Fig. 99. 41 FA-RZ, Naglergasse, 12. November 1901. 42 FA-RZ, Naglergasse, 7. November 1901. 43 Nach FA-RZ, Naglergasse, 4. Februar 1902: L (nördliche Ost-West-Mauer) 3 m, B 1,20 m, H 1,20 m; mit Schwelle. 44 Nach Kenner 1904, Fig. 99. 45 FT IV, 7 und 15 („Thurm II“); Kenner 1904, 119 f. Fig. 99 A’; vgl. Mosser 2010, 52 Tab. 1 Nr. 5. 46 FT IV, 8. 47 Kenner 1904, 120 Anm. 1. 48 Zum Verlauf der Wasserleitung vgl. J. Nowalski de Lilia/A. Proksch/W. Kubitschek/ A. Friedrich, Die römische Wasserleitung nach Wien. JA 2, 1908, Beibl. 20–27; Ch. Öllerer, Über die Erprobung eines satellitengesteuerten Verortungssystems im Dienste der Archäologie. FWien 8, 2005, 16–23 mit Tab. 1; M. Mosser, Wien 23, Breitenfurter Straße 372– 380. FWien 11, 2008, 337–340. 49 Kenner 1905, 141–143; Fundtagebücher und Fundnotizen sind dazu nur in geringer Menge vorhanden und kaum aussagekräftig. 50 Kenner 1905, 141 Fig. 290; nach FA-RZ, Petersplatz, 1./2. Oktober 1904 (= Abb. 10) ist mit 3,40 m allerdings nur die Tiefe der Berme angegeben, das Mauerfundament würde demnach noch tiefer reichen. 1,40 m unterhalb der Mauer befand sich ein unter Tag in den anstehenden Löss vorgetriebener (barocker?) Keller; vgl. Kenner 1905, 143 und Fig. 290.

des Turmes waren Bruchstücke von tegulae und imbrices (ohne Stempel) dem Gussmauerwerk beigemengt. 37 Innenraum: 665 m38 Nord-Süd-Mauern des Torturms: B 1,50 m39 (mit Fundament: 2–2,10 m), L 9,45 m40 Südliche Ost-West-Mauer: B 2,10 m, L 9,10 m41 Nördliche Ost-West-Mauer: B 2 m42 Zwischentürme (Abb. 6) 42 m westlich der porta decumana kamen im Bereich der Häuser Naglergasse 6–8/Bognergasse 5–7 Turmmauern aus („Sieveringer“) Bruchsteinen und Buckelquadern, die an die Lagermauer angesetzt waren, zum Vorschein. Die Fundamentbreite betrug 2 m, jene des aufgehenden Mauerwerks 1,20–1,50 m43; die Außenmaße des Turms betrugen 764,40 m. 44 Im Norden war eine Zugangsschwelle erkennbar. Nur 8 m westlich der porta decumana und etwa 30 m östlich des eben behandelten Turms folgte ein weiteres, im Grundriss rechteckiges, an die Lagermauer „etwas schief“ angebautes Gebäude (Abb. 9 „Thurm II“). 45 Es handelte sich um einen in zwei Räume geteilten, 764 m großen Anbau mit 1–1,50 m breiten Mauern, die 2,10 m tief fundamentiert waren. 46 Die Maße des nördlichen Innenraums betrugen 3,8063,20 m, jene des südlichen Innenraums 1,7063,20 m. Er weicht damit im Grundriss von den übrigen bekannten Zwischentürmen ab. Kenner vermutete in diesem Gebäude eine Art Stiegenhaus als Aufstieg zum Wehrgang,47 eventuell ist auch an einen Wasserverteiler als Endpunkt der aus dem Wienerwald kommenden Wasserleitung zu denken. 48 GC: 1904_02 Graben 22/Jungferngasse 2 (Abb. 10) Bei der Errichtung der öffentlichen WC-Anlage 1904 an der Ecke Graben und Jungferngasse stieß man auf Abschnitte von Lagermauer, Graben und Kanal der via vallaris. 49 Die Mauer wird von Kenner als 3 m stark, mit einem Kern aus Gussmauerwerk, verkleidet mit „gewaltigen Steinblöcken“ beschrieben, wobei der davor liegende Graben zahlreiche Bauteile der Lagermauer enthielt: Steinblöcke, Quader, Zinnen, Zinnendeckel. Die Mauer selbst hatte nach Kenner ihre Fundamentunterkante in 3,40 m Tiefe. 50

172 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

Aufsätze

Abb. 9: Flächen- und Profilskizze der porta decumana (Turm I) und eines Anbaus an die Lagermauer (Turm II) im Bereich Naglergasse 2–6. (Wien Museum, FT IV, 15–16, Naglergasse, 23. Mai 1901)

Abb. 10: Profilskizze der Lagermauer im Bereich Graben/Jungferngasse. (Wien Museum, FA-RZ, Petersplatz, 1./2. Oktober 1904, Kartenrückseite)

GC: 1866_03 Graben 26–30 Knappe Erwähnung findet eine Baubeobachtung beim Umbau der Häuser neben dem Trattnerhof bis zur Jungferngasse, die angibt, dass hier eine „Umfangsmauer“ gefunden wurde, die allerdings „nach dem Gutachten Bauverständiger dem Mittelalter zugeschrieben“ wurde. Über die Beschaffenheit dieser Mauer gibt es allerdings keine weiteren Informationen. 51 Östliche Umfassungsmauer (Abb. 11) GC: 1886_01, 1904_27 Jasomirgottstraße 3–5 Im Februar/März 1886 zeigten sich beim Kelleraushub für den Neubau des Stephanshofes in 2 m Tiefe drei parallele, Nordost-Südwest orientierte römische Mauern (k, l, m). 52 Die Äußerste (k) verlief Richtung Nordosten in etwa in der Flucht der 1875 dokumentierten Mauer im Bereich Brandstätte 1/Stephansplatz 8 (siehe unten GC: 1875_02), war aber nur 1 m breit und liegt in der Flucht der Frontseite der porta principalis dextra 53 sowie auch der östlichen Grundstücksgrenze der Kramergasse 13 (Abb. 1). Die zweite, ebenfalls 1 m breite

51 52 53

Kenner 1897, 46; Kenner 1905, 140. Kenner 1897, 62 Taf. II k.l.m. Mosser 2001.

173 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

Abb. 11: Überblicksplan zur Umfassungsmauer an der Ostseite des Legionslagers. (nach Kenner 1897, Taf. II)

Mauer (l) lag 9 m entfernt in Richtung Lagerinneres, gefolgt von einer 1,90–2 m breiten Mauer (m) in weiteren 1,85 m Entfernung. Der Zwischenraum war mit Erde ausgefüllt. 54 Die Mauern waren offensichtlich alle 1,50 m hoch aufgedeckt worden und auf einer Länge von 4 bis 20 m erhalten und verbreiterten sich jeweils an der Unterkante. Alle drei Mauern werden in ihrer Konstruktion gleich beschrieben: „Mauerguß von überaus festem kalkreichen Mörtel, an welchem die Werkzeuge der Arbeiter stumpf wurden, mit reichlich eingemengtem Schotter, Bruchstücken von schönem grauen schieferartigen Gesteine und Ziegelbrocken bis 4 Cm. Länge.“55 1904 fand man knapp nördlich davon bei Niveau54 Kenner 1897, 62; vielleicht handelt es sich bei den beiden letztgenannten Mauerzügen um ein Schalenmauerwerk, das im Kern mit Erdmaterial verfüllt wurde. 55 F. Kenner, (Neue römische Funde in Wien). Mitt. ZK 12 N. F., 1886, LXXXVII; Kenner 1897, 62. 56 Kenner 1905, 140; FA-RZ, Jasomirgottstraße, 24. Juli 1904.

regulierungen in der Jasomirgottstraße bereits in 0,60 m Tiefe die äußerste (k) und die innere (m) der drei oben erwähnten Mauern, wobei sich die Angaben zur Mauerbreite wesentlich unterscheiden. Die Mauer k war 3,10 m stark, Mauer m aus „Sieveringer Stein“ 1,50 m und sie wiesen (beide?) Reste eines Quaderbelages auf. 56 Dies könnte zumindest für Mauer k der Grund für die unterschiedlichen Maßangaben sein. Die jeweilige Funktion der Mauern innerhalb des Befestigungssystems ist schwer zu beurteilen.

174 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

Aufsätze

GC: 1875_02 Brandstätte 1/Stephansplatz 8–8 a Im Bereich der „alten Brandstatt Nr. 3“ wurden beim Abbruch des „Gundelhofes“ im Jahr 1875 Beobachtungen zu einem mächtigen, tief reichenden Mauerzug (Mauer i) gemacht, der etwas außerhalb des zu erwartenden Verlaufes der Legionslagermauer (etwas außerhalb der Flucht von Mauer k in der Jasomirgottstraße; GC: 1886_01) liegt und nach der Beschreibung sich auch grundsätzlich von jenen Mauerabschnitten im Süden des Lagers (siehe oben GC: 1902_01 und 1904_02) unterscheidet:57 Die Frontmauer des Gundelhofes stand auf einer älteren, 2 m breiten Mauer aus großen Steinblöcken mit eingebundenen Ziegellagen, die „in beträchtlicher Tiefe von mächtigen Pfeilern aus rohen Quadern und Ziegellagen zwischen diesen“ unterbrochen wurde, wobei der obere Abschnitt der Mauer stellenweise auf diesen Pfeilern auflag. Genauere Angaben zu Tiefe und Zusammensetzung der Mauer liegen allerdings nicht vor. GC: 1895_02 Kramergasse 5 (früher 1) und 10 (früher 4) Beim Ausheben der Baugrube für den Keller des damaligen Neubaus Kramergasse 5 kam im Herbst 1894 unter den Kellern des alten Hauses in 12,75 m Tiefe (!) eine 2 m breite Steinmauer (e) zum Vorschein. 58 Sie war im geologischen Schotter- und Lössbereich fundamentiert und bestand 4 m hoch (8,75 m unter Ausgangsniveau) nur aus Quadern. Darüber (OK?) waren ebenfalls Quadersteine festzustellen, allerdings auch Bruchsteine mit Ziegeln (2361265 cm) in überaus fester Kalkmörtelbindung. In der Fortsetzung Richtung Südwesten im Nachbarhaus Kramergasse 3 war Mauer e allerdings im gewachsenen Boden nicht mehr aufzufinden. Im Herbst 1895 wurde weiter nordöstlich auf der Gasse vor dem heutigen Haus Kramergasse 10 (früher Kramergasse 4) eine weitere Mauer (f) mit zugehöriger Grabenanlage unterhalb der ehemaligen Außenmauer des alten Hauses gefunden, die in Zusammenhang mit der Umfassungsmauer des Legionslagers gebracht wurde. 59 Dabei soll eine 2,50 m hohe jüngere Mauer über der römischen Lagermauer bestanden haben. Letztere war 1,30 m breit und aus großen Bruchsteinen in hartem Kalkmörtel und Flusskies gebaut. Im knapp daran östlich anschließenden Lagergraben fanden sich in der Verfüllung Mauerteile und Buckelquader der Lagermauer. Mauer f selbst liegt in der Flucht der Mauer i (siehe oben GC: 1875_02). In einem Abstand von etwas mehr als einer Mauerbreite ins Innere des Lagers folgte die Flucht der Mauern e und k (siehe oben GC: 1886_01), welche sich in ihrer Verlängerung nach Nordosten mit der Außenfront der porta principalis dextra verbinden lassen. GC: 1971_03 Kramergasse 9 (früher 5) Im April 1971 kam im Zuge einer Kanalgrabung in den Straßenzügen Rotenturmstraße–Ertlgasse–Kramergasse–Brandstätte vor dem Haus Kramergasse 9 ein 2 m breites und 2 m langes Teilstück der Legionslagermauer, in 6 bis 7 m Tiefe fundamentiert, zutage. 60 Die Mauer zeigte nach Neumann eine „typisch römische Bruchsteinmauerkonstruktion“61, ohne dass diese näher beschrieben wurde. Diese wurde nur mit einem weiter nordöstlich aufgefunde-

57 Kenner 1897, 61 Taf. II i; vgl. auch Mosser 2002, 106 f. und Abb. 2. 58 Kenner 1897, 56 Taf. II e. 59 Kenner 1897, 56 f. Taf. II f; Fig. 38; vgl. auch Mosser 2004, 214 f. 60 A. Neumann, Zu den alten und neuen Funden aus Vindobona. ÖJh 51, 1976/1977, 147. 61 FP 1971/5; A. Neumann, Zur Aufdeckung der porta principalis dextra des Legionslagers Vindobona. PAR 21, 1971, 25 f.

175 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

nen, offensichtlich ganz ähnlichen Teilstück, das Neumann einer jüngeren Bauphase der porta principalis dextra zuwies, in Verbindung gebracht. GC: 1843_01 Kramergasse 9–11 (früher 5–7) Die Überreste der porta principalis dextra dürften beim Bau des Hauses Kramergasse 9 in den Jahren 1842/43 aufgedeckt worden sein. Die Rekonstruktion der damals aufgefundenen Torturmmauern erfolgte durch Skizzen vermutlich von Kenners Hand, denen wohl der originale Architektenplan zugrunde lag. 62 Die Maßangaben dazu sind sehr exakt wiedergegeben: Demnach waren die Mauern der porta 2,50 m dick und noch 2,26 m hoch erhalten bzw. jeweils 10,10 m lang. Ihre Oberkante lag 1,89 m unter dem damaligen Gehniveau, die Unterkante in 4,10 m Tiefe auf dem gewachsenen Boden. Es handelte sich um mit festem Kalkmörtel gebundene Bruchsteinmauern, die nach außen Mauerwerk in Opus-spicatum-Technik aufwiesen. 63 Die Verlängerung der Außenmauer der rekonstruierten porta dextra nach Nordosten wäre nur ca. 30 m vom 2011 dokumentierten Profil auf der Parzelle Kramergasse 13 entfernt (vgl. Abb. 1). GC: 1911_26 Rotgasse 11/Fleischmarkt 6 (Abb. 12) Im Zuge des Abbruchs des alten Dreifaltigkeitshofes und der damit verbundenen Verlängerung des Fleischmarkts nach Westen ergab sich am 26. August 1910 die Aufdeckung eines Mauerstücks im Bereich der Ecke Rotgasse 11/ Fleischmarkt 6, wo zumindest der Nahbereich der Lagermauer zu vermuten ist. Nach der Skizze in den Fundakten (Abb. 12) hatte die Mauer allerdings nur eine Breite von 0,70 m, die Unterkante lag 2,50 m tief, die Oberkante der 2,50 m hoch erhaltenen Mauer erreichte in etwa das heutige Straßenniveau bei ca. 12 m über Wr. Null. Östlich der Mauer scheint eine Böschung anzuschließen mit dem tiefsten Punkt 3 m unter der Rotgasse (ca. 9 m über Wr. Null). Eine nähere Beschreibung der Mauer fehlt. Nördliche Umfassungsmauer GC: 1931_01, 2003_01 Kirche Maria am Gestade Am 7. Februar 1931 untersuchte Erich Polaschek die Fundamentmauern unter dem nördlichen Langhaus der erstmals 1137 erwähnten Kirche Maria am Gestade64. Polaschek stufte, wie aus einer Skizze in den Fundprotokollen ersichtlich, bestimmte Abschnitte der nordwestlichen Kirchenfundamente als Teile der 62 FT IX, 35. 63 Kenner 1897, 56 Anm. 2; von Kenner als mittelalterlich eingestuft; Mosser 2001, 146– 148 Abb. 5. 64 Dehio Wien 2003, 94–101. 65 FP 1931/1; Die Verwaltung der Bundeshauptstadt Wien in der Zeit vom 1. Jänner 1929 bis 31. Dezember 1931 (Mskr., hrsg. Magistrat der Stadt Wien, 1949) 1062. 66 M. Mosser, Wien 1, Kirche Maria am Gestade/Salvatorgasse 9–11/Stoß im Himmel 3. FWien 7, 2004, 251–253. 67 Dehio Wien 2003, 101.

römischen Lagermauer ein. 65 Am 12. Februar 2003 erfolgte eine neuerliche Überprüfung der von Polaschek untersuchten Fundamentmauern. 66 Das Gehniveau in der Unterkirche liegt etwa 4,20 m unter der heutigen Straßenoberfläche (ca. 15,80/11,60 m über Wr. Null). Im Bereich der tonnengewölbten Räume waren gotische Quadermauern vom Anfang des 15. Jahrhunderts, zum Teil mit frühgotischen Spolien und Bruchsteinmauerwerk festzustellen. 67 Im Norden werden die Räume von einem mächtigen, nur teilweise freiliegenden, 1,95–2,05 m hoch sichtbaren Gussmauerkern aus Bruchsteinen in Kalkmörtelbindung der spätrömischen Lagermauer sowie weiteren mittelalterlichen und neuzeitlichen Bruchstein- und Qua-

176 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

Aufsätze

dermauern abgeschlossen. Das schon von Polaschek 1931 als römisch eingestufte Gussmauerwerk ist großteils von neuzeitlichen Ziegeln abgedeckt. Im nur ca. 50–85 cm schmalen Gang zwischen dem nördlichen Langhausfundament und dem südlich anschließenden Quadermauerwerk springt das Gussmauerwerk bis zu 30 cm über das heutige Fußbodenniveau (OK ca. 11,90 m über Wr. Null) auf einer Länge von 2,95 m maximal 20 cm sichtbar vor. Hingegen ist ganz im Osten der Gusskern aus Bruchsteinen und Mörtel nur im Deckenbereich in 2,30 m Höhe auf eine Länge von 40 cm sichtbar. Der Befund unter der Kirche Maria am Gestade ist als ein dem Gelände am Nordabhang der spätrömischen Befestigung angepasstes Teilstück anzusehen, das nach einer angenommenen gewaltigen Hangrutschung während der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts erbaut worden sein dürfte. 68 Nicht unmittelbar zur Lagerumwehrung sind die spätrömischen Hafenbefestigungsstrukturen am Fuß des Lagerplateaus zu zählen, die im Bereich Maria am Gestade und am Rabensteig identifiziert wurden. Vor allem Erstere sind insofern für die Thematik von Bedeutung, da die offensichtlich spätrömische Turmanlage69 mit anschließender Stützmauer am Fuß des nordwestlichen Legionslagerplateaus (siehe unten GC: 1901_01) von Nowalski und Kenner mit den übrigen Teilstücken der Lagermauer und mit den Tortürmen verglichen wurde70:

Abb. 12: Rest der Lagermauer im Bereich Rotgasse/Fleischmarkt mit rekonstruiertem Wehrgang. (Wien Museum, FA-RZ, Rotgasse/Rabensteig, 28. August 1910)

GC: 1999_01 Rabensteig 3 Massive Steinquader (1,06–1,4660,16–0,3360,36–0,47 m), verbaut im Keller des Hauses Rabensteig 3, deuten auf römische Bauten am Fuß des Lagerplateaus im nordöstlichen Abschnitt,71 errichtet nach dem postulierten Hangrutsch in spätrömischer Zeit. GC: 1902_05 Rabensteig 8 Bei der Verlegung von Wasserleitungsröhren fand man im Bereich der NordostEcke des Legionslagers zwischen den heutigen Häusern Rabensteig 5 und 8 in 2,20 m Tiefe eine 3,50 m breite Mauer, die Buckelquader an der Außenseite und einen „Kern aus Bruchsteinen“ aufwies. Innen war Brandschutt entlang der Mauer festzustellen. 72 Der südöstlich der Mauer dokumentierte Spitzgraben enthielt zahlreiche Bauteile der Lagermauer (Buckelquader, Zinnen, Zinnendeckel, Gesimsstücke). 73

68 R. Gietl/M. Kronberger/M. Mosser, Rekonstruktion des antiken Geländes in der Wiener Innenstadt. FWien 7, 2004, 45–48. 69 Die Turmanlage kann erst nach dem postulierten Hangrutsch in spätrömischer Zeit erbaut worden sein. 70 Kenner 1904, 132. 71 M. Mosser, Innere Stadt – Rabensteig 3. FWien 2, 1999, 4; P. Mitchell, Wien 1 – Rabensteig. FÖ 40, 2001, 737 f.; Dehio Wien 2003, 794. 72 Kenner 1903, 38; die Mauer selbst könnte aufgrund ihrer Lage am Fuß des Lagerplateaus und außerhalb der rekonstruierten Nordfront des Legionslagers eventuell Bestandteil einer römerzeitlichen Hafenanlage gewesen sein. 73 Mosser 2004, 218 f. Abb. 10.

177 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

Abb. 13: Planskizze der spätrömischen Hafenbefestigung, Am Gestade 1901. (Wien Museum)

Abb. 14: Profilskizze des Mauerquerschnitts der Hafenbefestigung, Am Gestade 1901. (Wien Museum)

GC: 1901_01 Am Gestade 2 (Abb. 13–14) Die Turmanlage mit einem 2,75 m breiten Eingangsbereich von der Donauseite her74 bestand aus Gussmauerwerk als opus spicatum mit Mörtel zum Teil mit „Hohlziegeln“ (tubuli, imbrices?) versetzt, außen waren die Mauern mit Buckel74 Auch eine Stufenanlage im Lehmboden konnte innerhalb des Turms festgestellt werden; Kenner 1904, 129. 75 Kenner 1904, 127–132 Fig. 103–104; FT III, 129; 140; FA-RZ, Maria am Gestade, 3. Februar 1901.

quadern verkleidet: L 0,45–1,85 m, B 0,50 m, H 0,50–0,63 m. Die auf dem Donauschotter stehenden Fundamente waren an der Nordseite 2–2,10 m breit (im Aufgehenden 1,80 m), die beiden Richtung Lager nach Süden abgehenden Turmmauern hatten 1,50–1,80 m breite Fundamente mit 1,25–1,70 m breitem aufgehendem Mauerwerk. 75

178 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

Aufsätze

Bauinschriften der Legionslagermauer Eine ganze Reihe von Quadersteinen, die der Umfassungsmauer zugewiesen wurden, konnte aus dem vor der Mauer liegenden Lagergraben geborgen werden (siehe z. B. GC: 1895_02, 1902_01, 1902_05, 1904_02). Viele dieser Steine zeigen – im Gegensatz zu jenen Baublöcken, die in den 1843 errichteten Häusern Kramergasse 11–13 und Lichtensteg 5 (GC: 2006_01) sekundär verbaut wurden – auf der Ansichtsseite ein erhabenes Mittelfeld mit V-förmigen Furchen und einem glatten Randsaum. 76 Sechs dieser Bauquader wurden aus dem nordöstlichen Graben im Bereich Rabensteig (GC: 1902_05) geborgen. 77 Die Größe der Quader ist dabei nicht einheitlich (max. 0,7360,646 0,52 m), wobei für eine Datierung der Lagermauer von Bedeutung ist, dass einer dieser Quader eine Bauinschrift der legio XIII gemina aufweist. 78 Dies zeigt, dass bereits zur Errichtungszeit des Legionslagers am Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. diese Steine die Außenfassade der Lagermauer strukturierten, wobei diese offensichtlich noch bei einer postulierten Verbreiterung in spätrömischer Zeit an originaler Stelle verblieben sein dürften. 79 Davon abgesehen sind aus Vindobona noch drei weitere Bauinschriften der legio XIIII gemina Martia victrix bekannt, die deren Bautätigkeit am Legionslager nach dem Abzug der 13. Legion zwischen 101 und 114 n. Chr. belegen. 80 Die noch erhaltenen Quader der 14. Legion zeigen wiederum eine andere Erscheinungsform wie jene am Rabensteig aufgefundenen Steinblöcke. Kleiner dimensioniert ist der sehr sorgfältig ausgeführte Quader der Zenturie des Terentius Verna, der vielleicht den Eingangsbereich eines Zwischenturms im Bereich Rotgasse/Fleischmarkt zierte. Jener im Stephansdom eingemauerte Stein mit ungerahmter, einfach gemeißelter Bauinschrift der Zenturie des Lutatius Expectatus erinnert hingegen von der Oberflächenstruktur her an jene in der Kramergasse geborgenen Quader, wobei eine sekundäre Überarbeitung der Spolie im Stephansdom nicht auszuschließen ist (Abb. 15). Die Fundlage aller Bauinschriftsteine im Bereich der östlichen Lagerumwehrung lässt sie alle mit der Errichtung der Umfassungsmauer bzw. deren Turmanlagen in Verbindung bringen, eine Zuordnung zu Innenbauten des Lagers ist hingegen eher unwahrscheinlich. 81 Katalog der Bauinschriften Quader mit Bauinschrift der legio XIII gemina FO: Wien 1, Rabensteig, im nordöstlichen Graben des Legionslagers; GC: 1902_05. VO: Wien Museum Inv.-Nr. MV 719 (alt MV 1–1 a). Material: Sandstein Maße: B 73 cm, H 64 cm, D 32 cm. Lit.: CIL III 15196/4; Kenner 1903, 38 Fig. 4; Neumann 1961/1962, Nr. 1; Vindobona-Katalog 1978, 172 S 5; Neumann (Anm. 60) 146 Abb. 4; Mosser 2005, 133 f. Abb. 4. Vollständig erhalten. Inschrift: leg(io) XIII gem(ina)/(centuria) Anni(i) Rufi Quader mit Bauinschrift der legio XIIII gemina Martia victrix FO: Wien 1, Fleischmarkt 6/Rotgasse 11, beim Abbruch des Dreifaltigkeitshofes; GC: 1911_26. VO: Wien Museum Inv.-Nr. MV 1703 (Römermuseum). Material: Kalksandstein Maße: B 60 cm, H 37,5 cm, D 23 cm, Buchstabenhöhe: 2,5–3,5 cm.

76 Von Kenner und Nowalski als „Buckelquader“ angesprochen; vgl. auch VindobonaKatalog 1978, 174 f. S 13. 77 Drei davon sind im Römermuseum (Hoher Markt 3) aufgestellt; vgl. M. Kronberger (Hrsg.), Vindobona. Das römische Wien (Wien 2009) 31. 78 Mosser 2005, 133 f. Abb. 4. 79 Dies würde auf eine spätrömische Verbreiterung ins Innere des Legionslagers schließen lassen; vgl. dazu auch Mosser 2010, 69– 71. 80 Mosser 2005, 138 f. 81 Vgl. auch weiteres reliefverziertes Baumaterial, wie z. B. der sog. Waffenfries, der wohl als Fassadenschmuck der porta principalis dextra anzusprechen ist; dazu kommen Zinnen, Zinnendeckel, reliefierte Steinsockel etc., die in den Lagergräben bzw. in situ im Bereich der porta principalis sinistra gefunden wurden; vgl. Mosser 2001, 151 Taf. 21.

179 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

Abb. 15: In den Stephansdom eingemauerte Bauinschrift der Zenturie des Lutatius Expectatus. (Foto: R. Kohn, Österreichische Akademie der Wissenschaften) Lit.: Kenner 1911, 112 Fig. 2; Neumann 1961/1962, Nr. 3; Vindobona-Katalog 1978, 172 f. S 7; R. Pohanka, Das römische Wien. Geschichte Wiens 1 (Wien 1997) 85 Abb.; Mosser 2005, 139 Abb. 6. Bauquader mit Inschrift innerhalb einer tabula ansata mit nach außen gekehrten peltae; vollständig erhalten. Inschrift: leg(ionis) XIIII/ g(eminae) M(artiae) v(ictricis)/ coh(ortis) I pr(incipis) pr(ioris)/ 4 Terenti Vernae Quader mit Bauinschrift der legio XIIII gemina Martia victrix (Abb. 15) FO: Wien 1, Stephansdom; GC: 3000_45. VO: am FO, eingemauert im nördlichen Heidenturm, im Gewölbe des Erdgeschoßes. Material: Kalksandstein Maße: B 42 cm, H 50 cm. Lit.: A. Betz in: A. Kieslinger, Die Steine von St. Stephan (Wien 1949) 34; Neumann 1961/1962, 9 Nr. 4; Vindobona-Katalog 1978, 172 S 6; Mosser 2005, 138. Inschrift: [l]eg(ionis) XIIII g(eminae)/ Mar(tiae) vic(tricis)/ coh(ortis) VI/ [(centuria)] Lut(atii?) Expect(ati) Quader mit Bauinschrift der legio XIIII gemina Martia victrix FO: Wien 1, Bauernmarkt/Judengasse, 1558 im „Lazenhof“; GC: 1558_01. VO: verschollen Lit.: CIL III 4578; W. Kubitschek, Vindobona. In: Xenia Austriaca. Festschrift der österreichischen Mittelschulen zur 42. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Wien 1 (Wien 1893) 54 Nr. 25; Neumann 1961/1962, 8 Nr. 2; A. J. Pfiffig, Volumnius Pudens, ein Etrusker in der Wiener Heimatgeschichte. In: M. G. Marzi Costagli (a cura di), Studi di Antichità in onore di Guglielmo Maetzke III. Archaeologica 49 (Rom 1984) 553–558; Mosser 2005, 139. Inschrift: leg(io) XIIII (oder XIII?) gem(ina)/ 4 Volumni(i)/ Pudentis

180 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

Aufsätze

Zusammenfassung der Altgrabungsbefunde (Abb. 16) Fundstelle Wipplingerstr. 21–23 Porta sinistra Am Hof 9 Zwischenturm Am Hof 9 Heidenschuß 3 Naglergasse 2–12 Naglergasse 2–12 Zwischenturm Naglergasse 2–12 Porta decumana Jungferngasse 2 Brandstätte 1 Jasomirgottstr. 3–5 Jasomirgottstr. 3–5 Jasomirgottstr. 3–5 Kramergasse 5 Kramergasse 10 Kramergasse 9 Kramergasse 9–11 Porta dextra Rotgasse 11/Fleischmarkt 6 Rabensteig 8 Rabensteig 3 Maria am Gestade Am Gestade 2

GC 1903_03 1937_04 1953_02

Bruchsteinmauer –

Gussmauerwerk X

Buckelquader X

Quader Opus spicatum X X

B (m) 2,25–3,00

X

X







1,50–2,00

1953_02 1897_03 1902_01 1902_01

X X – X

– – X –

– – X X

– – X –

– – X –

1,80 2,00 2,00–3,25 1,20–2,00

1902_01



X

X

X

X

2,00–3,25

– X –

X – X

– – –

X X X

– – –

3,00 2,00 1,00–3,10

– –

X X

– –

– X

– –

1,00 1,50–2,00

X X X X

– ? – –

– ? – –

X – – –

– – – X

2,00 1,30 2,00 2,50

– X – –

– – – X

– X – –

– – X –

– – – –

0,70? 3,50 ? ?



X

X



X

1,25–2,10

1904_02 1875_02 1886_01 1904_27 1886_01 1886_01 1904_27 1895_02 1895_02 1971_03 1843_01 1911_26 1902_05 1999_01 1931_01 2003_01 1901_01

(i) (k) (l) (m) (e) (f)

Tab. 2: Charakteristika der Lagermauerbefunde von Vindobona (gegen den Uhrzeigersinn von der Nordwest-Ecke des Lagers).

Tabelle 2 zeigt kein einheitliches Bild hinsichtlich der Konstruktion der römischen Legionslagermauer. Es unterscheiden sich sowohl die Stärken der Mauerabschnitte (0,70 bzw. 1–3,25 m) als auch deren Zusammensetzung (Bruchsteinmauern bzw. Gussmauerwerk mit oder ohne Quaderverkleidung). Zwei Kriterien sind dabei zu berücksichtigen: einerseits der Erhaltungszustand des aufgefundenen Mauerstücks. Zum Teil dürfte nur noch der Mauerkern ohne Quaderverkleidung erhalten geblieben sein, wodurch die originale Mauerstärke nicht mehr nachvollziehbar wird (z. B. GC: 1886_01), oder die Mauer wurde nicht in ihrer ganzen Breite freigelegt (GC: 1911_26?). Der Unterschied in den Beschreibungen hat andererseits auch eine chronologische Komponente. Abgesehen von den Torturmbefunden (GC: 1843_01, 1902_01 und 1903_03) dürften die Mauern über 2 m Breite mit Gussmauerwerk und Buckelquaderverkleidung den spätrömischen Zustand der Lagermauer widerspiegeln, da nachweislich spätestens ab valentinianischer Zeit Befestigungen am mittleren Donaulimes ausgebaut und damit auch Lagermauern, die ursprünglich ca. zwischen 1,20 bis 2 m Breite aufwiesen, wesentlich verstärkt wurden. 82 So zeigen in Carnuntum die Befunde zur mittelkaiserzeitlichen Lagerbefestigung eine Mauer von 1,25 m Breite, welche in Periode 3 a (180/220 bis ca. Mitte 3. Jh.) und in Periode 5 (letztes Drittel 4. Jh.) jeweils eine 1,10 bzw. 0,50 m breite Verstärkung erfuhr. Die mittelkaiserzeitliche Legionslagermauer von Ebu-

82 Zum valentinianischen Bauprogramm siehe u. a. Amm. XXIX 6, 2 und XXX 5, 15; S. Soproni, Die letzten Jahrzehnte des pannonischen Limes. Münchner Beitr. Vor- u. Frühgesch. 38 (München 1985) 107–112; vgl. die Bauinschriften CIL III 10596; 3653; 5670 a; 14358; RIU 3, 804 aus Ybbs, Carnuntum, Esztergom (Solva) und Visegrád.

181 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

Abb. 16: Übersichtsplan zur Lagermauer von Vindobona. (Plan: M. Mosser; DGM: MA 41 – Stadtvermessung)

83 Carnuntum: Ch. Gugl/R. Kastler (Hrsg.), Legionslager Carnuntum. Ausgrabungen 1968–1977. RLÖ 45 (Wien 2007) 45; 60 f. 109–111 Abb. 37–38; 83. – Eburacum: P. Ottaway, The Archaeology of York 3. The Legionary Fortress. Excavations and Observations on the Defences and Adjacent Sites, 1971– 90 (York 1996) 263 f. – Aquincum: M. Németh, Die Militäranlagen von Óbuda. In: P. Zsidi (Hrsg.), Forschungen in Aquincum 1969– 2002. Festschr. Klára Póczy. Aquincum Nostrum II 2 (Budapest 2003) 88. 84 Dass der Erdwall nicht vollständig entfernt wurde, zeigten die Grabungen im westlichen Intervallum des Legionslagers in den Jahren 2008/09; Mosser 2010, 65 f. Abb. 13.

racum (York) weist eine Breite von 1,20–1,48 m, jene mit Quadern verkleidete von Aquincum eine ähnliche Stärke von 1,40 m auf. 83 Im 4. Jahrhundert dürfte dann zumindest teilweise auch der ursprünglich vorhandene mittelkaiserzeitliche Erdwall entfernt worden sein,84 womit die Legionslagermauer von Vindobona auch eine (mit Quadern verkleidete) „Schauseite“ nach innen besessen haben könnte. Bestätigt wird die Datierung dieser Befunde an der erst in spätantiker Zeit durch den Hangrutsch entstandenen Nordfront des Lagers mit den Baustrukturen am Fuß des Lagerplateaus, welche ebenfalls Gussmauerwerk und Buckelquaderverkleidung mit einer Breite von bis zu 2,10 m aufwiesen (GC: 1901_01). Die Lagermauerbefunde in der Naglergasse dokumentieren auch ein gleichzeitiges Vorkommen von Quadern mit und ohne Buckelverzierung.

182 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

Aufsätze

Bei der porta principalis sinistra konnte die Lagermauer in der Flucht der Innenseite des Turms Richtung Süden rekonstruiert werden (GC: 1903_03, 1953_02), wobei im Jahr 1900 auch ein Ansatz an der Außenseite dokumentiert wurde (GC: 1903_03). Eine Fortsetzung dieser Mauer nach Süden konnte aber durch die Ausgrabungen der Jahre 2008/09 nicht bestätigt werden, da der im Bereich Am Hof 10 sowohl für die Mittelkaiserzeit als auch für die Spätantike festgestellte Erdwall keine weiter nach Westen versetzte Lagermauer zulassen würde. 85 Die Altgrabungsbefunde zeigen südlich der porta principalis dextra bis zu drei parallel zueinander verlaufende Mauern, die Kenner als Teile der Befestigungsanlage interpretierte und die Verdreifachung mit dem Terrain in diesem Bereich erklärte (Abb. 11). 86 Allerdings verlief das antike Gelände im Bereich Legionslager/canabae legionis von der Plateaukante am Tiefen Graben nach Osten Richtung Wienfluss zwar stetig abfallend,87 aber ohne starke Böschungen und Kanten, die erst durch die Anlage der römischen Grabensysteme „künstlich“ entstanden sind. Daher ist das Argument für eine Verdreifachung der Lagermauer aufgrund der Geländesituation hinfällig. Eine letztgültige Erklärung für dieses Phänomen ist wohl beim derzeitigen Forschungsstand nicht möglich. Der Verlauf der östlichen, äußeren Mauerzüge (GC: 1875_02? 1886_01 und 1904_27: Mauer k, 1895_02: Mauer e) wie auch die Lage des Profils im Haus Kramergasse 13 (GC: 2011_01) dürften in etwa der Flucht der Außenfront der porta principalis dextra entsprechen (Abb. 16). 88 Die Mauern l und m (GC: 1886_01) liegen dagegen eher in der Flucht der Innenseite der Porta. 89 Aus dem Bereich der porta dextra sind weitere Mauern bekannt, die bereits außerhalb der angenommenen äußeren Lagermauer positioniert sind (GC: 1895_02: Mauer f, 1971_03, evtl. 1875_02?). Hier sind jedenfalls verschiedene fortifikatorische Baumaßnahmen zu beobachten, die im Detail aber kaum zu differenzieren sind. Ein weiteres Phänomen sind die Niveauangaben zu Mauer e (GC: 1895_02) mit 12,75 m Tiefe und Mauer i (GC: 1875_02) in „beträchtlicher Tiefe“, die vielleicht auf Kanalisierungsmaßnahmen entlang der Lagermauer im Bereich des östlichen Grabensystems hindeuten, doch sind weitere Schlussfolgerungen hierzu aufgrund der marginalen Angaben nicht zielführend. 90 Schließlich müssen auch die mittelalterliche Nutzung sowie der Um- und Ausbau der römischen Anlagen hierbei in Betracht gezogen werden. 91 Der Verlauf der Umfassungsmauer ist somit im Westen und Süden des Lagers einigermaßen gut zu rekonstruieren, einige Ungereimtheiten bestehen für den östlichen Abschnitt, wozu auch der Profilbefund im Haus Kramergasse 13 zu zählen ist. Im nördlichen Teil des Legionslagers ist der Dokumentationsstand zu gering, um eindeutige Aussagen über den Verlauf der spätrömischen oder gar der weggeschwemmten mittelkaiserzeitlichen Mauer zu tätigen. 92 Interpretation der Bruchsteinlage im Profil Kramergasse 13 Wie bereits ausgeführt, liegen die Bruchsteine in der sandigen, mörteligen Lehmschicht (Bef.-Nr. 1) des dokumentierten Profils in der Kramergasse in der Flucht der Außenseite der ca. 30 m südwestlich der Fundstelle rekonstruierten porta principalis dextra. Die Charakteristika der Mauerzüge, die in

85 Der Erdwall hätte dann eine unrealistische Breite von über 10 m; vgl. Mosser 2010, 58– 60 Abb. 7 und Tab. 2. 86 Kenner 1897, 58. 87 Gietl/Kronberger/Mosser (Anm. 68) 48 f. 88 Allerdings können sowohl die angeführten Mauerzüge als auch die Porta dextra nach den vorliegenden Angaben keineswegs exakt rekonstruiert werden. 89 Möglich wäre auch eine Interpretation dieser Mauern als Strukturen von an die Lagermauer gesetzten Gebäuden im östlichen Intervallum; vgl. Mosser 2010, 64–67. 90 Vgl. Mosser 2002, 106 Anm. 16; Mosser 2004, 219. 91 Vgl. z. B. ganz ähnliche Mauerwerksbeschreibungen mit Buckelquadern und Bruchsteinmauerwerk bei mittelalterlichen Anlagen: P. Schicht, Österreichs Kastellburgen des 13. und 14. Jahrhunderts. BeitrMAÖ Beih. 5 (Wien 2003) 217–222; siehe auch O. Harl, Neufund römischer Architekturstücke aus Wien und Bemerkungen zur Geschichte der Lagermauer von Vindobona im Mittelalter. In: J. Fitz (Hrsg.), Limes. Akten des XI. Internationalen Limeskongresses, Székesfehérvár 1976 (Budapest 1977) 140 f. 92 Die spätrömische Nordmauer des Lagers ist nur indirekt zusammen mit dem Befund unter der Kirche Maria am Gestade (GC: 1931_01, 2003_01) und der Geländekante des Lagerplateaus zu erfassen.

183 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

derselben Flucht südlich der porta dextra aufgedeckt wurden (GC: 1886_01: Mauer k, 1895_02: Mauer e) bestanden nach der Beschreibung bei Kenner aus einem sehr festen Kalkmörtelgussmauerwerk mit grauen schieferartigen Bruchsteinen und kleinen Ziegelbruchstücken durchmischt sowie einer zumindest teilweise vorhandenen Quaderverkleidung. 93 Niveaus und Mauerstärken sind dagegen sehr unterschiedlich dokumentiert, wodurch keine Rückschlüsse auf den Befund aus dem Jahr 2011 gezogen werden können. Einen Anhaltspunkt liefern hierzu aber die Angaben zum Niveau der 1843 aufgedeckten porta principalis dextra. Mit einer Oberkante bei 1,89 und einer Unterkante bei 4,10 m unter Ausgangsniveau (etwa 14,30 m über Wr. Null) wären im Bereich Kramergasse/Ertlgasse die absoluten Werte bei der Oberkante 12,40 m und der Unterkante bei 10,20 m über Wr. Null. Letzterer Wert liegt damit im Niveaubereich der Bruchsteinlage Bef.-Nr. 1 auf der Parzelle Kramergasse 13 (mind. 9,65 bis 10,70–10,92 m über Wr. Null). Die Oberkante der Torturmmauern liegt etwa 1 m höher als die im Profil von 2011 dokumentierte „Schwarze Schicht“ (Bef.-Nr. 5: 11,16–11,51 m über Wr. Null). Berücksichtigt man einen generellen, zumindest im heutigen Straßenniveau erkennbaren Geländeanstieg in der Kramergasse (ca. 0,50 m vom Lichtensteg bis zur Ertlgasse), so sind die Niveauwerte der beiden Fundstellen sehr gut vergleichbar. Allerdings ist die Bruchsteinlage Bef.-Nr. 1 konstruktiv nur schwer mit einer stark befestigten Lagermauer aus Gussmauerwerk und Quadern in Verbindung zu bringen. Eine Möglichkeit wäre, dass es sich hierbei um einen eher locker geschichteten Mauerkern aus Bruchsteinen und sandigem Mörtel handelt, allerdings sprechen die sonstigen Beschreibungen der Lagermauerbefunde aus Vindobona eher dagegen. Kenner erwähnte sehr oft bezüglich des Gussmauerkerns, dass dieser neben äußerst festem Kalkmörtel den von ihm so genannten „Sieveringer Schleifstein“, also grünlich-graue Bruchsteine, zum Beispiel in Opus-spicatum-Technik gesetzt, enthielte. 94 Diese Bruchsteine sind exakt jene, welche auch in der Kramergasse in Bef.-Nr. 1 zu finden waren. Dass allerdings hier keine feste Kalkmörtelbindung und kein regelmäßiger Opus-spicatum-Verband der Steine beobachtet werden konnte, sondern nur noch eher lockeres Verfüllmaterial festzustellen war, ist vielleicht ein entscheidender Hinweis, dass hier nur noch der ausgerissene Zustand der Legionslagermauer vorlag. Dieser Mauerausriss müsste in der Folge noch in (spät)römischer Zeit durchgeführt worden sein, da die „Schwarze Schicht“ (Bef.-Nr. 5) den entsprechenden Befund abdeckte. Es ist daher denkbar, dass auch die 93 Kenner 1897, 56 und 62. 94 Kenner (Anm. 55) LXXXVII; Kenner 1900, 28; Kenner 1904, 107; 117. 95 Vgl. P. Csendes, Die Entwicklung Wiens im 12. Jahrhundert. In: P. Csendes/F. Opll (Hrsg.), Wien. Geschichte einer Stadt 1. Von den Anfängen bis zur Ersten Türkenbelagerung [1529] (Wien, Köln, Weimar 2001) 71; I. Gaisbauer, Von Mauer und Graben – Überlegungen zur ersten mittelalterlichen Stadtbefestigung Wiens. FWien 7, 2004, 224–233.

Mörtel-, Asche- und Sandschichten (Bef.-Nr. 2–4) unterhalb der „Schwarzen Schicht“ ebenfalls als Verfüllungen dieser Ausrissgrube zu interpretieren sind. Ob dieser Mauerausriss eine Neuerrichtung der Lagermauer an anderer Stelle nach sich zog oder ob dies eine endgültige Abbruchmaßnahme darstellte, lässt sich nur spekulativ beantworten, zumal ja auch für das Hochmittelalter eine einigermaßen intakte Stadtmauer über der wieder instand gesetzten römischen Mauer postuliert wird. 95 Die in den 1843 errichteten Häusern festgestellten wiederverwendeten römischen Quadersteine dürften demnach ebenfalls nicht mehr in situ, sondern eventuell in Versturzlage angetroffen worden sein, falls

184 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil VI: Die Lagermauer

Aufsätze

diese tatsächlich den Unterbau oder die Verkleidung der ursprünglichen Lagermauer gebildet haben sollten (vgl. GC: 1902_01, 1903_03, 1895_02: Mauer e). Da aus dem Profil auch nicht die Breite des postulierten Mauerausrisses eruierbar war, ist nur schwer zu beweisen, dass auch die einst vorhandene Mauer in der Kramergasse 13 wie jene in der Naglergasse eine quaderverkleidete Außenfassade mit Buckelverzierung im aufgehenden Teil und Sockelvorsprung im Fundamentbereich und einem von den Quaderblöcken eingefassten Gussmauerkern aufwies, „an welchem die Werkzeuge der Arbeiter stumpf wurden“. Diese Zusammenschau sollte trotz vieler noch ungeklärter Fragen in Zukunft die Möglichkeit bieten, die angeführten Altgrabungsbefunde durch neue Erkenntnisse bei entsprechenden Grabungen besser verstehen und neu interpretieren zu können.

Abgekürzt zitierte Literatur DEHIO WIEN 2003 – Dehio-Handbuch Wien. I. Bezirk – Innere Stadt (Horn, Wien 2003). KENNER 1897 – F. Kenner, Die archäologischen Funde aus römischer Zeit. In: Geschichte der Stadt Wien 1 (Wien 1897) 42–159. KENNER 1900 – F. Kenner, Bericht über römische Funde in Wien in den Jahren 1896 bis 1900 (Wien 1900). KENNER 1902 – F. Kenner, Römische Funde in Wien. Mitt. ZK 28 N. F., 1902, 17 f. KENNER 1903 – F. Kenner, Römische Funde aus Wien (1902). Mitt. ZK 3. F., 2. Bd., 1903, 32–48. KENNER 1904 – F. Kenner, Römische Funde in Wien aus den Jahren 1901 bis 1903. JZK N. F., 2. Bd., 1. Teil, 1904, 103–170. KENNER 1905 – F. Kenner, Römische Funde in Wien aus den Jahren 1904 und 1905. JZK N. F., 3. Bd., 1. Teil, 1905, 137–230. KENNER 1911 – F. v. Kenner, Römische Funde in Wien 1908–1910. JA 5, 1911, Beibl. 107–162. MOSSER 2001 – M. Mosser, Die Porta principalis dextra im Legionslager Vindobona. In: F. Blakolmer/H. D. Szemethy (Hrsg.), Akten des 8. Österreichischen Archäologentages am Institut für Klassische Archäologie der Universität Wien. WForsch 4 (Wien 2001) 145–152. MOSSER 2002 – M. Mosser, C. Atius und die legio XV Apollinaris in Vindobona. FWien 5, 2002, 102–126. MOSSER 2004 – M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil III: Das Lagergrabensystem. FWien 7, 2004, 212–223. MOSSER 2005 – M. Mosser, Die römischen Truppen in Vindobona. FWien 8, 2005, 126–153. MOSSER 2010 – M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil V: Das Intervallum an der westlichen Lagermauer – Vorbericht zu den Grabungen Am Hof in den Jahren 2008/09. FWien 13, 2010, 50–74. NEUMANN 1961/1962 – A. Neumann, Inschriften aus Vindobona. JbVGW 17/18, 1961/1962, 7–29. NEUMANN 1967 – A. Neumann, Forschungen in Vindobona 1948 bis 1967. I. Teil: Lager und Lagerterritorium. RLÖ 23 (Wien 1967). VINDOBONA-KATALOG 1978 – Vindobona – die Römer im Wiener Raum. 52. Sonderausst. HMW (Wien 1978).

185 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

M. Penz, Vorratshaltung in Erdgruben

Vorratshaltung in Erdgruben: Von einer urnenfelderzeitlichen Speichergrube in Wien-Unterlaa zu den neuzeitlichen Getreidegruben in Mitteleuropa Martin Penz Im Zuge der Freilegung einer weitläufigen römerzeitlichen Siedlung am Fuße des Johannesberges in Wien 10, Unterlaa zwischen 1974 und 20081 kamen vereinzelt auch urgeschichtliche Funde zutage. Zumeist handelte es sich um verlagerte Einzelfunde; Fundverbände bzw. Befunde blieben die Ausnahme. 2 Eine dieser Ausnahmen stellt eine urnenfelderzeitliche Grube dar, die hier näher vorgestellt werden soll. 3 Ihre Form weist auf eine spezielle Technik der Vorratshaltung hin, die, wie ein kulturgeschichtlicher Exkurs zeigen soll, bis in jüngste Zeit bekannt war. Vor allem hinsichtlich der bislang eher stiefmütterlichen Behandlung dieses Themas in der Forschung und der mitunter sogar ungläubig zur Kenntnis genommenen Möglichkeit der Vorratshaltung in Erdgruben erscheint eine breiter gefächerte Bestandsaufnahme an dieser Stelle lohnend. Die urnenfelderzeitliche Vorratsgrube (SE 1634) in Unterlaa Während der Grabungskampagne 1984 wurden im Zwickel zwischen Kirsteweg und dem Feldweg zum Umspannwerk auf dem Johannesberg (Parz. 201/2, 203, 227) mehrere Quadranten angelegt, um den westlichen Anschlussbereich zum sog. Hauptgebäude (Gebäude E) der römischen Siedlung archäologisch zu untersuchen. 4 Dabei kam zwischen römerzeitlichen Gräbchen und großen Grubenkomplexen in der Südost-Ecke von Quadrant 13 eine Vorratsgrube (SE 1634) zum Vorschein (Abb. 1 und 2). Auf dem Niveau von 15,40 m über Wr. Null, etwa 0,65 m unter der Humusoberkante, erschien zuerst ein „dunkler Lehmfleck“ innerhalb des anstehenden gelben Lösslehmes, 1 Zu den Kampagnen bis 1999 siehe K. Adler-Wölfl, Die römische Siedlung von WienUnterlaa [Grabungen 1974–1999] (unpubl. Diss. Univ. Wien 2003), danach FundchronikBeiträge in FWien 1–3, 1998–2000; 6–10, 2003–2007; 12, 2009. 2 Zu einer ersten Zusammenstellung der urgeschichtlichen Befunde und Funde von Unterlaa siehe Samonig 2002. 3 Dieser Befund blieb bei Samonig 2002 unberücksichtigt, da die zugehörigen Funde erst vor kurzem im Zuge von Inventarisierungsarbeiten im Wien Museum wieder zugeordnet werden konnten. Vgl. auch V. Lindinger/E. Pichler, Beitrag zur Erforschung eines urgeschichtlichen Siedlungsraumes im unteren Liesingtal. FWien 5, 2002, 31 Tab. 1 Nr. 12. 4 O. Harl, Wien 10 – Unterlaa. FÖ 23, 1984 (1986) 309 f. (GC: 1984_02); Grabungsdokumentation, Archiv Stadtarchäologie Wien.

der erst nach weiterem Abtiefen um ca. 0,10 m eine klare Form annahm und eine brandige Beschaffenheit zeigte. In einem weiteren Planum (14,90 m über Wr. Null) wurde dieser „sich nach unten verbreiternde“ Befund als kreisrunde dunkle Verfärbung erfasst, ehe der Grubenboden bereits bei 14,76 m über Wr. Null erreicht wurde. Laut der Grabungsdokumentation handelte es sich also um eine kegelstumpfförmige Grube, die knapp 0,50 m tief erhalten geblieben war; ihr größter Durchmesser belief sich auf ca. 1,30 m. Die dunkelbraune, lehmig-humose Verfüllung war mit verbranntem Lehm und Holzkohle durchsetzt und bestand wohl hauptsächlich aus Brandschutt – auch das keramische Fundmaterial weist Anzeichen von zum Teil extremer Hitzeeinwirkung auf. Katalog und Auswertung der Funde 1 – 4 RS, 2 BS einer Henkeltasse; Inv.-Nr. MV 25.179/1 (Taf. 1,1) Grauer, feiner Ton; Oberfläche großteils durch Hitzeeinwirkung rau und hellgrau bis hellbraun; am Rand und am Bauchumbruch Ansätze eines hochgezogenen Henkels mit flachdreieckigem Querschnitt; Gefäß ziemlich exakt mittig entzweigebrochen; RDm 11,5 cm, H 6,7 cm, Wst 0,4 cm.

186 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Penz, Vorratshaltung in Erdgruben

Abb. 1: Lage der urnenfelderzeitlichen Gruben in Wien 10, Unterlaa. (Plan: Stadtarchäologie Wien)

Aufsätze

Abb. 2: Im Jahr 1984 ergrabene Vorratsgrube SE 1634, Richtung Süden. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

2 – 2 RS, 2 WS einer (Henkel?-)Tasse; Inv.-Nr. MV 25.179/2 (Taf. 1,2) Grauer, feiner Ton; Oberfläche durch starke Hitzeeinwirkung rau und hellrot bis hellorangebraun; RDm 14 cm, Wst 0,35 cm. 3 – 2 WS, 4 nicht anpassende WS eines bauchigen Gefäßes; Inv.-Nr. MV 25.179/3 (Taf. 1,3) Hellgraubrauner, grob schamottegemagerter Ton; Oberfläche großteils durch Hitzeeinwirkung graubraun bis orangebraun; am Schulteransatz drei seichte Riefen erhalten; rek. Bauch-Dm ca. 26 cm, Wst 0,85 cm. 4 – WS; Inv.-Nr. MV 25.179/4 Graubrauner Ton, fein schamottegemagert; hellbraune bis graubraune, geglättete Oberfläche; Ansatz eines 3,4 cm breiten Bandhenkels. 5 – WS; Inv.-Nr. MV 25.179/5 Graubrauner, fein schamottegemagerter Ton; schwarzgraue, geglättete Oberfläche; minimal erhaltene Reste zweier schräg zueinander laufender, seichter Rillen. 6 – RS; Inv.-Nr. MV 25.179/6 Grauer, schamottegemagerter Ton; grau bis hellrötlich braune Oberfläche, sekundär verbrannt; ausladender Rand (Orientierung?). 7 – WS; Inv.-Nr. MV 25.179/7 Graubrauner, schamottegemagerter Ton; hellbraune Oberfläche; annähernd runde (scheibenförmige) Form, wohl durch rezente Beschädigungen entstanden. 8 – RS, WS eines bauchigen Topfes; Inv.-Nr. MV 25.179/8 (Taf. 1,4) Graubrauner, grober Ton, stark schamottegemagert; Oberfläche durch starke Hitzeeinwirkung rissig, blasig und orangerot; kurz ausbiegender Rand; RDm 430 cm, Wst 1,1 cm. 9 – BS eines Großgefäßes; Inv.-Nr. MV 25.179/9 (Taf. 1,5) Grauer, grober Ton, stark schamottegemagert; Oberfläche durch starke Hitzeeinwirkung rissig, verzogen und grau- bis orangebraun; Boden zu ca. 60% erh.; wohl zu Kat.-Nr. 10 gehörig; BDm 19 cm, Wst 1,6 cm. 10 – 3 RS eines Zylinderhalsgefäßes; Inv.-Nr. MV 25.179/10 (Taf. 1,6) Schwarzgrauer, grober Ton, stark schamottegemagert; Oberfläche durch starke Hitzeeinwirkung rissig, verzogen und grau- bis orangebraun; annähernd waagrecht umgelegter und facettierter Rand, zylindrischer Hals, stark bauchiger Körper im Ansatz erh. (durch Hitzeeinwirkung zusätzlich aufgewölbt); am Schulteransatz grobe Fingertupfenleiste; RDm 42 cm, Wst 1,5 cm. 11 – RS, BS, 10 WS eines Großgefäßes; Inv.-Nr. MV 25.179/11 Kleinfragmente; zu Kat.-Nr. 10 gehörig.

187 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

M. Penz, Vorratshaltung in Erdgruben

Taf. 1: Keramik aus der urnenfelderzeitlichen Vorratsgrube SE 1634. (Graphik: M. Penz)

188 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Penz, Vorratshaltung in Erdgruben

Aufsätze

Das Großgefäß Kat.-Nr. 10 (Taf. 1,6) lässt sich typologisch den „klassischen“ älterurnenfelderzeitlichen Zylinderhalsgefäßen mit waagrecht ausladendem Rand zuordnen, welcher zumeist an der Innenseite gekantet bzw. facettiert ist. 5 Sowohl die Henkeltasse mit hochgezogenem Henkel (Taf. 1,1) als auch die S-förmig profilierte Tasse (Taf. 1,2) entsprechen dem Typus der Baierdorf-Velatice-Tasse, genauer der Variante mit gerundetem Bauchumbruch, die ebenfalls eine Leitform dieser Zeit darstellt. 6 Tendenziell lassen sich auch die ausgeprägt bauchigen Töpfe in diese ältere Stufe stellen;7 hingegen weist das Fragment Kat.-Nr. 3 (Taf. 1,3), ein bauchiges Gefäß mit waagrechtem Riefenbündel am Hals-Schulter-Übergang, bereits in Richtung jüngere (StillfriedPodoler) Stufe8. In Summe handelt es sich bei den wenigen Keramikresten aus unserer Vorratsgrube um charakteristische Formen der mitteldonauländischen Urnenfelderkultur und sie können rahmenmäßig in deren ältere bis mittlere Phase datiert werden (in etwa 11. Jh. v. Chr). 9 Auch die übrigen bekannten urgeschichtlichen Funde aus dem Bereich des Johannesberges bestätigen dieses Bild: Neben Streufunden der Hallstattkultur sind bislang nur Formen der älteren Stufe der Urnenfelderkultur nachweisbar. 10 Zum urnenfelderzeitlichen Siedlungsbild im Bereich des unteren Liesingbachtales Durch die Überprägung des Geländes an den unteren Hangabschnitten des Johannesberges aufgrund der großflächigen römerzeitlichen Verbauungen mag einiges an urgeschichtlichen Befunden zerstört worden sein, doch zeichnet sich für die spätbronzezeitliche Siedlungstätigkeit in diesem Bereich folgendes Bild ab: Neben den vereinzelten Fragmenten von abgerollter, umgelagerter Keramik aus römerzeitlichen Schichten können bislang nur drei isoliert gelegene urnenfelderzeitliche Grubenbefunde sicher identifiziert werden (Abb. 1),11 die zudem relativ wenig „Siedlungsabfall“ (keine Hüttenlehmfragmente oder Knochenfunde, nur wenig Keramik) erbrachten. So wird man dieses Areal eher nicht als Siedlung im engeren Sinn verstehen können, sondern als landwirtschaftlich genutztes Umland im Nahbereich der eigentlichen Wohnstätten, wo man eben auch mit baulichen Einrichtungen (Speicher, Hütten, Ställe, Unterstände) in Streulage rechnen muss. Eine Akkumulation von Siedlungsbefunden, die als ehemalige Gehöft(gruppe) bzw. Weiler ansprechbar wäre, ist in knapp 650 m Entfernung, nördlich der heutigen Brücke über die Liesing in Unterlaa, lokalisierbar. Hier wurden im Frühsommer 2005 ein Grubenkomplex, sechs Vorratsgruben und unmittelbar anschließend mindestens zwei größere Pfostenbauten aufgedeckt. 12 Auch gleich östlich davon ließen sich bereits in den 1970er-Jahren versprengte zeitgleiche Siedlungsreste beobachten. 13 Diese Fundstellen fügen sich in das typische Muster der „Siedlungskammer unteres Liesingbachtal“, wonach die Siedlungsflächen in der älteren Urnenfelderkultur immer in Bachnähe am Talboden bzw. in den untersten Hangbereichen oder Niederterrassen situiert waren. 14 Zeitgleiche Fundpunkte in der nächsten Umgebung sind in erstaunlich dichter Abfolge zu finden: Bereits ca. zwei Kilometer liesingbachaufwärts wurden west-

5 Lochner 1991, 298 f. Abb. S. 269 (Typ C, Var. a; vgl. auch Var. c). 6 Lochner 1991, 300 f.; vgl. die typologische Bandbreite ebd. Abb. S. 277 (Typ B, Var. a). 7 Lochner 1991, 302. 8 Wo dies zu einer der häufigsten Verzierungsweisen wird, vgl. z. B. D. Kern, Thunau am Kamp – Eine befestigte Höhensiedlung (Grabung 1965–1990). Urnenfelderzeitliche Siedlungsfunde der unteren Holzwiese. MPK 41 (Wien 2001) 35. 9 Zu den Kulturgruppen und ihren Chronologien vgl. I. Hellerschmid, Die urnenfelder-, hallstattzeitliche Wallanlage von Stillfried an der March. MPK 63 (Wien 2006) 297 ff. mit Tab. 9.4.3; M. Lochner, Das frühurnenfelderzeitliche Gräberfeld von Baierdorf, Niederösterreich – Eine Gesamtdarstellung. ArchA 70, 1986, 274–279; dies., Späte Bronzezeit, Urnenfelderzeit. Aktueller Überblick über die Urnenfelderkultur in Ostösterreich. In: J.-W. Neugebauer, Bronzezeit in Ostösterreich. Wiss. Schriftenr. Niederösterreich 98/99/100/101 (Wien, St. Pölten 1994) 194–223. 10 Samonig 2002. 11 Die hier vorgestellte Grube 1634 sowie die Gruben 377 und 736 (Samonig 2002). 12 E. H. Huber/K. Traunmüller/V. Haunschmid, Wien 10 – Unterlaaer Straße. FÖ 44, 2005, 497 f. (GC: 2005_14). 13 L. Streinz, Wien 10 – Oberlaa. FÖ 15, 1976, 222 f. (GC: 1976_05). 14 Lindinger/Pichler (Anm. 3) bes. 45–47.

189 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

M. Penz, Vorratshaltung in Erdgruben

lich von Oberlaa Siedlungsreste aufgedeckt sowie der Richtung folgend auf Höhe der Sulzengasse. 15 Aus dem daran anschließenden Gebiet Inzersdorf– Laxenburger Straße stammen Altfunde aus Gräbern16 und im südlichen Uferbereich wurden hier jüngst sowohl Grab- als auch Siedlungsfunde dokumentiert17. Entlang des nur knapp drei Kilometer südlich, parallel verlaufenden 15 U. Scholz, Wien 10 – Oberlaaer Straße 160–166. FÖ 43, 2004, 848 f. (jedoch bislang nur allgemein bronzezeitlich eingestuft; GC: 2003_12); B. Hahnel, Funde der mittleren Bronzezeit, der älteren Urnenfelderzeit sowie der Spätlatène- und Römerzeit in Wien 23, Sulzengasse. ArchA 78, 1994, 29–56 (GC: 1989_02). 16 R. Pittioni, Ein frühhallstattzeitlicher Grabfund aus Inzersdorf bei Wien. WPZ 17, 1930, 151 f. (GC: 1930_13); möglicherweise stammen auch die Funde in der Prähistorischen Abteilung des NHM Wien aus diesem Areal (J. Rˇ íhovský, Die Messer in Mähren und dem Ostalpengebiet. Prähist. Bronzefunde 7,1 [München 1972] Nr. 13 und 262). 17 E. H. Huber, Wien 23 – Großmarktstraße. FÖ 43, 2004, 858 f.; dies., Wien 23, Großmarktstraße – „Islamischer Friedhof“. FWien 7, 2004, 248 f. (GC: 2003_02). 18 H. Ladenbauer-Orel/O. Seewald, XXV. – Vösendorf. FÖ 4, 1940–1945 (1952) 29–34; O. H. Urban, Bronzezeitliche Funde aus Leopoldsdorf, Niederösterreich. MUAG 36, 1986, 57–69; H. Gruber, Das urnenfelderzeitliche Gräberfeld. In: F. Sauer (Hrsg.), Die archäologischen Grabungen auf der Trasse der S1. Fundstelle Rannersdorf (Wien 2006) 32–43; F. Sauer, Haus und Hof in der Urnenfelderzeit – Ein Blick hinter die Kulissen der Siedlungsarchäologie. In: ebd. 47–51. 19 1980 wurde die Schwechatmündung weiter nach Osten umgeleitet. 20 V. Wanschura, Gräber der älteren Urnenfelderzeit aus Wien XI. – Mühlsangergasse. MAG 72, 1942, 291–297; V. Lindinger, Urnenfelderzeitliche Siedlungen in Wien. Untersuchungen zum Siedlungswesen der älteren Urnenfelderzeit in Ostösterreich (Saarbrücken 2008). 21 Ch. Ranseder, Eine Siedlung der Hallstattkultur in Wien 10, Oberlaa. MSW 2 (Wien 2006) 227–232 (mit Verbreitungskarten) und 365 ff. (Fundortliste). 22 R. Šumberová, Neolithic Underground Storage Features. Pam. Arch. 87, 1996, 61– 103; J. Bouzek/J. Koutecký, Knovízské zásnobí jámy [Knovizer Vorratsgruben]. Arch. Rozhledy 16, 1964, 28–43; Hellerschmid (Anm. 9) 101 f.; Willerding 2000. 23 Bönisch 2006. 24 Oft auch als sackförmig oder bienenkorbartig beschrieben. 25 Bönisch 2006, 312 und 315.

Petersbaches sind Fundstellen in Vösendorf (Siedlung und Gräberfeld) und Leopoldsdorf (Siedlungsgrube) bekannt sowie im Osten anschließend, nahe des Zusammenlaufs von Liesing und Schwechat, Gräber samt zugehöriger Siedlung in Rannersdorf. 18 Nur knappe drei Kilometer weiter begann der ehemalige19 Mündungsbereich der Schwechat in die Donau, wo sich auf der westlich vorgelagerten Niederterrasse ebenfalls ein ausgedehntes spätbronzezeitliches Siedlungsareal befand (Wien 11, Csokorgasse, mit den Gräbern in der Mühlsangergasse). 20 Interessanterweise fehlen im eben umrissenen Gebiet eindeutige Nachweise der jüngeren und vor allem der späten Urnenfelderkultur, erst für die ältere Hallstattkultur lassen sich hier wieder Siedlungsbelege finden. 21 Auswertung des Grubenbefundes Kegelstumpfförmige Gruben sind ab dem Neolithikum in Mitteleuropa nachweisbar und werden allgemein als Vorrats- oder Speichergruben (auch: Silogruben) für Getreide interpretiert. Erst in sekundärer Funktion wurden sie durchwegs als Abfallgruben benützt und so mehr oder weniger rasch verfüllt. 22 Man trifft sie meist einzeln oder in kleinen Gruppen innerhalb als auch außerhalb der Siedlungsverbände an, seltener bilden sie auch größere Speicherareale, welche als eigenständige Fundplatzgattung gelten können. 23 Kennzeichnend für eine Speichergrube ist eine verengte Öffnung in Form eines zylindrischen Halsteiles über einem nach unten zu breiter werdenden Grubenraum, so dass sich eine kegelstumpfförmige bzw. birnen- bis beutelförmige Gestalt ergibt,24 die im Längsschnitt verkehrt trichter- bzw. trapezförmig erscheint. Im Grundriss sind sie kreisrund bis schwach ellipsoid ausgestaltet und messen zumeist 0,50–2,50 m im Durchmesser bei bis über 2 m Tiefe. Die spezielle Zurichtung mit enger Öffnung und größter Erweiterung im basalen Bereich scheint eine optimale Form zu sein: Man steigerte so die Lagerkapazität, gleichzeitig bot der enge Grubenhals einen wirksamen Verschluss gegen Luft, Licht und extreme Temperaturen. Bedarfsweise konnte auch Regenwasser besser abgeschirmt werden oder bei entsprechender Adaptierung auch ein Schutz vor fremdem Zugriff (Menschen als auch Tiere) erzielt werden. Trichterförmig erweiterte Oberteile, die vereinzelt anzutreffen sind (führten auch zum mitunter verwendeten synonymen Begriff Trichtergrube für Speichergrube), dürften, wenn nicht erosionsbedingt, von solchen Einstiegs- oder Verschlussbauten herrühren. 25 Die möglichst hermetische Abdichtung der Grubenöffnung ist auch eine unbedingte Voraussetzung für die Silo-Wirkungsweise, das heißt für eine Konservierung unter völligem Luftabschluss. In der Regel werden auch zylindrische und kesselförmige Eintiefungen als Speichergruben angesprochen. Die verschiedenen Grundformen können auf unterschiedliche Bodenbedingungen beim Grubenbau, auf unterschiedliches Lager-

190 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Penz, Vorratshaltung in Erdgruben

Aufsätze

gut bzw. unterschiedliche Bestimmungen für dasselbe zurückgeführt werden, soweit man überhaupt detailliertere „Baunormen“ den Herstellern unterstellen will. Die Formenvielfalt bzw. diesbezügliche Modifikationen werden aber oft auch auf sekundäre Faktoren durch die Nutzung und den Verfallsprozess der Gruben zurückgeführt: Erosionsvorgänge oder das wiederholte Reinigen der Grubenwände könnten zwangsläufig sack- oder birnenförmige Grubenprofile verstärken oder sogar erzeugen. 26 Andererseits kann man aber aufgrund der historischen Überlieferungen annehmen, dass die spezifische Birnen- oder Kegelstumpfform durchaus auch in früheren Zeiten intendiert war. Eine morphologische Zuordnung von Siedlungsgruben in der Archäologie ist aber meist ohnehin durch den Umstand sehr eingeschränkt, dass aufgrund der Bodenerosion nur die untersten Grubenbereiche erhalten geblieben sind. Mitunter gelten neben der charakteristischen Grubenform allein Funde von verkohlten Getreidekörnern am Grubenboden als diagnostisch für Speichergruben,27 doch ist in vielen solcher Fälle eher mit einer sekundären Verlagerung der Getreidekörner im Rahmen der Abfallbeseitigung zu rechnen, es kann also selbst in solchen glücklichen Einzelfällen eine direkte Beweisführung mittels paläobotanischen Nachweises schwierig bzw. umstritten bleiben. 28 Die historisch-ethnographischen Analogien bleiben somit weiterhin eine wichtige Grundlage für entsprechende Deutungen von kegelstumpfförmigen Gruben, wenn auch zumeist nur implizit bzw. stillschweigend vorausgesetzt. Herausforderung Vorratshaltung Spätestens mit dem Beginn der sesshaften Lebensweise in der Jungsteinzeit kam der sicheren Verwahrung und Lagerhaltung von Lebensmitteln erhöhte Bedeutung zu. Mit Etablierung der landwirtschaftlich produzierenden Wirtschaftsform wurde Getreide Hauptbestandteil der vegetabilischen Nahrungsgrundlage und neben der Aufbewahrung als Lebensmittel selbst kam auch die Notwendigkeit des Einlagerns als Saatgut hinzu. Je nach Getreideart und den Umständen der Einbringung, je nach Zweck und Dauer der Lagerung, aber auch aufgrund einer erwünschten Risikostreuung in Schadensfällen wurden wohl stets verschiedene Formen der Lagerung gleichzeitig angewandt. In den Wohnbereichen wurden vor allem die zum baldigen Verbrauch bestimmten Vorräte in den unterschiedlichsten organischen Behältern (Säcke, Körbe, Truhen, lehmverschmierte Flechtwerkgebinde etc.) oder in Vorratsgefäßen aus Keramik aufbewahrt. Für eine längerfristige Lagerung bzw. Konservierung bedarf es jedoch, zusätzlich zur Schädlingsabwehr, besonderer Bedingungen, welche die Haltbarkeit sicherstellen. Auch für diesen Fall entwickelten die unterschiedlichsten Kulturen früh verschiedene Techniken, welche sich mehr oder weniger deutlich auch in der archäologischen Befundlandschaft wiederfinden lassen. 29 Langzeitvorräte in Gruben anzulegen, gilt gemeinhin als älteste Speicherform, welche sich überdies gut mit den zahlreichen Grubenfunden innerhalb urgeschichtlicher Siedlungen in Einklang bringen lässt.

26 Lüning 2000, 173; Bönisch 2006, 313; “beehiving process” bei P. Reynolds, Experimental Iron Age Storage Pits: An Interim Report. Proc. Prehist. Soc. 40, 1974, 129. 27 M. Kohler-Schneider, Verkohlte Kulturund Wildpflanzenreste aus Stillfried an der March als Spiegel spätbronzezeitlicher Landwirtschaft im Weinviertel, Niederösterreich. MPK 37 (Wien 2001) 187 f.; Willerding 2000, bes. 14 f. 28 Lüning 2000, 80–82. 29 Willerding 2000; RGA2 32 (Berlin, New York 2006) 620–623 s. v. Vorratshaltung (W. H. Zimmermann).

191 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

M. Penz, Vorratshaltung in Erdgruben

Speichergruben in der frühen archäologischen und ethnographischen Forschung Das immer wiederkehrende charakteristische Erscheinungsbild der Speichergruben, besonders jenes mit auffälliger, stark unterschnittener Wandung, wurde schon früh in der archäologischen Forschung registriert. Aber obwohl sie eine ungemein vorherrschende und zentrale Befundkategorie darstellen, ging man nur selten auf deren Funktion weiter ein; oft begnügte man sich ohnehin mit einer kulturellen Einordnung der Funde und ließ die Ansprache oder gar Interpretation der Befunde unberücksichtigt. 30 Frühe Forschergenerationen nutzten auch nur selten die Möglichkeit zu einer Autopsie der zeitgenössisch noch verwendeten Vorratsgruben. 31 Mitunter entsteht der Eindruck, es wurde entweder als so selbstverständlich vorausgesetzt oder aber die Vorratsgruben waren als (technisch-kulturell mindere?) reine Nutzbauten nicht von Interesse. Eingehend wahrgenommen wurden die Grubenspeicher zumindest von ethnographischer Seite in Gebieten wie etwa dem Karpatenbecken und seinen Rändern, wo diese Technik vereinzelt noch bis in moderne Zeit lebendig geblieben ist. 32 In der Archäologie wurden sie hauptsächlich innerhalb mittelalterlich-neuzeitlicher Zusammenhänge eingehender behandelt und vor allem die nordslawische Forschung legte auch auf dahinterliegende sozioökonomische Fragestellungen (Versorgung, Verteilung des Getreides) großes Augenmerk. 33 30 Obwohl bereits zuvor die noch rein philologisch orientierte Altertumsforschung hier einige Zusammenhänge überraschend klar erkannte: W. Wackernagel, Tung. Zeitschr. Dt. Alt. 7, 1849, 128–133. 31 Wie z. B. W. Buttler/W. Haberey, Die bandkeramische Ansiedlung bei Köln-Lindenthal. Röm.-Germ. Forsch. 11 (Berlin 1936) 59–65 (fußend auf W. Buttler, Gruben und Grubenwohnungen in Südosteuropa. Bonner Jahrb. 139, 1934, 134–144). 32 St. Apáthy, Spôsob uskladñovania hospodárskych plodín v severnom Šariši [Aufbewahrungsarten von landwirtschaftlichen Erzeugnissen im oberscharischen Gebiete]. Slovenský národopis 6, 1958, 347–379; Ikvai 1966; Mruškovicˇ 1962; L. Kunz, Historické zprávy o zemních silech v zóneˇ mediteránního a eurosibirˇ ského obilnárˇ ství [Getreidegruben in der eurosibirischen und mediterranen Zone]. Cˇ asopis Moravského Musea/Acta Mus. Moraviae 50, 1965, 143–182 (in erweiterter Form neu aufgelegt: Kunz 2004); E. Füzes, A gabonásvermek problematikájához [Zur Problematik der Getreidegruben]. Ethnographia 84, 1973, 462–481; Füzes 1984. 33 Siehe z. B. J. Kudrnácˇ , Skladování obilí v jamách-obilnicích [Lagerung von Getreide in Gruben-Speichern]. Vznik a pocˇ átky Slovanu° 1958, 233–252; ders., Staroslavanské obilnárˇ stvi vcˇ eskch zemich [Die altslawische Getreidewirtschaft in den böhmischen Ländern]. Pam. Arch. 49, 1958, 478–498. 34 Mühlhofer 1931.

Die burgenländischen „Traidgruben“ In der österreichischen Bodenforschung machte man zwar erstaunlich früh auf entsprechende Befunde aufmerksam, diese Ansätze wurden jedoch kaum aufgenommen und gerieten schnell wieder in Vergessenheit. Um 1930 wurden anlässlich eines Aufschlusses in einer Sandgrube bei Antau (Bezirk Mattersburg) die in einer Steilwand zahlreich erschienenen Befunde archäologisch untersucht (vgl. eine ähnliche Situation aus der Slowakei Abb. 3). Dabei konnten von den mulden- und trogförmigen Gruben einer neolithischen Siedlung etliche deutlich jüngere Befunde differenziert werden. Dazu zählten insgesamt neun flaschenförmige, bis zu 3 m tiefe Gruben mit auffallend regelmäßiger Zurichtung; in ihrer abweichend locker-bräunlichen Verfüllung fanden sich zudem auch neuzeitliche Keramikscherben. In der damaligen Forschung wurden Gruben solcher Art, unabhängig vom Fundmaterial des Inhaltes, generell als vorgeschichtliche Wohngruben angesprochen. Angesichts der genauen Feldbeobachtungen vor Ort als auch seiner ausgeprägten landeskundlichen Kenntnisse sah sich der (Mit-)Ausgräber Franz Mühlhofer aber zur Widerlegung dieser Auffassung bestärkt, ja sogar zur „Ausmerzung einer konventionell gewordenen Fehlbeobachtung“ angespornt:34 Abgesehen von der generell infrage gestellten Zweckmäßigkeit solcher „Wohngruben“ führte er als Untermauerung, „dass es sich bei solchen flaschenartigen Gruben um Fruchtspeicher handelt“, eine Reihe von Beispielen aus dem Burgenland an, die zu seiner Zeit zumindest teilweise noch als solche in Verwendung standen. Als Beleg für die zeitliche Streuung dieser Vorrichtungen verwies er zudem auf die einschlägige Stelle bei Tacitus (siehe unten). Die schmale Öffnung erleichtere den Verschluss der Gruben und biete besseren Schutz vor Frost; das Abdichten mit Erde und

192 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Penz, Vorratshaltung in Erdgruben

Aufsätze

Abb. 3: In einer Straßenböschung angeschnittene Vorratsgruben in Koválov bei Senica, Slowakei, während ihrer Untersuchung 1962–63. (nach Kunz 2004, Abb. S. 45)

Mist interpretierte Mühlhofer primär als Maßnahme zum besseren Verbergen der Vorräte, was dem Vernehmen nach auch in der Zeit während des Ersten Weltkrieges unter der Landbevölkerung hier eine Rolle gespielt hätte. Als Bezeichnung für die Grundstücke mit mehreren solcher Vorratsgruben konnte er oftmals „Im Gruawat“ oder „Rupa“ (deutsch bzw. kroatisch „Bei den Gruben“) registrieren. Neben solchen Speichergruben-Gruppen auf offenem Feld (meist aber am Feldrand, bei Böschungen oder entlang von Wegen) war es im ostösterreichischen Raum aber vor allem (zusätzlich) üblich, die als „Troadgrui“ (Traidgruben, Traid = Getreide) bezeichneten Gruben in den Gassen vor den Häusern, in den Hauseinfahrten oder seltener auch in den Stuben anzulegen. 35 Erst durch diese Hinweise wurde auch die österreichische Volkskundeforschung auf diese Speicherform aufmerksam und begann diese in Umfragen und den darauffolgenden Auswertungen und Kartierungen miteinzubeziehen. 36 Bei einer Umfrage unter der burgenländischen Landbevölkerung im Jahr 1955 zeigte sich jedoch, dass die Getreidegruben großteils bereits außer Gebrauch gekommen waren, und auch die Kenntnis darüber nahm offenbar im Verlauf des 20. Jahrhunderts rapide ab. Historische Nachrichten zur unterirdischen Getreidelagerung Antike bis Mittelalter Schon antike Schriftquellen geben über unterschiedliche Möglichkeiten der Lagerung von Getreide Auskunft. Aus ihnen wird ersichtlich, dass man bereits beide grundsätzlichen Methoden der Lebensmittelkonservierung kannte, nämlich jene der Lufttrocknung als auch, genau das Gegenteil davon, jene durch hermetischen Luftabschluss. Laut Plinius dem Älteren37 wurde Getreide, je nach Art der Feldfrüchte, der finanziellen Möglichkeiten, aber auch je nach unterschiedlichen Erfahrungen und kulturellen Gebräuchen, in gemauerten Speicherbauten, auf hölzernen Kornböden bzw. Stelzenbauten („welche auf Säulen schweben, damit allenthalben Luft hindurch ströme“) oder aber „am vorteilshaftesten“ eben in Gruben aufbewahrt. Zuvor wusste schon Marcus Terentius

35 Nachtrag von Alphons Barb bei Mühlhofer 1931 (er zitiert Aufzeichnungen von Karl Horak); H. G. Walter, Traidgruben im nördlichen Burgenland. BHBl 24, 1962, 46 f. (informiert über gleichartige Traidgruben in Göttlesbrunn, NÖ). 36 L. Schmidt, Traidgruben im nördlichen Burgenland: aus der Arbeit am Atlas der burgenländischen Volkskunde. BHBl 23, 1961, 142–148; A. Haberlandt, Bauten und Einrichtungen zur Speicherung im Einzelnen. In: O. Moser, Bauten und Einrichtungen zur bäuerlichen Vorratshaltung. Österr. Volkskundeatlas, Kommentar zur 2. Lfg. (Wien 1965) 13 f. 37 Plin. nat. 18, 30.

193 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

M. Penz, Vorratshaltung in Erdgruben

Varro38 von dieser Lagerungsform zu berichten (quidam granaria habent sub terris speluncas, quas vocant siros): In den mit Stroh ausgekleideten Gruben könne sich, so man Feuchtigkeits- und Luftzufuhr möglichst vermeidet,Weizen fünfzig oder Hirse gar mehr als hundert Jahre halten. Für den mitteleuropäischen Raum ist besonders die vielzitierte Stelle bei Publius Cornelius Tacitus wichtig, wenn auch nicht eindeutig auslegbar: „Sie pflegen auch unterirdische Löcher auszuheben und bedecken diese oben mit viel Dünger, als Zufluchtsstätte für den Winter und zum Behältnis für die Früchte, da solche Stätten die Härte der Fröste mildern, und bei feindlichem Einfall nur das Offenliegende verheert wird, das Verborgene und Vergrabene aber unbekannt bleibt […].“39 38 Varro rust. 1, 57. 39 Tac. Germ. 16, 4. Tacitus dürfte hier Grubenhäuser und Vorratsgruben zusammengeworfen haben; vgl. die Kommentare und Erläuterungen bei R. Much/W. Lange, Die Germania des Tacitus3 (Heidelberg 1967) 256–259. Dieses Missverständnis reicht forschungsgeschichtlich noch weit ins 20. Jh., wenn man von „Wohngruben“ sprach. 40 Verbreitung und Quellenangaben bei Kunz 2004, 15–41; für Ungarn: Füzes 1984, 122 f. 41 Seifried Helbling I, 836 und XV, 114 (zitiert nach der Erstedition von Th. v. Karajan, Zeitschr. Dt. Alt. 4, 1844, 1–284). 42 Siehe z. B. V. Nekuda, Obilné jámy v zaniklých Msteˇ nicich [Die Getreidegruben in der Wüstung Msteˇ nic]. Cˇ asopis Moravského Musea/Acta Mus. Moraviae 71, 1986, 59– 155; M. Krenn, Anforderungen und Aufgaben in der archäologischen Denkmalpflege am Beispiel mittelalterlicher Siedlungsstrukturen (unpubl. Diss. Univ. Wien 2008) 437 ff.; K. Kühtreiber, Burg Dunkelstein. Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen eines hochmittelalterlichen Adelssitzes im südöstlichen Niederösterreich (unpubl. Diss. Univ. Wien 2006) 229 f. 43 Bericht der landwirthschaftlichen Gesellschaft in Pesth über die Aufbewahrung des Getreides in Silos. Ann. Landwirthschaft in den Königl.-Preußischen Staaten 26, 1855, 83. 44 Zedler 1735; vgl. auch Krünitz 1788, 661 oder die bereits erwähnte Stelle in der Germania des Tacitus (Anm. 39). 45 E. Löger (Hrsg.), Heimatkunde des Bezirkes Mattersburg im Burgenland (Wien 1931) 104. 46 F. Stoy, Unterirdische Kornspeicher im mittelalterlichen Amte Schlieben. Niederlausitzer Stud. 4, 1970, 165–169 (zitiert nach Bönisch 2006, 322). 47 J. und W. Grimm, Das Deutsche Wörterbuch 11 [V] (Leipzig 1873) 1825 f. s. v. Korngrube = www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=korngrube (28.7. 2011); vgl. auch die Quellenangaben bei Kunz 2004.

Auch in nachantiker Zeit blieb die Getreidespeicherung in unterirdischen Gruben in allen klimatisch gemäßigten Zonen Europas weiterhin bekannt, auch wenn sich im Laufe des Mittelalters die „Luftspeicherung“ in oberirdischen Gebäuden (Dachböden, Scheunen, Schüttkästen) mehr und mehr durchsetzte. Jedenfalls finden sich immer wieder vereinzelte Erwähnungen in schriftlichen Überlieferungen. 40 Stellvertretend herausgegriffen sei hier nur ein Beleg für den niederösterreichischen Raum: In den Dichtungen des (sog.) Seifried Helbling, höchstwahrscheinlich ein Ritter im Gefolge der Kuenringer, der kurz nach 1300 starb, erscheinen die Begriffe „korngruop“ bzw. „gruobe“ („vüllt er gruobe und kasten voll“). 41 Entsprechende Gruben wurden sowohl innerhalb als auch außerhalb der dörflichen Siedlungen und sogar in Hofbereichen von Burgen archäologisch aufgedeckt. 42 Ob es sich bei dem eingelagerten Getreide jeweils um besondere Anteile handelte, wie zum Beispiel nur das Saatgut, das vom Zehent abgetrennte Eigenbaugetreide, zurückgehaltene Langzeitvorräte als „eiserne Notreserve“, ist kaum bekannt und wird wohl unter anderem auch von der Lage der Grube mitbestimmt. Plausibel erscheint allerdings, Überschussmengen im Falle bereits gefüllter Speicher auf diese Weise unterzubringen. Gruben waren schnell und billig angelegt, ihre „Wohlfeilheit“ galt bis ins 19. Jahrhundert als ihr erster Vorzug. 43 Auch spielte bei der Grubenspeicherung immer wieder der Aspekt des Versteckens, das Verbergen vor „arglistigen bösen Leuten“ eine wesentliche Rolle. 44 Neben äußeren (Landes-)Feinden waren dabei natürlich auch „normale“ Diebe gemeint, denn selbst in Friedenszeiten war die Instandhaltung der „traydt grueb“ im Interesse der Grundherrschaft, wie beispielsweise aus einer Strafordnung der Grafschaft Forchtenstein aus dem 16. Jahrhundert hervorgeht. 45 Archivalien aus dieser Zeit mit detaillierteren Ausführungen zu Korngruben sind im deutschen Sprachraum äußerst spärlich überliefert bzw. erfasst worden. Eine Ausnahme bilden etwa die Angaben der kursächsischen Verwaltung im Amt Schlieben (Niederlausitz), aus denen man sich ein Bild über die Mengen, die Aufbewahrungsdauer und generell über die Handhabung dieser Lagerhaltung machen kann. 46 Neuzeit – Die ungarischen Korngruben Obwohl Korn-, Frucht- bzw. Getreidegruben im Laufe der frühen Neuzeit in literarischen Quellen des deutschen Sprachraums immer öfter erwähnt werden,47 wurden sie hier gleichzeitig immer weniger gebräuchlich. Es fällt dabei

194 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Penz, Vorratshaltung in Erdgruben

Aufsätze

auf, dass man diese spezielle Lagerungsform immer wieder mit Ungarn in Zusammenhang brachte und mitunter auch einer fremden, „asiatischen“ Wirtschaftsweise zurechnete. Tatsächlich sind die unterirdischen Silos in Ost- und Südosteuropa vergleichsweise häufiger und länger in Gebrauch gestanden. Neben kulturellen (sozioökonomischen) Gründen hatte dies sicherlich in erster Linie mit den günstigeren kontinentalen Klima- und Bodenbedingungen zu tun. In Reiseberichten und Länderbeschreibungen dieser Zeit wird beispielsweise als erwähnenswert er-

Abb. 4: Beispiele der vielfältigen Formen von ungarischen Getreidespeichergruben der Neuzeit. (nach Ikvai 1966, 364 Taf. III)

achtet, dass die Leute in Ungarn „keine Scheuern oder Stadel, um das Getreide darin zu verwahren“ gebrauchen, „sondern sie haben anstatt dessen sehr viel tiefe und große Höhlen unter der Erden“48; oder es bleiben die vielen „flaschenartigen Löcher außerhalb der Hütten“ in Erinnerung49. Weitere Aufschlüsse geben

Abb. 5: Profilschnitt durch zwei neuzeitliche Korngruben in Orosháza, Ungarn. Die eckigeren, trapezförmigen Gruben wurden seltener angelegt als die flaschenförmigen. (nach Füzes 1984, 113)

Enzyklopädien oder frühe landwirtschaftliche Fachliteratur (sog. Hausväterliteratur), weil hier die Beschreibungen oder Anleitungen meist etwas ausführlicher sind. 50 Immer wieder werden dabei vor allem ungarische Verhältnisse referiert, die sich wie folgt zusammenfassen lassen (Abb. 4 und 5):51 Sowohl in der Dorfgasse als auch im Hofe bei den Häusern, aber auch unmittelbar bei den Feldern wurden Getreidegruben, die als (gabonás-)verem bezeichnet wurden, ausgehoben. Mitunter wurden die Gruben auch auf Gemeinflächen gesammelt angelegt und von einem Feldhüter bewacht. Für den Grubenbau konnte man bedarfsweise auf besonders geschickte Wegemacher oder Teichgräber als spezialisierte Wanderhandwerker zurückgreifen. Vorzugsweise wurde ein trockener, etwas erhöhter Ort ausgewählt, wo man zunächst eine kreisrunde, etwa 0,5 m weite und 1–1,4 m tiefe Grube aushob. Unterhalb dieses Grubenhalses wurde die Wandung auf 3–4 m Weite rundlich ausgehöhlt, um bei einer Gesamttiefe von 3 bis 5 m ein Fassungsvermögen von etwa 150 bis 500 hl zu erreichen. 52 Durch die Bauchung der Grube erhielt diese eine birnen- oder flaschenähnliche Form. Die Größe und Tiefe der Grube variierte aber stark, je nach Vorratsmenge als auch je nach Beschaffenheit des Bodens. Länglich-rechteckige, seichter eingetiefte Grubenschächte (ähnlich einem Grabschacht: sírverem) werden zwar auch erwähnt, sie wurden aber nur für

48 Edward Brown, um 1670, zitiert nach Haberlandt (Anm. 36) 14. 49 Joseph Crowe, Korrespondent im Krimkrieg 1853, zitiert nach Schmidt (Anm. 36) 146. 50 Etwa die Abhandlung von G. Krieger (ca. Mitte 18. Jh.) „Getreidegruben, deren Beschaffenheit und Zubereitung derselben” im Urbar von Cˇ ejkovice bei Hodonín, transkribiert wiedergegeben bei Kunz 2004, 167–169; Krünitz 1788; Zedler 1735; weitere Angaben bei Kunz 2004, 15–41. 51 E. Bujanovics von Agg-Telet, Ueber die verschiedenen Methoden der Aufbewahrung des Getreides (Pesth 1846); J. v. Csaplovics, Gemälde von Ungern 2 (Pesth 1829) 12–14; Haberlandt 1879, 124–129; Bericht 1855 (Anm. 43) 81–90; F. Kirchhof, Der deutsche Landwirth, ein vollständiges Hand- und Lehrbuch der gesammten Landwirthschaft3 (Leipzig 1864) 239–241; Ch. A. Zipser, Versuch eines topographisch-mineralogischen Handbuches von Ungern (Ödenburg 1817) 239 f. 52 Damit sind sie deutlich größer dimensioniert als ur- und frühgeschichtliche Gruben gleicher Art; Zahlenangaben nach Haberlandt 1879, 125 f.

195 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

M. Penz, Vorratshaltung in Erdgruben

kürzere Zeit und in Ausnahmefällen, etwa bei ungünstig lockerem (sandigem) oder feuchtem Boden bzw. hohem Grundwasserspiegel angelegt. Vor der Befüllung brannte man die Grube zur Verfestigung und Austrocknung 12–15 Stunden mit Stroh oder Reisig aus, bei besonderer Sorgfalt wurden zusätzlich der Boden und die Wände mit Bundstroh oder Schilf ausgekleidet. Das (möglichst trockene) Getreide wurde sodann nur bis zum unteren Ende des Grubenhalses eingefüllt und darüber Stroh und Spreu dicht hineingestopft, dieses wiederum mit Brettern oder Steinen beschwert. Die oberste Grubenöffnung wurde mit festgestampfter Erde verschlossen. Die Erde konnte man auch zu einem kleinen Hügel anschütten, welcher einerseits als Markierung diente und zudem auch das Niederschlagswasser ableitete (Abb. 6). Zusätzlich konnten auch verschiedene Bretterverschläge als Abdeckung errichtet werden, gängig waren unter anderem niedrige pult- oder zeltdachförmige Konstruktionen oder auch kleine, spitzkegelige Schilfdächer (Abb. 7). Je nach Bedarf wurde das Korn bis zum nächsten Frühjahr Abb. 6: Schematischer Aufbau einer Speichergrube in Dolné Dubové, Slowakei. (nach Mruškovicˇ 1962, Abb. S. 65)

oder bis über viele Jahre hinweg eingelagert. Nach dem Öffnen mussten die Gruben komplett geleert werden und vor dem neuerlichen Befüllen wurden sie in der Regel aufs

Neue ausgebrannt und entsprechend adaptiert. Neuzeit bis Moderne – Probleme bei der Lagerung und das Abkommen der Grubenspeicherung In klimatisch ungünstigeren Gebieten konnte mitunter Feuchtigkeit während der Einlagerung ein Problem sein. Bei Johann Georg Krünitz findet sich ein Verweis auf russische Gebiete, wo man sich um sorgfältige Trocknung des nassen Getreides in eigenen Öfen oder in den Stuben bemühte, bevor man es in den dort üblichen „zuckerhutförmigen“ Vorratsgruben einlagerte. Andererseits kümmerten sich die ukrainischen Kosaken nicht um solche Umstände und schütteten es „mehr feucht als trocken“ in die Gruben, offenbar mit gleichem Erfolg. 53 Mit einem „dumpfen Erdgeruch“ musste man bei grubengelagertem Korn ohnehin rechnen, wenn nicht sogar „das in dergleichen Gruben verwahrte Getraide leicht einen absonderlichen Geschmack an sich zühet“. 54 Wegen zu hoher Feuchtigkeit angeschimmeltes Getreide kann aber grundsätzlich durch Rösten wieder genießbar gemacht werden55 und selbst das Korn aus überschwemmten Gruben konnte zu brauchbarem Mehl vermahlen werden, nachdem es nochmals mit frischem Wasser gewaschen und danach wiederum getrocknet wurde. 56 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts suchten Agrarökonomen in ganz Eu53 54 55 56

Krünitz 1788, 655 f. 657 f. Zedler 1735, 1346. Lüning 2000, 75. Krünitz 1788, 657.

ropa intensiv nach Verbesserungen bei der Getreidelagerung. Dabei wurden die Vor- und Nachteile verschiedener Speichermethoden diskutiert – eigentlich reduzierbar auf die zwei grundsätzlich unterschiedlichen Konservierungsme-

196 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Penz, Vorratshaltung in Erdgruben

Aufsätze

thoden, nämlich jener durch hermetischen Luftabschluss oder jener durch stetige trockene Durchlüftung. Im großen Maßstab üblich war zu dieser Zeit letztere Methode in Form von Schüttböden bzw. der monumentalen barocken Schüttkästen. 57 Zu den erheblichen Investitionskosten solcher Speicherbauten kam jedoch auch noch ein enormer manipulativer Aufwand: Das Getreide musste zwecks Reinigung und Trocknung mehrmals im Jahr umgeschaufelt werden; zur Verhinderung der Selbsterhitzung war auch die Schüttmenge (Schütthöhe) limitiert und damit der Raumbedarf umso größer. Die stets vorhandene Feuergefahr, die nachteilig wirkenden schwankenden klimatischen Bedingungen, denen das Korn ausgesetzt war, und nicht zuletzt der „freie Zugang“ aller möglichen Arten von Schädlingen waren die bekannten zusätzlichen Nachteile dieser Kornspeicher. So besann man sich zuweilen auch auf die ebenso herkömmliche, aber urtümlichere Form der unterirdischen Silogrubenspeicherung, die man in weiterer Folge unter Einbeziehung der neuen technischen Möglichkeiten zu perfektionieren suchte. Zunächst wurden flaschenförmige Vorratsgruben einfach nur ausgemauert und verputzt, bald wurden luftdichte Behältnisse aus unterschiedlichem Material und verschiedenster Form bei den Weltausstellungen und Patentämtern vorgestellt. 58 Sie konnten letztlich aber in der Praxis nicht nachhaltig reüssieren, hauptsächlich wegen der Kosten und auch wegen technischer Probleme mit der Feuchtigkeit. Ausgehend von diesbezüglich frühen technischen Experimenten und Unternehmungen im Frankreich der 1820er-

Abb. 7: Abdeckungen und Öffnungen von neuzeitlichen Speichergruben in Ungarn. (nach Ikvai 1966, 363 Taf. I; 364 Taf. III)

Jahre wurde übrigens auch die kastilische Bezeichnung für eine unterirdische Vorratsgrube (silo) in ganz Europa gebräuchlich. 59 Die ursprüngliche Form der Grubenspeicherung wurde zwar mitunter noch als probate Alternative gewürdigt und etwa in Ungarn sogar den Großbetrieben empfohlen,60 im zunehmend merkantil ausgerichteten landwirtschaftlichen Produktionsbetrieb hatte sie unter anderem wegen der eingeschränkten Zugriffsmöglichkeiten oder dem verminderten Verkaufswert aufgrund des Erdgeruchs keine weitere Zukunft mehr. Nur vereinzelt, vor allem im Zusammenhang mit wirtschaftlich und politisch unsicheren Lebensbedingungen, blieben die Getreidegruben in Ost- und Südostmitteleuropa noch bis um die Mitte des 20. Jahrhunderts im Gedächtnis als auch im Gebrauch der Landbewohner. Nicht nur Getreide … Die typischen flaschenförmigen Vorratsgruben konnten abseits ihrer Silofunktion gleichfalls als „normale“ Kellergruben zum Einlagern verschiedenster Obstund Gemüsesorten genutzt werden, in welchen frostsicher bzw. bei konstant

57 H. Knittler, „dass alles zur rechten Zeit aufs beste versilbert werde“. Getreidespeicher in der frühen Neuzeit. In: H. Dikowitsch (Red.), Speicher, Schüttkästen. Die Schwierigkeit einer zeitgemäßen Nutzung. Denkmalpfl. Niederösterreich 21 (St. Pölten 1999) 10–15. 58 Beispiele etwa bei Kirchhof (Anm. 51); Haberlandt 1879, 126 ff.; Sigaut 1988, 10 ff.; Kunz 2004, Abb. S. 62 oben. 59 Sigaut 1988, 11. 60 Füzes 1984, 316.

197 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

M. Penz, Vorratshaltung in Erdgruben

Abb. 8: Gruppe von abgedeckten Gruben im Dorf Lozorno, Bezirk Bratislava-Umgebung, 1958. (nach Mruškovicˇ 1962, Taf. XI)

niedriger Temperatur Nahrungsmittel oder Tierfutter über längere Zeit frisch gehalten werden konnten. Scheinbar wurden frühere Silogruben im Laufe ihres allmählichen Abkommens zuletzt vermehrt als Kartoffel- oder Rübenlager ver61 Buttler/Haberey (Anm. 31) 61–63; Apáthy (Anm. 32) 375 Abb. 15; Ikvai 1966, 377. 62 Mühlhofer 1931, 161; vgl. auch Kunz 2004, 143–153. 63 J. und W. Grimm, Das Deutsche Wörterbuch 12 [VI] (Leipzig 1885) 2177 f. s. v. Miete = www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma= miete (28.7. 2011). 64 „[…] besteht aus einer in die Erde gegrabenen oben mit Balken belegten und dann mit Erde überschütteten Grube, […].“ (J. G. Krünitz, Oekonomische Enzyklopädie 190 [Berlin 1846] 602 s. v. Tunke); vgl. J. und W. Grimm, Das Deutsche Wörterbuch 2 [II] (Leipzig 1860) 1533 s. v. Dunk = www.woerterbuchnetz.de/ DWB?lemma=dunk und 22 [XI, I, 2] (Leipzig 1952) 1791 s. v. Tunke = www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=tunke (24. 8. 2011). 65 Meyers Großes Konversations-Lexikon 114 (Leipzig, Wien 1888) 595 s. v. Miete = http://peter-hug.ch/lexikon/1888_bild/ 11_0595 (28.7. 2011). Erdmieten wurden scheinbar erst in allerjüngster Zeit als (mittelalterarchäologische) Befundkategorie vorgeschlagen (Krenn [Anm. 42] 443 f.; C. Wawruschka, Frühmittelalterliche Siedlungsstrukturen in Niederösterreich. MPK 68 [Wien 2009] 115). 66 Bericht K. Horak im Nachtrag von Mühlhofer 1931; Walter (Anm. 35). 67 Csaplovics (Anm. 51) 30 f. 68 K. Radler, Vom Grubenkraut. OÖHBl 2/1, 1948, 65–67. 69 Diese Art der Krautkonservierung erfährt in letzter Zeit eine Wiederentdeckung, siehe etwa www.grubenkraut.at (26.7. 20011).

wendet. 61 Zu diesem Zwecke musste man sich weniger um eine luftundurchlässige Abdichtung der Grubenöffnung kümmern, daher wurden dann auch zeltdach- bis hüttenartige Oberbauten vermehrt üblich (vgl. Abb. 8 und 9); burgenländische „Krumpirluick’n“ (Kartoffellöcher) bei Steinberg waren sogar mit absperrbaren Holztüren versehen. 62 Seit jeher wurden für die kurz- bis mittelfristige Aufbewahrung und vor allem zur Überwinterung der Nahrungsmittel eigene Gruben unterschiedlichster Form angelegt. Da hier ein oftmaliger Zugriff nötig und auch möglich war, handelte es sich dabei um kleinere (seichtere) und zumeist schachtartige Gruben, die auch eher im Siedlungsverband situiert waren. Ab der frühen Neuzeit lässt sich dafür die Bezeichnung „Mieten“ (auch Grubenmiete, Erdmiete)63 oder unter Umständen auch „Tunk(e)“ mit der Bedeutung eines Balkenkellers64 finden. In späterer Zeit wurden Mieten vorzugsweise am Felde angelegt, wo über einer flacheren Grube ein bis über 1 m hoher Haufen Heu, Feldfrüchte oder Ähnliches aufgetürmt und schwach mit zum Beispiel Stroh, Laub, Kartoffelkraut und Erde bedeckt wurde. Erst bei nahendem Frost erfolgte eine dichtere Abdeckung mit weiterer Erde, Dung, Waldstreu etc. 65 Überdies konnten in Ausnahmefällen, vornehmlich in unsicheren (Kriegs-)Zeiten, die Korngruben und Grubenkeller bis in jüngste Zeit als Verstecke für verschiedenstes Hab und Gut dienen. 66 Schlussendlich sollen hier noch zwei exemplarische Fälle angeführt werden, welche auf die vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten von Gruben als Behältnisse verweisen sollen: Von walachisch besiedelten Gebieten im Banat wird in einer Länderbeschreibung des 19. Jahrhunderts berichtet, dass dort „Zwetschken und Pflaumen in Erdgruben von sechs-schuhiger Breite und beliebiger Länge“ gären gelassen wurden. 67 Gleich wie die Korngruben wurden diese vorher ausgebrannt, danach verschmierte man sie an den Seiten mit Lehm, stampfte den Boden fest

198 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Penz, Vorratshaltung in Erdgruben

Aufsätze

und schützte die Grube mit einem Schilfdach vor Regen. Anscheinend waren solche Verfahren zum Einmaischen allgemein üblich, bald nach 1800, „als sie sich an den Gebrauch von Fässern zum Gären gewöhnt hatten“, nur mehr, wenn es den Leuten „in guten Obstjahren an Behältnissen gefehlt“ hatte. Aus dem oberösterreichischen Mühlviertel sind „Krautboding“ bekannt, die noch im 20. Jahrhundert in Verwendung standen. 68 Diese „Boding“ (Bottiche) sind nichts anderes als runde, knapp mehr als 1 m im Durchmesser und 3–4 m tief gegrabene Grubenschächte, deren Wände mit Holzpfosten ausgekleidet wurden. Direkt auf den Erdboden wurde eine Lage Stroh eingebracht, am besten Kümmelstroh, das sogleich als Würze diente. Die zuvor kurz gesottenen Krauthäuptel wurden sodann in die Grube gefüllt und möglichst dicht geschichtet. Mit einigem Abstand zur Erdoberfläche wurden die Krautköpfe wiederum mit (Kümmel-)Stroh sowie mit Holzbrettern und Steinen zum Beschweren abgedeckt. Solcherart eingelagertes Kraut war jahrelang haltbar und jederzeit konnte man sich eine gewisse Menge des als sehr schmackhaft beschriebenen „Grubenkrautes“ herausnehmen. 69 Moderne Forschungen – Experimentalarchäologie Auch in jüngerer Zeit widmete sich die Forschung wieder diesem Thema und konnte mit neuen Zugängen noch wesentliche inhaltliche Aspekte erschließen. So wurde ein breiter interdisziplinärer Ansatz im Rahmen agrarhistori-

Abb. 9: Grubenöffnungen mit zeltdachartiger Holzabdeckung in Lozorno, Slowakei (oben) und Berettvószentmárton, Ungarn (unten). (nach Mruškovicˇ 1962, Taf. XI und Ikvai 1966, 350 Abb. 2)

scher Forschungen in Frankreich verfolgt, der sich unter anderem auch mit der unterirdischen Silolagerung von Getreide intensiv auseinandersetzte. 70 Und nicht zuletzt lieferte die experimentelle Archäologie wertvolle Beiträge zu diesem Problemkreis und konnte durch mittlerweile mehrere Versuchsprojekte die Funktion und Effektivität der Getreidespeicherung in Gruben bestätigen und nachvollziehbar machen:71 Grundsätzlich funktionieren die Erdsilos unter den unterschiedlichsten Klimaund Bodenbedingungen und mit Gruben verschiedener Form und Größe; obwohl alle diese eben genannten Parameter die Qualität des Ergebnisses durchaus beeinflussen können. Das Ausbrennen (zur Austrocknung und Härtung) und Auskleiden der Gruben mit Stroh oder Flechtwerk (als Isolierschicht gegen Feuchtigkeit oder auch als Stabilisierung der Wandung) kann sich vorteilhaft auswirken, ist aber nicht zwingend notwendig. Vor allem muss für eine gute Abdichtung der Öffnung gesorgt sein, vorzugsweise aus Lehm, aber auch andere Arten von Erde oder auch Dung, welche man über einen Verschluss aus Brettern oder Astwerk verschmiert. Im Prinzip können alle denkbaren Getreidearten, möglichst ausgereift bzw. lufttrocken, in die Silogrube eingebracht werden. Dabei spielt auch der Zustand des Getreides keine Rolle, es kann ungedro-

70 F. Sigaut, Les réserves de grains à long terme: techniques de conservation et fonctions sociales dans l’histoire (Paris, Lille 1978); M. Gast/F. Sigaut (éds.), Les techniques de conservation des grains à long terme: leur rôle dans la dynamique des systèmes de cultures et des sociétés. 3 vols. (Paris 1979–1985) (alle diese Sammelbände waren für diese Arbeit leider nicht einsehbar); Sigaut 1988. 71 H. C. Bowen/P. D. Wood, Experimental Storage of Corn Underground and Its Implications for Iron Age Settlements. Bull. Inst. Arch. (London) 7, 1968, 1–14; Reynolds (Anm. 26) 118–131; I. Pleinerová, Ein frühslawischer Getreidesilo in Brˇ ezno, Nordwest-Böhmen. In: M. Fansa (Red.), Experimentelle Archäologie. Bilanz 1994. Arch. Mitt. Nordwestdeutschland Beih. 8 (Oldenburg 1995) 57–63; J. MeurersBalke/J. Lüning, Experimente zur frühen Landwirtschaft. Ein Überblick über die Kölner Versuche in den Jahren 1978–1986. In: F. Both (Red.), Experimentelle Archäologie in Europa. Sonderbd. 1 (Oldenburg 2005) 25–38.

199 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

M. Penz, Vorratshaltung in Erdgruben

schen sein, die Ähren können in Teilverbänden vorliegen oder als einzelne Körner sowie bereits gänzlich entspelzt sein. 72 Ein mehrmaliges Öffnen des Silos bzw. eine Entnahme je nach Bedarf ist nicht möglich und führt zum raschen Verderben des verbleibenden Getreides; man muss den gesamten Vorrat auf einmal herausholen. Die Lagerungsbedingungen in den Erdsilos wurden durch verschiedene Messungen während der experimentellen Versuchsreihen mitverfolgt. Es zeigte sich, dass durch die Atmung der Getreidekörner der verbliebene Sauerstoff bald verbraucht war und diese anaerobe Atmosphäre jegliche weiteren Stoffwechselvorgänge unterband, sowohl jene der Getreidekörner selbst als auch jene von weiter zersetzenden Organismen und tierischen Schädlingen. Scheinbar vermag der sogar im Umfeld der Grube kohlendioxidgesättigte Boden auch größere im Boden lebende (Nage-)Tiere zurückzuhalten. Des Öfteren wurde eine verfilzte, wenige Zentimeter dünne, aber durchgehende Schicht aus Mikroflora, angekeimten Getreidekörnern, Wurzeln und Schimmel an der Grubenwand beobachtet. Der Hauptinhalt der Gruben blieb davon jedoch unbeeinflusst, ja es scheint, dass dieser Mantel sogar zusätzliche Dämmung und Schutz bewirkte (möglicherweise auch durch antibiotische Wirkung spezieller Schimmelpilze). 73 Gerade die Silogruben eignen sich für das Einlagern von großen Mengen an Getreide und für seine längerfristige Aufbewahrung. Die Versuchsreihen deckten meist nur ein oder nur einige wenige Jahre ab, nach historisch-ethnographischen Berichten blieb das Lagergut in wesentlichen Teilen aber über Jahrzehnte hinaus genießbar und keimfähig. Die Lebensdauer der Gruben an sich ist theoretisch nahezu unlimitiert, mit geringem Wartungsaufwand kann man sie oftmals wiederverwenden. Bei der Beurteilung von Funktionsweise bzw. -fähigkeit von Grubenspeichern sollten schließlich neben den äußeren Determinanten wie Standortwahl, Boden und Klima vor allem auch kulturelle Faktoren wie Art des Lagergutes, Ernährungsgewohnheiten, Verwendungszwecke, Erwartungsansprüche etc. Mitberücksichtigung finden. 74 Conclusio In sog. Mieten oder Kellergruben unterschiedlichster Form konnten Feld- und Gartenfrüchte für eine gewisse Zeit frisch gehalten bzw. überwintert werden. 72 Lüning 2000, 82; nachgewiesenermaßen sorgen aber die Spelzen auch während der Lagerung für einen besseren Schutz des Korns. 73 Willerding 2000, 17; genauere Untersuchungen dazu liegen scheinbar noch nicht vor. In Ungarn wurde mancherorts eine solche undurchlässige Decke herbeigeführt, indem man bewusst Getreide über dem Grubenraum anwurzeln ließ (I. Balassa/G. Ortutay, Ungarische Volkskunde [München 1982] 187). 74 Vgl. die Hinweise bei Sigaut 1988, 12. 75 Neben Getreidesorten werden zumeist Hülsenfrüchte oder Eicheln in der Literatur erwähnt (Bönisch 2006, 313).

Ein oftmaliger Zugriff mit Teilentnahmen ist möglich. Formal als auch funktional lassen sich davon die Silogruben absetzen, welche als Speichergruben für (zumeist)75 Getreide dienten. Ihre immer wiederkehrenden distinktiven Elemente sind die größere Tiefe, ein verengter, zylindrischer Grubenhals und der nach unten hin sich verbreiternde Bodenteil. Dieses konstruktive Grundprinzip ist Voraussetzung für eine echte Silolagerung, das heißt für eine Konservierung unter komplettem Luftabschluss. Bei dieser Technik kann zwar das Lagergut langfristig gelagert werden, die Grube muss jedoch nach dem Öffnen komplett geleert werden. Begriffsmäßig wurde und wird scheinbar zwischen Gruben für Kurz- bzw. Langzeitlagerung nicht allzu streng differenziert. Dies ist nicht zuletzt durch

200 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Penz, Vorratshaltung in Erdgruben

Aufsätze

die fließenden Übergänge bei den Grubenformen und der anzunehmenden variierenden Mehrfachnutzungen bedingt – eine eindeutige Zuordnung im archäologischen Befund bleibt im Einzelfall meist illusorisch. Im Gegensatz zu anderen üblichen Methoden bot die Grubenspeicherung folgende Vorteile: •

Vorratsgruben waren verhältnismäßig schnell und einfach angelegt.



Sie gewährleisteten unter Luftabschluss eine effektive Konservierung des Getreides, vor allem für große Mengen und für mittel- bis sehr langfristige Zeiträume.



Damit konnten sie zur durchgehenden Versorgungssicherheit beitragen bzw. zum Ausgleich von unterschiedlich guten Erntejahren.



Ihr Tresor- bzw. Versteck-Charakter schützte vor fremdem Zugriff, zudem wurde auch die Feuersicherheit geschätzt.

Nachweislich wusste man bereits in der Antike um diese „Silo-Technik“ der Einlagerung und ohne Weiteres kann man auch hinter gleichartigen urgeschichtlichen Gruben ein einschlägiges Wissen bzw. ihre intentionelle Anlage annehmen. Als reine Nutzbauten waren Speichergruben zeit- und raumübergreifend in den verschiedensten Kulturen und Landschaften verbreitet und sind vereinzelt bis in die Gegenwart in Gebrauch geblieben.

Abgekürzt zitierte Literatur BÖNISCH 2006 – E. Bönisch, Bronzezeitliche Speicherplätze in der Niederlausitz. In: W.-R. Teegen et al. (Hrsg.), Studien zur Lebenswelt der Eisenzeit. Festschr. Rosemarie Müller. RGA Ergbd. 53 (Berlin 2006) 305–332. FÜZES 1984 – E. Füzes, A gabona tárolása a magyar parasztgazdaságokban [Die Getreideaufbewahrung in den ungarischen Bauernwirtschaften] (Budapest 1984). HABERLANDT 1879 – F. Haberlandt, Der allgemeine landwirtschaftliche Pflanzenbau (Wien 1879). IKVAI 1966 – N. Ikvai, Földalatti gabonatárolás Magyarországon [Unterirdische Getreidelagerung in Ungarn]. Ethnographia 77, 1966, 343–377. KRÜNITZ 1788 – J. G. Krünitz, Oekonomische Enzyklopädie 44 (Berlin 1788) bes. 648–666 s. v. 2. Korn = www.kruenitz1.uni-trier.de (28.7. 2011). KUNZ 2004 – L. Kunz, Obilní jámy. Konzervace obilí na dlouhý cˇ as v historické zóneˇ eurosibirˇ ského a mediteránního rolnictví [mit engl. Übersetzung auf CD-ROM: Grain Pits. Long-time preservation of grain in historical zone of Euro-Siberian and Mediterranean peasantry]. Rolnictví na východní Moraveˇ od baroka do II. sveˇ tové války 1 (Rožnov pod Radhošteˇ m 2004). LOCHNER 1991 – M. Lochner, Studien zur Urnenfelderkultur im Waldviertel (Niederösterreich). MPK 25 (Wien 1991). LÜNING 2000 – J. Lüning, Steinzeitliche Bauern in Deutschland. Die Landwirtschaft im Neolithikum. Universitätsforsch. Prähist. Arch. 58 (Bonn 2000). MRUŠKOVICˇ 1962 – Št. Mruškovicˇ , Príspevok k výskumu uskladñovania obilia v obilných jamách na Záhorí [Die ethnographische Erforschung der Lagerung von Getreide in Getreidegruben in Záhorie]. Sborník Fil. Fak. Univ. Musaica XIII (II), 1962, 56–69. MÜHLHOFER 1931 – F. Mühlhofer, Wohnlochartige Fruchtspeicher im Burgenlande. Burgenland (später BHBl) 4, 1931, 159–162. SAMONIG 2002 – B. Samonig, Urgeschichtliche Funde aus Wien 10 – Unterlaa. FWien 5, 2002, 48–74. SIGAUT 1988 – F. Sigaut, A Method for Identifying Grain Storage Techniques and Its Application for European Agricultural History. Tools and Tillage 6/1, 1988, 3–32. WILLERDING 2000 – RGA2 12 (Berlin, New York 2000) 11–30 s. v. Getreidespeicherung (U. Willerding). ZEDLER 1735 – Johann Heinrich Zedlers Grosses vollständiges Universallexicon aller Wissenschaften und Künste 10 (Halle, Leipzig 1735) 1346 f. s. v. Getraide-Gruben = http://mdz10.bib-bvb.de/~zedler/zedler2007/index.html (27.7. 2011).

201 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tätigkeitsberichte

M. Mosser/S. Jäger-Wersonig/K. Adler-Wölfl, Zur Peripherie der römischen Zivilsiedlung

Zur Peripherie der römischen Zivilsiedlung von Vindobona. Vorbericht zu den Grabungen Wien 3, Aspanggründe (Rennweg 94–102/Ziakplatz/Aspangstraße 59–65) Martin Mosser/Sabine Jäger-Wersonig/Kristina Adler-Wölfl1 Die Grabungen der Stadtarchäologie Wien vom 6. April 2010 bis zum 11. März 2011 (GC: 2010_02) bildeten den Abschluss einer Reihe von archäologischen Untersuchungen (siehe auch Beitrag W. Chmelar/S. Jäger-Wersonig/M. Mosser, 236 ff.) auf dem Gelände des ehemaligen Aspangbahnhofs im 3. Gemeindebezirk im Zuge des Bauprojekts „Eurogate“. 2 Die Bauplätze zwischen Rennweg 94–102, Landstraßer Hauptstraße 150–152, Ziakplatz und Aspang1 Die örtliche Grabungsleitung für Bauplatz 5 und Ziakplatz lag bei S. Jäger-Wersonig, für Bauplatz 4 und 8 bei M. Mosser; die vorläufige Bestimmung des Keramikmaterials bei K. Adler-Wölfl. 2 GC: 2009_05, 2009_06, 2009_09; vgl. dazu: M. Müller, Wien. 3. Bezirk, Aspanggründe. FÖ 48, 2009, 514 f.; dies., Vom Wiener Neustädter Kanal zum Aspangbahnhof. Ausgrabungen in Wien 3, Aspanggründe. FWien 13, 2010, 146–156; dies., Wien 3, Aspanggründe, ebd. 227–231; dies., Ausgrabungen Wien 3, südwestlich der Aspangstraße. In: Vindobona–Aquincum. Herausforderungen und Ergebnisse in der Stadtarchäologie. Aquincum Nostrum II 6 (Budapest 2010) 103–108. 3 6800 m2 auf Bauplatz 8, 5300 m2 auf den Bauplätzen 4, 5 und Ziakplatz sowie etwa 1900 m2 auf Bauplatz 7. Für die überaus tatkräftige Unterstützung der Ausgrabungen bedanken wir uns bei der Firma Albrechtsberger sowie bei den Auftraggebern DI Herbert Barkow und Günter Forster von der Firma BAI Bauträger Austria Immobilien GmbH. 4 Es handelte sich um die Fläche zwischen Bauplatz 7 und 8 (GC: 1998_17); E. H. Huber, Wien 3, Aspangbahnhof. FWien 2, 1999, 165 f.; dies., Wien 3, Aspangbahnhof. FWien 3, 2000, 198; 200; dies., Die awarischen Gräber vom Aspangbahnhof im 3. Wiener Gemeindebezirk, ebd. 4–163; dies., Wien 3 – Aspangbahnhof. FÖ 39, 2000, 693 f.; dies., Wien 3, Aspangbahnhof. FWien 4, 2001, 270 f. 5 GC: 1907_22; Kenner 1909, 82–84 Taf. VI Plan 40; auch die Grabungen auf der gegenüberliegenden Parzelle Rennweg 93A im Frühjahr 2010 zeigten römische Werkstattbefunde (siehe Beitrag I. Mader, 243 ff.).

straße 59–65 (Bauplätze 4, 5, 7, 8 und Bauplatz Ziakplatz) umschlossen eine Fläche von ca. 28.000 m2, wobei von der Stadtarchäologie etwa 14.000 m2 erforscht wurden (Abb. 1). 3 Schon aufgrund der Grabungen der Jahre 1998–2000 im Bereich der Flughafen-Schnellbahn waren bei den geplanten Untersuchungen wichtige neue Erkenntnisse vor allem zur römischen Siedlungsgeschichte zu erwarten. 4 Vor den Grabungen 2010/11 war vorauszusetzen, dass sich das betroffene Gebiet im östlichen Randbereich der römischen Zivilsiedlung von Vindobona befinden müsse. Unklar waren allerdings bisher die genaue Ausdehnung der Siedlung sowohl Richtung Süden als auch Richtung Osten und der Übergang zu den Begräbnisstätten außerhalb der römischen Stadt. Im Jahr 1907 waren bereits bei der Neuanlage der Aspangstraße im Bereich Ziakplatz/Landstraßer Hauptstraße römerzeitliche Gruben und Töpferöfen, aber auch ein Stück der Limesstraße gefunden worden (Abb. 2). Die zwei Töpferöfen auf dem Areal des heutigen Hauses Rennweg 96 deuten auf Gewerbebetriebe entlang der Limesstraße hin. 5 Über der gesamten Grabungsfläche konnten römische und frühmittelalterliche Strukturen erst unter einer bis zu einem Meter hohen, dunkelbraunen, humosen Vegetationsschicht (OK max. 21,75 m, UK ca. 20 m über Wr. Null) festgestellt werden, die in ihrer Farbe und Konsistenz nicht von römerzeitlichen Verfüllschichten zu differenzieren war. Durch neuzeitliche glasierte Keramik (17./18. Jh.) innerhalb dieser Schicht war diese bereits einige Zentimeter oberhalb des anstehenden Löss nicht mehr als römerzeitliche Kulturschicht anzusprechen. Die erhaltenen römischen Befunde dürften mit Ausnahme einer bereits ursprünglich tiefer in den Löss gesetzten Straßenschotterung alle knapp unterhalb des 2010/11 nicht mehr nachweisbaren antiken Gehniveaus gelegen haben. Richtung Norden, zur Limesstraße am Rennweg hin, waren die römischen Strukturen tendenziell besser erhalten geblieben als Richtung Süden, also hangaufwärts zur Arsenalterrasse.

202 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Mosser/S. Jäger-Wersonig/K. Adler-Wölfl, Zur Peripherie der römischen Zivilsiedlung

Tätigkeitsberichte

Abb. 1: Überblicksplan zu den römischen Befunden auf den Aspanggründen in den Jahren 2010/11, Bauplatz 4, 5, 7, 8 und Ziakplatz. (Plan: M. Mosser)

Gräber Eher überraschend ließen sich auf Bauplatz 4, ca. 80 m westlich der 1907 aufgedeckten Töpferöfen, Richtung Zentrum der römischen Zivilstadt, im untersten Bereich der braunen Vegetationsschicht Überreste römischer Bestattungen feststellen (Abb. 3 und 4). Zunächst war eine im östlichen Teil durch jüngere Strukturen gestörte, ovale bis rechteckige Grube (erh. 160,50 m; OK 20,60 m, UK 20,25 m über Wr. Null), die am Rand starke Verbrennungsspuren und Verziegelungen aufwies, als Bustumgrab zu identifizieren. Die Verfüllung der Grube enthielt neben zahlreichen Leichenbrandresten zwei vollständige Firmalämpchen. Bereits im Jahr 2005 wurden im Gräberfeld nördlich der Zivil-

203 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tätigkeitsberichte

M. Mosser/S. Jäger-Wersonig/K. Adler-Wölfl, Zur Peripherie der römischen Zivilsiedlung

Abb. 2: Fundpunkte der archäologischen Untersuchungen im Jahr 1907 (a, b, c, d, e, h: römische Gruben; f, g: römische Töpferöfen; i: römische Limesstraße). (nach Kenner 1909, Taf. VI Plan 40)

6 Inventar ausgestellt im Römermuseum (Wien 1, Hoher Markt 3); M. Kronberger (Hrsg.), Vindobona. Das römische Wien (Wien 2009) 85. Grabungsbericht vgl. M. Müller, Wien 3, Klimschgasse 19–21. FWien 8, 2005, 215–217 Abb. 6–7; dies., Wien 3, Klimschgasse 19–21. FWien 9, 2006, 292– 294; mit zwei Münzen des Hadrian: 119–121 bzw. 125–128 n. Chr. 7 Vgl. den sehr ähnlichen Befund eines quadratischen Grabbaus im römischen Gräberfeld an der Limesstraße, südlich außerhalb der canabae legionis von Vindobona im Bereich der Albertina; E. H. Huber, Wien 1, Albertina. FWien 5, 2002, 290 Abb. 5; M. Kronberger, Siedlungschronologische Forschungen zu den canabae legionis von Vindobona. Die Gräberfelder. MSW 1 (Wien 2005) 64.

Abb. 3: Detailplan des Grabbezirkes im Bereich Ziakplatz/Aspangstraße, Bauplatz 4. (Plan: M. Mosser)

stadt von Vindobona in Wien 3, Klimschgasse 19–21 mindestens zwei Bustumgräber aufgedeckt, wovon eines besonders reich ausgestattet war. 6 Circa 2 m nördlich des Brandgrabes auf den Aspanggründen folgten die 0,50– 0,60 m breiten Fundamentreste eines im Grundriss beinahe quadratischen Grabbaus (2,9063,20 m; OK 20,38 m, UK 20,15 m über Wr. Null). Bei den Fundamentresten handelte es sich nur noch um die unterste schottrige/kiesige Verfüllung, das Mauerwerk selbst war bereits ausgerissen, wobei nicht zu klären war, ob diese Verfüllung durch den Ausriss entstanden ist (Abb. 4). 7 Der Grabbau enthielt im Inneren ein vollständiges Öllämpchen und in seichten Grubenverfüllungen geringe Reste von Leichenbrand. Außen war das Grabgebäu-

204 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Mosser/S. Jäger-Wersonig/K. Adler-Wölfl, Zur Peripherie der römischen Zivilsiedlung

Tätigkeitsberichte

Abb. 4: Fundamentreste des römischen Grabbaus. (Foto: M. Mosser)

de in einem Abstand von 1,15 m von einem 0,25–0,50 m breiten und max. 0,60 m tiefen Fundamentgräbchen umgeben (OK 20–20,27 m, UK 19,55– 20 m über Wr. Null), das als (Negativ-)Rest einer 666,80 m umfassenden Umzäunung oder Ummauerung des Grabbaus zu interpretieren ist. 8 Beachtenswert ist, dass nur an der Oberfläche der Gräbchenverfüllung Keramik und Ziegelbruch zu finden waren, als ob die Objekte intentionell entlang der (bereits ausgerissenen und verfüllten) Umfassung deponiert oder als Abfall entsorgt worden wären. Diese Keramikfunde korrespondieren mit jenen aus den Ausrissverfüllungen des Grabbaus und sind dem 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. – also wohl dem Belegungszeitraum des Grabbezirks – zuzuordnen, wobei als jüngstes Stück ein reduzierend gebrannter Teller schon ans Ende des 3. Jahrhunderts reicht. 9 Innerhalb des Grabbaus konnte in der dunkelbraunen Vegetationsschicht etwa auf gleicher Höhe (20,39 m über Wr. Null) wie die erhaltene Oberkante der Fundamentreste ein Follis des Constantius II. (Dat.: 337–340 n. Chr.) dokumentiert werden. Vielleicht gibt dieser einen Terminus post quem für den Abbruch des Grabmals während des 4. Jahrhunderts. 10 Einen weiteren wichtigen Hinweis auf die hier im Bereich von Bauplatz 4 im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. existierende Begräbnisstätte gibt das Skelett eines Neugeborenen, das innerhalb einer Grubenverfüllung zwischen Bustumgrab und Grabbau zum Vorschein kam (Abb. 5). Diese Grube enthielt in den oberen Verfüllungen neben dem nicht in ursprünglicher Lage befindlichen Skelett auch zahlreiches weiteres Fundmaterial, so unter anderem einen silbernen LunulaAnhänger (Inv.-Nr. MV 80254/1) mit spitz zulaufenden Enden und gerippter Öse (L mit Öse: 2 cm, B 1,6 cm, D max. 0,25 cm; Ösen-Dm 0,4–0,5 cm), der oft an Halsketten von Frauen und Kindern getragen wurde (Abb. 6). 11 Lunula-Anhänger hatten apotropäischen Amulettcharakter sowohl für Menschen als auch für Tiere und sind oft in römischen Gräbern zu finden. 12

8 Vgl. die zusammengefassten Grabungsbefunde zu gemauerten Grabbauten in Noricum mit und ohne Umfassungsmauer: G. Kremer, Antike Grabbauten in Noricum. SoSchrÖAI 36 (Wien 2001) 290–300; die Größe des auf den Aspanggründen freigelegten Grabbaus liegt etwa im Durchschnitt der hier publizierten Befunde. 9 B. Petznek, Römerzeitliche Gebrauchskeramik aus Carnuntum. Ausgrabungen des Bundesdenkmalamtes 1971 bis 1972. Teil 1. CarnuntumJb 1997, 261 Typ 21.5 Taf. 50 Kat.-Nr. 1001–1034 Falttaf. 4. 10 RIC 75 (var.); für die vorläufige Bestimmung der Münzfunde sei C. Litschauer herzlich gedankt. 11 Vgl. z. B. das Mumienporträt einer Frau aus Fayum in Ägypten aus dem 1. Jh. n. Chr., die einen Halsreifen mit Lunula-Anhänger trägt; W. Seipel (Hrsg.), Bilder aus dem Wüstensand. Mumienportraits aus dem Ägyptischen Museum Kairo. Ausst. KHM Wien 1998/1999 (Wien 1998) 102 f. Nr. 21. 12 Vgl. E. Riha, Der römische Schmuck aus Augst und Kaiseraugst. Forsch. Augst 10 (Augst 1990) 73 f.; E. Schmidt, Römische Kleinfunde aus Burghöfe. 1. Figürliche Bronzen und Schmuck. Frühgesch. u. Provinzialröm. Arch. Mat. u. Forsch. 3 (Rahden/Westf. 2000) 30. Datierungen der Lunula-Anhänger sind typologisch schwierig und können jedenfalls vom 1. bis ins 3. Jh. angenommen werden; Silberlunula: H. Ubl (Hrsg.), Schausammlung „Römerzeit“ im Museum Lauriacum Enns. Kat. FiL 12, 2 = Sonderbd. I 2 (Enns, Wien 1997) 144 Kat.-Nr. IV/C- 29 a.

205 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tätigkeitsberichte

M. Mosser/S. Jäger-Wersonig/K. Adler-Wölfl, Zur Peripherie der römischen Zivilsiedlung

Abb. 6: Silberner Lunula-Anhänger (Inv.-Nr. MV 80254/1) aus der Grubenverfüllung zwischen Bustumgrab und Grabbau, Dat.: 1.–3. Jh. (Foto: N. Piperakis) Abb. 5: Dislozierte Skelettreste eines Neugeborenen und Rinderschädel in der Grubenverfüllung zwischen Bustumgrab und Grabbau. (Foto: M. Mosser)

Die große Grube hatte einen Durchmesser von 463,20 m und war ca. 2,30 m tief (UK 18,10 m über Wr. Null). Sie nahm zwar offensichtlich Rücksicht auf den zu ihrer Errichtungszeit noch vorhandenen Grabbau, störte aber sowohl das Bustumgrab als auch das Umfassungsgräbchen des Grabbaus13 und wurde wohl unmittelbar nach Auflassung des Grabbezirks angelegt, wobei in den obe13 Die Störung war zwar aufgrund einer die Grube im östlichen Bereich schneidenden neuzeitlichen Kalkgrube im Befund nicht eindeutig nachzuvollziehen, in der Grubenverfüllung war aber das Umfassungsgräbchen nicht zu identifizieren. 14 Kenner 1909, 81 f. schreibt zwar von Brandgräbermulden – große Gruben mit zahlreichem, zum Teil verbranntem Fundmaterial – im Bereich Aspangstraße 65 und Rennweg 94–102, diese sind aber wohl wie die Grube zwischen Bustumgrab und Grabbau als Lehmentnahmegruben zu deuten. Speziell die Grube bei Kenner 1909, Planfig. 40 b vor Aspangstraße 65 (vgl. Abb. 2) wäre nur etwa 25 m nördlich des 2010 aufgefundenen Grabbaus entfernt. Allerdings dürften zumindest jene im Bereich des Grabbezirks chronologisch jünger (ca. ab M. 3. Jh. n. Chr.) einzuschätzen sein als jene in den Gewerbegebieten westlich und östlich davon. 15 Ihre Oberkanten lagen höher als die heutige Aspangstraße, deren Anlage 1907 offensichtlich den römischen Siedlungshorizont vollständig zerstörte; vgl. Kenner 1909, 80 f.; die Grube direkt an der Aspangstraße ganz im Nordwesten des Grabungsgeländes enthielt in der untersten Verfüllung eine Münze aus der 1. H. 2. Jh. n. Chr. (Hadrian?).

ren Verfüllschichten ausschließlich römerzeitliches Fundmaterial aus dem 2. und 3. Jahrhundert zu finden war. Dabei handelte es sich offensichtlich um entsorgte Keramik aus dem Grabbezirk. Die unteren Verfüllschichten waren beinahe fundleer und bestanden vornehmlich aus umgelagertem Löss und braunem, humosem Erdmaterial. Im Westen, etwa 13 m von den aufgedeckten Gräbern entfernt, wurde das Bestattungsareal von einem seichten Graben (vielleicht Rest einer Umzäunung oder einer Hecke) begrenzt. Im Osten konnte erst nach 15 m eine weitere Parzelle festgestellt werden (siehe unten). Allem Anschein nach lagen die Brandgräber also isoliert auf einer Parzelle zwischen zwei Werkstattarealen, ohne dass weitere Befunde ein größeres Gräberfeld an diesem Abschnitt der Limesstraße bezeugen könnten. 14 Westlich der Gräber konnten auf den Bauplätzen 4 und 5 nur noch zwei weitere fundreiche Gruben ganz im Nordwesten des Bauplatzes unmittelbar an der Aspangstraße festgestellt werden,15 die wohl im Hinterhofbereich nicht näher definierbarer Gewerbebetriebe an der Limesstraße gelegen haben dürften. Auch eine chronologische Abfolge von Grabstätten und Werkstätten ist nur ansatzweise erschließbar. So dürften nach einer ersten Auswertung der Fundkomplexe im 2. Jahrhundert Grabbezirk und Werkstätten gleichzeitig bestanden haben, im Lauf der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts werden die Gewerbebetriebe aufgelassen, wobei der Friedhof anscheinend noch länger, bis zum Ende des 3. Jahrhunderts, in Funktion war.

206 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Mosser/S. Jäger-Wersonig/K. Adler-Wölfl, Zur Peripherie der römischen Zivilsiedlung

Tätigkeitsberichte

Abb. 7: Große Lössentnahme(?)-Grube im Hinterhofbereich der römischen Hausparzelle, Bauplatz Ziakplatz. Blickrichtung Westen. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Hausbefund Im Bereich des Bauplatzes am Ziakplatz und im Nordwesten von Bauplatz 8 konnten 15 m östlich des Grabbezirks über einer älteren, im Durchmesser mehr als 4 m messenden,16 ca. 1,20 m tiefen römerzeitlichen Grube (OK 19,60 m, UK 18,40 m über Wr. Null) die Fundamentreste (OK 19,73 m, UK 19,29 m über Wr. Null) des rückwärtigen Teils eines Hauses (Anbauten?) festgestellt werden. Es lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit als Streifenhaus interpretieren, also einem im Grundriss langrechteckigen Gebäude, dem gängigen Haustyp der zivilen Siedlungen in den Nordwestprovinzen des römischen Reiches. 17 Die Breite des Hauses betrug 9,50 m (= 32 röm. Fuß), auf 8,40 m konnte die Längsausdehnung verfolgt werden. Unter der Annahme, dass sich das Haus bis zur Limesstraße am Rennweg erstreckte, dürfte die Länge des Hauses etwa 40 m betragen haben. So sind etwa im römischen Vicus von Walheim Maße für entsprechende Gebäude mit Anbauten/Hofbereiche zwischen 27 und 39 m Länge und 5–8,50 m Breite ermittelt worden. 18 Wie bei dem Grabbau konnte auch beim Hausbefund am Ziakplatz nur noch eine schotterige, kiesige Fundamentverfüllung festgestellt werden, das ursprüngliche Mauerwerk war vollständig entfernt. In einem Meter Abstand verlief parallel zur westlichen Hausmauer eine frei stehende Parzellenmauer, die wohl das Wohn-/Gewerbegebiet vom Friedhofsareal abgrenzte. Auf 1,50 m Länge zeigte diese noch die originale Fundamentrollierung aus dicht gesetzten Flusssteinen. Alle diese nur im untersten Fundamentbereich bzw. nur im ausgerissenen Zustand vorhandenen Mauern wiesen eine Breite von 0,60 m auf. Zur Parzelle, also zum Wirtschaftsgebiet dieses Hauses, dürfte auch eine in etwa 40 m Entfernung in der Flucht nach Süden gelegene, große römische Grube zu rechnen sein. Damit wäre die Längsausdehnung der Parzelle mit ca. 90 m anzusetzen. 19 Die Grube nimmt mit ihrer Ausdehnung von ca. 9,4064,80 m (OK 21,25– 21,54 m, UK 20,63–20,95 m über Wr. Null) die gesamte Parzellenbreite ein

16 Die Nordbegrenzung der Grube lag außerhalb des Grabungsbereiches und wurde bereits 1907 zerstört. 17 Vgl. G. Ditmar-Trauth, Das gallorömische Haus. Zu Wesen und Verbreitung des Wohnhauses der gallorömischen Bevölkerung im Imperium Romanum. Antiquates 10,1 (Hamburg 1995); K. Kortüm, Privathäuser in städtischen Siedlungen. In: Imperium Romanum. Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau. Große Landesausst. Baden-Württemberg, Stuttgart 2005/2006 (Stuttgart 2005) 252259. 18 K. Kortüm/J. Lauber, Walheim I. Das Kastell II und die nachfolgende Besiedlung. Forsch. u. Ber. Vor- u. Frühgesch. BadenWürttemberg 95 (Stuttgart 2004) 456 Abb. 190. 19 Im Kastellvicus der Saalburg liegen die durchschnittlichen Parzellenlängen allerdings nur bei 50–68 m. Ähnliche Werte zeigen hingegen die Vici von Braintree in Britannien und Groß-Gerau in der Germania Superior mit bis zu 100 m; vgl. C. Moneta, Der Vicus des römischen Kastells Saalburg (Mainz 2010) 121 f. mit Anm. 981–982.

207 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tätigkeitsberichte

M. Mosser/S. Jäger-Wersonig/K. Adler-Wölfl, Zur Peripherie der römischen Zivilsiedlung

Abb. 8: Langrechteckige Grube im Hinterhofbereich der Töpferwerkstatt, Bauplatz 8. Blickrichtung Osten. (Foto: M. Mosser)

Abb. 9: Neugeborenenbestattung innerhalb einer Grube des Werkstattareals, Bauplatz 8. (Foto: M. Mosser)

(Abb. 7). Sie war mit rotbraunem Lehm, reichlich Tierknochen und Keramik verfüllt. Letztere bestand vor allem aus Gebrauchskeramik und nur in einem geringen Prozentsatz aus Tafelgeschirr. Die eingefüllte Keramik spricht für eine Datierung ins 2. vielleicht noch in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. Circa 100 m weiter im Nordwesten konnte auf Bauplatz 5 eine weitere Grube freigelegt werden. Sie gleicht mit den Maßen 768,50 m (OK 21,62–21,68 m, UK 20,83 m über Wr. Null) in etwa der vorher beschriebenen Grube. Die Verfüllung bestand auch hier aus rotbraunem Lehm gemischt mit Ziegelbruch und Knochen. Die Keramik wies indes einen höheren Anteil an Terra Sigillata auf. Zusätzlich fanden sich in der Verfüllung mehrere Fragmente großer Vorratsgefäße (Dolia). Nach einer ersten Durchsicht des Materials lässt sich die Verfüllung ins 2. bis in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts datieren. Vermutlich handelte es sich bei den beiden Strukturen um aufgelassene Lössentnahmegruben, die mit Hausmüll bzw. Abbruchmaterial verfüllt worden waren. Eine annähernd gleich große Grube konnte 1910 beim Bau einer Wasserleitung vor der As20

FT V, Aspangstraße 29, 13. Juni 1910.

pangstraße 29 beobachtet werden. 20

208 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Mosser/S. Jäger-Wersonig/K. Adler-Wölfl, Zur Peripherie der römischen Zivilsiedlung

Tätigkeitsberichte

Gewerbegebiet Auf einer Länge von knapp 50 m ab jenem Streifenhaus nach Osten waren auf Bauplatz 8, abgesehen von kleineren, meist fast fundleeren Muldenverfüllungen, deren Zeitstellung bislang noch nicht genauer definiert werden konnte,21 keine weiteren römischen Strukturen festzustellen. Erst südlich der beiden 1907 aufgedeckten Töpferöfen kam eine Reihe von Grubenanlagen unterschiedlicher Ausprägung zum Vorschein. Deren ursprüngliche Funktion kann vielleicht aus ihrer Lage im Hinterhof des römischen Werkstattbetriebes erschlossen werden: Eine langrechteckige, 2,5067 m messende Grube (OK 20 m, UK 19,29 m über Wr. Null) besaß einen höher gelegenen, eher flachen Grubenboden im östlichen Abschnitt

Abb. 10: Grube im Werkstattareal mit Töpfereiabfall, Bauplatz 8. (Foto: M. Mosser)

(ca. 0,30 m tief) und einen durch einen Absatz von diesem getrennten, ebenfalls flachen, bis zu 0,70 m tief liegenden Boden im westlichen Teil (Abb. 8). Eine weitere, 1,30 m tiefe Grube nordöstlich davon (OK 19,90 m, UK 18,60 m über Wr. Null) enthielt zahlreiche Keramikstücke (Abb. 10), darunter auch offensichtlichen Töpfereiabfall wie verbrannte Lehmstützen eines Töpferofens oder eine nicht vollständig gebrannte Reibschale (Fehlbrand). Die übrigen Gruben auf diesem ca. 1000 m2 großen Gelände sind wohl ebenfalls entweder als Lehm-/Lössentnahme- und -aufbereitungsgruben oder als Abfallgruben anzusprechen. Schließlich konnte in einem weiteren max. 2,4064,20 m großen, 1,15 m tiefen Grubenkomplex (OK 20,10 m, UK 18,95 m über Wr. Null) das Skelett eines Neugeborenen dokumentiert werden. Dieses war am nördlichen Rand in eine eigene, von einer Sandsteinplatte abgedeckte, 0,3560,80 m große Vertiefung (UK ca. 19,20 m) gelegt worden. Die Bestattung war Südost-Nordwest orientiert und maß ca. 40 cm in der Länge (Abb. 9). Kleinstkindbestattungen in Siedlungsbereichen sind neben „regulären“ Grablegungen in den Nekropolen vor allem in den römischen Provinzen und bereits in den latènezeitlichen Perioden sehr häufig nachzuweisen. Unterschiedliche Beweggründe, die wohl mit dem Entwicklungsstand des Kindes zum Zeitpunkt seines Todes zu tun haben, können dazu veranlasst haben, Kleinstkinder im Hausbereich, in Siedlungsgruben oder im Bereich von Begrenzungsgräben und Zäunen zu bestatten. Eventuell liegt die Ursache für diese Grabstätten im „magisch-religiösen“ Schutz, der durch römische Hausgötter gegeben war und damit auf die verstorbenen Kleinkinder übertragen werden konnte. 22 Parzellierungen Zwei auf über 8 m Länge nachweisbare langgestreckte, seichte, 0,20–0,30 m schmale und max. 0,12 m tiefe Gräbchen (OK max. 19,85 m, UK min. 19,44 m über Wr. Null) innerhalb des Werkstattbezirks, mit derselben Orientierung wie das oben erwähnte Streifenhaus, dürften römische Parzellengrenzen markieren (Reste von Abzäunungen?). Verstärkt wird dieses Indiz durch den Umstand, dass der Abstand zwischen den Gräbchen (10,8 m = ca. 36 röm. Fuß) ungefähr

21 In der Mehrzahl enthielten diese seichten Grubenverfüllungen bereits spätmittelalterliche bzw. frühneuzeitliche Keramik. 22 Sehr ausführlich dazu mit zahlreichen Beispielen: I. Beilke-Voigt, Kaum gelebt und schon begraben. Zu den Siedlungsbestattungen von Kleinstkindern in vor- und römischer Zeit. MAG 140, 2010, 101–140; weitere (spätrömische) Neugeborenenbestattungen im Bereich des Legionslagers Vindobona: M. Binder, Säuglingsbestattungen. In: M. Mosser et al., Die römischen Kasernen im Legionslager Vindobona. Die Ausgrabungen am Judenplatz in Wien in den Jahren 1995–1998. MSW 5/I (Wien 2010) 952–954; M. Jandl/M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil IV: Vallum, fabrica und Kasernen in der westlichen retentura – Vorbericht zu den Grabungen Am Hof im Jahr 2007. FWien 11, 2008, 29.

209 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tätigkeitsberichte

M. Mosser/S. Jäger-Wersonig/K. Adler-Wölfl, Zur Peripherie der römischen Zivilsiedlung

Abb. 11: Überblick über den auf den Aspanggründen freigelegten römischen Straßenabschnitt, unterbrochen vom Ausriss der 1895 erbauten Lokomotivendrehscheibe. Im Hintergrund der Richtfunkturm auf dem Arsenalgelände. Blickrichtung Süden. (Foto: M. Mosser)

Abb. 12: Detail der römischen Straßenschotterung mit Wagenspuren an der nördlichen Grabungsgrenze, Bauplatz 8. Blickrichtung Nordosten. (Foto: M. Mosser)

der Breite des Streifenhauses bzw. des Grundstücks inklusive der westlichen Parzellenmauer entspricht (32 Fuß bzw. 38 Fuß). Mit dieser Parzellenbreite ließen sich im Bereich des Grabungsgeländes 18 Parzellen (strigae) rekonstruieren. Damit könnten auch die am Bauplatz 8 freigelegten Grubenanlagen mindestens zwei Töpfereibetrieben zugeordnet werden, die durch die 1907 im Bereich des Hauses Rennweg 96 aufgedeckten Öfen bekannt geworden sind (Abb. 1 und 2). 23 Fraglich ist, ob für den Grabbezirk ebenfalls nur eine schmale Parzelle zu rekonstruieren ist oder ob hier eine größere, dreifache Parzellenfläche die Gräber vom Gewerbegebiet trennte. Insgesamt dürfte aber ein gewisser Spielraum bezüglich der wohl nicht ganz einheitlichen Parzellenbrei23 Kenner 1909, 82–84 Planfig. 40 f und g. 24 St. Groh/H. Sedlmayer, Forschungen zum Kastell und Vicus von Zwentendorf am norischen Donaulimes. Zentraleuropäische Arch. 1 (Wien 2010) 44 und Abb. 18. 25 Moneta (Anm. 19) 118–121, weitere Vergleiche in Anm. 978. Etwas geringere Breiten zwischen 7,6 und 8,6 m weisen die Grundstücke in der Zivilsiedlung von Heldenbergen auf; W. Czysz, Heldenbergen in der Wetterau. Feldlager, Kastell, Vicus. Limesforsch. 27 (Mainz 2003) 75 Abb. 40; 93 f.

ten gegeben sein, wie auch folgende gut vergleichbare Siedlungsstrukturen zeigen. So liegen die Werte im Kastellvicus von Zwentendorf (NÖ) zwischen 10 und 14 m, wobei hauptsächlich Breiten von 10 m festzustellen waren. 24 Im Vicus Saalburg (Hessen) stehen Daten von insgesamt 96 Parzellen ohne wirklich einheitliche Werte zur Verfügung. Die Maße liegen zwischen 5,5 und 17 m Breite, durchschnittlich bei 9,90 m (= 33,2 Fuß), aber hauptsächlich – wie auf den Aspanggründen – zwischen 9,5 und 11 m (32–37 Fuß). 25 Ähnliche Werte zeigten die Parzellen im Vicus-Ost von Mautern, wo 12 Grundstücke, durch Gräben voneinander getrennt, durchschnittlich 12 m Breite aufwiesen

210 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Mosser/S. Jäger-Wersonig/K. Adler-Wölfl, Zur Peripherie der römischen Zivilsiedlung

Tätigkeitsberichte

(9,5–15 m). 26 In der gesamten Anlage ähnelt auch die Parzellierung (10–10,5 m Breite) des Töpfervicus Schwabmünchen (Bayern) der Baustruktur auf den Aspanggründen: Hausbefunde an der Straße, Ofenanlagen im mittleren Teil und unregelmäßig angeordnete, zum Teil über die jeweiligen Grenzlinien verlaufende Gruben im rückwärtigen Parzellenabschnitt. 27 Diese Angaben bestätigen jedenfalls, dass es sich bei den nur noch seicht erhalten gebliebenen Gräbchen auf den Aspanggründen – vielleicht auch bei einem breiteren (2 m!), ebenfalls seichten (max. 0,25 m), westlich anschließenden Graben – um Begrenzungen von Grundstücken (L ca. 50 m) der Töpfereibetriebe gehandelt haben wird, die wohl im rechten Winkel zur Limesstraße hin angeordnet waren. Die Orientierung der Gewerbegrundstücke differiert allerdings zu jener der römischen Straße, welche das Handwerkerviertel im Osten begrenzt. Der Grund dafür ergibt sich aus den folgenden Ausführungen. Römerstraße Der wichtigste Befund dieser Grabungskampagne ist die Aufdeckung einer einspurigen römischen Schotterstraße auf einer Gesamtlänge von 47 m (Abb. 11). Diese von der Limesstraße Richtung Südwesten abzweigende Straße war vor allem im nördlichen Abschnitt in ausgezeichnetem Zustand erhalten, am Südende, hangaufwärts zur Arsenalterrasse, konnten hingegen nur noch die in den Löss eingetieften Spurrillen der römischen Wagen dokumentiert werden. Der 5–15 cm hoch geschotterte, 1,95–2,20 m breite Straßenkörper (OK 19,52– 20,35 m, UK 19,17–20,18 m über Wr. Null) war bis zu 20 cm in den anstehenden Löss eingegraben und bestand sowohl aus feinem, kiesigem Material als auch fallweise aus bis zu 30 cm großen Sand- und Bruchsteinen (Abb. 12), zum Teil auch nur aus festgestampftem Lehm. Bemerkenswert waren die gut sichtbaren und tief eingefahrenen Spurrillen der Wagenräder, die auch den überlieferten Radabstand römischer Wagen von 1–1,40 m bestätigen. 28 Die ungewöhnliche, beabsichtigte Eintiefung der Straße in den anstehenden Löss, die vor allem im Nahbereich zur Limesstraße hin feststellbar war, lässt sich wohl nur durch die Geländesituation erklären. Da die von der Arsenalterrasse herabführende Straße bis zur Einmündung in die Limesstraße stetig bergab führte, dürfte durch die hohlwegartige Eintiefung zumindest im Kreuzungsbereich der beiden Straßen ein Geländeausgleich geschaffen worden sein, um von der Limesstraße auf gleicher Ebene Richtung Süden abzweigen zu können. 29 Über der Schotterung lagen zwei Verfüllschichten, wobei vor allem im Bereich eines ca. 3,5062 m großen „Schlaglochs“, 9 m von der nördlichen Grabungsgrenze entfernt, unzählige Keramikfunde zutage kamen, die einen wichtigen Fundkomplex zur Datierung bzw. Auflassung der Römerstraße bieten. Große Teile der Scherben sind dabei als Fehlbrände anzusprechen und damit als Abfall der benachbarten Werkstätte zu werten. 30 Eine erste Durchsicht des Materials bestätigte darüber hinaus, dass dieses ausschließlich dem 2. und maximal der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts zuzuordnen ist, was bedeutet, dass spätestens im 4. Jahrhundert diese Straße nicht mehr in Funktion war. 31 Aus der Straßenschotterung selbst konnte ein Dupondius des Vespasian geborgen

26 St. Groh/H. Sedlmayer, Forschungen im Vicus-Ost von Mautern-Favianis. Die Grabungen der Jahre 1997–1999. RLÖ 44 (Wien 2006) 37. 27 G. Sorge, Die Keramik der römischen Töpfersiedlung Schwabmünchen, Landkreis Augsburg. Materialh. Bayer. Vorgesch. A 83 (Kallmünz/Opf. 2001) 15 f. Beil. 1 mit Anm. 26 mit weiterer Literatur zu Parzellenbreiten in Töpfervici. 28 Vgl. A. Lang/U. Schultz/W. Zanier, Eine frührömische Holz-Kies-Straße im Eschenloher Moos. Ein Vorbericht der Grabung 1996. In: E. Walde (Hrsg.), Via Claudia, neue Forschungen (Innsbruck 1998) 316; B. Hebert, Römerstraßen in der Steiermark: Neubewertungen und Neufunde. In: E. Walde/G. Grabherr (Hrsg.), Via Claudia Augusta und Römerstraßenforschung im östlichen Alpenraum. IKARUS 1 (Innsbruck 2006) 438; der Radabstand des Wagens aus dem römerzeitlichen Grab von Kozármisleny wird von A. Kiss mit ca. 1,40 m rekonstruiert; A. Kiss, Das römerzeitliche Wagengrab von Kozármisleny (Ungarn, Kom. Baranya). Rég. Füzetek Ser. II 25 (Budapest 1989) 29 Abb. 41 (Achsenlänge: 1,95 m). 29 Vgl. hohlwegartige Eintiefungen römischer Straßen aufgrund der Geländesituation bei K. Grewe, Die Problematik der Taldurchquerung römischer Strassen am Beispiel des Urfttales (Eifel). In: R. Frei-Stolba (Hrsg.), Siedlung und Verkehr im römischen Reich. Akten Kolloquium Bern, 2001 (Bern 2004) 79–92. 30 Eine nahezu identische sekundäre Verwendung von Töpfereiabfall findet sich auch in Köln: C. Höpken, Die römische Keramikproduktion in Köln. Kölner Forsch. 8 (Mainz 2005) 20. 31 Das Material setzt sich u. a. zusammen aus: Becher und Faltenbecher mit Grießbewurf, Becher mit Karniesrand, Imitation Rätischer Ware Drexel 1, Pannonische Glanztonware: Ringschüsseln, Rundwandschüsseln, halbkugelige Schüssel (Imitation Drag. 37); Räucherschalen, Waschschüssel, Siebfragment, Dreifußschüsseln, Reibschüssel mit rotem Überzug, Lampenfragment.

211 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tätigkeitsberichte

M. Mosser/S. Jäger-Wersonig/K. Adler-Wölfl, Zur Peripherie der römischen Zivilsiedlung

Abb. 13: Peltaförmige Schnalle (Inv.-Nr. MV 80339/2) aus der Verfüllschicht oberhalb der römischen Straßenschotterung, Dat.: 2. bis max. 1. Hälfte 3. Jh. (Foto: A. Maspoli)

Abb. 14: Grubenkomplex westlich der römischen Schotterstraße, Bauplatz 8. Blickrichtung Nordosten. (Foto: M. Mosser)

werden. Aus der Verfüllung über der Straße ist das Fragment einer bronzenen, peltaförmigen Schnalle mit D-förmiger Öse (zur Aufnahme des Riemenendbeschlags) als Verschluss eines Soldatengürtels erwähnenswert (L 3,6 cm, B 1,7 cm). Dieser wird, analog zum Straßenbefund, ins 2. bzw. maximal in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. datiert (Abb. 13). 32 Parallel zur Straße verlief östlich von ihr, in einem Abstand von ca. 1 m, ein 0,80–1,40 m breiter Abwassergraben (OK 19,49–20,12 m, UK 19,09– 20,10 m über Wr. Null), der ebenfalls gegen Süden, also hangaufwärts Richtung Arsenalterrasse, immer seichter wurde und schließlich nach knapp 30 m Länge im Löss nicht mehr zu erkennen war. Der Graben war an seiner 32 Inv.-Nr. MV 80339/2; vgl. J. Oldenstein, Zur Ausrüstung römischer Auxiliareinheiten. Studien zu Beschlägen und Zierat an der Ausrüstung der römischen Auxiliareinheiten des obergermanisch-raetischen Limesgebietes aus dem zweiten und dritten Jahrhundert n. Chr. Ber. RGK 57, 1976, 216; die Bestimmung der Schnalle führte A. Maspoli im Rahmen ihrer Diplomarbeit zu den Militaria von Vindobona durch. 33 Begleitende Straßengräben beiderseits des geschotterten Straßenkörpers sind gängige Charakteristika römischer Überlandstraßen; vgl. z. B. W. Czysz/M. Dumler, AB AVGVSTA MP XXIII? Untersuchungen am Nordende der Via Claudia Augusta bei Asbach-Bäumenheim, Landkreis Donau-Ries, Schwaben. Arch. Jahr Bayern 2008 (2009) 68–70 Abb. 94. 34 W. Czysz, Römische Staatsstraße via Claudia Augusta. Der nördliche Streckenabschnitt zwischen Alpenfuß und Donau. In: La Venetia nell’area Padano-Danubiana. Le vie di comunicazione. Convegno internazionale Venezia 1988 (Padova 1990) 274.

tiefsten Stelle im Norden 40 cm in den Löss eingetieft und wies in seiner Verfüllung stellenweise Schottermaterial auf. Vielleicht den Rest eines weiteren Straßengrabens bildete ein auf ca. 10 m Länge verfolgbares, nur wenige Zentimeter tiefes, 0,30–0,50 m breites Gräbchen an der Westseite der Straße. 33 Inklusive der beiden Gräben wäre somit die gesamte Straßenbreite maximal 5,40 m. In Fortsetzung des seichten Grabens nach Norden zeigte sich parallel – nur wenige Zentimeter vom Straßenkörper entfernt – eine Abfolge von Gräben und Gruben (Abb. 14) auf einer Länge von 13,50 m (B 0,45–1,55 m; OK 19,90 m, UK 18,80 m über Wr. Null). Die Funktion dieses Graben-/Grubenkomplexes, der eine Tiefe von bis zu 1 m aufwies, ist nicht sofort erschließbar, aufgrund der Orientierung ist jedenfalls ein Zusammenhang mit der benachbarten Straße eher anzunehmen als mit dem westlich anschließenden Gewerbegebiet. Vielleicht handelt es sich dabei um eine von vielen Materialgruben, die entlang römischer Überlandstraßen oft zu finden sind, um Schlaglöcher auszugleichen,34 wobei ein solches „Schlagloch“ tatsächlich unmittelbar neben dem langgestreckten Grubenkomplex festzustellen war (siehe oben). Zum Teil enthielt die Verfüllung dieser Gruben unregelmäßig gelegte, braune und ockerfarbene Lehmziegel, zum Teil wiederum fundreiche Erdverfüllungen.

212 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Mosser/S. Jäger-Wersonig/K. Adler-Wölfl, Zur Peripherie der römischen Zivilsiedlung

Tätigkeitsberichte

Zur Topographie der Römerstraße Wie oben ausgeführt verläuft die Schotterstraße auf den Aspanggründen nicht parallel zur Parzellierung der westlich anschließenden Handwerksbetriebe, sondern etwa 3° nach Nordosten verschwenkt (Abb. 1). Der Grund dafür muss mit der Richtung der Straße, also mit ihrem Anfangs- und/oder Endpunkt zusammenhängen. Eine Möglichkeit ist im Verlauf der Limesstraße zu erkennen, die – unter der Voraussetzung, dass diese der Richtung des heutigen Rennwegs folgte35 – in etwa am rekonstruierten Kreuzungspunkt mit der Straße von den Aspanggründen Richtung Carnuntum einen leichten Knick nach Süden vornimmt. Diese Richtungsänderung wird auch Auswirkungen auf die Orientierung der Parzellen bzw. der Nebenstraßen gehabt haben. So ist anzunehmen, dass die Nebenstraße auf den Aspanggründen im rechten Winkel zur nach Südosten Richtung Carnuntum weiter verlaufenden Limesstraße orientiert war. Die Parzellen hingegen waren auf den Limesstraßenabschnitt ausgerichtet, der weiter nach Westen durch das Siedlungszentrum führte. Auch der Endpunkt der Nebenstraße im Südwesten wird dabei eine Rolle gespielt haben. So waren auf Bauplatz 7 – im Gelände bereits auf der Arsenalterrasse, ca. 3 m höher als die Befunde auf Bauplatz 8 – nur noch Reste der Eintiefungen der römischen Wagenspuren in der Verlängerung der Römerstraße feststellbar, wodurch der Straßenverlauf auf insgesamt 114 m Länge nachgewiesen werden konnte. Hier dürfte die eigentliche Straßenschotterung aber der Hangerosion zum Opfer gefallen sein. Betrachtet man nun den weiteren Verlauf der Straßenführung, so ergeben sich interessante Aspekte für das römische Straßennetz von Vindobona (Abb. 15). Die Straße würde in ihrer Verlängerung in das Umfeld eines wichtigen Fundplatzes im Bereich des heutigen Arsenals bzw. südöstlich des neuen Hauptbahnhofs führen. Südöstlich des Arsenals wurde in den Jahren 1890/91 ein spätrömisches Gräberfeld entdeckt. 36 In diesem fanden sich WSW-ONO orientierte Steinkistengräber aus dem fortgeschrittenen 4. Jahrhundert n. Chr., die unter anderem aus sekundär verwendeten Reliefplatten von Bauinschriften (sog. Erotenreliefs) und von Tempelarchitektur (?) (sog. Kyknosrelief) bestanden, von derselben Fundstelle stammt auch ein kleiner Altar für den Gott Silvanus. 37 Aus diesem mittelkaiserzeitlichen Steinmaterial ist zu folgern, dass sich in der Umgebung des in der Spätantike angelegten Friedhofes im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. ein Heiligtum außerhalb der Zivilstadt von Vindobona befunden haben dürfte,38 das wohl über jene auf den Aspanggründen gefundene Straße erreichbar war. Der genaue Fundort der Gräber ist nur noch nach den damaligen Flurbezeichnungen rekonstruierbar. Wilhelm Kubitschek nennt Jungreithmeiers Sandstätte hinter dem Arsenal (Acker im oberen Goldeggen an der Simmeringerstraße mit den Katasterzahlen 71/1, 70/1 und 70/ 2, nach der Grundbuchsmappe auch Reingrubacker benannt). 39 Friedrich Kenner übernimmt diese Angaben, ergänzt aber, dass der Fundort „an der projectirten, vom X. zum XI. Bezirke, d. i. von Favoriten nach Simmering, führenden Straße“ zu suchen sei. 40 Bei dieser Straße, die heute nicht mehr existiert, kann es sich nur um jene handeln, die nach dem Generalstadtplan von 1904 dem Verlauf der heutigen Lilienthalgasse folgte, die unmittelbar an den Schottergruben der Flur Reingrubacker, im Norden hinter dem Arsenal vorbei, über die

35 S. Sakl-Oberthaler, Untersuchungen zur Limesstraße in Wien-Simmering. FWien 2, 1999, 110–115 Abb. 3. Nicht weit von Bauplatz 8 – ca. 80 m östlich der Nebenstraße – wurde die Limesstraße in 1,20 m Tiefe vor dem Haus Rennweg 95 im Jahr 1907 aufgefunden; Kenner 1909, 59 Taf. VI Plan 40 i; GC: 1907_30. 36 GC: 1890_02, 1891_03: Die Steinkistengräber enthielten u. a. vier Zwiebelknopffibeln vom Typ Keller/Pröttel 3/4B und 3/4C; S. Schmid, Die römischen Fibeln aus Wien. MSW 6 (Wien 2010) Kat.-Nr. 257–259; 271; auch (verschollene) Münzen werden angeführt: „sieben Kupferdenare von Constantin dem Großen und seinen Söhnen“ bzw. „eine Anzahl Kupfermünzen aus der Zeit Constantins“; vgl. Kenner 1897, 148; Mitt. ZK 17 N. F., 1891, 118. 37 GC: 1891_03; CIL III 11309; Kenner 1897, 148 f. Fig. 101 a–c, Taf. VI 3; A. Neumann, Die Skulpturen des Stadtgebietes von Vindobona. CSIR Österreich I 1 (Wien 1967) Nr. 19; 25–26; Vindobona – die Römer im Wiener Raum. 52. Sonderausst. HMW (Wien 1978) 201 f. S63; S100–101; Inschrift des Silvanusaltars: Silvan(o)/ Marc[el]l/us (miles?) leg (ionis)/ X (ex) v(oto) de(dit). 38 Vgl. M. Kronberger/M. Mosser, Kulte in und um Vindobona. In: F. Humer/G. Kremer (Hrsg.), Götterbilder – Menschenbilder. Religion und Kulte in Carnuntum. Kat. Niederösterreichische Landesausst. 2011 (Wien 2011) 111 f. 39 W. Kubitschek, Vindobona. In: Xenia Austriaca. Festschr. der österreichischen Mittelschulen zur 42. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Wien 1 (Wien 1893) 43 Nr. 77. 40 Kenner 1897, 148.

213 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tätigkeitsberichte

M. Mosser/S. Jäger-Wersonig/K. Adler-Wölfl, Zur Peripherie der römischen Zivilsiedlung

Abb. 15: Rekonstruiertes Straßensystem der römischen Zivilstadt von Vindobona. (Plan: M. Mosser/S. Sakl-Oberthaler)

214 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Mosser/S. Jäger-Wersonig/K. Adler-Wölfl, Zur Peripherie der römischen Zivilsiedlung

Abb. 16: Ausschnitt aus dem Generalstadtplan von Wien aus dem Jahr 1904 mit dem Arsenal und dem südöstlich anschließenden Reingrubacker mit Schottergruben. (nach Hist. Atlas Wien, 5. Lfg. [Wien 1994] 5.3.5)

heutige Grasbergstraße führte (Abb. 16). 41 Die Nebenstraße vom östlichen Rand der Zivilstadt würde dabei auf dem Gelände des heutigen Arsenals auf eine offensichtlich sehr wichtige Straßenverbindung treffen, welche 1902 im Bereich Landstraßer Gürtel 27 aufgedeckt wurde. 42 Diese von Nordwesten nach Südosten verlaufende, aus „15 cm starke[m] Beton von größter Härte“ bestehende, 10 m breite Straße konnte auf 100 m Länge Richtung Schweizergarten und Arsenal, nur 0,40 m unter dem damaligen Straßenniveau, beobachtet werden. Nach diesen Angaben würde die Römerstraße von den Aspanggründen genau im rechten Winkel auf jene Straße stoßen, die wohl westlich der Zivilstadt – diese im Süden umfahrend – von der Limesstraße in Richtung des periurbanen Heiligtums am Arsenal abgezweigt ist. Die entsprechende Abzweigung lag vermutlich etwas östlich des heutigen Karlsplatzes. 43 Diese Verkehrsverbindung wird im Gegensatz zur Nebenstraße auf den Aspanggründen

Tätigkeitsberichte

41 Hist. Atlas Wien 5. Lfg. (Wien 1994) 5.3.5; alternativ könnte auch der Straßenzug südlich des Reingrubackers als Fundort gemeint sein. Dabei würde es sich um den Verlauf Gudrunstraße–Schlechtastraße mit der Fundstelle an der Kreuzung Schlechtastraße/ Gänsbachergasse handeln; vgl. dazu die Angaben im Fundstellenkataster des BDA Wien, Abt. für Bodendenkmale (Fst.: 9/00/01006/2). 42 GC: 1902_31; F. Kenner, Römische Funde aus Wien (1902). Mitt. ZK 3. F. 2. Bd., 1903, 46. 43 Die Straße liegt auch recht genau in der Verlängerung der Limesstraße in der Flucht der heutigen Herrengasse und Augustinerstraße bzw. dem römischen Straßenbefund im Bereich Künstlerhaus; M. Kronberger, Die Römer am Karlsplatz. Ein Gräberfeld entlang der Straße. In: E. Doppler/Ch. Rapp/S. Békési (Hrsg.), Am Puls der Stadt: 2000 Jahre Karlsplatz. 348. Sonderausst. Wien Museum (Wien 2008) 57–59 Abb. 2.

215 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tätigkeitsberichte

M. Mosser/S. Jäger-Wersonig/K. Adler-Wölfl, Zur Peripherie der römischen Zivilsiedlung

auch in der Spätantike genutzt worden sein, da die oben erwähnten spätrömischen Gräber nach den Angaben von Friedrich Kenner44 auf diese orientiert gewesen sein mussten. 45 Schwieriger ist es, den Endpunkt dieser Straße zu definieren, welche anscheinend annähernd parallel zur Limesstraße Richtung Südosten verlief. Möglich wäre ein Kreuzungspunkt mit der Limesstraße im Bereich des Alenkastells Ala Nova (Schwechat) oder eine Verbindung ins Liesingtal Richtung Unterlaa. Falls sich die Straße von den Aspanggründen über das vermutete Heiligtum beim Arsenal hinaus fortgesetzt hat, würde diese weiter über den Laaerberg verlaufend in etwa bei der nachgewiesenen römischen Straßenstation in Inzersdorf in Fernverkehrswege nach Süden (Sopron/Scarbantia, Baden/Aquae) münden. 46 Sohlgraben Schließlich soll ein letzter bedeutsamer römischer Befund auf Bauplatz 7/Bereich zukünftige Otto-Preminger-Straße nicht unerwähnt bleiben. Hier konnte ein an der Oberfläche 1,60 m breiter, ca. 1 m tiefer Sohlgraben (OK 23,68– 24,78 m, UK 23,37–23,75 m über Wr. Null) in SW-NORichtung auf einer Länge von 9 m nachgewiesen werden, ehe er durch die moderne Anschüttung an der abfallenden Böschung der Arsenalterrasse unterbrochen wurde (Abb. Abb. 17: Südwest-Nordost orientierter Sohlgraben am südlichen Rand des Grabungsareals, Bauplatz 7/Bereich Otto-Preminger-Straße. Blickrichtung Südwesten. (Foto: M. Mosser)

1 und 17). 47 In der Verlängerung dieses Grabens wurde bereits im Jahr 1999 im Bereich der heutigen Schnellbahntrasse ein weiteres Teilstück freigelegt. 48 Hier handel-

te es sich allerdings um einen Spitzgraben, der nur noch 0,60 m breit und 44 Kenner 1897, 148 f. 45 Zur Orientierung von Körpergräbern an Straßenzügen vgl. Kronberger (Anm. 7) 180 mit Anm. 1137. 46 A. Neumann, Die römische Siedlung in Wien-Inzersdorf am Wienerberg. In: Festschr. für Alphons A. Barb. WAB 35 (Eisenstadt 1966) 115–148; ders., Forschungen in Vindobona 1948 bis 1967. 2: Zivilstadt und Landbezirk. RLÖ 24 (Wien 1968) 86–100 Abb. 43–50 Taf. LIX–LXIV. 47 Der äußere Spitzgraben am Nordrand der römischen Zivilstadt hatte mit einer Breite von 1,50–2,40 m und einer Tiefe von 1,30– 1,60 m ähnliche Ausmaße, allerdings fehlten auf den Aspanggründen der mächtige innere Graben oder gar Reste einer Stadtmauer; vgl. Müller 2000, 85–87 Abb. 8 (GC: 1997_02, Eslarngasse 20); M. Müller,Wien 3, Klimschgasse 40. FWien 9, 2006, 292; 294–296 Abb. 1–2 (GC: 2005_06). 48 GC: 1998_17; E. H. Huber, 3 – Aspangbahnhof. FÖ 39, 2000, 693.

0,30 m tief erhalten war. In weiterer Folge konnten Gräben nach Osten auf 20 m Länge und danach nach Norden auf 15 m Länge dokumentiert werden. Letzterer muss dabei unmittelbar die Römerstraße an ihrer westlichen Seite begleitet haben. Dieses Grabensystem ist vielleicht in Verbindung mit jenem in Wien 3, Hohlweggasse 7, im Jahr 1902 gefundenen, 2 m breiten und 2 m tiefen (Spitz-)Graben, der als südliche Begrenzung der Zivilsiedlung interpretiert wird, zu sehen. 49 Ob dabei der Sohlgraben auf Bauplatz 7 – vielleicht weiter südlich nach Nordosten abzweigend50 – als Rest der östlichen Begrenzung der Zivilsiedlung anzusehen ist oder doch nur zur Ableitung von Abwässern diente, ist vorerst nicht zu entscheiden. 51 Jedenfalls konnte auf Bauplatz 8 kein entsprechender Graben mehr gefunden werden. Zusammenfassung Die Grabungen auf den Aspanggründen erbrachten eine Unzahl an neuen Aspekten zur Topographie der Zivilsiedlung von Vindobona. Einige Fragen sind dabei noch grundsätzlich zu diskutieren bzw. fehlen zum jetzigen Zeitpunkt noch detaillierte Untersuchungen zu den Funden sowie anthropologische

216 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Mosser/S. Jäger-Wersonig/K. Adler-Wölfl, Zur Peripherie der römischen Zivilsiedlung

Tätigkeitsberichte

und botanische Analysen, die in kommenden Beiträgen vorgestellt werden sol-

49 GC: 1902_41; vgl. Kenner (Anm. 42) 45; F. v. Kenner, Römische Funde in Wien 1908– 1910. JA 5, 1911, Beibl. 150; Müller 2000, 80 Tab. 1 Abb. 2 H und 17 H; parallel dazu fand sich eine zweite längliche Struktur, die allerdings wegen eines Skelettfundes von Kenner als Grab umgedeutet wurde; vgl. Müller 2000, 94 mit Anm. 95. 50 Allerdings weder in der Orientierung der Parzellen noch der Nebenstraße. 51 Für letzteres würde zumindest der 1999 aufgedeckte, 15 m lange, straßenbegleitende Graben sprechen. 52 CIL III 4647; F. Kenner, Ein neuer römischer Meilenstein in Wien. Mitt. ZK 13 N. F., 1887, XXXI; Kenner 1897, 97; Kubitschek (Anm. 39) 56 Nr. 34; A. Neumann, Inschriften aus Vindobona. JbVGW 17/18, 1961/1962, Nr. 59; E. Weber, Die römischen Meilensteine aus dem österreichischen Pannonien. ÖJh 49, 1968–1971, 132 Nr. 10 Abb. 11; dessen Fundort könnte mit einem an der Kreuzung Viehmarktgasse/Landstraßer Hauptstraße im Jahr 1898 aufgefundenen römischen Straßenstück in Zusammenhang gebracht werden; F. Kenner, Bericht über römische Funde in Wien in den Jahren 1896 bis 1900 (Wien 1900) 88 Fig. 91; GC: 1898_23. 53 Zu beachten ist, dass der Meilenstein unter Kaiser Valerian (256–258 n. Chr.) errichtet wurde, also zu einem Zeitpunkt, an dem aufgrund der Fundsituation zu diskutieren ist, ob die Zivilstadt überhaupt noch besiedelt war; dazu die auf Restaurierungsmaßnahmen hindeutende Inschrift: Imp(eratori) Caes(ari)/ P(ublio) Lic[i]nio Cornel(io)/ Valeriano nobil(i)ssim(o)/ C(a)es(ari) principi/ iuventutis v[i]a[s]/ et pontes vetusta(te)/ conlapsa(s) resti(tuit)/ a Vind(obona) m(ilia) p(assuum)/ II. Die 2-Meilen-Angabe würde sich von dieser Stelle aus auf den östlichen Rand der canabae legionis beziehen. 54 Vgl. dazu Gräberfeldgruppen und Handwerkerviertel außerhalb der Stadtmauer der Zivilstadt von Aquincum; P. Zsidi, Die Bebauung außerhalb der Stadtmauer. In: Forschungen in Aquincum 1969–2002. Festschr. Klára Póczy. Aquincum Nostrum II 2 (Budapest 2003) 157– 159.

len. Die Befunde zeigten, dass das untersuchte Gebiet den östlichen Ausläufern der Siedlung zuzurechnen ist. Östlich der römischen Schotterstraße dünnt die Befundlage so drastisch aus, dass hier mit Sicherheit kein Siedlungsareal mehr zu erwarten ist. Die Straße selbst und eventuell auch die sowohl 1999 als auch 2011 aufgefundenen Gräben dürften die äußerste östliche Begrenzung des römischen Siedlungsgebietes darstellen. Auch der bekannte, vor 1588 gefundene Meilenstein, der „in einem Weingarten zwischen der Donau und dem Krankenhause“ in St. Marx gefunden wurde (etwa im Bereich der heutigen Viehmarktgasse?),52 deutet darauf hin, dass der heutige Nordost-Südwest verlaufende Teil der Landstraßer Hauptstraße das Siedlungsareal der Zivilstadt begrenzte. 53 Die Aufdeckung des Grabbezirkes inmitten eines Gewerbegebietes scheint hingegen darauf hinzudeuten, dass die eigentliche östliche Stadtgrenze weiter westlich zu suchen ist und dass es sich bei den Handwerksbetrieben um Strukturen außerhalb des Siedlungsbereiches mit einer Abfolge von Werkstatt- und Friedhofsarealen handelt. 54 Jedenfalls ist eine vorhandene (sehr lockere) Bebauung in diesem Abschnitt nur unmittelbar an der Limesstraße selbst erschließbar, Richtung Arsenalterrasse fehlten dagegen eindeutige Siedlungsspuren.

Abgekürzt zitierte Literatur KENNER 1897 – F. Kenner, Die archäologischen Funde aus römischer Zeit. In: Geschichte der Stadt Wien 1 (Wien 1897) 42–159. KENNER 1909 – F. v. Kenner, Forschungen in Vindobona. JA 3, 1909 (1910) Beibl. 35–85. MÜLLER 2000 – M. Müller, Römische und neuzeitliche Funde aus Wien 3, Eslarngasse 20. Zur Befestigung der Zivilstadt von Vindobona. FWien 3, 2000, 76–102.

217 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tätigkeitsberichte

M. Kronberger/S. Radbauer, Siedlungschronologische Studien zu Vindobona

Siedlungschronologische Studien zu Vindobona. Die Terra-Sigillata-Funde aus dem Legionslager und der Lagervorstadt – Vorbericht zur Publikation Michaela Kronberger/Silvia Radbauer Einleitung Die Jahre um 1895 markieren den Beginn der modernen wissenschaftlichen Erforschung des antiken Wien (siehe Beitrag S. Sakl-Oberthaler, 4 ff.). 1 Damals gelang erstmals der endgültige Beweis, dass sich das römische Legionslager Vindobona und die es im Halbkreis umschließende Lagervorstadt im Bereich des heutigen Ersten Bezirkes befunden haben muss. Diese Jahre stehen aber auch am Beginn des großen städtebaulichen Umbruchs in Wien, der das Stadtbild fortan prägen sollte. Zahllose Baustellen brachten große Mengen an archäologischen Funden zutage, die von Josef Nowalski de Lilia, dem ersten Kustoden des späteren Museum Vindobonense, unermüdlich aufgesammelt 1 M. Kronberger, Die durchwühlte Schuttdecke. Die Erforschung des römischen Vindobona in Zeiten des städtebaulichen Umbruchs. In: W. Kos/Ch. Rapp (Hrsg.), Alt-Wien. Die Stadt, die niemals war. 316. Sonderausst. Wien Museum2 (Wien 2005) 86–92; 399–402. 2 Dieses erste Römermuseum wurde 1903 eröffnet. Nach einem Bombentreffer im Jahr 1945 kam die Sammlung in das Historische Museum der Stadt Wien, heute Wien Museum. Zu Nowalski de Lilia: U. Stipanits, Über 100 Jahre handschriftliche Fundmeldungen und ihre EDV-gestützte Erfassung. FWien 1, 1998, 67–72. 3 M. Schulz, Eine kurze Geschichte der Stadtarchäologie Wien. FWien 7, 2004, 4–12. 4 Zum Legionslager zuletzt: M. Mosser in: M. Mosser et al., Die römischen Kasernen im Legionslager Vindobona. Die Ausgrabungen am Judenplatz in Wien in den Jahren 1995– 1998. MSW 5/1 (Wien 2011) 13–16; Z. Mráv/ O. Harl, Die trajanische Bauinschrift der porta principalis dextra im Legionslager Vindobona – Zur Entstehung des Legionslagers Vindobona. FWien 11, 2008, 36–55. – Zur Lagervorstadt: M. Kronberger, Siedlungschronologische Forschungen zu den canabae legionis von Vindobona. Die Gräberfelder. MSW 1 (Wien 2005). Zu Einzelauswertungen ausgewählter Fundmaterialien bzw. Befunden vgl. diverse Artikel in FWien. 5 Kronberger (Anm. 4). 6 Für die Ermöglichung der Umsetzung des Projektes danken wir K. Fischer Ausserer, für Unterstützung und Diskussionsbereitschaft K. Adler-Wölfl und M. Mosser.

wurden. 2 Der Sammeltätigkeit des 19. und frühen 20. Jahrhunderts gemäß wurden nur bedeutende Funde in die Kollektion aufgenommen. Aus dem Gros der Artefakte wählte man besonders bei Keramik jeweils nur ein Belegstück einer Gefäßform zur Archivierung aus. Obwohl sich Nowalski und seine Nachfolger bemühten, die Fundumstände kurz zu notieren, war man lange weit von einer modernen Grabungsdokumentation entfernt. Dies änderte sich erst in den späten 1980er-Jahren, als zahlreiche Großgrabungen in der Wiener Innenstadt von der unter der Leitung von Ortolf Harl neu ins Leben gerufenen Stadtarchäologie Wien durchgeführt wurden. 3 In dieser Zeit begann auch die planmäßige Erforschung des Legionsstandortes Vindobona, der sich von trajanischer Zeit bis in die ersten Jahrzehnte des 5. Jahrhunderts nachweisen lässt, und seiner zugehörigen Siedlungszentren. 4 Während die Umrisse des Legionslagers selbst durch die ergrabenen Teilabschnitte der Lagermauern bekannt waren, gestaltete sich die Eingrenzung des Siedlungsraumes der zugehörigen canabae legionis weitaus schwieriger. Eine diesbezügliche Annäherung gelang schließlich durch die Kartierung der Gräberfelder und deren chronologische Auswertung. 5 Als Ergebnis ließ sich eine kontinuierliche Ausdehnung der canabae legionis feststellen, die mit der Anlage von Gräberfeldern an den Ausfallstraßen einherging. Ab der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts stellte sich ein Niedergang der zivilen Wohnareale ein, wobei sich die Bevölkerung allem Anschein nach in das sicher ummauerte Legionslager zurückgezogen hatte. Große Bereiche der vormaligen Lagervorstadt wichen Gräberfeldern. Herangehensweise und Zielsetzung Ziel des hier vorgestellten Publikationsvorhabens ist es, die Erforschung des antiken Wien um zwei Aspekte zu bereichern:6 Einerseits sollen die Studien zur Siedlungsentwicklung Vindobonas erweitert und andererseits soll die ge-

218 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Kronberger/S. Radbauer, Siedlungschronologische Studien zu Vindobona

samte Terra Sigillata aus den Legionslager- und canabae-Arealen zeitgemäß und umfassend vorgelegt werden. 7 Als Materialbasis dient das in Unmengen in den Depots der Stadt Wien erhaltene Fundmaterial, das einer topographischen Verortung zugeführt wird. 8 Hierbei stellen sich jedoch verschiedene Hindernisse in den Weg. Eingangs wurde schon die Sammelstrategie in den Anfängen der Wiener archäologischen Forschung angesprochen. Durch die starke Selektion der Funde, besonders bei der Materialgruppe der Gebrauchskeramik, ist die Datenbasis wenig repräsentativ. Viel besser scheint dazu die Terra Sigillata geeignet zu sein. 9 Hier wurden alle Rand- und Bodenstücke der glatten sowie die gesamte reliefverzierte Ware archiviert. Demzufolge ist auch ein ansehnlicher Bestand an Namenstempeln und Ritzungen vorhanden. Ein kleiner Wermutstropfen bleibt, da Terra Sigillata aus dem italischen Raum und aus Nordafrika nicht als solche erkannt und demzufolge ebenfalls aussortiert wurde. 10 Da vor allem Erstere aus den modernen Grabungen zahlreich belegt ist, wird uns diese starke Selektion schmerzlich vor Augen geführt. Der Verlust dieser Fundgattungen erschwert bei der Auswertung der ältesten Bergungen besonders die Ausweisung und Datierung von frühen und späten Fundhorizonten im Lager- und Lagervorstadtbereich. Eine weitere Hürde besteht im unterschiedlichen Zustand der Funddokumentationen und deren Auswertung. Die Bandbreite reicht von den Fundnotizen früherer Zeit mit schematischen Skizzen bis hin zu modernen Ausgrabungen, die mit der Unterstützung von CAD-Systemen zu minuziös aufgezeichneten Grabungsdokumentationen führten. Hier gilt es einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden, der eine möglichst große Vergleichbarkeit der materiellen Kultur verschiedenster Bergungen zulässt. Dies kann für dieses Forschungsvorhaben unter dem Strich nur die jeweilige Fundstelle sein, deren geborgenes Gut unabhängig von stratigraphischen Zusammenhängen betrachtet werden muss. Gut datierbare Fundkomplexe aus den verschiedenen Ausgrabungen werden dabei jeweils für bestimmte Fragestellungen herangezogen. Rückschlüsse, die sich aus Quantitäten von bestimmten Waren ergeben, müssen dabei mit großer Vorsicht gehandhabt werden. So muss zum Beispiel der zahlenmäßige Anstieg von Geschirr aus einer bestimmten Produktion in einem Fundareal nicht zwangsläufig auf einen Anstieg des Importes hindeuten, sondern kann genauso gut eine Folge von taphonomischen Prozessen wie etwa der großräumigen Planierung von älteren Siedlungsschichten in einem Areal sein. Die Terra Sigillata birgt aufgrund ihrer guten zeitlichen Einordnung und der exakten Bestimmung ihrer Provenienz die beste Ausgangsbasis für derartige Studien zur Siedlungsentwicklung und wirft interessante Schlaglichter auf Wirtschaftszusammenhänge und Handelsbeziehungen vom späten 1. bis ins 5. Jahrhundert n. Chr. 11 Als Ergänzung dazu sollen die Ergebnisse aus der monographischen Aufarbeitung weiterer Fundgattungen, wie der Münzen, Amphoren, Fibeln und Militaria, mit in die Auswertung einfließen. 12 Zusätzlich sollen anhand einer GIS-basierten, georeferenzierten Fundkartierung, aufbauend auf Forschungen der letzten Jahre, chronologisch differente Fundpunkte innerhalb der Siedlungsbereiche sichtbar gemacht werden. 13 Unterschiedliche Siedlungsabläufe im Legionslager und innerhalb der canabae legionis werden dabei

Tätigkeitsberichte

7 Die Vorlage der TS aus der römischen Zivilstadt und dem Umland Vindobonas sind Teil eines weiteren Forschungsvorhabens. Hier wird mit stratifizierten Ausgrabungen in der Schützengasse im 3. Bezirk begonnen. Für die Überlassung des Materials und produktive Zusammenarbeit ist S. Jäger-Wersonig zu danken. 8 Ein erster diesbezüglicher Versuch wurde 2000 auf Basis von I. Weber-Hiden, Die reliefverzierte Terrasigillata aus Vindobona. WAS 1 (Wien 1996) unternommen: erste Ergebnisse: M. Kronberger/M. Mosser, Vindobona – legionary fortress, canabae legionis and necropolis. In: P. Freeman et al. (ed.), Limes XVIII. Proceedings of the XVIIIth International Congress of Roman Frontier Studies held in Amman, Jordan (September 2000). BAR Internat. Ser. 1084 II (Oxford 2002) 573–584. 9 Das römische Tafelgeschirr wird unter dem neuzeitlichen Begriff Terra Sigillata zusammengefasst. Allgemein zu den TS-Manufakturen: C. Bémont/J.-P. Jacob (éd.), La Terre sigillée gallo-romaine. Lieux de production du Haut Empire: implantations, produits, relations. Doc. Arch. Française 6 (Paris 1986); P. Eschbaumer in: Th. Fischer (Hrsg.), Die römischen Provinzen. Eine Einführung in ihre Archäologie (Stuttgart 2001) 267–290; 378–384; zu den Donauprovinzen: D. Gabler, Anteil und Vertrieb der Sigillaten in Pannonien. RÖ 17/18, 1989/1990 (1991) 87–97; P. Eschbaumer/S. Radbauer, Ausgewählte Fundkomplexe aus dem Tempelbezirk der orientalischen Gottheiten in Carnuntum (Ausgrabungen Mühläcker). CarnuntumJb 2007, 9–25. 10 Die Reliefprodukte aus den italischen Manufakturen wurden in den Donauprovinzen kaum vertrieben: D. Gabler, Mittelitalische Terra sigillata in Pannonien? CarnuntumJb 2001, 9–25; ders., Zur frühen Terra Sigillata der Zivilsiedlung von Vindobona. In: Ausgewählte Funde vom Rennweg 44 in Wien. WAS 6 (Wien 2004) 101–161. Bei den nordafrikanischen Manufakturen gibt es keine Reliefproduktion – vgl. den Formenkatalog: J. W. Hayes, Late Roman Pottery (London 1972); ders., Supplement to Late Roman Pottery (London 1980). 11 Eschbaumer/Radbauer (Anm. 9) 21. 12 F. Dick, Wien. FMRÖ IX (Wien 1978); T. Bezeczky, Roman Amphorae from Vindobona. In: F. Krinzinger (Hrsg.), Vindobona. Beiträge zu ausgewählten Keramikgattungen in ihrem topographischen Kontext. AForsch 12 (Wien 2005) 35–108; S. Schmid, Die römischen Fibeln aus Wien. MSW 6 (Wien 2010); A. Maspoli, Die römischen Militaria aus Wien (Dipl. Univ. Wien, in Vorbereitung). 13 Kronberger/Mosser (Anm. 8) 573–584; Fundkartierungen in Krinzinger (Anm. 12); Kronberger (Anm. 4).

219 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tätigkeitsberichte

M. Kronberger/S. Radbauer, Siedlungschronologische Studien zu Vindobona

erarbeitet. Ziel der abschließenden Auswertung und Interpretation der Terra Sigillata und der Fundstellen ist eine umfassende Zusammenschau von wirtschaftsgeschichtlichen und chronologischen Abläufen im Zentrum von Vindobona. Zudem erhoffen wir uns, anhand der präzisen Provenienzbestimmung der Terra Sigillata, einen wertvollen Beitrag für die TS-Forschung beisteuern zu können. Anhand des Materials soll nämlich der Versuch unternommen werden, Unterschiede in der typologischen Feingliederung innerhalb der einzelnen Produktionsstätten herauszuarbeiten. Weiters kann so ein Katalog von Namenstempeln vorgelegt werden, der zuverlässig mit den Wirkungsstätten der einzelnen Töpfer in Verbindung gebracht werden kann. Materialbasis Für die Auswertung der TS-Funde aus dem Legionslager und der Lagervorstadt werden die Altbestände aus dem Wien Museum sowie die der neueren Großgrabungen im Bereich der heutigen Innenstadt, wie etwa auf der Freyung, 14 Die aktuellen Ausgrabungen Am Hof werden vorerst nicht miteinbezogen, da eine umfassende Publikation geplant ist. Die TS vom Michaelerplatz wird von P. Donat vorgelegt. Das Material fließt tabellarisch in die Auswertungen ein. 15 Weber-Hiden (Anm. 8); besprochen von P. Eschbaumer, Gnomon 71, 1999, 654– 656. Eine Revision dieser Publikation ist aufgrund neuer Methoden in der TS-Forschung, dem zahlenmäßigen Anstieg des Materials durch das Inventarisierungsprojekt des Wien Museums sowie der zeitgemäßen computergestützten Befund- und Fundkartierung der Wiener Ausgrabungen dringend angebracht. 16 Michaelerplatz: S. Sakl-Oberthaler/P. Donat et al., Die Ausgrabungen am Michaelerplatz – ein Bereich der canabae legionis von Vindobona. In: Freeman et al. (Anm. 8) 591– 604; P. Donat/S. Sakl-Oberthaler/H. Sedlmayer, Die Werkstätten der canabae legionis von Vindobona. Befunde und Funde der Grabungen Wien 1, Michaelerplatz (1990/1991) – Teil 1. FWien 6, 2003, 4–57; dies. et al., Die Wohnbereiche der canabae legionis von Vindobona. Befunde und Funde der Grabungen Wien 1, Michaelerplatz (1990/1991) – Teil 2. FWien 8, 2005, 24–90. – Judenplatz: W. Adler-Wölfl in: Mosser et al. (Anm. 4) 267–286. 17 M. Kronberger, Seit über 150 Jahren angewachsen – Inventarisierung und Verwahrung der archäologischen Sammlung des Wien Museums. In: Vindobona–Aquincum. Herausforderungen und Ergebnisse in der Stadtarchäologie. Aquincum Nostrum II 6 (Budapest 2010) 15–23.

am Michaeler- und Judenplatz, herangezogen. 14 Während Ingrid Weber-Hiden den Großteil der reliefverzierten Terra Sigillata aus den Altbeständen bereits vorgelegt hat,15 wurden die Stücke aus den oben genannten Bereichen aufgrund der großen Fundmenge und mangels ausreichender finanzieller Mittel noch nicht aufgearbeitet oder nur auszugsweise publiziert. 16 Ein groß angelegtes Inventarisierungsprojekt in der archäologischen Sammlung des Wien Museums zog ihre grundlegende Neuordnung nach sich. Somit konnte erstmals die gesamte Materialmenge digital erfasst und topographisch zugewiesen werden und steht nun jeglicher Art von Forschung zur Verfügung. 17 In der geplanten Publikation sollen erstmals alle TS-Funde, also die gesamte vorhandene Materialbasis inklusive der kleinsten Wandscherben, in die Auswertung miteinbezogen werden. Diese wurden in früheren Publikationen oft nicht berücksichtigt, da keine zuverlässige Bestimmung der Provenienz und somit auch keine zeitliche Einordnung möglich waren. Erst neue interdisziplinäre Methoden und genaue digitale mikrofotografische Dokumentationsverfahren machen dies möglich. Nach der bereits erfolgten Aufnahme der Funde ergab sich eine Gesamtzahl von nicht weniger als 9.200 TS-Fragmenten. Diese solide Materialbasis lässt auf interessante Forschungsergebnisse hoffen. Stückzahl 1.625 863 1.737 2.144 2.567 264

Ware Reliefware Reliefware glatte Ware reliefverzierte und glatte Ware reliefverzierte und glatte Ware reliefverzierte und glatte Ware

Bestand Altfunde bis 1986 Altfunde bis 1986 Altfunde bis 1986 Freyung (Platz, 1986 und Palais Harrach, 1992–1994) Michaelerplatz 1990/91

Publikation Weber-Hiden 1996 unpubliziert unpubliziert unpubliziert

Judenplatz 1995–1998

teilweise publiziert

teilweise publiziert

9.200 (gesamt)

Tab. 1: Quantitative Aufstellung der bereits aufgenommenen Terra Sigillata aus Vindobona.

220 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Kronberger/S. Radbauer, Siedlungschronologische Studien zu Vindobona

Tätigkeitsberichte

Methodik Die vollständige Materialerfassung wird mit neuen methodischen Ansätzen eines speziellen Aufnahme- und Auswertungsverfahrens erzielt, wobei die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Mineralogen einen wichtigen Platz einnimmt. Neue Forschungsansätze bedingen einen methodischen Wechsel in der Dokumentation und Auswertung der Terra Sigillata. Dies kommt besonders bei der Darstellung von reliefverzierten Gefäßen und der typologischen Erfassung der einzelnen Gefäßformen und Dekorationsserien zum Tragen. Vor allem aber die Dokumentation der Scherbenbeschaffenheit und damit die Möglichkeiten einer exakten Provenienzbestimmung liefern ganz neue Möglichkeiten. Provenienzbestimmung mittels Scherbenklassifizierung Die Zuordnung der Scherben zu einer Manufaktur erfolgt bei dieser Methode mittels eines standardisierten Beschreibungs- und Klassifikationsverfahrens unter Abgleich mit einer bestehenden Referenzsammlung für die in den Donauraum liefernden TS-Manufakturen von La Graufesenque, Banassac, Lezoux, Heiligenberg, Ittenweiler, Rheinzabern, Waiblingen, Schwabegg, Westerndorf und Pfaffenhofen. 18 Die „frische Bruchfläche“ der zu bestimmenden Scherben wird unter Zuhilfenahme eines Binokulars bei einer 40-fachen Vergrößerung mit diesen gesicherten Referenzstücken (dt. „Scherbentyp“ und engl. „fabric“) abgeglichen und den entsprechenden Manufakturen zugewiesen. Die Einteilung der Merkmale erfolgt am „frischen Bruch“, wobei als wesentliche Unterscheidungskriterien die Eigenschaften der Matrix, Porosität, Sortierung und Magerung, dienen. Allgemeine makroskopische Kriterien wie Farbe und Härte der Scherben werden aufgrund der variierenden Bodenlagerungsverhältnisse nicht miteinbezogen. Die fassbaren Eigenschaften der Scherbenzusammensetzung werden anhand von vorgegebenen, standardisierten Vergleichs- und Schaubildern beschrieben und durch eine fotografische Dokumentation ergänzt. 19 Diese besteht aus Farbaufnahmen des Scherbens im Bruch, die unter dem Binokular bei acht- bis vierzigfacher Vergrößerung erstellt werden. Die Methode wurde am Wiener Material bereits angewandt und erbrachte eine eindeutige und nachvollziehbare Manufakturzuweisung von allen 9.200 TS-Gefäßbruchstücken. Darstellungsweise der Reliefs und Namenstempel mittels Foto und Abformung Die Digitalfotografie ist unzweifelhaft die schnellste und kostengünstigste Methode Massen an TS-Bruchstücken zu dokumentieren – wie sie in der Regel aus den Wiener Fundstellen vorliegen. Sie eignet sich dazu, kleinteilige Reliefscherben sowie einzelne Namenstempel abzulichten, um diese für eine exakte Bestimmung heranzuziehen. Sie erweist sich jedoch als ungeeignet für größere Fragmente, da ihre Wölbung auf zweidimensionalen Fotografien als Verzerrung wahrgenommen wird und somit einen maßstabsgetreuen Vergleich nicht zulässt. In diesem Fall werden ein Abformverfahren mit Latex und die fotografische Wiedergabe der Ergebnisse gewählt. 20 Dabei treten nur minimale Verzerrungen auf, die vernachlässigt werden können. 21 Die fotografische Fund-

18 Allgemein zur Methodik vgl. D. P. S. Peacock, Ceramics in Roman and Medieval Archaeology. In: D. P. S. Peacock (ed.), Pottery and Early Commerce. Characterization and Trade in Roman and Later Ceramics (London 1977) 21–34; C. Orton/P. Tyers/A. Vince, Pottery in Archaeology. Cambridge Manuals in Archaeology (Cambridge 1993) 67–75; 133–151. Speziell zur TS: P. Donat/S. Radbauer, Klassifikation von Scherbentypen an Terra Sigillata. FWien 2, 1999, 208–209; V. Gassner/S. Radbauer, Produktionszuweisung bei Terra Sigillata durch Scherbenklassifizierung. Xantener Ber. 13 (Mainz am Rhein 2003) 43–75; Eschbaumer/Radbauer (Anm. 9). 19 Die Vergleichsschaubilder sind in Gassner/Radbauer (Anm. 18) 51 Abb. 5 zusammengestellt. 20 Zur Anwendung vgl. die Publikationen von W. Ludowici, Katalog I–V. Rheinzabern (Jockgrim 1904–1927). 21 Zur Diskussion der Vor- und Nachteile dieser Methode: H. Ricken/Ch. Fischer, Die Bildschüsseln der römischen Töpfer von Rheinzabern. Textband mit Typenbildern zu Katalog VI. Mat. Röm.-Germ. Keramik 7 (Bonn 1963) 5 f.

221 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tätigkeitsberichte

M. Kronberger/S. Radbauer, Siedlungschronologische Studien zu Vindobona

Abb. 1: Oberitalischer Teller mit Barbotineverzierung aus der Lagervorstadt: Wien 1, Freyung (Platz), GC: 1987_02, Inv.-Nr. MV 100.717/4.

Abb. 2: Rheinzaberner Reliefschüssel des Ianuarius II aus der Lagervorstadt: Wien 1, Spiegelgasse 15/Seilergasse 16, GC: 1911_09, Inv.-Nr. MV 16.782.

dokumentation ist besonders bei zeitbegrenzten Massenaufnahmen von Terra Sigillata interessant, da das zeitintensive und fehlerbehaftete Zeichnen wegfällt. 22 Als einziger Nachteil ist anzumerken, dass Fotos im Gegensatz zu Gipsausformungen bei einer schlecht erhaltenen Oberfläche mit abgesprungenem Überzug kein zusammenhängendes, aber dafür originalgetreues Bild des Scherbens wiedergeben. Die etwa 3.100 reliefverzierten und 361 gestempelten Sigillaten aus den bearbeiteten Fundstellen konnten so bereits schnell, kostengünstig und möglichst realitätsnah dokumentiert werden. Zusätzlich zum 22 Zu verschiedenen Methoden der zeichnerischen Darstellung von TS: Y. Rigoir/L. Rivet, De la représentation graphique des sigillées. SFECAG Suppl. 1 (Marseille 1994). 23 Dazu vgl. die gebräuchlichen Typologien von H. Dragendorff, Terra Sigillata. Ein Beitrag zur Geschichte der griechischen und römischen Keramik. Bonner Jahrb. 96/97, 1895, 18–155 Taf. I–III; F. Oelmann, Die Keramik des Kastells Niederbieber. Mat. Röm.-Germ. Keramik 1 (Frankfurt am Main 1914); F. Oswald/T. D. Pryce, An Introduction to the Study of Terra Sigillata (London 1920; 19662) und W. Ludowici, Katalog V – Stempel-Namen und Bilder römischer Töpfer, Legions-Ziegel-Stempel, Formen von Sigillata- und anderen Gefäßen aus meinen Ausgrabungen in Rheinzabern 1901–1914 (Jockgrim 1927) 277–300. 24 Zur italischen Sigillata vgl. E. Ettlinger et al., Conspectus formarum terrae sigillatae italico modo confectae. Mat. Röm.-Germ. Keramik 10 (Bonn 1990) und zur afrikanischen Sigillata vgl. Hayes (Anm. 10). 25 Eine derartige Überarbeitung kann nur anhand einer großen Materialbasis aus den entsprechenden Manufakturen durchgeführt werden. Das kleinteilige Wiener Fundmaterial ist für die einzelnen Manufakturen nicht repräsentativ.

klassischen Fotodruck werden mehrschichtig sortierte digitale Verzeichnisse der Reliefware und Namenstempel nach Fundstellen und Manufakturen angelegt. Typologische Erfassung der Gefäßformen, Namenstempel und Dekorationsserien Die typologische Einordnung der TS-Gefäße richtet sich nach den bestehenden Typologien von Hans Dragendorff mit einer genaueren Typenunterteilung nach Wilhelm Ludowici für die Töpfereien des späten 2. und 3. Jahrhunderts n. Chr. Dabei muss aber bedacht werden, dass die hier verwendeten Formenansprachen veraltet sind und unter einem Formtyp, wie etwa den Tellern Drag. 31 oder Drag. 32, ein breites Spektrum an verschiedenen Rand- und Bodenformen in unterschiedlichen Proportionsverhältnissen zusammenfassen. 23 Neuere Typologien wie etwa das Standardwerk „Conspectus“ für die italische Sigillata und die Typologie von John W. Hayes für die nordafrikanische Ware bieten bereits präzisere Formenansprachen. 24 All diesen Typologien ist aber gemeinsam, dass allein anhand der formspezifischen Merkmale keine expliziten werkstattspezifischen und chronologischen Zuweisungen möglich sind. Dies macht grundsätzlich eine Überarbeitung der bisherigen Typologien und chronologischen Einteilungen dringend nötig, wobei in diesem Zusammenhang ausschließlich nach Produktionsstätten vorzugehen ist. 25 Auch hier bietet die zuvor beschriebene Provenienzbestimmung ungeahnte Möglichkeiten. Gerade bei

222 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

M. Kronberger/S. Radbauer, Siedlungschronologische Studien zu Vindobona

Tätigkeitsberichte

Abb. 3: Mikrofotografische Dokumentation des Scherbenbruchs unter dem Binokular: im Vergleich Rheinzabern (a), Westerndorf (b) und Pfaffenhofen (c).

gleichen Formen, besonders bei glatter Ware, lassen sich nämlich markante Unterschiede zwischen den einzelnen Produktionszentren feststellen. Die Dekorationseinteilungen der reliefverzierten Produkte aus Vindobona folgen den gebräuchlichen Bestimmungsbüchern zu den einzelnen Manufakturen, deren Bearbeitungsstand und Zuverlässigkeit aber immens variieren. Im Großen und Ganzen sind in diesen Publikationen die gleichen Fehlerquellen zu beobachten. 26 Sie beinhalten nicht richtig zugeordnete Bildstempel, die mit den Zeichnungen nicht exakt zu identifizieren sind. Außerdem weisen etliche Gefäße keine oder falsch interpretierte Modelsignaturen auf. 27 Auch die Kataloge der Namenstempel erweisen sich oft als nicht präzise genug, da sie eine meist interpretierte zeichnerische Wiedergabe abbilden sowie oftmals vage oder falsche Manufakturzuweisungen bieten. Bei künftigen Katalogvorlagen von Bildstempeln und Dekoranordnungen wird man ausschließlich nach einzelnen Modelherstellern sowie bei den Namenstempeln nach primären Funden aus den einzelnen Manufakturen vorgehen müssen. Einen kleinen Beitrag dazu liefert die reliefverzierte und gestempelte Terra Sigillata aus Vindobona, da Neuzuweisungen von Bildstempeln und Dekorationsserien (z. B. seltene Modelsignaturen auf südgallischen Gefäßen) sowie für den Donauraum neue Namenstempel vorliegen. Terra Sigillata als Datierungsmittel Zahlreiche TS-Manufakturen belieferten das römische Reich vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis zum 5. Jahrhundert n. Chr. flächendeckend mit ihren Produkten, weshalb diese im archäologischen Fundgut jeder römerzeitlichen Ausgrabung ein allgegenwärtiges Phänomen sind. 28 Bei der Auswertung römischer Fundstellen zählt Terra Sigillata deshalb neben den Münzen zu den „best dateable remains“ der römischen Epoche, so auch in den ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. eroberten Nordwestprovinzen des römischen Reiches. 29 Im Laufe der Zeit gelang es der Forschung, ein relativ gutes Zeitgerüst für die Gefäßgattung mit ihren charakteristischen Formen, Dekorationen und Signaturen zu erarbeiten. Deshalb ist die Terra Sigillata ein wichtiges chronologisches Indiz für die Einordung von Siedlungsabläufen und Konsumverhalten im kleinräumigen Kontext, wie er etwa durch die Schichtabfolge einer einzelnen Ausgrabung vorgegeben wird. Darüber hinaus lassen sich anhand dieser Fundgruppe großräumigere Auswertungen vornehmen, wie zum Wachstum von Siedlungen oder ihrer Reduktion, aber auch überregionale Handelsbeziehungen ableiten. 30

26 Dazu vgl. Eschbaumer/Radbauer (Anm. 9) 14–17. 27 R. Knorr, Terra Sigillata Gefäße des ersten Jahrhunderts mit Töpfernamen (Stuttgart 1952) brachte fälschlich die Töpferstempel der Ausformer mit dem Stil der Dekorationen in Verbindung. Vgl. I. Huld-Zetsche, Rezension zu: Modelsignierte Dekorationen auf südgallischer Terra sigillata. Germania 75/2, 1997, 792–797 sowie A. W. Mees, Modelsignierte Dekorationen auf südgallischer Terra Sigillata. Fundber. Baden-Württemberg 54 (Stuttgart 1995). 28 Eine zusammenfassende Einführung in die TS der Nordwestprovinzen gaben zuletzt Bémont/Jacob (Anm. 9); P. Webster, Roman Samian Ware. Background Notes (Cardiff 1987); Eschbaumer (Anm. 9) mit weiterführender Literatur. 29 Zu den Datierungsmöglichkeiten der südgallischen TS vgl. die Arbeiten von Mees (Anm. 27) und v. a. R. Polak, South Gaulish Terra Sigillata with Potters’ Stamps from Vechten. RCRF Acta Suppl. 9 (Nijmegen 2000) sowie zur TS des späten 2. und 3. Jh. I. Huld-Zetsche, Zur Verwertbarkeit von Reliefsigillaten des 2. und 3. Jahrhunderts. In: J. Bird (ed.), Form and Fabric. Studies in Rome’s Material Past in Honour of B. R. Hartley (Oxford 1998) 147 f.; zu den Donauprovinzen Eschbaumer/Radbauer (Anm. 9). 30 Die Datierungsproblematik bei der Auswertung von Fundkontexten besprechen K. Kortüm, Zur Datierung der römischen Militäranlagen im obergermanisch-raetischen Limesgebiet. Chronologische Untersuchungen anhand der Münzfunde. Saalburg-Jahrb. 49, 1998, 5–65; zusammenfassend: A. W. Mees, Organisationsformen römischer Töpfer-Manufakturen am Beispiel von Arezzo und Rheinzabern. Monogr. RGZM 52,1 (Mainz 2002).

223 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tätigkeitsberichte

M. Kronberger/S. Radbauer, Siedlungschronologische Studien zu Vindobona

Fundkartierung mittels georeferenzierter Karten Für jegliche Art von topographischen Forschungen bietet Wien die besten Voraussetzungen. 31 Einerseits begann die Stadtarchäologie Wien schon in den 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts alle Fundnotizen aus dem Wiener Stadtgebiet digital aufzuarbeiten; das heißt: Datenbanken wurden angelegt, alte Fundnotizen transkribiert und diese Informationen in den digitalen Karten der Stadt Wien verortet. Seit dieser Zeit besteht eine außergewöhnlich gute Zusammenarbeit mit der Magistratsabteilung 41 (Stadtvermessung), die digitales, georeferenziertes Kartenmaterial für Forschungszwecke zur Verfügung stellt. 32 Wurden bis etwa 2003 Kartierungen mit CAD-Software durchgeführt, steht nun ein komplexes GIS-System zur Verfügung, das zudem über einen online abrufbaren Kulturgüterkataster (www.wien.gv.at/kultur/kulturgut/) in das Web-Portal des Magistrats der Stadt Wien eingebunden ist. Somit können aktuelle archäologische Daten auch von der Öffentlichkeit genutzt werden. Diese Infrastruktur stellt die bestmögliche Ausgangssituation für weitere Kartierungen und daraus folgende quantitative sowie topographische Auswertungen der hier bearbeiteten Fundgruppe dar. Bereits bestehende Daten können aber auch um wichtige Informationen ergänzt werden. Zudem bietet die bereits erfolgte Erstellung eines digitalen Geländemodells der Kernzone des antiken Vindobona gute Voraussetzungen, um die durch die Kartierung entstehenden Fundverteilungscluster auch kulturhistorisch-siedlungstopographisch einordnen zu können. 33 Ausblick Die Aufarbeitung und die folgende Publikation der TS-Funde aus dem Bereich des Legionslagers Vindobona und seiner Lagervorstadt als Monografie kann mengenmäßig als umfangreichste Fundvorlage an einem römischen Legionsstandort am nördlichen Limes bezeichnet werden. Beim derzeitigen Projektstand sind die Aufnahme- und Dokumentationsarbeiten der 9.200 Fundstücke in den diversen Depots des Wien Museum fast zur Gänze abgeschlossen. Nächste Arbeitsschritte, wie die Kartierung und die Manuskripterstellung, folgen 2012 und 2013. Wir erhoffen uns, dass das hier vorgestellte Publikationsprojekt mit seinen Forschungsergebnissen gleichermaßen weiterreichende Auswirkungen auf die wissenschaftliche Erforschung Wiens wie auf die der Wirtschaftsgeschichte des mittleren und unteren Donauraums haben wird. Obwohl bereits zuvor ein31 L. Liebert/M. Mosser, Zum archäologischen Informationsservice der Stadtarchäologie Wien. FWien 8, 2005, 4–15; S. Sakl-Oberthaler, Von der Ausgrabung ins Internet. Grabungsdokumentation und Auswertung – das System der Stadtarchäologie Wien. In: Vindobona–Aquincum (Anm. 17) 37–44. 32 Unser herzlicher Dank gilt hier vor allem A. Zöchling und L. Dorffner. 33 R. Gietl/M. Kronberger/M. Mosser, Rekonstruktion des antiken Geländes in der Wiener Innenstadt. FWien 7, 2004, 32–53.

zelne Materialgruppen aus Wien monographisch vorgelegt wurden, bietet die vollständige Präsentation einer derart großen Menge an TS-Funden ganz andere Möglichkeiten der Auswertung. Ausgehend von der exakten Provenienzbestimmung und ihrer guten chronologischen Einordnung lassen sich die Wiener Ergebnisse in Bezug auf Siedlungsentwicklung und Importverhalten großräumig vergleichen. Durch die monographische Vorlage der TS-Funde, die ganz neue Wege geht, möchten wir auch für andere vergleichbare Arbeiten brauchbare Anregung bieten. Wir hoffen dadurch einen Beitrag für die internationale Forschung zu leisten.

224 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

225 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tätigkeitsberichte

W. Börner/S. Uhlirz, „Tag der Stadtarchäologie“ 2010 im Wiener Rathaus

„Tag der Stadtarchäologie“ 2010 im Wiener Rathaus Wolfgang Börner/Susanne Uhlirz Unter dem Motto „STADTArchäologie in Wien – Vom Gestern ins Heute“ veranstaltete die Stadtarchäologie Wien gemeinsam mit vielen ihrer Kooperationspartner am 18. November 2010 im Festsaal des Wiener Rathauses den „Tag der Stadtarchäologie“. 1 Ziel der Veranstaltung war es, die Aufgaben und Arbeiten der Stadtarchäologie sowie ihre Kooperationen und Netzwerke einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Vier Fragestellungen sollten anhand von interaktiven Stationen und Postern die Arbeitsweise der Stadtarchäologie erklären: •

Was sind die Arbeitsgebiete der Stadtarchäologie?



Wie kommt die Stadtarchäologie zu ihren Ergebnissen?



Wer unterstützt die Stadtarchäologie dabei?



Wofür verwendet die Stadtarchäologie die Ergebnisse?

Ausgehend von den sechs Hauptaufgabengebieten Prospektion – Ausgrabung – Restaurierung – Dokumentation – Auswertung – Vermittlung sollte den Besuchern ein Eindruck vom vielfältigen Betätigungsfeld der Stadtarchäologie und von der interdisziplinären Arbeitsweise vermittelt werden. Im Zentrum des Festsaals des Wiener Rathauses bildete der Stand der Stadtarchäologie den Kern der Präsentationen: Die bereits erwähnten Aufgabengebiete wurden durch interaktive Stationen „begreifbar“ aufbereitet. Ringsum standen Stellwände mit Postern, die Texte, Pläne und Dokumentationsfotos enthielten und den genannten Aufgabengebieten gewidmet waren. Auf der Außenseite der Stellwände wurden mit (Grabungs-)Projekten Bezüge sowohl zu den Arbeitsgebieten als auch zu den damit verbundenen Kooperationspartnern aufgenommen. Die jeweiligen Partner präsentierten sich und ihre Arbeit rund um den Stand der Stadtarchäologie auf der gesamten Fläche des Festsaales. Komplettiert wurde das Informationsangebot durch Vorträge im Nordbuffet. Um den Austausch mit den Besuchern zu pflegen, waren zahlreiche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Stadtarchäologie als Ansprechpartner vor Ort; ein Angebot, welches vor allem von Schülern im Rahmen der „Rätselrallye“, die die Beantwortung von detaillierten Fragen zur Arbeit der Stadtarchäologie und ihrer Partner erforderte, intensiv genutzt wurde. Für alle Besucher bot sich an diesem Tag die einmalige Gelegenheit, relativ rasch bei Spezialisten unterschiedlichster Fachrichtungen Detailinformationen zu einem bestimmten Thema einzuholen. Etwa 2000 Interessierte suchten das Gespräch, um sich bei dieser Gelegenheit über die Geschichte ihrer unmittelbaren Wohngegend zu informieren oder Genaueres über den Alltag des Archäologen auf einer Baustelle zu erfahren. 1 Konzepterstellung und Ideen: K. Fischer Ausserer (Leitung), W. Börner (Organisation), I. Gaisbauer (Vermittlung), Ch. Ranseder (Gestaltung, Layout), S. Uhlirz (Technik); Fotos: W. Chmelar und S. Czeika.

Aufgabengebiete Die Prospektion versucht mit verschiedenen Verfahren und aus unterschiedlichen Quellen Vorabinformationen zum Gelände eines projektierten Bauvorha-

226 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

W. Börner/S. Uhlirz, „Tag der Stadtarchäologie“ 2010 im Wiener Rathaus

Tätigkeitsberichte

bens bzw. einer potenziellen Untersuchungsfläche zu gewinnen. Im dicht verbauten Stadtgebiet fährt die Stadtarchäologie mit dem Grabungsbus relevante Baustellen an, sie sichtet frühere Grabungsergebnisse, schriftliche Zeugnisse und historisches Kartenmaterial und sammelt abteilungsübergreifend Informationen, zum Beispiel über Aufgrabungen der Wasserwerke (MA 31) oder Baubeginnsanzeigen. In Kooperation mit der Stadtvermessung (MA 41) werden Luftbilder ausgewertet oder im Projekt „Römersteine“ antike Steinbrüche mit Hilfe der Airborne-Laserscan-Technik gesucht und gefunden. Die interaktive Station zeigte, dass durch gute Recherche oftmals im Vorhinein das zu Erwartende benannt werden kann, die Archäologen und Archäologinnen aber nicht immer fündig werden.

Abb. 1: Eröffnung durch Stadtschulratspräsidentin Mag. Dr. Susanne Brandsteidl, die Seniorenbeauftragte der Stadt Wien Dr. Angelika Rosenberger-Spitzy sowie die Leiterin der Stadtarchäologie Mag. Karin Fischer Ausserer.

Die meisten Ausgrabungen im städtischen Bereich sind sogenannte Rettungsgrabungen, welche durch Bauarbeiten (wie Kanalbau, Tiefgaragen etc.) veranlasst werden. Unter hohem Zeitdruck und oftmals beengten Verhältnissen werden mit Bagger, Schaufeln und Krampen, manchmal aber auch mit Kelle und Pinsel unbewegliche Objekte (= Befunde) wie Mauern, Fußböden, Gruben, Gräben sowie durch die Abfolge von Besiedlung entstandene Schichten und bewegliche Objekte (= Funde) wie Keramik, Glas, Metall usw. freigelegt, geborgen, anschließend restauriert und wissenschaftlich untersucht. Das Bundesdenkmalamt, Abteilung Bodendenkmale liefert mit dem Denkmalschutzgesetz die juristische Grundlage, die Stadtvermessung (MA 41) ermöglicht mit hochgenauen Bezugspunkten die vermessungstechnische Arbeit der Stadtarchäologen. Eine besondere Kooperation mit den Wiener Linien GmbH & CO KG lässt die Stadtarchäologie seit Beginn des U-Bahn-Baus in Wien im Jahr 1969 auch auf deren Baustellen aktiv werden, zuletzt bei der Verlängerung der U2-Nord auf dem Flugfeld Aspern, wo Soldatengräber aus der Zeit der Schlacht von Aspern 1809 gefunden wurden. Im Rahmen der Restaurierung helfen verschiedenste Techniken und Hilfsmittel, ein Fundstück (Keramik, Glas, Metall etc.) dauerhaft zu erhalten. Dazu gehören vielfältige Arbeiten wie zum Beispiel das Reinigen, Härten, Zusammensetzen und auch Ergänzen. Eine besonders häufige Fundgattung ist Keramik, da sie zum einen nicht recycelt werden konnte und zum anderen in den meisten Fällen selbst nach jahrhundertelanger Lagerung im Boden noch in relativ gutem Zustand ist. Sie bildet den Schwerpunkt der Arbeit in der Restaurierwerkstätte der Stadtarchäologie. Andere Fundgattungen wie Metall oder Glas, welche schon bei der Bergung mit besonderer Vorsicht zu behandeln sind, können nicht in unserer Werkstätte restauriert werden, sondern werden mit speziellen Methoden von externen Bodenfundekonservatoren gereinigt, restauriert und konserviert. Da eine Grabung meist mit der Zerstörung von Befunden einhergeht, ist eine vollständige und ausführliche Dokumentation unerlässlich: Fotodokumentation,

227 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tätigkeitsberichte

W. Börner/S. Uhlirz, „Tag der Stadtarchäologie“ 2010 im Wiener Rathaus

Handzeichnung, digitale Planaufnahme und verbale Beschreibung helfen bei der Auswertung und bewahren alle wichtigen Informationen für die Nachwelt. Dass das maßstäbliche Zeichnen von Hand gar nicht so einfach ist, zeigte sich an der interaktiven Station. Heutzutage wird die Dokumentation auf der Grabung großteils digital durchgeführt. Die Stadtarchäologie arbeitet hierbei eng mit der Firma Kubit GmbH zusammen, die spezielle Software für die Vermessung und Archäologie erstellt. Aber auch das Wien Museum stellt mit Fundakten und -protokollen wertvolle Originale für die wissenschaftliche Auswertung zur Verfügung. Für das Projekt „Befestigung Wiens“ war das Österreichische Staatsarchiv/Kriegsarchiv ein wertvoller Kooperationspartner, der mit der militärhistorischen Dokumentation viele Informationen für das Verständnis der Entstehung und Veränderung der Befestigungsanlagen einbrachte. Bei der Auswertung von Befunden wird versucht, die ursprüngliche Situation (Verbauung, Geländesituation etc.) zu verstehen und wieder sichtbar zu machen. Bohrprofile der Magistratsabteilung Brückenbau und Grundbau (MA 29) gaben im Projekt „Das römische Legionslager und seine Topografie“ Aufschluss über Aufschüttungen und Alluvialbereiche antiker Flussläufe, eine optische, möglichst naturnahe Visualisierung des Geländemodells wurde von der Firma 7reasons Medien GmbH vorgenommen. Mit Hilfe der Archäobotanik (Kooperationspartner VIAS) konnten Angaben über römische und frühneuzeitliche Nutzpflanzen aus Pflanzenresten der Grabung Am Hof gewonnen werden. Die Experten für Dendrochronologie der Universität für Bodenkultur, Institut für Holzforschung konnten das genaue Fälldatum eines Baumes eruieren, der für eine Abfallgrube im westlichen Teilbereich der Neutorbastion verwendet worden war. Im Idealfall steht am Ende des Prozesses eine umfassende Rekonstruktion der historischen Vorgänge im von der Ausgrabung erfassten Bereich, und zwar durch die Jahrhunderte bis in die Gegenwart. Wissensvermittlung findet in der Stadtarchäologie Wien auf vielfältige Art und Weise statt und soll alle Bevölkerungsgruppen, ob jung oder alt, historisch Interessierte oder Fachkollegen, erreichen. Das beinhaltet einerseits Kooperationen mit Schulen (tragbare Museen: „Römerkoffer“ und „Mobiles Mittelalter“), Vorträge, Stadtführungen („Juniorarchäologie“, „Initiative Seniorarchäologie“) und reicht andererseits bis zu Ausstellungen und der Publikation aktueller Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit wie auch allgemeiner Themen. In einer Leselounge lagen die Publikationen der Stadtarchäologie – Fundort Wien. Berichte zur Archäologie/Monografien der Stadtarchäologie Wien/Wien Archäologisch – zum Nachlesen auf. Wichtiger Kooperationspartner in der Vermittlung ist die VHS-Meidling: Sie stellt uns seit langem sowohl einen Raum für die Restaurierwerkstätte zur Verfügung als auch einen Gang für wechselnde Posterausstellungen, aber auch Vortragsräumlichkeiten werden hier von uns genutzt. Tagungen und Workshops dienen zum Gedankenaustausch mit Fachkollegen. Im Internet ist die Stadtarchäologie Wien unter anderem mit dem Webportal „Wien Kulturgut“ (www.wien.kulturgut.at) präsent, welches sie in Kooperation mit den Magistratsabteilungen Kultur (MA 7), Wiener Stadt- und Landesarchiv

228 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

W. Börner/S. Uhlirz, „Tag der Stadtarchäologie“ 2010 im Wiener Rathaus

Tätigkeitsberichte

(MA 8) sowie Architektur und Stadtgestaltung (MA 19) betreibt und welches von der Abteilung Automationsunterstützte Datenverarbeitung, Informationsund Kommunikationstechnologie (MA 14) technisch betreut wird. Zwischen den Stellwänden der einzelnen Themenblöcke befanden sich interaktive Stationen, die zum eigenhändigen Freilegen von Fundstücken oder dem Zeichnen eines Grabungsbefundes einluden. Anhand von nebeneinander ausgestellten Keramikgefäßen konnte ein formaler Vergleich von Produkten unterschiedlicher Datierung angestellt werden. Besonderer Beliebtheit beim jungen Publikum erfreuten sich die ausgestellten Tierreste, da die Frage nach der Zugehörigkeit eines einzelnen Knochens zu Huhn, Schwein, Pferd etc. zu beantworten war. Vorträge aus unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen rundeten das Programm ab. Der thematische Bogen spannte sich von Informations- und Kommunikationstechnologie über eine interaktive Reise durch die Gewässer Wiens oder einen Abriss stadtarchäologischer Forschung anhand ausgewählter Fundstellen bis hin zu Themen wie „Gegessen und verdaut – was uns Latrinen erzählen“ oder „Dendrochronologie – Der Kalender im Baum“. Für Erfrischung sorgte die Wasserbar der Wiener Wasserwerke. Der „Tag der Stadtarchäologie“ kann als erfolgreich bezeichnet werden: Über 2000 Besucherinnen und Besucher nutzten diese einmalige Möglichkeit, um Antworten auf Fragen zu bekommen, die sie schon immer interessiert hatten. Kooperationspartner/Aussteller ARCHBAU – Archäologische Ausgrabungen, Prospektion & Baudokumentation Bundesdenkmalamt – Abteilung für Bodendenkmale: Grabungsgenehmigung Geologische Bundesanstalt – Fachabteilung für Rohstoffgeologie: Projekt Römersteine kubit GmbH – Software für Vermessung MA 8 – Wiener Stadt- und Landesarchiv: Quellenrecherche, Webportal „Wien Kulturgut“ MA 9 – Wienbibliothek im Rathaus: Literaturrecherche MA 14 – Automationsunterstützte Datenverarbeitung, Informations- und Kommunikationstechnologie: Webportal „Wien Kulturgut“ MA 19 – Architektur und Stadtgestaltung: Webportal „Wien Kulturgut“ MA 29 – Brückenbau und Grundbau: Bohrprofile des Baugrundkatasters MA 31 – Wasserwerke: Information über Bauvorhaben, Webportal „Wien Kulturgut“ MA 41 – Stadtvermessung: Setzen von Messpunkten, Verortung archäologischer Daten, digitale Modellierung des antiken Geländes, Airborne-Laser-Scanning, Webportal „Wien Kulturgut“ MA 45 – Wiener Gewässer MA 49 – Forstamt und Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien: Webportal „Wien Kulturgut“ Österreichisches Staatsarchiv/Kriegsarchiv: Projekt Stadtbefestigung (militärhistorische Dokumentation) Plustek Technology GmbH – Scannertechnologie Universität für Bodenkultur – Institut für Holzforschung: dendrochronologische Altersbestimmung VHS-Meidling: Restaurierwerkstätte, „Seniorarchäologie“, Posterausstellungen VIAS (Vienna Institute for Archaeological Science) – Archäobotanik: Auswertung von Pflanzenresten WGM – Wiener Gewässer Management Gesellschaft mbH Wiener Linien GmbH & CO KG: U-Bahn-Archäologie Wien Museum: Fundtagebücher, -protokolle und -akten des Großraumes Wien von ca. 1895 bis 1974 7reasons Medien GmbH – Multimedia: dreidimensionale Rekonstruktionen

229 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tätigkeitsberichte

W. Börner/S. Uhlirz, „Tag der Stadtarchäologie“ 2010 im Wiener Rathaus

Taf. 1: „Rush hour“ – Rätselrallye. Zu jeder vollen Stunde fand auf der Bühne des Festsaales die Preisvergabe der Rätselrallye statt.

230 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

W. Börner/S. Uhlirz, „Tag der Stadtarchäologie“ 2010 im Wiener Rathaus

Tätigkeitsberichte

Taf. 2: Schüler entdecken die interaktiven Stationen und treten unter Anleitung den Praxistest an.

231 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tätigkeitsberichte

W. Börner/S. Uhlirz, „Tag der Stadtarchäologie“ 2010 im Wiener Rathaus

Taf. 3: Volles Programm: Lesen und Zuhören – zwischendurch eine Erfrischung.

232 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

233 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Fundchronik

Übersichtskarte

234 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Übersichtskarte

Fundchronik

235 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Fundchronik

Wien 1 und 3

Wien 1, Augustinerstraße 3–5 – St. Augustin Ein bisher kaum bekannter römischer Altar in der Loretogruft des Augustinerklosters konnte dank freundlichen Entgegenkommens der Pfarre von einer Gruppe Wissenschaftler am 28. Jänner 2010 näher untersucht werden. 1 Der Altar wurde vermessen und fotografiert, seine Inschrift bestimmt und im Fundamentbereich der Aufstellungszusammenhang archäologisch abgeklärt. Es handelt sich um eine Ara aus Marmor, die oben mit rosettenverzierten Pulvini und einem flachen Dreiecksgiebel mit Palmettenmuster abschließt. Laut Inschrift auf der Vorderseite weihte ihn der Unteroffizier (optio) Pomponius Respectus dem Jupiter, als Faustinus und Rufinus Konsuln waren, also im Jahr 210 n. Chr. Es spricht viel dafür, dass man bei der Anlage der Gruft vermutlich in der Abb. 1: Fundpunkt 1 (GC: 2009_04). Wien 1, Augustinerstraße 3–5, Augustinerkloster/Loretogruft.

ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts den Inschriftstein entdeckte, seinen kulturhistorischen Wert erkannte und ihn trotz des paganen Zusammenhangs vor dem westlichen Mittelpfeiler aufstellte. Vielleicht lässt sich auch eine direkt über dem Altar in den Pfeiler geritzte Jahresangabe „1638“ mit diesem Ereignis verbinden. Römische Schichten existieren in der Gruft keine mehr, doch dürfte der Stein von hier oder aus der unmittelbaren Umgebung stammen, vielleicht aus einem Heiligtum entlang des antiken Wegenetzes, das hier plausibel rekonstruiert werden kann. Damit ist die Weihung als wichtiges Zeugnis für die südliche Ausdehnung der canabae legionis zu werten, über ihren weiteren Verbleib

1 Ausführlich publiziert bei M. Mosser/Th. Pantzer, Ein römischer Altar im Wiener Augustinerkloster. FWien 13, 2010, 104–112.

in spätrömischer Zeit, als dieses Areal wahrscheinlich zu einem u. a. beim Augustinerturm (GC: 2000_11) nachgewiesenen Gräberfeld gehörte, lässt sich nichts sagen.

(M. M.)

Wien 3, Aspanggründe Anlässlich des Bauprojekts „Eurogate“ wurden im 3. Wiener Gemeindebezirk in Fortsetzung vorangegangener Grabungen1 auf den Bauplätzen zwischen Rennweg 94–102, Landstraßer Hauptstraße 150–152, Ziakplatz und Aspangstraße 59–65 (Bauplätze 4, 5, 7, 8 und Bauplatz Ziakplatz) vom 6. April 2010 bis zum 11. März 2011 Ausgrabungen (GC: 2010_02) durchgeführt. Der südlich des Bauplatzes 6 gelegene Teil von Bauplatz 7 erbrachte dabei keine archäologischen Ergebnisse. Auf dem übrigen Areal wurden neben römerzeitlichen Siedlungs- und Grabbefunden vom Randbereich der Zivilstadt (siehe ausführlich Beitrag M. Mosser/S. Jäger-Wersonig/K. Adler-Wölfl, 202 ff.), ein awarenzeitliches Grab sowie weitere Überreste des Wiener Neustädter Kanals und des 1977 aufgelassenen Aspangbahnhofes aufgedeckt (Abb. 1). 1 GC: 2009_05; 2009_06; 2009_09 = Bauplätze 1–3 und 6 im Westen; Literatur siehe Beitrag M. Mosser/S. Jäger-Wersonig/K. Adler-Wölfl, 202 Anm. 2. 2 Vgl. den Plan von Leander Anguissola und Johann Jacob Marinoni, siehe Beitrag I. Mader, 150 Abb. 3 und www.wien.gv.at/kul tur/kulturgut/karten/marinoni/marinoni3.html (25.7. 2011).

Auf der gesamten Grabungsfläche konnte über den römischen und frühmittelalterlichen Strukturen eine bis zu 1 m dicke, dunkelbraune humose Vegetationsschicht festgestellt werden. Ihre Entstehung dürfte mit dem jahrhundertelangen Brachliegen des Geländes und eventuell mit der spätestens ab dem 18. Jahrhundert anzunehmenden landwirtschaftlichen Nutzung (Ackerflächen) zu erklären sein. 2 Baustrukturen hingegen fehlten länger als ein Jahrtausend auf dem gesamten Areal.

236 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Wien 3

Fundchronik

Abb. 1: Fundpunkt 2 (GC: 2010_02). Wien 3, Aspanggründe, Überblicksplan zu den neuzeitlichen Befunden. (Plan: M. Mosser/S. Jäger-Wersonig)

Das awarenzeitliche Grab auf Bauplatz 8 Auf Bauplatz 8, der sich in etwa südlich der Häuser Rennweg 94–102 befand, konnte südlich der Grubenanlagen der römischen Werkstattzone eine 162,50 m große sowie 1,30 m tiefe Grabgrube festgestellt werden (OK 20,05 m, UK 18,76 m über Wr. Null; siehe Beitrag M. Mosser/S. Jäger-Wersonig/K. Adler-Wölfl, 203 Abb. 1). Die Grube war Nordwest-Südost orientiert und enthielt ab etwa 0,80 m Tiefe im Bereich der Südost-Hälfte dislozierte Menschenknochen sowie Tierknochen und einen handgeformten awarenzeitlichen Topf (Abb. 2). Da die humose Vegetationsschicht über der Grabgrubenverfüllung nicht gestört war, ist anzunehmen, dass das Grab bereits im Frühmittelalter beraubt und das Skelett auf die Seite geräumt wurde. Abgesehen von dem Topf waren auch sonst keinerlei Beigaben mehr zu finden. Dieses Grab passt gut zu den bereits in den Jahren 1998 bis 2000 gefundenen Bestattungen (ein ebenfalls beraubtes Reitergrab sowie eine Frauenbestattung), die der früh- bis mittelawarischen Periode (7./8. Jh. n. Chr.) zugeordnet wurden. 3 Das 2011 aufgedeckte Grab lag über 50 m nordöstlich der Frauenbestattung und über 70 m vom Reitergrab entfernt.

3 GC: 1998_17; E. H. Huber, Wien 3 – Aspangbahnhof. FÖ 39, 2000, 693; dies., Die awarischen Gräber vom Aspangbahnhof im 3. Wiener Gemeindebezirk. FWien 3, 2000, 12; 15; die Beraubung könnte zeitgleich mit derjenigen des Reitergrabes geschehen sein, die offenbar kurz nach der Beisetzung erfolgte, ebd. 5 f.

237 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Fundchronik

Wien 3

Abb. 2: Beraubtes awarenzeitliches Grab mit Skelettresten und handgeformtem Topf. (Foto: M. Mosser)

Abb. 3: Westprofil in der Nordwest-Ecke von Bauplatz 4 mit grauer Schlickerschicht des Wiener Neustädter Kanals, links Reste der Holzabdeckung und nachfolgender Betonkanal. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Der Wiener Neustädter Kanal Das Hafenbecken und das nach Osten anschließende Bett des in den Jahren 1797 bis 1803 zwischen Wien und Wiener Neustadt errichteten und hauptsächlich für den Gütertransport gedachten Schifffahrtskanals waren bereits in den Vorjahren auf den westlichen Bauplätzen angeschnitten und teilweise ausgegraben worden. 4 Auch bei der letzten Kampagne konnten zugehörige bauliche Strukturen dokumentiert werden. Im nördlichen Bereich von Bauplatz 4 wurde (parallel zur heutigen Aspangstraße) eine bis zu 20 cm dicke, mit Ziegelbruch versetzte, grünlich graue Schli4 Ausführlich M. Müller, Vom Wiener Neustädter Kanal zum Aspangbahnhof. Ausgrabungen in Wien 3, Aspanggründe. FWien 13, 2010, 146–156. 5 Siehe Anm. 1 und 4. 6 Ein Umleitungsgerinne sowie eine Aboder Weiterleitung konnten nur auf den Bauplätzen 1–3 und 6 dokumentiert werden. Müller (Anm. 4) 149 Abb. 2; 150 f. Abb. 4. 7 E. Schlöss, Vom Hafenbecken des Wiener Neustädter Schifffahrtskanals zum Bahnhof Wien-Mitte. WGBl 58/2, 2003, 135. 8 F. Lange, Von Wien zur Adria. Der Wiener Neustädter Kanal. Die Reihe Archivbilder (Erfurt 2003) 32. 9 Siehe de.wikipedia.org/wiki/Wiener_ Neustädter_Kanal (26.7. 2011). 10 Die Aufgabe des Wiener Neustädter Kanals erfolgte in Etappen, eine davon war 1879 im Zusammenhang mit dem Bau des Aspangbahnhofs, als das Stück zwischen der heutigen Adolf-Blamauer-Gasse und ca. der Lissagasse aufgelassen wurde. 11 Auf Bauplatz 1, im Bereich der Aspangstraße 39–41, bestand ein älteres, um 1880 angelegtes Teilstück des Werkskanals allerdings aus einem Rohr, einem Ziegelgewölbe und Seitenwänden aus Hau- und Bruchsteinen: Müller (Anm. 4) 149 Abb. 2; 154 Abb. 8.

ckerschicht vorgefunden (UK ca. 19 m über Wr. Null). Sie war vom Ausgangsniveau ca. 1,20 m tief in den abgegrabenen anstehenden Löss gesetzt worden und stark mit unterschiedlichen Muscheln durchsetzt, was darauf schließen lässt, dass sie über einen längeren Zeitraum unter Wasser stand. Dass es sich hierbei nur um das mit wasserundurchlässigem Material ausgekleidete Hauptgerinne des Wiener Neustädter Kanals handeln kann, war aufgrund der historischen Quellen und der bereits 2009 bis 2010 durchgeführten Grabungen klar. 5 Das Hauptgerinne des Kanals konnte diesmal über eine Distanz von 60 m verfolgt werden. 6 Von seiner ursprünglichen Sohlenbreite von 5,70 m7 konnten hier aber nur mehr 5 m dokumentiert werden, da die nördliche Seite bereits im Bereich der Aspangstraße liegt (Abb. 3). Der Kanalboden enthielt zahlreiches Fundmaterial aus dem 19. Jahrhundert, das wohl aus verschiedensten Gründen (Abfall, zerbrochene Schiffsladungen?) in das Kanalbett gelangt ist. Entlang des südlichen Kanalufers wurden auf den Bauplätzen 4 und Ziakplatz ein bis drei Pfostenreihen festgestellt, die, wie Abbildungen aus dem 19. Jahrhundert zeigen,8 für Holzabdeckungen vorgesehen waren. Holz, und zwar vorwiegend Scheiterholz aus der Gegend von Rax und Schneeberg, war das wichtigste Transportgut auf dem Wiener Neustädter Kanal. 9 Der offene Kanal wurde in diesem Bereich 1907 wegen der Verlängerung der Landstraßer Hauptstraße aufgegeben,10 aufgefüllt und durch einen unterirdischen, mit Betonwänden ausgekleideten Werkskanal ersetzt. 11 Dieser

238 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Wien 3

Fundchronik

3,20 m breite und 2 m hohe Betonkanal verlief in diesem Areal unmittelbar südlich des einstigen Wiener Neustädter Kanals und konnte auf Bauplatz 4 über eine Länge von 80 m dokumentiert werden. Nach einer Unterbrechung von ca. 60 m, im Bereich des Bauplatzes Ziakplatz, war er jedoch nach wie vor über eine Länge von 130 m unter der bei den Ausgrabungen auf Bauplatz 8 nicht entfernten Böschung am Nordrand des Grabungsgeländes vorhanden. Ein Zugang zum Kanal hatte hinter der Parzelle Rennweg 102, in der Nordost-Ecke des Grabungsgeländes, nach wie vor Bestand. Auf Bauplatz 8 hinterließ der offene Kanal, der ursprünglich auf dem Gelände der 1907 errichteten Häuser Rennweg 94–102 verlief, nur sekundär Spuren. Seine oben angesprochene Auskleidung aus grünlich grauem Schlick wurde, wie es scheint, nach dessen Auflassung als Planierma-

Abb. 4: Bauplatz Ziakplatz – Blick in den Kellerraum des k. k. Holz-Verschleiß-Amts, nach Osten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

terial (?) für das ehemalige Bahnhofsareal verwendet und demnach oberhalb der dunkelbraunen Vegetationsschicht angetroffen. In dieser Planierung fand sich auch eine Münze aus dem Jahr 1861. In der nördlichen Hälfte des Grabungsplatzes Ziakplatz lag das nur mehr in seinen Fundamenten erhaltene k. k. Holz-Verschleiß-Amt, in dem das über den Wiener Neustädter Kanal transportierte Holz bis zum Bau des Aspangbahnhofs 1879 verkauft wurde. 12 Aus den Resten (OK 21,33–20,60 m über Wr. Null) ließ sich ein Gebäude mit mindestens sieben Räumen und einem Korridor im Erdgeschoß rekonstruieren. Die Breite der Außenmauern schwankte zwischen 0,60 und 1 m. Sie bestanden aus Bruchsteinen, deren Zwischenräume mit Ziegeln (Ziegelmaße: 29,561466 cm) ausgefüllt waren. Die Breite der inneren Mauern schwankte zwischen 0,45 und 0,60 m. Lediglich die nordwestliche Hälfte des Gebäudes war unterkellert und maß 5,50610,33 m (Abb. 4). In der Nordwand ließen sich noch die Reste von drei Fensternischen und der Ansatz des die Decke bildenden Gewölbes erkennen. Der Boden (OK 19,18– 18,90 m über Wr. Null) bestand aus Löss. Von den untersten mit Mörtel verbundenen Ziegellagen der Trennwände des Kellers waren stellenweise noch zwei Lagen (Ziegelmaße: 3061366 cm, Ziegelzeichen: AM) erhalten. Diese ließen erkennen, dass der Keller in vier Abteile untergliedert war. Der Boden war bedeckt mit einer mehrere Zentimeter dicken Kohlenstaubschicht, so dass wir annehmen dürfen, dass er als Kohlenlager gedient hat. Die Wände des Kellers waren unverputzt, aber das Mischmauerwerk war in diesem Bereich mit einer Ziegelverblendung versehen. Die südliche Außenmauer des Gebäudes wurde im Osten von einem aus Ziegeln gemauerten Abwasserkanal (OK des Kanalbodens: 21,27–20,88 m über Wr. Null) durchbrochen, der in ein außerhalb des Gebäudes befindliches, mindestens 3 m tiefes Sickerbecken (Ziegelmaße: 3061466 cm; erh. OK 21,47 m über Wr. Null, UK 18,49 m über Wr. Null) entwässert hatte. Der Kanal besaß ein Gefälle von 5%. Dies ist ein Wert, der etwas höher ist als die heute

12 Plan der Haupt- u. Residenz Stadt Wien mit der neuen Bezirkseintheilung, Strassenbenennung und Häuser-Nummerirung, verfasst im k. k. Staatsministerium vom k. k. Baurathe Ludwig Zettl 1866. Eingetragen ein Projekt zur Schaffung eines 10. Gemeindebezirks, mit handgezeichnetem Ergänzungsblatt, 1871. WStLA, Kartographische Sammlung 500 G.

239 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Fundchronik

Wien 3

übliche Norm von 2%. Die letzte Lage der erhaltenen Ziegel des Sickerbeckens ließ noch erkennen, dass es mit einem Gewölbe überdeckt war. Südwestlich des Gebäudes lag ein mehrere Meter tiefer Brunnen, welcher aus Ziegeln ohne Mörtelbindung bestand. Der Ziegelring (Ziegelmaße: 13,5/ 1466,5 cm; Ziegelzeichen: AM und G; erh. OK 21,5 m über Wr. Null), der aus halbierten Ziegeln gesetzt worden war, hatte eine lichte Weite von ca. 1 m. Die vier den Brunnen umgebenden Pfostenlöcher waren die Reste von Pfosten, die wahrscheinlich für die Hebevorrichtung des Brunnens vorgesehen waren. Die annähernd quadratische Baugrube des Brunnens ließ sich bis zum Ende der ergrabenen Tiefe (19,77 m über Wr. Null) erkennen. Die Gebäude des Aspangbahnhofs Von 1879 bis 1881 wurde auf dem Gelände des zu diesem Zeitpunkt aufgelassenen zweiten Wiener Hafens des Wiener Neustädter Kanals der Endbahnhof der „k. k. priv. Eisenbahn Wien–Aspang“ („EWA“) angelegt und am 7. August 1881 eröffnet. 13 Zu ihm gehörten ca. 8 km Gleise, 45 Weichen, ein Aufnahmegebäude – das Bahnhofsgebäude für den Personenverkehr wurde bereits 2009/2010 auf Bauplatz 1 ausgegraben14 –, mehrere Magazine und eine siebengleisige Heizhausanlage (Lokremisen/-schuppen, in denen Dampfloks angeheizt wurden, daher die Bezeichnung Heizhaus). 15 Unmittelbar nördlich des Heizhauses befanden sich eine kleine Drehscheibe (sie diente zum Wenden von Loks und Wagen), ein Wasserturm samt Brunnenstube (Depot für den enormen Wasserbedarf der Dampfloks) und ein Brunnen. 16 Nördlich des Ausziehgleises und der beiden Streckengleise befand sich die Wagenwerkstätte. Später entstanden noch eine größere Drehscheibe, das östliche Stellwerk sowie eine Gleisbrückenwaage. Das Heizhaus wurde mit dem Wasserturm und der Drehscheibe noch in den 1950er-Jahren abgerissen. 17 Zu den archäologischen Befunden auf dem Bahnhofsgelände (Abb. 1) 13 Müller (Anm. 4) 148 f.; F. Czeike, Historisches Lexikon Wien 12 (Wien 2004) 174 f. s. v. Aspangbahnhof; de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/105780 (26.7. 2011); A. Horn (Hrsg.), Das ÖBB Handbuch (Wien 1995) 25. 14 Müller (Anm. 4) 148 f. 154 f. Abb. 2; 9. 15 Zum Bahnhofsgelände siehe den Generalstadtplan von 1904 und den Generalstadtplan von 1912: www.wien.gv.at/kulturportal/ public/ (25.7. 2011). 16 E. Sassmann, Auf der Spur des EWAHeizhauses. Modellbahnwelt 2, 2011, 74. 17 Sassmann (Anm. 16) 74 f. 18 Vgl. dieses Gebäude mit dem GebäudeGrundriss auf dem Artaria-Plan von 1913: P. Slezak/F. Slezak/J. O. Slezak, Kanal – Nostalgie – Aspangbahn. Ergänzungsband zum Buch „Vom Schiffskanal zur Eisenbahn“. Internat. Archiv Lokomotivgesch. 40 (Wien 1990) 26. 19 Horn (Anm. 13) 65.

Südlich der Häuser Rennweg 94–96 wurden die noch ca. 1,75 m hoch erhaltenen, in Ziegelbauweise (mit Stempel: CL) errichteten Fundamente (OK 22,15 m, UK 20,40 m über Wr. Null) eines langrechteckigen, 9,50658 m großen Gebäudes aufgedeckt. In diesem Gebäude befand sich zunächst die zweigleisige Wagenwerkstätte18 und später die Bahnmeisterei der Strecke der Abzweigung Wien Aspangbahnhof–Wolfsthal19. Für die Umfunktionierung des Gebäudes, das nun für verschiedene, auch administrative Tätigkeiten vorgesehen war, musste dieses den neuen Anforderungen entsprechend adaptiert werden. Im archäologischen Befund zeigte sich das durch die Errichtung von Zwischenwänden und dem Auftragen von Estrichen. Die Bahnmeisterei beherbergte bis 2001 Büros, Lagerräume,Werkstätten sowie kleine Schuppen für Draisinen samt Flach- und Niederbordwagen. Circa 25 m weiter östlich der Bahnmeisterei konnte das sechseckige Stellwerk identifiziert werden, dessen Grundmauern ebenfalls in Ziegelbauweise errichtet waren (Ziegel mit Stempel: CAG, CL, EN, HD; Ziegelmaße: 3061467 cm). Die Mauern waren noch fünf Ziegellagen hoch erhalten (OK 21,80 m, UK 21,30 m über Wr. Null).

240 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Wien 3

Fundchronik

Abb. 5: Bauplatz 8 – große Lokomotivendrehscheibe mit Steinboden, dem Fundament des Königstuhls, Schienenbefestigungen sowie Teilen der aufgehenden Grubenwand, nach Nordosten. (Foto: G. Weinlinger)

Südlich der Streckengleise befand sich die 1881 gebaute kleine Drehscheibe, die nur fragmentarisch, maximal 0,85 m hoch erhalten war. 20 Sie hatte einen Durchmesser von 6,80 m und war aus zum Teil großen Bruchsteinen (bis 0,5060,40 m) erbaut (OK 21 m, UK 20,15 m über Wr. Null). Sie war nur bis spätestens 1895 in Verwendung, ihre Bühne wurde vermutlich in diesem Jahr ausgehoben und die Seitenteile wurden großteils abgetragen. Als Ersatz wurde wenige Meter östlich davon eine wesentlich größere Drehscheibe (Dm max. 15,90 m) errichtet. 21 Von dieser konnten noch das Steinfundament (UK 19,65 m über Wr. Null), der Steinboden (große Bruchsteine bis 0,50 m), das Fundament des Königstuhls, einige Schienenbefestigungen sowie bis zu elf Lagen der aufgehenden Grubenwand in Ziegelbauweise (OK 22,18 m, Ziegelmaße: 30614,568 cm; 2961367,5 cm) dokumentiert werden (Abb. 5). Östlich der großen Drehscheibe und des Gleisabschlusses befand sich der 1881 errichtete,22 achteckige Wasserturm (6,5066,30 m) mit einer integrierten 4,07 m tiefen, aus Ziegeln gemauerten Brunnenstube (Außen-Dm: 2,50 m). Diese wurde ursprünglich über einen mit Ziegeln eingewölbten Kanal (Stempel: CAG, HD), der vom Werkskanal in Nord-Süd-Richtung abzweigte, mit Wasser gespeist. Er war 23,60 m lang und 1,25 m breit (OK 20–20,35 m, UK 19 m über Wr. Null). Der Abfluss erfolgte über einen aus Beton errichteten Kanal hin zu einem weiteren, über eine Länge von insgesamt ca. 47 m festgestellten, 1,45 m hohen und 1,40 m breiten Ziegelkanal (Stempel: CAG, EN; Ziegelmaße: 29,5– 31614,5–15,566–7 cm) mit einem 0,40 m hohen Bruchsteinfundament (OK 19,45–21,10 m, UK 17,90–19,35 m über Wr. Null), der um die jüngere Drehscheibe im Osten herum, wieder Richtung Norden, zurück zum eingedeckten Werkskanal geführt wurde. Fundament und Sockel des Wasserturms, die bei den Grabungen aufgedeckt wurden (erh. OK 21,70 m über Wr. Null, gesichtet bis in eine Tiefe von 18,45 m über Wr. Null), bestanden aus Mischmauerwerk, hauptsächlich aus großen Bruchsteinen (bis 0,62 m), vollständigen

20 Zur Lage der Gleise siehe die beiden Generalstadtpläne von 1904 und 1912 (Anm. 15). 21 Sassmann (Anm. 16) 75. 22 Sassmann (Anm. 16) 72–75.

241 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Fundchronik

Wien 3

(30615 cm) und fragmentierten Ziegeln. Das nicht mehr vorgefundene ebenerdige Mauerwerk setzte sich nur aus Ziegeln zusammen und das Obergeschoß, wo sich einst der Hochbehälter befand, war in Fachwerkbauweise errichtet. Diese für die Eisenbahn Wien–Aspang typische Bauform ist im Bahnhof Pitten als einziges Beispiel bis heute erhalten geblieben. 23 Wegen des erhöhten Wasserbedarfs schlug man als Ergänzung bereits 1881 einen östlich des Wasserturms gelegenen Brunnen (Außen-Dm 3,60 m, T 23 m). 24 Dessen Mauerwerk bestand nur aus Ziegeln (Maße: 30614,56 7,5 cm) und er versorgte ab 1930, nachdem der Werkskanal trockengelegt worden war, alleine die Dampflokomotiven sowie den Dampftriebwagen der Eisenbahn Wien–Aspang mit Speisewasser. Im Südwesten des Bauplatzes 5 lagen die Reste einer Gleisbrückenwaage (OK 22,17–22,19 m), einer Ecke des Fundaments des Waagengebäudes und Teile der technischen Einrichtung. Im Nordteil des Bauplatzes Ziakplatz zeigten sich mehrere bauliche Strukturen: Die Jüngste war ein aus drei rechteckigen Mauergevierten (erh. OK 21,03– 21,05 m über Wr. Null) bestehender Kalkbecken-Komplex. Die Mauern bestanden aus einzeilig gelegten Ziegeln, die mit einem sehr harten Gussmörtel verbunden waren. Die Innenwände und der Boden waren mit Mörtel dicht verputzt. Das östlichste der drei Becken war noch zur Hälfte mit Kalk gefüllt. Weiters wurden auf Bauplatz 8 die massiven, 1961 errichteten Betonfundamente der Oberleitungsmasten freigelegt (Grundfläche: 2,5062,50 m), die das Gewicht der Querträger sowie jenes der Oberleitungen samt Tragseilen aufzunehmen hatten. Der elektrische Betrieb wurde am 17.1. 1962 auf der Wiener Schnellbahnstammstrecke sowie auf der Strecke Aspangbahnhof– Zentralfriedhof–Klein Schwechat–Groß Schwechat aufgenommen. 25 Durch die Eröffnung der neuen Schnellbahnhaltestelle Rennweg, am 23.5. 1971, wurde die Personenabfertigung am Aspangbahnhof mit selbem Datum eingestellt 23 Sassmann (Anm. 16) 73. 24 Sassmann (Anm. 16) 74 f. 25 F. Haas, Die Wiener Schnellbahn. Stammstrecke Floridsdorf-Meidling. Auf Schienen unterwegs (Erfurt 2007) 49–64. 26 Haas (Anm. 25) 91. 27 Müller (Anm. 4) 149. 28 A. Rauter, Ausbau der S 7 zum Flughafen schreitet voran. Schienenverkehr aktuell 8, 2001, 3. 29 Zu den Ziegelproduzenten siehe Ch. Blesl et al., Zeitschienen II. Der Südbahnhof in Wien. FÖMat A, Sonderh. 13 (Wien 2010) 73; G. Zsutty, Die Ziegelöfen von Guntramsdorf (Guntramsdorf 1999) 5–44. Für zahlreiche Hinweise sei Gerhard Zsutty an dieser Stelle herzlich gedankt.

und die dienstlichen Agenden vom Bahnhof Wien Nord übernommen. 26 Das Aufnahmsgebäude wurde 1977 endgültig geschleift. 27 Der Güterverkehr wurde allerdings bis zum Abtragen der noch bestehenden Gebäude (Bahnmeisterei, Lagerhallen) im Jahr 2001 weitergeführt. 28 Zeichen CAG CL EN HD

AM

Produzent k. k. priv. Steinkohlen- und Canalbau Gesellschaft, Guntramsdorf Carl Lesk, Leopoldsdorf Engelbert Nell, Leopoldsdorf Heinrich Drasche LB (Laaerberg) G (Guntramsdorf) Alois Miesbach G (Guntramsdorf)

Datierung 1797–1818 1867–1890

1838–1869 1857–1871 1847–1857

Tab. 1: Ziegelzeichen der neuzeitlichen Bauten auf den Aspanggründen. 29

(W. Ch./S. J.-W./M. M.)

242 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Wien 3

Fundchronik

Wien 3, vor Landstraßer Gürtel 8 Am 7. September 2010 wurde die Stadtarchäologie Wien über einen Skelettfund informiert, der im Zuge von Bauarbeiten (Wien 3, Niveaufreimachung am Landstraßer Gürtel/Auffahrt Südost-Tangente) erfolgte (Abb. 1). Das Skelett war bei Eintreffen der Mitarbeiter der Stadtarchäologie nur noch zum Teil in Originallage vorhanden (linke Körperhälfte mit Wirbelsäule und Schädel). Einzelne Knochen, ein Wehrmachtshelm, Patronen, ein Feldtelefon sowie ein Kochgeschirr waren von den bereits vor Ort befindlichen Personen beiseitegelegt worden. Das Skelett selbst wurde an der Basis der nördlichen Böschung der Straßentrassierung, in etwa gegenüber von Haus Nr. 8 am Landstraßer Gürtel, innerhalb einer mit grauem Lehm verfüllten Grube (L 1,95 m, erh. B 0,50 m) in Bauchlage aufgefunden. Oberhalb des Rückens fanden sich zahlreiche Kartonreste von Schachteln, die

Abb. 1: Fundpunkt 3 (GC: 2010_10). Wien 3, vor Landstraßer Gürtel 8.

mit Unmengen an Munition gefüllt waren (nach Auskunft des vor Ort befindlichen Entminungsdienstes des Innenministeriums bis zu 30 kg). Auch weitere Teile des Feldtelefons waren oberhalb des Skeletts situiert. Nach Entfernen der Munition konnte die Lage des Skeletts untersucht werden. Der noch vorhandene linke Arm war in unnatürlicher Position (Fraktur?), der Brustbereich zeigte ebenfalls mehrfache Frakturen. Zahlreiche Patronen im Wirbelsäulenund Halsbereich verwiesen auf Einschüsse und damit auf die Todesursache. An organischen Resten waren neben den Munitionsschachteln lediglich Lederbänder von Gürteln festzustellen. Am Hals des Skeletts war noch eine zur Hälfte gebrochene Erkennungsmarke vorhanden. Das Skelett wurde geborgen und die Munition dem Entminungsdienst des Bundesministerium für Inneres übergeben. Die anthropologische Untersuchung ergab, dass es sich um einen 30–40-jährigen Mann handelte, der etwa 1,75 m groß gewesen sein muss. 1 Die wenigen Überreste seiner Ausrüstung, der Helm, Menagerie, Aluminiumknöpfe der Feldbluse sowie der metallene „Gradstern“ einer Schulterklappe, lassen annehmen, dass er Soldat der Wehrmacht war,2 eine Identifizierung durch die Kriegsgräberfürsorge steht noch aus.

(M. M.)

1 Durchgeführt von Michaela Binder (weitere Ergebnisse der anthropologischen Untersuchung liegen im Archiv der Stadtarchäologie). 2 Bestimmung Marcello La Speranza (im Rahmen der langjährigen Kooperation zu neuzeitlichen Militaria).

Wien 3, Rennweg 93A (ehem. Rennwegkaserne) Anlässlich des Baus einer Tiefgarage wurde vom 29. März bis zum 18. Mai 2010 von der Stadtarchäologie Wien im Hof der ehemaligen Rennwegkaserne eine Denkmalschutzgrabung durchgeführt. Der Kasernenkomplex geht auf eine 1797 erfolgte Umwidmung einer barocken, mehrhöfigen Waisenhausanlage zurück, die im Laufe der Jahrhunderte umgebaut und erweitert wurde. Die Ausgrabung erfolgte im 1880 erbauten Teil der Kaserne. 1 Die Größe des Grabungsareals (800 m2) bedingte eine Einteilung desselben in drei Abschnitte (Abb. 1). Hier konnten neben neuzeitlichen Befunden und Funden vor allem auch römerzeitliche Siedlungsreste dokumentiert werden, die sich nach bisherigem Forschungsstand im Randbereich der römischen Zivilsiedlung befinden.

1 Siehe F. Czeike, Historisches Lexikon Wien2 (Wien 2004) 661 s. v. Rennweger Kaserne.

243 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Fundchronik

Wien 3

Abb. 1: Fundpunkt 4 (GC: 2010_03). Wien 3, Rennweg 93A/Landstraßer Hauptstraße 148B: Übersichtsplan der Grabungsbefunde. (Plan: I. Mader)

Römerzeit Aufgrund des sich nach Norden und Osten hin absenkenden Bodenniveaus stieß man in unterschiedlicher Tiefe auf die römischen Befunde: im Abschnitt 1 bei ca. 17,50 m über Wr. Null, im Abschnitt 2 bei ca. 17,40 m und im Abschnitt 3 bei etwa 16,80 m (bzw. 17,25 m im Südteil) über Wr. Null. Im Westprofil von Abschnitt 1 hatten sich im anstehenden Löss Reste eines römischen Ofens (Abb. 2) erhalten. Dieser bestand aus einer ca. 1–2 cm starken, weißlichen, harten Lehmauskleidung, der umgebende Löss war rot verziegelt. Der höchste Punkt des verziegelten Teiles lag bei 17,57 m über Wr. Null und die Unterkante bei 16,86 m. Reste einer Lochtenne konnten nicht ausfindig gemacht werden. Der Zugang zu dem Objekt dürfte sich weiter westlich in dem bereits abgebaggerten Teil befunden haben. In der Verfüllung des Ofens befanden sich Keramikfragmente unterschiedlichster Gattungen, die nach einer ersten Durchsicht in das 2./3. Jahrhundert zu datieren sind. In Abschnitt 1, südöstlich des Ofens, konnten des Weiteren ein römischer Brunnen und zahlreiche in der unmittelbaren Umgebung befindliche Pfostenlöcher sowie diverse Abfallgruben dokumentiert werden. Der rechteckige Brunnenschacht wurde in den Löss getrieben und hatte seine Unterkante bei 13,80 m über Wr. Null. Die Verfüllung des Brunnens enthielt sehr viele Keramikfragmente, Tierknochen und ein Ganzgefäß des 2. Jahrhunderts n. Chr.

244 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Wien 3

Abb. 2: Rest des römerzeitlichen Ofens. (Foto: I. Mader)

Fundchronik

Abb. 3: Römerzeitliches Grubenhaus (Objekt 1), Richtung Nordwesten. (Foto: I. Mader)

In Abschnitt 3 konnten zwei größere Objekte dokumentiert werden. Das weiter südlich gelegene Objekt 1 (Abb. 3) hatte einen rechteckigen Grundriss von ca. 4,8064,30 m. Die Oberkante lag bei 17,25 m über Wr. Null, die Unterkante bei ca. 16,60 m. Im nördlichen Bereich war das Objekt durch eine tief reichende Baumwurzel gestört worden. Eine harte, sandige Lehmschicht bei ca. 16,75 m über Wr. Null ist als Gehhorizont anzusprechen. Die sandige, lehmige Verfüllung enthielt sehr viele römerzeitliche Keramikfragmente, Knochen, Ziegelbruchstücke, Metall und Glasfragmente. Hinweise auf Pfostenlöcher oder auf einen Ofen bzw. Herd konnten weder im Inneren noch in der Umgebung des eingetieften Objekts aufgefunden werden. Die weiter im Norden gelegene Grube (Objekt 2) hatte einen rechteckigen Grundriss mit den Ausmaßen von 2,8061,50 m. Die Oberkante lag bei ca. 16,85 m über Wr. Null, die Unterkante bei ca. 16,50 m. In und um dieses Objekt konnten einige Pfostengruben dokumentiert werden. Die sandige, lehmige Verfüllung der Grube enthielt kaum Funde. Ein Ofen oder ein Herd konnte auch hier nicht festgestellt werden. Beide Objekte sind mit großer Wahrscheinlichkeit aufgrund ihrer Form und der Pfostengruben einerseits und des dokumentierten Gehniveaus anderseits als Grubenhäuser anzusprechen. Ob diese als Wohnbauten oder als Werkstätten genutzt wurden, wird eine zukünftige Auswertung zeigen. Neuzeit Im Hofareal der ehemaligen Rennwegkaserne befand sich unter der Geländeoberkante, bei ca. 19,00 m über Wr. Null (im Süden bei ca. 18,60 m), eine ca. 30 cm dicke Schotterschichte, der sogenannte Frostkoffer. Darunter konnte eine rotbraune, humose, lehmige Schicht in unterschiedlicher Stärke dokumentiert werden. In diese waren mehrere neuzeitliche Kanäle (Abb. 1, Kanal 2 und 3) eingegraben worden. Kanal 1 war hingegen nicht in diese Schicht eingetieft worden und wurde daher erst beim Tiefergehen aufgedeckt. Seine Oberkante lag bei 17,90 m über Wr. Null. Sechs quadratische Ziegelpfeilerfundamente (ca. 0,9060,90 m) in den Grabungsabschnitten 2 und 3 gehören zu einem größeren Bauwerk. Entspre-

245 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Fundchronik

Wien 3

chend dem abfallenden Gelände lagen die erhaltenen Oberkanten (17,45– 17,90 m über Wr. Null) im Nordosten tiefer. Südwestlich der Pfeilerfundamente (Abschnitt 2) wurden vier etwa 30 cm tiefe Gruben aufgedeckt, wobei sich in der nördlichsten beachtliche Teile eines Pferdeskelettes befunden haben. Die Oberkanten lagen bei ca. 17,00 m über Wr. Null. Weiter südöstlich, in den Abschnitten 2 und 3, konnte eine Nordost-Südwest orientierte Reihe von sechs Pfostengruben mit Resten von rechteckigen Holzpfählen dokumentiert werden. Sie gehörten vermutlich zu einem größeren Holzgebäude, das im Osten des Hofes gestanden hatte. Weitere Pfostengruben (ohne Pfostenreste) wurden weiter nördlich aufgefunden. Alle Pfostengruben waren nahezu fundleer. Auch hier spiegelt sich der Geländeabfall in den erhaltenen Oberkanten der Fundamente wider. Weiters wurden zwei Kalkgruben (Abschnitte 1 und 3) dokumentiert. Die Unterkante beider Gruben lag bei 16,88 m über Wr. Null. Sie waren mit Fundmaterialien des 19. Jahrhunderts verfüllt. Die beiden Kalkgruben sind im Zusammenhang mit der Errichtung der Kasernengebäude im Süden und Osten des Hofes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu sehen.

(I. M.)

Wien 3, Rochusgasse 8 Wegen eines Hausneubaus wurde von der Stadtarchäologie Wien am 10. September 2010 auf dem Grundstück Rochusgasse 8 eine Baubeobachtung durchgeführt. Da in der unmittelbaren und weiteren Umgebung immer wieder römerzeitliche und mittelalterliche Funde zutage traten, war auch hier mit entsprechenden Funden zu rechnen. Lediglich im Innenhof des Grundstückes, das entspricht etwa einem Drittel der Gesamtfläche, zeigte sich eine ungestörte Schichtenabfolge. Nach etwa 30 cm Bauschutt (Abrissreste) folgte eine 1,40 m mächtige Schicht aus schwarz-braunem Lehm, der etwas Ziegelsplitt und Mörtelgrieß enthielt. In dieser Schicht befanden sich zwei Keramikfragmente (19.– 20. Jahrhundert) und ein Knochenstück (Schlachtabfall). Unmittelbar darunter Abb. 1: Fundpunkt 5 (GC: 2010_06). Wien 3, Rochusgasse 8.

begann bereits der Lösshorizont.

(Ch. R.)

Wien 3, Wildgansplatz Im Herbst 2010, vom 2. bis zum 15. November, führte die Stadtarchäologie Wien eine Denkmalschutzgrabung im südlichen Bereich des Wildgansplatzes durch. Grabungsanlass war der Umbau der Anschlussstelle Landstraße (A23 Ast Landstraße), für die als Ersatzfläche für eine archäologische Untersuchung der Wildgansplatz ausgehandelt worden war. Wie die Überlagerung der modernen Stadtkarte mit dem Franziszeischen Katasterplan aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts vermuten ließ, sollte hier ein Teil des zu Beginn des 18. Jahrhunderts angelegten Linienwalls (Wall und Mauer) anzutreffen sein (siehe Beitrag I. Mader, 155 ff.). Auf dem 174 m2 umfassenden Grabungsareal konnte dann tatsächlich ein Abb. 1: Fundpunkt 6 (GC: 2010_07). Wien 3, Wildgansplatz.

Nordwest-Südost orientierter Wallabschnitt mit einem im stumpfen Winkel anschließenden Nordost-Südwest orientierten Stück aufgedeckt werden. Der Wall war feldseitig geböscht und mit einer etwa 0,60 m starken Ziegelmauer

246 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Wien 3 und 11

Fundchronik

verkleidet (erh. H etwa 1,60 bis 2,20 m) sowie mit einem davorliegenden Graben ausgestattet. Vermutlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde ein eingewölbter Kanal angelegt, der unter der östlichen Mauer weiterlief. Hierbei handelte es sich wohl um den sog. Arsenalkanal, der von den Werkstätten des Arsenals Richtung Süden führte.

(I. M.)

Wien 11, Schloss Neugebäude – Unterer Blumengarten Im Bereich des Unteren Blumengartens, nördlich des Schlossgebäudes (Abb. 1), wurde von der Stadt Wien ein Kinderspielplatz mit einer Fläche von 12.900 m2 geplant und in weiterer Folge auch errichtet. Durch archäologische Untersuchungen der damaligen Magistratsabteilung 10, Historisches Museum (heute Museen der Stadt Wien) von 1986 bis 19881 war bekannt, dass noch Überreste der renaissancezeitlichen Gartenanlage vorhanden waren. Daher wurde mit der grundstückverwaltenden Dienststelle Magistratsabteilung 42, der Stadtarchäologie Wien und dem Bundesdenkmalamt eine archäologische Baubegleitung vereinbart, bei der die zum Vorschein gekommenen Befunde dokumentiert und allfällige Funde geborgen werden sollten. Die Kampagne dauerte vom 7. April bis zum 7. Mai 2010. Über die Form der originalen Anlage geben Stiche von Matthäus Merian d. Ä.

2

Abb. 1: Fundpunkt 7 (GC: 2010_04). Wien 11, Schloss Neugebäude – Unterer Blumengarten.

und Johann Adam Delsenbach3 Auskunft. Sämtliche Befunde wurden erhalten und vor der Zuschüttung mit einer Wurzelstoppplane abgedeckt. Die Funde befinden sich derzeit bei der Stadtarchäologie Wien. Brunnen (Abb. 2) Im Ostbereich des Blumengartens konnte ein bereits freigelegter, aber mittlerweile wieder überwucherter Brunnen mit mehreren Bauphasen dokumentiert werden. 4 Der 4,8062,50 m umfassende Brunnen wies die Form eines Ost-West orientierten „Schlüsselloches“ auf, d. h., er bestand, wie eine Baunaht deutlich zeigte, aus einem runden älteren Bau und einem rechteckigen jüngeren Anbau. Die innere Lichte war rechteckig und maß 260,80 m, wobei im Westbereich zwei Stufen aus Ziegeln (Rollschicht in zwei Scharen – Höhe der Stufen: 30 cm) in den Brunnenschacht hinunterführten. Der Brunnen bestand aus vereinzelt gesetzten Bruchsteinen (5–15 cm) und dunkelroten Ziegeln (3061567 cm). Als Bindemittel wurde weißlicher bis grauer Kalkmörtel eingesetzt. Westmauer (Abb. 3) Die westliche Ummauerung des Blumengartens konnte auf einer Länge von 46 m freigelegt und dokumentiert werden, sie war maximal noch 1,30 m hoch erhalten. Die tiefste erreichte Stelle lag bei 0,25 m unter Wr. Null, die höchste erhaltene Stelle bei 1,06 m über Wr. Null. Die Mauer wurde an der Ostseite durch kurze Quermauern, von denen nur noch die Fundamente vorhanden waren, verstärkt und gestützt (siehe unten). Die Mauer, bestehend aus einem Steinfundament und einem Ziegelaufbau, wies keine regelmäßigen Lagen auf. Das Steinfundament war bis zu 0,65 m breit, bis zu 1,10 m hoch und bestand aus unbearbeiteten Bruchsteinen von 5 bis maximal 50 cm Länge und maximal

1 Diese Untersuchungen wurden von O. Harl und R. Pohanka durchgeführt, Ergebnisse flossen in die zusammenfassende Darstellung zu Geschichte, wissenschaftlichen Gutachten und zur zukünftigen Nutzung des Gebäudes ein bei: M. Wehdorn, Das Neugebäude. Ein Renaissance-Schloss in Wien. Perspektiven Sondernr. 2004, passim. 2 M. Merian, Topographia Provinciarum Austriacarum […] (Frankfurt/Main 1649). 3 Nach einer um 1715 entstandenen Zeichnung von J. E. Fischer von Erlach. 4 Ein weiterer bereits einmal freigelegter Brunnen wurde bei dieser Kampagne nicht wieder angeschnitten.

247 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Fundchronik

Wien 11

Abb. 2: Brunnenstube, östlicher Bunnen. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

30 cm Höhe. Der Ziegelaufbau war annähernd gleich breit wie das Fundament. Er war aus einem zweischaligen Läuferverband von dunkelroten Ziegeln (max. 3061567 cm) sowie Ziegelbruch als Füllmaterial zusammengesetzt, von dem stellenweise noch zwei Scharen vorhanden waren. Als Bindemittel und Grobverputz wurde weißlicher bis grauer Kalkmörtel verwendet. Nordmauer Von der Nordmauer der Umfassungsmauer konnten nur noch drei Abschnitte mit einer Länge von jeweils maximal 4 m freigelegt und dokumentiert werden. Ihre Unterkante lag bei 0,70 m unter Wr. Null, die Oberkante bei 0,34 m über Wr. Null. Die Mauer konnte mit zwei stützenden Quermauern direkt in Verbindung gebracht werden (siehe unten), weitere haben sich in der Flucht der Nordmauer erhalten. Der Ziegelaufbau war nicht mehr existent, nur noch das regellose Bruchsteinmauerwerk war vorhanden. Als Baumaterial wurde – wie bei der Westmauer – ebenfalls unbearbeiteter Bruchstein (max. 50640630 cm) sowie Ziegelbruch (2561165 cm) als Füllmaterial eingebracht. Ostmauer Die Ostmauer konnte in zwei Bereichen mit einer Länge von insgesamt 12,50 m und einer Breite von maximal 1 m freigelegt und aufgenommen werden. Der Mauer an der Westseite vorgesetzt fand sich nur noch eine der stützenden Quermauern (siehe unten). Die Ziegel-/Steinmauer bestand aus einem Steinfundament mit Ziegelaufbau. Das Steinfundament war 1 m hoch erhalten und aus unbearbeiteten Bruchsteinen (max. 38627623 cm) ohne Lagen gefertigt, seine Unterkante wurde bei 0,71 m unter Wr. Null erreicht. Der Ziegelaufbau hatte eine erhaltene Höhe von

248 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Wien 11

Fundchronik

Abb. 3: Westliche Umfassungsmauer des Unteren Blumengartens. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

bis zu 0,70 m und setzte sich aus dunkelroten Ziegeln (3061567 cm) zusammen. Er wurde in einem doppelten, aber unregelmäßig gelegten Läuferverband bündig mit der Außenkante des Steinfundaments aufgesetzt. Quermauern Die Quermauern waren allen drei Umfassungsmauern angebaut und glichen einander in ihrem Aufbau. Sie besaßen eine durchschnittliche Länge von 1,37 bis 1,88 m und eine durchschnittliche Breite von 0,86 bis 1,30 m. Ihre ergrabene Höhe reichte von 0,30 m unter Wr. Null bis 0,55 m über Wr. Null. Sie bestanden aus einem Steinunterbau aus unbearbeitetem Bruchstein und einer aufgesetzten Ziegellage. Sie waren teilweise mit einem groben Kalkmörtel unregelmäßig verputzt. Vereinzelt war die Struktur gestört (ausgerissen). Die Sockel waren mit der Umfassungsmauer des Blumengartens verzahnt und in unregelmäßiger Dichte gesetzt. Die Westmauer wies mit neun registrierten Quermauern in einem Abstand von 3,61 bis 4 m die höchste Dichte auf. Der Abstand der fünf der Nordmauer vorgesetzten Mauern war unregelmäßig von 5,10 bis 8,36 m. Wegschotterungen Es konnten Teilabschnitte sämtlicher vier Ost-West-Wege angeschnitten und dokumentiert werden. Von denen in Nord-Süd-Ausrichtung wurden sechs der vermutlich ursprünglich sieben existierenden Wege teilweise freigelegt. Die Schotterung bestand aus mehreren Schichten, welche unterschiedlich erhalten zutage traten. Die oberste Schotterschicht kam im Norden in einer Tiefe

249 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Fundchronik

Wien 11 und 22

von 0,30 m über Wr. Null, im Süden von 0,70 m über Wr. Null zum Vorschein und war mit dunkelbrauner, lehmiger Erde durchsetzt. Darunter folgte eine hellbraune, feine und sandige Schotterung. Das unterste Niveau bestand aus einer weißgrauen, groben Schotterung. Die durchschnittliche Breite der Weganlagen betrug regelmäßig zwischen 0,80 und 1 m. Weiher Bei der Anlegung einer Künette (1,7060,50 m) für die Wasserzuleitung konnte am nördlich angrenzenden Grundstück auf einer Länge von 15,20 m der längst verfüllte, renaissancezeitliche Weiher des Schlosses angeschnitten werden. Hierbei wurden neun annähernd kreisrunde Holzpfosten mit einem Durchmesser von ca. 10–13 cm und einer maximalen Höhe von 30 cm angetroffen. Ihre Oberkanten lagen in einer Tiefe von bis zu 2 m unter Wr. Null. Diese Pfosten waren in einer in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Reihe gesetzt. Ferner wurden in der Künette eine Ziegellage mit Versturz freigelegt und mehrere unregelmäßige Planierschichten festgestellt.

(J. G.)

Wien 22, Aspern – ehemaliges Flugfeld Zwischen Juni und Oktober 2010 konnten die archäologischen Untersuchungen, die im Vorfeld des Stadterweiterungsprojektes „Seestadt Aspern“ von der „Wien 3420 Aspern Development AG“ in Auftrag gegeben wurden, bezüglich der öffentlichen Freiflächen und Straßen im Südteil des ehemaligen Flugfeldes (Bauetappe 1) in wesentlichen Teilen zu Ende gebracht werden. 1 Es handelte sich dabei um drei räumlich trennbare Grabungsbereiche (Abb. 1): das Baulogistikzentrum im Osten, das Wegenetz im südlichen bis südwestlichen Bereich des ehemaligen Flugfeldes und eine Fläche unmittelbar nördlich bis östlich des Infopoints. Bereich Baulogistikzentrum (BLZ) im Osten des ehemaligen Flugfeldes Diese Fläche schließt östlich an das im Jahr 2008 sondierte Areal des projektierten „Seegrundstücks“2 sowie an die im Winter 2009/2010 ebenfalls archäologisch kontrollierte Bautrasse der U-Bahn (siehe Beitrag S. Sakl-Oberthaler, 258 ff.) an. Das etwa 78.000 m2 (inkl. Rand und Zwischenbereiche ca. 114.500 m2) große Areal wurde mittels neun Suchschnitten (aufgedeckte Fläche ca. 10.600 m2) untersucht. Die originalen, oberflächennahen Bodenschichten waren über weite Strecken durch Bodenaustausch oder Planierungen gestört bzw. nicht erhalten geblieben; auch die Bereiche mit dunklem, humosem Lehm (ehemalige verlandete Gerinne und Sutten) waren erwartungsgemäß fundleer. An archäologisch relevanten Spuren konnten lediglich zwei vereinzelte neuzeit1 Siehe zuletzt M. Penz, Wien 22, Aspern – ehemaliges Flugfeld. FWien 13, 2010, 224– 226 (GC: 2009_03). 2 M. Penz, Wien 22, Aspern – ehemaliges Flugfeld. FWien 12, 2009, 221 f. (GC: 2008_09).

liche bzw. moderne Befunde im Osten der Sondierungsfläche festgestellt werden. Bei Verfärbung 1 handelte es sich um eine Grabgrube für zwei in der Schlacht von Aspern (1809) gefallene Soldaten, die, obwohl nur seicht eingetieft, nahezu unversehrt erhalten geblieben ist (vgl. auch Beitrag S. Sakl-Oberthaler, 260 Abb. 2–3). Es konnten 37 Fundposten an Kleidungszubehör in ori-

250 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Wien 22

Fundchronik

Abb. 1: Fundpunkt 8 (GC: 2010_05). Wien 22, Aspern – Seestadt: Übersicht über die archäologisch untersuchten Flächen auf dem Areal des ehemaligen Flugfeldes. (Plan: Stadtarchäologie Wien)

ginaler Fundlage dokumentiert werden (Knöpfe aus Zinn bzw. Horn, Bronzenadeln, Hafteln); zusätzlich wurde eine eiserne Geschosskugel im Kopfbereich eines Bestatteten vorgefunden. In Verfärbung 2 wurden ebenfalls Reste gefallener Soldaten der NapoleonSchlacht gefunden, allerdings nicht im anatomischen Knochenverband, sondern sekundär verlagert. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelte es sich hier um eine Knochengrube, in welcher die Skelettteile, die bei zwischenzeitlichen Bauvorhaben (wohl Flughafenausbau und Errichtung der Rollbahnen 1939) zutage kamen, wiederum unmittelbar vor Ort entsorgt wurden. Aus der Grubenverfüllung wurden neben verlagerten Keramikfragmenten Schuhnägel, Knöpfe, Bleimunition sowie ein Eisenmesser aus dieser Zeit sichergestellt. Wegenetz im südlichen bis südwestlichen Bereich des ehemaligen Flugfeldes Die bereits im Vorjahr begonnene Untersuchung der Flächen für die projektierten Straßen und öffentlichen Plätze wurde nun für die südlichen bis südwestlichen Bereiche des Flugfeldes komplettiert. 3

3 Dabei wurde auch die im Vorjahr begonnene Nummerierung der Wege (Straßen) fortgeführt.

251 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Fundchronik

Wien 22

Abb. 2: Grube mit sekundär deponierten menschlichen Skelettresten von Soldaten der Schlacht von Aspern. (Foto: M. Penz)

Abb. 3: Verscharrtes Schlachtross von 1809 in Grabungsfläche Weg 8. (Foto: M. Penz)

Im Bereich der Wege 16–19 südwestlich des Infopoints ist eine im Jahr 1866 angelegte militärische Schanzanlage zu lokalisieren, die jedoch aufgrund jüngerer Störungen nicht archäologisch zu erfassen war. Ebenfalls wegen zahlreicher flughafenzeitlicher Einbauten (betonierte Stellflächen, Hangars?) großflächig gestört war die Fläche von Weg 20. Der östlich daran anschließende Weg 21 zeigte keinerlei archäologische Spuren. Im zentraleren Teil des Flugfeldes konnten vereinzelte Befunde aus der Schlacht von 1809 dokumentiert werden: Im Bereich von Weg 9 stieß man wiederum auf eine Knochengrube (Verf. 3; Abb. 2), in der offenbar menschliche Skelettteile eines Soldatenmassengrabes sekundär bestattet bzw. entsorgt worden waren (vgl. BLZ, Verf. 2); hingegen fand sich in der Fläche Weg 8 südlich der Rollbahn eine großteils intakte Pferdebestattung (Verf. 75; Abb. 3), zu

252 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Wien 22

Fundchronik

Abb. 4: Eingetieftes Wirtschaftsobjekt der Urnenfelderkultur. (Foto: M. Penz)

welcher wahrscheinlich auch eine in unmittelbarer Nähe gefundene Kanonenkugel gehörte. 4 Befundleer erwiesen sich die Wege 10–15 nördlich des Infopoints, obwohl in diesem Bereich etliche alte Fundpunkte verortbar sind5. Hier dürften die massiven Geländeeinebnungen zum Bau der Rollbahnen die relevanten Schichten völlig zerstört haben. Lediglich im Bereich von Weg 22 wurden urgeschichtliche Befunde entdeckt: Neben zwei größeren Grubenkomplexen (Verf. 100 und 102) konnte hier mit Verfärbung 89 (Abb. 4) auch ein eingetieftes Siedlungsobjekt der Urnenfelderkultur dokumentiert werden (Wirtschafts- bzw. Webhütte?). Der ca. 2,4061,50 m große Befund wies eine noch ca. 0,50 m senkrecht eingetiefte Wandung auf, an der nördlichen Breitseite befand sich ein durchgehender, ca. 0,15 m hoher, treppenartiger Absatz. Über dem ebenen Lehmboden, in welchen zwei rundovale Gruben eingelassen waren,6 befand sich eine Verfüllung mit verbranntem Bauschutt (Hüttenlehm) und reichhaltigem Fundmaterial. Grabungsfläche unmittelbar nördlich bis östlich des Infopoints (Abb. 1 und 5) Im unmittelbaren Anschluss an bereits im Vorjahr untersuchte Bereiche des Wegenetzes im südwestlichen Teil des ehemaligen Flugfeldes sowie als nördlicher Abschluss der Fläche Dg17 wurde eine 1.500 m2 große Fläche aufgedeckt (Dg1-Nord und Dg1-Nord2). Sie befindet sich etwa auf Höhe der Straße „An den alten Schanzen“ und wird von der hier durchlaufenden Fernwärmeleitung geschnitten. Die Dokumentationsfläche (das Baggerplanum) befand sich im gelblichen Lösslehm auf durchschnittlich etwa 0,35 m über Wr. Null unter einer ca. 0,50–0,65 m mächtigen Humusauflage. Moderne/rezente Befunde bzw. Störungen wurden in diesen Bereichen nur in geringem Umfang angetroffen.

4 Schädelteile und Kanonenkugel wurden wegen der seichten Lage bereits vom Pflug bzw. Bagger erfasst. Eine weitere Grube mit Pferderesten (Verf. 74) wurde wegen erheblicher Störungen (Bombentrichter, Raubgräber) nicht weiter ausgegraben. 5 Diese sind vor allem durch die Rettungsgrabungen von Otto Seewald im Jahr 1939 bekannt; vgl. Plan bei V. Lindinger, Urnenfelderzeitliche Siedlungen in Wien. Untersuchungen zum Siedlungswesen der älteren Urnenfelderzeit in Ostösterreich (Saarbrücken 2008) 198 Abb. 97. 6 Im Norden konnte die äußerste Kante knapp nicht erfasst werden, da hier eine Fernwärmeleitung verläuft. Ansonsten gleicht diese Befundsituation dem nahe gelegenen Befund FP 1939/27 von O. Seewald; vgl. Lindinger (Anm. 5) 203 Abb. 98. 7 Ebenso schließt diese Fläche nördlich an „Areal A” der Grabungen von O. Harl und Ch. Spiegel in den Jahren 1979/1980 an (GC: 1979_06). Ch. Spiegel, Siedlungsfunde der frühen Urnenfelderzeit aus Wien XXII – Aspern (unpubl. Diss. Univ. Innsbruck 1985) Kartenbeil.

253 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Fundchronik

Wien 22

Abb. 5: Plan der Befunde in den Grabungsflächen Dg1-Nord und Dg1-Nord2. (Plan: M. Penz/Th. Atzmüller)

Östlicher Bereich der Grabungsfläche Dg1-Nord Hier wurde ein spätbronzezeitlicher, etwa 1263,90 m großer, Nordwest-Südost orientierter, einschiffiger und sechsjochiger Pfostenbau erfasst (Abb. 6). Als nordseitiger Anbau korrespondiert damit auf einer Länge von 8 m eine vorgelagerte vierjochige Pfostenreihe (Gesamtbreite des Baus 4,70 m). 8 Einige nordwestlich benachbarte kleinere Pfostenlöcher sowie Grubenreste können – weder datierungsmäßig noch nach ihrer Anordnung – nicht zwingend dem Gebäude hinzugerechnet werden. Ein Grubenrest (Verf. 22) sowie eine Speichergrube (Verf. 20) vor der nördlichen Längswand datieren hingegen ebenfalls in die Urnenfelderzeit. Der Pfostenbau schneidet sowohl eine spätneolithische Grube (Verf. 15) als auch einen großen Grubenkomplex (Verf. 41–43; Abb. 6 rechts), der ebenfalls mit einer spätneolithischen Kulturschicht verfüllt war. Mittlerer Bereich der Grabungsfläche Dg1-Nord Im mittleren Bereich wurde eine amorphe Akkumulation mehrerer kleiner, muldenförmiger Gruben (Verf. 47–54) dokumentiert; in der nördlichsten von ihnen befand sich noch stehend (in situ) der Unterteil eines größeren Vorratsgefäßes. 9 Eine größere (ca. 5,4063,10 m), annähernd langrechteckige und Ost-West 8 Im Süden wurden zwei annähernd passende Pfostengrubenreste dokumentiert, trotz gezielter Suche jedoch keine weiteren. 9 Vgl. Lindinger (Anm. 5) 25; Spiegel (Anm. 7) 26 Grube A/10.

orientierte Grube (Verf. 57) kann als eingetieftes Siedlungsobjekt des Spätneolithikums angesprochen werden (Abb. 7). Eine leichte Erhöhung und Einbuchtung mittig an der Südseite des ca. 0,30 m tiefen, wannenförmig-ebenen Bodens mit Spuren verziegelten Lösslehmes lässt an eine Feuerstelle denken. Da-

254 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Wien 22

Fundchronik

Abb. 6: Grabungsfläche Dg1-Nord mit spätbronzezeitlichem Pfostenbau und spätneolithischem Grubenkomplex, Richtung Osten. (Foto: M. Penz)

ran im Südosten anschließend war eine größere, runde Grube eingelassen (Dm 2,10 m, insges. 0,60 m tief), die mit brandig-lehmiger Erde verfüllt war. Bei dem kleinen Pfostenloch(rest) Verfärbung 73 im Westen könnte es sich aufgrund seiner Lage um eine zugehörige Firstpfostengrube handeln. Mit Verfärbung 62 im Norden der Grabungsfläche liegt eine „klassisch“ ausgeformte, kleinere Speichergrube der Urnenfelderkultur vor (Dm 1,10 bzw. 1,75 m, 0,70 m tief). Auf einer ca. 0,15 m starken Sedimentationsschicht direkt über dem Grubenboden lag das Skelett eines sehr jungen Kalbes (Abb. 8). Teile davon waren leicht verlagert bzw. vergangen (v. a. Schädelteile), die Knochen lagen aber im anatomisch richtigen Verband, was eine bewusste Deponierung möglich erscheinen lässt – aus welchen Gründen auch immer. 10 Einige vereinzelt gelegene Speichergruben in diesem Bereich wiesen beachtliche Ausmaße auf, erbrachten aber keine nennenswerten Funde, die eine nähere zeitliche Bestimmung ermöglichen könnten. 11 Westlicher Bereich der Grabungsfläche Dg1-Nord Im westlichen Bereich von Dg1-Nord (siehe Beitrag S. Sakl-Oberthaler, 7 Abb. 3) konnte ein urnenfelderzeitlicher Grubenkomplex aufgedeckt werden (Verf. 69); solche „Grubenkonglomerate“ werden zumeist als oftmalig genutzte Materialentnahmestelle gedeutet. 12 Unmittelbar westlich daneben befand sich eine fundreiche zylindrische Grube der Kupferzeit (Verf. 68). In nächster Umgebung wurden zusätzlich sechs weitere, größere Siedlungsgruben zumeist von zylindrischer bis kegelstumpfförmiger Form angetroffen; nur für Verfärbung 63 kommt auch eine Interpretation als eingetieftes Siedlungsobjekt (Grubenhütte) infrage: Bezüglich Orientierung und Datierung ist es der weiter östlich gelegenen spätneolithischen Verfärbung 57 anzuschließen, nur wird hier der ca. 0,30 m eingetiefte, ebene Boden (Gesamtausmaße der Verfärbung ca. 362,20 m) mittig von einer großen wannenförmigen Grube unterbrochen (Abb. 9).

10 Vgl. die vor kultischem Hintergrund gesehenen Tierdepositionen z. B. in Stillfried, NÖ (I. Hellerschmid, Die urnenfelder-/hallstattzeitliche Wallanlage von Stillfried an der March. MPK 63 [Wien 2006] 20 f.), wo aber keine Jungrinder belegt sind. 11 Verfärbung 59 und 60 könnten möglicherweise auch aus jüngerer Zeit stammen; vgl. den Befund einer mittelalterlich/frühneuzeitlichen Vorratsgrube der Grabung 2009 (Weg 9, Verf. 15): Penz (Anm. 1) 226. 12 Vgl. Lindinger (Anm. 5) 22 f.

255 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Fundchronik

Wien 22

Abb. 7: Eingetieftes Siedlungsobjekt des Spätneolithikums. (Foto: M. Penz)

Abb. 8: Urnenfelderzeitliche Speichergrube mit Tierdeposition. (Foto: Th. Atzmüller)

Grabungsfläche Dg1-Nord 2 Hier konnten ebenfalls drei spätbronzezeitliche Speichergruben festgestellt werden, die allesamt mächtige Ausmaße von rund 2 m Durchmesser erreichten und nahezu 0,50 m bzw. sogar 1 m tief erhalten waren. Verfärbung 95 wies mehrere Einfüllschichten Brandschutt auf, darin enthaltene kompakte Fragmente von vermeintlichem Hüttenlehm stellten sich als Reste eines übergroßen Vorratsgefäßes heraus. Bemerkenswert ist ein Fund aus Verfärbung 77: Hier fand sich am Grubenboden eine menschliche Schädelkalotte mit Spuren einer mortalen Hiebverletzung. Ein etwa 7,8062,70 m großer, vierjochiger, leicht trapezförmig zulaufender Pfostenbau wies ebenfalls wie jener etwa 18 m nördlich in Dg1-Nord gelegene eine Nordwest-Südost-Orientierung auf (Abb. 10). Das nordwestlichste Joch erscheint vom übrigen Bau etwas abgesetzt, hier befand sich mittig der runde Bereich (Dm 0,80 m) einer Feuerstelle (rötlich verziegelter anstehender Lösslehm). Östlich anschließend wurde eine großflächige Verfärbung mit spätneolithischem Fundmaterial erfasst (Verf. 76), welche mit Ausnahme eines deutlich erkennbaren Grubenbereiches sonst als flächig ab- bzw. verlagerte Kulturschicht auf einem unregelmäßigen, muldenartigen Terrain angesprochen werden muss (Abb. 10 oben). Resümee Zahlreiche großflächigere Verfärbungen (Verf. 42–43 in Dg1-Nord, 76 in Dg1Nord2 sowie Grabung 2009, Dg1, Verf. 6) scheinen nach näherer Untersuchung als natürliche Eintiefungen (Gerinne, Mulden, Sutten) anzusprechen zu sein, welche sich mit verlagerten Kulturschichten verfüllten. Einige Beobachtungen sprechen dafür (z. B. stark fließende und kaum wahrnehmbare, amorphe Verfärbungsgrenzen, sehr dichtes, feines, lehmiges Sediment, „schwimmende“ und letztlich unstrukturierte Texturen und Einschlüsse), dass der Verfüllungsvorgang ebenfalls auf natürliche Weise erfolgt ist (Verschwemmung, Erosion), was aufgrund der topographischen Situation (Alluvialland, früheres Überschwemmungsgebiet) nicht zuletzt sogar zu erwarten wäre. In diesem

256 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Wien 22

Fundchronik

Abb. 9: Eingetieftes spätneolithisches Siedlungsobjekt. (Foto: M. Penz)

Sinne sind wohl auch die Beobachtungen Josef F. Kastners vor knapp hundert Jahren zu interpretieren, wenn er von einer bis zu einem halben Meter mächtigen, stark fundführenden, spätneolithischen Kulturschicht spricht, die er oftmalig in südwestlichen Bereichen des Flugfeldes angetroffen hatte. 13 Nach der ersten Durchsicht des Fundmaterials lassen sich zwei Siedlungsphasen näher fassen: eine spätneolithische (= kupferzeitliche) mit Keramikformen der (klassischen) Ossarn-Stufe der Badener Kultur (ca. 33.–31. Jh. v. Chr.) sowie eine spätbronzezeitliche, die von der frühesten bis längstens zur mittleren Phase der Urnenfelderkultur andauerte (ca. 13.–10. Jh. v. Chr.). Neben den wenigen stratigraphischen Überschneidungen lassen sich die Befunde auch durch ihren Verfüllungscharakter tendenziell zuweisen: Spätneolithische Befunde sind diffuser/verwaschener und mit dicht-feiner, hellgrauer, lehmiger Erde (Aulehm) verfüllt, wohingegen die urnenfelderzeitlichen deutlicher konturiert und dunkler (dunkelbraun lehmig, dazu mehr humose Anteile) erscheinen. An Funden sind neben großen Mengen an Gefäßkeramik und Tierknochen (Speiseabfälle) noch besonders hervorzuheben: keramische Geräte (Webgewichte, Spinnwirtel, Feuerbock/Mondidol), Knochen- und Geweihartefakte, ein Steinbeil, Silices (darunter auch modifizierte Artefakte, Rohmaterial fast ausschließlich Donauschotter), Hüttenlehm (zum Teil sehr kompakte Stücke mit Rutenwandabdrücken und mehrschichtigen, glatten Verputzflächen14) und Bronzen (Bronzeringlein, stichel- bzw. ahlenartig zugespitzter Bronzestift, Schneidepfriem?). Punktuell wurden aus verschiedenen Befunden Erdproben gezogen, deren ausgeschlämmter bzw. flotierter Inhalt weiteren naturwissenschaftlichen Analysen zugeführt werden soll (botanische Reste, Kleinstknochen, Muscheln und Schnecken, lithische Kleinfunde).

(M. P.)

13 J. F. Kastner, Prähistorische Funde in Aspern, Wien XXI. WPZ 5, 1918, 50. 14 Auch ein Malanstrich kann nicht ausgeschlossen werden, müsste aber durch archäometrische Analysen verifiziert werden.

257 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Fundchronik

Wien 22

Abb. 10: Grabungsfläche Dg1-Nord2, Richtung Südosten. (Foto: M. Penz)

Wien 22, Aspern – Verlängerung der U2 ins ehemalige Flugfeld Die Trasse der U2-Verlängerung nach Aspern im Osten des Wiener Stadtgebietes befindet sich im Bereich des „Kleinsten Wagrams“ und des nördlich davon gelegenen Aubereiches der Donau. Die archäologische Sondierung wurde aufgrund der Empfehlung der Stadtarchäologie Wien, die bereits in die Planungsphase der U2-Verlängerung miteinbezogen worden war, durchgeführt. Grundlage für diese Maßnahme waren die zahlreichen Befunde aus Grabungen und Fundbergungen seit den 1930erJahren. 1 Weitere Befunde von der Prähistorie bis in die Neuzeit erbrachten auch die Ausgrabungen 2009 (GC: 2009_03)2 und 2010 (siehe Beitrag M. Penz, 250 ff.) im Bereich des Stadterweiterungsprojektes „Seestadt Aspern“ auf dem Gelände des ehemaligen Flugfeldes. Bereits im Zuge der ersten Phase der U2-Verlängerung zwischen 2005 und 2007 waren von der Stadtarchäologie Wien Sondierungen durchgeführt worden. Diese Untersuchungen im Bauabschnitt U2/10 (GC: 2005_10) westlich des ehemaligen Flugfeldes hatten jedoch vor allem im Norden des Bauabschnittes keinerlei Befunde ergeben. 3 Daher wurde im Bauabschnitt U2/14 „Hausfeldstraße“, dem ersten Bauabschnitt, der zur zweiten Phase der Verlängerung der U2 ins Flugfeld Aspern gehört, während der Aushubarbeiten 2010 nur eine Baubeobachtung durchgeführt. Dasselbe gilt auch für den westlichen, 1 Zur älteren Literatur siehe M. Penz, Wien 22, Aspern – ehemaliges Flugfeld. FWien 12, 2009, 222 Anm. 1 und 2. Das digitale Planarchiv (Fundortkataster) der Stadtarchäologie Wien enthält zudem Kartierungen der Altfunde; siehe auch www.kulturgut.wien.at. 2 M. Penz, Wien 22, Aspern – ehemaliges Flugfeld. FWien 13, 2010, 224–226. 3 S. Sakl-Oberthaler, Wien 22, ErzherzogKarl-Straße 211–212. FWien 10, 2007, 260; dies., Wien 22, Aspernstraße 73. FWien 11, 2008, 346.

parallel zum Ostbahngleiskörper verlaufenden Teil des Bauabschnittes U2/15. In beiden Bereichen ergaben sich dabei keinerlei Hinweise auf archäologische Befunde. Auf dem restlichen Teil der Trasse der U2-Verlängerung – auf einer Fläche von ca. 120.000 m2 – ins Asperner Flugfeld fand zwischen Jänner und Juli 2010 die vereinbarte archäologische Sondierung statt. Zu diesem Zweck wurde das rezente Humuspaket (ca. 0,30–0,90 m) unter archäologischer Aufsicht auf Trassenbreite maschinell durch Löffelbagger mit Böschungsschaufel abgezogen. Darunter erschien bereits der gewachsene Boden (gelber Löss, helle Lehme, teilweise auch bereits Schotter und Feinsand).

258 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Wien 22

Fundchronik

Immer wieder fiel der gewachsene Boden stark ab. In diesen Senken wurde über dem gewachsenen Boden dunklerer (graubrauner) Aulehm angetroffen, der ebenfalls entfernt wurde. An mehreren Stellen querten rinnenartige Strukturen die Trasse, die als alte Gerinne der Donau interpretiert werden können. 4 Vor allem im Norden der Trassenführung im Flugfeld zeigten sich unnatürlich scharfe Schichtgrenzen, die darauf hindeuten, dass diese Bereiche anlässlich von Geländesanierungen in jüngerer Zeit zugeschüttet und einplaniert worden sein müssen. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch, dass im gesamten Trassenbereich sowohl der rezente Humus als auch die darunter liegenden Lehm- und Sandschichten beinahe fundleer waren. 5 Befunde im Bauabschnitt U2/16 Archäologische Befunde traten vor allem im Süden der U2-Trasse (Bauabschnitt U2/16 „Flugfeld Süd“) auf (Abb. 1). Hier sind vor allem zwei Massengräber hervorzuheben. Bei Befund 4 (Abb. 2) handelt es sich um eine flache Grube direkt unter der Humusuntergrenze (L 2,17 m, B 1,15 m; OK 0,29 m, UK 0,45 m unter Wr. Null) und annähernd Nordost-Südwest orientiert, in der vier Individuen bestattet worden waren. Alle wurden weitgehend im anatomischen Knochenverband in Rückenlage aufgefunden, zwei mit dem Kopf nach Norden, zwei weitere mit dem Kopf nach Süden. Befund 15 (Abb. 3) wurde ca. 130 m südwestlich von Befund 4 entdeckt (Niveau: 0,59–0,71 m unter Wr. Null). Die nördliche Hälfte der Grabgrube war hier durch eine rezente Künette beinahe vollständig zerstört worden. Im Zuge der Freilegung der flachen Grube konnten mindestens zehn Individuen identifiziert werden, hier aufgrund der Störung nur noch teilweise im Knochenverband. Die ersten Ergebnisse der bereits laufenden anthropologischen Auswertung6 deuten jedoch auf eine Mindestanzahl von 12, möglicherweise auch bis zu 22 Personen hin, wenn man annimmt, dass auch hier eine zweite Reihe in entgegengesetzter Richtung bestatteter Individuen existiert hat, die beim Anlegen der Künette zerstört wurde.

4 Vgl. Penz (Anm. 1) 221. 5 Vgl. Penz (Anm. 1) 222. 6 Durchgeführt von der Anthropologin Michaela Binder.

Abb. 1: Fundpunkt 9 (GC: 2009_08). Wien 22, Aspern – U2-Verlängerung Bauabschnitt U2/16.

259 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Fundchronik

Wien 23

Aus beiden Gräbern konnten Geschosskugeln aus Eisen und Blei und Kleidungsbestandteile wie Bronzeknöpfe, Gürtelschnallen, Leder- und Textilreste – teilweise noch in originaler Lage – geborgen werden. Ein Zusammenhang mit der Schlacht von Aspern 1809 ist in beiden Fällen wahrscheinlich, dafür spricht die Beschaffenheit der Kleidungsbestandteile aus Leder und Stoff sowie aus Metall, die mit den Skeletten geborgen werden konnten. Die anthropologischen Untersuchungen haben noch zusätzliche Indizien für eine Interpretation der beiden Grabgruben als Bestattungen gefallener Soldaten nach der Schlacht von Aspern 1809 geliefert: Alle Individuen waren kräftige Männer mit einem Sterbealter zwischen ca. 20 und 40 Jahren, teilweise mit nachweisbaren Schussverletzungen. Abb. 2: Gefallene Soldaten der Schlacht von Aspern 1809, Mehrfachbestattung Bef.-Nr. 4 im Süden der U2-Trasse. (Foto: W. Chmelar)

Außer den beiden Massengräbern wurden zwei teilweise erhaltene Pferdeskelette dokumentiert. Auch diese Überreste vergrabener Pferdekadaver hängen wahrscheinlich mit den Aufräumungsarbeiten nach der Schlacht von Aspern zusammen. Darüber hinaus konnten zwei flache Grubenstrukturen (Bef.-Nr. 12 und 14) freigelegt werden. Sie enthielten kein Fundmaterial. Die Beschaffenheit ihrer Verfüllung und ihre Form lassen jedoch an eine Interpretation als urgeschichtliche Gruben denken. Mehrere Pfostengruben im Umkreis des weiter nördlich gelegenen Massengrabes sowie einige humose, schotterige Verfärbungen im nördlichsten Teil des Bauabschnittes

Abb. 3: Ein weiteres Massengrab derselben Zeitstellung, Bef.-Nr. 15, ca. 130 m südwestlich von Bef.-Nr. 4. (Foto: M. Schulz)

U2/16 dürften auf moderne Baumaßnahmen im Zuge des Flughafenbetriebes bzw. auf Geschützstellungen aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgehen.

(S. S.-O.)

Wien 23, Perchtoldsdorfer Straße 6/Haeckelstraße (Schlosspark Liesing) Im Zeitraum vom 24. Februar bis 6. April 2010 hat die Stadtarchäologie Wien die Aushubarbeiten für einen Neubau des Geriatriezentrums Liesing im Nordteil des Schlossparks Liesing auf einer Fläche von ca. 11.000 m2 beobachtend begleitet (Abb. 1 und 2). Das Baugrundstück liegt im Bereich des ursprünglich nicht regulierten, mäandrierenden Liesingbachs, der hier wohl einst mehrere Arme aufwies. Das im südlichen Teil des Parks stehende Schloss dürfte zu Beginn des 18. Jahrhunderts ausgebaut worden sein. Es wurde vermutlich an derselben Stelle wie der im 15. Jahrhundert genannte Gutshof „Hausgraben“ 1 Zur Geschichte des Schlosses siehe: F. Opll, Liesing. Geschichte des 23. Wiener Gemeindebezirkes und seiner alten Orte. Wiener Heimatkunde (Wien, München 1982) 156 und 159.

errichtet. 1 Der Rest eines Wassergrabens, der ursprünglich wohl ein Altarm der Liesing war, befindet sich unmittelbar westlich des Schlosses. Der Franziszeische Kataster von 1818 zeigt den Park weitgehend als einen englischen Landschaftsgarten. Unklar ist, wann die weitgehende Planierung des dort dar-

260 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Wien 23

Fundchronik

gestellten toten Wasserarms erfolgte, der nördlich des Schlosses einen Teich bildete. 2 Auf einem Luftbild aus dem Jahr 1963 ist er als feuchter, bogenförmiger Graben nur noch unmittelbar westlich und nördlich des Schlosses vorhanden, in seiner nordöstlichen Verlängerung im Schlosspark hingegen lediglich als eine seichte, trockene Geländemulde erkennbar. 3 Bei der Baubeobachtung wurden folgende Befunde festgestellt: Die oberste Schicht im Schlossparkbereich bestand aus Humus, der zwischen 0,70 und 2 m mächtig sein konnte. In verschiedenen Arealen waren anstelle des Humus rezente Anschüttungen bzw. Planierschichten anthropogenen Ursprungs anzutreffen. Unterhalb der Humus- bzw. Anschüttungsschichten ließen sich bis in 4,50 m Tiefe Ablagerungen des Liesingbachs beobachten, die sandig, kiesig, schottrig bis lehmig waren. Darunter befanden sich sterile Sedimente. Auf dem gesamten Areal kamen immer wieder Planierschichten mit rezentem Abfall zutage. Sie enthielten Bauschutt wie Ziegelfragmente, Glas- und Mörtelreste,Tier-

Abb. 1: Fundpunkt 10 (GC: 2010_01). Wien 23, Perchtoldsdorfer Straße 6/Haeckelstraße (Schlosspark Liesing).

knochen sowie Fragmente von Haushaltsgeschirr aus Keramik und Porzellan (Abb. 2 Fnr. 7; 69,04 m über Wr. Null). Offenbar wurde der Park im 20. Jahrhundert an dieser Stelle für die Müllentsorgung genutzt. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gelände von mehreren Bomben getroffen. Reste von zwei Abfallgruben (Abb. 2 Bef.-Nr. 8, 9) konnten im Profil dokumentiert werden. Die mit humosem, sandig-lehmigem Material verfüllte Grube (Bef.Nr. 8; UK 68,63 m, erh. OK 69,31 m über Wr. Null) wurde von einer weiteren Grube (Bef.-Nr. 9; UK 68,54 m, erh. OK 69,66 m über Wr. Null) geschnitten und enthielt wenig Bauschutt und Tierknochen, vereinzelt Holzkohlestückchen und Ziegelfragmente. In ihr fanden sich auch Reste von spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Keramik. Die jüngere Grube (Bef.-Nr. 9) war mit sandigem Lehm und zahlreichen Schlachtabfällen sowie relativ rezentem Fundmaterial wie glasierter Keramik und Porzellan verfüllt. Darüber hinaus traten auch Ziegelfragmente und frühneuzeitliche Keramik auf. Beide Gruben waren in den anstehenden Lehm eingetieft. Ein wohl Ende des 19. Jahrhunderts errichteter, aus Ziegeln gemauerter Abwasserkanal wurde im Nordosten der Fläche freigelegt (Abb. 2 Bef.-Nr. 12). Er war mit Steinplatten und Bruchsteinen abgedeckt und dürfte zu einem Haus gehört haben, das bis zuletzt an dieser Stelle stand. Eine geböschte Stützmauer (Abb. 2 Mauer 1; UK 68,28–68,71 m, erh. OK 68,91–70,01 m über Wr. Null) mit einer erhaltenen Höhe zwischen 0,46 und 1,55 m und einer Breite von 0,46 bis 0,80 m wurde im südwestlichen Areal der zu bebauenden Fläche angetroffen und bestand aus einem unregelmäßig gesetzten Trockenmauerwerk mit vorwiegend Bruchsteinen und wenigen Ziegeln (zumeist fragmentiert). Sie war an der Ostseite gegen das lehmige Erdreich gemauert. Ihr Fundament ruhte auf einer anstehenden, sterilen, sandig-lehmigen bis schottrigen Schicht und sie verlief leicht gekrümmt von Südwesten nach Nordosten. Diese ursprünglich wohl eine Böschung stützende Mauer könnte in Zusammenhang mit einer ehemaligen Gartengestaltung gestanden haben (Abb. 3). Die verwendeten Ziegel sprechen für eine Errichtung in der Neuzeit. Reste einer weiteren Mauer (Abb. 2 Mauer 2; UK 68,66 m, erh. OK 69,87 m über Wr. Null) fanden sich zwischen den Mauern 1 und 3. Hier stand

2 Nachzuschlagen bei www.kulturgut.wien. at. 3 MA 41 – Stadtvermessung, Stadtkarte 32–4, April 1963.

261 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Fundchronik

Wien 23

Abb. 2: Neuzeitliche Befunde im nördlichen Bereich des Liesinger Schlossparks. (Plan: M. Schulz)

bis vor Baubeginn ein Gebäude, das vermutlich gegen Ende des 19. Jahrhunderts errichtet worden war. Im Franziszeischen Katasterplan sind hier noch keine Gebäude verzeichnet. Die bis zu 1 m hohen und 0,51 bis 0,59 m breiten Fundamentreste des Gebäudes schlossen nördlich der Mauer 1 und südlich der Mauer 3 an. Das Mauerwerk bestand überwiegend aus Kalksandsteinen und wenigen Ziegeln, die mit einem stark ausgewitterten, sandigen Mörtel gebunden waren. Die Mauer 3 (UK 69,21–69,39 m, erh. OK 70,27 m über Wr. Null) setzte nördlich und westlich von Mauer 2 mit einer Baunaht an, duplierte in ihrem südlichen Teil die Mauer 2 und konnte bis zur nördlichen Grundstücks-/Baugrubengrenze verfolgt werden. An dieser Stelle erhob sich bis zuletzt ein kleiner Hügel, nach dessen Abtrag die Reste dieser Mauer zutage traten. Von ihr war der Fundamentsockel aus Bruchsteinen in Kalkmörtelbindung 0,70 bis 1 m hoch erhalten. In der Mauerfüllung fand sich wenig Ziegelbruch. Ihre Mauerstärke variierte von 0,48 bis 0,55 m. Diese Mauer dürfte zu einem ehemaligen Gebäude gehört haben. An der Ostseite wies die Mauer 3 in regelmäßigen Abständen 0,30 m tiefe, unterschiedlich breite Pfeiler aus Ziegeln und Bruchsteinen auf, die sekundär angesetzt worden waren. Im Nordosten der Mauer 3 schloss in östlicher Richtung eine weitere Mauer (Mauer 4; UK nicht erfasst, ergraben bis 69,26 m, erh. OK 70,15 m über Wr. Null) aus Misch-

262 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Wien 23

Fundchronik

Abb. 3: Mauer 1, Blick nach Süden, im Hintergrund das Schloss Liesing. (Foto: H. Krause)

mauerwerk an, die mit Mauer 3 verzahnt war und bis zur Baugrubengrenze verfolgt werden konnte. Weitere Reste von ihr dürften unter der Haeckelstraße zu erwarten sein. Daraus folgt, dass die Mauern 3 und 4 vor Anlage der Haeckelstraße errichtet wurden. Aus dem Franziszeischen Katasterplan von 1818 geht hervor, dass sich der Schlosspark zu jener Zeit über die Haeckelstraße hinaus erstreckte. Auf ihm sind aber an dieser Stelle keine Gebäude verzeichnet. Die Mauerreste 3 und 4 dürften neuzeitlich sein. Eine präzisere Datierung lässt sich anhand ihrer spärlich erhaltenen Reste nicht geben. Abschließend sei erwähnt, dass aus den lehmig-schluffigen Ablagerungsschichten des ehemaligen Altliesingbachs vereinzelt urgeschichtliche, mittelalterliche und frühneuzeitliche Keramikscherben – als angeschwemmtes, umgelagertes Material ohne erkennbaren Befund – geborgen werden konnten. (H. K.)

263 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Fundchronik

Negativkataster/Fundmeldungen

Negativkataster Adresse/Vorhaben Wien 2, Seitenhafenstraße (Freudenau): Ausbau der Straße Wien 2, Alexander-Poch-Platz 6 (Pfarre St. Leopold): Pflasterung und Einbau sanitärer Anlagen im Hof Wien 6, Gumpendorfer Straße 154–156: Neubau

mögliche Bodendenkmale prähistorische Siedlungsspuren, Pestgruben, Relikte Franzosenkriege mittelalterliche/neuzeitliche Synagoge, Bestattungen

Beobachtung keine Befunde und Funde

jungsteinzeitliche Siedlungsgruben, völkerwanderungszeitliche Gräber

Wien 6, Wallgasse 15–17: Neubau Wien 10, Oberlaaer Straße 246–248: Errichtung von Hallen ohne Unterkellerung Wien 11, Johann-Petrak-Gasse: Neubau Abfalllogistikzentrum Pfaffenau Wien 14, Hütteldorfer Straße 188 (Geriatrie Baumgarten): Neubau Wien 19, Leopoldsberg: Renovierung Wien 21, Brünner Straße 250: Neuerrichtung Wohnsiedlung Wien 21, Gaswerk Leopoldau: Errichtung einer Röhrenspeicheranlage Wien 23, Kirchenplatz: Neugestaltung

völkerwanderungszeitliche Gräber prähistorische und römische Siedlungsspuren

Bauplatz größtenteils unterkellert, rezente Kanäle, restliches Grundstück ohne Befunde oder Funde bisher nur gestörter Bereich keine Befunde und Funde

Es wurden nur rezente Planierschichten angetroffen.

prähistorische Siedlungsspuren, Pestgruben, Relikte Franzosenkriege neuzeitlicher Friedhof

keine Befunde und Funde Aushub blieb in der bestehenden Kubatur.

prähistorische Siedlungsreste, Burg prähistorische Siedlungsreste

Das Vorhaben wurde bisher nicht realisiert. keine Befunde und Funde

prähistorische Siedlungsspuren, neuzeitliche Bestattungen neuzeitlicher Friedhof

durch bisherige Anlage flächig gestört, keine Befunde und Funde Das Vorhaben wurde bisher nicht realisiert.

Fundmeldungen Adresse Wien 13, Speisinger Straße 87

Objekte Keller

Bestimmung 19. Jahrhundert

(J. G./Ch. Ö.)

264 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

265 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tagungsberichte

Tagungsberichte

“Cremation Burials in the Region between

präsentiert und Karin Wiltschke-Schrotta stellte

ches) wurde von Ferdinand Opll, dem langjäh-

the Middle Danube and the Aegean, 1300–

im Namen eines Teams von Archäologen und

rigen Direktor des Wiener Stadt- und Landes-

750 BC”

Humanbiologen einen höchst informativen wie

archivs, zum Thema “The European Historical

Wien (A)

anschaulichen kurzen Film vor, in dem das ar-

Atlas of Towns. Project, Vision, Achievements”

11.–12. Februar 2010

chäologische Experiment einer Kremation auf

gehalten. Der Österreichische Städteatlas wur-

Das internationale Symposium „Brandbestat-

einem nachgebauten Verbrennungsplatz im

de in einem weiteren Vortrag von Andreas

tungen von der mittleren Donau bis zur Ägäis

Hallstätter Hochtal dokumentiert wurde. (M. P.)

Weigl, ebenfalls vom Wiener Stadt- und Lan-

zwischen 1300 und 750 v. Chr.“ wurde von

desarchiv, thematisiert: “The Austrian Atlas of

der Prähistorischen und der Mykenischen

Historic Towns on DVD. A tool for comparative

Kommission, Zentrum für Altertumswissen-

“5th International Workshop on Digital

urban history studies”. Die 2010 erschienene

schaften an der Österreichischen Akademie

Approaches in Cartographic Heritage”

DVD enthält den gesamten Umfang der inzwi-

der Wissenschaften, veranstaltet und am 11./

Wien (A)

schen elf Bände und bietet gegenüber der ge-

12. Februar 2010 in Wien abgehalten.

22.–24. Februar 2010

druckten Ausgabe mannigfache Vorzüge für

Über den behandelten Zeitraum – das Ausklin-

Die ICA (International Cartographic Associa-

den wissenschaftlichen Bearbeiter.

gen der Bronzezeit und der Beginn der Eisen-

tion) Commission on Digital Technologies in

Auch die Stadtarchäologie Wien war mit einem

zeit –, als im Rahmen der sog. Urnenfelderkul-

Cartographic Heritage und die TU Wien (Re-

Vortrag von Wolfgang Börner und der Ver-

tur(en) in ganz Europa die Anlage von Brand-

search Group Cartography) luden vom 22. bis

fasserin vertreten: “Digital Documentation of

gräberfeldern vorherrschend war, und durch

zum 24. Februar 2010 im Hauptgebäude der

Archaeological

den geographischen Bogen vom mittleren Do-

Technischen Universität am Karlsplatz zum be-

Berichterstatterin, die auch eine der Sektionen

naugebiet über den Balkan bis zur Ägäis konn-

reits 5. Workshop ihrer Kommission.

leitete, referierte über das abteilungsübergrei-

ten die Forschungsschwerpunkte beider Kom-

Der internationale Workshop in englischer

fende Webportal im Magistrat der Stadt Wien,

missionen sinnvoll miteinander verknüpft wer-

Sprache richtete sich hauptsächlich an Studie-

„Wien Kulturgut“, welches den Zugang zu we-

den.

rende, WissenschafterInnen, VertreterInnen der

sentlichen Identitätsmerkmalen der Stadt er-

Zur Tagung wurden gezielt namhafte Archäolo-

Kartenerstellung und -produktion und der digi-

möglicht. Ein wichtiger Bestandteil der Applika-

gen aus den betreffenden Ländern (bzw. sol-

talen Industrie sowie überhaupt an Menschen,

tion ist der – erstmals von der Stadtarchäologie

che, die ebendort forschen) eingeladen, welche

deren Arbeit in irgendeiner Weise auf das karto-

Wien vollständig digitalisierte – „Franziszeische

das Auftreten und die Verbreitung der Brand-

graphische Erbe fokussiert. Die Veranstaltung

Kataster“ (entstanden für Wien zwischen 1817

bestattungssitte im jeweiligen Gebiet darstell-

diente vor allem dem Austausch von Wissen,

und 1824), der als eigener Layer über die Wie-

ten. Im Vergleich wurden nicht nur unterschied-

Erfahrungen und Ideen um die Frage, was die

ner Stadtkarte gelegt werden kann und damit

liche Forschungsstände und -niveaus der je-

digitale Revolution sowie moderne Informa-

eine Vergleichsmöglichkeit zu heutigen Parzel-

weiligen Länder deutlich, sondern es konnte

tions- und Kommunikationstechnologien bei-

lengrenzen, Bebauung sowie Verkehrs- und

sich letztlich doch auch ein Bild der gegenseiti-

tragen können im Bezug auf Zugang zu bzw.

Grünflächen bietet.

gen Beeinflussungen der verschiedenen regio-

Visualisierung und Kommunikation von relevan-

Das Vortragsprogramm wurde durch einen

nalen Kulturgruppen der Spätbronzezeit ge-

ten Daten im Bereich des kartographischen Er-

Nachmittag mit Exkursionen abgerundet. Ziele

winnen lassen.

bes.

waren unter anderem das Globenmuseum, ei-

Es zeigte sich einmal mehr, dass vor allem mo-

Die Vielfalt und Breite der Veranstaltung spie-

ne themenbezogene Führung durch das Wien

dern gegrabene, gut befundete und systema-

gelte sich in den zahlreichen behandelten The-

Museum sowie ein Besuch im Bundesamt für

tisch erforschte Gräberfelder die Möglichkeit

mengebieten wider: interdisziplinäre Dimension

Eich- und Vermessungswesen.

eröffnen, zumindest die rituellen Handlungsab-

des kartographischen Erbes – Transformation

läufe im Zuge des Grabbrauchtums rekon-

alter Globen, Karten und Dokumente in digitale

Heritage

in

Vienna”.

Die

(S. U.)

struieren zu können (wenn schon nicht die da-

Formen – Vergleich digitaler Methoden – Adap-

Internationaler Workshop „FORTE CUL-

hinter liegenden religiösen Vorstellungen).

tion von digitalen Analyse- und Interpretations-

TURA“

Für die Belange der Archäologie des Wiener

techniken für das kartographische Erbe – digi-

Wien (A)

Raumes waren vor allem drei Vorträge von grö-

tale Unterstützung von und virtueller Zugriff

17. März 2010

ßerer Bedeutung: Der aktuelle Forschungs-

auf Kartensammlungen – digitale Unterstüt-

Die Plattform „FORTE CULTURA“ hat die Aner-

stand zu den Bestattungssitten der mitteldo-

zung zum Schutz und Erhalt des kartographi-

kennung des ehemaligen K. K./K. u. K. Fes-

nauländischen Urnenfelderkultur wurde auf Ba-

schen Erbes – Möglichkeiten der Informations-

tungsgürtels vom Baltischen Meer bis zur Adria

sis von jüngst ausgewerteten Gräberfeldern im

und Kommunikationstechnologien zur Verbrei-

als Weltkulturerbe zum Ziel. Die baltischen Fes-

Traisental (Michaela Lochner) sowie von Sop-

tung des kartographischen Erbes …

tungen sind bereits im Projekt „Baltic Fort Rou-

ron-Krautacker

Einer der beiden Fachvorträge (keynote spee-

te“ zusammengefasst (siehe den unten an-

(Carola

Metzner-Nebelsick)

266 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tagungsberichte

schließenden Bericht von H.-R. Neumann).

Das EU-Projekt „Baltische Kultur- und

gen“, kurz Baltic Fort Route (BFR) und sollte

Die Tagung in Wien im Ministerium für Unter-

Tourismusroute Festungen (BFR)“

durch den Europäischen Regional-Entwick-

richt, Kunst und Kultur diente dazu, den organi-

Grundlagen zur Einreichung eines Förderan-

lungs-Fond im Bereich der Ostsee-INTER-

satorischen Ablauf zu erklären, der nach allen

trags im Jahre 2004 bei der Europäischen

REG-III-B-Nachbarschafts-Programme

Regeln des modernen Projektmanagements

Union bildeten Überlegungen, wie ein umfang-

nanziert werden. Leitgedanke des Antrags

gestaltet wurde, sowie den bisherigen Fort-

reiches kulturhistorisches Erbe in Form ehema-

war, dass Festungen und Festungsanlagen

schritt abzuklären und die Budgetsituation zu

liger Befestigungsanlagen nach dem Abzug der

als gemeinsames wichtiges Kulturerbe verstan-

erläutern.

Streitkräfte des Warschauer Pakts gerettet und

den werden, dessen Monumente dem Frieden,

Die Leitung des Gesamtprojektes liegt bei der

umgenutzt werden könnte. Mit der Beendi-

der Kultur und dem Tourismus dienen sollen.

Stadt Erfurt in Thüringen. Projektpartner sind

gung des Kalten Krieges waren eine Reihe his-

Der Antrag bestand aus vier Arbeitspaketen:

Regionen

Polen,

torischer Festungen in den Ostsee-Ländern

1 – Dokumentation, Inventarisation und Aufbau

Deutschland, Tschechien, Slowakei, Ukraine,

des ehemaligen Ostblocks frei geworden. Die-

einer Datenbank zur Erfassung und zum

Österreich, Ungarn, Slowenien und Italien. Die-

se seit dem Zweiten Weltkrieg von militärischen

Schutz des Kulturerbes Festungen und zur

se Länder sorgen mit finanziellen Beiträgen für

Truppeneinheiten belegten Festungsanlagen

Vorbereitung für kulturelle und touristische

das Budget, das von der EU mitfinanziert wird.

gestatteten der Bevölkerung keinen Zutritt. In-

Nutzungen

Darüber hinaus gibt es noch assoziierte Part-

sofern war auch keine kontinuierliche Fort-

2 – Entwicklung einer transnationalen Koopera-

ner, die das Projekt mit Wissen und Infrastruk-

schreibung bei Erfassung, Inventarisation und

tion für Restaurierungen und ökologisches Ma-

tur unterstützen.

denkmalpflegerischer Behandlung als Kultur-

nagement

Unter dem Motto „Gemeinsame Geschichte –

gut möglich. Die Aufgabe, die sich nach dem

3 – Denkmalverträgliche und ökonomische

gemeinsamer Wert – gemeinsame Verantwor-

Abzug der Militäreinheiten den übernehmen-

Nutzungen von Festungen und Ausformung

tung – gemeinsame Zukunft“ wurden von den

den Gemeinden, Kreisen und Ländern stellte,

von Management-Strukturen für qualitative

Organisatoren sechs Arbeitspakete definiert,

war und ist enorm.

touristische Einrichtungen

die von den Projektpartnern abzuarbeiten sind.

Dem Förderantrag war bereits drei Jahre zuvor

4 – Gemeinsame Entwicklung einer neuen Kul-

Es sind dies (in Kurzform die Bezeichnungen):

ein anderes INTERREG-III-B-Projekt vorausge-

turroute „Baltische Kultur- und Tourismusroute

AP 1: Management, AP 2: Kommunikation

gangen, das sich unter dem Namen CONVER-

Festungen“ als Modell für Festungs-Tourismus

und Wissensmanagement, AP 3: Integration

NET zum Ziel gesetzt hatte, durch Konver-

im Ostseeraum

in die Stadtentwicklung, AP 4: touristische Ver-

sionsmaßnahmen

Militärflächen

Der Arbeitsplan des Projekts sah des Weiteren

marktung, AP 5: Inventarisierung und wirt-

des „Ostblocks“ neuen Funktionen und Nut-

zahlreiche gemeinsame Veranstaltungen wie

schaftliche Bewertung, AP 6: Schutz der Mo-

zungen zuzuführen. Ein Arbeitspaket dieses

die Durchführung von Network-Meetings, einer

numente.

Projekts befasste sich auch mit historischen

internationalen Konferenz sowie einer Wander-

In der darauffolgenden Gesprächsrunde be-

Festungsanlagen, die in die Verteidigungskon-

ausstellung vor (siehe unten).

richteten die anwesenden Vertreter der teil-

zeption der Warschauer-Pakt-Staaten mitein-

In dem Projekt waren Deutschland, Polen, Li-

nehmenden Institutionen von den bisherigen

bezogen waren. Allerdings kam man zu dem

tauen und Russland mit der Enklave Kalinin-

Vorarbeiten und bestätigten oder korrigierten

Schluss, dass größere und intensivere Anstren-

grad als assoziierter Partner involviert. Wissen-

ihren finanziellen Beitrag. Da ein Partner, näm-

gungen notwendig wären, um gerade den his-

schaftliche Unterstützung erhielt das Projekt

lich Linz-Leonding, abgesprungen war und an-

torischen und kulturrelevanten Aspekten bei In-

durch universitäre Einrichtungen wie der Euro-

dere Institutionen, die ihre Teilnahme zugesagt

standsetzung, Um- und Neunutzung gerecht

pa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder (Lehr-

hatten, sich schließlich dagegen entschieden

zu werden.

stuhl Denkmalpflege, Master Programm „Euro-

hatten, war ein Fehlbetrag entstanden, wes-

In Verbindung mit weiteren Akteuren, auch in-

päisches Kulturerbe“ am Collegium Polonicum

halb weitere Teilnehmer gesucht wurden. Die

folge einer gemeinsamen Besprechung euro-

in Slubice), der Humboldt-Universität zu Berlin

Verfasser waren als Vertreter der Stadt Wien

päischer Vertreter während einer INTERREG-

(Landwirtschaftlich-Gärtnerische

anwesend. Eine Beteiligung Wiens an dem

III-C-Konferenz in Berlin im Jahre 2003, kristal-

Fachgebiet Ökologie der Ressourcennutzung),

Projekt erschien nicht sinnvoll, da die wenigen

lisierte sich ein erster Stab an Mitarbeitern und

der Immanuel-Kant-Universität in Königsberg,

sichtbaren Reste der renaissancezeitlichen

Spezialisten heraus, der bereit war, sich dieser

der Vytautas-Magnus-Universität (Institut für

Stadtmauer in keinem Verhältnis zu den ande-

neuen Aufgabe zu stellen. Infolge der vorberei-

Militärgeschichte) und der Technischen Univer-

ren Monumenten stehen.

tenden Arbeiten konnte im September 2004 ein

sität (Institut für Architektur und Konstruktion) in

Die Tagung endete mit einer Information über

Förderantrag im für den Ostseebereich zustän-

Kaunas. Verschiedenen Teilnehmern des Pro-

die Normen und Regeln von Anträgen an das

digen Büro Rostock der Europäischen Union

jekts stand es offen, ihr fachliches Input durch

EU-Zentraleuropa-Programm.

eingereicht werden, der nach Bearbeitung wei-

externe Fachexperten zu ergänzen bzw. zu er-

Am darauffolgenden Tag nahm der Leiter des

terer Auflagen seitens der EU im April 2005 ge-

weitern.

Koordinationszentrums in Berlin, Hartmut Rö-

nehmigt wurde.

Bei der Festungsroute, die ausgearbeitet wer-

der, an der Tagung „Stadtbefestigung“ der

Dieser Förderantrag war als ein transnationales

den sollte, handelte es sich um eine zweigeteil-

Stadtarchäologie Wien teil und zeigte sich be-

Kooperations-Projekt zu Festungen in Verbin-

te Route: eine entlang der Ostsee und eine

eindruckt von den wissenschaftlichen Leistun-

dung mit wissenschaftlichen Einrichtungen im

landgestützte Route. Zugleich sollten Verknüp-

gen, welche die Dienststelle am Befestigungs-

Bereich der Ostsee-Region für einen Drei-Jah-

fungen für Erweiterungen in Nachbarregionen

sektor vorzuweisen hat.

res-Bearbeitungszeitraum von 2005 bis 2007

und -staaten gegeben sein. Die unterschiedli-

konzipiert. Das Projekt trug den Namen „Balti-

chen Festungen sollten durch Verbindung ihrer

sche Kultur- und Tourismus-Route Festun-

architektonischen Bedeutung mit dem Naturer-

und

Institutionen

aus

(Ch. Ö./K. F. A.)

ehemalige

teilfi-

Fakultät,

267 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tagungsberichte

lebnis durch ihre Lage am Wasser an besonde-

aus dem 18. Jahrhundert stammenden preußi-

trations-Vorhaben, vier praktische Kurse für

rem touristischem Wert gewinnen.

schen Festungsreste sollten mit Projektmitteln

Studenten,

Ein Blick auf die einzelnen Teilnehmer lässt die

im Stadtbild aufgewertet und als zusätzliche

Work-Package-Meetings, zehn Workshops,

Verschiedenartigkeit der Festungsanlagen er-

Tourismusangebote evaluiert werden. Gdan´sk/Danzig besitzt noch weitestgehend

drei Seminare und eine wissenschaftliche Kon-

kennen. Bei der Festung in Dömitz an der Elbe südöstlich von Hamburg handelt es sich um ei-

seinen alten bastionären Festungskranz; am

stitutionen gegründet, drei elektronische Vir-

ne Zitadelle aus der zweiten Hälfte des 16.

Projekt haben jedoch im Hinblick auf Touris-

tualisierungen von Festungen hergestellt sowie

Jahrhunderts, deren Toranlage im Rahmen

musverbesserungen nur das Fort Hagelsberg

sechs schriftlich fixierte Konzepte und Spezial-

des EU-Projekts saniert werden sollte. Die Zita-

oberhalb des Hauptbahnhofs und die Festung

publikationen entwickelt.

delle in Spandau bei Berlin gilt als eine der be-

Weichselmünde, unterhalb der Westerplatte

Durch die zahlreiche Teilnahme von Universitä-

deutendsten Festungsanlagen im norddeut-

gelegen, teilgenommen. Die beiden letzten

ten gelang es, ein höchst wissenschaftliches

schen Raum. Im Rahmen des Projekts sollten

am Projekt teilnehmenden Festungsanlagen in

Output hinsichtlich der Informationsvermittlung

ökologische Verbesserungen erzielt werden.

Polen waren die Feste Boyen in Giz˙ ycko/Löt-

zu erzielen. Die Konstellation der verschiede-

Die Zitadelle war das einzige Objekt, das sei-

zen, eine ehemalige preußische Sperrfestung

nen Wissenschaftseinrichtungen hat erstmals

nerzeit nicht dem Ostblock unterstand, da in

innerhalb der Masurischen Seenplatte, und

eine Basis geschaffen, auf deren Grundlage ei-

West-Berlin gelegen. Allerdings bestand auch

die nördlich von Warschau gelegene Zitadelle

ne Erweiterung europaweit möglich ist. Es ist

hier ein erheblicher Handlungsbedarf aufgrund

der ehemals russischen Großfestung Modlin,

nicht nur an eine Erweiterung mit anderen Uni-

der jahrzehntelang vernachlässigten Behand-

deren Ursprünge auf französische Planungen

versitäten und Wissenschaftseinrichtungen ge-

lung aus gesamtpolitischer Sicht. Gleiches gilt

und Bauten zurückgehen.

dacht, sondern auch an die Ausweitung der

für das Fort Hahneberg in Spandau, das als

Seitens Russlands war die ehemalige preußi-

Themenfelder wie Ökonomie, Tourismus, Kul-

einziges Fort im 19. Jahrhundert im Rahmen

sche Großfestung Königsberg, das heutige Ka-

turlandschaften usw.

eines geplanten Fort-Gürtels errichtet worden

liningrad, vertreten. Die Festungsanlagen befin-

Einen wichtigen wissenschaftlichen Output

war und während der Teilung der Stadt Berlin

den sich trotz der Kriegsereignisse 1945 in ei-

stellt die 144 Seiten umfassende Broschüre

bis 1989 im Todesstreifen der Grenze lag. Die

nem passablen Zustand und lassen die Aus-

“Appropriate Monumental Use of Fortresses”

Malzhaus-Bastei in Peitz, nördlich von Cottbus,

dehnung der ehemaligen Festung erkennen.

(= Denkmalgerechte Nutzung von Festungsan-

ist der letzte oberirdische Rest der einstmals im

Mit Staatsmitteln wurde anlässlich der 750-

lagen)

16. Jahrhundert entstandenen und im 18.

Jahr-Feier das Königstor detailgerecht restau-

publikationen.html). Sie dokumentiert und un-

Jahrhundert bereits niedergelegten preußi-

riert und in Anwesenheit des russischen

tersucht Möglichkeiten, wie Festungen und

schen Festung Peitz. Mit Projektmitteln sollte

Staatspräsidenten Putin, des französischen

Festungsbauteile am sinnvollsten genutzt wer-

der bauliche Verfall gestoppt und den Kase-

Staatspräsidenten Chirac und des deutschen

den können.

matten eine neue Funktion als Tourismus-Cen-

Bundeskanzlers Schröder am 3. Juli 2005

Ein weiterer wissenschaftlicher Output stellte

ter gegeben werden. Fort Gorgast war Teil der

feierlich als Museum eröffnet. Langsam beginnt

die Wissenschaftskonferenz in Kaunas im März

ehemaligen preußischen Großfestung Küstrin

die Adaption der ehemaligen preußischen Fes-

2007 dar. Die Konferenz befasste sich in drei

an der Oder und befindet sich heute auf der

tungsanlagen – viele dienen bereits als Museen

Arbeitsgruppen mit der Erforschung von Ge-

deutschen Seite der Oder. Projektmittel sollten

oder für gastronomische und sonstige kulturel-

schichte und Architektur, Restaurierung und

für eine Verbesserung der touristischen Er-

le Einrichtungen, doch fehlt nach wie vor ein

Natur-Management sowie der Nutzung von

schließung verwendet werden.

Gesamtkonzept für den Ring der Außenforts.

Festungsanlagen. Im Ergebnis der Konferenz

Die polnische Stadt Küstrin/Kostrzyn nad Odra˛

Aus Litauen nahm die Stadt Kaunas teil, deren

wurde die „Deklaration von Kaunas“ verab-

fungierte in dem Projekt als Leadpartner (www.

ehemalige russische Großfestungsanlagen mit

schiedet. Die drei Seiten umfassende Deklara-

bfr.kostrzyn.pl). Die Altstadt wurde am Ende

ihren unzähligen Forts ebenfalls einer neuen

tion hält fest, dass Festungen ein wichtiger Teil

des Zweiten Weltkriegs vollständig zerstört, ih-

Nutzung harren. Durch ihre Teilnahme am Pro-

des kulturellen Erbes, der europäischen Ge-

re Ruinen sowie die Kulturdenkmäler wie Kirche

jekt erhoffte sich die Stadt Kaunas ein besseres

schichte und der europäischen Zukunft sind,

und Schloss in der Folgezeit abgeräumt. Je-

Verständnis ihrer Bürger für dieses Anliegen,

und dass historische Festungen Schutz und

doch haben sich die Festungsanlagen erhalten.

denn zum großen Teil werden die russischen

Umformung benötigen. Sie fordert gleichzeitig

Im Zuge der Neubebauung der Altstadt sollten

Anlagen als ehemalige Besatzungsarchitektur

Europa auf, das Kulturerbe Festungen zu retten

Projektmittel für die Sanierung des ehemaligen

und weniger als kulturelles Erbe empfunden.

und zu entwickeln.

Berliner Festungstors und dessen Einrichtung

Die Projektergebnisse, die sog. Outputs, las-

Das „Transnational Information System“ (TIS)

als Tourismus-Zentrum verwendet werden. In

sen sich in wissenschaftliche und praktische

als transnationaler Datenspeicher sammelt In-

der ehemals preußischen Hafenfestung Swinemünde, heute S´winoujs´cie, gibt es bis auf den

Ergebnisse unterscheiden. Wichtigstes Ergeb-

formationen über die Festungen des Baltikums

nis war die Etablierung der „Baltischen Kultur-

und Skandinaviens. Er hat sämtliche Aktivitä-

heutigen Tag noch viele einzeln stehende Fes-

und Tourismusroute Festungen“, deren Initiali-

ten, Seminar-, Workshop- und Konferenzer-

tungsbauten, vor allem aber auch schwere

sierung durch Verleihung der Urkunden und

gebnisse sowie die Outputs des Projekts doku-

Küstenbatterien aus der Zeit des Zweiten Welt-

Aushändigung der Routenschilder an die Bür-

mentiert. Darüber hinaus speichert er weltweite

kriegs. Hier sollten Projektmittel hauptsächlich

germeister der betreffenden Festungen am

Informationen, die sich mit Festungen und Fes-

für die Verbesserung der touristischen Erschlie-

18. Oktober 2007 während des letzten Net-

tungsentwicklung befassen.

ßungsstruktur verwendet werden. Kołobrzeg,

work-Meetings in Kostrzyn nad Odra˛ stattfand.

Es sind drei Kompetenz- und Beratungszen-

das ehemalige deutsche Kolberg, ist heute

Während des Projektzeitraumes konnten inner-

tren eingerichtet worden. Ein Zentrum an der

die bedeutendste Seebäderstadt Polens. Die

halb von drei Jahren neun Pilot- und Demons-

Humboldt-Universität zu Berlin befasst sich

sechs

Network-Meetings,

25

ferenz realisiert werden. Es wurden sieben In-

dar

(www.gku-se.de/html/inter/bfr_

268 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tagungsberichte

mit der Thematik „Naturmanagement in Fes-

dieser Touren war es möglich, bereits 2007 ei-

festungen in Europa - 2). Magdeburger Volks-

tungen“, die beiden anderen Zentren in Kaunas

nen namhaften deutschen Reiseveranstalter

stimme, Nr. 99, 30. April 2005, 5 (Beil. Wo-

mit der Erfassung und Dokumentation sowie

dazu zu bewegen, diese Angebote in seinen

chenend-Magazin). – H. Röder, Baltic Fort

der Restaurierung und Denkmalpflege von Fes-

Reisekatalog mit aufzunehmen. Darüber hi-

Route – Monuments for Peace, Culture and

tungsanlagen.

naus werden zahlreiche Touren auf individueller

Tourism. INTERREG-III-B-project for trans-na-

Die Ergebnisse des Projekts werden von einer

Basis organisiert, die bereits jetzt schon die

tional cooperation to develop a new cultural

Wanderausstellung mit einer Multimedia-Show

Möglichkeiten einer touristischen Verbesse-

route and to rescue fortifications as a cultural

begleitet, die im 3-Monats-Abstand in den

rung wahrnehmen können.

heritage. Parliament Regional Review, 5. Juni

Städten der Projektpartner zu sehen ist. Für

Am 7. Mai 2008 wurde die „Baltische Kultur-

2007. – Ders., Die europäische Konversions-

die Wanderausstellung existiert eine Begleit-

und Tourismusroute Festungen“ vom polni-

und Denkmalschutzaufgabe Küstrin/Kostrzyn.

broschüre. Als Marketing-Artikel wurden ein

schen Ministerium für Regionalentwicklung als

Rettung und Nutzung eines historischen Erbes

Projekt- und ein Produkt-Folder, drei Newslet-

„bestes grenzüberschreitendes Projekt“ mit ei-

unter den besonderen Bedingungen der pol-

ter und eine Tourismusbroschüre erarbeitet.

nem Nationalpreis ausgezeichnet.

nisch-deutschen Grenzlage. In: H.-R. Neu-

Die Kultur- und Tourismusroute ist auf mehre-

Nach Abschluss und infolge des Projekts stel-

mann (Bearb.), Erhalt und Nutzung historischer

ren Websites im Internet einsehbar; die Kom-

len sich zwei neue Aufgaben: Zum einen die

Großfestungen. Ergebnisse einer internationa-

petenz- und Beratungszentren verfügen über

Fortführung der begonnenen Route rund um

len Fachtagung vom 8. bis 11. Juni 2005 in

eigene

die Ostsee unter Einbindung der skandinavischen Staaten, zum anderen die Evaluierung

Magdeburg, hrsg. von der Landeshauptstadt Magdeburg (Mainz 2005) 179–192. – A. Z˙ u-

Ein anderes wichtiges Ergebnis war die Reali-

der Route zu einer „Europäischen Kulturroute

rawska-Tatala, Kostrzyn na turystycznym szla-

sierung von insgesamt neun Pilot- und De-

Festungen“ unter Federführung des Europä-

ku. Samorza˛ dny Kostrzyn 8, 2006, 9.(H.-R. N.)

monstrationsprojekten. Zwei Beispiele sollen

ischen Kulturrouten-Instituts in Luxemburg. Ei-

näher vorgestellt werden. Zum einen handelt

ne sich anschließende Zertifizierung durch den

es sich um die Entwicklung und Durchführung

Europarat in Straßburg ist somit denkbar.

von Sanierungstechnologien für die Restaurie-

Literaturauswahl: F. Anders, Pulverdampf an

rung des Eingangstores an der Zitadelle in Dö-

der Havelmündung. Die Welt am Sonntag, Nr.

mitz. Die Ergebnisse wurden vom Sanierungs-

52, 24. Dezember 2006, B 4 (Berlin-Wirt-

träger in einer Broschüre sowohl in deutscher

schaft). – BalticFortRoute. Baltic Culture and

wie auch in englischer Sprache dokumentiert

Tourism Route Fortresses. In: INTERREG IIIB

(www.bfrcenter.eu). Das zweite Beispiel stellt

and IIIC Projects/INTERACT Projects in Ber-

die Sanierung der Malzhaus-Bastei in Peitz

lin-Brandenburg 2000–2006, hrsg. von der In-

dar, die innerhalb von 36 Monaten restauriert

vestitionsBank des Landes Brandenburg und

und einer neuen Nutzung zugeführt werden

der Investitionsbank Berlin (Potsdam/Berlin

sollte. Auch dieses Projekt wurde trotz der

2007) 16 f. – A. Kalesse, „Baltic Cultural and

zahlreichen administrativen, technischen und

Tourism Route Fortresses“. Denkmalschutz In-

ökologischen Schwierigkeiten mittlerweile er-

formationen, 32. Jg., März 1, 2008, 68 f. – B.

folgreich abgeschlossen. Mit beiden Projekten

Kumanskij/H. Neumann, Wascha fortezja mo-

wurde der Nachweis erbracht, dass man inner-

sche stati okrasoju mista. Narodne Slowo (Ki-

halb einer bestimmten Zeit und mit einer be-

rovograd), Nr. 94, 4. September 2007, 2. –

stimmten Summe an Finanzmitteln durchaus

H.-R. Neumann, Baltic Fort Route – Marsch-

zu brauchbaren Ergebnissen und Resultaten

rout Baltijckich Fortow – Pamjatniki Mira I Kultu-

gelangen kann.

ri. BALTFORT. Baltijskij Woennij Schurnal/Bal-

Die Hauptergebnisse des Projekts sind jedoch

tic Military Magazine, Nr. 2/2008, 24 f. – Ders.,

die Ausformung von touristischen und kulturel-

Bałtycki Szlak Fortecznej Turystyki Kulturowej/

len Reiserouten (www.balticfortroute.eu). Es

Die Baltische Kultur- und Tourismusroute Fes-

boten sich vier große thematische Routen an:

tungen (BFR). In: T. Przerwa/G. Podruczny

Die Route „Ostsee-Küste und ihre Festungen“

(Red.), Twierdza Srebrnogórska II – Wojna

legt ihren Schwerpunkt auf eine Reiseroute ent-

1806–1807 – Miasteczko (Wrocław 2008)

lang der Ostsee-Küste. Die Route „Festungen

206–208. – Ders., Eine Zukunft für unser Erbe

untergegangener Reiche“ befasst sich schwer-

– die „Baltische Kultur- und Tourismus-Route

punktmäßig mit Festungsanlagen Preußens

Festungen“. In: A. Dietrich/I. Kretschmann

und des zaristischen Russlands. Die Drei-Län-

(Hrsg.), 450 Jahre Festung Dresden. Tagungs-

der-Festungstour bewegt sich nicht nur inner-

band zum Symposium am 11. November 2005

halb des Projektgebietes, sondern wagt auch

in der Festung Dresden (Dresden 2007) 150–

den Schritt nach Sachsen und nach Tsche-

160. – Ders., Internationaler Kongreß zur Fes-

chien unter Einbindung der dortigen Festungs-

tungsarchitektur in Litauen. Denkmalschutz In-

anlagen. Die Tour „Erlebnis mitteleuropäische

formationen, 31. Jg., Juli/August 2/3, 2007,

Festungen“ konzentriert sich auf Festungen in

30–32. – K.-H. Reps/H. Röder, Polen und

Mitteldeutschland. Aufgrund der Attraktivität

Deutsche bewahren Festung Küstrin (= Groß-

Websites

(www.fortresses.eu

und

www.bfrcenter.eu).

Colloquium Lentia 2010: Römische Bäder in Raetien, Noricum und Pannonien Linz (A) 6.–8. Mai 2010 Die „Gesellschaft für Archäologie in Oberösterreich“ lud vom 6. bis zum 8. Mai 2010 zu einer Tagung über „Römische Bäder in Raetien, Noricum und Pannonien“ in den prächtigen Barocksaal des Schlossmuseums Linz. Der Titel klingt möglicherweise etwas weit gefasst, bei näherer Betrachtung ist allerdings festzustellen, dass viele der in Österreich gefundenen Thermenanlagen noch nicht erschöpfend bearbeitet wurden, und eine geschlossene Vorlage zu diesem Thema steht ebenso aus. Im Verlauf der Veranstaltung und besonders in den Diskussionen zeigte sich, dass fundamentale Fragestellungen, wie die Lage der Bäder in städtischen Siedlungen, mögliche zeitlich und regional bedingte Entwicklungen oder Parameter, die der Interpretation einzelner Räume dienen, noch offen sind. Das Colloquium wurde damit zu einer Standortbestimmung der Thermenforschung in Österreich. Die Vortragenden kamen aus Deutschland und Österreich, wobei sämtliche Aspekte des Umgangs mit Thermen zur Sprache kamen, mit denen die Referenten zu der Zeit befasst waren. Das Programm war nach Provinzen geordnet, nach Raetien und angrenzendem Obergermanien folgten Noricum, Pannonien und schließlich Spezialthemen. Der Bogen spannte sich von der Konservierung und Rekonstruktion der Thermen im rechtsrheinischen Obergermanien (Martina Meyr) über aktuelle Ausgrabungs-

269 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tagungsberichte

berichte wie zum Beispiel der Fund einer Apsis

gen Ostblocks führte zu großen Problemen im

Degas-Gemäldes aus dem Cantini-Museum in

im Zuge einer Rettungsgrabung in Mautern

Kulturgüterschutz. Kulturgüter wurden nun als

Marseille (Dezember 2009). Neben anderen

(Eva Steigberger) bis hin zur Vorlage einer Alt-

neue Einnahmequelle entdeckt, was zu Plün-

Fällen konnte die deutsche Kulturgüterschutz-

grabung in der Zivilstadt von Vindobona (der

derungen von Kirchen, Kapellen, aber auch

einheit von der Auffindung eines in der Türkei

Verfasser). Die Spezialthemen betrafen Epigra-

Museen und Privatsammlungen führte. Oft

gestohlenen

fik (Ingrid Weber-Hiden), wärmetechnische Be-

werden diese gestohlenen Gegenstände, bei

Deutschland und dessen Rückstellung berich-

trachtungen (Hannes Lehar) und Wasserver-

denen es sich vor allem um Gemälde und Sta-

ten.

sorgung (Sarah Wolfmayr).

tuen (in der Mehrzahl sakrale Objekte), aber

Am zweiten Tag referierten Repräsentanten in-

Am Abend des ersten Tages hielt Hans Ulrich

auch um archäologisches Kulturgut handelt,

ternationaler Organisationen, die sich mit dem

Nuber von der Universität Freiburg im Breisgau

das illegal ausgegraben wurde, in den Nach-

organisierten Kulturgüterraub auseinanderset-

einen Festvortrag über römische Heilbäder als

barländern verkauft. Mit der ab 1995 erstmals

zen. Der Vertreter von UNODC berichtete über

Kult-, Prominenten- und Reha-Zentren. Der

organisierten Kulturgüterkonferenz mit dem

den gestiegenen Anteil des organisierten Ver-

Nachmittag und Abend des zweiten Tages

Schwerpunkt auf Mittel- und Osteuropa rea-

brechens am illegalen Handel mit Kulturgütern.

war einer Exkursion in die Museen von Enns

gierte Interpol auf diese Entwicklung. Das Ziel

Mit den erzielten Erlösen werden Waffenliefe-

und Wels, wo es zum Abschluss ein nach römi-

der Tagung in Wien war es, unter anderem ge-

rungen in Kriesengebiete finanziert, sie fließen

scher Art zubereitetes Buffet gab, gewidmet.

eignete gemeinsame Strategien zur Bekämp-

aber auch in den Handel mit Drogen.

Der Samstag stand für eine offene Diskussions-

fung der Kulturkriminalität zu finden (A. Gach,

Von Seiten der UNESCO wurden die internatio-

runde zur Verfügung, bei der einzelne Themen

Illegaler Kulturhandel. Öffentliche Sicherheit 9–

nalen Konventionen für den Schutz des Kultu-

vertieft und offene Fragen diskutiert wurden.

10, 2010, 27 f. www.bmi.gv.at/cms/BMI_Oef-

rellen Erbes sowie die “Database of National

Die Hauptpunkte waren: Anhand welcher Krite-

fentlicheSicherheit/2010/09_10/

Cultural Heritage Laws” vorgestellt; von ICOM

rien können ein Bau oder einzelne Befunde als

TURGUTDIEBSTAHL.pdf [25.7. 2011]).

die aktuelle „Rote Liste der gefährdeten Antiken

zu einer Therme gehörig identifiziert werden,

Der Eröffnungsvortrag von Dr. Ernst Geiger,

– Red List of Antiquities at Risk“ sowie Publika-

und gibt es bestimmte Hinweise auf die Lage

Bundeskriminalamt Wien, behandelte den bis-

tionen und Service-Dienste zu diesem Thema.

von Bädern innerhalb städtischer Siedlungen?

lang aufsehenerregendsten Kunstdiebstahl in

Der Mittwochnachmittag wurde mit einem Vor-

Die Vorträge werden in einem Tagungsband

Österreich, den Raub der Saliera von Benvenu-

trag der Vertreterin von Interpol, Generalsekre-

veröffentlicht und die Abhaltung eines weiteren

to Cellini aus dem Kunsthistorischen Museum

tariat, über die Notwendigkeit der Sicherung

Colloquiums wurde, weil nötig und sinnvoll,

in Wien. Neben dem genauen Tathergang wur-

von Kulturgütern abgeschlossen.

vereinbart.

de auch die Ermittlungsarbeit der Kriminalpoli-

Der dritte und letzte Tag hatte den Verkauf von

zei unter die Lupe genommen.

Kulturgütern über das Internet zum Thema.

Im Anschluss an die Präsentation des Saliera-

Hier wurde speziell das Schweizer Pilotprojekt

Raubes wurde von weiteren österreichischen

mit der Online-Auktionsplattform eBay vorge-

Kulturgut-Fällen berichtet, wobei hier auch mit

stellt, das auf die Beschränkung von Angebo-

positiven Meldungen, wie der Rückgabe von

ten, die Selbstkontrolle des Handels und das

Kulturgütern an Nachbarländer, aufgewartet

Schärfen des öffentlichen Bewusstseins ab-

werden konnte.

zielt. Seit Beginn des Projektes sind die Ange-

Das Programm wurde mit Vorträgen der Ver-

bote von Antiquitäten auf der Internetplattform

treter von Interpol-Mitgliedsstaaten Mittel- und

von eBay Swiss stark rückläufig. Auch wenn

Osteuropas fortgesetzt (Kroatien, Tschechien,

ein Ausweichen der Anbieter auf andere Platt-

Litauen, Frankreich, Deutschland, Italien, Grie-

formen in diesem Zusammenhang noch nicht

chenland und Ungarn). Speziell Kroatien konn-

verhindert werden kann, ist diese Zusammen-

te mit einer positiven Statistik der letzten Jahre

arbeit als richtungsweisend zu bewerten.

aufwarten. Die Anzahl der gestohlenen Objekte

Die Vortragsreihe wurde mit den Präsentatio-

ist stark rückläufig, was auch mit der Normali-

nen von “Non Police Organisations” wie der

sierung der Verhältnisse nach dem Balkankrieg

“Union of European Historic Houses Associa-

in Zusammenhang steht. Durch die verstärkte

tions” abgeschlossen, deren Vertreter Tipps

internationale Zusammenarbeit können auch

zur sicheren Verwahrung (u. a. Alarmanlagen)

die übrigen Staaten auf einen Rückgang der

in privaten Häusern vorstellten.

Diebstähle und eine höhere Aufklärungsrate

Die Ergebnisse der Konferenz wurden zusam-

verweisen. Der Berichterstatter aus Frankreich

mengefasst und sind auf der Internetseite von

erklärte die Strukturen des französischen Kul-

Interpol

turgüterschutzes und berichtete von einigen

WorkOfArt/Conferences/20100608/conclus

neuen aufsehenerregenden, noch ungeklärten

ions.pdf [25.7. 2011]).

(Ch. Ö.)

“6th International Conference on illicit Traffic in Cultural Property Stolen in Central and Eastern Europe” Wien (A) 8.–9. Juni 2010 Die 6. Internationale Konferenz zum illegalen Kulturhandel in Mittel- und Osteuropa fand in Wien, im Bundesministerium für Inneres statt. Organisatoren dieser Veranstaltung waren das Generalsekretariat von Interpol und das österreichische Bundeskriminalamt. Die Begrüßung der 100 Delegierten aus 19 Nationen – neben Vertretern von Interpol-Mitgliedsstaaten

waren

Repräsentanten

von

UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization), ICOM (International Council of Museums), UNODC (United Nations Office on Drugs and Crime) und UEHHA (Union of European Historic Houses Associations) anwesend – wurde durch Dr. Herbert Anderl, Direktor für öffentliche Sicherheit, Bundesministerium für Inneres, General Franz Lang, Direktor des Bundeskriminalamtes Wien und Karl-Heinz Kind, Koordinator, Interpol Generalsekretariat vorgenommen. Speziell die Öffnung der Länder des ehemali-

files/KUL

römischen

abrufbar

Kaiserkopfes

in

(www.interpol.int/Public/ (W. B./K. F. A.)

Fällen, wie dem Raub eines Skizzenblockes von Pablo Picasso aus dem Picasso-Museum in Paris (Juni 2009) oder dem Diebstahl eines

270 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tagungsberichte

17. Kulturwissenschaftlicher Dialog „Ar-

„Keramik und Technik“, 43. Internationa-

bis heute samt Drehscheibe, Modeln und wei-

chäologie und Militär“, Institut für Human-

les Symposium Keramikforschung

teren Kleingeräten, Trocknungsgestellen, Gla-

und Sozialwissenschaften der Landes-

Mautern (A)

surmühle sowie Brennofen weitgehend erhal-

verteidigungsakademie

20.–25. September 2010

ten und wurde erst vor kurzem „wiederent-

Wien (A)

Vom 20. bis 25. September 2010 fand das 43.

deckt“. Weitere Punkte der Exkursion stellten

21. September 2010

Internationale Symposium Keramikforschung,

das reichhaltige Fundmaterial aus dem Alche-

Nach der Begrüßung und Eröffnung der Veran-

veranstaltet vom Arbeitskreis für Keramikfor-

mistenlabor des 16. Jahrhunderts in Ober-

staltung durch den Leiter des Instituts für Hu-

schung und der Österreichischen Gesellschaft

stockstall samt dem zugehörigen Alchemisten-

man- und Sozialwissenschaften der Landes-

für Mittelalterarchäologie, in der Römerhalle in

museum in Kirchberg/Wagram sowie das Kra-

verteidigungsakademie Andreas Stupka führte

Mautern an der Donau statt. Zum Thema „Ke-

huletzmuseum in Eggenburg mit seiner volks-

Andreas Thalhammer in die Thematik „Archäo-

ramik und Technik“ trafen sich ca. 115 Archäo-

kundlichen Keramiksammlung dar.

logie und Militär“ sowie in deren Forschungsge-

logen, Kunsthistoriker,Volkskundler, Geologen,

Die Vorträge deckten das breite Spektrum an

schichte ein. Michael Doneus vom Institut für

Mathematiker, Keramiker und Sammler aus

unterschiedlichsten Materialien und Fragestel-

Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien

Österreich, Deutschland, der Schweiz, Belgien,

lungen der aktuellen Keramikforschung ab.

erläuterte anhand von Beispielen verschiedene

den Niederlanden, der Tschechischen Repu-

Die Räumlichkeiten in der Römerhalle boten

archäologische

blik, Ungarn, Polen und Rumänien.

samt Innenhof und zugehörigem Restaurant ei-

vor allem die Luftbildarchäologie und das Air-

In den 44 Vorträgen wurde die antike und früh-

nen sehr gemütlichen Tagungsrahmen, der zu

borne-Laserscanning. Er zeigte unter anderem

mittelalterliche, vor allem aber die mittelalterli-

vielen Diskussionen und Fachgesprächen auch

Ergebnisse seines Projekts „LIDAR-gestützte

che und neuzeitliche Keramik unter verschie-

im kleineren Kreis anregte. Sehr hervorgeho-

archäologische Prospektion“ im bewaldeten

densten Aspekten behandelt. Die Themen um-

ben wurden von den Tagungsteilnehmern die

Leithagebirge. Stefan Groh, stellvertretender

fassten naturwissenschaftliche Untersuchun-

perfekte Organisation der Tagung und v. a.

Direktor des Österreichischen Archäologischen

gen

und

die wirklich gelungenen Exkursionen samt Ex-

Instituts Wien, stellte neue Erkenntnisse der ar-

Glasuren, Töpfer- und Ziegelbrennöfen, die

kursionsführer. Die Publikation der Tagungs-

chäologischen Forschung zum römerzeitlichen,

Fayence-, Steinzeug- und Porzellanproduktion,

beiträge erfolgt im Band 27 der „Beiträge zur

an der Bernsteinstraße gelegenen Militärlager

Baukeramik und Fliesen sowie keramische

Mittelalterarchäologie in Österreich“.

von Strebersdorf im Burgenland vor. Friedrich

Sonderformen wie bergmännische Schalen-

Schipper vom Institut für Alttestamentarische

lampen, Kühlkeramik aus Glashütten, kerami-

Wissenschaft und Biblische Archäologie der

sches Schreibzeug und Keramik aus einer che-

Evangelisch-Theologischen Fakultät der Uni-

mischen/alchemistischen

versität Wien sprach zum Thema: „Archäologie

Posterpräsentationen ergänzten das Tagungs-

unter Beschuss? Zum Kulturgüterschutz im

programm.

Rahmen der jüngeren Konflikte in den Ländern

Eine der beiden Tagesexkursionen führte durch

des Vorderen Orients“. Die Berichterstatterin,

die Wachau ins Mostviertel. Besichtigt wurde

Stadtarchäologie Wien, referierte über Militär-

hierbei das Keramikmuseum in Scheibbs am

bzw. Schlachtfeldarchäologie und präsentierte

ehemaligen Standort der Keramikfabrik, in der

die aktuellen Grabungsergebnisse zur frühneu-

von 1923 bis 2004 Keramik – in den Anfängen

zeitlichen Wiener Stadtbefestigung. Andreas

vor allem farbenfrohe, expressive Kunstkera-

Scherer vom Bundesministerium für Landes-

mik der Wiener Werkstätten – hergestellt wur-

verteidigung und Sport zeigte anhand zahlrei-

de. Eine weitere Station bildete die Ulrichskir-

cher Fotos verschiedenste Überreste der ös-

che in Wieselburg. In Wilhelmsburg wurde

terreichischen Landesbefestigung aus der Zeit

das 2007 gegründete Geschirrmuseum Wil-

des Kalten Krieges und thematisierte die Frage

helmsburg besucht, das die Geschichte des

des archäologischen Erbes und seiner Bewah-

Wilhelmsburger Steinguts seit 1795 und des

rung.

„Lilien-Porzellans“ mit seiner bekannten Form

Die Referentinnen und Referenten beleuchte-

„Daisy“ vermittelt, die in den 1950er- und

ten das Thema „Archäologie und Militär“ von

1960er-Jahren in ganz Österreich weit verbrei-

ganz unterschiedlichen Seiten: Der Themenbo-

tet war.

gen spannte sich von der Forschungsge-

Im Rahmen der zweiten Tagesexkursion ins

schichte, bei der Personen militärischen Ran-

Weinviertel wurden die Heiligblutkirche sowie

ges im Dienste archäologischer Forschung vor-

eine Töpferwerkstatt des frühen 20. Jahrhun-

gestellt wurden, über moderne archäologische

derts in Pulkau besichtigt. Die Hafnerei Hehl

Prospektionsmethoden, die ursprünglich für

stellte einerseits Keramik für den lokalen Markt

militärische Zwecke entwickelt wurden, bis hin

her und führte andererseits möglicherweise

zu Ausgrabungen militärischer Objekte sowie

Auftragsarbeiten für Keramiker aus dem Um-

die Bedeutung des Kulturgüterschutzes ar-

kreis der „Vereinigten Wiener und Gmundner

chäologischer Ausgrabungsstätten während

Keramik“ durch. Der Werkstattbetrieb wurde

militärischer Konflikte.

vermutlich in den frühen 30er-Jahren des 20.

Prospektionsmöglichkeiten,

(H. K.)

von

Keramik,

weiters

Model

Werkstatt.

Einige

Jahrhunderts eingestellt; das Inventar blieb

(K. T.)

Tagung der Arbeitsgemeinschaft Donauländer, Arbeitskreis „Kultur und Wissenschaft“ Pécs, Komitat Baranya (HU) 23.–25. September 2011 Die „Arbeitsgemeinschaft Donauländer“ ist ein Zusammenschluss der Donau-Anrainerregionen auf Ebene der Bundesländer, welche die Förderung

grenzüberschreitender

Projekte

zum Ziel hat. Sie besteht aus mehreren Arbeitskreisen, die sich aus leitenden Beamten zusammensetzen und jedes Jahr in einem anderen Mitgliedsland eine Tagung abhalten. Die Unterzeichnenden sind die Vertreter der Stadt Wien im Arbeitskreis „Kultur und Wissenschaft“. Im Jahre 2010 fand das Treffen in Pécs statt, das zu der Zeit Kulturhauptstadt war,Veranstaltungsort war ein neu errichtetes Kongresszentrum unweit der Universität. Nach der Begrüßung und Erledigung der formalen Erfordernisse hielt Peter de Martin, der Generalsekretär der ARGE Donauländer, einen Fachvortrag über die Donauraumstrategie der Europäischen Union. Er wies darauf hin, dass es mit der EU-Strategie gelungen ist, den Donauraum als europäische Großregion anzuerkennen. Der Aktionsplan der Europäischen Kommission umfasse Anregungen, die eine wichtige Bestätigung für die Arbeitskreise der ARGE Donauländer darstelle. Die Teilnehmer

271 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tagungsberichte

wurden dazu aufgerufen, weitere Projekte zur

war den Arbeitskreisen „Wirtschaft und Touris-

hänge ist eine der notwendigen Grundvoraus-

Kooperation zu entwickeln und zu betreiben.

mus“ sowie „Jugend und Sport“ vorbehalten.

setzungen für die wissenschaftliche Zusam-

Von Eugen Scherer, dem Vorsitzenden des Ar-

Am Ende der Tagung gab Eugen Scherer in ei-

menarbeit unterschiedlicher Disziplinen. Die di-

beitskreises „Kultur und Wissenschaft“, wurde

ner sehr emotionalen Ansprache seinen Rück-

gitale Datenerfassung umfasst dabei unter-

ein abgeschlossenes Projekt vorgestellt, und

tritt von der Funktion als Vorsitzender des Ar-

schiedlichste räumliche Messmethoden wie

zwar die Publikation „Daheim in Nachbars Kü-

beitskreises „Kultur und Wissenschaft“ be-

Punktmessungen, fotogrammetrische Analy-

che“. In diesem Kochbuch werden Rezepte

kannt, die er zwanzig Jahre lang innehatte.

sen und 3D-Scanmethoden, die teilweise zu ei-

aus den verschiedenen Donauregionen prä-

Ihm wurde vom Generalsekretär der ARGE,

nem enormen Datenvolumen führen können.

sentiert und mit zahlreichen Fotografien illus-

Peter de Martin, Dank und Anerkennung für

Darüber hinaus werden spezifische Eigen-

triert. Was möglicherweise etwas banal klingt,

seine erfolgreiche Tätigkeit ausgesprochen.

schaften der einzelnen Objekte in Datenbanken

ist das Ergebnis intensiver Verständigung zwi-

Zu seinem Nachfolger wurde Hermann Diko-

gespeichert, die mit den räumlichen Messwer-

schen den einzelnen Autoren, die im Zuge der

witsch von der Kulturabteilung der Niederöster-

ten verknüpft werden müssen. Werden diese

Entstehung dieses verbindenden Werkes ver-

reichischen Landesregierung ernannt.

Informationen auch noch zeitlich referenziert,

sucht haben, die jeweiligen Besonderheiten ih-

(Ch. Ö./K. F. A.)

rer Region darzustellen. Alleine der Prozess hat bereits zu intensivem Verständnis beigetragen. Es folgten ein Bericht über die Vergabe von Stipendien durch die ARGE Donauländer sowie über die Teilnahme des Vereins an dem Wiener Projekt „DonauHanse“ mit der digitalen Karte „Kulturstraße Donau“, die auf der eigenen Homepage www.argedonau.at zu sehen ist. Als nächster Punkt der Tagesordnung hielt die Berichterstatterin als Vertreterin der Stadt Wien einen Fachvortrag über die „Österreichweite Initiative zur Harmonisierung von Kulturportalen“. Sie berichtete über den Fortschritt der Arbeiten betreffend der Kulturportale der einzelnen Bundesländer auf dem Geodatenportal www.geoland.at. Diese Initiative ist auf der Tagung „Kulturelles Erbe und neue Technologien“ der Stadtarchäologie Wien entstanden und zielt darauf ab, den Zugang zu Informationen über wichtige Bauten und materielle Kulturgüter zu vereinfachen. Dazu wurden bereits mehrere Sitzungen mit Fachvertretern von Kultur- und Archivabteilungen sowie von GIS-Abteilungen abgehalten, mit dem Ergebnis, dass bereits einige Themen auf der digitalen Karte abgerufen werden können. Nach zwei Vorträgen zu eher regionalen Themen, nämlich über das Busó-Festival (Komitat Baranya) und den Pannonischen Limes im „Danube Limes Program“, folgten Ausführungen zu den Auswirkungen des Kulturhauptstadt-Jahres auf die Region von Pécs. Der Nachmittag

entstehen vierdimensionale Objekte, die durch oben beschriebene Erweiterungen durch Attri-

“15th International Conference on Cultural Heritage and New Technologies” Wien (A) 15.–17. November 2010 Die von der Stadtarchäologie Wien veranstaltete internationale Konferenz “Cultural Heritage and New Technologies” hat sich von einem Workshop über „Archäologie und Computer“ zu einer weltweit anerkannten Konferenz entwickelt, die 2010 das 15-jährige Jubiläum begehen konnte. Das Programm aus Workshops, Vorträgen, Posterpräsentationen und Videobeiträgen stand in diesem Jahr unter dem Motto “Urban Archaeology”. Trotz des bereits 15jährigen Bestehens sind es immer wieder zusätzliche „neue Technologien“ auf dem Informations- und Kommunikationssektor, im Vermessungswesen, Multimediabereich etc., die den internationalen Austausch anregen und alle Teilnehmer vor neue Anforderungen stellen. Aus der Sichtweise eines Informatikers aus dem Gebiet der „digitalen Architektur und Raumplanung“ ist die Vielfalt der angewandten digitalen Methoden ein besonderes Charakteristikum dieser Konferenz. Doch nicht nur die methodische Vielfalt, sondern auch die Komplexität und Quantität der Daten aus dem Be-

bute/Metadaten eigentlich multidimensionale Objekte darstellen. Da archäologische Daten oft auch unvollständig sind bzw. deren inhaltliche Interpretation mehrdeutig sein kann, ergeben sich zusätzliche Herausforderungen in der Beschreibung der Gegenstände. Werden weitere Interpretationen aus den bei einer Grabung aufgenommenen Daten abgeleitet – z. B. bei Rekonstruktionen von städtischen Strukturen – ist es für die wissenschaftliche Nachvollziehbarkeit notwendig, sämtliche Zwischenschritte der Interpretation mit den entsprechenden Literaturhinweisen zu ergänzen und auch mögliche Varianten bei mehreren Deutungsmöglichkeiten für den Diskurs zur Verfügung zu stellen. Dieser kurze Ausschnitt zu einer spezifischen Problemstellung im Bereich der Interpretation von „Cultural Heritage“-Daten soll lediglich auf die Komplexität der digitalen Datenverarbeitung in diesem Bereich hinweisen, wobei trotz rasanter technischer Entwicklung viele inhaltliche Fragestellungen erst im Ansatz gelöst werden konnten. Somit ist ein regelmäßiger interdisziplinärer Austausch des bereits akkumulierten Wissens für die Weiterentwicklung der digitalen Methoden in diesem Bereich von essenzieller Bedeutung.

(P. F.)

reich des Kulturellen Erbes stellen eine große Herausforderung dar. Deren Einbettung in räumliche, zeitliche und inhaltliche Zusammen-

272 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Rezension

Rezension

che Voraussetzungen notwendig sind, dass

mit der Bestimmung der Holzarten, die von E.

Holz die Jahrhunderte überdauern kann. Dies

Neuweiler begonnen und systematisch von F.

ist in einer extrem trockenen Umwelt, wie sie

Schweingruber fortgesetzt wurde. Es zeigte

zum Beispiel in den Wüsten Nordafrikas vor-

sich, dass vor allem das Holz der Weißtanne

kommt, möglich. Eine ähnlich gute Erhaltung

und des Buchsbaums gerne verwendet wurde.

erfuhren Objekte, die permanent durchfeuchtet

Für alle diejenigen, die mit den lateinischen Na-

und unter Luftabschluss im Boden geblieben

men der Hölzer nicht vertraut sind, steht auf

sind. Dies kommt zum einen in Erdschichten

Seite 119 ein Verzeichnis der deutschen Na-

vor, die eine beständige Durchdringung mit Si-

men zur Verfügung.

cker- oder Quellwasser erfahren, oder bei einer

Das letzte und auch umfangreichste Kapitel (S.

Lagerung in Sod- oder Schachtbrunnen unter-

25–118) behandelt alles Wissenswerte zu den

halb des Grundwasserspiegels. Ein weitaus

einzelnen Fundgruppen in Form eines vorange-

geringerer Prozentsatz an Artefakten hat sich

stellten Katalogs und den danach folgenden

entweder durch den Einfluss von chemischen

Kommentaren und Vergleichen. Vor allem Letz-

Substanzen (Salze und Eisenoxide) oder durch

tere zeigen die jahrelange Beschäftigung mit

Verkohlung nach Hitzeeinwirkung erhalten.

diesem Thema, denn der Autor zog für seine In-

Rudolf Fellmann,

Im zweiten Teil (S. 14–19) werden jene Fundor-

terpretationen nicht nur Vergleichsmaterial aus

Römische Kleinfunde aus Holz aus dem

te in der Schweiz vorgestellt, in denen sich rö-

anderen Grabungen und Publikationen, son-

Legionslager Vindonissa

merzeitliche Holzobjekte erhalten haben. Der

dern auch schriftliche Quellen, Bildquellen

Veröffentlichungen der Gesellschaft Pro Vindo-

größte Fundposten (mehr als 1800 Objekte)

(v. a. Grabsteine) und ethnologische Vergleiche

nissa 20

befand sich im sog. Schutthügel, welcher sich

heran. Insgesamt umfasst dieses Kapitel 1218

Gesellschaft Pro Vindonissa, Brugg 2009

vor dem Nordtor des Legionslagers von Vindo-

Katalognummern. Auf 43 Tafeln sind diejenigen

184 Seiten, 23 SW-Abbildungen, 43 Tafeln;

nissa gebildet hat. In einem Zeitraum von 70

Artefakte im Maßstab 1:2 bis 1:4 abgebildet,

21,5630 cm, gebunden

bis 75 Jahren hat sich eine Halde mit ca.

die im Katalog durch eine fett gedruckte Kata-

ISBN 978-3-9523105-3-3, CHF 90,–

50.000 m3 Müll angehäuft, deren tiefere

lognummer gekennzeichnet sind.

Schichten durch Quellhorizonte ständig durch-

Die Objekte lassen sich grob zu zwölf Themen-

Der 20. Band der Reihe Veröffentlichungen der

feuchtet worden sind. Ein Fundposten von im-

kreisen zusammenfassen. Aus dem Bereich

Gesellschaft Pro Vindonissa behandelt eine

merhin 40 Stücken stammt aus der im Grund-

der Lebensmittelaufbewahrung, des Essens

überaus interessante, aber leider nur unter

wasser liegenden Sohle des Keltengrabens,

und Kochens konnten in Vindonissa geschnitz-

ganz bestimmten Umständen auffindbare Ma-

der in der Frühzeit des Legionslagers

te oder gedrechselte Schalen und Deckel (S.

terialgruppe.

Vindonissa offenbar systematisch verfüllt wur-

55–56), Böden von Korbwaren (S. 81–83),

Das hier vorgestellte Werk hat eine Entste-

de. Dieser Komplex ist chronologisch vor

Fragmente von Eimern (S. 49–52), Löffel und

hungsgeschichte, die über ein halbes Jahrhun-

dem Material des Schutthügels anzusiedeln.

Schöpfkellen festgestellt werden. Verschlos-

dert gedauert hat. Der Autor war von 1952 bis

Weitere Fundposten stammen von der Brücke

sen wurden Fässer, Amphoren und Krüge mit

1957 als Konservator am Vindonissa-Museum

von Le Rondet (Kanton Fribourg), aus der colo-

Pfropfen, Zapfen und Stöpseln (S. 25–29).

tätig. Bereits am Beginn seiner Tätigkeit wurde

nia Augusta Raurica und aus den vici Vitudu-

(Kat.-Nr. 97 und 112 würden gut in den Krug

das von ihm hier veröffentlichte Material im Kel-

rum, Petinesca, Iuliomagus, Tasgaetium und

aus Vindonissa in C. Schucany et al. [Hrsg.],

ler des Museums entdeckt und seine Bedeu-

Aquae Helveticae.

Römische Keramik in der Schweiz. Antiqua

tung erkannt. Die weitere berufliche Entwick-

Das dritte Kapitel (S. 20–22) befasst sich mit

31 [Basel 1999] Taf. 88,18 passen.)

lung des Autors hatte zur Folge, dass dieses

den besonderen Problemen bei der Konservie-

Ein großer Teil der Artefakte gehörte zur Grup-

umfangreiche Material nur mehr neben seiner

rung dieses Fundmaterials. Berichtet wird zum

pe der Werkzeuge und Geräte. Zur Textilverar-

eigentlichen Tätigkeit bearbeitet werden konn-

einen über die Konservierungsschritte, die in

beitung verwendete man Stab- und Kegelspin-

te. Zahlreiche Forschungsreisen und die Kom-

der Vergangenheit zum Einsatz kamen, sofern

deln (S. 29–35). Letztere sind sehr sorgfältig

munikation mit den unterschiedlichsten Fach-

dies aus den Unterlagen ersichtlich war. Zu-

gedrechselt worden und könnten als Vorläufer

kollegen ermöglichten ihm, so viel Wissen an-

sätzlich beschreibt der Autor, welche Auswir-

der Weberschiffchen angesehen werden. Fell-

zusammeln, um diese sehr komplexe Materie

kungen sie auf das Gewicht und die Maßhaltig-

mann untermauert seine These durch zwei

umfassend zu beschreiben und zu interpretie-

keit der Fundstücke hatten. Zum anderen wer-

Grabsteine, auf denen die Verstorbene einer-

ren.

den vom Autor die modernen Methoden der

seits mit einem Garnstrang abgebildet und an-

Die Arbeit gliedert sich in fünf Abschnitte: Im

Holzkonservierung referiert.

dererseits im Hintergrund ein Webstuhl darge-

ersten Kapitel (S. 11–13) erklärt der Autor, wel-

Das folgende Kapitel (S. 23–24) befasst sich

stellt ist. Kurz angerissen wird in Zusammen-

273 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Rezension

hang mit dieser Fundgruppe auch die Frage

chen Arten von Leisten (S. 89–91), Schindeln

Fellmann übernimmt hier Michael Speidels Ty-

nach den Frauen innerhalb des Lagers. Der Au-

(S. 92–93), Keile, Klammern (S. 93–94), Fens-

pologie (M. A. Speidel, Die römischen Schreib-

tor stellt die Möglichkeit zur Diskussion, dass

terrahmen und -sprossen (S. 94–98). Der pri-

tafeln von Vindonissa. Veröff. Ges. Pro Vindo-

der Müll der canabae legionis und des Legions-

vate Bereich wurde mit Hebe- und Schiebe-

nissa 12 [Brugg 1996]) und verfeinert sie teil-

lagers an der gleichen Stelle entsorgt worden

schlössern (S. 39–41) vor unbefugtem Betre-

weise. Prinzipiell lassen sich Täfelchen ohne

ist.

ten geschützt, die selten auch aus Holz herge-

Rand, die mit Tinte beschrieben worden sind,

Zur Gruppe der Werkzeuge und Geräte gehör-

stellt worden sind. Römisches Mobiliar bestand

von denen, die einen umlaufenden, erhabenen

ten auch diverse Spulen, Scheiben (S. 35–37),

aus Bettgestellen, Stühlen, Hockern, Truhen,

Rand haben, unterscheiden. Bei Letzteren war

Maßstäbe (S. 37–39) und Werkzeuggriffe (S.

Kästen und Korbsesseln. Fragmente dieser

der vertiefte Teil mit Wachs gefüllt. Weiters ha-

42–47). Großen Raum nimmt die Beschreibung

Einrichtungsgegenstände (S. 83–89) sind in

ben sich insgesamt elf tabulae ansatae und ein

des Bohrens und Drechselns ein sowie der da-

sehr unterschiedlichem Erhaltungszustand in

Sigelkästchen erhalten.

raus resultierende Abfall (S. 57–63). Fellmann

Vindonissa gefunden worden. Kleinere Habse-

Nicht uninteressant sind auch vier Pfähle (S.

veranschaulicht seine Ausführungen durch

ligkeiten versorgte man in Spanholzschachteln

108–109), deren oberes Ende zu einer an-

Bildmaterial aus dem Ägypten des 3. Jh.

(S. 52–55), von denen meist die Böden erhal-

nähernd runden Scheibe ausgebildet ist. Den

v. Chr. bis zu einer Darstellung eines Drill-

ten geblieben sind.

entscheidenden Hinweis für eine mögliche In-

und Fidelbohrers auf einem Goldglas des 4.

Besonders interessant sind im Kontext mit dem

terpretation erhielt Fellmann durch den Besuch

Jh. n. Chr.

Müll eines Legionslagers natürlich Waffenfunde

eines muslimischen Friedhofs in der Türkei.

Eine eigene Gruppe sind die Werk- und Abfall-

(S. 98–103). Sie bestanden vor allem aus

Hier werden frische Gräber mit Holzstelen mar-

stücke (S. 48–49), die vor allem aus Abschnit-

Schwert- und Dolchgriffen, die sich normaler-

kiert, die einen durchaus vergleichbaren Umriss

ten von Leisten, Brettern, Rundhölzern und be-

weise nur durch die dünnen Bronze- und Edel-

aufweisen. Ähnliche Stelen fanden sich auch in

arbeiteten Stäbchen bestanden. In den Bereich

metallauflagen erhalten. Eine weitere große

zwei Quellheiligtümern in Frankreich, als kulti-

der Toilettengegenstände gehörten Schmink-,

Gruppe waren die Pfeil-, Bolzen- und Speer-

sche Markierung einer Furt in Wittemoor und

Abtropf- und Mörserstäbchen (S. 67–68), ein

schäftungen. Von den beiden ersteren Waffen-

wiederum in Frankreich ein in sehr ähnlicher

Döschen mit ellipsoider Vertiefung und Frag-

gattungen hat sich nur der hölzerne, vordere

Form aus Stein gefertigtes Grab- oder Votiv-

mente von Kämmen (S. 68–73) und Bürsten

Teil erhalten. Federn und Schilfrohr sind auch

monument.

(S. 77–81). In diese Kategorie fallen auch die

hier im feuchten Milieu nicht erhalten geblieben.

Abschließend lässt sich sagen, dass mit dieser

aus Buchsbaumholz gedrehten Pyxiden (S.

Einige Holzfragmente weisen auch einen ge-

Monographie klar zum Ausdruck kommt, dass

63–67), in denen gerne Schminke, Parfüm

wissen „Unterhaltungswert“ auf. So könnten

Gegenstände aus Holz in allen Lebensberei-

und Arzneimittel aufbewahrt wurden. Eine eige-

die Kat.-Nr. 1171–1173 zu flötenartigen Instru-

chen verwendet worden sind. Das Buch kann

ne Gruppe bilden die Sohlenfragmente (S. 73–

menten (S. 105–106) gehört haben. Mit Spiel-

daher sowohl als Einstiegsliteratur in das The-

77) von Sandalen mit Zehenriemenbindung und

kreisel (S. 107) und Jo-Jo (S. 35–37) scheint

ma Holz als auch bei speziellen Fragestellun-

solche von geschlossenen Schuhen.

man sich auch gerne die Zeit vertrieben zu ha-

gen gut zurate gezogen werden.

Sehr viel Holz ist im Bereich des Wohnens ver-

ben.

wendet worden. Zum architektonischen Ver-

Nicht weniger als 638 Schreibtäfelchen (S.

band des Hauses an sich gehörten alle mögli-

109–118) haben sich in Vindonissa erhalten.

(S. J.-W.)

274 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

MitarbeiterInnenverzeichnis

MitarbeiterInnen der Stadtarchäologie Wien 2010 In der Auflistung nicht angeführt sind die zahlreichen temporären Mitarbeiter auf den Ausgrabungen der Stadtarchäologie Wien, deren Bezahlung dankenswerterweise von den jeweiligen Bauträgern übernommen wurde. Name

Projekt

Tätigkeit

Adler-Wölfl, Dr. Kristina

Judenplatz, Unterlaa

Grabungsaufarbeitung

Börner, Mag. Wolfgang

EDV

Betreuung und Koordination

Internetportal „Wien Kulturgut“

Projektleitung und Koordination

International Conference on Cultural Heritage and New Technologies

Tagungsorganisation

Initiative zur „Harmonisierung von Kulturportalen österreichweit“

Koordination für Wien

Rennweg 44

Grabungsaufarbeitung

Projekte „Glasierte Keramik“ und „Oxidierend gebrannte Gebrauchskeramik“

Projektleitung, zeichnerische Aufnahme der Funde

Depot des Wien Museum

Mitbetreuung der archäologischen Bestände

Am Hof

Fundbearbeitung

Chmelar, Werner

Judenplatz, Neutorgasse 4–8, Wipplingerstraße 33 und 35

Grabungsaufarbeitung

Aspern, Rennweg 93A

Ausgrabung

Czeika, Dr. Sigrid

Wipplingerstraße 33 und 35, Klimschgasse 40, Schützengasse 24

Wissenschaftliche Bearbeitung der Tierknochenfunde, Restaurierung von Tierknochen

Dollhofer, Mag. Lotte

Publikationswesen

Redaktion

Eisenmenger, Dr. Ursula

Rennweg 44, Schützengasse 24

Grabungsaufarbeitung

Aspern, Aspangbahnhof

Ausgrabung

Eisenmenger-Klug, Dr. Ursula

Publikationswesen

Redaktion

Aspanggründe

Ausgrabung

Eleftheriadou, Mag. Eleni

Rennweg 44, Projekt Zivilsiedlung

Grabungsaufarbeitung

Fischer Ausserer, Mag. Karin

Leitung Stadtarchäologie Wien

Projektkoordination, Management

Gaisbauer, Mag. Ingeborg

Öffentlichkeitsarbeit

Junior- und Seniorarchäologie, Ausstellungen

Chinelli, Dott.ssa Rita

Weihburggasse 28–32, Neutorgasse 4–8

Grabungsaufarbeitung

Diverse Grabungen

Keramikbestimmungen

Groiß, Mag. Johannes

Bodendenkmalpflege

Baustellenbeobachtung, Transporte

Gruber, Dr. Gertrud

Publikationswesen

Redaktion

Bibliothek

Inventarisierung, Bücherankauf und -tausch

Hanus, Petra

Restaurierung

Restaurierung von Keramik- und Knochenfunden in Zusammenarbeit mit der Initiative Seniorarchäologie

Helgert, Mag. Heidrun

Administration

Assistenz der Leitung, Personalangelegenheiten

Öffentlichkeitsarbeit

Medienkontakte, Homepage

Jäger-Wersonig, Mag. Sabine

Judenplatz, Schützengasse 24

Grabungsaufarbeitung

Aspanggründe

Örtliche Grabungsleitung

Krause, Mag. Heike

Kaiserebersdorf

Ausstellung

Zollergasse 32, Weihburggasse 28–32, St.-Bartholomäus-Platz

Grabungsaufarbeitung

Schlosspark Liesing

Ausgrabung

Burgenprojekt

Burgeninventarisierung Wien

Krüger, Doris

Restaurierung

Restaurierung von Keramik- und Knochenfunden in Zusammenarbeit mit der Initiative Seniorarchäologie

Litschauer, Mag. Constance

Antike Münzfunde Wiens

Bearbeitung der Münzen

Diverse Grabungen

Zeichnerische Aufnahme der Funde

Mader, Dr. Ingrid

Mosser, Dr. Martin

Rennweg 44, Am Hof

Grabungsaufarbeitung

Aspanggründe, Rennweg 93A

Ausgrabung

Rennweg 93A, Wildgansplatz

Örtliche Grabungsleitung

Projekt Stadtbefestigung

Auswertung

Öffentlichkeitsarbeit

Juniorarchäologie, Stadtführung

Judenplatz, Wipplingerstraße 35

Grabungsaufarbeitung

Aspanggründe

Örtliche Grabungsleitung

Ausstellung

Digitale Bauaufnahme der Tribunenhäuser

275 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

MitarbeiterInnenverzeichnis/Namenskürzel

Müller, Mag. Michaela Öllerer, Dr. Christoph

Rennweg 44

Koordination der Fundbearbeitung

Projekt Zivilsiedlung

Auswertung

Wissenschaftliche Koordination Bodendenkmalpflege

Baustellenbeobachtung, Transporte

UVP-Gutachten

Gutachten Kulturgut

Penz, Mag. Martin

Aspern (Flugfeld)

Örtliche Grabungsleitung, Grabungsaufarbeitung

Piperakis, Nikolaos

Projekt Zivilsiedlung

Planbearbeitung

Aspanggründe

Ausgrabung

Fundbearbeitung

Fotografieren

Ranseder, Mag. Christine

Publikationswesen

Gestaltung von Publikationen und Werbemitteln, Anzeigenverwaltung

Ausstellungen

Konzept, Gestaltung

Reichhalter, Dipl. Graph. Gerhard

Diverse Grabungen

Zeichnerische Aufnahme der Funde

Burgenprojekt

Burgeninventarisierung Wien und Niederösterreich (Kooperationsprojekt)

Wipplingerstraße 33 und 35, Neutorgasse 4–8

Aufarbeitung

Reisinger, Dr. Christian

Sakl-Oberthaler, Mag. Sylvia

Schulz, Mag. Michael

Wildgansplatz, Rennweg 93A

Ausgrabung

EDV

Aktualisierung der Fundort-Datenbank

Kulturgüterkataster

GIS-Anwendung (ArchKat)

Aspanggründe

Ausgrabung

U-Bahn-Archäologie

Baustellenbetreuung, Grabungsleitung

Aspern (U2-Verlängerung)

Örtliche Grabungsleitung

Wipplingerstraße 33, Rennweg 44, Michaelerplatz, Judenplatz

Grabungsaufarbeitung

Kulturvermittlung

Ausstellungskonzepte, Vorträge, Führungen

Projekt „Die römischen Lampen von Vindobona“

Projektleitung

Inventarisation

Diathek, Inventar, Depotverwaltung

Administration

Personalangelegenheiten

Aspern, Aspanggründe, Schlosspark Liesing

Ausgrabung

Kaiserebersdorf

Ausstellung

Stipanits, M. A. Ute

Publikationswesen

Redaktion

Tarcsay, Dr. Kinga

Judenplatz, Schützengasse

Aufarbeitung

Uhlirz, DI Susanne

EDV

GIS, Homepages, Systemadministration, User-Betreuung

International Conference on Cultural Heritage and New Technologies

CD-ROM-Publikation, Tagungsorganisation

Namenskürzel Ch. Ö. Ch. R. H. K. H.-R. N. I. M. J. G. K. F. A. K. T. M. M. M. P. P. F. S. J.-W. S. S.-O. S. U. W. B. W. Ch.

Christoph Öllerer Christian Reisinger Heike Krause Hans-Rudolf Neumann Ingrid Mader Johannes Groiß Karin Fischer Ausserer Kinga Tarcsay Martin Mosser Martin Penz Peter Ferschin Sabine Jäger-Wersonig Sylvia Sakl-Oberthaler Susanne Uhlirz Wolfgang Börner Werner Chmelar

276 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis Zitate und Abkürzungen basieren im Allgemeinen auf den Publikationsrichtlinien der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts. Abkürzungen antiker Autoren und deren Werke erfolgen nach Der Neue Pauly 1 (Stuttgart 1996).

Weitere Abkürzungen Abt. ADV

AForsch AHK Anf. Anm. AÖ ArchA AVA B BAR BDA BDm Bef.-Nr. Beih. BeitrMAÖ bes. BHBl BMAVW BS Bst CarnuntumJb CIL CSIR D D. DGM Dig. Dipl. Diss. Dm dok. E. ebd. erh. FA FHKA FMRÖ FMZK Fnr. FO FÖ fol. FÖMat FP Fragm. Fst. FT FWF FWien GC GPA H

Abteilung Automationsunterstützte, elektronische Datenverarbeitung, Informations- und Kommunikationstechnologie Archäologische Forschungen Alte Hofkammer (Österreichisches Staatsarchiv) Anfang Anmerkung Archäologie Österreichs (früher MUAG) Archaeologia Austriaca Allgemeines Verwaltungsarchiv Breite British Archaeological Reports Bundesdenkmalamt Österreich Bodendurchmesser Befundnummer Beiheft/e Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich besonders Burgenländische Heimatblätter Berichte und Mittheilungen des Alterthums-Vereines zu Wien Bodenstück Bodenstärke Carnuntum Jahrbuch Corpus Inscriptionum Latinarum Corpus Signorum Imperii Romani. Corpus der Skulpturen der römischen Welt Dicke Drittel Digitales Geländemodell Digitalisiert Diplomarbeit Dissertation Durchmesser dokumentiert Ende ebenda erhalten Fundakten des Wien Museum Karlsplatz Finanzhofkammerarchiv (Österreichisches Staatsarchiv) Die Fundmünzen der römischen Zeit in Österreich Flächenmehrzweckkarte der Stadt Wien Fundnummer Fundort Fundberichte aus Österreich folio Fundberichte aus Österreich Materialheft Fundprotokolle des Wien Museum Karlsplatz Fragment Fundstelle Fundtagebücher des Wien Museum Karlsplatz; verfasst von J. Nowalski de Lilia und F. Kenner Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung Fundort Wien Grabungscode Genie- und Planarchiv (Österreichisches Staatsarchiv) Höhe

H. HFÖ HKA HKR HMW HS Inv.-Nr. JA JbVGW JSM JZK

KA Kat.-Nr. KHM Wien KPS KS L Lfg. Lfm. M M. MA MAG Mitt. ZK MPK Mskr. MSW MUAG MV

MZK N. F. NHM Wien NÖ NÖHA NÖLA o. J. ÖAI ÖAW ÖJh OK ÖNB OÖHBl ÖStA ox. ÖZKD

Hälfte Österreichische Hoffinanz (Österreichisches Staatsarchiv) Hofkammerarchiv (Österreichisches Staatsarchiv) Hofkriegsrat (Österreichisches Staatsarchiv) Historisches Museum der Stadt Wien – jetzt Wien Museum Karlsplatz Henkelstück Inventarnummer Jahrbuch für Altertumskunde Jahrbuch des Vereins für die Geschichte der Stadt Wien Jahresschrift des Salzburger Museums CarolinoAugusteum Jahrbuch der K. K. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmäler Kriegsarchiv (Österreichisches Staatsarchiv) Katalognummer Kunsthistorisches Museum Wien Karten- und Plansammlung (Österreichisches Staatsarchiv) Kartensammlung Länge Lieferung Laufmeter Maßstab Mitte Magistratsabteilung Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft Wien Mitteilungen der Zentral-Kommission für Denkmalpflege Mitteilungen der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Manuskript Monografien der Stadtarchäologie Wien Mitteilungen der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Ur- und Frühgeschichte (ab 1990 AÖ) Museum Vindobonense – Inventarisationskürzel für Objekte aus der archäologischen Sammlung der Museen der Stadt Wien Mehrzweckkarte der Stadt Wien Neue Folge Naturhistorisches Museum Wien Niederösterreich Niederösterreichische Herrschaftsakten (Österreichisches Staatsarchiv) Niederösterreichisches Landesarchiv ohne Jahr Österreichisches Archäologisches Institut Österreichische Akademie der Wissenschaften Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Instituts Oberkante Österreichische Nationalbibliothek Wien Oberösterreichische Heimatblätter Österreichisches Staatsarchiv oxidierend Österreichische Zeitschrift für Kunst- und Denkmalpflege

277 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Abkürzungsverzeichnis

PAR Parz. RCRF RDm red. rek. RGA RIC RIU RLÖ RÖ RS Rst RZ SFECAG SoSchrÖAI SUS

Pro Austria Romana Parzelle Rei Cretariae Romanae Fautorum Randdurchmesser reduzierend rekonstruiert Reallexikon der Germanischen Altertumskunde The Roman Imperial Coinage (London) Die römischen Inschriften Ungarns (Budapest, Amsterdam, Bonn 1972–) Der römische Limes in Österreich Römisches Österreich Randstück Randstärke Römerzeit Société Française d’Étude le Céramique Antique en Gaule Sonderschriften des Österreichischen Archäologischen Institutes Sonderbestände, Sammlungen und Selekte (Österreichisches Staatsarchiv)

T TS UK Univ. unpubl. v V. vgl. VO WA WAS WForsch WGBl WM WPZ Wr. Null WS Wst WStLA

Tiefe Terra Sigillata Unterkante Universität unpubliziert verso Viertel vergleiche Verwahrort Wien Archäologisch Wiener Archäologische Studien Wiener Forschungen zur Archäologie Wiener Geschichtsblätter Wien Museum Wiener Prähistorische Zeitschrift Wiener Null = 156,68 m über Adria Wandstück Wandstärke Wiener Stadt- und Landesarchiv

278 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Abbildungsnachweis/Impressum/Inserentenverzeichnis

Abbildungsnachweis FWien 14, 2011 Die Stadtarchäologie Wien war bemüht, sämtliche Bild- und Urheberrechte zu eruieren und abzugelten. Bei Beanstandungen ersuchen wir um Kontaktaufnahme. Als Grundlage für Pläne und Kartogramme (Fundchronik) wurde, wenn nicht anders vermerkt, die MZK der Stadt Wien (MA 14 – ADV, MA 41 – Stadtvermessung) verwendet. Wir danken den Kollegen für die gute Zusammenarbeit. Für die Drucklegung wurden sämtliche Pläne und Tafeln von L. Dollhofer und G. Gruber nachbearbeitet. Einband: Abbruch der Kontereskarpe im Bereich der Weihburggasse, Foto: Stadtarchäologie Wien – S. 2, Foto: MDW/Wilke – S. 3, Abb. unten, Wien Museum, Inv.-Nr. 66.821 – S. 5, Abb. 1, Wien Museum/P. Kainz – S. 10, Abb. 4, Wien Museum/P. Kainz – S. 27, Abb. 12, Foto: E. Pichler – S. 35, Abb. 3, ÖNB Bildarchiv, Sign. E 21.267-C/D – S. 38, Abb. 5, Wien Museum, Inv.-Nr. 105.500 – S. 39, Abb. 6, WStLA, Plan- und Schriftenkammer, H I, Stadttore und Brücken, Plan Nr. 184 – S. 40, Abb. 7,Wien Museum, Inv.-Nr. 33.169 – S. 50, Abb. 15, ÖStA, KA, KS, K VII e 155 – S. 52, Abb. 17, ÖStA, KA, Inv.-Nr. GPA Inland C I a 2: Wien Nr. 2, Plan Lit. W Bastion I–IV – S. 55, Abb. 20, ÖStA, KA, Inv.-Nr. GPA Inland C 1 a 2: Wien Nr. 16,Teile 5 und 6 – S. 60, Abb. 25,Wien Museum, Inv.-Nr. 55.352 – S. 60, Abb. 26,Wien Museum, Inv.-Nr. 213.465 – S. 61, Abb. 27, Wien Museum, Inv.-Nr. 79.829 – S. 145, Abb. 1, Wien Museum, Inv.-Nr. 87.978 – S. 146, Abb. 2, Wien Museum, Inv.-Nr. 12.942/18 – S. 150, Abb. 3, WStLA, Kartographische Sammlung At 41 – S. 152, Abb. 5, WStLA, Kartographische Sammlung 11 – S. 153, Abb. 6,Wien Museum, Inv.-Nr. 8.945 – S. 154, Abb. 7,Wien Museum, Inv.-Nr. 66. 821 – S. 156, Abb. 9, Bundesdenkmalamt – S. 156, Abb. 10, Bundesdenkmalamt – S. 159, Abb. 14, WStLA 3.2.1.1.P1, 1429 – S. 169, Abb. 4, Wien Museum, Inv.-Nr. 16013/34 – S. 173, Abb. 9,Wien Museum, FT IV, 15–16, Naglergasse, 23. Mai 1901 – S. 173, Abb. 10,Wien Museum, FARZ, Petersplatz, 1./2. Oktober 1904, Kartenrückseite – S. 177, Abb. 12,Wien Museum, FA-RZ, Rotgasse/Rabensteig, 28. August 1910 – S. 178, Abb. 13,Wien Museum – S. 178, Abb. 14,Wien Museum – S. 180, Abb. 15, Foto: R. Kohn, Österreichische Akademie der Wissenschaften – S. 212, Abb. 13, Foto: A. Maspoli – S. 241, Abb. 5, Foto: G. Weinlinger.

Impressum

Inserentenverzeichnis

Fundort Wien. Berichte zur Archäologie erscheint einmal jährlich.

Wiener Geschichtsblätter

Abonnement-Preis: EUR 25,60

MediaHistoria.com

Einzelpreis: EUR 34,–

Wien Museum

135

Herausgeber: Stadtarchäologie Wien. Leitung: Karin Fischer Ausserer

Albrechtsberger

225

Redaktion und Lektorat: Lotte Dollhofer, Ursula Eisenmenger-Klug,

BIG

225

Gertrud Gruber, Ute Stipanits

Asfinag

233

71 125

Layout: Christine Ranseder Satz/Umbruch: Roman Jacobek Umschlaggestaltung: Pink House Studio Anzeigenverwaltung: Heidrun Helgert Schriftentausch: Gertrud Gruber Obere Augartenstraße 26–28/32, A–1020 Wien Tel.: (+43) 1/4000 81 157 E-Mail: [email protected] Druck: Robitschek & Co Ges.m.b.H., 1050 Wien Auslieferung/Vertrieb: Phoibos Verlag Anzengrubergasse 16/9 A–1050 Wien, Austria Tel.: (+43) 1/544 03 191; Fax (+43) 1/544 03 199 www.phoibos.at, [email protected] Kurzzitat: FWien 14, 2011 Alle Rechte vorbehalten © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie ISBN 978-3- 85161- 060- 4, ISSN 1561- 4891 Wien 2011

279 Fundort Wien 14, 2011. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie